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315,347 | olgk-1988-07-15-2-ws-34088 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
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"state": 12,
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"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 2 Ws 340/88 | 1988-07-15T00:00:00 | 2019-03-13T14:53:18 | 2019-03-27T09:43:21 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1988:0715.2WS340.88.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>1. Die Beschwerde wird verworfen.</p>
<p></p>
<p>2. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten der Beschwerde.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Das Schöffengericht Köln hat den Angeklagten am 19. April 1988 wegen Diebstahls in zwei besonders schweren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten verurteilt. Gegen dieses, in seiner Anwesenheit verkündete Urteil hat der Angeklagte mit einem am 20. April 1988 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz seines damaligen Wahlverteidigers Rechtsanwalt (...) Berufung eingelegt und das Rechtsmittel auf das Strafmaß beschränkt. Der Vorsitzende der 7. großen Strafkammer des Landgerichts Köln hat Termin zur Hauptverhandlung über die Berufung des Angeklagten auf den 28. Juli 1988 bestimmt und dem Angeklagten Rechtsanwalt ... als Pflichtverteidiger beigeordnet. Mit dem angefochtenen Beschluß hat der Vorsitzende der Strafkammer Rechtsanwalt P. in Köln zum Pflichtverteidiger des Angeklagten bestimmt, weil Rechtsanwalt M. infolge seines Jahresurlaubs verhindert sein wird, den Berufungstermin vom 28. Juli 1988 wahrzunehmen. Gegen diesen Beschluß wendet sich der Angeklagte, der seit dem 22. Januar 1988 ununterbrochen in Untersuchungshaft ist, mit der Beschwerde.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde des Angeklagten hat keinen Erfolg, weil sie unzulässig ist.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist an sich statthaft (§ 304 StPO); sie ist insbesondere nicht durch § 305 StPO ausgeschlossen. Der Senat hält an seiner früheren Rechtsprechung, daß § 305 StPO die Beschwerde gegen eine Entscheidung des Gerichtsvorsitzenden eines erkennenden Gerichts über die Bestellung eines Pflichtverteidigers ausschließt, nicht fest. Eine solche Entscheidung unterliegt einer selbständigen Anfechtung durch die Beschwerde. Wenngleich es sich bei der Entscheidung durch den Gerichtsvorsitzenden um eine solche handelt, die der Entscheidung des erkennenden Gerichts gleichzustellen ist (Löwe-Rosenberg, Großkomm, zur StPO, 24. Aufl., Rdn. 10 zu § 305 StPO; Karlsruher Kommentar zur Strafprozeßordnung, 2. Aufl., Rdn. 4 zu § 305; Kleinknecht Meyer, Strafprozeßordnung, 38. Aufl., Rdn. 3 zu § 305 StPO), so steht § 305 dennoch der Beschwerde nicht entgegen, weil die angefochtene Entscheidung nicht nur der Urteilsvorbereitung dient, sondern weitere Verfahrenswirkungen äußert. Das Rechtschutzinteresse des Angeklagten geht über die nach § 238 Abs. 2 StPO mögliche Entscheidung durch das Gericht oder eine Überprüfung in der Revisionsinstanz hinaus. Bei einer Unterlassung prozessualer Handlungen können für den Angeklagten infolge Zeitablaufs Nachteile eintreten, die nach Ablauf des Revisionsverfahrens nicht mehr korrigiert werden können (OLG Schleswig, OLG St n.F., Nr. 2 zu § 141 StPO; OLG Celle, NStZ 1988, 39; Karlsruher Kommentar, a.a.O. Rdn. 8 zu § 305 StPO). So kann z.B. der auf Zeitablauf beruhende Mißerfolg eines Beweisantrages auch durch die Aufhebung des Urteils nicht mehr aus der Welt geschaffen werden.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist allerdings mangels Beschwer unzulässig. Die Bestellung eines Pflichtverteidigers ist mangels Beschwer grundsätzlich einer Anfechtung entzogen (Löwe-Rosenberg, Großkomm, zur StPO, 23. Aufl., Rdn. 45 zu § 141 StPO; Karlsruher Kommentar, a.a.O., Rdn. 12 zu § 141 StPO; Kleinknecht Meyer, a.a.O., Rdn. 9 zu § 141). Es ist jedoch allgemein anerkannt, daß der Angeklagte die Bestellung eines Pflichtverteidigers neben einem Wahlverteidger mit der Beschwerde anfechten kann, wenn gleichzeitig geltend gemacht wird, die Bestellung eines Pflichtverteidigers neben einen bereits zuvor bevollmächtigten Wahlverteidiger sei unzulässig (OLG München, NJW 1981, 2208; OLG Koblenz, OLG St § 304 Nr. 2; OLG Celle, NStZ 88, 39; Löwe-Rosenberg, Großkommentar zur StPO, 23. Aufl., Nr. 45 zu § 141; Karlsruher Kommentar zur StPO, 2. Aufl., Rdn. 12 zu § 141; Kleinknecht-Meyer, Strafprozeßordnung 38. Aufl., Rdn. 9 zu § 141). An einem solchen Beschwerdevorbringen, das bei der Bestellung eines Pflichtverteidigers ausnahmsweise zur Annahme einer Beschwer führen könnte, fehlt es hier Einmal kann es keinen Unterschied ausmachen, ob der Angeklagte bei der Bestellung eines Verteidigers bereits durch einen Wahl- oder Pflichtverteidiger vertreten wird. Denn § 141 Abs. 1 StPO bestimmt, daß im Fall des § 140 Abs. 1 StPO, der hier in der Form des § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO vorliegt, dem Beschuldigten, der noch keinen Verteidiger hat, ein Verteidiger bestellt wird. Einen Unterschied zwischen Wahl- und Pflichtverteidiger macht das Gesetz nicht. Zum anderen ist die Verhinderung eines Verteidigers, an der Hauptverhandlung teilzunehmen, dem Fehlen eines Verteidigers gleichzusetzen. Denn es kann nicht hingenommen werden, daß der Angeklagte in der Hauptverhandlung ohne Beistand ist, obwohl es sich um einen Fall der notwendigen Verteidigung handelt.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Angeklagte ist auch nicht dadurch beschwert, daß er im Falle der Verurteilung Kosten des neu beigeordneten Pflichtverteidigers zu tragen hat (§ 11 Abs. 1 GKG in Verb, mit Nr. 1906 des Kostenverzeichnisses, § 100 BRAGebO). Die Kostenfrage hat neben der ordnungsgemäßen Verteidigung des Angeklagten und des ordnungsgemäßen Ablaufs des Verfahrens außer Betracht zu bleiben (OLG Düsseldorf, MDR 86, 604; OLG Celle, neue Strafrechtzeitung 88, 39). Da es somit an einen Sachvortrag fehlt, muß die Beschwerde mangels Beschwer als unzulässig verworfen werden.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.</p>
|
315,348 | lg-dusseldorf-1988-07-14-4-o-37487 | {
"id": 808,
"name": "Landgericht Düsseldorf",
"slug": "lg-dusseldorf",
"city": 413,
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"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 4 O 374/87 | 1988-07-14T00:00:00 | 2019-03-13T14:53:19 | 2019-03-27T09:43:21 | Urteil | ECLI:DE:LGD:1988:0714.4O374.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>I.</p>
<p>Die Beklagte wird verurteilt,</p>
<p>1.</p>
<p>es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zu-widerhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 5oo.ooo,-- DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, zu unter-lassen,</p>
<p>Spannfedern (auch Zugfedern genannt) mit einem zwischen einem kurzen Schenkel und einem langen Schenkel ange¬ordneten Schraubenfedertei1</p>
<p>zur Benutzung in Halbschalenlagerungen für die Brems-backen einer Trommelbremse mit zwei in Lagerbuchsen einer an einem Achskörper befestigten Bremsbrücke axial zen¬triert und verdrehsicher angeordneten Bremsbolzen, auf denen sich Doppelstege der Bremsbacken mit Halbschalen abstützen, und mit einem Ende an den Bremsbacken an¬greifenden Spannfedern, bei denen in den Bremsbolzen beiderseits der Lagerbuchsen der Bremsbrücke radiale Keil¬nuten angeordnet sind und in die Keilnuten von innen Keile eingesetzt sind und bei denen die als Zugfedern aus¬gebildeten Spannfedern mit ihren langen Schenkeln an den Bremsbolzen vorbeigeführt sind und am schmaleren Ende der Keile angreifen,</p>
<p> </p>
<p></p>
<p></p>
<p>im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland einschließ-lich West-Berlin anzubieten oder zu liefern;</p>
<p>2. der Klägerin über den Umfang dr zu 1. Beschriebenen und seit dem 26. Mai 1984 begangenen Handlungen Rechnung zu legen, und zwar unter Angabe der einzelnen Lieferungen unter Nennung</p>
<p>a) der Liefermenge, Typenbezeichnung, Lieferzeiten, Lieferpreise und Namen und Anschriften der Abnehmer,</p>
<p>b) der Gestehungskosten unter Angabre der einzelnen Kostenfaktoren, sowie</p>
<p>c) des erzielten Gewinns,</p>
<p>d) der Angebotsmengen, Typenbezeichnungen, Angebots-zeiten, Angebotspreise und Namen und Anschriften der Angebotsempfänger, sowie</p>
<p>e) der einzelnen Werbeträger, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet;</p>
<p>dabei bleibt der Beklagten nach ihrer Wahl vorbehalten, die Namen und Anschriften der Abnehmer und Angebots¬empfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, zur Verschwiegenheit gegenüber der Klägerin verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern sie dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt, der Klägerin auf Befragen darüber Auskunft zu geben, ob ein bestimmter Abnehmer, eine bestimmte Lieferung, ein be¬stimmter Angebotsempfänger oder ein bestimmtes Angebot in der Rechnung enthalten ist.</p>
<p> </p>
<p>II.</p>
<p>Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. 1. bezeichneten, seit dem 26. Mai 1984 begangenen Handlungen entstanden ist und noch ent¬stehen wird.</p>
<p>III.</p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.</p>
<p> IV.</p>
<p>Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von</p>
<p>75.000,-- DM vorläufig vollstreckbar.</p>
<p>Die Sicherheit kann auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich West-Berlin ansässigen Großbank oder öffentlichen Sparkasse erbracht werden. </p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:44px"><b><u>T a t b e s t a n d :</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:44px">Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents X (Anlage 3) mit der Bezeichnung "Halbschalenlagerung für die Bremsbacken einer Trommelbremse". Das Patent beruht auf einer Anmeldung vom 18. Juni 1983, für die die Priorität der inhaltsgleichen deutschen Patentanmeldung X vom 10. Juli 1982 in Anspruch genommen worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die deutsche Anmeldung hat zu dem Patent X (Anlage 1) geführt, dessen Erteilung am 26. April 1984 veröffentlicht worden ist. Der Hinweis auf die Erteilung des europäischen Patents ist am 16. April 1986 bekanntgemacht worden; ein Einspruch gegen das Patent ist nicht eingelegt worden.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Ansprüche 1., 3. und 4. des europäischen Patents haben folgenden Wortlaut:</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:102px">"1. Halbschalenlagerung für die Bremsbacken einer Trommelbremse mit zwei in Lagerbuchsen einer an einem Achskörper befestigten Bremsbrücke axial zentriert und verdrehsicher angeordneten Bremsbolzen, auf denen sich Doppelstege der Bremsbacken mit Halbschalen abstützen, und mit einem Ende an den Bremsbacken angreifenden Spannfedern, dadurch gekennzeichnet, daß in den Bremsbolzen (7) beiderseits der Lagerbuchsen (6) der Bremsbrücke (2) radiale Nuten (16) angeordnet sind und daß in die Nuten (16) Keile (17, 22, 23) eingesetzt sind, an denen die Spann -federn (2o, 24) mit ihrem anderen Ende angreifen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:103px">3. Halbschalenlagerung nach Anspruch 1. dadurch gekennzeichnet, daß die Keile (22) von innen in die Keilnuten (16) eingesetzt sind und die Spannfedern (2o) an Zapfen (19) am schmaleren <b>Ende der </b>Keile (22) angreifen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:103px">4. Halbschalenlagerung nach den Ansprüchen 1. und 2. oder 3., dadurch gekennzeichnet, daß die Spannfedern als Zugfedern (2o) ausgebildet und an den Bremsbolzen (7) vorbeigeführt sind".</p>
|
315,349 | olgham-1988-07-13-20-w-3788 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 20 W 37/88 | 1988-07-13T00:00:00 | 2019-03-13T14:53:20 | 2019-03-27T09:43:21 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1988:0713.20W37.88.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der angefochtene Beschluß wird abgeändert.</p>
<p>Der Streitwert für den Klageantrag zu 1) wird auf 2.000.000,- DM, für den Klageantrag zu 2) auf 200.000,- DM, insgesamt somit auf 2.200.000,- DM, festgesetzt.</p>
<p>Die weitergehenden Beschwerden werden zurückgewiesen.</p>
<p>Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Streitwertbeschwerden der Parteien sind gemäß §25 Abs. 2 GKG zulässig und im wesentlichen begründet.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks"><b>1.</b></p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Mit ihrem Klageantrag zu 1) begehrte die Klägerin die Feststellung, daß sie nicht verpflichtet sei, der Beklagten Versicherungsschutz für Ansprüche der ... gegen die Beklagte aufgrund deren Leistungen bei Erstellung der Koksofenbatterie von 80 Öfen in ... zu gewähren.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Gegenstand des Klageantrags zu 1) war daher eine negative Feststellungsklage im Rahmen eines Deckungsprozesses.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Streitwert der Deckungsklage in der Haftpflichtversicherung bemißt sich gemäß §3 ZPO grundsätzlich nach der Höhe des von dem geschädigten Dritten gegen den Versicherungsnehmer geltend gemachten Haftpflichtanspruchs. Dieses gilt auch bei einer negativen Feststellungsklage des Versicherers gegen den Versicherungsnehmer (Schneider, Stichwort "Versicherungsschutz" Nr. 11; Platz VersR 1967, 19, 21). Denn das wirtschaftliche Interesse des Versicherers geht hier regelmäßig dahin, für die von dem geschädigten Dritten gegen den Versicherungsnehmer geltend gemachten Ersatzansprüche nicht eintreten zu müssen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Dieser Grundsatz findet aber dann keine Anwendung, wenn - wie vorliegend - die von dem geschädigten Dritten geltend gemachten Haftpflichtansprüche die im Versicherungsvertrag vereinbarte Deckungssumme übersteigen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Da die Leistungspflicht des Versicherers durch die vereinbarte Deckungssumme begrenzt wird, ist auch dessen wirtschaftliches Interesse an der begehrten Feststellung regelmäßig darauf beschränkt, Ansprüche im Rahmen der Haftungshöchstsumme abzuwehren. Der Streitwert der Deckungsklage wird daher durch die vereinbarte Deckungssumme begrenzt (Hillach/Rohs, Handbuch des Streitwerts in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, 6. Auflage 1986, §89 A. IV. a.E.: OLG Frankfurt, JurBüro 1983, 1086; OLG Bamberg, JurBüro 1981, 433).</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, daß die Beklagte zusammen mit anderen Gesellschaften vor dem Court of Common Pleas, ..., Klage gegen die Klägerin und andere Versicherer erhoben hat.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Dabei kann offen bleiben, ob die Klägerin in diesem Prozeß im Ergebnis tatsächlich in voller Höhe auf Ersatz der Prozeßkosten sowie Erstattung der von General Accident aufgebrachten Vergleichssumme in Anspruch genommen werden sollte oder ob die Inanspruchnahme ohne Begrenzung auf die Deckungssumme lediglich durch die Besonderheiten des amerikanischen Prozeßrechts bedingt ist.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Selbst wenn die Klägerin von der Beklagten in voller Höhe in Anspruch genommen werden sollte, kann dies bei der Streitwertfestsetzung im Rahmen des vorliegenden Deckungsprozesses keine Berücksichtigung finden. Zwar ist die Begründetheit der geltend gemachten Ansprüche bei der Bemessung des Streitwertes der Deckungsklage grundsätzlich nicht zu prüfen. Da aber auch das Prozeßrecht von dem Grundsatz von Treu und Glauben beherrscht wird, müssen illusionäre oder offensichtlich unbegründete Ansprüche bei der Streitwertberechnung außer Betracht bleiben (OLG Frankfurt, JurBüro 1983, 1086, 1087; Schneider, Stichwort "Feststellungsklage" Nr. 21, Stichwort "Versicherungsschutz" Nr. 4; Schneider MDR 1973, 181 m.w.N.).</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Sowohl nach dem vorliegenden Versicherungsvertrag als auch nach deutschem Versicherungsrecht - und nur dieses ist Gegenstand der rechtlichen Beurteilung im Deckungsprozeßerscheint eine Inanspruchnahme über die vereinbarte Deckungssumme hinaus zumindest offensichtlich unbegründet. Für die Festsetzung des Streitwertes der Deckungsklage ist daher vorliegend die vereinbarte Deckungssumme maßgebend. Da zwischen den Parteien aber streitig war, ob die Deckungssumme 300.000,- DM oder 2 Millionen DM betrug, halt es der Senat für angemessen, den Streitwert für den Klageantrag auf 2 Millionen DM festzusetzen. Der bei der positiven Feststellungsklage übliche Abschlag von 20 % ist bei der negativen Feststellungsklage nicht vorzunehmen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Insoweit war der Streitwertbeschluß des Landgerichts abzuändern und die weitergehenden Beschwerden zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks"><b>2.</b></p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Mangels zuverlässiger Angaben über die Höhe der Kosten und Auslagen, die der Klägerin im Zusammenhang mit dem Rechtsstreit vor dem Court of Common Pleas, ..., entstanden sind und noch hätten entstehen können, erscheint es dem Senat angemessen, von den Streitwertangaben der Parteien auszugehen und den Streitwert für den Klageantrag zu 2) auf 200.000,- DM festzusetzen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf §25 Abs. 3 GKG.</p>
|
315,350 | olgk-1988-07-12-22-u-18687 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 22 U 186/87 | 1988-07-12T00:00:00 | 2019-03-13T14:53:22 | 2019-03-27T09:43:21 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1988:0712.22U186.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Das Versäumnis-Urteil des Senats vom 19. Januar 1988 - 22 U 186/87 - wird aufrechterhalten.</p>
<p></p>
<p>Die Klägerin trägt auch die weiteren Kosten des Berufungsverfahrens.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p>Der Klägerin wird gestattet, die Zwangsvollstreckung des Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 8.000,-- DM abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.</p>
<p></p>
<p>Die Sicherheitsleistungen können auch durch selbstschuldnerische unbefristete Bürgschaft einer Großbank oder öffentlichen Sparkasse mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland erbracht werden.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong>T a t b e s t a n d:</strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist die Witwe und alleinige Erbin des am 14. Oktober 1977 verstorbenen X.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte übt seit dem 8. Juli 1983, einer erbvertraglichen Anordnung der Klägerin und des Erblassers entsprechend, gemeinsam mit dem Rechtsbeistand X. aus X., das Amt des Testamentsvollstreckers über den Nachlass des Erblassers aus. Zuvor war der Rechtsbeistand X. als alleiniger Testamentsvollstrecker tätig gewesen, die Konstituierung des Nachlasses durch ihn war zur Zeit der Amtsübernahme durch den Beklagten bereits abgeschlossen. Durch notariell beurkundeten Erbvertrag vom 15. Juli 1977 (Bl. 15 ff. d. A.), auf den im Übrigen wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, war den Testamentsvollstreckern unter anderem auch die Aufgabe übertragen, die Satzung der X. in S., an der der Erblasser zu 96,66 % beteiligt war, auf der Grundlage näherer im Erbvertrag getroffener Anordnungen neu zu fassen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Unter dem 4. Juli 1986 übersandte der Beklagte dem Mittestamentsvollstrecker X. eine Rechnung über insgesamt 111.168,24 DM (81. 14 d. A.), mit der er seine Tätigkeit in 1985 und von Januar bis April 1986 abrechnete. Der Beklagte stellte insgesamt 50,9 Tagewerke in Rechnung, für die er - ausgehend von einem Stundensatz von 250,-- DM - jeweils 1.750,-- DM zuzüglich Mehrwertsteuer berechnete. Beträge in Höhe von insgesamt 8.441,-- DM nebst Mehrwertsteuer entfielen auf Auslagen und Nebenkosten. Von der Rechnung umfasst waren nach Darstellung des Beklagten nur Tätigkeiten, die dieser in Bezug auf die X. erbracht hatte.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der geforderte Betrag wurde dem Beklagten am 7. Juli 1986 z Lasten des Nachlasskontos von dem Mittestamentsvollstrecker X. überwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat vorgetragen: Die Rechnung des Beklagten sei überhöht, so dass der Beklagte durch die Auszahlung des vollen Rechnungsbetrages zu Lasten des Nachlasses ungerechtfertigt bereichert sei. Zwar erhebe sie (nunmehr) gegen die Abrechnung der Tätigkeit des Beklagten auf Stundenbasis keine Einwendungen, der Vergütungsanspruch des Beklagten sei aber nach der Steuerberatergebührenverordnung zu bemessen, so dass allenfalls ein Stundensatz von 120,-- DM in Betracht komme; die vom Beklagten erbrachte Tätigkeit weise nämlich keinen überdurchschnittlichen Schwierigkeitsgrad auf. Der Beklagte habe zudem mehr Arbeitsstunden abgerechnet, als er tatsächlich aufgewendet habe. Auch seine Teilnahme an Beiratssitzungen, für die der Beklagte gesondert vergütet worden sei, seien in die Berechnung einbezogen; teilweise habe sich der Beklagte mit den abgerechneten Tätigkeiten außerhalb seines Aufgabenbereiches bewegt. Ein am 1. Juli 1986 von den Testamentsvollstreckern von dem Nachlasskonto abgebuchter Betrag in Höhe von 18.675,50 DM sei bislang nicht abgerechnet worden. Im Übrigen könne der Beklagte für seine Tätigkeit in 1986 derzeit noch keine Vergütung verlangen und es sei auch der Anspruch auf Erstattung von Auslagen und Nebenkosten mangels Spezifikation nicht fällig gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Nachdem sie in Höhe eines Teilbetrages von 13.031,28 DM die Rücknahme der Klage erklärt hat, hat die Klägerin beantragt, </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">den Beklagten zu verurteilen, an dem Nachlass des am 14. Oktober 1977 in X. verstorbenen X. 63.061,44 DM nebst 4 % Zinsen ab Klagezustellung zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat beantragt, </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte ist dem Vortrag der Klägerin entgegengetreten. Er hat vorgetragen: Die von ihm abgerechnete Tätigkeit weise einen erheblichen Schwierigkeitsgrad auf, so dass ein Stundensatz von 250,--DM nicht überhöht sei; im übrigen liege der von ihm in Rechnung gestellte und empfangene Betrag unter demjenigen, den er angesichts eines Nachlass-Bruttowertes zum 1. Januar 1985 in Höhe von 29.604.095,-- DM und eines Gewinns vor Steuern aus dem Nachlass in Höhe von 3.885.962,-- DM im Jahre 1985 bei Bemessung seiner Vergütung nach den üblichen Regelsätzen habe beanspruchen können. Ein Abzug, weil er nicht alleiniger Testamentsvollstrecker gewesen sei, sei wegen der dadurch erforderlichen Koordinierungsarbeit und wegen der Art der geleisteten Tätigkeit nicht gerechtfertigt.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 11. März 1987 abgewiesen, weil dem Beklagten der am 7. Juli 1986 überwiesene Betrag in voller Höhe als Vergütung für seine Amtsführung als Testamentsvollstrecker und aus dem Gesichtspunkt des Aufwendungsersatzes zugestanden habe. </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Gegen das ihr am 21. Mai 1987 zugestellte Urteil - auf das wegen aller weiteren Einzelheiten voll inhaltlich Bezug genommen wird - hat die Klägerin am 22. Juni 1987 Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 19. Oktober 1987 mit an diesem Tag eingegangenem Schriftsatz begründet.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren in Höhe von 58.436,44 DM weiter. </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Sie wiederholt, ergänzt und vertieft dazu ihr erstinstanzliches Vorbringen im wesentlichen dahin, unter Berücksichtigung aller für die Bemessung der nach Stundenhonorar zu ermittelnden Vergütung des Beklagten sei ein Stundensatz von höchstens 120,-- DM einschließlich Mehrwertsteuer angemessen. Denn die vom Beklagten entwickelte und geforderte Tätigkeit an Kenntnissen, Erfahrungen und Fähigkeiten sei nicht über das hinausgegangen, was von einem Steuerberater erwartet werde, der mit einem Höchstsatz von 120,-- DM pro Stunde entschädigt werde. Die vom Beklagten zu beurteilenden Fragen der Satzung bzw. Neuordnung der Satzung habe jeder erfahrene Kaufmann entscheiden können. Auf die Größe des Nachlasses komme es bei der vom Beklagten gewählten Art der Abrechnung nicht an. Bei der Bemessung der Vergütung des Beklagten sei ferner zu, berücksichtigen, dass seine Entscheidungsfindung durch die Bestellung eines Mittestamentsvollstreckers erleichtert worden sei und die Testamentsvollstrecker sich in erheblichem Umfang anwaltlicher Hilfe bedient hätten.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin bestreitet ferner die vom Beklagten in Ansatz gebrachten Stunden und einen Teil der verlangten Auslagen sowie die Nebenkosten und die geltend gemachte Mehrwertsteuer.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat die Stellung folgenden Antrages angekündigt,</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten gem. den zuletzt von der Klägerin in I. Instanz gestellten Anträgen zu verurteilen, jedoch mit der Beschränkung des Zahlungsantrages auf einen Betrag von 58.436,44 DM nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung,</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">hilfsweise der Klägerin für den Fall der möglichen Sicherheitsleistung zu gestatten, diese auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer westdeutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse zu erbringen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Nachdem der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 19. Januar 1988 nicht aufgetreten ist, ist auf den Antrag des Beklagten Versäumnis-Urteil vom gleichen Tage              dahin ergangen, dass die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 3. März 1987 auf ihre Kosten zurückgewiesen wurde.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Gegen das ihr am 20. Januar 1988 zugestellte Versäumnis-Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 2. Februar 1988 - bei Gericht eingegangen am 3. Februar 1988 - Einspruch eingelegt und diesen unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens wie folgt begründet:</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Spätestens im landgerichtlichen Verfahren sei eine Einigung über die Art der Honorarermittlung auf der Grundlage des Stundenaufwandes zustande gekommen, so dass lediglich noch über die Anzahl der anrechnungsfähigen Stunden und die Höhe des Stundensatzes gestritten werden könne.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Der Nachlasswert sei unter Berücksichtigung der nach Abzug der Zinserträge aus dem nicht betriebsnotwendigen Barvermögen und nach Kürzung um die Erträge aus der Beteiligung der X. der X. verbleibenden anzurechnenden Rendite der Gesellschaft von 133.144,13 DM mit 950.649,09 DM, bei Zugrundelegung der in den Jahren 1977 bis 1979 erzielten Rendite von 358.400,-- DM mit 2.558,976,-- DM anzusetzen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Von den Bruttoeinnahmen im Jahre 1985 in Höhe von lediglich 2.935.375,-- DM seien nicht zu berücksichtigende Erträge von 1.941.666,-- DM aus der Tilgung des von ihr - der Klägerin - aufgenommenen Darlehens sowie Zinserträge von 420.000,-- DM aus dem nicht betriebsnotwendigen Barvermögen von 7.Mio. DM abzuziehen, so dass anzurechnende Einkünfte von 573.709,-- DM verblieben.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Obwohl allenfalls eine mittlere Vergütung von 7.321,35 DM gerechtfertigt sei, habe der Beklagte für seine Tätigkeit als Testamentsvollstrecker für das Jahr 1985 am 1. Juli 1986 9.337,75 DM und am 8. Juli nochmals 89.768,16 DM erhalten. Vorliegend könne nur der niedrigste Wert angesetzt werden, weil der Beklagte vom Mittestamentsvollstrecker unterstützt, von Rechtsanwalt X. mit einem Kostenaufwand von 55.908,22 DM beraten worden sei und schließlich im Rahmen seiner Tätigkeit im Beirat im Jahre 1985 einen erheblichen Teil der Verwaltungstätigkeit habe erbringen können, die ihm zusätzlich mit 10.260,-- DM (brutto) vergütet worden sei. Außerdem habe der Beklagte für die Testamentsvollstreckung notwendiges Wissen im Rahmen nicht nur wirtschaftsprüfender, sondern auch steuerberatender Tätigkeit für die X., die 1985 mit ca. 192.000,-- DM vergütet worden sei, erworben, das ihm seine Arbeit als Testamentsvollstrecker erleichtert habe. Desweiteren habe der Beklagte den Nachlass in erheblichem Maße Aufwendungen angelastet, die er zur Durchsetzung seiner persönlichen Interessen betrieben habe, insbesondere Satzungsänderungen, da er nicht nur die Vergütung für die Nachlassverwaltung und zugleich die Vergütung als Wirtschaftsprüfer der Gesellschaft, sondern darüber hinaus auch noch die Vergütung als geborenes Beiratsmitglied der GmbH habe erhalten wollen.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Ferner sei bei der festzusetzenden Vergütung zu berücksichtigen, dass der Beklagte und sein Mittestamentsvollstrecker X. zur ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung nicht fähig gewesen seien.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Das Bemühen des Beklagten, die Bestellung der klägerischen Söhne Dipl.-Ing. X. und X. zu Geschäftsführern der GmbH zu verhindern, könne nicht auf einen dahingehenden Willen des Erblassers gestützt werden.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Schließlich seien die Testamentsvollstrecker ihrer Aufgabe zur ordnungsgemäßen Verwaltung insoweit nicht gerecht geworden, als es um die Aufklärung des Vorwurfes gegangen sei, der Geschäftsführer X. habe zum Nachteil der Auftraggeber der Gesellschaft in unzulässiger Weise mit ausführenden Unternehmen zusammengearbeitet.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Aufgrund der dem Beklagten anzulastenden Pflichtverletzungen habe dieser seinen Vergütungsanspruch auch verwirkt.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">unter Aufhebung des Versäumnisurteils den Beklagten gemäß den Anträgen der Berufungsbegründung vom 16. Oktober 1987 zu verurteilen.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">den Einspruch zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte tritt den Ausführungen der Berufung mit näheren Darlegungen entgegen. Er weist insbesondere darauf hin, dass der Bruttogewinn der X. 1985 vor Steuern 3.568.586,-- DM und der Firmenwert 24.307.700,--DM betragen habe. Hinzukomme der Wert des Grundbesitzes X. mit 1.210.225,-- DM und des Grundstückes X. mit 2.260.442,-- DM.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Ergänzend wird wegen aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien auf den vorgetragenen Inhalt der von ihnen in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst eingereichten Unterlagen sowie auf den der Klägerin nachgelassenen Schriftsatz vom 17. Mai 1988 Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks"><strong>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:</strong></p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Auf den zulässigen Einspruch der Klägerin war das Versäumnisurteil des Senats vom 19. Januar 1988 aufrechtzuerhalten (§§ 338 f., 343 ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Der in formeller Hinsicht nicht zu beanstandenden Berufung der Klägerin ist in der Sache selbst der Erfolg versagt.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Der Klägerin steht ein - mit der Berufung noch in Höhe von 58.436,44 DM geltend gemachter Anspruch auf Rückerstattung erhaltener Testamentsvollstreckervergütung und erlangten Aufwendungsersatzes nicht zu. </p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Das - nur aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB) - herzuleitende Zahlungsbegehren der Klägerin wäre ganz oder teilweise nur begründet, wenn dem Beklagten Ansprüche auf Vergütung seiner Amtsführung als Testamentsvollstrecker und auf Aufwendungsersatz gemäß den §§ 2221 und 2218 Abs. 1, 670 BGB nicht in voller Höhe des an ihn von dem Mittestamentsvollstrecker gemäß Rechnung vom 4. Juli 1986 aus dem Nachlass überwiesenen Betrages zustanden.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Der Senat ist jedoch unter Berücksichtigung des gesamten Inhaltes der Verhandlungen und der zu den Akten gereichten Unterlagen zu der Überzeugung gelangt, dass die an den Beklagten als Testamentsvollstrecker für 1985 und das erste Quartal 1986 geleisteten Zahlungen angesichts der vom Beklagten wahrgenommenen Tätigkeit und gemessen am Ertrag und Vermögenswert des seiner Testamentsvollstreckung unterliegenden Nachlasses den Rahmen billigen Ermessens (§§ 316, 315 BGB) nicht überschritten haben.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Dabei ist gemäß dem durch Rechnung vom 4. Juli 1986 (81. 14 d. A.) belegten Vorbringen in der Klageschrift davon auszugehen, dass der Beklagte für seine 1985 geleistete Tätigkeit 72.975,-- DM zuzüglich 3 % Nebenkosten sowie 4.266,-- DM und weitere 1.503,-- DM an Auslagen, jeweils nebst Mehrwertsteuer, d.h. insgesamt 92.263,91 DM (72.975,-- DM 3 % Nebenkosten in Höhe von 2.189,25 DM + 4.266,-- DM sowie 1.503,-- DM an Auslagen = insgesamt 80.933,25 DM zuzüglich 14 % Mehrwertsteuer) gefordert und bezahlt erhalten hat. Soweit die Klägerin erstmals in der Einspruchsschrift vom 2. Februar 1988 (B1. 294 d. A.) behauptet, der Beklagte habe als Testamentsvollstrecker am 1. Juli 1986 weitere 9.333,75 DM erhalten und sich zum Beweis hierfür auf das Zeugnis des Mittestamentsvollstreckers X. beruft, kam eine Aufklärung nicht in Betracht, da die Klägerin jegliche Substantiierung dazu vermissen lässt, aufgrund welcher zusätzlichen Rechnung oder Anforderung des Beklagten der weitere Betrag von 9.333,75 DM und in welcher Form - bar, Scheck, Überweisung - von wem aus welchen Mitteln gezahlt worden sein soll. Die Klägerin legt für ihr - vom Beklagten bestrittenes - Vorbringen - keinen Beleg vor.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks"><strong>A.</strong></p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Da es an einer Bestimmung des Erblassers bzw. im Erbvertrag betreffend die Honorierung des Beklagten fehlt, steht diesem für seine Tätigkeit als Testamentsvollstrecker gemäß § 2221 BGB eine angemessene Vergütung zu. Ob die umstrittene Vergütung des Beklagten unbillig ist, ist nach Maßgabe der §§ 315, 31S BGB anhand der Gesamtumstände zu prüfen (vgl. BGH NJW 1967, 2400/2402; WM 1972, 101). Unter Berücksichtigung aller Umstände ist das gezahlte Honorar noch als angemessen zu bezeichnen.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">1. Über die Angemessenheit der Vergütung entscheidet bei Streit zwischen Erben und Testamentsvollstrecker das Prozeßgericht, auch wenn mehrere Testamentsvollstrecker tätig sind (vgl. BGH NJW 1957, 947 f.; BGH WM 1972, 101/102). Daher ergibt sich ein Anspruch des Beklagten nicht schon daraus, dass der Mittestamentsvollstrecker den vom Beklagten in Rechnung gestellten Betrag an diesen überwiesen hat.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">2. a) Bei der gerichtlichen Festsetzung der angemessenen Testamentsvollstreckervergütung sind die §§ 315 und 316 BGB entsprechend anzuwenden (vgl. BGH NJW 1967, 2400 ff.). Maßgebliche Kriterien für die im Rahmen einer Ermessensentscheidung zu treffende Festsetzung sind der dem Testamentsvollstrecker obliegende Pflichtenkreis, der Umfang der ihn betreffenden Verantwortung sowie Art und Umfang der von ihm geleisteten Tätigkeit, wobei die Schwierigkeit der gelösten Aufgaben, die Dauer der Abwicklung oder die Verwaltung, die Verwertung besonderer Kenntnisse und Erfahrungen sowie auch die Bewährung einer sich im Erfolg auswirkenden Geschicklichkeit zu berücksichtigen sind (vgl. BGH NJW 1967, 2400 f.).</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">b) Dabei ist klarzustellen, dass zwischen den Parteien kein grundsätzliches Einvernehmen darüber besteht, dass die Vergütung des Beklagten nach Maßgabe der von ihm aufgewendeten Arbeitszeit zu bemessen ist und sie insofern lediglich über die Höhe der zugrundezulegenden Stundensätze streiten; der Beklagte hat eine Vereinbarung für die Abrechnung nach Zeitgebühren schon in I. Instanz in Abrede gestellt (81. 147 d. A.) und in der Berufungserwiderung seine Auffassung eindeutig klargelegt, dass das Gericht die angemessene Vergütung objektiv und ohne Rücksicht auf die von ihm angewandte Berechnungsmethode entsprechend herrschender Rechtsprechung und Literatur nach einem prozentualem Anteil vom Nachlasswert oder -ertrag zu bestimmen habe und Vergütungsforderungen, die die Grenze der Angemessenheit nach der üblichen Prozentberechnungsweise unterschreiten, nicht der rechtlichen Nachprüfung hinsichtlich ihrer internen Kalkulation unter liegen.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">3. Ohne dass der Beklagte daran gebunden wäre, hat er zunächst nach Zeitaufwand abgerechnet. Gegen eine Ermittlung des angemessenen Honorars aufgrund des Stundenaufwandes bestehen keinerlei Bedenken, da der Zeitaufwand ein maßgebliches Bemessungskriterium darstellt.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">a) Angesichts des Schwierigkeitsgrades und der Bedeutung der Tätigkeit des Beklagten erscheint der für den Zeitaufwand in Rechnung gestellte Betrag nebst Nebenkosten noch nicht unangemessen.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Die Kammer ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass ein Stundensatz vom 250,-- DM zuzüglich Mehrwertsteuer, wie ihn der Beklagte seiner Rechnung zugrunde gelegt hat, angemessen ist, weil der Beklagte als Testamentsvollstrecker jedenfalls während der streitgegenständlichen Abrechnungszeiträume - d.h. vom Januar 1985 bis einschließlich April 1986 - eine Tätigkeit erbracht hat, die einen erheblich überdurchschnittlichen Schwierigkeitsgrad aufweist und - nicht nur in quantitativer Hinsicht - erheblich über das hinausgeht, was üblicherweise von einem Testamentsvollstrecker zu leisten ist, wie unter Punkt B. noch näher auszuführen sein wird.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Da der Erblasser und die Klägerin im Erbvertrag keinen durchschnittlichen Kaufmann, sondern den Beklagten Wirtschaftsprüfer als Testamentsvollstrecker vorgesehen haben, sollte dieser seine besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten in dieses Amt einbringen und hat das auch getan. Die Kammer hat sich daher zu Recht bei der Beurteilung der Angemessenheit des Stundensatzes auch daran orientiert, was von Angehörigen des Berufskreises, dem der Beklagte angehört, für vergleichbare Tätigkeiten üblicherweise in Rechnung gestellt wird. Denn da die Parteien des Erbvertrages die beiden von ihnen bestimmten Testamentsvollstrecker gerade auch aufgrund ihrer beruflichen Kenntnisse und Erfahrungen ausgewählt haben, die professionellen Fähigkeiten, des Beklagten für den Nachlass nutzbar machen wollten, durfte der Beklagte die Amtsübernahme auch mit einer entsprechenden Vergütungserwartung verknüpfen. Eine Vergütung von 250,-- DM pro Stunde für einen Wirtschaftsberater hält auch die Klägerin für angemessen, wie sich aus der Rechnung der X. vom 2. Mai 1986 X. (vgl. Bl. 123 d. A.) ergibt. Dort ist ein Tagewerk á 1.850,-- DM (bei Zugrundelegung von sieben Arbeitsstunden ein Stundensatz von 264,29 DM) zuzüglich Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt und von der Klägerin persönlich akzeptiert worden.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">b) Eine Rückzahlungsverpflichtung des Beklagten hat das Landgericht im Ergebnis zutreffend auch nicht daraus hergeleitet, dass er mehr Arbeitsstunden in Rechnung gestellt hätte, als er tatsächlich aufgewandt hat.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Aus der vom Beklagten als Anlage B 14 zu den Akten gereichten Auflistung der aufgewandten Arbeitszeit ergibt sich nicht, dass der Beklagte die in Ansatz gebrachte Stundenzahl rechnerisch unrichtig ermittelt hätte, weil er für die ihm gesondert vergütete Teilnahme an den Beiratssitzungen nicht vier Stunden, sondern vier Tagewerke in Abzug gebracht hat. Soweit die Klägerin sechs Tagewerke = 41 Stunden anstatt nur vier Tagewerke abziehen will, kann ihr nicht gefolgt werden. Der Beklagte hat zu Recht aus der Berechnung nur die gesondert bezahlte Zeit der Teilnahme an den Beiratssitzungen ausgenommen, nicht den Aufwand zur Vorbereitung und Nacharbeit der Beiratssitzungen sowie sonstige Leistungen im Zusammenhang mit der Beiratstätigkeit (Anfertigung von Protokollen u.s.w.). Da der Beklagte selbst kein Beiratsmitglied war, an den Sitzungen vielmehr lediglich in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker teilgenommen hat, gehörten die Vor- und Nacharbeiten zu seiner Testamentsvollstreckertätigkeit. Daher reicht die Auflistung der Klägerin Bl. 221-223 d. A. zur Darlegung doppelt bezahlten Aufwandes nicht aus.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin räumt bei ihrer Auflistung ein, dass es sich um Tätigkeiten im Zusammenhang mit Beiratssitzungen und Beiratstätigkeit handelt. Soweit die Klägerin im übrigen die Stundenansätze als unglaubwürdig hoch bestritten und auf unwirtschaftliches Arbeiten oder großzügiges Aufrunden der Stunden zurückgeführt hat, genügt ihr Vorbringen angesichts des detaillierten Vortrages des Beklagten über die von ihm geleistete Tätigkeit ebenfalls nicht. </p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">c) Auch der Zuschlag von 10 % "Anteil Mitarbeiter und Kanzlei" sowie von weiteren 3 % für allgemeine Büroauslagen und die geforderte Mehrwertsteuer sind letztlich jedenfalls des halb nicht zu beanstanden, weil - wie noch auszuführen ist - die Vergütungsforderung unter Berücksichtigung aller Umstände die Grenzen der Angemessenheit nach der üblichen Prozentmethode nicht überschreitet. Abgesehen davon, dass die Klägerin gemäß Rechnung der X. vom 2. Mai 1986 bei einem Tagewerksatz von 1.850,-- DM - unter Zugrundelegung von sieben Stunden - einen Stundensatz von ca. 265,-- DM akzeptiert hat, kommt es bei der Beurteilung der Angemessenheit des an den Beklagten gezahlten Entgeltes daher nicht darauf an, ob der geltend gemachte Stundensatz nebst in Rechnung gestellten Zuschlägen und Mehrwertsteuer - die angesichts des dem Testamentsvollstrecker geschuldeten Bruttoentgeltes (vgl. Haegele/Winkler, Der Testamentsvollstrecker, 8. Aufl., RN 660 m.w.N.) nur unter dem Gesichtspunkt angemessener Gesamtvergütung verlangt werden kann - unter Berücksichtigung einer Vergütung nach Prozentsätzen, die dem Beklagten vorliegend nicht verwehrt werden kann, noch als billige Honorierung im Sinne der §§ 315, 316 BGB anzusehen ist. Dies ist unter Berücksichtigung aller Umstände zu bejahen, so dass es einer Entscheidung über die Berechtigung der vom Beklagten in Ansatz gebrachten Stundensätze nebst Zuschlägen und Mehrwertsteuer nicht bedarf.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks"><strong>B.</strong></p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">I. 1.) Denn die insgesamt sowohl für 1985 mit brutto (einschließlich der nach der Aufstellung des Beklagten vom 04.07.1986 auf das Jahr 1985 entfallenden Auslagen und Umsatzsteuer) = 92.663,91 DM und für Januar bis April 1986 mit 23.216,20 DM = 75.618,48 DM brutto auf das ganze Jahr 1986 hochgerechnet verlangten Beträge sind jedenfalls unter Beachtung der vorliegend zu bejahenden überdurchschnittlichen Schwierigkeit und Verantwortung für den Beklagten als angemessene Vergütung anzusehen.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Da es vorliegend nicht um die Konstituierung des Nachlasses ging, sondern um eine - auch wegen der im Erbvertrag aufgegebenen Satzungsänderung schwierige - Nachlaßverwaltungstätigkeit, die sich über längere Zeit erstreckt, kommt eine laufend nach dem Jahresbetrag der Bruttoeinnahmen zu berechnende in periodischen Zeitabschnitten zu zahlende Vergütung von 2 - 4 % oder eine solche in Höhe von 1/3 % - 1/2 % des Nachlaßbruttowertes in Betracht (vgl. Haegele/Winkler, a.a.O., RN 595 f. mit Nachweisen der Rechtsprechung).</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">2.) Dem Beklagten ist es nicht verwehrt, sich auf die Berechnung und Angemessenheit der erlangten Vergütung gemäß den genannten üblichen Prozentsätzen zu berufen, da er - wie oben ausgeführt - bereits in I. Instanz eine Abmachung über eine Abrechnung nach Zeitaufwand bestritten hatte und allein durch die Erklärung der Klägerin im Termin vom 4. Februar 1987 (81. 142 d. A.), sie wende sich nicht mehr gegen die Abrechnung nach tatsächlich geleisteter Stundenzahl, eine bindende Abmachung zwischen den Parteien nicht zustande gekommen ist.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">3.) Für 1985 ist von folgender Vergütung gehen:</p>
<span class="absatzRechts">62</span><table class="absatzLinks" cellpadding="0" cellspacing="0">
<tbody><tr>
<td>
<p>41,7 Tagewerke á 1.750,-- DM</p>
</td>
<td>
<p>72.975,-- DM</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>zuzüglich Zuschlag von 3 % (Auslagen und Nebenkosten)</p>
</td>
<td>
<p>2.189,25 DM</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
</td>
<td>
<p>76.164,25 DM</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>zuzüglich Differenz zwischen den verlangten Auslagen von insgesamt 5.769,-- DM abzüglich von der Klägerin in der Berufungsbegründung anerkannter 4.625,--DM =</p>
</td>
<td>
<p>1.144,-- DM</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
</td>
<td>
<p>76.308,25 DM</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>zuzüglich 14 % Mehrwertsteuer</p>
</td>
<td>
<p>10.683,16 DM</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
</td>
<td>
<p>86.991,41 DM</p>
</td>
</tr>
</tbody></table>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Die von der Klägerin mit 4.625,-- DM anerkannten Aufwendungen des Beklagten haben bei der Prüfung der Berechtigung des vom Beklagten verlangten Honorars außer Betracht zu bleiben, so dass von einer Honorarforderung des Beklagten von 86.991,41 DM auszugehen ist.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Für 1986 ergibt sich ein auf das ganze Jahr hochgerechneter Honorarbetrag von brutto 75.618,48 DM (16.100,-- DM Tagewerk + 3 % Zuschlag Auslagen und Nebenkosten = insgesamt 16.583,-- DM x 4 56.332,-- DM netto + 14 % Mehrwertsteuer).</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">II. Auf der Grundlage eines der Testamentsvollstreckung unterliegenden Nachlasswertes von jedenfalls 24 Mio. DM ergibt die gezahlte Vergütung für 1985 einen nicht zu beanstandenden Prozentsatz von 0,36 % und unter Berücksichtigung eines zugrundezulegenden Bruttoertrages von 3.126.575,-- DM einen ebenfalls als angemessen zu bezeichnende Prozentsatz von 2,78 %.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">1.) Hinsichtlich des Ertrages für 1985 gilt folgendes:</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">a) Es ist zunächst der Bruttoertrag aus der X. GmbH -Beteiligung vor Steuer in Ansatz zu bringen, da die der Testamentsvollstreckung (zu 96,66 %) unterliegende Gesellschaft den Ertrag erwirtschaftet hat und zwar unabhängig davon, welche Steuern und von wem hieraus geschuldet wurden.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Dieser beträgt nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin 2.939.375,-- DM ausweislich der von ihr eingereichten Steuerbescheinigung der X. GmbH vom 18. September 1986 (Anlage 4 zum Schriftsatz der Klägerin vom 2. Februar 1988).</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Hiervon ist weder ein Abzug vorzunehmen hinsichtlich des auf das nicht betriebsnotwendige Barvermögen von 7 Mio. DM entfallenden Zinsertrages von 420.000,-- DM noch hinsichtlich des von der Klägerin zur Rückführung eines - nach ihrer Darstellung infolge unterbliebener Gewinnausschüttungen aufgenommenen - Darlehens verwandten Betrages von 1.941.666,-- DM. Zu welchem Zweck die Klägerin die ausgeschütteten Beträge verwandt hat, ist ihre Sache und kann die Bemessungsgrundlage für die Testamentsvollstreckervergütung nicht berühren, auch wenn Gewinnausschüttungen in den Jahren 1980 bis 1985 unterblieben sind. Dies kann sich nur auf die Testamentsvollstreckerhonorierung in den entsprechenden Jahren ausgewirkt haben, kann dem Beklagten aber nicht hinsichtlich der Vergütung für 1985 und 1986 entgegengehalten werden. Soweit die Klägerin darauf verweist, die Testamentsvollstrecker hätten aus dem Nachlass in den Jahren 1980 bis 1985 eine Vergütung entnommen, obwohl sie keine Einkünfte aus ihrer Beteiligung an der GmbH erhalten habe, steht dieses Vorbringen dem für 1985 und 1986 gezahlten Honorar nicht entgegen. Denn den Testamentsvollstreckern stand aufgrund ihrer Tätigkeit auch bei unterbliebener Gewinnausschüttung eine Vergütung zu. Dass diese in den - nicht zur Diskussion stehenden - Jahren 1980 bis 1984 unangemessen hoch war, entzieht sich mangels Angabe zu den in dieser Zeit gewährten Beträgen einer Beurteilung.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">In Bezug auf die dem Senat zur Prüfung unterbreitete Frage, ob in den Bruttoeinnahmen von 2.939.375,-- DM Anteile enthalten sind, die in den Vorjahren als Gewinn hätten ausgewiesen und versteuert werden müssen, hat der Beklagte unwidersprochen darauf hingewiesen, die - den Zinserträgen und der hohen Ausschüttung für das Jahr 1985 zugrundeliegende - Liquidität sei entstanden durch eine seit dem Ende der 70- er Jahre zulässige und vom Geschäftsführer X. entsprechend geänderte Bilanzierungspolitik, der die Gesellschafterversammlung (und der Beirat) einstimmig zugestimmt hätten. Der Vorwurf, die Testamentsvollstrecker hätten den Nachlass nicht pflichtgemäß verwaltet, pflichtwidrig dem Staat Steuern vorenthalten, geht fehl, da die Klägerin Steuern nur zu entrichten hatte, wenn ihr Gewinne zufielen. Schließlich ist nicht die Bruttoeinnahme der Klägerin, sondern der Bruttoertrag der der Testamentsvollstreckung unterliegenden GmbH-Beteiligung der Bemessung der Vergütung zugrundezulegen. Dass 40 % des Bruttoertrages zur Rücklagenbildung verwandt werden, kann dem Beklagten ebenfalls nicht entgegengehalten werden, da es maßgeblich auf den von der Gesellschaft erwirtschafteten Ertrag ankommt.</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Dem Bruttoertrag aus dem GmbH-Anteil von 2.939.375,-- DM sind hinzu zu rechnen:</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">a) Ein geschätzter Ertrag aus dem Objekt X.(Verkehrswert zum 14. Oktober 1977 lt. Gutachten vom 4. September 1980 unstreitig 953.000,-- DM) 48.000,-- DM</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">b) nicht bestrittener Mietertrag aus dem Gewerbeobjekt X. 139.200,-- DM 3.126.575,-- DM.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Denn der Testamentsvollstreckung unterliegt nicht nur der GmbH-Anteil, sondern der gesamte Nachlass, zu dem auch das Objekt X. und das Gewerbeobjekt X. gehören. Diese können daher bei der Bemessung der Testamentsvollstreckervergütung nicht unberücksichtigt bleiben.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">2.) Die Ermittlung des Nachlasswertes im Jahre 1985 führt zu einem geschätzten Betrag von insgesamt jedenfalls 24,Mio. DM.</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Wert des Gesamtnachlasses heranzuziehen, auch wenn sich die Tätigkeit des Beklagten ausschließlich auf die Beteiligung an der X. bezogen hat. Denn der Testamentsvollstreckung unterlag der gesamte Nachlass.</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">a) Zunächst ist nach eigener Darstellung der Klägerin ein Wertpapierbestand der Gesellschaft von 12.Mio. DM (vgl. Bi. 319 d. A.) in Ansatz zu bringen 12.000.000,-- DM.</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Auch wenn dieser Vermögenswert durch unterbliebene Gewinnausschüttungen in den Jahren 1980 bis 1984 entstanden ist, gehört er zum Vermögen der GmbH und damit zum Nachlass. Es ist kein hinreichender Anhaltspunkt dafür ersichtlich, ihn gleichwohl bei der Ermittlung des für die Testamentsvollstreckervergütung maßgebenden Nachlasswertes unberücksichtigt zu lassen, da mangels konkreter Angaben der Klägerin zu den in den genannten Jahren gezahlten Testamentsvollstreckerhonorar davon auszugehen ist, dass der geringere, bzw. nicht ausgeschüttete Gewinn sich in einer entsprechend niedrigeren Vergütung niedergeschlagen hat.</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">b) Desweiteren ist der Wert der Beteiligung an der Firma X. zugrundezulegen in unstreitiger Höhe von 2.987.000,-- DM.</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Einen Grund, den Beteiligungswert an der Firma X. auszunehmen, ist nicht erkennbar; denn dieser gehört der X. und unterlag damit der auf den GmbH-Anteil bezogenen Tätigkeit des Beklagten.</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">c) Ferner ist unter Zugrundelegung des eigenen Vorbringens der Klägerin bei einer in den Jahren 1981 bis 1985 durchschnittlich erzielten Bilanzrendite von 977.988,03 DM multipliziert mit dem unstreitig anzuwendenden Faktor 7,14 bereits ein Unternehmenswert von 6.982.834,50 DM anzunehmen.</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Nach Auffassung des Senates ist der reine Wert des Unternehmens unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich um einen alteingeführten Betrieb handelt, der seit dem Beginn der 80-er Jahre (wieder) zunehmend erhebliche Erträge erwirtschaftet, jedenfalls ein Wert von 7 Mio. DM zugrundezulegen (§ 287 ZPO). </p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat im Abberufungsverfahren im Schriftsatz vom 5. Juni 1986 die günstige Ertragslage der Gesellschaft hervorgehoben und ein wirtschaftliches Jahresergebnis 1983 von 3.076.000,-- DM und 1982 von 2.024.000,-- DM genannt, wie sie nicht in Abrede gestellt hat.</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Demgemäß ist ein reiner Unternehmenswert - ohne den Bar- und Wertpapierbestand - von zumindest 7 Mio. DM als geschätzter Wert in Ansatz zu bringen, der tatsächlich erheblich höher anzusiedeln sein dürfte.</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">Soweit die Klägerin einen Firmenwert von 950.000,--DM, bzw. 2.558.976,-- DM ermittelt, kann ihr angesichts der genannten Erträge der GmbH nicht gefolgt werden. </p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">d) Desweiteren ist bei der Ermittlung des Nachlasswertes der Grundbesitz X. jedenfalls mit dem zum 14. Oktober 1977 festgestellten Verkehrswert von 953.000,-- DM zu berücksichtigen, da er zum Nachlass gehört und der Testamentsvollstreckung unterliegt. Mit dem Ansatz des Wertes von 1977 ist der von der Klägerin dargelegten Sanierungsbedürftigkeit des Hauses Rechnung getragen.</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">e) Schließlich ist der Verkehrswert des Grundstückes X. mit jedenfalls 1.800.000,-- DM zugrundezulegen. </p>
<span class="absatzRechts">88</span><table class="absatzLinks" cellpadding="0" cellspacing="0">
<tbody><tr>
<td>
<p>Berechnung des GmbH-Anteils:</p>
</td>
<td>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>Wertpapierbestand</p>
</td>
<td>
<p>12.000.000,-- DM</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>Beteiligung an der X.</p>
</td>
<td>
<p>2.987.000,-- DM</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>Firmenwert (ohne Wertpapierbestand)</p>
</td>
<td>
<p>7.000.000,-- DM</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
</td>
<td>
<p>21.987.000,-- DM</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>davon 96,66 %</p>
</td>
<td>
<p>21.252.634,-- DM</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>Grundbesitz X.</p>
</td>
<td>
<p>953.000,-- DM</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>Grundbesitz X.</p>
</td>
<td>
<p>1.800.000,-- DM</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
</td>
<td>
<p>24.005.634,-- DM</p>
</td>
</tr>
</tbody></table>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">II. Da die Tätigkeit des Beklagten nach Art, Umfang und Schwierigkeitsgrad als überdurchschnittlich zu qualifizieren ist, sind die vom Beklagten geforderten und an ihn gezahlten Beträge unter Berücksichtigung des Wertes des der Testamentsvollstreckung unterliegende Nachlasses von ca. 24 Mio. DM sowie der Erträge im Jahr 1985 von insgesamt 3.126.575,-- DM nicht als unbillig zu bezeichnen.</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">Die für 1985 abzüglich von der Klägerin in der Berufungsbegründung akzeptierten Aufwendungen von 4.625,-- DM gezahlte Vergütung von 86.991,91 DM beinhaltet einen Prozentsatz von 2,78 % vom Bruttoertrag des der Testamentsvollstreckung unterliegenden Nachlasses.</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">Selbst wenn man nur die Erträge aus der Beteiligung an der X. (allerdings einschließlich deren Beteiligung X.) entsprechend dem eigenen Vorbringen der Klägerin (Anlage 4 zum Schriftsatz vom 02.02.1988) mit 2.939.375,-- DM berücksichtigt, weil sich die Testamentsvollstreckung des Beklagten nur mit der GmbH-Beteiligung befasst hat, ergibt sich ein Prozentsatz von 2,96 %. Dieser ist unter Berücksichtigung aller - noch zu erörternden Umstände - nicht zu beanstanden.</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin selbst ermittelt bei einer anrechenbaren Bruttoeinnahme von 2.837.627,-- DM und einem Mittelwert von 3 % einen Honorarbetrag von 85.128,81 DM, der Beklagte hat unstreitig an Honorar - abzüglich von der Klägerin in der Berufungsbegründung akzeptierter Auslagen - 86.991,41 DM erhalten, wobei die Überschreitung nicht als unbillig bezeichnet werden kann.</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">Die für 1985 zu berücksichtigende Vergütung des Klägers von 86.991,41 DM beinhaltet einen Prozentsatz von 0,36 % von dem der Testamentsvollstreckung unterliegenden Nachlassvermögen im Wert von jedenfalls 24 Mio. DM. Selbst wenn man nur den geschätzten Wert der GmbH-Beteiligung (einschließlich Wertpapierbestand) mit 21.252.634,--DM zugrundelegt, ergibt, sich nur ein Prozentsatz von 0,41 %.</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">Die Vergütung hält sich damit im Rahmen der üblichen Sätze von 2 - 4 % der Bruttoeinkünfte sowie 1/3 % - 1/2 % des Bruttonachlasswerts. Dabei kann sich die Vergütung des Beklagten an der Obergrenze dieser Sätze orientieren, denn der Beklagte hat jedenfalls während der vorliegend streitigen Abrechnungszeiträume von Januar 1985 bis einschließlich April 1986 als Testamentsvollstrecker eine Tätigkeit erbracht, die einen erheblich überdurchschnittlichen Schwierigkeitsgrad aufwies und - nicht nur in quantitativer Hinsicht - erheblich über das hinausging, was üblicherweise von einem Testamentsvollstrecker zu leisten ist.</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">III. 1.) a) Unter die vom Beklagten gemäß Ziffer IV des Erbvertrages (81. 17 f. d. A.) gemeinsam mit dem Mittestamentsvollstrecker X. wahrzunehmende Verwaltung fällt der 96,66 %-ige Anteil an der X., der einen wesentlichen Teil des Nachlassvermögens darstellt. Neben den Aufgaben eines ordentlichen Gesellschafters mit dieser GmbH-Beteiligung war dem Beklagten durch den Erbvertrag ferner aufgegeben, die Satzung der GmbH unter Berücksichtigung besonderer erbvertraglicher Bestimmungen neu zu fassen, wobei wie sich aus Ziffern IV und V des Erbvertrages ausdrücklich ergibt - die Teilungsanordnung zu beachten ist. Die Satzungsänderung, an der kontrovers gearbeitet worden ist, ist im Erbvertrag ausdrücklich angesprochen im Hinblick auf eine Neuordnung unter Berücksichtigung des vom Erblassers vorgesehenen Mitarbeitermodells, dessen Realisierung nach dem Tode der Klägerin dazu führen kann, dass die Erben (der Klägerin und des Erblassers) nicht mehr die Gesellschaftermehrheit haben. Mithin hat auch diese entgegen der Auffassung der Klägerin eine unmittelbare und in besonderem Maße zukunftsorientierte Auswirkung auf die Aufgaben des Beklagten vor dem Schlusserbfall; sie macht zudem deutlich, warum die von den Parteien geschilderten vielfältigen Sachauseinandersetzungen im Zusammenhang mit einer Geschäftsführerbestellung der Söhne der Klägerin und Änderungen des Gesellschaftsvertrages auch dem Beklagten als Testamentsvollstrecker ein nicht geringes Maß an verantwortlicher Tätigkeit abverlangt haben. Demgemäß ist der Aufgabenbereich des Beklagten noch über den an sich schon großen Pflichtenkreis eines Testamentsvollstreckers, der einen derartigen Mehrheits-GmbH-Anteil zu verwalten hat, ausgedehnt und als überdurchschnittlich zu bezeichnen.</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">Aus dem sich gemäß den §§ 276, 2219 BGB ergebenden Umfang der Verantwortung des Testamentsvollstreckers folgt, dass sich die Höhe des Nachlasswertes auf seine Verantwortung auswirkt. Ein höherer Nachlasswert birgt auch ein höheres Haftungsrisiko nach § 2219 BGB in sich als ein niedriger. Sowohl aus dem Pflichtenkreis als auch aus dem Wert des Nachlasses ist eine über durchschnittliche Verantwortung herzuleiten. Dabei ist nach den obigen Ausführungen von einem Nachlasswert des GmbH-Anteils von jedenfalls 21.250.000,-- DM auszugehen. Dass ein Nachlass mit einem GmbH-Mehrheitsanteil in diesem Wert mit einem hohen Haftungsrisiko und damit einem hohen Maß an Verantwortung verbunden ist, bedarf keiner vertiefenden Begründung. Selbst die Klägerin räumt ein, dass die Teilnahme an Gesellschafterversammlungen und an der Neugestaltung einer Satzung der GmbH von erheblicher Bedeutung sind, so dass hieraus allerdings insoweit entgegen ihrer Auffassung - jedenfalls eine überdurchschnittliche Verantwortung herzuleiten ist.</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">b) Desweiteren sind Art und Umfang der vom Beklagten erbrachten Leistungen zu berücksichtigen, wobei die Schwierigkeit der gelösten Aufgaben, die Dauer der Abwicklung bzw. Verwaltung sowie die Verwertung besonderer Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen zu beachten sind. In der Auffassung, dass es für die nach den Ausführung des Beklagten fast ausschließlich maßgeblichen Satzungsfragen bzw. Fragen der Neuordnung des Gesellschaftsvertrages keiner besonderen Fähigkeiten und Erfahrungen bedurfte, kann der Klägerin indes nicht gefolgt werden. Die Erwägung, dass die dabei insbesondere stark umstrittene Frage ob die Söhne der Klägerin in die Geschäftsführung aufgenommen werden sollten oder nicht, letztlich nur mit ja oder nein beantwortet werden konnte, degradiert die nach Ansicht des Senats schwierige Entscheidung nicht zu einer einfachen. Diese Frage war unter Berücksichtigung wirtschaftlicher und personeller Gesichtspunkte zu lösen und beinhaltete vorliegend eine schwierige Aufgabe von weitreichender Bedeutung. Es liegt auf der Hand, dass das Erblassermodell wesentlich von der Person des Geschäftsführers abhängt, wenn diese nur wegen der Familienzugehörigkeit und nicht allein aus Sachzwängen, geschäftlichen, betrieblichen Gesichtspunkten bestellt werden. Das Bestreben der Klägerin, ihre Söhne in der Geschäftsführung zu sehen, ist verständlich, musste aber nicht Richtschnur für Handeln und Entscheidung des Testamentsvollstreckers sein, da dieser den im Erbvertrag zum Ausdruck gebrachten Willen des Erblassers durchzusetzen hatte. Die Entscheidung über die personelle Zusammensetzung der Geschäftsführung ist ausschlaggebend für die Existenz, jedenfalls das Florieren eines Unternehmens.</p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks">Zu Recht weist der Beklagte darauf hin, dass die Besetzung der Geschäftsführerposition mit fähigen Personen und die Umstrukturierung der Geschäftsleitung einer derartigen Firma von zentraler Bedeutung sind, dass es bei der vorliegenden Testamentsvollstreckung nicht primär um die Lösung von Rechtsfragen, sondern um eine wirtschaftliche Verwaltung des Nachlasses ging.</p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat daher zu Recht den Umstand berücksichtigt, dass die Klägerin seit Ende 1984 massive Versuche unternommen hat, die u.a. wegen der Amtsübernahme des Beklagten notwendig gewordene Satzungsänderung zu nutzen, um die Abberufung des alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführers der X. und die Geschäftsführerbestellung ihrer Söhne X. und X. durchzusetzen, obwohl dies vom Wollen des Erblassers, wie er in den auf die GmbH bezogenen Anordnungen im Erbvertrag zum Ausdruck gekommen ist, nicht gefordert ist. Ob zudem der Erblasser - wie der Beklagte vorträgt - die Testamentsvollstreckung auch deswegen angeordnet hat, weil er erklärtermaßen seine Söhne aus der Geschäftsführung der GmbH habe fernhalten wollen, ist für die in dieser Sache zu treffende Entscheidung letztlich nicht von Bedeutung. Denn jedenfalls konnte der Testamentsvollstrecker zu dem Ergebnis kommen, dass eine Geschäftsführerbestellung der Söhne der Klägerin nicht dem Erblasser willen entsprach. Aus der Regelung in Ziff. V des Erbvertrages, wonach 49 % der Anteile leitenden Angestellten der X. und weitere 2 % dem Geschäftsführer oder den Geschäftsführern zum Kauf anzubieten sind und die Kinder X., X. und X. nicht zu diesem Kreis gehören, ist zu entnehmen, dass der Erblasser seine Kinder - der Sohn X. hat insoweit überhaupt keine Erwähnung gefunden - nicht in die Geschäftsführung aufgenommen wissen wollte. Nach der Bekundung des Notar X. den Erbvertrag beurkundet hat, im Verfahren X. vor dem X. am 26. Oktober 1987 war Hauptgrund für die Anordnung der Testamentsvollstreckung die Durchsetzung des Beteiligungsverhältnisses an der X. und hatte der Erblasser sehr konkrete Vorstellungen über die Beteiligung der Kinder der X. an der Gesellschaft. Da die Anteile der Familie bewusst auf 49 % beschränkt worden, die erwähnten Kinder aus dem Kreis der angebotsberechtigten Angestellten und Geschäftsführern ausdrücklich ausgenommen sind und eine Bestellung zum Geschäftsführer weder genannt noch mit dem Beteiligungsmodell zu vereinbaren ist, konnte der Beklagte, dem als Testamentsvollstrecker als wesentliche Aufgabe die Realisierung des vom Erblasser gewünschten Beteiligungsmodells oblag, die Auffassung gewinnen, eine Geschäftsführerstellung der Söhne der X. widerspreche dem Willen des Erblasers und konnte und durfte diese Auffassung gegenüber der Klägerin und ihren Söhnen vertreten. Daraus, dass der Erblasser Herrn X. 1973 zum stellvertretenden Technischen Leiter ernannt und ihm ein Jahr vor seinem Tod die Funktion der Akquisition und Kundenbetreuung übertragen hat sowie 1977 auch seinen Sohn X. in die technische Geschäftsleitung einbinden wollte, ist angesichts des Erbvertrages vom 15. Juli 1977 nicht zu schließen, dass er ihre Aufnahme in die Geschäftsleitung, Bestellung zum Geschäftsführer wünschte.</p>
<span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks">Dem aus menschlicher Sicht verständlichen Wunsch der Klägerin, ihre Söhne in der Geschäftsführung der GmbH zu sehen, brauchte und durfte der Beklagte sich nicht zu fügen, wenn er in durchaus vertretbarer Weise die Auffassung erlangt hatte, eine solche Entscheidung werde zum Wohle der Gesellschaft nicht gefordert und widerspreche zumindest deshalb dem von ihm zu realisierenden Willen des Erblassers.</p>
<span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks">Wie der Beklagte im einzelnen dargelegt und die Klägerin nicht in Abrede gestellt hat, ist im Zusammenhang mit ihrem Wunsch, die Söhne in die Geschäftsleistung aufzunehmen, ein erheblicher Aufwand für Korrespondenz, Sitzungen und Beratungen nebst Vor- und Nachbereitung erforderlich geworden und die Tätigkeit des Beklagten insgesamt erheblich kompliziert worden. Dies ist ihm nicht anzulasten, da er für seine Auffassung mit der gebotenen Intensität und dem erforderlichen Nachdruck eintreten konnte und musste</p>
<span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks">c) Entgegen den Ausführungen der Berufung kann es auch keinem ernsthaften Zweifel unterliegen, dass der Beklagte besondere Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen aufweisen und auch verwerten musste. Das ergibt sich schon aus dem Erbvertrag. Da beide hierdurch bestellten Testamentsvollstrecker spezielle berufliche Fähigkeiten haben, die auch im Erbvertrag genannt sind, ist hieraus zu schließen, dass nach dem Willen des Erblassers und der Klägerin bei Errichtung des Erbvertrages diese Fähigkeiten bei der Testamentsvollstreckung genutzt werden sollten. Darüber hinaus sind die Pflichten eines Testamentsvollstreckers, der im Nachlass einen GmbH-Mehrheitsanteil des vorliegenden Umfanges zu verwalten hat, umfangreich, wie nicht in Zweifel zu ziehen ist. Dabei ist insbesondere die zu realisierende - mit erheblichen Schwierigkeiten verbundene - Satzungsänderung zu berücksichtigen. All dies erfordert ein hohes Maß an wirtschaftlichen Kenntnissen und Erfahrungen, die dem Beklagten als Wirtschaftsprüfer auch zu Eigen sind.</p>
<span class="absatzRechts">103</span><p class="absatzLinks">Dieser weist zutreffend auch darauf hin, die Klägerin hätte seine Bestellung nicht zuzustimmen brauchen, wenn sie der Auffassung gewesen wäre, dass ein weniger qualifizierter Verwalter ausgereicht hätte, dass aber die wirtschaftlichen Auswirkungen für die X. als so schwierig eingeschätzt wurden, dass der Erblasser und die Klägerin den Beklagten gewählt haben.</p>
<span class="absatzRechts">104</span><p class="absatzLinks">2.) Ein Abschlag bzw. eine nennenswerte Kürzung der Vergütung des Beklagten ist weder gerechtfertigt, weil dieser anwaltlichen Rat und den Rat eines juristischen Universitätsprofessors eingeholt hat noch weil ein Mittestamentsvollstrecker bestellt ist und auch nicht, weil der Beklagte aufgrund seiner Tätigkeit im Beirat und seiner Beratungstätigkeit für die Gesellschaft notwendiges Wissen zur Verwaltung der GmbH-Beteiligung gewinnen konnte, das seiner Arbeit als Testamentsvollstrecker zugutekommen müsste.</p>
<span class="absatzRechts">105</span><p class="absatzLinks">a) Nicht zu Lasten des Beklagten geht der Umstand, dass er den Rechtsanwalt X. und den Notar X. hinsichtlich der rechtlichen Fragen und der Ausarbeitung der Satzung hinzugezogen hat.</p>
<span class="absatzRechts">106</span><p class="absatzLinks">Aus der Pflicht, den Nachlass ordnungsgemäß zu verwalten, folgt, dass für solche Aufgaben, die der Testamentsvollstrecker nicht aus eigener Kenntnis bewältigen kann, Fachleute hinzu zu ziehen sind. Die Frage, ob eine solche Maßnahme geboten ist, ist weitgehend in das Ermessen des Testamentsvollstreckers gestellt. Die Heranziehung eines Juristen bei der Lösung der Satzungsfrage - eines Anwaltes und Notars - ist angesichts der mit der vorliegenden Satzungsänderung verbundenen Probleme auch in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. </p>
<span class="absatzRechts">107</span><p class="absatzLinks">Dabei verweist der Beklagte nachvollziehbar darauf hin, dass die erheblichen Schwierigkeiten für ihn selbst weniger aus den angesprochenen Rechtsfragen als aus der tatsächlichen Umsetzung des Satzungsentwurfes und den sonstigen angeschnittenen Fragen entstanden und ihre Ursache insbesondere darin hatten, dass die Klägerin laufend neue Varianten hinsichtlich der Gesellschaftsstruktur und der Besetzung des Beirates einbrachte und eine - jedenfalls nach Auffassung des Beklagten - dem Erblasserwillen entgegenstehende Unternehmenspolitik anstrebte.</p>
<span class="absatzRechts">108</span><p class="absatzLinks">Es sind auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Beauftragung von Rechtsanwalt X. ausschließlich oder auch nur überwiegend im Interesse des Beklagten persönlich und nicht aufgrund seiner Tätigkeit als Testamentsvollstrecker erfolgt ist. Das gilt auch, soweit Satzungsänderungen wegen der vom Beklagten angestrebten Fortsetzung der Wirtschaftsprüfertätigkeit neben der des Testamentsvollstreckers erforderlich wurden, weil die Klägerin sich hiermit - wenn auch auf Verlangen des Beklagten - einverstanden erklärt hatte, wie dem Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 6. Oktober 1983 zu entnehmen ist (vgl. Anlage B 4).</p>
<span class="absatzRechts">109</span><p class="absatzLinks">Einer Beauftragung von X. stand aus der Sicht des Beklagten nicht zwingend entgegen, dass dieser bereits mehrere gutachterliche Stellungnahmen zur Auslegung des Erbvertrages und des Gestaltungsspielraumes der Beteiligten erstattet hatte. Denn X. konnte die dabei gewonnenen tatsächlichen Kenntnisse betreffend die Gesellschaft verwerten. Daraus, dass die Aufklärungsarbeit des von den Testamentsvollstreckern zugezogenen Universitätsprofessors Bedenken in dessen Objektivität bei der Klägerin erweckt hat, weil er Beschuldigungen des Geschäftsführers gegen einen Sohn der Klägerin in seine Aufzeichnungen aufgenommen hat, kann nicht rückgefolgert werden, dass dessen Beauftragung hätte unterbleiben müssen.</p>
<span class="absatzRechts">110</span><p class="absatzLinks">b) Ein erheblicher Abzug dafür, dass neben dem Beklagten noch ein zweiter Testamentsvollstrecker tätig war, ist nicht gerechtfertigt; denn jeder Testamentsvollstrecker wird entsprechend seiner eigenen Leistung vergütet (vgl. Haegele/Winkler, a.a.0., RN 612 f. unter Hinweis auf BGH NJW 1967, 2400). Die Erwägung der Klägerin, durch die Bestellung eines zweiten Testamentsvollstreckers sei die Entscheidungsfindung des Beklagten erleichtert worden, da er die Probleme mit dem Mittestamentsvollstrecker X. habe er örtern können, berücksichtigt zum einen nicht, dass es nicht nur auf den Umfang und die Schwierigkeit der Sache, sondern auch auf den Zeitaufwand ankommt und eine Mittestamentsvollstreckung wegen der nötigen Erörterungen und Abstimmungen zwischen den beteiligten Testamentsvollstreckern zwingend zu einem höheren Zeitaufwand führt. Darüber hinaus ist weder etwas dafür vorgetragen noch erkennbar, dass erhebliche Aufgaben zwischen den Testamentsvollstreckern aufgeteilt wurden, die Verantwortung für bestimmte Bereiche dem einen oder anderen zugewiesen und dadurch eine erhebliche Entlastung bewirkt wurde (vgl. BGH NJW 1967, 2400/2401).</p>
<span class="absatzRechts">111</span><p class="absatzLinks">c) Schließlich fällt nicht nennenswert ins Gewicht, dass der Beklagte aufgrund seiner Teilnahme an den Sitzungen des Beirates und aufgrund seiner Beratertätigkeit Kenntnisse erworben hat, die ihm die Arbeit als Testamentsvollstrecker erleichterten. Der Beklagte hat auch nicht im Rahmen der mit 10.260,-- DM gesondert vergüteten Beiratstätigkeit einen erheblichen Teil der Verwaltungstätigkeit als Testamentsvollstrecker erbringen können, da mit dem genannten Betrag nur der reine Zeitaufwand der Teilnahme an den Beiratssitzungen, nicht aber Vorbereitung und Nacharbeit vergütet wurden. Dass der Beklagte aufgrund seiner steuer- und wirtschaftsberatenden Tätigkeit umfangreiches Wissen erworben hat, welches er bei seiner Tätigkeit als Testamentsvollstrecker verwerten konnte, rechtfertigt keine erhebliche Kürzung seines Honorars. Der auch hier anklingende Vorwurf, der Beklagte habe ungerechtfertigte Honorare gefordert, wird durch die eingereichten Anlagen widerlegt. Denn diese betreffen im Wesentlichen steuerberatende Tätigkeit. Der Beklagte war als Testamentsvollstrecker vorliegend aber nicht gehalten, ohne Entgelt für die GmbH erforderliche steuer- und wirtschaftsberatende Tätigkeit wahrzunehmen.</p>
<span class="absatzRechts">112</span><p class="absatzLinks">Nach alledem kommt insgesamt jedenfalls ein ca. 20 % übersteigender Abzug von den üblichen Prozentsätzen nicht in Betracht.</p>
<span class="absatzRechts">113</span><p class="absatzLinks">Die reine Vergütungsforderung des Beklagten für 1985 in Höhe von 86.991,41 DM macht aber - selbst nur ausgehend vom Ertrag des GmbH-Anteils - lediglich 2,96 % und - ausgehend vom Wert der GmbH-Beteiligung mit 21.252.634,-- DM nur 0,41 % aus. Damit bleibt sie ca. 20 % bzw. noch mehr hinter den Höchstsätzen von 2 - 4 %  nach Beibehaltung der Wirtschaftsprüfertätigkeit und die dadurch bedingten Satzungsänderungen nicht akzeptieren wollte. Auch eine vom Beklagten im vom Bruttoertrag bzw. 1/3 bis 1/2 % vom BruttoNachlasswert des GmbH-Anteils zurück, obwohl nach Auffassung des Senates auch das übrige der Testamentsvollstreckung unterliegende Vermögen zu berücksichtigen ist.</p>
<span class="absatzRechts">114</span><p class="absatzLinks">III. Eine Minderung der Vergütung kommt schließlich weder aus dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Pflichten aus dem Testamentsvollstreckeramt des Beklagten. in Betracht, noch vermag der Einwand der Verwirkung durchzugreifen.</p>
<span class="absatzRechts">115</span><p class="absatzLinks">1.) a) Eine Herabsetzung des Testamentsvollstreckerhonorars ist nicht deshalb gerechtfertigt, weil der Beklagte sich einer Beteiligung der Söhne der X. an der Geschäftsführung widersetzt hat und hierfür Zeit- und Kostenaufwand entstanden ist. Entgegen der Ansicht der Klägerin bietet der Erbvertrag - wie bereits ausgeführt - hinreichende Anhaltspunkte für die vom Beklagten vertretene Auffassung und sein Bestreben, den von ihm zutreffend, jedenfalls durchaus vertretbar verstandenen Willen des Erblassers durchzusetzen. Demgemäß konnte und musste der Beklagte sich als Testamentsvollstrecker dafür einsetzen, dass die Gesellschaft eine diesem Willen des Erblassers entsprechende Ausgestaltung und Führungsstruktur erhielt.</p>
<span class="absatzRechts">116</span><p class="absatzLinks">Wenn sich durch die konträren Auffassungen der Parteien erhebliche Probleme ergaben und entsprechender Arbeitsaufwand erwuchs, ist dies dem Beklagten nicht als Amtspflichtverletzung anzulasten. Dass der Beklagte unter den gegebenen Umständen Besprechungen und Verhandlungen mit erheblichem Zeitaufwand, Intensität und Zähigkeit zu führen hatte, haben auch die Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat deutlich werden lassen.</p>
<span class="absatzRechts">117</span><p class="absatzLinks">b) Eine Reduzierung der Vergütung des Beklagten ist ferner nicht deshalb geboten, weil er im Rahmen der erforderlichen Satzungsänderungen auch eigene Interessen wahrgenommen hat, Probleme auch durch sein Bestreben, gleichzeitig Testamentsvollstrecker und Abschlussprüfer zu sein, entstanden sind und hierdurch ebenfalls eine Satzungsänderung notwendig wurde. Zum einen war die Lösung dieses Problems im Verhältnis zur Umstrukturierung der GmbH und Entscheidung über die Geschäftsführung nicht so schwierig. Darüber hinaus ist der Überlegung des Landgerichts zu folgen, es habe den Aufgaben des Beklagten entsprochen, die durch seine Amtsübernahme - im Hinblick auf seitens seiner Standesorganisation drohende Schwierigkeiten - notwendigen Satzungsänderungen herbeizuführen. Zudem waren die Erbvertragsparteien und die Klägerin außerdem auch bei der späteren Aufnahme der Testamentsvollstreckertätigkeit des Beklagten sich über die Doppelfunktion des Beklagten im klaren und haben im Zeitpunkt seiner Bestellung in Kenntnis des Umstandes, dass er auch Abschlussprüfer bleiben, wirtschaftsberatende Tätigkeiten weiter wahrnehmen wollte, keine Einwendungen gegen seine Bestellung erhoben. Dem Beklagten kann nicht als Pflichtverletzung vorgeworfen werden, dass er wegen des Testamentsvollstreckeramtes nicht die Wirtschaftsprüfertätigkeit für die X. aufgeben wollte und eine dieser ermöglichenden Regelung anstrebte. Dass er zur ordnungsgemäßen Erfüllung seines Testamentsvollstreckeramtes an den Beiratsitzungen als wichtigem Gremium der Gesellschaft teilnehmen musste, bedarf keiner vertiefenden Begründung. Im Übrigen war dem Erblasser bei der Auswahl des Beklagten als Testamentsvollstrecker bekannt, dass dieser als Wirtschaftsprüfer für die GmbH tätig war, und die notwendigen Satzungsänderungen wurden in der Gesellschafterversammlung vom 6. Oktober 1983 unter Mitwirkung der Klägerin sowie ihrer Söhne X. und X. einstimmig beschlossen (vgl. Anlage B 4). Der Klägerin hätte es freigestanden, sich der Bestellung des Beklagten zum Testamentsvollstrecker zu widersetzen, wenn sie dessen Wünsche Zusammenhang mit der Beiratstätigkeit angestrebte Satzungsänderung rechtfertigt noch keine Kürzung des Honorars. Erst recht kann keine Rede davon sein, dass alle Tätigkeiten des Beklagten in der Zeit vom 1. Januar bis 30. Juli 1985 zu seinen Lasten zu gehen hätten und in der Folgezeit der Beiratstätigkeit zuzuordnen seien. Nachlassverwaltung, Steuerberatung und Wirtschaftsprüfertätigkeit sowie Mitwirkung im Beirat beinhalten verschiedene und gesondert zu vergütende Tätigkeiten. Deshalb ist auch unerheblich, ob der Beklagte 1985 für allgemeine Beratung und Steuerberatung 192.011,34 DM sowie für Beirats-und Testamentsvollstreckertätigkeit unstreitig nur ca. 100.000,-- DM (92.263,91 DM + 10.260,-- DM) erhalten hat, wobei auf die Testamentsvollstreckung und Beiratstätigkeit nur 1/3, nicht die Hälfte der Gesamtbezüge entfallen.</p>
<span class="absatzRechts">118</span><p class="absatzLinks">2.) Dem Beklagten sind auch ansonsten keine gravierenden und die Verwirkung seiner Honoraransprüche rechtfertigenden Vorwürfe zu machen.</p>
<span class="absatzRechts">119</span><p class="absatzLinks">Zwar kann der Anspruch des Testamentsvollstreckers auf Vergütung verwirkt sein, wenn er in besonders schwerer Weise vorsätzlich oder grobfahrlässig gegen seine Amtspflichten verstoßen hat, was zu befahren ist, wenn der Testamentsvollstrecker sich u.a. bewusst über die Interessen der Personen, für die er als Testamentsvollstrecker eingesetzt ist, hinwegsetzt und mit seiner Tätigkeit eigene Interessen oder die dritter Personen verfolgt (vgl. BGH zu DNotZ 1980, 164.f.).</p>
<span class="absatzRechts">120</span><p class="absatzLinks">a) Die Voraussetzungen für eine Verwirkung sind vorliegend nicht gegeben, soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang vorbringt, der Beklagte habe wegen seines Wunsches nach Beibehaltung der Wirtschaftsprüfertätigkeit Satzungsänderungen notwendig gemacht, scheitert eine Verwirkung jedenfalls daran, dass die Klägerin sich einverstanden erklärt hat; außerdem konnte der Beklagte davon ausgehen, dass diese Aufgabenkombination dem Erblasserwillen entsprach.</p>
<span class="absatzRechts">121</span><p class="absatzLinks">b) Soweit der Mittestamentsvollstrecker X. Zahlungen an die Klägerin in der Zeit vorn 1. Januar bis 9. Mai 1986 eingestellt hat, kann hieraus eine gravierende Pflichtverletzung des Beklagten nicht hergeleitet werden, da die Klägerin nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen des Beklagten über monatliche Einnahmen von ca. 16.500,-- DM verfügte. Unter Berücksichtigung der bis 31. Dezember 1985 darüber hinaus monatlich gezahlten 7.000,-- DM ist mangels näheren Vortrages der Klägerin auch nicht erkennbar, dass diese infolge fehlender Gewinnausschüttung in den Jahren 1980 bis 1985 von den Testamentsvollstreckern in eine Verschuldung von 932.000,-- DM "getrieben" wurde. Soweit sie sich zur Ergänzung ihres Vorbringens auf den Schriftsatz der Rechtsanwälte X. bezieht, ändert sich hieran nichts, im Übrigen ist auf ihre eigenen - insoweit zutreffenden Ausführungen zu verweisen, dass es prozessual unzulässig ist, global auf das Vorbringen in einem anderen Schriftsatz aus einem anderen Verfahren Bezug zu nehmen, ohne dass dieses Vorbringen im anhängigen Rechtsstreit substantiiert wird.</p>
<span class="absatzRechts">122</span><p class="absatzLinks">c) Auch die Vorwürfe hinsichtlich der Feststellung der Jahresabschlüsse und der damit verbundenen Gewinnausschüttungen rechtfertigen nicht die Annahme vorsätzlicher oder grobfahrlässiger Amtspflichtverletzung. Zum einen hat der Beklagte im einzelnen vorgetragen, dass die angeblich entstandenen Vorzögerungen auf das Abstimmungsverhalten der Klägerin selbst, bzw. ihres Sohnes zurückzuführen gewesen seien, ohne dass die Klägerin dem konkret entgegengetreten ist.</p>
<span class="absatzRechts">123</span><p class="absatzLinks">Im Übrigen kann es durchaus vernünftiger Geschäftspolitik entsprechen, Gewinne nicht auszuschütten und hierdurch in erlaubter Weise unter Steuerersparnis stille Reserven zu bilden, Liquidität des Unternehmens zu schaffen. Die Klägerin kann nicht ernsthaft geltend machen, die Gewinne der Vorjahre hätten pflichtgemäß ausgewiesen und versteuert werden müssen, der Beklagte habe dem Staat Steuern vorenthalten. Durch die in steuerlicher Sicht bedenkenfreie Bildung stiller Reserven konnten die ausgewiesenen Jahresergebnisse bei beträchtlicher Steuerersparnis für die Gesellschafter reduziert und die im Unternehmen vorhandene Liquidität erhöht werden, was lediglich zur Folge hat, dass die Steuern für die Gesellschafter später im Jahr der Ausschüttung der Gewinne anfallen.</p>
<span class="absatzRechts">124</span><p class="absatzLinks">d) Desweiteren ist dem Vorbringen der Klägerin, die Testamentsvollstrecker seien ihrer Aufgabe zur ordnungsgemäßen Verwaltung insoweit nicht gerecht geworden, als es um die Aufklärung des Vorwurfes gegangen sei, der Geschäftsführer X. habe in Verletzung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und zum Nachteil der Auftraggeber der Gesellschaft in unzulässiger Weise mit ausführenden Unternehmen zusammengearbeitet, kein die Verwirkung des Testamentsvollstreckerhonorars für den streitigen Zeitraum rechtfertigender Vorwurf zu entnehmen.</p>
<span class="absatzRechts">125</span><p class="absatzLinks">In der Notiz des mit der rechtlichen Prüfung der Angelegenheit beauftragten X. vom 4. Januar 1986 ist zwar ausgeführt, die Testamentsvollstrecker müssten daher unabhängig vom Versuch weiterer Klärung..."zumindest sicherstellen, dass Firmenplanungen unterbleiben." Wann diese Notiz den Testamentsvollstreckern zugänglich gemacht worden ist, trägt die Klägerin indes nicht vor.</p>
<span class="absatzRechts">126</span><p class="absatzLinks">Das Gutachten von X. stammt - wie die Klägerin nicht in Abrede gestellt hat - vom 13. März 1986. Die Testamentsvollstrecker durften jedenfalls mit weiteren Aktivitäten bis zur Vorlage des Gutachtens warten. Soweit die Klägerin im nachgelassenen Schriftsatz vom 17. Mai 1938 behauptet, die Testamentsvollstrecker hätten pflichtwidrig versucht, die sachgerechte Aufklärung der Vorwürfe zu verhindern, dass sich die Gesellschaft gegenüber ihren Auftraggebern pflichtwidrig verhalte, handelt es sich um neues verspätetes, nicht vom Schriftsatzvorbehalt gedecktes Vorbringen, dem zu dem ein grobfahrlässiger Pflichtverstoß des Beklagten nicht zu entnehmen ist. Immerhin ist X. in seinem Gutachten vom 13. März 1986 zu dem Ergebnis gelangt, dass sich ein relevanter Vorwurf gegen die X. ableiten lasse und weitere Aufklärungsaktionen überflüssig, ja in gewissem Sinne bedenklich - weil möglicherweise rufschädigend für die X. - seien (vgl. Anlage B 72). Da aus der dem Kunden gegenüber nicht offengelegten Einschaltung von Hilfskräften bzw. anderen Unternehmen nicht zwingend eine Vertragsverletzung herzuleiten ist und die Klägerin auch substantiierten Vortrag dazu vermissen lässt, welches konkrete Tun oder Unterlassen zu welchem Zeitpunkt dein Beklagten vorgeworfen wird, ist eine schwere - die Verwirkung der Vergütung allein rechtfertigende - Pflichtverletzung des Beklagten nicht festzustellen. Soweit die Klägerin sich darauf beruft, die Testamentsvollstrecker hätten die Aufforderungen des Gesellschafters X. mit Schreiben vom 2. und 3. September 1987, aufgrund des Gutachten X. aktiv zu werden, ignoriert, reicht ein solches Verhalten nicht aus, rückwirkend den streitigen Vergütungsanspruch als verwirkt anzusehen.</p>
<span class="absatzRechts">127</span><p class="absatzLinks">e) Die gleiche Beurteilung gilt hinsichtlich der Bezahlung der Rechnung des Rechtsanwaltes X. sowie der Beauftragung und Bezahlung von X..</p>
<span class="absatzRechts">128</span><p class="absatzLinks">Da von der Berechtigung des Testamentsvollstreckers, anwaltlichen Rat hinsichtlich der Erstellung einer neuen Satzung einzuholen, auszugehen ist und die Klägerin die Rechnung des Rechtsanwaltes X. vom 17. Dezember 1985 nicht substantiiert angegriffen hat, inwiefern diese unzutreffend sein soll, geht ihr Vorwurf nicht ordnungsgemäßer Überprüfung der Rechnung fehl. Mit der aus der Bestellung des Beklagten zum Testamentsvollstrecker resultierenden Satzungsänderung im Hinblick auf dessen Wirtschaftsprüfertätigkeit war die Klägerin - wie bereits ausgeführt - gemäß Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 6. Oktober 1983 einverstanden.</p>
<span class="absatzRechts">129</span><p class="absatzLinks">Soweit die GmbH die Tätigkeit X. in der Zeit vom 4. Januar bis 25. März 1986 mit 35.000,-- DM vergütet hat, ist dies nicht zu beanstanden. Wie bereits dargelegt, war es sachgerecht, X. mit der Begutachtung zu beauftragen, da er bereits Kenntnisse aus seiner früheren Gutachtertätigkeit hatte. Inwiefern die Ausgaben zum Teil unnütz waren und vom Beklagten hätten zurückgefordert werden müssen, ist nicht erkennbar.</p>
<span class="absatzRechts">130</span><p class="absatzLinks">f) Schließlich ist dem neuen - nicht hinreichend substantiierten - Vorbringen der Klägerin, die Testamentsvollstrecker hätten nach ihrer Ansicht zur Durchsetzung ihrer Interessen zum Nachteil der Klägerin mit dem Geschäftsführer der Gesellschaft zusammengearbeitet, ebenso wenig ein für die Frage der Verwirkung der Testamentsvollstreckervergütung relevanter Vorwurf zu entnehmen wie dem Vortrag, die Testamentsvollstrecker hätten pflichtwidrig die Herausgabe des Originalprotokolls der Beiratsitzung vom 19. August 1985 verhindert, obwohl dieses Protokoll für die Eintragung der Herren X. als Geschäftsführer der Gesellschaft erforderlich gewesen sei.</p>
<span class="absatzRechts">131</span><p class="absatzLinks">V 1) Nach alledem standen dem Beklagten die geforderten und gezahlten Honorar- und Aufwendungsersatzbeträge sowohl für 1985 als auch für 1986 zu.</p>
<span class="absatzRechts">132</span><p class="absatzLinks">Insbesondere für 1986 ist bei einem auf das ganze Jahr hochgerechneten Betrag von 75.618,48 DM eine unbillige Vergütung nicht festzustellen.</p>
<span class="absatzRechts">133</span><p class="absatzLinks">2.) Auch die Fälligkeit der Vergütungs- und Aufwendungsersatzforderung ist vom Landgericht zutreffend und unbeanstandet bejaht worden.</p>
<span class="absatzRechts">134</span><p class="absatzLinks"><strong>C.</strong></p>
<span class="absatzRechts">135</span><p class="absatzLinks">Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1 Satz 1 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">136</span><p class="absatzLinks">Gegenstandswert für das Berufungsverfahren und Wert der Beschwer für die Klägerin: <strong>58.436,44 DM.</strong></p>
|
315,351 | ag-dusseldorf-1988-07-11-20-c-7987 | {
"id": 653,
"name": "Amtsgericht Düsseldorf",
"slug": "ag-dusseldorf",
"city": 413,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 20 C 79/87 | 1988-07-11T00:00:00 | 2019-03-13T14:53:23 | 2022-10-18T15:03:47 | Urteil | ECLI:DE:AGD:1988:0711.20C79.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>hat das Amtsgericht Düsseldorf</p>
<p>auf die mündliche Verhandlung vom 11.Juli 1988</p>
<p>durch den Richter am Amtsgericht X</p>
<p>für R e c h t erkannt:</p>
<p></p>
<p> Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p></p>
<p> Die Kosten des Rechtsstreits trägt die</p>
<p> Klägerin.</p>
<p></p>
<p> Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p> Streitwert: 143,00 DM.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Tatbestand</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten sind Wohnungsmieter der Klägerin im Hause X-Straße in X. Sie wohnen im 5. Obergeschoß zu einem monatlichen Mietpreis von 715,-- DM zuzüglich 234,-- DM monatliche Vorauszahlungen auf die Bewirtschaftungskosten. Die Beklagten haben die Miete für den Monat März 1987 um </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">20 % der Grundmiete = 143,--DM gemindert und von der Aprilmiete abgezogen mit der Begründung, daß sie durch anhaltenden Lärm aus einer Wohnung im 7. Obergeschoß, insbesondere Klavierüben gestört würden.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger verlangt mit vorliegender Klage Nachzahlung der geminderten Miete. Die Beklagten hätten für den Abzug von Miete für den Monat April 1987 keinen Anlass; im übrigen treffe es nicht zu, daß die Mitmieterin im 7. Obergeschoß einen derartigen Lärm verursachten, daß die Beklagten dadurch gestört würden.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">die Beklagten als Gesamtschuldner</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">zur Zahlung von 143,-- DM zu verurteilen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten haben beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Sie behaupten, sie würden schon seit längerer Zeit durch Lärm gestört, der aus der Wohnung der Mitmieter X dringe.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Abmahnungen bei den Mitmietern und bei der Klägerin habe bisher nichts genützt.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Wegen des Vorbringens der Beklagten im einzelnen wird auf die Beweisthemen des Beweisbeschlusses vom 14.1.1988 Bezug genommen. Aufgrund dieses Beschlusses ist Beweis erhoben worden durch Vernehmung mehrerer Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften des Prozeßgerichts vom 7.3.1988 und 11.7.1988 Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat den Eheleuten X den Streit verkündet mit der Aufforderung dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beizutreten. Die Streitverkündeten sind jedoch nicht beigetreten.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Wegen des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den Akteninhalt verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe</u></b></p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist nicht begründet, da die Beklagten gemäß § 537 BGB zur Mietminderung von 20 % der Grundmiete für den Monat März 1988 berechtigt waren. Die aufgrund der Beweisaufnahme bewiesene Lärmbelästigung führt zu einer Minderung der Benutzbarkeit der Wohnung, so daß eine Mietminderung berechtigt war. Daß die Tochter der Mieter X laufend, auch im März 1987, Klavier geübt hat, ergibt sich aus der Vernehmung der Zeugin XX, die insoweit den Vortrag der Beklagten bestätigt hat. Sinngemäß hat dies auch der Zeuge XXX bestätigt, wenn er auch Einzelangaben nicht machen konnte. Sogar aus der Aussage der Zeugin X ergibt sich, daß die Tochter der Zeugin wiederholt Klavier übt. Soweit sich dies in Grenzen unter Wahrung von Ruhezeiten zwischen 13 und 15 Uhr und 20 bis 7 Uhr hält, kann gegen Klavierspiel und Musik nichts einzuwenden sein; allerdings können die Hausbewohner verlangen, daß Schallplatten oder Radiomusik stets, auch außerhalb der Ruhezeiten auf Zimmerlautstärke beschränkt wird. Soweit dies beim Klavierüben nicht möglich ist, muß sich das Üben auf etwa 2 Stunden am Tag beschränke, da die Belästigung durch derartiges Üben für die übrigen Mitmieter erheblich ist. Die als Zeugen vernommenen Eheleute X haben zwar im wesentlichen die Belästigung in Abrede gestellt, den Aussagen der am Ausgang des Rechtsstreits nicht interessierten Zeugen XX und XXX ist jedoch der Vorzug zu geben; so daß für die Entscheidung des Rechtsstreites von der Richtigkeit der Angaben dieser Zeugen und den Behauptungen der Beklagten auszugehen ist.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Daß die Mitmieter X möglicherweise trotz Abmahnung der Klägerin den Lärm verursacht haben, hindert die Mietminderung nicht, da es dafür darauf ankommt, ob der Wohnwert der Wohnung beeinträchtigt ist und insofern ein Mangel durch Lärm vorliegt.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es nicht auf Lärm im Monat April 1987 an, sondern auf Lärm im Monat März 1987, da die Beklagten die Mietminderung für März angekündigt haben und die Minderungsbeträge im Wege stillschweigender Aufrechnung gegenüber dem Anspruch auf Zahlung der Aprilmiete geltend gemacht haben.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf § 708 Ziffer 11 ZPO.</p>
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315,352 | olgham-1988-07-06-10-uf-15087 | {
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"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 10 UF 150/87 | 1988-07-06T00:00:00 | 2019-03-13T14:53:24 | 2022-10-18T15:03:47 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1988:0706.10UF150.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Das am 11. Februar 1987 verkündete Urteil des Amtsgerichts Unna wird abgeändert.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil des Amtsgerichts Iserlohn vom 6. Dezember 1984 (13 a F 103/83) wird dahin abgeändert, daß der Kläger ab 1. Oktober 1987 an die Beklagte anstelle eines monatlichen Unterhalts von 1.440,-- DM nur noch eine monatliche Unterhaltsrente von 1.005,--DM, die künftigen Renten jeweils monatlich im voraus, zu zahlen hat.</p>
<p></p>
<p>Im übrigen wird die Klage abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 7/8, die Beklagte 1/8.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Tatbestand:</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der am 04.11.1934 geborene Kläger und die am 10.03.1936 geborene Beklagte waren Eheleute. Ihre am 30.04.1959 geschlossene Ehe wurde durch Urteil des Amtsgerichts Iserlohn vom 28.07.1981 geschieden (15 F 275/80 AG Iserlohn). Das Scheidungsurteil ist seit dem 18.09.1981 rechtskräftig.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Aus der Ehe der<i> </i>Parteien sind drei Kinder hervorgegangen, xxx, geboren am 26.09.1959, xxx, geboren am 25.03.1962 und xxx, geboren am 08.10.1963. Die elterliche Sorge für die bei Scheidung der Parteien allein noch minderjährige Tochter wurde durch das Scheidungsverbundurteil der Beklagten übertragen. Die Kinder studieren. Der Kläger zahlt ihnen Unterhalt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte nahm vor der Heirat zunächst das Jurastudium und dann das Studium der Medizin auf. Dieses Studium brach sie nach der Geburt des ersten Kindes ab, so daß sie während und am Schluß der Ehe eine abgeschlossene Berufsausbildung nicht aufweisen konnte.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Kläger war Oberarzt an der Speziallungenklinik in xxx. Im Frühjahr 1988 hat er eine Praxis übernommen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">In dem Rechtsstreit 15 F 283/81 AG Iserlohn (= 5 UF 356/82 OLG Hamm) wurde der Kläger durch Urteil des 5. Familiensenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 03.12.1982 verurteilt, an die Beklagte ab 01.12.1982 eine monatliche Unterhaltsrente von 1.950,-- DM zu zahlen. Die gegen dieses Urteil eingelegte Revision wurde durch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23.05.1984 zurückgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Durch Urteil des Amtsgerichts Iserlohn vom 06.12.1984 (13 a F 103/83) wurde die Unterhaltspflicht des Klägers mit Wirkung vom 13.10.1984 auf 1.440,-- DM im Monat herabgesetzt. Die gegen dieses Urteil zunächst eingelegte Berufung des Klägers wurde später zurückgenommen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Mit seiner vorliegenden, der Beklagten am 10.10.1986 zugestellten Klage begehrt der Kläger unter Berufung darauf, daß die Beklagte erfolgslos studiere und er nicht mehr leistungsfähig sei, den Wegfall seiner Unterhaltspflicht.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Durch das angefochtene Urteil, auf das wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens beider Parteien sowie wegen der Begründung verwiesen wird, ist die Abänderungsklage des Klägers abgewiesen worden.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, die er im einzelnen, wie folgt, begründet:</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte besitze für das Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften entweder nicht die erforderliche Eignung oder sie strebe das von ihr gewählte Ausbildungsziel nicht mit der erforderlichen Nachhaltigkeit an. Die Beklagte habe die Regelstudienzeit von 9 Semestern bereits hinter sich, ohne das für das weitere Studium erforderliche Vordiplom bestanden zu haben. Von 5 Prüfungsfächern an der Universität xxx habe sie eines nicht bestanden und an zweien nicht teilgenommen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Auch seine Leistungsfähigkeit habe sich geändert. Sein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen belaufe sich nur noch auf 5.600,-- DM. Davon müsse er folgende Ausgaben bestreiten:</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">1. Krankenkasse 332,64 DM</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">2. Krankenkasse für xxx 56,58 DM</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">3. Lebensversicherung (xxx) 1.177,05 DM</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">4. Lebensversicherung (xxx) 116,-- DM</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">5. Lebensversicherung (xxx) 128,-- DM</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">6. Krankenhaustagegeld (xxx) 36,-- DM</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">7. Beiträge zum Berufsverband 38,33 DM</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">8. Beitrag für die Gesellschaft für Pneumologie 12,-- DM</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">9. Berufsbezogene Literatur, Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen 100,-- DM</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">10. Pkw-Haftpflicht 115,-- DM</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">11. Kfz-Steuer 27,60 DM</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">12. xxx-Beitrag 4,50 DM</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">13.xxx (Beitrag) 13,-- DM</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">14. Reinigung von Betriebskleidung 80,-- DM</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">15. Kosten für eine Putzhilfe (2 x wöchentlich für 2 Std.) <u>68,— DM</u></p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">2.304,70 DM.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Den drei studierenden Kindern leiste er monatlich insgesamt 1.554,-- DM.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">abändernd das Urteil des Amtsgerichts Iserlohn vom 06.12.1984 (13 a F 103/83) dahin abzuändern, daß er für die Zeit ab 01.09.1986 nicht mehr zur Zahlung von Unterhalt an die Beklagte verpflichtet sei.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Sie trägt vor:</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Die durchschnittliche Dauer des von ihr gewählten Studiums liege bei 13,6 Semestern. Sie habe, was unstreitig ist, das Studium im Wintersemester 1982/83 aufgenommen. In den ersten drei Semestern seien folgende Propädeutika Hauptgegenstand des Studienganges gewesen:</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Technik des betrieblichen Rechnungswesens </p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Mathematische Grundkurse I und II,</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Einführung in die EDV,</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Methoden der empirischen Sozialforschung.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Daneben habe sie sich auf die ersten Prüfungsfächer für die Ablegung des Vordiploms vorbereitet. Erstmals am Ende des Wintersemesters 1984/85 habe sie eine Klausur in einem der Prüfungsfächer für das Vordiplom geschrieben, wobei für die Ablegung des Vordiploms des Studienganges "Wirtschaft und Sozialwissenschaften" in xxx die Prüfungsfächer Recht, Statistik, Betriebswirtschaftlehre, Soziologie und Volkswirtschaftslehre in Klausuren und mündlichen Prüfungen zu absolvieren gewesen seien. Da sie das Fach Soziologie für ihren angestrebten Beruf nicht benötigt habe, habe sie sich zum Wintersemester 1986/87 an der Fernuniversität xxx eingeschrieben, wo sie den Studiengang Wirtschaftswissenschaften ohne Soziologie fortsetzen könne.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Bei der Gesamtbewertung ihres Studienvorhabens sei zu berücksichtigen, daß auch die besonderen Lebensumstände und das für eine Studentin schon vorgerückte Alter eine Rolle spielten.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Die Leistungsfähigkeit des Klägers und ihr daran orientierter Bedarf seien bisher wesentlich zu niedrig beurteilt worden. Tatsächlich sei das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen des Klägers aus seiner Grundtätigkeit auf mindestens 6.000,-- DM monatlich gestiegen. Zusätzlich beziehe der Kläger mindestens weitere 1.000,-- DM netto im Monat aus der Erstellung ärztlicher Gutachten. Aus der Behandlung von Privatpatienten verdiene der Kläger zusätzlich mindestens weitere 1.500,-- DM netto im Monat. Hinzu kämen noch mindestens 800,-- DM im Monat an Steuerrückzahlungen.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Abzüge vom Einkommen des Klägers könnten nur nach Maßgabe des Urteils des 5. Familiensenats vom 03.12.1982 vorgenommen werden. Dabei sei zu berücksichtigen, daß der Kläger an die Krankenkasse nicht den vom Arbeitgeber bescheinigten Betrag, sondern nur 318,14 DM zahle. An Versicherungsaufwendungen könnten nur die Beiträge zur Deutschen Ärzteversicherung mit einem monatlichen Beitrag von 1.177,05 DM berücksichtigt werden. Für berufsbezogene Literatur und Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen seien nur 50,-- DM zu berücksichtigen. Völlig außer Betracht bleiben müssen die vom Arbeitgeber bescheinigte Zusatzversicherung mit monatlichen Beiträgen von 530,-- DM.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Unterhaltszahlungen für die Kinder könnten keinesfalls in Höhe von 1.554,-- DM abgesetzt werden. Denn ein Vorwegabzug des Kindesunterhalts sei angesichts ihrer vorrangigen Unterhaltsberechtigung nicht zulässig.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Dem Einkommen des Klägers hinzuzurechnen seien durchschnittliche monatliche Nebeneinkünfte aus Praxisvertretung von 200,-- DM.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Eine Bedarfsbegrenzung nach § 1578 BGB, wie vom Kläger angesprochen, scheide aus, da die Ehe länger als 21 Jahre gedauert habe.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat die Parteien persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung im Senatstermin vom 04.11.1987 wird auf den Berichterstattervermerk verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Im Senatstermin vom 10.06.1988 haben die Parteien folgendes erklärt:</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">- Kläger:</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Unser Sohn xxx befindet sich jetzt im 14. oder 15. Studiensemester. Er hat zunächst Sozialpädagogik studiert. Jetzt studiert er, wohl im 6. Semester, zusätzlich Betriebswirtschaft. xxx befindet sich im 8. Semester des Faches Elektrotechnik, xxx studiert im 5. Semester Psychologie.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Ich führe seit dem 01.05.1988 eine eigene Praxis.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">- Beklagte:</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Ich war im März 1988 beim Arbeitsamt. Dort schlug man mir vor, an einem 6monatigen Kursus in kaufmännischer Tätigkeit teilzunehmen, damit ich Arbeitspraxis aufzuweisen hätte und so eine Chance auf dem Arbeitsmarkt bekäme. Die beiden für mein Vordiplom noch ausstehenden Klausuren werde ich im September 1988 schreiben.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks"><u>Entscheidungsgründe:</u></p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung des Klägers führt zu der aus der Urteilsformel ersichtlichen Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Der Beklagten steht bis einschließlich September 1987 noch Unterhalt in der bisherigen Höhe gemäß §§ 1573 Abs. 1, 1575 Abs. 1 BGB zu. Ab Oktober 1987 vermindert sich der Unterhaltsanspruch der Beklagten als Aufstockungsunterhalt auf 1.005,-- DM monatlich.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Soweit der Kläger Abänderung für die Zeit vor der am 10.10.1986 erfolgten Zustellung seiner Abänderungsklage, nämlich ab 01.09.1986, verlangt, kann er damit nicht durchdringen. Denn da er sich mit seiner Abänderungsklage gegen das am 06.12.1984 verkündete Urteil des Amtsgerichts Iserlohn wendet, kommt eine Abänderung nur für die Zeit nach Erhebung der Klage, d.h. ab 10.10.1986, in Betracht (§ 323 Abs. 3 ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Gegen die Zulässigkeit der vom Kläger erhobenen Abänderungsklage bestehen im übrigen keine Bedenken. Mit dem Vortrag, die Studienberechtigung der Klägerin sei entfallen und seine Leistungsfähigkeit habe sich vermindert, behauptet der Kläger eine wesentliche Veränderung der Umstände nach dem Schluß der mündlichen Verhandlung im Verfahren 13 a F 103/83 vor dem Amtsgericht Iserlohn.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist jedoch erst für die Zeit ab Oktober 1987 begründet.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Die Bestimmung des § 323 ZPO ermöglicht keine freie, von der bisherigen Höhe unabhängige Neufestsetzung des Unterhalts oder eine abweichende Beurteilung der Verhältnisse. Vielmehr kann die Abänderungsentscheidung nur in einer unter Wahrung der Grundlagen des abzuändernden Titels vorzunehmenden Anpassung des Unterhalts an die veränderten Verhältnisse bestehen (Lohmann, Neue Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Familienrecht 5. Aufl., S. 163 m.w.N.). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kommt für die Zeit bis einschließlich September 1967 eine Abänderung des bereits angeführten Urteils des Amtsgerichts Iserlohn nicht in Betracht. Ab Oktober 1987 ist die Unterhaltsrente dagegen auf 1.005,-- DM monatlich herabzusetzen.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Bis einschließlich März 1987 steht der Beklagten Ausbildungsunterhalt gemäß § 1575 Abs. 1 BGB zu. Denn die Beklagte hat ihr wirtschaftswissenschaftliches Studium unstreitig im Wintersemester 1982/83 aufgenommen und befand sich ab Oktober 1986 in ihrem 9. Semester. Wenn auch unstreitig das Vordiplom im Studienfach der Beklagten regelmäßig nach 4 Semestern erreicht sein soll und die Beklagte dieses Vordiplom bis heute nicht erlangt hat, so war der Beklagten doch die Möglichkeit einzuräumen, das Vordiplom mit dem Wintersemester 1986/87, also bis Ende März 1987, abzuschließen. Zum einen ist dabei zu berücksichtigen, daß der Beklagten angesichts ihres Alters von rund 46 Jahren bei Studienaufnahme und der Tatsache, daß sie während der Ehe ab 30.04.1959 ganz überwiegend ausschließlich Hausfrau war und die Kinder erzogen hat, eine Überschreitung der Regelstudienzeit auch in dem geschehenen Umfang zugebilligt werden kann. Des weiteren ist die Beklagte mit hinreichender Dringlichkeit erst durch die Zustellung der Abänderungsklage im vorliegenden Verfahren am 10.10.1986, also zu Beginn des Wintersemester 1986/87, mit der Notwendigkeit konfrontiert worden, jetzt den Studienerfolg jedenfalls in Form des Vordiploms vorzuweisen und möglichst noch in der durchschnittlichen Studiendauer von 13 Semestern, wie sie im Termin vor dem Senat am 04.11.1987 erörtert worden ist, - oder nur wenig darüber - das Abschlußexamen zu erreichen.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Daß die Beklagte ihr Studium mutwillig vernachlässigt hat, kann nicht angenommen werden. Sie hat belegt, daß sie an den in den ersten drei Semestern durchgeführten propädeutischen Veranstaltungen Technik des betrieblichen Rechnungswesens, mathematischer Grundkurs I, II, Einführung in die EDV und Methoden der empirischen Sozialforschung mit Erfolg teilgenommen hat. Außerdem waren, wie die Universität xxx unter dem 12.06.1986 bescheinigt, die Vordiplomprüfungsfächer Recht und Statistik mit ausreichendem Erfolg absolviert. An der Prüfung in Betriebswirtschaftslehre hatte die Beklagte immerhin teilgenommen, wenn auch ohne Erfolg. Auch der Kläger stützt sein Begehren auf Fortfall des Ausbildungsunterhaltsanspruchs der Beklagten wesentlich darauf, daß die vom 5. Familiensenat des Oberlandesgerichts Hamm in seinem Urteil vom 03.12.1982 (5 UF 356/82) angestellte Prognose über die Fähigkeiten der Beklagten, das Studium erfolgreich durchzuführen, fehlgeschlagen sei, wenn er im Termin vom 10.06.1988 vor dem Senat zusammenfassend vortragen läßt, er habe bereits im Verfahren 5 UF 356/82 mit Nachdruck darauf hingewiesen, die Beklagte besitze zu der - damals - angestrebten Ausbildung nicht die erforderliche Eignung.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Der Ausbildungsunterhaltsanspruch der<i> </i>Beklagten für die Zeit bis einschließlich März 1987 besteht in Höhe des durch das Amtsgericht Iserlohn im Vorverfahren ausgeurteilten Unterhalts. Auf der Grundlage der Aufstellung der Lungenklinik xxx vom 30.06.1987 für die Zeit von Juni 1986 bis Mai 1987 beträgt das Nettoeinkommen des Klägers aus seiner Berufstätigkeit ohne Abzug der vermögenswirksamen Leistungen von 52,-- DM, aber unter Abzug des Nettoanteils der vom Arbeitgeber gezahlten vermögenswirksamen Leistungen (13,-- DM abzüglich 39%<i> </i>davon) 5.753,-- DM. Darin enthalten sind die Arbeitgeberanteile zur Krankenkasse und zur Ärzteversicherung sowie die ausgewiesenen zusätzlichen Sonderzahlungen. Abgezogen sind die ausgewiesenen Beiträge zur Ärzteversicherung, Krankenkasse, Arbeitslosenversicherung und Zusatzversicherung. Jedoch bedürfen die Abzüge für die Ärzteversicherung, die Krankenkasse und die Zusatzversicherung der Korrektur.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Soweit die Ärzteversicherung betroffen ist, sind anstelle von 1.075,20 DM Beiträge von monatlich 1.177,05 DM abzuziehen. Ein Beitrag zur Ärzteversicherung in dieser Höhe, wie er auch schon in den beiden Vorverfahren Berücksichtigung fand, ist vom Beklagten im vorliegenden Verfahren zur Überzeugung des Senats belegt worden.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Demgegenüber kann für die Krankenversicherung nicht der vom Arbeitgeber bescheinigte Beitrag von 335,14 DM abgesetzt werden. Vielmehr kann insoweit nur ein monatlicher Beitrag von 318,14 DM Berücksichtigung finden. Das ergibt sich aus den vom Beklagten selbst vorgelegten Kontoauszügen und Überweisungsträgern.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Die als Abzugsposten in die Bescheinigungen der Lungenklinik xxx vom 30.06.1987 eingeführte monatliche Leistung von 530,-- DM zu einer Zusatzversicherung kann nicht abgezogen werden. Denn es ist nicht ersichtlich, wozu dieser Beitrag dient. Der Kläger war in den Senatsterminen nicht in der Lage, sich dazu zu äußern. Auch die dem Kläger am Schluß des Senatstermins vom 04.11.1987 gemachte Auflage darzulegen, wie hoch die Altersversorgung aus den abgeschlossenen Lebensversicherungen <u>und der Zusatzversicherungen</u> sein werde, hat der Kläger hinsichtlich der Zusatzversicherung nicht erfüllt.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Im Anschluß an die vorstehend aufgeführte Korrektur stellt sich das Nettoeinkommen des Klägers aus seiner Berufstätigkeit auf monatlich 6.198,15 DM (= 5.753,-- DM + 1.075,20 DM - 1.177,05 DM + 530,-- DM + 335,14 DM - 318,14 DM).</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Hinzuzusetzen ist eine monatliche durchschnittliche Steuererstattung von 576,91 DM, da Steuererstattungen auch im Vorverfahren dem anrechenbaren Einkommen des Klägers hinzugesetzt worden sind. Dieser Steuererstattungsbetrag, der einer jährlichen Steuererstattung von 6.923,-- DM entspricht, errechnet sich auf der Grundlage des Steuerbescheides des Klägers für das Jahr 1985. Darin ist allerdings eine Steuererstattung von insgesamt 17.179,-- DM ausgewiesen. Diese kann jedoch nicht in vollem Umfang berücksichtigt werden, da sie wesentlich auf negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von 8.066,-- DM und außergewöhnliche Belastungen von 10.693,-- DM (nach Abzug der zumutbaren Belastung) zurückzuführen ist, die erst nach dem Vorverfahren eingetreten sind und der Beklagten unterhaltsrechtlich nicht entgegenhalten werden können, so daß dem Kläger wenigstens der daraus fließende steuerliche Vorteil verbleiben muß (vgl. BGH, FamRZ 1987, 36 ff.). Setzt man demgemäß dem in dem Steuerbescheid für 1985 ausgewiesenen zu versteuernden Einkommen von 86.295,-- DM die Beträge von 10.693,-- DM und 8.066,-- DM hinzu, so ergibt sich ein steuerliches Einkommen des Klägers von 105.054,-- DM. Nach der Grundtabelle für das Jahr 1985 entfällt auf dieses Einkommen eine Einkommenssteuer von 44.039,-- DM. Die Differenz zu dem erfolgten Abzug von Lohn in Höhe von 50.962,-- DM beträgt 6.923,-- DM. Der auf den Monat umgelegte Betrag macht alsdann 576,91 DM aus.</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Die Summe von 6.198,15 DM und 576,91 DM ergibt 6.775,06 DM.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Hiervon ist zunächst der weitere, nachträgliche, Lebensversicherungsbeitrag des Klägers zur Ärzteversicherung mit monatlich 116,-- DM abzuziehen, der in dieser Höhe belegt ist. Denn er stellt eine angemessene Ausweitung der Altersversorgung des Klägers dar. Wie nämlich die vom Kläger im Anschluß an den Senatstermin vom 04.11.1987 vorgelegten Versicherungspolicen belegen, kann der Kläger unter Einschluß derjenigen Lebensversicherung, die mit monatlichen Beiträgen von 116,-- DM bedient wird, eine spätere Altersversorgung in Form monatlicher Renten von insgesamt 2.474,15 DM erwarten, was bei seinem sozialen Stand und seinen Einkommensverhältnissen jedenfalls als angemessen anzusehen ist.</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Des weiteren sind die belegten Beträge von 36,-- DM für die Krankentagegeldversicherung und 79,18 DM Beiträge zum xxx, dem xxx etc., wie sie im übrigen auch mit den Parteien im Senatstermin vom 04.11.1987 besprochen worden, unbeanstandet geblieben und in den schriftlichen Vergleichsvorschlag des Senats aufgenommen worden sind, abzusetzen.</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Die Aufwendungen des Beklagten für Fachliteratur und Tagungskosten schätzt der Senat auf der Grundlage der vorgelegten Belege auf monatlich 100,-- DM, die alsdann ebenfalls abzusetzen sind.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Der unstreitige Kindesunterhalt, der überdies auch belegt ist, ist mit je 500,-- DM für die drei Kinder, insgesamt also 1.500,-- DM, abzuziehen, was bereits im Vorurteil mit insgesamt 1.380,-- DM monatlich geschehen ist. Selbst ein Wegfall einer oder mehrerer dieser Unterhaltspflichten könnte sich nicht mehr zu Gunsten der Beklagten auswirken, da die ehelichen Lebensverhältnisse als Bemessensmaßstab für den nachehelichen Unterhalt nur durch solche nachträglichen Entwicklungen und später eintretenden Ereignisse noch geprägt werden, die in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Scheidung stehen und deren Eintritt im Zeitpunkt der Scheidung sicher zu erwarten war. Das kann hier bei einem etwaigen Wegfall einer oder mehrerer Kindesunterhaltspflichten, etwa ab 1986, schon deshalb nicht angenommen werden, weil die Ehe der Parteien bereits im September 1981 rechtskräftig geschieden war (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16.03.1988, IV b ZR 40/87, zur Veröffentlichung bestimmt).</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Alsdann ergibt sich ein anrechenbares Einkommen des Klägers von 4.943,88 DM (= 6.775,06 DM -116,-- DM -36,-- DM -79,18 DM -100,-- DM -1.500,-- DM).</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Von diesem Einkommen sind weitere Abzüge, entgegen dem Klagevorbringen, nicht zu machen.</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">Soweit der Kläger einen weiteren monatlichen Lebensversicherungsbeitrag von 128,-- DM zur Deutschen Ärzteversicherung geltend macht, ist zwar belegt, daß ein solcher Beitrag gezahlt wird. Es ist jedoch nicht ersichtlich, wofür das geschieht. Eine Erläuterung dafür hat der Kläger bei seiner persönlichen Anhörung vor dem Senat nicht geben können. Der Kontoauszug, den der Kläger insoweit vorgelegt hat, weist aus, daß der Beitrag zu einer Versicherung Nr. xxx erbracht wird. Diese Versicherungsnummer korrespondiert nicht mit einer der Nummern der Lebensversicherungen, deren spätere Rentenhöhe der Kläger in den Anlagen zu seinem Schriftsatz vom 27.01.1988 belegt hat.</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Die studentische Krankenversicherung für xxx in Höhe von 61,06 DM monatlich im Jahre 1987 kann nicht berücksichtigt werden, weil sie bereits im Vorurteil unberücksichtigt geblieben ist.</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Auch bei der Reinigung von Ärztekleidung, die der Kläger mit monatlich 80,-- DM veranschlagt, läßt sich nicht erkennen, daß diese Position nicht bereits bei Erlaß des Urteils im Vorverfahren bestanden hat.</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Auch die übrigen, vom Kläger geltend gemachten Abzugspositionen für die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung, die Kraftfahrzeugsteuer, den Beitrag zum xxx, und die Kosten für eine Putzhilfe können unterhaltsrechtlich nicht berücksichtigt werden, da sie dem privaten Bereich des Klägers zuzuordnen sind.</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Andererseits tritt auch keine Erhöhung des für die Bedarfsermittlung der Beklagten errechneten Betrages von 4.943,88 DM ein.</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">Soweit die Beklagte sich darauf beruft, das Arbeitseinkommen des Klägers, belegt durch die Bescheinigung der Lungenklinik xxx vom Juni 1987, sei auf der Grundlage von Steuerleistungen nach Lohnsteuerklasse I erfolgt, während die ehelichen Lebensverhältnisse auf der Grundlage von Steuerleistungen nach Steuerklasse III geprägt gewesen seien, kann dem nicht gefolgt werden. Auch bei der Bedarfsberechnung ist zur Vermeidung komplizierter Umrechnungen von Einkünften, die nach Steuerklasse I versteuert worden sind, in solch fiktiven Einkünfte, die nach Steuerklasse III versteuert sind, von dem tatsächlich bezogenen Einkommen auf der Grundlage der tatsächlich entrichteten Steuern auszugehen. Das hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 11.05.1988 (IV b ZR 42/87), welches zur Veröffentlichung bestimmt ist, bestätigt. Dementsprechend braucht auch dem Antrag der Beklagten, insoweit die Revision zuzulassen, nicht gefolgt zu werden.</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Dem Einkommen des Klägers braucht auch kein höherer Steuererstattungsbetrag deshalb hinzugerechnet zu werden, weil im Wege des begrenzten Realsplittings gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG jetzt Unterhaltsleistungen von bis zu 18.000,-- DM steuerlich abgesetzt werden können. Denn Steuererstattungen sind in der Regel erst dann als Einkommen zu behandeln, wenn sie tatsächlich geflossen sind. Eine fiktive Berechnung von Steuererstattungen scheidet im Regelfall aus. Anhalte dafür, vorliegend von der Regel abzuweichen, sind nicht ersichtlich.</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">Zusätzliche Einkünfte des Klägers aus der Behandlung von Privatpatienten und der Erstellung von Gutachten können ebenfalls nicht angenommen werden. Der Senat hat im Termin vom 04.11.1987 entsprechende Hinweise auf der Grundlage der vorhandenen Einkommensbelege des Klägers gegeben, die auch Eingang in den schriftlichen Vergleichsvorschlag gefunden haben, ohne daß die Beklagte insoweit zu irgendeinem Zeitpunkt widersprochen hätte.</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Das zur Unterhaltsberechnung heranzuziehende Einkommen des Klägers erhöht sich auch nicht aufgrund unstreitiger Nebeneinnahmen des Klägers aus Praxisvertretung, welche die Beklagte auf, durchschnittlich 200,-- DM im Monat veranschlagt. Denn dabei kann es sich nur um Einkünfte handeln, die jetzt neu erzielt worden sind. Damit sind sie weit nach der im Jahre 1981 rechtskräftig geschiedenen Ehe der Parteien entständen, können also den Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen, der durch die Verhältnisse bei Scheidung bestimmt wird, nicht mehr verändern.</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">Für die Zeit bis einschließlich März 1987, während derer noch Unterhalt nach § 1575 Abs. 1 BGB geschuldet wird, steht der Beklagten ein Anteil von 3/7 der anrechenbaren Einkünfte des Klägers zu. Dieser wird mit dem im Vorverfahren ausgeurteilten monatlichen Unterhaltsbetrag von 1.440,-- DM bei weitem nicht erreicht, so daß die Abänderungsklage des Klägers insoweit keinen Erfolg haben kann. Etwas anderes ergibt sich für die Zeit vom 10.10.1986 bis zum 31.12.1986 auch dann nicht, wenn man annimmt, daß im Jahre 1986 eine Steuererstattung nicht geflossen ist. Alsdann stände der Beklagten ein Anteil von 3/7 von 4.366,97 DM zu (= 4.943,88 DM - 576,91 DM).</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">Für die Zeit vom 01.04.1987 bis zum 30.09.1987 hat die Beklagte einen Unterhaltsanspruch jedenfalls in der vom Amtsgericht Iserlohn im Verfahren 13 aF 103/83 ausgeurteilten Höhe von monatlich 1.440,-- DM gemäß § 1573 Abs. 1 BGB. Dabei kann wegen der Höhe des Unterhaltsanspruchs auf die vorstehenden Ausführungen für die Zeit bis einschließlich März 1987 verwiesen werden.</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Dem Grunde nach ist der Unterhaltsanspruch deshalb gegeben, weil der Beklagten nicht sogleich mit dem Fehlschlagen ihrer Bemühungen um das Vordiplom spätestens mit Ablauf des Winters des Semesters 1986/87 die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit angesonnen werden kann. Vielmehr ist der Beklagten nunmehr ein Zeitraum von etwa sechs Monaten zuzubilligen, sich auf die Aufnahme einer praktischen Arbeit, etwa durch Teilnahme an einem vom Arbeitsamt angebotenen Kursus, wie die Beklagte ihn im Senatstermin vom 10.06.1988 dargelegt hat, vorzubereiten und sich gleichzeitig gehörig um eine Arbeitsstelle zu bemühen.</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">Ab Oktober 1987 muß sich die Beklagte so behandeln lassen, als habe sie eine Arbeitsstelle mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 1.300,-- DM gefunden. Denn die Beklagte war, nachdem die Erfolglosigkeit ihres Studiums Ende März 1987 feststand, gehalten, sich gehörig um eine Arbeitsstelle zu bemühen. Dazu gehörte neben der Meldung beim Arbeitsamt, der etwa gebotenen Teilnahme an einer praktischen Einweisung in kaufmännische Bürotätigkeiten auch ein umfassendes Maß privater Bemühungen um eine geeignete Arbeitsstelle. Bemühungen irgendwelcher Art um eine Arbeitsstelle sind nicht ersichtlich. Selbst bei einem Alter der Beklagten von 51 Jahren im Jahre 1987 können Stellen im Bereich des Verkaufs, der Bürotätigkeit, der Hauswirtschaft u.ä. gefunden werden, wobei der Beklagten nunmehr nach Fehlschlagen der Berufsausbildung auch eine Tätigkeit angesonnen werden kann, die bei Beginn der Ausbildung abgelehnt werden durfte (MünchKom, BGB, § 1575 Rz 17). Dabei werden sich sozialer Stand und Kenntnisse, welche die Beklagte im Verlaufe ihrer Ausbildung erreicht hat, positiv auswirken. Gesundheitliche Hindernisse zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit sind auf seiten der Beklagten nicht vorgetragen worden und auch sonst nicht ersichtlich. Da die Beklagte überdies örtlich nicht gebunden ist, muß angenommen werden, daß sie unter Ausnutzung aller Möglichkeiten ab 1. Oktober 1987 eine Stelle hätte haben können, die mit (fiktiven) monatlichen Nettoeinkünften von 1.300,-- DM bezahlt würde. Ein höheres Einkommen, wie es etwa nach erfolgreichem Studienabschluß gezahlt würde, kann nicht angenommen werden. Denn das Studium ist gerade nicht erfolgreich abgeschlossen worden. Treu und Glauben bieten keine andere Beurteilung. Die Beklagte hat den Mißerfolg ihres Studiums nämlich, wie bereits weiter vorne ausgeführt, nicht mutwillig selbst herbeigeführt.</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">Der der Beklagten ab 01.10.1987 zustehende Anspruch auf Aufstockungsunterhalt bemißt sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Die ehelichen Lebensverhältnisse werden im allgemeinen durch das Einkommen bestimmt, wobei für den nachehelichen Unterhalt auf den Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung abzustellen ist. Vorliegend wurden die ehelichen Lebensverhältnisse bei Scheidung allein durch Einkommen des Klägers geprägt, so daß die Beklage sich ihr - fiktives - Einkommen auf ihren Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen anrechnen lassen muß (BGH, FamRZ 1982, 255 ff/257). Dabei stellt sich der Bedarf der Klägerin als eine Quote des derzeitigen, sich im Zuge der allgemeinen Einkommensentwicklung bewegenden Einkommens des Klägers dar (vgl. BGH, FamRZ 1987, 459 ff). Diese Quote nimmt der Senat, in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung, mit einem Anteil von 3/7 des anrechenbaren Einkommens des Klägers an.</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">Gemäß §§ 1569 ff, 1578 Abs. 1 BGB ist der Unterhalt so zu bemessen, daß beide Ehegatten grundsätzlich in gleicher Weise am ehelichen Lebensstandard teilnehmen und daß jedem die Hälfte des verteilungsfähigen Einkommens zuzubilligen ist. Jedoch widerspricht es dem Halbteilungsgrundsatz nicht, zugunsten des erwerbstätigen Unterhaltsverpflichteten von einer strikt hälftigen Aufteilung in maßvoller Weise abzuweichen, um den mit einer Berufsausübung verbundenen höheren Aufwand zu berücksichtigen und zugleich einen Anreiz zur Erwerbstätigkeit zu schaffen. Dementsprechend ist in der Regel in Übereinstimmung damit, daß einem jeden der Ehegatten bei Anwendung der Differenzmethode, also wenn beide Ehegatten berufstätig sind und dem Unterhaltsberechtigten ein Anteil von 3/7 der Differenz beider Einkommen zusteht, jedem Ehegatten von seinem eigenen Einkommen 4/7 verbleiben, dem erwerbstätigen Unterhaltsschuldner ein Anteil von 1/7 vorab zu belassen (vgl. BGH, FamRZ 1988, 265 ff/267).</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">Ein Anteil von 3/7 des anrechenbaren Einkommens des Klägers, welches, wie weiter vorne ermittelt worden ist, 4.943,88 DM beträgt, macht 2.118,81 DM aus.</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">Auf diesen Bedarf ist für die Zeit ab 01.10.1987 das - fiktive - Erwerbseinkommen der Beklagten von 1.300,-- DM anzurechnen, wobei allerdings auch der Beklagten der mit der Ausübung der Erwerbstätigkeit verbundene erhöhte Aufwand abzugelten und ein Anreiz für die (weitere) Erwerbstätigkeit zuzubilligen ist (BGH, a.a.O.). Beläßt man dementsprechend auch der Beklagten vorab einen Anteil von 1/7 ihres fiktiven Einkommens aus 1.300,-- DM, das sind 185,71 DM, dann verbleiben 1.114,29 DM, die anzurechnen sind.</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">Rechnet man 1.114,29 DM fiktiven Erwerbseinkommens der Beklagten auf den Bedarf von 2.118,81 DM an, dann verbleibt ein restlicher Unterhaltsanspruch von 1.004,52 DM, also rund 1.005,-- DM.</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">Eine Anwendung des § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB scheidet aus, da die Ehe der Parteien von langer Dauer war.</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">Nach alledem ist, wie geschehen, zu entscheiden.</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">Die prozessualen Nebeneinscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 ZPO.</p>
|
315,353 | lg-dusseldorf-1988-07-04-25-t-54388 | {
"id": 808,
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} | 25 T 543/88 | 1988-07-04T00:00:00 | 2019-03-13T14:53:25 | 2022-10-18T15:03:47 | Beschluss | ECLI:DE:LGD:1988:0704.25T543.88.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beschwerde wird auf Kosten des Beklagten als unzulässig verworfen.</p>
<p>Beschwerdewert: 300,00 DM.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:4px"><u>Gründe</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Auf die an den Beklagten am 18.04.1988 zugestellte Aufforderung nach § 276 Abs. 1 Satz 1 ZPO teilte der Haftpflichtversicherer des Beklagten, die A., durch ihr am 23.04.1988 bei dem Amtsgericht Düsseldorf eingegangenes Schreiben vom 21.04.1988 mit: "Hiermit zeigen wird die Verteidigungsabsicht an." Mit Schreiben vom 03.05.1988 verlautbarte die A., ihre Prozessführungsbefugnis ergebe sich, ohne dass die Vorlage einer Prozessvollmacht erforderlich sei, aus § 5 Nr. 4 AHB. Der Amtsrichter teilte dem Haftpflichtversicherer alsdann mit, dass diese Rechtsmeinung falsch sei, und es erging ohne mündliche Verhandlung gegen den Beklagten das Versäumnisurteil vom 04.05.1988, gegen das der Beklagte Einspruch eingelegt hat. Durch Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 07.06.1988 beantragte der Beklagte, die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil - notfalls gegen Sicherheitsleistung - einstweilen einzustellen. Durch Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 09.06.1988 wurde die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil gegen Sicherheitsleistung des Beklagten in Höhe von DM 950,-- einstweilen eingestellt. Gegen den ihm am 14.06.1988 zugestellten Beschluss hat der Beklagte sofortige Beschwerde, eingegangen am 21.06.1988, eingelegt.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:3px">Die sofortige Beschwerde ist unzulässig.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:5px">Die Unzulässigkeit des Rechtsmittels folgt aus §§ 719 Abs. 1 Satz, 707 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Die amtsgerichtliche Entscheidung ist nicht ausnahmsweise mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. Dass das Versäumnisurteil nicht in gesetzlicher Weise ergangen sei (§ 719 Abs. 1 Satz 2 ZPO), was der Amtsrichter nach Ansicht des Beklagten verkannt habe, ist nicht zu bejahen. § 331 Abs. 3 ZPO stand dem Erlass des Versäumnisurteils nicht entgegen. Der Beklagte hatte seine Verteidigungsabsicht nicht angezeigt. Die Mitteilung seines Haftpflichtversicherers vom 21.04.1988 wirkt nicht zu seinen Gunsten, da die A. nicht der Prozessbevollmächtigte des Beklagten war. Insoweit eine Vertretung durch Anwälte nicht geboten ist, was hier vorliegt, können die Parteien den Rechtsstreit durch jede prozessfähige Person als Bevollmächtigten führen (§ 79 ZPO). Der Haftpflichtversicherer des Beklagten ist eine juristische Person, der als solcher die Prozessfähigkeit gemäß § 52 ZPO fehlt, da sie sich nicht selbst, sondern nur durch ihren gesetzlichen Vertreter rechtsgeschäftlich verpflichten kann (vgl. Stein/Jonas/ Leipold, ZPO, § 20 Rdnr. 19; Wussow, AHB, § 3 Anm. 18; Stiefel/ Hofmann, AKB, § 10 Rdnr. 134). Aus den Entscheidungen des OLG Stuttgart VersR 1958, 105 und des LG Köln VersR 1962, 217 folgt für den vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt nichts anderes. Die genannten Entscheidungen sind zu der Vertretung des Versicherungsnehmers durch den Haftpflichtversicherer im Armenrechtsverfahren ergangen. Ihm ist die Anzeige nach § 276 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht gleichzustellen, denn es war dem eigentlichen Rechtsstreit vorgelagert, während die Anzeige nach § 276 Abs. 1 Satz 1 ZPO bereits innerhalb des Rechtsstreits erfolgt, was sich auch daran zeigt, dass ihre Abgabe dem Anwaltszwang unterliegt (§§ 276 Abs. 2, 271 Abs. 2 ZPO), während dieser für das Armenrechts- bzw. Prozesskostenhilfeverfahren nicht gilt.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:3px">Die Auslegung, dass der Haftpflichtversicherer des Beklagten auf Grund der Befugnis des § 5 Nr. 7 AHB einen seiner Bediensteten zum Prozessbevollmächtigten des Beklagten bestellt hat, verbietet sich, weil der Haftpflichtversicherer mit Schreiben vom 03.05.1988 darauf beharrt hat, selbst prozessführungsbefugt zu sein.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:3px">Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.</p>
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315,354 | ovgnrw-1988-07-01-8-a-271185 | {
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} | 8 A 2711/85 | 1988-07-01T00:00:00 | 2019-03-13T14:53:27 | 2019-03-27T09:43:20 | Urteil | ECLI:DE:OVGNRW:1988:0701.8A2711.85.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Das angefochtene Teilurteil wird geändert.</p>
<p></p>
<p>Die Klage wird mit dem Klageantrag zu 1. abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Berufungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben
werden, trägt die Klägerin.</p>
<p></p>
<p>Die Revision wird nicht zugelassen.</p>
<p></p>
<p></p>
<p></p>
<p>
</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Sohn ... der Beklagten besuchte in der Zeit vom 1. Januar 1983 bis zum 31.
Mai 1984 den städtischen Kindergarten in ..., dessen Trägerin die Klägerin ist. Der
Beklagte zu 1. ist niedergelassener Rechtsanwalt, die Beklagte zu 2. hat den Beruf
einer Lehrerin erlernt, war indessen in der hier in Frage stehenden Zeit ohne
Dienstbezüge beurlaubt. Die Beklagten entrichteten für den oben genannten Zeitraum
einen monatlichen Elternbeitrag von 35,- DM. Aufforderungen der Klägerin zur
Selbsteinschätzung gemäß §14 Abs. 5 Satz 2 des Zweiten Gesetzes zur Ausführung
des Gesetzes für Jugendwohlfahrt (Kindergartengesetz - KgG) vom 21. Dezember
1971 (GV NW S. 176), in der Fassung des Gesetzes vom 21. Dezember 1982 (GV
NW S. 800) kamen die Beklagten mit der Begründung nicht nach, die im
Kindergartengesetz vorgesehene Beitragsstaffelung nach der Höhe des Einkommens
sei verfassungswidrig.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">In einem "Beitragsfestsetzungs- und Zahlungsaufforderungsbescheid" vom 23.
August 1983 setzte die Klägerin daraufhin den Elternbeitrag für das Jahr 1983 auf
1.200,- DM bzw. 100,- DM monatlich fest. Nach erfolglosem Vorverfahren haben die
Beklagten hiergegen am 24. Dezember 1983 die Klage 1 K 2253/83 VG Aachen
erhoben. Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 6. Dezember 1984 den Bescheid
des Beklagten vom 23. August 1983 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
15. Dezember 1983 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Weder das
Kindergartengesetz noch das Gesetz für Jugendwohlfahrt (JWG) enthielten eine
gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für den Erlaß eines
Beitragsfestsetzungsbescheides betreffend die Erhebung von Elternbeiträgen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Am 30. Januar 1985 hat die Klägerin daraufhin die vorliegende Klage gegen die
Beklagten erhoben. Sie hat vorgebracht: Es bestehe eine gesetzliche Pflicht zur
Selbsteinschätzung; die Verweigerung der Beklagten stelle ein offenes Fehl verhalten
dar. Deshalb sei, weil ein Verwaltungsakt nach der Auffassung des
Verwaltungsgerichts Aachen nicht ergehen dürfe, Leistungsklage geboten. Sie
begehre des weiteren die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 425,- DM bzw.
1.105,- DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit. Der Betrag richte sich danach,
welches Einkommen der Beklagten in der fraglichen Zeit zugrunde zu legen sei. Die
Klägerin hat weiterhin vorgebracht: Die Beitragsstaffelung in §14 KgG sei mit der
Verfassung vereinbar. Auch in anderen Bereichen der Daseinsfürsorge gebe es eine
an den sozialen Verhältnissen der jeweiligen Familie orientierte Festsetzung von
Beiträgen. Art. 3 des Grundgesetzes sei mithin nicht verletzt, weil eine Differenzierung
durch sachliche Erwägungen gerechtfertigt sei. §14 Abs. 5 KgG verstoße auch nicht
gegen Art. 4 Abs. 2 der Landesverfassung, wonach jeder einen Anspruch auf den
Schutz seiner personenbezogenen Daten habe. Die reine Erhebung von Daten stelle
noch keinen Eingriff in die Schutzsphäre dar. Im übrigen könnten gemäß Art. 4 Abs. 2
der Landesverfassung auch auf Grund eines Gesetzes Eingriffe gerechtfertigt sein,
wenn sie den überwiegenden Interessen der Allgemeinheit dienten. Die
Beitragsstaffelung und Selbsteinschätzung diene zur Sicherung der Finanzierung der
Kindergärten, dies sei ein Interesse der Allgemeinheit. Für eine Verletzung des
Datenschutzgesetzes fehle es bereits an den Voraussetzungen dieses Gesetzes. Die
Klägerin hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks"> 1) die Beklagten zu verurteilen, der Klägerin gegenüber zu erklären,
welcher Beitragsstufe nach den Abs. 2 und 3 des §14 Kindergartengesetz (KgG) sie
zuzuordnen sind,</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks"> 2) für den Fall, daß die Selbsteinschätzung im Sinne des Klageantrages zu
1) zur Einordnung in eine Einkommenskategorie des §14 Abs. 3 KgG führt, die
Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 425,- DM bzw. 1.105,- DM mit 4 % Zinsen
seit Rechtshängigkeit zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten haben beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Sie haben vorgebracht: Das Kindergartengesetz verstoße hinsichtlich der
Selbsteinschätzung gegen geltendes Abgaben-, Verfassungs- und Datenschutzrecht.
Bei einer Selbsteinschätzung erhielte eine nicht absehbare Zahl von Personen, nämlich
Mitarbeiter des Kindergartens, des Trägers und des Jugendamtes, Kenntnis von der
Selbsteinschätzung und der sich evtl. anschließenden Überprüfung, obwohl diese
Personen keiner Pflicht zur Geheimhaltung unterlägen. Die Beitragsstaffelung sei
verfassungswidrig. Sie verstoße insbesondere gegen Art. 3 des Grundgesetzes, da
die vorgesehene Differenzierung der Beitragshöhe nicht auf sachlichen Erwägungen
beruhe. Es sei nicht einzusehen, daß die Inanspruchnahme derselben Einrichtung zu
einer unterschiedlichen Beitragsstaffelung berechtigen könne. Aus demselben Grund
verstoße die unter sozialen Gesichtspunkten vorgenommene Beitragsstaffelung gegen
abgabenrechtliche Grundsätze.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat mit dem angefochtenen Teilurteil dem Klageantrag zu
1) stattgegeben. Es hat ausgeführt: Bei dem von der Klägerin betriebenen
Kindergarten in ... handle es sich um eine öffentliche Einrichtung im Sinne des §18
Abs. 2 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NW). Das "Ob"
der Benutzung einer solchen Einrichtung unterliege dem öffentlichen Recht, das "Wie"
der Benutzung könne sowohl öffentlich-rechtlich als auch privat-rechtlich geregelt
werden. Vorliegend sei das Betriebsverhältnis des städtischen Kindergartens in der
Zeit, um die es hier gehe, öffentlich-rechtlich ausgestaltet gewesen. Der Anspruch auf
Verpflichtung der Beklagten zur Selbsteinschätzung sei auch begründet. Ohne eine
solche Selbsteinschätzung sei der Träger des Kindergartens nicht imstande
festzustellen, welche der nach den Absätzen 2 und 3 des §14 KgG in Betracht
kommenden Elternbeiträge anzusetzen seien. Die Selbsteinschätzung sei
unabdingbare Voraussetzung für die Vermittlung des maßgeblichen Beitragssatzes
bzw. das Tätigwerden der Bewilligungsbehörde. Bei verständiger Würdigung von Sinn
und Zweck und des Zusammenhangs der in Rede stehenden gesetzlichen Regelung
müsse deshalb von einer Verpflichtung der Erziehungsberechtigten zur
Selbsteinschätzung ausgegangen werden, weil andernfalls die gesetzliche Regelung
leer liefe. Im übrigen sei die Selbsteinschätzung gegenüber der in §14 Abs. 5 Satz 4
KgG ausdrücklich geregelten Verpflichtung der Erziehungsberechtigten, die
erforderlichen Angaben zu machen und zu belegen, als Minus anzusehen, so daß es
unverständlich wäre, nicht auch insoweit von einer gesetzlichen Verpflichtung
auszugehen. Die Selbsteinschätzung sei auch mit dem Datenschutzrecht vereinbar.
Weil die Beklagten sich geweigert hätten, die Selbsteinschätzung vorzunehmen, seien
sie auf Grund des von der Klägerin geltend gemachten Klagebegehrens hierzu
antragsgemäß zu verpflichten. Schließlich sei auch die Staffelung der Elternbeiträge
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Einkommensverhältnisse als
Anknüpfungspunkt für die Höhe des zu erhebenden Kostenbeitrages stellten unter
Berücksichtigung der in §81 JWG getroffenen Regelung ein sich geradezu
aufdrängendes sachliches Kriterium dar. Ob und inwieweit diese Regelung gegenüber
früherem gesetzgeberischem Vorhaben, den Elternbeitrag letztendlich ganz entfallen
zu lassen, politisch kritikwürdig sei oder nicht, möge dahinstehen. Jedenfalls sei der
Gesetzgeber nicht daran gehindert, insbesondere aus finanzpolitischen Erwägungen
im Rahmen seines gesetzgeberischen Ermessens zu neuen Entscheidungen zu
gelangen. Hinsichtlich des Klageantrages zu 2), der von der Klägerin zulässigerweise
im Rahmen einer Stufenklage geltend gemacht werde, komme derzeit eine
Entscheidung noch nicht in Betracht, da insoweit erst die von den Beklagten
vorzunehmende Selbsteinschätzung vorliegen müsse.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Gegen das ihnen am 11. Dezember 1985 zugestellte Teilurteil haben die
Beklagten am selben Tag Berufung eingelegt. Sie wiederholen ihr erstinstanzliches
Vorbringen und bringen ergänzend vor: §14 KgG biete weder eine geeignete
Ermächtigungsgrundlage zur Erhebung der in §14 Abs. 2 und 3 gestaffelten
Elternbeiträge noch für eine sogenannte Selbsteinschätzung. Würden für die öffentlich-
rechtliche Inanspruchnahme eines kommunalen Kindergartens Elternbeiträge erhoben,
so seien diese Benutzungsgebühren. Eine Staffelung der Elternbeiträge sei nach
abgabenrechtlichen Prinzipien nicht zulässig. Wesentlicher Gedanke des
Abgabenrechts sei das Gleichbehandlungsprinzip des Art. 3 GG. Bei gleicher
Inanspruchnahme dürften nur gleich hohe Gebühren verlangt werden. Ihr Sohn habe
die Einrichtung Kindergarten in gleicher Art und Weise in Anspruch genommen wie die
Kinder derjenigen Eltern, die über ein geringeres Einkommen verfügten. Dafür, daß
die besserverdienenden Eltern bei gleicher Inanspruchnahme höhere Gebühren zu
entrichten hätten, sei kein sachlicher Grund erkennbar. Ihres Erachtens handle es sich
um eine rein politische, rechtlich nicht haltbare Lösung. Bereits ein einheitlicher
monatlicher Elternbeitrag von 37,50 DM führe zum selben Ergebnis. Auch §81 JWG
stelle keine Ermächtigungsnorm für die Erhebung von Elternbeiträgen dar. Das
Jugendwohlfahrtsgesetz ziele auf konkrete Hilfe zur Erziehung für einen einzelnen
Minderjährigen hin. Bei der Berechnung der Kostenerstattungspflicht der
Erziehungsberechtigten bei Hilfen für einzelne Jugendliche müsse in jedem Einzelfall
eine differenzierte Betrachtung vorgenommen werden. Eine pauschalierte
Beitragserhebung bei verschiedenen Einkommensgruppen sehe das Gesetz nicht vor.
Die §§80 ff. JWG sagten auch nichts darüber, daß bei gleichartigen Sachverhalten
eine Kostenbeteiligung der Erziehungsberechtigten vorgenommen werden müsse. Die
Frage nach der Verfassungswidrigkeit des §14 KgG stelle sich demzufolge auch,
wenn man die diesbezüglichen Bestimmungen an den Prinzipien der Kostenbeteiligung
des Jugendwohlfahrtsgesetzes messe.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">das angefochtene Teilurteil zu ändern und den Klageantrag zu 1) der Klägerin
abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Sie bringt vor: Der Kindergartenbeitrag sei ein Kostenbeitrag nach den §§80 ff.
JWG. Durch das Kindergartengesetz seien seit dem 1. Januar 1983 die Elternbeiträge
landesgesetzlich festgelegt. Mit dieser Festlegung sei eine Spezialregelung getroffen
worden, die für eine Heranziehung von gebührenrechtlichen Grundsätzen des
Kommunalabgabengesetzes keinen Raum mehr lasse. Mithin verstoße §14 KgG auch
nicht gegen Art. 3 GG unter dem Gesichtspunkt der abgabenrechtlichen Prinzipien.
Die Bestimmungen der §§80 ff. JWG ließen auch keinen Raum für eine örtliche
Kindergartenbeitragssatzung. Die gesetzliche Bestimmung der vollen oder anteiligen
Kostentragung durch Eltern von Kindergartenkindern, des jeweiligen Trägers der
Einrichtung und der Träger der öffentlichen Jugendhilfe finde ihre
Ermächtigungsgrundlage in §81 Abs. 3 JWG. Es wäre auch ohne weiteres
einleuchtend, die Höhe des Elternbeitrages im Einzelfall auf Grund von den Eltern
offenzulegender Einkommensverhältnisse zu ermitteln. Der Landesgesetzgeber habe
indessen den Weg der freiwilligen Selbsteinschätzung als milderes Mittel gegenüber
der Offenlegung der Einkommensverhältnisse gewählt.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der
Beteiligten im übrigen wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und der weiteren
Verfahrensakte 1 K 2253/83 Aachen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Verwaltungsgerichts Aachen
vom 17. Oktober 1985 hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat - was allein
Gegenstand der Berufung ist - dem Klageantrag zu 1) zu Unrecht stattgegeben.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist zulässig.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Für das Klagebegehren ist der Verwaltungsrechtsweg gemäß §40 Abs. 1 Satz 1
der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gegeben; denn es handelt sich um eine
öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art, für die eine
Sonderzuweisung an ein anderes Gericht nicht besteht. Wie das Verwaltungsgericht
zutreffend ausgeführt hat, können kommunale Träger, wie Gemeinden und Kreise, das
Betriebsverhältnis, d.h. das "Wie" der Benutzung eines von ihnen betriebenen
Kindergartens sowohl öffentlich-rechtlich als auch privatrechtlich regeln.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks"> Vgl. Künzel/Moskal, Kindergartengesetz Nordrhein-Westfalen, 12. Aufl. 1986,
§14 Anm. II 1 b; s.a. Kottmann, Nach dem Einkommen gestaffelte Elternbeiträge
gemäß §14 Abs. 3 Kindergartengesetz Nordrhein-Westfalen, Kommunale
Steuerzeitschrift (KStZ) 1985, 42, 43; Oberverwaltungsgericht für das Land
Nordrhein-Westfalen (OVG NW), Urteil vom 20. November 1978 - II A 1037/77 -, Der
Gemeindehaushalt 1979, 184; Beschluß vom 18. November 1983 - 2 B 2037/83 -,
Die Öffentliche Verwaltung (DÖV) 1984, 638 = KStZ 1984, 78.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Während der hier in Rede stehenden Zeit war das Betriebsverhältnis des
städtischen Kindergartens ... öffentlich-rechtlich ausgestaltet. Dies haben die Parteien
auch im Berufungsverfahren nicht in Abrede gestellt. Nunmehr ist die Klägerin
allerdings in Abkehr von ihrer bisherigen Praxis dazu übergegangen, mit den
Erziehungsberechtigten privatrechtliche Benutzungsverträge abzuschließen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Für die Leistungsklage ist auch ein Rechtsschutzinteresse anzunehmen. Es
ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, daß die Klägerin das mit der Klage verfolgte
Ziel auf andere, einfachere Weise erreichen könnte.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist aber unbegründet. Der Klägerin steht der mit dem Klageantrag zu 1)
geltend gemachte Anspruch nicht zur Seite. Das Kindergartengesetz verpflichtet die
Beklagten nicht zur Abgabe einer Erklärung gegenüber der Klägerin, welcher
Beitragsstufe nach den Abs. 2 und 3 des §14 KgG sie (die Beklagten) zuzuordnen sind
(Selbsteinschätzung).</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Ein solcher Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Selbsteinschätzung ist
entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts aus der gesetzlichen Bestimmung des
§14 Abs. 5 Satz 2 KgG, welche allein näher in Betracht zu ziehen ist, nicht herzuleiten.
Diese Bestimmung beinhaltet keine Ermächtigungsgrundlage, die
Erziehungsberechtigten eines den Kindergarten besuchenden Kindes zur Leistung
eines Elternbeitrages durch Bescheid zu verpflichten, wie es das Verwaltungsgericht
bereits in dem diesem Verfahren vorausgegangenen Verfahren 1 K 2253/83 Aachen
mit Urteil vom 6. Dezember 1984 zu Recht ausgeführt hat und wie es der Senat in
dem ebenfalls am heutigen Tage verhandelten Berufungsverfahren 8 A 2032/86
entschieden hat. Der Bestimmung ist auch keine Ermächtigungsgrundlage für eine
Inanspruchnahme der Erziehungsberechtigten zur Selbsteinschätzung im Rahmen einer
allein auf §14 Abs. 5 Satz 2 KgG gestützten Leistungsklage zu entnehmen.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Für dieses Ergebnis streiten sowohl der Wortlaut als auch die Systematik und die
Entstehungsgeschichte des §14 Abs. 5 KgG.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Nach §14 Abs. 5 Satz 1 KgG obliegt dem Träger des Kindergartens (hier: der
Klägerin) der Einzug der Elternbeiträge. Gemäß Satz 2 dieser Bestimmung "erklären"
die Erziehungsberechtigten ihn gegenüber, welcher Beitragsstufe nach Abs. 2 und 3
sie zuzuordnen sind (Selbsteinschätzung). Schon die Begriffswahl: "die
Erziehungsberechtigten erklären" spricht dagegen, daß das Kindergartengesetz den
Trägern der Kindergärten eine einklagbare Verpflichtung zur Abgabe einer solchen
Erklärung zur Verfügung stellt. Dies wird auch aus dem Wortlaut des §14 Abs. 5 Satz
3 KgG deutlich, wonach die Bewilligungsbehörde, das ist das zuständige Jugendamt,
die Richtigkeit der (abgegebenen) Selbsteinschätzung überprüfen kann, wenn sich
Anhaltspunkte für eine offensichtlich fehlerhafte Selbsteinschätzung ergeben. Die
Erziehungsberechtigten sind (nach dem Wortlaut des §14 Abs. 5 Satz 4 KgG) in
diesen Fällen dann verpflichtet, die erforderlichen Angaben zu machen und zu belegen;
die Bewilligungsbehörde teilt das Ergebnis der Überprüfung dem Träger des
Kindergartens sowie den Erziehungsberechtigten mit (§14 Abs. 5 Satz 5 KgG). Allein
aus der unterschiedlichen und bewußt verschiedenen Wortwahl ("die
Erziehungsberechtigten erklären" und "die Erziehungsberechtigten sind verpflichtet") ist
zu schließen, daß der Landesgesetzgeber die Erziehungsberechtigten im ersten
Stadium der Beitragsveranlagung (der Selbsteinschätzung) jedenfalls durch das
Kindergartengesetz noch nicht verpflichten wollte, sondern das dies erst im zweiten
Stadium, in dem es um die Abgabe von Erklärungen gegenüber einer Behörde geht,
der Fall sein sollte. Wenn der Landesgesetzgeber eine gerichtlich durchsetzbare, auf
§14 Abs. 5 KgG gestützte Verpflichtung der Erziehungsberechtigten zur
Selbsteinschätzung (bereits) gegenüber dem Träger des Kindergarten gewollt hätte,
hätte er dies deutlich klargestellt (klarstellen müssen).</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Dieses Ergebnis wird auch durch die Gesetzesmaterialien bestätigt. In den
Einzelbegründungen zum Gesetzentwurf zur Änderung des Kindergartengesetzes heißt
es - soweit es hier interessiert -:</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks"> "Bei der Bestimmung der Beitragshöhe soll jeder bürokratische Aufwand
vermieden werden. Es ist daher eine Regelung beabsichtigt, nach der die
Erziehungsberechtigten sich selber der für sie zutreffenden Beitragsklasse
zuordnen. Eine Überprüfungsmöglichkeit soll nur zur Vermeidung von Mißbräuchen
vorgesehen werden."</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Vgl. Landtagsdrucksache 9/1970 S. 14.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">In der Landtagssitzung vom 17. September 1982 hat sich der zuständige
Fachminister wie folgt geäußert:</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks"> "Die Landesregierung möchte den Versuch unternehmen, an das
Verantwortungsbewußtsein der Eltern zu appellieren, und möchte von einem
bürokratischen Überprüfungsverfahren absehen. Der Entwurf geht deshalb davon
aus, daß sich die Eltern jeweils selbst einschätzen, und die Landesregierung will
damit ganz ausdrücklich einen Beitrag dazu leisten, an das
Verantwortungsbewußtsein der Eltern zu appellieren und bürokratische Überprüfung
zu vermeiden.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Ich hoffe sehr, daß dieses Angebot angenommen wird und dieses Experiment
gelingt. Überprüfungen sollen nur vorgenommen werden, wenn Anlaß zu der
Vermutung besteht, daß die Eltern falsche Angaben machen. Ich bin sehr gespannt
darauf, ob dieses Angebot an den freien, selbständigen und
verantwortungsbewußten Bürger angenommen wird. Ich habe bereits auch mit
Praktikern gesprochen, die das werden durchführen müssen, und bin dabei zu dem
Ergebnis gekommen, daß es durchaus praktikable Verfahren gibt, die mit einem
Minimum an bürokratischem Aufwand auskommen. Die Landesregierung hofft also,
daß diese Regelung der Selbsteinschätzung akzeptiert wird und funktioniert."</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Vgl. Plenarprotokoll 9/58 vom 17. September 1982 - 3259 -.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Diese Zielvorstellungen und Erörterungen verdeutlichen, daß der
Landesgesetzgeber für dieses Stadium der Beitragserhebung an eine durchsetzbare
gesetzliche Verpflichtung zur Selbsteinschätzung nicht gedacht und diese nicht
einführen wollte. Ein solches Eingriffsrecht (bereits) des Trägers der Einrichtung ist zu
keiner Zeit erörtert worden.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks"> S.a. Mitteilung des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales an die
kommunalen Spitzenverbände zur Selbsteinschätzung der Eltern, veröffentlicht in
Eildienst des Städtetages NW 128/83.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Für diesen Befund streitet auch die Systematik des Kindergartengesetzes, soweit
die Beteiligung der Erziehungsberechtigten an den Kosten der Einrichtung betroffen ist.
§14 KgG regelt bereits nach seiner amtlichen Überschrift lediglich (als Pendant zur
Regelung der Bau- und Einrichtungskosten in §10 KgG), wie die Betriebskosten, d.h.
die angemessenen Personal- und Sachkosten, die durch den Betrieb eines
Kindergartens entstehen gedeckt werden (aufzubringen sind), nämlich durch eigene
Leistung des Trägers, durch Zuschüsse des Jugendamtes und des Landes und durch
Elternbeiträge. Insoweit stimmt diese Regelung mit der alten Fassung des Gesetzes
weitgehend überein. Während indessen das Kindergartengesetz in der Fassung vom
21. Dezember 1971 (GV NW S. 534) lediglich den Gesamtanteil der Elternbeiträge an
den Betriebskosten festlegte und die Höhe der Einzelbeiträge offenließ, werden die
Elternbeiträge in der Neufassung nunmehr unmittelbar für die Kindergärten in
Nordrhein-Westfalen einheitlich festgelegt (besser: nach oben begrenzt). Die
Betriebskosten, die nach Abzug des sich daraus errechnenden Elternanteils sodann
übrigbleiben, werden prozentual unter den anderen Kostenbeteiligten gemäß der in
§14 Abs. 6 KgG getroffenen Verteilungsregelung aufgeteilt.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks"> Vgl. Künzel/Moskal, a.a.O., §14 II 1; Plenarprotokoll des Landtags NW vom 17.
September 1982 - 9/58 3258 -.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Die Träger der jeweiligen Einrichtung werden verpflichtet, die
Erziehungsberechtigten in der für sie maßgeblichen Höhe an den Betriebskosten zu
beteiligen. Darin erschöpft sich diese Bestimmung. Wie diese Aufgabenzuweisung von
den einzelnen Kindergartenträgern - je nach der rechtlichen Ausgestaltung des
Benutzungsverhältnisses und/oder nach der Rechtsnatur des Trägers - im Einzelfall
umgesetzt wird (etwa durch einen privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen
Vertrag), regelt §14 KgG indessen nicht. Dies ist ganz bewußt geschehen, weil sich
die Bestimmung an alle in Betracht kommenden Träger von Kindergärten richtet,
insbesondere - und vor allem - an die freien Träger der Jugendhilfe. Gemäß §8 Abs. 1
KgG sind Kindergartenträger in der Regel die Träger der freien Jugendhilfe und die
Gemeinden ohne eigenes Jugendamt. Erst wenn ein geeigneter Träger der freien
Jugendhilfe nicht vorhanden oder zur Errichtung und Unterhaltung eines Kindergartens
nicht bereit oder in der Lage ist, und auch die Gemeinde ohne eigenes Jugendamt zur
Übernahme der Trägerschaft als freiwillige öffentliche Aufgabe nicht bereit oder in der
Lage ist, dann hat das Jugendamt die nach dem Bedarfsplan erforderlichen
Einrichtungen selbst zu schaffen (Abs. 3 und 4). Die Errichtung und Unterhaltung von
Kindergärten obliegt demzufolge nur in Ausnahmefällen den (hoheitlich tätig
werdenden) Jugendämtern, d.h. den Organen der öffentlichen Jugendhilfe im Sinne
von §2 JWG. Bei den mithin überwiegend angesprochenen freien Trägern der
Jugendhilfe gestalten sich aber die Rechtsbeziehungen zu den Erziehungsberechtigten
und dem die Einrichtung besuchenden Kind im Regelfall nach Privatrecht mit der Folge,
daß ein privatrechtlicher Vertrag mit den Erziehungsberechtigten geschlossen, ein
privatrechtliches Entgelt vereinbart und dieses ggf. auch auf dem Privatrechtsweg
geltend gemacht werden muß. Auch kommunale Träger, können - wie oben bereits
erwähnt - das Betriebsverhältnis, d.h. das "Wie" der Benutzung einer von ihnen
betriebenen Einrichtung, sowohl öffentlich-rechtlich als auch privatrechtlich regeln und
mit den Erziehungsberechtigten einen öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen
Vertrag über die Benutzung des Kindergartens schließen, d.h. die Aufgabenzuweisung
aus dem Kindergartengesetz in diesen Verträgen passend auf ihren Fall umsetzen. Die
Klägerin ist - zwar noch nicht für den Zeitraum, der Gegenstand dieses Verfahrens ist
- zwischenzeitlich ebenfalls hierzu übergegangen und schließt nunmehr privatrechtliche
Verträge mit den Erziehungsberechtigten.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Deshalb kann entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts auch nicht davon
ausgegangen werden, daß ohne eine aus dem Gesetz begründete Verpflichtung der
Erziehungsberechtigten zur Selbsteinschätzung, die im Weigerungsfalle durch
Leistungsklage geltend gemacht werden kann, die Regelung des §14 Abs. 5 KgG leer
liefe, weil - soweit stimmt der Senat dem Verwaltungsgericht zu - die
Selbsteinschätzung unabdingbare Voraussetzung für die Ermittlung des maßgeblichen
Beitragssatzes bzw. gegebenenfalls für das Tätigwerden der Bewilligungsbehörde
(des Jugendamtes) ist, so daß ohne sie grundsätzlich nicht auszukommen ist.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Dem Verwaltungsgericht ist aber entgegenzuhalten, daß es den Trägern der
Einrichtung unbenommen bleibt, je nach der rechtlichen Ausgestaltung des
Benutzungsverhältnisses eine entsprechende öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche
Verpflichtung in die mit den Erziehungsberechtigten abzuschließenden
Benutzungsverträge aufzunehmen, wie es die Klägerin nunmehr ausweislich des in der
mündlichen Verhandlung überreichten Vertragsformulars inzwischen auch tut. Weigern
sich in einem solchen Fall die Erziehungsberechtigten, sich zu einer Selbsteinschätzung
vertraglich zu verpflichten, und akzeptiert dies der Träger der Einrichtung nicht, so
kommt mangels Einigung kein Vertrag zustande. Bei bestehenden
Benutzungsverhältnissen ist der Widerruf oder die Kündigung des abgeschlossenen
oder konkludent vereinbarten Betreuungsvertrages möglich.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks"> Vgl. insoweit auch: Künzel/Moskal, a.a.O., §14 II 4 c; s.a. die dort unter Nr. 4
aufgeführte Rechtsprechung des Amtsgerichts Lüdenscheid und des Landgerichts
Aachen.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Bei einer gänzlichen Verweigerung einer Selbsteinschätzung ist schließlich auch
eine weitere denkbare Möglichkeit, die Erziehungsberechtigten je nach der
Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich in
Höhe des nach dem Kindergartengesetz höchsten Elternbeitrages in Anspruch zu
nehmen.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks"> Vgl. Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 1. Oktober 1984 - 19 K 4204/82
- unter Hinweis auf Amtsgericht Lüdenscheid, Urteile vom 30. Juni 1983 und 17.
August 1983 - 13 C 393/83 -; s.a. Kottmann, a.a.O., S. 45; a.A. Künzel/Moskal,
a.a.O., II 4, 4 a und c.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Die Regelung des §14 Abs. 5 Satz 2 KgG erschöpft sich mithin nach ihrem
Wortlaut, ihrer Systematik und Entstehungsgeschichte in einer Aufgabenzuweisung an
die Träger der Einrichtung, entsprechende Selbsteinschätzungserklärungen der
Erziehungsberechtigten entgegenzunehmen und die sich daraus ergebenden
Elternbeiträge im Einzelfall einzuziehen. In welcher Form beides geschieht, regelt das
Gesetz nicht. Die Ausgestaltung (Umsetzung) bleibt dem Kindergartenträger
entsprechend der rechtlichen Qualität des Benutzungsverhältnisses selbst überlassen.
Letztere bestimmt auch das Vorgehen des Kindergartenträgers, wenn eine
Selbsteinschätzung verweigert wird oder sich Anhaltspunkte für eine offensichtlich
fehlerhafte Selbsteinschätzung ergeben. Erst dann kann die Bewilligungsbehörde, das
Jugendamt, die Richtigkeit der Selbsteinschätzung überprüfen und sind die
Erziehungsberechtigten durch normative Regelung des Landesgesetzgebers
verpflichtet, der Bewilligungsbehörde gegenüber die erforderlichen Angaben zu
machen und zu belegen. Für die 1. Stufe des Selbsteinschätzungsverfahrens enthält
das Kindergartengesetz eine derartige normative Ermächtigungsgrundlage nicht. Daß
in der Zeit, um die es hier geht, schon eine vertragliche Verpflichtung zur
Selbsteinschätzung bestand (vereinbart war), haben die Parteien selbst nicht
angeführt und ist auch sonst nicht ersichtlich.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Der Senat weist abschließend - und vor allem im Hinblick auf das noch in erster
Instanz befindliche weitere Teilverfahren - darauf hin, daß die Staffelung der
Elternbeiträge nach Einkommensgruppen seines Erachtens nicht gegen höherrangiges
Recht verstößt. Er schließt sich insoweit ausdrücklich der Entscheidung des OVG
Bremen vom 16. Juni 1987 - OVG 1 BA 78/86 - Die Öffentliche Verwaltung (DÖV)
1988, 178 ff. = Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl) 1988, 250 ff. - an. Elternbeiträge
zu den Betriebskosten eines Kindergartens sind keine Gebühren oder Beiträge im
abgabenrechtlichen Sinne und mithin auch nicht an abgabenrechtlichen Prinzipien zu
messen.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks"> Vgl. hinsichtlich dieser Problematik: Hessischer Verwaltungsgerichtshof (Hess.
VGH), Beschluß vom 28. September 1976 - VN 3/75 -, Neue Juristische
Wochenschrift (NJW) 1977, 452 ff.; OVG Lüneburg, Urteil vom 26. Januar 1984 - 3
OVG C 7/83 -, Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht (ZevKR) 30, S. 426 ff.;
OVG NW, Urteil vom 20. November 1978 - II A 1037/77 -, a.a.O.; Beschluß vom 18.
November 1983 - 2 B 2037/83 -, a.a.O.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Gleich ob sie als "sonstige Gebühr", als "Beitrag eigener Art" ("sui generis") oder
als Entgelt bezeichnet werden, ergeben sich für sie allgemeine Grenzen lediglich aus
dem Gleichheits- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, demzufolge die mit der
Gebühren-/Beitrags-/Entgeltregelung verfolgten Zwecke nicht außer Verhältnis zu der
dem Bürger auferlegten Abgabe stehen dürfen. Dabei sind alle mit einer Geldleistung
verfolgten, verfassungsrechtlich zulässigen Zwecke als Abwägungsfaktoren in die
Verhältnismäßigkeitsbetrachtung einzubeziehen. Der Gleichheitssatz gebietet lediglich,
daß die Verknüpfung zwischen Kosten der Leistung und den dafür auferlegten
"Entgelten" sich nicht in einer Weise gestaltet, die sich unter keinem vernünftigen
Gesichtspunkt als sachgerecht erweist. Bei gleichartig beschaffenen Leistungen, die in
rechnerischen und finanziellen Leistungseinheiten erfaßt werden können, müssen die
Maßstäbe und Grundsätze in den Grenzen der Praktikabilität so gewählt und gestaffelt
werden, daß sie unterschiedlichen Ausmaßen der erbrachten Leistung Rechnung
tragen, damit die verhältnismäßige Gleichheit unter den Geldleistungsschuldnern
gewahrt bleibt.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks"> Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluß vom 6. Februar 1979 - 2
BvL 5/76 -, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE) 50, 217, 225
ff.; Beschluß vom 15. Dezember 1970 - 1 BvR 559, 571, 586/70 -, BVerfGE 29, 402,
411 ff.; OVG Bremen, Urteil vom 16. Juni 1987 - OVG 1 BA 78/86 -, a.a.O.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Die Staffelung der Kindergartenbeiträge nach sozialen Grundsätzen verstößt
danach nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG sowie den allgemeinen
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Der Gleichheitsgrundsatz verlangt nicht, daß die hier in
Frage stehenden Geldleistungen allein nach dem Äquivalenzprinzip und dem für das
allgemeine Gebührenrecht niedergelegten Grundsatz der "speziellen Entgeltlichkeit"
bemessen werden dürfen. Es geht, wie bereits dem Umstand zu entnehmen ist, daß
das Kindergartengesetz als zweites Gesetz zur Ausführung des Gesetzes für
Jugendwohlfahrt ergangen ist, um einen Bereich der Jugendwohlfahrt, mithin um einen
Lebensbereich, der zum Zentrum des Sozialstaatsprinzips gerechnet werden muß.
Dies verbietet schon eine Übertragung von Prinzipien und Grundsätzen, die für andere
Bereiche der Daseinsfürsorge, wie z.B. Wasser- und Abwassergebühren-,
Anschlußbeitrags- und -kostenrecht, getroffen worden sind. Hinzu tritt, daß der
Bundesgesetzgeber im Jugendwohlfahrtsrecht von einer grundsätzlichen
Kostenbeteiligung der Eltern ausgeht (§§80 ff. JWG), wobei die Kostenbelastung der
Erziehungsberechtigten und der Kinder/Minderjährigen im Einzelfall bis zur vollen
Aufbringung der Kosten aus ihrem Einkommen und Vermögen möglich ist. Demzufolge
können sich ernsthaft keine Bedenken gegen eine Lastenverteilung ergeben, die nach
der sozialen Belastbarkeit (nach dem Einkommen der Erziehungsberechtigten)
differenziert, zumindest, wenn dies in einem Rahmen geschieht, der hinter den
tatsächlichen Kosten einer Kindergartenbetreuung weit zurückbleibt und die
Erziehungsberechtigten äußerst moderat in Anspruch nimmt. Ebenfalls kann nicht
davon ausgegangen werden, daß dies eine "unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt
sachgemäße" Unterscheidung ist. Im Bereich sozial-rechtlicher Gestaltung hat der
Gesetzgeber einen weiten Spielraum; das Sozialstaatsprinzip läßt eine an der
Leistungskraft orientierte Kostenbeteiligung zu, auch wenn es sich nicht um Steuern
handelt. Nur eine gröbliche Störung führt zu einer Verfassungsrechtsverletzung.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks"> Vgl. OVG Bremen, Urteil vom 16. Juni 1987 - OVG 1 BA 78/86 -, a.a.O.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Eine solche gröbliche Störung ist aber hinsichtlich der Staffelung der
Elternbeiträge nach Einkommensgruppen zu verneinen.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf §§154 Abs. 2, 188 Satz 2 VwGO. Der Senat
zählt Streitigkeiten aus dem Kindergartenrecht zu den Sachgebieten (hier:
Jugendhilfe), für die nach §188 Satz 2 VwGO Gerichtskosten nicht erhoben
werden.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks"> Vgl. OVG NW, Urteil vom 31. Oktober 1986 - 8 A 1658/84 -.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Für das erstinstanzliche Verfahren hat das Verwaltungsgericht bisher eine
Kostenentscheidung nicht getroffen, sondern diese ausdrücklich dem Endurteil
vorbehalten.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §132 Abs. 2
VwGO nicht vorliegen.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
315,355 | ag-neuss-1988-07-01-36-c-23288 | {
"id": 713,
"name": "Amtsgericht Neuss",
"slug": "ag-neuss",
"city": 473,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 36 C 232/88 | 1988-07-01T00:00:00 | 2019-03-13T14:53:28 | 2019-03-27T09:43:20 | Urteil | ECLI:DE:AGNE:1988:0701.36C232.88.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 174,-- DM nebst 4 % </p>
<p>Zinsen von 12,-- DM seit dem 01.01.88, von weiteren je 31,-- DM</p>
<p>seit dem 01.02. und 01.03.88 und von weiteren 100,-- DM seit </p>
<p>dem 01.04.88 zu zahlen.</p>
<p></p>
<p>Die weitergehende Klage wird abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 11/18, der </p>
<p>Beklagte zu 7/18.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Tatbestand</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte ist Mieter einer Wohnung der Klägerin unter der im Rubrum genannten Anschrift. Die monatliche Nettomiete beträgt 690,-- DM. Etwa seit Februar 1987 wird die Wohnung über den Beklagten von der Mieterin … und ihrem fünfjährigen Sohn bewohnt. Wegen behaupteter Lärmbelästigungen aus dieser Wohnung kürzte der Beklagte die vertraglich vereinbarte Miete im September 1987 um 150,-- DM, sowie in den Monaten Januar bis März 1988 um jeweils 100,-- DM.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Zahlung der rückständigen Miete von 450,-- DM.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beanatragt,</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">den Beklagten zu verurteilen, an sie 450,-- DM nebst 4 % Zinsen seit</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">dem 01.02.88 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte trägt vor, er sei wegen der von der Wohnung der Mieterin … ausgehenden Geräuschbelästigungen zu einer Mietminderung berechtigt gewesen. Hinsichtlich des Umfangs der Geräuschbelästigungen wird auf die Aufstellungen des Beklagten für die Monate November 87 bis Februar 88 (Bl. 23 f. d. A.) verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks"><u>Entscheidungsgründe</u></p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist in Höhe von 174,-- DM begründet, in Höhe von 274,-- DM war der Beklagte in den Monaten November 87 bis Februar 88 zu einer Mietminderung berechtigt.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Der Klägerin steht gegen den Beklagten gemäß § 535 Satz 2 BGB für die Monate Dezember bis März 1988 ein rückständiger Mietzinsanspruch in Höhe von 174,-- DM zu. Der Beklagte war in den Monaten November 1987 bis Februar 1988 gemäß § 537 I BGB nur zur Zahlung einer um 10 %, d. h. um 69,-- DM, geminderten (Netto-) Miete verpflichtet. Bezgülich der November-Miete stand dem Beklagten insoweit gegen die Klägerin gemäß § 812 BGB ein Bereicherungsanspruch zu, mit dem er zusätzlich zu der im Dezember vorgenommenen Minderung gegen den Mietzinsanspruch der Klägerin für diesen Monat aufgerechnet hat, §§ 387, 389 BGB. Die Minderung der Miete ergibt sich aus den Gräuscherscheinungen, die von der über der Wohnung des Beklagten liegenden Wohnung der Mieterin … ausgingen und die in den von dem Beklagten mit Schriftsatz vom 10.05.88 überreichten Auflistungen, auf die im einzelnen verwiesen wird (Bl. 23 f. d. A.), enthalten sind. Insoweit ist das Vorbringen des Beklagten gemäß § 138 III ZPO als zugestanden und unstreitig anzusehen, denn da der Beklagte die ihn störenden Geräusche minuziös dokumentiert hat, durfte die Klägerin sich nicht auf ein pauschales Bestreiten beschränken, sondern sie hätte zu jedem einzelnen Punkt – gegebenenfalls nach vorheriger Rücksprache mit der Mieterin … - Stellung nehmen oder aber zumindest substantiiert darlegen müssen, aus welchen Gründen ihr eine substantiierte Stellungnahme nicht möglich war. Allerdings kann der Beklagte nicht für sämtliche Geräusche aus der Wohnung über ihm ein Minderungsrecht beanspruchen. Insbesondere die Zeit von 8.00 bis 20.00 Uhr (die Ruhezeit von 13.00 bis 15.00 Uhr ausgenommen) unterliegt einer erweiteren Toleranzgrenze. Ein Mehrfamilienhaus ist kein "Kloster", so dass der Beklagte in dieser Zeit die üblichen Wohn- und Umweltgeräusche, zu denen auch das aufgelistete "Möbelrücken" zählt, hinnehmen muss. Die vorstehenden Ausführungen bedeuten nun allerdings nicht, dass die Mieter eines Hauses in den ruhefreien Zeiten ohne Rücksicht auf die Mitbewohner unbegrenzt lärmen dürften, vielmehr ist jeder unnötige und nicht erforderliche Lärm zu vermeiden. Den Darlegungen des Beklagten ist jedoch nicht zu entnehmen, dass die beschriebenen Lärmerscheinungen in ihrer Intensität das übliche Maß überschritten haben.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Unter Beachtung dieser Grunsätze sind die von dem Beklagten in den Ruhenzeiten (13.00 bis 15.00 Uhr, ab 20.00 Uhr) dokumentierten Geräusche als so gravierend anzusehen, dass gemäß § 537 I BGB von einer geminderten Tauglichkeit der Wohnung auszugehen ist.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Diese schätzt das Gericht unter Einbeziehung der Dokumentation des Beklagten, aus der die Häufigkeit der Beanstandungen hervorgeht, auf 10 % (§ 287 ZPO). Eine weitergehende Minderung ist nach dem mitgeteilten Sachverhalt nicht gerechtfertigt. Die Aufstellungen des Beklagten zeigen, dass die Geräuscherscheinungen von der Wohnung der Mieterin … nicht ständig, sondern nur mit Unterbrechungen ausgingen und sich, soweit es das beanstandete "Rennen, Trampeln und Springen" des Sohnes der Mieterin betrifft, ohne jeweils längere Dauer auf die ruhezeitfreie Tageszeit verteilten. Es mag zwar sein, dass die durch ein Kleinkind verursachten Geräusche den Beklagten stören, dass nicht schulpflichtigte Kinder sich in ihrem natürlichen Bewegungsdrang – vor allem in den Wintermonaten, in denen sie witterungsbedingt nur begrenzt ins Freie und sich austoben können – nicht immer ruhig verhalten und auch schon mal durch die Wohnung toben, ist sozialadäquat. Derartiges muss auch in einem Mehrfamilienhaus hingenommen werden (LG Düsseldorf – 24 S 181/86 -, Urteil vom 28.10.86). Kinder können nicht wie junge Hunde an die Kette gelegt werden. Wer Kinderlärm als lästig empfindet, hat selbst eine falsche Einstellung zu Kindern, die als selbstgesetzte Ursache rechtlich nicht relevant ist (OVG Münster, 11 A 1288/85, Urteil vom 08.07.86: "Bolzplatzentscheidung"), so dass besondere Empfindlichkeiten, wie sie hier offensichtlich bei dem Beklagten vorliegen, bei der Prüfung, ob eine Lärmstörung vorliegt, nicht zu berücksichtigen sind. Damit ist allerdings nicht gesagt, dass nicht auch Kinder in den Grenzen des ihnen Möglichen auf Ruhebedürfnisse anderer Mitbewohner Rücksicht nehmen und ihren natürlichen Bewegungsdrang vor allem in den Ruhezeiten, für deren Einhaltung insbesondere die Eltern und auch der Vermieter zu sorgen haben, beschränken müssen. Unter Beachtung dieser Grundsätze sind Geräuscherscheingen, wie Rennen, Trampeln und Springen nach 20.00 Uhr bis in die späten Abendstunden von dem Beklagten nicht mehr hinzunehmen. Entsprechendes gilt für das in diesen Zeitraum fallende Möbelrücken und den dargelegten Lärm durch die die Zimmerlautstärke überschreitenden Fernsehgeräusche und das überlaute Musikhören. Eine Minderung für den Monat März 1988 kommt nicht in Betracht, da es insoweit an einer nachvollziehbaren Darlegung des Beklagten fehlt.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Abschließend sei darauf hingewiesen, dass das Gericht nicht zu entscheiden hatte, ob die beschriebenen Lärmstörungen durch eine fehlerhafte Schalldämmung (mit-) verursacht worden sind.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92 I, 708 Nr. 11, 713 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Richter am Amtsgericht </p>
|
315,356 | ag-essen-1988-06-28-24-c-9988 | {
"id": 657,
"name": "Amtsgericht Essen",
"slug": "ag-essen",
"city": 417,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 24 C 99/88 | 1988-06-28T00:00:00 | 2019-03-13T14:53:32 | 2019-03-27T09:43:20 | Urteil | ECLI:DE:AGE1:1988:0628.24C99.88.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u><b>Tatbestand</b></u>: </p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Fa. W ist Eigentümerin der Gebäude, die durch eine zentrale Heizungsanlage mit Raumwärme (Gas) versorgt wird. Die Fa. W hat mit der Klägerin einen Rahmenvertrag geschlossen, der diese u. a. verpflichtet, die Heizzentrale zu betreiben und zu warten und die Heizkosten nebst Umlageausfallwagnis mit den Mietern abzurechnen. Die Klägerin ihrerseits hat mit einer Drittfirma einen Wartungsvertrag geschlossen, durch den sie verpflichtet ist, dieser Drittfirma eine Pauschalvergütung dafür zu erbringen, dass sie die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Wartungsleistungen hat.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Unter dem 12.03.1985 schlossen die Klägerin und die Beklagte, Mieterin einer Wohnung in dem Gebäude - es handelt sich hierbei um eine Wohnung im freifinanzierten Wohnungsbau - rückwirkend zum 01.04.1984 einen Wärmelieferungsvertrag zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin. Auf diesen Vertrag, der sich in Kopie Bl. 9 d. A. sowie auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (ABW), die sich in Kopie Bl. 10 d. A. befinden, wird Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat der Beklagten für den Abrechnungszeitraum vom 01.04.1984 bis zum 31.05.1985 unter dem 27.02.1986 eine Heizkostenabrechnung in korrigierter Form erstellt (siehe Kopie Bl. 49 - 51 d. A.), für den Abrechnungszeitraum vom 01.06.1985 bis zum 31.05.1986 hat sie unter dem 16.12.1986 die Heizkostenabrechnung erstellt (siehe Kopien Bl. 15 - 17 d. A.) und für den Abrechnungszeitraum vom 01.06.1986 bis 31.05.1987 hat sie die Heizkostenabrechnung unter dem 27 01.1988 erstellt (siehe Kopien Bl. 30 - 32 d. A.). Sie hat in dieser letztgenannten Heizkostenabrechnung vom 27.01.1988 zugunsten der Beklagten ein Guthaben in Höhe von 316,13 DM errechnet und auf der Abrechnung selber der Beklagten gegenüber erklärt, dass dieses Guthaben mit der Altforderung verrechnet wird. Eine Verrechnung ist bislang unstreitig nicht erfolgt.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin nimmt vorliegend die Beklagte auf Zahlung der restlichen Beträge aus ihren Heizkostenabrechnungen vom 27.02.1986 und 16.12.1987 in Anspruch.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Parteien streiten u. a. darüber, ob die Klägerin berechtigt ist, das Umlageausfallwagnis und die von ihr an die Drittfirma gezahlte Vergütungspauschale für Wartungsarbeiten in den Heizkostenrechnungen in Ansatz zu bringen. Unstreitig ist eine Wartung von der Drittfirma durchgeführt worden am 27.05.1986/01.06.1986 und weiterhin am 01.04.1987.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin behauptet, auch in den Jahren 1984 und 1985 seien Wartungsarbeiten ausgeführt worden. Zum Beweis hierfür beruft sie sich auf die Vorlage von Unterlagen. Sie ist der Ansicht, zur Vereinbarung von Pauschalvergütungen für die Wartungsarbeiten berechtigt zu sein, sie dürfe daher in den Abrechnungen diese Kosten unabhängig von den tatsächlich in einem Jahr anfallenden Kosten in Ansatz zu bringen, da dies bei Wartungsverträgen üblich sei. Sie behauptet, der Betrag für die Pauschalvergütung sei angemessen und beruft sich zum Beweis hierfür auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilten, an sie 184,92 DM nebst 6 % Zinsen seit Zustellung des Schriftsatzes vom 05.02.1988 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Unter Rücknahme der Klage im übrigen beantragt sie nunmehr, die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 169,95 DM nebst 6 % Zinsen seit Zustellung des Schriftsatzes vom 15.02.1988 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Sie bestreitet, dass Wartungskosten entstanden sind. Sie behauptet, die in Ansatz gebrachten Wartungskosten überstiegen das Maß des üblichen um ein Vielfaches.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Gegenüber der Klageforderung rechnet die Beklagte mit den in der Vergangenheit geleisteten Zahlungen unter der Position Umlageausfallwagnis auf in Höhe von insgesamt 150,82 DM. Wegen der weiteren Einzelheiten der Aufrechnungsforderung wird auf das Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 02.03.1988 auf Seite 4 (= Bl. 26 der Gerichtsakte) Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gegenseitig gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks"><u><b>Entscheidungsgründe</b></u>: </p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Zwar steht der Klägerin grundsätzlich das Recht zu, von der Beklagten das Entgelt für die Wärmelieferung und den damit im Zusammenhang stehenden Kosten zu verlangen, soweit diese nach Maßgabe der §§ 7 - 9 Heizkostenverordnung geltend gemacht werden können.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin steht nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 Heizkostenverordnung der Gebäudeeigentümerin, der Fa. W., gleich, denn ihr ist auf Grund des von ihr mit der Fa. W. geschlossenen Rahmenvertrages der Betrieb der Anlage "im eigenen Namen und für eigene Rechnung" übertragen worden. Das Recht der Klägerin, von der Beklagten unmittelbar das Entgelt zu fordern, ist durch den zwischen den Parteien am 12.03.1985 mit Rückwirkung zum 01.04.1984 geschlossenen Wärmelieferungsvertrag begründet worden.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Der Klägerin steht aus der Heizkostenabrechnung vom 27.02.1986 gegen die Beklagte noch eine Restforderung in Höhe von 59,24 DM zu.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin kann bei der Zusammenstellung der Betriebskosten der Liegenschaft I gem. § 7 Heizkostenverordnung lediglich insgesamt 4.777,-- DM in Ansatz bringen, und zwar 4.720,63 DM für Brennstoffkosten (Gas) und 54,72 DM für die Verbrauchserfassung sowie 1,65 DM Umlageausfallwagnis.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Zar ist insoweit für freifinanzierte Wohnungen eine gesetzliche Vorschrift, die den Vermietern das Recht einräumt, das Umlageausfallwagnis auf den Mieter umzulegen, anders als im öffentlichen geförderten Wohnungsbau nicht vorhanden. Die Klägerin hat jedoch auf Grund vertraglicher Vereinbarungen mit der Beklagten das Recht, diese Kosten umzulegen. Diese vertragliche Regelung ist enthalten in § 4 der ABW der Klägerin, die Vertragsgrundlage geworden sind. Diese Klausel in § 4 ABW enthält keine Überraschungsklausel im Sinne des § 3 ABG-Gesetz, denn gem. § 25 a NMW (1970) kann der Vermieter im öffentlich geförderten Wohnungsbau diese Kosten neben dem Mietausfallwagnis geltend machen. Auf Grund der geltenden Rechtsprechung besteht aber zwischen dem öffentlich geförderten Wohnungsbau und dem frei-finanzierten Wohnungsbau, sofern es um das Problem des Ausfalls der Betriebskosten geht, kein Unterschied. Insoweit liegt ein vergleichbarer Sachverhalt vor, so dass eine vertragliche Vereinbarung der Umlegung dieser Kosten nicht so ungewöhnlich ist, dass die Beklagte nicht damit zu rechnen brauchte. Die Klägerin kann das Umlageausfallwagnis auch neben den Betriebskosten, die in § 7 Abs. 2 Heizkostenverordnung abschließend aufgezählt sind, geltend machen, da gem. § 20 NMV (1970) neben den Betriebskosten - hier denen aus § 7 Abs. 2 Heizkostenverordnung - auch das Umlagenausfallwagnis umgelegt werden kann und dieses gerade keine Betriebskosten darstellt (So Urteil des Landgerichts Essen vom 07.10.1987 = 10 S 204/87).</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Nicht in Ansatz bringen kann die Klägerin den Betrag von 557,20 DM für "Wartung". Auf das Bestreiten der Beklagten hin hat die Klägerin nicht substantiiert dargelegt, dass tatsächlich in dem Abrechnungszeitraum 01.04.1984 bis 31.05.1985 eine Wartung der Heizanlage ausgeführt worden ist. Ihr Vorbringen, "in diesen Jahren ist sehr wohl eine Wartung durchgeführt worden" läßt gerade nicht erkennen, wann genau das der Fall gewesen sein soll. Auch hat sie nicht entgegen ihrer Ankündigung Unterlagen vorgelegt, aus denen sich etwaige Daten für durchgeführte Wartungen entnehmen ließen. Die Klägerin ist auch nicht berechtigt, den Mietern die Kosten in Rechnung zu stellen, die sie auf Grund der Vereinbarung mit der Drittfirma als Pauschalvergütung für "Vorgehaltene Wartungsarbeiten" aufgewendet hat. Es sind gem. § 7 Abs. 2 Heizkostenverordnung insoweit nur diejenigen Kosten umlagefähig, die real entstanden sind durch die üblichen, in festgelegten Zeitabständen durchgeführten Prüfungsarbeiten und Einstellungen durch einen Fachmann. Abrechenbar ist nur eine Rechnung für ausgeführte Wartungsarbeiten (so Peruzzo, Heizkostenverordnung, §. Auflage 1985, § 7 Seite 47). Hinzukommt, dass die Klägerin in den ABW, die Vertragsbestandteil des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages sind, selbst davon ausgeht, dass die Abnehmer zu zahlen haben "die Kosten der Betriebs- und Wartungsleistungen für die zentrale Heizungs- und Warmwasserversorgungsanlage wie vom Wartungsunternehmen in Rechnung gestellt". Diese Formulierung läßt bei jedem objektiven Dritten den Eindruck entstehen, dass die der Rechnungsstellung zugrundeliegenden Leistungen einer Überprüfung zugeführt werden. Es kann daher dahin gestellt bleiben, ob die Klägerin die Kosten tatsächlich aufgewendet hat und weiterhin, ob diese auch der Höhe nach angemessen waren, insoweit war dem Beweisantritt der Klägerin nicht zu folgen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin kann daher den Zeitraum vom 01.04.1984 bis 31.05.1985 für die Beklagte nur wie folgt abrechnen:</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Heizkosten insgesamt: 4.777,-- DM</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">50 % nach m² beheizter Fläche : 2.388,50 : 211,29 = 11,303</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">50 % nach Verbrauchseinheiten: 2.388,50 : 208,86 = 11,4358</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Anteil der Beklagten:</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Anteil nach m² 56,06 x 11,3034 = 633,71 DM</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Anteil nach Verbrauch 33,67 x 11,4358 = <u>385,04 DM</u></p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:227px">1018,75 DM</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">abzüglich Vorauszahlungen <u>1078,00 DM</u></p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Restforderung 59,24 DM</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Der Klägerin steht aus der Abrechnung vom 16.12.1986 für den Zeitraum vom 01.06.1985 bis zum 31.05.1986 gegen die Beklagte keine Restforderung mehr zu.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin kann an Gesamtkosten für diesen Abrechnungszeitraum lediglich 4.365,-- DM geltend machen, und zwar 4.224,69 DM Brennstoffkosten (Gas), 54,72 DM für die Verbrauchserfassung und 85,59 DM Umlageausfallwagnis (2 % von 4.279,41 DM).</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin kann nicht den Betrag von 513,64 DM für "Wartung" in Ansatz bringen. Zwar ist unstreitig in diesem Abrechnungszeitraum am 27.05.1986 eine Wartung durchgeführt worden, es ist jedoch von der Klägerin nicht dargelegt worden, welche Kosten für diese tatsächlich durchgeführten Wartungen bezahlt worden sind. Die Klägerin hat vielmehr auch hier die mit der Drittfirma vereinbarte Pauschalvergütung als Kosten in Ansatz gebracht.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin kann daher die Heizkosten der Beklagten nur wie folgt berechnen:</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Heizkosten insgesamt: 4.365,-- DM</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">50 % nach m² beheizter Fläche : 2.182,50 DM : 211,29 = 10,3294</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">50 % nach Verbrauchseinheiten: 2.182,50 DM : 19931,00 = 0,1095</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Verbrauch der Beklagten:</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Anteil nach m² 56,06 x 10,3294 = 579,06 DM</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Anteil nach Verbrauch 3492 x 0,1095 = <u>382,27 DM</u></p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Insgesamt 961,43 DM</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">abzüglich geleisteter Vorauszahlungen ./. 970,00 DM</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Guthaben zugunsten der Beklagten 8,57 DM</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Der Klägerin steht mithin aus den streitgegenständlichen Heizkostenabrechnungen gegen die Beklagte lediglich noch ein Anspruch auf Zahlung von 59,24 DM als Restforderung aus der Abrechnung vom 27.02.1086 zu.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Diese Forderung ist jedoch in voller Höhe erloschen, denn mit der Heizkostenabrechnung vom 27.01.1988 hat die Klägerin selbst erklärt, dass in dieser Abrechnung das von ihr errechnete Guthaben der Beklagten von 316,13 DM mit der Altforderung verrechnet wird. Der Klägerin steht mithin ein Anspruch auf Zahlung des Restbetrages aus der Rechnung vom 27.02.1986 gegen die Beklagte nicht mehr zu.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Somit war auch nicht zu prüfen, ob die von der Beklagten erklärte Aufrechnung etwaige Forderungen der Klägerin zum Erlöschen bringt.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 269, 708 Ziff. 11, 713 ZPO.</p>
|
315,357 | lg-munster-1988-06-24-22-o-3188 | {
"id": 815,
"name": "Landgericht Münster",
"slug": "lg-munster",
"city": 471,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 22 O 31/88 | 1988-06-24T00:00:00 | 2019-03-13T14:53:34 | 2019-03-27T09:43:20 | Grund- und Teilurteil | ECLI:DE:LGMS:1988:0624.22O31.88.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der Anspruch der Klägerin auf Ersatz der Schäden, die anläßlich des Rücktransports ihrer Drucksachen am 5./6. November 1987 entstanden sind, ist gegenüber der Beklagten zu 1) dem Grunde nach gerechtfertigt.</p>
<p>Die gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Klage wird abgewiesen.</p>
<p>Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) werden der Klägerin auferlegt; im übrigen bleibt die Kostenentscheidung dem End- und Schlußurteil vorbehalten.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p>Die Klägerin kann Vollstreckungsmaßnahmen der Beklagten zu 2) durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1500,-- DM abwenden, sofern nicht die Beklagte zu 2) zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.</p>
<p>Die Klägerin kann die Sicherheit durch unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer westdeutschen Großbank erbringen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> <span style="text-decoration:underline">Tatbestand</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Ersatz eines Transportschadens in Anspruch.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin und die Beklagte zu 1) standen seit längerer Zeit in der Weise in geschäftlichen Beziehungen, daß die Beklagte zu 1) für die Klägerin wiederholt Buchbindearbeiten ausführte. Im Oktober 1987 verhandelten diese Parteien darüber, daß die Beklagte zu 1) ein „Mathe-Buch“ als Klebebroschüre für die Klägerin einhängen sollte; die Beklagte zu 1) fertigte Muster an und es wurde ein Werklohn von 150.—DM vereinbart. Am 28. Oktober und 4. November 1987 ließ die Klägerin die auf Paletten verpackten Buchbögen und –umschläge durch die Spedition G zur Beklagten zu 1) bringen; diese ließ die Drucksachen bei der Spedition L in Coesfeld abladen und einlagern; bei der ersten Anlieferung vom 28. Oktober 1987 kam es zu einem von den Parteien nicht näher dargelegten Transportschaden, welchen die Versicherung der Firma G in Höhe von 7387.28 DM reguliert hat.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Am 5. November 1987 erklärte die Beklagte zu 1), den Auftrag nicht ausführen zu wollen oder zu können. Die Klägerin gewann daraufhin die Firma B in Münster für die Ausführung der Bindearbeiten und beauftragte die Beklagte zu 2), die Drucksachen in Coesfeld abzuholen und nach Münster zu bringen. Die Beklagte zu 2) setzte für diesen Transport einen in Südlohn befindlichen LKW mit Anhänger ein. Zwischen ihr und der Klägerin wurde vereinbart, daß der Anhänger nach Coesfeld gebracht und dort zum Beladen zur Verfügung gestellt, daß der Motorwagen in der Zwischenzeit einen anderen Transport ausführen und den Anhänger dann in Coesfeld abholen würde. So wurde verfahren, wobei der Fahrer der Beklagten zu 2) erst nach einigen Telefonaten erfuhr, wo sich die Ladung befand, was abtransportiert werden sollte und wie die Beladung vorgenommen werden sollte: Insoweit ist unstreitig, daß der Fahrer der Beklagten zu 2) zunächst drei einzeln stehende Paletten selbst auf den Anhänger gebracht hat und daß die weiteren, übereinander gestapelten Paletten in seiner Abwesenheit von Mitarbeitern der Firma L verladen worden sind. Abends wurde der Anhänger abgeholt, über Nacht auf dem Hof der Beklagten zu 2) abgestellt und am nächsten Morgen zu B nach Münster gebracht. Dort wurde die Annahme der Ladung verweigert, weil eine Anzahl von Paletten beschädigt und ihr Inhalt auseinandergefallen war.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin, die ihren Schaden mit näheren Ausführungen mit 6544.30 DM beziffert, macht dafür beide Beklagten verantwortlich.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Sie behauptet, mit der Beklagten zu 1) sei fest vereinbart gewesen, daß diese Bindearbeiten ausführte und spätestens am 6. November 1987 beendete; am 5. November sei aber der Inhaber der Beklagten zu 1) mit der Begründung, eine seiner Maschinen sei defekt, vom Vertrag zurückgetreten und habe um die Abholung der Drucksachen gebeten. Das habe sie – die Klägerin – veranlaßt; bis dahin sei Ihr von einer Lagerung der Drucksachen bei L, von einem Schaden beim Hintransport und von Einzelheiten der Art der Lagerung und Beladung nichts bekannt gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin meint, die Beklagte zu 1) hafte ihr wegen Verletzung vertraglicher Nebenpflichten, während die Beklagte zu 2) ersatzpflichtig sei, weil ihr Fahrer nicht für eine ordnungsgemäße Beladung des Anhängers gesorgt habe.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">                            die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">                            6544.30 DM nebst 8 % Zinsen seit dem 22. Januar 1988 zu</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">                            zahlen;</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">                           ihr zu gestatten, Sicherheit durch Bankbürgschaft zu erbringen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">                                          die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte zu 1) bestreitet das Zustandekommen eines Vertrags über das Binden des „Mathe-Buchs“. Sie behauptet, die Klägerin habe im Oktober 1987 noch erhebliche Verbindlichkeiten bei ihr gehabt; deswegen habe sie die Übernahme des Auftrags von deren vorheriger Begleichung abhängig gemacht, was aber nicht geschehen sei. Gleichwohl habe ihr die Klägerin die Drucksachen unaufgefordert und ohne vorherige Ankündigung zugeschickt; diese habe sie sofort bei L eingelagert; mit Transportschäden hätte sie daher nichts zu tun.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte zu 2) beruft sich unter Hinweis darauf, daß das Transportgut bereits auf dem Hintransport einen Schaden erlitten habe, sich daher in schlechtem Verpackungszustand befunden habe, auf § 429 HGB.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Es ist Beweis erhoben worden durch Vernehmung der Zeugen L, S, L1, M und C; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die gerichtliche Niederschrift vom 27. Mai 1988 verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Parteien haben ihr Einverständnis nach § 349 III ZPO erklärt.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Entscheidungsgründe</span></p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Das Gericht hat es für angemessen und zweckdienlich erachtet, ein Grund- und Teilurteil zu erlassen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Gegenüber der Beklagten zu 1) ist der Anspruch der Klägerin auf Ersatz des geltend gemachten Transportschadens dem Grunde nach gerechtfertigt. Ist zwischen den Parteien ein Vertrag über die Ausführung der Bindearbeiten zustandegekommen, haftet die Beklagte zu 1) wegen schuldhafter Verletzung vertraglicher Nebenpflichten, denn es war ihre Sache, nach Abstandnahme von der Erfüllung des Vertrags dafür Sorge zu tragen, daß die von ihr bei L eingelagerten Sachen ordnungsgemäß zur Klägerin zurückgelangten; war noch kein Vertrag zustandgekommen, so ergibt sich die Haftung aus Verschulden im Rahmen von Vertragsverhandlungen (c.i.c.), denn die Parteien standen unstreitig in Gesprächen und Verhandlungen über die Ausführung der bindearbeiten durch die Beklagte zu 1), woraus sich für sie die gleichen Pflichten ergaben.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, daß die Beklagte zu 1) für den Zustand verantwortlich ist, in dem die Drucksachen durch sie bei L gelagert worden und hiernach auf den Anhänger der Beklagten zu 2) verladen worden sind; insoweit ergibt sich aus der Schilderung des Zeugen L, daß die Beklagte zu 1) die Einlagerung bei ihm veranlaßt hat, daß die Drucksachen bereits zu diesem Zeitpunkt in keinem einwandfreien Verpackungszustand waren, daß er den Geschäftsführer der Beklagten zu 1) davon unterrichtet hat sowie, daß dieser durch seine Mitarbeiterin S die Beladung des Anhängers veranlaßt hat und ihn – den Zeugen – hat bitten lassen, mit seinen Leuten die Beladung vorzunehmen; damit ist L beim Beladevorgang als Erfüllungsgehilfe der Beklagten zu 1) tätig geworden. Daß die Zeugin S den wahrscheinlich schon beim Beladen erkennbaren desolaten Zustand der Paletten nicht bemerkt haben will, mag auf ihrer Unerfahrenheit beruhen, entlastet die Beklagte zu 1) aber nicht; daß L, der nach seiner Bekundung diesen Zustand bemerkt und erkannt hat, gleichwohl beladen hat, muß sich die Beklagte zu 1) über § 278 BGB zurechnen lassen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte zu 2) haftet für den Schaden nicht, weswegen die gegen sie gerichtete Klage durch Teilurteil abzuweisen war.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Ein Anspruch aus § 429 HGB ist nicht gegeben. Die Klägerin hat schon nicht hinreichend dargelegt, ob Art und Umfang der von ihr geklagten Schäden in der Zeit zwischen Annahme und Ablieferung des Guts eingetreten sind; insoweit bestehen ganz erhebliche Zweifel, weil unstreitig bereits auf dem Hintransport  ein nach der Höhe der Entschädigung ganz beträchtlicher Schaden verursacht worden ist, weil ferner L als Zeuge bekundet hat, die Sendung sei bereits bei der Verladung „Schrott“ gewesen. – Der Beklagten zu 2) kann auch nicht angelastet werden, daß sie die Beladung geduldet bzw. die Übernahme der Beförderung nicht verweigert habe: Entgegen der Behauptung der Klägerin kann eine Vereinbarung des Inhalts, daß die Beklagte zu 2) für die Beladung zu sorgen gehabt hätte, nicht festgestellt werden; vielmehr war es Sache entweder der Klägerin oder der Beklagten zu 1), dafür Sorge zu tragen, dass der Anhänger abends beladen und abholbereit war. – Abgesehen von diesen Bedenken hat die Klägerin bei der Darlegung der Höhe ihres Schadens gegenüber der Beklagten zu 2) auch die Vorschrift des § 430 HGB nicht hinreichend beachtet.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; im übrigen war sie dem End- und Schlußurteil vorzubehalten.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die weitere Nebenentscheidung ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Unterschrift</p>
|
315,358 | olgham-1988-06-24-20-u-30687 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 20 U 306/87 | 1988-06-24T00:00:00 | 2019-03-13T14:53:36 | 2019-03-27T09:43:20 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1988:0624.20U306.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung des Klägers gegen das am 25. Juni 1987 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bochum wird zurückgewiesen.</p>
<p>Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p>Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleitung in Höhe von 16.000,- DM abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.</p>
<p>Die Beklagte darf die Sicherheit durch unbedingte und unbefristete Bürgschaft einer deutschen Bank, Sparkasse oder Genossenschaftsbank leisten.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Parteien streiten um den Fortbestand eines Lebensversicherungsvertrages mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung, den die Beklagte wegen arglistiger Täuschung angefochten hat.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Am 09.06.1982 unterzeichnete der Kläger, der damals seit fast 8 Jahren arbeitslos war, 580,- DM Arbeitslosenhilfe im Monat bezog und zum Teil von seinen Eltern unterstützt wurde, einen unter Mitwirkung des Zeugen ... ausgefüllten Antrag auf Abschluß einer Lebensversicherung mit Kapitalzahlung und Rentenwahlrecht nebst einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Im Falle der Berufsunfähigkeit sollte danach eine jährliche Rente von 16.800,- DM gezahlt werden (Bl. 6, 7 GA). In diesem Antrag wurden die "ausgeübte Tätigkeit" des Klägers mit "Schlosser" und sein beruflicher Status als "Arbeitnehmer" angegeben.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Frage: "Wurden Anträge zu erschwerten Bedingungen angenommen, zurückgestellt oder abgelehnt? Welche Gesellschaft?" (Frage B 1, Bl. 7 GA) wurde verneint. Die Frage: "Halten Sie sich gegenwärtig für gesund und voll arbeitsfähig?" (Frage B 6, Bl. 7 GA) wurde bejaht. Im übrigen sollte eine ärztliche Untersuchung erfolgen, die dann auch vereinbarungsgemäß am 15.06.1982 bei dem Zeugen Dr. ... stattfand und mit dem Befund "völlig gesund" endete (Bl. 53-514 R GA).</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte nahm den Versicherungsantrag daraufhin uneingeschränkt mit Wirkung vom 01.07.1982 an (Bl. 55).</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">1983 stellte der Kläger bei der zuständigen Landesversicherungsanstalt einen Antrag auf Zahlung einer Erwerbsunfähigkeitsrente, der abschlägig beschieden wurde und jetzt den Gegenstand eines Rechtsstreits vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen bildet (Beiakte S 14 J 200/84 Sozialgericht Gelsenkirchen).</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Im Juni 1986 (Bl. 10, 62 GA) meldete der Kläger bei der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung der versicherten Berufsunfähigkeitsrente an und teilte bei dieser Gelegenheit mit, daß er bereits seit 1974 arbeitslos sei. Er sei zuletzt Stapelfahrer bei ... gewesen und könne diesen Beruf wegen zahlreicher Beschwerden, die er näher darlegte und für die er auf einem Formular der Beklagten auch verschiedene Ärzte benannte, nicht mehr ausüben. Mit Schreiben vom 03.11.1986 (Bl. 14) focht die Beklagte daraufhin den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung mit der Begründung an, der Kläger habe bei Antragstellung verschwiegen, daß er bereits seit 1974 arbeitslos sei.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Mit seiner auf Feststellung der Unwirksamkeit dieser Anfechtung gerichteten Klage hat der Kläger behauptet, er habe dem Versicherungsvertreter bei Antragstellung gesagt, daß er schon seit 1974 arbeitslos sei. Der Vertreter habe jedoch erklärt, dies sei unerheblich.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">festzustellen, daß der zwischen ihm und der Beklagten bestehende Lebensversicherungsvertrag Nr. ... durch die Anfechtung der Beklagten vom 03.11.1986, zugestellt am 05.11.1986, nicht erloschen ist.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Sie hat die Darstellung des Klägers bestritten und zusätzlich geltend gemacht, daß der Kläger auch seinen zuletzt ausgeübten Beruf falsch angegeben habe. Darüber hinaus hat die Beklagte mit näherer Begründung und unter Vorlage zahlreicher ärztlicher Bescheinigungen und Gutachten, die sie aufgrund der Angaben des Klägers im Fragebogen vom 15.06.1986 (Bl. 62 GA) angefordert bzw. beigezogen hatte, die Anfechtung auch damit begründet, daß der Kläger gegenüber dem Zeugen Dr. ... Fragen nach seinem Gesundheitszustand falsch beantwortet und sie - die Beklagte - dadurch veranlaßt habe, den Versicherungsantrag uneingeschränkt anzunehmen. Angesichts seiner Dauerarbeitslosigkeit sei es dem Kläger darauf angekommen, in den Genuß der Berufsunfähigkeitsrente von 1.400,- DM im Monat zu kommen. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten wird auf die Klageerwiderung vom 05.03.1987 nebst Anlagen, (Bl. 22-97 GA) verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist dem in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht entgegengetreten und hat sich im wesentlichen dahin eingelassen, er habe dem Zeugen Dr. ... wahrheitsgemäße Angaben gemacht, die dieser aber als unwesentlich heruntergespielt habe. Auf Vorhalt hat der Kläger eingeräumt, eine Wirbelsäulenprellung aus dem Jahre 1978, in deren Folge er eine Zeitlang ein Stützkorsett habe tragen müssen, nicht angegeben zu haben. Er habe aber gemeint, dies müsse auch nicht angegeben werden, weil diese Krankheit inzwischen ausgeheilt sei (Bl. 99/100 GA).</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat die Klage nach Vernehmung des Zeugen ... (Bl. 101) und nach Einholung schriftlicher ärztlicher Auskünfte (Bl. 107, 118, 121, 124, 125 GA) abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Der Kläger habe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zwar bei Antragstellung auf seine Arbeitslosigkeit hingewiesen und auch die Berufsbezeichnung "Schlosser" sei nicht völlig falsch gewesen, weil er jedenfalls auch "schlosserische Tätigkeiten" ausgeübt habe. Er habe jedoch vorsätzlich und arglistig seine zahlreichen gesundheitlichen Beschwerden verschwiegen und die Beklagte damit zum Abschluß eines Versicherungsvertrages erweckt, den sie andernfalls so nicht abgeschlossen hätte.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Mit der Berufung räumt der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Sachvortrags im übrigen ein, die Angaben zu seinem Gesundheitszustand objektiv nicht richtig beantwortet zu haben, behauptet aber, zum Teil habe er die Fragen, die ihm der Zeuge Dr. ... in der kurzen Untersuchung nur sehr schnell und oberflächlich habe vorlesen können, nicht verstanden, zum Teil habe der Zeuge seine Angaben über Beschwerden als unwesentlich heruntergespielt. Ihm - dem Kläger - sei daher allenfalls Unaufmerksamkeit oder Unkenntnis, nicht aber Arglist vorzuwerfen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">unter Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, daß der zwischen ihm und der Beklagten geschlossene Lebensversicherungsvertrag Nr. ... durch Anfechtung der Beklagten vom 3. November 1986, zugestellt am 5. November 1986, nicht erloschen ist.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<br /><span class="absatzRechts">21</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="1">
<tr>
<td> </td>
<td>1.</td>
<td>die Berufung zurückzuweisen;</td>
</tr>
<tr>
<td> </td>
<td>2.</td>
<td>für den Fall der Zwangsvollstreckung ihr zu gestatten, Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft leisten zu dürfen.</td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte verteidigt mit näherer Begründung das angefochtene Urteil.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Wegen der Einzelheiten des beiderseitigen Sachvortrages wird auf den Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen und auf die in den nachstehenden Entscheidungsgründen ergänzend mitgeteilten Tatsachen verwiesen. Dem Senat haben die Akten S 14 J 200/84 Sozialgericht Gelsenkirchen vorgelegen, die Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung gewesen sind. Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Dr. .... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 24.06.1988 (Bl. 257 ff. GA) und auf das von dem Zeugen im Termin übergebene ärztliche Zeugnis vom 04.03.1982 für die ...-Versicherung (Bl. 265-267 GA), von dem die Parteien im Termin Ablichtungen ausgehändigt erhalten haben, verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Feststellungsklage zu Recht als unbegründet abgewiesen, weil die Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung begründet ist (§§22 VVG, 123, 124 BGB).</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, daß der Kläger bei Antragstellung und gegenüber dem Zeugen Dr. ... bewußt falsche Angaben gemacht und seinen Gesundheitszustand zu günstig dargestellt hat, weil er damit rechnete, daß die Beklagte den Versicherungsantrag bei wahrheitsgemäßen Angaben nicht oder nur zu erschwerten Bedingungen annehmen werde. Damit hat er die Beklagte arglistig getäuscht und zu einem Vertragsabschluß veranlaßt, den sie andernfalls nicht so getätigt hätte.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks"><b>I.</b></p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Es steht fest und wird im wesentlichen vom Kläger auch nicht in Abrede gestellt, daß die Beantwortung der Gesundheitsfragen in dem von dem Zeugen Dr. ... nach Angaben des Klägers ausgefüllten Fragebogen, den die Beklagte ihrer Entscheidung, den Versicherungsantrag anzunehmen, zugrundegelegt hat, objektiv zumindest in folgenden Punkten falsch ist:</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Zwischen Juli 1981 und August 1982 war der Kläger wegen Schmerzen im Brustbereich in der Behandlung des Internisten Dr. .... Eine Röntgenuntersuchung vom 30.07.1981 ergab einen Zustand nach einem durchgemachten Morbus Scheuermann (Veränderung der Wirbelkörper, vornehmlich im jugendlichen Alter, vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 254. Aufl., 1982). Dies ergibt sich aus den schriftlichen Befundberichten und Attesten Dr. ... vom 24.09.1982 (Bl. 65 GA), vom 26.10.1984 (Bl. 63, 64 GA) und vom 22.05.1987 (Bl. 118 GA) und wird vom Kläger auch eingeräumt.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Im Fragebogen der Beklagten (Bl. 53 GA) hätte dies jedenfalls unter der Frage 3 o (sonstige Krankkeiten, Gebrechen, körperliche Fehler oder Beschwerden, nach denen nicht ausdrücklich gefragt ist) angegeben werden müssen. Auch der Kläger stellt nicht in Abrede, daß dieser Befund offenbarungspflichtig war, denn er will ihn Dr. ... auch mitgeteilt haben, der ihn jedoch mit der Bemerkung, dies habe jeder und es müsse daher nicht angegeben werden, bagatellisiert habe.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Diese Einlassung ist nach der glaubhafte Aussage des Zeuge Dr. ... jedoch widerlegt, der bekundet hat, eine Scheuermann'sche Erkrankung hätte er auf jeden Fall angegeben. Der Senat hat um so weniger Zweifel dies zu glauben, als nach den eigenen Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung keineswegs mehr klar gewesen ist, ob es Dr. ... oder Dr. ... gewesen sein soll, der ihm gesagt habe, daß es sich um ein Leiden handele, welches praktisch jeder habe. Denn der Kläger hat auf Befragen erklärt, Dr. ... habe ihm gesagt, das hätten 80 % der Bevölkerung. Was Dr. ... gesagt habe, wisse er nicht mehr.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Seit 1977 war der Kläger wegen wiederkehrender Harnröhren- und Blasenentzündungen in ambulanter Behandlung des Urologen Dr. ... Zweimal wurde eine Gonorrhoe festgestellt und behandelt. Die letzte Behandlung bei Dr. ... fand am 18.03.1982 statt. Dies folgt aus der fachurologischen Bescheinigung Dr. ... vom 01.10.1982 (Bl. 66 GA) und seiner schriftlichen Auskunft vom 26.05.1987 (Bl. 121 GA) sowie den eigenen Angaben des Klägers gegenüber dem Sachverständigen Dr. ..., der für das Sozialgericht am 03.06.1985 ein Gutachten über den Kläger erstellt hat (Bl. 207 GA). Dort hat der Kläger anläßlich der Untersuchung im Juni 1985 angegeben, daß er wegen Nierenentzündung in den 60iger Jahren zweimal stationär behandelt worden sei und daß er sich "intermittierend in urologischer Behandlung" befinde (Bl. 209 GA).</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Dies hätte im Fragebogen der Beklagten (Bl. 53 GA) unter Frage 3 d angegeben werden müssen. Diese Frage lautete:</p>
<br /><span class="absatzRechts">36</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>"Leiden und litten Sie an Krankheiten, Störungen oder Beschwerden der Harn- oder Geschlechtsorgane, zum Beispiel Nierenentzüdung, Nierenkolik, Steinleiden, Nierenbecken- oder Harnblasenentzündung, Erkrankungen der Vorsteherdrüse, erschwerten und schmerzhaftem Harnlassen, blutigem Harn, Eiweißausscheidung?"</i></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">In einem Fragebogen für das Sozialgericht hat der Kläger unter dem 20.06.1984 die Behandlung bei Dr. ... zwischen 1977 und 1984 wegen "Nierenerkrankung" sogar angegeben (Bl. 18 BA), obwohl dort keine gezielten Fragen gestellt wurden.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Dies widerspricht auch der Darstellung, die der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht gegeben hat (Bl. 100 GA), wonach er in den 60iger Jahren bei der Bundeswehr einmal Beschwerden beim Wasserlassen gehabt habe. Es habe sich aber "nichts herausgestellt". Bei Dr. ... sei er nur zweimal gewesen. Es sei aber nichts festgestellt worden.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Diese Darstellung ist, wie die aufgeführten ärztlichen Bescheinigungen und die 1984/1985 vom Kläger selbst gemachten Angaben belegen, unzutreffend. Angesichts seiner wechselnden Angaben und auch aus einem nachstehend noch gesondert zu behandelnden Gesichtspunkt hat der Senat keine Zweifel, daß der Kläger die Untersuchung und Behandlungen bei Dr. ... dem Zeugen Dr. ... bewußt verschwiegen hat.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Nach einem Attest seines Hausarztes Dr. ... vom 17.01.1983 (Bl. 67 GA) klagte der Kläger über "rezidivierende Gastritiden bei chronischem Reizmagen". In der Auskunft desselben Arztes vom 04.06.1987 über den Zeitraum von 1977-1982 (Bl. 237, 238 GA) werden "zwischenzeitlich mehrfach Rezepturen wegen Reizmagens" erwähnt.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Gegenüber dem vom Sozialgericht beauftragten Sachverständigen gab der Kläger im Juni 1985 an, er habe vor etwa 1 1/2 Jahrzehnten wohl Magengeschwüre und auch einen nervösen Reizmagen gehabt. Deshalb sei er auch einmal stationär behandelt worden (Bl. 211 GA).</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Magengeschwüre hat der Kläger auch in seiner Aufstellung für das Sozialgericht (Bl. 18 BA) aufgeführt, und war für den Zeitraum 1961-1978.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Daß die Magenbeschwerden im Fragebogen der Beklagten (Bl. 53 GA) unter Frage 3 c, in der nach Krankheiten, Störungen oder Beschwerden der Verdauungsorgane gefragt worden ist, hätten angegeben werden müssen, stellt der Kläger nicht in Abrede, weil er behauptet, sie Dr. ... auch angegeben zu haben, der sie jedoch für unwesentlich erklärt habe.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Der Zeuge Dr. ... hat dieser Darstellung jedoch überzeugend widersprochen.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">4.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat auch die Frage 10 a des Fragebogens ("Sind Sie innerhalb der letzten 5 Jahre von Ärzten ... beraten oder behandelt worden?") falsch beantwortet, denn er hat die Frage verneint und unter der Frage 11 a lediglich seinen Hausarzt Dr. ... benannt. Er hätte jedoch, wie sich aus vorstehenden ergibt, mindestens auch Dr. ... (Urologe) und Dr. ... (Internist) angeben müssen, wie er es 1984 gegenüber dem Sozialgericht auch getan hat (Bl. 18 BA). Daß er außer Dr. ... weitere Ärzte genannt habe, hat der Zeuge Dr. ... glaubhaft ausgeschlossen.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks"><b>II.</b></p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat keinen Zweifel daran, daß dem Kläger subjektiv die Bedeutung der Gesundheitsfragen für den Abschluß der Versicherung klar war und daß er die Beklagte bewußt im unklaren lassen wollte, um einen für ihn günstigen Versicherungsabschluß zu erreichen.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Aus dem eigenen Vorbringen des Klägers im Rechtsstreits vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen ergibt sich nämlich, daß der Kläger kurz vor dem an die Beklagte gerichteten Antrag bereits einen ähnlichen Antrag bei der ...-Versicherung gestellt hatte, der wegen des ungünstigen Gesundheitsbildes des Klägers nicht angenommen worden war.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Dazu heißt es im Anwaltsschriftsatz vom 25.10.1984 (Bl. 23, 24 BA) unter Hinweis auf Fehlbildungen im Wirbelsäulenbereich und die Bescheinigung des Internisten Dr. ... vom 24.09.1982 (Bl. 39 BA = 65 GA): "Dieses Leiden hatte zur Folge, daß die ...-Lebens-Versicherungs-AG es ablehnte, zugunsten des Klägers eine uneingeschränkte Berufsunfähigkeitsversicherung abzuschließen". Dazu ließ der Kläger ein an ihn gerichtetes Schreiben der ...-Versicherung vom 22.07.1982 vorlegen (Bl. 35 BA), indem es unter dem Betreff "Einschluß der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung gemäß Antrag vom 15.02.1982" heißt:</p>
<br /><span class="absatzRechts">53</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>" ...zur Risikobeurteilung lagen uns neben dem Ergebnis der von Herrn Dr. ... durchgeführten Untersuchung ärztliche Berichte von Herrn Dr. med. ... und Herrn Dr. med. ... vor, die wir aufgrund der von Ihnen im Antrag gemachten Angaben angefordert hatten.</i>
<i>Insbesondere aufgrund der Auskunft von Herrn Dr. med. ... konnten wir Ihnen den Einschluß der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung nur zu den Bedingungen gemäß unserem Angebot ... vom 17.05.1982 bieten ...".</i></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Aus diesem an den Kläger adressierten Schreiben der ...-Versicherung und aus seinem eigenen Vortrag im Rechtsstreit vor dem Sozialgericht folgt, daß die ...-Versicherung unmittelbar vor Stellung des an die Beklagte gerichteten Versicherungsantrags vom 09.06.1982 den Abschluß einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung abgelehnt und dem Kläger ein anderes Angebot unterbreitet hatte, weil die Risikoprüfung aufgrund der Atteste von Dr. ... und Dr. ..., die der Kläger der ... Versicherung benannt hatte, so ungünstig ausgefallen waren.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Somit wußte der Kläger, daß es für die Berufungsunfähigkeits-Zusatzversicherung auf die Befunde von Dr. ... (Scheuermann'sche Erkrankung) und Dr. ... (Harnwegserkrankungen) ankommen konnte. Er hat von der ihm von der ...-Versicherung angebotenen Möglichkeit eines Vertragsabschlusses zu anderen Bedingungen keinen Gebrauch gemacht, sondern bei der Beklagten um Versicherungsschutz nachgesucht und dabei die Behandlungen bei Dr. ... und Dr. ... verschwiegen.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Dies wird bestätigt durch einen Vergleich der ärztlichen Befundberichte für die ...-Versicherung und für die Beklagte. Der Zeuge Dr. ... hat in beiden Fällen die Untersuchungen durchgeführt und die Fragebogen ausgefüllt, ohne daß ihm dies, wie er glaubhaft bestätigt hat, bei der drei Monate später erfolgten zweiten Untersuchung für die Beklagte bewußt gewesen ist. Im Befundzeugnis für die ...-Versicherung vom 04.03.1982 (B. 265-267 GA), Urologe Dr. ... mit einem Hinweis auf einen Harnwegsinfekt erwähnt. In dem Befundzeugnis für die Beklagte fehlt dieser Hinweis.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Das Verschweigen der Behandlungen bei Dr. ... und Dr. ... erscheint ebenso wie die Nichtangabe der Magenbeschwerden als arglistig. Denn dieses Verhalten des Klägers zielte darauf ab, die Beklagte aufgrund unvollständiger Risikobeurteilung zu einem für den Kläger günstigen Versicherungsabschluß zu bewegen. Der Kläger hat auch eine andere, plausible Erklärung für sein Verhalten in der mündlichen Verhandlung nicht geben können, sondern zunächst sogar noch in Abrede gestellt, bei einer anderen Versicherung einen Antrag auf Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung gestellt zu hab en. Er hat ferner auf Fragen zunächst in Abrede gestellt, daß eine Untersuchung für eine andere Versicherung stattgefunden habe, und sich dann - auf Vorhalt des Inhalts der Beiakte - auf Erinnerungsverlust berufen.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">4.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Aus der Tatsache, daß der Kläger bereits im Februar 1982 einen Antrag auf Abschluß einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung bei der ...-Versicherung gestellt hatte, der nicht angenommen worden war, folgt zugleich, daß auch die Frage B 1 im Antragsformular der Beklagten ("Wurden Anträge zu erschwerten Bedingungen angenommen, zurückgestellt oder abgelehnt? Welche Gesellschaft?", Bl. 7 GA) falsch beantwortet worden ist. Der Senat hat keinen Zweifel, daß dies ebenfalls planvoll und in der Absicht geschehen ist, die Beklagte zu täuschen. Denn die Entscheidung der ... Versicherung, den Antrag nicht anzunehmen, ist dem Kläger unmittelbar vor Antragstellung bei der Beklagten mitgeteilt worden, ausweislich des Schreibens Bl. 35 BA am 17.05.1982.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks"><b>IV.</b></p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Es steht der Wirksamkeit der von der Beklagten erklärten Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nicht entgegen, daß die Anfechtungserklärung vom 03.11.1986 ausschließlich auf das angebliche Verschweigen der Arbeitslosigkeit gestützt worden ist, nicht auch auf die falsche Beantwortung der Gesundheitsfragen.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Unabhängig von der Frage, ob und in welchem Umfang eine Anfechtungserklärung überhaupt der Begründung bedarf (vgl. hierzu Palandt-Heinrichs, BGB, 47. Aufl., 1988, §143 Anm. 2 b), war die Beklagte jedenfalls nicht gehindert, innerhalb der gesetzlichen Anfechtungsfrist (1 Jahr ab Kenntnis von den die Anfechtung begründenden Tatsachen, §124 Abs. 1, Abs. 2 BGB) weitere Anfechtungsgründe nachzuschieben (Palandt-Heinrichs, a.a.O., BGH NJW 66, 39).</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Von den zahlreichen ärztlichen Behandlungen und Beschwerden des Klägers hat die Beklagte frühestens durch den Antrag des Klägers vom Juni 1986 auf Gewährung der Berufsunfähigkeitsrente erfahren (Bl. 10, 62 GA). Mit der Klageerwiderung vom 05.03.1987, also innerhalb der Jahresfrist hat sie diese zusätzlichen Anfechtungsgründe dann geltend gemacht.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Von dem Umstand, daß der Kläger 1982 schon bei der ...-Versicherung einen Antrag auf Abschluß einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung gestellt hatte, der nicht angenommen worden war, hat die Beklagte erst in der mündlichen Verhandlung durch Einsichtnahme in die auf ihren Antrag beigezogenen Beiakten und durch die Erörterung des Inhalts der Beiakten erfahren. Sie hat, soweit darin ein selbständiger Anfechtungsgrund gesehen werden könnte, im Termin erneut die Anfechtung gegenüber dem anwesenden Kläger erklärt.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks"><b>V.</b></p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Die Berufung muß daher mit der Kostenfolge aus §97 Abs. 1 ZPO ohne Erfolg bleiben. Die Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus §§708 Ziffer 10, 711, 108 ZPO. Die Beschwer des Klägers liegt über 40.000,- DM.</p>
|
315,359 | olgham-1988-06-23-6-u-29387 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
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} | 6 U 293/87 | 1988-06-23T00:00:00 | 2019-03-13T14:53:38 | 2019-03-27T09:43:19 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1988:0623.6U293.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung der Beklagten wird das am 22. September 1987 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Münster wie folgt abgeändert und neu gefaßt:</p>
<p></p>
<p>Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner </p>
<p></p>
<p>1.)</p>
<p>an die Klägerin zu 1) im voraus eine jeweils am 1. eines Monats fällige Rente von 150,78 DM bis zum 3. September 1997 zu zahlen, beginnend mit dem 1. Februar 1987, abzüglich am 3. Juli 1987 gezahlter 433,50 DM,</p>
<p></p>
<p>2.)</p>
<p>an den Kläger zu 2) im voraus eine jeweils am 1. eines Monats fällige Rente von 150,78 DM bis zum 27. September 1993 zu zahlen, beginnend mit dem 1. Februar 1987, abzüglich am 3. Juli 1987 gezahlter 433,50 DM,</p>
<p></p>
<p>3.)</p>
<p>an die Klägerin zu 1) 5.124,94 DM zuzüglich 4% Zinsen auf folgende Beträge zu zahlen:</p>
<p></p>
<p>- auf jeweils 161,78 DM seit dem 3. Mai und 3. Juni 1984,</p>
<p>- auf jeweils 157,88 DM seit dem 3. Juli 1984 und jeweils folgenden 3. eines Monats bis zum 3. Juni 1985,</p>
<p>- auf jeweils 154,28 DM seit dem 3. Juli und 3. August 1985,</p>
<p>- auf jeweils 154,28 DM seit dem 3. September 1985 und dem folgenden 3. eines jeweiligen Monats bis zum 3. Juni 1986,</p>
<p>- auf jeweils 150,78 DM seit dem 3. Juli 1986 bis einschließlich 3. Januar 1987,</p>
<p></p>
<p>abzüglich am 3. Juli 1987 gezahlter 2.861,10 DM.</p>
<p></p>
<p>4.)</p>
<p>an den Kläger zu 2) 5.124,94 DM zuzüglich 4% Zinsen auf folgende Beträge zu zahlen:</p>
<p></p>
<p>- auf jeweils 168,78 DM seit dem 3. Mai und 3. Juni 1984,</p>
<p>- auf jeweils 157,88 DM seit dem 3. Juli 1984 und dem 3. der folgenden Monate bis zum 3. Juni 1985,</p>
<p>- auf jeweils 154,28 DM seit dem 3. Juli 1985 und dem 3. des folgenden Monats bis zum 3. Juni 1986,</p>
<p>- auf jeweils 150,78 DM seit dem 3. Juli 1986 und dem 3. der folgenden Monate bis zum 3. Januar 1987,</p>
<p></p>
<p>abzüglich am 3. Juli 1987 gezahlter 2.861,10 DM.</p>
<p></p>
<p>Von den Gerichtskosten des ersten Rechtszugs tragen die Beklagten als Gesamtschuldner 54%, die Klägerin zu 1) 22% und der Kläger zu 2) 24%.</p>
<p></p>
<p>Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1) im ersten Rechtszug tragen die Beklagten als Gesamtschuldner 55% und sie selbst 45%.</p>
<p></p>
<p>Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 2) im ersten Rechtszug tragen die Beklagten als Gesamtschuldner 52% und er selbst 48%.</p>
<p></p>
<p>Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten im ersten Rechtszug tragen sie selbst 54%, die Klägerin zu 1) 22% und der Kläger zu 2) 24%.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten der Berufung tragen die Klägerin zu 1) und der Kläger zu 2) zu je 50%.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p>Es beschwert die Klägerin zu 1) in Höhe von 22.315,50 DM, den Kläger, zu 2) in Höhe von 16.440,31 DM.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Am xxx verstarb der Vater der am xxx geborenen Klägerin zu 1) und des am xxx geborenen Klägers zu 2) infolge eines Verkehrsunfalls, für welchen die Beklagten haften. Der Verstorbene hielt sich seit 1972 mit einer unbeschränkten Arbeitserlaubnis in der Bundesrepublik auf und arbeitete seitdem in verschiedenen Anstellungen. Die Kläger wohnten mit ihrer deutschen Mutter in Jugoslawien in einem eigenen Haus, das zum Zeitpunkt des Todes des Vaters im Rohbau fertiggestellt war.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Ausgehend von einem fiktiven Nettoeinkommen ihres verstorbenen Vaters von 2.110,50 DM haben die Kläger ihren Unterhaltsbedarf bis zum 6. Lebensjahr mit 16%<i> </i>und für die Zeit danach mit 20% dieses Einkommens abzüglich der fixen Kosten ermittelt und die sich daraus ergebenen Beträge für die Vergangenheit seit Mai 1984 und für die Zukunft als Unterhaltsschaden geltend gemacht.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht, auf dessen Urteil Bezug genommen wird, hat der Klage im wesentlichen stattgegeben und unter Berücksichtigung eines Unterhaltsanteils von 16%<i> </i>für die Zeit von Mai 1984 bis Januar 1987 und von 20%<i> </i>seit Februar 1987 die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an jeden der Kläger ab dem 1. Februar 1987 bis zum 18. Lebensjahr eine monatlich Rente von 292,86 DM zu zahlen und für die Zeit von Mai 1984 bis Januar 1987 der Klägerin zu 1) einen Rückstand von insgesamt 8.298,93 DM und dem Kläger zu 2) von 9.506,18 DM aufzugleichen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil richtet sich die form- -und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, die weiterhin der Auffassung sind, daß der Anteil der Kläger am unterhaltspflichtigen Einkommen lediglich mit 12,5%<i> </i>anzusetzen sei.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Berufung hat Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Kläger haben gegen die Beklagten als Gesamtschuldner gem. §§ 844 Abs. 2, BGB, 10 Abs. 2 StVG, 3 PflVersG 426 BGB für die Zeit vom 1. Februar 1987 bis zum Erreichen des 18. Lebensjahres einen Anspruch auf eine monatliche Rente von 150,78 DM; der für die Zeit von Mai 1984 bis Januar 1987 für jeden der Kläger auszugleichende Rückstand beträgt 5.124,94 DM.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks"><b>1.</b></p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der den Klägern am Einkommen ihres Vaters zustehende Unterhaltsanteil ist jeweils mit 12,5%<i> </i>und nicht mit 16% bzw. 20%<i> </i>anzusetzen. Im Regelfall werden in der Rechtsprechung und Literatur beim Schadensersatz wegen Verlust des Unterhaltes unter Berücksichtigung der gestiegenen Einkommen sowie des Eigenbedarfs des Ehemannes unter normalen Verhältnissen bis zu einem Einkommen von ca. 3.500,-- DM ein Anteil der Witwe von 30%<i> </i>und der beiden Kinder von je 12,5%<i> </i>als Pauschalsätze für angemessen gehalten, während die restlichen 45%<i> </i>dem Unterhaltspflichtigen zugerechnet werden (vgl. Schlöen/Steinfels, Regulierung von Personenschäden, Kapitel 6, Rdn. 352 ff.; Becker/Böhme, Kraftverkehrs-Haftpflichtschäden, 16. Aufl., Rdn. 532 a ff.). Allerdings sind diese Quoten nicht in jedem Fall zwingend. In Abweichung davon sind in anderen Fällen der Witwe 40% und den beiden Kinder je 10%<i> </i>oder der Witwe 40%<i> </i>und den beiden Kindern je 15%<i> </i>zuerkannt worden (vgl. BGH, VersR 1979, 323, 324; OLG München, VersR 1979, 1064, 1065). In weicher Weise die Quote zu ermitteln ist, ist nicht allgemein verbindlich festgelegt. Es handelt sich um eine nach § 287 ZPO vorzunehmende Schadensschätzung, die die Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen hat. Daher kann die von den Klägern für richtig gehaltene Quotenermittlung von 16%<i> </i>bzw. 20%<i> </i>nicht von vornherein als sachlich nicht gerechtfertigt zurückgewiesen werden (vgl. BGH, VersR 1987, 507, 508), die sich auf die in der NJW 1984 945 ff. abgedruckte Darstellung von xxx und xxx stützt und in welcher Ermittlungen über die in einem Haushalt entstehenden Fixkosten und über den durch den Unterhalt abgesicherten Familienbedarf widergegeben werden. Grundsätzlich kommt es darauf an, welche Geldbeträge der Verstorbene hätte aufwenden müssen, um seinen Familienangehörigen den ihnen zustehenden Lebensunterhalt zu verschaffen (vgl. BGH, VersR 1961, 543 ff.; BGH, VersR 1966, 588 ff.). Für die Bestimmung der sachlich richtigen Quote kann nicht allein darauf abgestellt werden, daß xxx und xxx für ihre Quotenermittlungen auf entsprechende Berechnungen über den tatsächlichen Bedarf und die in Wirklichkeit entstehenden Ausgaben in einem Haushalt zurückgreifen. Jedenfalls in einem Fall wie diesen bietet es sich an, als Anknüpfungspunkt die Regeln und Abwicklungen im Rahmen der familienrechtlichen Unterhaltsverhältnisse zu nehmen. Als geeignete Vergleichsgrundlage kommen dann die Unterhaltsrichtlinien der Oberlandesgerichte in Betracht, hier der Düsseldorfer Tabelle, deren Sätze auch vom Oberlandesgericht Hamm angewandt werden (vgl. MDR 1984, 993 ff.). Sie beziehen sich auf gestörte Familienverhältnisse, also in der Regel auf getrennt lebende Ehegatten mit doppelter Haushaltsführung (vgl. OLG Hamm, VersR 1983, 927, 928). Die in den Leitlinien zugrunde gelegte Familiensituation ist ihren wirtschaftlichen Auswirkungen nach im Ergebnis auf den Fall der Kläger übertragbar, weil ihr Vater sich mit einer unbefristeten Arbeitserlaubnis in der Bundesrepublik aufhielt, während sie mit ihrer Mutter in Jugoslawien in einem eigenen Haus lebten. Im Eintritt des Schadensfalles lebten daher auch hier die Familienangehörigen nicht zusammen, sondern es wurden getrennte Haushalte geführt, wodurch auch der Bedarf des Unterhaltspflichtigen erhöht ist.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks"><b>2.</b></p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Ermittelt man in einer Vergleichsrechnung den Unterhalt, den die Kläger nach der Düsseldorfer Tabelle hätten beanspruchen können, so zeigt sich, daß die in Betracht kommenden Beträge überwiegend zwischen 10% und 13% des unterhaltspflichtigen Einkommens des Vaters liegen. Da nach der Düsseldorfer Tabelle die Hauskosten für den Unterhaltspflichtigen im Eigenbedarf berücksichtigt sind, sind sie aus dem Betrag des für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Nettoeinkommens nicht herauszunehmen, sondern lediglich die Kosten für die Haushaltsführung in xxx, die die Witwe und die Kinder von ihrem Unterhalt zu bestreiten haben und die ihren Anspruch erhöhen. Dann ergibt sich in Abweichung von Seite 7 des Urteils des Landgerichts ein unterhaltspflichtiges Einkommen von 2.011,45 DM. Bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres, dieser Fall käme noch für die 1979 geborene Klägerin zu 1) in Betracht, stehen dem Kind von dem unterhaltspflichtigen Einkommen 240,-- DM zu. Der Betrag würde sich um 1/3 der Fixkosten für die Haushaltsführung in Jugoslawien um 43,90 DM auf 283,90 DM erhöhen. Davon wäre die Waisenrente von 125,80 DM in Abzug zu bringen, so daß sich ein Unterhaltsanspruch von 158,10 DM ergäbe. Das sind ca. 8%<i> </i>des unterhaltspflichtigen Einkommens von 2.011,45 DM.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Entsprechend errechnet sich für die Altersgruppe von 7 bis 12 Jahren ein Unterhaltsanspruch von 290,-- DM, der sich unter Berücksichtigung der Fixkosten für die Haushaltsführung in xxx auf 333,90 DM beläuft. Nach Abzug der Waisenrente von 125,80 DM bleibt ein Betrag von 208,10 DM, das sind 10% des unterhaltspflichtigen Einkommens von 2.011,45 DM.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Schließlich würde sich für die nächste Altersstufe bis 18 Jahre ein Unterhalt von 345,-- DM und unter Einbezug des Fixkosten für die Haushaltsführung in Jugoslawien sowie nach Abzug der Waisenrente von 263,10 DM ergeben, das sind 13% des unterhaltspflichtigen Einkommens. Nimmt man alle Altersstufen, so liegt für den gesamten Zeitraum, in welchem ein Unterhaltsschaden auszugleichen ist, die Quote im oberen Bereich dessen, was die Kläger nach der Düsseldorfer Tabelle an Höchstbeträgen überhaupt beanspruchen könnten. Nimmt man überwiegend den Zeitraum vom 7. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres, so liegt die Quote von 12,5%<i> </i>für die Zeit bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres über den Beträgen, die die Kläger nach der Düsseldorfer Tabelle beanspruchen könnten, während sie für die Zeit vom 12. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres leicht unterhalb dem liegt, was ihnen dann nach der Düsseldorfer Tabelle zustehen würde. Daher erscheint für die Bestimmung des den Klägern zustehenden Anteils am Unterhalt ihres verstorbenen Vaters die von den Beklagten zugestandene Quote von 12,5% sachlich eher gerechtfertigt als die von den Klägern beanspruchten Anteile von 16% bzw. 20%. Da es bei der Bestimmung des Unterhaltsschadens nicht um die Ermittlung von konkreten Unterhaltsansprüchen im Sinn der §§ 1601 ff. BGB geht, sondern im Weg der Schadensschätzung nach § 287 ZPO der den Kindern durch den Tod ihres Vaters entstandene Schaden zu ermitteln ist, bedarf es vor allem auch deshalb keiner Staffelung der Quoten nach altersmäßigen Lebensabschnitten, weil der Satz von 12,5% ein Wert ist, der den Klägern für die ersten Jahre - nimmt man den nach der Düsseldorfer Tabelle ausgewiesenen Bedarf zum Ausgangspunkt - mehr zuerkennt und nur in den letzten Jahren leicht weniger. Daher kann die Quote von 12,5%<i> </i>als eine Auffangquote und ein Mittelwert betrachtet werden, der die unterschiedlichen Bedürfnisse in der altersmäßigen Entwicklung dadurch ausgleicht, daß er nicht auf den altersmäßig anfallenden konkreten Bedarf abgestellt ist, sondern von vorneherein etwas höher liegt und damit den Charakter eines guten Mittelwertes hat. Für die Anpassung an die Werte der Düsseldorfer Tabelle kann zusätzlich berücksichtigt werden, daß der Bedarf und die Aufwendungen der Kläger für die Haushaltsführung in Jugoslawien wahrscheinlich eher niedriger sein werden als die entsprechenden Ausgaben bei einem Aufenthalt in der Bundesrepublik.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks"><b>3.</b></p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Daher ist bei der Berechnung des Unterhaltsschadens der Kläger von einem Anteil von 12,5%<i> </i>am Nettoeinkommen ihres verstorbenen Vaters für den gesamten Zeitraum von Mai 1984 bis zum Erreichen des 18. Lebensjahres auszugehen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Ausgangspunkt ist weiterhin ein Nettoeinkommen des Verstorbenen von 2.143,13 DM, das sich um die fixen Kosten der Haushaltsführung in xxx von 131,68 DM und in der Bundesrepublik von 150,-- DM auf 1.861,45 DM reduziert, wie das Landgericht in seinen Entscheidungsgründen ausgeführt hat, die in diesen Punkten von den Beklagten nicht angegriffen sind. Entgegen der Auffassung der Kläger kann nicht davon ausgegangen werden, daß sich das ermittelte Nettoeinkommen des Verstorbenen jährlich um 4%<i> </i>infolge von Lohnerhöhungen und Steueränderungen erhöht hätte. Dem steht entgegen, daß die Arbeitstätigkeit des Vaters der Kläger nicht kontinuierlich war. Er hat immer nur zeitweise gearbeitet, zum Teil wurden von ihm Überstunden geleistet, zum Teil nicht, ferner sind Schlechtwettertage angefallen und hat er unbezahlten Urlaub genommen. Entsprechend weisen die Verdienstbescheinigungen nach 1984 nur begrenzt ein erhöhtes Einkommen aus. Im Jahr 1985 war es im wesentlichen demjenigen von 1983 gleich. 1983 betrug das Nettoeinkommen des Vaters 2.039,47 DM (ohne Lohnsteuerrückerstattung).Wie das Landgericht auf den Seiten 7 ff. seines Urteils ausgeführt hat, ging das Einkommen in den ersten Monaten 1984 deutlich zurück und belief sich im gesamten Jahr 1984 auf 2.195,23 DM (vgl. die Verdienstbescheinigungen vom 25. April 1984 und 4. November 1985). Im Jahr 1985 war das Einkommen nach der Verdienstbescheinigung vom 12. August 1986 fast ebenso wie im Jahr 1983, nämlich 2.030,33 DM. Da der Umfang der Berufstätigkeit des Vaters der Kläger nicht kontinuierlich war und es sich im übrigen um fiktive Einkommensberechnungen handelt, muß auch für die Zeit nach 1983 davon ausgegangen werden, daß das tatsächliche Einkommen geschwankt hätte, so daß sich zugunsten der Kläger auswirkende Einkommenserhöhungen nicht verläßlich feststellen lassen. Im übrigen hat der Zeuge xxx in seiner Aussage vor dem Landgericht bestätigt, daß bei der Ermittlung des fiktiven Verdienstes des Verstorbenen evtl. Gehaltssteigerungen bis einschließlich 1985 berücksichtigt worden sind.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Daher ist weiterhin von dem vom Landgericht ermittelten Nettoeinkommen des Verstorbenen von. 2.143,13 DM auszugehen, das sich um die fixen Kosten der Haushaltsführung in xxx und Deutschland auf 1.861,45 DM ermäßigt. Davon stehen bei einem Unterhaltsanteil von 12,5%<i> </i>jedem der Kläger 232,68 DM zu, die sich um die fixen Kosten der Haushaltsführung in xxx von 43,90 DM auf 276,58 DM erhöhen. Nach Abzug der Waisenrente von 125,80 DM beträgt der Unterhaltsschaden für jeden der Kläger 150,78 DM, der ihnen ab 1. Februar 1987 bis zum Erreichen des 18. Lebensjahres als monatliche Rente zu zahlen ist.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Entsprechend errechnen sich für die Kläger für die Zeit von Mai 1984 bis Januar 1987 Rückstände von jeweils 5.124,94 DM. Wegen der Neuberechnung wird auf die Seiten 4 bis 7 der Berufungsbegründung der Beklagten vom 30. Dezember 1987 verwiesen, die an die Berechnungsweise auf den Seiten 10 und 11 des Urteils des Landgerichts anschließt.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713, 546 Abs. 2 ZPO.</p>
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} | 5 U 195/87 | 1988-06-16T00:00:00 | 2019-03-13T14:53:40 | 2019-03-27T09:43:19 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1988:0616.5U195.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung der Beklagten gegen das am 27. Mai 1987 verkündete Urteil</p>
<p>der 24 . Zivilkammer des Landgerichts Köln - 24 0 540/86 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß das Datum des Verkehrsunfalles "6. April 1986" lautet.</p>
<p></p>
<p>Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p>Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Beklagten ist in der Sache selbst nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat zu Recht festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für den Verkehrsunfall (richtig: vom 6.4.1986) auf der U.Straße in L.-A., bei dem das Kind T. E. schwer verletzt worden ist, aus der erteilten vorläufigen Deckungszusage Kraftfahrzeughaftpflichtversicherungsschutz mit der Maßgabe zu gewähren, daß sie in Höhe eines Betrages von 1.000,-- DM leistungsfrei ist, §§ 1 Abs. 2; 7 I</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Abs. 2 Satz 3, V Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 AKB.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung der Beklagten kann nicht festgestellt werden, daß die vorläufige Deckungszusage rückwirkend außer Kraft getreten ist. Nach § 1 Abs. 2 Satz 4 AKB tritt die vorläufige Deckungszusage rückwirkend außer Kraft, wenn der Versicherungsantrag unverändert angenommen, der Versicherungsschein aber nicht spätestens innerhalb von 14 Tagen eingelöst wird und der Versicherungsnehmer die Verspätung zu vertreten hat. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen im Streitfall hat die Beklagte nicht nachgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">1 .</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Versicherer ist für das rückwärtige Entfallen der vorläufigen Deckungszusage gemäß § 1 Abs. 2 Satz 4 AKB beweispflichtig (vgl. Stiefel-Hofmann, Kraftfahrtversicherung 13. Aufl. Rdnr. 79; PrölssMartin VVG 24. Aufl, Anm. 2 c dd, jeweils zu</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">§ 1 AKB). Insbesondere hat der Versicherer den Zugang des Versicherungsscheins und im Hinblick auf die 14 Tagefrist den Zeitpunkt des Zugangs zu beweisen (vgl. Stiefel-Hofmann a.a.O. Rdnr. 82).</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Das Vorbringen der Berufungsbegründung, der Kläger müsse nach dem "Gang" der Post am Freitag, dem 28.2.1986, spätestens aber am Montag. dem 3.3.1986, im Besitz der Versicherungspolice gewesen sein, reicht hierfür nicht aus, einmal abgesehen davon, daß der Kläger bestritten hat, den Versicherungsschein überhaupt erhalten zu haben. Der Nachweis der Absendung und der Hinweis auf die normale Postlaufzeit reichen deshalb nicht aus, weil es auf dem Beförderungsweg von der Beklagten zum Kläger Unregelmäßigkeiten geben kann und es durchaus vorkommt, daß einfache Postsendungen verloren gehen, worauf das Landgericht zutreffend hingewiesen hat.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Den Beweisantritten der Beklagten, die die Versendung der Versicherungspolice betreffen, ist unter diesen Umständen nicht nachzugehen, ebensowenig dem Beweisantrag auf Parteivernehmung des Klägers im Schriftsatz vom 16.3.1987. Das durch Parteivernehmung des Klägers unter Beweis gestellte Vorbringen betrifft den Inhalt des Versicherungsscheins, nicht aber dessen Zugang beim Kläger zu einem bestimmten Zeitpunkt.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Versicherer hat es im übrigen in der Hand, durch geeignete Maßnahmen den Nachweis des Zugangs und dessen Zeitpunkt sicherzustellen. Nimmt er aus organisatorischen oder Kostengründen diese Möglichkeiten nicht wahr, nimmt der Versicherer es in Kauf, in Fällen wie dem vorliegenden wegen des Zugangs der Versicherungspolice und der Voraussetzungen für das rückwärtige Außerkrafttreten der vorläufigen Deckungszusage in Beweisnot zu geraten. Dieser Umstand rechtfertigt es jedenfalls nicht, die den Versicherer treffende Beweislast in Fällen wie dem vorliegenden umzukehren.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Auch das Vorbringen der Berufungsbegründung, der Kläger habe die Erstprämie - verspätet - mit Hilfe des Überweisungsträgers gezahlt, der der Versicherungspolice</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">beigefügt war, greift nicht durch.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat nach seinem Vorbringen lediglich einen Überweisungsträger zusammen mit einer Mahnung erhalten, wobei es sich jedoch nicht um die von der Beklagten angesprochene Mahnung vom 1.4.1986 gehandelt hat. Dies ist in der mündlichen Verhandlung erörtert worden. Daß es außer der Absendung der Versicherungspolice und der Mahnung vom 1.4.1986 keine weiteren Schreiben im fraglichen Zeitraum gegeben hat, ist zwar in einem nicht nachgelassenen Schriftsatz von der Beklagten behauptet, aber nicht nachgewiesen. Nach Sachlage ist deshalb nicht ausgeschlossen, daß der besagte überweisungsträger von einer Mahnung stammt. Damit fehlt es aber weiterhin am Nachweis des Zugangs des Versicherungsscheins selbst, der Voraussetzung für ein rückwärtiges Außerkrafttreten der vorläufigen Deckungszusage ist. </p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Aber selbst wenn die Identität des Überweisungsträgers wie von der Beklagten behauptet einwandfrei nachgewiesen werden könnte, würde dies zwar den Nachweis für den Zugang des Versicherungsscheins erbringen. Die zweifelsfreie Feststellung, zu welchem genauen Zeitpunkt der Zugang erfolgt ist, ergibt sich daraus aber nicht.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Beschränkung der Leistungsfreiheit auf den Betrag von 1.000,-- DM, die der Kläger hingenommen hat, begegnet keinen Bedenken (Stiefel-Hofmann, a.a.O. Rdnr. 24 zu § 7). Der Kläger hat gegen die ihn treffende Obliegenheit verstoßen, den Versicherungsfall innerhalb einer Woche der Beklagten schriftlich anzuzeigen, § 7 lAbs. 2 Satz 1 AKB.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">4.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Streitwert für das Berufungsverfahren und Wert der Beschwer der Beklagten: 6.469,20 DM (80 % von 9.081,50 DM - 1.000,-- DM).</p>
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315,361 | olgk-1988-06-16-ss-16888 | {
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} | Ss 168/88 | 1988-06-16T00:00:00 | 2019-03-13T14:53:42 | 2019-03-27T09:43:19 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1988:0616.SS168.88.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>I.) Der Betroffenen wird auf ihre Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Antrags auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts gewährt.</p>
<p>II.) Der Beschluß des Amtsgerichts Köln vom 19. Januar 1987 - 808 OWi 10681/85 - wird bestätigt.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"><b>I.</b></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Betroffenen ist auf ihre Kosten (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 473 Abs. 7 StPO) von Amts wegen Wiedereinsetzung zu gewähren. Sie hat die Wochenfrist zur Stellung des Antrags auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 346 Abs. 2 Satz 1 StPO) versäumt. Der Verwerfungsbeschluß des Amtsgerichts vom 19. Januar 1987 ist ihr am 25. November 1987 zugestellt worden. Zwar ist die gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 300 StPO als Antrag auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zu wertende Eingabe der Betroffenen vom 27. November 1987 bereits am 30. November 1987 beim Amtsgericht eingegangen. Sie war jedoch in serbokroatischer Sprache abgefaßt. Die vom Amtsgericht in Auftrag gegebene Übersetzung ist erst am 17. Dezember 1987, also nach Ablauf der Antragsfrist, dortselbst eingetroffen. Da fristgebundene Eingaben in fremder Sprache unwirksam sind (vgl. BGHSt. 30, 182; OLG Köln VRS 67, 251; OLG Düsseldorf StV 1982, 359; Kleinknecht/Meyer, StPO, 38. Aufl., § 184 GVG Rn. 2) und durch Beibringung einer deutschen Übersetzung nach Fristablauf auch nicht wirksam werden, ist die Antragsfrist nicht gewahrt. Indes muß der Betroffenen insoweit von Amts wegen Wiedereinsetzung bewilligt werden. Die Versäumung der Antragsfrist ist, wie aus dem Akteninhalt ohne weiteres ersichtlich, gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 44 Satz 2 StPO als unverschuldet anzusehen, weil die dem angefochtenen Verwerfungsbeschluß beigefügte Rechtsmittelbelehrung nicht den bei Ausländern notwendigen Hinweis enthält, daß die schriftliche Rechtsmitteleinlegung in deutscher Sprache erfolgen muß (vgl. BVerfGE 64, 135, 149 = NJW 1983, 2762, 2764; BGH a.a.O.; Kleinknecht/Meyer a.a.O. § 35 a Rn. 12 m.w.N.; ferner RiStBV Nr. 142 Abs. 1 Satz 3).</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks"><b>II.</b></p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der nach Wiedereinsetzung als rechtzeitig zu behandelnde Antrag auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts, der auch im übrigen verfahrensrechtlich bedenkenfrei ist (§ 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 346 Abs. 2 StPO), hat in der Sache keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat die Rechtsbeschwerde zutreffend als unzulässig, da verspätet eingelegt, verworfene. Der Beschluß des Amtsgerichts vom 4. Juni 1986, mit dem gegen die Betroffene eine Geldbuße in Höhe von 300,- DM verhängt worden war, ist ihr am 19. November 1986 mit Rechtsmittelbelehrung zugestellt worden. Hiernach hätte die Betroffene binnen Wochenfrist die Rechtsbeschwerde einlegen müssen (§ 79 Abs. 3 und 4 OWiG i.V.m. § 341 Abs. 1 StPO), also spätestens am 26. November 1986. Die in serbokroatischer Sprache abgefaßte Rechtsmittelschrift vom 22. November 1986 ist jedoch erst am 8. Dezember 1986 und damit verspätet beim Amtsgericht eingegangen. Zwar enthielt die dem Beschluß vom 4. Juni 1986 beigegebene Rechtsmittelbelehrung ebenfalls keinen Hinweis darauf, daß die schriftliche Rechtsmitteleinlegung in deutscher Sprache erfolgen müsse. Das vermag jedoch (abweichend von der Fallgestaltung unter I) hier eine Wiedereinsetzung von Amts wegen nicht zu begründen, weil das Fehlen einer Rechtsmitteleinlegung in deutscher Sprache für die Fristversäumung, die auf dem verspäteten <u>Eingang</u> der Rechtsmittelschrift beim Amtsgericht beruht, nicht ursächlich geworden ist (zur Notwendigkeit des Kausalzusammenhangs zwischen Belehrungsmangel und Fristversäumung: vgl. Kleinknecht/Meyer a.a.O. § 44 Rn. 22 m.w.N.; OLG Köln VRS 67, 251).</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Sonstige Wiedereinsetzungsgründe sind nicht erkennbar Insbesondere ist weder vorgetragen noch aus den Akten ersichtlich, daß der Einlegungsschriftsatz vom 22. November 1986 so rechtzeitig zur Post gegeben wurde, daß er bei normaler Postlaufzeit vor Fristablauf beim Amtsgericht hätte eingehen müssen (vgl. hierzu: Kleinknecht/Meyer a.a.O. § 44 Rn. 16 m.w.N.). Aus dem Poststempel auf dem Briefumschlag läßt sich der Absendetag nicht entziffern.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Da die Rechtsbeschwerde hiernach zu Recht als unzulässig verworfen worden ist, muß der angefochtene Verwerfungsbeschluß des Amtsgerichts bestätigt werden.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Einer Kostenentscheidung bedarf es insoweit nicht (vgl. Kleinknecht/Meyer a.a.O. § 346 Rn. 12).</p>
|
315,362 | ag-dusseldorf-1988-06-10-43-c-8887 | {
"id": 653,
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"city": 413,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 43 C 88/87 | 1988-06-10T00:00:00 | 2019-03-13T14:53:43 | 2019-03-27T09:43:19 | Urteil | ECLI:DE:AGD:1988:0610.43C88.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>hat das Amtsgericht Düsseldorf</p>
<p>auf die mündliche Verhandlung vom 20. Mai 1988</p>
<p>durch die Richterin am Amtsgericht X</p>
<p></p>
<p>für R e c h t erkannt:</p>
<p></p>
<p> Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.052,-- DM nebst 4 % Zinsen</p>
<p> seit dem 05.11.1986 zu zahlen.</p>
<p></p>
<p> Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte mit Ausnahme der Kosten, </p>
<p> die durch die Anrufung des Amtsgerichts X entstanden sind;</p>
<p> diese trägt die Klägerin.</p>
<p></p>
<p> Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung der Klägerin in Höhe von 3.600,-- DM</p>
<p> vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p> Der Klägerin wird gestattet, die Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft zu</p>
<p> erbringen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px"><u>T a t b e s t a n d :</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Die Beklagte erteilte der Klägerin den Auftrag, ein Plakat A 1 zu entwerfen. Das Honorar sollte 3.500,-- DM betragen. Nach dem Inhalt der Auftragsbestätigung vom 17.04.1986 war das Plakat für Litfasssäulen bestimmt. Die Klägerin führte den Auftrag aus und stellte der Beklagten am 12.05.1986 2.000,-- DM in Rechnung. Ohne Wissen und Einwilligung der Klägerin ließ die Beklagte das Plakat auf das doppelte Format (DIN A 0 ) vergrößern. Außerdem wurden die Plakate nicht nur an Litfasssäulen sondern auch an Straßenbäumen, Bauzäunen und Eisenbahnbrücken angebracht. </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Die Klägerin stellte der Beklagten für die erweiterte Plakatnutzung 1.710,-- DM in Rechnung.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Die Beklagte verwandte Illustrationen – Karikaturen von Dinosauriern - , die von der Klägerein entworfen worden waren, ohne Einwilligung der Klägerin auf einem Kinderfestivalplakat. Hierfür berechnete die Klägerin der Beklagten 342,-- DM.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px"></p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Die Klägerin behauptet:</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Die übliche Vergütung für die Übertragung eines erweiterten Nutzungsrechts an dem von ihr gestalteten Plakat betrage 1.500,-- DM zuzüglich Mehrwertsteuer; die übliche Vergütung für die Übertragung des Nutzungsrechts an den Tierfiguren zur Verwendung im Kinderfestival-Plakat betrage 342,-- DM. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.052,-- DM nebst 4 % Zinsen seit</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Klagezustellung zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Sie behauptet:</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Bei Erteilung des Auftrages sei vereinbart worden, dass das Plakat nicht nur für Litfasssäulen sondern auch für andere Werbeflächen bestimmt sei.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der Schriftsätze Bezug genommen. Das Gericht hat Beweis erhoben. Auf die Niederschrift der Beweisaufnahme und auf das Gutachten des Sachverständigen wird verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px"><u>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :</u></p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Die Klage ist begründet.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Die Beklagte schuldet der Klägerin als Schadensersatz nach § 97 UrhG 2.052,-- DM.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Die Beklagte war nicht berechtigt, das von der Klägerin entworfene Plakat für andere Werbeflächen als Litfasssäulen zu verwenden. Die Behauptung der Beklagten, es sei – entgegen dem Inhalt der schriftlichen Auftragsbestätigung – bei Auftragserteilung besprochen worden, dass das Plakat nicht nur für Litfasssäulen sondern auch für andere Werbeflächen bestimmt sei, ist durch die Beweisaufnahme nicht bestätigt worden. Die Zeugen X und X haben zwar ausgesagt, es sei bei Vertragsschluss nicht davon die Rede gewesen, dass das Plakat nur für Litfasssäulen bestimmt sei. Ihre Aussagen reichen jedoch im Hinblick auf die Aussage der Zeugin X zum Nachweis für die Behauptung der Beklagten nicht aus. Die Zeugin hat erklärt, der Zeuge X habe ein Plakat für Litfasssäulen bestellt. Es ist deshalb von dem Inhalt der schriftlichen Auftragsbestätigung auszugehen. Danach durfte die Beklagte das Plakat nur für Litfasssäulen verwenden. Denn das Nutzungsrecht kann Dritten in der verschiedensten Modifikationen überlassen werden, räumlich und inhaltlich beschränkt (vgl. Fromm/Nordemann, 6. Aufl. 1986 Bem. 2 vor § 31 UrhG). Ein Nutzungsrecht, das weder erforderlich noch ausdrücklich eingeräumt ist, verbleibt beim Urheber (Fromm/Nordemann, 6. Aufl. 1986, Bem. 9 zu §§ 31, 32 UrhG). Wie sich aus der von der Klägerin vorgelegten Fotos ergibt, sind die Plakate nicht nur für Litfasssäulen verwendet worden.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Die Klägerin kann als Schadensersatz die übliche Vergütung für die Übertragung eines erweiterten Nutzungsrechts verlangen. Ob auch die Verwendung eines vergrößerten Plakats ein Eingriff in das Urheberrecht der Klägerin darstellt, kann dahingestellt bleiben, denn der Sachverständige Prof. Dr. X kommt in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass die übliche Vergütung für die Übertragung eines erweiterten Nutzungsrechts – gleich aus welchem Grunde – 1.500,-- DM zuzüglich Mehrwertsteuer betrage. Das Gericht schließt sich den Ausführungen des Sachverständigen an. Der Auffassung der Beklagten, der Zuschlag sei nach dem gezahlten und nicht nach dem vereinbarten Preis zu berechnen, konnte das Gericht nicht folgen. Wie der Sachverständige zutreffend ausführt, stellt die Ermäßigung des Preises ein Entgegenkommen der Klägerin dar. Bei der Berechnung der Zusatzvergütung ist von dem vereinbarten Honorar auszugehen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Eine weitere Vergütung schuldet die Beklagte für die unberechtigte Verwendung der von der Klägerin entworfenen Tierfiguren in dem Kinderfestival-Plakat. Die von der Klägerin entworfenen Figuren genießen nach § 2 UrhG Urheberrechtsschutz; Figuren haben grundsätzlich Werkscharakter (Fromm/Nordemann, 6. Aufl., Bem. 13 zu § 2 UrhG). Die von der Klägerin geforderte Vergütung von 300,-- DM zuzüglich Mehrwertsteuer ist nach den Ausführungen des Sachverständigen, denen sich das Gericht anschließt, angemessen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Der Anspruch der Klägerin errechnet sich wie folgt:</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">erweitertes Nutzungsrecht am Plakat 1.500,-- DM</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Nutzungsrecht an Tierfiguren <u> 300,-- DM</u></p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">1.800,-- DM</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">14 % Mehrwertsteuer <u> 252,-- DM</u></p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">2.052,-- DM</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Der Zinsanspruch beruht auf § 291 BGB. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollsteckbarkeit aus § 709 ZPO.</p>
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315,363 | lg-kleve-1988-05-31-6-s-33687 | {
"id": 811,
"name": "Landgericht Kleve",
"slug": "lg-kleve",
"city": 445,
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"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 6 S 336/87 | 1988-05-31T00:00:00 | 2019-03-13T14:53:45 | 2019-03-27T09:43:19 | Urteil | ECLI:DE:LGKLE:1988:0531.6S336.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung der Beklagten gegen das am 2. September 1987 verkündete Urteil des Amtsgerichts Emmerich wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß den Beklagten eine Räumungsfrist bis zum 31. Juli1988 gewährt wird.</p>
<p></p>
<p>Die Beklagten haben die Kosten der Berufung als Gesamtschuldner zu tragen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Tatbestand</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:4px">Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:4px">Entscheidungsgründe </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:4px">Die Berufung der Beklagten, mit der sie sicn gegen ihre Verurteilung zur Räumung und Herausgabe des durch sie gemieteten Hauses wenden, ist zwar zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Denn das Amtsgericht hat die Beklagten zu Recht zur Räumung und Herausgabe verurteilt. Dabei hat entweder die Kündigungserklärung vom 15. Mai 1987, wenn ihr eine Vollmacht beilag, was zwischen den Parteien streitig ist, oder die inhaltlich gleiche Kündigungserklärung vom 26. Mai 1987 zur sofortigen Beendigung des Mietverhältnisses geführt; von einer Wirksamkeit der Kündigungserklärung vom 4. März 1987, vier unstreitig eine Vollmacht des Klägervertreters nicht beigefügt war und die vermutlich weswegen von den Beklagten zurückgewiesen worden ist, geht auch der Kläger nicht aus.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:4px">Die fristlose Kündigung des Klägers war gemäß § 554 a BGB berechtigt. Die Beklagten haben, wie das Amtsgericht im angefochtenen Urteil bereits zutreffend ausgeführt hat (§ 543 ZPO), durch ständige unpünktliche Mietzahlungen ihre Verpflichtungen aus dem Mietvertrag in einem solchen Maße verletzt, daß dem Kläger eine Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Mietzahlungen der Beklagten erfolgten verspätet, weil sie nicht am 3. Werktag eines Monats auf dem Konto ues Klägers eingingen. Daß es für die Rechtzeitigkeit der Mietzahlungen nicht auf die Absendung des Geldes, sondern auf die Ankunft des Geldes beim Kläger ankommt, ist im Mietvertrag ausdrücklich geregelt. Diese Regelung findet sich nicht nur in §'4 Ziffer 1 des Mietvertrages, der vom 1. Oktober 1982 datiert, sondern auch in § 4 Ziffer 3 des Mietvertrages, der vom 23. September 1982 datiert. Die Regelung ist, wie das Amtsgericht im angefocriterien Urteil bereits zutreffend ausgeführt hat, auch wirksam (vgl. hierzu auch Sternel Mietrecht, 2. Auflage, Anm. II 95, Staudinger-Emmerich, 12. Auflage, §§ 535, 536 BGB, Randnr. 113, § 554 BGB Randnr. 13).</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Mietzahlungen der Beklagten sind auch in erneblichem Umfang unpünktlich auf dem Konto des Klägers eingegangen. In uer Zeit von Januar 1986 bis Mai 1987 (17 Monate) sind nur die Mietzahlungen für 2 Monate, nämlich für Februar 1986 und Mai 1986, pünktlich erfolgt, alle anderen Mietzahlungen sind verspätet auf dem Konto des Klägers eingegangen. Soweit die Beklagten sich darauf berufen, sie hätten die jeweilige Überweisung bzw. Einzahlung spätestens am 3. Werktag der jeweiligen Monate vorgenommen und hätten damit rechnen können, daß die Beträge noch am gleichen Tag dem bei der selben Bankfiliale geführten Konto des Klägers gutgeschrieben werden würden, vermag sie dies nicht zu entlasten. Denn zum einen haben die Beklagten nicht einmal spezifiziert dargelegt, wann jeweils von ihnen die Leistungshandlungen vorgenommen worden sind. Ihr pauschales Vorbringen, die jeweilige Leistungshandlung sei spätestens am 3. Werktag vorgenommen worden, reicht hierzu nicht aus, zumal sich aus mehreren der vom Kläger überreichten Überweisungsträger ergibt, daß diese erst nach dem 3. Werktag bei der Bank eingereicht worden sind. Im übrigen war den Beklagten aufgrund der Beanstandung des Klägers bekannt, daß es tatsächlich immer wieder zu verspätetem Mieteingang auf dem Konto des Klägers gekommen ist, so aai3 innen bekannt war, daß ihre Erwartung, die Mieten würden immer am Einzahlungstag bereits dem Konto des Klägers gutgeschrieben, nicht zutraf.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die in den Monaten bis Mai 1987 einschließlich nahezu</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">ständig erfolgten unpünktlichen Zahlungen stellen insgesamt einen so schwerwiegenden Vertragsverstoß dar, daß dem Kläger die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht mehr zugemutet werden konnte. Trotz der Aufforderungen des Klägers vorn Mai 1986, vom 11. Februar 1987 und vom März 1987 und der Ausführungen des Klägers im Vorprozeß der Parteien 2 C 49/87 Amtsgericht Emmerich, aus dem sich ergab, daß der Kläger auf einen pünktlicnen Eingang der Mietzanlurigen besonderen Wert legte, naben die Beklagten ihr Verhalten fortgesetzt. Sie haben damit zu erkennen gegeben, daß sie nicht bereit waren, ihre Pflichten termingerecht auszuführen, und haben das berechtigte Interesse des Klägers an einem pünktlicnen Eingang der Mieten und an einer zeitgerechten Disponierung über die Mieten hartnäckig mißachtet. Diese Einstellung der Beklagten zur Mietzahlungspflicht machte die Fortsetzung des, Mietverhältnisses für den Kläger unzumutbar. Das Mietverhältnis war bis 1992 fest abgeschlossen. Es war dem Kläger nicht zuzumuten, die unpünktlichen Zahlungen der Beklagten noch auf Jahre hinaus in Kauf zu nehmen, auch wenn es sich jeweils nur um Zeitverzögerungen von wenigen Tagen handelte. Dass der Kläger das Verhalten der Beklagten zu Recht als hartnäckige Weigerung einer pünktlichen Erfüllung der Pflicht zur Mietzahlung verstanden hat, ergibt sich im übrigen auch aus dem Verhalten, das die Beklagten selbst noch nach Kenntnis von dem Teilurteil des Amtsgerichts Emmerich vom 10. April 1984 im Vorverfahren, aus dem sich für sie<b> </b>klar ergab, dass das Geld am 3. Werktag auf dein Konto des Klägers einzugehen hatte, sowie weiter nach Ausspruch der Kündigung von Mai 1987 gezeigt haben. So haben sie nicht nur im Mai 1987, sondern auch im Juli 1987, im September 1987 und im November.1987 die Überweisungsaufträge erst so später erteilt, dass die Zahlungen nicht bis zum 3. Werktag der jeweiligen Monate auf dem Konto des Klägers eingingen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Das Räumungsbegehren des Klägers scheitert auch nicht daran, daß das Mlietverhältnis nach der vom Kläger ausgesprochenen Kündigung gemäß § 568 BGB stillschweigend verlängert worden wäre. Zwar bestimmt § 568 BGB, daß dann, wenn nach dem Ablauf der Mietzeit der Gebrauch der Sache von dem Mieter fortgesetzt wird, das Mietverhältnis als auf unbestimmte Zeit verlängert gilt, sofern nicht der Vermieter seinen entgegenstehenden Willen binnen einer Frist von 2 Wochen, die mit dem Zeitpunkt beginnt, in dem der Vermieter von der Fortsetzung Kenntnis erlangt, dem Mieter gegenüber erklärt. Die Geltung des § 568 BGB ist jedoch in § 2 Ziffer 4 des von den Parteien am 1. Oktober 1982 unterzeichneten Mietvertrages abbedungen worden; eine Abbedingung der Geltung des § 568 BGB ist auch in allgemeinen Geschäftsbedingungen wirksam möglich (s. Palandt-Putzo, 46. Auflage, § 568 BGB Anm. 1 d). Für die Frage der Fortsetzung des Mietvernältnisses ist es auch ohne Bedeutung, daß der von den Parteien unterzeichnete Mietvertrag vom 23. September 1982 eine dem § 2 Ziffer 4 des Mietvertrages vom 1. Oktober 1982 entsprechende Bestimmung nicht enthält. Entweder gelten nämlich insoweit die Bestimmungen des zuletzt abgeschlossenen Mietvertrages vom 1. Oktober 1982, der, soweit er Abweichungen zum Mietvertrag vom 23. September 1982 enthält, als der zeitlich nachfolgend abgeschlossene Mietvertrag maßgeblich ist; Dann verbleibt es bei der Abbedingung des § 568 BGB. Aber auch wenn, man annehmen wollte, dass die Parteien die Vorstellung hatten, mit dem Mietvertrag vom 1. Oktober 1982 keine abändernden Vereinbarungen zum Inhalt des bereits am 23. September 1982 geschlossenen Mietvertrages zu treffen und zwei inhaltlich gleich lautende Mietverträge zu unterzeichnen, und wenn insoweit gemäß § 155 BGB ein Dissens vorläge, so dass § 568 BGB mangels Abbedingung grundsätzlich Anwendung finden würde, kann von einer Fortsetzung des Mietverhältnisses nach § 568 BGB nicht ausgegangen werden. Für den Fall, daß die Kündigung vom 15. Mai 1987 bereits wirksam war, weil ihr entsprechend der Behauptung des Klägers eine Kündigungsvollmacht beigefügt war, liegt ein Widerspruch des Klägers gegen die Fortsetzung des Mietverhältnisses über den 23. Mai 1987 hinaus in der erneuten Kündigung im Schreiben des Klägers vom 26. Mai 1987, mit dem der Kläger deutlich zu erkennen gegeben hat, daß er eine Fortsetzung des Mietverhältnisses mit dem Beklagten nicht wünschte. Für den Fall, daß der Kündigung vom 15. Mai 1987 entsprechend der Behauptung der Beklagten eine Kündigungsvollmacht nicht beigefügt war und erst die Kündigungserklärung vom 26. Mai 1987 zur fristlosen Beendigung des Mietverhältnisses führte, liegt der Widerspruch des Klägers gegen die Fortsetzung des Mietverhältnisses in der Räumungsklage, die dem Beklagten am 16. Juni 1987 zugestellt worden ist. Die Beklagten haben nicht dargetan und unter Beweis gestellt, daß dieser Widerspruch deswegen verspätet war, weil der Kläger noch vor dem 2. Juni 1987 Kenntnis von der Fortsetzung des Mietgebrauchs durch die Beklagten hatte. So haben die Beklagten weder dargetan, wann ihnen überhaupt die vom 26. Mai 1987 datierende Kündigung zugegangen ist und daß dies insbesondere noch vor dem 2. Juni 1987 der Fall war, noch dargetan, daß der Kläger vor dem 2. Juni 1987 Kenntnis von der Fortsetzung des Gebrauchs nach Zugang der Kündigung vom 26. Mai 1987 erhalten hat.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:58px">Den Beklagten wird gemäß § 721 ZPO aus den Gründen, die hierzu bereits im amtsgerichtlichen Urteil angeführt worden sind, eine Räumungsfrist von 2 Monaten bewilligt.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 100 Abs. 4 ZPO.</p>
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315,364 | lg-arnsberg-1988-05-30-5-s-4788 | {
"id": 801,
"name": "Landgericht Arnsberg",
"slug": "lg-arnsberg",
"city": 384,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 5 S 47/88 | 1988-05-30T00:00:00 | 2019-03-13T14:53:46 | 2019-03-27T09:43:19 | Urteil | ECLI:DE:LGAR:1988:0530.5S47.88.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Menden vom </p>
<p>27. Januar 1988 - 3 C 262/87 - abgeändert:</p>
<p></p>
<p>Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 630,-- DM (in Worten: sechshundertdreißig Deutsche Mark) nebst 4 % Zinsen seit dem 09.05.87 zu zahlen.</p>
<p>Im Übrigen werden die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurück-gewiesen.</p>
<p>Von den Kosten des Rechtsstreits I. Instanz tragen der Kläger 87 % und die Beklag-ten als Gesamtschuldner 13 %.</p>
<p>Von den Kosten des Rechtsstreits II. Instanz tragen der Kläger 78 % und die Beklag-ten als Gesamtschuldner 22 %.</p>
<p></p>
<p>Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 ZPO abgesehen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung der Beklagten hat im wesentlichen Erfolg. Der Kläger kann als weiteren Schaden lediglich Nutzungsausfall in dem von dem Amtsgericht ausgewiesenen Umfang, nämlich 630,--DM, verlangen; weitere Ansprüche stehen ihm nicht zu.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat Anspruch auf Nutzungsausfall in Höhe von 630,--DM. Er selbst war zwar infolge der Verletzung an der Nutzung des Fahrzeuges gehindert, dieses Fahrzeug hat aber von seinen Familienangehörigen genutzt werden können. Für einen solchen Ausfallschaden reicht es nämlich regelmäßig aus, "wenn der Eigentümer den Wagen dadurch nutzt, dass er ihn einem Dritten ohne Entgelt verleiht oder aus bloßer Gefälligkeit überlässt und diese Nutzungsmöglichkeit weiterhin gegeben ist" (vgl. BGH NJ\-1 1974 S. 33,34). Dies ist insbesondere dann gegeben, wenn der Wagen neben dem Kläger auch von Familienangehörigen benutzt wird und wenn das Fahrzeug auch zu diesem Zweck angeschafft worden ist. Da auf Seiten des Klägers neben seiner Ehefrau auch noch ein Sohn als Nutzungsberechtigter in Betracht kommt, ist die Nutzungsmöglichkeit durch Familienangehörige gegeben und sogar naheliegend.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Auch der Hinweis der Beklagten auf das Zweitauto führt jedenfalls im vorliegenden Fall nicht weiter, da mehrere Nutzungsberechtigte vorhanden sind, sodass trotz des Zweitwagens eine Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeiten besteht. Dies muss umso mehr gelten, wenn, wie vorgetragen wurde, der Zweitwagen für längere Zeit bei auswärtigen Aufenthalten des Sohnes genutzt wird.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Höhe des Nutzungsausfalles ist in zweiter Instanz nicht mehr streitig, nachdem das Amtsgericht diesen mit 630,--DM festgesetzt hat.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ersatz des Verlustes des Schadensfreiheitsrabattes in der Kaskoversicherung, da jedenfalls aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles dieser Schaden nicht in den Rechtswidrigkeitszusammenhang der §§ 7 StVG, 1 PflVG fällt.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Zwar sind die Inanspruchnahme des Kaskoversicherers und die damit verbundenen Prämiennachteile durch den Unfall mit dem Beklagten zu 1) ausgelöst worden, aber es ist nicht zu verkennen, dass als weiterer, wesentlicher Umstand hinzukam, dass der Kläger seinerseits, wie zwischen den Parteien unstreitig ist, von Beginn an keine Schadensregulierung mit der Beklagten als der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners versucht hat, sondern vielmehr ausschließlich darauf konzentriert war, die für ihn vorteilhaftere Kaskoregelung abzuwickeln. Im Wege dieses Vorgehens hat der Kläger letztlich über den reinen Fahrzeugschaden, der hier bei 18.500,--DM liegt, hinaus nicht unerhebliche weitere Beträge für sein Fahrzeug erhalten. Der Kläger hat jedenfalls den vollen Fahrzeugschaden gem. §§ 7, 1 PflVG, 823, 249 BGB ersetzt erhalten. Hierbei kommt es nicht darauf an, dass dieser Fahrzeugschaden von der Kaskoversicherung reguliert worden ist, da insoweit keine Haftungsfreistellung der Beklagten als der Schädiger eingetreten ist, sondern gem. § 67 VVG diese aufgrund gesetzlichen Forderungsüberganges im Innenverhältnis zur Kaskoversicherung in vollem Umfang verpflichtet bleiben.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Wenn der Kläger vor einem solchen Hintergrund allein zur Erlangung weiterer Vorteile die mit der Inanspruchnahme der Kaskoversicherung zwangsläufig verbundene Rückstufung der Rabatte in Kauf nimmt, können diese Nachteile bezüglich der Rabatte nicht mehr vom Sinn und Zweck des § 249 BGB gedeckt werden. Zum einen steht diesem Schaden bereits ein ganz erheblicher Vorteil gegenüber, der die Rabattverluste bei weitem übersteigt, zum anderen ist aufgrund der völlig freien Entscheidung des Klägers zur Inanspruchnahme der Kaskoversicherung der Zusammenhang von dem ursprünglichen Schadensereignis jedenfalls so weit gelöst, dass eine Schadensregulierung nicht mehr in Betracht kommt (vgl. OLG Saarbrücken, NJW RR 1986 S. 194 f sowie Landgericht Osnabrück in NJW RR 87, S. 18). Diesem Ergebnis steht auch nicht, wie der Kläger meint, die Entscheidung des Bundesgerichtshofs in BGHZ 44, S. 387, 388 entgegen, da es dabei nur um die Frage ging, ob bei einer Schadensquote überhaupt die Möglichkeit der Einstellung von Rabattverlusten in die Schadensberechnung steht. Keinesfalls kann der zitierten Entscheidung entnommen werden, dass in allen Fällen jeder nur irgendwie kausale Rabattverlust den Schädigern angelastet werden kann. (Vgl. auch Landgericht Trier in VersR 83, 791).</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Somit war die Klage in diesem Punkt abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Fahrtkosten sind bereits mit zutreffender Begründung durch das Amtsgericht abgewiesen worden.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat auch keinen Anspruch wegen der Berücksichtigung des Händlerrabattes bei der Anschaffung des Neuwagens. Zum einen ist davon auszugehen, dass es sich insoweit um eine Streitigkeit ausschließlich zwischen dem Kläger und seiner Kaskoversicherung handelt, die auch auf dieser Ebene ausgetragen werden muss. Der Kläger hätte somit, sofern er mit dem Umfang der Kaskoregelung nicht einverstanden gewesen wäre, sich mit der Versicherung entsprechend auseinandersetzen und ggfls. einen Rechtsstreit durchführen müssen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Zum anderen wäre ein solcher Schaden auch nicht mehr von dem Haftpflicht-Versicherungsverhältnis gedeckt, nachdem der Kläger bereits vollen Ausgleich des Fahrzeugschadens erhalten hat und es nunmehr allein um weitergehende Vorteile geht. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen zum Schadensfreiheitsrabatt verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf weiteres Schmerzensgeld über die bereits gezahlten 3.000,-- DM hinaus. Die Kammer hat hierbei berücksichtigt, dass sich durch die Frakturen im Fußbereich der Heilungsprozess offensichtlich verzögert hat, dass andererseits jedoch die Schmerzen oder die Beeinträchtigungen infolge des eingegipsten Fußes nicht sehr groß waren, sodass der Kläger in der Lage war, sich um berufliche Dinge zu kümmern. Im Übrigen liegen auch keine durchgreifenden Gesichtspunkte für einen Dauerschaden vor. Soweit nunmehr ein Meniskusschaden angeführt wird, gehört dieser im Regelfall zu dem üblichen Lebens- und Gesundheitsrisiko, das auch vom Kläger hinzunehmen ist. Weiter ist zu berücksichtigen, dass ein solcher Schaden üblicherweise nicht ganz plötzlich auftritt, sondern sich die hierfür ursächlichen Verschleißerscheinungen über einen sehr langen Zeitraum hinziehen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Nach allem war daher der Klage lediglich in dem ausgeworfenen Umfang stattzugeben; im Übrigen war sie abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Kostenfolge beruht auf §§ 92, 97 ZPO.</p>
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315,365 | lg-aachen-1988-05-25-4-o-72885 | {
"id": 800,
"name": "Landgericht Aachen",
"slug": "lg-aachen",
"city": 380,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 4 O 728/85 | 1988-05-25T00:00:00 | 2019-03-13T14:53:48 | 2019-03-27T09:43:19 | Urteil | ECLI:DE:LGAC:1988:0525.4O728.85.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.468,08 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 21.12.1984 zu zahlen.</p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen; die Kosten der Streithilfe fallen der Streitgehilfin der Beklagten selbst zur Last.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2.300,00 DM und die Streitgehilfin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 400,00 DM abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">T a t b e s t a n d</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Am 4.10.1984 gegen 20.00 Uhr wurde der Personenkraftwagen des Klägers, der vor dem Hause                   in Aachen unter einer Straßenlaterne abgestellt war, dadurch beschädigt, dass der Lampenaufsatz vom Mast der Laterne herunterfiel und auf die Motorhaube des Fahrzeuges des Klägers fiel. Der dem Kläger entstandene Sachschaden beläuft sich auf insgesamt 1.468,08 DM.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Mit der Klage verlangt der Kläger von der Beklagten die Zahlung von 1.468,08 DM nebst Zinsen. Er macht geltend: Der gesamte Lampenaufsatz sei heruntergekommen; er habe keine Beschädigungen aufgewiesen. Die Lampen auf der betreffenden Straße seien etwa ein bis zwei Wochen vor dem Vorfall gewartet worden; es müsse daher angenommen werden, dass der Lampenaufsatz nicht durch die vorgesehenen Schrauben befestigt worden sei. Die Beklagte treffe eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">-          wie erkannt   -.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte und ihre Streitgehilfin beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">-          die Klage abzuweisen   -.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte und die Streitgehilfin machen geltend:  Am 4.10.1984 hätten ein oder mehrere bisher unbekannte Täter mutwillig die Straßenlaterne beschädigt. Eine Straßenleuchte des hier vorliegenden Types bestehe aus Teller, Kegelglas und Deckel; in einem Spritzgussrahmen befinde sich neben Vorschaltgerät, Fassung unter anderem auch das Leuchtmittel. Wenn der Mast durch gleichmäßiges, rhythmisches Anstoßen in Schwingungen versetzt werde – wie häufig bei Jugendlichen beobachtet – breche der Spritzgussrahmen der in 4,5 Meter Höhe angebrachten Leuchte durch die Massenträgheit der im Rahmen befindlichen Geräte.  Durch das Stromkabel und die Acrylglasabdeckung werde die Leuchte jedoch noch oft tagelang gehalten, bis sie beim</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">nächsten Anstoß oder durch Windeinwirkung herunterfalle. Ohne Fremdverschulden sei ein solcher Schaden nicht möglich. Zwar könne eine Beschädigung der vorliegenden Art auch durch das Anstoßen des Mastes durch ein Fahrzeug erfolgen. Da der in Frage stehende Lichtmast jedoch keinerlei äußere Beschädigungen aufgewiesen habe, sei nur der Schluss auf eine mutwillige Beschädigung möglich. Die Lampe sei im Übrigen vor dem Vorfall zuletzt am 24. und 25.9.1984 von Bediensteten der Streitgehilfin gewartet worden. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht und mangelhafte Wartung der Lampe könne ihr nicht vorgeworfen werden. Eine weitergehende Kontrolle sei bei 20.000 Straßenlaternen im Stadtgebiet nicht durchführbar.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Streitgehilfin der Beklagten trägt ergänzend vor: Der Kläger selbst habe bei der Schadensanzeige sowohl gegenüber der Streitgehilfin wie auch gegenüber der Polizei angegeben, dass die Beleuchtungsanlage durch Unbekannte mutwillig beschädigt worden sei. Bei der Überprüfung am 24. und 25.9.1984 sei bei der in Rede stehenden Leuchte kein Schaden festgestellt worden. Ohne Fremdverschulden – etwa durch Jugendliche – sei der vorliegende Schaden nicht möglich; ein derartiger Lampenaufsatz könne nur dadurch herunterfallen, dass in rechtswidriger Weise von dritter Seite eingegriffen werde. Vorliegend sei der Spritzgussrahmen geplatzt; dies könne nur durch Gewalteinwirkung erfolgt sein. Es sei unmöglich und könne daher auch nicht verlangt werden, täglich 16.000 Straßenlaternen zu kontrollieren. Die Leuchte ruhe im Übrigen schon aufgrund ihres Eigengewichtes auf dem Mast, da der Mast in einem etwa 10 Zentimeter hohen Stutzen ende. Um Herunterzufallen, müsste der Fuß der Leuchte den 10 Zentimeter hohen Stutzen überwinden; letzteres verhindere auch, dass in die Lampe führende Kabel.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und der zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Das Gericht hat Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 13.11.1986 und das Schreiben des Technischen Überwachungs-Verein Rheinland e.V. vom 15.9.1987 – bei Gericht eingegangen am 24.2.1988 – verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e</span></p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist begründet.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Dem Kläger steht gegen die Beklagte gemäß § 836 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Ersatz des – der Höhe nach unstreitigen – Schadens von 1.468,08 DM zu, der ihm dadurch entstanden ist, dass am 4.10.1984 der Lampenaufsatz einer vor dem Hause L-straße ## in Aachen befindlichen Straßenlaterne auf die Wagenhaube seines unter der Laterne abgestellten Personenkraftwagens herunterfiel und diesen beschädigte.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Nach der genannten Vorschrift ist der Besitzer eines Grundstückes zum Schadensersatz verpflichtet, wenn unter anderem durch die Ablösung von Teilen eines Gebäudes oder eines anderen mit einem Grundstück verbundenen Werkes eine Sache beschädigt wird, sofern die Ablösung die Folge fehlerhafter Errichtung oder mangelhafter Unterhaltung ist. Diese Voraussetzungen liegen vor. Bei einer Straßenlaterne handelt es sich um ein derartiges mit einem Grundstück verbundenes Werk. Mit einem Grundstück verbundene Werke sind die auf dem oder im Erdboden errichteten baulichen oder technischen Gegenstände, Einrichtungen und Anlagen (vgl. Mertens, in Münch.Kommentar, BGB, 2. Aufl., § 836 Rdnr. 6; auch schon RGZ 76, 260, 261). Da eine Straßenlaterne durch das Einlassen des Mastes mit dem Grund und Boden fest verbunden ist, zählt sie zu den Werken im Sinne des § 836 BGB (vgl. LG Kiel VersR 1978,1076 für einen Lichtmast; RG JW 1913, 868 für einen Signalmast). Die Beklagte ist als Besitzerin des Grundstückes, auf dem die Straßenlaterne errichtet worden ist, für den eingetretenen Schaden verantwortlich; dies gilt unabhängig davon, ob die Streitgehilfin der Beklagten – die Stadtwerke AG – aufgrund des mit der Beklagten abgeschlossenen Betriebsführungsvertrages die Wartung und Überwachung der Straßenlampen übernommen hatte und deshalb auf der Grundlage des § 838 BGB (auch) zur Haftung herangezogen werden könnte.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Ablösung des Lampenaufsatzes ist entweder auf fehlerhafte Errichtung oder mangelhafte Unterhaltung der Straßenlaterne zurückzuführen. Zwar trifft den Geschädigten, auch wenn die Haftung nach § 836 BGB auf vermutetem Verschulden des Grundstücksbesitzers beruht, grundsätzlich die Beweislast dafür, dass die Ablösung von Teilen des Werkes durch fehlerhafte Errichtung oder mangelhafte Unterhaltung verursacht worden ist. Vorliegend streitet jedoch schon der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Lampenaufsatz nicht ordnungsgemäß befestigt war. Nach den Gesamtumständen, insbesondere der Aussage der Zeugin B        , die den</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">geschilderten Geschehensablauf bestätigt hat, und der Lebenserfahrung kann hieran kein vernünftiger Zweifel bestehen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Zeugin B        hat glaubhaft bekundet, dass der gesamte Lampenaufsatz, der aus Teller, Kegelglas und Deckel besteht, heruntergekommen ist. Nach ihrer weiteren Schilderung ist sie unmittelbar nach dem Knall an das Fenster ihrer Wohnung getreten und hat keine dritte Personen gesehen, die sich an der Laterne zu schaffen gemacht haben könnten; obwohl die Laterne ausgefallen war, hat sie die Straße von ihrem Fenster aus wegen der anderen Straßenlaternen und einer vor ihrem Haus angebrachten Außenlampe gut überblicken können. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch, dass das Vorbringen der Beklagten, ein oder mehrere unbekannte Täter hätten die Laterne mutwillig beschädigt, sich nicht auf entsprechende Beobachtungen des Klägers oder der Zeugin B    stützen kann. Der Zeuge L     , dem der Kläger den Schaden am nächsten Tag gemeldet hat, hat vielmehr eingeräumt, dass der Kläger sich ihm gegenüber nicht dahingehend geäußert habe, er habe irgendwelche Leute weglaufen gesehen; bei der von ihm notierten Darstellung des Klägers, dass Unbekannte die Laterne beschädigt hätten, habe es sich gewissermaßen um eine Vermutung des Klägers gehandelt. Vor diesem Hintergrund ist das Vorbringen der Beklagten, dass der Schaden allein durch fremde Gewalteinwirkung herbeigeführt worden sei und darinseine Ursache habe, dass der Mast durch (gleichmäßiges, rhythmisches Anstoßen in Schwingungen versetzt worden – wie häufig bei Jugendlichen beobachtet – und hierdurch der Spritzgussrahmen des Lampenaufsatzes gebrochen sei, ein bloßer Verdacht und reine Spekulation, ohne dass hierfür tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Es obläge der Beklagten, einen etwaigen abweichenden Geschehensablauf, der den Schaden herbeigeführt haben könnte, nicht nur zu behaupten, sondern auch zu beweisen. Das ist nicht geschehen. Soweit die Beklagte auf die mögliche Beeinträchtigung der Befestigung des Lampenaufsatzes durch jugendlichen Vandalismus verwiesen hat, fehlt es nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme an jedwedem konkreten Anhaltspunkt. Ebenso ist nach der durchgeführten Beweisaufnahme, die aufgrund des Anscheinsbeweises zu vermutende Schadensverursachung nicht widerlegt. Der Zeuge M      , der als Elektromonteur bei der Streitgehilfin der Beklagten beschäftigt ist, hat sich dahin geäußert, dass man „nur vermuten“ könne, wie es genau dazu gekommen ist, dass der Lampenaufsatz heruntergefallen sei. Auch die Bekundungen des Zeugen S     erschöpfen sich in Vermutungen, wobei er der Möglichkeit, dass durch rhythmisches Schütteln der Lampenaufsatz herunterfällt, noch weitere hinzugefügt hat, nämlich, dass dies durch einen „herunterfallenden Ast passiert“, der etwa bei Sturm an die Laterne gerät, oder</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">dass der Spritzgussrahmen schon Tage zuvor geplatzt sei und der nur noch in einem Nut festgehaltene Aufsatz sodann schon durch einen leichten Windstoß herunter geweht werden konnte. All dies sind rein theoretische Möglichkeiten, für welche die erforderlichen konkreten Anhaltspunkte fehlen. Zur weiteren Aufklärung der Behauptung der Beklagten und ihrer Streitgehilfin, das Herunterfallen des Aufsatzes der Laterne könne nur auf die Gewalteinwirkung durch dritte Personen zurückzuführen sein, die damit ersichtlich den Gegenbeweis führen wollen, wäre die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich geworden. Die dabei entstehenden Gutachterkosten – ausweislich des Schreibens des Technischen Überwachungsvereins Rheinland vom 15.9.1987 belaufen sich die Untersuchungskosten auf etwa 3.000,00   bis  4.000,00 DM  - stehen aber erkennbar außerhalb eines vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnisses mit einem damit verbundenen Erfolg der Beklagten (§ 287 Abs. 2 ZPO). Maßgebend ist in diesem Zusammenhang auch, dass aus der Beklagten zuzurechnenden Gründen der heruntergefallene Lampenaufsatz, den der Zeuge M          zunächst geborgen hat, nicht mehr vorhanden ist; nach den Ausführungen des Technischen Überwachungsvereins in dem genannten Schreiben können wegen Fehlens des Schadensstückes Untersuchungen nur an gleichartigen Straßenleuchten durchgeführt werden, die unter Umständen nicht mit Sicherheit zu einem eindeutigen Ergebnis führen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Ersatzpflicht der Beklagten ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil sie gemäß § 836 Abs. 1 Satz 2 BGB zum Zwecke der Abwendung der Gefahr die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat. Der der Beklagten obliegende Entlastungsbeweis hat sich auf die Anwendung aller Sorgfalt zu erstrecken; an die Beachtung dieser Sorgfaltspflicht und an die Substantiierungs- und Beweispflicht sind hohe Anforderungen zu stellen (vgl. BGH  LM Nr, 12a zu § 836 BGB; BGH VersR 1976, 66, 67). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat die Beklagte den Entlastungsbeweis nicht zu führen vermocht. Die von der Beklagten durchgeführten Kontrollen beschränken sich auf eine rein optische Kontrolle der Beleuchtungseinrichtung in der Weise, dass regelmäßig überprüft wird, ob die Beleuchtung „ noch brennt“ und alle Lampen in Betrieb sind; eine gezielte Kontrolle auch der technischen Ausstattung und des Zustandes des Mastes sowie des Lampenaufsatzes findet nicht statt. Dies haben die Zeugen S       und L         eingeräumt; demgemäß hat sich auch die vor dem Vorfall zuletzt am 24. und 25.9.1984 durchgeführte Kontrolle auf eine optische Kontrolle beschränkt. Notwendig ist jedoch – wie im Rahmen von Verkehrssicherungspflichten allgemein – eine fortlaufende Kontrolle und Überprüfung des Mastes und der Aufhängung des Lampenaufsatzes, damit auch insoweit Mängel in der Befestigung so</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">rechtzeitig festgestellt und beseitigt werden können, dass eine Gefährdung der Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Allerdings dürfen an die Kontrolle keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Das Maß der zu übenden Sorgfalt wird hierbei durch das finanzielle und organisatorische Machbare in gewissem Umfang begrenzt. Zuzugeben ist in diesem Zusammenhang, dass es sicherlich unmöglich und – wie die Streitgehilfin der Beklagten geltend macht – aus Rechtsgründen auch nicht gefordert werden kann, die etwa 20.000 Straßenlampen, die sich in dem Stadtgebiet der Beklagten befinden, täglich zu kontrollieren. Im Rahmen der von ihr ohnehin durchzuführenden optischen Brennkontrolle ist der Beklagten indes zuzumuten, hierbei in regelmäßigen Überwachungsintervallen auch die Sicherheit und Standfestigkeit des Mastes sowie die Befestigung des Lampenaufsatzes zu überprüfen, ohne dass dies die Änderung ihres gesamten Organisationsplanes bedeutet. Wenn ein kürzerer Kontrollabstand sich nicht mit dem Organisationsplan der Beklagten vereinbaren lässt, hätte von vornherein eine stabilere Befestigung des Lampenaufsatzes gewählt werden müssen, die längere Überwachungsintervalle erlaubt. Einer Entscheidung über die Länge der Kontrollabstände im Einzelnen bedarf es im vorliegenden Fall nicht. Keineswegs jedenfalls durfte die Beklagte  - etwa aus Kostengründen  - auf die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen überhaupt verzichten.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Das Versäumnis der Beklagten ist auch ursächlich für die mangelnde Befestigung des Lampenaufsatzes gewesen. Die Beklagte hat weder behauptet noch gar bewiesen, dass der Schaden auch bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt entstanden wäre.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Der Zinsanspruch ist gemäß den §§ 284, 286, 288 Abs. 1 BGB gerechtfertigt.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Streitwert:    1.468,08  DM</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">I</p>
|
315,366 | olgk-1988-05-18-16-u-13487 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 16 U 134/87 | 1988-05-18T00:00:00 | 2019-03-13T14:53:52 | 2019-03-27T09:43:18 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1988:0518.16U134.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 18. September 1987 - 17 0 649/36 - wird zurückgewiesen.</p>
<p>Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die in formeller Hinsicht nicht zu beanstandende Berufung der Beklagten ist sachlich unbegründet. Das Landgericht hat die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde zu Recht für unzulässig erklärt und die Beklagte zur Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigungen dieser Urkunde an den Kläger verurteilt.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, daß es sich bei der notariellen Urkunde um ein rein deklaratorisches Schuldanerkenntnis handelt, durch das die Verpflichtung aus dem Ratenkreditvertrag vom selben Tage noch einmal bestätigt wurde, was durch die genau übereinstimmende Schuldsumme von 20.155,09 DM deutlich wird. Die Bedeutung der notariellen Urkunde lag ersichtlich darin, daß der Kläger sich in ihr wegen der Zahlungsverpflichtung der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen unterwarf, so daß die Beklagte im Falle der Säumigkeit ihres Schuldners sogleich einen Vollstreckungstitel gegen diesen in der Hand hatte.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">War der Ratenkreditvertrag wegen Sittenwidrigkeit nichtig, hatte dies auch die Nichtigkeit des in der notariellen Urkunde enthaltenen Schuldanerkenntnisses zur Folge. Das Schuldanerkenntnis war Teil der vertraglichen Abmachungen der Parteien, es sollte nicht isoliert weitergelten, auch nicht, soweit der Beklagten etwa unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung ein Rückzahlungsanspruch gegen ihren Schuldner zustand. Dies folgt aus § 139 BGB, wonach im Zweifel die Nichtigkeit des gesamten Rechtsgeschäfts eintritt, wenn dieses auch nur teilweise nichtig ist.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Ratenkreditvertrag der Parteien vom 7. Dezember 1983 ist wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Hierbei kann dahinstehen, ob bereits eine Gesamtwürdigung der zwischen den Parteien vereinbarten Kreditbedingungen für sich allein zur Sittenwidrigkeit führt. Diese ergibt sich jedenfalls unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die Beklagte die Kreditgewährung an den Kläger, der einen Kreditbedarf von 3.000,-- DM hatte, davon abhängig gemacht hat, daß ein von ihm erst am 17. März 1983 mit einer Laufzeit von 6o Monaten aufgenommener Kredit der Absatzkreditbank über brutto 14.698,52 DM umgeschuldet wurde, was zu erheblichen vermeidbaren Mehrkosten führte.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Folgt man der Auffassung des Landgerichts, daß die Inanspruchnahme des Kreditvermittlers durch den Kläger im Interesse der Beklagten lag, hat dies zur Folge, daß die Vermittlungsprovision nicht dem Nettokredit des Schuldners, wohl aber seiner Gesamtbelastung zuzurechnen ist. Ferner sind im Rahmen der Gesamtbelastung auch die Kosten des Klägers für die von der Beklagten verlangte notarielle Urkunde in Höhe von 128,o8 DM anzusetzen. Danach errechnet sich unter Zugrundelegung der Uniformmethode folgender Effektivzins:</p>
<span class="absatzRechts">7</span><table class="absatzLinks" cellspacing="0" cellpadding="0"><tbody><tr><td><p><span style="text-decoration:underline">6.737,74 x 2.400</span></p>
<p>13.545,43 x 48</p>
</td>
<td><p>= 24,87 %</p>
</td>
</tr>
</tbody>
</table>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Gesamtbelastung setzt sich wie folgt zusammen:</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Teilzahlungsgebühren                      5.265,55 DM</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Maklerprovision                                   665,-- DM</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Bearbeitungsgebühr                           361,4o DM</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Auskunftsgebühr                                 72,28 DM</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">1/2 Restschuldversicherungsprämie     245,43 DM</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Gebühr für notarielle Urkunde              <span style="text-decoration:underline">128,o8 DM</span></p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">                                                     6.737,74 DM</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Demgegenüber beträgt der Nettokredit 13.3oo,-- DM zuzüglich 1/2 Restschuldversicherungsprämie von 245,43 DM =              13.545,43 DM</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">In diesem Falle übersteigt der von der Beklagten berechnete Effektivzins den marktüblichen Zins, wie er sich aus den Monatsberichten der E ergibt, um 1o7,o8 %.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Der marktübliche Zins beträgt ebenfalls unter Zugrundelegung der Uniformmethode:</p>
<span class="absatzRechts">19</span><table class="absatzLinks" cellspacing="0" cellpadding="0"><tbody><tr><td><p><span style="text-decoration:underline">3.253,87 x 2.400</span></p>
<p>13.545,43 x 48</p>
</td>
<td><p>= 12,01 %</p>
</td>
</tr>
</tbody>
</table>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Hierbei  ist in die Gesamtbelastung neben den Zinsen eine übliche Bearbeitungsgebühr von 2 % und die 1/2-Restschuldversicherungsprämie einzubeziehen, um vergleichbare Fälle zu schaffen. Die Berücksichtigung der Restschuldversicherungsprämie ist gerechtfertigt, damit auch hier eine etwaige überhöhte Prämie ins Gewicht fällt, wofür im vorliegenden Falle allerdings keine Anhaltspunkte bestehen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Höhe des Schwerpunktzinses von o,43 % p.M. ist unstreitig.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Geht man demgegenüber davon aus, daß die Einschaltung des Kreditvermittlers im beiderseitigen Interesse der Parteien lag, muß die Vermittlungsprovision ebenso wie die Restschuldversicherungsprämie je zur Hälfte auf die Gesamtbelastung und auf den Nettokredit angerechnet werden. Hierfür könnte sprechen, daß die Beklagte in nächster Nähe des Vermittlungsbüros eine eigene Zweigstelle unterhielt, die der Kläger unmittelbar hätte aufsuchen können, was er aber offenbar aus Bequemlichkeit nicht tat.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Hiernach ergibt sich ein Effektivzins von:</p>
<span class="absatzRechts">24</span><table class="absatzLinks" cellspacing="0" cellpadding="0"><tbody><tr><td><p><span style="text-decoration:underline">8.4o5,24 x 2.400</span></p>
<p>13.877,93 x 48</p>
</td>
<td><p>23,o8 %.</p>
</td>
</tr>
</tbody>
</table>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Dieser übersteigt den marktüblichen Zins von 12,o1 % immerhin noch um 92,17 %.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Eine Berücksichtigung der Vermittlungsprovision allein zu Lasten des Klägers in der Weise, daß diese bei der Gesamtbelastung des Klägers außer acht zu lassen wäre, während sie in den Nettokredit voll einzurechnen wäre, kommt demgegenüber nicht in Betracht. Die Beklagte hat von der Einschaltung des Vermittlers zumindest <span style="text-decoration:underline">auch</span> profitiert, denn ihr sind dessen Werbemaßnahmen voll zugute gekommen, die den Kläger überhaupt erst veranlaßt haben, mit ihr in Verbindung zu treten.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Legt man eine Überschreitung des marktüblichen Zinses von 92,17 % zugrunde, so kommt dies einem auffälligen Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung zumindest schon sehr nahe. Dieses ist vollends zu bejahen, wenn man die vermeidbaren Mehrkosten einbezieht, welche durch die von der Beklagten zugegebenermaßen geforderte Umschuldung des Vorkredits entstanden sind. Ohne die Umschuldung wäre der Kläger mit den Kosten des Altkredits belastet geblieben und er hätte zusätzlich die Kosten für einen Kredit in Höhe von 3.000,-- DM zu tragen gehabt. Die Kosten für den Altkredit beliefen sich auf 5.655,61 DM, nämlich:</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Zinsen                             4.836,29 DM</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Barbeitungsgebühr              379,32 DM</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Vermittlungskosten              <span style="text-decoration:underline">44o,-- DM</span></p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">                                     5.655,61 DM</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Anhaltspunkte dafür, daß die Inanspruchnahme des Vermittlers nicht im Interesse der Teilzahlungsbank mit Sitz in I erfolgte, sind nicht ersichtlich.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Für einen Neukredit von 3.000,-- DM hätte der Kläger, wenn man dieselben Konditionen der Beklagten wie für den tatsächlich aufgenommenen höheren Kredit zugrunde legt, anteilige Kosten von etwa 1.415,26 DM aufwenden müssen. Dabei werden ebenfalls eine Maklergebühr in Höhe von 5 %, eine geschätzte Restschuldversicherungsprämie von 11o,-- DM, eine Bankgebühr von 81,5o DM und eine Auskunftsgebühr von 16,3o DM sowie Zinsen in Höhe von 1.187,46 DM (o,775 % p.M. von 3.26o,-- DM für 47 Mon.) zugrunde gelegt. Der Kläger hätte mithin insgesamt</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">5.655,61 DM + 1.415,26 DM = 7.o7o,87 DM zahlen müssen.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Demgegenüber hat die Umschuldung dazu geführt, daß der Kläger zusätzlich zu den Kosten des Neukredits bei der Beklagten von insgesamt 6.4o5,24 DM mit den Kosten für den Altkredit in Höhe von 5.655,61 DM abzüglich der Zinsrückvergütung von 2.645,41 DM, also 3.010,2o DM, belastet geblieben ist, so daß sein Gesamtaufwand 9.415,44 DM ausmachte. Dies ergibt einen vermeidbaren Mehraufwand von 9.415,44 DM ./. 7.o7o,87 DM = 2.344,57 DM. Es liegt offen auf der Hand, daß die Überschreitung des marktüblichen Zinssatzes um 92,17 % in Verbindung mit der Verursachung überflüssiger Mehrkosten von 2.344,57 DM bei einem Kredit der hier vorliegenden Größenordnung Ausdruck eines krassen Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung ist. Der Umstand, daß der Kläger es infolge der Umschuldung nur mit einem Gläubiger zu tun hatte, mag zwar eine Annehmlichkeit gewesen sein, dieser Umstand bildete aber angesichts der immensen Mehrkosten keinen nennenswerten Vorteil. Auf der anderen Seite ist ein Interesse der Beklagten, die einzige Gläubigerin des Schuldners zu sein, zwar grundsätzlich durchaus verständlich, weil dies ihrem Bedürfnis nach größtmöglicher Sicherheit entspricht. Dieses Bedürfnis muß aber zurücktreten, wenn die Umschuldung wie hier wirtschaftlich schlechthin nicht vertretbar ist.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Es kommt hinzu, daß auch die übrigen Kreditbedingungen sehr nachteilig für den Kläger waren, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ohne daß es entscheidend darauf ankommt, ob auch jeweils ein Verstoß gegen das AGBG zu bejahen ist. Abzustellen ist hierbei auf die bei Vertragsschluß der Parteien vereinbarten Darlehensbedingungen, weil eine einmal vorhandene Sittenwidrigkeit des Vertrages nicht entfällt, wenn diesem nachträglich weniger einschneidende Bedingungen beigegeben werden. So begegnet die Vereinbarung eines pauschalierten Schadensersatzes in Höhe von 4 % über dem vereinbarten Effektivzinssatz erheblichen Bedenken, weil der Eindruck entsteht, daß dem Schuldner der Nachweis eines geringeren Schadens abgeschnitten ist. Ferner stellt es einen erheblichen Nachteil dar, daß im Falle der Stundung oder des Verzugs mit einer Rate diese mit 21,6 % zu verzinsen ist, weil es sich angesichts der in den Raten enthaltenen beträchtlichen Kosten teilweise um Zinseszinsen handelt. Ferner ist es sehr nachteilig, wenn im Falle einer vorzeitigen Darlehenskündigung durch den Schuldner nur eine Rückvergütung der Kreditgebühren (= Zinsen), nicht aber der sonstigen Unkosten erfolgt. Auf die Zulässigkeit der Klauseln im einzelnen kommt es hierbei nicht an.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung ergibt sich jedenfalls ein derart gravierendes Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, daß sich schon hieraus auf den sittenwidrigen Charakter des gesamten Geschäfts schließen läßt. Die Ausbeutung des Klägers, der sich nur aufgrund wirtschaftlicher Unterlegenheit auf die Darlehensbedingungen der Beklagten eingelassen hat, liegt auf der Hand. Diese Einsicht mußte sich auch der Beklagten aufdrängen.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde ist nach alledem unzulässig, die der Beklagten erteilten vollstreckbaren Ausfertigungen sind an den Kläger herauszugeben.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 7o8 Nr. 1o, 713 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Wert der Beschwer für die Beklagte: 6.855,o9 DM.</p>
|
315,367 | lg-bonn-1988-05-16-10-o-56887 | {
"id": 804,
"name": "Landgericht Bonn",
"slug": "lg-bonn",
"city": 394,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 10 O 568/87 | 1988-05-16T00:00:00 | 2019-03-13T14:53:53 | 2019-03-27T09:43:18 | Urteil | ECLI:DE:LGBN:1988:0516.10O568.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>1.</p>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p>2.</p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.</p>
<p>3.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p>Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von DM 800,-- abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger macht gegen die Beklagte Versicherung einen Auskunftanspruch geltend.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der am ##. April 1985 verstorbene Vater des Klägers, O, unterhielt bei der Beklagten unstreitig eine Kraftfahrzeug-, eine Hausrat- sowie eine Haftpflichtversicherung.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat seinen Vater mit einem Anteil von 1/4 beerbt; er befürchtet, von seinen Miterben um einen Teil des Nachlasses betrogen zu werden.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist der Ansicht, er habe als Miterbe gegen die Beklagte Anspruch auf umfassende Auskunft über die gesamten Geschäftsbeziehungen zwischen seinem Vater und der Beklagten, insbesondere über die Zahlungswege, durch Vorlage von Fotokopien sämtlicher Verträge- und sonstiger Belege.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">1. die Beklagte zu verurteilen, gegenüber den Erben des am 28. April 1985 verstorbenen O</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">a. unter Vorlage einer Fotokopie Auskunft über den Vertrag # $ ####### zu erteilen;</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">b. Auskunft über die gesamten Geschäftsbeziehungen zwischen der Beklagten und dem verstorbenen Herrn O durch Vorlage der entsprechenden Vertragskopien zu erteilen;</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">c. Auskunft über die Abwicklung der jeweiligen Verträge, insbesondere insoweit, über welche Wege die Beklagte in den Besitz der vereinnahmten Beträge gelangt ist, zu erteilen und diesbezüglich geeignete Belege vorzulegen;</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">2. die unter l. a. bis c. geltend gemachten Auskunftsansprüche für alle Erben bei Gericht zu hinterlegen;</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">3. festzustellen, daß auf Versicherungsverträge die Vorschrift des § 675 BGB Anwendung findet.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Sie ist der Ansicht, dass der Kläger keinen Anspruch auf die geforderte umfassende Auskunft hat, da hierfür keine rechtliche Grundlage erkennbar sei.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Bezüglich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat keinen Auskunftsanspruch gegen die Beklagte aus § 3 Versicherungsvertragsgesetz.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Nach dieser Bestimmung ist der Versicherer lediglich verpflichtet, dem Versicherten die Urkunde. über den Versicherungsvertrag bzw. Abschriften der Erklärungen des Versicherungsnehmers (§ 3 Abs.3 VVG) auszuhändigen. Eine Auskunftspflicht im Sinne einer geordneten Zusammenstellung von rechtserheblichen Vorgängen (vgl. § 259 Abs. 2 BGB) wird durch die Vorschrift nicht begründet. Insbesondere ist es nicht Pflicht des Versicherers, die. Zahlungswege der jeweiligen Versicherungsprämien zurückzuverfolgen. Etwaig angefallene Gutschriftsbelege stellen keine Erklärungen mit Bezug auf den Versicherungsvertrag im Sinne. von § 3 Abs. 3 VVG dar (vgl. Prölss/Martin, Kommentar zum VVG, 23, Aufl., § 3 Anm. 10). Hinzukommt, daß die Bestimmung lediglich Unklarheiten im Rechtsverhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer beseitigen soll. Sie dient nicht dazu, eventuell bestehende Ansprüche gegen Dritte (hier die Miterben) zu konkretisieren.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Der Kläger kann einen Auskunftsanspruch auch nicht aus den §§ 675, 666 BGB herleiten. Zwischen der Beklagten und dem Erblasser bestand kein Geschäftsbesorgungsvertrag. Geschäftsbesorgung im Sinne von § 675 BGB bedeutet nämlich die Wahrnehmung fremder Geschäfte (vgl. Münchner Kommentar-Seiler, 2, Aufl., § 675 Rdn. 3) bzw., eine Tätigkeit im fremden Interesse (vgl. Palandt-Thomas, 47. Aufl., § 675 Anm. 2).</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Demgegenüber verspricht der Versicherer eine durch den Eintritt des Versicherungsfalles bedingte Hauptleistung bzw. schuldet dem Versicherungsnehmer die "Gefahrtragung" (vgl. Prölss-Martin, VVG, § 1  Anm. 2 A, a). Hierfür hat der Versicherungsnehmer als Hauptpflicht die Prämien zu leisten. Insoweit handelt die Versicherung im eigenen Interesse und besorgt nicht fremde Angelegenheiten im Sinne des § 675 BGB. Daraus folgt zugleich, daß § 675 auf Versicherungsverträge nicht anwendbar ist. Es kann insoweit dahingestellt bleiben, daß ein Feststellungsantrag, der sich darin erschöpft, bestimmte Rechtsvorschriften für anwendbar zu erklären, unzulässig ist.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Ein Auskunftsanspruch des Klägers ergibt sich auch nicht aus § 810 BGB. Zunächst ist schon fraglich, ob § 810 BGB neben der Spezialvorschrift des § 3 VVG überhaupt anwendbar ist. Zum anderen gewährt auch § 810 BGB nur ein Einsichtsrecht und keine Verpflichtung zur Auskunft. Hinzukommt, daß auch das rechtliche Interesse des Klägers an einer etwaigen Einsicht durch den globalen Hinweis, er solle um den Anteil an der Erbschaft betrogen werden, nicht ausreicht. Zumal es dem Kläger - der zwischenzeitlich auch gegen die Beklagte Strafanzeige gestellt hat - offenbar um eine unzulässige. Ausforschung der Beklagten geht, um auf diese Weise Beweismittel zu erlangen. Auch aus § 242 BGB hat der Kläger keinen Auskunftsanspruch. Ein Auskunftsrecht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben setzt voraus, daß der Berechtigte in entschuldbarer weise über Bestehen oder umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann (vgl. BGHZ 10, 387; 55, 202). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Rechtsbeziehungen zwischen dem Erblasser und der Beklagten sind nicht im Ungewissen; die Vertragsarten und die abgedeckten Risiken sind bekannt, nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 22. Juni 1987 zum Prozesskostenhilfeverfahren und gegenüber dem Verfahrensbevollmächtigten des Klägers mitgeteilt hat, welche Verträge der Verstorbene bei ihr abgeschlossen hatte. Detaillierte  Ermittlungen von Zahlungsverläufen können grundsätzlich nicht verlangt werden, insbesondere wenn ein berechtigtes Interesse des Auskunftsbegehrenden - wie hier - nicht erkennbar ist (vgl. Münchner Kommentar aaO Seiler, § 666 Rdn. 7).</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Nach alledem war die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Streitwert : 6. 000, -- DM</p>
|
315,368 | olgk-1988-05-13-4-wf-10388 | {
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"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 4 WF 103/88 | 1988-05-13T00:00:00 | 2019-03-13T14:53:55 | 2019-03-27T09:43:18 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1988:0513.4WF103.88.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>wird der Beschluß des Amtsgerichts Bonn vom 20.11.1987 (42 F 203/87) teilweise unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde abgeändert und der Antrag-stellerin Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt I., C. und Rechtsanwalt Dr. J. in 0000 D. als Verkehrsanwalt für folgenden Klageantrag ratenfrei bewilligt</p>
<p></p>
<p>"den Beklagten zu verurteilen, über den durch Urteil des AG Bonn vom 17.11.1983 (47 (45) F 81/81) titulierten und im Rechtsstreit 42 F 310/87 AG Bonn streitigen Unterhalt von insgesamt 460,-- DM hinaus einen weitergehenden Unterhalt von monatlich 240,-- DM ab 1.6.1988 zu zahlen".</p>
<p></p>
<p></p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>G r ü n d e :</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Ehe der Parteien ist am 13.6.1974 aus dem alleinigen Verschulden des Beklagten geschieden worden. Durch Urteil des AG Bonn vom 17.11.1983 ist der Antragstellerin ein Unterhalt von monatlich 460,-- DM zuerkannt worden, wovon aber nur 243,43 DM tituliert worden sind, weil das AG irrtümlich davon ausgegangen ist, der Rest sei bereits tituliert.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Im Parallelverfahren 42 F 310/87, das im September 1987 anhängig gemacht worden ist, hat die Antragstellerin beantragt, den nicht titulierten Teilbetrag von 216,57 DM zuzuerkennen. Durch Urteil vom 26.4.1988 hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">In diesem Verfahren ist am 26.6.1987 ein PKH-Gesuch verbunden mit einer Klage für den Fall der PKH-Bewilligung eingereicht worden. Die Antragstellerin verlangt damit Unterhaltsrückstände für November 1986 bis Juni 1987 in Höhe von 2760,-- DM und (über 460,-- DM hinaus) weitere 345,-- DM monatlich ab 1.7.1987. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin bezieht seit 1.10.1984 vorgezogenes Altersruhegeld und seit 1.10.1986 Rente in Höhe von jetzt 584,42 DM. Mit Schreiben vom 9.10.1986 hatten die Anwälte der Antragstellerin daher beim Beklagten die jetzt verlangte Unterhaltserhöhung angemahnt. Der Beklagte bezieht schon seit 1981 Rente und zwar in Höhe von jetzt 2143,93 DM.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Bei der Anhörung zum PKH-Antrag hat er vorgetragen, infolge seiner Schwerbehinderung einen Mehrbedarf von insgesamt 700,-- DM zu haben.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat daraufhin im PKH-Verfahren ein amtsärztliches Gutachten zur Frage des krankheitsbedingten Mehraufwandes infolge der Behinderung eingeholt, das am 10.11.1987 vorgelegt worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Durch Beschluß vom 20.11.1987 hat es dann Prozeßkostenhilfe mit der Begründung verweigert, der Beklagte sei nicht leistungsfähig, da der Mindestselbstbehalt für ihn auf 1350,-- DM festzusehen sei und er nach dem Gutachten des Amtsarztes 300,-- DM Mehrbedarf für Pflege und 120,-- DM für Diät sowie eine Haushaltshilfe von 2 Stunden täglich benötige.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde vom 13.4.1988 mit der insbesondere geltend gemacht wird, der Antragsgegner werde von seiner Ehefrau versorgt und habe daher allenfalls zusätzlichen Diätaufwand von 100,-- bis 120,-- DM monatlich.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Beschwerde (§ 127 II 2 ZPO) ist teilweise begründet.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">1) Soweit rückständiger Unterhalt und Unterhalt für die Zeit ab Einreichung des PKH-Gesuchs bzw. Zugang beim Gegner geltend gemacht wird, ist die Rechtsverfolgung wegen § 323 III ZPO ohne Aussicht auf Erfolg, da die Abänderung eines Urteils verlangt wird.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH (FamRZ 1982, 365 f. und ständig; ebenso OLH Köln (Senat) FamRZ 1982, 834 und OLG Nürnberg FamRZ 1985, 1152) steht der Senat auf dem Standpunkt, daß der Zugang des PKH-Gesuchs beim Antragsgegner nicht der Klageerhebung gleichgestellt werden kann.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die abweichende Auffassung (Zöller/Schneider, 15. Aufl., § 117 Rn. 11; Rosenberg/Schwab, ZPO, 14. Aufl. § 159 VI 4 und ausführlich Maurer FamRZ 1988, 445 ff.) weist zwar mit Recht darauf hin, daß dies trotz § 65 VII S. 1 Nr. 3 und 4 GKG (Zustellung ohne Vorschußzahlung) eine Schlechterstellung der bedürftigen Partei bedeuten kann. Bei richtiger Handhabung dieser Vorschriften sowie bei gesetzlicher Durchführung des PKH-Prüfungsverfahrens (vgl. Kalthoener/Büttner, Prozeßkostenhilfe und Beratungshilfe, NJW-Schriften 47, Rn. 165 ff., 196) kann die zeitliche Verzögerung aber so gering gehalten werden, daß der Gesetzgeber den Abänderungszeitpunkt im Interesse der Rechtssicherheit ohne Verfassungsverstoß so festlegen konnte. Gerade der Streitfall zeigt, daß es – bei unbefristeter Beschwerde, sonst in der Hand des Antragstellers läge, einen frühzeitigen Abänderungszeitpunkt durch Einreichung (und darauf folgende Zustellung) eines PKH-Gesuches sicherzustellen, ohne gezwungen zu sein, auch eine alsbaldige Klärung herbeizuführen, weil er das PKH-Verfahren durch unvollständige Angaben zu Bedürftigkeit und Erfolgsaussicht verzögern kann und gegen eine ablehnende Entscheidung – im Grundsatz – unbefristet Beschwerde einlegen kann. Die Nachteile, die dem Antragsgegner durch eine vom Gericht zu vertretende Verzögerung der PKH-Entscheidung entstehen können, kann er dagegen durch die Einlegung von Rechtsbehelfen weitgehend vermeiden (vgl. Zöller/Schneider, a.a.O., § 118 Rn. 16; Kalthoener/Büttner, a.a.O., Rn. 167). So hätte im Streitfall schon gegen die "Beweisanordnung im PKH-Prüfungsverfahren, die einer PKH-Ablehnung gleichkommt, Beschwerde eingelegt werden können. Daß dies nicht geschehen ist und gegen die ablehnende Entscheidung erst nach fast 5 Monaten Beschwerde eingelegt worden ist, ist der Antragstellerin zuzurechnen und kann nicht zu einer Schlechterstellung des Antragsgegners entgegen dem klaren Wortlaut des § 323 III ZPO führen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">2) Für die Zeit ab Zustellung der Klage nach PKH-Gewährung bietet die Klage in Höhe eines Teilbetrages von 240,-- DM Aussicht auf Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Für die Beurteilung der Erfolgsaussicht muß das vom Amtsgericht eingeholte Sachverständigengutachten außer Betracht bleiben. Die Einholung dieses Sachverständigengutachtens verstieß gegen § 118 ZPO. Danach werden (Zeugen und) Sachverständige nicht vernommen, es sei denn, daß auf andere Weise nicht geklärt werden kann, ob Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bieten und nicht mutwillig erscheinen. Damit sind dem Gericht nicht etwa die Vorwegnahme des Hauptprozesses und die Beweiserhebung über streitige Tatsachen erlaubt (vgl. OVG Hamburg FamRZ 1987, 178; Kalthoener/Büttner, a.a.O., Rn. 169 ff.), sondern die Erhebungen dienen nur der Glaubhaftmachung. Eine Glaubhaftmachungslast trifft die Antragstellerin dabei nur für Tatsachen, für die sie im Prozeß beweispflichtig ist. Für krankheitsbedingte Einschränkungen der Leistungsfähigkeit ist aber der Antragsgegner beweispflichtig. Der Streit darüber mußte daher im ordentlichen Verfahren geklärt werden.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Für die Beurteilung der Erfolgsaussicht kommt es auf den Zeitpunkt der Entscheidungsreife an (vgl. zum Streit darüber Schneider, Rpfl. 1985, 430 (431 ff.) und Kalthoener/Büttner, a.a.O., Rn. 439 ff. m.w.N.). Würde man in Fällen rechtswidriger Entscheidungsverzögerung auf den Zeitpunkt der Entscheidung abstellen, wäre das Verfassungsgebot des effektiven und chancengleichen Rechtsschutzes verletzt. Für die Beurteilung der Erfolgsaussicht muß daher das Ergebnis der Beweiserhebung außer Betracht bleiben. Ein Gesamtunterhaltsanspruch von 660,-- DM (460,-- DM + 200,-- DM) kommt unter Berücksichtigung des auch von der Antragstellerin eingeräumten Mehrbedarfs in Betracht (2143 – 460 = 1643,-- DM – 120 = 1523,-- DM Nettoeinkommen des Antragsgegners; 584 + 460 = 1044,-- DM Einkommen Antragstellerin. Differenz: 479,-- DM, davon ½ = 239,50).</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">OLG, 4. ZS – FamS –</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Köln, 13.5.88</p>
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"jurisdiction": null,
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} | 20 U 211/87 | 1988-05-11T00:00:00 | 2019-03-13T14:53:56 | 2019-03-27T09:43:18 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1988:0511.20U211.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung des Klägers wird das am 29. Mai 1987 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:</p>
<p>Das Vesäumnisurteil des Landgerichts Arnsberg vom 5. Dezember 1986 - Akt.-Zeichen 1 O 415/85 - bleibt aufrechterhalten, bezüglich des Feststellungsantrages zu Nr. 2 jedoch nur insoweit, als festgestellt wurde, daß der Rückerstattungsanspruch gemäß Schreiben vom 10. Juni 1985 in Höhe von 2.620,- DM nicht besteht.</p>
<p>Im übrigen wird das Versäumnisurteil des Landgerichts Arnsberg vom 5. Dezember 1986 aufgehoben, die Klage wird abgewiesen, die Berufung wird zurückgewiesen.</p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 11/13 und die Beklagte zu 2/13 mit Ausnahme der durch die Säumnis der Beklagten im Termin vom 5. Dezember 1986 entstandenen Kosten, die die Beklagte allein zu tragen hat.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p>Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 6.500,- DM, die auch durch selbstschuldnerische unbefristete Bürgschaft einer öffentlich-rechtlichen Sparkasse oder deutschen Großbank erbracht werden kann, abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe, die durch selbstschuldnerische unbefristete Bürgschaft einer öffentlich-rechtlichen Sparkasse oder deutschen Großbank erbracht werden kann, leistet.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger begehrt die Feststellung, daß ein mit der Beklagten abgeschlossener allgemeiner Unfallversicherungsvertrag wirksam fortbesteht, daß Kündigung und Rücktritt der Beklagten vom Versicherungsvertrag unwirksam und Rückforderungsansprüche der Beklagten von an den Kläger gezahlten Versicherungsleistungen in Höhe von insgesamt 23.995,- DM unbegründet sind. Schließlich begehrt der Kläger von der Beklagten die Zahlung weiterer Versicherungsleistungen aus der Unfallversicherung in Höhe von 22.375,- DM wegen eines Unfalls vom 23. März 1984.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Mit schriftlichem Antrag vom 13. Dezember 1982 beantragte der Kläger bei der Beklagten den Abschluß einer Unfallversicherung. Im Versicherungsfall sollte der Kläger ein allgemeines Krankentagegeld in Höhe von 100,- DM täglich, ein Unfallkrankenhaustagegeld in Höhe von 50,- DM täglich und ein Genesungsgeld von 50,- DM mit üblicher Abstufung erhalten. In dem Versicherungsantrag fand sich ein Kästchen mit der Überschrift: "Versicherungen bestehen/bestanden (Art, Gesellschaft, Vers.-Nr.)". Dieses Kästchen war nicht ausgefüllt. In einem weiteren Kästchen war auf die Frage "Wurden schon Anträge (Unfall oder Leben) abgelehnt oder nur zu erschwerten Bedingungen angenommen?" das Feld "nein" angekreuzt. Schließlich fand sich in einem weiteren Kästchen mit der Überschrift "Folgende Schäden wurden gemeldet (Art, Höhe, Schadentag)" ein Querstrich. Die Beklagte nahm den Antrag des Klägers auf Unfallversicherung an und übersandte eine entsprechende Versicherungspolice.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Zum Zeitpunkt der Antragstellung am 13. Dezember 1982 bestand für den Kläger zumindest eine weitere Kfz-Insassenunfallversicherung bei der Vereinigten Haftpflichtversicherung.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">In der Folgezeit meldete der Kläger bei der Beklagten einen Unfall vom 16. Dezember 1982, den die Beklagte mit 2.620,- DM regulierte, sowie einen Unfall vom 27. Januar 1984, den die Beklagte mit 800,- DM regulierte. In die Felder der jeweiligen Schadensanzeigen war auf die Fragen nach weiteren Versicherungen gegen Unfall und nach früher erlittenen Unfallschäden jeweils in Strich bzw. das Wort "entfällt" eingetragen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Am 24. Januar 1984 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Erhöhung des Krankenhaustagegeldes auf 300,- DM täglich. Auf die Frage in dem Antragsformular, ob weitere Unfallversicherungen bestehen, bestanden oder beantragt waren, kreuzte der Kläger das Kästchen mit der Antwort "nein" an. Die weitere Frage, ob zu bestehenden bzw. abgelaufenen Versicherungen Schäden angemeldet wurden, beantwortete der Kläger nicht, er ließ die Antwortfelder leer.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Noch bevor die Beklagte über die Annahme des Erhöhungsantrags vom 24. Januar 1984 entschied, meldete der Kläger einen weiteren Unfall vom 23. März 1984. In das Schadensanzeigenformular vom 28. Juni 1984 war auf die Frage nach weiteren Unfallversicherungen ein Strich eingetragen, auf die Frage nach früher erlittenen Unfallschäden antwortete der Kläger: "Ihnen bekannt". Obwohl die Beklagte wußte, daß der Antrag vom 24. Januar 1984 noch nicht angenommen worden war, zahlte sie wegen des Unfalls vom 23. März 1984 Versicherungsleistungen in Höhe von 20.575,- DM an den Kläger, wobei sie aus Kulanz das mit Antrag vom 24. Januar 1984 beantragte erhöhte Krankenhaustagegeld von 300,- DM täglich zugrunde legte. Mit Versicherungsschein mit 1. März 1985 nahm die Beklagte den Erhöhungsantrag vom 24. Januar 1984 an, jedoch mit der Maßgabe, daß das Krankenhaustagegeld lediglich auf 150,- DM täglich erhöht wurde.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 11. Februar 1985 trat die Beklagte von dem mit dem Kläger abgeschlossenen Versicherungsvertrag zurück, weil der Kläger in den Anträgen vom 13. Dezember 1982 und vom 24. Januar 1984 weitere bestehende Unfallversicherungen bei der ... Versicherung, beim ... Versicherungsverein ... und bei der ... Haftpflichtversicherung bewußt verschwiegen habe. Gleichzeitig focht sie den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung an und forderte vom Kläger die Rückzahlung der bereits gezahlten Versicherungsleistungen in Höhe von 20.575,- DM.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist der Ansicht, Rücktritt und Anfechtung seien unwirksam, der Versicherungsvertrag bestehe fort. Zum Zeitpunkt der Antragstellung am 13. Dezember 1982 hätten zu seinen Gunsten keine weiteren Unfall- oder Krankentagegeldversicherungen bestanden. Eine Versicherung bei der ... Versicherung sei bereits 1979 aufgehoben worden. Eine Insassenunfallversicherung sei nicht personenbezogen, sondern auf das Fahrzeug bezogen gewesen, so daß der den Versicherungsvertrag vermittelnde Mitarbeiter der Beklagten gesagt habe, diese sei nicht anzeigepflichtig. Im übrigen sei die Nichtanzeige anderweitiger Unfallversicherungen ohne Einfluß auf den späteren Versicherungsfall und die Leistungspflicht der Beklagten geblieben. Die Frage nach anderweitigen Versicherungen sei nicht sachdienlich. Die Versicherungsanträge und Schadensanzeigen habe alle seine Ehefrau ausgefüllt, er habe lediglich im guten Glauben und im Vertrauen auf die Richtigkeit unterzeichnet. Die Beklagte habe durch Informationen der Krankenhäuser bei Bezahlung früherer Rechnungen gewußt, daß weitere Versicherungen bestanden hätten.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Zum Zahlungsanspruch hat der Kläger behauptet, am 23. März 1984 mit seinem Pkw einen Verkehrsunfall erlitten zu haben. Dabei habe er sich eine Gehirnerschütterung zugezogen, die einen unfallbedingten Krankenhausaufenthalt in der Zeit vom 6. Juli bis zum 21. Juli 1984 erforderlich gemacht habe, ferner sei er in der Zeit vom 28. April bis zum 24. August 1984 unfallbedingt arbeitsunfähig gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Durch am 5. Dezember 1986 verkündetes Versäumnisurteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg ist festgestellt worden, daß der Unfallversicherungsvertrag ... und der Versicherungsvertrag ... rechtswirksam sind und durch die Kündigungen und Rücktrittserklärungen vom 11. Februar 1985 und vom 10. Juni 1985 nicht aufgehoben worden sind; ferner, daß der Rückerstattungsanspruch gemäß Schreiben vom 10. Juni 1985 über 3.420,- DM und von zusätzlich 20.575,- DM nicht besteht.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Nachdem die Beklagte gegen dieses ihr am 15. Dezember 1986 zugestellte Versäumnisurteil mit Schreiben vom 16. Dezember 1986, bei Gericht eingegangen am 18. Dezember 1986 form- und fristgerecht Einspruch eingelegt hatte, hat der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">das Versäumnisurteil vom 5. Dezember 1986 aufrechtzuerhalten;</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an ihn 22.375,- DM nebst 12 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">das Versäumnisurteil vom 5. Dezember 1986 aufzuheben und die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat den vom Kläger behaupteten Verkehrsunfall vom 23. März 1984 bestritten und behauptet, die relativ geringfügigen Schäden am Fahrzeug des Klägers seien nicht in Überstimmung zu bringen mit den behaupteten erheblichen Verletzungen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Im übrigen ist sie der Ansicht, vom Kläger arglistig getäuscht worden zu sein, weil der Kläger bei Beantragung der Versicherung und bei der Erhöhung der Versicherungsleistungen mehrere bestehende Unfallversicherungen bewußt verschwiegen habe. Die Frage nach weiteren Versicherungen sei sachdienlich.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe in seinen Schadensanzeigen über einen erheblichen Umstand unrichtige Angaben gemacht, so daß die Beklagte wirksam gemäß §17 VVG vom Vertrage habe zurücktreten können. Die unrichtige Beantwortung der Fragen nach anderen Unfallversicherungen durch den Kläger sei vorsätzlich erfolgt.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, wiederholt und ertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und rügt, daß §17 VVG nicht die unrichtige Schadensanzeige betreffe, sondern die unrichtige Beantwortung der für die Übernahme der Gefahr erheblichen Fragen bei Vertragsschluß. Zweifelhaft sei bereits, ob aus der Formulierung des Antrags auf Abschluß einer Unfallversicherung überhaupt eine Frage an den Versicherungsnehmer nach anderen Versicherungen zu erkennen sei. Die generelle Frage nach früheren und jetzigen Versicherungen sei unzulässig. Bei der Erhöhung der Versicherungssumme im Jahre 1984 sei zwar nach weiteren Unfallversicherungen gefragt worden, hierbei habe es sich jedoch nicht um den Abschluß eines neuen Vertrages gehandelt. Einem Rückforderungsanspruch der Beklagten stehe §814 BGB entgegen, weil sie in Kenntnis des noch nicht angenommenen Antrags vom 24. Januar 1984 ohne Rechtsgrund aus Kulanz gezahlt habe. Eine arglistige Täuschung liege nicht vor, weil bei Abschluß des Versicherungsvertrages und bei Abgabe des Antrags vom 13. Dezember 1982 keine weiteren allgemeinen Unfallversicherungen bestanden hätten. Für einen Rücktritt vom Versicherungsvertrag sei die Frist des §20 VGG nicht gewahrt. Eine Obliegendheitsverletzung im Sinne von §17 AUB liege ebenfalls nicht vor, weil andere Versicherungen nicht planmäßig verschwiegen worden seien, im übrigen seien berechtigte Interessen der Beklagten nicht ernsthaft gefährdet worden.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">das angefochtene Urteil des Landgerichts Arnsberg abzuändern und</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">das Versäumnisurteil vom 5. Dezember 1986 aufrechtzuerhalten;</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an ihn 22.375,- DM nebst 12 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil, stützt ihre Leistungsfreiheit aber nicht länger auf Rücktritt vom Vertrag gemäß §17 VGG, sondern allein auf Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung gemäß §§22 VVG/123 BGB. Sie behauptet, vom Kläger arglistig getäuscht worden zu sein. Die Anfechtung des Vertrages sei rechtzeitig. Fragen nach ... dem Bestehen anderer Versicherungen habe der Versicherungsnehmer zu beantworten, sie seien relevant. In der Schadensanzeige zu dem angeblichen Unfall vom 23. März 1984 habe der Kläger ebenfalls falsche Angaben gemacht. Erklärungen seiner Ehefrau müsse sich der Kläger zurechnen lassen. Nach dem angeblichen Unfall vom 23. März 1984 habe der Kläger seine Pflicht zur unverzüglichen Schadensanzeige verletzt. Schließlich bestreitet die Beklagte weiterhin, daß der Kläger am 23. März 1984 einen Unfall erlitten habe. Der Unfall habe sich nicht ereignet, jedenfalls nicht in der vom Kläger behaupteten Art und Weise.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die in den Entscheidungsgründen weiter mitgeteilten näheren Einzelheiten Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat Beweis erhoben über die Behauptungen der Parteien durch Vernehmung der Zeugen ... und ....</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Der Zeuge ... hat bekundet:</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Ich habe seinerzeit im Jahre 1982 den Unfallversicherungsvertrag für die Beklagte mit dem Kläger abgeschlossen. Damals war ich Angestellter der Beklagten, jetzt bin ich selbständiger Versicherungskaufmann, bin allerdings nur für die Beklagte tätig. Herr ... hatte bei mir eine Lebensversicherung, Krankenversicherung, Sachversicherung und Autoversicherung abgeschlossen, eigentlich hatte er für alle Risiken eine Versicherung bei mir abgeschlossen. Das in der Unfallversicherung vorgesehene Tagegeld ist später auf täglich 300,- DM erhöht worden.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Der Antrag auf Unfallversicherung vom 13. Dezember 1982 ist von mir nach Angaben des Klägers ausgefüllt worden, in dem Antragsformular findet sich meine Schrift. Ich habe Herrn ... auch nach anderen Versicherungen gefragt, er hat mir daraufhin geantwortet, daß noch weitere Insassenversicherungen bestünden. Ich habe ihm daraufhin gesagt, daß dies egal sei und keine Rolle spiele. Ich hab in der Vergangenheit bei Anträgen auf Abschluß einer Unfallversicherung Kfz-Insassenversicherungen noch nie angegeben und auch noch nie in die Antragsformulare eingetragen. Über die alte Versicherung von Herrn ... bei der ... Versicherung kann ich heute keine Angaben mehr machen, ich weiß dazu heute nichts mehr. Es kann sein, daß über diese Versicherung bei Beantragung der Unfallversicherung bei der Beklagten gesprochen worden ist, ich kann mich insoweit aber nicht festlegen. Hätte mir Herr ... gesagt, daß die Versicherung bei der ... Versicherung im Jahre 1979 gekündigt worden war, hätte ich diese Versicherung wahrscheinlich nicht mit in dem Antragsformular aufgeführt. 1984 bei der Erhöhung der Versicherungssumme ist von einer Familien- und Unfallversicherung nach meiner Erinnerung nicht gesprochen worden, genau weiß ich das aber nicht mehr.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Auf Frage:</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Wenn mir ein Antragsformular auf Abschluß einer Unfallversicherung vorgehalten wird, so ergibt sich daraus für mich nichts anderes. Ich habe mich seinerzeit bei Abschluß der Versicherung so verhalten, wie ich es soeben geschildert habe. Ich habe Herrn ... die von mir geschilderten Auskünfte gegeben. Ich halte sie auch für richtig. Auch auf Frage bleibe ich dabei, daß ich heute nicht mehr sagen kann, ob 1984 bei der Erhöhung der Versicherungssumme nach weiteren Unfallversicherungen gefragt worden ist oder nicht. Ich weiß heute nicht einmal mehr, ob ich das Antragsformular vom 24. Januar 1984 überhaupt nach Angaben von Herrn ... ausgefüllt habe oder ob ich die Angaben aus dem alten Antrag vom 13. Dezember 1982 lediglich übernommen und übertragen habe. Da es sich 1984 bloß um eine Erhöhung der Versicherungssumme eines bestehenden Vertrages handelte, wäre es durchaus üblich gewesen, die in dem Antragsformular erfragten Angaben ohne Einschaltung des Versicherungsnehmers aus dem alten Antragsformular einfach zu übernehmen. Manchmal werden Erhöhungen von Versicherungssummen aus bestehenden Versicherungsverträgen sogar formlos ohne neues Antragsformular vorgenommen.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">...</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Die Zeugin hat bekundet:</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Den Antrag auf Abschluß einer Unfallversicherung vom 13. Dezember 1982 hat mein Ehemann unterschrieben. Auf Bl. 79 der Gerichtsakten befindet sich die Unterschrift meines Mannes. Dagegen stammt die Unterschrift auf dem Antragsformular vom 24. Januar 1984 von mir. Auch die Schadensanzeige vom 28. Juni 1984 habe ich ausgefüllt und unterschrieben, in der mir vorgelegten Schadensanzeige, die sich in Ablichtung auf Bl. 83/84 der Gerichtsakten befindet, erkenne ich meine Schrift wieder. Die Schadensanzeige vom 30. Mai 1983 habe ich nicht ausgefüllt, dabei handelt es sich nicht um meine Schrift, ich habe diese Schadensanzeige jedoch unterschrieben, die Unterschrift auf Bl. 86 der Gerichtsakten stammt von mir.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Der Zeuge ... - wieder vorgerufen - hat bekundet:</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Die Schadensanzeige vom 30. Mai 1983 habe ich ausgefüllt, ich erkenne meine Schrift wieder, das gleiche gilt für die Schadensanzeige vom 1. März 1984, die sich auf Bl. 88 der Gerichtsakten befindet.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Die Zeugin ... hat weiter bekundet:</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Heute weiß ich, daß meine Angaben in den Schadensanzeigen unrichtig waren. Ich habe mir dabei aber nichts gedacht. Für mich war immer maßgebend, daß die Prämien bei der Beklagten gezahlt waren. Ich dachte, wir haben die Prämien bezahlt, dann muß die Versicherung auch ihre Versicherungsleistungen zahlen. Ich wollte nicht böswillig falsche Angaben machen, mir ist das einfach nur so passiert. Im übrigen standen die anderen Versicherungen doch auch auf den Krankenhausunterlagen, welche ich der Beklagten eingereicht habe. Es bestand daher gar kein Grund, die anderen Versicherungen der Beklagten gegenüber nicht anzugeben.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Die Unfallschadenanzeige vom 7. März 1985, die sich in Ablichtung auf Bl. 200/201 der Gerichtsakten befindet, habe ich geschrieben, ich erkenne meine Schrift wieder. Die Unterschrift stammt jedoch nicht von mir.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Der Kläger persönlich hat bekundet:</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Die Unterschrift auf der Schadenanzeige vom 7. März 1985 gegenüber der ... Versicherung stammt von mir. Es ist richtig, daß ich bei der ... Versicherung und beim ... Versicherungsverein ... weitere Versicherungen abgeschlossen hatte. Bei der ... Versicherung handelte es sich jedoch um eine Insassenversicherung, bei dem ... um eine Familienversicherung. Bei der ... Versicherung bestand kein Versicherungsschutz mehr. Diese Versicherung wurde bereits 1978/1979 gekündigt, weil die Versicherung in der Vergangenheit zu viel Prämie kassiert hatte. Es wurde nach 1979 auch keine Prämie mehr an die ... Versicherung gezahlt. Herr ... wußte, daß ich die Versicherung bei der ... Versicherung gekündigt hatte.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung hat nur teilweise Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Der Kläger kann die Feststellung verlangen, daß der mit der Beklagten geschlossene Unfallversicherungsvertrag einschließlich der am 24. Januar 1984 beantragten und mit Versicherungsschein vom 1. März 1985 vereinbarten Erhöhung des Krankenhaustagegeldes auf 150,- DM täglich rechtswirksam und weder durch die Kündigungen und Rücktrittserklärungen der Beklagten vom 10. Februar 1985 und 10. Juni 1985 aufgehoben wurde noch infolge Anfechtung durch die Beklagte wegen arglistiger Täuschung nichtig ist.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Der Kläger kann ferner die Feststellung verlangen, daß ein Rückerstattungsanspruch der Beklagten gemäß Schreiben vom 10. Juni 1985 in Höhe von 2.620,- DM wegen an den Kläger gezahlter Versicherungsleistungen in Höhe von 2.620,- DM wegen eines Unfalls vom 16. Dezember 1982 nicht besteht. Im übrigen war die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks"><b>I.</b></p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte, die sich in der Berufungsinstanz nicht mehr auf die Unwirksamkeit des Versicherungsvertrages wegen Rücktritts und Kündigung beruft, konnte den mit dem Kläger abgeschlossenen Versicherungsvertrag auch nicht wirksam wegen arglistiger Täuschung anfechten. Die Beklagte wurde vom Kläger weder in dem Antrag auf Abschluß einer Unfallversicherung vom 13. Dezember 1982 noch in dem Antrag auf Erhöhung der Versicherungssumme vom 24. Januar 1984 arglistig getäuscht. Es ist nicht bewiesen, daß der Kläger bei Antragstellung andere Unfallversicherungen arglistig verschwieg.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks"><b>1.</b></p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">In den Formularen der Beklagten, die der Kläger zur Beantragung einer Unfallversicherung am 13. Dezember 1982 und zur Beantragung einer Erhöhung der Versicherungssumme am 24. Januar 1984 verwandte, war nach weiteren Unfallversicherungen des Antragstellers gefragt. Im Gegensatz zur Ansicht des Klägers ist eindeutig, daß es sich bei den entsprechenden Rubriken in den Antragsformularen nicht lediglich um statistische Angaben für den Versicherungsvertreter der Beklagten handelte, sondern um vom Antragsteller zu beantwortende Fragen. Dies folgt aus dem Zusammenhang mit den unmittelbar anschließenden Fragen, ob schon Anträge (Unfall oder Leben) abgelehnt oder nur zu erschwerten Bedingungen angenommen oder ob Schäden schon gemeldet wurden. In dem am 24. Januar 1984 verwandten Formular ist ausdrücklich nach weiteren bestehenden oder beantragten Unfallversicherungen gefragt.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks"><b>2.</b></p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">In den Antragsformularen vom 13. Dezember 1982 und vom 24. Januar 1984 täuschte der Kläger die Beklagte nicht arglistig über das Bestehen oder Nichtbestehen weiterer Unfallversicherungen.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß bei Antragstellung am 13. Dezember 1982 Insassenversicherungen für verschiedene Fahrzeuge des Klägers bestanden, und zwar nach der Behauptung der Beklagten zwei Insassenunfallversicherungen bei der ... Versicherungs AG, eine weitere am 19. Januar 1981 abgeschlossene Insassenunfallversicherung bei der ... Versicherung und schließlich eine weitere am 30. Dezember 1981 abgeschlossene Insassenunfallversicherung bei der ... Haftpflichtversicherung. Es ist bereits zweifelhaft, ob in den Antragsformularen vom 13. Dezember 1982 und vom 24. Januar 1984 nach Insassenunfallversicherungen überhaupt gefragt wurde Insassenversicherungen, die auf einzelne Fahrzeuge bezogen sind, sind nicht gleichzusetzen mit allgemeinen Unfallversicherungen. Allgemeine Unfallversicherungen sind personenbezogen, betreffen nur die in dem Versicherungsvertrag bezeichnete versicherte Person, das versicherte Risiko ist allein die Gesundheit eines bestimmt bezeichneten Menschen. Demgegenüber war es bei den verschiedenen Insassenunfallversicherungen nicht einmal sicher, ob der Kläger einmal aus einer der abgeschlossenen Insassenunfallversicherungen berechtigt sein würde. Die Insassenunfallversicherung ist nicht personenbezogen, versichert ist vielmehr der jeweilige Insasse eines Fahrzeugs, für welches eine Insassenunfallversicherung abgeschlossen wurde. Angesichts dieser Unterschiede zwischen allgemeiner Unfallversicherung und Insassenunfallversicherung ist es bereits zweifelhaft, ob in den Antragsformularen vom 13. Dezember 1982 und vom 24. Januar 1984 überhaupt nach Insassenunfallversicherungen gefragt war. Jedenfalls war es aus der Sicht des Klägers keineswegs zwingend, auf die Frage der Beklagten nach bestehenden Unfallversicherungen auch Insassenunfallversicherungen anzugeben, so daß insoweit ein arglistiges Verhalten des Klägers nicht feststellbar ist.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Abgesehen davon war in dem Versicherungsantrag vom 13. Dezember 1982 bezüglich anderer Versicherungen keine Angaben des Klägers enthalten. Es fehlen aber die gewünschten Angaben. Der Kläger hat die entsprechende Frage der Beklagten ... nicht beantwortet. Es ist nicht ersichtlich, worüber die Beklagte vom Kläger getäuscht worden sein sollte, wenn der Kläger auf eine Frage der Beklagten erkennbar nicht geantwortet hat. Die Nichtbeantwortung einer Frage stellt nicht ohne weiteres eine arglistige Täuschung des Fragenden dar. Für die Beklagte war erkennbar, daß der Kläger die Frage nach weiteren Versicherungen nicht beantwortet hatte. Ein Irrtum konnte hierdurch bei ihr nicht erweckt werden. Im übrigen hätte die Beklagte durch einfache Nachfrage beim Kläger für eine Klarstellung sorgen können, wenn ihr hieran gelegen gewesen wäre.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">c)</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Soweit die Beklagte behauptet, der Kläger habe bei Antragstellung am 13. Dezember 1982 und am 24. Januar 1984 eine am 3. Juli 1969 bei der ... und ... Versicherungs AG abgeschlossene allgemeine Unfallversicherung nicht angegeben, die noch im August 1984 bestanden habe, kann ebenfalls eine arglistige Täuschung der Beklagten durch den Kläger nicht festgestellt werden. Der Kläger ging bei Antragstellung im Jahre 1981 und 1984 davon aus, die Versicherung bei der Aachener und ... Versicherungs AG sei bereits im Jahre 1979 aufgehoben worden. Dies bestätigt die ... Versicherungs AG mit Schreiben vom 8. Oktober 1985, in welchem es ausdrücklich heißt, daß sich die Versicherungsvertragsparteien darüber einig geworden seien, daß der allgemeine Unfallversicherungsvertrag vom 3. Juli 1969 vom Kläger im Jahre 1979 gegenüber dem Versicherungsvertreter der Beklagten gekündigt worden sei und daß dieser Vertrag ab 1979 als beendet gelte. Die Beklagte hat nicht substantiiert vorgetragen und unter Beweis gestellt, warum dieses Schreiben der Aachener und Münchener Versicherungs AG vom 8. Oktober 1985 unrichtig sein sollte. Unrichtigkeiten sind auch im übrigen nicht ersichtlich. Es ist daher plausibel, wenn der Kläger im Senatstermin persönlich erklärt hat, seit 1979 Versicherungsprämien an die ... Versicherungs AG nicht mehr gezahlt zu haben und davon ausgegangen zu sein, daß dieser Versicherungsvertrag nicht mehr bestehe. Weil dem Kläger nicht zu widerlegen ist, daß es überzeugt war, bei der ... Versicherungs AG nicht mehr allgemein gegen Unfall versichert zu sein, kann in dem Verschweigen dieser Versicherung gegenüber der Beklagten ein arglistiges Verhalten des Klägers nicht gesehen werden.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">d)</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Es bleiben die beiden von der Beklagten behaupteten allgemeinen Unfallversicherungen des Klägers bei dem landwirtschaftlichen Versicherungsverein Münster vom 20. Juni 1983 und bei der ... Versicherung vom 2. Januar 1984, welche der Kläger der Beklagten gegenüber ebenfalls nicht angab. Insoweit scheidet ein arglistiges Verhalten des Klägers bei Beantragung der Unfallversicherung am 13. Dezember 1982 bereits deshalb aus, weil auch nach der Behauptung der Beklagten zu diesem Zeitpunkt die beiden genannten Unfallversicherungsverträge noch nicht bestanden.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Aber auch bezüglich des Antrags vom 24. Februar 1984 hat die Beklagte den ihr obliegenden Beweis nicht erbracht, vom Kläger bzw. dessen Ehefrau arglistig getäuscht worden zu sein. Die Beweisaufnahme hat nicht einmal zu der Feststellung geführt, daß die Angaben in dem Antrag vom 24. Januar 1984 auf Erklärungen des Klägers bzw. seiner Ehefrau beruhten. Der Zeuge ... hat bei seiner Vernehmung durch den Senat eingeräumt, daß es durchaus üblich und auch im konkreten Fall möglich sei, bei bloßen Erhöhungen der Versicherungssummen von bestehenden Unfallversicherungen die für den Antrag erforderlichen Angaben aus dem in den Versicherungsakten vorhandenen alten Antrag auf Abschluß einer Versicherung zu übernehmen, ohne daß der Versicherungsnehmer eingeschaltet werde. Wie im vorliegenden Fall bei Antragstellung am 24. Januar 1984 verfahren wurde, hat der Zeuge im nachhinein nicht mehr sagen können. Der Zeuge hat sich auch nicht mehr daran erinnern können, ob bei Antragstellung am 24. Januar 1984 von anderen Familien- und Unfallversicherungen gesprochen wurde oder nicht. Schließlich konnte er nicht mehr angeben, ob er den Kläger bzw. dessen Ehefrau im Jahre 1984 überhaupt nach anderen Unfallversicherungen gefragt hat oder nicht. Fest steht aber, daß der Antrag vom 24. Januar 1984 von dem Zeugen ... ausgefüllt und von der Ehefrau des Klägers, nicht von diesem selbst unterschrieben wurde.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Zwar muß sich der Kläger die Unterschrift seiner Ehefrau unter dem Versicherungsantrag vom 24. Januar 1984 zurechnen lassen, weil er seiner Ehefrau die Beantragung der Erhöhung der Versicherungssumme zur selbständigen Bearbeitung übertragen und ihr darüber hinaus nach eigenem Vortrag die Regelung der Angelegenheiten mit den Versicherungen überlassen hatte. Damit war seine Ehefrau entweder seine Repräsentatin im versicherungsrechtlichen Sinne oder aber seine Wissenerklärungsvertreterin, deren Verhalten er sich entsprechend §166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen muß (vgl. Senat, Urteil vom 27. Juni 1986 - 20 U 68/86 - und Zitate).</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Aufgrund der aufgezeigten Umstände über das Zustandekommen des Antrags auf Erhöhung der Versicherungssumme vom 24. Januar 1984 und im Hinblick auf die Vernehmung der Ehefrau des Klägers durch den Senat kann ein arglistiges Verhalten der Ehefrau des Klägers jedoch nicht festgestellt werden. Die Ehefrau des Klägers handelte, wenn die Angaben in dem Antrag vom 24. Januar 1984 überhaupt auf ihren Erklärungen beruht haben sollten, was durch die Aussage des Zeugen ... keineswegs bewiesen ist, nicht planvoll, um die Beklagte zu täuschen. Die Aussage der Zeugin ... zeigt, daß sie den Sinn der Fragestellung der Beklagten nach weiteren Unfallversicherungen erkennbar nicht voll erfaßt hatte. Sie ging davon aus, daß die Beklagte durch Einsichtnahme in die Krankenhausunterlagen die erforderlichen Informationen über andere Unfallversicherungen erlangen würde. Angesichts dieser Vorstellungen der Ehefrau des Klägers ist ein Motiv für eine bewußte Verschleierung der tatsächlich bestehenden weiteren Versicherungen nicht erkennbar. Die Ehefrau des Klägers selbst hat angegeben, aus Gedankenlosigkeit gehandelt zu haben. Hieraus kann auf ein arglistiges Verhalten der Ehefrau des Klägers nicht geschlossen werden.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">e)</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Eine arglistige Täuschung der Beklagten bei Abschluß des Versicherungsvertrages vom 13. Dezember 1983 scheidet schließlich auch deshalb aus, weil der Zeuge ... bei seiner Vernehmung vor dem Senat glaubhaft und überzeugend bekundet hat, vom Kläger bei Aufnahme des Antrags auf Unfallversicherung über weitere bestehende Insassenunfallversicherungen informiert worden zu sein und dem Kläger daraufhin die Auskunft gegeben zu haben, diese Unfallversicherungen müßten in dem Antragsformular nicht aufgeführt werden. Auf diese Auskunft des geschulten Versicherungsvertreters der Beklagten durfte sich der Kläger verlassen, im übrigen muß sich die Beklagte das Wissen ihres Versicherungsvertreters zurechnen lassen, so daß sie bei Abschluß des Versicherungsvertrages vom Kläger bzw. dessen Ehefrau nicht arglistig getäuscht wurde.</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">f)</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Ob eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nicht letztlich an fehlender Kausalität scheitern würde - die Beklagte stellte in Kenntnis aller Umstände den Versicherungsschein aus braucht nicht entschieden zu werden.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks"><b>3.</b></p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Soweit der Kläger in den verschiedenen Schadensanzeigen an die Beklagte teilweise unrichtige Angaben machte, hätte dies, selbst wenn arglistiges Verhalten des Klägers unterstellt würde, nicht zum Abschluß des Versicherungsvertrages mit der Beklagten geführt, so daß deswegen auch eine Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung nicht gerechtfertigt ist. Allenfalls käme insoweit eine Leistungsfreiheit in Betracht.</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">Nach allem war die Beklagte nicht berechtigt, den mit dem Kläger abgeschlossenen Unfallversicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, so daß festzustellen war, daß der am 13. Dezember 1982 beantragte Unfallversicherungsvertrag mit der am 24. Januar 1984 beantragten Erhöhung der Versicherungsleistungen rechtswirksam ist und zwischen den Parteien unverändert fortbesteht.</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks"><b>II.</b></p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Ein Rückerstattungsanspruch der Beklagten gegen den Kläger wegen zu Unrecht gezahlter Versicherungsleistungen in Höhe von 2.620,- DM aufgrund des Unfalls vom 16. Dezember 1982 besteht nicht.</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks"><b>1.</b></p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, der vom Kläger behauptete Unfall vom 16. Dezember 1982 habe ... nicht stattgefunden. Dieser Vortrag der Beklagten ... unstubstantiiert, nicht nachvollziehbar und auch nicht überprüfbar. Die Beklagte hat in der Vergangenheit die Erklärungen des Klägers zum Hergang seines Unfalls vom 16. Dezember 1982 zu keinem Zeitpunkt bestritten, ist von der Richtigkeit der Behauptungen des Klägers ausgegangen und hat die dem Kläger aufgrund des Unfalls zustehenden Versicherungsleistungen in Höhe von 2.620,- DM an den Kläger gezahlt. Unter diesen Umständen wäre die Beklagte bei der Geltendmachung eines Rückzahlungsanspruchs beweispflichtig dafür, daß sich der Unfall vom 16. Dezember 1982 tatsächlich nicht ereignet und der Kläger die Versicherungsleistungen in Höhe von 2.620,- DM zu Unrecht bezogen hat. Geeigneten Beweis hat die Beklagte insoweit nicht angetreten, es fehlt sogar an einem substantiierten Vortrag, der unter Beweis gestellt werden könnte.</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks"><b>2.</b></p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte ist wegen des Unfalls des Klägers vom 16. Dezember 1982 auch nicht leistungsfrei wegen etwaiger Obliegenheitsverletzungen des Klägers. Die Schadensanzeige vom 30. Mai 1983 enthält keine falschen Angaben. Insbesondere beantwortete der Kläger die Frage, bei welcher Gesellschaft oder bei welcher Berufsgenossenschaft er noch gegen Unfall versichert sei, nicht falsch. Es wurde bereits ausgeführt, daß die bestehenden Insassenunfallversicherungen für verschiedene Fahrzeuge des Klägers nicht gleichzusetzen sind mit allgemeinen Unfallversicherungen, nach denen allein in den Schadensanzeigenformularen gefragt war. Die Insassenunfallversicherungen brauchte der Kläger nicht anzugeben. Es wurde ebenfalls bereits ausgeführt, daß der Kläger zu Recht davon ausgehen durfte, daß die bei der ... und ... Versicherungs AG bestehende Unfallversicherung bereits im Jahre 1979 aufgehoben worden war und nicht mehr fortbestand, so daß auch diese Versicherung vom Kläger in dem Schadenanzeigenformular vom 30. Mai 1983 jedenfalls nicht schuldhaft verschwiegen war. Die allgemeinen Unfallversicherungen, die für den Kläger bei dem ... Versicherungsverein ... und bei der ... bestanden, wurden erst am 20. Juni 1983 bzw. am 2. Januar 1984 begründet, so daß beide allgemeinen Unfallversicherungen bei Einreichung der Schadensanzeige vom 30. Mai 1983 noch nicht bestanden und demzufolge auch nicht anzugeben waren. Andere Unrichtigkeiten in dem Schadenanzeigenformular vom 30. Mai 1983 sind nicht ersichtlich und werden von der Beklagten auch nicht behauptet.</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks"><b>3.</b></p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Schließlich kann sich die Beklagte für ihre Leistungsfreiheit nicht darauf berufen, die Schadensanzeige vom 30. Mai 1983 betreffend den Unfall des Klägers vom 16. Dezember 1982 sei verspätet eingereicht worden. Dieser Umstand war der Beklagten bekannt, als sie die Schadensanzeige des Klägers vom 30. Mai 1983 bearbeitete und gleichwohl den vom Kläger geltend gemachten Schaden in Höhe von 2.620,- DM regulierte. Damals berief sich die Klägerin nicht darauf, wegen verspäteter Schadensanzeige leistungsfrei zu sein, so daß es ihr 5 Jahre nach Regulierung des Unfallschadens vom 16. Dezember 1982 verwehrt ist, wegen dieses von ihr hingenommenen Umstands die Rückforderung der gezahlten Versicherungsleistungen zu verlangen.</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks"><b>III.</b></p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">Demgegenüber kann der Kläger nicht die Feststellung verlangen, daß der Anspruch der Beklagten auf Rückerstattung von gezahlten Versicherungsleistungen in Höhe von 800,- DM wegen eines Schadenfalles vom 27. Januar 1984 und in Höhe von 20.575,- DM wegen eines Schadenfalles vom 23. März 1984 nicht besteht.</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Der Kläger machte in den Schadensanzeigen vom 1. März 1984 und vom 28. Juni 1984, mit denen er die beiden genannten Schadensfälle gegenüber der Beklagten anzeigte, unvollständige bzw. unrichtige Angaben, wodurch er seine Obliegenheiten aus §15 Nr. II Abs. 4 AUB vorsätzlich verletzte, so daß die Beklagte gem. §§17 AUB; 6 Abs. 3 VVG insoweit leistungsfrei ist.</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks"><b>1.</b></p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">Nach §15 Nr. II Abs. 4 AUB ist ein Versicherungsnehmer u.a. verpflichtet, nach einem Versicherungsfall die Schadensanzeige sorgfältig auszufüllen und alle sachdienlichen Fragen zu beantworten. Die Verletzung dieser vertraglichen Obliegenheit führt gem. §17 AUB, der §6 Abs. 3 VVG entspricht, grundsätzlich zur Leistungsfreiheit des Versicherers, wenn der Versicherungsnehmer sich nicht von dem Vorwurf vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verhaltens entlastet oder nachweist, daß die Obliegenheitsverletzung auf die Feststellung des Versicherungsfalls oder die Höhe der Versicherungsleistung keinen Einfluß gehabt hat.</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks"><b>2.</b></p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">Die Beweisaufnahme hat ergeben, daß in der Schadensanzeige vom 28. Juni 1984, welche die Ehefrau des Klägers selbst ausfüllte und unterschrieb, die Frage der Beklagten nach dem Bestehen anderweitiger Unfallversicherungen ... unrichtig beantwortet wurde, indem die Ehefrau des Klägers in das für die Antwort vorgesehene Feld einen Querstrich machte und damit zum Ausdruck brachte, daß anderweitige Unfallversicherungen des Klägers nicht bestanden. In der Schadensanzeige vom 1. März 1984, welche vom Kläger unterschrieben wurde, wurde die Frage nach anderen Unfallversicherungen ... nicht beantwortet. Wie bereits ausgeführt, muß sich der Kläger das Verhalten seiner Ehefrau zurechnen lassen. Entgegen seinen Obliegenheiten aus §15 Nr. II Abs. 4 AUB füllte der Kläger bzw. dessen Ehefrau den von der Beklagten gelieferten Vordruck für Schadensanzeigen nicht nur nicht sorgfältig, sondern bewußt unvollständig und wahrheitswidrig aus. Die zum Zeitpunkt der beiden genannten Schadensanzeigen für den Kläger bei dem ... Versicherungsverein ... und bei der ... Versicherung bestehenden allgemeinen Unfallversicherungen wurden der Beklagten gegenüber bewußt verschwiegen.</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">Sie waren dem Kläger und seiner Ehefrau bekannt. Nachvolziehbare Begründungen, weshalb sie nicht angegeben wurden, fehlen.</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">Das gleiche gilt für die Fragen in den Schadensanzeigen vom 28. Juni 1984 und vom 1. März 1984 nach früheren Unfällen des Versicherungsnehmers. In der Schadensanzeige vom 28. Juni 1984 findet sich die Antwort: "Ihnen bekannt", in der Schadensanzeige vom 1. März 1984 als Antwort ein Schrägstrich, mit dem zum Ausdruck gebracht wird, daß der Versicherungsnehmer frühere Unfälle noch nicht erlitten hatte. Beide Antworten sind unrichtig. Die Anwort: "Ihnen bekannt" wäre nur dann richtig und ausreichend gewesen, wenn alle früheren vom Kläger erlittenen Unfälle bei der Beklagten versichert gewesen und abgewickelt worden wären. Wie die Schadensanzeigen des Klägers gegenüber der ... und ... Versicherungs AG, gegenüber der ... - Versicherung und gegenüber dem ... Haftpflichtverband belegen, war dies gerade nicht der Fall. Der Kläger konnte nicht davon ausgehen, daß bei der Beklagten nicht versicherte und von der Beklagten nicht abgewickelte Schadensfälle der Beklagten bekannt waren. Daß die Verneinung der Frage der Beklagten nach früheren Unfällen des Klägers unrichtig war, liegt auf der Hand.</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks"><b>3.</b></p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">Die sich aus §§17 AUB, 6 Abs. 3 VVG ergebende Vermutung, daß der Kläger und seine Ehefrau in den Schadensanzeigen vom 28. Juni 1984 und vom 1. März 1984 vorsätzlich wahrheitswidrige bzw. unvollständige Angaben machten, ist nicht widerlegt. Beiden waren die anderen für den Kläger bestehenden allgemeinen Unfallversicherungen bei dem ... und bei der ... Versicherung bekannt, trotzdem haben sie gegenüber der Beklagten die beiden Unfallversicherungen bewußt nicht angegeben. Dies hat auch die Ehefrau des Klägers als Zeugin vor dem Senat bestätigt. Umstände, die ihr Verhalten plausibel erklären und entschuldigen könnten, haben weder der Kläger noch dessen Ehefrau vorgetragen. Ein den Vorsatz ausschließender Irrtum kann daher nicht festgestellt werden.</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks"><b>4.</b></p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">Die Fragen nach anderweitigen Versicherungen in den Schadensanzeigen vom 28. Juni 1984 und vom 1. März 1984 waren jedenfalls im vorliegenden Fall sachdienlich und daher vom Kläger wahrheitsgemäß zu beantworten. Die Sachdienlichkeit von Fragen nach anderweitigen Versicherungen in der Schadensanzeige bei Unfallversicherungen ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn der Versicherer, wie auch im vorliegenden Fall, bereits bei Antragstellung nach anderen Unfallversicherungen fragte und damit zu erkennen gab, daß es ihm für die Beurteilung des zu übernehmenden Risikos auf diesen Gesichtspunkt entscheidend ankommt. In dem den Parteien bekannten Urteil des Senats vom 27. Juni 1986 - Aktenzeichen 20 U 68/86 - war die Entscheidung dieser Frage noch offengelassen worden. Zwar ist nicht zu verkennen, daß die Unfallversicherung keine Schadensversicherung ist, so daß das Bereichungsverbot des §55 VVG nicht gilt und auch keine Überversicherung im Sinne von §51 VVG oder eine nach §59 VVG abzuwickelnde Doppelversicherung eintreten kann. Der Versicherungsnehmer kann vielmehr grundsätzlich unbegrenzt viele Unfallversicherungen nebeneinander unterhalten.</p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks">Andererseits ist jedoch nicht zu verkennen, daß der Abschluß mehrerer Unfallversicherungen nebeneinander Rückschlüsse auf das subjektive Risiko eines Versicherungsnehmers zulassen kann, weil die Kumulation mehrer Unfallversicherungen mit entsprechenden Krankenhaustagegeldansprüchen einen Anreiz bilden kann, Unfälle zu fingieren oder Unfallfolgen zu übertreiben, um in den Genuß der Versicherungsleistung zu gelangen. Zudem dienen Fragen nach anderen bestehenden Unfallversicherungsverträgen und nach Vorschäden in der Unfallversicherung zusätzlich auch der Glaubwürdigkeitsprüfung zum behaupteten Unfallgeschehen, was zulässig ist (vgl. Prölss/Martin, 24. Aufl., §15 AUB, Anm. 3). Die Frage nach anderweitigen Unfallversicherungen und nach Vorschäden betrifft demzufolge durchaus Tatsachen, die, wenn auch nur mittelbar und als Hilfstatsachen, rechtlich erheblich sein können. Es handelt sich nicht um Fragen, mit denen lediglich die Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers getestet werden soll (vgl. Senat, VersR 1985/469). In Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung (vgl. Prölss/Martin, a.a.O.) hält der Senat demzufolge Fragen in Schadensanzeigenformularen nach anderweitigen Versicherungen in der Unfallversicherung ... jedenfalls dann für sachdienlich, wenn der Versicherer, wie im vorliegenden Fall geschehen, bereits bei Antragstellung nach anderen Unfallversicherungen fragte und damit zu erkennen gab, daß es ihm für die Beurteilung des zu übernehmenden Risikos auf diesen Gesichtspunkt entscheidend ankommt.</p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks"><b>5.</b></p>
<span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks">Das Verschweigen der anderweitigen Unfallversicherungen durch den Kläger und seine Ehefrau hatte auf die Feststellung der Versicherungsfälle vom 23. März 1984 und vom 27. Januar 1984 und auf die Feststellung der Versicherungsleistungen Einfluß. Die berechtigten Interessen der Beklagten wurden ernsthaft gefährdet. Das Bestehen mehrerer gleichartiger Unfallversicherungen des Klägers ließ Rückschlüsse auf das subjektive Risiko des Versicherungsnehmers zu und hätte der Beklagten möglicherweise Veranlassung gegeben, die vom Kläger angezeigten Schadensereignisse daraufhin zu überprüfen, ob sie sich tatsächlich in der vom Kläger behaupteten Form abgespielt haben, und die gesetzlich vermutete Unfreiwilligkeit des vom Versicherungsnehmer behaupteten Unfallgeschehens (§180 a Abs. 1 VVG) näher zu überprüfen. Beides tat die Beklagte im Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben des Klägers nicht. Den Schadensfall vom 27. Januar 1984 regulierte sie vollständig, auf den Schadensfall vom 23. März 1984 leistete sie erhebliche Teilzahlungen. Sofort nach Bekanntwerden der weiteren Unfallversicherungen des Klägers zog die Beklagte die vom Kläger behaupteten Schadensereignisse in Zweifel. Bezüglich des Schadensfalles vom 23. März 1984 nahm die Beklagte Einsicht in die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten und stellte eigene Ermittlungen an. Nach allem steht fest, daß die vorsätzliche Obliegenheitsverletzung des Klägers nicht folgenlos blieb, sondern Einfluß hatte auf die Feststellung der Versicherungsfälle und auf die Versicherungsleistungen der Beklagten.</p>
<span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks"><b>6.</b></p>
<span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks">Einem Rückforderungsanspruch der Beklagten gegen den Kläger wegen zu Unrecht gezahlter Versicherungsleistungen steht §814 BGB nicht entgegen. Bei Zahlung der Versicherungsleistungen für die Schadensfälle vom 27. Januar 1984 und vom 23. März 1984 war der Beklagten nicht bewußt, zur Leistung nicht verpflichtet zu sein. Die Leistungspflicht der Beklagten bestand nämlich nicht deshalb nicht, weil sie den Antrag des Klägers auf Erhöhung der Versicherungsleistungen vom 24. Januar 1984 noch nicht angenommen hatte, sondern deshalb, weil der Kläger seine Obliegenheit in seinen Schadensanzeigen vom 1. März 1984 und vom 28. Juni 1984 verletzt hatte. Dies war der Beklagten bei Zahlung der Versicherungsleistungen noch nicht bekannt.</p>
<span class="absatzRechts">103</span><p class="absatzLinks"><b>III.</b></p>
<span class="absatzRechts">104</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat demzufolge auch keine Ansprüche gegen die Beklagte auf Zahlung von weiteren Versicherungsleistungen wegen des Schadensfalles vom 26. März 1984 in Höhe von weiteren 22.375,- DM, weil die Beklagte wegen Obliegenheitsverletzungen des Klägers gem. §§17 AUB; 6 Abs. 3 VVG leistungsfrei ist.</p>
<span class="absatzRechts">105</span><p class="absatzLinks"><b>IV.</b></p>
<span class="absatzRechts">106</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf §§92; 344 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">107</span><p class="absatzLinks">Das Urteil war gem. §§708 Nr. 10/711 ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären.</p>
<span class="absatzRechts">108</span><p class="absatzLinks">Die Beschwer des Klägers beträgt 43.750,- DM, die Beschwer der Beklagten beträgt 7.975,- DM.</p>
|
315,370 | olgk-1988-05-11-ss-7888 | {
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} | Ss 78/88 | 1988-05-11T00:00:00 | 2019-03-13T14:53:57 | 2019-03-27T09:43:18 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1988:0511.SS78.88.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>I. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.</p>
<p></p>
<p>II. Der Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid wird verworfen.</p>
<p></p>
<p>III. Die Kosten des Verfahrens trägt der Betroffene.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:7px">Gründe:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:7px">Die Verwaltungsbehörde hat gegen den Betroffenen durch Bußgeldbescheid vom 24. Juli 1987 wegen verkehrswidrigen Parkens eine Buße von 20,00 DM verhängt. Gegen diesen Bußgeldbescheid hat der Betroffene mit folgender Begründung Einspruch eingelegt:</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:7px">"Mit Schreiben vom 31. Juli 1987 - Bußgeldbescheid erheben Sie eine Geldbuße von 20,00 DM, dazu dann Gebühren von 20,00 DM und Auslagen von 5,00 DM, gesamt 45,00 DM für Abstellen eines Fahrzeugs im Halteverbot. Sie erwähnen einen Anhörbogen vom 30. Juni 1987. Einen solchen Anhörbogen habe ich nicht erhalten. Von dem Verstoß erfuhr ich erstmals im Schreiben vom 31. Juli 1987. Mit der Geldbuße von 20,00 DM für den Verkehrsverstoß bin ich einverstanden und. werde diesen Betrag überweisen. Die Erhebung von Gebühren und Auslagen halte ich nicht für gerechtfertigt."</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:7px">Das Verwarnungsgeld von 20,00 DM ist am 8.August 1987 gezahlt worden. Das Amtsgericht hat Termin zur Hauptverhandlung bestimmt und den Betroffenen durch Urteil vom 30. Oktober 1987 wegen einer vorsätzlichen Ordnungswidrigkeit nach § 12 StVO zu einer Geldbuße von 20,00 DM verurteilt.</p>
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315,371 | olgk-1988-05-11-ss-7888-z | {
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"jurisdiction": null,
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} | Ss 78/88 (Z) | 1988-05-11T00:00:00 | 2019-03-13T14:53:59 | 2019-03-27T09:43:18 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1988:0511.SS78.88Z.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>I. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.</p>
<p></p>
<p>II. Der Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid wird verworfen.</p>
<p></p>
<p>III: Die Kosten des Verfahrens trägt der Betroffene.</p><br style="clear:both">
<br /><span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong><u>G r ü n d e:</u></strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Verwaltungsbehörde hat gegen den Betroffenen durch Bußgeldbescheid vom 24. Juli 1987 wegen verkehrswidrigen Parkens eine Buße von 20,00 DM verhängt. Gegen diesen Bußgeldbescheid hat der Betroffene mit folgender Begründung Einspruch eingelegt:</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">"Mit Schreiben vom 31. Juli 1987 - Bußgeldbescheid -erheben Sie eine Geldbuße von 20,00 DM, dazu dann Gebühren von 20,00 DM und Auslagen von 5,00 DM, gesamt 45,00 DM für Abstellen eines Fahrzeugs im Halteverbot. Sie erwähnen einen Anhörbogen vom 30. Juni 1987. Einen solchen Anhörbogen habe ich nicht erhalten. Von dem Verstoß erfuhr ich erstmals im Schreiben vom 31. Juli 1987. Mit der Geldbuße von 20,00 DM für den Verkehrsverstoß bin ich einverstanden und werde diesen Betrag überweisen. Die Erhebung von Gebühren und Auslagen halte ich nicht für gerechtfertigt."</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Das Verwarnungsgeld von 20,00 DM ist am 8. August 1987 gezahlt worden. Das Amtsgericht hat Termin zur Hauptverhandlung bestimmt und den Betroffenen durch Urteil vom 30. Oktober 1987 wegen einer vorsätzlichen Ordnungswidrigkeit nach § 12 StVO zu einer Geldbuße von 20,00 DM verurteilt.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil richtet sich der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde. Es wird gerügt, daß eine Geldbuße trotz der vorherigen Zahlung des Verwarnungsgelds verhängt worden ist, und beanstandet, daß der Betroffene mit den gesamten Kosten belastet worden ist, obwohl er die Verkehrsordnungswidrigkeit von vorneherein eingeräumt und sich nur gegen die Auferlegung von Kosten gewehrt habe.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Zulassungsantrag führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid war auf die Kostenentscheidung beschränkt. Der Betroffene hat im Einspruchsschreiben ausdrücklich erklärt, daß er die festgesetzte Buße zahlen werde, er sich aber gegen die Auferlegung von Kosten wehre. Gegen die Kostenentscheidung des Bußgeldbescheids hatte der Betroffene nur das Rechtsmittel des Einspruchs, nicht das der sofortigen Beschwerde (vgl. Göhler, OWiG, 8. Auflage vor § 105 Rdnr. 27). Ein Einspruch kann auch wirksam auf die Kostenentscheidung beschränkt werden (vgl. OLG Köln, 3. Strafsenat, Beschluß vom 9. Juni 1981 - 3 Ss 398/81 = VRS 62, 57; Göhler, a.a.O. § 67 Rdnr. 34 c). Der auf die Kostenentscheidung beschränkte Einspruch des Betroffenen ließ den Bußgeldbescheid im übrigen rechtskräftig werden. Wegen der Rechtskraft des Bußgeldbescheids durfte das Amtsgericht über die dem Betroffenen zur Last gelegte Ordnungswidrigkeit nicht mehr entscheiden.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Rechtskraft eines Bußgeldbescheids ist im Rechtsbeschwerdeverfahren auch ohne formelle Zulassung des ordnungsgemäß gestellten Zulassungsantrag zu beachten (BGHSt 27, 271; OLG Düsseldorf VRS 65, 456; Schleswig Holsteinisches OLG bei Ernesti/Lorenzen, Sch1HA 1984, 112; Senatsentscheidung JMB1 NW 1984, 235). Entgegen der Auffassung von Göhler (OWiG, 8. Auflage, § 80 Rdnr. 25 und 26) ist diese Rechtsprechung durch die Einführung des § 80 Abs. 5 OWiG nicht gegenstandslos geworden (Senatsentscheidung VRS 74, 59). Durch die Neufassung des § 80 OWiG ist der bisherigen Rechtsprechung, wonach grundsätzlich schon ein form- und fristgerecht gestellter Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen und Verfahrenshindernisse führt (vgl. BGH St 23, 365 und 27, 271) nicht die Grundlage entzogen. Durch § 80 Abs. 5 OWiG n. F. wird nur die Möglichkeit des Beschwerdegerichts zur Einstellung des Verfahrens wegen eines Verfahrenshindernisses beschränkt. Wird die Rechtskraft eines Bußgeldbescheids vom Amtsgericht übersehen und erst vom Rechtsbeschwerdegericht erkannt, so führt dies aber nicht zur Einstellung des gerichtlichen Verfahrens, sondern zur Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils und zur Verwerfung des Einspruchs als unzulässig durch das Rechtsbeschwerdegericht (BGH St 26, 183; OLG Düsseldorf VRS 65, 456; OLG Hamm VRS 49, 204). Wird die Beschränkung eines Einspruchs übersehen, so führt dies ebenfalls nicht zur Einstellung des Verfahrens, sondern zur Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils und zur Entscheidung über den Einspruch gegen die Kostenentscheidung. Daß einer solchen Entscheidung die Neufassung des § 80 Abs. 5 OWiG entgegenstehen soll, kann seinem Wortlaut nicht entnommen werden. Nach der Begründung der Gesetzesänderung (BTDrucksache 10/2652 S. 30) soll zwar durch § 80 Abs. 5 OWiG dem Beschwerdegericht im Zulassungsverfahren verwehrt sein, in eine Nachprüfung des Urteils hinsichtlich möglicher Fehler wegen eines Verfahrenshindernisses einzutreten. solange es die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat. Diese Absicht des Gesetzgebers hat aber im Wortlaut des § 80 Abs. 5 OWiG, keinen Ausdruck gefunden. Der Wortlaut schränkt ausdrücklich nur die Möglichkeit zur Einstellung des Verfahrens wegen eines Verfahrenshindernisses ein; es verbietet dem Rechtsbeschwerdegericht aber nicht die Berücksichtigung von Verfahrenshindernissen, wenn diese - wie im vorliegenden Fall - nicht zur Einstellung des Verfahrens, sondern zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen (vgl. Senatsentscheidung VRS 74, 59). Der eindeutige Wortlaut des § 80 Abs. 5 OWiG steht der von Göhler (a.a.O.) vertretenen Auslegung entgegen. Ist der Wortlaut des Gesetzes eindeutig und führt er zu einer sinnvollen Anwendung des Gesetzes, so sind der Auslegung in einem anderen Sinn Grenzen gesetzt (vgl. Kleinknecht/Meyer, StPO, 38. Auflage, Einleitung Rdnr. 196 m. w. N.). Die sich aus der hier vertretenen Auslegung des § 80 Abs. 5 OWiG ergebenden Unterschiede zwischen Verfahrenshindernissen, die zu einer Einstellung des Verfahrens führen, und solchen, die eine andere Entscheidung zur Folge haben, mögen zwar nicht dem entsprechen, was der Gesetzgeber bezweckt hat; sie machen aber eine sinnvolle Anwendung des Gesetzes nicht unmöglich. Bei der Regelung in § 80 Abs. 5 OWiG handelt es sich zudem um eine Ausnahmebestimmung, die stets eng auszulegen ist (vgl. Kleinknecht/Meyer, a.a.O. Einleitung Rdnr. 199 m. w. N.). Der Senat hält daher an seiner im Beschluß vom 9. Juni 1987 - Ss 60/87 VRS 74, 59 - vertretenen Rechtsansicht fest. Der Umstand, daß es dem Gesetzgeber nicht gelungen ist, seine Absicht in Worte zu fassen, gibt einem Gericht noch nicht das Recht, sich über den eindeutigen Gesetzeswortlaut hinwegzusetzen. Wegen der Rechtskraft des Bußgeldbescheids zum Schuldspruch und zur Geldbuße durfte das Amtsgericht insoweit nicht mehr in eine Nachprüfung eintreten, so daß das angefochtene Urteil aufzuheben ist.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hätte lediglich die Kostenentscheidung des Bußgeldbescheids überprüfen müssen. Eine Zurückverweisung der Sache zur Nachholung dieser Entscheidung bedarf es nicht, da der Senat nach § 79 Abs. 6 OWiG insoweit selbst entscheiden kann.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der auf die Kostenentscheidung beschränkte Einspruch des Betroffenen war zulässig. Soweit das OLG Köln (Beschluß vom 9. Juni 1981 - 3 Ss 398/81 = VRS 62, 57) die Ansicht vertreten hat, für die Zulässigkeit des auf die Kostenentscheidung beschränkten Einspruchs gelte die Wertgrenze des § 304 Abs. 3 StPO, wird daran nicht festgehalten. Wie in der Literatur zutreffend angeführt wird, ist eine solche Einschränkung mit der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht zu vereinbaren (vgl. Göhler, OWiG, 8. Auflage, § 67 Rdnr. 34 c und § 108 Rdnr. 9; Rebmann/Roth/Hermann, OWiG, § 67 Rdnr. 7).</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">In der Sache konnte der Einspruch aber keinen Erfolg haben. Die Verwaltungsbehörde hat dem Betroffenen im Bußgeldbescheid zutreffend die Kosten auferlegt. Der Betroffene, gegen den ein Bußgeld festgesetzt wird, hat grundsätzlich in entsprechender Anwendung des § 465 Abs. 1 Satz 1 StPO i. V. m. §§ 105 Abs. 1, 46 Abs. 1 OWiG die Kosten des Bußgeldverfahrens zu tragen (vgl. Göhler, OWiG, 8. Auflage, vor § 5 Rdnr. 61). Der Umstand, daß der Betroffene keine Gelegenheit hatte, durch Zahlung eines Verwarnungsgeldes den Erlaß des Bußgeldbescheids und damit die Entstehung zusätzlicher Kosten zu verhindern, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Das Verwarnungsverfahren nach § 56 OWiG bezweckt zwar, die Durchführung eines Bußgeldverfahrens im Bagatellbereich zu ersparen (vgl. Göhler a.a.O. vor § 56 Rdnr. 5), doch hindert allein die Möglichkeit eines Verwarnungsverfahrens noch nicht die Durchführung eines Bußgeldverfahrens. Lediglich wenn tatsächlich eine Verwarnung erteilt und diese durch fristgerechte Zahlung des Verwarnungsgeldes wirksam geworden ist, darf kein Bußgeldverfahren mehr durchgeführt werden (§ 56 Abs. 2 und Abs. 4 OWiG). Fehlen diese Voraussetzungen - wie im vorliegenden Fall, in dem das Verwarnungsgeld erst nach Erlaß des Bußgeldbescheids gezahlt wurde - kann die Verwaltungsbehörde einen Bußgeldbescheid erlassen, ohne daß sie prüfen müßte, warum das Verwarnungsgeld nicht gezahlt worden ist. Eine solche Prüfung wäre nicht mit dem Sinn des Verwarnungsverfahrens, das auf eine rasche und einfache Erledigung ausgerichtet ist (vgl. Göhler a.a.O. § 56 Rdnr. 28) zu vereinbaren. Es ist daher bedeutungslos, ob die Zahlung nicht erfolgte, weil der Betroffene mit einer Verwarnung nicht einverstanden ist oder weil ihn die Verwarnung nicht erreicht hat. Dürfte die Verwaltungsbehörde den Bußgeldbescheid nur erlassen, wenn nachgewiesen ist, daß der Betroffene die Verwarnung erhalten hat, müßte diese - wenn sie schriftlich erfolgt, was gerade bei Verstößen im ruhenden Verkehr die Regel sein wird - stets zugestellt werden. Der Verwaltungsaufwand würde dadurch erheblich vergrößert, obwohl er durch das Verwarnungsverfahren gerade verringert werden soll. Daß ein Betroffener möglicherweise mit Gebühren belastet wird, die ihm nicht entstanden wären, wenn er Gelegenheit zur Zahlung des Verwarnungsgeldes gehabt hätte, muß in Kauf genommen werden. Dieses Kostenrisiko ist Folge ordnungswidrigen Verhaltens.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Betroffene muß daher die mit dem Bußgeldbescheid verbundenen Kosten tragen, so daß sein auf die Kostenentscheidung beschränkter Einspruch zu verwerfen ist.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Der Betroffene hat auch die Kosten des Gerichtsverfahrens zu tragen. Sowohl sein Einspruch als auch der Zulassungsantrag haben im Ergebnis keinen Erfolg gehabt (vgl. Senatsentscheidung vom 9. Juni 1987 - Ss 60/87 -). Dadurch, daß das Amtsgericht die Beschränkung des Einspruchs übersehen hat, sind keine ausscheidbaren Kosten entstanden (vgl. § 465 Abs. 2 StPO).</p>
|
315,372 | ag-neuss-1988-05-11-30-c-51887 | {
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"name": "Amtsgericht Neuss",
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"city": 473,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 30 C 518/87 | 1988-05-11T00:00:00 | 2019-03-13T14:54:00 | 2019-03-27T09:43:17 | Urteil | ECLI:DE:AGNE:1988:0511.30C518.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>1.</p>
<p>Das Versäumnisurteil vom 09. Dezember 1987 wird aufgehoben.</p>
<p></p>
<p>2.</p>
<p>Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Kläger als Gesamgläubiger 53,85 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 05. Juni 1987 zu zahlen.</p>
<p>Im übrigen wird die Klage abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>3.</p>
<p>Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger als Gesamtschuldner 9/10, die Beklagten als Gesamtschuldner 1/10 mit Ausnahme der Kosten der Säumnis; diese tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.</p>
<p></p>
<p>4.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Tatbestand:</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten waren vom 01.03.1984 bis 31.05.1986 Mieter einer Wohnung im Hause L-Straße in N 2, welches den Klägern gehört.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Den Beklagten steht unstreitig ein Kautionsguthaben in Höhe von 2.018,98 DM zu. Andererseits verschulden die Beklagten unstreitig die Miete für Mai 1986 in Höhe von 1.240,00 DM sowie einen Betrag von 50,00 DM wegen beim Auszug verursachter Schäden im Treppenhaus.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Kläger tragen vor, dass ihnen an restlichen Nebenkosten für 1985 536,79 DM und für 1986 643,12 DM zustünden. Dabei seien die Beklagten auch verpflichtet, die angesetzten Kosten für die Wärmemengenzähler und die Kaltwasserzähler zu erstatten. Die Kläger seien gesetzlich verpflichtet, diese nach fünf bzw. acht Jahren auszutauschen. Es sei ungerecht, die zum Zeitpunkt des Austausches in der Wohnung befindlichen Mieter mit den vollen Kosten des Austausches zu belasten. Es sei vielmehr sachgerecht, diese Kosten während des gesamten Zeitraumes von fünf bzw. acht Jahren auf die Mieter umzulegen. Da es sich bei dem fraglichen Haus um einen Neubau handele, seien die Kosten für den Austausch der Zähler bisher noch nicht angefallen; die Kläger seien jedoch berechtigt, die anteiligen Kosten nach einem eingeholten Kostenvoranschlag umzulegen. Im übrigen hätten die Beklagten bei Beendigung des Mietverhältnisses lediglich zwei der drei erhaltenen Wohnungsschlüssel zurückgegeben, so dass sie die Kosten für den Austausch des Schlosses in Höhe von 66,69 DM zu tragen hätten.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Kläger beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">das gegen die Beklagten am 09.12.1987 ergangene Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">die Klage unter Aufhebung des Versäumnisurteils abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Sie tragen vor, dass die Nebenkostenabrechnungen der Kläger nicht fällig seien. Die geltend gemachten Kosten für die Wärmemengenzähler und Kaltwasserzähler würden nicht geschuldet. Im übrigen seien auch die Positionen Grundsteuer, Versicherung und Kaltwasser nicht nachvollziehbar belegt worden. Schließlich sei die Forderung betreffend den Austausch des Türschlosses verjährt.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Bezüglich des weiteren Vorbringen sder Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks"><u>Entscheidungsgründe:</u></p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Klage war gemäß § 535 Satz 2 BGB in Verbindung mit § 5 des schriftlichen Mietvertrages vom 07.02.1984 in dem genannten Umfang begründet, im übrigen war sie abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Den Klägern stehen die in den Nebenkostenabrechnungen für 1985 und 1986 geltend gemachten anteiligen Kosten für die Wärmemengenzähler und Kaltwasserzähler in Höhe von insgesamt 397,08 DM nicht zu.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Zwar ist das Gericht mit dem Amtsgericht C (in WuM 1987, Seite 33) der Auffassung, dass die Kosten für den Austausch der Wärmemengenzähler und Kaltwasserzähler zu den umlagefähigen Betriebskosten gehören; gleichwohl ist ein Anspruch der Kläger jedoch nicht gegeben. An Betriebskosten können grundsätzlich nur solche Kosten umgelegt werden, die tatsächlich entstanden sind. Dies ist hier unstreitig nicht der Fall, da nach dem eigenen Vorbringen der Kläger der Zeitraum bis zur erstmaligen Erneuerung der Zähler noch nicht abgelaufen ist. Die Kläger sind auch nicht berechtigt, die nach Ablauf der entsprechenden Fristen entstehenden Kosten für den Austausch bereits vor der tatsächlichen Durchführung eines solchen Austausches umzulegen. Wenn die Kläger, wie sie vorgetragen haben, das fragliche Haus zu einem Festpreis erworben haben, so sind in diesem Festpreis auch die Kosten für die bei Errichtung des Hauses eingebauten Zähler enthalten gewesen. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte und aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass die Kläger ihre Miete nach den ihnen bei Erwerb des Hauses entstandenen Kosten berechnen. Die Beklagten haben somit anteilig mit der von ihnen entrichteten Miete auch die Kosten für die bei Errichtung des Hauses eingebauten Zähler entrichtet.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Dass im Rahmen einer Nebenkostenabrechnung nur bereits entstandene Kosten abgerechnet werden können, ergibt sich im übrigen daraus, dass keinesfalls feststeht, ob die Kläger die von ihnen geltend gemachten zukünftigen Kosten auch tatsächlich zu tragen haben. Selbst wenn die Kläger dies vorhaben sollten, so ist doch keinesfalls gesichert, dass sie tatsächlich nach Ablauf der von ihnen genannten Zeiträume die Zähler tatsächlich erneuern, und es sit weiterhin ohne weiteres möglich, dass die Kläger vor Ablauf der von ihnen genannten Fristen das Mietobjekt veräußern, so dass ihnen auch in diesem Fall die nun geltend gemachten Kosten tatsächlich nicht entstehen. Es ist den Klägern unbenommen zu erwägen, ob sie nach dem tatsächlichen Austausch der Zähler und nach Entstehen der entsprechenden Kosten diese nicht voll im Entstehungsjahr, sondern ab dann laufend auf die Mieter umlegen. Ein Anspruch auf anteilige Erstattung noch nicht entstandener Kosten ist jedoch nicht gegeben.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die übrigen geltend gemachten Nebenkosten sind von den Klägern zur Überzeugung des Gerichts ordnungsgemäß belegt worden. Die dagegen gerichteten Einwände der Beklagten sind unerheblich, so dass sie zur Erstattung der geltend gemachten Nebenkosten mit Ausnahme der angeführten 397,08 DM verpflichtet sind.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Der Anspruch der Kläger auf Erstattung der Kosten für den Austausch des Schlosses ist verjährt, § 558 BGB.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Zwischen dem Ende des Mietverhältnisses am 31.05.1986 und Klageerhebung am 29.10.1987 lagen offensichtlich mehr als die gesetzlich vorgesehenen sechs Monate. § 390 BGB ist im vorliegenden Falle nicht anwendbar. Die Kläger haben ihren Anspruch in Höhe von 66,69 DM nicht etwa gegenüber dem Kautionsrückzahlungsanspruch der Beklagten zur Aufrechnung gestellt, sondern ihrerseits u.a. über diesen Betrag Klage erhoben und dann bei Berechnung der Klagesumme lediglich eine Verrechnung ihrer Gesamtforderung in Höhe von 2.536,60 DM mit dem Kautionsrückzahlungsanspruch der Beklagten in Höhe von 2.018,98 DM vorgenommen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Von der geltend gemachten Forderung in Höhe von 517,62 DM waren somit 397,08 DM und 66,69 DM abzuziehen; die Beklagten waren daher zur Zahlung von 53,85 DM zu verurteilen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Zinsentscheidung folgt aus §§ 284, 288 BGB.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 92, 344, 708 Nr. 11, 713 ZPO.</p>
|
315,373 | olgk-1988-05-10-2-ws-9388 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 2 Ws 93/88 | 1988-05-10T00:00:00 | 2019-03-13T14:54:02 | 2019-03-27T09:43:17 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1988:0510.2WS93.88.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline;"><b>G r ü n d e :</b></span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px"> </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">In der Strafsache gegen A. D. war der
Beschwerde-gegner als Dolmetscher für die türkische Sprache zu dem
auf den 12. November 1987, 9 Uhr, anberaumten Termin zur
Hauptverhandlung vor der 1. großen Strafkammer des Landgerichts
Köln geladen worden. Dieser Termin ist am Nachmittag des 11.
November 1987 wegen plötzlicher Erkrankung des Verteidigers
aufgehoben worden. Der Beschwerdegegner, der verse-hentlich nicht
abbestellt worden war, ist am Morgen des 12. November 1987 bei
Gericht erschienen. Er hat beantragt, den ihm entstandenen
Verdienstaus-fall zu regulieren, und zur Begründung vorgetragen, er
habe sich für den Verhandlungstag am 12. Novem-</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">ber 1987 ganztätig von anderen
geschäftlichen Ver-pflichtungen freigehalten und Aufträge, die auf
je-den Fall den Zeitraum von 8 bis 17 Uhr erfaßt hät-ten,
abgelehnt. Nach Anhörung des Bezirksrevisors hat die Strafkammer am
6. Januar 1988 die dem Be-schwerdegegner zu gewährende
Entschädigung auf ins-gesamt 1.099,90 DM festgesetzt, die sich wie
folgt errechnet:</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">Zeitaufwand gemäß §§ 17, 3 Abs. 2
ZSEG</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">9 Stunden, einschließlich der Hin-
und</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">Rückfahrt von bzw. nach B.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">à 70,-- DM 630,-- DM</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">Erhöhung um 50 % gemäß §§ 17,3 Abs. 3
b</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">ZSEG 315,-- DM</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">Fahrtkosten gemäß §§ 17, 9 Abs. 3
ZSEG</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">2 x22 km à 0,45 DM 19,80 DM</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">964,80 DM</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">14 % Mehrwertsteuer 135,07 DM</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">1.099,87 DM</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">Aufrundung gemäß § 12 ZSEG 1.099,90
DM</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">===========</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">Gegen diesen Beschluß hat der
Bezirksrevisor Be-schwerde eingelegt, der die Strafkammer nicht
abge-holfen hat. Er beantragt, die Entschädigung für den
Dolmetscher insoweit zu versagen, als er für die-jenigen Zeiträume
entschädigt wird, für die er vom</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">Gericht nicht zu Beweiszwecken
herangezogen wurde, also für die sogenannte
"Ausfallentschädigung".</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">Die nach § 16 Abs. 2 Satz 1 und 2 des
Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachver-ständigen
(ZSEG) statthafte Beschwerde, die auch im übrigen hinsichtlich
ihrer Zulässigkeit keinen Bedenken begegnet, ist im Umfang der
Anfechtung des Beschlusses der 1. großen Strafkammer des
Landge-richts Köln vom 6. Januar 1988 begründet.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">Der Beschwerdegegner kann nur die
Ersetzung der Fahrtkosten und eine Entschädigung für den
Zeitauf-wand verlangen, der mit der Anfahrt zum Gerichtsort und der
Rückfahrt sowie dem tatsächlichen - erfor-derlichen - Aufenthalt
bei Gericht verbunden war. Ein darüber hinausgehender
Entschädigungsanspruch steht ihm nicht zu.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">Nach §§ 1 und 3 ZSEG, die auch für
Dolmetscher gel-ten (§ 17 Abs. 1 und 2 ZSEG), werden
Sachverständi-ge, die vom Gericht zu Beweiszwecken herangezogen
werden, für ihre Leistungen entschädigt. Diese Vor-aussetzungen
sind nur für den dem Beschwerdegegner zuzuerkennenden Teil des
geltend gemachten Entschä-digungsanspruchs erfüllt.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">Der Beschwerdegegner ist auf Grund
einer Ladung vor Gericht erschienen und war damit im Sinne von § 1
ZSEG herangezogen, obwohl der Hauptverhandlungster-min aufgehoben
war und er eine Dolmetschertätigkeit</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">nicht erbracht hat (vgl. Meyer/Höver,
Komm. z. ZSEG, 16. Aufl., § 1 Rdnr. 21; Hartmann, Kostenge-setze,
22. Aufl., § 1 ZSEG Anm. 3) A b). Dieser Umstand steht indessen dem
Entschädigungsanspruch nicht entgegen. Denn der Beschwerdegegner
hat dem Gericht zur Verfügung gestanden und ist aus von ihm nicht
zu vertretenden Gründen nicht dazu gekommen, eine Leistung als
Dolmetscher zu erbringen. Er kann daher Erstattung der Fahrtkosten
(§§ 9 Abs. 1, 17 Abs. 1 und 2 ZSEG) und Entschädigung für die
aufge-wendete Zeit (Fahrzeit, Aufenthalt vor Gericht) be-anspruchen
(OLG München NJW 1973, 2044).</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">Ein weitergehender Anspruch steht dem
Beschwer-degegner nicht zu. Der von der Strafkammer in dem
angefochtenen Beschluß unter Berufung auf die Entscheidungen des
Oberlandesgerichts Köln vom 8. 5. 1970 - 8 W 25/70 - und des
Oberlandesgerichts München vom 16. 8. 1973 (NJW 1973, 2044)
vertrete-nen Auffassung, unter den gegebenen Umständen sei "§ 324
Abs. 1 BGB als Ausgestaltung eines allge-meinen Rechtsgeschehens"
analog anzuwenden und dem Beschwerdegegner ein Anspruch auf
Entschädigung für den Verdienstausfall zuzubilligen, vermag der
Senat nicht zu folgen. Dabei kann dahinstehen, ob die angeführte
Entscheidung des Oberlandesgerichts Mün-chen (a.a.O.) die
Auffassung der Strafkammer über-haupt stützt.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">Da insoweit eine regelbedürftige
Gesetzeslücke nicht vorliegt, kommt eine Gesetzesausfüllung
durch</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">analoge Anwendung anderer Vorschriften
- wie etwa des § 324 Abs. 1 BGB - nicht in Betracht.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">Zeugen und Sachverständige haben - wie
die Dolmet-scher - eine staatsbürgerliche Pflicht zu erfüllen
(Hartmann a.a.O. Grdz. ZSEG Anm. 1 A). Um der Gefahr vorzubeugen,
daß sie sich aus Furcht vor Schaden dieser Pflicht entziehen,
werden sie - nicht voll, sondern nur in begrenztem Umfang -
"entschädigt" (Hartmann a.a.O. Anm. 3; OLG München RPfl 1979, 358).
Sie erhalten keine Vergütung. Hie-raus wird zu Recht der Schluß
gezogen, daß der Ent-schädigungsanspruch der Zeugen und
Sachverständigen - wie auch der Dolmetscher - im ZSEG abschließend
nach Grund und Höhe geregelt ist (BGH RPfl 1979, 259; OLG München
a.a.O.; Hartmann a.a.O.; Meyer/Hö-ver a.a.O. § 1 Rdnr. 1; st.
Senatsrechtspr.). Das bedeutet, daß ein Entschädigungsanspruch nur
inso-weit gegeben ist, als ihn das Gesetz ausdrücklich zubilligt
(Hartmann a.a.O.; Höver/Meyer a.a.O. § 1 Rdnr. 1). Einen Anspruch
auf Verdienstausfall sieht das ZSEG nicht vor. Ein solcher Anspruch
besteht mithin nicht.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">Der Senat sieht sich gehindert, die in
der Sache erforderliche Entscheidung zu treffen. Den vorlie-genden
Akten ist nicht zu entnehmen, welche Zeit der Beschwerdegegner für
die Fahrt von seinem Wohnort zum Gericht, für sein Erscheinen und
seinen Aufenthalt dort sowie für die Rückfahrt aufgewendet</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">hat, so daß nicht beurteilt werden
kann, für welche Zeitdauer er zu entschädigen ist.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">Auch die Höhe des dem Beschwerdegegner
zustehenden Entschädigungsanspruchs läßt sich nicht beurteilen. Die
Strafkammer hat dem Beschwerdegegner den in § 3 Abs. 2 ZSEG
vorgesehenen Höchstsatz von 70,-- DM/Stunde zugebilligt und zudem
von der Mög-lichkeit des § 3 Abs. 3 ZSEG Gebrauch gemacht, die
Entschädigung um 50 % zu überschreiten, ohne dies zu begründen.
Eine Begründung hierfür enthält auch der Antrag des
Beschwerdegegners auf Entschädigung nicht. Mithin kann nicht
nachgeprüft werden, ob die Voraussetzungen für die Gewährung des
Höchstsatzes der Entschädigung und für eine Überschreitung nach § 3
Abs. 3 ZSEG vorliegen.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">Die Sache muß daher zur erneuten
Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen werden.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px"> </p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:20px">Die Kostenregelung ergibt sich aus § 16
Abs. 5 ZSEG.</p>
|
315,374 | ovgnrw-1988-05-06-5-a-176985 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
"slug": "ovgnrw",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 5 A 1769/85 | 1988-05-06T00:00:00 | 2019-03-13T14:54:03 | 2019-03-27T09:43:17 | Urteil | ECLI:DE:OVGNRW:1988:0506.5A1769.85.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung gegen das Urteil des Ver‑</p>
<p>waltungsgerichts Gelsenkirchen vom 5. Juni 1985 wird zurückgewiesen.</p>
<p>Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.</p>
<p>Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p>Die Revision wird nicht zugelassen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Tatbestand:</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist Sammler ethnologischer Kunst- und Kulturwerke. Er bemüht sich seit 1981 um eine Eintragung seiner aus über</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">1.000 Einzelstücken bestehenden Sammlung in das "Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes" gemäß dem Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung. Nachdem er zunächst seine gesamte Sammlung ohne nähere Auflistung zur Eintragung angemeldet hatte, wurde im Rahmen eines hierüber geführten Verwaltungsrechtsstreits mit dem Beklagten am 11. Januar 1983 vereinbart, die wie folgt beschriebenen Objekte in das Prüfungsverfahren einzubeziehen:</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">1.         Kult-Großkrokodil, Korowori-Neuguinea, Holz, Länge ca. 7,5 m;</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">2.         Großkrokodil,</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Kambot,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">rotes Hartholz, Länge ca. 2,5 m;</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">3.         Drei Tanzanzüge, Ratan-Geflecht, Höhe ca. 1,50 m;</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">4.         Prunkkanu,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Sepikmündungsgebiet,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Holz,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">rundum mit Masken und Tieren beschnitzt, Länge ca. 6 m.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Am 25. Oktober 1983 lehnte der nach dem Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung vom Beklagten berufene Sachverständigen-Ausschuß den Antrag des Klägers ab. Zur Begründung führte der Ausschuß ausweislich der Sitzungsniederschrift aus:</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">"Nach eingehender Diskussion wurde der Antrag einstimmig abgelehnt. Die von Herrn              vorge‑schlagenen Objekte entsprechen nicht dem Qualitätsmaßstab, der für die Liste gilt.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Der Verdacht wurde geäußert, daß der Besitzer mit dem Antrag lediglich eine Aufwertung seiner Sammlung erreichen will.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Im Hinblick auf die der UNESCO vorliegenen Prüfordnungen wurde davor gewarnt, Kulturgut aus den Ländern der Dritten Welt auf nationale Listen zu setzen."</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Noch vor der Bekanntgabe der Entscheidung des Ausschusses erweiterte der Kläger mit Schreiben vom 7. November 1983 seinen Antrag um folgende Objekte:</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">1.         Nagelfetisch, Kongo</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">2.         Häuptlingsstab, Kongomündung</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">3.         Korowori-Kultfigur, Neuguinea</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">4.         Korowori-Hakenfigur, Neuguinea</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">5.         Korowori-Hakenfigur, Neuguinea</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">6.         Korowori-Kultfigur, Neuguinea</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">7.         Kifwebe-Maske, Kongo.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Mit Bescheid vom 30. Dezember 1983 teilte der Beklagte dem Kläger mit, die Fachleute des Ausschusses seien der Meinung, daß nur höchstrangiges, für den deutschen Kulturraum wirklich unverzichtbares Gut auf die Liste gesetzt werden solle; sie hätten sich nicht in der Lage gesehen, die vom Kläger vorgeschlagenen Objekte in diese Qualitätskategorie einzuordnen. Der neue Antrag werde im</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Laufe</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Laufe des Januar 1984 dem Ausschuß vorgelegt.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Gegen den Ablehnungsbescheid erhob der Kläger mit Schreiben vom 14. Januar 1984 Widerspruch. Der Gutachter-Ausschuß wies</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">in seiner Sitzung vom 26. Januar 1984 den Widerspruch zurück und lehnte den Erweiterungsantrag vom 7. November 1983 ab.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Mit Widerspruchsbescheid vom 21. März 1984 teilte der Beklagte dem Kläger mit, daß nach gründlicher Diskussion im Ausschuß weder dem Widerspruch habe stattgegeben noch eine positive Wertung des Antrages vom 7. November 1983 habe herbeigeführt werden können, weil nur eine begrenzte Anzahl von für den deutschen Kulturraum unverzichtbaren Werken in die Liste aufgenommen werden solle.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Mit der Klage hat der Kläger geltend gemacht: Das Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung sei schon ca. 30 Jahre alt und von daher nicht länger geeignet, diese wichtige kulturelle Frage sachgerecht zu regeln. Der Sachverständigen-Ausschuß sei für eine Entscheidung nicht qualifiziert genug. Er, der Kläger, kenne als langjähriger Sammler außer              keines der in den Ausschußberufenen Mitglieder. Die Ablehnungsbegründung, die Sammelobjekte hätten keine Qualität, reiche nicht aus, zumal der Ausschuß seine Qualitätsansicht nicht normiert habe; vielmehr seien die privaten Ansichten der Ausschußmitglieder in die Beurteilung eingeflossen. Seine Sammlung sei von großer Bedeutung und erheblichem Wert; alle zur Sammlung zählenden Objekte hätten Museumsqualität.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat sinngemäß beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">die Bescheide des Beklagten vom 30. Dezember 1983 und 21. März 1984 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Anträge des</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Klägers vom 10, Oktober 1981/11. Januar 1983 und 7. November 1983 auf Eintragung der darin näher bezeichneten Kunst- und Kulturgegenstände in das "Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes" unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat unter Bezugnahme auf die ablehnenden Bescheide beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch das angefochtene Urteil abgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein Begehren zunächst weiterverfolgt hat. Im Laufe des Berufungsverfahrens hat der Kläger mitgeteilt, der ganz überwiegende Teil seiner Sammlung sei ihm auf Betreiben mehrerer Gläubiger im Wege der Zwangsvollstreckung weggenommen und mit unbekanntem Ziel fortgeschafft worden. Am 3. Oktober 1986 sei sein Wohnhaus mit dem Museumsdepot zwangsgeräumt worden. Damit sei das Scheitern des Projektes              , das eine einmalige Kulturinnovationhabe werden und in Nordrhein-Westfalen viele Arbeitsplätze habe schaffen sollen, angezeigt. Alle gepfändeten Kunstwerke seien Teil eines Gesamtkunstwerks. Fehle es auch nur an einem Einzelstück, so sei das Gesamtkunstwerk nachhaltig zerstört. Ihm gehe es jetzt darum, daß die seiner Ansicht nach sittenwidrig und gewaltsam weggenommenen Museumsobjekte wieder an die alte Stelle zurückgebracht würden, daß sein guter Ruf wiederhergestellt werde und daß die "Drahtzieher" der gegen ihn und seine Sammlung gerichteten Machenschaften ermittelt würden. Deshalb habe er bereits eine Reihe von gerichtlichen Verfahren eingeleitet. So habe er u.a. vor</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">dem Amtsgericht              einen Schadensersatzprozeß gegen die</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">als Dienstherrn des Sachverständigen              angestrengt.habe ein Falschgutachten zur Bewertung der</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Sammlung erstattet, dem die Mitglieder des vom Beklagten berufenen Sachverständigen-Ausschusses ohne weiteres gefolgt seien. Daß das Gutachten des              falsch sei, ergebe sich insbesonderedaraus, daß er die Figur "Buli" als Fälschung bezeichnet habe, während dieses Objekt in der von dem angesehensten Experten,</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">zusammengestellten "              " aufgeführt sei undsich auch namhafte Wissenschaftler des</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">für die Echtheit der Figur ausgesprochen hätten.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">unter Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, daß die Bescheide des Beklagten vom 30. Dezember 1981 und 21. März 1984 rechtswidrig waren.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie die vom Kläger zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Entscheidungsgründe:</span></p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist unzulässig.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Zwar hat der Kläger nach dem Verlust seiner Sammlung seinen Antrag folgerichtig und zulässigerweise (vgl. § 173</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">VwG() i.V.m. § 264 Nr. 3 ZPO) auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag umgestellt; die Fortsetzungsfeststellungsklage ist aber schon deshalb unzulässig, weil bereits die ursprüngliche Verpflichtungsklage nicht zulässig war.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Der Kläger konnte im Hinblick auf das von ihm anfangs verfolgte Verpflichtungs- (bzw. Bescheidungs-)Begehren nicht geltend machen, durch die Ablehnungsbescheide des Beklagten</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">in <span style="text-decoration:underline">seinen</span> Rechten verletzt zu sein, wie § 42 Abs. 2 VwG() es verlangt. Denn die Vorschriften, auf die es hier ankommt, gewähren dem Kläger als Eigentümer von Kunst- und Kulturwerken kein subjektiv-öffentliches Recht auf Aufnahme bestimmter Objekte in ein Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes. Sie treffen vielmehr ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit Regelungen, aus denen der Kläger als Privatmann keine geschützten materiellen Rechtspositionen im Sinne seines</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Begehrens</span></p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Begehrens herleiten kann. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut, daneben aber auch aus Sinn und Zweck des Gesetzes zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung vom 6. August 1955, BGBl.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">I S. 501. Es soll gemäß § 1 Abs. 1 Verluste für den deutschen Kulturbesitz verhindern, die durch die Abwanderung von Kunstwerken und anderem Kulturgut einschließlich Bibliotheksgut aus dem Geltungsbereich des Gesetzes entstehen können. Dieser Zweck verfolgt nur Gesichtspunkte des öffentlichen Interesses. Ausschließlich zur Wahrung des nationalen Allgemeininteresses und ohne Berücksichtigung des konkreten Umfeldes eines Kunstwerkes -etwa Herkunft, Zugehörigkeit zu einer Sammlung, wirtschaftliche und sonstige Verhältnisse des Eigentümers usw. - werden die vom Gesetzgeber für notwendig gehaltenen Maßnahmen getroffen. Auch deren Regelungsgehalt betont Interessen der Allgemeinheit. Denn es handelt sich um Bestimmungen, die dem deutschen Kulturbesitz den Verbleib wertvollen Kulturgutes sichern sollen und dem Eigentümer dieses Kulturgutes entsprechende, weitgehende Pflichten auferlegen. So unterliegt er bis zur Bestandskraft der Entscheidung über die Eintragung einem Ausfuhrverbot (§ 4), bedarf danach der Ausfuhrgenehmigung (§ 1 Abs. 4) und hat mehrere Mitteilungspflichten (§ 9 Abs. 1) zu erfüllen. Daß dem Eigentümer infolge der Eintragung unter gewissen Voraussetzungen auch Rechte erwachsen - wie steuerund lastenausgleichsrechtliche Begünstigungen nach § 1 Abs. 3 oder ein Ausgleichsanspruch bei wirtschaftlicher Notlage nach § 8 des Gesetzes -, hebt den belastenden Charakter der Maßnahme nicht auf, sondern setzt ihn geradezu voraus; denn es handelt sich ersichtlich nur um einen "billigen Ausgleich", der gewissermaßen auf</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">einer zweiten Stufe die Beeinträchtigungen abmildern soll, die das Gesetz dem Eigentümer auferlegt hat.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, daß ein "Antrag" im Sinne des § 3 Abs. 1 des Gesetzes mangels einer Ausschlußbestimmung möglicherweise auch vom Eigentümer gestellt werden kann. Selbst wenn § 3 Abs. 1 in diesem Sinne zu verstehen ist, ergibt sich daraus für den Kläger nur eine verfahrensrechtliche (formelle) Rechtsposition. Sie gewährt ihm allenfalls das Recht, ein entsprechendes Verwaltungsverfahren mit einer abschließenden Sachentscheidung in Gang zu setzen (vgl. zum Antrag auf Unterschutzstellung eines vom Eigentümer für denkmalwürdig gehaltenen</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Gebäudes</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Gebäudes: OVG NW, Urteil vom 16. Dezember 1987- 11 A 2015/84 -).</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Selbst wenn das vorstehend dargestellte Hindernis der fehlenden Zulässigkeit der ursprünglichen Klage dem Fortsetzungsfeststellungsantrag nicht entgegenstände, so wäre dieser dennoch unzulässig, da dem Kläger ein berechtigtes konkretes Interesse an der Feststellung (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) fehlt.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Nach der ständigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte kann ein Feststellungsinteresse grundsätzlich in drei Ausgestaltungen in Betracht kommen. Es kann ein Rehabilitierungsinteresse gegeben sein, es kann ein Schadensersatzinteresse vorhanden sein oder es kann das Interesse vorliegen, der Wiederholung gleichartiger Verwaltungsentscheidungen vorzubeugen (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 24. Februar 1983 - 3 C 56.80 -, DVB1. 1983, 850, m.w.N.).</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Die zuletzt genannte Möglichkeit kommt hier nicht in Betracht. Die Aussicht, daß die vom Kläger ausgesuchten Kunstobjekte in absehbarer Zeit wieder in sein Eigentum zurück-gelangen und er erneut einen Antrag auf Eintragung dieser Objekte in das Verzeichnis stellt, ist so wenig konkret,</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">daß ein Vorbeugungsinteresse darauf zur Zeit noch nicht gestützt werden kann.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Aber auch ein Rehabilitierungsinteresse scheidet aus. Es ist nur anzuerkennen, wenn der Kläger durch den Verwaltungsakt oder seine Begründung noch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung in seiner Menschenwürde, in den</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Schutzgütern des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, in seiner persönlichen Ehre oder dem beruflichen oder gesellschaftlichen Ansehen objektiv erheblich beeinträchtigt ist. Davon kann keine Rede sein. Die Bescheide selbst sind zurückhaltend formuliert und enthalten nichts, was als Angriff</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">auf die genannten Schutzgüter angesehen werden könnte. Das beeinträchtigte Rechtsgefühl des Klägers und sein Interesse, für eine angeblich rechtswidrige Entscheidung des Beklagten Genugtuung zu erlangen, reichen für die Annahme eines berechtigten Interesses nicht aus. Soweit</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">sich</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">sich der Sachverständigen-Ausschuß im Vorfeld der Entscheidung kritisch zu dem Antrag des Klägers geäußert hat, erreicht dies nicht die Intensität einer erheblichen Beeinträchtigung des Ansehens des Klägers. Zum einen haftet der wertmäßigen Einstufung von Sammelobjekten - insbesondere in einem Bereich, der nur von wenigen Experten überschaut werden mag - in besonderem Maße etwas Subjektives und Vorläufiges an, so daß auch im persönlichen und beruflichen Umfeld des Eigentümers und Sammlers die zurückhaltende Einschätzung bestimmter Objekte nicht mit seiner Ehre und mit seinem Ansehen in Verbindung gebracht werden dürfte. Dies gilt selbst dann, wenn ein einzelnes Stück als nicht echt bezeichnet wird, sofern nicht - was hier ausscheidet - der Sammler verdächtigt wird, die Fälschung hergestellt, bei der Fälschung mitgewirkt oder das gefälschte Objekt wider besseres Wissen als echt hingestellt zu haben. Zum anderen sind die Bemerkungen des Ausschusses zur Qualität der Sammelstücke des Klägers sowie die Vermutungen über dessen Absichten vor dem Hintergrund der Qualitätsdefinition zu sehen, die der Ausschuß in seiner Sitzung vom</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">2. November 1983 gegeben hat. Danach sollten "nur wirklich exzeptionelle unverzichtbare Objekte auf die Liste gesetzt werden". An diesem nach eigenem Bekunden höchsten Maßstab hat der Ausschuß die vom Kläger benannten Kunstwerke gemessen, wie</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">aus der Formulierung "... entsprechen nicht dem Qualitätsmaßstab, der für die Liste gilt" hervorgeht. Auf die vom Kläger mit der Aufnahme in das Verzeichnis aus der Sicht des Ausschusses erstrebte Kategorie des "Exzeptionellen" bezieht sich auch die Vermutung der Ausschußmitglieder, der Kläger wolle eine Aufwertung seiner Sammlung erreichen. Wenn in derartigem Rahmen über die Einhaltung so hoch angesetzter Maßstäbe diskutiert wird, kann von einer rehabilitationsbedürftigen Beeinträchtigung des Ansehens desjenigen, der mit seinen Anträgen scheitert, nicht gesprochen werden.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Auch auf das Vorliegen eines Schadensersatzinteresses kann sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen.-Es setzt voraus, daß die Absicht, einen Schadensersatzanspruch wegen Amtspflichtverletzung geltend zu machen, nicht offensichtlich aussichtslos ist.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Daran</span></p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">Daran fehlt es hier. Die Vorschriften des Art. 34 GG und des § 839 BGB, die allein als Anspruchgrundlage für eine Amtshaftungsinne in Betracht kommen, setzen u.a. die schuldhafte, d.h. vorsätzliche oder fahrlässige Verletzung einer einem Dritten gegenüber bestehenden Amtspflicht voraus. Ein derartiges Verschulden wird der Kläger nicht nachweisen können.</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Zwar traf die Beamten des Beklagten bei der Bearbeitung der Anträge des Klägers eine Amtspflicht zum rechtmäßigen Handeln, d.h. die Verpflichtung, bei der Erfüllung der ihnen zugewiesenen Aufgabe des Gesetzes- und alle weiteren Rechtsvorschriften zu beachten. Hieraus ergeben sich jedoch keine rechtlichen Beanstandungen. Form und Verfahren der behördlichen Entscheidung sind rechtmäßig. Insbesondere ist die gemäß § 2 Abs. 2 des Gesetzes zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung erfolgte Berufung von Sachverständigen aus den Kreisen der Fachleute aus den öffentlichen Verwaltungen, der Hochschullehrer, der privaten Sammler, des Kunsthandels und Antiquariats nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat bei der Auswahl der Sachverstsändigen im Rahmen der Vorschriften des § 2 des genannten Gesetzes weitgehende Gestaltungsfreiheit. Die Ablehnung der Eintragung in das Verzeichnis ist eine der gesetzlich vorgesehenen Rechtsfolgen</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">und läßt Willkür nicht erkennen. Soweit sich der Vorwurf des Klägers gegen die beim Beklagten tätig gewordenen Ausschußmitglieder bzw. Sachbearbeiter darauf reduziert, daß diese eine unzutreffende Rechtsauffassung vertreten und dadurch das Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Abwanderung unrichtig angewandt hätten, ist zu berücksichtigen, daß die Feststellung, ob die Abwanderung von Kunstwerken aus dem Geltungsbereich des Gesetzes einen wesentlichen Verlust</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">für den deutschen Kulturbesitz bedeuten würde, eine Bewertung der Fakten und eine Abwägung der widerstreitenden Interessen anhand der individuellen Besonderheiten eines einzelnen Falles erfordert. Läßt in einem derartigen Falle die behördliche Entscheidung nach außen hin erkennen, daß die unterschiedlichen Gesichtspunkte sorgfältig bedacht worden sind, so spricht selbst bei objektiv unrichtiger Gesetzesauslegung</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">und -anwendung vieles dafür, daß ein Verschulden in der Regel zu verneinen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 1977, Buchholz 310 § 113 VwG() Nr. 84). Dieser Gesichtspunkt trifft für die durch zwei Ausschußsitzungen gründlich vorbereitete Entscheidung des Beklagten zu.</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Darüber hinaus ist jedoch ein Verschulden nach gefestigter Rechtsprechung der Zivilgerichte (vgl. BGH, Urteil vom 29. Mai 1958, BGHZ 27, 338; Urteil vom 6. Februar 1975, NJW 1975, 972) und der Verwaltungsgerichte (vgl. BVerwG, Beschluß vom 22. September 1975, Buchholz 310 § 113 VwGO, Nr. 79; Urteil vom 9. Oktober</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">1984, NVwZ 1985, 267 = GewArch 1985, 66; Urteil vom 17. Oktober 1985, BayVBl 1986, 407) weiterhin auszuschließen, wenn ein mit mehreren Rechtskundigen besetzes Kollegialgericht das Verhalten und die Entscheidung der beteiligten Beamten als rechtmäßig be, wertet hat. Dahinter steht die Überlegung, daß eine Abweichung von der objektiven Rechtslage nicht als schuldhaft angesehen werden kann, wenn das zur Überprüfung der Entscheidung berufene und fachkundige Gericht mehrheitlich keine ernstlichen Zweifel äußert und zu demselben Ergebnis gelangt wie die Sachbearbeiter der behördlichen Entscheidung. So verhält es sich hier. Das Verwaltungsgericht hat sich eingehend mit der Rechtmäßigkeit der Versagung der Eintragung der vom Kläger benannten Kunstwerke in das "Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes" befaßt und die Entscheidung des Beklagten für rechtlich unbedenklich gehalten.</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Die Bewertung durch das Verwaltungsgericht verliert ihre Bedeutung als Indiz für die offensichtliche Aussichtslosigkeit einer Amtshaftungsklage nicht dadurch, daß das Urteil mit der Berufung angegriffen worden ist. Entscheidend ist die Tatsache der rechtlichen Würdigung des Verwaltungshandelns durch das Kollegial‑</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">gericht und nicht der rechtliche Bestand des entsprechenden Urteils. Insofern kommt es auch nicht darauf an, daß das Verwaltungsge‑</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">richt sich mit der Verwaltungsentscheidung inhaltlich auseinandergesetzt hat, obwohl dem Kläger, wie ausgeführt, ein Rechtsschutzinteresse für eine derartige Überprüfung fehlte.</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Zwar wird eine Ausnahme von den dargestellten Grundsätzen für die Fälle gelten müssen, in denen die Entscheidung des</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Kollegialgerichts</span></p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">Kollegialgerichts ihrerseits offensichtlich unrichtig erscheint, etwa weil von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen, gegen elementare verfahrensrechtliche oder materiell-rechtliche Regeln verstoßen oder eine eindeutige Bestimmung "handgreiflich falsch" (BGHZ 27, 338, 343) ausgelegt worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">Eine offensichtliche Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils in diesem Sinne ist jedoch hier nicht ersichtlich. Auf Bedenken stößt allerdings die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Entscheidung des Beklagten könne gerichtlich nur eingeschränkt überprüft werden, weil der Gesetzgeber der obersten Landesbehörde bei der Entscheidung, ob die Abwanderung eines Kunstwerks einen wesentlichen Verlust für den deutschen Kulturbesitz bedeuten würde, eine Beurteilungsermächtigung eingeräumt habe. Es spricht vieles dafür, daß diese Auffassung nicht zutrifft und daß für die genannte Entscheidung weder eine aus der Natur der Sache noch aus einer bewußten gesetzlichen Zuweisung folgende vorrangige Prüfungs- und Entscheidungskompetenz der Verwaltungsbehörde besteht (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 14, März 1986 - 5 S 1804/85              NJW 1987, 1440 = ESVGH 36, 206). DieseFrage braucht jedoch nicht vertieft zu werden. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts ist zumindest vertretbar, jedenfalls nicht handgreiflich falsch im oben erläuterten Sinne. Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht sich nicht nur auf die eingeschränkte gerichtliche Überprüfung zurück‑</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">gezogen, sondern daneben selbst die Eintragungsvoraussetzungen geprüft. Es ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, daß die vom Kläger vorgeschlagenen Objekte "weder einen Bezug zur deutschen Kultur (haben) noch ... von Künstlern von internationalem Rang geschaffen worden" sind. Damit hat das Verwaltungsgericht unabhängig von seiner Auffassung von den Grenzen der gerichtlichen Überprüfbarkeit als Kollegial‑</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">organ die Entscheidung des Beklagten gewürdigt und im Ergebnis bestätigt.</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">Offensichtlich</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">Offensichtlich unrichtig ist entgegen der Auffassung des Klägers das Urteil des Verwaltungsgerichts auch nicht deshalb, weil es nicht berücksichtigt hat, daß dem Sachverständigen-Ausschuß ein Gutachten des              vorgelegen hat, das derKläger als "Falschgutachten" ansieht. Das Verwaltungsgericht ist</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">insoweit nicht von einem offensichtlich unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Zum einen hat es dem Gutachten des</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">keine Bedeutung beigemessen und andere Kriterien als die Echtheit der Objekte in den Vordergrund gestellt. Das Gericht hat hierzu ausgeführt, für die Entscheidung nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung komme es "auf die Frage, ob das Gutachten des              vom 24. November 1983richtig ist, wonach einzelne Objekte gefälscht bzw. wertlos sein sollen", nicht an. Es hat ferner dargelegt, daß auch der Sachverständigen-Ausschuß in seiner Sitzung vom 26. Januar 1984, wie sich aus dem Protokoll ergebe, nicht entscheidend auf das Gutachten des</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">abgestellt, sondern den Antrag des Klägers mit der allgemeineren Begründung abgelehnt habe, die vorgeschlagenen Objekte entsprächen nicht dem Qualitätsmaßstab der Liste des national wertvollen Kulturgutes. Zum anderen ist darauf hinzuweisen, daß das streitige Gutachten als Grundlage für einen offensichtlich zutreffenden oder unzutreffenden Sachverhalt nicht geeignet ist. Es gibt die wissenschaftliche Meinung des Verfassers wieder, konkurriert insoweit mit anderen wissenschaftlichen Auffassungen und entzieht sich deshalb einer Einstufung als offensichtlich richtig oder offensichtlich falsch. Selbst wenn das Verwaltungsgericht seine Entscheidung maßgeblich darauf gestützt hätte, wäre aus diesem Umstand eine handgreifliche Schwäche des Urteils im Sinne der dargestellten Rechtsprechung zum Feststellungsinteresse nicht herzuleiten.</p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks">Die Revision ist nicht zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür (§ 132 Abs. 2 VwGO) nicht vorliegen.</p>
|
315,375 | ag-wuppertal-1988-05-05-35-c-2888 | {
"id": 749,
"name": "Amtsgericht Wuppertal",
"slug": "ag-wuppertal",
"city": 509,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 35 C 28/88 | 1988-05-05T00:00:00 | 2019-03-13T14:54:04 | 2019-03-27T09:43:17 | Urteil | ECLI:DE:AGW:1988:0505.35C28.88.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p>Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Am 09.08.1987 ereignete sich in W ein Verkehrsunfall zwischen dem PKW des Klägers und einem bei der Beklagten haftpflichtversicherten PKW. Der Versicherungsnehmer der Beklagten war mit seinem bei der beklagten haftpflichtversicherten PKW gegen den geparkten PKW des Klägers geraten und hat diesen beschädigt.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen hatte der Kläger seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten eingeschaltet.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Dieser hatte durch Anfrage bei dem Zentralruf für Autoversicherer den Haftpflichtversicherer des unfallverursachenden Kfz., nämlich die Beklagte, ermittelt.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat den Kläger im Wesentlichen entschädigt. Sie hat dem Kläger auch einen Teil der geltendgemachten Rechtsanwaltsgebühren erstattet und zwar in Höhe von 306,89 DM.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Mit seiner Klage verlangte der Kläger von der Beklagten Erstattung folgender Gebührenrechnung. Nach dem Wert 5.111,57 DM:</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Geschäftsgebühr gemäß § 118 Abs. 1 Nr. BRAGO, 228,80 DM;</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Besprechungsgebühr gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO, 228,80 DM,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Auslagenpauschale 40,00 DM,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">6 Fotokopien gemäß § 27 BRAGO <u> 6,00 DM,</u></p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">503,60 DM</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">zuzüglich 14% Mehrwertsteuer <u> 70,50 DM</u></p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">574,10 DM</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">abzüglich bereits erhaltener <u> 306,89 DM</u></p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">267,21 DM</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Der Kläger trägt vor:</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Durch den Anruf seines Prozessbevollmächtigten bei dem Zentralruf sei eine Besprechungsgebühr entstanden.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">den Beklagten zu verurteilen, an ihn, den Kläger, 267,21 DM nebst 4% Zinsen seit dem 02.12.1987 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">die Klage ab zuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist unbegründet und daher abzuweisen. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Unstreitig hat die Beklagte dem Kläger vollen Schadensersatz zu leisten, ihm also die Kosten der Rechtsverfolgung zu erstatten.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte muß also dem Kläger die Rechtsanwaltsgebühren ersetzen, die durch die Tätigkeit des Anwalts im Rahmen der Schadensregulierung entstanden sind.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat dem Kläger die Geschäftsgebühr gemäß § 118 Abs. 1 Ziff. 1 BRAGO zuzüglich Auslagen, Kosten für Fotokopien und Mehrwertsteuer erstattet. Weitere erstattungsfähige Kosten – Gebühr gemäß § 118 Abs. 1 Ziff. 2 BRAGO – sind nicht entstanden, sodaß die Klage als unbegründet abzuweisen ist.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Anfrage bei dem Zentralruf ist nicht als Besprechung über tatsächliche oder rechtliche Fragen im Sinne von § 118 Abs. 1 Ziff. 2 BRAGO zu bewerten. Es handelt sich dabei nämlich nicht um ein sachbezogenes Gespräch vielmehr lediglich um eine Anfrage zum Zwecke der Informationsbeschaffung.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Streitwert: 267,21 DM</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:106px"></p>
|
315,376 | olgham-1988-04-27-30-u-1688 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
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"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 30 U 16/88 | 1988-04-27T00:00:00 | 2019-03-13T14:54:06 | 2019-03-27T09:43:17 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1988:0427.30U16.88.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung der Beklagten wird das am 2. November 1987 verkündete Teilurteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Essen teilweise abgeändert.</p>
<p>Die Beklagte bleibt verurteilt, an die Klägerinnen als Gesamtgläubigerinnen 2.705,75 DM nebst 8 % Zinsen seit dem 1. April 1986 zu zahlen.</p>
<p>Der weitergehende bereits bezifferte Zahlungsantrag (Klageantrag zu 1)) wird abgewiesen.</p>
<p>Die Beklagte bleibt weiter verurteilt, den Klägerinnen Auskunft über den Frischwasserverbrauch der von der Beklagten im Hause ... in ... angemieteten Räumlichkeiten für die Jahre 1983 bis 1985 zu erteilen.</p>
<p>Die Klageanträge zu 4) (Unterlassung) und zu 5) (Schlüsselübergabe) werden abgewiesen.</p>
<p>Die Kosten des Berufungsverfahrens werden den Klägerinnen je zur Hälfte auferlegt.</p>
<p>Die erstinstanzliche Kostenentscheidung bleibt dem landgerichtlichen Schlußurteil vorbehalten.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p>Die Beschwer der Klägerinnen liegt unter 40.000,- DM.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Von Darstellung des <b>Tatbestandes</b> wird gemäß §543 Abs. 1 ZPO abgesehen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe</b></p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Berufung hat Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks"><b>1.</b></p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Einen Anspruch auf Rückerstattung der 807,59 DM für die Wasserleitungsreparatur haben weder die Klägerinnen gemeinsam, die diesen Anspruch geltend gemacht haben, noch die Klägerin zu 1) allein, der das Landgericht ihn zugesprochen hat. Der Rohrschaden fiel in den Verantwortungsbereich der Klägerinnen als Verpächterinnen, denn er betraf "Dach und Fach" des Gebäudes und war auch nicht von der Beklagten oder ihrem Unterpächter verschuldet.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Leitungsdefekt war ein Mangel, dessen Beseitigung nach dem Gesetz Sache der Klägerinnen war (§§581 Abs. 2, 536 ff BGB). Diese gesetzliche Regelung ist im Pachtvertrag vom 29.11.1966 nicht abbedungen. §§4 und 5 des Vertrages überwälzen zwar Instandhaltungsarbeiten auf die Beklagte, nehmen davon aber Schäden "an Dach und Fach" wieder aus. Für einen solchen Schaden hält der Senat den hier interessierenden Leitungsdefekt.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Begriff "Dach und Fach" ist allerdings nicht sehr klar umrissen. Es handelt sich um eine alte Wendung (vgl. Künßberg, Deutsches Rechtswörterbuch, Bände 2 und 3, 1932 bis 1938; Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bände 2 und 3, 1860, 1862; jeweils zu den Stichwörtern "Dach und Fach"), deren genauer Sinn vor allem wegen des mehrdeutigen Wortes "Fach" nicht leicht zu bestimmen ist. Etymologisch scheint das Wort mit "Fangen" zusammenzuhängen (Grimm a.a.O., Stichwort Fach, vor Ziffer 1), was für Umfangen, Einfassung, Abgrenzung als ursprüngliche Bedeutung sprechen könnte. Als architektonischer Begriff bezeichnet es neben "Wand, Mauer, Abteilung in Häusern" (Grimm a.a.O., Stichwort Fach, Ziffer 4) auch das Fachwerksgebälk der Wände und sowohl die leeren Räume dazwischen als auch die Füllung. Eine Beschränkung auf Außenmauerwerk läßt sich nicht feststellen. Letztlich kann man unter "Dach und Fach" auch "Wohnung und Gebäude" verstehen (Grimm a.a.O., Ziffer 4), zumindest deren wesentliche Substanz. Anders als vielleicht zu der Zeit, aus der die Wendung stammt, gehört dazu heute (und ebenso bei Vertragsschluß 1966) auch ein Wasserleitungssystem, umso mehr soweit es, wie hier, unter Putz in der Wand verlegt ist (vgl. auch Weimar, WM 1956, 85 (86), der zu den Arbeiten an Dach und Fach alle Verrichtungen zählt, die der Erhaltung des Gebäudes in seinem Substanzwert dienen).</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Daß die Parteien bei Vertragsschluß den Begriff enger - etwa beschränkt auf Dach und Außenmauerwerk - gesehen haben, vermag der Senat nicht festzustellen. Die vertragliche Grundtendenz, der Beklagten in Abweichung von der gesetzlichen Regelung überhaupt Instandhaltungspflichten zu überbürden, besagt für sich nichts über das Ausmaß der gewünschten Abweichung. Eben weil von der gesetzlichen Regelung abgewichen wird, verbietet sich insoweit eine Auslegung zum Nachteil des Pächters.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Daß für den Rohrbruch kein (von der Beklagten zu vertretender) Frostschaden ursächlich war, steht nach der Auskunft des Deutschen Wetterdienstes, Wetteramt ..., vom 21.04.1988 fest; danach gab es in der fraglichen Zeit in ... keine Minustemperaturen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks"><b>2.</b></p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Auch die den "Innenhof" betreffenden Anträge der Klägerinnen sind unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Den Klägerinnen ist zuzugeben, daß §1 des Vertrages, der den Pachtgegenstand schreibt, die fragliche Fläche nicht erwähnt. Das spricht zunächst gegen eine Mitverpachtung dieser Fläche, obwohl auch ein Versehen der Vertragsschließenden nicht auszuschließen ist: Immerhin liegt und lag die besagte Fläche inmitten von umgebenden Pachträumen, deren Nutzung ohne sie nicht denkbar ist; andererseits können die vertragsschließenden Parteien Formulierungsprobleme gehabt haben, weil der frühere Lichthof nicht unter den in §1 des Vertrages gewählten Oberbegriff "konzessionierte Räume" paßte, möglicherweise nicht einmal als "Raum" angesehen worden ist. Wie der Vertrag damals gemeint war, ist nicht mehr zu klären, nach Ansicht des Senats allerdings auch nicht klärungsbedürftig. Durch ihre spätere Handhabung haben die Vertragspartner nämlich die Maßstäbe für die Auslegung gesetzt, die man dem Vertrag jedenfalls jetzt zu geben hat.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Noch der ursprüngliche Verpächter ... hat die Baugenehmigung der Stadt ... vom 11.05.1977 (Fotokopie Bl. 15 ff der Akten) für Umbaumaßnahmen "innerhalb der Gaststätte" erwirkt, zu denen die Überdachung jenes Innenhofs und seine Absperrung durch feuerhemmende Türen gehörten. Im Einklang damit haben der frühere Unterpächter ... und der jetzige Unterpächter ... den Raum für ihre Zwecke in Anspruch genommen und dem Mitmieter ... den Durchgang verweigert oder nur nach Gutdünken gewährt (Aussagen ... und ...). Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hat das bis zu ihrem Tode 1982 nicht beanstandet (Erklärung der Klägerin zu 1) im Senatstermin). Mit alledem haben beide Vertragspartner zu erkennen gegeben, daß sie den Innenhof als mitverpachtet ansahen. Das können die Klägerinnen nun nicht einseitig revidieren.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks"><b>3.</b></p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §708 Ziffer 10 ZPO.</p>
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315,377 | olgk-1988-04-20-13-w-1988 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
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} | 13 W 19/88 | 1988-04-20T00:00:00 | 2019-03-13T14:54:08 | 2019-03-27T09:43:17 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1988:0420.13W19.88.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen</p><p>den Beschluß des Landgerichts Aachen vom 3. März 1988 - 10 0 679/86 - wird zurückgewiesen.</p><p>Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden den Beklagten auferlegt.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Gründe:</span></p><span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die gem. §§ 793, 567 Abs. 2, 577 ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten vom 23. März 1988 gegen den Beschluß des Landgerichs Aachen vom 3. März 1988 hat in der Sache keinen Erfolg.</p><span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Zu Recht hat das landgericht Aachen im angefochtenen Beschluß den Kläger gemäß § 887 Abs. 1 ZPO ermächtigt, die von den Beklagten gem. dem vollstreckbaren Urteil des Landgerichts Aachen vom 2. 6. 1987 - 10 0 679/86 - zu übergebende unbefristet selbstschuldnerische Bankbürgschaft in Höhe von DM 20.000,- zur Sicherung der Ansprüche des Klägers aus dem Mietvertrag vom 28.10.1985 auf Kosten der Beklagten zu beschaffen.</p><span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Es handelt sich hierbei um eine vertretbare und nach § 887 Abs. ZPO zu vollstreckende Handlung. Vertretbare Handlungen im Sinne der genannten Vorschrift sind solche, die von einem Dritten anstelle des Schuldners vorgenommen werden können, ohne daß</p><span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">es der Mitwirkung des Schuldners bedarf ( vgl. nur ZöllerStöber, ZPO, 15. Aufl. 1987, Rdnr. 2 zu § 887). Für die Verpflichtung zur Stellung einer Bankbürgschaft ist das der Fall. Denn für den Gläubiger ist es ohne Bedeutung, wer die Bank beauftragt, eine Bürgschaft für den Schuldner zu übernehmen (vgl. OLG Zweibrücken, MDR 1986, 1034; Zöller-Stöber, a.a.O. Rdnr. 3;</p><span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, ZPO, 46. Aufl. 1988, Anm 6 zu § 887, Stichwort "Sicherheitsleistung"; Stein-Jonas-Münzberg, ZPO, 19. Aufl. Anm. II 1 zu § 887). Mithin fallen unter</p><span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">die Vorschrift des § 887 ZPO auch die Verurteilung zur Sicher-</p><span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">heitsleistung gleichgültig, ob diese durch Geldzahlung, Hinterlegung von Wertpapieren oder durch Bürgschaft bewirkt wird.</p><span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Auf die zutreffenden Ausführungen der Kammer im angefochtenen Beschluß wird im übrigen zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.</p><span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Unbegründet ist die Beschwerde auch, soweit sie sich gegen die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Vorschusses von 20.000,- DM wehrt. Auf den entsprechend auszulegenden Antrag des Gläubigers waren die Schuldner gem. § 887 Abs. 2 ZPO zur Vorauszahlung der Kosten zu verurteilen, die durch die Vornahme der Handlung, nämlich Beauftragung einer Bank zur Stellung</p><span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">einer Bürgschaft entstehen werden. Zu diesen Kosten gehören neben der Vergütung des Bürgen aber auch die Aufwendungen, die der Gläubiger vornehmen muß, um die Handlung zu erwirken. Insbesondere werden hiervon auch die Beträge erfaßt, die der</p><span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Bürge zu seiner Sicherstellung verlangt ( vgl. KG JW 1936, 146434 ). Ob es sich hierbei um bei der Stellung der Bürgschaft typischerweise anfallende Kosten handelt ( so OLG Düsseldorf MDR 1984, 323, 324 zur Frage der Finanzierung von Kosten für gem. § 887 ZPO zu vollstreckende umfangreiche Baumaßnahmen),</p><span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">mag dahinstehen. Denn der Gläubiger hat von den Schuldnern unwidersprochen vorgetragen, daß die Kreissparkasse Aachen zur Übernahme der Bürgschaft nur bereit sei, wenn auf ein Sperr-</p><span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">konto der Betrag von DM 20.000,- eingezahlt werde. Daß die Bank zur Übernahme der Bürgschaft nur bei Vorliegen von Sicherheiten bereit ist, entspricht - wie schon das Landgericht ausgeführt hat - der allgemein üblichen Handhabung im Kreditgewerbe und bedarf keiner Vertiefung. Kann die Bank nicht auf Sicherheiten zurückgreifen, so muß der Gläubiger ihr eine solche verschaffen, wenn er sie zur Übernahme einer Bürgschaft zu seinen Gunsten veranlassen will. Die vom Gläubiger hierfür aufzuwendenden Kosten sind daher Kosten der Vornahme der zu erzwindenden Handlung, da ansonsten die Vollstreckung nach § 887 ZPO unmöglich gemacht würde ( vgl. KG a.a.O.).</p><span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. <span style="text-decoration:underline">Beschwerdewert:</span> DM 20.000,-.</p>
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315,378 | olgham-1988-04-19-27-u-27987 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
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"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 27 U 279/87 | 1988-04-19T00:00:00 | 2019-03-13T14:54:10 | 2019-03-27T09:43:17 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1988:0419.27U279.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung des Klägers gegen das am 15. Juli 1987 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bochum wird zurückgewiesen, jedoch haben die Beklagten als Gesamtschuldner für den vom Landgericht dem Kläger zuerkannten weiteren Schmerzensgeldbetrag von 3.000,- DM zusätzlich 4 % Zinsen für die Zeit vom 8. Juli 1986 bis zum 12. November 1987 zu zahlen.</p>
<p>Die Kosten der Berufungsinstanz werden dem Kläger auferlegt.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger und seine Schwester ..., die ihm ihre Ansprüche abgetreten hat, sind Alleinerben ihrer an den Folgen des Verkehrsunfalls vom 05.07.1986 verstorbenen Mutter, der damals 59jährigen Angestellten ... die an diesem Tag gegen 12.55 Uhr in ... mit einem Fahrrad die 13 m breite ... in nördlicher Richtung befuhr. Als sie sich dem in Höhe des Hauses Nummer 196 vom dem Beklagten zu 1) teils auf der Fahrbahn, teils auf dem Bürgersteig geparkten, bei dem Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten PKW näherte, öffnete der Beklagte zu 1) die Fahrertür, worauf es zur Kollision mit dem Fahrrad kam und die Mutter des Klägers über den Lenker hinweg auf die Straße geschleudert wurde. Die Mutter des Klägers erlitt ein schweres gedecktes Schädelhirntrauma mit Hirnkontusion, eine subdurale und intracerebrale Blutung, wurde bewußtlos ins Krankenhaus eingeliefert, wo sich sich zwei Operationen unterziehen mußte und am 08.07.1986 gegen 16.45 Uhr verstarb, ohne ihr Bewußtsein wieder erlangt zu haben.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Mit seiner am 08.07.1986 zugestellten Klage, welcher der an diesem Tag zum Gebrechlichkeitspfleger der Mutter des Klägers bestellte erstinstanzliche Prozeßbevollmächtigte zu Protokoll der Geschäftsstelle am selben Tag zugestimmt hat, hat der Kläger Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes begehrt, worauf der Beklagte zu 2) nach Rechtshängigkeit der zunächst nur gegen den Beklagten zu 1) erhobenen Klage 2.000,- DM gezahlt hat.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">die Beklagten zu verurteilen, an ihn ein angemessenes weiteres Schmerzensgeld, mindestens aber 10.000,- DM, zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten haben beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Sie haben ein Mitverschulden der Verstorbenen geltend gemacht und gemeint, die Höhe des gezahlten Schmerzensgeldes sei angesichts der geringen Schmerzensdauer und der Bewußtlosigkeit der Verstorbenen angemessen, zumal das Schmerzensgeld nicht ihr, sondern den Erben zufließe.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat dem Kläger mit dem angefochtenen Urteil ein weiteres Schmerzensgeld von 3.000,- DM zugesprochen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Mit seiner Berufung begehrt der Kläger weiterhin ein angemessenes Schmerzensgeld, wobei er nunmehr - unter Einschluß der zunächst gezahlten 2.000,- DM und der aufgrund des Urteils am 12.11.1987 gezahlten weiteren 3.000,- DM - insgesamt 10.000,- DM als Mindestbetrag angibt. Er meint, das Landgericht habe die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes zu niedrig bewertet.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">abändernd die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an ihn unter Einbeziehung des gezahlten Betrages von 2.000,- DM und des vom Landgericht ausgeurteilten Betrages insgesamt ein angemessenes Schmerzensgeld von 10.000,- DM nebst 4 % Zinsen auf 8.000,- DM seit dem 08.07.1986, abzüglich am 12.11.1987 gezahlter 3.000,- DM, zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Sie halten die Höhe des vom Landgericht ausgeurteilten Schmerzensgeldes für angemessen; sie haben ihren Einwand des Mitverschuldens wiederholt und im Wege der Hilfsanschlußberufung geltend gemacht, diese jedoch im Termin nicht weiterverfolgt.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der Akten und der Beiakten 30 Ls 5 Js 365/86 der Staatsanwaltschaft Bochum, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Berufung des Klägers ist zulässig, sachlich jedoch nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat gegen die Beklagten gemäß §§ 823 Abs. 1, 847 BGB, 3 PflichtversG. in Verbindung mit §§ 1922, 398 BGB über die inszwischen insgesamt gezahlten 5.000,- DM hinaus keinen Anspruch auf Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes. Die unfallbedingten immateriellen Schäden seiner verstorbenen Mutter sind mit dem gezahlten Betrag hinlänglich abgegolten.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß dem Schmerzensgeld eine doppelte Funktion zukommt. Es soll dem Geschädigten in erster Linie einen angemessenen Ausgleich für seine nichtvermögensrechtlichen Schäden bieten, aber auch dem Gedanken Rechnung tragen, daß der Schädiger dem Geschädigten Genugtuung schuldet (BGHZ 18, 149 ff.). Die <u>Ausgleichsfunktion</u> tritt - unter Umständen vollständig - zurück, wenn der Verletzte, wie im Streitfall, die Schmerzensgeldzahlung subjektiv überhaupt nicht als Ausgleich für erlittene Unbill wahrnehmen kann und ein solcher Ausgleich auch objektiv gar nicht möglich ist, weil sein persönliches Befinden und die ihm zuteil werdende sachgemäße Pflege einer echten Förderung eigentlich nicht zugänglich sind (BGH NJW 1976, Seite 1147, 1148). In einem solchen Fall tritt daher die <u>Genugtuungsfunktion</u> des Schmerzensgeldes in den Vordergrund, wobei wegen des dem Schmerzensgeld zukommenden höchstpersönlichen Charakters auf die vom Verletzten selbst vor seinem Tod erlittenen immateriellen Schäden abzustellen ist. In Anbetracht dieser Erwägungen liegt das an den Kläger als Rechtsnachfolger gezahlte Schmerzensgeld von insgesamt 5.000,- DM im oberen Bereich des richterlichen Ermessensspielraums.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Ein Schmerzensgeld von insgesamt 5.000,- DM erscheint auch im Lichte eines Vergleichs mit ähnlich gelagerten Fällen angemessen. Der Senat hat in seinem Urteil vom 2. Oktober 1984 - 27 U 142/84 - in einem Fall, in dem die Geschädigte 18 Tage nach einem Verkehrsunfall an dessen Folgen verstorben und zwischenzeitlich zeitweise bei Bewußtsein gewesen war, ein Schmerzensgeld von 6.000,- DM und in seinem Urteil vom 15. Mai 1984 - 27 U 88/83 - in einem Fall in dem die Geschädigte durch einen Verkehrsunfall schwerste innere Verletzungen erlitten hatte, die nach einer 22tägigen Behandlung auf der Intensivstation zu ihrem Tode führten, im Hinblick darauf, daß sie während dieser Behandlung bei vollem Bewußtsein war und das allmähliche Nachlassen ihrer Körperfunktionen miterlebte und zudem trotz medikamentöser Behandlung an erheblichen Schmerzen litt, ein Schmerzensgeld von insgesamt 15.000,- DM als angemessen erachtet. Das Landgericht Kiel hat in seinem Urteil vom 28.11.1979 (VersR 1980, 1081) der Rechtsnachfolgerin eines Geschädigten, der 14 Tage nach dem Unfall an dessen Folgen verstorben war und in dieser Zeit derartig unter medikamentösem Einfluß gestanden hatte, daß er fühlbare Schmerzen nicht empfinden konnte, ein Schmerzensgeld von 3.000,- DM zuerkannt. Das Landgericht Köln hat in seinem Urteil vom 26.02.1982 (VersR 1983, 1066) den Eltern und Erben ihrer minderjährigen Tochter, die 5 Tage nach einem Verkehrsunfall an dessen Folgen verstorben war, ohne das Bewußtsein wiedererlangt zu haben, ein Schmerzensgeld von 5.000,- DM zugesprochen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht München II hat schließlich mit seinem Urteil vom 28.05.1980 (VersR 1981, 69) in einem Fall, in dem eine 29jährige Ehefrau und Mutter von 2 Kindern zwei Wochen nach einem Unfall an dessen Folgen verstorben war, ohne das Bewußtsein wiedererlangt zu haben, ein Schmerzensgeld von 10.000,- DM für angemessen erachtet. Nach alledem erscheint die vom Landgericht im Streitfall vorgenommene Bemessung des Schmerzensgeldes gut vertretbar.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Der - erstmals im Berufungsrechtszug - geltend gemachte Zinsanspruch rechtfertigt sich aus §§ 288, 291 BGB. Wenn auch im konkreten Fall der Schmerzensgeldanspruch des Klägers aus abgetretenem Recht insgesamt, also einschließlich der zwischenzeitlich aufgelaufenen Zinsen, mit dem ihm zugesprochenen, dem oberen Bereich des Ermessenspielraums zuzuordnenden Kapitalbetrag als abgegolten angesehen werden könnte, hat der Senat dem Kläger dennoch die begehrte Verzinsung zuerkannt, da er davon ausgeht, daß der Zinsanspruch, wenn er schon in erster Instanz geltend gemacht worden wäre, Erfolg gehabt hätte.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO; diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Ziffer 10 und 713 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Das Urteil beschwert den Kläger in Höhe von 5.000,- DM.</p>
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315,379 | ag-viersen-1988-04-15-20-f-4188 | {
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} | 20 F 41/88 | 1988-04-15T00:00:00 | 2019-03-13T14:54:11 | 2019-03-27T09:43:16 | Urteil | ECLI:DE:AGVIE:1988:0415.20F41.88.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Zwangsvollstreckung der Beklagten aus dem Beschluß des Amtsgerichts Viersen vom 16.03.1981, 13 F 292/80, - in Verbindung mit dem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 05.10.1983 5 UF 76/83 - / 13 F 306/81 - AG Viersen - bezüglich des Unterhalts für die Tochter A. in Höhe von mtl. 570,-- DM für die Zeit ab 01.06.1987 wird für unzulässig erklärt.</p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Tatbestand</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger begehrt die Feststellung der Unzulässigkeit von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Beklagten.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Im Verlauf des durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Viersen vom 17.11.1981 abgeschlossenen Scheidungsverfahrens hat die Beklagte im einstweiligen Anordnungsverfahren - 13 F 292/80 EA - einen Beschluß vom 16.03.1981 erwirkt, durch welchen dem Kläger unter anderem aufgegeben worden ist ‚ ab 01 .03.1981 an die Beklagte für die gemeinsame Tochter A., geb. am 1966, einen mtl. Unterhalt von 585 ‚-- DM zu zahlen</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Aufgrund einer Feststellungsklage des Klägers gegenüber der Beklagten wurde durch Urteil des OLG Düsseldorf vom 07.09.1983 - 5 UF<b> </b>76/83 OLG D‘dorf/ 13 F 306/81 AG Viersen - unter anderem erkannt, daß der Kläger ab 01.01.1983 für die Tochter A. keinen höheren Unterhalt als mtl. 570,-- DM zu zahlen hat.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">In einem weiteren Verfahren zwischen der volljährigen Tochter A. und dem Kläger vor dem Familiengericht Aachen ist durch Urteil vom 09 .03.1988 — 23 F 219/87 — unter anderem festgestellt worden, daß der Kläger der Tochter ab 11.12.1987 keinen höheren Unterhalt als mtl. 495,20 DM zu zahlen verpflichtet ist.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte betreibt aus dem einstweiligen Anordnungsbeschluß des Amtsgerichts Viersen vom 16.03.1981 in Verb. mit dem Urteil des OLG Düsseldorf vom 05.10.1983 wegen eines mtl. Kindesunterhaltsanspruchs von 570,-- DM für die Zeit ab Juni 1987 die Zwangsvollstreckung. Sie hat deshalb bei dem Amtsgericht Aachen einen entsprechenden Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom 29 .09.1987 erwirkt - 8 M 1194/87. Die dagegen erhobene Erinnerung des Klägers ist im Beschwerdeverfahren durch Beschluß des Landgerichts Aachen vom 02.03.1988 verworfen worden.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist der Ansicht ‚ die Beklagte sei nicht berechtigt ‚ im einstweiligen Anordnungsbeschluß die titulierten Kindesunterhaltsansprüche zu vollstrecken ‚ nachdem die Tochter A seit dem.1984 volljährig sei, seit. dem .1985 studiere und sich seitdem auch nicht mehr im Haushalt der Beklagten befinde.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt wie erkannt zu entscheiden.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Sie macht geltend, daß sie zur Vollstreckung aus dem EA-Beschluß, soweit dieser nicht durch das Urteil des OLG Düsseldorf vom 05.10.1983 außer Kraft gesetzt sei, mithin in Höhe eines mtl. Betrages von 570,-- DM, den sie an die volljährige Tochter weiterleite, berechtigt sei. Der einstweilige Anordnungsbeschluß regele die Unterhaltspflicht des Vaters gegenüber dem Kind im Verhältnis untereinander im Verhältnis zwischen dem Kind und dem Vater. Vollstrecken könne aus diesem Beschluß allein sie, die Beklagte, aber nicht die Tochter. Demgemäß seien, da der Kläger nicht freiwillig an sie, die Beklagte, oder die Tochter gezahlt habe, Vollstreckungsmaßnahmen legitim.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Im übrigen wäre die Klage, sofern sie, die Beklagte, zur Zwangsvollstreckung nicht mehr legitimiert sei, unbegründet ‚ weil dann nämlich für die Vollstreckungsgegenklage nicht sie, die Beklagte, sondern vielmehr die Tochter der Parteien passiv legitimiert wäre.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe</b></p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Vollstreckungsgegenklage des Klägers ist zulässig. Denn bei einer Vollstreckung des Titelgläubigers, der einen Titel in gesetzlicher Prozeßstandschaft nach § 1629 Abs. 3 BGB erstritten hat, kann der Schuldner die zwischenzeitlich eingetretene Beendigung der Prozeßstandschaft nicht mit der Klauselerinnerung (§ 732 ZPO) oder der Vollstreckungserinnerung (~ 766 ZPO) sondern nur mit der Vollstreckungsgegenklage geltend machen (vgl. OLG Köln, FamRZ 1985, 626). Diese Grundsätze geltend auch für den Fall der gesetzlichen Prozeßstandschaft gern. § 620 Nr. 4<b> </b>ZPO alter Fassung.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist auch im vollen Umfang begründet. Die Beklagte ist zur Vollstreckung aus demgemäß seinerzeitig geltendem Recht (§ 620 Nr. 14 a.F. ZPO) erlassenen einstweiligen Anordnungsbeschluß vom 16.03.1981, soweit dieser nicht durch Feststellungsurteil des OLG Düsseldorf vom 05.10.1983 bereits auf eine mtl. Unterhaltsverpflichtung des Klägers von 570,-- DM reduziert worden ist, nicht mehr, nämlich seit Volljährigkeit der Tochter nicht mehr berechtigt</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Der Beklagten ist zwar insoweit beizupflichten ‚ daß durch einen im Wege der gesetzlichen Prozeßstandschaft erwirkten einstweilige Anordnungsbeschluß auf Zahlung von Kindesunterhalt gern. § 620 Nr. 4 ZPO a.F. diese Unterhaltsverpflichtung nur im Verhältnis der getrenntlebenden Ehegatten zueinander geregelt wird (anders als nach nunmehr geltendem Recht) mit der Folge, daß die Zwangsvollstreckung aus der einstweiligen Anordnung nur derjenige Elternteil betreiben kann ‚ zu dessen Gunsten sie ergangen ist nicht aber das Kind selbst (vgl. BGH FamRZ 1983, 892; Bremen FamRZ 1984 ‚ 70) . Das Kind ist vielmehr, wenn es selbst Vollstreckungsgläubiger werden will, gehalten, den Unterhaltsanspruch durch Erstklage (und nicht Abänderungsklage) für sich selbst titulieren zu hassen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Das Gericht stimmt mit der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OLG Hamburg, FamRZ 1984, 927; Hamm, FamRZ 1981, 589; Kammergericht FamRZ 19814 ‚ 505) und der Beklagten auch dahingehend überein ‚ daß der Titelgläubiger aus einem in Prozeßstandschaft erwirkten Titel auch nach Beendigung der Prozeßstandschaft in eigenem Namen vollstrecken kann ‚ auch wenn die unterhaltsberechtigten Kinder nach herrschender Meinung nach Abschluß des Scheidungsverfahrens die Zwangsvollstreckungsklausel ebenfalls beantragen können</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Jedoch hat dieses eine zeitliche Schranke. Die obigen Grundsätze und die obige Rechtsprechung geltend nur - und zwar auch bei einstweiligen Anordnungen gern. § 620 Nr. 4 ZPO a.F. - im Verhältnis der Eltern minderjähriger Kinder zueinander:</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Denn mit der Volljährigkeit des Kindes endet zwar nicht dessen Barunterhaltsanspruch; ein solcher ist infolge Beendigung des Versorgungs- und Betreuungsunterhalts durch den bislang Sorgeberechtigten aber nunmehr gegen beide Eltern dem Grunde nach gerichtet. Ein Bedürfnis des bisherigen Sorgerechtsinhabers, im eigenen Namen den Barunterhalt für das Kind realisieren zu können ‚ ist dann nicht mehr gegeben. Dieses Bedürfnis ist vielmehr </p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">auf das voll eigenständige Kind übergangen. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber in § 620 Nr. 4 ZPO neuer Fassung auch nunmehr (durch die Änderung vom 20.02.1986) klargestellt, daß im Wege der einstweiligen Anordnung nur die Unterhaltspflicht gegenüber einem minderjährigen Kind geregelt werden kann. Zwar datiert die hier maßgebliche einstweilige Anordnung aus einer Zeit ‚ in der der Gesetzgeber expressis verbis die Zulässigkeit dieser Anordnung nicht allein für minderjährige Kinder normiert hatte. Doch handelte es sich bei dieser Gesetzesänderung insoweit um eine Klarstellung. Auch nach altem Recht war die Geltendmachung eine einstweilige Anordnung auf Kindesunterhalt im Wege der Prozeßstandschaft nur für minderjährige Kinder zulässig und möglich. Dieses folgt aus der Vorschrift des § 1629 BGB (a.F.). Danach konnte, "wenn eine Regelug der Sorge für die Person des Kindes noch nicht getroffen ist ‚ bei beantragter Scheidung der Ehe der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil geltend machen". Voraussetzung war nach dieser Vorschrift ‚ daß eine Sorgerechtsregelung noch nicht getroffen worden ist. Dieses aber wiederum setzt voraus, daß eine solche überhaupt noch getroffen werden konnte, was bei einem volljährigen Kind nicht möglich ist (allenfalls eine Vormundschaftsregelung).</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Der teilweise dagegen erhobenen Literaturmeinung, § 1629 BGB a.F. sei im Zusammenhang mit § 620 Nr. 4 ZPO nicht einschlägig, weil der Gesetzgeber - wie bereits in der Vorschrift des § 627 ZPO vor der ersten Eherechtsreform - in dieser Vorschrift eine besondere gesetzliche Prozeßstandschaft normiert habe und daher durch die einstweilige Anordnung auch eine Unterhaltspflicht gegenüber einem volljährigen Kind im Verhältnis der Ehegatten zueinander geregelt werden könne, kann nicht zugestimmt werden. Die Prozeßstandschaftsregelmg des § 1629 BGB ist ausdrücklich nach der ersten Eherechtsreform eingeführt worden ‚ weil im früheren Recht eine entsprechende Regelung, die nach der Praxis zwingend erforderlich war, gefehlt hat. Die Regelung des § 1629 BGB sollte auch nicht nur Geltung für reine Kindesunterhaltsklagen des getrennt lebenden Elternteils haben ‚ sondern vielmehr auch für alle Verfahren betreffend den Kindesunterhalt ‚ somit auch für das einstweilige Anordnungsverfahren gelten. Der Gesetzgeber wollte damit Schwierigkeiten ‚ die aus dem Mangel einer solchen Prozeßstandsregelung - auch bei einstweiligen Verfügungsverfahren, die bei Einleitung der Scheidung in einstweilige Anordnungsverfahren übergehen - entstanden sind, beseitigen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Daß die Wirkung einer einstweiligen Anordnung betreffend Kindesunterhalt nur den Minderjährigenunterhalt betreffen kann ‚ folgt zudem auch aus der Überlegung, daß im anderen Falle, d.h. nach altem Recht ‚ das volljährige Kind ‚ das für seinen Unterhalt selbst Sorge zu tragen hat, bei Bedürftigkeit leer ausgehen könnte, wenn nämlich der bislang Sorgeberechtigte weiter den Barunterhalt einzieht und nicht an das Kind weiterleitet. Zumindest bis zur Erwirkung eines eigenen Titels, durch den gern. § 620 f ZPO die einstweilige Anordnung dann außer Kraft gesetzt würde, würde dieses volljährige Kind nach altem Recht auch bei rechtzeitiger Mahnung des Barunterhaltspflichtigen unterhaltsmäßig leer ausgehen, weil der barunterhaltspflichtige Elternteil seiner titulierten Pflicht nachgekommen ist.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Im übrigen würde dies ( vgl. AG Altena/Westfalen, FamRZ 1978, 56) auch einen unzulässigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht eines Volljährigen bedeuten ‚ wenn er im Falle der Scheidung seiner Eltern nicht selbst bestimmen könnte, ob und ggfls. in welcher Höhe er von einem der Elternteile Barunterhalt beanspruchen wolle. Für den Volljährigen bzw. volljährig gewordenen besteht nur die Möglichkeit ‚ den den einen Elternteil berechtigenden einstweiligen Anordnungstitel durch eine erneute Erstklage gegen den anderen Elternteil aus der Welt zu schaffen. Wenn er aber ganz oder teilweise auf Barunterhalt verzichten will und den bislang Barunterhaltspflichtigen entlasten will, ist ihm das kaum möglich (es sei denn durch einen entsprechenden Vergleichstitel)</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Nach alldem endete, da die einstweilige Anordnung vom 16.03.1981 nur die Unterhaltspflicht des Klägers gegenüber der minderjährigen Tochter betreffen konnte, diese allein der Beklagten zustehende Vollstreckungsbefugnis aus diesem Beschluß mit Eintritt der Volljährigkeit der Tochter. Spätestens von diesem Zeitpunkt an bedurfte es der Festsetzung der Unterhaltsverpflichtung des Beklagten gegenüber der volljährigen Tochter. Da die Beklagte somit unberechtigterweise vollstreckt ‚ war dem Antrag des Klägers voll zu entsprechen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Denn verfehlt ist letztlich auch der Einwand der Beklagten ‚ sie sei für die Abwehrklage nicht passiv legitimiert. Wer die .Zwangsvollstreckung im eigenen Namen betreibt ‚ wie hier die Beklagte, ist für die Vollstreckungsabwehrklage auch der richtige Beklagte (vgl. Zöller, Rdnnr. 11 zu § 767 ZPO; Baumbach § 767 Anm. 3).</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709, 110 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat unter Hinweis auf die von der Beklagten unzulässig eingeleiteten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen geltend gemacht, daß es ihm nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten möglich sei ‚ Sicherheit zu leisten ‚ nachdem aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses entsprechenden Beträge ihm nicht mehr von seinem Dienstherrn Soldungsentgelt ausbezahlt worden sind.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:90px">Streitwert: 6.840,-- DM.</p>
|
315,380 | ag-essen-borbeck-1988-04-15-6-c-94687 | {
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"name": "Amtsgericht Essen-Borbeck",
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"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
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} | 6 C 946/87 | 1988-04-15T00:00:00 | 2019-03-13T14:54:12 | 2019-03-27T09:43:16 | Urteil | ECLI:DE:AGE2:1988:0415.6C946.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>hat das Amtsgericht Essen-Borbeck </p>
<p>auf die mündliche Verhandlung vom 25.03.1988 durch die Richterin am Amtsgericht T. für Recht erkannt: . </p>
<p></p>
<p>Die Klage wird abgewiesen. </p>
<p>Auf die Widerklage hin wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagten als Gesamtberechtigte 490,-- DM nebst 7 S Zinsen seit dem 01.12.1987 zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. </p>
<p>Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in </p>
<p>Höhe von 700,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten. </p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Tatbestand: </u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Unter dem 10. Juli 1987 mietete die Klägerin von den Beklagten eine Wohnung im Hause Essen-Borbeck zum 15. September 1987 an. Dafür sollte monatlich ein Mietzins in Höhe von 595,-- DM gezahlt werden. Die Vormieterin der Klägerin - die Streitverkündete hatte das Mietverhältnis über diese Wohnung zum 15.09.1987 gekündigt.. Sie wollte zu diesem Zeitpunkt eine Neubauwohnung beziehen. Die Klägerin kündigte das Mietverhältnis über ihre bisherige Wohnung zum 30.09.1987. </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten wiesen mehrfach darauf hin. daß die Wohnung zum 15.09.1987 geräumt werden müsse. weil sie anderweitig vermietet sei. war jedoch hierzu nicht in der Lage, weil die von ihr angemietete Wohnung noch nicht fertiggestellt war. teilte den Parteien mit. sie könne die Wohnung möglicherweise erst zum 15. Oktober 1987 räumen. </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 15.09.1987 meldeten die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin Schadensersatzansprüche bei den Beklagten an. weil eine Übergabe zuml 15.09.1987 nicht möglich sei. </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 18.09.1987 zeigten sich die Beklagten erstaunt über die Schadensersatzforderung, weil die Klägerin noch zuvor erklärt habe, sie habe die Möglichkeit bei einem Bekannten zu wohnen, wodurch sich die Kosten für den von der jetzigen Vermieterin zu vertretenden Verzug nicht sehr hoch darstellen würden. Sie baten um Mitteilung. ob die Klägerin tatsächlich die Wohnung nicht beziehen wolle. Unter dem 22.09.1987 teilten die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin sodann mit, daß die Klägerin die Wohnung nicht beziehen werde. Seit Mitte September 1987 bemühte sich die Klägerin bei der Stadt Essen darum. eine Sozialwohnung zu bekommen. Sie veranlaßte auch den Transport und die Einlagerung ihrer Möbel. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 1. Oktober 1987. welches den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am selben Tage zuging. teilten die Beklagten mit, daß die Wohnung im<u> </u>Hause nunmehr geräumt habe. </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Im November 1987 mietete die Klägerin eine andere Wohnung zum 1. Dezember 1987 an. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt. </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">die Beklagten zu verurteilen. als Gesamtschuldner an sie 3.316,95 DM nebst 4 % Zinsen seit Zustellung des Schriftsatzes vom 07.01.1988 (14.01.1988) zu zahlen. </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten beantragent </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:28px">die Klage abzuweisen </p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Sie haben Widerklage erhoben mit dem Antrag, </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:28px">die Klägerin zu verurteilen, an sie 490,00 DM nebst 7 % Zinsen seit dem 01.12.1987 zu zahlen. </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat beantragt, </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:28px">die Widerklage abzuweisen. </p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten vertreten die Auffassung, durch das Schreiben der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin vom 22.09.1987 sei das Mietverhältnis nicht beendet worden. Da die Wohnung erst ab 01.12.1987 weitervermietet worden sei, müsse die Klägerin daher noch den Mietzins für die Monate Oktober und November 1987 in Höhe von insgesamt 1.190.00 DM zahlen. Mit diesem Anspruch rechnen sie gegen den Kautionsrückzahlunganspruch der Klägerin in Höhe von 700,00 DM auf und verlangen den Differenzbetrag mit ihrer Widerklage. </p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Ein Rücktrittsrecht nach § 326 BGB oder ein Kündigungsrecht nach § 542 BGB habe der Klägerin nicht zugestanden. weil sie weder die erforderlichen Fristsetzungen vorgenonmen noch einen Interessewegfall schlüssig dargelegt habe. Insbesondere im Hinblick auf die - unbestritten - von der Klägerin abgegebene Erklärung, sie könne zunächst bei einem Bekannten wohnen, könne nicht angenommen werden, daß infolge der verzögerten Wohnungsübergabe das Interesse der Klagerin an einer Durchführung des Vertrages entfallen sei. </p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Ein Schadensersatzanspruch scheitere auch daran, daß den Beklagten ein schuld- haftes Verhalten nicht vorgeworfen werden könne. </p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks"><u>Entscheidungsgründe: </u></p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist unbegründet, die Widerklage ist begründet. </p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Der am 10.07.1987 zwischen den Parteien geschlossene Mietvertrag ist durch das Schreiben der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin vom 22.09.1987 - welches als Kündigungserklärung gewertet werden kann - nicht beendet worden Es liegt k:ejn Fall der Unmöglichkeit vor. so daß die Vorschriften über den Schuldnerverzug anzuwenden sind. Die Voraussetzungen des § 542 BGB oder des § 326 BGB lassen sich dem Klägervortrag jedoch nicht entnehmen. Eine Nachfrist hat die Klägerin unstreitig nicht gesetzt. Es läßt sich auch nicht feststellen. daß gerade infolge des verzögerten Übergabetermins ihr Interesse an einer Durchführung des Mietvertrages weggefallen ist. Selbstverständlich hatte die Klägerin ein Interesse daran, die von den Beklagten gemietete Wohnung zu dem vereinbarten Termin (15.09.1987) auch beziehen zu können. Diese Verpflichtung konnten die Beklagten unstreitig nicht erfüllen. Davon zu trennen ist aber die Frage, ob gerade infolge dieser Leistungsstörung auch die weitere Durchführung des Mietvertrages ab einem späteren Zeitpunkt für die Klägerin uninteressant war. Hiergegen spricht <u>die unstreitige Äußerung </u>der Klägerin, sie könne zunächst bei einem Bekannten wohnen, wodurch sich die Verzugskosten zu Lasten der Vormieterin gering halten würden. Dagegen spricht weiter. daß die Klägerin erst Mitte September begann, sich um eine neue Wohnung zu bemühen und den entsprechenden Mietvertrag auch erst im November 1987 unterschrieben hat. Zum Zeitpunkt der "Kündigung" stand ihr daher noch gar kein Ersatzwohnraum zur Verfügung, den sie früher hätte beziehen können. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, daß die Klägerin davon ausgehen konnte, eine neue Wohnung vor dem Zeitpunkt zu finden, an dem die von ihr gemietete Wohnung in der räumen würde. </p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Entbehrlichkeit einer Fristsetzung nach § 542 oder 326 BGB folgt auch nicht daraus, daß den Beklagten Abhilfe innerhalb einer angemessenen Frist nicht möglich gewesen wäre. Denn tatsächlich war die Wohnung am 1. Oktober 1987 geräumt. </p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Zu Recht vertreten die Beklagten die Auffassung, daß Schadensersatzansprüche der Klägerin nicht bestehen, weil sie die Leistungsverzögerung nicht zu vertreten haben. Ein Verzugsschadensersatzanspruch setzt grundsätzlich Verschulden voraus. Nach dem unstreitigen Sachverhalt ist den Beklagten jedoch kein schuldhaftes Verhalten anzulasten. Sie hatten zur pünktlichen Räumung der Wohnung aufgefordert und auch keine Möglichkeit, die Erfüllung dieser Verpflichtung zum damaligen Zeitpunkt zu erzwingen. Selbst wenn man als Erfüllungsgehilfin der Beklagten im Sinne des § 278 BGB ansehen würde - was zweifelhaft ist - ergebe sich daraus keine Haftung der Beklagten, weil auch unverschuldet nicht in der Lage war, ihre Wohnung rechtzeitig zu räumen. </p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Eine Schadensersatzpflicht des Vermieters wegen einer unverschuldeten Leistungs- störung ist lediglich in § 538 BGB für den Fall vorgesehen, daß ein Sachmangel der Mietsache bereits bei Abschluß des Mietvertrages vorhanden ist. Dies war vorliegend nicht der Fall. Weder handelt es sich um einen Sachmangel noch stand bei Vertragsschluß am 10. Juli 1987 fest, daß die Beklagten nicht in der Lage sein würden, die Wohnung zum 15.09.1987 zu übergeben. Die Leistungsstörung war auch nicht bereits - wie die Klägerin offenbar meint - "latent vorhanden". Denn am </p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">10. Juli 1987 gingen alle Beteiligten noch davon aus, daß das Mietobjekt pünktlich übergeben werden könnte. </p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Der Kautionsrückzahlungsanspruch der Klägerin ist durch die von den Beklagten erklärte Aufrechnung mit einem Mietzinsanspruch für die Monate Oktober und November 1987 erloschen. Den mit der Widerklage verlangten Differenzbetrag schuldet die Klägerin nach § 535 BGB. Dieser Anspruch ist nach §§ 284, 286 BGB zu verzinsen. </p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. </p>
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315,381 | olgham-1988-04-15-20-o-25287 | {
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} | 20 O 252/87 | 1988-04-15T00:00:00 | 2019-03-13T14:54:14 | 2019-03-27T09:43:16 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1988:0415.20O252.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung des Klägers gegen das am 10. Juni 1987 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bochum wird zurückgewiesen.</p>
<p>Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p>Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 15.500,- DM abzuwenden, sofern nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Beklagte kann die Sicherheit durch unbefristete, selbstschuldnerische Bürgschaft der Vereins- und Westbank Hamburg erbringen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Am ... beantragte ein ..., geboren am ..., durch Vermittlung eines Agenten der Beklagten, des Zeugen ... den Abschluß einer Lebensversicherung über 150.000,- DM/75.000,- DM Todes-/Erlebensfallsumme. Der Abschluß erfolgte auf Veranlassung und im Beisein des Klägers, der für beide Fälle als Begünstigter benannt worden war. ... war einkommens- und vermögenslos. Er sollte die monatlichen Raten von 415,50 DM auch gar nicht zahlen, sondern im Ergebnis der Kläger und zunächst und für eine Zeitlang der Zeuge ... zur Abtragung dem Kläger gegenüber bestehender Schulden. Das Geld sollte von einem Konto des Zeugen, der als einziger Beteiligter überhaupt ein Konto besaß, abgebucht werden. Den ... später übersandten Versicherungsschein hat dieser an den Kläger weitergegeben. In dem Antragsformular, das von dem Zeugen ... nach den Angaben des ... ausgefüllt worden ist, ist die Frage nach früheren oder gegenwärtigen Krankheiten verneint worden. Tatsächlich war ... im Jahre ... von ... bis ... stationär wegen offener Lungentuberkulose behandelt worden. Nach Darstellung der Beklagten war er außerdem seit vielen Jahren alkoholkrank.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Am ... wurde ... wegen bilateraler Pneumonie im Entzugsdelir ins Krankenaus ... in ... aufgenommen, wo er am ... verstarb. Am ... zahlte der Kläger bzw. der Zeuge ..., nachdem die Beklagte das Mahnverfahren eingeleitet hatte, alle rückständigen Beiträge. Daraufhin verlangte der Kläger von der Beklagten die der Höhe nach unstreitige Versicherungssumme.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte meint, zur Zahlung nicht verpflichtet zu sein. Mit Schreiben vom 14.03.1986 erklärte sie gegenüber dem Kläger den Rücktritt, weil nach dem vorliegenden, Bericht des Krankenhauses ... Herr ... seit mehr als 10 Jahren alkoholkrank gewesen und ... wegen offener Lungentuberkolose ... Monate stationär behandelt worden sei, was dieser im Antragsformular verschwiegen habe. In dem Schreiben heißt es weiter, die Ermittlungen seien noch nicht beendet, weil noch Hausarzt und Krankenversicherung gefragt werden sollten. Sobald die Recherchen beendet seien, erhalte der Kläger einen endgültigen Bescheid (Bl. 4 ff GA). Unter dem 23.09.1986 teilte die Beklagte dem Kläger dann formularmäßig mit, daß die Recherchen abgeschlossen seien und die Auszahlung der Versicherungsleistung umgehend erfolge. Voraussetzung sei noch die Übersendung des Originalversicherungsscheins (Bl. 7 f GA). Obwohl der Kläger den Versicherungsschein daraufhin der Beklagten übermittelte, zahlte sie dann doch nicht, nachdem ihr am ... anonym zugetragen worden war, der Kläger habe einen "halbtoten Mann" versichert. Mit Schreiben vom ... (Bl. 93 f GA) hat sie ferner die Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung erklärt.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Kläger meint, Rücktritt und Anfechtung seien unwirksam. ... sei nicht alkoholkrank gewesen; er habe allenfalls dann und wann ein Bier getrunken. Jedenfalls habe er, der Kläger, weder von einer Alkoholkrankheit noch von der durchgemachten Lungentuberkolose gewußt. Auch ... habe eine etwaige Alkoholkrankheit nicht als solche erkannt. Im übrigen habe der Zeuge ... bei der Antragsaufnahme erklärt, alte Erkrankungen auch schwerwiegender Art brauchten nicht angegeben zu werden. Unabhängig davon, so meint der Kläger, müsse die Beklagte schon deshalb zahlen, weil in dem Schreiben vom ... ein Schuldanerkenntnis zu sehen sei.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil der Kläger durch Veranlassung des Vertragsschlusses die Beklagte sittenwidrig geschädigt habe. Derartiges habe die Beklagte mit der Klageerwiderung behauptet und der Kläger sei dem, obwohl genügend Zeit gewesen sei, nicht mit einem weiteren Schriftsatz entgegengetreten.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Mit der Berufung beantragt der Kläger,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an ihn 171.253,50 DM nebst 4 % Zinsen seit dem ... zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Er meint, von einer sittenwidrigen Schädigung könne keine Rede sein. Daß ... Versicherungsnehmer und Versicherter geworden sei, sei rein zufällig. Er, der Kläger, habe nur die von dem Zeugen ... angepriesenen Vorteile einer Lebensversicherung einer Beleihbarkeit für den Fall des Falles wahrnehmen wollen. ... sei auch völlig gesund gewesen, wie sich schon daraus ergebe, daß er ... in der ... in der Küche gearbeitet habe. Der erklärte Rücktritt scheitere ferner daran, daß die Lungen-TB nicht ursächlich für den Tod geworden sei.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen ... und ... und durch Einholung eines mündlichen Gutachtens des Sachverständigen ....</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks"><u>Der Zeuge ... hat ausgesagt:</u></p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Das Geschäft sei im Café ... angebahnt worden. Dort habe er einige Zeit zuvor den Kläger auch kennengelernt, wo dieser sich wohl häufiger aufgehalten habe. Auch er sei gelegentlich da gewesen. Das Büro liege 3 Häuser nebenan. Der Abschluß der Lebensversicherung sei nicht sein erstes Geschäft mit dem Kläger. Dieser habe vielmehr auch andere Versicherungen, nämlich Unfall- und Hausratversicherungen, bei ihm abgeschlossen. Gleichwohl könne man nicht sagen, daß es sich um eine enge Kundenverbindung handele. Er habe den Kläger vielmehr nur in unregelmäßigen Abständen gesehen. Herrn ... habe er überhaupt nicht gekannt.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Bei dem eingangs erwähnten Gespräch im Café ... sei es zunächst ganz allgemein um Fragen der Lebensversicherung gegangen. Der Kläger habe dabei Interesse gezeigt. Er habe daraufhin die Vorteile einer Lebensversicherung aufgezeigt und dabei insbesondere die Kreditierungsmöglichkeiten erwähnt. Später habe man sich dann in der Wohnung des Klägers erneut getroffen. Da seien neben dem Kläger und Herrn ... auch die Zeugen ... und ... anwesend gewesen. Es sei aber nicht so gewesen, daß etwa alle nebeneinander gesessen hätten. Es sei vielmehr gegrillt worden.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Seine, des Zeugen, Kontaktperson sei ausschließlich der Kläger gewesen. Ihm sei es nicht eigenartig vorgekommen, daß nicht der Kläger, sondern Herr ... versichert worden sei. Er habe geglaubt, daß der Kläger an Herrn ... etwas gut zu machen habe und daß man z.B. später das Geld gemeinsam verbrauchen wolle. Bedenken habe er jedenfalls keine gehabt. Es habe sich vielmehr für ihn um eine ganz normale Standardversicherung gehandelt. Ob die Prämie bezahlbar gewesen sei, darüber habe er sich keine großen Gedanken gemacht. Bedenken habe es jedenfalls keine gegeben. Die Wohnung habe gut möbliert ausgesehen. Für eine Kontoverbindung, von der die Prämie habe abgebucht werden sollen, habe er ausdrücklich gesorgt. Die Zahlungen bezüglich der anderen Versicherungen seien auch, immer erfolgt. Wenn die Beträge vielleicht auch nicht immer ganz pünktlich gezahlt worden seien, so doch jedenfalls so rechtzeitig, daß Konsequenzen für die Verträge nicht hätten gezogen werden müssen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Er, der Zeuge, habe den Vertrag aufgenommen und dabei den Fragenkatalog des Antrages vorgelesen. Er habe gefragt, ob schwerwiegende Erkrankungen in den letzten Jahren gewesen seien. Er habe das auf die letzten 10 Jahre eingegrenzt. Herr ... habe ihm erzählt, daß er einmal an einer Lungenentzündung gelitten habe; das sei aber schon sehr lange her und ausgeheilt und das ergebe sich daraus, daß er in der Küche einer öffentlichen Anstalt gearbeitet habe; Folgen seien nicht zurückgeblieben. Von Lungentuberkulose wisse er - der Zeuge - nichts. Davon habe ... nichts gesagt. Anders als eine Lungenentzündung halte er - der Zeuge - eine Lungentuberkulose nämlich für eine schwerwiegende Erkrankung. Wenn ... die erwähnt hätte, hätte er mit Sicherheit nachgefragt.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Auf Frage von Rechtsanwalt ..., ob ... nicht allgemeiner von einer Lungenerkrankung gesprochen haben könne, hat der Zeuge geantwortet, er habe Lungenentzündung in Erinnerung.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks"><u>Der Kläger hat eingeworfen:</u></p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Von Lungenentzündung wisse er nichts, daran könne er sich nicht erinnern.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks"><b>Der Zeuge hat weiter ausgesagt:</b></p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Das könne richtig sei, der Kläger sei ja nicht immer anwesend gewesen, sondern sei auch auf der Terrasse herumgelaufen, wo gegrillt worden sei. Herr ... habe nicht angeben können, wann die Lungenentzündung gewesen sei. Auf Frage, ob er wirklich nach Erkrankungen in den letzten 10 Jahren gefragt habe, hat der Zeuge erklärt:</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Er könne sich da nicht ganz sicher festlegen, ob er nicht auch nur nach Erkrankungen in den letzten Jahren gefragt habe. Er meine aber doch, daß er den Zeitraum von 10 Jahren erwähnt habe, und zwar deshalb, weil in dem Formular der Signal-Versicherung, deren Angestellter er sei - mit der Beklagten habe er nur im Rahmen des Agenturvertrages zu tun - ausdrücklich nach Erkrankungen in den letzten 10 Jahren gefragt werde und er sich das deshalb so angewöhnt habe.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die Akten ... StA Hamburg und ... AG Bochum haben vorgelegen.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Wegen der Einzelheiten des Partei Vorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Wegen des weiteren Ergebnisses der Beweisaufnahme vor dem Senat wird auf das Sitzungsprotokoll vom 15.04.1988 (Bl. 209 ff GA) verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Berufung hat keinen Erfolg. Die Klage ist unbegründet, wie das Landgericht jedenfalls im Ergebnis zutreffend entschieden hat.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks"><b>1.</b></p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Allerdings ist die Beklagte nicht wegen der mit Schreiben vom ... gegenüber dem Kläger erklärten Anfechtung wegen arglistiger Täuschung durch ihren Versicherungsnehmer <u>...</u> leistungsfrei.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks"><b>a.</b></p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Zwar ist die Anfechtung fristgerecht, §124 Abs. 2 BGB, erklärt und an den richtigen Empfänger gerichtet worden, §123 Abs. 2 Satz 2 BGB; §11 AVB (hierzu BGH VersR 1982, 746 = NJW 2314).</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks"><b>b.</b></p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Es steht auch fest, daß ... die Frage nach früheren und gegenwärtigen Krankheiten im Antragsformular in doppelter Hinsicht unrichtig beantwortet hat, nämlich (1) wegen seiner bestehenden Alkoholkrankheit und (2) wegen seines mehrmonatigen stationären Aufenthaltes im Jahre ... wegen offener Lungentuberkulose.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">(1)</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Der Senat stellt fest, daß ... im Zeitpunkt der Antragstellung alkoholkrank war. Dies hat der Sachverständige ... überzeugend ausgeführt. Bei der Einlieferung von ... ins Krankenhaus ... nicht einmal 9 Monate nach Antragsaufnahme wurde bei dem Patienten eine bronchopleurale Fistel bei bilateraler Pneumonie, Zustand nach offener TB und Alkoholismus mit Entzugsdelir, cerebralem Krampfanfall und Hepatopathie diagnostiziert. ... war, wie der Sachverständige bei der Einlieferung ... bereits festgestellt hat, chronisch alkoholkrank. Er hatte eine Leberzirrhose im fortgeschrittenen Stadium, die nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen mit Sicherheit schon im ... erheblichen Krankheitswert besaß. Dem steht nicht entgegen, daß der Kläger behauptet hat, ... habe nur dann und wann ein Glas Bier getrunken.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Dieser Sachvortrag ist unrichtig, wie nach dem Gutachten des Sachverständigen feststeht und wie auch schon aufgrund der Einlieferungsdiagnose der behandelnden Ärzte (Bl. 59 f GA) nicht zweifelhaft sein konnte.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">(2)</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">... hat ferner unrichtige Angaben bezüglich der im Jahre ... behandelten offenen Lungentuberkulose gemacht. Der Senat stellt fest, daß ... auf die Frage des Zeugen ... nach schwerwiegenden Vorkrankheiten in - jedenfalls objektiv verharmlosender Form - nur auf eine Lungenentzündung hingewiesen und die Lungentuberkulose unerwähnt gelassen hat. Dies hat der Zeuge ... glaubhaft bekundet. Der Zeuge ... ist sich sicher gewesen, daß jedenfalls in seiner Anwesenheit über Lungentuberkulose nicht gesprochen worden ist. Auch er meint, daß eine Lungenentzündung erwähnt worden ist. Der Kläger selbst und der Zeuge ... haben dazu keine Angaben machen können. Die Aussage des Zeugen ... schließt nicht etwa deshalb Feststellungen aus, weil er auf die Frage des Rechtsvertreters des Klägers, ob ... nicht vielleicht Lungenerkrankung gesagt habe, zunächst eine gewisse Unsicherheit gezeigt hat. Dies ist verständlich in Anbetracht der Tatsache, daß der Vorgang bereits drei Jahre lang zurückliegt, rechtfertigt aber nicht die Annahme, daß ... sich so unklar ausgedrückt und der Zeuge ... es dann dabei belassen hätte.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Die Frage ist auch dann unrichtig beantwortet, wenn der Zeuge ... nach Erkrankungen in den letzten Jahren, nach der Überzeugung des Zeugen in den letzten 10 Jahren, gefragt haben sollte. Zwar lag die Behandlung schon mehrere Jahre zurück. Daß ... sie selbst zu Recht für mitteilungspflichtig hielt, ergibt sich aber schon daraus, daß er sie selbst, wenn auch unter einer völlig verharmlosenden Bezeichnung, erwähnt hat.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks"><b>c.</b></p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Der Senat kann aber nicht feststellen, daß ... mit zumindest bedingtem Vorsatz gehandelt hat, um den Versicherer zum Abschluß des Versicherungsvertrages zu bewegen.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Es ist nicht feststellbar, daß ... um seine Alkoholkrankheit wußte. Denn es ist gerade typisch für einen Alkoholiker, daß er seinen Alkoholverbrauch als "normal" einstuft und deshalb nicht als Krankheit erkennt, wie der Sachverständige zutreffend im Termin ausgeführt hat.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Der Senat kann ferner nicht feststellen, daß Marfels hinsichtlich der verschwiegenen Tuberkulose arglistig gehandelt hat. Es bleibt die Möglichkeit, daß ... trotz seiner verharmlosenden Erklärungen gegenüber dem Zeugen ... davon ausgegangen ist, daß es darauf für den Versicherer nicht ankomme. Immerhin hat ... wenige Jahre vor Vertragsschluß in der Küche der ... gearbeitet und er mag sich deshalb als ausgeheilt gefühlt und angenommen habe, die längst ausgeheilte Krankheit sei für die Entscheidung über den Antrag ohne Belang.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks"><b>2.</b></p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte kann ihre Leistung auch nicht im Hinblick auf den vom Landgericht für durchgreifend erachteten Gesichtspunkt verweigern, daß <u>der Kläger</u> den Vertragsschluß durch Marfels in sittenwidriger Weise veranlaßt habe (§826 BGB), was die Beklagte dem Klageanspruch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben entgegenhalten könne (§242 BGB).</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Es kann dahinstehen, ob der Arglisteinwand durchgreifen könnte, wenn der Kläger, wie der Beklagten anonym zugetragen worden war, bewußt einen halbtoten Mann versichert hätte.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Der Senat kann schon nicht feststellen, daß Marfels an den bei Vertragsschluß bestehenden Erkrankungen gestorben ist. ... ist nicht obduziert worden. Es ist zwar, wie der Sachverständige im Termin ausgeführt hat, nicht nur nicht auszuschließen, sondern sogar häufiger zu beobachten, daß eine früher durchgemachte, eingegrenzte TB beim Vorliegen einer weiteren Schädigung, hier durch Alkoholabusus, wieder zum Ausbruch einer sogenannten postprimären Erkrankung führen kann. Feststellungen in dieser Richtung konnten aber nicht getroffen werden, weil die Angehörigen eine Obduktion abgelehnt hatten. Es bleibt deshalb die Möglichkeit, daß die Haupttodesursache Pneumonie unabhängig von dem Alkoholabusus und der TB zum Tode geführt hat.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Unabhängig davon fehlt es auch an dem Nachweis der subjektiven Seite einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung. Der Sachverständige hat nicht bestätigen können, daß, was die Beklagte behauptet hat, ... schon im ... einen derartig hinfälligen Eindruck gemacht hat, daß auch ein Laie mit dessen Ableben rechnen mußte. Die von der Beklagten vorgetragenen Indizien lassen den von ihr gezogenen Schluß nicht zu: Es besagt nichts, wenn, wie die Beklagte behauptet hat, alle drei am Vertrag beteiligten Personen ..., Kläger und ... kaum Geld besaßen, um die Prämie zu bezahlen. Im Gegenteil spricht die Tatsache, daß der Kläger nicht etwa den Abschluß einer reinen Todesfallversicherung veranlaßt hat, eher dafür, daß er nicht mit einem baldigen Ableben ... gerechnet hat. Für eine solche Annahme spricht auch nicht entscheidend, daß die Angaben des Klägers in der Berufung, ... sei rein zufällig versichert worden, ganz unglaubhaft sind. Im Termin hat er dazu dann auch erstmals eine nachvollziehbare Begründung gegeben, daß er angenommen habe, dann früher an das Geld zu kommen, weil nämlich ... älter als er selbst gewesen sei und deshalb eher das Vertragsendalter von 65 Jahren erreicht haben würde.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Sonstige Indizien, die für einen Schädigungsvorsatz des Klägers gegenüber der Beklagten sprechen könnten, hat letztere nicht vorgetragen, sind auch sonst nicht ersichtlich.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks"><b>3.</b></p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Die Klage hat aber deshalb keinen Erfolg, weil die Beklagte mit Schreiben vom ... wegen Verletzung der Anzeigepflicht wirksam vom Vertrag zurückgetreten ist, §6 AVB, §§16 ff VVG.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks"><b>a)</b></p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Der Rücktritt ist, hierüber streiten die Parteien auch nicht, fristgerecht und gegenüber dem Kläger als dem Inhaber des Versicherungsscheines und damit dem richtigen Erklärungsempfänger (hierzu BGH VersR 82, 746 = NJW 2314) erklärt worden. Das Schreiben ist auch mit der in den Versicherungsbedingungen (§6 Abs. 1) vorgeschriebenen Rechtsmittelbelehrung versehen (Bl. 4 ff GA).</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks"><b>b)</b></p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Der Versicherungsnehmer ... ist seiner gesetzlichen Obliegenheit, alle ihm bekannten Umstände, die für die Übernahme der Gefahr erheblich sind, der Beklagten anzuzeigen, gleich in zweifacher Weise nicht nachgekommen, und zwar im Hinblick auf seine langjährige Alkoholerkrankung und im Hinblick auf seine mehrmonatige stationäre Krankenhausbehandlung wegen offener Lungentuberkulose im Jahre ....</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">aa)</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">... war, wie bereits erörtert (oben 1.), alkoholkrank und hat, wie unstreitig ist, diese Erkrankung nicht mitgeteilt. ... hat auch die mit einer mehrmonatigen Krankenhausbehandlung verbundene Lungentuberkulose aus dem Jahre ... nicht mitgeteilt.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">bb)</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Beide Umstände waren gefahrerheblich, also für den Entschluß der Beklagten, überhaupt oder zu den vereinbarten Bedingungen abzuschließen, von Bedeutung. Dies folgt, stellt man allein auf den Text der Frage im Antragsformular ab ("Leiden oder litten Sie bisher an Krankheiten, Störungen oder Beschwerden"), schon aus §16 Abs. 1 Satz 2 VVG. Der Senat verkennt allerdings nicht, daß der Zeuge ... der das Formular nach den Antworten ... ausgefüllt hat, die Frage nicht wörtlich vorgelesen, sondern nach schwerwiegenden Erkrankungen in den letzten (10) Jahren gefragt hat. Auch wenn man in einem solchen Fall als gefahrerheblich nur diejenigen Umstände ansieht, die von dem Versicherungsagenten in Interpretation der Fragestellung des Versicherers im Formular abgefragt werden, ändert sich hier am Ergebnis nichts: Beide Umstände betrafen schwerwiegende Erkrankungen. Dies folgt für die hier vorliegende Alkoholerkrankung im fortgeschrittenen Stadium schon daraus, daß sie derzeit unheilbar zu Leberversagen und damit zum Tode führt, wenn der Betreffende nicht aus anderen Gründen schon vorher stirbt. Ein solcher Umstand ist für einen Lebensversicherer von allergrößtem Interesse. Das gilt aber auch für die offene Lungentuberkulose jedenfalls dann, wenn sie einen mehrmonatigen Krankenhausaufenthalt erforderlich gemacht hat. Eine Lungentuberkulose heilt, wie der Sachverständige zutreffend ausgeführt hat, niemals aus. Sie kann, auch wenn sie eingegrenzt und damit nicht mehr ansteckend ist (wie bei ...), jedenfalls bei aufgrund anderer Umstände hervorgerufener Abwehrschwächen als postprimäre Erkrankung vorzeitig zum Tode führen. Auch eine solche Vorerkrankung ist für den Entschluß eines Versicherers, ob er einen angebotenen Vertrag abschließen soll, deshalb von erheblichem Interesse.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Nach beiden Erkrankungen war nicht nur dann gefragt, wenn der Zeuge ..., wie er sich nahezu sicher war, nach Krankheiten in den letzten 10 Jahren gefragt hat, sondern auch dann, wenn er nach Erkrankungen in den letzten Jahren gefragt haben sollte. Dies bedarf für die Alkoholerkrankung keiner Erläuterung, kann aber auch nicht für die Tuberkulose zugunsten des Klägers entschieden werden. Denn keinesfalls war damit für ... erkennbar ein kurzer Zeitraum von ganz wenigen Jahren gemeint. Der Zeuge ... hat von mehreren Jahren gesprochen, wobei auch von zehn Jahren die Rede gewesen sein könne. Der Zeuge ... hat zwar erwähnt, daß nach 3, 4 oder 5 Jahren gefragt worden sei, hat sich da aber nicht festlegen wollen. Davon abgesehen ist die Aussage des Zeugen ... ohnehin unzuverlässig und deshalb unbrauchbar. Denn er will zwar die Frage des Zeugen ..., wenn auch nicht mehr sicher, gehört haben. Daß ... daraufhin eine Lungenentzündung erwähnte, hat er aber schon nicht mehr gewußt. Er hat gemeint, ... habe die Frage verneint.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">... selbst hat die Frage nicht auf einen kurzen Zeitraum bezogen, wie sich schon daraus ergibt, daß er die Lungenentzündung ausdrücklich erwähnt und mit näherer Begründung für ausgeheilt geschildert hat.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">cc)</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich der Tuberkulose steht fest, daß ... diesen Umstand gekannt hat, §16 Abs. 1 S. 1 VVG. Er ist deswegen lange Zeit in Behandlung gewesen, und es besteht kein Anlaß zu der Annahme, daß er etwa Lungenentzündung und Lungentuberkulose verwechselt haben könnte.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich der Alkoholerkrankung kann der Senat, wie anderweitig bereits erwähnt, Feststellungen darüber, daß diese ... bekannt war, nicht treffen. Eine Obliegenheitsverletzung liegt deshalb schon <u>objektiv</u> (BGH NJW 67, 776, 778) nur wegen der Tuberkulosebehandlung vor.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks"><b>c)</b></p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Der Rücktritt ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Beklagte den nicht angezeigten Umstand kannte, §16 Abs. 3 VVG. Zwar soll nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die bei der Antragsaufnahme erlangte Kenntnis des Versicherungsagenten der Versicherung auch dann als eigene Kenntnis zurechenbar sein, wenn der Umstand in das Antragsformular nicht aufgenommen worden ist (BGH VersR 88, 234, 236 = NJW 973). Hier steht aber fest, daß dem Zeugen ... die frühere Tuberkulosebehandlung nicht mitgeteilt worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks"><b>d)</b></p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Es steht auch nicht fest, daß die Anzeige ohne Verschulden des Versicherungsnehmers unterblieben ist, §16 Abs. 3 VVG. Wie bereits festgestellt, hat der Zeuge ... nach schwerwiegenden Erkrankungen in den letzten (10) Jahren gefragt. Das ... seine frühere Erkrankung als erwähnungsbedürftig selbst angesehen hat, ergibt sich schon daraus, daß er eine frühere Lungenentzündung erwähnt hat. Warum ... die Lungentuberkulose nicht erwähnt hat, ist unaufgeklärt. Der Senat hat keinen Anlaß zu der Annahme, daß ... entschuldigt die tatsächlich durchgemachte Erkrankung verharmlosend als Lungenentzündung dargestellt hat.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks"><b>e)</b></p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat nicht bewiesen, daß die Tuberkulose für den Tod des Versicherungsnehmers ... nicht ursächlich geworden ist, §21 VVG. Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, steht zwar nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen nicht fest, daß die TB ursächlich geworden ist. Eine solche Möglichkeit liegt, wie ebenfalls bereits ausgeführt, jedenfalls im Sinne einer Mitursache aber auch nicht fern.</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks"><b>f)</b></p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Zu Unrecht meint der Kläger letztlich, daß die Beklagte, wenn sie nicht schon aufgrund eines abstrakten Schuldanerkenntnisses zahlungspflichtig sein sollte, sie jedenfalls aufgrund eines in ihrem Zusageschreiben vom ... zu sehenden deklaratorischen Schuldanerkenntnisses sich auf eine etwaige Obliegenheitsverletzung nicht mehr berufen dürfe. Ein Einwendungen ausschließendes deklaratorisches oder gar ein abstraktes - vertragliches - Schuldanerkenntnis ist in dem Schreiben der Beklagten vom ... nicht zu sehen.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Ein abstraktes Schuldanerkenntnis kam auch für den Kläger ersichtlich schon deshalb nicht in Betracht, weil nach dem Inhalt des Schreibens nicht unabhängig von dem bestehenden Versicherungsvertrag eine eigenständige Verpflichtung der Beklagten begründet werden sollte. Es wird lediglich mitgeteilt, daß die Recherchen abgeschlossen seien und die Auszahlung der Versicherungsleistung aus dem Vertrag nach Obersendung des Originalversicherungsscheines umgehend erfolgen werde.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Darin ist aber auch kein deklaratorisches Schuldanerkenntnis zu sehen. Als ein solches versteht man einen Vertrag, der im Unterschied zum sog. konstitutiven Schuldanerkentnis den in Frage stehenden Anspruch nicht auf eine neue Anspruchsgrundlage hebt, sondern diesen Anspruch unter Beibehaltung des Anspruchsgrundes dadurch verstärkt, daß er ihn Einwendungen des Anspruchsgegners gegen den Grund des Anspruchs entzieht. Entzogen werden dem Anspruchsgegner Einwendungen und Einreden, die bei Abgabe der Erklärung bestanden und ihm bekannt waren oder mit denen er zumindest rechnete. Zweck eines solchen Vertrages ist es, das Schuldverhältnis insgesamt oder zumindest in bestimmten Beziehungen dem Streit oder der Ungewißheit zu entziehen und es (insoweit) endgültig festzulegen. Ein Vertrag, dem eine so weitgehende Rechtswirkung zukommt, kann nur unter bestimmten Voraussetzungen angenommen werden. Der erklärte Wille der Beteiligten muß die mit einem deklaratorischen Schuldanerkenntnis verbundenen Rechtsfolgen tragen. Die Annahme, daß dies der Fall ist, setzt deswegen voraus, daß diese Rechtsfolgen der Interessenlage der Beteiligten, dem mit der Erklärung erkennbar verfolgten Zweck und der allgemeinen Verkehrsauffassung über die Bedeutung eines solchen Anerkenntnisses entsprechen. Eine generelle Vermutung dafür, daß die Parteien einen bestätigenden Schuldanerkenntnisvertrag abschließen wollten, gibt es nicht. Die Annahme eines solchen Vertrages ist vielmehr nur dann gerechtfertigt, wenn die Beteiligten unter den konkreten Umständen einen besonderen Anlaß für seinen Abschluß hatten. Ein solcher Anlaß Besteht nur dann, wenn zuvor Streit oder zumindest eine (subjektive) Ungewißheit über das Bestehen der Schuld oder über einzelne rechtlich erhebliche Punkte geherrscht hat. Die Rechtsnatur des Schuldbestätigungsvertrages weist damit dem Vergleich ähnliche Züge auf (BGH VersR 84, 383, 384; BGHZ 66, 250, 253; Münchner Kommentar-Hüffer, 2. Aufl. 1986, §781 Rdnr. 27 f).</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">Danach kann die schriftliche Erklärung der Beklagten nicht als deklaratorisches Schuldanerkenntnis gewürdigt werden. Zwar hatte die Beklagte in ihrem vorhergehenden Rücktrittsschreiben ihre Einstandspflicht verneint und weitere Ermittlungen angekündigt. Insoweit mag Ungewißheit zwischen den Parteien bestanden haben, ob die Beklagte tatsächlich einstandspflichtig war. Es bestand für den Kläger erkennbar aber kein besonderer Anlaß für einen vertraglichen Anerkenntnisvertrag. Die Beklagte teilt letztlich nur mit, daß sie nach Übersendung des Versicherungsscheines in Kürze zahlen werde. Ein vertragliches Anerkenntnis der Leistungspflicht ist darin nicht zu sehen. Denn der Kläger hatte nicht etwa, anders als in dem BGH VersR 1966, 1174 entschiedenen Fall, unter Hinweis auf von ihm endgültig zu treffende Dispositionen um eine verbindliche Entscheidung über die Leistungspflicht gebeten. Das Schreiben beinhaltet nur den bereits mit Schriftsatz vom ... angekündigten Bescheid und besagt aus der maßgeblichen Sicht des Erklärungsempfängers nichts anderes, als daß die weiteren Prüfungen durchgreifende Bedenken gegen den Anspruch des Klägers nicht ergeben hätten. Gerade deshalb, weil die Beklagte, wie sich aus den Schreiben ausdrücklich ergibt, annahm, zur Deckung verpflichtet zu sein, fehlte ihr für den Kläger erkennbar der Anlaß, die Deckungspflicht darüber hinaus noch vertraglich festzulegen.</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks"><b>g)</b></p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Läßt sich die Erklärung der Beklagten nicht als deklaratorisches Schuldanerkenntnis werten, so kann ihr doch als Schuldbekenntnis eine erhebliche Bedeutung zukommen. In der Rechtsprechung des BGH ist anerkannt, daß auch bloße Bekenntnisse der Schuld, die keinen besonderen rechtsgeschäftlichen Verpflichtungswillen des Erklärenden verkörpern, die Beweislage des Erklärungsempfängers verbessern können. So hat der Bundesgerichtshof etwa entschieden, daß nach einer Alleinschulderklärung am Unfallort der Erklärende die Unrichtigkeit seiner Erklärungen nachweisen muß (VersR 84, 383, 384) oder daß bei einer Drittschuldnererklärung nach §840 Abs. 1 Nr. 1 ZPO der Drittschuldner das Nichtbestehen der gepfändeten Forderung bzw. das Bestehen von Einwendungen oder Einreden beweisen muß (NJW 1978, 44, 45 im Anschluß an Marburger JR 72, 7).</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">aa)</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Darum handelt es sich hier indes nicht. Die Beklagte hat ihre Erklärung der Erfüllungsbereitschaft nicht zu dem Zweck abgegeben, ihn dadurch etwa von sofortigen Maßnahmen abzuhalten oder ihm auch nur den Beweis zu erleichtern (vgl. BGHZ 66, 250, 254). Sie hat nichts anderes getan, als ihre Erfüllungsbereitschaft anzuzeigen und sie konnte hiervon wieder abrücken, nachdem ihr zugetragen worden war, daß der Kläger einen "halbtoten Mann" versichert habe. Eine Umkehr der Beweislast kommt in einem solchen Fall nach Auffassung des Senates nicht in Betracht. Eine abweichende Rechtsauffassung würde den Versicherungsnehmer oder hier den Versicherten ohne Grund in eine günstigere Position bringen und würde letztlich dazu führen, daß Versicherungen Zahlungsankündigungen ganz unterlassen und die Versicherungsnehmer bis zur Auszahlung der Summe selbst im Ungewissen lassen. So hätte hier etwa nichts im Wege gestanden, wenn die Beklagte, statt ihre Zahlungsbereitschaft anzuzeigen, nur auf den noch fehlenden Originalversicherungsschein verwiesen hätte. Ob anders zu entscheiden wäre, wenn die Beklagte erkennbar einen darüber hinausgehenden Zweck verfolgt hätte (vgl. BGHZ 66 a.a.O.) kann dahinstehen. Im vorliegenden Fall sieht der Senat keine gesetzliche Handhabe und auch keinen gerechtfertigten Anlaß, nur im Hinblick auf die Formulierung des Schreibens von einer Beweislastumkehr zum Nachteil der Beklagten auszugehen.</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">bb)</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Selbst wenn man anderer Meinung wäre, könnte die Wirkung der Erklärung jedenfalls nicht weiter gehen, als wenn tatsächlich gezahlt worden wäre und die Beklagte die Zahlung aus dem rechtlichen Gesichtspunkt ungerechtfertigter Bereicherung zurückfordern würde. Auch in einem solchen Fall findet nach der Rechtsprechung des Senates (zuletzt r + J 1988, 67) nicht in jedem Fall eine uneingeschänkte Umkehr der Beweislast statt. So muß der Versicherer, der etwa bei einem Fahrzeugdiebstahl eine Kaskoentschädigung gezahlt hat und diese zurückverlangt, nicht beweisen, daß der Diebstahl vorgetäuscht worden ist. Es genügt, wenn der Diebstahl nach dem Sachvortrag des Versicherungsnehmers nicht hinreichend wahrscheinlich ist oder wenn der Versicherer beweist, daß der Diebstahl mit erheblicher Wahrscheinlichkeit fingiert worden ist. Der Senat hat dies zwar damit begründet, daß Versicherungsfall nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes schon die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Vorliegens eines Diebstahles ist, sofern der Versicherer nicht die erhebliche Wahrscheinlichkeit für eine Vortäuschung nachweist und daß deshalb der den Rechtsgrund der Zahlung darstellende Versicherungsfall schon dann entfällt, wenn die hinreichende Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines Diebstahls nicht ausreichend dargetan oder bewiesen ist. Für den Fall der Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung kann aber nichts anderes gelten. Eine Leistung ist schon dann ohne Rechtsgrund erfolgt, wenn die bei der Zahlung angenommene Verpflichtung nicht bestand. Wann die Verpflichtung zur Zahlung bestand, ergibt sich aus dem Gesetz bzw. den Vertragsbedingungen. Eine Verpflichtung zur Zahlung besteht aber auch dann nicht, wenn der Versicherte seine Schuldlosigkeit an einer Anzeigepflichtverletzung nicht beweisen (§16 Abs. 3 VVG) oder den Kausalitätsgegenbeweis (§21 VVG) nicht führen kann.</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">Erst recht ergibt sich eine Umkehr der Beweislast zum Nachteil des Versicherers für solche Umstände nicht schon dann, wenn er eine geleistete Zahlung nicht zurückgefordert, sondern lediglich entgegen einer früheren Ankündigung von der Auszahlung der Entschädigung abgesehen hat.</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks"><b>4.</b></p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§97, 708 Ziffer 10, 711 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">Die Beschwer des Klägers beträgt 171.253,50 DM.</p>
|
315,382 | olgham-1988-04-13-15-u-6687 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 15 U 66/87 | 1988-04-13T00:00:00 | 2019-03-13T14:54:15 | 2019-03-27T09:43:16 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1988:0413.15U66.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Das am 5. November 1987 verkündete Anerkenntnisurteil des Amtsgerichts Siegen wird aufgehoben.</p>
<p></p>
<p>Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Siegen zurückverwiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Gerichtskosten der Berufungsinstanz werden wegen unrichtiger Sachbehandlung nicht erhoben.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u><b>Tatbestand</b>:</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger wurde am 27. April 1986 in xxx von Frau xxx, geb. xxx, nichtehelich geboren. Amtspfleger des Kindes ist das Jugendamt der Stadt xxx.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Mit Schriftsatz vom 12. Juni 1986 hat der Kläger den Beklagten auf Feststellung der Vaterschaft und Zahlung des Regelunterhalts mit der Behauptung in Anspruch genommen, er habe der Kindesmutter während der gesetzlichen Empfängniszeit (29. Juni bis zum 28. Oktober 1985) beigewohnt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:28px">1. festzustellen, daß der Beklagte der Vater des Klägers ist;</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:28px">2. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger, zu Händen des jeweiligen gesetzlichen Vertreters, für die Zeit von der Geburt an, das ist der 27. April 1986, bis zum vollendeten 18. Lebensjahr monatlich im voraus den Regelunterhalt zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:28px">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugin xxx, durch Einholung eines Blutgruppengutachtens des Sachverständigen Dr. med. xxx in xxx vom 15. Juni 1987 unter Einbeziehung der Parteien, der Kindesmutter und des durch dieses Gutachten als Erzeuger ausgeschlossenen Zeugen xxx sowie durch Einholung eines HLA-Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. med. xxx in xxx vom 8. September 1987 unter Einbeziehung der Parteien und der Kindesmutter.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Im Verhandlungstermin des Amtsgerichts vom 5. November 1987 hat der Beklagte die Anträge aus der Klageschrift vom 12. Juni 1986 anerkannt. Das Amtsgericht hat daraufhin ein Anerkenntnisurteil im Hinblick auf beide Anträge der Klageschrift verkündet.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Gegen das ihm am 12. November 1987 zugestellte Urteil des Amtsgerichts hat der Kläger mit einer am 11. Dezember 1987 beim Oberlandesgericht eingetroffenen Schrift Berufung eingelegt und diese, nachdem ihm durch Verfügung vom 6. Januar 1988 die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 11. Februar 1988 einschließlich verlängert worden war, mit einem am 5. Februar 1988 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung seines Rechtsmittels trägt der Kläger vor, das ergangene Anerkenntnisurteil sei rechtlich unzulässig. Der Beklagte habe den Klageanspruch gemäß §§ 640 Abs. 1, 617 ZPO nicht nach § 307 ZPO anerkennen können. Auch sei vom Amtsgericht nicht wirksam gemäß § 641c ZPO eine Anerkenntniserklärung protokolliert worden. Aus der somit unwirksamen Feststellung der Vaterschaft ergebe sich die Beschwer des Klägers.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:28px">das Anerkenntnisurteil vom 5. November 1987 aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat sich in der Berufungsinstanz nicht anwaltlich vertreten lassen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks"><u>Entscheidungsgründe</u></p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Berufung des Klägers ist statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und auch im übrigen zulässig (§§ 511, 516, 518, 519 ZPO, 119 Abs. 1 Nr. 1 GVG). Obwohl der Kläger ein voll obsiegendes Urteil erstritten hat, ist die erforderliche Beschwer für sein Rechtsmittel gegeben, da das Anerkenntnisurteil - wie auszuführen sein wird - prozeßordnungswidrig ergangen ist und dadurch Zweifel an der rechtlich wirksamen Titulierung der Klageansprüche entstanden sind.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">In der Sache hat das Rechtsmittel ebenfalls Erfolg. Das gemäß § 23 a Nr. 1 GVG sachlich und nach § 641 a ZPO örtlich zuständige Amtsgericht, bei dem die Amtspflegschaft für den Kläger anhängig ist, hat den Beklagten zu Unrecht durch Anerkenntnisurteil gemäß § 307 Abs. 1 ZPO als Vater des Klägers festgestellt und ihn zur Zahlung des Regelunterhalts verurteilt.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Das vom Amtsgericht im vorliegenden Statusprozeß der Vaterschaftsfeststellung verkündete Anerkenntnisurteil ist in Übereinstimmung mit der herrschenden Rechtsauffassung als rechtlich unzulässig anzusehen (Urteil des Senats vom 3. Juli 1987 - 15 U 17/87 - = DAVorm 1987, 805 = JMBlNW 1987, 236; OLG Stuttgart, Die Justiz 1971, 218; Zöller/Philippi, ZPO, 15. Aufl., Rz. 1 zu § 641c ZPO). Die Anerkennung der Vaterschaft, die nach § 641c ZPO auch in der mündlichen Verhandlung zur Niederschrift des Gerichts erklärt werden kann (vgl. dazu Kemper, ZBlJugR 1971, 194), ist kein <u>prozessuales</u> Anerkenntnis im Sinne von § 307 Abs. 1 ZPO und kann deshalb auch nicht Grundlage eines Anerkenntnisurteils sein; denn die Verfügung über den prozessualen Anspruch auf Feststellung der Vaterschaft ist den Parteien im Kindschaftsprozeß durch §§ 640 Abs. 1, 617 ZPO entzogen. Allein ein derart unzulässiges prozessuales Anerkenntnis hat das Amtsgericht den Beklagten erklären lassen und daraufhin das Anerkenntnisurteil verkündet. Im Einklang mit der Verfahrensordnung wäre es gewesen, wenn das Amtsgericht gemäß § 641 c ZPO die <u>sachlichrechtliche</u> Anerkenntniserklärung des Beklagten (§§ 1600 a ff. BGB) sowie die Zustimmung des Kindes und seines gesetzlichen Vertreters zu Protokoll aufgenommen hätte. Diese sachlichrechtlichen Erklärungen sind aber weder abgegeben noch ordnungsgemäß entsprechend §§ 160 Abs. 3 Nr. 1 und 3, 162 ZPO protokolliert worden (vgl. Senat, a.a.O.). Wäre den Erfordernissen des § 641 c ZPO Genüge getan worden und hätten die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so hätte das Amtsgericht gemäß § 91 a ZPO im Bereich der Vaterschaftsfeststellung nur noch über die Kosten entscheiden müssen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Da der Senat mithin genötigt ist, das prozeßordnungswidrig ergangene Anerkenntnisurteil zur Vaterschaftsfeststellung aufzuheben, muß dies auch im Augenblick auf die Verurteilung zur Zahlung des Regelunterhalts geschehen. Denn zur Zahlung von Unterhalt kann der Vater eines nichtehelichen Kindes erst verurteilt werden, wenn die Vaterschaft anerkannt oder rechtskräftig festgestellt worden ist (§ 1600 a BGB). Zwar bringt § 63 ZPO insoweit eine Erleichterung, als mit der Feststellungsklage des Kindes auf Bestehen der nichtehelichen Vaterschaft zugleich die Verurteilung des Mannes zur Leistung des Regelunterhalts erreicht werden kann. Entfällt aber - wie hier - der Abstammungsausspruch, so ist auch die zumindest gleichzeitig erforderliche Voraussetzung für den Nebenantrag auf Regelunterhalt nicht mehr vorhanden.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Im übrigen teilt der Senat die Auffassung von Demharter (FamRZ 1985, 977), wonach der Beklagte auch nicht durch Anerkenntnisurteil zur Zahlung von Regelunterhalt verurteilt werden durfte. Die Einschränkungen des Verhandlungsgrundsatzes durch §§ 640 Abs. 1, 617 ZPO gelten auch für dieses Annexverfahren in gleicher Weise. Dieser gemäß § 63 ZPO verbundene Regelunterhaltsanspruch bleibt auch nach Erledigung des Vaterschaftsfeststellungsanspruches durch Anerkenntnis weiter anhängig und wird alleiniger Verfahrensgegenstand. Über ihn kann nach dieser Auffassung weiterhin - wie vorher - nur nach den für Kindschaftssachen geltenden Verfahrensgrundsätzen befunden werden. In einen normalen Unterhaltsprozeß mit der Möglichkeit eines prozessualen Anerkenntnisses wird danach der mit der Vaterschaftsfeststellungsklage verbundene Regelunterhaltsanspruch allenfalls mit Einverständnis des klagenden Kindes und nach Erledigung des Vaterschaftsfeststellungsanspruches durch Prozeßtrennung überführt werden können (Demharter, a.a.O., Seite 82).</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Auf die Berufung des Klägers ist daher gemäß §§ 539, 540 ZPO das angefochtene Anerkenntnisurteil des Amtsgerichts aufzuheben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Falls der Beklagte weiterhin die Vaterschaft zum Kläger anerkennen will und das Anerkenntnis sowie die Zahlungsverpflichtung nicht ohnehin zu Protokoll des Jugendamtes erklärt, was trotz anhängigen Prozesses weiterhin möglich ist und zu dessen Erledigung führt, wird das Amtsgericht in dem neuen Verfahren eine wirksame Anerkennung der Vaterschaft gemäß § 641c ZPO zu protokollieren, insoweit die Erledigungserklärungen der Parteien zum Feststellungsanspruch entgegenzunehmen und über die Kosten zu befinden haben. Es wird ferner in der geschilderten Weise den Beklagten durch streitiges oder - nach Prozeßtrennung - durch Anerkenntnisurteil zur Zahlung des Regelunterhalts zu verurteilen und schließlich auch über die außergerichtlichen Kosten der Berufungsinstanz zu befinden haben. Sollte der Beklagte ein Anerkenntnis nicht wieder abgeben wollen, wird über beide Klageansprüche streitig zu entscheiden sein.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Gerichtskosten der Berufungsinstanz werden gemäß § 8 GKG nicht erhoben. Sie wären bei richtiger Behandlung der Sache durch das Amtsgericht nicht entstanden.</p>
|
315,383 | lg-essen-1988-04-12-7-t-16288 | {
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"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 7 T 162/88 | 1988-04-12T00:00:00 | 2019-03-13T14:54:16 | 2019-03-27T09:43:16 | Beschluss | ECLI:DE:LGE:1988:0412.7T162.88.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.</p>
<p></p>
<p>Der Antrag des Beteiligten zu 2., das Verfahren einstweilen einzustel-len, wird zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beteiligte zu 2..</p>
<p></p>
<p>Der Beschwerdewert beträgt 63.000,- DM.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u><b>Gründe</b></u>:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligten zu 1. und 2. sind zu je ½ Anteil Miteigentümer des oben näher bezeichneten Grundbesitzes; sie leben getrennt und in Scheidung; aus der Ehe ist die jetzt 15-jährige Tochter K. hervorgegangen, die im Haushalt des Beteiligten zu 2. lebt.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Auf Antrag der Beteiligten zu 1. ordnete das Amtsgericht mit Beschluss vom 30.01.1987 die Zwangsversteigerung zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft an; dieser Beschluss werde dem Beteiligten zu 2. mit der Belehrung gemäß § 180 Abs. 2 ZVG am 04.02.1987 zugestellt. Nachdem das Versteigerungsgericht erfahren hatte, dass aus der Ehe ein gemeinschaftliches Kind hervorgegangen war, stellte es den Anordnungsbeschluss nebst Belehrung, und zwar nunmehr auch über die Einstellungsmöglichkeit nach § 180 Abs. 3 ZVG am 26.02.1987 erneut dem Beteiligten </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">zu 2. zu.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Nachdem bereits Anfang Juli 1987 ein Verkehrswertgutachten bei Gericht eingegangen war, setzte das Amtsgericht den Verkehrswert mit Beschluss vom 20.11.2987 auf 380.000,00 DM fest; zugleich bestimmte es Versteigerungstermin auf den 26.02.1988.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 08.12.1987 beantragte der Beteiligte zu 2., das Verfahren gem. § 180 Abs. 3 ZVG einstweilen einzustellen. Dieser Einstellung widersprach die Beteiligte zu 1. mit am 01.02.1988 bei Gericht eingegangenem Schreiben desselben Tages.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Mit Beschluss vom 01.02.1988 stellte das Amtsgericht (Rechtspfleger) das Verfahren sodann gemäß § 180 Abs. 3 ZVG einstweilen für die Dauer von sechs Monaten ein.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Gegen diesen ihr am 18. Februar 1988 zugestellten Beschluss legte die Beteiligte zu 1. mit am 25.02.1988 bei Gericht eingegangenem Schreiben sofortige Erinnerung ein. Dieser half der Amtsrichter nicht ab und legte sich unter Benachrichtigung der Beteiligten der Kammer zur Entscheidung vor, womit sie als sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung des Rechtspflegers gilt. Im Beschwerdeverfahren hat die Kammer die Beteiligten auf die fehlende Einhaltung der Antragsfrist hingewiesen und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 180 Abs. 3, 30 b Abs. 3 ZVG statthaft und frist- und formgerecht eingelegt. Sie hat auch in der Sache Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht durfte auf den Einstellungsantrag des Beteiligten zu 2. hin schon deswegen das Verfahren nicht einstweilen einstellen, weil der Beteiligte zu 2. die Antragsfrist von zwei Wochen, die eine Notfrist ist, versäumt hatte. </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Diese Frist begann gemäß § 30 b Abs. 1 ZVG mit der Zustellung der Belehrung über die Einstellungsmöglichkeit nach § 180 Abs. 3 ZVG, d. h. vorliegend am 26.02.1987, und war daher bei Antragseingang am 09.12.2987 längst abgelaufen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Diese Verspätung ist auch vom Amtsgericht nicht anerkannt worden. Soweit das Amtsgericht meint, dennoch unter Hinweis auf zwei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts den Antrag nicht aus formellen Gründen zurückweisen zu dürfen, beruht seine Auffassung ersichtlich auf einer nicht vertretbaren Interpretation dieser Entscheidungen; die Auffassung des Amtsgerichts widerspricht geltendem Recht.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24.04.1979 befasst sich <u>nicht </u>mit der Einhaltung von Fristen für Einstellungsanträge, sondern mit der Frage der Entscheidung über den Zuschlag in einem besonderen Verkündungstermin bei einem Höchstgebot weit unter Wert, um so aus Gründen des Gebotes effektiven Rechtsschutzes dem <u>abwesenden</u> Mitglied der Eigentümergemeinschaft Gelegenheit zu geben, seine bisherige Weigerung zu einem freihandigen, wesentlich günstigeren Verkauf zu überdenken.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.03.1976 befasst sich mit einer ähnlichen Fallgestaltung, wobei insbesondere die Verpflichtung auch des Versteigerungsgerichts zur Einhaltung der in § 139 ZPO statuierten Frage- und Aufklärungspflicht hervorgehoben wurde aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Bei den Entscheidungen kann jedoch auch nicht andeutungsweise entnommen werden, dass etwa aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes die Einhaltung gesetzlich normierter Notfristen für die Beantragung einstweiliger Einstellungen vernachlässigt werden konnte oder gar müsste. Mit dieser Auffassung wäre das gesamte Verfahrensrecht seiner Bedeutung entkleidet und das insbesondere durch das Verfahrensrecht verwirklichte Prinzip der Rechtssicherheit völlig aufgegeben.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Unter dem Gesichtspunkt der Gewährung effektiven Rechtsschutzes ist allenfalls diskutabel die auch in den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ansatzweise wiedergegebene Auffassung, die die Antragsfristen bei <u>neuen</u> Tatsachen erst ab Bekanntwerden dieser neuen Tatsachen laufen sehen will.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Inwieweit Umstände die zu einer ernsthaften Gefährdung des Wohls der Tochter K. führen konnten, erst <u>nach</u> Ablauf der regulären Antragsfrist im März 1987 entstanden sein sollen, namentlich erst 14 Tage <u>vor</u> Eingang des Einstellungsantrages am 09.12.1987, kann der Begründung des Einstellungsantrags nicht entnommen werden. Die darin aufgeführten Gründe dürften vielmehr schon seit Beginn des Zwangsversteigerungsverfahrens, d. h. seiner Anordnung am 30.01.1987, unverändert vorliegen. Umso unverständlicher ist der vom Rechtspfleger am 20.01.1988 verfasste Vermerk über ein Telefongespräch, wonach der Verfahrensbevollmächtigte den Beteiligten zu 2. darauf hingewiesen hat, "dass sich die Beeinträchtigung des Kindeswohls erst kurz vor der Stellung des Antrags vom 08.12.1987 ergeben hat". Dieser Hinweis ist völlig unsubstantiert und angesichts der Begründung des Beteiligten zu 2. für seinen Einstellungsantrag und angesichts der vom Amtsgericht ergänzend durchgeführten Ermittlungen nicht nachvollziehbar und damit unverständlich. Darauf hat die Kammer mit Schreiben vom 22.03.1988 hingewiesen, ohne dass seitens des Beteiligten zu 2. hierzu weiterer Vortrag erfolgt wäre.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Nach allem hatte das Amtsgericht den Einstellungsantrag schon mangels Einhaltung der Antragsfrist zurückweisen müssen; schon aus diesem Grunde musste die Beschwerde der Beteiligten zu 1. Erfolg haben.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Anzumerken bleibt, dass der Antrag auch aus sachlichen Gründen entgegen der Auffassung des Amtsgerichts voraussichtlich keinen Erfolg gehabt hätte. Gerade auch nach der Kommentierung bei Zeller (ZVG, 12. Aufl., § 180 Anm. 13.4) setzt eine ernsthafte Gefährdung des Kindeswohls voraus, dass das Kind durch die Zwangsversteigerung in seinen Lebensverhältnissen <u>erheblich</u> benachteiligt wird; allgemeine nicht wesentliche Beeinträchtigungen der Kindesinteressen genügen nicht. Gerade die vom Beteiligten zu 2. vorgebrachten und vom Amtsgericht im angefochtenen Beschluss angeführten Beeinträchtigungen des Kindeswohls stellen Unzuträglichkeiten dar, wie sie mit jeder Trennung der Eltern und einem damit verbundenen Verlust des bisherigen Familienheimes notwendig verbunden sind; es handelt sich durchweg um allgemeine, nicht wesentliche Beeinträchtigungen des Kindeswohls, die um so geringer wiegen, als die Tochter K. in diesem Jahr bereits 16 Jahre alt wird und damit alters- und reifebedingt ohnehin erfahrungsgemäß in einem inneren Abnabelungsprozess vom Elternhaus längst eingetreten ist oder nunmehr eintritt.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Der bloße Wunsch nach Beibehaltung des bisherigen Lebensstandards, insbesondere des Behaltens jeweils eines eigenen Zimmers für jedes Kind, vermag bei erheblich zum Nachteil veränderten wirtschaftlichen Verhältnissen eine einstweilige Einstellung des Verfahrens nicht zu begründen. Eine Verfahrenseinstellung kann nicht erforderlich sein zur Abwendung einer ernsthaften Gefährdung des Kindeswohls, wenn diese Gefährdung allein darin begründet sein soll, dass wirtschaftlich nicht mehr realisierbare Wunschvorstellungen aufgegeben werden müssen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.</p>
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"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 7 C 742/87 | 1988-03-29T00:00:00 | 2019-03-13T14:54:17 | 2019-03-27T09:43:15 | Urteil | ECLI:DE:AGAC1:1988:0329.7C742.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann jedoch die Vollstreckung gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 300,-- DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Tatbestand</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte betreibt an der S-Straße in B-Stadt einen sogenannten Bau- und Heimwerker-Markt. Für die Kunden ist ein großer Parkplatz eingerichtet. Auf diesem Parkplatz stellte der Kläger am xx.xx.1987 seinen Pkw Marke Porsche unmittelbar vor dem Eingangsbereich zu den Geschäftsräumen ab. Im Bereich zwischen dem Eingangsbereich und einer Regenrinne ist von Seiten der Beklagten durch ein entsprechenden weißen Kreis mit durchgestrichenen Balken als Park- oder Halteverbotsfläche gekennzeichnet. Der Kläger stand mit seinem Pkw in dem Bereich, der auch als Parkfläche durch entsprechende abgeteilte Parkboxen gekennzeichnet ist, wobei das Fahrzeug des Klägers jedoch vorne über die Regenabflußrinne hinausstand. Das Gelände ist vom Eingangsbereich zur Regenrinne hin abfallend. Ob der Kläger auf einem schraffierten Feld stand in der Nähe eines Blumenkübels oder in einer vorgesehenen Parkbox ist zwischen den Parteien streitig.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Mit der Klage begehrt der Kläger Schadensersatz von der Beklagten mit der Begründung, durch einen Einkaufswagen der Beklagten sei sein Pkw am vorderen rechten Kotflügel beschädigt worden.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Seinen Schaden berechnet der Kläger wie folgt:</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Reparaturkosten gemäß Rechnung vom xx.xx.1987                            513,-- DM,</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Nutzungsentschädigung für 3 Tage                                                     225,-- DM,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">insgesamt:                                                                                       738,-- DM.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Kläger behauptet, er habe sein Fahrzeug seinerzeit ordnungsgemäß abgestellt. Das Fahrzeug habe nur leicht über die Regenrinne nach vorne hinausgestanden. Im übrigen kann in der Regenrinne keine genaue Abgrenzung der Parkbuchten gesehen werden. Als er nach ca. einer halben Stunden zu seinem Pkw zurückgekommen sei, habe er feststellen müssen, daß ein nicht zur Sammelstelle im Ladeninneren zurückgebrachter Einkaufswagen der Beklagten aufgrund des in diesem Bereich bestehenden erheblichen Gefälles gegen sein Fahrzeug gerollt sei und dieses beschädigt habe.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist der Auffassung, daß die Beklagte aus dem Gesichtspunkt der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht bzw. Verschuldens bei Vertragsverhandlungen zum Schadensersatz verpflichtet sei.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Er behauptet, die Beklagte habe ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht genügt, indem sie draußen keine Sammelstellen eingerichtet habe und ansonsten auch keine Schilder angebracht habe, die Kunden dazu anzuhalten, den Einkaufswagen wieder in den Laden zurückzubringen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an ihn 738,-- DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">                                          die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Sie bestreitet, daß der Schaden am Fahrzeug des Klägers durch einen rollenden Einkaufswagen verursacht worden ist. Sie ist der Auffassung, daß sie nicht dafür hafte, wenn *Kunden oder * von Dritte Einkaufswagen gegen Fahrzeuge rollen oder aus Unachtsamkeit rollen lassen. Darüber hinaus habe der Kläger sein Fahrzeug nicht ordnungsgemäß abgestellt. Das Fahrzeug habe wie sich aus seiner eigenen Skizze ergebe, nicht in den ordnungsgemäß angelegt und entsprechend markierten Parktaschen gestanden. Er habe sein Fahrzeug vielmehr in der Verkehrsfläche abgestellt. Hätte er sein Fahrzeug ordnungsgemäß abgestellt, so wäre ein eventuell rollender Einkaufswagen gegen den Blumenkübel gerollt. Das Gefälle sei nur ganz Gering, damit das Oberflächenwasser zur Abflußrinne fließen könne.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die vorgetragenen Schriftsätze und Unterlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einnahme des richterlichen Augenscheins von der Örtlichkeit.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Entscheidungsgründe</span></p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Schadensersatzansprüche aus c.i.c. oder aus Verletzung der Verkehrssicherungspflicht, § 823 BGB, kann der Kläger gegen die Beklagte nicht herleiten. Unabhängig von der Frage, ob die Beklagte eine Verkehrssicherungspflicht verletzt hat, oder ansonsten nicht alles Zumutbare getan hat, um Schäden von den Kundenfahrzeugen fernzuhalten durch rollende Einkaufswagen, ist im vorliegenden Fall nicht einmal dargetan, ob überhaupt durch einen allein rollenden Einkaufswagen der Schaden am Fahrzeug des Klägers entstanden ist. Aus dem eigenen Vortrag des Klägers ergibt sich, daß weder er noch die von ihm benannte Zeugin den Vorfall selbst gesehen hat. Sie hat lediglich festgestellt, daß ein Schaden am Fahrzeug des Klägers vorhanden war nach Rückkehr aus dem Geschäft und daß dort ein Einkaufswagen stand. Die Möglichkeit, daß ein Kunde den Einkaufswagen dagegen geschoben hat, sei es versehentlich oder vorsätzlich, bleibt genauso offen. Somit ist nicht einmal dargetan, daß eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht im vorliegenden Fall kausal für den Schaden des Klägers war.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Unabhängig davon ist nach der Auffassung des Gerichts der Beklagten eine Vertragsverletzung bzw. eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nicht vorzuwerfen. Dabei geht das  Gericht davon aus, daß zum Zeitpunkt des Unfalls die Beklagte auf dem Parkplatz selbst keinerlei Sammelstellen eingerichtet hatte, was sich bereits aus dem Vergleich der von der Beklagten selbst überreichten  Fotos mit den Feststellungen, die das Gericht an Ort und Stelle getroffen hat, ergibt. Zum Zeitpunkt des Ortstermins hatte die Beklagte eine Sammelstelle links vom Eingang eingerichtet. Auf den von der Beklagten selbst überreichten Fotos, auf denen noch der Blumenkübel zu sehen ist, ist die technische Einrichtung für diese Sammelstelle noch nicht vorhanden. Somit ist davon auszugehen, daß eine Sammelstelle auf dem Parkplatz selbst nicht vorhanden war, sondern daß die Kunden die Wagen an geeigneter Stelle abstellen konnten oder in den Eingang zurückzubringen hatten. Gleichwohl haftet deshalb die Beklagte nicht. Die Augenscheinseinnahme hat ergeben, daß das Gefälle auf dem Parkplatz nicht sehr stark ist. Zwar kann bei einem  entsprechenden Windstoß oder Anstoßen eines Wagens, den ein Kunde achtlos stehen läßt, ein solcher in Bewegung geraten und in Richtung der Fahrzeuge vom Eingangsbereich aus gesehen, die hinter der Regenrinne stehen, rollen. Grundsätzlich aber wird ein solcher Wagen, wenn die Fahrzeuge richtig eingeparkt sind, von der Regenrinne aufgefangen und kann nicht weiter rollen. Auch darauf kommt es nicht entscheidend an. Nach der Auffassung des Gerichts ist der Betreiber eines solchen Marktes  nicht verpflichtet, auch noch Vorkehrungen dafür zu treffen, daß die Fahrzeuge seiner Kunden nicht von anderen Kunden oder  von dritter Seite durch Fahrlässigkeit beschädigt werden.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Eine solche Haftung ginge zu weit. Er ist vielmehr verpflichtet, die zur Verfügung gestellten Parkplätze in Ordnung zu halten, beispielsweise von Schnee zu räumen und bei Glätte zu streuen, damit die Kunden nicht durch ein fahrlässiges Verhalten des  Betreibers selbst zu Schaden kommen. Eine Zugriffs- und Eingriffsmöglichkeit darauf, daß sich andere Kunden oder Dritte nicht verkehrsgerecht verhalten, vorsätzlich oder fahrlässig Schäden an den Fahrzeugen verursachen, hat der Betreiber nicht. Selbst wenn er entsprechende Sammelstellen einrichtet und in gebührendem Abstand kontrolliert, ob die Wagen zurückgebracht werden, läßt sich damit nicht verhindern, daß unvorsichtige oder böswillige Kunden durch ein entsprechendes Verhalten Schäden an anderen Fahrzeugen verursachen. Wenn man sich als Kunde dagegen schützen will, darf man nur an solchen Stellen parken, in denen das nicht möglich ist. Entgegen der Auffassung des Landgerichts Marburg ist das Gericht daher der Auffassung, daß die Beklagte im vorliegenden Fall wegen einer Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht oder eines vertraglichen Verschuldens gegenüber dem Kläger nicht haftet.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Klage war daher abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Ziffer 11 ZPO.</p>
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315,385 | olgk-1988-03-23-2-w-5688 | {
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} | 2 W 56/88 | 1988-03-23T00:00:00 | 2019-03-13T14:54:19 | 2019-03-27T09:43:15 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1988:0323.2W56.88.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Streitwertbeschwerde der Beklag­ten vom 24. Februar 1988 wird die Streit­wertfestsetzung im Urteil der 3. Zivil­kammer des Landgerichts Bonn vom 19. Fe­bruar 1988 - 3 0 3o1/87 - dahin abgeän­dert, daß der Streitwert auf l0.000,-- DM festgesetzt wird.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Gründe</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Kläger hatten von den Beklagten Wohnungseigen­tum erworben und sind auch als Eigentümer im Woh­nungsgrundbuch eingetragen worden. Ihr Miteigen­tumsanteil belief sich auf 568/l000. Mit Rücksicht auf geplante Umbau- und Ausbauarbeiten des Dachge­schosses wurde der Miteigentumsanteil im notariel­len Kaufvertrag jedoch mit 398/l000 angegeben. Spätestens zum 1. März 1983 war eine neue Auftei­lung der Miteigentumsanteile nach dem Istzustand vorgesehen. Da die geplanten Arbeiten nicht durch­geführt wurden, verlangten die Kläger von der Be­klagten Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuches entsprechend dem wirklichen Anteil von 568/1000. Die Beklagten räumten zwar ein, daß die Wohnung der</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Kläger diesem Miteigentumsanteil entspreche, lehn­ten aber die Mitwirkung an der Grundbuchberich­tigung ab, weil sie der Auffassung waren, solange die Kläger die vorgesehenen Umbau- und Ausbauar­beiten nicht vorgenommen hätten, stehe ihrem Be­richtigungsverlangen der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Durch Urteil vom 19. Februar 1988 hat die Kammer die Beklagten antragsgemäß verurteilt und den von den Klägern mit l0.000,-- DM angegebenen Streit­wert auf 93.381,-- DM festgesetzt. Das entspricht der auf den Kaufpreis von 312.000,-- DM bezogenen Differenz der Miteigentumsanteile von 568/l000 und 398/l000.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Dagegen haben die Beklagten Streitwertbeschwerde eingelegt mit dem Antrag, den Streitwert auf 10.000,-- DM festzusetzen. Die Beklagten haben darauf hingewiesen, daß zwischen den Parteien we­der das Eigentum noch die Berechnung des Miteigen­tumsanteils streitig gewesen sei; erstrebt worden sei lediglich die korrekte Angabe des Miteigen­tumsanteils im Grundbuch. Dieser Auffassung haben sich die Kläger angeschlossen und darauf hinge­wiesen, durch die Berichtigung des Grundbuches hät­ten sie keinen Quadratmeter Wohnfläche oder Grund­fläche hinzuerworben.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat der Streitwertbeschwerde nicht abgeholfen und darauf hingewiesen, es sei uner­heblich, ob sich die Parteien über einen bestimm­ten Streitwert geeinigt hätten.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Streitwertbeschwerde der Kläger ist begrün­det.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der Klageantrag richtet sich während der gesam­ten Dauer des Rechtsstreits unverändert auf die Zustimmung der Beklagten zu einer Berichtigung des Grundbuches. Mangels besonderer Bewertungsvor­schrift ist eine solche Klage nach den §§ 12 Abs. 1 GKG, 3 ZPO zu bewerten (BGH NJW 1958, 1397; OLG Saarbrücken, Anw.Bl. 1978, 106). Die Vorschrift des § 6 ZPO ist nur dann anwendbar, wenn deren Tatbestandsmerkmale erfüllt sind, etwa weil mit der Berichtigung zugleich streitige Eigentumsverhältnisse geklärt werden sollen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Dies hat das Landgericht verkannt und seinen Wertansatz zu Unrecht auf § 6 ZPO gestützt. Kei­ne Voraussetzung dieser Vorschrift ist im Streit­fall gegeben. Zwischen den Parteien hat kein Streit über den Besitz an der Wohnung bestanden. Die Kläger waren Besitzer der Wohnung; die Beklag­ten haben ihnen diesen Besitz nicht streitig ge­macht. Zwischen den Parteien hat auch kein Streit über das Eigentum der Kläger bestanden. Sie waren im Grundbuch als Eigentümer eingetragen; ihre dingliche Berechtigung ist von den Beklagten nicht bestritten worden. Schließlich haben die Kläger mit der Klage keine Geldforderung geltend gemacht.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Bei der Wertschätzung nach freiem Ermessen (§ 3 ZPO) ist maßgebend das Interesse der Kläger an der Grundbuchberichtigung, nicht der Grundstücks‑</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">wert oder der Verkehrswert eines dinglichen Rechts. Ein geringer Wertansatz ist dann geboten, wenn</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">es nur um die formelle Rechtslage geht, weil die Eigentumsverhältnisse unstreitig sind (LG Bayreuth, JurBüro 1979, 1884). Zwischen den Parteien hat nie Streit darüber bestanden, daß die Angabe des Miteigentumsanteils der Kläger im notariellen Kaufvertrag mit 398/l000 unrichtig und nur im Hinblick auf geplante Umbau- und Ausbauarbeiten gewählt worden ist. Die Eintragung des unstreitig richtigen Anteils von 568/l000 im Grundbuch ist nur daran gescheitert, daß die Beklagten ihre Zustimmung wegen der noch ausstehenden Änderungs­arbeiten verweigert haben. Klageziel war folglich. nur, die zwischen den Parteien unstreitige korrek­te Angabe des Miteigentumsanteils der Kläger im Grundbuch zu verlautbaren. In einem solchen Fall ist das Interesse der Kläger, deren materielle Rechtsstellung durch die fehlerhafte Angabe im Grundbuch nicht beeinträchtigt worden ist, nur gering zu bewerten. Die eigene Schätzung der Klä­ger, die den Streitwert mit 10.000,-- DM angege­ben haben, ist keinen Bedenken ausgesetzt, zumal auch die Beklagten dagegen keine Einwendungen vorgebracht haben. Der Streitwert für den Rechts­streit ist deshalb in Abänderung der landgericht­lichen Wertfestsetzung auf 10.000,-- DM zu bezif­fern.</p>
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315,386 | olgham-1988-03-22-26-u-13387 | {
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"name": "Oberlandesgericht Hamm",
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} | 26 U 133/87 | 1988-03-22T00:00:00 | 2019-03-13T14:54:20 | 2019-03-27T09:43:15 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1988:0322.26U133.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung der Klägerin wird das am 15. Mai 1987 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg abgeändert:</p>
<p>Die Beklagte wird verurteilt,</p>
<p>a)</p>
<p>an die Klägerin 19.000,- DM nebst 8 % Zinsen seit dem 12. September 1986 zu zahlen,</p>
<p>b)</p>
<p>einzuwilligen, daß die beim Amtsgericht Meschede (AZ: 1 HL 20/85) zugunsten der Parteien hinterlegten 25.000,- DM an die Klägerin ausgezahlt werden,</p>
<p>c)</p>
<p>an die Klägerin 8 % Zinsen von 25.000,- DM seit dem 5. Dezember 1985 zu zahlen.</p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p>Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 57.500,- DM abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet. Die Sicherheitsleistung darf die Beklagte auch durch selbstschuldnerische, unbefristete Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse erbringen.</p>
<p>Das Urteil beschwert die Beklagte in Höhe von 48.800,- DM.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">In den Jahren 1978 bis 1984 baute die Firma ... (Firma ...), die im September 1984 in Konkurs fiel, in ... u.a. in der ... als Bauträgerin Reihenhäuser. Zur Finanzierung dieser Bauvorhaben stellte die Beklagte der Firma ... Kredite zur Verfügung. Zur Sicherung der für das Bauvorhaben in der ... gewährten Kredite bestellte die Firma ... der Beklagten Grundschulden von über 1,8 Millionen DM.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Am 10. Mai 1978 schlossen die Firma ... und die Beklagte einen "Treuhandvertrag" (Bl. 75 G.A.), in dem die Firma ... sich verpflichtete, die Käufer der Reihenhäuser zu veranlassen, die Kaufpreiszahlungen nur auf ein bei der Beklagten eingerichtetes Treuhandkonto zu leisten (§1). Die Beklagte verpflichtete sich, "Verfügungen - auch solche im Wege der Aufrechnung und sonstigen Verrechnung - über die auf diesem Konto eingehenden Gelder nur unter Beachtung der Bestimmungen von §3 der notariellen Kaufverträge zuzulassen" (§2). Außerdem sollten die getroffenen Regelungen nicht nur zwischen der Firma ... und der Beklagten, sondern "zugleich zugunsten der einzelnen Käufer, die Zahlungen auf das Treuhandkonto leisten," gelten (§3).</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Durch notariellen Vertrag vom 17. Mai 1983, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 63 bis 74 GA) verkaufte die Firma ... das Grundstück ... an Herrn ... (Käufer) und verpflichtete sich, auf dem Grundstück ein Reihenhaus zu errichten. Nach §3 Abs. II, III des "Kaufvertrages" war der Käufer verpflichtet, den Gesamtkaufpreis von 325.030,00,- DM auf das Treuhandkonto der Firma ... bei der Beklagten einzuzahlen; 30 % des Kaufpreises sollten innerhalb von 10 Tagen nach Abschluß des Vertrages (§3 Abs. III des "Kaufvertrages"), der Rest der Summe bei Bezugsfertigkeit und Besitzübernahme zu entrichten sein (§3 Abs. IV des "Kaufvertrages").</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Firma ... und der Käufer vereinbarten zudem (§3 Abs. IV des "Kaufvertrages"), daß über die auf das Treuhandkonto gezahlten Beträge in Höhe von 96,5 % des "Kaufpreises" nach Bezugsfertigkeit und Besitzübernahme in Höhe der restlichen 3,5 % nach Abnahme des Hauses zugunsten der Firma ... verfügt werden dürfe. Die vertragschließenden Parteien waren sich im übrigen einig, daß die Beklagte die eingezahlten Beträge für die Kaufvertragsparteien nach Maßgabe des Treuhandvertrages vom 10. Mai 1978 verwalte.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Am 25. August 1983 nahm der Käufer das ihm bezugsfertig übergebene Haus ab.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 1. September 1983 (Bl. 23 BA 2 O 505/85 LG Arnsberg) stundete die Firma ... dem Käufer ... den "Restkaufpreis" von 45.500,- DM bis zur Auszahlung des beantragten Darlehens aus öffentlichen Mitteln.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Am 28. März 1984 gab die Beklagte die Grundpfandrechte frei, die zur Sicherung der Kredite für die Bauvorhaben in der Gebke Str. bestellt waren.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Mit Vertrag vom 3. Mai 1984 trat die Firma ... die gestundete "Restkaufpreisforderung" gegen den Käufer ... von 45.500,- DM an die Klägerin ab (Bl. 3, 13 GA). Die Beklagte wurde davon nicht in Kenntnis gesetzt.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Am 4. September 1984 wurde über das Vermögen der Firma ... das Konkursverfahren eröffnet und ein Konkursverwalter bestellt (10 N 28/84 AG Olpe).</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Im Juni 1985 wurde dem Käufer ... das Darlehen aus öffentlichen Mitteln ausgezahlt. Die Klägerin nahm den Käufer alsbald (Mahnbescheid vom 5. Juli 1985) vor dem Landgericht Arnsberg (BA 2 O 505/85) auf Zahlung von 45.500,- DM nebst 8 % Zinsen seit dem 26. Juni 1985 in Anspruch. Unter dem 20. August 1985 teilte der Konkursverwalter der Klägerin mit, daß er die am 3. Mai 1984 an die Klägerin abgetretene "Restkaufpreisforderung" freigebe; er sei mit Einziehung mit Forderung durch die Klägerin einverstanden (Bl. 13 BA).</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Während des Vorprozesss 2 O 505/85 LG Arnsberg hinterlegte der Käufer 25.000,- DM zugunsten der Beklagten und der Klägerin beim Amtsgericht Meschede (1 HL 20/85) unter Verzicht auf die Rücknahme. In Höhe dieses Betrages erklärten die Parteien während des Vorprozesss den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt. Die Klägerin beantragte daraufhin, den Käufer zur Zahlung des Restbetrages an sie, hilfsweise auf das Treuhandkonto bei der Beklagten zu verurteilen. Entsprechend verurteilte das Landgericht Arnsberg durch (nunmehr rechtskräftiges) Urteil vom 21. Februar 1986 den Käufer zur Zahlung von 17.236,67 DM nebst Zinsen auf das Treuhandkonto bei der Beklagten (Bl. 56 ff. BA).</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Bereits mit Schreiben vom 27. November 1985 hatte die Beklagte auf ein Aufforderungsschreiben der Klägerin hin die Freigabe des hinterlegten Betrages an die Klägerin verweigert. Bei Freigabe des hinterlegten Betrages hätte der Betrag der Klägerin am 4. Dezember 1985 zur Verfügung gestanden.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Der Käufer zahlte aufgrund der Verurteilung durch das Landgericht Arnsberg am 7. Juli 1986 19.000,- DM auf das Treuhandkonto bei der Beklagten ein. Die Klägerin forderte die Beklagte zur Auszahlung dieses Betrages an sie auf. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 11. September 1986, bei der Klägerin am 12. September 1986 eingegangen, die Auszahlung der auf das Treuhandkonto gezahlten 19.000,- DM ab.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Am 23. September 1986 trat der Konkursverwalter den Anspruch gegen die Beklagte auf Auszahlung der auf dem Treuhandkonto gutgeschriebenen 19.000,- DM an die Klägerin ab (Bl. 7 GA). Am 23. März 1987 (Bl. 23 GA) trat er zudem den Anspruch auf Auszahlung des beim Amtsgericht Meschede hinterlegten Betrages von 25.000,- DM an die Klägerin ab und erklärte, daß er die hinterlegten Beträge zugunsten der Klägerin freigebe.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, daß die Beklagte zur Auszahlung der auf dem Treuhandkonto befindlichen 19.000,- DM an die Klägerin verpflichtet sei, weil die Voraussetzungen für eine treuhänderische Verwaltung für den Käufer nicht mehr gegeben seien. Die Kontosperre zugunsten des Käufers sei entfallen, seit dieser das auf seinem Grundstück errichtete Haus bezogen und es abgenommen habe. Sie könne diesen Auszahlungsanspruch geltend machen, weil er ihr aufgrund eines Ersatzaussonderungsrechts gem. §46 KO von dem Konkursverwalter wirksam abgetreten sei. Aus denselben Erwägungen sei die Beklagte auch zur Freigabe des hinterlegten Betrages an sie verpflichtet.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zur verurteilen,</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">an sie 19.000,- DM nebst 8 % Zinsen seit dem 12. September 1986 zu zahlen,</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">gegenüber dem Amtsgericht Meschede die Freigabe des dort unter dem Aktenzeichen 1 HL 20/85 zugunsten der Parteien hinterlegten Betrages von DM 25.000,- an sie zu erklären und</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">an sie 8 % Zinsen aus 25.000,- DM seit dem 5. Dezember 1985 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat behauptet, sie habe mit der Firma ... bei Abschluß des Treuhandvertrages vereinbart, daß die auf das Treuhandkonto eingezahlten Beträge nach Beendigung der treuhänderischen Verwaltung für die Käufer der Beklagten zur Tilgung der für die Bauvorhaben gewährten Kredite zur Verfügung stünden (Beweis: Zeuge ... Bl. 25 GA).</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Im Zeitpunkt der Abtretung der "Restkaufpreisforderung" von der Firma ... an die Klägerin habe sie fällige Rückzahlungsansprüche wegen der der Firma ... gewährten Finanzierungskredite in Höhe von 814.536,44 DM gehabt (13 GA). Die Kredite seien zwischenzeitlich auch nicht zurückgezahlt worden.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat an dem Anspruch auf Auszahlung des Kontoguthabens wegen der noch nicht getilgten Finanzierungskredite ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht (Bl. 12, 13 GA). Hilfsweise für den Fall, daß ihr ein Zurückbehaltungsrecht nicht zustehe, hat sie die Aufrechnung mit ihren Ansprüchen gegen die Firma ... auf Rückzahlung der gewährten Kredite erklärt. Sie hat die Meinung vertreten, daß ihr das Zurückbehaltungsrecht und das Aufrechnungsrecht nach den Abreden zustehe, die sie bei Abschluß des Treuhandvertrages mit der Fa. ... getroffen habe. Durch diese Abreden sei sichergestellt worden, daß das auf dem Treuhandkonto eingezahlte Geld bei Vorliegen der Auszahlungsvoraussetzungen von ihr mit den ausstehenden Finanzierungskrediten verrechnet werden dürfe. Diese Rechte stünden ihr auch nach Konkurseröffnung noch zu. - Im übrigen hat sie die Höhe des geltend gemachten Zinsanspruches bestritten.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat demgegenüber die Ansicht vertreten, die Beklagte könne mit eigenen Ansprüchen gegen den Auszahlungsanspruch nicht aufrechnen. Eine Aufrechnung sei nicht möglich, weil diese angesichts der zwischen der Beklagten und der Fa. ... vereinbarten zweckgebundenen Treuhand treuwidrig sei. Darüber hinaus sei eine Aufrechnung nach §55 Satz 1 Ziff. 1 KO unzulässig. Auch ein Zurückbehaltungsrecht stehe der Beklagten nicht zu. Ein derartiges Zurückbehaltungsrecht ergebe sich weder aus dem "Kaufvertrag" zwischen der Firma ... und dem Käufer noch aus dem Treuhandvertrag zwischen der Beklagten und der Firma ... Der Treuhandvertrag enthalte im weiteren auch keine Abtretung der "Kaufpreisansprüche" an die Beklagte. Eine materielle Berechtigung an der "Kaufpreisforderung" habe der Beklagten nicht zugestanden. Der Konkursverwalter wäre ohne die Abtretungen an die Klägerin verpflichtet gewesen, die "Kaufpreisforderung" zur Masse zu ziehen.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Ein Zurückbehaltungsrecht stehe der Beklagten auch nicht in bezug auf die Freigabe des hinterlegten Betrages von 25.000,- DM zu. Der hinterlegte Betrag müsse nicht zunächst erst auf das Treuhandkonto eingezahlt werden, denn die Beklagte sei verpflichtet, den Betrag an sie, Klägerin, weiterzuleiten.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht Arnsberg hat mit dem angefochtenen Urteil vom 15. Mai 1987 (Bl. 31 bis 37 GA) die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Beklagten stehe aufgrund der bereits vor dem Konkurs bestehenden Vertragsbeziehungen mit der Firma ... ein Zurückbehaltungsrecht zu. Die Beklagte habe auch bei Vorliegen der Auszahlungsvoraussetzungen von der Firma ... verlangen können, daß diese zunächst mit den auf das Treuhandkonto eingezahlten Geldern die Schulden bei der Beklagten begleiche. Diese Einrede, die durch das Konkursverfahren nicht berührt worden sei, könne die Beklagte auch der Klägerin entgegenhalten.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Mit diesem Urteil ist die Klägerin nicht einverstanden (Bl. 53 ff.):</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin trägt vor, daß die Beklagte bei Abschluß des Treuhandvertrages mit der Firma ... nicht vereinbart habe, daß die auf das Treuhandkonto eingezahlten Beträge nach Beendigung der treuhänderischen Verwaltung der Beklagten zur Tilgung der für die Bauvorhaben gewährten Kredite zur Verfügung stehen sollte. Der Beklagten stünde auch Rückzahlungsansprüche gegen die Gemeinschuldnerin wegen gewährter Kredite nicht zu. Im übrigen ist sie der Ansicht, die Beklagte könne sich gegen den Auszahlungsanspruch nicht auf ein Absonderungsrecht berufen, weil ihr die "Kaufpreisforderung" nicht abgetreten worden sei; auch habe der Beklagten kein Pfandrecht an der "Kaufpreisforderung" zugestanden. Aus dem Treuhandvertrag ergebe sich weder eine schlüssige Sicherungsabtretung noch eine Pfandrechtsbestellung, dafür wäre eine eindeutige Vereinbarung zwischen der Firma ... und der Beklagten erforderlich gewesen. Die Beklagte sei auch mit dem geltend gemachten Zurückbehaltungsrecht ausgeschlossen, weil dessen Ausübung zur Umgehung des nach §55 Satz 1 Ziff. 1 KO bestehenden Aufrechnungsverbots führe.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach den im ersten Rechtszug gestellten Anträgen zu erkennen.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil (Bl. 82 bis 91) und hält die Klage schon deshalb für unbegründet, weil die Klägerin weder am 3. Mai 1984 die Kaufpreisforderung noch am 23. September 1986 einen Auszahlungsanspruch der Firma ... gegenüber der Beklagten durch Abtretung erworben habe. Der Treuhandvertrag vom 10. Mai 1978 i.V.m. §3 des Kaufvertrages (Bl. 65) sei dahin auszulegen, daß der Beklagten der Kaufpreisanspruch gegenüber dem Erwerber ... spätestens mit Abschluß des Kaufvertrages am 17. Mai 1983 zur Sicherheit für ihre Kreditansprüche gegenüber der (späteren) Gemeinschuldnerin abgetreten worden sei, eine derartige Sicherungsabtretung ergebe sich aus der Auslegung der geschlossenen Verträge, insbesondere aus §3 Abs. V des Kaufvertrages, wo es heiße: "Die Verkäuferin kann den Anspruch auf Einzahlung auf das Treuhandkonto im eigenen Namen geltend machen".</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Der Mitarbeiter der Beklagten, ... habe seinerzeit im Zusammenhang mit dem Abschluß des Treuhandvertrages bereits mit der Firma ... mündlich vereinbart, daß auf dem Treuhandkonto eingehende Zahlungen nach Erfüllung der Auszahlungsvoraussetzungen unmittelbar dem Geschäftskonto der Firma ... zugeführt werden sollten, um die Forderungen der Beklagten gegenüber der Firma ... aus den Finanzierungsgeschäften zurückzuführen. Die Klägerin habe auch kein Ersatzabsonderungsrecht gegenüber dem Konkursverwalter betreffend den Erlös aus der Kaufpreisforderung gegen den Erwerber ... erworben, dieses zwar grundsätzlich bestehende Recht sei durch Zahlung des Kaufpreises untergegangen. Ansprüche auf Auszahlung der gezahlten 19.000,- DM und auf Freigabe des hinterlegten Betrages von 25.000,- DM bestünden nicht, weil die Beklagte durch Aufrechnung die durch den Konkursverwalter am 23. September 1986 und 23. März 1987 abgetretenen Ansprüche zum Erlöschen gebracht habe, denn sie sei gegenüber dem Konkursverwalter zur Aufrechnung berechtigt. Die Klägerin müsse sich dies nach §406 BGB entgegenhalten lassen. Ihre bei Konkurseröffnung begründete Rechtsstellung dürfe und könne nicht durch Abtretung verkürzt werden. Ihre Ansprüche gegenüber der Gemeinschuldnerin hätten sich bei Konkurseröffnung am 4. September 1984 auf mindestens 820.000,- DM belaufen. In jedem Fall stehe ihr ein Zurückbehaltungsrecht zu.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Im übrigen bestreitet sie den Zinsanspruch nach Grund und Höhe.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Die Akten 2 O 505/85 LG Arnsberg waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die Beklagte verpflichtet, an die Klägerin 19.000,- DM nebst 8 % Zinsen seit dem 12. September 1986 zu zahlen und darin einzuwilligen, daß die beim Amtsgericht Meschede zugunsten der Parteien hinterlegten 25.000,- DM an die Klägerin ausgezahlt werden, zusätzlich hat die Beklagte insoweit 8 % Zinsen von 25.000,- DM seit dem 5. Dezember 1985 an die Klägerin zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks"><b>I.</b></p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks"><u>Anspruch auf Zahlung von 19.000,- DM</u></p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat einen bereicherungsrechtlichen Anspruch (§816 Abs. II BGB) gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht (§398 BGB), weil die Beklagte als Nichtberechtigte der Klägerin als Berechtigter zur Herausgabe der 19.000,- DM verpflichtet ist, die der Käufer ... aufgrund des seit dem 28. Mai 1986 rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Arnsberg vom 21. Februar 1986 (Bl. 56 BA 2 O 505/85 LG Arnsberg) auf das bei der Beklagten in Meschede geführte Treuhandkonto Nr. ... gezahlt hat.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Der Kaufer ... hat damit in Befolgung der landgerichtlichen Entscheidung bewußt und zweckgerichtet (BGHZ 40, 272, 277; BGHZ 58, 184, 188) das Vermögen der Beklagten vermehrt, die nach Eröffnung des Konkurses am 4. September 1984 über das Vermögen der Firma ... zum Empfange dieser Leistung nicht mehr berechtigt war.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Nach §§2, 3 des Treuhandvertrages vom 10. Mai 1978 war die Beklagte als Treuhänderin verpflichtet, Auszahlungen von dem Treuhandkonto an die Firma ... nur nach Maßgabe des §3 der notariellen "Kaufverträge" zwischen der Firma ... und den jeweiligen Käufern vorzunehmen. Dieses Treuhandverhältnis ist mit Konkurseröffnung nach §23 KO erloschen.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Aus dem Treuhandvertrag vom 10. Mai 1978 und dem "Kaufvertrag" vom 17. Mai 1983 ergibt sich, daß die Beklagte zu dem Zweck eingesetzt worden ist, zur Gewährleistung der ordnungsgemäßen Durchführung der Bauvorhaben dafür Sorge zu tragen, daß der von den "Käufern" zu zahlende "Kaufpreis" zweckentsprechend verwendet, d.h., zur Fertigstellung der Häuser und daß er danach an die Firma ... ausgezahlt werden sollte. Die Beklagte ist deshalb nach den bestehenden Rechtsbeziehungen (BGH WM 1969, 935) nicht zur Sicherung ihrer eigenen, sondern zur Sicherung der Interessen der Firma ... und des "Käufers" tätig geworden (vgl. §3 Abs. VI des "Kaufvertrages").</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Eine Sicherungsabtretung der Kaufpreisforderungen, aus der sich die Annahme einer eigennützigen (Sicherungs-)Treuhand ergeben könnte, enthält der von der Beklagten mit der Firma ... geschlossene Treuhandvertrag nicht. Ausdrücklich ist eine Sicherungsabtretung nicht erfolgt, sie kann dem Treuhandvertrag auch sonst nicht entnommen werden. §1 des Treuhandvertrages kann nicht dahin ausgelegt werden, daß die Firma ... und die Beklagte eine Einigung über den (dinglichen) Forderungsübergang erzielt hätten. Zwar hätte eine Sicherungsabtretung den Interessen der Beklagten entsprochen, in deren Interesse auch die Verpflichtung der Firma ... lag, die "Käufer" der Reihenhäuser zur Zahlung auf das Treuhandkonto zu veranlassen. Auch wäre eine umfassende Kreditsicherung gerade durch eine Sicherungsabtretung an die Beklagte zu erreichen gewesen, der im Falle eines (später dann auch eingetretenen) Konkurses der Firma ... ein Absonderungsrecht zugestanden hätte (§48 KO). Die Beklagte wäre zudem vor treuhandswidrigen Verfügungen und der Pfändung durch Drittgläubiger der Firma ... geschützt gewesen. Die Annahme einer erfolgten Sicherungsabtretung an die Beklagte hätte auch die erkennbaren Interessen der Firma ... nicht berührt. Letztlich wäre auch eine Offenlegung der Abtretung zumindest so lange nicht erforderlich gewesen, wie die Firma ... die "Käufer" - wie vereinbart - zur Zahlung auf das Treuhandkonto veranlaßt hätte. Die in §1 des Treuhandvertrages getroffene Regelung läßt jedoch einen entsprechenden, auf Vereinbarung einer Sicherungsabtretung gerichteten Willen der Vertragsparteien zu einer gewollten (dinglichen) Rechtsänderung nicht hinreichend erkennen. Der getroffenen Vereinbarung läßt sich nur entnehmen, daß die Beklagte lediglich durch die ihr eingeräumte Möglichkeit gesichert werden sollte, die gewährten Finanzierungskredite mit dem Guthaben auf dem Treuhandkonto zu verrechnen. Dafür spricht auch, daß die Beklagte die gewährten Kredite durch Grundpfandrechte abgesichert hatte. Zudem durfte die Firma ... unter bestimmten Umständen Auszahlung vom Treuhandkonto an sich bewirken (§3 Abs. V des "Kaufvertrages"). Damit ist davon auszugehen, daß die getroffene Vereinbarung nur schuldrechtliche Wirkung haben sollte. Im Interesse der Rechtssicherheit hätte es gerade bei einer gewollten (dinglichen) Rechtsänderung einer Vereinbarung bedurft, die die Rechtsänderung deutlich zum Ausdruck bringt (BGH ZP 1984, 1118, 1120). Im übrigen war es der in Kreditsicherungsgeschäften erfahrenen Beklagten möglich, eine Sicherungsabtretung deutlich zum Ausdruck zu bringen, wenn sie hätte vereinbart werden sollen.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Der getroffenen Regelung kann allenfalls entnommen werden, daß die Sicherung der Rückzahlung gewährter Finanzierungskredite auch dadurch geschehen sollte, daß die Beklagte die Rückzahlungsansprüche gegen die Ansprüche auf Auszahlung des Guthabens auf dem Treuhandkonto aufrechnen konnte.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Eine treuhänderische Abtretung der "Kaufpreisforderung" an die Beklagte ist auch nicht aufgrund des von der Firma ... und dem jeweiligen "Käufer" abgeschlossenen "Kaufvertrags" möglich. Eine derartige Vereinbarung wäre als Vertrag zugunsten Dritter gem. §328 BGB anzusehen, der lediglich bei (schuldrechtlichen) Verpflichtungsgeschäften, nicht aber bei (dinglichen) Verfügungsgeschäften zulässig ist (u.a. BGH WM 1986, 749, 750). Eine Vernehmung des in der Berufungserwiderung S. 4 und (B. 85, 88 d.A.) als Zeugen benannten Herrn ... bedürfe es daher nicht; das ist im Termin erörtert worden.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Ob die (fremdnützige, uneigennützige) Verwaltungstreuhand (BGH WM 1969, 935; Soergel-Leptien, Komm. zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 12. Aufl. 1988, vor §164 Rz 59) in Form der Verfügungsermächtigung (§185 BGB) oder in der Weise ausgeübt werden sollte, daß die Beklagte die Kaufpreisforderungen erwerben sollte, ist für den rechtlichen Charakter der Treuhand als Verwaltungstreuhand (fremdnützige Treuhand) angesichts des eindeutigen Zweckes - den von dem "Käufer" zu zahlenden Kaufpreis für den Hausbau zu verwenden und diesen dadurch zu sichern, nach Fertigstellung der Häuser die Mittel für ... zur Verfügung zu halten - an sich unerheblich. Wie oben ausgeführt spricht jedoch die vertragliche Regelung insgesamt gegen eine Abtretung der Kaufpreisforderungen an die Beklagte zur Sicherung des der ... von der Beklagten gewährten Kredits.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Handelt es sich aber um eine (uneigennützige) Verwaltungstreuhand, so erlischt im Konkurs des Treugebers (hier: Firma ...) in Fällen der vorliegenden Art der Treuhandvertrag nach §23 Abs. I/II KO (BGH WM 1964, 318; Soergel-Leptien, a.a.O., vor §164 Rz 70 und 75; Jaeger, Konkursordnung, 8. Aufl. 1958 Rz 7/8; Kilger, Konkursordnung, 15. Aufl. 1987, §23 Anm. 2/3; Kuhn-Uhlenbruck, Konkursordnung, 10. Aufl., §23 Rz 7 c). Ausnahmefälle, die unter Umständen die Fortdauer des Treuhandverhältnisses zur Folge haben könnten (§§672 S. 2, 674 BGB), liegen ersichtlich nicht vor.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Angesichts dessen, daß die 25.000,- DM am 22.10.1985 hinterlegt und die 19.000,- DM am 7.7.1986 gezahlt worden sind, beide Vorgänge also zeitlich eindeutig nach der Konkurseröffnung am 4.9.1984 liegen, hat die Beklagte die 19.000,- DM und den Vorteil aus der Hinterlegung nicht mehr aufgrund des Treuhandvertrages mit der Firma ... erworben und "wurzelt" der Erwerb nach Konkurseröffnung rechtlich nicht mehr in dem vor Konkurseröffnung entstandenen und mit Konkurseröffnung beendeten Treuhandschuldverhältnis. In derartigen Fällen ist nach §55 Abs. I Ziff. 1) die Aufrechnung mit evtl. zugunsten der Beklagten bestehenden Rückzahlungsansprüchen gegenüber der Gemeinschuldnerin nicht möglich. Die Beklagte kann deshalb auch nicht wirksam gegenüber der Klägerin aufrechnen. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob der - beendete - Treuhandvertrag wirksam eine derartige Aufrechnung ausschloß. Vergleiche hierzu (BGHZ 14, 346, 347; WPM 1960, 842, 843; Kuhn Uhlenbruck a.a.O. §53 Rn. 13; auch BGHZ 28, 123, 128). Nach Beendigung des Treuhandverhältnisses kommt auch ein Zurückbehaltungsrecht nicht in Betracht.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Die Firma ... hat mit Vertrag vom 3. Mai 1984 die gestundete "Restkaufpreisforderung" in Höhe von insgesamt 45.500,- DM an die Klägerin abgetreten (Bl. 3, 13 GA). Aufgrund der weiteren Vereinbarungen mit dem Konkursverwalter vom 23.9.1986 und 23.3.1987 ist damit die Aktivlegitimation der Klägerin gegeben.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Der Anspruch auf Zahlung von 8 % Zinsen von 19.000,- DM seit dem 12. September 1986 folgt aus §§284 Abs. I, 286 Abs. I, 252 S. 2, 288 Abs. II BGB. Die Beklagte ist mit der Auszahlung der 19.000,- DM seit dem 12. September 1986 in Verzug. Sie hat auf das Aufforderungsschreiben der Klägerin mit Schreiben vom 11. September 1986 die Auszahlung des Guthabens von dem Treuhandkonto an die Klägerin abgelehnt. Zu dieser Zeit stand der Klägerin bereits der fällige und durchsetzbare Anspruch auf Auszahlung der 19.000,- DM zu. Den von der Klägerin zu erzielenden Wiederanlagezins schätzt der Senat nach §287 ZPO im Anschluß an die Rechtsprechung des hiesigen 11. Senats (WM 1986, 1246, 1247; WM 1985, 1338, 1340) anhand der in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank ausgewiesenen durchschnittlichen Sollzinssätze für Kontokorrentkredite unter 1 Mill. DM auch nicht unter 8 %.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks"><b>II.</b></p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks"><u>Freigabe des beim Amtsgericht Meschede hinterlegten Betrages von 25.000,- DM</u></p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte ist zur Herausgabe des hinterlegten Betrages nach §812 Abs. 1 Satz 1, 2. Variante BGB (Eingriffskondition) verpflichtet, weil sie ihre durch Hinterlegung erlangte Rechtsstellung ohne Rechtsgrund auf Kosten der Klägerin erlangt hat. Wie ausgeführt war die Klägerin im Zeitpunkt der Hinterlegung Forderungsinhaberin, der Beklagten standen aufgrund des erloschenen Treuhandverhältnisses keine Rechte an dem Geld mehr zu. Die Beklagte ist verpflichtet, die Freigabe des bei dem Amtsgericht Meschede hinterlegten Betrages zu erklären.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks"><b>III.</b></p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Der Zinsanspruch der Klägerin in Höhe von 8 % besteht ab dem 5. Dezember 1985. Der fällige Freigabeanspruch der Klägerin gegen die Beklagte besteht seit der am 22. Oktober 1985 erfolgten Hinterlegung der 25.000,- DM. Die Beklagte befindet sich seit ihrem die Freigabe zugunsten der Klägerin ablehnenden Schreiben vom 27. November 1985 in Verzug. Da bei sofortiger Erklärung der Freigabe der Klägerin der hinterlegte Betrag am 4. Dezember 1985 zur Verfügung gestanden hätte, hätte die Klägerin aus den oben genannten Gründen ab dem 5. Dezember 1985 den hinterlegten Betrag zu einem Zins von mindestens 8 % gewinnbringend anlegen können.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks"><b>IV.</b></p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen (§§91, 97 ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks"><b>V.</b></p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§708 Nr. 10, 711 ZPO.</p>
|
315,387 | lg-duisburg-1988-03-17-5-s-30087 | {
"id": 807,
"name": "Landgericht Duisburg",
"slug": "lg-duisburg",
"city": 408,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 5 S 300/87 | 1988-03-17T00:00:00 | 2019-03-13T14:54:21 | 2019-03-27T09:43:15 | Urteil | ECLI:DE:LGDU:1988:0317.5S300.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Oberhausen</p>
<p> vom 20. November 1987 (39 C 492/87) wird zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p> Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>T a t b e s t a n d :</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist Chefarzt der Abteilung für Innere Medizin des -Krankenhauses</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">in , in dem die damals 73 jährige Beklagte am 20. November 1986 mit einem Herzhinterwandinfarkt aufgenommen wurde. Nach einem Tag auf der Intensivstation wurde die Beklagte am 21. November 1986 auf die Privatstation des Klägers, der nach seinem mit dem Krankenhausträger am 25. April 1972 geschlossenen Anstellungsvertrag für die von ihm oder unter seiner Verantwortung erbrachten ärztlichen Leistungen gegenüber Patienten der ersten und zweiten Pflegekasse liquidationsberechtigt ist, verlegt und auf dieser Station bis zum 16. Dezember 1986 behandelt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Am Tag der Aufnahme auf die Intensivstation schloß die Beklagte mit dem Krankenhaus eine als "Aufnahmevertrag" bezeichnete Vereinbarung, in der es in dem unter der Überschrift folgenden Vertragstext nach dem ersten Absatz zunächst heißt:</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">"...</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Krankenhauses werden die medi-</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">zinisch zweckmäßigen Leistungen angeboten, die mit dem allgemeinen</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Pflegesatz (Regelleistungen gemäß § 3 BPflv.) abgegolten sind.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Darüber hinaus können, sofern die allgemeinen Krankenhausleistungen</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">nicht beeinträchtigt werden, Wahlleistungen gegen zusätzliches Entgelt </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">gewährt werden."</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">In der folgenden Rubrik II. der Vereinbarung heißt es weiter:</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">"Wir vereinbaren die Inanspruchnahme folgender Leistungen zu den in</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">der Anlage 1 aufgeführten Sätzen: </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">..."</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Von den beiden folgenden Rubriken "I) Regelleistungen" und "II) Wahlleistungen" ist in den dafür vorgesehenen Feldern keine angekreuzt worden. Von den unter der Rubrik "Wahleistungen" stehenden weiteren fünf durchgehend nummerierten Alternativen sind die folgenden beiden angekreuzt:</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">"2. Unterbringung in einem 2-Bettzimmer nur in Verbindung mit gesondert</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">berechenbaren Arztleistungen der liquidationsberechtigten Ärzte des</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Krankenhauses</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">a) mit Naßzelle</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">5. gesondert berechenbare ärztliche Leistungen der liquidationsberechtigen</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Ärzte des Krankenhauses (gilt nur für Selbstzahler, soweit sie nur die </p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">allgemeinen Krankenhausleistungen in Anspruch nehmen ...".</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">In der Alternative 2. a) ist handschriftlich neben zwei unleserlichen Worten vermerkt</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">"ab 21.11.86".</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte lag in einem Zweibettzimmer. Die Krankenhausrechnung einschließlich des Zweibettzimmeraufschlags hat sie beglichen. Der Kläger erstellte am 5. Februar 1987 seine Rechnung über wahlärztliche Leistungen, wegen deren Inhalt auf die Kopie Blatt 11 und 12 der Akten Bezug genommen wird, über insgesamt 2.824,65 DM nach Abzug von 15 % für Inanspruchnahme von Krankenhausleistungen gemäß § 6 a GOÄ.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte weigert sich, die Arztrechnung zu bezahlen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Sie behauptet, sie habe die Vereinbarung vom 20. November 1986 so verstanden, daß sie nur die Leistungen chefärztlich in Anspruch nehmen und privat gesondert bezahlen werde, die über die im Regelsatz der Klinik bereits enthaltenen ärztlichen (Normal-)leistungen hinausgingen. Es ist unstreitig daß der Kläger keine ärztlichen Leistungen erbracht hat, die über die grundsätzlich mit dem Regelsatz abgegoltenen ärztlichen Leistungen hinausgingen.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Der Kläger meint, sein Anspruch folge zwingend aus dem Vertrag vom 20. November 1986, da dieser regele, daß die Inanspruchnahme eines Zweibettzimmer automatisch auch eine Chefarztbehandlung mit besonders berechenbaren ärztlichen Leistungen nach sich ziehe. Er behauptet, darauf hätten die mit der Aufnahme und dem Vertragsschluß befaßten Krankenhausangestellten die Beklagte auch ausdrücklich hingewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat die Klage mit Urteil vom 20. November 1987 abgewiesen, da sich aus dem Vertrag lediglich eine Verpflichtung der Beklagten zur privaten Zahlung von solchen Leistungen ergebe, die über die grundsätzlich im Regelsatz des Krankenhauses enthaltenen ärztlichen Leistungen hinausgingen; eine solche Vertragsauslegung ergebe sich insbesondere daraus, daß in der Präambel des Vertrages auf diese Regelleistungen ausdrücklich hingewiesen werde.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung. Er verfolgt seine Forderung auf Zahlung des Rechnungsbetrages weiter und hält die Vertragsauslegung des Amtsgerichts für unzutreffend. Er tritt zudem Beweis dafür an, daß die Beklagte bei ihrer Aufnahme die Wahlleistungen mit Arztliquidation ausdrücklich gewünscht habe, nachdem "man sie über den Inhalt und die Bedeutung" ausdrücklich aufgeklärt habe.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks"><u> E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e : </u></p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist unbegründet. Das Amtsgericht hat die Klage zutreffend abgewiesen, denn der Kläger hat gegen die Beklagte aus deren stationären Aufenthalt im </p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Krankenhaus in vom 20. November 1986 bis 16. Dezember 1986 keinen Anspruch auf Bezahlung wahlärztlicher Leistungen. </p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Einen Vertrag über eine privatärztliche Behandlung haben der Kläger und die Beklagte unmittelbar nicht miteinander geschlossen. Ein Anspruch auf Bezahlung ärztlicher Leistungen ergibt sich für den Kläger auch nicht aus der Vereinbarung des Krankenhauses mit der Beklagten vom 20. November 1986, auch wenn diese Vereinbarung als Vertrag des Krankenhausträgers mit der Beklagten zu seinen Gunsten mit unmittelbaren Forderungsrechten für ihn - den Kläger angesehen wird. </p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Wie bereits das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, haben das Krankenhaus und die Beklagte nicht vereinbart, daß die Beklagte <u>jede</u> ärztliche Behandlung durch den Kläger oder unter Verantwortung des Klägers zu bezahlen hätte. Die Vereinbarung vom 20. November 1986 ist ein Formularvertrag, auf den die Regelungen des AGBG anwendbar sind. Das folgt bereits aus dem äußeren Erscheinungsbild der Vereinbarung, die aus einem vorformulierten Text besteht, auf den lediglich der Stempel des Krankenhauses gedrückt, Name und Adresse der Beklagten handschriftlich eingetragen und zwei von fünf aufgezählten Wahlleistungen angekreuzt sind. Jede Unklarheit bei der Auslegung des Vertragstextes geht damit nach § 5 AGBG zu Lasten des Krankenhauses als Verwender des Formulars und des Klägers, für den es als Nutznießer verwandt wurde.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Der vorformulierte Vertragstext der Vereinbarung vom 20. November 1986 ist sprachlich so unklar abgefaßt, daß er zwanglos die Auslegung der Beklagten zuläßt, sie habe nur die private Bezahlung solcher ärztlichen Leistungen zusichern wollen, die über die im allgemeinen Krankenhaussatz enthaltenen Leistungen hinausgingen. Im zweiten Satz des ersten Abschnitts des Aufnahmevertrags wird klar angegeben, daß die medizinisch zweckmäßigen Leistungen mit dem allgemeinen Pflegesatz abgegolten sind. Im unmittelbar anschließenden Satz wird ausgeführt, daß "... <u>darüber hinaus</u> ... Wahlleistungen gegen zusätzliches Entgelt gewährt werden können". Bei richtigem Verständnis der deutschen Sprache kann dieser dritte Satz wegen seiner unmittelbaren Anbindung an die im zweiten Satz des ersten Abschnittes enthaltene Erklärung jedenfalls auch (wenn nicht sogar eher) so verstanden werden, daß nur Leistungen, die über die im Regelsatz enthaltenen Leistungen hinausgehen, als Wahlleistungen gewährt werden. Wenn die Beklagte dann im folgenden die Alternativen "... Unterbringung in einem Zwei-Bettzimmer nur in Verbindung mit gesondert berechenbaren Arztleistungen ..." und "... gesonderte berechenbare ärztliche Leistungen der liquidationsberechtigten Ärzte ... (gilt nur für Selbstzahler, soweit sie nur die allgemeinen Krankenhausleistungen in Anspruch nehmen) ..." wählte, dann konnte sie das so verstehen, daß sie damit versprach, für den Fall, daß ärztliche Leistungen über das medizinisch lediglich zweckmäßige hinausgingen und damit einen besonderen zusätzlichen Dienst darstellten, selbst privat zu bezahlen. </p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die Regelungen des Aufnahmevertrags sind derart verklausuliert, daß nur ein Patient mit einiger Erfahrung in der Handhabung privater Liquidation von leitenden Krankenhausärzten erkennt, daß das Krankenhaus zu Gunsten seiner Chefärzte <u>jede</u> ärztliche Behandlung als privat abrechenbar vereinbaren will. Wenn ein Krankenhausträger aber derartige Regelungen so treffen will, daß sie der Vorschrift des § 5 AGBG standhalten, dann muß er sie so allgemeinverständlich fassen, daß auch die eingelieferten Normalpatienten als durchschnittlich begabte Bürger, die teilweise zudem nicht unerheblich leiden, sie verstehen können. Es wäre auch nicht schwer, mit einfach verständlichen Worten im Aufnahmevertrag klarzumachen, daß ein Zwei- oder Einbettzimmer als Sonderwunsch nur belegt werden kann, wenn der Patient gleichzeitig zusagt, daß er alle erbrachten ärztlichen Leistungen privat bezahlen werde. </p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Dem Beweisantritt des Klägers auf Vernehmung der Krankenhausangestellten </p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">ist nicht nachzugehen. Der Kläger hat nicht ausreichend dargetan, wann und wie die Zeugin die Beklagte aufgeklärt haben soll. Unstreitig ist die 73 Jahre alte Beklagte am 20. November 1986 mit einem Infarkt der Herzhinterwand auf die Intensivstation eingeliefert worden. Dem Gericht ist unklar, wie denn einem mit Vertragsschluß und Aufnahmeabwicklung betraute Krankenhausangestellte die Beklagte am Aufnahmetag dann auf der Intensivstation über die Einzelheiten des in seinem Wortlaut komplizierten Vertragstext hat aufklären und unterrichten können. Es wäre ganz ungewöhnlich, wenn eine Verwaltungsangestellte eines Krankenhauses zum Zweck von Vertragsgesprächen Zutritt zur Intensivstation hätte. Mit den Grundsätzen ärztlicher Ethik ließe es sich nur schwer vereinbaren, das auf diese Art erhöhte Infektionsrisiko und die erhöhte Belastung eines Patienten hinzunehmen, um mit ihm einen privatärztlichen Vertrag zu schließen, obwohl sein Gesundheitszustand so bedrohlich ist, daß er auf die Intensivstation genommen werden muß. Aus diesen Gründen hätte der Kläger schon näher darlegen müssen, wann und wie das Vertragsgespräch mit der Beklagten geführt worden sein soll und ob die Beklagte überhaupt so ansprechbar war, daß sie Erklärungen richtig verstehen konnte.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 I ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Streitwert für das Berufungsverfahren: 3.824,65 DM.</p>
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315,388 | olgk-1988-03-16-6-u-2887 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
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} | 6 U 28/87 | 1988-03-16T00:00:00 | 2019-03-13T14:54:23 | 2019-03-27T09:43:15 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1988:0316.6U28.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung des Beklagten gegen das am 28.11.1986 verkündete Urteil der 16, Zivilkammer des Landgerichts Köln - 16 0 438/86 - wird zurückgewiesen.</p>
<p>Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p>Dem Beklagten wird nachgelassen, dieZwangsvollstreckung seitens des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 228.000,-- DM abzuwenden, wenn nicht  der Kläger seinerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet. Beiden Parteien wird nachgelassen, die von ihnen zu erbringende Sicherheitsleistung auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin (West) ansässigen Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse zu leisten.</p>
<p>Die Beschwer des Beklagten wird auf 200.000,-- DM festgesetzt.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Tatbestand:</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Parteien sind Enkel des N, der Inhaber der Firma F, gegenüber der Q von N2 (im folgenden kurz Fa. F) war. Nach dessen Tod wurde dieses Unternehmen, nachdem mehrjährige Auseinandersetzungen unter den Erben vorausgegangen waren, gemäß notariellem Vertrag vom 23.05.1977 zwischen seinen Erben mit drei gleichen Einlagen als Kommanditgesellschaft fortgeführt, und zwar mit dem Beklagten als persönlich haftenden Gesellschafter und Frau N3 und Frau T, der Mutter des Klägers, als Kommanditisten. § 5 des Gesellschaftsvertrages der Kommanditgesellschaft hat folgenden Wortlauft:</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Vorschlagsrecht</span></p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">(1)</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die vertragschließenden Gesellschafter haben das Recht, sich selbst oder an ihrer Stelle einen anderen Gesellschafter durch eingeschriebenen Brief an die Gesellschaft für die Stelung des persönlich haftenden Gesellschafters vorzuschlagen. Rechtsnachfolger eines  Gesellschafters können das Vorschlagsrecht nur gemeinsam ausüben und nur eine Person vorsch1agen. Teilrechtsnachfolger eines Gesellschafters können  das Recht nur zusammen mit dem Gesellschafter ausüben.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">(2)</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Über den Vorschlag entscheidet der Gesellschafterausschuß binnen 4 Monaten. Der Gesellschafterauschuß muß dem Vorschlag entsprechen, es sei denn, daߠ dem ein wichtiger Grund in der Person des Vorschlagenden entgegensteht. Die Entscheidung ist zu begründen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">(3)</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Jeder persönlich haftende Gesellschafter ist berechtigt, mit einer Frist von sechs Monaten durch eingeschriebenen Brief gegenüber dem Gesellschafterausschuß seinen Rücktritt von der Stellung als persönlich haftender Gesellschafter zu erklären: In diesem Fall wird er nach Ablauf der Sechsmonatsfrist mit seiner biherigen Einlage Kommanditist.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Ebenfalls am 23.05.1977 schlossen die Parteien sowie Frau N3 und Frau T einen weiteren notariellen Vertrag - UR. Nr. 2891/1977 des Notars Dr. P in L, in dem es unter anderem heißt:</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks"><img width="495" height="152" src="6_U_28_87_Urteil_19880316_0.png" alt="Die Entscheidung enthält an dieser Stelle ein Bild oder eine Grafik." /></p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Ab 1. 1. 1977 tritt Herr T in den Vorstand der Firma K AG ein, der nach Abstimmung unter den Vertragschließenden innerhalb angemessener Frist auf einen zweiköpfigen Vorstand verringert werden soll.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Erschienenen zu 1 bis 3 verpflichten sich ihm gegenüber sowie auch im Verhältnis zueinander, alle Maßnahmen zu treffen und Erklärungen abzugeben, die erforderlich und geeignet sind, seine Berufung in den Vorstand für die gesetzliche Höchstdauer durchzusetzen und auf seinen Wunsch eine Neubestellung zum Vorstandsmitglied nach Ablauf der jeweiligen Amtszeit zu gewährleisten.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Einem etwaigen Erwerber der Aktien sind diese Verpflichtungen aufzuerlegen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Als Vorstandsmitglied erhält Herr T die gleichen Gesamtbezüge wie das andere Vorstandsmitglied, Herr C. Ihm steht ein angemessener Dienstwagen zur Verfügung.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Vertragschließenden sind sich darüber einig, daß der Beratungsvertrag zwischen Herrn T und der Firma F im gegenseitigen Einvernehmen aufgehoben ist, ohne daß daraus materielle Folgerungen gezogen werden.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die vom 1.3.1972 bis 31.8.1973 an Herrn T in Höhe von DM 231.453,97 gewährten Leistungen sind Betriebskosten der Firma F. Abweichende Buchungen sind zu berichtigen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Herr T erklärt, daß ihm für die Vergangenheit keine weiteren Ansprüche gegen die Firma F und/oder Herrn N zustehen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">5.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Herr T wird von seinem Eintrittsrecht gem. § 5 des Kommanditgesellschaftsvertrages - entsprechend § 4 des GmbH-Vertrages, - jedoch nicht vor Ablauf von fünf Jahren Gebrauch machen. Diese Beschränkung gilt nicht, wenn sich die derzeitige Zusammensetzung der Gesellschafter ändert.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Als eine Änderung der derzeitigen Zusammensetzung der Gesellschafter gilt nicht der Fall, daß Frau T ihren Gesellschaftsanteil an der Firma F unter Lebenden ganz oder teilweise auf Herrn T überträgt.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Beschränkung des Absatz 1 gilt weiter dann nicht, wenn Herr T entgegen Ziffer 1 nicht für die gesetzliche Höchstdauer von fünf Jahren Vorstandsmitglied bei der K AG wird und bleibt, obwohl er sich darum bewirbt; es sei denn, daß er aus einem in seiner Person liegenden wichtigen Grund abberufen werden sollte.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Der Kläger wurde daraufhin zum Vorstand der K AG bestellt.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">In der außerordentlichen Hauptversammlung der K AG vom 10.12.1980 wurde die Umwandlung der AG in eine GmbH mit der F-KG als Alleingesellschafterin beschlossen. Die an der notariellen Vereinbarung vom 23.05.1977 Beteiligten waren sich damals darüber einig, daß diese Vereinbarung auch weiterhin Bestand haben sollte.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Der Kläger wurde in der Folgezeit zum Geschäftsführer der K GmbH bestellt. Der Dienstvertrag des Klägers mit der K GmbH wurde Ietztmals am 02./10.03.1982 für die Dauer von 5 Jahren bis zum 31.05.1987 erneuert.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Am 20.01.1986 übertrug Frau T ihrem Sohn, dem Kläger, 2,87 % ihres Kommanditanteils an der F-KG. Am 21.02.1986 sprach der Aufsichtsrat der K GmbH gegenüber dem Beklagten in seiner Eigenschaft als geschäftsführender Komplementär der F-KG die Empfehlung aus, den Kläger und seinen Mitgeschäftsführer L2 abzuberufen, da die beiden Geschäftsführer nicht in der Lage seien, die notwendige Sanierung der K GmbH durchzuführen. Der Beklagte hielt daraufhin am 05.03.1986 eine Gesellschafterversammlung der K GmbH ab, in der der Beschluß gefaßt wurde, den Kläger und seinen Mitgeschäftsführer L2 als Geschäftsführer abzuberufen.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat die Ansicht vertreten, der Beklagtegemäß Ziffer 1 des notariellen Vertrages von1977 verpflichtet, ihn erneut zum Geschäftsführer der Firma K zu bestellen. Wichtige Gründe für seine Abberufung lägen nicht vor. Diese sei allein auf die Verstimmung des Beklagten darüber zurückzuführen, daß er, der Kläger, von seinem Eintrittsrecht als persönlich haftender Gesellschafter in die F-KG Gebrauch gemacht habe.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">den Beklagten zu verurteilen,</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">als persönlich haftender Gesellschafter der Kommanditgesellschaft F, gegenüber der Q von N2 eine außerordentliche Gesellschafterversammlung der K GmbH mit dem Tagesordnungspunkt "Wiederherstellung des Herrn T als Geschäftsführer“ abzuhalten.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">In der zu 1. genannten Gesellschalterversammlung der K GmbH seine Stimme dahin abzugeben, daß der Kläger mit sofortiger Wirkung wieder zum Geschäftsführer der K GmbH berufen wird.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Er hat die Ansicht vertreten, er sei für das Klagebegehren nicht passivlegitimiert. Zudem sei Stimmrechtsbindung unwirksam. Insbesondere habe die Abberufung des Klägers ein wichtiger Grund vorgelegen. Dazu hat er behauptet, der Kläger sei fähig gewesen, die Gesellschaft zu verwalten und habe sich insbesondere zur Sanierung des Unternehmens unfähig gezeigt. Ein vom Kläger und dem Mitgeschäftsführer am 10.09.1985 vorgelegtes Sanierungskonzept sei nicht tragfähig gewesen, weil danach weiterhin ein Verlust zu verzeichnen gewesen sei. Eine am 04.11.1985 vorgelegte Sanierungsplanung sei erst nach weiterer Überarbeitung am 13.11.1985 vom Aufsichtsrat akzeptiert worden. Als sich die vorgegebenen Plandaten für dieses Sanierungskonzept geändert hätten, habe dies nicht der Kläger, sondern erst der Aufsichtsrat in einer Sitzung am 12.02.1986 bemerkt. Der Kläger sei nicht in der Lage gewesen, daß vorhandene Zahlenmaterial zu erläutern. Am Nachmittag des 18.02.1986 und am 21.02.1986 seien dem Aufssichtsrat neue Sanierungskonzepte vorgelegt worden, die wiederum nicht geeignet gewesen seien, die Verluste auszugleichen, sondern neue Investitionen bei der Muttergesellschaft erfordert hätten.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Durch Urteil vom 28.11.1986 hat die 16. Zivilkammer des Landgerichts Köln der Klage stattgegeben. Das Urteil ist im wesentlichen damit begründet, der Beklagte sei gemäß Ziffer 1 Abs. 2 des notariellen Vertrages vom 23.05.1977 verpflichtet, die Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer der K GmbH zu gewährleisten, solange der Kläger dies wünsche. Das Vorbringen des Beklagten zur Frage eines wichtigen Grundes für die Abberufung sei unsubstantiiert und damit unerheblich.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses ihm am 28.01.1987 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit am 23.02.1987 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt, die er nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit am 23.09.1987 eingegangenem Schriftsatz rechtzeitig begründet hat.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte wiederholt und vertieft im wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen. Er ist der Ansicht, die Klage sei aufgrund fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses schon unzulässig, da ein der Klage stattgebendes Leistungsurteil nicht vollstreckbar sei, und der Kläger gegen den Abberufungsbeschluß der Gesellschafterversammlung im Wege der Anfechtungsklage analog § 243 Abs. 1 AktG habe vorgeben können. Der Beklagte bekräftigt darüber hinaus seine Auffassung, im Hinblick auf die übrigen Gesellschafter der F-KG jedenfalls nicht allein passivlegitimiert zu sein. Desweiteren ist er der Ansicht, der Vertrag vom 23.05.1977 sei nicht wirksam zustandegekommen, da eine entsprechende Stimmrechtsbindung schon in bezug auf die K GmbH unzulässig gewesen sei. Ein Wiederbestellungsanspruch des Klägers scheide im übrigen nach dem Inhalt des Vertrages aus, da dieser die Abberufung als Geschäftsführer uneingeschränkt zu lasse. Jedenfalls aber habe ein wichtiger Grund für die Abberufung des Klägers im Sinne von § 38 Abs. 2  Satz 2 GmbH vorgelgen. Insoweit behauptet der Beklagte über sein bisheriges Vorbringen hinaus, der Kläger verfüge über keine kaufmännische Ausbildung und sei seit 1977 nicht in der Lage gewesen. die laufenden Geschäfte ordnungsgemäß zu erledigen. Er, der Beklagte, habe ihn lediglich aus familiärer Rücksichtnahme erneut zum Geschäftsführer bestellt. Der Kläger sei auch nicht bereit gewesen, Verantwortung im Unternehmen zu tragen. Im Verkehr mit Außenstehenden und Mitarbeitern sei der Kläger nicht in der Lage gewesen, die Unternehmenspolitik zu vertreten und habe dies ebenso wie die Erläuterung der Unternehmenspolitik gegenüber dem Aufsichtsrat weitgehend              seinem Mitgeschäftsführer L2 überlassen. Er sei nicht fähig gewesen, strategische Marketingperspektiven zu entwickeln.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Schließlich fehle dem Kläger das erforderliche betriebswirtschaftliche Verständnis, weshalb er in der Aufsichtsratssitzung am 18.02.1986 nicht in der Lage gewesen sei, die Plandaten des von ihm vorgelegten Sanierungskonzeptes zu erläutern, insbesondere die Unterschiede zu früheren Ansätzen zu begründen.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Einen weiteren wichtigen Grund für die Abberufung des Klägers sieht der Beklagte darin, daß, wie er behauptet, der Aufsichtsrat der K GmbH dem Kläger das Vertrauen entzogen habe. Zudem behauptet er, es hätten tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Aufsichtsrat und dem Kläger bestanden. Schließlich behauptet der Beklagte, die Geschäftsergebnisse der K GmbH hätten seit 1982 erheblich unter dem Branchendurchschnitt gelegen. Auch hierin sieht er einen wichtigen Grund für die Abberufung des Klägers.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Auch er wiederholt und vertieft im wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen. Er behauptet, die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der K GmbH seien nicht auf seine Geschäftsführung, sondern auf eine ungeschickte Geschäftspolitik der Muttergesellschaft, der F-KG, zurückzuführen, auf die er wiederholt hingewiesen habe.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens des Beklagten wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 23.09.1987 sowie auf den Schriftsatz vom 15.01.1988, wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens des Klägers auf die Berufungserwiderungsschrift vom 20.11.1587 sowie die Schriftsätze vom 23.11.1987 (Bl. 370 ff. und Bl. 379 ff.) sowie vom 07.12.1987 in den Akten Bezug genommen. Die von beiden Parteien mit ihren Schriftsätzen zu den Akten gereichten sonstigen Urkunden und Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Entscheidungsgründe</span></p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Die Berufung des Beklagten ist zulässig, sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist zulässig. Das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage entfällt nicht deshalb, weil ein dem Klagenantrag zu 2) stattgegebendes Leistungsurteil nicht vollstreckbar wäre. Das Urteil gegen einen Gesellschafter auf Abgabe einer bestimmten Abstimmungserklärung ist, sofern die zugrundeliegend Verpflichtung als wirksam anzusehen ist, auch vollstreckbar (BGHZ 48, 163 ff.; Hachenburg-Schilling GmbH-Großkommentar, 2. Band, 7. Auflage, § 47, Rn. 33; Scholz-Schmidt, GmbHG, 2. Band, 6. Auflage, § 47 Rn. 52 m. w. N.). Der früher vom Reichsgericht in ständiger Rechtsprechung (RGZ 112, 273 ff.; 160, 257 ff.) und heute noch vereinzelt im Schrifttum (Godin/Wilhelmi, AktG, Band I, 4. Auflage, § 136 Anm. 8; Kölner Kommentar zum AktG  Zöllner, Band I, § 136 Rn. 112 f.) vertretenen gegenteiligen Auffassunng kann nicht gefolgt werden. Das Hauptargument der Vertreter dieser Auffassung, die Vollstreckung einer Stimmrechtsbindung sei mit den Vorschriften über die Willensbildung in der Gesellschalt unvereinbar, vermag nicht zu überzeugen. Denn dieser Gesichtspunkt müßt konsequenterweise dazu führen, daß schon der Stimmrechtsbildung als solcher die Wirksamkeit abzusprechen wäre. Die gesellschaftinterne Willensbildung wird nämlich nicht erst durch die Vollstreckung einer Stimmrechtsbindung berührt, sondern bereits durch die zugrundeliegende Verpflichtung selbst. Die Vorstellung, ein lediglich schuldrechtlich gebundener Gesellschafter werde im Augenblick der Stimmabgabe frei und unbeeinflußt entscheiden, ist allein theoretischer Natur. Wer sich schuldrechtlich bindet, schränkt im Rahmen der eingegangenen Verpflichtung seine Entschließungsfreiheit ein (BGHZ 48, 163 ff., 171), Sieht man eher eine solche Verpflichtung gleichwoh1 als wirksam an (- hierauf wird unten noch näher eingegangen -), so kann diese auch mit der Leistungsklage durchgesetzt und volltreckt werden. Anderenfalls wäre die Verpflichtung für den Gläubiger entwertet und der Schuldner würde zum Vertragsbruch verleitet.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Am Rechtschutzbedürfnis für die Klage fehlt es auch nicht im Hinblick darauf, daß der Kläger unter Umständen gegen den Abberufungbeschluß der Gesellschafterversammlung mit der Anfechtungsklage analog § 243 Abs. 1 AktG vorgehen könnte. Dabei kann dahinstehen, ob für den Kläger eine solche Möglichkeit tatsächlich besteht. Denn die Möglichkeit einer Anfechtungsklage analog § 243 Abs. 1 AktG ließe das Rechtsschutzbedürfnis für die Leistungsklage gegen den Beklagten nicht entfallen. Dieses stünde dem Kläger nämlich jedenfalls wahlweise für die Verfolgung seines Klagebegehrens zur Verfügung, weil die Anfechtungsklage keinen deutlich schnelleren und einfacheren Weg zur Erreichung des Klagezieles darstellt. Die Leistungsklage kann dem tatsächlichen Begehren des Klägers auf Wiedereinsetzung in die Rechtsposition des Geschäftsführers unmittelbar zur Durchsetzung verhelfen, weil die erforderliche Abstimmungserklärung gemäß § 894 ZPO mit Rechtskraft des Urteils fingiert wird (vgl. BGHZ 48, 163 ff., 173). Die darüber hinausgehende rückwirkende Beseitigung des Abberufungsbeschlusses durch das auf eine Anfechtungsklage analog § 243 Abs. 1 AktG ergehend Gestaltungsurtell ist vom Kläger nicht beantragt. Im übrigen ist davon auszugehen, daß dort, wo der Gesetzgeber mehrere Rechtsschutzmöglichkeiten anbietet, grundsätzlich ein gleichberechtigtes Nebeneinander dieser Möglichkeiten gewollt ist (vgl. BGH, NJW 1979, 1508). Dies gilt jedenfalls dann, wenn die zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe wie die gegen die Gesellschaft zu richtende Anfechtungsklage analog § 243 Abs. 1 AktG und die vorliegende Leistungsklage gegen verschiedene Personen zu richten sind.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist auch begründet; denn dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Wiederbestellung zum Geschäftsführer der K GmbH auf der Grundlage von Ziffer 1 Abs. 2 des notariellen Vertrages vom 23.05.1977 (UR. Nr. 2891/1977 des Notars Dr. P in L) in der von den Vertragsparteien 1981 bestätigten Fassung zu.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Die an dem notariellen Vertrag vom 23.05.1977 Beteiliqten haben nach der Umwandlung der K AG in eine GmbH aufgrund des Hauptversammlungbeschlusses vom 10.12.1980 im Jahre 1981 durch schlüssiges Verhalten stillchweigend eine neue Vereinbarung mit dem wesentlichen Inhalt des Vertrages von 1977 geschlossen, nunmehr<sup>.</sup> bezogen auf die Geschäftsführerposition des Klägers in der K GmbH anstelle des bisherigen Vorstandsamtes in der Aktiengesellschaft. Sie<sup>.</sup> waren sich einig, daß die Vereinbarung von 1977 auch in bezug auf die K<sup>.</sup> GmbH Bestand haben sollte, und der Kläger<sup>.</sup> Ist dementsprechend sogleich zum Geschäftsführer der neuen GmbH bestellt worden.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Die Vereinbarung von 1977/1981 begründet die Verpflichtung des Beklagten, für die erneute Bestellung des Klägers zum Geschäftführers zu stimmen. Der Beklagte hat sich nämlich in Ziffer 1 Abs. 2 der Vereinbarung gegenüber dem Kläger<sup>.</sup> verpflichtet, alle zur dauerhaften Gewährleistung der Geschäftsführerposition in der K GmbH notwendige Maßnahmen zu treffen und dabei auch dafür Sorge zu tragen, daß Abberufung nur bei Vorliegen elnes wichtigen Grundes erfolgt. Die ausdrückliche Verpflichtung des Beklagten gemäß Ziffer 1 Abs. 2 der Vereinbarung, auf Wunsch des Klägers dessen Neubestellung "nach Ablauf der Amtszeit" zu gewährleisten, kann nur dahin verstanden werden, daß dem Kläger die Geschäftsführerposition auf unbegrenzte Zeit gewährleitet werden sollte, solange er daran interessiert ist. Das schließt die Möglichkeit einer vorzeitigen Abberufung ohne wichtigen Grund aus. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Regelung in Ziffer<sup>.</sup> 5 Abs. 3 der Vereinbarung. Dabei handelt es sich nämlich nicht um eine spezielle Ausgleichsregelung für den Fall der Abberufung ohne wichtigen Grund, die auf die jederzeitige Abberufbarkeit des Klägers als Geschäftsführer schließen lassen könnte. Der Bestimmung in Ziffer 5 Abs. 3 der Vereinbarung kam eine zeitlich begrenzte Wirkung zu, weil sie ausdrücklich auf die Regelung in Ziffer 5 Abs. 1 bezogen ist. Die Befugnis des Klägers, als persönlich haftender Gesellschafter in die F-KG einzutreten, war gemäß Ziffer 5 Abs. 1 der Vereinbarung nämlich von vornherein lediglich für die Dauer von 5 Jahren vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 23.05.1977 an gerechnet beschränkt.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Die Verpflichtung gemäß Ziffer 1 Abs. 2 der Vereinbarung ist auch wirksam. Etwaige Wirksamkeitsmängel des Vertrages von 1977 unter dem Gesichtspunkt der Kompetenzverteilung innerhalb der Aktiengesellschaft können dabei von vornherein außer Betracht bleiben. Sie würden die Wirksamkeit der Verpflichtung in jedem Falle unberührt lassen, weil im Jahre 1981 für die K GmbH eine neue Vereinbarung getroffen wurde. Dies ist auch nicht etwa gemäß § 125 BGB nichtig; denn der Einhaltung bestimmter Formerfordernisse bedurfte es insoweit nicht (vgl. BGH, ZIP 1983, 432 f.; Scholz-Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 33). Der Wirksamkeit der Verpflichtung steht insbesondere nicht entgegen, daß sie eine Stimmrechtsbindung beinhaltete. Die Beteiligten der Vereinbarung von 1977/1981 haben sich gemäß Ziffer 1 Abs. 2 gegenüber dem Kläger und untereinander verpflichtet, ihr Stimmrecht zugunsten der Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer auszuüben und nicht für seine Abberufung ohne wichtigen Grund zu stimmen. Die Wirksamkeit dieser Stimmrechtsbindung gegenüber einem Geschäftsführer begegnet weder im Hinblick auf die Regelung des § 47 Abs. 4 S. 2 GmbHG noch in bezug auf die Bestimmung der §§ 136 Abs. 1 AktG Bedenken.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Die Abstimmungsverpflichtung führt nicht zu einer Umgehung des in § 47 Abs. 4 S. 2 GmbHG niedergelegten Abstimmungsverbotes, weil der Geschäftsführer beim Beschluß der Gesellschafterversammlung über seine Bestellung wie beim Beschluß über die Abberufung ohne wichtigen Grund nicht vom Stimmrecht ausgeschlossen ist (vgl. Hachenburg-Schilling, GmbHG, § 47 Rn. 48; Meyer-Landrut-Miller, GmbHG, §§ 35 - 38 Rn. 108). Das Stimmbindungsverbot gemäß § 136 Abs. 2 AktG ist auf das GmbH-Recht nicht entsprechend anwendbar. Die mit der "Systemwidrigkeit" vom Geschäftsführereinflüssen auf die Willensbildung der Gesellschafterversammlung begründete Gegenmeinung (Rowedder/Fuhrmann-Koppensteiner, GmbHG, § 47 Rn.) vermag nicht zu überzeugen. Eine solche "Systemwidrigkeit" ist jedenfalls in einer wie vorliegend eher personalistisch ausgestalteten GmbH nicht erkennbar, weil das Verhältnis zwischen Gesellschafterversammlung und Geschäftsführung nicht von einer strengen Trennung der Kompetenzen geprägt wird, wie sie im Aktienrecht für das Verhältnis zwischen den einzelnen Gesellschaftsorganen typisch ist (HachenburgSchilling, GmbHG, § 47 Rn. 29; Scholz-Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 39).</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Gegen die Wirksamkeit der Stimmrechtsvereinbarung bestehen auch unter dem Gesichtspunkt eines etwaigen Verstoßes gegen wesentliche Prinzipien des GmbH-Rechts keine Bedenken. Die Vereinbarung beinhaltet keine unzulässige Einflußnahme von Nichtgesellschaftern auf die Willensbildung in der K GmbH, wie für vergleichbare Fälle zum Teil im Schrifttum befürchtet wird (vgl. Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Band 1,</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Erster Teil: Die Personengesellschaft, § 14 IV, S. 229 f.). Daß der Beklagte sich als Komplementär der Alleingesellschafterin der GmbH gegenüber dem Kläger und den übrigen Gesellschaftern der F KG, die sämtlich nicht Gesellschafter der GmbH waren, für die Wahl des Geschäftsführers auf die Person des Klägers festgelegt hat, beruhte nämlich auf seinem freien Entschluß (vgl. hierzu auch: Schlegelberger-Gessler, Kommentar zum HGB, 2. Band, 4. Aufl., § 105 Rn. 27; Hachenberg-Ulmer, GmbHG, 1. Band, § 2 Rn. 65; Scholz-Schmidt, GmbHG, 1. Band, § 35 Rn. 157; Vogel, Gesellschafterbeschlüsse und Gesellschafterversammlung, 2. Auflage, S. 66). Auch die freie Willensbildung in der Gesellschafterversammlung selbst ist durch die Stimmrechtsbindung des Beklagten nicht in unzulässiger Weise eingeschränkt worden. Die insoweit vom Beklagten unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts (RGZ 131, 179 ff.) geäußerten Bedenken sind nicht stichhaltig. Es gibt im GmbH-Recht keinen Grundsatz, daß die Gesellschafter allein aufgrund der Erörterungen in der Gesellschafterversammlung zu einer Entscheidung gelangen müßten und sich nicht schon vorher in ihrer Entschließung festgelegt haben dürften. Die Anerkennung eines solchen Grundsatzes würde den komplexen Entscheidungsgegenständen der Gesellschafterversammlung nicht gerecht und ließe insbesondere außer Acht, daß eine vorherige Planung und Abstimmung wirtschaftlich gravierender Entscheidungen ebenso wie Festlegung einer längerfristigen Personalplanung aus Gründen der Kontinuität gerade im Interesse der Gesellschaft zugelassen werden muß (vgl. BGHZ 48, 163 ff., 171; Hachenburg-Schilling, GmbHG, § 47. Rn. 26; Roth, GmbHG, 2. Aufl., § 47 Anm. 4.3; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 21 II 4).</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Die Wirksamkeit der Stimmbindungsvereinbarung begegnet auch im Hinblick auf die Regelung des § 30 GmbHG keinen Bedenken. Der Hinweis des § 38 Abs. 2 GmbHG auf die Einschränkbarkeit der freien Abberufung des Geschäftsführers durch eine entsprechende Satzungsbestimmung schließt die Zulässigkeit einer schuldrechtlichen Verpflichtung der vorliegenden Art nicht aus. Denn hierbei handelt es sich nicht um eine Vereinbarung über die Abberufbarkeit des Geschäftsführers durch das zuständige Organ der K GmbH, sondern lediglich um eine Verpflichtung des Beklagten persönlich, nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Abberufung des Klägers zu stimmen (vgl. insoweit BGH ZIP 1983, 432 f). Die Abstimmungsverpflichtung des Beklagten erscheint selbst dann unbedenklich, wenn man unterstellt, daß durch § 38 Abs. 1 GmbHG ein Recht des zuständigen Gesellschaftsorgans auf jederzeige Abberufung des Geschäftsführers institutionalisiert worden ist (so Fischer-Lutter-Hommelhoff, GmbHG, 12. Aufl., § 38 Rn. 12); denn ein Eingriff in die Kompetenz des Abberufungsorgans wird durch die vorliegende Vereinbarung nicht bewirkt. Zuständiges Abberufungsorgan der K GmbH ist nämlich entsprechend dem Regelfall des § 46 Ziffer 5 GmbHG die Gesellschafterversammlung und in dieser gibt nur der Beklagte als Komplementär der Alleingesellschafterin eine Stimme ab (vgl. im Ergebnis: BGH ZIP 1983, 432 f.; Fischer-Lutter-Hommelhoff a.a.O., Rn. 12; Baumbach-Hueck-Zöllner, GmbHG, 14. Auflage, § 38 Rn. 11).</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Die Beschränkung der Abberufbarkeit ist auch nichtetwa für Fremdgeschäftsführer generell unzulässig</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">(so Schönle/Ensslin, GmbHR 1969, 103, 104 f.). Ein entsprechender Grundsatz läßt sich weder dem Wortlaut des § 38 GmbHG entnehmen, noch wäre er sachlich gerechtfertigt. Denn im Interesse der Kontinuität der Geschäftsführung kann gerade für die Festigung der Position eines Fremdgeschäftsführers ein Bedürfnis bestehen, um diesen enger an die Gesellschaft zu binden (vgl. Baumbach-Hueck-Zöllner, a.a.O., § 38 Rn. 5 a, 11; § 47 Rn. 77).</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Die Verpflichtung gemäß Ziffer 1 Abs. 2 der Vereinbarung von 1977/1981 ist weiterhin erfüllbar. Es handelt sich nämlich um eine Dauerverpflichtung, die auch noch nach einer unberechtigten Abberufung des Klägers als Geschäftsführer durch Wiederbestellung erfüllt werden kann (vgl. BGHZ 48, 163 ff., 172; Peters, AcP 156, 311 ff., 329). Die Erfüllung ist dem Beklagten auch nicht subjektiv unmöglich, weil er in bezug auf das Stimmrecht der F-KG gebunden ist. Das Stimmrecht der KG wird allein vom Beklagten als Komplementär und Geschäftsführer ausgeübt. Ein Verstoß gegen die Treuepflicht gegenüber den übrigen Gesellschaftern der KG, der dem Beklagten die Erfüllung der Stimmbindungsvereinbarung unmöglich machen könnte, ist nicht ersichtlich, weil die Kommanditisten sich in gleicher Weise wie der Beklagte gegenüber dem Kläger verpflichtet hatten. Daß diese gegen die streitgegenständliche Wiederbestellung des Klägers zum Geschäftsführer Einwände erhoben hätten, ist im übrigen vom Beklagten nicht substantiiert vorgetragen.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Die Verpflichtung des Beklagten entfällt auch nicht im Hinblick darauf, daß sie wegen der insoweit zwingenden Bestimmung des § 38 GmbHG unter dem Vorbehalt eines wichtigen Grundes für die Abberufung steht. Das Vorbringen des Beklagten zum Vorliegen eines wichtigen Grundes ist im Ergebnis unzureichend.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Es läßt sich zunächst nicht erkennen, daß der Kläger im Sinne von § 38 Abs. 2 Satz 2 GmbHG zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung unfähig wäre. Das vom Beklagten behauptete Fehlen einer kaufmännischen Ausbildung hat den Kläger offensichtlich nicht gehindert, die Aufgaben eines Geschäftsführers ordnungsgemäß wahrzunehmen; denn er ist im Jahre 1982 nach fünfjähriger leitender Tätigkeit in der Gesellschaft in seinem Amt bestätigt worden. Daß dies der behaupteten Unfähigkeit des Klägers zum Trotz allein aus familiärer Rücksichtnahme geschehen sein sollte, vermag nicht zu überzeugen. Es widerspricht der Lebenserfahrung, daß der Beklagte aus familiären Gründen die Verantwortung auf sich genommen hätte, jemanden erneut zum Geschäftsführer zu bestellen, der nicht einmal in der Lage war, die laufenden Geschäfte ordnungsgemäß zu erledigen. Im übrigen kannte der Beklagte den Kläger, seinen Vetter, als er die notarielle Vereinbarung im Jahre 1977 abschloß. Der Kläger war damals bereits für die F-KG tätig gewesen. Die Erfahrungen, die der Beklagte damals mit dem Kläger gemacht hatte, hinderten ihn jedenfalls nicht, die notarielle Vereinbarung zu schließen.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat auch nicht nachvollziehbar darge legt, daß es dem Kläger an Verantwortungsbereitschaft, Durchsetzungsvermögen und der Fähigkeit gefehlt hätte, strategische Marketingperspektiven zu entwickeln. Bereits die langjährige Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer belegt seine Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung. Inwieweit die Übernahme des Vertriebsresors mit einem größeren Maß an Verantwortung verbunden gewesen wäre, läßt sich dem Vortrag des Beklagten nicht entnehmen. Daß der Kläger<sup>-</sup> es dem Mitgeschäftsführer L2 überlassen hat, gegenüber dem Aufsichtsrat als Sprecher der Geschäftsführung aufzutreten, ist kein hinreichendes Indiz für eine Unfähigkeit, die Unternehmenspolitik zu vertreten und durchzusetzen. Es erscheint naheliegend, daß regelmäßig nur einer von zwei Geschäftsführern die Sprecherfunktion ausübt. Der Beklagte hat nicht vorgetragen, daß der Kläger sich etwa geweigert hätte, dies zu tun. Der Mitgeschäftsführer L2 war lebensälter, so daß es schon von daher nahelag, ihm den Vortritt zu lassen. Eine Beurteilung der Fähigkeit des Klägers zur Entwicklung strategischer Marketingperspektiven ist anhand des Beklagtenvorbringens nicht möglich, weil der Beklagte keine Angaben im einzelnen über die Rahmenbedingungen macht, die dem Kläger zur Verwirklichung der Vorschläge des Aufsichtsrates gestellt waren.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Das vom Beklagten behauptete Versagen des Klägers in der Aufsichtsratssitzung am 18.02.1986 läßt nicht mit hinreichender Sicherheit auf ein mangelndes betriebswirtschaftliches Verständnisschließen; denn es ist nicht einmal hinreichend dargetan, daß der Kläger mit dem Zahlenmaterial, welches er erläutern sollte, genügend vertraut war. Es besteht nämlich Anlaß zu der Vermutung, daß der Kläger sich nicht intensiv mit dem Zahlenmaterial beschäftigt hatte, weil er nicht damit rechnete, dazu in der Aufsichtsratssitzung Stellung nehmen zu müssen. Es war üblicherweise dem Mitgeschäftsführer L2 überlassen, die Unternehmenspolitik gegenüber dem Aufsichtsrat darzustellen und zu erläutern. Daß der Kläger gleichwohl ausnahmsweise damit rechnete, die Plandaten in der Aufsichtsratssitzung selbst erläutern zu müssen, weil gerade er sich gegenüber<sup>.</sup> dem Aufsichtsrat für die Richtigkeit der Berechnungen zu verantworten hatte, könnte allenfalls angenommen werden, wenn er aufgrund der Geschäftsverteilung innerhalb der Geschäftsführung speziell für betriebswirtschaftliche Detailfragen zuständig war. Dazu läßt sich dem Vortrag des für diesen Ausnahmefall darlegungspflichtigen Beklagten aber nichts entnehmen.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat ebensowenig substantiiert dargelegt, daß der Kläger sich den mit der Sanierung der K GmbH verbundenen gesteigerten Anforderungen an seine Tätigkeit nicht gewachsen gezeigt hätte. Hiergegen spricht vielmehr in bezug auf das Sanierungsprojekt Q I, daß der Kläger, wie der Beklagte selbst einräumt, im Zeitpunkt der Vorlage dieser Planung noch über Akquisitionsprojekte verhandelte, die die noch verbleibenden Verluste ausgleichen sollten. Dem Projekt Q II hat sogar der Aufsichtsrat im wesentlichen zugestimmt. Das bedeutet gleichzeitig, daß die negative Entwicklung der zugrundeliegenden Plandaten offenbar nicht vorhersehbar war. Es ist auch nicht zu erkennen, daß der Kläger diese Entwicklung zu spät bemerkt hätte. Bei Erstellung des ersten Vollzugsberichts zum Projekt Q II vom 30.01.1986, in welchem darauf nicht hingewiesen wird, kann dem Kläger nämlich aus zeitlichen Gründen noch keine vollständige Auswertung der neuen Planergebnisse vorgelegen haben. Denn jedenfalls das endgültige Betriebsergebnis der T3 GmbH für 1985, aus dem die Verschlechterung der Plandaten nach Darstellung des Beklagten unter anderem hervorging, mußte Anfang Januar dort erst in einem zeitaufwendingen Prüfungsvorgang erstellt</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">werden, bevor es der K GmbH zu deren Auswertung übermittelt werden konnte. Die fehlende Eignung des am Nachmittag des 18.02.1986 vorgelegten Sanierungskonzeptes ist nach der<sup>.</sup> Lebenserfahrung in erster Linie darauf zurückzuführen, daß für die Ausarbeitung nur wenig Zeit zur Verfügung stand. Soweit der Kläger demgegenüber bei der Erstellung des weiteren Sanierungskonzepts vom 21.02.1986 versagt haben sollte, vermag dies allein gleichwohl nicht die Beurteilung zu rechtfertigen, er sei zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung unfähig. Denn angesichts der langjährigen Geschäftsführertätigkeit des Klägers, während der es offenbar nicht zu nennenswerten Fehlleistungen gekommen ist, wäre das einmalige Versagen bei der<sup>.</sup> Erarbeitung eines von mehreren Sanierungskonzepten für die Abberufung als Geschäftsführer kein ausreichend "wichtiger Grund" (vgl. insoweit Meyer-Landrut-Miller, a.a.O.,§§ 35 - 38 Rn. 119, 121 m. w. N.).</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Auch die vom Beklagten vorgetragenen Gründe außerhalb der Person des Klägers vermögen eine Abberufung aus wichtigem Grund nicht zu rechtfertigen. Dem Gesichtspunkt des Vertrauensentzuges durch die Gesellschafterversammlung kommt vorliegend keine Bedeutung zu. Insoweit sind sowohl die Rechtsauffassung des Beklagten zur analogen Anwendbarkeit des § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG als auch sein Hinweis auf allgemeine Zumutbarkeitserwägungen unbeachtlich. Die Anerkennung des bloßen Vertrauensverlustes der Gesellschafterversammlung liefe nämlich auf die Zulassung der freien Abberufbarkeit des Klägers durch den Beklagten hinaus, weil die Meinung der Gesellschafterversammlung in der K GmbH allein durch den Beklagten als Vertreter der Alleingesellschafterin repräsentiert wird (vgl. insoweit Mertens, Das Recht des Geschäftsführers der GmbH, § 38 Rn. 52; Rowedder-Fuhrmann-Koppensteiner, a.a.O. , § 38 Rn. 13). Der Vertrauensverlust ist auch nicht erkennbar durch berechtigte Zweifel gegen die Ordnungsgemäßheit der Geschäftsführung gerechtfertigt, weil ein ein-maliges Versagen des Klägers bei der Sanierungsplanung derartige Zweifel nicht rechtfertigen kann.</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Das Bestehen tiefgreifender Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Aufsichtsrat und dem Kläger kann ebensowenig als wichtiger Grund für die Abberufung des Klägers anerkannt werden. Zum einen sind die Mietglieder des Aufsichtsrates weisungsgebundene Angestellte bwz. Mitarbeiter der F-KG, also ihrerseits vom Votum des Beklagten abhängig. Der Beklagte hätte es in der Hand, über die von ihm abhängigen Aufsichtsratsmitglieder dennoch sein Ziel einer freien Abberufbarkeit des Klägers entgegen dem Vertrag von 1977/1981 zu erreichen. Zum anderen sind Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Aufsichtsrat und der Geschäfsführung aufgrund der Kontrollfunktion des Aufsichtsrates gegenüber den Geschäftsführern gemäß § 52 Abs. 1 GmbHG in Verbindung mit § 111 Abs. 1 AktG nicht ungewöhnlich, und eine konfliktfreie Zusammenarbeit zwischen diesen Organen ist auch nicht zur Gewährleistung einer einheitlichen Linie der Unternehmenspolitik erforderlich, weil die Unternehmenspolitik nicht vom Aufsichtsrat, sondern von der Gesellschafterversammlung bestimmt wird.</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Schließlich kann ein wichtiger Grund für die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer nicht darin gesehen werden, daß die objektiven Geschäftsergebnisse der K GmbH seit 1982 erheblich unter dem Branchendurchschnitt gelegen haben</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">sollen. Denn vorliegend läßt die fehlende branchenmäßige Erklärbarkeit der schlechten Geschäftslage, jedenfalls nicht, wie teilweise als Regel fall angenommen wird (vgl. Scholz-Schneider a.a.O.; Rn. 51), auf die mangelnde Eignung des Klägers als Geschäftsführer schließen. Es bestehen nämlich Anhaltspunkte dafür, daß andere, äußere Einflüsse für die Verluste verantwortlich sind (vgl. dazu Mertens a.a.O., Rn. 51). Der Beklagte trägt selbst vor, daß die schlechten Betriebsergebnisse seit 1983 entscheidend auf die aggressive Geschäftspolitk der Firmengruppe M zurückzuführen waren. Er hätte dann erheblich substantiierter darlegen müssen, worin die Fehlentscheidungen des Klägers im einzelnen lagen, wann diese Fehlentscheidungen deutlich wurden und welche konkreten Auswirkungen auf das Unternehmen sie im einzelnen hatten. Der Vortrag des Beklagten insoweit ist viel zu allgemein, als daß er einer Beweisaufnahme zugänglich wäre. Die substantiierten Vorgänge im einzelnen erst von den Zeugen zu erfragen, liefe auf eine unzulässig Ausforschung hinaus.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Die nach § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzende Beschwer des Beklagten entspricht, dem Wert seines Unterliegens im Rechtsstreit.</p>
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315,389 | lagk-1988-03-07-6-sa-124787 | {
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"name": "Landesarbeitsgericht Köln",
"slug": "lagk",
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"jurisdiction": "Arbeitsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 6 Sa 1247/87 | 1988-03-07T00:00:00 | 2019-03-13T14:54:25 | 2019-03-27T09:43:15 | Urteil | ECLI:DE:LAGK:1988:0307.6SA1247.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<h3>Die Berufung der Klägerin gegen das am 11. November 1987 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Bonn – 4 Ca 2165/87 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.</h3>
<h3> </h3>
<h3>Streitwert: unverändert.</h3><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">T a t b e s t a n d</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte ist am                            geboren. Sie war vom 1.9.85 bis zum 6.7.1 987 als Auszubildende für d en Beruf der Bürokauffrau bei der Klägerin beschäftigt. A m 1 9.1 0.1 985 trafen die Parteien folgend e Vereinbarung:</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Aus betrieblich organisatorischen G ründen ist es erforderlich, daß die Mitarbeiterin der Firma W              GmbH einen Führerschein der Klasse 3 besitzen, da gelegentlich Objekte und K und en aufgesucht werden müssen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Firma W              GmbH hat sich dazu bereit erklärt, alle Kosten , die beim Erwerb des Führerscheins d er Klasse 3 anfallen, zu übernehmen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Sollte die Auszubildende K              Y              die Firma im 1. Jahr nach Beendigung d er Ausbildungszeit verlassen oder sollte da s Arbeitsverhältnis v on seiten d er Firma beendet werden, ist sie verpflichtet, die gesamten Führerscheinkosten an die Firma zurückzuzahlen ; verläßt sie die Firma im 2. Jahr nach Beendigung der Ausbildungszeit, so muß sie 2/3 der Führerscheinkosten zurückzahlen ; verläßt sie die Firma im 3. Jahr nach Beendigung der Ausbildungszeit, m u ß sie 1 /3 der Führer schein kosten an die Firm a zurückzahlen . Im 4. Jahr nach Beendigung d er Ausbildungszeit erlischt die Rückzahlungspflicht.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Nachdem die Beklagte 1987 d en ihr angebotenen Abschluß eines Arbeitsvertrages mit der Klägerin abgelehnt hatte , nimmt die Klägerin sie unter Hinweis auf die Vereinbarung vom 19.10.85 auf Rückzahlung der Führerscheinkosten im unstreitigen Betrag v on DM 1.256,53 in Anspruch.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Sie hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an sie DM 1.256,53</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">nebst 9,5 % Zinsen seit dem 1 .9.1 987 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantrag t,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">die Klägerin mit d er Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Vereinbarung sei gemäß § 5 BBilG nichtig.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Das Arbeitsgericht Bonn hat die Klage mit Urteil vom 11.11.1987 abgewiesen. Es hat in der Vereinbarung vom 19.1 o.85 einen Verstoß gegen § 5 BBiG gesehen. Die Vorschrift führe dazu, daß alle Vereinbarungen, die den Auszubildenden in seiner Entschlußfreiheit im Hinblick auf die künftige berufliche Entwicklung behinderten, nichtig seien.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin, der das arbeitsgerichtliche Urteil am 20.11.1987 zugestellt worden ist, hat am 27.11.1987 Berufung eingelegt, die sie am 23.12.1987 begründet hat.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Sie tritt im zweiten Rechtszug d en Ausführungen des Arbeitsgerichts unter Hinweis darauf entgegen, daß die Kosten des Führerscheins bei der Beklagten ohnehin im privaten Bereich angefallen wären. Es gehe nicht an, der Klägerin die Rückforderung der Kosten zu versagen, die die Beklagte auf jeden Fall hätte trag en müssen. Zum Inhalt der Ausbildung, die die Beklagte absolviert habe, habe auch nicht unbedingt die Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen gehört.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Bonn vom 11.11.1987 - 4 Ca 21 65/87 - zu verurteilen, an die Klägerin DM 1.256,53 nebst 9,5 % Zinsen seit dem 1.9.1987. zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">die Berufung der Klägerin vom 25.11.1987, eingegangen am 27.11.1987, kostenpflichtig zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Sie erwidert: Die Klägerin habe der Beklagten bereits ·bei Abschluß des Ausbildungsvertrages zu verstehen gegeben,, daß sie auch für die Ausbildungszeit d en Führerschein erwerben müsse, um mobil zu sein. So habe die Beklagte dann auch im Firmenwagen die im Umkreis von B              gelegenen Objekte aufsuchen und auf diese Weise quasi als Verbindung zwischen Büro und Arbeitsplatz fungieren müssen. § 5 BBiG führe dazu, daß alle Abreden unwirksam seien, durch die d er Auszubildende rechtlich oder praktisch an seinen bisherigen Betrieb gebunden werde. Darüber hinaus habe die Klägerin die Beklagte durch die Vereinbarung vom 1910.1985 in unzulässiger Weise in ihrer Vertragsfreiheit und ihrem sich aus Art. 12 GG ergebenden Grundrecht der freien Berufswahl beeinträchtigt.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Weg en des Vorbringens der Parteien im übrigen wird auf ihre mündlich vorgetragenen Schriftsätze v erwiesen. Auf den Inhalt der Akten wird Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Berufung der Klägerin ist nach §  64 ArbGG statthaft. Sie ist auch in der richtigen Form und Frist eingelegt und begründet worden und damit zulässig.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Mit zutreffender Begründung, der das Berufungsgericht bei tritt, hat das Arbeitsgericht dargelegt, daß die Vereinbarung vom 19.10.1995, in der die Beklagte sich zur Erstattung der Führerscheinkosten verpflichtete, wegen Verstoßes gegen § 5 Abs. 1 BBiG nichtig ist. Nach diesen Bestimmungen sind Vereinbarungen, die den Auszubildenden für die Zeit nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses in der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit beschränken nichtig.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Daraus ergibt sich, d aß vertragliche Regelungen, die seine berufliche und persönliche Entscheidungsfreiheit einengen, keinen Bestand haben. Dazu gehören, wie das Arbeitsgericht unter Hinweis auf Gedon-Spiertz (Berufsbildungsrecht, § 5 Anm. 3) zu Recht ausgeführt hat, alle Vereinbarungen, die für die Entscheidungsfreiheit des Auszubildenden im Hinblick auf seine berufliche Entwicklung von Bedeutung sind und sie in irgendeiner Weise einengen. Dem Auszubildenden soll die Freiheit uneingeschränkt erhalten bleiben, seine erlernten Fähigkeiten und Kenntnisse nach eigenem Ermessen frei zu verwerten (Natzel, Berufsbildungsrecht, 3. Aufl. 1982, S. 148). So ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß Rückzahlungsklauseln, die der Arbeitgeber mit dem Auszubildenden in Zusammenhang mit Weihnachtsgratifikationen vereinbart, nichtig sind, weil sie die Freiheit des Auszubildenden, sich nach eigenem Ermessen zwischen seinem Verbleiben im Ausbildungsbetrieb und einer anderweitigen beruflichen Tätigkeit zu entscheiden, beeinträchtigen (Nachweise der Rechtsprechung bei Gedon-Spiertz aaO). Eine solche nach § 5 Abs. 1 BBiG unstatthafte Bindung der Beklagten an den Ausbildungsbetrieb trat, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, auch durch die von der Beklagten übernommene Verpflichtung ein, die Führerscheinkosten ganz oder anteilig zu erstatten, wenn sie die Klägerin innerhalb von 3 Jahren nach Beendigung der Ausbildungszeit verließ. Kann die Beklagte die Erstattungspflicht vermeiden, indem sie nach Abschluß ihrer Berufsausbildung noch innerhalb einer bestimmten Zeit ein Arbeitsverhältnis mit der Klägerin aufrechterhält, so führt dies zu einer Beeinträchtigung ihrer Freiheit, selbst unbeeinflußt von wirtschaftlichem Druck über ihren beruflichen Weg zu entscheiden. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß die Beklagte, wie die Klägerin vermutet, den Führerschein ohnehin erworben und dieselben Kosten damit auch ohne die Erstattungsvereinbarung im privaten Bereich der Beklagten angefallen wären. Weil die Klägerin die Frage, ob die Beklagte diese Kosten selbst tragen muß oder nicht, von dem Verweilen bei der Klägerin abhängig machte, unter war f sie die Beklagte mittelbar einer nach §  5 Abs. 1 BBiG unzulässigen Bleibeverpflichtung.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Auch der Hinweis der Klägerin auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25.4.1984 (DB 1985, S. 51) führt nicht weiter. Dort hat das Bundesarbeitsgericht angenommen, daß eine Vereinbarung, nach der der Auszubildende die Kosten einer notwendigen Fahrausbildung zu tragen hat, nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 BBilG nichtig ist. Im Streitfall gehört der Erwerb der Fahrerlaubnis unstreitig nicht zur Berufsausbildung der Beklagte; für eine solche Fallgestaltung – wie sie dem Bundesarbeitsgericht nicht vorlag – ergibt sich die Nichtigkeit der mit einem Verbleiben im Betrieb verbundenen Kostenvereinbarung aus § 5 Abs. 1 BBiG.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72 a ArbGG als Rechtsbehelf beim Bundesarbeitsgericht in Kassel wird hingewiesen.</p>
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} | 17 O 180/86 | 1988-03-01T00:00:00 | 2019-03-13T14:54:26 | 2019-03-27T09:43:15 | Urteil | ECLI:DE:LGBN:1988:0301.17O180.86.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.999,90 DM nebst 7 % Zinsen hieraus seit dem 20.05.1986 zu zahlen.</p><p>Im übrigen wird die Klage abgewiesen.</p><p>Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 97 % und die Beklagte zu 3 %.</p><p>Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung von 8.700,-- DM und für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 8.750,-- DM vorläufig vollstreckbar.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Tatbestand</span></p><span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Zwischen den Parteien besteht ein Gebäudeversicherungsvertrag (Gebäudeversicherung zum gleitenden Neuwert) für das Gebäude I2 ##, #### L2 ##. Der Versicherungswert dieses Gebäudes ist in dem Vertrag mit 40.000,-- DM zuzüglich 3 % Aufschlag zur Abdeckung des Unterversicherungsrisikos, insgesamt mithin 41.200,-- DM vorgesehen.</p><span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin nimmt die Beklagte aus diesem Vertrag wegen eines Brandschadens an dem genannten Haus vom 11.6.1985 in Anspruch, wobei sie Zahlung an die T3 C als Zessionarin der Entschädigungsforderung begehrt.</p><span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin über die bereits erfolgen Zahlungen der Beklagten hinaus Zahlungsansprüche zustehen. Insbesondere streiten die Parteien darüber, ob das genannte Gebäude unterversichert war und welche Auswirkungen eine etwaige Unterversicherung auf den Zahlungsanspruch der Klägerin hat. Außerdem sind die Parteien unterschiedlicher Auffassung darüber, zu welchem Zeitraum Mietausfall ersetzt werden muss, und darüber, ob die Beklagte ihre bisherigen Zahlungen verzögerlich vorgenommen hat, wodurch der Klägerin ein möglicherweise von der Beklagten zu verantwortender und ersetzender Schaden entstanden sein könnte.</p><span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Nachdem die Klägerin der Beklagten am 11.06.1985 den Brandschaden angezeigt hatte, wurde am 12.7.1985 von der Beklagten der Architekt W mit der Erstellung eines Gutachtens über die Schadenshöhe beauftragt. Ebenfalls am 12.7.1985 beauftragte die Klägerin den Architekten I3 mit der Feststellung über den Schaden und der Bezifferung des Leistungsanspruches gegen die Beklagte.</p><span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Ernennung der Architekten I3 und W als Sachverständige für die Klägerin bzw. die Beklagte wurde in einem Schriftstück mit der Bezeichnung „Sachverständigen- und Obmannernennung“ von den Parteien sowie den beiden Sachverständigen am 16.08.1985 schriftlich fixiert.</p><span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Am 26.11.1985 erstellte der Sachverständige W sein Gutachten; dieses zeichnete der Architekt I3 am 16.12.1985 gegen.</p><span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Das Gutachten stellt im wesentlichen folgende Werte fest:</p><span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Schaden zum Neuwert:              488.428,-- DM</p><span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Schadensminderungskosten:                3.973,-- DM</p><span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Mietausfallkosten:                9.360,-- DM</p><span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Abbruch- u. Aufräumkosten:                9.576,-- DM</p><span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Einbauküche:              18.240,-- DM</p><span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Versicherungswert zum Neuwert (Index am Schadenstag 1.400,--DM) 60.959 MK</p><span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Bei der Berechnung der Versicherungswerte zum Neuwert wird im Gutachten ein Wert von 36 MK/cbm angesetzt.</p><span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin akzeptierte den in den Gutachten enthaltenen Ansatz von 36 MK/qbm und das sich daraus ergebende Maß der Unterversicherung von 41.200 zu 60.959 nicht.</p><span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Sie beauftragte den Architekten I4 mit der Erstellung eines Vergleichsgutachtens. Dieser hält in seinem Gutachten den Ansatz von 28 MK/cbm für angemessen und errechnet auf dieser Basis einen Versicherungswert zum Neuwert von 47.412 MK, woraus sich ein Maß der Unterversicherung von 41.200 zu 47.412 ergibt.</p><span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Im Rahmen der schriftlichen Auseinandersetzungen der Parteien über die in dem Gutachten der Sachverständigen W/I3 enthaltenen Werte legte die Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 24.2.1986 das Vergleichsgutachten des Architekten I4 mit der Bitte um Mitteilung vor, ob sie auf dieser Grundlage zur Abrechnung bereit sei. Mit Schreiben vom 26.2.1986 setzte die Klägerin zur Zahlung des unstreitigen Betrags und für die Stellungnahme zu ihrer Mehrforderung Frist bis zum 5.3.1986. Mit Schreiben vom 20.3.1986 teilte die Beklagte der Klägerin abschließend mit, daß sie die Berechnung der Klägerin zu zahlenden Entschädigungssumme auf der Basis des Gutachtens W/I3 vornehme.</p><span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte zahlte bisher an die Klägerin insgesamt 365.876,23 DM als Entschädigung. Diese Zahlung erfolgte in fünf Teilbeträgen, nämlich 200.000,-- DM im September 1985, 100.000,-- DM im Januar 1986, 37.000,-- DM sowie weitere 9.360,-- DM im März 1986 sowie spätestens am 4.4.1986 19.516,23 DM (14.666,-- DM zuzüglich eines Zinsbetrages von 4.850,23 DM).</p><span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Zahlungen der Beklagten an die Klägerin beruhen auf folgendem Abrechnungsmodus:</p><span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Gebäude Neuwert:              488.428,-- DM</p><span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Schadensminderungskosten:                3.973,-- DM</p><span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Einbauküche:              18.240,-- DM</p><span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Mietausfall:                <span style="text-decoration:underline">9.360,-- DM</span></p><span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">              520.001,-- DM</p><span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">reduziert um das sich aus dem Gutachten W/I3 ergebende Maß der Unterversicherung (41.200:60.959) auf 351.450,-- DM.</p><span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">zuzüglich</p><span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Abbruchkosten                9.576,-- DM</p><span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Zinsen                <span style="text-decoration:underline">4.850,23 DM</span></p><span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">              365.876,23 DM</p><span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin begehrt über den gezahlten Betrag hinaus Zahlung weiterer 248.708,11 DM; diese Forderung berechnet die Klägerin wie folgt:</p><span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Gebäude Neuwert              488.428,-- DM</p><span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Schadenminderungskosten                3.973,-- DM</p><span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Einbauküche              18.240,-- DM</p><span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Mietausfall              74.160,-- DM</p><span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Abbruchkosten              16.800,-- DM</p><span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Zinsen              <span style="text-decoration:underline">12.983,34 DM</span></p><span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">              614.584,34 DM</p><span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">abzüglich des bereits gezahlten</p><span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Betrages von              <span style="text-decoration:underline">365.876,23 DM</span></p><span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">              248.708,11 DM</p><span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin behauptet, daß die Feststellungen im Gutachten W/ I3 zum Ausmaß der Unterversicherung offensichtlich unzutreffend seien, was zur Unverbindlichkeit des Gutachtens insoweit führe. Der für das Maß der Unterversicherung entscheidende Ansatz von 36 MK/cbm sei überzogen und unrealistisch. Angemessen sei der Ansatz von 28 MK/cbm, woraus sich ein Maß der Unterversicherung von 41.200 : 47.412 ergebe.</p><span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Im übrigen ist die Klägerin der Auffassung, daß eine etwaige Unterversicherung keinen Einfluss auf ihren Zahlungsanspruch gegen die Beklagte habe, weil die Festlegung des Versicherungswertes und die damit verbundene etwaige Unterversicherung auf einem der Beklagten zurechenbaren Beratungsfehler des Zeugen T beruhe. Die Beklagte schulde deshalb der Klägerin Schadensersatz in der Weise, daß die Beklagte die Klägerin so stellen müsse, als läge keine Unterversicherung vor.</p><span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Dazu ist folgendes unstreitig:</p><span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Der hier in Rede stehende Versicherungsvertrag bestand ursprünglich zwischen der Beklagten und dem Voreigentümer des fraglichen Hauses, dem Zeugen I. Dieser versicherte das fragliche Gebäude, als es noch im Bau war. Bei Abschluss des Versicherungsvertrages gab der Zeuge I dem Zeugen T, der als freier Handelsvertreter ausschließlich für die Beklagte tätig war, die Baukosten mit 400.000,-- DM an. Daraus errechnete der Zeuge T eine Versicherungssumme bezogen auf das Jahr 1914 von 40.000 DM. Der Zeuge T wies den Zeugen I weder bei Abschluss des Versicherungsvertrages noch zu einem späteren Zeitpunkt darauf hin, daß das fragliche Gebäude nach Fertigstellung unter Umständen unterversichert sein könne.</p><span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Später trat die Klägerin als Käuferin des Hausgrundstücks in diesen Vertrag ein. Mit Schreiben vom 11.11.1983 erklärte sie gegenüber der Beklagten die Kündigung dieses Vertrages. Die Beklagte wies die Kündigung unter Hinweis auf § 69 VVG zurück.</p><span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin behauptet, der Zeuge T habe sie daraufhin zu sich bestellt, um zu erreichen, daß sie den Vertrag aufrechterhalte. Bei diesem Gespräch habe dem Zeugen T ein in der Zwischenzeit von der Klägerin mit der X-Versicherung abgeschlossener Gebäudeversicherungsvertrag für das fragliche Gebäude vorgelegen. In diesem sei die Versicherungssumme bezogen auf das Jahr 1914 mit 45.000 MK und die Prämie mit 720,-- DM angegeben. Der Zeuge T habe darauf hingewiesen, daß die Prämien bei der Beklagten günstiger seien. Außerdem habe er erklärt, daß die Versicherungssumme 45.000 zu hoch sei; der in dem Vertrag mit der Beklagten vorgesehene Wert von 40.000 reiche vielmehr aus. Auf diesem Standpunkt habe der Zeuge T trotz mehrfachen Insistierens der Klägerin und ihres Sohnes, des Zeugen L, beharrt. Auch bei einem Anruf des Zeugen L etwa 10 bis 14 Tage vor dem Schadensfall habe der Zeuge T erklärt, daß der Versicherungswert 40.000 für das fragliche Gebäude ausreichend sei. Bei seinen Erklärungen habe der Zeuge T gewusst, wie das fragliche Gebäude ausgestattet war; insbesondere habe er davon Kenntnis gehabt, daß im Souterrain ein Dentallabor eingerichtet gewesen sei.</p><span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Schließlich behauptet die Klägerin, daß die Feststellungen in dem Gutachten W/I3 zu den Abbruchkosten offensichtlich unrichtig seien. Die Abbruchkosten beliefen sich nicht, wie in dem Gutachten angegeben auf 9.576,-- DM; vielmehr habe die Klägerin für die Abbruch- und Aufräumkosten ein Betrag von 58.632, -- DM aufwenden müssen.</p><span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Die Aufräumarbeiten seien im wesentlichen durch Eigenleistung des Sohnes der Klägerin erfolgt. Die Klägerin legt insoweit eine Rechnung der E GmbH vom 31.8.1985 vor; wegen des genauen Inhaltes dieser Rechnungen wird auf Bl. 244/245 d.A. Bezug genommen. Die Klägerin ist der Auffassung, daß ihr wegen der von ihr für die Abbruch- und Aufräumarbeiten aufgewandten Kosten der bedingungsgemäße Höchstbetrag von 3 % der Versicherungssumme zustehe, den sie mit 16.800,-- DM beziffert.</p><span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Schließlich ist die Klägerin der Auffassung, daß die Beklagte das Verfahren zur Ermittlung der Schadenshöhe sowie die Zahlung der Entschädigungsforderung schuldhaft verzögert habe. Dadurch sei ihr, der Klägerin ein Schaden in Höhe von 181.226,68 DM entstanden, den sie hilfsweise geltend macht.</p><span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin behauptet, daß durch das Verhalten der Beklagten der Wiederaufbau des fraglichen Gebäudes bisher verhindert worden sei. Sie habe dadurch ihre Zusage an die Q E, daß das Dentallabor im Souterrain des fraglichen Gebäudes in absehbarer Zeit wieder aufgebaut werden würde, nicht einhalten können. Dadurch sei der Q E GmbH ein Verdienstausfall in Höhe von insgesamt 134.666,68 DM entstanden, für den sie, die Klägerin, von den Q E in Anspruch genommen würde. Außerdem seien zusätzliche Mietausfallkosten in Höhe von insgesamt 46.560,-- DM entstanden, und zwar 18.480,-- DM entgangene Mietzinszahlungen seitens des Dentallabors sowie 28.080,--DM wegen Wegfalls der Vermietungsmöglichkeit hinsichtlich der Wohnräume in der Zeit von Juni 1985 bis Dezember 1987.</p><span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin behauptet, Bankkredit in die Klageforderung übersteigender Höhe in Anspruch zu nehmen, den sie mit 7 % verzinsen müsse.</p><span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Nach Teilklagerücknahme im Hinblick auf eine bei ihrem ursprünglichen Klageantrag nicht berücksichtigte Zahlung der Beklagten in Höhe von 9.463,47 DM (gezahlter Betrag von 9.360,-- DM zuzüglich anteiliger Zinsen)</p><span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">beantragt die Klägerin nunmehr,</p><span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an die T3 C zugunsten der Klägerin auf das Konto ###.###.### 248.708,11 DM nebst 7 % Zinsen seit dem 20.5.1986 zu zahlen, hilfsweise : Vollstreckungsnachlass.</p><span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p><span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen, hilfsweise: Vollstreckungsnachlass.</p><span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte bestreitet, daß die Feststellungen in dem Gutachten W/I3 zu dem Ausmaß der Unterversicherung und insbesondere der dafür entscheidende Ansatz von 36 MK/qbm offensichtlich unrichtig seien.</p><span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Außerdem liegt nach Auffassung der Beklagten kein ihr zurechenbarer Beratungsfehler durch den Zeugen T vor, der dazu führen könnte, daß sie, die Beklagte, die Klägerin so zu stellen habe, als läge keine Unterversicherung vor.</p><span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Insoweit bestreitet die Beklagte die Behauptungen der Klägerin zu dem Inhalt der Gespräche zwischen dem Zeugen T einerseits und der Klägerin sowie deren Sohn, dem Zeugen L, andererseits. Der Zeuge T habe von der Kündigungserklärung der Klägerin in dem Schreiben vom 11.11.1983 keine Kenntnis gehabt. Zu einem Gespräch zwischen dem Zeugen T und der Klägerin sei es ausschließlich deshalb gekommen, weil die Klägerin von sich aus den Zeugen aufgesucht habe, um die Versicherungsprämie zu bezahlen. Bei diesem Zusammentreffen sei nicht über die Frage einer etwaigen Unterversicherung gesprochen worden. Auch habe der Zeuge T weder bei diesem Gespräch noch zu anderer Gelegenheit von dem von der Klägerin behaupteten Versicherungsvertrag bei der X-Versicherung gehört oder einen entsprechenden Vertrag gesehen. Dementsprechend habe er auch zu keiner Zeit erklärt, daß die Prämien der Beklagten günstiger seien als diejenigen der X-Versicherung. Eine Auseinandersetzung zwischen dem Zeugen T einerseits und der Klägerin sowie dem Zeugen L andererseits über die Frage einer möglichen Unterversicherung habe nicht stattgefunden. Lediglich einmal, etwa 10 bis 14 Tage vor dem Schadensfall vom 11.6.1985 habe der Zeuge L bei dem Zeugen T2 angerufen und die Vermutung geäußert, daß das streitbefangene Objekt mit 40.000 wohl unterversichert sei. Der Zeuge T habe darauf erwidert, daß er dazu letztlich nichts sagen könne. Er habe den Zeugen L sodann darauf hingewiesen, daß der Versicherungswert von 40.000 MK nicht mit 40.000,-- DM gleichgesetzt werden könne. Vielmehr handele es sich um den sogenannten 14er-Wert, der ungefähr mit dem Faktor 12 bis 13 multipliziert werden müsse. Der Zeuge T habe im übrigen weder von der Ausstattung des Hauses im allgemeinen noch von der Einrichtung eines Dentallabors im Souterrain des Hauses gewusst. Die im Verlaufe der Errichtung des streitbefangenen Hauses zusätzlich geplante aufwendige Ausgestaltung und die Einrichtung des Dentallabors seien im übrigen die eigentliche Ursache für die Unterversicherung des fraglichen Hauses.</p><span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Im übrigen bestreitet die Beklagte, daß die Feststellungen in dem Gutachten W/I3 zu den Abbruch- und Aufräumkosten offensichtlich unzutreffend seien.</p><span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte ist ferner der Auffassung, daß sie weder das Verfahren zur Feststellung der Höhe des Schadens, noch die Zahlung der Entschädigungsbeträge verzögert habe. Vielmehr rühre die Verzögerung daher, daß der Architekt I3 sich noch Ende September 1985 geweigert habe, zur Gutachtenerstellung erforderliche Unterlagen zur Verfügung zu stellen, da er offene Honorarforderungen gegen die Klägerin habe.</p><span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Sie bestreitet darüber hinaus, daß den Q E ein Verdienstausfall in von der Klägerin behaupteter Höhe entstanden sei und daß die Firma Q, die insolvent gewesen sei, überhaupt Mietzinszahlungen an die Klägerin hätte erbringen können. Ebenso bestreitet die Beklagte, daß die Klägerin die Wohnräume hätte vermieten können.</p><span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Schließlich bestreitet die Beklagte die Höhe der geltend gemachten Verzugszinsen. Abgesehen davon habe die Klägerin gar nicht die Möglichkeit gehabt, sich aus den zur Begründung des Zinsanspruchs vorgelegten langfristigen Hypothekendarlehensverträgen mit der T3 C vorzeitig zu lösen.</p><span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.</p><span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Es ist Beweis erhoben worden durch Einholung eines Sachverständigengutachtens sowie durch Vernehmung der Zeugen L, T und I; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Bl. 149 - 163/ 185 - 198 d v A, (Sachverständigengutachten) sowie auf die Sitzungsprotokolle vom 24.10.1986, Bl. 97 - 103 d.A., und vom 12.1.1988, Bl. 229 -235 d.A., (Zeugenvernehmungen sowie mündliche Erläuterungen des Sachverständigen) Bezug genommen.</p><span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Entscheidungsgründe</span></p><span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist in dem zuerkannten Umfang begründet, im übrigen ist sie unbegründet.</p><span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 6.999,90 DM nebst 7 % Zinsen seit, dem 20.5.1986 aus § 1 Satz 1 VVG i.V.m. dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag sowie §§ 284 Abs. 1 Satz 2, 286 Abs. 1 BGB.</p><span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Dieser Betrag setzt sich wie folgt zusammen:</p><span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Gebäude Neuwert:               488.428,-- DMSchadensminderungskosten:                3.973,-- DMEinbauküche:               18.240,-- DMMietausfall:               <span style="text-decoration:underline">18.720,-- DM</span></p><span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">              529.361,-- DM. </p><span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Daraus ergibt sich unter Berücksichtigung der Unterversicherung im Verhältnis 41.200 : 60.959 ein anteiliger Betrag von 357.776,09 DM.</p><span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">zuzüglich</p><span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Abbruchkosten:                9.576,-- DM</p><span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">Zinsen:                <span style="text-decoration:underline">5.524,04 DM</span></p><span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">              372.876,13 DM</p><span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">abzüglich des gezahlten Betrages von               - <span style="text-decoration:underline">365.876,23 DM</span></p><span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">                6.999,90 DM</p><span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Im einzelnen gilt folgendes:</p><span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">Über die Positionen Gebäudeneuwert, Schadensminderungskosten sowie Einbauküche besteht zwischen den Parteien kein Streit.</p><span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Die Bewertung der Schadensposition "Mietausfall" mit 18.720,-- DM ergibt sich aus Ziffer 2) 1. 2. unter "A Deklaration" der dem Versicherungsvertrag der Parteien zugrunde liegenden Sonderbedingungen. Nach dieser Bestimmung hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz des Mietwertes von Wohnräumen für die Zeit bis zu 12 Monaten. Daraus ergibt sich, daß die Beklagte der Klägerin Mietausfallkosten entweder für den genauen Ausfallzeitraum oder aber, sollte dieser Zeitraum 12 Monate übersteigen, für 12 Monate zu leisten hat.</p><span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung der Beklagten kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Wiederherstellungsarbeiten an dem fraglichen Haus in einem kürzeren Zeitraum als 12 Monaten hätten bewerkstelligt werden können. Vielmehr war dafür ein längerer Zeitraum erforderlich, so daß die Klägerin einen Anspruch gegen die Beklagte auf Anspruch der höchstmöglichen Mietausfallentschädigung hat.</p><span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Aus dem Gutachten W/I3 ergibt sich, daß mit einer Wiederherstellungsdauer von 6 Monaten gerechnet werden muss. Dieser Zeitraum von 6 Monaten beginnt jedoch nicht unmittelbar nach dem Schadensereignis, d.h. unmittelbar nach dem 11.6.1985. Vielmehr ist zu berücksichtigen, daß der Geschädigte die Wiederherstellungsarbeiten erst dann abschließend planen und in Auftrag geben kann, wenn er weiß, über welchen Geldbetrag er insoweit verfügen kann. Erst von diesem Zeitpunkt an kann der Geschädigte beurteilen, welchen Umfang die von ihm beabsichtigten Wiederherstellungsarbeiten annehmen können.</p><span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hatte aber frühestens im Januar 1986, d. h. 7 Monate nach Eintritt des Schadensfalles, einen Überblick darüber, über welche Geldmittel sie zur Wiederherstellung des fraglichen Hauses verfügte. Im Januar 1986 waren der Klägerin durch zwei Zahlungen der Beklagten insgesamt 300.000,-- DM zur Wiederherstellung des geschädigten Hauses zur Verfügung gestellt worden. Zwar wusste die Klägerin in diesem Stadium noch nicht genau, wieviel die Beklagte darüberhinaus noch zahlen werde. Dennoch konnte die Klägerin in diesem Zeitpunkt, insbesondere unter Berücksichtigung des bereits vorliegenden Gutachtens der Sachverständigen W und I3, absehen, in welcher Größenordnung die Beklagte sie entschädigen würde. Unter Berücksichtigung dieses Zeitraumes von Juni 1985 bis Januar 1987, d.h. von 7 Monaten sowie des in dem Gutachten W/I3 angegebenen Wiederherstellungszeitraumes von 6 Monaten ist davon auszugehen, daß die Schäden an dem fraglichen Haus nicht schneller als in 13 Monaten ab Schadensfall wiederhergestellt werden konnten.</p><span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">Über den Höchstanspruch für Mietausfallschaden in Höhe von 12 Monatsmieten, d.h. in Höhe von 12 mal 1.560,-- DM = 18.720,-- DM hinaus steht der Klägerin ein Anspruch auf Mietausfallkosten nicht zu. Entgegen ihrer Auffassung kann die Klägerin eine vertragliche Entschädigung für Mietausfall im Hinblick auf das im Souterrain des Hauses gelegene Dentallabor nicht verlangen, da Mietausfallkosten für gewerblich genutzte Räume von dem Versicherungsschutz nicht umfasst werden.</p><span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Der Gesamtbetrag aus den Positionen Gebäudeneuwert, Schadensminderungskosten, Einbauküche und Mietausfall in Höhe von insgesamt 529.361,-- DM steht der Klägerin jedoch nicht in vollem Umfang zu. Vielmehr kann die Klägerin von der Beklagten insoweit lediglich Zahlung eines anteiligen Betrages entsprechend dem Ausmaß ihrer Unterversicherung, d. h. im Verhältnis 41.200 MK : 60.959 MK verlangen, so daß sich für diese Positionen ein Gesamtzahlungsanspruch von:</p><span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">529.361 x 41.200</p><span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">-----------------------------     = <span style="text-decoration:underline">375.776 , 09 DM</span></p><span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">60.959</p><span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">ergibt.</p><span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hatte nämlich das fragliche Bauwerk im Verhältnis 41.200</p><span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">MK : 60.959 MK unterversichert.</p><span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">In dem Vertrag war die Versicherungssumme lediglich auf 40.000 MK festgelegt, woraus sich unter Berücksichtigung des bedingungsgemäßen Aufschlages zur Abdeckung einer eventuellen Unterversicherung in Höhe von 3 % eine vertragliche Versicherungssumme von insgesamt 41.200 MK ergibt. Der Versicherungswert betrug demgegenüber jedoch 60.959 MK bei einem Index am Schadenstag von 1.400 MK.</p><span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">Dies ist für beide Parteien verbindlich in dem Gutachten W/I3 festgelegt. Das Gutachten W/I3 ist im Rahmen des im Anschluss an den Brandschaden vom 11.6.1985 durchgeführten Sachverständigenverfahrens im Sinne von § 64 VVG in Verbindung mit § 17 der dem Vertrag zugrunde liegenden VGB erstellt worden. Gemäß § 17 Ziffer 3 a) enthält dieses Gutachten auch zu der Frage der Unterversicherung zwischen den Parteien verbindliche Feststellungen. Der von den Sachverständigen W und I3 festgestellte Versicherungswert bezogen auf das Jahr 1914 von 60.959 MK ist für die Parteien verbindlich , weil das Sachverständigenverfahren ordnungsgemäß durchgeführt wurde und die von den Sachverständigen festgestellten Werte nicht offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweichen (§ 64 Abs. 1 VVG).</p><span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">Das Verfahren war ordnungsgemäß. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, daß nicht beide beteiligten Sachverständigen jeweils ein eigenes Gutachten erstellt haben. Den Voraussetzungen eines ordnungsgemäßen Sachverständigenverfahrens ist auch Genüge getan, wenn der eine Sachverständige ein Gutachten erstellt und der andere dieses Gutachten durch Gegenzeichnung für richtig befindet und verantwortet. Von beiden Sachverständigen ein eigenes Gutachten zu verlangen, wäre reine Formelei und unnötiger Kostenaufwand, wenn beide Sachverständigen sich einig sind und der eine die Ermittlungen und Beurteilungen des anderen teilt und auch mit der Darstellungsweise der Feststellungen einverstanden ist. Entscheidend ist, daß sich zwei Sachverständige, nämlich einer von der Seite der Versicherung und einer von der Seite des Versicherungsnehmers, mit der Beurteilung der Schadenshöhe befassen. Dieses für beide Seiten unerlässliche Erfordernis ist jedoch auch dann gegeben, wenn einer ein Gutachten erstellt und der andere dieses Gutachten überprüft und durch seine Unterschrift deutlich macht, daß er das Gutachten in allen Einzelheiten für sich selber gelten lässt und verantwortet.</p><span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">Der in dem Gutachten W/I3 festgestellte Versicherungswert von 60.959 MK ist für die Parteien auch verbindlich. Dieser Wert weicht nämlich von dem tatsächlichen Versicherungswert von 50.799 MK, wie er sich in der Beweisaufnahme ergeben hat, nicht offenbar erheblich ab.</p><span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks">Die Kammer folgt hinsichtlich des tatsächlichen Versicherungswertes den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen X2. Die Ausführungen des Sachverständigen haben die Kammer insbesondere deshalb überzeugt, weil er detailliert, verständlich und schlüssig , dargelegt hat, welche Kriterien er bei Ermittlung der für den Versicherungswert erforderlichen Basiszahlen angewandt hat. Insbesondere hat er nicht zuletzt in seinen mündlichen Erläuterungen zu seinem Gutachten überzeugend erklärt, warum er trotz der für den Laien außergewöhnlich erscheinenden Ausstattung des hier streitbefangenen Hauses bei der Ermittlung der Basisdaten, insbesondere des MK-Wertes pro Kubikmeter, nicht von einer sehr guten bzw. aufwendigen Ausstattung, sondern lediglich von einer guten Ausstattung ausgegangen ist. Er konnte verdeutlichen, daß es über die Ausstattung des streitbefangenen Hauses hinausgehende Ausstattungsdetails gibt, die erst eine Einstufung in eine höhere als diejenige Wertstufe rechtfertigen, in die das Haus der Klägerin eingeordnet werden muss.</p><span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks">Aus vor genannten Gründen geht die Kammer davon aus, daß der Sachverständige den Ausgangswert für die Berechnung des Versicherungswertes zutreffend mit 30 MK/ cbm angenommen hat. Von diesem Wert ausgehend ergibt sich unter Berücksichtigung der zwischen den Parteien unstreitig anzunehmenden 1.435 cbm sowie eines vom Sachverständigen angesetzten Aufschlags von 18 % für Baunebenkosten ein Versicherungswert von 50.799.</p><span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks">Bei Zugrundelegung dieses Betrages ergibt sich als Summe der von der Unterversicherung betroffenen Positionen, nämlich der Positronen Gebäudeneuwert, Schadensminderungskosten, Einbauküche und Mietausfall, unter Berücksichtigung der Unterversicherung folgende -anteilige- Forderung der Klägerin für diese Positionen:</p><span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks">529.361 x 41.200</p><span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks">-------------------------  = 429.332,68 DM.</p><span class="absatzRechts">103</span><p class="absatzLinks">50.799</p><span class="absatzRechts">104</span><p class="absatzLinks">Demgegenüber errechnet sich auf der Grundlage des Gutachtens W/I3 ein Betrag von:</p><span class="absatzRechts">105</span><p class="absatzLinks">529.361 x 41.200</p><span class="absatzRechts">106</span><p class="absatzLinks">--------------------------   = 357.776,09 DM.</p><span class="absatzRechts">107</span><p class="absatzLinks">60.959</p><span class="absatzRechts">108</span><p class="absatzLinks">Dieser Betrag liegt um 71.556,59 und damit um 16,66 %.unter dem Betrag, den die Klägerin nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme tatsächlich als Entschädigung hätte beanspruchen können.</p><span class="absatzRechts">109</span><p class="absatzLinks">Bei der Berechnung der prozentualen Abweichung der in dem Gutachterverfahren festgestellten von den tatsächlichen Werten war entsprechend der Entscheidung des Bundesgerichtshofs in VersR 87, 601 f. (602) der geforderte höhere Betrag mit 100 % gleichzusetzen, wobei hier der geforderte höhere Betrag der bei zutreffender Berechnung sich ergebende Entschädigungsbetrag von 429.332,68 DM anzusetzen ist. Denn nur dieser, nicht etwa ein vom Versicherungsnehmer unzutreffenderweise verlangter überhöhter Entschädigungsbetrag kann für die Prüfung maßgeblich sein, inwieweit die festgestellte Entschädigung von der wirklichen Sachlage abweicht.</p><span class="absatzRechts">110</span><p class="absatzLinks">Die Abweichung von 16,66% ist nicht so wesentlich, daß sie die Unverbindlichkeit der Schadensfeststellung W/I3 zur Folge hätte.</p><span class="absatzRechts">111</span><p class="absatzLinks">In der Entscheidung VersR 87, 601 f hat der Bundesgerichtshof Abweichungen in einer Größenordnung von unter 15 % als regelmäßig unbeachtlich bezeichnet.</p><span class="absatzRechts">112</span><p class="absatzLinks">Diese Prozentzahl stellt jedoch keine strikte Grenze dar. Der Bundesgerichtshof hat damit lediglich zum Ausdruck bringen wollen, bis zu welcher Grenze im Regelfall eine offenbare erhebliche Abweichung im Sinne von § 64 Abs. 1 Satz 1 VVG nicht anzunehmen ist.</p><span class="absatzRechts">113</span><p class="absatzLinks">Das bedeutet jedoch nicht, daß bei einer prozentualen Abweichung von mehr als 15 % im Regelfall von einer offenbaren, erheblichen Abweichung im Sinne der genannten Vorschrift des VVG auszugehen wäre.</p><span class="absatzRechts">114</span><p class="absatzLinks">Vielmehr sind an eine offenbare erhebliche Abweichung strenge Anforderungen zu stellen. Dies ergibt sich allein schon aus dem Wortlaut von § 64 Abs. 1 Satz 1 VVG, der nicht von einer offenbaren oder erheblichen Abweichung spricht; § 64 Abs. 1 Satz 1 VVG verlangt vielmehr eine erhebliche Abweichung, die zugleich offenbar ist.</p><span class="absatzRechts">115</span><p class="absatzLinks">Dem Sinn dieser Vorschrift entspricht es, an die Voraussetzungen einen strengen Maßstab anzulegen. Die Einführung des für beide Parteien verbindlichen Sachverständigenverfahrens sollte nämlich bewirken, daß kostspielige und langwierige Prozesse vermieden werden. Das Sachverständigenverfahren soll beiden Beteiligten, der Versicherung und dem Versicherungsnehmer, die Möglichkeit geben, möglichst schnell und ohne übermäßigen Kostenaufwand eine beiden Betroffenen gerecht werdende Beurteilung der Schadenshöhe zu erreichen und damit eine möglichst zügige und für beide Parteien annehmbare Schadensabwicklung ermöglichen.</p><span class="absatzRechts">116</span><p class="absatzLinks">Für beide Beteiligten ist es in einem Schadensfall von Bedeutung, möglichst schnell verbindlich festzustellen, wie hoch die zu zahlende Entschädigung sein wird.</p><span class="absatzRechts">117</span><p class="absatzLinks">Für den Versicherungsnehmer ist eine frühzeitige verbindliche Festlegung von Bedeutung, weil er im Regelfall schnell die Schadensbeseitigungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen in Angriff nehmen möchte; dafür muss er jedoch verbindlich wissen, über welchen Geldbetrag er verfügen kann. Er muss sich darauf verlassen können, daß nicht im Anschluss an das Sachverständigenverfahren die dort festgestellten Entschädigungsbeträge später reduziert werden.</p><span class="absatzRechts">118</span><p class="absatzLinks">Auch für die Versicherung ist es von Bedeutung, möglichst unmittelbar im Anschluss an einen Schadensfall zu wissen, wieviel sie an Entschädigung zu zahlen hat. Dies ist u.a. für die Kalkulation im allgemeinen und für die Prämienberechnung unerlässlich.</p><span class="absatzRechts">119</span><p class="absatzLinks">Dementsprechend besteht auch in der Rechtsprechung (OLG München, VersR 59, 1017, OLG Braunschweig VersR 76, 329, LG Köln, VersR 80, 1066) die Tendenz, eine offenbar erhebliche Abweichung im Sinne von § 64 Abs. 1 Satz 1 VVG erst bei einer Abweichung um 20 % anzunehmen. Eine prozentuale Abweichung nach unten von lediglich 16,66 % führt nach alledem nicht zu einer offenbar erheblichen Abweichung im Sinne von § 64 Abs. 1 Satz 1 VVG, so daß die Feststellungen in dem Gutachten W/I3 zu dem Versicherungswert für beide Parteien verbindlich sind.</p><span class="absatzRechts">120</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte ist auch nicht im Hinblick auf einen ihr zuzurechnenden Beratungsfehler gehindert, die Unterversicherung geltend zu machen.</p><span class="absatzRechts">121</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat für ihre Behauptungen, der Zeuge T habe den in dem Versicherungsvertrag vorgesehenen Versicherungswert als ausreichend bezeichnet und trotz mehrfachen Insistierens der Klägerin und ihres Sohnes eine Anhebung des Versicherungswertes auf 45.000 MK nicht vorgenommen, den Beweis nicht erbracht.</p><span class="absatzRechts">122</span><p class="absatzLinks">Durch die Aussage des Zeugen L konnten die Behauptungen der Klägerin nicht bewiesen werden. Dieser Zeuge konnte Behauptungen der Klägerin in wesentlichen Punkten nicht bestätigen, in einigen ebenfalls wichtigen Punkten war die Aussage des Zeugen zu unklar, als daß dadurch der erforderliche Beweis für die Behauptungen der Klägerin erbracht werden konnte.</p><span class="absatzRechts">123</span><p class="absatzLinks">Durch die Aussage des Zeugen L hat die Kammer nicht die Überzeugung gewonnen, daß die Klägerin und der Zeuge L vergeblich gegenüber dem Zeugen T versucht hätten, die Versicherungssumme in dem Versicherungsvertrag anzuheben.</p><span class="absatzRechts">124</span><p class="absatzLinks">Der Zeuge L konnte dies aus eigenem Erleben nicht bestätigen. Er hat lediglich ausgesagt, daß seine Mutter, die Klägerin, ihm erzählt habe, sie sei bei Herrn T gewesen und habe das Haus höher versichern lassen wollen, was Herr T2 jedoch abgelehnt habe, da das Haus ausreichend versichert sei.</p><span class="absatzRechts">125</span><p class="absatzLinks">Diese Bekundung des Zeugen L hat die Kammer nicht davon überzeugt, daß der Zeuge T entsprechend der Behauptung der Klägerin eine Anhebung der Versicherungssumme abgelehnt habe unter Hinweis darauf, daß die vereinbarte Versicherungssumme ausreichend sei.</p><span class="absatzRechts">126</span><p class="absatzLinks">Zweifel an der Richtigkeit der Behauptung der Klägerin bleiben insbesondere deshalb, weil keinerlei Erklärung für das von der Klägerin behauptete Verhalten des Zeugen T ersichtlich ist. Es ist schlichtweg nicht nachvollziehbar, daß der Zeuge T, der durch eine Erhöhung der Versicherungssumme Provision verdient hätte, diese gegenüber der Klägerin abgelehnt haben soll.</p><span class="absatzRechts">127</span><p class="absatzLinks">Auch die von der Klägerin als Erklärung gegebene Behauptung, der Zeuge T habe mit seinem Verhalten lediglich bewirken wollen, daß die Klägerin ihre Kündigung des Versicherungsvertrages zurücknehme, ist nicht überzeugend. Hierfür hätte die Klägerin zunächst einmal dartun müssen, daß die Voraussetzungen für eine Vertragskündigung nach den §§ 69, 70 VVG an ihrer Person überhaupt erfüllt waren. Dagegen spricht, daß sie sich mit der Ablehnung der Kündigung seitens der Beklagten abgefunden hat.</p><span class="absatzRechts">128</span><p class="absatzLinks">Den Bekundungen des Zeugen L konnte auch nicht mit der für eine erfolgreiche Beweisführung ausreichenden Klarheit entnommen werden, daß der Zeuge T die im Vertrag vorgesehene Versicherungssumme gegenüber der Klägerin oder dem Zeugen L als ausreichend bezeichnet habe. Insbesondere konnte der Zeuge L nicht bestätigen, daß der Zeuge T2 gegenüber der Klägerin behauptet hätte, daß der in dem Vertrag mit der X-Versicherung vorgesehene Versicherungswert von 45.000 MK überhöht und der zwischen den Parteien vertraglich vereinbarte ausreichend sei.</p><span class="absatzRechts">129</span><p class="absatzLinks">Vielmehr bekundete der Zeuge L, daß der Zeuge T nach Information über den Versicherungsvertrag mit der X-Versicherung erklärt habe, daß der Versicherungswert in beiden Verträgen derselbe sei. Der in beiden Verträgen enthaltene identische Versicherungswert sei auch ausreichend. Im Hinblick darauf, daß nach der Behauptung der Klägerin in dem Versicherungsvertrag bei der X-Versicherung der Versicherungswert mit 45.000 MK angegeben ist, wird aus dieser Bekundung des Zeugen L nicht klar, auf welchen Versicherungswert sich die Äußerung des Zeugen T2 bezogen haben soll.</p><span class="absatzRechts">130</span><p class="absatzLinks">Auch aus der Bekundung des Zeugen L, sowohl er als auch die Klägerin hätten sich über Jahre hinweg immer wieder an den Zeugen T mit der Frage gewandt, ob denn das Haus auch ausreichend versichert sei, lässt sich eine Bestätigung der Behauptung der Klägerin, daß der Zeuge T das Haus als ausreichend versichert bezeichnet habe, nicht entnehmen. Zum einen bekundet der Zeuge L lediglich, daß es viele MaIe zu Gespräche über die Frage der Unterversicherung gekommen sei; er hat nicht ausdrücklich bestätigt, daß der Zeuge T erklärt habe, das Haus sei ausreichend versichert. Im übrigen ist es nicht nachvollziehbar, daß sich die Klägerin und der Zeuge L ständig mit ein und derselben Frage an denselben Versicherungsvertreter gewandt haben sollen. Es hätte näher gelegen, sich bei einer dritten Person kundig zu machen, wenn tatsächlich immer wieder Zweifel aufgekommen wären.</p><span class="absatzRechts">131</span><p class="absatzLinks">Abgesehen davon steht die Bekundung des Zeugen L auch im Widerspruch zu den Bekundungen des Zeugen T. Dieser hat ausgesagt, daß er lediglich einmal, 10 bis 14 Tage vor dem Schadensfall, mit dem Zeugen L gesprochen habe. Dieser habe ihn angerufen und erklärt, mit 40.000,--DM sei er unterversichert. Er habe dem Zeugen daraufhin lediglich erläutert, daß der Betrag mit dem Faktor 12 oder 13 multipliziert werden müsse, wenn er die tatsächliche Versicherungssumme ermitteln wolle.</p><span class="absatzRechts">132</span><p class="absatzLinks">Auch mit der Klägerin sei es nicht, wie von dem Zeugen L bekundet, zu wiederholten Gesprächen über die Frage einer Unterversicherung gekommen.</p><span class="absatzRechts">133</span><p class="absatzLinks">Es besteht keine Veranlassung, dem Zeugen T weniger zu glauben, als dem Zeugen L, der jedenfalls als Sohn der Klägerin am Ausgang des Rechtstreits nicht weniger interessiert als der Zeuge T. Schließlich bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, daß der Zeuge T möglicherweise irrtümlich von einer Versicherungssumme von ca., 800.000,-- DM ausgegangen ist und deshalb die Klägerin bzw. deren Sohn falsch beraten hat.</p><span class="absatzRechts">134</span><p class="absatzLinks">Nach der Behauptung der Klägerin soll der Zeuge zwar unmittelbar nach dem Schadensereignis dem Zeugen I erklärt haben, das Haus sei ja mit ca. 800.000,-- DM versichert. Der Zeuge I hat dies jedoch bei seiner Vernehmung nicht bestätigt.</p><span class="absatzRechts">135</span><p class="absatzLinks">Zusätzlich zu dem sich nach alledem unter Berücksichtigung der Unterversicherung ergebenden Betrag von 357.776,09 DM steht der Klägerin ein Betrag in Höhe von 9.576,-- DM für Abbruch- und Aufräumkosten zu.</p><span class="absatzRechts">136</span><p class="absatzLinks">Die Höhe dieser Schadensposition ist gemäß § 64 Abs. 1 Satz 1 VVG in Verbindung mit §§ 17 Ziffer 3 d), 1 Ziffer 2 c) VGB in dem Sachverständigenverfahren durch das Gutachten W/I3 für die Parteien verbindlich festgelegt worden.</p><span class="absatzRechts">137</span><p class="absatzLinks">Der in diesem Gutachten für Abbruch- und Aufräumkosten angesetzte Betrag von 9.576,-- DM weicht nicht offenbar von den tatsächlichen Abbruch- und Aufräumkosten erheblich ab. Dies hat die Beweisaufnahme ergeben. Die Kammer folgt insoweit dem Gutachten des Sachverständigen X2. Dieser hat den in dem Gutachten W/I3 enthaltenen Betrag als „angemessen“ abgeschätzt angesehen. Die Kammer folgt dem Sachverständigen insoweit insbesondere deshalb, weil der Sachverständige sehr deutlich die Schwierigkeit der Berechnung dieser Schadensposition dargelegt hat. Er hat nicht irgendwelche Zahlen als konkret berechnet hingestellt, vielmehr hat er offen eine Schätzung vorgenommen, der sich die Kammer anschließt. Es ist davon auszugehen, daß der Sachverständige anhand einer Ortsbesichtigung, die er vorgenommen hat, sowie anhand der von ihm eingesehenen Bauzeichnungen und der Lichtbildermappe abschätzen kann, ob sich die in dem Gutachten W/I3 angegebenen Abbruch- und Aufräumkosten in einem angemessenen Rahmen bewegen.</p><span class="absatzRechts">138</span><p class="absatzLinks">Dies gilt auch im Hinblick auf den Vortrag der Klägerin zu den von ihr angeblich tatsächlich für Abbruch- und Aufräumarbeiten aufgewandten Kosten. Die von ihr insoweit vorgelegte Rechnung ist nicht nachvollziehbar. Es bestehen erhebliche Zweifel daran, daß 1.386 Stunden für Abbruch- und Aufräumkosten verwandt worden sind. Darüber hinaus erscheint auch der Stundensatz von 32,-- DM überhöht. Vor allem ist aber zu berücksichtigen, daß nach dem Vortrag der Klägerin die Abbruch- und Aufräumkosten im wesentlichen durch Eigenarbeit des Sohnes der Klägerin, des Zeugen L, durchgeführt wurden. Dieser ist aber im Bezug auf Abbruch- und Aufräumarbeiten als „ungelernter Arbeiter“ anzusehen, was einen Stundensatz von 32,-- DM nicht rechtfertigt. Im übrigen ist nicht erklärlich, wieso für Abbruch- und Aufräumarbeiten ein Architekt mit einem Honorar von 4.560,-- DM tätig werden musste. Schließlich würde der Umstand, daß eine ungelernte Kraft mit derartigem Zeitaufwand tätig geworden ist, nicht bedeuten, daß eine Fachfirma die Arbeiten nicht mit erheblich geringerem Zeitaufwand kostengünstiger hätte durchführen können.</p><span class="absatzRechts">139</span><p class="absatzLinks">Es ergibt sich somit ein Gesamtanspruch in Höhe von 357.776,09 DM + 9.576,-- DM = 367.352,09 DM. Dieser Betrag erhöht sich gemäß § 19 VGB um 4 % Zinsen, die die Beklagte der Klägerin von dem Tag einen Monat nach Schadenseintritt, d.h. vom 11.7.1985 an bis zur Gesamtbegleichung des Entschädigungsbetrages zu zahlen hat. Es ergibt sich ein Gesamtzinsanspruch in Höhe von 5.524,04 DM, der sich wie folgt berechnet:</p><span class="absatzRechts">140</span><p class="absatzLinks"><em>-</em> 4 <em>%</em> Zinsen aus 367.352,09 DM</p><span class="absatzRechts">141</span><p class="absatzLinks">vom 11.7.1985 - 10.9.1985               2.495,98 DM</p><span class="absatzRechts">142</span><p class="absatzLinks">- 4 % Zinsen aus 167.352,09 DM</p><span class="absatzRechts">143</span><p class="absatzLinks">vom 11.09.1985 - 30.1.1986               2.604,27 DM</p><span class="absatzRechts">144</span><p class="absatzLinks">- 4 % Zinsen aus 67.352,09 DM</p><span class="absatzRechts">145</span><p class="absatzLinks">vom 31.1.1986 - 24.3.1986               391,20 DM</p><span class="absatzRechts">146</span><p class="absatzLinks">- 4 % Zinsen aus 20.992,09 DM</p><span class="absatzRechts">147</span><p class="absatzLinks">vom 25.3.1986 - 4.4.1986               25,31 DM</p><span class="absatzRechts">148</span><p class="absatzLinks">- 4 % Zinsen aus 1.475,86 DM</p><span class="absatzRechts">149</span><p class="absatzLinks">vom 5.4.1986 - 19.5.1986               7,28 DM</p><span class="absatzRechts">150</span><p class="absatzLinks">              5.524,04 DM.</p><span class="absatzRechts">151</span><p class="absatzLinks">Bei der Berechnung der Zinsen wurden als Zahlungszeitpunkte jeweils die von der Klägerin angegebenen Daten zugrunde gelegt. Für die Zinsberechnung ist nämlich der Zeitpunkt des Zahlungseinganges bei der Klägerin entscheidend. Aus der zeitlichen Differenz zwischen den von der Beklagten und der von der Klägerin angegebenen Zahlungszeitpunkte konnte entnommen werden, daß die Beklagte die Zeitpunkte der Einzahlungen, die Klägerin hingegen die Zeitpunkte der Gutschrift auf ihrem Konto angegeben hat; jedenfalls aber ist die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte dafür, daß die jeweiligen Zahlungen zu einem früheren als von der Klägerin angegebenen Zeitpunkt auf ihrem Konto gutgeschrieben wurden, beweisfällig geblieben.</p><span class="absatzRechts">152</span><p class="absatzLinks">Es ergibt sich somit ein Gesamtentschädigungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte in Höhe von 367.352,09 DM + 5.524,04 DM = 372.876,13 DM.</p><span class="absatzRechts">153</span><p class="absatzLinks">Von diesem Betrag sind die von der Beklagten unstreitig erbrachten Zahlungen in Höhe von 365.876,23 DM in Abzug zu bringen, so daß der Klägerin gegen die Beklagte ein Restzahlungsanspruch in Höhe von 6.999,90 DM zusteht.</p><span class="absatzRechts">154</span><p class="absatzLinks">Ein höherer Zahlungsanspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Verzuges, da die Beklagte entgegen der Auffassung der Klägerin weder das Sachverständigenverfahren verzögert hat noch mit ihren Zahlungen in Verzug geraten ist.</p><span class="absatzRechts">155</span><p class="absatzLinks">Für eine verzögerliche Durchführung des Sachverständigenverfahrens liegen keinerlei Anhaltspunkte vor. Es ist nicht ungewöhnlich, daß Sachverständigengutachten, insbesondere wenn sie so umfangreich sind wie das Gutachten W/I3, mehrere Monate in Anspruch nehmen. Dem Vortrag der Parteien ist nicht zu entnehmen, daß die Beklagte auf die Sachverständigen oder sonst auf das Verfahren in einer Weise Einfluss genommen hat, die zur Verzögerung desselben beitrug. Es wäre jedenfalls Sache der Klägerin gewesen darzulegen, zu welchem früheren Zeitpunkt das Gutachten hätte vorliegen können.</p><span class="absatzRechts">156</span><p class="absatzLinks">Auch mit ihren Zahlungen ist die Beklagte nicht in Verzug geraten. Aus § 19 Ziffer 1 VGB ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zu entnehmen, daß die Beklagte einen Monat nach Anzeige des Schadens einen Teilzahlungsbetrag leisten muss. Aus der genannten Bestimmung ergibt sich lediglich, daß die Klägerin einen solchen Teilbetrag verlangen kann. Dass sie dies getan hat, wird nicht vorgetragen.</p><span class="absatzRechts">157</span><p class="absatzLinks">Zu berücksichtigen ist im übrigen, daß die Beklagte bereits drei Monate nach dem Schadensfall über die Hälfte des geschuldeten Gesamtentschädigungsbetrages, nämlich 200.000,-- DM, als Abschlag gezahlt hat. Im Januar waren durch die weitere Zahlung von 100.000,-- DM bereits über 80 % der geschuldeten Summe gezahlt.</p><span class="absatzRechts">158</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, bereits im Januar den vollen von ihr geschuldeten Betrag an die Klägerin auszuzahlen. In § 19 Ziffer 1 VGB ist zwar vorgesehen, daß die Entschädigung binnen zwei Wochen nach Feststellung der Leistungspflicht des Versicherers dem Grunde und der Höhe nach zu erfolgen hat. Dem Vortrag der Parteien lässt sich jedoch lediglich entnehmen, zu welchem Zeitpunkt die Sachverständigen die Gutachten mit ihrer Unterschrift abgeschlossen haben. Dieser Zeitpunkt kann aber für die zwei-Wochenfrist des § 19 Ziffer 1 VGB nicht verbindlich sein. Vielmehr beginnt der Fristlauf frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der Versicherungsnehmer und die Versicherung Kenntnis von den die Schadenshöhe feststellenden Gutachten haben. Auch wenn die Parteien nicht vortragen, zu welchem Zeitpunkt sie von den Gutachten der Sachverständigen W und I3 Kenntnis erlangt haben, so ergibt sich doch aus dem Vortrag der Klägerin ein Anhaltspunkt dafür, daß dieser Zeitpunkt frühestens Ende Januar, Anfang Februar 1986 gelegen hat. Die Klägerin trägt nämlich vor, daß sie „mit Schreiben vom 12.2.1986, kurz nach Erhalt des Gutachtens, … der Beklagten mit (geteilt habe), …“. Auch aus der Tatsache, daß die Beklagte weitere Zahlungen erst im März und Anfang April geleistet und mit diesen Zahlungen ihre Verpflichtung gegenüber der Klägerin noch nicht in vollem Umfang erfüllt hat, ergibt sich nicht, daß die Klägerin mit ihrer Entschädigungszahlung in Verzug geraten ist. Dadurch, daß die Klägerin den Feststellungen in dem Gutachten W/I3 widersprochen hat, war nämlich die Voraussetzung des § 19 Ziffer 1 VGB für die Fälligkeit der Entschädigungsverpflichtung und damit die Möglichkeit des Verzuges der Beklagten entfallen. Nach dem die Klägerin den Feststellungen widersprochen und diese als unannehmbar, „durch nichts gerechtfertigt“, bezeichnet hatte, stellte sich für die Parteien erneut die Frage der Höhe der Entschädigungszahlung.</p><span class="absatzRechts">159</span><p class="absatzLinks">Allein mit der Zahlung des Restbetrages von 6.999,90 DM befindet sich die Klägerin seit dem Zeitpunkt der Klageerhebung, dem 20.5.1986, gemäß § 284 Abs. 1 Satz 2 BGB in Verzug. Dies begründet jedoch keinen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Schadensersatz in der von der Klägerin hilfsweise geltend gemachten Höhe. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit die Verzögerung der Zahlung von knapp 7.000,-- DM zu den von der Klägerin behaupteten Schäden geführt haben soll. Im Hinblick auf das Volumen der Wiederherstellungskosten konnte es für die Entscheidung, wann welche Wiederherstellungsarbeiten in Angriff genommen werden sollten, nicht von Bedeutung sein, ob die Klägerin 7.000,-- DM mehr oder weniger zahlen würde.</p><span class="absatzRechts">160</span><p class="absatzLinks">Im übrigen ist auch nicht nachvollziehbar, inwieweit der Klägerin selbst bei Verzug der Beklagten ein Schaden in Höhe von 134.666,68 DM wegen Verdienstausfalls der Q E entstanden sein sollte. Es ist nicht ersichtlich, auf welcher Grundlage die Q E die Klägerin wegen eines solchen Verdienstausfalles - das Bestehen einmal unterstellt - in Anspruch nehmen könnten. Wenn nämlich die Beklagte entsprechend der Behauptung der Klägerin die verzögerliche Inangriffnahme der Wiederaufbauarbeiten durch ihre verzögerliche Zahlungen verhindert hätte, dann träfe die Klägerin für den Verdienstausfall der Q E keinerlei Verschulden. Eine Grundlage für eine Haftung der Klägerin gegenüber der Q E ohne Verschulden ist nicht ersichtlich. Vielmehr ist die Klägerin aufgrund der Zerstörung der Mietsache von ihrer Verpflichtung zur Gebrauchsüberlassung freigeworden.</p><span class="absatzRechts">161</span><p class="absatzLinks">Der Zinsanspruch beruht auf § § 284 Abs. 1 Satz 2, 286 Abs., 1 BGB. Die Beklagte ist seit dem 20.5.1986 mit der Zahlung des Betrages von 6.999,90 DM in Verzug. Die Höhe des geltend gemachten Verzugsschadens ergibt sich daraus, daß die Klägerin Bankkredit in Höhe von mindestens 6.999,90 DM in Anspruch nimmt, den sie mit 7 % verzinsen muss. Dies ergibt sich aus dem von der Klägerin vorgelegten Darlehensvertrag mit der T3 C. Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich aus dem Darlehensvertrag nicht, daß die Klägerin bei Rückzahlung eines Betrages in Höhe von knapp 7.000,-- DM in dem fraglichen Zeitpunkt eine Vorfälligkeitsentschädigung an die T3 zu entrichten hat. Vielmehr ergibt sich aus dem Darlehensvertrag, daß eine Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 3 % lediglich in dem Fall an die – T3 zu entrichten war, daß die Klägerin vor Ablauf der Festzinsperiode, d.h. ausweislich der Ziffer 1 des Vertrages vor Ablauf des 30.09.1985, den Kredit ganz oder teilweise zurückzahlen würde.</p><span class="absatzRechts">162</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.</p><span class="absatzRechts">163</span><p class="absatzLinks">Streitwert:  </p><span class="absatzRechts">164</span><p class="absatzLinks">1) bis zum 23.10.1986:    258.171,58 DM</p><span class="absatzRechts">165</span><p class="absatzLinks">2) ab dem 24.10.1986:    248.708,11 DM</p>
|
315,391 | lg-duisburg-1988-03-01-7-s-20387 | {
"id": 807,
"name": "Landgericht Duisburg",
"slug": "lg-duisburg",
"city": 408,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 7 S 203/87 | 1988-03-01T00:00:00 | 2019-03-13T14:54:27 | 2019-03-27T09:43:14 | Urteil | ECLI:DE:LGDU:1988:0301.7S203.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Amtsgerichts</p>
<p> Mülheim an der Ruhr vom 16. März 1987 - 19 C 778/86 - </p>
<p> teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt:</p>
<p></p>
<p> Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 3.210,07 DM nebst</p>
<p> 4 % Zinsen seit dem 9. September 1986 zu zahlen.</p>
<p></p>
<p> Im übrigen werden die Klage abgewiesen und die Berufung</p>
<p> zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p> Von den Kosten beider Rechtszüge tragen die Kläger als</p>
<p> Gesamtschuldner 58 % und die Beklagte 42 %.</p>
<p></p>
<p>Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung der Kläger hat in der Sache zum Teil Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte ist verpflichtet, den Klägern Schadensersatz in Höhe von insgesamt 3.210,07 DM zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Es entspricht der einhelligen Meinung in Rechtsprechung und Literatur, daß der Vermieter, der durch sein schuldhaftes Verhalten eine Kündigung des Mietverhältnisses seitens des Mieters veranlaßt hat, verpflichtet ist, dem Mieter den durch die Kündigung bedingten Schaden zu erstatten.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Kläger haben wirksam mit Schreiben vom 2. Mai 1986 gemäß § 542 BGB nach erfolgter Fristsetzung das Mietverhältnis gekündigt. Sie haben mit Schreiben vom 14. Januar 1986 und 15. April 1986 verschiedene Mängel angezeigt und zur Beseitigung eine angemessene Frist bis zum 30. April 1986 gesetzt.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Daß die gerügten Mängel tatsächlich vorhanden waren, ist zum Teil unstreitig, im übrigen durch die zu den Akten gereichten anschaulichen Lichtbilder und die Feststellungen der Wohnungsaufsicht der Stadt anläßlich der Besichtigung vom 25. Februar 1986 bewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Innerhalb der bis zum 30. April 1986 angemessenen Frist hat die Beklagte zwar unstreitig das Dach reparieren lassen und mit Verputzarbeiten begonnen. Sie hat jedoch keinesfalls all die gerügten Mängel beseitigen lassen. Dies gelangt ihr zum Verschulden, da die Frist ausreichend bemessen war, zumal bereits im Januar 1986 die meisten Mängel gerügt worden waren.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Bis zum 30. April 1986 hat die Beklagte unstreitig an den gerügten undichten Fenstern keinerlei Arbeiten ausführen lassen. Diese Mängel hatten die Kläger bereits am 14. Januar 1986 angezeigt. Sie wurden darüber hinaus auch von der Wohnungsaufsicht der Stadt anläßlich der Wohnungsbesichtigung vom 25. Februar 1986 festgestellt. In dem Bericht der Stadt wird ausdrücklich festgehalten, daß die Fensterrahmen einen ungenügenden Feuchtigkeitsschutz hätten, so daß die Rahmen sich verzogen und die Fenster schlecht schlossen. Im Hinblick auf diese eindeutigen Feststellungen kann die Beklagte nicht damit gehört werden, daß lediglich ein Fenster undicht gewesen sei.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Ferner hätten die Kläger mit Schreiben vom 15. April 1986 auch Feuchtigkeitseintritt unterhalb des Fensterbrettes in der Küche gerügt. Auch diesen Mangel hat die Wohnungsaufsicht der Stadt in dem oben genannten Bericht erwähnt und festgestellt, daß die innere Dämmung an den Fensterbrüstungen, vor allem in der Küche fehlt. Auch diesen Mangel hat die Beklagte unstreitig innerhalb der gesetzten Fristen nicht beheben lassen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Nichtbeseitigung der oben erwähnten Mängel rechtfertigte die Kündigung der Kläger nach § 542 BGB. Denn nach herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur genügt es nicht, wenn der Vermieter innerhalb der gesetzten Frist lediglich einen Teil der Mängel reparieren läßt. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob ein unstreitig auch nach dem 30. April 1986 noch vorhandener Riss in der Vorderfront des Hauses gravierend oder lediglich geringfügig war.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, daß sie infolge der schlechten Wetterlage nicht zur Beseitigung der Mängel in der Lage gewesen wäre. Wenn das Wetter eine Dachreparatur im März 1986 zuließ, wäre ohne weiteres auch eine Reparatur der anderen Mängel möglich gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Berücksichtigt man ferner, faß unstreitig all die gerügten Mängel bereits zu Beginn des Mietverhältnisses mit den Klägern vorhanden waren, so muß es der Beklagten zum Verschulden gereichen, daß sie die Mängel nicht unverzüglich, zumindest aber innerhalb der gesetzten Frist beseitigt hat. Sie ist deshalb den Klägern zum Schadensersatz verpflichtet.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte muß den sogenannten "Nichterfüllungsschaden" ersetzen. Dies bedeutet, daß sie die Kläger so stellen muß, wie diese bei ordnungsgemäßer Erfüllung stehen würden. Das heißt, daß die Kläger grundsätzlich keinen Ersatz für die zu Beginn des Mietverhältnisses angeschafften Einrichtungsgegenstände, wie Teppiche und Gardinen, verlangen können. Denn diese Investitionen sind unabhängig von dem Zustand der Mietsache, wären also auch bei mängelfreier Übergabe des Hauses, entstanden. Daß diese Aufwendungen zumTeil nutzlos geworden sind, rechtfertigt gleichfalls keinen Schadensersatz. Denn sogenannte nutzlose Aufwendungen fallen nur dann unter den oben genannten Schadensbegriff, wenn im Rahmen einer zustellenden "Rentabilitätsvermutung" davon ausgegangen werden kann, daß sie sich im Laufe der Zeit durch zu erzielende Erträge finanziert bzw. getragen hätten.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Dies kann vorliegend jedoch nicht angenommen werden.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Ein Nichterfüllungsschaden liegt somit nur insofern vor, als die 1985 angeschafften Waren nicht mehr verwendet werden konnten <u>und</u> an ihrer Stelle wert- und mengenmäßig vergleichbare Ware angeschafft werden mußte. Unter Berücksichtigung dieses Ausführungen gilt für die einzelnen geltend gemachten Schadenspositionen folgendes:</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die den Klägern unstreitig entstandenen Umzugskosten in Höhe von 1.902,20 DM</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">sind zu ersetzen. Diese Kosten wären bei ordnungsgemäß Vertrags-</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">erfüllung seitens der Beklagten nicht entstanden.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Für die neue Wohnung haben die Kläger ausweislich der Rechnung</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">des vom 14. Mai 1986 (Bl. 157 d.A.) insgesamt</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">3.199,97 DM aufgewandt. Ein Schaden ist den Klägern allerdings nur </p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">insoweit entstanden, als sie die 1985 bei ihrem Einzug angeschafften</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Teppiche nicht mehr verwenden konnten <u>und</u> für diese neue Ware</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">anschaffen mußten, bzw. soweit für die Verlegung der alten Teppiche </p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Kosten entstanden sind. Soweit die Kläger über die 1985 bei ihrem </p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Einzug angeschafften Mengen hinaus weitere und teuere Ware ge-</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">kauft haben, liegt kein Schaden vor, da sie insofern in den Besitz</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">eines neuen Gegenwertes gelangt sind. Deshalb können die Kläger</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">nicht den gesamten Rechnungsbetrag der Rechnung vom 14. Mai</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">1986 verlangen. Ausweislich dieser Rechnung haben sie für die</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">neue Wohnung weitaus größere Mengen und teuerere Ware er-</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">worben. Die dortigen Mengen können somit nicht zugrundegelegt</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">werden, mit Ausnahme der in Pos. 1 genannten Kosten für die</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Verlegung des Altbelages in Höhe von 137,07 DM.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Die Kammer legt deshalb zu Vergleichszwecken die in der</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Rechnung vom 10. Juni 1985 (Bl. 21 d.A.) genannten Mengen</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">und Preise zugrunde, und zwar Pos. 2 692,42 DM</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Pos. 3 = 93,87 DM</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Pos. 4 = <u> 66,00 DM</u></p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">insgesamt 989,36 DM</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">+ 14 % Mehrwertsteuer <u>138,51 DM</u></p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">insgesamt 1.027,87 DM.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Die Pos. 1 der Rechnung vom 10. Juni 1985 hat die Kammer</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">hierbei außer Acht gelassen, da ausweislich der Rechnung</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">vom 14. Mai 1986 eine vergleichbare Menge wieder verwendet</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">werden konnte. Insofern ist den Klägern also kein Schaden</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">entstanden.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">
</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Für den in der Rechnung vom 10. Juli 1985 (Bl. 22 d.A.) ge-</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">nannten Teppich, der nicht mehr verwendet werden konnte,</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">steht den Klägern wiederum kein Schadensersatzanspruch zu. </p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Insoweit handelt es sich nach ihrem eigenen Vorbringen lediglich </p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">um "nutzlose" Aufwendungen, die nach den obigen Ausführungen</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">grundsätzlich nicht erstattet werden können.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">4.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte ist ferner nicht verpflichtet, für die neu angeschafften</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Eßzimmergardinen Schadensersatz zu leisten. Die 1985 für die</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">alte Wohnung angeschafften Gardinen konnten nach Vortrag der</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Kläger zumindest "teilweise" wieder verwendet werden. Was un-</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">ter "teilweise" zu verstehen ist, haben die Kläger nicht näher </p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">dargelegt. Es ist deshalb davon auszugehen, daß die neuen</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Gardinen für das Eßzimmer keinen Ersatz für die alten Eß-</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">zimmergardinen darstellten, sondern für die neue Wohnung</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks"><u>zusätzlich</u> erforderlich geworden sind. Insoweit haben die Klä-</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">ger einen bisher nicht besessenen Gegenwert erhalten und sind </p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">nicht geschädigt.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">5.</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Was die geltend gemachten Renovierungskosten für die neue</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Wohnung anbelangt, so ist das Vorbringen zu unsubstantiiert,</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">um Berücksichtigung finden zu können. Die diesbezüglich</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">eingereichte Rechnung der Firma vom 16. Mai 1986</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">hat keinerlei Aussagekraft. Dort sind lediglich Zahlen und </p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">Geldbeträge aufgeführt, die keinerlei Rückschluß auf die tat-</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">sachlich erworbene Ware zulassen. Die Rechnung kann sich</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">somit z.B. auf Luxusrenovierungen bzw. dafür erforderliche</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Waren beziehen, die von der Beklagten nicht zu ersetzen</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">sind. Der Betrag kann somit insgesamt nicht in Ansatz ge-</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">bracht werden.</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">6.</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">Für die neue Wohnung mußten die Kläger unstreitig eine</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Wandkamiese zu einem Preis von 280,00 DM anschaffen 280,00 DM</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">(vgl. Rechnung der Firma vom 7. Juni 1986, Bl. 26</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">d.A.). Hierbei handelt es sich um einen Schaden, da die</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Beklagten bereits bei ihrem Einzug in das Haus des Be-</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">klagten eine vergleichbare Kamiese anfertigen lassen</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">mußten und anstelle dieser nunmehr die oben erwähnte</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">neue Kamiese bezahlen mußten.</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">7.</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">Was die Gardinenschienen anbelangt, so haben die Kläger</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">nicht behauptet, daß sie diese anstelle alter, nicht mehr ver-</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">wendbarer Schienen benötigt haben. Ein Schaden der Klä-</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">ger ist somit diesbezüglich nicht nachgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">8.</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">Soweit die Kläger schließlich hilfsweise Schadensersatz für</p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks">all die 1985 bei ihrem Einzug in die streitgegenständliche</p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks">Wohnung gemachten Aufwendungen verlangen, liegt kein</p>
<span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks">sogenannter "Nichterfüllungsschaden" vor. Diese Aufwen-</p>
<span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks">dungen wären auch dann entstanden, wenn die Beklagte</p>
<span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks">ordnungsgemäß erfüllt hätte.</p>
<span class="absatzRechts">103</span><p class="absatzLinks">Nach alledem stehen den Klägern insgesamt Schadenser-</p>
<span class="absatzRechts">104</span><p class="absatzLinks">satzansprüche in Höhe von 3.210,07 DM</p>
<span class="absatzRechts">105</span><p class="absatzLinks">zu.</p>
<span class="absatzRechts">106</span><p class="absatzLinks">Die Zinsentscheidung beruht auf §§ 291, 288 BGB. Den Klägern konnte insofern lediglich der gesetzliche Zinssatz von 4 % zugebilligt werden, da sie einen darüber hinausgehenden Schaden trotz Bestreitens der Beklagten nicht bewiesen haben.</p>
<span class="absatzRechts">107</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">108</span><p class="absatzLinks">Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 7.633,49 DM festgesetzt.</p>
|
315,392 | lg-dusseldorf-1988-02-26-20a-s-21487 | {
"id": 808,
"name": "Landgericht Düsseldorf",
"slug": "lg-dusseldorf",
"city": 413,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 20a S 214/87 | 1988-02-26T00:00:00 | 2019-03-13T14:54:28 | 2019-03-27T09:43:14 | Urteil | ECLI:DE:LGD:1988:0226.20A.S214.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung des Klägers gegen das am 16. September 1987 verkündete Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf - Aktenzeichen: 35 C 272/87 - wird zurückgewiesen.</p>
<p>Die Kosten der Berufung fallen dem Kläger zur Last.</p>
<p></p>
<p>Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 ZPO abgesehen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat die Klage im Ergebnis zu recht abgewiesen. Dem Kläger steht ein Anspruch aus der
Reisegepäck-Versicherung nicht zu. Ein solcher Anspruch scheitert bereits daran, daß die nach dem Vortrag des Klägers ihm
entwendeten Sachen nicht versichert waren im Sinne der allgemeinen Bedingungen für die Versicherung von Reisegepäck (AVBR
1980).</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Gemäß § 1 Nr. 1 AVBR 1980 ist das Reisegepäck des Versicherungsnehmers Gegenstand der Versicherung. Als Reisegepäck
gelten gemäß § 1 Nr. 2 AVBR 1980 unter anderem sämtliche Sachen des persönlichen Reisebedarfs, die während einer Reise
mitgeführt werden. An dieser Voraussetzung fehlt es hier. Die dem Kläger am 10. Juni 1986 entwendeten Kleidungsstücke
waren keine Sachen des persönlichen Reisebedarfs.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der begriff "persönlicher Reisebedarf" stellt sowohl auf die je subjektiven Bedürfnisse des Versicherungsnehmers als
auch auf die konkrete Reise ab. Diese Verbindung zwischen der Gepäckauswahl des Reisenden und objektiven Umständen der
Reise macht deutlich, daß nicht jeder auf einer Reise mitgeführte Gegenstand als persönlicher Reisebedarf von der
Versicherung umfaßt ist. Demgemäß sind nur solche Sachen durch die Reisegepäck-Versicherung versichert, für die nach Art,
Ziel, Zweck und Dauer der konkreten Reise ein erkennbarer Bezug zu dem Bedarf besteht, den der Reisende während dieser
Reise benötigt. Dabei kommt es nicht notwendig darauf an, daß die mitgeführten Sachen während der Reise tatsächlich benutzt
werden (vergl. van Bühren-Spielbrink, Reisegepäckversicherung, 1982, Randnr. 20 zu § 1 AVBR).</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die dem Kläger entwendeten Kleidungsstücke, die er während seiner Reise auf der Insel X erworben hat, erfüllen diese
Voraussetzungen nicht. Zwar können auch während der Reise erworbene Sachen zum persönlichen Reisebedarf gehören. Dies setzt
jedoch voraus, daß solche Sachen nach ihrer Art und Zweckbestimmung geeignet sind, noch während der Reise Verwendung zu
finden, und tatsächlich der Bedarfsdeckung während der Reise dienen (vergl. van Bühren-Spielbrink, a.a.O. Randnr. 23 zu
§ 1 AVBR).</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Daran fehlt es hier. Der Kläger hat einen Anzug, sowie Unterwäsche, Socken, Hosen, Hemden, Pullover und Jackets in einer
Menge gekauft, die dafür spricht, daß diese Kleidungsstücke nicht mehr den Reisebedarf decken und während der Reise
Verwendung finden sollten. Die Kleidungsstücke sind ihm am 10. Juni 1986 abhanden gekommen. Dies war der letzte Tag
seines Urlaubs, der Tag vor seiner Abreise. Stände fest, daß der Kläger die am 10. Juni 1986 gestohlenen Kleidungsstücke
an diesem Tag gekauft hätte, so stände auch fest, daß die Sachen nicht mehr zum Reisebedarf dieser konkreten Reise gehören
würden.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß wesentliche Umstände dafür sprechen, daß der Kläger in der Tat die
Kleidungsstücke am 10. Juni 1986, seinem letzten Urlaubstag, gekauft hat. Hierzu zählen die Rechnung des Verkäufers, die
vom 10. Juni 1986 datiert, sowie die Tatsache, daß der Kläger in seiner Schadensanzeige vom 12./16. Juni 1986 den 10.
Juni 1986 als Zeit der Anschaffung nennt. Der unbefangene Leser entnimmt dieser Mitteilung, daß die Ware an dem angegebenen
Datum käuflich erworben worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Letztlich kann jedoch offenbleiben, ob der Kläger die Kleidungstücke am letzten Tag seiner Reise erworben hat; denn der
hat nicht hinreichend dargetan, daß er sie zu einem Zeitpunkt erworben hat, der den überzeugenden Schluß zuließe, dieser
umfangreiche Ankauf von Kleidungsstücken habe tatsächlich noch während der Reise Verwendung finden und den Reisebedarf
decken sollen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Angesichts der Umstände, die für den Erwerb am 10. Juni 1986 sprechen, hätte der Kläger substantiiert und eindeutig den
Tag des Erwerbes vor dem 10. Juni 1986 nennen müssen. Dies ist nicht geschehen. In der Klageschrift läßt er vortragen, er
habe die Textilien "Tage zuvor", d.h. vor dem Zeitpunkt des Abhandenkommens gekauft, er habe die "vorher" gekaufte Ware am
10. Juni 1986 bezahlt. Wenn der Kläger dort weiterhin darlegen läßt, er hätte in der Schadensmitteilung an die Beklagte
als Zeit der Anschaffung eintragen müssen, "Mai/Juni 1986", so reicht dies ersichtlich auch nicht aus, den hier
erforderlichen Anschaffungszeitpunkt zu fixieren. Der Kläger war zur Darstellung eines dem Datum nach eindeutig
nachvollziehbaren Erwerbszeitpunkts auch deshalb verpflichtet, weil ihm im vorprozessualen Schreiben der Beklagten vom
8. Januar 1987 zutreffend vor Augen geführt worden war, daß es auf diese Frage rechtlich ankommen könne.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Da der Kläger die Tatsache nicht substantiiert dargelegt hat, die den Rechtsbegriff "Reisegepäck" im Sinne des § 1 Nr. 1
und 2 AVBR 1980 ausfüllen, ist sein Anspruch nicht schlüssig.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.</p>
|
315,393 | olgk-1988-02-26-ss-1788 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | Ss 17/88 | 1988-02-26T00:00:00 | 2019-03-13T14:54:30 | 2019-03-27T09:43:14 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1988:0226.SS17.88.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Unter Verwerfung der weitergehenden Rechtsbeschwerde als offensichtlich unbegründet wird das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit seinen diesbezüglichen Feststellungen aufgehoben. Insoweit wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an dasAmtsgericht Bonn zurückverwiesen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Gründe:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat gegen die Betroffene wegen öffentlicher Aufforderung zu Ordnungswidrigkeiten eine Geldbuße in Höhe von 8.000,--- DM festgesetzt. Es ist im wesentlichen von folgendem Sachverhalt ausgegangen:</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Betroffene ist Bundestagsabgeordnete der Fraktion "D“ Sie ist kinderlos verheiratet und erhält als Abgeordnete monatliche Nettobezüge von über 8.000,-- DM, die sie weitgehend an ihre Partei abführt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Am 18. Februar 1987 stellte sich die Betroffene gegen 10.40 Uhr zusammen mit anderen Abgeordneten der Bundestagsfraktion „D“ auf der Rasenfläche vor dem Eingang des derzeitigen Plenarsaales des Deutschen Bundestags (Wasserwerk) auf. Sie trugen dabei gemeinsam ein Spruchband mit der Aufschrift: "Volkszählungs-Boykott". Die Aktion wurde von den anwesenden Medienvertretern — Pressefotografen und mehrere Fernsehteams — aufgenommen. Es herrschte starker Andrang, weil um 11 Uhr die erste Bundestagssitzung der Legislaturperiode eröffnet werden sollte. Mit ihrem offenen Aufruf wollten die Betroffene und die übrigen Abgeordneten erreichen, daß die Volkszählung verweigert würde.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Zur Höhe der verhängten Geldbuße hat das Amtsgericht u.a. ausgeführt, daß die Betroffene einen Großteil ihres Einkommens an Partei bzw. Fraktion abführe, müsse bei der Bemessung unberücksichtigt bleiben. Zwar stehe es jedermann frei, über seine Mittel beliebig zu verfügen, jedoch dürften selbstgeschaffene Einkommens—und Vermögensminderungen keinen Einfluß auf die Verhängung staatlicher Sanktionen haben. Im übrigen falle bei der Zumessung erschwerend ins Gewicht, daß die Betroffene den Gesetzesverstoß in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete begangen habe. Gerade deshalb sei die Entscheidung der Bußgeldstelle, eine Geldbuße an der oberen Grenze festzusetzen, nicht als ermessensfehlerhaft zu beanstanden.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Soweit es den Schuldspruch angeht, ist die Rechtsbeschwerde als offensichtlich unbegründet zu verwerfen. In diesem Umfang hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Rechtsbeschwerdebegründung keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Betroffenen ergeben (§ 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 2 StPO).</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Verfahrenshindernisse, die das Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu beachten hätte, liegen nicht vor. Der Bußgeldbescheid des Oberstadtdirektors in B vom 2. Juni 1987 ist eine tragfähige Grundlage für die gerichtliche Sachentscheidung (vgl. Göhler, OWiG, 8. Aufl., § 66 Rn. 38 ff. m.w.N.). Er ist namentlich nicht von einer sachlich unzuständigen Verwaltungsbehörde erlassen worden. Der Oberstadtdirektor in B war für den Erlaß des Bußgeldbescheides sachlich zuständig. Das folgt aus § 9 Abs. 3 Satz 3 des Volkszählungsgesetzes (VZG) 1987 in Verbindung mit § 9 DV VZG 87 NW in der Fassung des Art. 1 Nr. 2 AndVO z DV VZG 87 NW. § 24 Bundesstatistikgesetz (BStatG) bestimmt zwar, daß Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36 Abs. 1 OWiG das Statistische Bundesamt ist, soweit es Bundesstatistiken vorbereitet, erhebt oder aufbereitet. Diese Vorschrift kommt jedoch hier nicht zum Zuge, weil nach § 9 VZG 87, der insoweit eine dem § 24 BStatG vorgehende Spezialregelung enthält, für die Durchführung der Zählungen nicht das Statistische Bundesamt verantwortlich ist, sondern die von den Ländern durch Rechtsverordnung zu bestimmenden besonderen Erhebungsstellen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Abgesehen davon wäre das Fehlen der sachlichen Zuständigkeit des Oberstadtdirektors auf die Wirksamkeit des Bußgeldbescheids als Verfahrensgrundlage ohne Einfluß. Erläßt eine sachlich unzuständige Verwaltungsbehörde einen Bußgeldbescheid, so stellt dieser nur dann keine hinreichende Verfahrensgrundlage dar, wenn die Unzuständigkeit der Verwaltungsbehörde unter Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände <span style="text-decoration:underline">offenkundig</span> gewesen ist (vgl. Göhler a.a.O. § 36 Rn. 15 m.w.N.). Das kann im vorliegenden Fall angesichts der bestehenden gesetzlichen Regelungen nicht angenommen werden.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Verfolgung der Betroffenen wegen einer Ordnungswidrigkeit steht Art. 46 Abs. 2 GG nicht entgegen. Die Immunität eines Abgeordneten begründet kein Verfolgungshindernis für die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten (SenE NStZ 1987, 564; Göhler a.a.O. 59 Rn. 42; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 46 Rn. 23).</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Auch die vom Amtsgericht vorgenommene Auslegung, daß die Spruchband—Aufschrift "Volkszählungs—Boykott" über eine bloße Befürwortung des Boykotts hinausgehe und zum Ziel habe, die Adressaten der Erklärung zu einem Verhalten zu veranlassen, das den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach §§ 15, 23 BStatG i.V.m. A 12, 13 VZG 87 erfülle, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden (vgl. Senatsentscheidung vom 15. Januar 1988 —Ss 576/87— m.w.N.).</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Hiernach bleibt die Rechtsbeschwerde, was den Schuldspruch des angefochtenen Urteils betrifft, erfolglos.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Rechtsfolgenausspruch kann dagegen keinen Bestand haben. Insoweit hat die Rechtsbeschwerde einen (vorläufigen) Teilerfolg. Sie führt in diesem Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils unter Zurückverweisung der Sache an die Abteilung des Amtsgerichts, die entschieden hat (§ 79 Abs. 6 OWiG).</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Ausführungen zur Rechtsfolgenentscheidung sind materiell—rechtlich unvollständig und teilweise rechtsfehlerhaft, so daß die Sachrüge durchgreift. Die Erwägngen, mit denen das Amtsgericht die Verhängung einer Geldbuße in Höhe von 8.000,-- DM begründet hat, halten der Nachprüfung nicht stand. Sie lassen vielmehr besorgen, daß der Tatrichter die für die Bußgeldbemessung maßgebenden Leitgesichtspunkte nicht zugrunde gelegt oder in ihrer Tragweite verkannt hat. Grundlage für die Zumessung der Geldbuße sind nach § 17 Abs. 3 OWiG die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der Vorwurf, der den Täter trifft. Auch seine wirtschaftlichen Verhältnisse kommen —außer bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten— in Betracht. Die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit hängt vom sachlichen Gehalt und Umfang der Handlung ab (Rebmann/Roth/Herrmann a.a.O. § 17 Rn. 16). Hierbei sind insbesondere Grad und Ausmaß der Gefährdung bzw. Beeinträchtigung geschützter Rechtsgüter oder Interessen zu berücksichtigen (Göhler a.a.O. § 17 Rn. 16). Darüber hinaus sind besondere Umstände in der Person des Täters, die den Grad seines vorwerfbaren Verhaltens bestimmen, in die Bemessung einzubeziehen (Rebmann/Roth/Herrmann a.a.O.; Göhler a.a.O.; beide zu § 17 Rn. 18). Auszugehen ist vom gesetzlichen Bußgeldrahmen, der hier Geldbuße zwischen 5,-- DM (§ 17 Abs. 1 OWiG) und 10.000,-- DM (§ 116 Abs. 2 Satz <em>2</em> OWiG i.V.m. § 23 Abs. 3 BStatG) vorsieht. Dieser Bußgeldrahmen setzt nicht nur die Grenzen, die nach Auffassung des Gesetzgebers den denkbar schwersten und den denkbar leichtesten Fällen der möglichen Erscheinungsformen einer Ordnungswidrigkeit angemessen sind, sondern normiert gleichzeitig eine kontinuierliche Schwereskala aller möglichen Erscheinungsformen eines Bußgeldtatbestandes (Rebmann/Roth/Herrmann a.a.O. § 17 Rn. 14 m.w.N.). DasHöchstmaß der Geldbuße ist daher nur für die denkbar schwersten Fälle vorgesehen, bei denen keinerlei Milderungsgründe vorliegen, und darf gegen Ersttäter nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen festgesetzt werden (Senatsentscheidungen vom 20.8.1985 - Ss 482/85 - und 3.1.1986 - Ss 798/85; BayObLGVRS 69, 72; OLG Düsseldorf VRS 72, 285). Der Mittelwert der angedrohten Geldbuße ist für die denkbar durchschnittlich schweren Fälle gedacht. Die praktisch vorkommenden Durchschnittsfälle liegen demgegenüber regelmäßig weit unter dem Mittelwert (Göhler a.a.O. § 17 Rn. 25; Rebmann/Roth/Herrmann a.a.O.).</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat die Geldbuße bei der Betroffenen in der Nähe der Höchstgrenze festgesetzt. Den Urteilsgründen kann nicht entnommen werden, daß diese Festsetzung auf ermessensfehlerfreien Erwägungen beruht, zumal das Amtsgericht irrig angenommen hat, keine eigene Ermessensentscheidung treffen, sondern lediglich diejenige der Verwaltungsbehörde überprüfen zu dürfen (vgl. BGHSt. 23, 336; OLG Köln JR 197o, 34; BayObLG VRS 65, 55; Göhler a.a.O. vor § 65 Rn. 8 m.w.N.). Für das Rechtsbeschwerdegericht ist nicht nachvollziehbar, aufgrund welcher Überlegungen das Amtsgericht hier eine Geldbuße verhängt hat, die 4/5 des Bußgeldrahmens ausschöpft. Der Tatrichter durfte allerdings berücksichtigen, daß die Betroffene in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete des Deutschen Bundestags zum Volkszählungs-Boykott aufgerufen und ihre Mitbürger zum Ungehorsam gegen ein rechtsgültig verabschiedetes Gesetz aufgefordert hat. Da Abgeordnete unmittelbaren Einfluß auf die politische Willensbildung nehmen können und die Möglichkeit einer Organklage (vgl. Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG) haben, wiegt das unrechtmäßige Verhalten eines Abgeordneten, der gleichwohl zum Boykott eines ordnungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes anhält, im allgemeinen schwerer als das eines "Normalbürgers" in gleicher Lage (zur vergleichbaren Berücksichtigung der Stellung des Betroffenen im Berufsleben: vgl. Göhler a.a.O. Rn. 18, 19; Rebmann/Roth/Herrmann a.a.O. Rn. 18, 20).</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Abgesehen von diesem täterbezogenen Gesichtspunkt läßt das Urteil aber insgesamt nicht hinreichend erkennen, wie das Amtsgericht die Bedeutung der Tat selbst bewertet und in die Schwereskala eingestuft hat. Es ist nicht plausibel dargelegt, weshalb der Tatrichter bereits das kurzzeitige Ausrollen eines Spruchbandes mit der Aufschrift " Volkszählungs-Boykott " dem engeren Bereich der denkbar schwersten Fälle zugeordnet hat.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Zwar hat der Aufruf mit Wissen und Willen der Beteiligten durch die Medien starke Verbreitung gefunden. Ob aber durch das Verhalten der Betroffenen und ihrer Mittäter - also durch das kurze, wenn auch medienwirksame Vorzeigen des Spruchbandes - geschützte Rechtsgüter oder Interessen (hier das Interesse an einer reibungslosen, erfolgreichen Durchführung der Volkszählung) ernsthaft und nachhaltig gefährdet worden sind, hat das Amtsgericht nicht näher untersucht. Es hat sich insbesondere nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Öffentlichkeitswirkung der Parole "Volkszählungs-Boykott" schon deshalb eine nur geringe Kraft entfaltet haben könnte, weil sie nicht mit Argumenten untermauert war. Auch der "immaterielle Schaden", den die Betroffene nach dem Urteil durch ihr Verhalten angerichtet haben soll, ist nicht durch Tatsachen belegt. Das Urteil läßt hiernach wichtige tatbezogene Einordnungsmerkmale außer Betracht und erweist sich deshalb als sachlich-rechtlich unvollständig. Die im wesentlichen auf die Abgeordneteneigenschaft der Betroffenen zielende täterbezogene Betrachtung ist zu pauschal und zu einseitig angelegt. Sie wird dem in § 17 Abs. 3 OWiG enthaltenen Grundsatz der Gesamtwürdigung von tat- und täterbezogenen Umständen nicht in ausreichendem Maß gerecht.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Auch den wirtschaftlichen Verhältnissen der Betroffenen hat das Amtsgericht bei der Bußgeldbemessung nicht genügend Rechnung getragen. Zu Unrecht will es die monatlichen Nettoeinkünfte der Betroffenen von rund 8.000,-- DM ungekürzt als Bemessungsfaktor zugrunde legen, ohne zu berücksichtigen, daß die Betroffene —wie festgestellt— einen "Großteil" ihres Einkommens an Partei bzw. Fraktion weiterleitet. Das Argument des Amtsgerichts, es dürfe der Betroffenen nicht erlaubt sein, durch selbstgeschaffene Einkommensbelastungen auf die Höhe staatlicher Sanktionen Einfluß zu nehmen, vermag nicht zu überzeugen. Es ist nicht festgestellt, daß die Betroffene die Belastungen, um die es hier geht, gerade mit dem Ziel auf sich genommen habe, künftige Sanktionen möglichst niedrig zu halten, oder zumindest im Bewußtsein, daß konkret mit solchen Sanktionen zu rechnen sei. Mit der weiteren Frage, auf welcher tatsächlichen und rechtlichen Grundlage die Betroffene Geldbeträge an Partei bzw. Fraktion abführt, hat sich das Amtsgericht bisher nicht befaßt. Es ist daher ungeklärt, ob dies nur eine tatsächliche Übung ohne Verbindlichkeitscharakter ist, die jederzeit einseitig aufgehoben oder abgeändert werden könnte, oder ob insoweit eine bindende Absprache zwischen der Betroffenen und ihrer Partei besteht. Sollte eine jederzeit abänderbare, unverbindliche Übung vorliegen, wäre es nicht rechtsfehlerhaft, die ungekürzten Abgeordnetenbezüge der Betroffenen als Bemessungsgrundlage einzusetzen. Bei einer vereinbarten Abführung von Abgeordnetenbezügen an die Partei würde es sich allerdings rechtlich um eine besondere Art von Mitgliedsbeiträgen gemäß § 24 Abs. 2 <em>Nr.</em> 1 PartG handeln (vgl. Seifert in: Das Deutsche Bundesrecht, Anm. 1 zu § 24 Abs. 2). Grundsätzlich sind solche Sonderbeiträge, welche die Partei von Mitgliedern erhebt, die öffentliche Ämter bekleiden, in die sie mit Hilfe der Partei gelangt sind, nicht durch das PartG verboten (Seifert a.a.O.).</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Ob im Einzelfall Bedenken gegen die Wirksamkeit einer Vereinbarung zur Abführung von Sonderbeiträgen angebracht sind —etwa im Hinblick auf eine zu starke Einschränkung des Prinzips des freien Mandats (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG), laßt sich erst verläßlich beurteilen, wenn die Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses und die Höhe der geleisteten Beiträge bekannt ist. Bisher sind jedenfalls mangels konkreter Feststellungen hinreichende Anhaltspunkte für die Unwirksamkeit einer Vereinbarung über die Abführung von Feilen der Abgeordnetenbezüge der Betroffenen an die Partei nicht ersichtlich.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Selbst wenn aus Rechtsgründen die Unwirksamkeit einer solchen Vereinbarung in Betracht käme, würde sich diese auf die Bußgeldbemessung nicht in jedem Falle auswirken. Im Rahmen des § 17 Abs. 3 OWiG ist nicht auf lediglich theoretische Verdienstmöglichkeiten, deren Realisierung unmöglich oder zumindest unzumutbar ist, abzustellen, sondern auf das praktisch erzielte oder zu erzielende Einkommen (Gähler a.a.O. § 17 Rn. 21). Maßgebend ist also, von welchem Verdienst nach den tatsächlichen Gegebenheiten und Lebensverhältnissen ausgegangen werden kann. Sollte es sich - was noch im einzelnen festzustellen ist - so verhalten, daß durchweg jeder, der sich in der Partei "D" um ein Abgeordnetenmandat bewirbt, die Verpflichtung eingehen muß, für den eigenen Bedarf mit einem Bruchteil der regulären Abgeordnetenbezüge auszukommen und den Restbetrag an die Partei abzuführen, so daß er, fände er sich dazu nicht schon im Vorfeld der Nominierung bereit, als Kandidat nicht akzeptiert würde, und daß er schließlich, hielte er das einmal gegebene Versprechen der teilweisen Abführung der Abgeordnetenbezüge nicht ein, innerhalb der Fraktion mit erheblichen Schwierigkeiten bei der Ausübung des Mandats rechnen und befürchten müßte, infolgedessen keine effektive Abgeordnetenarbeit leisten zu können, müßten diese Umstände in die Erwägungen zur Bemessung der Geldbuße mit einbezogen werden.</p>
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315,394 | olgham-1988-02-22-22-u-23987 | {
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} | 22 U 239/87 | 1988-02-22T00:00:00 | 2019-03-13T14:54:31 | 2019-03-27T09:43:14 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1988:0222.22U239.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung der Kläger wird das am 1. Juli 1987 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Münster dahin abgeändert, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt werden, an die Kläger 3.277,80 DM zu zahlen.</p>
<p></p>
<p>Im übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu 45% und die Beklagten zu 55 %.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p>Die Beschwer der Parteien übersteigt nicht den Betrag von 40.000,-- DM.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Durch notariellen Vertrag vom 9. Juni 1983 verkauften die Kläger an die Beklagten eine Eigentumswohnung im Obergeschoß des von ihnen bewohnten Hauses zum Preise von 140.000,-- DM.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses war die Teilung noch nicht vollzogen, es waren noch Umbauarbeiten erforderlich, zu deren Vornahme sich die Kläger in § 3 des Vertrages verpflichteten. Im übrigen wurden die Gewährleistungsansprüche ausgeschlossen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kaufpreis sollte ebenso wie der Besitzübergang zunächst am 1. August 1983 fällig sein, später einigten sich die Parteien darauf, daß dies erst am 1. Oktober 1983 der Fall sein sollte. Der Kaufpreis sollte zahlbar sein auf ein vom beurkundenden Notar einzurichtendes Notaranderkonto. Es wurden ferner als Voraussetzung für die Fälligkeit des Kaufpreises u.a. vereinbart, daß die Teilungserklärung von den Beklagten privatschriftlich genehmigt sei, daß Teileigentum begründet sei, eine Auflassungsvormerkung zugunsten der Beklagten eingetragen sei und der Notar bestätige, daß alle Genehmigungen mit Ausnahme der steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung vorlägen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Wohnung wurde den Beklagten am 1. Oktober 1983 übergeben. Sie zogen am 15. Oktober 1983 ein. Unstreitig waren bei Einzug der Beklagten noch nicht alle Arbeiten erledigt. Der Umfang der noch ausstehenden Arbeiten ist allerdings zwischen den Parteien streitig.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Erst am 29. Februar 1984 wurde die Auflassungsvormerkung zugunsten der Beklagten eingetragen. Mit Schreiben vom 2. März 1983 teilte der Notar den Beklagten mit, daß nunmehr alle Fälligkeitsvoraussetzungen gegeben seien. Die Beklagten zahlten daraufhin den Kaufpreis wie folgt, wobei auf Wunsch der Kläger die Zahlung auf ein Notaranderkonto des Notars xxx erfolgte:</p>
<br /><span class="absatzRechts">7</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td valign="top">15.03.</td>
<td valign="top">7.800,-- DM</td>
</tr>
<tr>
<td valign="top">26.03.1984</td>
<td valign="top">45.406,-- DM</td>
</tr>
<tr>
<td valign="top">04.04.1984</td>
<td valign="top">20.000,-- DM</td>
</tr>
<tr>
<td valign="top">03.05.1984</td>
<td valign="top">7.794,-- DM</td>
</tr>
<tr>
<td valign="top">12.06.1984</td>
<td valign="top">59.000,-- DM</td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Während der Abwicklung stellte man fest, daß die Auflassung noch nicht erklärt war, was am 4. April nachgeholt wurde, worauf die Beklagten als Eigentümer eingetragen wurden.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Mit der Klage verlangen die Kläger Zahlung einer Nutzungsentschädigung für die Zeit vom 1. Oktober 1983 bis zum 15. März 1984 in Höhe von monatlich 546,-- DM für die 84 m2 große Wohnung. Ferner machen sie für die Zeit vom 15. März 1984 bis zum 12. Juni 1984 Verzugszinsen in Höhe von 16 % geltend, die sie bei Inanspruchnahme von Bankkredit hätten zahlen müssen. Insgesamt verlangen sie Zahlung von 5.841,47 DM.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil im Kaufvertrag eine Nutzungsentschädigung nicht vereinbart worden sei. Auch fehle es für das Vorliegen eines Verzuges an einer Mahnung.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Kläger waren bereits mit einer Klage gegen den Notar erfolglos (6 O 391/86 LG Münster). Das Landgericht hatte sie dabei auf eine anderweitige Ersatzmöglichkeit durch Inanspruchnahme der Käufer aus § 812 BGB wegen der gezogenen Nutzungen verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Mit der Berufung verfolgen die Kläger ihren Anspruch weiter. Sie berufen sich darauf, daß die Parteien einverständlich davon ausgegangen seien, daß eine Fälligkeit bereits am 1. Oktober 1983 gegeben sein werde und nicht beabsichtigt gewesen sei, die Beklagten die Wohnung kostenlos nutzen zu lassen. Im übrigen seien die Beklagten auch mehrfach gemahnt worden.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten wenden ein, die Kläger hätten, als das Problem der Nutzungsentschädigung bei Beurkundung angesprochen worden sei, nicht darauf bestanden. Man habe abgewinkt. Außerdem habe man sich im Sommer 1984 dahin verglichen, daß die Kläger Nutzungsersatzansprüche nicht mehr geltend machen wollten. Eine Zahlung komme auch deshalb nicht in Betracht, weil die Wohnung bei Einzug mit derart gravierenden Mängeln behaftet gewesen sei, daß ein Nutzungsvorteil nicht gegeben gewesen sei. Auch eine Anwendung des § 452 BGB komme nicht in Betracht, weil er die Fälligkeit des Kaufpreises voraussetze, die hier erst nach dem 2. März 1984 eingetreten sei.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist in Höhe eines Betrages von 3.277,80 DM begründet, weil die Beklagten verpflichtet sind, den Kaufpreis für die Zeit, für die ihnen die Nutzung der Wohnung möglich war, mit 4 % gem. § 452 BGB zu verzinsen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Den Klägern steht allerdings ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung nicht zu. Die Besitzverschaffung erfolgte nicht rechtsgrundlos. Auch eine Anwendung des § 812 Abs. 1 S. 2 BGB im Hinblick auf eine Zweckverfehlung scheidet aus. Das Landgericht hat im Vorprozeß gegen den Notar verkannt, daß ein derartiger Anspruch nicht gegeben ist, wenn es sich um eine Leistung aus einem gegenseitigen Vertrag handelt. Die Übergabe stand mit der Zahlung des Kaufpreises im Verhältnis der Gegenseitigkeit, so daß für Leistungsstörungen die Regeln der §§ 323 ff BGB maßgebend sind (Palandt-Heinrichs, § 812 Anm. 6 A d; BGH NJW 1966, 541; BGH NJW 1963, 806). Hier bietet zudem das Gesetz selbst eine Regelung in § 452 BGB an. Danach soll der Käufer, der den Kaufpreis nicht zahlen muß, jedoch die Nutzungen der Sache bereits genießt, sog. Nutzungszinsen auf den Kaufpreis zahlen. Es ist zwar richtig, daß die Vorschrift nicht auf andere Vertragsverhältnisse ausgedehnt werden darf, jedoch ist auf den vorliegenden Vertrag, der im wesentlichen Kaufvertrag und nur zu einem geringen Teil Werkvertragscharakter hat, die Vorschrift im Hinblick auf § 651 BGB anwendbar.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Zinspflicht auch dann schon gegeben, wenn der Kaufpreis noch nicht fällig ist (Planck, BGB, § 452 Anm. 2; Staudinger-Köhler, § 452 Rdn. 4; OLG Oldenburg NJW RR 1987, 722). Der Gesetzgeber wollte einen Ausgleich dafür schaffen, daß der Verkäufer die Nutzungsmöglichkeit der Kaufsache dem Käufer überläßt , ohne den Kaufpreis zu erhalten. Ausnahme ist lediglich der Fall der Stundung, in dem der Verkäufer freiwillig auf die Nutzung der Kaufsache verzichtet, ohne gleichzeitig den Kaufpreis nutzen zu können, d.h. die Stundung im Kaufpreis einkalkulieren kann. Die Gegenansicht (Soergel-Huber, § 452 BGB Rdnr. 6; ihm folgend Münchener Kommentar Westermann, § 452 BGB Rdnr. 3 und Palandt-Heinrichs, § 452 BGB Anm. 1b), die es für ausgeschlossen hält, daß der Gesetzgeber eine Pflicht zur Verzinsung nicht fälliger oder einredebehafteter Forderungen habe schaffen wollen, verkennt den klaren Wortlaut des § 452 BGB, der gerade nur für den Fall der Stundung diese Zinspflicht entfallen lassen will (die von den Klägern zitierte Entscheidung BGH NJW 1978, 1482 betrifft nicht das Problem der Voraussetzungen des § 452 BGB, sondern behandelt die Frage, ob die Geltendmachung der Zinsen aus § 452 BGB rechtsmißbräuchlich sein kann). Im übrigen bleibt es dem Käufer auch unbenommen, darauf zu bestehen, daß die Regelung des § 452 BGB ausgeschlossen wird.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die zur ähnlichen Regelung in § 641 BGB ergangene Rechtsprechung, die eine Verzinsung ablehnt, wenn dem Vergütungsanspruch die Einrede des Zurückbehaltungsrechts entgegenstehe (BGH NJW 1971, 2310), ist auf den Fall des § 452 BGB nicht übertragbar, da das Werkvertragsrecht synallagmetischen Voraussetzungen unterliegt. Das zeigt sich schon daran, daß § 452 BGB nicht auf die tatsächliche Nutzung, sondern lediglich auf die Nutzungsmöglichkeit abstellt; § 641 BGB jedoch auf die Abnahme des Werks.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten waren somit verpflichtet, bis zur endgültigen Bezahlung des Kaufpreises Nutzungszinsen vom 1. Oktober 1983 an in Höhe von insgesamt 3.277,80 DM zu zahlen. Wenn sie einwenden, die Wohnung sei mit Mängeln behaftet gewesen, so ist dies unerheblich, da die Mängel entweder die Nutzung nicht beeinträchtigt haben oder dem Gewährleistungsausschluß unterfielen. Von den Beklagten ist im übrigen auch nicht vorgetragen worden, wann die Mängel von den Klägern beseitigt worden sind, unstreitig lagen sie jedenfalls zum Zeitpunkt der Fälligkeit nicht mehr vor.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Der Vortrag der Beklagten zum Verzicht der Kläger auf Nutzungsentschädigung ist sowohl im Hinblick auf einen Ausschluß des § 452 BGB als auch im Hinblick auf einen Verzicht auf die entstandenen Ansprüche unerheblich. Das Abwinken bei der Frage nach der Nutzungsentschädigung, das von den Klägern im übrigen auch bestritten wird, kann als rechtsgeschäftliche Erklärung im Hinblick auf den Ausschluß von Ansprüchen nicht gewertet werden, zumal die Parteien übereinstimmend davon ausgingen, daß der Vertrag rechtzeitig abgewickelt werden konnte. Hinsichtlich des angeblichen Verzichts haben die Beklagten weder Gelegenheit noch Hintergründe vorgetragen. Auch insoweit ist ihr Vortrag unsubstantiiert.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Ein Anspruch der Kläger auf Verzugszinsen besteht dagegen nicht. Die Kläger haben zwar in zweiter Instanz Mahnschreiben vorgelegt, jedoch richten sich diese entweder an den Notar oder an die finanzierenden Banken. Lediglich ein Aktenvermerk über ein Telefongespräch mit dem Beklagten betrifft eine Restzahlung von 8.000,-- DM. Es ist aber unklar, ob es sich dabei überhaupt um einen Teil des Kaufpreises handelt, weil zu diesem Zeitpunkt unstreitig noch ein Betrag von 59.000,-- DM ausstand.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 92, 708 Nr. 10, 713 ZPO.</p>
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315,395 | olgham-1988-02-22-23-w-70287 | {
"id": 821,
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} | 23 W 702/87 | 1988-02-22T00:00:00 | 2019-03-13T14:54:32 | 2019-03-27T09:43:14 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1988:0222.23W702.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der angefochtene Beschluß wird abgeändert.</p>
<p></p>
<p>Unter Aufhebung des Kostenfestsetzungsbeschlusses des Rechtspflegers des Landgerichts Dortmund vom 3. Oktober 1985 werden die von dem Beklagten an die Klägerin zurückzuerstattenden Kosten auf 1.359,42 DM festgesetzt.</p>
<p></p>
<p>Die außergerichtlichen Kosten des Erinnerungs- und Beschwerdeverfahrens werden nach einem Gegenstandswert von 1.200,- bis 1.500,- DM dem Beklagten auferlegt.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Gründe:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Aufgrund eines vorläufigen vollstreckbaren Urteils des Landgerichts Dortmund vom 19. August 1985, das die Kosten des Rechtsstreites der Klägerin auferlegt hatte, hat der Rechtspfleger des Landesgerichtes Dortmund durch Kostenfestsetzungsbeschluß vom 3. Oktober 1985 die von der Klägerin an den Beklagten zu erstattenden Kosten auf 1.359,42 DM nebst 4% Zinsen seit dem 23. August 1985 festgesetzt. In dem anschließenden Berufungsverfahren haben die Parteien vor dem Oberlandesgericht Hamm (17 U 185/85) nach Beweisaufnahme am 3. November 1986 einen Vergleich abgeschlossen, in dem das Urteil des Landgerichtes, das die Klage bis auf einen Betrag von 156,51 DM nebst Zinsen abgewiesen hatte, dahin abgeändert worden ist, daß der Beklagte in zeitlich und betragsmäßig näher festgelegten Raten 4.000,- DM an die Klägerin zu zahlen und die Kosten des Rechtsstreites und des Vergleiches zu tragen hatte. Die Klägerin hat daraufhin beim Landgericht Dortmund unter dem 11. August 1987 um Aufhebung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 3. Oktober 1985 gebeten und die Rückfestsetzung der dadurch festgesetzten Kosten beantragt. Die Rechtspflegerin hat den Rückfestsetzungsantrag durch den angefochtenen Beschluß zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, daß eine Rückfestsetzung von Kosten nur zulässig sei, wenn die Kostenentscheidung, auf der der ursprüngliche Kostenfestsetzungsbeschluß beruhte, aufgehoben oder abgeändert worden sei und die rückfestzusetzenden Kosten unstreitig gezahlt worden seien. Dabei ergibt der Nichtabhilfevermerk der Rechtspflegerin und insbesondere ihre Verweisung auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 10.6.1968 (Anwaltsblatt 1968, 354) und auf Zöller, ZPO, 12. Aufl., Anm. 1 C bb zu § 103 ZPO, daß sie der Auffassung ist, daß bei Abänderung eines für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteils durch einen Prozeßvergleich eine Rückfestsetzung grundsätzlich nicht in Betracht komme.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Mit ihrer Erinnerung gegen diesen Beschluß der Rechtspflegerin macht die Klägerin geltend, daß die Rückfestsetzung bereits gezahlter Kosten in entsprechender Anwendung des § 717 Abs. 2 ZPO auch dann stattfinde, wenn die ursprüngliche Kostengrundentscheidung durch einen Vergleich abgeändert worden sei, denn ein Vergleich beseitige die vorläufige Vollstreckbarkeit eines noch nicht rechtskräftigen Urteils ebenfalls. Die gemäß Kostenfestsetzungsbeschluß vom 3. Oktober 1985 geschuldeten Kosten habe ihre Rechtsschutzversicherung an die Gegenseite gezahlt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat der Erinnerung nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Die nach erfolgter Vorlage gemäß den §§ 21 Abs. 2, 11 Abs. 2 des Rechtspflegergesetzes als sofortige Beschwerde geltende Erinnerung ist begründet, denn entgegen der Auffassung des Landgerichtes bestehen im vorliegenden Falle die Voraussetzungen für die von der Klägerin beantragte Rückfestsetzung.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Kostenfestsetzungsbeschluß vom 3. Oktober 1985, durch den die Zurückfestsetzung anstehenden 1.359,2 DM festgesetzt worden sind, ist dadurch gegenstandslos geworden, daß das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 19. August 1985 nebst der in ihm enthaltenen Kostengrundentscheidung durch den Prozeßvergleich vom 3. November 1986 abgeändert und damit ohne weiteres wirkungslos geworden ist. Lediglich aus Gründen der Rechtssicherheit war der gegenstandslos gewordene Kostenfestsetzungsbeschluß vom 3- Oktober 1985 noch förmlich aufzuheben, wie es im Tenor des Senatsbeschlusses nunmehr geschehen ist.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Ersetzung des vorläufig vollstreckbaren Urteils des Landgerichts vom 19. August 1985 durch den Prozeßvergleich vom 3. November 1986 führt ferner dazu, daß auf Antrag der Klägerin in entsprechender Anwendung des § 717 Abs. 2 ZPO die Rückfestsetzung der Kosten vorzunehmen ist, die die Klägerin aufgrund des nicht rechtskräftig gewordenen Urteils des Landgerichtes unstreitig an den Beklagten gezahlt hat. Von der nach der Rechtsprechung (vgl. OLG Hamm JurBüro 1981, 1246; OLG Karlsruhe JurBüro 1986, 927) als Voraussetzung für die Rückfestsetzung zu verlangenden Unstreitigkeit der Zahlung der Klägerin ist im vorliegenden Falle auszugehen, nachdem der Beklagte deren Empfang nicht bestritten hat, obwohl ihm durch gerichtliche Verfügung vom 26. November 1987 dazu ausdrücklich Gelegenheit gegeben worden ist. Die vom Landgericht vertretene Auffassung, nach Beseitigung eines vorläufig vollstreckbaren Urteils durch Prozeßvergleich könne eine Rückfestsetzung bereits gezahlter Kosten in entsprechender Anwendung des § 717 Abs. 2 ZPO nicht stattfinden, überzeugt nicht. Insbesondere ist nicht ersichtlich, wieso es darauf ankommen soll, ob das erstinstanzliche Urteile im Kostenpunkt durch eine gerichtliche Entscheidung oder durch einen gerichtlichen Vergleich abgeändert worden ist. Mit der Regelung des § 717 Abs. 2 ZPO wollte der Gesetzgeber dem der Vollstreckung aus einem noch nicht rechtskräftigen Titels ausgesetzten Schuldner einen Ausgleich für den Nachteile verschaffen, die ihm durch die vorläufige Durchsetzung eines letztlich nicht für berechtigt erscheinenden Anspruches entstehen (vgl. Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, ZPO, 42. Autl., Anm. 2 C zu § 717.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Insoweit macht es keinen Unterschied, ob der vorläufig vollstreckbare Titel später durch ein Urteil oder durch einen Prozeßvergleich, mit dem die Parteien häufig nur einem abändernden Urteil zuvorkommen, beseitigt wird. Wie vielmehr die Klägerin zu Recht geltend macht, beseitigt ein Prozeßvergleich, der ein vorläufig vollstreckbares Urteil abändert, dessen Wirkung im Umfang der Abänderung ebenso wie eine gerichtliche Entscheidung (Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, a.a.O., Anhang 5 B a zu § 307; Zöller, a.a.O. Aufl., Anm. 3 b zu § 794)- Die in manchen Kommentaren (vgl. z.B. Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, a.a.O., Anm. 5 B d zu § 717 ZPO) gegebene Hinweis, daß § 717 Abs. 2 ZPO auf Vergleiche unanwendbar ist, bezieht sich nicht auf den Fall, daß ein vorläufig vollstreckbares Urteil durch einen Prozeßvergleich abgeändert wird, sondern auf den hier nicht vorliegenden Fall, daß ein Prozeßvergleich - z.B. nach Anfechtung - durch ein Urteil abgeändert wird.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Nach alledem bestehen im vorliegenden Falle gegen eine Rückfestsetzung der an den Beklagten gezahlten 1.359,2 DM keine Bedenken. Auf die Beschwerde der Klägerin war der angefochtene Beschluß daher, wie geschehen, abzuändern.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Da das Rechtsmittel der Klägerin vollen Erfolg hat, fallen Gerichtskosten nach Nr. 1181 der Anlage 1 zu § 11 GKG nicht an. Die außergerichtlichen Kosten des Erinnerungs- und Beschwerdeverfahrens trägt nach § 91 ZPO der Beklagte.</p>
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315,396 | olgham-1988-02-19-4-uf-27986 | {
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"jurisdiction": null,
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} | 4 UF 279/86 | 1988-02-19T00:00:00 | 2019-03-13T14:54:33 | 2019-03-27T09:43:13 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1988:0219.4UF279.86.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beschwerde der Landesversicherungsanstalt Westfalen vom </p>
<p>20. Juni 1986 gegen die den Versorgungsausgleich betreffende Entscheidung des am 20. Mai 1986 verkündeten Verbundurteils des Amtsgerichts</p>
<p>- Familiengericht – Dortmund wird als unzulässig verworfen.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beschwerdeführerin.</p>
<p></p>
<p>Der Beschwerdewert beträgt 1.000,00 DM.</p>
<p></p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Gründe:</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die am 31. Mai 1958 geborene Antragstellerin und er am 29. Oktober 1951 geborene Antragsgegner haben am 28. April 1981 miteinander die Ehe geschlossen, aus der die am 6. Mai 1981 geborene Tochter X hervorgegangen ist. </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Scheidungsantrag der Antragstellerin ist dem Antragsgegner am 23. Juli 1985 zugestellt worden.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Für die Ehezeit vom 1. April 1981 bis 30. Juni 1985 hat das Amtsgericht von der Landesversicherungsanstalt Westfalen und der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Auskünfte über die während der Ehezeit erworbenen Rentenanwartschaften angefordert. Beide haben mitgeteilt, dass bestimmte Zeiten des Versicherungsablaufs bei beiden Parteien noch ungeklärt seien, die auch in der Folgezeit im ersten Rechtszug von den Parteien nicht völlig aufgeklärt worden sind. Die BfA hatte unter dem 18.11.1985 mitgeteilt, bei dem Antragsgegner sei u.a. die Zeit vom 01.01.1979 bis 30.06.1985 ungeklärt. Die Antragstellerin hat sodann beantragt, den Versorgungsausgleich im Einvernehmen mit dem Antragsgegner auszuschließen, und zur Begründung angeführt, sie selbst sei während der Ehe lediglich 1 ½ Jahre, vor der Ehe überhaupt nicht versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Auch der Antragsgegner habe während der Ehe keine versicherungspflichtige Tätigkeit ausgeübt, sondern als selbständiger Kaufmann gearbeitet. </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">In dem Verhandlungstermin vor dem Amtsgericht vom 20.05.1986 hat der Antragsgegner erklärt: Während der Ehezeit sei er nicht versicherungspflichtig tätig gewesen. Er sei mit den von der Antragstellerin gestellten Anträgen "sämtlich einverstanden", damit auch bezüglich des Antrages auf Ausschluss des Versorgungsausgleichs.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat durch das angefochtene Verbundurteil die Ehe der Parteien geschieden, die elterliche Sorge für die Tochter X auf die Antragstellerin übertragen und festgestellt, der Versorgungsausgleich finde nicht statt. Seine Entscheidung zum Versorgungsausgleich hat es damit begründet, allein die Antragstellerin habe Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben, so dass allenfalls sie ausgleichspflichtig sei, obwohl sie in der Ehe auch noch den Haushalt versorgt und das gemeinsame Kind betreut habe. Der Ausschluss entspreche dem Wunsch beider Parteien, da sie eine Durchführung des Versorgungsausgleichs für unbillig halten würden. </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Mit ihrer Beschwerdeschrift vom 20. Juni 1986 beantragt die Landesversicherungsanstalt Westfalen, die angeführte Entscheidung zum Versorgungsausgleich abzuändern und den Versorgungsausgleich durchzuführen. Sie führt aus, das Amtsgericht habe die entsprechenden Auskünfte nicht abgewartet, so dass sie – Beschwerdeführerin – nicht ordnungsgemäß beteiligt worden sei. Es müsse davon ausgegangen werden, dass der Antragsgegner irgendwie geartete Anwartschaften erworben habe, die Einfluss auf den Umfang des Versorgungsausgleichs der bei ihr versicherten Antragstellerin haben könnten, so dass sie – Beschwerdeführerin – beschwert sei. Ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs gemäß § 1587 c BGB sei nur dann möglich, wenn die Durchführung grob unbillig wäre. Eine solche Beurteilung sei aber nur dann möglich, wenn die jeweils erworbenen Anwartschaften geklärt seien. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat die Landesversicherungsanstalt Westfalen u.a. auf Bedenken hinsichtlich ihrer Beschwerdebefugnis hingewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Mit Auskunft vom 15.08.1986 hat die LVA Westfalen bezüglich des Antragsgegners gem. § 1304 RVO eine Auskunft dahin erteilt, dass die auf die Ehezeit entfallende Rentenanwartschaft monatlich 3,90 DM betrage; aus der Ehezeit sind dabei Pflichtbeiträge für die Zeit vom 01.04.1981 bis 30.11.1981 berücksichtigt. Die LVA Westfalen hat weiterhin mitgeteilt: Im Versicherungskonto der Antragstellerin sei die Zeit vom 01.01.1979 bis 31.12.1979 ungeklärt; die Antragstellerin habe zwar bei dem Antrag auf Kontoklärung angegeben, bei der Trinkhalle L beschäftigt gewesen zu sein, eine Anfrage bei der Y und beim angegebenen Arbeitgeber habe zu keinem positiven Erfolg geführt, "die Firma L existierte noch nicht im Jahre 1979". Zu diesem Hinweis der LVA und zu der ungeklärten Zeit des Jahres 1979 hat keine der Parteien Stellung genommen. Die BfA hat unter dem 22.08.1986 mitgeteilt, dass "von hier keine Bedenken gegen einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs" bestehen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist unzulässig, da die Beschwerdeführerin durch die angefochtene Versorgungsausgleichsentscheidung nicht beschwert ist.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Im Verfahren vor dem Familiengericht sind die Rentenversicherungsträger Beteiligte im materiellen Sinne, wenn die Entscheidung unmittelbar in ihre Rechte eingreift, da nur dann ihre Rechte beeinträchtigt sein können (§ 20 Abs. 1 FGG). Solche Eingriffe in die Rechtsstellung eines Rentenversicherungsträgers liegen immer dann vor, wenn bei ihm bestehende Anwartschaften auf ein Versicherungskonto des Ausgleichsberechtigten bei einem anderen Versicherungsträger oder auch bei ihm selbst übertragen werden, sei es, dass bei ihm zugunsten des Ausgleichsberechtigten ein Versicherungsverhältnis begründet oder ein bestehendes Verhältnis inhaltlich verändert wird. Bei einer Übertragung von Anwartschaften gem. § 1587 b Abs. 1 BGB, § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG oder Begründung ohne Beitragspflicht gem. § 1587 b Abs. 2 BGB, §§ 1 Abs. 3 und 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG ergibt sich der Eingriff in die Rechtsstellung schon aus der rechtsgestaltenden Wirkung der Entscheidung. Auch bei einer Begründung von Rentenanwartschaften durch Beitragsentrichtung z.B. gem. § 3 b Abs. 1 Nr. 2 VAHRG liegt ein Eingriff vor, da der Versicherungsträger zur Annahme von Beiträgen verpflichtet wird. Der Versicherungsträger muss in diesen Fällen befugt sein, einen im Gesetz nicht vorgesehenen <u>Eingriff</u> in seine Rechtsstellung durch Einlegung von Rechtsmitteln abzuwehren, ohne dass es insoweit auf eine finanzielle Mehrbelastung ankommt (vgl. BGH FamRZ 1981, 132 ff, 133, 134 = NJW 1981, 1274, 1275; Johannsen/Henrich, Eherecht, 1987, § 621 e ZPO Rn. 9; s. auch Michaelis/Sander in Sonderdruck aus "Die Angestelltenversicherung" Nr. 7/8 aus 1987, Nr. 1.1.2.).</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Diese Erwägungen treffen aber im vorliegenden Fall nicht zu, da die Entscheidung des Amtsgerichts nicht in die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin eingreift, weil der Versorgungsausgleich völlig ausgeschlossen worden ist (vgl. BGH a.a.O., 134 bzw. 1275; Sonderdruck a.a.O.). Die Anwendung oder Nichtanwendung der Vorschrift des § 1587 c BGB beeinträchtigt nur die Rechtsstellung der beteiligten Ehegatten, nicht hingegen diejenige der beteiligten Sozialversicherungsträger (OLG München FamRZ 1982, 1029, 1030). Eine mögliche Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Entscheidung reicht dagegen für eine Beschwer der Sozialversicherungsträgerin nicht aus, da damit ihre Rechtsstellung in keiner der oben beschriebenen Formen beeinträchtigt und eine Popularbeschwerde durch das Gesetz nicht eröffnet ist. Eine Beeinträchtigung der Rechtsstellung der Träger der Rentenversicherung wäre in Fällen wie dem vorliegenden nur denkbar, wenn ihnen ein Anspruch auf Durchführung des Versorgungsausgleichs zustehen würde. Ein solcher Anspruch besteht jedoch nicht. </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Demnach gehen die Beanstandungen durch die Beschwerdeführerin ins Leere.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.</p>
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315,397 | olgham-1988-02-12-20-u-22187 | {
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"jurisdiction": null,
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} | 20 U 221/87 | 1988-02-12T00:00:00 | 2019-03-13T14:54:35 | 2019-03-27T09:43:13 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1988:0212.20U221.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung des Klägers wird das am 8. Mai 1987 verkündete Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Essen abgeändert.</p>
<p>Es wird festgestellt, daß der Beklagte nicht berechtigt ist, einen Teil seiner Aufwendungen anläßlich des Verkehrsunfalls vom 22. März 1986 in ... hinsichtlich der Schadensersatzansprüche der Geschädigten ... und ... in Höhe von insgesamt 16.160,50 DM, beschränkt auf den Betrag von 5.000,- DM, vom Kläger zu verlangen.</p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Mit seinem beim Beklagten haftpflichtversicherten Pkw verursachte der Kläger in der Nacht zum 23.03.1986 in ... einen Verkehrsunfall mit Fremdschaden. Bei der polizeilichen Unfallaufnahme wurde festgestellt, daß der rechte Vorderreifen des Wagens nicht die vorgeschriebene Mindestprofiltiefe von 1 mm aufwies. Der Kläger wurde deshalb später mit einem Bußgeld belegt.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte regulierte den vom Kläger verursachten Fremdschaden von etwas mehr als 16.000,- DM und nahm anschließend den Kläger in Höhe von 5.000,- DM mit der Begründung in Regress, er habe ein nicht verkehrssicheres Fahrzeug geführt und damit eine Gefahrerhöhung vorgenommen; er - der Beklagte - sei daher im Innenverhältnis zum Kläger leistungsfrei. Gleichzeitig kündigte der Beklagte den Versicherungsvertrag mit sofortiger Wirkung.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat dagegen negative Feststellungsklage erhoben und sich unter Beweisantritt dahin eingelassen, er habe sich nach der Beendigung seiner Arbeit als Koch in einer Gaststätte nachts auf dem Heimweg befunden, als plötzlich der rechte Vorderreifen geplatzt sei. Er habe daher das Reserverad montiert, dessen Reifenprofil abgefahren gewesen sei. Damit habe er aber nur noch bis zur nächsten Werkstatt fahren wollen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Nachdem die Parteien den zunächst zusätzlich angekündigten Antrag des Klägers, auch die Unwirksamkeit der Kündigung festzustellen, mit widersprechenden Kostenanträgen übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat der Kläger zuletzt beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">festzustellen, daß der Beklagte nicht berechtigt ist, seine Aufwendungen anläßlich eines Verkehrsunfalls vom 22.03.1986 hinsichtlich der Schadensersatzansprüche der Herren ... und ... in Höhe von 16.160,50 DM, beschränkt auf den Betrag von 5.000,- DM, vom Kläger zu verlangen,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">dem Beklagten im Umfang der Erledigung die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Er hat die Darstellung des Klägers bestritten und ausgeführt, es sei unglaubhaft, daß der Kläger sich mitten in der Nacht noch zur nächstgelegenen Werkstatt habe begeben wollen. Jedenfalls aber hätte der Kläger mit dem abgefahrenen Reifen besonders vorsichtig fahren müssen, so daß ihm auch der Vorwurf grober Fahrlässigkeit zu machen sei.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Beklagte sei schon deshalb leistungsfrei, weil er den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt habe. Es könne daher dahingestellt bleiben, ob eine Gefahrerhöhung vorliege, für die der Beklagte beweispflichtig sei, aber keinen Beweis angetreten habe.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Mit der hiergegen gerichteten Berufung rügt der Kläger, die Begründung des angefochtenen Urteils sei rechtsfehlerhaft. Es könne allein auf die Frage der Gefahrerhöhung ankommen, die jedoch nicht bewiesen sei.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Der Kläger wiederholt seinen erstinstanzlichen Klageantrag, während der Beklagte Zurückweisung der Berufung beantragt.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für richtig. Er wiederholt seine Auffassung, daß die Darstellung des Klägers unglaubhaft sei, und behauptet darüber hinaus, der Kläger habe den Unfall billigend in Kauf genommen, als er den Wagen mit dem abgefahrenen Reifen in Betrieb genommen habe. Daher sei er - der Beklagte - auch wegen vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalls leistungsfrei.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Schriftsätze verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Berufung des Klägers hat Erfolg und führt antragsgemäß zur Abänderung des angefochtenen Urteils.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks"><b>I.</b></p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Begründung des angefochtenen Urteils trägt die Entscheidung nicht.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Parteien streiten um Ansprüche aus einer Haftpflichtversicherung. In der Haftpflichtversicherung hat der Versicherer auch für grobe Fahrlässigkeit Deckung zu gewähren. Seine Eintrittspflicht endet erst, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich gehandelt hat (§152 VVG); die Vorschrift des §61 VVG, die Leistungsfreitheit auch bei grober Fahrlässigkeit vorsieht, gilt nur für die Sachversicherung, im Bereich der Kraftfahrtversicherung also z.B. für die Kaskoversicherung, um die es hier jedoch nicht geht.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Vorsatz - auch bedingter Vorsatz - des Klägers, den der Beklagte in zweiter Instanz behauptet, ist nicht feststellbar. Selbst wenn der Kläger mit der Möglichkeit eines Unfalls gerechnet hätte, wäre damit nicht gesagt, daß er diese Möglichkeit auch billigend in Kauf genommen hätte. Es liegt vielmehr weitaus näher, daß er darauf vertraut hätte, es werde schon nichts passieren. Das wäre aber ein Fall bewußter Fahrlässigkeit, für die der Haftpflichtversicherer Deckung gewähren muß.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks"><b>II.</b></p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Eine zur Leistungsfreiheit führende Gefahrerhöhung (§§23 ff VVG) ist nicht bewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Benutzung eines verkehrsunsicheren Fahrzeugs kann zwar eine Gefahrerhöhung darstellen. Dazu gehört auch die Benutzung abgefahrener Reifen (Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 24. Aufl. 1988, §23 Anm. 2 C c, Amm. 4 vor AKB). Die Annahme einer Gefahrerhöhung setzt nach herrschender Meinung aber voraus, daß ein Zustand (erhöhter Gefahr) von einiger Dauer geschaffen wird (Prölss/Martin, a.a.O. §23 Anm. 2 A c m.w.N.). Daran fehlt es, wenn ein abgefahrener und damit verkehrsunsicherer Reifen nur für eine kurze Fahrtstrecke benutzt wird. Aus diesem Grund liegt eine Gefahrerhöhung dann nicht vor, wenn die Fahrt nur nach Hause oder in die nächste Werkstatt führen soll, wobei diese Fahrt nicht einmal auf dem kürzesten Weg erfolgen muß (BGH VersR 68, 1033 = NJW 68, 2142; Stiefel/Hofmann, Kraftfahrtversicherung, 13. Aufl. 1986, §2 AKB Rn. 111).</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Beweispflichtig dafür, daß ein Zustand erhöhter Gefahr von einiger Dauer geschaffen worden ist, ist der Versicherer. Denn er muß die objektiven Voraussetzungen der Gefahrerhöhung beweisen (Prölss/Martin a.a.O. §25 Anm. 3). Der Beklagte hätte daher die Einlassung des Klägers widerlegen und beweisen müssen, daß das Reserverad mit dem abgefahrenen Reifen nicht erst kurz vor dem Unfall aufmontiert worden, sondern schon längere Zeit in Benutzung war und/oder noch längere Zeit benutzt werden sollte. Hierfür hat der Beklagte, wie schon das Landgericht angemerkt hat, keinen Beweis angetreten. Daß er die Darstellung des Klägers nicht glaubt, genügt nicht. Der Senat hat den Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung angehört. Es haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß seine Schilderung erfunden sein könnte. Daraus folgt zwar nicht, daß sie richtig ist. Darauf kommt es jedoch auch nicht an, denn sie müßte mit der erforderlichen Gewißheit widerlegt werden können. Das ist nicht der Fall. Der unstreitige Umstand, daß der Kläger weder bei der Unfallaufnahme noch im anschließenden Bußgeldverfahren die vorangegangene Reifenpanne erwähnt hat, genügt dafür schon deshalb nicht, weil es hierauf für den Tatbestand der Ordnungswidrigkeit nicht ankam.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die Tatsache, daß der Kläger nach eigener Darstellung des abgefahrenen Reifen bis zu der behaupteten Panne als Reservereifen mitgeführt haben muß, begründet keine Gefahrerhöhung.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Das Mitführen eines Reservereifens ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Es ändert an dem Gefahrenniveau daher auch zunächst nichts, ob ein funktionstüchtiger, ein verkehrsunsicherer oder gar kein Reservereifen im Auto mitgeführt wird. Das Gefahrenniveau wird frühestens dann heraufgesetzt, wenn der Kraftfahrer sich entschließt, den mitgeführten verkehrsunsicheren Reservereifen zu montieren und in Gebrauch zu nehmen. Selbst dies führt aber - wie dargestellt - noch nicht zu einer Gefahrerhöhung im Sinne der §§23 ff VVG, wenn mit dem Reifen nur eine kurze Strecke nach Hause oder zur nächsten Werkstatt zurückgelegt werden soll. Ein Kraftfahrer, der einen abgefahrenen Reservereifen nur für solche Notfälle mitführt, um bei Bedarf mit der gebotenen Vorsicht damit noch seine Wohnung oder eine Werkstatt erreichen zu können, nimmt daher keine Gefahrerhöhung vor.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks"><b>III.</b></p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen, soweit er unterlegen ist, §91 ZPO. Auch soweit die Parteien den Rechtsstreit schon in erster Instanz für erledigt erklärt haben, sind dem Beklagten die Kosten aufzuerlegen, §91 a ZPO, weil der Beklagte mangels Gefahrerhöhung zur Kündigung des Versicherungsvertrages nicht berechtigt war und daher unterlegen wäre, wenn sich die Hauptsache insoweit nicht erledigt hätte.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Der Ausspruch über die Vollstreckbarkeit folgt aus §§708 Ziffer 10, 713 ZPO. Die Beschwer des Beklagten wird auf 5.000,- DM festgesetzt.</p>
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315,398 | olgham-1988-02-12-26-u-19886 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 26 U 198/86 | 1988-02-12T00:00:00 | 2019-03-13T14:54:36 | 2019-03-27T09:43:13 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1988:0212.26U198.86.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.667,48 DM nebst 8% Zinsen seit dem 10. April 1985 zu zahlen.</p>
<p></p>
<p>Im übrigen wird die Klage abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Widerklage wird abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Von den Kosten des Rechtsstreits werden 30% der Klägerin, 70% dem Beklagten auferlegt.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p>Es beschwert die Klägerin in Höhe von 7.184,94 DM und den Beklagten in Höhe von 16.667,48 DM.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Berufung der Klägerin hat überwiegend Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Unter Berücksichtigung der von dem Beklagten zu Recht erklärten Minderung steht der Klägerin ein Restwerklohnanspruch in Höhe von 1.667,48 DM zu. Einen Anspruch auf Rückzahlung der gezahlten 15.000.-- DM hat der Beklagte nicht.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Parteien haben einen Geschäftsbesorgungsvertrag mit Werkvertragscharakter abgeschlossen. Mach herrschender Meinung (vgl. BGH WM 1972, 947 ist der Vertrag zwischen Werbeagentur und Werbungtreibendem ein Geschäftsbesorgungsvertrag im Sinne des § 675 BGB. Der Geschäftsbesorgungsvertrag hat Werkvertragscharakter, da sein Gegenstand allein ein Arbeitserfolg, nämlich die Durchführung einer Einzelmaßnahme - Werbung zum 20. Jubiläum und der Neueröffnung der Firma xxx - war. Nicht schuldete die Klägerin die Einzelmaßnahme als Dienstleistung im Rahmen eines zeitlich und gegenständlich weiter abgesteckten Gesamtauftrags (vgl. BGH a.a.O.). Dafür spricht auch, daß das Honorar nicht für Tätigkeitszeiträume, sondern pro einzelne Werbemaßnahme gezahlt wurde, und zwar in der Höhe je nach Wert dieser unterschiedlich bemessen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis ist nicht gemäß § 134 BGB nichtig. Der Werkvertrag zwischen den Parteien ist nicht gerade, was Voraussetzung der Nichtigkeit wäre, auf die Begehung unlauteren Wettbewerbs gerichtet. Er zielt nicht auf die Abhaltung einer wettbewerbswidrigen Werbeveranstaltung selbst ab. Er ist lediglich auf Werbung für eine wettbewerbswidrige Sonderveranstaltung gerichtet, die der Beklagte durchführen wollte. Beispielsweise ist ein Kaufvertrag auch nicht deshalb nichtig, weil der Verkäufer bei der Warenbeschaffung gegen gesetzliche Vorschriften verstößt (vgl. BGH NJW 1983, 2873).</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Anspruch ist fällig, da die von der Klägerin erstellten Werbemittel unstreitig dem Beklagten vorgelegt und von ihm abgenommen wurden, § 641 BGB.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Der Werklohnanspruch der Klägerin ist gemäß § 634 Abs. 1 S. 3 BGB gemindert.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Daß die vorgesehene Werbeveranstaltung unzulässig war, bestreitet auch die Klägerin nicht. Dieses ist auch nicht zweifelhaft: §§ 9a UWG, 2 SonderveranstaltungsAO finden Anwendung.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Geplant waren Sonderveranstaltungen, nämlich - nach ihrer Legaldefinition - außerhalb des regelmäßigen Geschäftsverkehrs stattfindende Verkaufsveranstaltungen im Einzelhandel, die, ohne Ausverkäufe oder Räumungsverkäufe zu sein, der Beschleunigung des Warenabsatzes dienen und deren Ankündigungen den Eindruck hervorrufen, daß besondere Kaufvorteile gewährt werden. Es handelt sich um Sonderveranstaltungen außerhalb des regelmäßigen Geschäftsverkehrs, da der Beklagte Verkaufsveranstaltungen plante, die auf die angesprochenen Verkehrskreise als eine Unterbrechung des regelmäßigen Geschäftsverkehrs gewirkt hätten. Um Aus- oder Räumungsverkäufe handelt es sich nicht. Die Aktionen dienen der Beschleunigung des Warenabsatzes. Die Ankündigung von Niedrigpreisen und Verlosungen erweckten den Eindruck besonderer Kaufvorteile. Eine Jubiläumsveranstaltung im Sinne von § 3 SonderveranstaltungAO liegt nicht vor. Solche ist nur alle 25 Jahre statthaft, im übrigen nur auf einen Zeitraum von 12 Werktagen begrenzt, § 3 Sonderveranstaltungs-AO.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Für diese Unzulässigkeit hat die Klägerin einzustehen, da sie nicht nur die Durchführung, sondern auch die Konzeption der Werbung schuldete.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Schuldet die Werbeagentur auch die Konzeption als Hauptpflicht, kommen bei fehlerhafter Planung und Ausgestaltung vorrangig die Gewährleistungsvorschriften in Betracht. Ist die Agentur dagegen lediglich mit der Durchführung der Werbung befaßt, trifft sie lediglich die Pflicht zur Beratung über die Zulässigkeit von Werbeveranstaltungen, bei deren Verletzung die Grundsätze der positiven Forderungsverletzung zur Anwendung gelangen (Bülow GRUR 1978, 680: Wedemeyer WRP 1979, 619).</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Betrachtet man Auftragsbestätigung und Rechnung, so kann nicht zweifelhaft sein, daß die Klägerin auch die Konzeption schuldete. Die Begriffe "Idee-Entwurf-Gestaltung-Ausführung" in der Auftragsbestätigung lassen sich nicht anders deuten. Noch deutlicher ist die Formulierung "Konzepte" in der Rechnung.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die von der Klägerin gegen diese Auslegung zweitinstanzlich erhobenen Einwendungen sind nicht durchgreifend: Es kann dahinstehen, ob üblicherweise für die Anfertigung eines Werbekonzepts höhere Preise vereinbart werden. Dieses schließt nicht aus, daß sich die Klägerin im vorliegenden Fall, etwa weil sie einen größeren Auftrag erhielt, auf niedrigere Preise einließ. Daß die Klägerin <u>meinte</u>, unter Idee-Entwurf-Gestaltung solle etwas anderes verstanden werden, ist angesichts des hiervon abweichenden Erklärungswertes dieser Begriffzusammenfügung unerheblich.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat nicht bewiesen, daß die Parteien die Haftung der Klägerin für die Konzipierung rechtlich unzulässiger Werbung ausgeschlossen haben.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Zwar hat die Zeugin xxx folgendes bekundet: Der Beklagte habe auf ihrer Aufforderung hin zugesichert, er kläre die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit der vorgesehenen Werbung mit der Industrie- und Handelskammer und seinem Anwalt ab.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Dem steht jedoch die. Aussage der Zeugin xxx entgegen, die auch nach Angaben der Zeugin xxx Teilnehmerin dieses Gesprächsabschnitts war, bei dem man in den oberen Geschäftsräumen der Firma xxx an der Kaffeebar saß. Diese Zeugin hat mit derselben Bestimmtheit, die auch die Schilderung der Zeugin xxx auszeichnet, angegeben, man habe über die rechtliche Zulässigkeit der Werbeveranstaltung nicht gesprochen, von der Verwendung einer stilisierten Rose, die der xxx ähnelt, abgesehen. Nur in diesem Zusammenhang - so räumte die Zeugin ein, was für ihre Aufrichtigkeit spricht - habe man die rechtliche Zulässigkeit der Werbeveranstaltung erörtert.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Den Aussagen beider Zeuginnen kommt gleiche Glaubhaftigkeit zu: Die Zeugin xxx ist die Ehefrau des Geschäftsführers der Klägerin, die Zeugin xxx ist mit dem Angeklagten verheiratet. Beide sind in den Geschäftsbetrieb der jeweiligen Partei eingebunden, ihre Stellung als Ehefrau und Mitarbeiterin legt den Schluß nahe, daß sie am Ausgang des Rechtsstreits interessiert sind: die Gefahr einer Auswirkung dieser Interessenlage auf ihre Aussagen ist nicht auszuschließen. Da schließlich die von den Zeugen unterschiedlich geschilderten Geschehensabläufe gleichermaßen denkbar und wahrscheinlich sind, ist keiner der Aussagen der Vorzug zu geben. Das Risiko der Nichtaufklärbarkeit des Haftungsausschlusses geht zu Lasten der hierfür beweispflichtigen Klägerin.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">4.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Der in der rechtlich unzulässigen Konzipierung der Werbung enthaltene Sachmangel mindert den Wert der versandten Werbebriefe und hergestellten Plakate, § 63 BGB. Eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung war entbehrlich, da nach Entdeckung des Mangels, die erst nach Versendung der Briefe und Erstellung der Plakate stattfand, eine Nachbesserung nicht mehr in Betracht kam.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">4.1</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">In den <u>Briefen</u> wird unter Inaussichtstellung von Kaufvorteilen für das Jubiläum geworben, auf die Neueröffnung und das Betriebsangebot aufmerksam gemacht und werden Angebote dritter Firmen vorgestellt. Zur Ermittlung ihres Minderwerts kann nach Auffassung des Senats nicht auf eine ex-post-Betrachtung abgestellt werden. Dieses tut jedoch - allerdings beeinflußt durch die Formulierung der Aufgabenstellung - der Sachverständige xxx in seinem schriftlichen Gutachten. Maßgeblicher Zeitpunkt ist der der Abnahme, hier spätestens der Zeitpunkt des Bereitstellens der verpackten, frankierten Briefe zum Versand. Für diesen, für die Beurteilung, ob das Werk mangelfrei ist oder Mängel noch vor Auslieferung beseitigt werden müssen, wesentlichen Zeitpunkt ist die Minderung zu ermitteln, die insbesondere die Kosten der etwaigen Mangelbeseitigung berücksichtigen muß. Die Prospektbriefe hätten mangelfrei nur durch einen Neudruck hergestellt werden können. Für dessen Versand hätten die bereits frankierten Briefumschläge verwandt werden können.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Dagegen kann nicht vorgebracht werden, die geänderte Werbung wäre ohne jeden Sinn gewesen, da der Beklagte die gerade wegen der Unzulässigkeit der Werbung gescheiterte Jubiläumsaktion einschließlich Verlosung hätte abbrechen müssen. Ein Neudruck des Prospektes und sein Versand hätten durchaus Sinn gehabt: Jubiläum und Neueröffnung des verlegten Betriebes wären nach Überzeugung des Senats eine Werbung an den von der Klägerin zur Verfügung gestellten Adressatenkreis wert gewesen. Auch auf dem alten Prospekt sind die Vorteile des neueröffneten Betriebes eindrucksvoll aufgeführt: Das neue große Betriebsgelände mit vielen ausgestellten Wohnwagen, ein modernes Reparaturwerk, eine Zeltaufstellung und ein Zubehörverkauf. Ein von der Klägerin erstellter Lageplan war beigefügt und erfüllte seine Funktion als Wegweiser zum Betriebsgelände des Beklagten. Darüber hinaus wirbt der Prospekt für die Anzeigen anderer Firmen, beispielsweise der Firma xxx, die nach dem Vortrag des Beklagten im Senatstermin vom 03.07.1987 unabhängig vom Jubiläum anläßlich der Einführung eines neuen Zelts erfolgte und für die der Beklagte einen Werbezuschuß von 800,-- DM netto erhalten hatte oder der Firma xxx, die nach Bekundung des gleichnamigen Zeugen 3.000,-- DM für die Anzeige an den Beklagten gezahlt hatte. Eine Werbung für diese Firmen hätte der Beklagte, falls er eine Rückzahlung der erhaltenen Gelder vermeiden wollte, mit einem neuen Prospekt durchführen müssen.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Zu den voraussichtlichen Kosten der Mangelbeseitigung, nach deren Durchführung die Werbung voll verwertbar gewesen wäre, tritt als weitere Minderungsgröße der Einfluß der durch den Versand der mangelhaften Prospekte entstandenen sogenannten Negativ-Werbung. Bei dem Empfängerkreis der Werbebriefe ist durch den auf die fehlerhafte Konzipierung der Werbung zurückzuführenden Abbruch der Werbeveranstaltungen mit dem Wegfall von Kaufvorteilen folgender Effekt anzutreffen: Sie reagieren verärgert, beschließen, vom Beklagten nicht mehr zu beziehen und teilen dieses Dritten mit. In welchem Ausmaß dieser Effekt eingetreten ist, vermochte der Sachverständige aufgrund des vorgetragenen Sachverhalts auch annäherungsweise nicht anzugeben. Auch Aufklärungsmaßnahmen versprechen nach Überzeugung des Senats keinen Erfolg, da Ausmaß und Wirkung des genannten Effekts mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht verifiziert werden können. Diese Folgen können in ihrem Ausmaß nur geschätzt werden. Der Senat hat dieses beim Ansatz der Minderung (dazu unten) berücksichtigt.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Von dem Beklagten zur Untermauerung seines Minderrechts geltend gemachte weitere Mängel liegen nicht vor: </p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Das Bekleben mit Sonderbriefmarken war nach dem Inhalt der Auftragsbestätigung vereinbart. In welchem Umfang allerdings die Klägerin derartige Marken verwandte, kann nicht mehr festgestellt werden.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Die Verwendung von Briefumschlägen mit dem Firmennamen der Klägerin ist durch diese nicht bestritten worden. Die Auftragsbestätigung sah jedoch die Verwendung von Briefumschlägen mit dem Eindruck xxx vor.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Daß dem Beklagten anläßlich der Werbebriefaktion Zahlungen von inserierenden Drittfirmen als im Rahmen der Minderung auszugleichende Vorteile (vgl. Werner/Pastor 5. Aufl. Rdn. 1730 für den gleich zu beurteilenden Fall des Bauvertrages) zugeflossen sind, kann nicht gesagt werden.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Zwar hat die Beweisaufnahme ergeben, daß der Beklagte im Zusammenhang mit dem Versand der Prospekte - inzwischen von ihm unbestritten - von der Firma xxx einen Werbezuschuß in Höhe von 800,-- DM netto und von der Firma xxx einen solchen in Höhe von 3.000,-- DM netto erhalten hat. Andere Zahlungen hat die Klägerin nicht bewiesen. Die Zeugen xxx und xxx und der Beklagte als Partei haben weitere Zahlungen nicht bestätigt.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Der Zeuge xxx hat jedoch unwiderlegt angegeben, der Beklagte werde auf sein Drängen hin die von ihm gezahlten Beträge anteilig zurückerstatten, ein Verbleib der Zahlungen beim Beklagten ist somit nicht gesichert. Dem von der Firma xxx eingebrachten Betrag von 800,-- DM netto allein kommt eine zu berücksichtigende Rolle bei der Gesamtbewertung des Minderungsrahmens nicht zu.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die vorstehenden Überlegungen haben dem Senat zu folgender Abwägung Veranlassung gegeben:</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Der mangelfreie Wert eines Werbebriefes kann mit seinem Einzelpreis von 0,90 DM angesetzt werden. Der frankierte Briefumschlag für sich gesehen hat einen Wert von 0,50 DM - 0,60 DM. Die Kosten von Neudruck und Neusortieren sind mit zumindest 0,20 DM zu bemessen. Berücksichtigt man diese Wertmaßstäbe und nimmt eine Wertminderung durch Negativ-Werbung hinzu, erscheint eine Minderung auf einen Betrag von 0,65 DM pro Brief angemessen.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Dieser ist mit einer Anzahl von 19.884 versandten Briefen zu multiplizieren. Deren Verschickung hat die Klägerin mit den Aussagen der Zeuginnen xxx und xxx bewiesen. Die Zeuginnen haben übereinstimmend und unwiderlegt bekundet, daß zwanzig Kartons à 1.000 Briefe gepackt, zu verschiedenen Postämtern gebracht und von dort versandt wurden. Daß Briefe zwar versandt, aber nicht zugegangen seien, hat der Beklagte nicht behauptet. Dem im Senatstermin vom 12.02.1988 gestellten Beweisantrag des Beklagten auf Vernehmung der Zeugin xxx ist der Senat nicht nachgegangen: Der Antrag ist unbeachtlich. Es handelt sich in Wahrheit um einen auf Ausforschung, ins Blaue hinein gerichteten Beweisermittlungsantrag. Die Zeugin war bisher nämlich allein von der Klägerin benannt worden und bei dieser beschäftigt gewesen. Für seine Behauptung, aus der Aussage der Zeugin xxx werde sich ergeben, daß nicht die berechnete Anzahl von Werbebriefen verschickt worden sei, hat der Beklagte keine konkreten Anhaltspunkte genannt. Allein dem Umstand, daß die Zeugin nicht mehr bei der Klägerin beschäftigt und arbeitslos ist, läßt sich nicht der Schluß entnehmen, daß sie nunmehr die vom Beklagten aufgestellte Behauptung, es seien nicht alle Briefe verschickt worden, bestätigen wird. Vielmehr handelt es sich um eine willkürliche, ohne greifbare Anwaltspunkte ausgesprochene Vermutung (vgl. BGH NJW 1986, 247, KG FamRZ 74, 102).</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Die Zusatzkosten zweite Farbe für den Werbeprospekt in Höhe von 645,-- DM können angesetzt werden. Diese Leistungen sind vom Mangel nicht erfaßt.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">4.2</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Der Wert der von der Klägerin in einer Stückzahl von über fünfzig hergestellten <u>Plakate</u> ist wegen ihres fehlerhaft konzipierten Textes auf "Null" gemindert. Die Plakate müßten völlig neu gedruckt werden. Dem steht die unstreitig gewordene Verwendung von vier bis fünf Plakaten im Schaufenster der alten Betriebsräume des Beklagten noch im Oktober 1985 nicht entgegen: Die in ihnen angekündigten Veranstaltungen haben nicht stattgefunden, der dafür vorgesehene Zeitpunkt ist längst vergangen. Ihrer verbleibenden Bedeutung, auf den Umzug des Betriebes des Beklagten hinzuweisen, kommt eine eigenständige Werbewirkung nicht zu.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">4.3</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks"><u>Lageplan</u> und <u>Anzeigenrahmen</u> - nur der Rahmen, nicht der Inhalt der Anzeige war Leistungsgegenstand - werden von der Minderung nicht erfaßt: Sie behalten trotz der Unzulässigkeit der Sonderveranstaltungen ihren Wert und können ohne Einschränkung weiterverwendet werden.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">4.4</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Auch Mängel seines Inserates in dem EWF-Prospekt (Anlage B I) kann der Beklagte der Klägerin nicht entgegenhalten: Vertragspartner der Klägerin hinsichtlich der Erstellung dieses Prospektes einschließlich der Anzeige des Beklagten war die EWF (Europäischer Wohnmobil-Fahrer e.V. ), nicht der Beklagte. Dieses ist den Erklärungen des Geschäftsführers der Klägerin sowie des Beklagten im Senatstermin vom 03.07.1987 zu entnehmen. Ein Minderungsanspruch wegen der Angabe einer falschen Telefonnummer steht deshalb allein der xxx zu. Daß diese ihn an den Beklagten abgetreten hat, behauptet dieser nicht.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">5.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Der verbleibende Vergütungsanspruch der Klägerin berechnet sich somit wie folgt:</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">0,65 x 19.884 = 12.924,60 DM</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Zusatzkosten zweite Farbe 645,-- DM</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Anzeigenrahmen 160,-- DM</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Entwurf Lageplan, Satzkosten <u> 891,-- DM</u></p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">14.620,60 DM</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">+ 14 % <u> 2.046,88 DM</u></p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">16.667,48 DM</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">- Zahlung von <u>15.000,-- DM</u></p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks"><u> 1.667,48 DM</u></p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">III.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Die Zinsentscheidung folgt aus §§ 286, 288 BGB. Die Höhe des Zinssatzes hat die Klägerin mit Vorlage der Zinsbescheinigung vom 21.01.1988 belegt.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Die übrigen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92, 97, 708 Ziff. 10 ZPO.</p>
|
315,399 | lagham-1988-02-10-1-sa-146187 | {
"id": 794,
"name": "Landesarbeitsgericht Hamm",
"slug": "lagham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Arbeitsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 1 Sa 1461/87 | 1988-02-10T00:00:00 | 2019-03-13T14:54:38 | 2019-03-27T09:43:13 | Urteil | ECLI:DE:LAGHAM:1988:0210.1SA1461.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil </p>
<p>des Arbeitsgerichts Hagen vom 24. Juni 1987 </p>
<p>- 3 Ca 163/87 - wird auf ihre Kosten zurück-</p>
<p>gewiesen.</p>
<p>Der Streitwert beträgt unverändert 1.602,96 DM,</p>
<p></p>
<p>Die Revision wird zugelassen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Tatbestand</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:2px">Mit der Klage macht eine Arbeiterin die Nichtigkeit ihrer Vergütungsabrede mit dem Arbeitgeber wegen Lohnwuchers
und statt der vereinbarten 8,50 DM den tariflichen Stundenlohn geltend.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:2px">Die Klägerin, Mitglied der IG Metall, ist 1964 geboren
und ledig (ohne Kind). Nach ihrem Hauptschulabschluß be-
gann sie eine Ausbildung als Floristin, die sie nach
einigen Monaten abbrach. Anschließend stand sie rund</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:3px">l Jahr im Dienst der Firma , die sie im</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung bei der fabrik
einsetzte und ihr je Arbeits-
stunde 7,50 DM zahlte.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Nachdem die Klägerin etwa 9 Monate arbeitslos gewesen
war und Arbeitslosengeld bzw. -hilfe in unbekannter Höhe
bezogen hatte, kam sie am 06.10.1986 zur Beklagten. Diese
betreibt in H eine fabrik mit
regelmäßig 15 Arbeitnehmern (3 Angestellte, 7 Facharbeiter,
3 Hilfsarbeiter und 2 Auszubildende).</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:4px">In dem voraufgegangenen Einstellungsgespräch einigten sich
die Parteien auf einen Stundenlohn, von 8,50 DM. Die Be-
klagte, die einem Arbeitgeberverband nicht angehört,
pflegt mit allen Mitarbeitern Vergütungsabreden frei zu treffen. Branchenmäßig rechnet sie zur metallverarbeitenden Industrie.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:5px">Die Klägerin wurde als Hilfsarbeiterin eingestellt. Ihr
oblagen im wesentlichen einfache, mit der Hand auszuführen-
de Einlegearbeiten im Werkzeuge. Eine Einarbeitung war
hierfür nicht erforderlich. Es galt eine wöchentliche Arbeitszeit von 37,5 Stunden.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:5px">Einige Zeit nach Aufnahme ihrer Tätigkeit bei der Beklagten bemühte sich die Klägerin um andere Arbeit, die in einem Zeitungs-</p>
|
315,400 | lagham-1988-02-10-2-sa-146187 | {
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<p>Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil </p>
<p>des Arbeitsgerichts Hagen vom 24. Juni 1987 </p>
<p>- 3 Ca 163/87 - wird auf ihre Kosten zurück-</p>
<p>gewiesen.</p>
<p>Der Streitwert beträgt unverändert 1.602,96 DM, </p>
<p>Die Revision wird zugelassen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Tatbestand</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:2px">Mit der Klage macht eine Arbeiterin die Nichtigkeit ihrer Vergütungsabrede mit dem Arbeitgeber wegen Lohnwuchers
und statt der vereinbarten 8,50 DM den tariflichen Stundenlohn geltend.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:2px">Die Klägerin, Mitglied der IG Metall, ist 1964 geboren
und ledig (ohne Kind). Nach ihrem Hauptschulabschluß be-
gann sie eine Ausbildung als Floristin, die sie nach
einigen Monaten abbrach. Anschließend stand sie rund</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:3px">l Jahr im Dienst der Firma , die sie im</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung bei der fabrik
einsetzte und ihr je Arbeits-
stunde 7,50 DM zahlte.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Nachdem die Klägerin etwa 9 Monate arbeitslos gewesen
war und Arbeitslosengeld bzw. -hilfe in unbekannter Höhe
bezogen hatte, kam sie am 06.10.1986 zur Beklagten. Diese
betreibt in H eine fabrik mit
regelmäßig 15 Arbeitnehmern (3 Angestellte, 7 Facharbeiter,
3 Hilfsarbeiter und 2 Auszubildende).</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:4px">In dem voraufgegangenen Einstellungsgespräch einigten sich
die Parteien auf einen Stundenlohn, von 8,50 DM. Die Be-
klagte, die einem Arbeitgeberverband nicht angehört,
pflegt mit allen Mitarbeitern Vergütungsabreden frei zu treffen. Branchenmäßig rechnet sie zur metallverarbeitenden Industrie.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:5px">Die Klägerin wurde als Hilfsarbeiterin eingestellt. Ihr
oblagen im wesentlichen einfache, mit der Hand auszuführen-
de Einlegearbeiten im Werkzeuge. Eine Einarbeitung war
hierfür nicht erforderlich. Es galt eine wöchentliche Arbeitszeit von 37,5 Stunden.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:5px">Einige Zeit nach Aufnahme ihrer Tätigkeit bei der Beklagten bemühte sich die Klägerin um andere Arbeit, die in einem Zeitungs-</p>
|
315,401 | ag-essen-1988-02-03-20-c-69187 | {
"id": 657,
"name": "Amtsgericht Essen",
"slug": "ag-essen",
"city": 417,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 20 C 691/87 | 1988-02-03T00:00:00 | 2019-03-13T14:54:41 | 2019-03-27T09:43:13 | Urteil | ECLI:DE:AGE1:1988:0203.20C691.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 40,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem </p>
<p>07.10.1987 zu zahlen. </p>
<p>Im übrigen wird die Klage abgewiesen. </p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 4/5 und die Beklagte zu 1/5. </p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. </p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Tatbestand: </u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Am 26.02.1987, dem Tag, an dem nach karnevalistischer Tradition die sogenannte "Weiberfastnacht" gefeiert wurde, betrat der Kläger das Altenessener Reisebüro im Einkaufszentrum F. Der Kläger war äußerst gepflegt gekleidet und trug eine Krawatte. Der Kläger wollte bei der Firma I in P durch eine Verabredung mit einem Vertreter einer holländischen Firma wegen des Abschlusses einer Transportversicherung wahrnehmen. </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Als der Kläger das Reisebüro betreten hatte, trat die Beklagte auf ihn zu und versuchte, ohne den Kläger zu fragen, ihm die Krawatte abzuschneiden, die dabei so beschädigt wurde, daß sie nicht mehr tragbar ist. Hierin hatte der Kläger nicht eingewilligt. </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte bot dem Kläger daraufhin sofort an, sich im Einkaufszentrum eine neue Krawatte zu kaufen. Dies lehnte der Kläger jedoch ab. Zu einem Treffen zwischen dem Kläger und dem Interessenten in P kam es an jenem Tage nicht mehr. </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Kläger behauptet unter Bezugnahme auf eine Quittung vom 20.12.1986, die zerstörte Krawatte habe 98,00 DM gekostet. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Aufgrund des Vorfalles habe er eine Ausfallzeit von zwei Stunden gehabt, weil der Termin an jenem Tage nicht mehr zustande gekommen sei, da der Interessent abgereist sei. Unstreitig wurde der Termin dann 14 Tage später nachgeholt. </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Wegen doppelter Fahrt- und Zeitkosten verlangt der Kläger 100,00 DM und regt an, daß das Gericht gemäß § 287 ZPO diesen Betrag schätzen solle. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Kläger behauptet, er arbeite ständig mit Bankkredit zu - 10 % Zinsen. </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt, </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an ihn 198,00 DM nebst 10 %<i> </i>Zinsen seit Zustellung des Mahnbescheides, das ist der 07. 10. 1987 zu zahlen. </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt, </p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen. </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte bestreitet, daß der in der Quittung ausgewiesene Betrag von 98,00 DM sich auf den Kaufpreis für die zerstörte Krawatte bezöge. Sie bestreitet des weiteren, daß der Kläger überhaupt versucht habe, an dem fraglichen Tage noch den Termin in P wahrzunehmen. Er sei noch eine halbe Stunde nach diesem Vorfall wieder in dem Reisebüro erschienen. In dieser Zeit habe er kaum von F nach P und zurückfahren können. überdies sei nicht ersichtlich, wieso der Kläger nicht mit einem abgeschnittenen Schlips den Termin habe wahrnehmen können. Es entspreche nämlich allgemeiner Gepflogenheit am Weiberfastnachtstag, Herren die Schlipse abzuschneiden. überdies habe sie wohl kaum den Kläger unter Ausnutzung einer körperlichen überlegenheit zur Duldung des Abschneidens gezwungen. Der Kläger habe vielmehr die Möglichkeit gehabt, dieser Handlung zu widersprechen und sie zu verhindern. </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte ist daher der Ansicht, sie könne sich auf den Rechtfertigungsgrund der mutmaßlichen Einwilligung berufen. </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Im übrigen sei ihm auch ein Mitverschulden vorzuwerfen, da er das Angebot zum sofortigen Erwerb einer neuen Krawatte nicht angenommen habe. </p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Im übrigen wird ergänzend auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. </p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist nur teilweise begründet. </p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">1. </p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat das Eigentum des Klägers an der Krawatte verletzt und damit den objektiven Tatbestand des § 823 Absatz 1 BGB verwirklicht. Dieses Verhalten ist auch rechtswidrig gewesen. Dabei kann dahinstehen, ob aus Gründen der Sozialadäquanz, des verkehrsrichtigen Verhaltens ausnahmsweise die Rechtswidrigkeit der Eigentumsverletzung nicht indiziert wird, da die Beklagte bei ihrem Tun unstreitig bewußt und damit vorsätzlich hinsichtlich des objektiven Tatbestandes gehandelt hat. In diesem Falle ist es aber nach der herrschenden Rechtsprechung, der sich das Gericht anschließt, unzweifelhaft, daß nicht aus Gründen der Sozialadäquanz dem verwirklichten Erfolg der Unrechtsgehalt abgesprochen werden kann. </p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Rechtfertigungsgründe standen im übrigen der Beklagten nicht zur Seite. Unstreitig geschah die Zerstörung der Krawatte ohne Einwilligung des Klägers. Auch für die Annahme einer mutmaßlichen Einwilligung ist kein Raum. Denn eine mutmaßliche Einwilligung im Zivilrecht kommt nur dann als Rechtfertigung in Betracht, wenn das betroffene Opfer nicht in der Lage ist, ausdrücklich die Einwilligung selbst zu erklären. Dies ist aber offensichtlich nicht der Fall gewesen (vgl. Soergel/Zeuner, BGB, 11. Auflage, § 823, Randnummer 199). Die Beklagte hat auch schuldhaft gehandelt. Wenn auch im Zivilrecht grundsätzlich der Vorsatz die Rechtswidrigkeit des Verhaltens mitumfassen muß (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 45.Auflage 1986, § 276 Anm. 3 a.E.), so hat dennoch die Beklagte schon aufgrund ihres eigenen Vortrages zumindestens fahrlässig gehandelt. Denn die irrtümliche Annahme einer Einwilligung führt weder zur Rechtfertigung noch zum Schuld- ausschluß, soweit diesbezüglich nicht ebenfalls Fahrlässigkeit ausgeschlossen ist (BGH 1M, § 823 Nummer 2 Hb; Soergel-Zeuner, a.a.O., § 823 Randnummer 195; Münchener Kommentar-Mertens, BGB, 2.Auflage 1986, § 823 Randnummer 33). </p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte selbst hat nicht dargelegt, daß sie selbst bei äußerster Anspannung der Sorgfaltspflichten nicht das Fehlen der Einwilligung hat erkennen können. Schon leichte Fahrlässigkeit reicht zur Verwirklichung des Verschuldenstatbestandes aus, § 276 BGB. Die Umstände im einzelnen darzulegen, hätte der Beklagten oblegen, da sie insofern hinsichtlich des Irrtums über vorhandene Rechtfertigungsgründe die Beweislast und damit auch die Darlegungslast trägt (vgl. BGHZ 69, 143). </p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">2. </p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Ist damit die Beklagte dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet, so ist jedoch in der Höhe dem Antrag des Klägers nicht zu folgen. </p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">a) </p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Soweit die Krawatte zerstört ist und Ersatz des Substanz- schadens verlangt wird, so ist Entscheidungsreife gemäß § 286 ZPO nicht gegeben, da die Beklagte den Zusammenhang der Quittung über 98,00 DM mit dem gekauften Binder bestritten und der Kläger daraufhin keinen weiteren Beweis angetreten hat. Dennoch ist. sein Anspruch nicht wegen Beweisfälligkeit abzu weisen, da insoweit Entscheidungsreife zumindestens gemäß § 287 Absatz 1 ZPO vorliegt. Die Voraussetzungen dieser Norm, die dem Gericht ein Schätzungsermessen nach freier Überzeugung einräumen, sind gegeben. Dabei wird in Kauf genommen, daß das Ergebnis der richterlichen Schätzung nicht unbedingt mit dem einer durchermittelten Schadensfeststellung übereinstimmt (Zöller-Stephan, ZPO, 15.Auflage 1987, § 287 Randnummer 1). Die Parteien streiten über die Höhe eines Schadens, so daß der Tatbestand des Absatzes 1 der Norm erfüllt ist. Des weiteren erforderte - was ein unbeschriebenes Tatbestandsmerkmal darstellt (Schneider, Beweis und Beweiswürdigung, Seite 60) die Feststellung der tatsächlichen Schadenshöhe nach der gegebenen Prozeßlage einen unverhältnismäßig hohen Aufwand. Ein Sachverständigengutachten, das als einzig sichere Überzeugungsgrundlage noch dienen könnte, eventuell Im Rahmen des Schätzungsvorganges, § 287 Abstz 1 Satz 2 ZPO, würde Kosten verursachen, die den Wert des zerstörten Objekts sicher bei weitem Oberträfen. </p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Nach dem richterlichen Hinweis im Termin ist die Ausübung des Schätzungsermesens ohne weitere Substantiierungsanforderung oder Aufforderung zu weiteren Beweisantritt nicht überraschend im Sinne des § 278 Absatz 3 ZPO. </p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Aufgrund seiner eigenen Sachkunde und entsprechend den Ausführungen im Termin hält das Gericht einen Schadensbetrag von 40,00 DM für ausreichend und angemessen. Dabei hat das Gericht berücksichtigt, daß nach dem eigenen Vortrag des Klägers die Krawatte mindestens schon drei Monate alt war. Insofern hätte ein Abzug neu für alt ohnehin gemacht werden müssen, weil dies ein Schadensfaktor bei der Schadensberechnung darstellt. Da Textilien nach Tragen einen außergewöhnlich hohen Wertverlust erleiden, ist der angenommene Wert trotz des von dem Kläger angegebenen Kaufpreises von 98,00 DM ausreichend, um sein Interesse zu befriedigen. Demgegenüber ist dem Kläger aber kein Mitverschulden gemäß § 254 Absatz 1 BGB vorzuwerfen, das darin gelegen haben könnte, daß er überhaupt eine Krawatte an jenem Tag getragen hat. Zwar mag es allgemeiner Tradition entsprechen, am Altweiberfastnachtstage Herren Krawatten abzuschneiden, doch beschränkt sich diese Sitte jedenfalls im Essener Raum darauf, an der Arbeitsstätte oder bei Bekannten, nicht aber gänzlich Fremden, die Krawatte abzuschneiden. Die Beklagte, die für die Voraussetzungen des § 254 Absatz 1 BGB darlegungs- und beweispflichtig gewesen wäre, hat nicht im einzelnen dargelegt, worauf das Verschulden des Klägers bei der Herbeiführung des Schadens hätte beruhen sollen. Insoweit ist selbstverständlich eine Schätzung zu den Grundlagen des Mitverschuldens dem Gericht verwehrt (Schneider , a.a.O., Seite<i> 63).</i> Diesbezüglich reicht der Vortrag der BekIagten, der Kläger<i> </i>hätte sich doch wohl wehren können, nicht zur substantiierten Darlegung eines Mitverschuldenstatbestandes aus, da sich ihr Vorbringen auf bloße Vermutung stützt. </p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">b) </p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Soweit der Kläger jedoch 100,00 DM für Fahrt- und Zeitkosten verlangt, ist der Anspruch insoweit als nach eigenem Vortrag unsubstantiiert zurückzuweisen. </p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">aa) </p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat nicht schlüssig dargelegt, welche Schadenspositionen insbesondere welche Fahrtkosten und welche Kosten <b> </b>aufgrund Zeitausfalles ihm entstanden sind. Es ist festzustellen, daß nur Fahrtkosten für eine Fahrt geltend gemacht werden könnten, da eine Fahrt ohnehin von ihm im eigenen Interesse hätte bezahlt werden müssen. Eine weitere Fahrt ist -wenn überhaupt- durch das Verhalten der Beklagten begründet gewesen. </p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">bb) </p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Des weiteren ist der bloße Zeitverlust nicht als Vermögenswert kommerzialisiert und deswegen ist die verlorene Zeit als solche nicht schadensersatzfähig (Palandt-Heinrichs, a.a.O., Vorbemerkung vor § 249 Anmerkung 2 beet ff). </p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">cc) </p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich der Fahrt- und Zeitkosten kommt auch eine Entscheidung des Gerichts unter Ausübung des Schätzungsermessens gemäß § 287 Absatz 1 ZPO nicht in Betracht. Denn dem Gericht fehlen für die Bemessung des Schadensersatz betrages jegliche Grundlagen. Es kann weder aus eigener Sachkunde noch aufgrund vom Kläger beigebrachter Eckdaten einen Schadensbetrag schätzen. </p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">dd) </p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Des weiteren hat der Kläger insoweit gegen seine Schadensminderungspflicht, § 254 Absatz 2 Satz 1 BGB, nach dem unstreitigen Sachverhalt verstoßen, da er zum einen nicht das , Angebot der Beklagten angenommen hat, kurzfristig im Einkaufszentrum einen Schlips zu kaufen, was ohne großen Zeitaufwand hätte geschehen können, und zum anderen hat der Kläger nicht dargelegt - was angesichts der Sachlage ihm oblägen hätte -, weshalb er nicht ohne eine Krawatte den Termin in P hätte wahrnehmen können. Daß das bloße Abschneiden der Krawatte nicht zu einem der Beklagten anzulastenden Terminversäumnis in P hat führen können, versteht sich in diesem Zusammenhang von selbst. Es lag im Risikobereich des Klägers für eine entsprechende Zeitplanung (Fahrt F - P) zu sorgen. </p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">c) </p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Soweit der Kläger einen Zinsbetrag von 10 % als Verzugszins gemäß §§ 284 Absatz 1 Satz 2, 286 Absatz 1 BGB in Höhe von 10 % verlangt, hat er hierfür trotz des Bestreitens der Beklagten keinen Beweis angetreten. Er hat den Nachteil der Beweisfälligkeit zu tragen. Deswegen ist ihm nur der gesetzliche Verzugszins in Höhe von 4 % gemäß § 288 Absatz 1 BGB zuzusprechen. </p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">3. </p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 92 Absatz 1, 708 Nummer 11, 713 ZPO. </p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">C</p>
|
315,402 | ovgnrw-1988-02-01-2-a-188380 | {
"id": 823,
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} | 2 A 1883/80 | 1988-02-01T00:00:00 | 2019-03-13T14:54:43 | 2019-03-27T09:43:13 | Urteil | ECLI:DE:OVGNRW:1988:0201.2A1883.80.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Das Verfahren wird eingestellt, soweit es hinsichtlich der Beträge von 5.084,63 DM und 1.141,85 DM in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist. In diesem Umfang ist das angefochtene Urteil unwirksam.</p>
<p>Im übrigen wird das angefochtene Urteil einschließlich seiner Kostenentscheidung geändert.</p>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p>Die bis zur teilweisen Erledigung der Hauptsache entstandenen Kosten beider Rechtszüge trägt der Beklagte zu einem Drittel, die übrigen Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.</p>
<p>Die Revision wird nicht zugelassen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist Inhaberin eines galvanotechnischen Betriebes. Die Abwässer ihres etwa 7.528 qm großen
Betriebsgrundstücks leitet sie nach Vorklärung in einer betriebseigenen Entgiftungs- und Neutralisierungsanlage
in die städtische Entwässerungsanlage ein. Die Klägerin ist Mitglied des Verbandes, an den sie
Verbandsbeiträge entrichtet. Die Stadt ist ebenfalls Mitglied des Verbandes, dem sie die in der städtischen
Entwässerungsanlage gesammelten Grundstücksabwässer des südlichen Stadtgebietes zur Reinigung
übergibt. Auch im nördlichen, zur entwässernden Stadtgebiet betreibt die Stadt keine Abwasserreinigung;
dort übernimmt die Genossenschaft die in der städtischen Entwässerungsanlage gesammelten Abwässer
zwecks Reinigung. Die Stadt wälzt die an die beiden Verbände zu entrichtenden Verbandsbeiträge über
Gebühren auf die Benutzer der städtischen Entwässerungsanlage ab, indem sie diese Beiträge in ihrer
Gebührenkalkulation berücksichtigt.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Durch Bescheid vom 16. Mai 1975 zog der Beklagte die Klägerin für das Rechnungsjahr 1974 zu
Entwässerungsgebühren in Höhe von 19.343,12 DM heran. Rechtliche Grundlage dieses Bescheides war die
Entwässerungsgebührensatzung vom 8. Dezember 1970 (EGS 1970), die eine Gebührenveranlagung für
Schmutz- und Niederschlagswasser nach dem sogen. Wasserverbrauchsmaßstab (Frischwassermaßstab) vorsah. Der
von der Klägerin an den geleistete Verbandsbeitrag belief sich im Jahre 1974 auf 27.153,- DM.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Den gegen diesen Heranziehungsbescheid eingelegten Widerspruch wies der Beklagte durch Bescheid vom 5. August 1974
zurück.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Mit ihrer dagegen erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht: Der der streitigen Heranziehung zugrunde
liegende § 10 Abs. 3 EGS 1970 verstoße gegen § 7 Abs. 2 Satz 3 des Kommunalabgabengesetzes (KAG), wonach
die Gebühren um die Beträge zu kürzen seien, mit denen der Gebührenpflichtige vom Verband zu
Verbandslasten herangezogen werde. Davon abgesehen verstoße die EGS 1970 gegen das Kostendeckungsprinzip und
den Gleichheitssatz. Denn ein Großeinleiter, der Mitglied der Genossenschaft oder des Verbandes sei, müsse
pro cbm eingeleitetes Abwasser wesentlich höhere Gebühren entrichten als die Einleiter kleinerer Abwassermengen,
die nicht Verbandsmitglieder seien und deshalb für ihre Abwassereinleitung nur an die Stadt Gebühren
entrichteten.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">den Heranziehungsbescheid des Beklagten vom 16. Mai 1974 und den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 5. August
1974 aufzuheben.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Er hat verneint, daß im Gebiet der Stadt die Voraussetzungen für eine Anwendung des § 7 Abs. 2 KAG
gegeben seien.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Durch das angefochtene Urteil, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht der Klage mit der
Begründung stattgegeben, der dem streitigen Bescheid zugrundeliegende Wasserverbrauchsmaßstab sei nach den
örtlichen Gegebenheiten in der Stadt kein gültiger Wahrscheinlichkeitsmaßstab.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Mit seiner hiergegen eingelegten Berufung wandte sich der Beklagte gegen die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts
zur Gültigkeit des Wasserverbrauchsmaßstabes. Durch an die Klägerin gerichtetes Schreiben vom 22. September
1983 hat der Beklagte die streitige Gebühr für das Jahr 1974 neu festgesetzt; er hat dabei mitgeteilt: Am
1. Januar 1963 sei die Entwässerungsabgabensatzung vom 29. November 1982 mit Rückwirkung zum 1. Januar 1974
in Kraft getreten. Daher erfasse sie auch den hier streitigen Heranziehungszeitraum 1974. Nach dieser neuen Satzung
werde der Wasserverbrauchsmaßstab allein für das Einleiten von Schmutzwasser zugrunde gelegt, während
für die Niederschlagswassereinleitung der Maßstab der bebauten und befestigten Fläche gelte. Für
noch nicht bestandskräftige Veranlagungen erfolge daher eine Neufestsetzung der Gebühr. Im Falle der
Klägerin belaufe sich die Schmutzwassergebühr für 1974 auf 13.129,29 DM und die
Niederschlagswassergebühr auf 1.129,20 DM; somit ergebe sich ein Gesamtbetrag von 14.258,49 DM. In Anbetracht der
bisher streitigen Gebührensumme von 19.343,12 DM werde der Klägerin ein Betrag von 5.084,63 DM erstattet.
Mit Schriftsatz vom 7. August 1986 hat der Beklagte in Höhe des Betrages von 5.084,63 DM den Rechtsstreit in der
Hauptsache für erledigt erklärt.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Durch Schriftsatz vom 22. Dezember 1986 hat der Beklagte die streitige Gebührensumme um weitere 1.141,85 DM
ermäßigt. Hierzu hat er mitgeteilt: Durch Entwässerungsabgabensatzung vom 10. Dezember 1986 (EAS 1986)
sei für Mitglieder von Abwasserverbänden der Gebührensatz für Niederschlagswasser für das Jahr
1974 rückwirkend um 0,02 DM gesenkt worden. Diese erneute Satzungsänderung sei erfolgt, weil der von der Stadt
zu tragende Anteil für das Einleiten des Niederschlagswassers von öffentlichen Verkehrsflächen falsch
berechnet worden sei. Auch hinsichtlich dieses Teilbetrages von 1.141,85 DM hat der Beklagte den Rechtsstreit in der
Hauptsache für erledigt erklärt.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">soweit das Verfahren nicht in der Hauptsache erledigt ist, das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage
abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">soweit das Verfahren nicht in der Hauptsache erledigt ist, die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat im Umfang der vom Beklagten vorgenommenen Gebührenherabsetzung ebenfalls die Hauptsache
für erledigt erklärt. Im übrigen vertieft sie ihr erstinstanzliches Vorbringen und macht ergänzend
geltend: Es sei zweifelhaft, ob § 7 Abs. 1 KAG oder Abs. 2 dieser Vorschrift anzuwenden sei. Wenn § 7 Abs. 2
KAG eingreife, dann müsse die streitige Gebühr gemäß Satz 3 dieser Vorschrift um den vollen Betrag
gekürzt werden, den die Klägerin als Beitrag an den Verband leiste; dann sei der Gebührenbescheid in
vollem Umfang aufzuheben. Sofern jedoch nach Auffassung des Senats § 7 Abs. 2 KAG nicht anwendbar sei, greife
zugunsten der Klägerin das Doppelbelastungsverbot des § 7 Abs. 1 Satz 4 KAG ein. In Anbetracht dieser
Vorschrift sei ebenfalls fraglich, ob die Klägerin mit Rücksicht auf die von ihr an den Verband geleisteten
Beiträge noch zu Entwässerungsgebühren veranlagt werden könne. Es bedürfe der
Überprüfung, ob die in § 10 (muß heißen: § 6) Abs. 1 und 2 EAS 1986 enthaltene
Gebührenermäßigung den sich aus § 7 Abs. 1 Satz 4 KAG ergebenden Anforderungen genüge.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Der Vertreter des öffentlichen Interesses hat auf Beteiligung verzichtet.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil, die in beiden Rechtszügen gewechselten
Schriftsätze der Parteien sowie auf die Satzungsunterlagen und übrigen Verwaltungsvorgänge des Beklagten,
die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, ist das Verfahren einzustellen; insoweit ist das angefochtene
Urteil unwirksam.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Berufung im übrigen ist zulässig. Sie ist auch begründet, weil in dem nunmehr noch streitigen
Umfang in Höhe von 13.116,64 DM der angefochtene Bescheid für das Jahr 1974 rechtmäßig ist.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil diesen Bescheid deshalb als rechtswidrig erachtet, weil das im Zeitpunkt
seiner Entscheidung anzuwendende Ortsrecht der Stadt eine einheitliche Gebühr für die Schmutzwasser- und
Niederschlagswasserbeseitigung nach dem sogenannten Wasserverbrauchsmaßstab (Frischwassermaßstab) vorsah.
Diese Bedenken gegen die Gültigkeit des dem streitigen Bescheid damals zugrunde liegenden Ortsrechts greifen
jedoch nicht mehr durch. Denn die Stadt hat (zulässigerweise) mit Rückwirkungsanordnung, die auch den hier
streitigen Veranlagungszeitraum 1974 erfaßt, eine neue Regelung getroffen, die getrennte Maßstäbe
für die Bemessung der Schmutzwasser- und der Niederschlagswassergebühr vorsieht. Gegen die Gültigkeit
der nunmehr anzuwendenden Entwässerungsabgabensatzung vom 10. Dezember 1986 (EAS 1986) bestehen weder formelle
noch materielle Bedenken. Sie ist gemäß ihrem § 13 Abs. 2 für noch nicht bestandskräftig
festgesetzte Gebühren rückwirkend ab 1. Januar 1974 in Kraft getreten und bildet somit die rechtliche
Grundlage der hier streitigen Gebührenheranziehung.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Nach der Entwässerungsabgabensatzung 1986 erfolgt die Veranlagung für die Einleitung von Schmutzwasser
nach dem Wasserverbrauchsmaßstab und für die Einleitung von Niederschlagswasser nach dem Maßstab der
bebauten oder befestigten Grundstücksfläche (§§ 4, 5 EAS 1986). Beide Maßstäbe sind
zulässige Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe im Sinne von § 6 Abs. 3 Satz 2 KAG.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Bei Berechnung der von der Klägerin zu entrichtenden Niederschlagwassergebühr hat der Beklagte eine
bebaute und befestigte Fläche von 7.528 qm zugrunde gelegt, wogegen die Klägerin keine Einwände erhebt.
Der Gebührensatz für die Niederschlagswassergebühr des Jahres 1974 beträgt gemäß §
6 Abs. 2 Buchst. a) EAS 1986 für Mitglieder von Abwasserverbänden 0,13 DM/qm Fläche, so das sich unter
Zugrundelegen dieser Flächengröße die vom Beklagten nunmehr festgesetzte Niederschlagswassergebühr
von 978,64 DM ergibt.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Der Berechnung der Schmutzwassergebühr liegt eine anrechenbare Schmutzwassermenge von 48.627 cbm zugrunde
(GA 160, 172), wogegen die Klägerin ebenfalls nichts einwendet. Der Gebührensatz für die
Schmutzwassergebühr des Jahres 1974 beträgt gemäß § 6 Abs. 1 Buchst. a) EAS 1986 für
Mitglieder von Abwasserverbänden 0,25 DM, woraus sich eine Schmutzwassergebühr von 12.156,75 DM errechnet.
Demgegenüber hat der Beklagte nur eine Gebühr in Höhe von 12.138,- DM festgesetzt, wodurch die Klägerin
jedoch nicht beschwert ist, so daß dieser rechnerische Unterschied auf sich beruhen kann. Gegen die auch im
übrigen zutreffende Berechnungsweise hat die Klägerin nichts geltend gemacht; die Festsetzung der Schmutz-
und Niederschlagswassergebühr ist daher rechnerisch richtig.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die diesen Heranziehungen zur Schmutz- und zur Niederschlagswassergebühr für das Jahr 1974 zugrunde
liegenden Gebührensätze sind rechtmäßig; sie sind in einer Weise ermittelt worden, die den
hierfür zu stellenden gesetzlichen Anforderungen entspricht.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Da erstmals im Jahre 1983 eine Gebührenregelung eingeführt wurde, die getrennte Gebührenbemessungen
für die Schmutz- und die Niederschlagswasserbeseitigung vorsieht, hat die Stadt für die bis zum Jahre 1.974
zurückreichenden und von der Rückwirkungsanordnung erfaßten Heranziehungszeiträume eine
Gebührennachkalkulation vorgenommen, die zulässigerweise auf den Betriebsabrechnungen dieser zurückliegenden
Jahre beruht (BA 12 Bl. 46). Durch diese Nachkalkulation ist sichergestellt, daß die für 1974 geltenden
Gebührensätze nicht gegen das Kostenüberschreitungsverbot (§ 6 Abs. 1 Satz 3 KAG) verstoßen.
Nach den vorliegenden, in der der mündlichen Verhandlung überprüften Verwaltungsvorgängen (BA 12
Bl. 9 R) entfallen von den Gesamtkosten der Stadtentwässerung etwa 65 % auf die Schmutzwasserbeseitigung und etwa
35 % auf die Niederschlagswasserbeseitigung. Es besteht kein Anlaß, die Richtigkeit dieser Berechnung in Zweifel
zu ziehen. Diesem ungefähren prozentualen Verhältnis entspricht die Aufteilung der Gebührensätze
für Schmutz- und für Niederschlagswasser. Denn die Grundstückseigentümer, die nicht Mitglieder von
Verbänden sind, werden für das Jahr 1974 zu Gebührensätzen für Schmutzwasser von 0,31 DM und
für Niederschlagswasser von 0,16 DM veranlagt. Das entspricht einem prozentualen Verhältnis von (0,31 =)
66 % zu (0,16) = 34 %. Diese Gebührensätze sind daher in Anbetracht der prozentualen Aufteilung der Gesamtkosten
der städtischen Abwasseranlage von 65 zu 35 nicht zu beanstanden. Die Mitglieder von Abwasserverbänden, zu denen
die Klägerin gehört, werden nach den bereits angeführten Vorschriften der EAS 1986 zu ermäßigten
Gebührensätzen veranlagt, die jedoch dieses prozentuale Verhältnis beibehalten.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">In die dieser Nachkalkulation für 1974 zugrunde gelegten Gesamtkosten der städtischen Entwässerungsanlage
hat die Stadt die von ihr für den Transport und die Reinigung der Abwässer an die beiden Verbände
( Genossenschaft und Verband) entrichteten städtischen Verbandsbeitäge (3.486.773,- DM + 2,550.049,- DM)
einbezogen; sie hat dadurch eine einheitliche Kostenmasse gebildet. Auf diese Weise hat sie die von ihr entrichteten
Verbandsbeiträge auf die gebührenpflichtigen Benutzer der städtischen Entwässerungsanlage
(einschließlich der Verbandsmitglieder) abgewälzt, Zur Vermeidung einer Doppelbelastung der Verbandsmitglieder,
die, wie die Klägerin, selbst einen Beitrag für die Abwasserreinigung an ihren Verband zahlen, hat die Stadt
jedoch In der Weise eine Gebührenentlastung vorgenommen, daß sie ihnen gegenüber einen jeweils um 18 %
ermäßigten. Gebührensatz in der Satzung festgelegt hat, d.h. der Gebührensatz beträgt bei
Verbandsmitgliedern im Jahre 1974 für Schmutzwasser 0,25 DM/cbm und für Niederschlagswasser 0,13 DM/qm. Den
ermäßigten Gebührensatz hat die Stadt in der Weise ermittelt, daß sie den auf die Abwasserreinigung
entfallenden Anteil der an die beiden Verbände entrichteten städtischen Beiträge (4.744.545,- DM) ins
Verhältnis gesetzt hat zu den Gesamtkosten der Stadtentwässerung des Jahres 1974 (25.776.338,- DM). Daraus
ergibt sich, daß die auf die Abwasserreinigung entfallenden Verbandsbeiträge 18 % der Gesamtkosten des Jahres
1974 entsprechen.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Dieses Vorgehen der Stadt bei der Kalkulation der Gebührensätze für das Jahr 1974 begegnet keinen
rechtlichen Bedenken. Soweit den Gebührensätzen für die Niederschlags- und die Schmutzwasserbeseitigung
Kosten zugrunde liegen, die durch eigene Entwässerungsleistungen der Stadt bedingt sind, gilt § 6 Abs. 2 KAG;
soweit ihnen Beiträge zugrunde liegen, mit denen die von der Stadt an die beiden Verbände ( Verband und
Genossenschaft) zu zahlenden Verbandslasten abgewälzt werden, ist § 7 Abs. 1 KAG maßgebend.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die vom Senat in der mündlichen Verhandlung vorgenommene Überprüfung der durch den Betrieb der
städtischen Entwässerungsanlage entstandenen und den Gebührensätzen für 1974 zugrunde liegenden
Kosten hat keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß hierin auch solche Kosten enthalten wären, die nicht
gemäß § 6 Abs. 2 KAG nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen absatzfähig sind.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Ebenso wenig ergeben sich Bedenken gegen die Berücksichtigung der städtischen Verbandsbeiträge nach
Maßgabe von § 7 Abs. 1 KAG. Nach Satz 1 a.a.O. werden die von Gemeinden für die Mitgliedschaft in einem
Wasser- und Bodenverband oder in einem Zweckverband (Verband) zu zahlenden Beiträge und Umlagen (Verbandslasten)
nach den Grundsätzen des § 6 Abs. 1 Satz 1 und 2 KAG durch Gebühren denjenigen auferlegt, die Einrichtungen
und Anlagen des Verbandes in Anspruch nehmen oder denen der Verband durch seine Einrichtungen, Anlagen und Maßnahmen
Vorteile gewährt. Bei der Bemessung der Abwälzungsgebühr ist § 6 Abs. 3 KAG entsprechend anzuwenden
(Satz 2 a.a.O.). Doch dürfen nach Satz 4 a.a.O. keine Gebühren erhoben werden, soweit die Abgabepflichtigen
selbst von dem Verband für die Inanspruchnahme seiner Anlagen oder für die von ihm gewährten Vorteile
zu Verbandslasten oder Abgaben herangezogen werden. Allein nach diesen Bestimmungen ist die Art der Berücksichtigung
der städtischen Verbandsbeiträge in der Gebührenkalkulation zu beurteilen.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es nicht darauf an, ob das Vorgehen der Stadt insoweit mit § 7
Abs. 2 KAG im Einklang steht. Nach Satz 1 dieser Vorschrift gelten Einrichtungen und Anlagen des Verbandes mit
Einrichtungen und Anlagen der Gemeinde als einheitliche Einrichtung oder Anlage, wenn sie dergestalt eine technische
Einheit bilden, daß sie ihren Zweck nur gemeinsam erfüllen können, und wenn außerdem Verband und
Gemeinde gleichartige Leistungen (z.B. Ortsentwässerung oder Abwasserreinigung) erbringen. In diesen Fällen
können die Gemeinden neben den Verbandslasten nach Abs. 1 Satz 1 und 2 auch die Kosten für ihre eigenen
Einrichtungen und Anlagen nach § 6 KAG denjenigen auferlegen, welche die einheitliche Einrichtung oder Anlage in
Anspruch nehmen (Satz 2). Nach § 7 Abs. 2 Satz 3 KAG sind die auf die einzelnen Abgabenpflichtigen entfallenden
Gebühren grundsätzlich um die Beträge zu kürzen, mit denen die Abgabepflichtigen selbst von dem
Verband zu Verbandslasten oder Abgaben herangezogen werden. Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Stadt§ 7 Abs. 2
KAG überhaupt hätte anwenden dürfen, oder ob nicht diese Vorschrift bereits wegen Fehlens ihrer
tatbestandlichen Voraussetzungen (Gleichartigkeit der Leistungen) im Gebiet der Stadt unanwendbar ist.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks"><i>Vgl. OVG NW, Urteil von 21. September 1976 - II A 750/74 -, Gemeindehaushalt (Gemht) 1977, 90, wonach § 7 Abs.
2 KAG im nördlichen zu entwässernden Stadtgebiet von nicht anwendbar ist.</i></p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Denn § 7 Abs. 2 Satz 2 KAG enthält keine Verpflichtung, sondern lediglich eine Ermächtigung für
die Gemeinde, gemäß dieser Vorschrift zu verfahren. Auch wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 Satz 1 a.a.O.
vorliegen, ist es daher der Gemeinde freigestellt, bezüglich der Abwälzung ihrer Verbandslasten nach Abs. 1
oder Abs. 2 a.a.O. vorzugehen. Der Rat der Gemeinde muß sich in seiner Beschlußfassung über den
Gebührensatz lediglich entscheiden, welche der beiden von Gesetz getroffenen Möglichkeiten er wählt.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks"><i>Vgl. OVG NW, Urteil vom 8. August 1.984 - 2 A 2501/73 -, Gemht 1985, A4 = StGR 1985, 388.</i></p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Hier hat sich der Rat der Stadt für die Anwendung des § 7 Abs. 1 KAG entschieden.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die Stadt hat § 7 Abs. 1 KAG auch richtig angewandt.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Die Voraussetzungen für eine Abwälzung der Verbandsbeiträge liegen vor. Verband und Genossenschaft,
die in § 6 Abs. 1 a) und 2 a) EAS 1986 als Abwasserverbände bezeichnet werden, sind Wasserverbände i.S.
des § 7 Abs. 1 Satz 1 KAG.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks"><i>Vgl. Bauernfeind/Zimmermann, Kommunalabgabengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., § 7
Rdnr. 3.</i></p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Sie gewähren den Eigentümern der an die städtische Entwässerungsanlage angeschlossenen
Grundstücke insofern Vorteile i.S. dieser Vorschrift, als sie die für eine ordnungsmäßige
Grundstücksentwässerung erforderlichen Maßnahmen des Abwassertransports und der Abwasserreinigung
durchführen.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Es bestehen unter diesen Umständen keine Bedenken dagegen, daß die Stadt für die anteilige
Abwälzung der von ihr zu tragenden Verbandslasten nicht eine besondere Kosten- und Gebührenmasse gebildet,
sondern ihre Verbandslasten und die unmittelbar im Bereich der städtischen Anlage entstandenen Kosten in einer
einheitlichen Gebührenkalkulation zwecks Bildung einheitlicher Gebührensätze zusammengefaßt hat,
die jeweils (für Schmutzwasser wie für Regenwasser) beide Arten von Kosten (eigene und Verbandslasten)
erfassen.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks"><i>Vgl. Bauernfeind/Zimmermann, a.a.O., § 7 Rdnr. 10 (S. 197).</i></p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Die Gemeinde kann auch dann eine einheitliche Kostenmasse ermitteln, wenn sie an verschiedene Verbände
unterschiedliche Verbandslasten zu leisten hat; dies setzt nur voraus, daß die gemeindliche Kanalisation
insgesamt nicht ohne die Mitgliedschaft der Gemeinde in allen Verbänden betrieben werden kann.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks"><i>Vgl. OVG NW, Urteil vom 26. Februar 1982 - 2 A 1667/79 -, Gemht 1983, 113 (115 f) = Hessische Städte- und
Gemeindezeitung (HSGZ) 1982, 267 (271) = Städte- und Gemeinderat (StGR) 1982, 240 (243 f).</i></p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Das ist hier der Fall. Denn die Stadt kann das gesamte Stadtgebiet durch ihre einheitliche öffentliche
Entwässerungsanlage nur dann entwässern, wenn sie als Mitglied beider Verbände entsprechende Leistungen
dieser Verbände in Anspruch nimmt. Auf eine etwaige Unterschiedlichkeit in den Leistungen der Verbände und in
der Höhe der jeweiligen Verbandslasten kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks"><i>Vgl. hierzu Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 11. November 1987 - 8 C 49.86 - (Leitsatz 1) betr. Umlage
der Abwasserabgabe.</i></p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Die Stadt durfte daher in der hier für 1974 maßgeblichen Gebührennachkalkulation sämtliche
Verbandslasten als Kosten ansetzen ( genossenschaft 3.486.773,- DM,verband 2.550.049,- DM, BA 12 Bl. 46). Derartige
Verbandslasten sind nicht nur auf diejenigen abzuwälzen, die Anlagen des Verbandes in Anspruch nehmen, sondern
auch auf diejenigen, "denen der Verband durch seine Einrichtungen, Anlagen und Maßnahmen Vorteile
gewährt" (§ 7 Abs. 1 Satz 1 KAG), wobei mittelbare Vorteile genügen.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks"><i>Vgl. hierzu OVG NW, Urteil vom 26. Februar 1982, a.a.O.; Bauernfeind/Zimmermann, a.a.O., § 7 Rdnr. 7.</i></p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Solche mittelbaren Vorteile haben die an die Kanalisation der Stadt angeschlossenen Grundstückseigentümer
nicht nur durch die Abwasserreinigung, welche die Verbände für die von der Stadt gesammelten Abwässer
durchführen, sondern auch durch den Abwassertransport vom Übergabepunkt bis zur jeweiligen Kläranlage.
Es verstößt daher nicht gegen § 7 Abs. 1 Satz 1 KAG, wenn die Stadt nicht nur ihren Beitrag für die
Abwasserreinigung (4.744.545,- DM, BA 12 Bl. 48), sondern den vollen Betrag der von ihr entrichteten Verbandsbeiträge
(3.486.773,- DM + 2.550.049,- DM, BA 12 Bl. 46) in die Kosten einbezogen hat. Damit beteiligt sich die Stadt nämlich
finanziell auch an dem Transport des gesammelten Abwassers zur Kläranlage, soweit dieser durch die Verbände
erfolgt; dieser Transport ist für die Entwässerung des Stadtgebietes ebenso notwendig wie die sich
anschließende Abwasserreinigung.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Entgegen den von der Klägerin geltend gemachten Bedenken hat die Stadt auch das sogenannte Doppelbelastungsverbot
des § 7 Abs. 1 Satz 4 KAG in richtiger Weise beachtet. Nach dieser Vorschrift dürfen von den Abgabepflichtigen
Gebühren (= Abwälzungsabgaben i.S.v. Satz 1 a.a.O.) nicht erhoben werden, soweit diese selbst vom Verband
(u.a.) für die von ihm gewährten Vorteile herangezogen werden. Dies bedeutet nicht, daß die
Verbandsbeiträge des <u>einzelnen</u> Gebührenpflichtigen für die Abwasserreinigung von der für
ihn errechneten Gebühr abzuziehen wären. Eine derartige Regelung trifft § 7 Abs. 2 Satz 3 KAG für
die in Satz 1 a.a.O. geregelten Fälle. Schon die von dieser Vorschrift abweichende Formulierung in § 7 Abs. 1
Satz 4 KAG läßt darauf schließen, daß nicht dasselbe gemeint ist wie in § 7 Abs. 2 Satz 3 KAG.
Aus Wortlaut und Sinnzusammenhang des § 7 Abs. 1 Satz 4 KAG ergibt sich, daß mit "soweit" nicht die
Höhe der im Einzelfall von den Abgabepflichtigen zu zahlenden Verbandslasten, sondern Art und Umfang der
Inanspruchnahme von Einrichtungen oder Vorteilen des Verbandes gemeint sind: Wird der Eigentümer eines an die
Kanalisation der Stadt angeschlossenen Grundstücks als Mitglied eines Verbandes (ebenso wie die Stadt) für
die Abwasserreinigung (die ihm infolge des Anschlusses an die städtische Anlage zugute kommt) zu
Verbandsbeiträgen herangezogen, dann darf der auf ihn anzuwendende Gebührensatz nicht den Anteil an den
Verbandslasten der Stadt enthalten, der auf die Abwasserreinigung entfällt.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks"><i>Vgl. hierzu Bauernfeind/Zimmermann, aaO, § 7 Rdnr. 10 und Urteil des Senats vom 17. Mai 1971 - II A 301/68 -,
KStZ 1971, 227 zur insoweit ähnlichen Rechtslage vor Inkrafttreten des KAG NW nach § 186 Abs. 1 Satz 2 der
Ersten VO über Wasser- und Bodenverbände vom 03.09.1937, RGBl. I, 933.</i></p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Soweit die Verbandslasten der Stadt dagegen für den Transport zur Kläranlage entrichtet werden, bleiben
sie nach § 7 Abs. 1 Satz 1 KAG uneingeschränkt abwälzungsfähig, weil hiervon auch die an die
städtische Kanalisation angeschlossenen Verbandsmitglieder mittelbare Vorteile haben, für die sie nicht
selbst Beiträge an ihren Verband entrichten.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Nach den dem Senat vorliegenden Verwaltungsvorgängen (BA 12 Bl. 46 ff) hat die Stadt im Hinblick auf das
Doppelbelastungsverbot in der Gebührenkalkulation richtigerweise von dem alle Kosten (einschließlich der
städtischen Verbandslasten) berücksichtigenden Gebührensatz den Prozentsatz abgezogen, der dem Anteil
ihrer Verbandslasten (nur) für die Abwasserreinigung an den Gesamtkosten (einschließlich aller Verbandslasten)
entspricht (BA 12 Bl. 46, 48), nämlich 18 %. Allerdings geht die Stadt für das Jahr 1974 von dem alle Kosten
berücksichtigenden Gebührensatz von 0,31 DM (Schmutzwasser) bzw. 0,16 DM (Niederschlagswasser) aus, weil dies
die im Zeitpunkt der Gebührenkalkulation schon geltenden Gebührensätze gewesen sind (Fußnote BA 12
Bl. 46), während die angesetzten Kosten höhere Gebührensätze rechtfertigen würden. Dies
führt jedoch nicht zur Ungültigkeit der Gebührenfestsetzung.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Unbedenklich ist auch der gleiche Abzug von 18 % der Gesamtkosten sowohl bei der Schmutzwasser- als auch bei der
Niederschlagswassergebühr. Wie der Beklagte in der Berufungsverhandlung dargelegt hat, spielt der Unterschied
zwischen den beiden Arten von Abwasser weder bei der von den Verbänden vorgenommenen Abwasserreinigung noch bei
der Bemessung des auf die Abwasserreinigung entfallenden Anteils an den von der Stadt zu entrichtenden Verbandslasten
eine Rolle. Die Berechnung des von der Stadt an die Genossenschaft zu entrichtenden Beitrages (auch) nach der befestigten
Gesamtfläche des zu diesem Verband entwässerten Stadtgebiets ist lediglich ein zusätzlicher
Berechnungsfaktor; er dient jedoch nicht der gesonderten Berechnung eines Beitrages für die Reinigung von
Niederschlagswasser.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Ansicht der Klägerin führt die Bemessung der kommunalen Entwässerungsgebühr für
Verbandsmitglieder nicht zu einer Art. 3 Abs. 1 GG verletzenden Ungleichbehandlung gegenüber Gebührenpflichtigen,
die nicht Verbandsmitglieder sind und nur von der Stadt zu Entwässerungsgebühren herangezogen werden. Denn es
fehlt bereits an einem im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG vergleichbaren Sachverhalt. Soweit die zusätzliche Belastung
der Verbandsmitglieder durch Verbandsbeiträge nicht durch die Anwendung des für sie festgesetzten niedrigeren
Gebührensatzes kompensiert wird, ist ihre im Vergleich zu den anderen angeschlossenen Grundstückseigentümern
stärkere Belastung die Folge ihrer Mitgliedschaft in dem Verband. Im Rahmen des Mitgliedschaftsverhältnisses
zahlen sie für die vom Verband gewährten Vorteile an diesen Beiträge nach den dafür geltenden
Vorschriften. Soweit die Verbandsmitglieder Leistungen der Stadt in Anspruch nehmen, und soweit ihnen der Verband
Vorteile gewährt, für die er von der Stadt, nicht aber von ihnen Beiträge erhebt, werden die
Verbandsmitglieder in gleicher Weise mit Gebühren belastet wie die anderen Grundstückseigentümer.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Der Berufung war daher stattzugeben und die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht für den in der Hauptsache erledigten Teil des Verfahrens auf § 161 Abs. 2
VwGO. Nach dieser Vorschrift sind dem Beklagten die Verfahrenskosten insoweit aufzuerlegen, als er durch die teilweise
Aufhebung seines Heranziehungsbescheides die Hauptsacheerledigung herbeigeführt hat. Im übrigen beruht die
Kostenentscheidung auf § 154 Abs. 1 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Für eine Zulassung der Revision fehlt es an den gesetzlichen Voraussetzungen (§§ 132 Abs. 2, 137
Abs. 1 VwGO).</p>
|
315,403 | olgham-1988-01-29-11-u-16287 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 11 U 162/87 | 1988-01-29T00:00:00 | 2019-03-13T14:54:44 | 2019-03-27T09:43:12 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1988:0129.11U162.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung der Klägerin, die im übrigen zurückgewiesen wird, wird das am 27. Februar 1987 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund abgeändert.</p>
<p></p>
<p>Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hannover vom 14. November 1986 - 422 B 9900/86 - bleibt insoweit aufrechterhalten, als von der Beklagten an die Klägerin 10.787,52 DM nebst 9 % Zinsen von 10.780,24 DM für die Zeit vom 27. August 1986 bis zum 28. Februar 1987 und 8 % Zinsen von 10.780,24 DM seit dem 1. März 1987 zu zahlen sind.</p>
<p></p>
<p>Im übrigen wird der Vollstreckungsbescheid aufgehoben und die Klage abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits werden mit Ausnahme der durch den Erlaß des Vollstreckungsbescheids vom 14. November 1986 entstandenen Kosten, die von der Beklagten allein zu tragen sind, zu 61 % der Klägerin und zu 39 % der Beklagten auferlegt.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p>Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 18.000,-- DM abwenden, wenn die Klägerin nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 8.000,-- DM anwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil beschwert die Klägerin um 16.964,90 DM und die Beklagte um 10.780,24 DM.</p>
<p></p>
<p>Die Revision wird zugelassen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Tatbestand:</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte und deren frührerer Ehemann, Herr xxx, schlossen mit der Klägerin unter dem 22. Januar 1981, 9. Juli 1982 und 30. Mai 1984 jeweils einen Ratenkredit und unter dem 30. März 1985 einen sog. "Idealkreditvertrag" ab. Ein Teil des mit dem zweiten Ratenkreditvertrag gewährten Nettokredits wurde vereinbarungsgemäß zur Ablösung der aus dem ersten Ratenkreditvertrag verbliebenen Restschuld verwendet. Mit dem von der Klägerin aufgrund des "Idealkreditvertrages" gewährten Nettokredits von insgesamt 25.950,-- DM wurden vereinbarungsgemäß die Sollsalden aus dem zweiten und dritten Ratenkreditvertrag in Höhe von insgesamt 22.777,90 DM abgelöst. Einen Betrag von 3.172,10 DM erhielten die Beklagte und deren früherer Ehemann als Barkredit. Im einzelnen waren für den "Idealkredit" folgende Konditionen vereinbart:</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:50px">Auszuzahlender Betrag 3.172,10 DM, Ablösung von Vorkrediten 22.777,90 DM, Vermittlungskosten 1.550,-- DM, Antragsgebühr 825,-- DM, variabler Sollzinssatz, anfänglich 15 % p.a., monatliche Ratenzahlungen 550,-- DM, Fälligkeit der ersten Rate 1. Mai 1985.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">In den "Wesentlichen Bestimmungen" zum Idealkreditantrag hieß es unter anderem:</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:50px">"2. Kontoführung und Rechnungsabschluß</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:50px">Die xxx schließt das Kreditkonto zu jedem Monatsultimo ab und erteilt Rechnungsabschluß in Form eines Kontoauszuges. Dieser Kontoauszug ist, falls wir nicht innerhalb der darin gesetzten Frist widersprechen, gleichzeitig Saldenanerkenntnis. Darauf wird die xxx in dem Kontoauszug besonders hinweisen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:50px">3. Konditionenänderung</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:50px">Die xxx ist jederzeit berechtigt, ihre Konditionen zu ändern.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:50px">Maßgeblich sind jeweils die in den Geschäftsräumen der xxx zur Einsichtnahme ausliegenden Konditionen. Auf Zinsänderungen einschließlich des Zeitpunktes ihres Inkrafttretens werden wir außerdem gesondert hingewiesen. Zinsänderungen berühren die Höhe der Monatsleistung nicht.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:50px">4. Verzugsfolgen bei rückständiger Monatsleistung</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:50px">Geraten wir mit einer fälligen Monatsleistung in Verzug, so ist die xxx berechtigt, neben dem laufenden Sollzinssatz auf den rückständigen Betrag - insbesondere zur Abgeltung ihres Bearbeitungsmehraufwandes und im Rahmen der §§ 315 BGB, 11 Nr. 5 AGB-Gesetz - bis zu 4 % p.a. sowie die Kosten etwaiger Mahnungen zu verlangen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:50px">5. Vertragsaufhebung und Verzugsfolgen</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:50px">Die Zusage des Kredits erfolgt grundsätzlich bis auf weiteres. Wir und die xxx dürfen das Vertragsverhältnis nach freiem Ermessen jederzeit einseitig aufheben. Mit der Vertragsaufhebung wird der dann bestehende Saldo des Kreditkontos sofort fällig. Die xxx ist berechtigt, auf den in dem fällig gestellten Betrag enthaltenen Kapitalanteil Verzugszinsen in Höhe des jeweils gültigen Soll-Zinssatzes zuzüglich - insbesondere zur Abgeltung ihres Bearbeitungsmehraufwandes und im Rahmen der §§ 315 BGB, 11 Nr. 5 AGB-Gesetz - bis zu 4 % p.a. sowie die Kosten etwaiger Mahnungen zu verlangen (§ 288 BGB)."</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Am 1. Dezember 1985 trennte sich die Beklagte von ihrem Ehemann. Im November 1987 wurde die Ehe rechtskräftig geschieden. Mit Schreiben vom 23. Juni 1986 kündigte die Klägerin, nachdem sie seit März 1986 keine Ratenzahlungen mehr erhalten hatten, den gewährten "Idealkredit" und stellte ihre gesamte Restforderung fällig.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat sowohl gegen die Beklagte als auch gegen deren geschiedenen Ehemann als Gesamtschuldner einen vom Amtsgericht Hannover am 14. November 1986 erlassenen Vollstreckungsbescheid über jeweils 27.745,14 DM nebst 0,052 % Zinsen pro Tag erwirkt. Der gegen den geschiedenen Ehemann erlassene Vollstreckungsbescheid ist inzwischen rechtskräftig. Die Beklagte hat jedoch gegen den ihr am 21. November 1986 zugestellten Vollstreckungsbescheid mit einem bei Gericht am 3. Dezember 1986 eingereichten Schriftsatz Einspruch eingelegt.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat die Ansicht vertreten:</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte habe die Höhe ihrer Verbindlichkeiten aus den Ratenkreditverträgen mit Abschluß des Idealkreditvertrags wirksam anerkannt. Auch der per 26. Juni 1986 bezüglich des Idealkreditkontos berechnete Sollsaldo sei als anerkannt zu betrachten, weil die Beklagte insoweit, wie die Klägerin behauptet, einen entsprechenden Rechnungsabschluß erhalten und nicht innerhalb der auf dem Rechnungsabschluß vermerkten Frist von einem Monat Widerspruch erhoben habe.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:50px">den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hannover vom 14. November 1986 - 422 B 9900/86 - aufrechtzuerhalten.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">den Vollstreckungsbescheid aufzuheben und die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Sie hat die Auffassung vertreten, die mit der Klägerin geschlossenen Kreditverträge seien wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig. Im übrigen hat sie die Höhe der von der Klägerin geltend gemachten Forderung bestritten und behauptet, sie habe von der Klägerin keine Kontoauszüge erhalten.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat den gegen die Beklagte ergangenen Vollstreckungsbescheid aufgehoben und insoweit die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe die in Rede stehenden Sollsalden nicht anerkannt. Ein Schuldanerkenntnis bezüglich der von der Klägerin aus den Ratenkreditverträgen geltend gemachten Forderungen komme deshalb nicht in Betracht, weil Grund und Höhe dieser Forderungen bei Abschluß des Idealkreditvertrags nicht streitig gewesen seien. Ein Saldenanerkenntnis bezüglich des Idealkreditkontos scheide deshalb aus, weil nur dem Schweigen auf einen Rechnungsabschluß rechtsgeschäftliche Bedeutung zukomme; hier habe die Klägerin mit der Übersendung der Kontoauszüge aber nur Geschäftsvorgänge offenlegen wollen. Da sich die Klägerin auf eine Anerkennung ihrer Forderung nicht berufen könne und sie zur Höhe der eingeklagten Forderung keine Angaben gemacht habe, sei die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Gegen diese Entscheidung, auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie legt nunmehr im einzelnen dar, unter welchen Konditionen die Ratenkredite gewährt worden sind, welche Zahlungen die Beklagte und deren früherer Ehemann darauf geleistet haben und wie sich die mit dem "Idealkredit" abgelösten Kreditverbindlichkeiten, die sie jetzt mit 20.174,68 DM und 2.063,70 DM beziffert, zusammensetzen. Darüber hinaus legt die Klägerin nunmehr eine Aufstellung über die Entwicklung des Idealkreditkontos vor.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin meint: Sämtliche mit der Beklagten und deren früheren Ehemann geschlossenen Kreditverträge seien wirksam. Ein Verstoß gegen die guten Sitten lasse sich in keinem Fall bejahen. Dem Idealkreditvertrag liege unter Berücksichtigung einer hypothetischen Laufzeit von 85 Monaten ein anfänglicher effektiver Jahreszins von 19,8 % zugrunde. Wenn man als Vergleichszins die Schwerpunktzinsen für Kontokorrentkredite unter Aufschlag von 1,5 % heranziehe, errechne sich eine Überschreitung des Marktzinses um weniger als 70 %.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:50px">unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hannover vom 14. November 1986 mit der Maßgabe aufrecht zu erhalten, daß von der Beklagten 27.745,14 DM nebst 12,7 % Zinsen seit dem 1. September 1987 zu zahlen sind.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:50px">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt im wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe</u></b></p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die Berufung hat teilweise Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin kann die Beklagte nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen auf Zahlung von 10.787,52 DM nebst den ausgeurteilten Verzugszinsen in Anspruch nehmen.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">1.)</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Vertragliche Ansprüche stehen der Klägerin aus dem mit der Beklagten und deren früheren Ehemann geschlossenen Idealkreditvertrag vom 30. März 1985 nicht zu. Dieser Vertrag ist vielmehr sittenwidrig und daher nichtig (§ 138 Abs. 1 BGB).</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Zwischen den vereinbarten Leistungen der Klägerin und den von der Beklagten und deren früheren Ehemann gesamtschuldnerisch übernommenen Gegenleistungen besteht ein auffälliges Mißverhältnis.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">aa)</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Im Rahmen der Äquivalenzprüfung lassen sich die von der Rechtsprechung für den Ratenkredit entwickelten Methoden nicht ohne weiteres anwenden; denn der hier in Rede stehende Kredittyp weist gegenüber einem üblichen Ratenkredit einige Besonderheiten auf. Bei einem Ratenkredit werden im allgemeinen ein fester Zinssatz und eine bestimmte Laufzeit vereinbart. Die gezahlten Raten werden mit gleichbleibendem Anteil auf das Kapital, den von vornherein feststehenden Zinsbetrag und die Kosten verrechnet. Im vorliegenden Fall haben die Parteien einen variablen Sollzinssatz und eine der Höhe nach festliegende Monatsrate vereinbart, was zur Folge hat, daß sich die Kreditlaufzeit in Abhängigkeit von der Höhe des Sollzinssatzes ändern kann. Die anfallenden Kreditzinsen werden bei der vorliegenden Vertragsgestaltung im Wege monatlicher Rechnungsabschlüsse ermittelt und der gesamte Zinsbetrag wird mit der gezahlten Monatsrate verrechnet. Nur der dann noch verbleibende Ratenteil dient zur Rückführung des Kapitals und der fixen Kreditkosten. Daraus ergibt sich, daß der bei der ersten Ratenzahlung auf die Zinsen zu verrechnende Ratenteil verhältnismäßig hoch und der auf die Rückführung des Kapitals entfallende Teil verhältnismäßig gering ist. Dieses Verhältnis ändert sich von Rate zu Rate dahin, daß der auf die Zinsen entfallende Ratenteil kontinuierlich geringer und der auf das Kapital und die Kosten entfallende Ratenteil kontinuierlich höher wird. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die in Ziffer 2) der Kreditbedingungen vorgesehenen monatlichen Rechnungsabschlüsse bei pünktlicher Ratenzahlung und nicht wesentlich steigenden Sollzinsen nicht zu einer Belastung des Kreditnehmers mit Zinseszinsen führen. Die Ratenhöhe wird nämlich so bestimmt, daß sie den gesamten monatlichen Zinsbetrag sowie einen Teil des Kapitals abdeckt. So sollte im vorliegenden Fall der gewährte Nettokredit von 25.950,-- DM mit einem anfänglichen Sollzinssatz von 15 % p.a. verzinst werden. Dementsprechend fielen nach Ablauf eines Monats Sollzinsen von 35,06 DM an, so daß zur Rückführung des Kapitals und der Kosten noch ein Ratenteil von 195,94 DM verblieb. Zinseszinsen können mithin nur anfallen, wenn der Kreditnehmer seinen Ratenverpflichtungen nicht pünktlich oder nicht in vereinbarter Höhe nachkommt. Für den Äquivalenzvergleich kann dieser Fall zunächst unberücksichtigt bleiben.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Die Frage, welcher effektive Jahreszins dem von den Parteien geschlossenen Kreditvertrag zugrunde liegt, läßt sich nur dadurch beantworten, daß man den vereinbarten anfänglichen Sollzins von 15 % p.a. als konstante Größe ansetzt und auf dieser Basis die (hypothetische) Kreditlaufzeit ermittelt. Nach dem unbestrittenen Vorbringen der Klägerin errechnet sich unter diesen Voraussetzungen eine Kreditlaufzeit von 85 Monaten und ein effektiver Jahreszins von 19,8 %. Da die Beklagte das Rechenwerk der Klägerin nicht angegriffen hat, besteht für den Senat kein Anlaß, den von der Klägerin ermittelten Wert in Frage zu stellen.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">bb)</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Für einen Kredittyp der hier gegebenen Art weist die Deutsche Bundesbank in ihren Monatsberichten keinen Schwerpunktzins aus. Der Auffassung der Klägerin, daß der von der Deutschen Bundesbank für Kontokorrentkredite bis zu 1 Mio. DM ermittelte Schwerpunktzins mit einem Aufschlag von 1,5 % oder der Einrechnung einer Bearbeitungsgebühr von 2 % als Vergleichsmaßstab herangezogen werden könne, vermag der Senat nicht zu folgen. Der von der Klägerin gewährte Kredit weicht in wesentlichen Punkten von einem üblichen Kontokorrentkredit ab. Bei einem marktüblichen Kontokorrentkredit wird dem Kreditnehmer eine bestimmte Kreditlinie eingeräumt, die er während der Vertragsdauer nach seinem Belieben, und zwar revolvierend, ausschöpfen kann. Zur Rückführung des Kredits in festliegenden Monatsraten ist der Kreditnehmer regelmäßig nicht verpflichtet. Nach dem von den Parteien geschlossenen Kreditvertrag stand der Beklagten nicht das Recht zu, eine bestimmte Kreditlinie in Anspruch zu nehmen: sie mußte den einmal ausgezahlten Kredit vielmehr in gleichbleibenden Monatsraten zurückführen, ohne den getilgten Teil noch einmal in Anspruch nehmen zu können. Gerade dies ist für einen Kontokorrentkredit atypisch. Bei einem Kontokorrentkredit berechnen die Banken im allgemeinen auch keine Bearbeitungsgebühr. Soweit xxx bei dem von einer anderen Bank ausgegebenen "Rahmenkredit" oder "Scheckkredit" die marktüblichen Zinssätze für Kontokorrentkredite bis zu 1 Mio. DM als Vergleichsmaßstab heranziehen will (WM Sonderbeilage 4/1987), lassen sich seine dafür angeführten Argumente nicht auf den hier in Rede stehenden Kredittyp übertragen. Denn bei den von ihm behandelten Krediten wird dem Kreditnehmer ein bestimmter Kreditrahmen bereitgestellt, über den er revolvierend ganz oder teilweise verfügen kann. Auch sind nicht, wie hier, Raten in festliegender Höhe zu zahlen; vielmehr richtet sich die Ratenhöhe nach der Höhe des jeweils in Anspruch genommenen Kredits.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Soweit die Klägerin die Schwerpunktzinsen für Kontokorrentkredite um 1,5 % erhöhen und den sich dann ergebenden Wert als Vergleichsmaßstab heranziehen will, kann dem schon deshalb nicht gefolgt werden, weil der auf diese Weise ermittelte "Vergleichszins" erheblich über dem effektiven Marktzins für Ratenkredite liegt. Eine solche Berechnungsweise wird den Gegebenheiten des Marktes nicht gerecht. Entgegen der Auffassung der Klägerin erscheint es dem Senat auch nicht sachgerecht, den Vergleichszins unter Ansatz der vereinbarten Ratenhöhe zu errechnen. Zwar ergeben sich hierdurch verkürzte Laufzeiten; für den Durchschnittskunden einer Teilzahlungsbank ist aber die Höhe der zu zahlenden Monatsraten von größerer Bedeutung als die Länge der Laufzeit.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Der hier von der Klägerin ausgegebene "Idealkredit" steht nach Auffassung des Senats einem Ratenkredit sehr nahe. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die bei beiden Kreditarten der Höhe nach festliegenden Monatsraten. Selbst wenn man annimmt, daß der Kreditnehmer bei dem sog. "Idealkredit" zur Zahlung höherer als der vereinbarten Raten berechtigt ist und er auf diese Weise ohne Kündigung die Vertragslaufzeit verkürzen kann, so ist diese Möglichkeit für die von der Klägerin angesprochenen Kreditnehmer, die im allgemeinen wirtschaftlich schwach sind, weitgehend nur theoretischer Natur. Auch die unterschiedliche Verrechnung der Ratenbeträge hat wirtschaftlich gesehen keine besondere Bedeutung. Für die Kalkulation der Klägerin und die Belastung der Kreditnehmer ist vielmehr entscheidend, welcher Betrag für ein in bestimmter Höhe und Dauer ausgeliehenes Kapital gezahlt wird oder gezahlt werden muß. Aus welcher Verrechnungsweise der Raten sich die genannten Positionen ergeben, ist zweitrangig.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Soweit beim Ratenkredit ein fester, hier jedoch ein variabler Zinssatz vereinbart ist, können sich daraus sowohl für die Klägerin als auch für den Kreditnehmer Vor- oder Nachteile ergeben. Angesichts der auf dem Kreditmarkt ständig auf- und abwärts verlaufenden Zinsentwicklung wird sich die Ertragslage der Klägerin auf lange Sicht bei Vereinbarung variabler Zinssätze kaum anders darstellen als bei Vereinbarung fester Zinssätze.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Das für die Klägerin mit der Herausgabe des "Idealkredits" verbundene Risiko wird man auch ebenso hoch oder niedrig wie das bei der Ausgabe eines Ratenkredits zu veranschlagen haben. Jedenfalls hat die Klägerin nicht dargelegt, daß sie ihre "Idealkredite" an einen anderen Kundenkreis vergibt, als es bei Ratenkrediten der Fall ist. Der Senat hat diese Frage in der Verhandlung mit den Parteien erörtert.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Unter Zugrundelegung der vorstehenden Ausführungen hält es der Senat für zulässig, den hier fraglichen Kredit mit einem unter marktüblichen Konditionen gewährten Ratenkredit zu vergleichen. Da der Ratenkredit von den marktüblichen Kreditarten gewöhnlich der teuerste Kredit ist, wird durch seine Heranziehung als Vergleichsmaßstab die Klägerin nicht benachteiligt.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">cc)</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Ausweislich der Monatsberichte der Deutschen Bundesbank betrug der Schwerpunktzins für Ratenkredite im März und April 1985 - also bei Abschluß des hier zu beurteilenden Kreditvertrags - 0,43 % p.M. Bei Ansatz des der Beklagten gewährten Nettokredits von 25.950,-- DM, der bei Ratenkrediten marktüblichen Bearbeitungsgebühr von 2 % sowie einer Kreditlaufzeit von 85 Monaten errechnet sich nach der Annuitätenmethode ein effektiver Jahreszins von 10,14 %. Der anfängliche effektive Jahreszins, der dem hier zu beurteilenden Kreditvertrag vom 30. März 1985 zugrunde liegt, beträgt nach dem unbestrittenen Vorbringen der Klägerin 19,8 %. Der Vertragszins übersteigt den Marktzins somit um 95,27 %. Bei einer Überschreitung des Marktzinses in dieser Größenordnung ist von einem auffälligen Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung auszugehen.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Weitere unangemessene Belastungen der Beklagten ergeben sich aus den von der Klägerin vorformulierten "Wesentlichen Bestimmungen ... zum Idealkreditantrag".</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">aa)</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Soweit in Ziffer 2) der Bedingungen geregelt ist, daß zu jedem Monatsultimo ein Rechnungsabschluß vorgenommen werden und der Saldo bei nicht fristgerechtem Widerspruch gegen den in Form eines Kontoauszuges mitgeteilten Rechnungsabschluß als anerkannt gelten soll, handelt es sich um eine den Kreditnehmer unangemessen benachteiligende und für den typischen Kreditnehmer der Klägerin auch undurchschaubare Klausel. Dabei mag dahingestellt bleiben, ob die Voraussetzungen, unter denen § 355 Abs. 1 HGB eine Ausnahme vom Zinseszinsverbot zuläßt, angesichts der hier vereinbarten Kreditkonditionen überhaupt bejaht werden können; jedenfalls erscheinen Abrechnungsperioden von nur einem Monat unangemessen kurz. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken sehen kurze Perioden nicht vor; in ihnen ist nur bestimmt, daß die Bank mindestens einmal jährlich einen Rechnungsabschluß erteilt (Nr. 14 Abs. 1 AGB-Banken). Bei den Universalbanken sind Abrechnungsperioden von mindestens drei Monaten üblich. Die Verkürzung der Rechnungsperiode birgt für den Kreditnehmer erhebliche Risiken. Zwar wirkt sich die Kontokorrentklausel - wie bereits dargelegt - bei pünktlicher Ratenzahlung nicht aus. Gerät der Kreditnehmer aber in Ratenverzug, fallen infolge der kontokorrentmäßigen Abrechnung Zinseszinsen an; sie wachsen umso schneller an, je höher die Zahl der Saldierungen, d.h. je kürzer die einzelne Rechnungsperiode ist. Ein Ratenverzug kommt gerade bei dem Kundenkreis, an den sich die Klägerin wendet, häufig vor, mag er im vorliegenden Fall auch nicht geradezu "vorprogrammiert" gewesen sein.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Bei der in Ziffer 2) der Kreditbedingungen enthaltenen Regelung ist aber vor allem zu beanstanden, daß die Klägerin nicht klar und unmißverständlich zum Ausdruck gebracht hat, welche Auswirkungen sich für die Kreditnehmer durch monatliche Rechnungsabschlüsse ergeben. Der Durchschnittskunde einer Teilzahlungsbank ist weitgehend geschäftsungewandt und rechtsunkundig. Aus dem bloßen Hinweis auf monatliche Rechnungsabschlüsse wird er im allgemeinen nicht erkennen können, daß eine kontokorrentmäßige Abrechnung erfolgen soll, bei der ihm - jedenfalls im Falle des Zahlungsverzuges - Zinseszinsen berechnet werden, zumal Ziffer 4) der Kreditbedingungen eine gesonderte Regelung über die "Verzugsfolgen bei rückständiger Monatsleistung" enthält. Schließlich kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Klägerin den hier fraglichen Kredit als "Idealkredit" anbietet. Durch diese Bezeichnung wird bei den oft unkritischen Kreditinteressenten, die sich an eine Teilzahlungsbank wenden, der Eindruck erweckt, einen Kredit zu besonders günstigen Konditionen erhalten zu können. Im Hinblick auf all diese Umstände war von der Klägerin zu verlangen, daß sie Ziffer 2) der Kreditbedingungen so abfaßte, daß ihr Durchschnittskunde die mit monatlichen Rechnungsabschlüssen verbundenen Folgen erkennen konnte. Dies ist jedoch nicht geschehen. Die Klägerin hat für die gewollte Kontokorrentabrede vielmehr Formulierungen gewählt, die den tatsächlichen Regelungsgehalt eher verschleiern.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">bb)</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Soweit sich die Klägerin in Ziffer 3) der Bedingungen das uneingeschränkte Recht zur jederzeitigen Änderung der vereinbarten Kreditkonditionen vorbehalten hat, wird bei dem einer Teilzahlungsbank gegenüberstehenden Kundenkreis der Eindruck erweckt, sich jedem Änderungsbegehren der Bank beugen zu müssen. Der betroffene Kreditnehmer wird im allgemeinen nicht wissen, daß die Rechtsprechung einseitige Konditionsänderungen nur unter bestimmten Voraussetzungen zuläßt und beispielsweise die Erhöhung des Zinssatzes von gestiegenen Refinanzierungskosten der Bank abhängig macht.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Ebenso muß der Kreditnehmer aufgrund der in Ziffer 5) der Kreditbedingungen über die Vertragsaufhebung getroffene Regelung den Eindruck gewinnen, sich in keinem Falle gegen eine von der Klägerin erklärte Kreditkündigung wehren zu können, obgleich auch bei einer Vertragsgestaltung der vorliegenden Art eine Kündigung zur Unzeit anerkanntermaßen unzulässig ist.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">cc)</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Die Regelung in Ziffer 4) der Kreditbedingungen, nach der die Klägerin bei rückständigen Ratenzahlungen berechtigt sein soll, neben dem laufenden Sollzinssatz auf den rückständigen Betrag bis zu 4 % Zinsen p.a. zu berechnen, hält einer Inhaltskontrolle nach § 11 Nr. 5 a AGBG nicht stand. Schon wegen der monatlichen Rechnungsabschlüsse werden für den gesamten Ratenrückstand Sollzinsen berechnet. Damit sind die Nachteile, die der Klägerin durch einen Zahlungsverzug des Kreditnehmers entstehen, voll abgedeckt. Weitere Schäden oder Gewinnverluste der Klägerin sind nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht zu erwarten. Die gleichen Erwägungen gelten für die Regelung in Ziffer 5) der Bedingungen, nach der vom Kreditnehmer im Falle einer Vertragsaufhebung durch die Klägerin und Fälligstellung der Restforderung ebenfalls Verzugszinsen in Höhe der Sollzinsen zuzüglich bis zu 4 % p.a. zu zahlen sind.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Angesichts der unangemessenen und gravierenden Belastungen, die sich für die Beklagte aus dem überhöhten Vertragszins und den beanstandeten Kreditbedingungen ergeben, ist der Kreditvertrag vom 30. März 1985 als objektiv sittenwidrig zu qualifizieren.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">c)</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB ist zu vermuten, weil sich die Beklagte als Privatkonsumentin der objektiv sittenwidrigen Vertragsgestaltung der Klägerin unterworfen hat. Die entsprechende Vermutung hat die Klägerin auch nicht widerlegt.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">2.)</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Wegen der Nichtigkeit des Kreditvertrags vom 30. März 1985 stehen der Klägerin gegenüber der Beklagten nur bereicherungsrechtliche Ansprüche zu (§§ 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt., 818 Abs. 2 BGB). Diese Ansprüche erstrecken sich auf die Ablösung der Vorkredite und den ausgezahlten Barkreditbetrag. Obgleich beide Leistungen sowohl der Beklagten als auch deren früheren Ehemann zugute gekommen sind, haftet die Beklagte nicht als Gesamtschuldnerin, sondern nur in Höhe ihrer tatsächlichen Bereicherung (BGH NJW 1982, 2433, 2436; 1983, 1420). Fehlen bei Eheleuten konkrete Anhaltspunkte dafür, in welchem Umfang der einzelne Ehegatte durch die Leistung eines Dritten bereichert ist, so erscheint es gerechtfertigt, von einer jeweils hälftigen Bereicherung auszugehen.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Für die Rückführung der abgelösten und von der Klägerin gewährten Vorkredite haftete die Beklagte als Gesamtschuldnerin neben ihrem früheren Ehemann. Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die bezüglich der Vorkredite abgeschlossenen Verträge nicht als sittenwidrig und damit nichtig zu betrachten. Bei den Verträgen vom 22. Januar 1981 und 9. Juli 1982 überstieg der Vertragszins den Marktzins, wie die Klägerin zutreffend dargelegt hat, um weniger als 70 %. Bei einer Überschreitung des Marktzinses in dieser Größenordnung kann nicht von einem auffälligen Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung gesprochen werden.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Auch der Kreditvertrag vom 30. Mai 1984 ist nicht als sittenwidrig anzusehen. Zwar übersteigt der diesem Vertrag zugrunde liegende effektive Jahreszins den Marktzins um 82,28 %, so daß hier ein auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bejaht werden kann. Eine Überschreitung des Marktzinses um 82,28 % rechtfertigt es für sich allein aber nicht, einen Kreditvertrag als sittenwidrig zu bezeichnen. Es müssen vielmehr weitere und den Kreditnehmer in gravierender Weise belastende Umstände hinzutreten. Derartige Umstände lassen sich bei dem Kreditvertrag vom 30. Mai 1984 aber nicht feststellen. Zwar sind die dem Vertrag zugrunde liegenden Kreditbedingungen hinsichtlich der Verzugszinsregelung zu beanstanden; die sich daraus für den Kreditnehmer ergebenden Belastungen sind jedoch nicht so gravierend, daß das Verdikt der Sittenwidrigkeit gerechtfertigt wäre.</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Die Mittel aus den Vorkrediten haben die Beklagte und ihr früherer Ehemann, wie die Beklagte bei ihrer Anhörung vor dem Senat erklärt hat, für die gemeinsame Haushaltsführung verbraucht. Angesichts dieses Umstandes kann die Bereicherung, die sich für die Beklagte aus der Ablösung der Vorkredite ergeben hat, mit der Hälfte des Ablösebetrages angesetzt werden. Aufgrund einer Neuberechnung hat die Klägerin ihre bei Abschluß des Idealkreditvertrages bestehenden Restforderungen aus den Ratenkreditverträgen mit 22.238, 38 DM beziffert (20.174,68 DM + 2.063,70 DM). Die Bereicherung der Beklagten ist mit der Hälfte dieses Betrages, also mit 11.119,19 DM, anzusetzen.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte ist auch hinsichtlich des Betrages von 3.172,10 DM, den die Klägerin aufgrund des Vertrages vom 30. März 1985 als Barkredit ausgezahlt hat, hälftig bereichert. Insoweit hat die Beklagte bei ihrer Anhörung vor dem Senat erklärt, der genannte Betrag sei von ihr und ihrem Ehemann wiederum im Rahmen der gemeinsamen Haushaltsführung verbraucht worden.</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Die ursprüngliche bereicherungsrechtliche Forderung der Klägerin gegen die Beklagte belief sich somit auf insgesamt 12.705,24 DM (11.119,19 DM + 1.586,05 DM).</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">c)</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Was die Fälligkeit der bereicherungsrechtlichen Forderung der Klägerin anbelangt, so darf die Beklagte durch die Sittenwidrigkeit des Kreditvertrags vom 30. März 1985 nicht schlechter gestellt werden, als sie im Falle der Wirksamkeit des Vertrages gestanden hätte (§ 817 S. 2 BGB). Die von den Parteien getroffene Ratenzahlungsvereinbarung ist deshalb trotz ihrer Nichtigkeit auf die Begleichung der bereicherungsrechtlichen Schuld zu übertragen (BGH a.a.O.). Das bedeutet für den vorliegenden Fall, daß die Beklagte den geschuldeten Betrag von insgesamt 12.705,24 DM in 85 Monatsraten zu je 149,47 DM begleichen durfte.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Bis zur Trennung der Beklagten von ihrem früheren Ehemann - 1. Dezember 1985 - sind auf die Forderungen der Klägerin aus dem Vertrag vom 30. März 1985 insgesamt 3.850,-- DM gezahlt worden. Die Zahlungen erfolgten, wie die Beklagte vor dem Senat erklärt hat, von einem Konto, das zwar auf den Namen des früheren Ehemannes der Beklagten lautete, für das die Beklagte aber eine Kontovollmacht hatte und auf das sie auch ihr Arbeitseinkommen überweisen ließ. Bei dieser Sachlage ist es gerechtfertigt, von einem in wirtschaftlicher Hinsicht gemeinschaftlichen Konto zu sprechen. Demgemäß sind auch die bis zu der hier fraglichen Trennung geleisteten Zahlungen hälftig auf die Bereicherungsschuld der Beklagten zu verrechnen. Dies kann allerdings nicht für die vom früheren Ehemann der Beklagten nach der Trennung geleisteten Zahlungen gelten; denn insoweit lassen sich keine Anhaltspunkte dafür finden, daß mit diesen Zahlungen auch die Bereicherungsschuld der Beklagten zurückgeführt werden sollte. Die Beklagte selbst hat nach der Trennung keine Zahlungen geleistet. Die als von ihr erbracht geltende Zahlung von 1.925,-- DM (3.850,-- DM : 2) reichte aus, ihre Ratenzahlungsverpflichtungen bis auf einen geringen Fehlbetrag von 18,11 DM für 13 Monate, also bis einschließlich Mai 1986, zu erfüllen.</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">Die mit Schreiben der Klägerin vom 23. Juni 1986 erklärte Kreditkündigung hat nicht zur Fälligkeit ihrer gesamten bereicherungsrechtlichen Forderung geführt. Unter Berücksichtigung der hier anzuwendenden Grundsätze von Treu und Glauben war die Klägerin nach Auffassung des Senats nur bei einem Rückstand von zwei Monaten zur Fälligstellung ihrer gesamten bereicherungsrechtlichen Forderung berechtigt. Ende Juni 1986 befand sich die Beklagte, wie dargelegt, aber nur mit der Zahlung von etwas mehr als einer Rate in Verzug.</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Eine wirksame Fälligstellung ihrer Gesamtforderung hat die Klägerin aber durch den der Beklagten am 26. August 1986 zugestellten Mahnbescheid bewirkt. Seinerzeit standen mehr als drei Raten offen.</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">d)</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich der Ratenbeträge, mit deren Zahlung sich die Beklagte bis zur Zustellung des Mahnbescheids in Verzug befand, und hinsichtlich der fälliggestellten Kreditforderung, mit deren Begleichung sich die Beklagte ab Zustellung des Mahnbescheids in Verzug befand, kann die Klägerin Verzugszinsen beanspruchen. Die Höhe dieser Verzugszinsen ist mit den Kosten zu bemessen, die von der Klägerin im Falle einer Refinanzierung der rückständigen Beträge aufzubringen waren und aufzubringen sind. Der Senat bemißt die Höhe dieser Kosten in ständiger Rechtsprechung über eine Schätzung nach § 287 ZPO mit den von der Deutschen Bundesbank für Kontokorrentkredite bis zu 1 Mio. DM ausgewiesenen Schwerpunktzinsen. Insoweit sind für die Zeit von Mai 1986 bis zum 28. Februar 1987 9 % Zinsen und für die Zeit dem 1. März 1987 8 % Zinsen anzusetzen.</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Wegen der Ratenrückstände sind bis zum 26. August 1986 Verzugszinsen von insgesamt 7,28 DM angefallen. Dementsprechend belief sich die Gesamtforderung der Klägerin per 26. August 1986 auf 10.787,52 DM (12.705,24 DM ./. 1.925,-- DM + 7,28 DM).</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">Bezüglich des Kapitalbetrages von 10.780,24 DM kann die Klägerin ab dem 27. August 1986 die oben genannten Zinsen berechnen.</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">III.</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 344, 700 Abs. 1 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.</p>
|
315,404 | lg-wuppertal-1988-01-28-25-ks-130-js-783-z | {
"id": 818,
"name": "Landgericht Wuppertal",
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"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
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} | 25 Ks 130 Js 7/83 (Z) - 29/85 V - | 1988-01-28T00:00:00 | 2019-03-13T14:54:46 | 2019-03-27T09:43:12 | Urteil | ECLI:DE:LGW:1988:0128.25KS130JS7.83Z29.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der Angeklagte wird unter Freisprechung im Übrigen wegen Mordes in fünf Fällen zu einer Gesamtstrafe von</p>
<p>lebenslanger Freiheitsstrafe</p>
<p>verurteilt.</p>
<p></p>
<p>Soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist, fallen die Kosten des Verfahrens und die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse zur Last; im übrigen sind sie von dem Angeklagten zu tragen.</p>
<p></p>
<p>- §§ 211, 53, 54 StGB n.F.; 211, 74 StGB a.F. -</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><table class="absatzLinks" cellpadding="0" cellspacing="0">
<tbody><tr>
<td>
<p><u>Urteilsgliederung</u></p>
</td>
<td>
<p>Rn.</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>I. Zeitgeschichtlicher Hintergrund</p>
</td>
<td>
<p>3</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>1. Nationalsozialistische "Gleichschaltung"</p>
</td>
<td>
<p>5</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>2. NS-Rassenpolitik</p>
</td>
<td>
<p>12</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>3. Entwicklung/Machtstellung der SS</p>
</td>
<td>
<p>19</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>4. Grundlagen für diesen Abschnitt</p>
</td>
<td>
<p>24</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>II. KL Auschwitz</p>
</td>
<td>
<p>26</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>1. Entstehung</p>
</td>
<td>
<p>28</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>2. Übersicht</p>
</td>
<td>
<p>34</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>a) Stammlager Auschwitz</p>
</td>
<td>
<p>36</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>aa) Umzäunter - innerer Stammlagerbereich</p>
</td>
<td>
<p>38</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>bb) Verwaltungsgebäude - u. a. Häftlingsgeldverwaltung</p>
</td>
<td>
<p>40</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>cc) Effektenlager I</p>
</td>
<td>
<p>42</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>b) Lager Birkenau</p>
</td>
<td>
<p>47</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>aa) Lagerbereiche B I, II, III</p>
</td>
<td>
<p>49</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>bb) Verbindungswege/"neue" Rampe</p>
</td>
<td>
<p>53</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>cc) Krematorien</p>
</td>
<td>
<p>55</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>dd) Lagerabschnitt B II g mit Effektenlager II</p>
</td>
<td>
<p>57</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>c) Nebenlager</p>
</td>
<td>
<p>63</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>3. Organisationsstruktur</p>
</td>
<td>
<p>65</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>4. Lebensverhältnisse der Gefangenen</p>
</td>
<td>
<p>75</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>5. Funktion als Massenvernichtungslager</p>
</td>
<td>
<p>99</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>6. Beweismittel/Beweiswürdigung</p>
</td>
<td>
<p>101</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>a) Überblick KL</p>
</td>
<td>
<p>103</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>b) Innere Organisation</p>
</td>
<td>
<p>107</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>c) Lebensverhältnisse der Häftlinge</p>
</td>
<td>
<p>109</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>III. Lebenslauf des Angeklagten</p>
</td>
<td>
<p>119</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>1. Werdegang bis zum 22./23. Mai 1944</p>
</td>
<td>
<p>120</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>2. Einsatz im KL Auschwitz/Einstellung und allg. Verhalten gegenüber Gefangenen</p>
</td>
<td>
<p>126</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>3. Werdegang nach dem 22. Januar 1945</p>
</td>
<td>
<p>143</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>4. Beweismittel/Beweiswürdigung</p>
</td>
<td>
<p>167</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>a) Besonderheiten bei Beweisaufnahme und -würdigung</p>
</td>
<td>
<p>169</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>b) Zeugen aus den Reihen der ehemaligen Häftlinge</p>
</td>
<td>
<p>173</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>c) Frühere SS-Angehörige als Zeugen</p>
</td>
<td>
<p>179</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>d) Beweiswürdigung im einzelnen</p>
</td>
<td>
<p>183</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>aa) Erziehung/Dienstlicher Werdegang</p>
</td>
<td>
<p>185</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>bb) Einsatz/Allgemeinverhalten im KL Auschwitz</p>
</td>
<td>
<p>189</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>cc) Werdegang nach dem 22. Januar 1945</p>
</td>
<td>
<p>203</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>IV. Tatvorwürfe</p>
</td>
<td>
<p>206</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>1. Taten, die zu einer Verurteilung führten</p>
</td>
<td>
<p>208</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>a) Erschießung eines Häftlings in einer Arbeitsbaracke des Effektenlagers I</p>
</td>
<td>
<p>210</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>b) Erschießung von zwei Häftlingen an der Verladerampe des Effektenlagers I</p>
</td>
<td>
<p>215</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>c) Erschießung eines Kindes im Lagerabschnitt B II g ("Büchsenschüsse")</p>
</td>
<td>
<p>221</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>d) Erschießung eines Mädchens im Lagerabschnitt B II g ("Büchsenschüsse")</p>
</td>
<td>
<p>227</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>2. Nicht erwiesener Tatvorwurf</p>
</td>
<td>
<p>230</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>3. Nicht zur Entscheidung angefallene Taten</p>
</td>
<td>
<p>232</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>a) Schüsse auf einen französischen Häftling zwischen Baracken des Lagerabschnitts B II g ("Büchsenschüsse")</p>
</td>
<td>
<p>234</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>b) Schuß auf einen männlichen Häftling auf der Rampe in Birkenau</p>
</td>
<td>
<p>238</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>c) Erschießung eines männlichen Häftlings im Lagerabschnitt B II g</p>
</td>
<td>
<p>242</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>4. Beweismittel/Beweiswürdigung</p>
</td>
<td>
<p>247</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>a) Taten/Täterschaft</p>
</td>
<td>
<p>251</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>aa) zu Ziff. 1 a) und b) - Zeugen G/U1/X2</p>
</td>
<td>
<p>253</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>bb) zu Ziff. 1 c) und d) sowie Ziffer 2 - Zeugin M1</p>
</td>
<td>
<p>271</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>cc) zu Ziff. 3 - Zeugen S, T3</p>
</td>
<td>
<p>286</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>dd) Zeugen vom Hörensagen</p>
</td>
<td>
<p>297</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>b) Subjektive Merkmale</p>
</td>
<td>
<p>314</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>V. Rechtliche Bewertung</p>
</td>
<td>
<p>318</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>1. Kein Verfahrenshindernis</p>
</td>
<td>
<p>320</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>a) Zulässigkeit der Anklageschrift</p>
</td>
<td>
<p>322</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>b) Keine Verjährung</p>
</td>
<td>
<p>329</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>2. Strafbarkeit</p>
</td>
<td>
<p>333</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>a) Qualifikation als Mord</p>
</td>
<td>
<p>336</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>aa) niedrige Beweggründe - in fünf Fällen -</p>
</td>
<td>
<p>337</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>bb) grausame Begehungsweise - in vier Fällen -</p>
</td>
<td>
<p>340</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>b) Rechtswidrigkeit</p>
</td>
<td>
<p>347</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>c) Schuld</p>
</td>
<td>
<p>351</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>d) Zusammenfassung</p>
</td>
<td>
<p>356</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>VI. Strafzumessung</p>
</td>
<td>
<p>358</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>VII. Nebenentscheidung</p>
</td>
<td>
<p>364</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>- - - - - - -</p>
</td>
<td>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>Anhang: Skizzen</p>
</td>
<td>
<p>Nach 365 </p>
</td>
</tr>
</tbody></table>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">GRÜNDE: </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Gegenstand des Verfahrens sind Tötungshandlungen, die der Angeklagte in dem von der nationalsozialistischen Führung während des Zweiten Weltkrieges in Südpolen errichteten Konzentrationslager Auschwitz im Jahre 1944 an Deportierten und Häftlingen des Lagers begangen hat bzw. begangen haben soll. Zum zeitgeschichtlichen Hintergrund der abgeurteilten Straftaten geht das Schwurgericht von folgenden allgemein bekannten Tatsachen aus:</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Nach der sogenannten Machtübernahme durch die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 wurde das rechtstaatliche System der Weimarer Reichsverfassung Schritt für Schritt zerstört. Der Grundsatz der Gewaltenteilung wurde ausgehöhlt, der Föderalismus beseitigt, die Rechte der Individuen, insbesondere der Schutz von Minderheiten, aufgehoben, die Demokratieprinzipien durch ein diktatorisches System abgelöst.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Mit dem formell verfassungskonform zustande gekommenen "Ermächtigungsgesetz" vom 24. März 1933 (Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich) befreite sich das nationalsozialistische System von allen Bindungen an die Verfassung und von der parlamentarischen Kontrolle. Die Weimarer Reichsverfassung konnte gemäß Art. 2 des Ermächtigungsgesetzes grundsätzlich durch einfaches Reichsgesetz geändert werden. Die Reichsgesetze wiederum konnten nach Art. 1 des Ermächtigungsgesetzes ohne parlamentarisches Gesetzgebungsverfahren von der Reichsregierung erlassen werden. Legislative und Exekutive waren "gleichgeschaltet".</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die ersten verfassungsrechtlich einschneidenden Gesetze, die von der nationalsozialistischen Reichsregierung erlassen wurden, richteten sich gegen das föderative System der Weimarer Reichsverfassung. Am 31. März 1933 wurde die Selbständigkeit der Länder und die Selbstverwaltung der Gemeinden durch das sogenannte erste Gleichschaltungsgesetz (vorläufiges Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich) eingeschränkt. Endgültig zerstört wurde die föderative Struktur durch das Gesetz über den Neuaufbau des Reiches vom 30. Januar 1934, mit dem die Volksvertretungen der Länder aufgehoben und die Landesregierungen - über sogenannte Reichsstatthalter - der Reichsregierung unterstellt wurden sowie das Gesetz über die Aufhebung des Reichsrates vom 14. Februar 1934. Länder und Gemeinden waren damit ebenfalls gleichgeschaltet.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Das parlamentarische System, wie es in den Art. 20 ff WRV festgeschrieben war, wurde durch die NS-Machthaber beseitigt. Mit der Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz hatten die meisten Parteien schon auf ihre tragende Rolle im politischen Leben verzichtet. Unter dem verschärften Druck der Nationalsozialisten lösten sie sich im Laufe des Jahres 1933 entweder selbst auf oder wurden verboten. Das Gesetz vom 14. Juli 1933 "gegen die Neubildung von Parteien" schloß diese Entwicklung ab und sicherte der NSDAP zugleich die Rolle der Staatspartei im Einheitsstaat. Die Vorherrschaft im gesamten staatlichen Bereich wurde der NSDAP ausdrücklich durch das Gesetz zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat vom 1. Dezember 1933 zuerkannt.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Nicht nur das parlamentarische System, sondern auch die rechtstaatlichen Garantien für eine allein an Recht und Gesetz ausgerichtete Anwendung öffentlicher Gewalt wurden von den Nationalsozialisten aufgehoben. Das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933, durch das ein "nationales Berufsbeamtentum" geschaffen werden sollte, gab den Machthabern die Möglichkeit, die personelle Zusammensetzung der Beamtenschaft nach ihren parteipolitischen Vorstellungen zu bestimmen und damit die Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne nationalsozialistischer Ideologie zu lenken. War bereits hierdurch die Bindung hoheitlicher Machtausübung an Gesetz und Recht in Frage gestellt, so kam hinzu, daß viele der von den Nationalsozialisten erlassenen Gesetze den elementaren Grundsätzen von Rechtsstaatlichkeit widersprachen. Insbesondere der Bestimmtheitsgrundsatz wurde in einer Vielzahl nationalsozialisischer Normen durchbrochen, weil in ihnen unbestimmte Begriffe wie etwa "gesundes Volksempfinden", "Schutz der Volksgemeinschaft", "nationales Wohl" verwandt wurden, die die Rechtsanwendung fester Maßstäbe enthob und sie zu einem politischen Instrumentarium werden ließ.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Parallel zur Eroberung der Institutionen und politischen "Gleichschaltung" erfolgte die Ausschaltung der politischen Gegner, der sogenannten "Staatsfeinde" bzw. "Volksfeinde". Die NS-Machthaber, an ihrer Spitze Hitler, Goering, Göbbels, Röhm, der Stabschef der SA, und Himmler, der Reichsführer-SS, hatten schon während des Kampfes um die Macht deutlich ihre Absicht kundgetan, mit den Kommunisten und anderen Widersachern der nationalsozialistischen Bewegung nach der Machtergreifung abzurechnen. Diese "Abrechnung" wurde unter dem Anschein der Legalität nach dem Reichstagsbrand auf der Grundlage der Notverordnung zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 eingeleitet. Die Formulierungen der Notverordnung setzten praktisch alle Grundrechte "bis auf weiteres" - ein zeitweiliger Zustand, der bis zum Jahre 1945 andauern sollte - außer Kraft und begründeten den permanenten Ausnahmezustand. Die nationalsozialistische Führung konnte über die Polizeiorgane sowie SA und SS, denen hilfspolizeiliche Befugnisse eingeräumt wurden, ohne gerichtliche Kontrolle Personen auf unbeschränkte Zeit inhaftieren, Hausdurchsuchungen durchführen, Telefongespräche abhören, Briefe öffnen, Zeitungen verbieten bzw. zensieren, Parteien, Vereine und Organisationen auflösen, Eigentum beschlagnahmen und Versammlungen verbieten. Der Willkür waren keine Schranken gesetzt. Eine Welle von Verhaftungen, Verboten, Beschlagnahmen und Beschränkungen traf zunächst die gegnerischen Parteien und deren Mitglieder, in der Folge sonstige oppositionelle Gruppen. Die Verhaftung erfolgte unter Berufung auf die Notverordnung vom 28. Februar 1933 aufgrund eines schriftlichen "Schutzhaftbefehls". Auf diese Weise wurde der Inhaftierte der ordentlichen Gerichtsbarkeit entzogen. Er war auf Gedeih und Verderb den SA-, SS- und Polizeiorganen ausgeliefert. Die massenweise Verhaftung der angeblichen Staatsfeinde führte schon bald zu einer Überfüllung der staatlichen Haftanstalten. Die NS-Machthaber nahmen dies zum äußeren Anlass, ab Februar/März 1933 für die Schutzhaftgefangenen erste Konzentrationslager - u. a. das Konzentrationslager Dachau, das in der Folge wegweisend für die innere Organisation der Konzentrationslager werden sollte - einzurichten. Die Leitung der Lager wurde zunächst SA und SS, nach Ausschaltung der innerparteilichen Opposition anlässlich des sogenannten Röhm-Putsches im Juni/Juli 1934, in deren Verlauf die SA-Spitzenfunktionäre durch SS-Einheiten verhaftet und hingerichtet wurden, ausschließlich der SS übertragen. Himmler, dem Reichsführer-SS und seit dem Erlass vom 17. Juni 1936 Chef der deutschen Polizei, gelang es auf diese Weise frühzeitig, für die Schutzhaftgefangenen von der Öffentlichkeit abgeschirmte Bezirke zu schaffen, die jeder öffentlichen Kontrolle - insbesondere durch die Justiz - entzogen und in denen die Inhaftierten der Willkür der Bewachungsmannschaften ausgesetzt waren. Der SS stand mit diesem Staat im Staate ein dauerhaftes Machtinstrument zur Unterdrückung jeglicher Opposition zur Verfügung.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Entwicklung der Konzentrationslager war in der Folge untrennbar verbunden mit den Verfolgungsmaßnahmen gegenüber den Menschen jüdischen Glaubens und jüdischer Abstammung. Der Antisemitismus, dessen geistige Wegbereiter verstärkt schon im 19. Jahrhundert zu finden sind, war auch in der Weimarer Republik weit verbreitet. Für Hitler und seine engsten Vertrauten war die Rassenideologie die zentrale Idee der nationalsozialistischen Weltanschauung. Sie fand bereits Eingang in das Parteiprogramm der NSDAP vom 24. Februar 1920, das die aggressive Politik gegen das "Judentum" programmatisch festlegte: "Staatsbürger kann nur sein, wer Volksgenosse ist. Volksgenosse kann nur sein, wer deutschen Blutes ist, ohne Rücksichtnahme auf Konfession. Kein Jude kann daher Volksgenosse sein." Alsbald nach der Machtergreifung begannen die NS-Machthaber, das grundlegende Staatsziel, die systematische Entrechtung der Juden, in die Tat umzusetzen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Gewalttaten gegen jüdische Bürger und ihr Eigentum leiteten am 1. April 1933 die Beschränkung der Lebensmöglichkeiten deutscher Juden ein. Mit der Entlassung jüdischer Richter und Beamten begann die administrative Ausschaltung aus allen Lebensbereichen. Gesetzliche Grundlage für erste Maßnahmen bildete neben der bereits erwähnten Verordnung zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 und dem Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 das Berufsbeamtengesetz vom 7. April 1933 mit seinen Durchführungsverordnungen, deren erste eine Definition des Begriffs Nichtarier gab; hierunter wurden insbesondere Juden und Abkömmlinge von Juden verstanden. In der Folge wurde der sogenannte "Arier-Paragraph" auf weitere Berufsgruppen ausgedehnt. Eine Vielzahl von Gesetzen, Verordnungen und Erlassen zielte darauf ab, den jüdischen Bevölkerungsteil gänzlich aus dem öffentlichen Leben zu verbannen. Betroffen von diesen Maßnahmen waren beispielhaft Ärzte, Apotheker, Anwälte, Notare, Künstler und Journalisten. Juden durften Universitäten und Schulen nur noch in immer kleiner werdenden Kontingenten besuchen. Sie wurden von Ehrenämtern, Steuerermäßigungen, vielen Sozialleistungen, vom Wehrdienst und aus Vereinen aller Art ausgeschlossen. Vorläufiger Höhepunkt dieser Entwicklung waren die sogenannten Nürnberger Gesetze vom 15. September 1935, darunter das "Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre", das künftig die formale Grundlage zu exzessiven Vorgehen gegen sogenannte "Rassenschande" bot, ferner das Reichsbürgergesetz, das Juden in Deutschland gegenüber arischen Reichsbürgern mit vollem Rechtstatus zu bloßen "Staatsangehörigen" herabstufte, die nur noch dem vorgeblichen "Schutz" des Staates unterstanden, denen die Rechte des Bürgers - "Volksgenossen" - hingegen versagt wurden. Nach einer gewissen Beruhigungsphase wurden die deutschen Juden entsprechend dem Plan der NS-Machthaber etwa ab 1938 gezielt aus dem Wirtschaftsleben verdrängt. Parallel hierzu wurden die Anstrengungen verstärkt, die Auswanderung möglichst aller Juden aus dem Reichsgebiet unter deren schrittweiser Enteignung durchzusetzen. Diesem Zwecke dienten eine große Zahl von Gesetzen, Verordnungen und Erlassen. So wurde der Status der jüdischen Religionsgemeinden als Körperschaften öffentlichen Rechts mit Gesetz vom 28. März 1938 in Vereine bürgerlichen Rechts umgewandelt. Die Verordnung vom 26. April 1938 über die Verpflichtung zur Anmeldung "jüdischen Vermögens" setzte den "Beauftragten für den Vierjahresplan", Goering, in die Lage, jederzeit jüdisches Vermögen entschädigungslos einzuziehen und anderweitig zu verwenden. Durch das am 6. Juli 1938 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung wurde Juden die Ausübung bestimmter Berufe verboten; die Betroffenen waren gezwungen, ihre Unternehmen bis zum 31. Dezember 1938 aufzugeben oder zu veräußern. Verblieben den in Wirtschaft und Handel tätigen Juden hiernach noch begrenzte Arbeitsmöglichkeiten, so änderte sich die Situation schlagartig mit der sogenannten "Reichskristallnacht" vom 9. auf den 10. November 1938.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die nationalsozialistische Führung nahm das Attentat eines jungen Juden auf den deutschen Botschaftsrat Ernst vom Rath in Paris als willkommenen Anlaß, die Verfolgung der Juden zu verstärken. Ein Aufruf an alle Parteigliederungen führte zu dem angeblich "spontanen" Massenpogrom, in dessen Verlauf jüdische Geschäfte und Wohnungen durch Anhänger der Nationalsozialisten verwüstet, fast alle Synagogen niedergebrannt, Plünderungen vorgenommen, Juden mißhandelt und getötet und Tausende - vor allem wohlhabender - Juden in Schutzhaft genommen, d. h. in Konzentrationslager verbracht wurden. Mit kaum zu überbietendem Zynismus wurde den im Reich verbliebenen Juden die Zahlung einer "Sühne" in Höhe von einer Milliarde Reichsmark wegen des Attentats eines Juden auf einen Deutschen auferlegt. Die Lebensmöglichkeiten wurden nach und nach durch administrative Maßnahmen (weiter) rigoros eingeschränkt, um einen wirksamen Auswanderungsdruck zu erzeugen und die jüdische Bevölkerung schnell zu vermindern. Bereits im Dezember 1938 wurde Juden der Führerschein entzogen. Ihre Bewegungsfreiheit wurde durch Bannmeilen und zeitliche Begrenzung beschränkt. Juden wurden vom Besuch der Hochschulen ausgeschlossen. Alle jüdischen Gewerbetreibenden konnten gezwungen werden, ihre Betriebe innerhalb kürzester Frist aufzulösen. Ihnen blieben nur einfachste Arbeiten, um den Lebensunterhalt bestreiten zu können. Nach Kriegsbeginn zwang eine Flut von Verordnungen die noch außerhalb der Konzentrationslager lebenden Juden zu einem Schattendasein. Ihre totale gesellschaftliche Ächtung kam in § 1 der Polizeiverordnung über die Kennzeichnung der Juden vom 1. September 1941 zum Ausdruck: "Juden, die das 6. Lebensjahr vollendet haben, ist es verboten, sich in der Öffentlichkeit ohne einen Judenstern zu zeigen ...". Nach § 2 war den Juden untersagt, ihre Wohngemeinde ohne Erlaubnis der örtlichen Polizeibehörde zu verlassen. Entsprechende Verordnungen wurden nach Kriegsbeginn in den annektierten und besetzten Gebieten eingeführt. Die lückenlose Erfassung der jüdischen Bevölkerungskreise und der jederzeitige Zugriff auf sie waren auf diese Weise sichergestellt.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Eroberung osteuropäischer Gebiete führte seit dem Angriff auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 zu einer dramatischen Wende in der Judenpolitik der nationalsozialistischen Führung. Wurde zunächst noch zu Kriegsbeginn die Auswanderung aller im damaligen Reichsgebiet lebenden Juden als Ziel der deutschen Judenpolitik propagiert, in der Folge, insbesondere nach Abschluss des "Frankreich-Feldzuges" der sogenannte Madagaskar-Plan, der die zwangsweise Umsiedlung der europäischen Juden auf die Insel Madagaskar vorsah, diskutiert, so wurde dieser Plan ebenso wie derjenige, der die Errichtung eines "Ostreservates" zur Ansiedlung europäischer Juden vorsah, mit dem Überfall auf die Sowjetunion fallengelassen. An ihre Stelle trat als erklärtes Ziel des Krieges, neben der Gewinnung von "Lebensraum" die Ausrottung der "jüdisch-bolschewistischen Führungsschicht in Reich" und der Juden in Osteuropa. Hitler erteilte den sogenannten Endlösungsbefehl im Jahre 1941 mündlich zumindest an Goering, Göbbels, Himmler und Heydrich. Himmler wurde die praktische Durchführung übertragen. Auf dessen Befehl und unter Mitwirkung des ihm unterstellten SS-Obergruppenführers Reinhard Heydrich, als Chef der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes und als Leiter des Reichssicherungshauptamtes wurden hinter der kämpfenden Truppe im Osten in Ausführung des Endlösungsbefehls durch sogenannte SS-Einsatzgruppen im Sommer 1941 Massentötungen, in der Regel Massenerschießungen, der jüdischen Bevölkerung in den besetzten Gebieten der Sowjetunion vorgenommen. Ähnliche Einsätze hatte es schon im "Polen-Feldzug" gegeben. Sie gingen seinerzeit einher mit dem Abtransport der überlebenden Juden in größere Städte, wo Gettos gebildet wurden.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Massenerschießungen erregten trotz aller Geheinhaltungsmaßnahmen großes Aufsehen. Die auffällige Tötungsmethode der Einsatzgruppen sollte daher nach dem Willen der nationalsozialistischen Führung durch eine ebenso unbarmherzige, aber lautlose Tötungsmechanik ersetzt werden, die abgeschirmt von der Öffentlichkeit und unter Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit der Opfer in Szene gesetzt werden konnte. Hierfür boten sich die Mordmethoden an, die bei der Durchführung des Euthanasieprogramms in den Jahren 1939 bis 1941 zur planmäßigen Tötung von Geisteskranken und solchen Menschen, die dazu erklärt wurden (sogenanntes lebensunwertes Leben), entwickelt worden waren. In Verlauf dieser Aktion hatten besondere Baukommandos in "Heilanstalten", die von Kranken "freigemacht" werden sollten, feste - abgedichtete und mit Gasanschlüssen versehene - Gaskammern eingerichtet. Hierin konnte eine Vielzahl von Menschen innerhalb kurzer Zeit dadurch getötet werden, daß man ein tödlich wirkendes Gas in den Raum leitete. Die Leichen wurden anschließend in Krematorien verbrannt. Um die befohlene systematische Vernichtung aller Juden im deutschen Einflußbereich mit der angestrebten Perfektion und mit größtmöglichem wirtschaftlichen Gewinn durchführen zu können, berief Heydrich, dem die zentrale Leitung der Maßnahmen für eine "Gesamtlösung der Judenfrage in Europa" oblag, Vertreter aller Zentralinstanzen zu einer Konferenz in Berlin am Großen Wannsee ein. In der heute allgemein als 1. Wannsee-Konferenz bezeichneten Sitzung gab Heydrich im Januar 1942 zunächst einen Überblick über den Verlauf der Judenpolitik seit 1933. Alsdann erläuterte er den Anwesenden den Plan der "Endlösung", wonach die etwa 11 Millionen Juden Europas ohne justizielles Verfahren physisch vernichtet werden sollten. Als erster Schritt war danach die Deportation in Durchgangslager der Gettos im Osten vorgesehen; alsdann sollten die Juden bei schwerer Arbeit eingesetzt werden. Wer dies überstand, sollte "entsprechender Behandlung" zugeführt, d. h. liquidiert werden. Unter der nach dem Vornamen Heydrichs gewählten Tarnbezeichnung "Aktion Reinhard" erwies sich die Massentötung durch Gas in ortsfesten Vernichtungsstätten in der Folge als geeignetste Methode, um der nach Osten dirigierten Menschenmassen Herr zu werden und sie "entsprechend behandeln" zu können. Neben den 1942 eingerichteten "reinen" Vernichtungslagern der "Aktion Reinhard" Treblinka, Belzec und Sobibor wurde das Vernichtungslager Chelmo (Kulmhof), zeitweilig das Konzentrationslager Majdanek und das Konzentrationslager Auschwitz in die Durchführung der Ausrottungsmaßnahmen mit einbezogen. Millionen von Juden verloren in diesen und den übrigen Lagern bis zum Ende des Krieges ihr Leben.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die nationalsozialistische Führungsspitze strebte die planvolle, unbarmherzige Vernichtung aller Juden im deutschen Einflußbereich nicht nur aus den ideologischen Vorstellungen eines verblendeten und sittlich auf tiefster Stufe stehenden Antisemitismus an. Im Verlauf des Krieges gewann der wirtschaftliche Aspekt, die größtmögliche Ausnutzung der Arbeitskraft der noch lebenden und arbeitsfähigen Juden und die wirtschaftlich perfekte Erfassung und Verwertung der von den getöteten Juden hinterlassenen, ihnen bis in die Lager noch verbliebenen Habe, deutlich an Gewicht. Die Maßnahmen im Rahmen der Aktion Reinhard konzentrierten sich daher einerseits auf die Massenvernichtung im Sinne des Endlösungsbefehls und die Wegnahme sowie Verwertung des Hab und Gutes der zur sofortigen Vernichtung bestimmten Opfer und andererseits auf die Ausbeutung der noch lebenden, arbeitsfähigen Juden als billigste Arbeitskräfte. Zur Ausbeutung der jüdischen Arbeitskraft und zur Verwertung der Hinterlassenschaft der getöteten Juden entstand ein Netz, insbesondere für die Rüstung bedeutsamer SS-eigener Wirtschaftsunternehmen - wie die deutschen Ausrüstungswerke (DAW) -, die sich über die Konzentrationslager verteilten. Wie mit den Habseligkeiten der getöteten Juden zu verfahren war, wurde mittels Anordnungen und Richtlinien vom SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt (WVHA) in Berlin festgelegt. Dementsprechend wurden in den Lagern während und nach den Vernichtungsaktionen Gepäck, Kleidung, Wert- und Gebrauchsgegenstände in einem besonderen Teil des Lagers sortiert, grob bearbeitet und an das WVHA oder die von diesem bestimmten Organisationen - wie die volksdeutsche Mittelstelle - versandt. Die dazu nötigen Arbeiten wurden von Arbeitskommandos, die aus den Reihen der Häftlinge ausgewählt wurden, durchgeführt.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Für die Durchsetzung der spezifischen Ziele des Nationalsozialismus stand den Machthabern mit der von Himmler 1929 gegründeten SS ein geeignetes Instrument zur Verfügung. Tenor der Erziehung dieser sogenannten Elite war der Glaube an die Überlegenheit der arischen Rasse und an die Minderwertigkeit der Nichtarier. Die SS sollte nach dem Willen Himmlers als "nordischer Männerorden" neben der anfangs im Vordergrund stehenden besonderen Einsatzfunktion für Hitler (Leibwache - "Schutzstaffel") und der politischen Sicherungsaufgabe im Staat eine Auslese bilden, die als künftige "Herrenrasse" für sämtliche "Ordnungsaufträge" im nationalsozialistischen Herrschaftsbereich qualifiziert war. Dementsprechend wurden die Mitglieder dieses "Ordens" auf das nationalsozialistische - insbesondere das rassenideologische - Gedankengut und die ausschließliche Geltung des "Führerwillens" eingeschworen. Sie hatten sich allein an der eigenen Ideologie der SS auszurichten, die den unbedingten Gehorsam gegenüber jedem Befehl und eiserne Disziplin propagierte und diesen Grundsätzen alle menschlichen, sittlichen, moralischen und religiösen Maßstäben unterordnete. "Den Tod zu geben und zu nehmen" gehörte zu den selbstherrlichen Postulaten eines hochgezüchteten Elitebewußtseins, das die SS prädestinierte, die rassenpolitischen Maßnahmen im besetzten Europa als Vollzugsorgan durchzusetzen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Um ein Höchstmaß an Einfluß zu gewinnen, erstrebte Himmler immer weiterreichende Funktionen und Machtbefugnisse für seinen "Orden". Wesentlicher Faktor für den Ausbau der SS-Macht war die Ernennung Himmlers zum Chef der deutschen Polizei mit dem erwähnten Erlass vom 17. Juni 1936. Mit dieser Maßnahme ging nicht nur eine Zentralisierung des deutschen Polizeiwesens einher. Sie war zugleich Ausgangspunkt für die von Himmler bewußt angestrebte Vereinheitlichung von SS und Polizei, was sinnfällig in der Vereinigung eines Parteiamtes (Reichsführer-SS) mit dem neu gegründeten staatlichen Amt ("Chef der deutschen Polizei") in seiner Person zum Ausdruck kam. Nach seiner Ernennung organisierte Himmler die Polizei von Grund auf neu. Er errichtete zwei Hauptämter, das "Hauptamt Ordnungspolizei", zu dem die Schutzpolizei, die Gendarmerie und die sogenannte Verwaltungspolizei gehörten, und das "Hauptamt Sicherheitspolizei" (Sipo), das im wesentlichen von der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) - der durch Erlass des Reichsinnenministers vom 25. Januar 1938 die ausschließliche Zuständigkeit für die Schutzhaftverhängung und die Entlassung von Schutzhaftgefangenen aus den Konzentrationslagern zukam - und der Kriminalpolizei gebildet wurde. Mit der Neuorganisation gingen Personalentscheidungen einher, die auf eine immer engere Verflechtung zwischen Polizei und SS abzielten. So betraute Himmler mit der Führung des Hauptamtes Sicherheitspolizei einen seiner engsten Vertrauten, den damaligen SS-Gruppenführer Heydrich. Auf dem Weg zu einer völligen Verschmelzung von SS und Polizei errichtete Himmler kurz nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges mit Erlass vom 27. September 1939 das Reichssicherungshauptamt (RSHA), indem er das Hauptamt Sicherheitspolizei mit dem Sicherheitsdienst der SS (SD) vereinigte und den zwischenzeitlich zum SS-Obergruppenführer avancierten Heydrich zu dessen Chef ernannte. Das RSHA - hier das Amt IV - blieb bis Kriegsende in Fortführung der Aufgaben der Gestapo für die Einweisungen und Entlassungen der Konzentrationslagerhäftlinge zuständig.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Neben der institutionellen und personellen Durchdringung des Polizeiwesens kennzeichnete der Aufbau bewaffneter SS-Truppen am augenfälligsten die Machtausweitung Himmlers. Entgegen den Versprechungen Hitlers gegenüber der Reichswehr entwickelten sich mit seiner Billigung aus den "politischen Bereitschaften", einer im Gegensatz zur "allgemeinen SS" bewaffneten und kasernierten SS-Einheit, die im Zuge der ersten Verhaftungswelle nach dem Brand des Reichstagsgebäudes als Hilfspolizei Verwendung fand, und der "Leibstandarte Adolf Hitler" die "SS-Verfügungstruppe" und die mit der Leitung, Organisation und Bewachung von Konzentrationslagern betrauten "SS-Totenkopfverbände". Diese Gliederungen stellten die Kader für die militärisch ausgebildete Waffen-SS, deren Truppen nach Kriegsbeginn systematisch erweitert und an der Front eingesetzt wurden. Hiervon ausgenommen waren die formal zur Waffen-SS zählenden, überwiegend aus nicht voll Kriegsverwendungsfähigen zusammengesetzten SS-Totenkopfverbände (Wachsturmbanne), die (weiterhin) als Vollzugsorgane der rassenpolitischen Maßnahmen im besetzten Europa in dem immer umfangreicher werdenden Konzentrationslagerbereich Verwendung fanden.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die für die Leitung, Organisation und Bewachung der Konzentrationslager eingesetzten Kräfte unterstanden bei ihrem Einsatz der Befehlsgewalt ihrer Vorgesetzten in der hierarchischen Organisationsstruktur der SS. Ihr strafrechtlicher Status bestimmte sich in diesem Einsatz nach den Vorschriften des Militär-Strafgesetzbuches. Nach § 1 Ziffer 6 der "Verordnung über die Sondergerichtsbarkeit in Strafsachen für Angehörige der SS und für die Angehörigen der Polizeiverbände bei besonderem Einsatz" vom 17. Oktober 1939 wurde eine entsprechende Sondergerichtsbarkeit in Strafsachen begründet. § 3 dieser Verordnung bestimmte, daß im Geltungsbereich der Sondergerichtsbarkeit die Vorschriften des Militär-Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden waren. Damit waren SS-Mitglieder, die - wie der Angeklagte - aus der Waffen-SS (Totenkopf-Verbände) kamen, dieser Sondergerichtsbarkeit und dem Militär-Strafrecht unterstellt.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">4.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Den Ausführungen zum zeitgeschichtlichen Hintergrund liegen die allgemeinkundigen, geschichtlich gesicherten Tatsachen zugrunde, wie sie sich zum einen aus den einschlägigen Gesetzen und Verordnungen der damaligen Zeit, die in Gesetz- und Verordnungsblättern veröffentlicht sind, zum anderen aus den veröffentlichten Erkenntnissen der zeitgeschichtlichen Forschung - zu denen beispielhaft verwiesen wird auf: Buchheim/Broszat/Jacobsen/ Krausnick, Anatomie des SS-Staates, Walter-Verlag, Bd. I und II; Hofer, Der Nationalsozialismus - Dokumente 1933 - 1945, Fischer-Verlag; Kogon, Der SS-Staat, Wilhelm Heyne-Verlag - ergeben.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Entstehung und Entwicklung des Konzentrationslagers Auschwitz - nach der amtlich gebrauchten Abkürzung: KL Auschwitz - ist untrennbar verbunden mit den wechselnden Zielvorstellungen der NS-Machthaber im Verlaufe des Zweiten Weltkrieges. Die ursprüngliche Zweckbestimmung als Durchgangslager wurde schon bald von der Funktion als Arbeitslager, das der grenzenlosen Ausbeutung der Häftlingsarbeitskraft und der damit einhergehenden Wertschöpfung für den "SS-Staat" diente, abgelöst. Im Rahmen der "Endlösung der Judenfrage" trat die Funktion als Massenvernichtungslager für die systematische Ausrottung jüdischer Menschen hinzu.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Nach Kriegsbeginn zeigte sich, daß die Polizeigefängnisse und bestehenden Konzentrationslager nicht entfernt ausreichten, um die ins Riesenhafte steigenden Scharen von "Schutzhaftgefangenen" aufzunehmen. Das galt insbesondere für die besetzten Ostgebiete. Neben dem Ausbau der vorhandenen Konzentrationslager in Deutschland löste die NS-Führung dieses Problem mit der Errichtung neuer Lager. Hierzu zählte das KL Auschwitz. Anfangs war es als bloßes Durchgangslager geplant, in dem die Häftlinge aus Schlesien und dem Generalgouvernement eine Quarantänezeit durchmachen sollten, bevor man sie in andere Lager auf innerdeutsches Gebiet verbrachte. Bei der Auswahl der Örtlichkeit für das Lager waren die Verkehrsbedingungen und die Unterbringungsmöglichkeiten ausschlaggebend. Wegen der Eilbedürftigkeit kam der Neubau eines Lagers nicht in Betracht. Vorgezogen wurde die Verwendung eines bestehenden Objektes, das zudem - wegen der geplanten Transporte - eine Anbindung an eine Eisenbahnlinie aufweisen sollte. Diese Bedingungen erfüllte ein Komplex von ehemaligen polnischen Kasernengebäuden in Zasole, einem Vorort von Auschwitz. Das Gelände gehörte damals zu den dem deutschen Reich eingegliederten Ostgebieten. Es liegt in einer Niederung zwischen den Flüssen Weichsel und Sola. In der Nähe der Kasernengebäude verlief die Bahnlinie Kattowitz-Auschwitz-Krakau. Mit der Errichtung des KL Auschwitz beauftragte Himmler im Mai 1940 den damaligen Schutzhaftlagerführer des KL Sachsenhausen Höss; zugleich ernannte er ihn zum Kommandanten für das zu gründende Lager. Vorgegeben war als Aufgabe, innerhalb kürzester Zeit aus dem Gebäudebestand ein Quarantänelager für 10.000 Häftlinge zu schaffen.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Höss nahm umgehend mit einigen SS-Angehörigen, aus der Stadt Auschwitz zwangsweise rekrutierten Juden und 30 aus dem KL Sachsenhausen überstellten (inhaftierten) Berufsverbrechern, die in der Folge als Vorgesetzte der Häftlinge (sogenannte Funktionshäftlinge) eingesetzt wurden, den Bau des Lagers in Angriff. Als eine der ersten Maßnahmen wurde die Zivilbevölkerung in der näheren Umgebung der ehemaligen Kaserne zwangsweise evakuiert. Der ursprüngliche Bauplan des Lagers bildete zugleich die erste Richtlinie für die Häftlingsbeschäftigung. Die zur Nutzung vorgesehenen Kasernengebäude hatten keine Kanalisation und keine sanitären Einrichtungen. Einige waren im Verlauf der Kriegshandlungen im Jahre 1939 teilweise zerstört worden. Erste dringliche Arbeiten wurden bereits in Mai 1940 durchgeführt. Das Lagergelände wurde oberflächlich in Ordnung gebracht. Ein Steingebäude wurde eingerichtet und mit Stacheldraht umzäunt. Am 14. Juni 1940 traf der erste Transport polnischer Häftlinge im Lager ein. Von diesem Zeitpunkt an wuchs der Zahlenstand der Inhaftierten rasch. Mit Hilfe der Häftlinge wurde der weitere Lageraufbau schnell vorangetrieben. Das Gelände wurde geebnet, die Lagerstraßen befestigt, Steingebäude (Blocks) ausgebaut, instandgesetzt und neu errichtet. Der gesamte Lagerkomplex, der für die Unterbringung der Häftlinge diente, wurde eingezäunt und mit Wachtürmen umstellt.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Bereits gegen Ende des Jahre 1940 wurde die Zweckbestimmung des KL Auschwitz als Durchgangslager aufgegeben. Die nahegelegene ostoberschlesische Industrie, für die die billige Arbeitskraft der Häftlinge ebenso ausgenutzt werden konnte wie für SS-eigene Produktionsstätten und landwirtschaftliche Betriebe in der Nähe und Umgebung des Lagers bestimmte Himmler zu weitreichenden Plänen. Diese sahen eine veränderte Funktion des Lagers - nunmehr als Arbeitslager - und die Konzentration großer Häftlingskontingente im KL Auschwitz vor. Dementsprechend gab Himmler bei einer ersten Besichtigung des Lagers Anfang März 1941 die Weisung, den auf dem Kasernengelände errichteten Komplex für 30.000 Gefangene zu erweitern. Gleichzeitig ordnete er die Ausdehnung des Gesamtlagerbereichs - sogenanntes Interessensgebiet KL Auschwitz - auf eine Fläche von 40 km² und die Errichtung eines zweiten Lagers für 100.000 Häftlinge auf dem Gelände des nahegelegenen, ca. 3 km vom Lager Auschwitz entfernten Dorfes Birkenau (Brzezinka oder Brzezinki) an. Nachfolgend gab er die Anweisung, das weitere Lager mit einer Kapazität für 200.000 Gefangene anzulegen. Der Aufbau des Lagers Birkenau wurde im Oktober 1941 begonnen und in mehreren Bauabschnitten fast bis in die letzten Monate der Existenz des Lagers fortgesetzt. Bis zu dieser Zeit waren etwa 300 der geplanten 600 Häftlingsbaracken errichtet.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Neben Häftlingsunterkünften wurden im Laufe des Jahre 1941 bereits im Lager bestehende Handwerksbetriebe sowie SS-eigene Wirtschaftsbetriebe wie die DAW ausgebaut. Seit 1941 wurden die Häftlinge ferner zur Arbeit in der Landwirtschaft und in Züchtereien, die in Übereinstimmung mit Himmlers Anordnung auf den unter der Verwaltung des Lagerkommandanten stehenden Gebieten angelegt wurden, eingesetzt. Ab Frühjahr 1941 wurden der IG-Farbenindustrie in ständig steigender Zahl Häftlinge aus dem KL Auschwitz zur Verfügung gestellt, die zunächst zum Aufbau eines Buna-Werkes in dem 7 km vom Lager entfernten Dwory eingesetzt wurden. Schwierigkeiten mit Häftlingstransporten zum Arbeitsplatz, die zu einen Absinken der Arbeitsleistung führten, bewogen die IG-Farbenindustrie, in dem den Buna-Werken nahegelegenen, ausgesiedelten Dorf Monowitz ein Sonderlager für die Häftlinge einzurichten. In Oktober 1942 wurden die Gefangenen dorthin überführt. Dieses in der ersten Zeit Buna-Lager, später Häftlingsarbeitslager Monowitz genannte Nebenlager (Außenlager) gehörte zum Bereich des KL Auschwitz. In der Folge entstand eine Vielzahl von kleineren Häftlingslagern - Außenlagern - bei anderen Industriebetrieben in der näheren und weiteren Umgebung des Lagers.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Im Zusammenhang mit den im Rahmen der "Endlösung der Judenfrage" erteilten Befehlen wurde im Jahre 1942 mit dem Bau von vier riesigen Gaskammern und Krematorien begonnen, die im Jahre 1943 in Betrieb genommen wurden. Seitdem hatte das KL Auschwitz nicht mehr allein die Funktion als Arbeitslager, es diente vielmehr auch und vor allem als Stätte der systematischen Massenvernichtung insbesondere der jüdischen Menschen.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Das Interessensgebiet des KL Auschwitz war räumlich im wesentlichen in drei große Bereiche aufgeteilt, nämlich das auf dem ehemaligen Kasernengelände errichtete Lager, das Lager Birkenau und eine Vielzahl von Neben- bzw. Außenlagern, deren größtes das Lager Monowitz war.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Das auf dem ehemaligen Kasernengelände erstellte Lager wurde Stammlager genannt. Im südlichen Bereich grenzte das in Form eines Rechtecks angelegte Lager an die entlang der Sola führende Straße von Auschwitz nach Rajsko. In einer Entfernung von ca. 2 km zum Lager verlief nördlich die Eisenbahnlinie Kattowitz-Auschwitz-Krakau. Von dieser Hauptlinie wurde ein parallel hierzu verlaufendes Nebengleis angelegt, das am Ende mit einer Holzrampe ausgestattet war. Auf dieser - nach der Errichtung einer (neuen) Rampe in Birkenau "alte Rampe" genannten - Rampe endeten in den Jahren bis zum Frühjahr 1944 die Häftlingstransporte aus den besetzten Ländern Europas. Von der Hauptbahnstrecke wurde des weiteren ein Nebengleis eingerichtet, das in südwestlicher Richtung zum Stammlager führte. Dieses Gleis, auf das nachfolgend noch näher einzugehen sein wird, wurde nicht zum Transport von Deportierten genutzt.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">aa)</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Das Stammlager bestand aus dem Schutzhaftlager, das vornehmlich der Unterbringung der Häftlinge diente, und den außerhalb des Lagers liegenden Gebäuden. In dem Schutzhaftlager, das mit einem - nachts unter Starkstrom gesetzten - Stacheldrahtzaun umgeben war, wurde in zwei nebeneinander liegenden Gebäuden (Blocks) eine Effekten- und eine Bekleidungskammer eingerichtet. In der Effektenkammer - Effektenkammer I genannt - wurde das persönliche Eigentum (Effekten) der im Lager untergebrachten Gefangenen aufbewahrt. Auf nähere Einzelheiten zum Schutzhaftlager soll hier nicht weiter eingegangen werden, weil die dem Angeklagten zur Last gelegten Taten sich nicht in diesem Bereich zugetragen haben bzw. zugetragen haben sollen.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">bb)</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">An der östlichen Schmalseite des Schutzhaftlagers schlossen sich außerhalb der Stacheldrahtumzäunung drei Gebäude an, in denen verschiedene Dienststellen ihre Büroräume hatten. In einem zur Sola - südlich - gelegenen Gebäude unterhielt der Kommandanturstab seine Büros. In dem mittleren Gebäude war die Verwaltungsabteilung untergebracht. Zu der Verwaltungsabteilung gehörte u. a. die Gefangeneneigentumsverwaltung. Diese wiederum war unterteilt in die Häftlingsgeldverwaltung (HGV) mit den Unterabteilungen für Reichsmark einerseits und Devisen andererseits, die Wertsachenverwaltung, die Effektenkammerverwaltung und die Effektenlagerverwaltung. Die Gefangeneneigentumsverwaltung war im weitesten Sinne mit der Erfassung, Registrierung, Verwahrung und Verteilung der persönlichen Habe der in das KL Auschwitz verbrachten Deportierten befaßt. Nördlich von dem Verwaltungsgebäude war in einem Gebäude eine Apotheke, die Dienststelle des Standortarztes und ein SS-Revier untergebracht. Östlich hiervon lag das Krematorium, das später - nach der Inbetriebnahme der vier Krematorien in Birkenau - als "altes Krematorium" bzw. "K I" bezeichnet wurde. Die Diensträume der politischen Abteilung waren in südlich zum Krematorium gelegenen Baracken untergebracht.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">cc)</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Nordwestlich vom Schutzhaftlager - ebenfalls außerhalb der Umzäunung - waren in der näheren Umgebung u. a. Wirtschaftsgebäude und Werkstätten gelegen. Hierzu zählte die Niederlassung des SS-eigenen Betriebes DAW, der Rüstungs-, insbesondere Reparaturaufträge für die Wehrmacht ausführte. In dessen unmittelbarer Nähe wurde 1942 ein Effektenlager eingerichtet. Das quadratisch angelegte Lager wies zwei Ein- bzw. Ausgänge auf. An dem Eingang im ostwärtigen Teil führte in einer Entfernung von ca. 10 m das oben erwähnte Nebengleis (Lageranschlussgleis) zum Stammlager Auschwitz vorbei. In Höhe des Eingangs zum Lager war an diesem Nebengleis eine kleine Rampe zum Beladen der Eisenbahnwaggons errichtet. Der Eingang im westlichen Bereich lag an einer vorbeiführenden Straße. Das Gelände war mit Stacheldrahtzaun umgeben. An den Pfosten der Umzäunung befanden sich Scheinwerfer, die das Lager bei Dunkelheit beleuchteten. An den Ecken des Lagers waren Wachtürme errichtet, auf denen SS-Posten Wache hielten. In dem Lager waren sechs Baracken errichtet. Vom ostwärtigen Eingang aus gesehen befanden sich zwei nebeneinanderliegende Baracken links vom Eingang. Die Schmalseiten dieser Baracken zeigten nach Osten und Westen. Die nächst der Einfahrt gelegene Baracke trug die Kennzeichnung "Baracke 1", das danebenliegende Gebäude "Baracke 2". Die Baracken hatten jeweils an den Schmalseiten Türen, wobei die zu der Umzäunung gelegenen der besseren Übersichtlichkeit halber nahezu stets geschlossen gehalten wurden. Im westlichen Teil lagen - ebenfalls vom östlichen Eingang gesehen - links die "Baracke 3", rechts die "Baracke 4". Rechter Hand vom Eingang befand sich der nach einem unter den Gefangenen geachteten Funktionshäftling benannte "Albert-Schuppen" mit einem Aufenthaltsraum, Büro und Magazin. Inmitten des Lagers war eine Baracke mit dem Bad und einer Entwesungskammer eingerichtet. Westlich davon befand sich ein Abort.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">In diesem Lager war seit 1942 ein Teil der arbeitsfähigen Häftlinge, Männer wie Frauen, mit der Sortierung von Kleidung und Gepäck der unmittelbar nach Ankunft im Lager getöteten Menschen befaßt. Als Arbeitsräume dienten ihnen die Baracken 1 bis 4. Hier arbeitete eine steigende Anzahl von Häftlingen bei der Sortierung nach Richtlinien, die das WVHA vorgegeben hatte. Eine besondere Arbeitsgruppe sortierte die Kleidung nach Brauchbarkeit, eine andere trennte sogenannte "Judensterne" von brauchbaren Kleidungsstücken ab. Wieder andere Häftlinge hatten Kleidungsstücke bei peinlicher Durchsuchung auf verräterische Hinweise und auf versteckte Wertgegenstände durchzusehen und nach Gebrauchseignung (Kinder-, Frauen-, Männerkleidung etc.) zu sammeln und zu bündeln, worauf diese bis zum Abtransport vorübergehend im Magazin gelagert wurden. Mitglieder der Arbeitskommandos hatten mit dem angefallenen Gut von Zeit zu Zeit Waggons an der oben erwähnten Rampe des Nebengleises zu beladen. Hierzu bildeten weibliche und männliche Häftlinge eine Kette, innerhalb derer das zu verladende Gut von Hand zu Hand aus dem Lager in die Eisenbahnwaggons transportiert wurde. Ebenso wie mit Kleidung wurde mit dem weiteren Inhalt des Gepäcks verfahren, mit Wäschestücken, Gegenständen des persönlichen Bedarfs, mit Koffern und Taschen, Brillen und Arzneimitteln etc. Wertgegenstände wurden in einer verschlossenen Kiste gesammelt, die in regelmäßigen Abständen zu den Dienststellen der Gefangeneneigentumsverwaltung gebracht wurde.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Das später - nach Einrichtung eines weiteren Effektenlagers in Birkenau - im amtlichen Sprachgebrauch Effektenlager I bezeichnete Lager wurde von den Häftlingen "Kanada-Lager" - kurz "Kanada" - genannt. Damit verbunden war die in gewisser Hinsicht berechtigte Vorstellung der anfangs überwiegend polnischen Gefangenen von einer Vorzugsstellung der dort eingesetzten Häftlinge. Kanada war für die polnischen Häftlinge das Land des Überflusses. Die im Effektenlager eingesetzten Häftlinge lebten nach ihrer Vorstellung in einem solchen Überfluß, weil sie im Gegensatz zu den übrigen Gefangenen Gelegenheit hatten, zumindest alles zum Überleben Notwendige zu "organisieren". Dies war indes nur eingeschränkt der Fall. Zum einen war es von dem jeweiligen Einsatz abhängig, ob ein Häftling z. B. mit Lebensmitteln in Berührung kam. Für weibliche Häftlinge gab es derartige Möglichkeiten nicht, weil männliche Häftlinge das Gepäck vorsortierten und hierbei die von einer besonderen Arbeitsgruppe weiter zu behandelnden Lebensmittel aussonderten. Zum anderen war die Ansichnahme der Effekten mit drastischen - offiziellen und nicht offiziellen - Sanktionen bedroht. Daß es gleichwohl dazu kam, daß im Effektenlager tätige Häftlinge vor allem Lebensmittel an sich brachten, lag an ihrem ungebrochenen Überlebenswillen. Der Begriff "Kanada" wurde nachfolgend allgemein verwandt und vielfach undifferenziert auf alle Bereich erstreckt, die im weitesten Sinne mit Effekten in Zusammenhang standen.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">In der weiteren Umgebung des Schutzhaftlagers befand sich im Norden eine große Anlage "Bekleidungswerkstätten-Lederfabrik". In dem kurz "Lederfabrik" genannten Komplex arbeitete eine große Anzahl von Häftlingen als Handwerker für die Bedürfnisse der SS-Angehörigen. Ob in der Anlage ein (weiteres) Magazin für das Effektenlager I eingerichtet war, konnte in der Hauptverhandlung nicht mit Sicherheit festgestellt werden.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Das Lager Birkenau wurde nach ersten Plänen seit Oktober 1941 in drei Bauabschnitten auf einem nordwestlich von dem Stammlager und der zwischen den Lagern verlaufenden Hauptbahnstrecke Kattowitz-Auschwitz-Krakau gelegenen riesigen Areal errichtet. Die Bauabschnitte - zunächst auf eine Aufnahmekapazität von 100.000, später 200.000 Häftlinge angelegt - erhielten von Süden nach Norden die Bezeichnungen B I, B II und B III. Diese Bezeichnungen wurden bei späteren Planungen, die einen weiteren, nicht mehr in Angriff genommenen Bauabschnitt B IV südlich von B I vorsahen, beibehalten.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">aa)</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Im Bauabschnitt B I wurden aus Stein errichtete Unterkunftsgebäude mit gemauerten Boxen als Schlafstätten für die Gefangenen erbaut. Der Bauabschnitt wurde in zwei Lagerabschnitte unterteilt, die von Osten nach Westen die Bezeichnungen B I a) und B I b) erhielten. Im Lager B I a) waren im Jahr 1942 weibliche, im Lager B I b) männliche Gefangene untergebracht. Beide Lagerabschnitte waren mit Stacheldrahtzaun umgeben, der nachts mit Starkstrom geladen war. Im nordwestlichen Bereich des zeitweiligen "Männerlagers" B I b) war eine (weitere) Effektenkammer, die im amtlichen Sprachgebrauch Effektenkammer II genannt wurde, eingerichtet. In der Effektenkammer wurde das persönliche Eigentum der in den Lagerabschnitten B I untergebrachten Häftlinge verwahrt. Dort war ein in B I a) untergebrachtes weibliches Arbeitskommando tätig, das täglich vom Frauenlager zur Arbeit in das Männerlager geführt wurde. Mitte des Jahre 1943 wurden die in B I b) untergebrachten männlichen Gefangenen in den Abschnitt B II überstellt. Im Lager B I b) wurden ab dieser Zeit weitere weibliche Häftlinge untergebracht. Der gesamte Bauabschnitt B I bildete fortan das Frauenkonzentrationslager (FKL).</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Im Laufe des Jahres 1943 wurde der Bauabschnitt II fertiggestellt. In diesen Abschnitt wurden sechs selbständige, jeweils durch gesonderte Umzäunung, die ebenfalls nachts unter Starkstrom gesetzt wurde, gesicherte Lager angelegt, die von Osten nach Westen die Bezeichnungen B II a - f erhielten. Die Lager B II b - B II e umfassten jeweils 32 Unterkunftsbaracken von Typ der aus Holz gefertigten Wehrmachtspferdestallbaracken. Die fensterlosen Unterkünfte hatten nur an den Schmalseiten Öffnungen und dienten - nach dem eigentlichen Verwendungszweck für ca. 50 Pferde bestimmt - zeitweilig zur Unterbringung von jeweils bis zu 1.000 Häftlingen. Inmitten der Unterkunftsbaracken im jeweiligen Lager befanden sich eine, an der südlichen Begrenzung zwei Latrinen bzw. Waschräume. Das Lager B II a) hatte lediglich 16 Unterkunftsbaracken. Für die einzelnen Lager waren Eingänge nur an der nördlichen Schmalseite angelegt; hier lag jeweils eine Baracke mit der Blockführerstube. Im Lager B II a) befand sich das Quarantänelager. In dieses Lager wurden die neu eingetroffenen, arbeitsfähigen Häftlinge während der ersten Wochen des Lageraufenthalts verbracht, bevor sie auf die einzelnen Lager verteilt wurden. Das Lager B II b) wurde mit jüdischen Familien aus der besetzten Tschechoslowakei belegt. Die Familien stammten aus Theresienstadt. Das Lager erhielt deshalb die Bezeichnung Theresienstädter Familienlager. Der größte Teil der jüdischen Menschen wurde 1944 in den Gaskammern von Birkenau liquidiert. Das Lager B. II c) diente 1944 zeitweilig als Durchgangslager für arbeitsfähige weibliche jüdische Häftlinge, die vornehmlich aus Ungarn stammten. Im Lager B II d) waren arbeitsfähige männliche Häftlinge untergebracht. Das Lager B II e) beherbergte dem damaligen Sprachgebrauch entsprechend Zigeunerfamilien und wurde deshalb Zigeunerlager genannt. Im Spätsommer 1944 wurde das Zigeunerlager aufgelöst; die Zigeuner - Männer, Frauen und Kinder - wurden in den Gaskammern von Birkenau getötet. Das Lager B II f) war das Männerkrankenlager, auch Häftlingskrankenbau genannt.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Auf dem Bauschnitt B III wurden bis zur Evakuierung des Lagers im Januar 1945 nur einige wenige der geplanten Baracken errichtet. Es fehlte an allen für die Unterbringung von Menschen erforderlichen Einrichtungen. Der in der Lagersprache "Mexiko" genannte Bauabschnitt diente 1944 - ebenso wie B II c) - als Durchgangslager. Hier waren zur Zeit der sogenannten großen Ungarntransporte seit Mai 1944 zehntausende von ungarischen Jüdinnen untergebracht, die unter unmenschlichen Bedingungen - teils noch nicht einmal bekleidet - auf die Entscheidung über ihr weiteres Schicksal warteten. Die sogenannten "Durchgangsjuden" waren nicht registriert, erhielten keine Lagernummern und waren demzufolge in der Lagerevidenz nicht erfaßt. Der größte Teil der Häftlinge wurde im Zuge der Liquidierung des Lagers im September/Oktober 1944 in den Gaskammern von Birkenau getötet.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">bb)</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Das Haupttor des Gesamtlagers Birkenau wie die Hauptwache waren an der Ostseite zwischen den Abschnitten B I und B II gelegen. Durch dieses Tor führte die zwischen den vorgenannten Abschnitten von Ost nach West verlaufende Hauptlagerstraße. Entlang, dieser Straße wurde - ausgehend von dem Nebengleis, an dem sich die "alte Rampe" befand - ein Eisenbahnnebengleis (Lageranschlußgleis) durch das Haupttor in das Lager geführt. Innerhalb des Lagers hatte das Anschlußgleis drei gesonderte Gleise mit einer gemauerten Verladerampe, die in der Lagersprache "neue Rampe" genannt wurde. Gleise und Rampe waren in Frühjahr 1944 fertiggestellt und wurden zur Zeit der großen Ungarntransporte in Betrieb genommen. Hier fand fortan - von Ausnahmen wie Lkw-Transporten abgesehen - die Selektion der ankommenden Menschentransporte statt, d. h. die Entscheidung über das weitere Schicksal der Deportierten, sei es, daß sie als Arbeitsfähige in das Lager eingewiesen, sei es, daß sie unmittelbar zur Vernichtung in den Gaskammern von Birkenau bestimmt wurden. Ein weiterer von Ost nach West, parallel zur Hauptlagerstraße verlaufender Weg führte zwischen den Lagern B II und B III hindurch. Beide Straßen waren durch querverlaufende Wege, einmal außerhalb des Lagers im Osten und zum anderen durch einen zwischen den Lagern B II c) und B II d) verlaufenden Weg miteinander verbunden.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">cc)</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Im Laufe des Jahre 1943 wurde der im Zusammenhang mit der "Endlösung der Judenfrage" angeordnete Bau von vier großen Gaskammern mit Krematorien beendet. Die nahe dem Lager Birkenau im Westen eingerichteten Gebäudekomplexe erhielten - unter numerischer Einbeziehung des Krematoriums K I in Auschwitz - von Süd nach Nord in fortlaufender Reihenfolge die Bezeichnungen K II – K V. In der westlichen Verlängerung der Hauptlagerstraße und des fortgeführten Lageranschlußgleises lag linksseitig das Krematorium K II, rechtsseitig K III. Die westliche Verlängerung der Lagerstraße zwischen B II und B III führte zu dem linksseitig gelegenen Krematorium K IV und dem rechtsseitig liegenden Krematorium K V. Die Gaskammern dieser Krematorien dienten seit ihrer Inbetriebnahme im Jahre 1943 der Tötung unzähliger Menschen. Für diesen Zweck wurden bereits im Jahre 1942 zwei weiter entfernt liegende Bauernhäuser ("Bunker") - nordwestlich vom Lager Birkenau - umgestaltet, die ebenfalls zeitweilig zur Massenvernichtung von Menschen eingesetzt wurden.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">dd)</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">In der westlichen Verlängerung des Bauabschnittes B II wurde an das Männerkrankenlager (B II f) anschließend zwischen dem weiter entfernt liegenden Krematorium K III und dem nahegelegenen - nur ca. 50 m nördlich liegenden - Krematorium K IV um die Jahreswende 1943/1944 ein weiteres großes Lager mit 30 Holzbaracken errichtet. Dieses im offiziellen Sprachgebrauch mit "B II g)" - teils auch "C" - bezeichnete Lager wurde von den Häftlingen - selbst den dort untergebrachten - vornehmlich als "Effektenlager" bzw. "Neues Lager Kanada" oder "Kanada II" bezeichnet. Die Umschreibungen verdeckten, daß das Lager in drei unterschiedliche Abteilungen aufgegliedert war, die Entlausungsanstalt, die Effektenkammer III und das Effektenlager II.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">In dem Lager waren drei von Ost nach West verlaufende, nebeneinander liegende Reihen zu je zehn Baracken angelegt. Die Baracken waren mit der nördlichen Reihe beginnend von West nach Ost in numerischer Folge (nördliche Reihe: Baracken 1 - 10; mittlere Reihe: Baracken 11 - 20; südliche Reihe: Baracken 21 - 30) gekennzeichnet. Westlich von der mittleren Barackenreihe wurde eine Entlausungsanstalt mit Bad und Heißluftkammern - die sogenannte Sauna - errichtet. Nördlich von der Sauna lag ein Abort. Daneben wurde im Spätsommer 1944 ein von den Häftlingen "leere Baracke" genanntes Gebäude erbaut. Diese Maßnahme bezweckte, den Häftlingen des Lagers die Einsicht auf das die Krematorien K IV und K V umgebende Gelände, auf dem zu Zeiten der großen Ungarntransporte Leichen in offenen Gruben verbrannt wurden, weil die Kapazität der Krematorien nicht ausreichte, zu verstellen. Durch das Lager führte zwischen der Sauna und den Baracken von Süden nach Norden die Hauptlagerstraße des Abschnitts B II g). Die Straße war sowohl im Süden wie auch im Norden an die beiden zu den jeweiligen Krematorien führenden Lagerstraßen angebunden. Im Verlauf der Lagerstraße befanden sich die beiden Eingänge zum Lager B II g). In das Lager gelangten außer den dort tätigen Häftlingen in der Regel nur diejenigen Deportierten, die bei der Selektion auf der Rampe als arbeitsfähig eingestuft wurden. Die bereits auf der Rampe ausgesonderten, zur Liquidierung vorgesehenen Menschen wurden unmittelbar entweder auf der Hauptlagerstraße zwischen den Abschnitten B I und B II zu den Krematorien K II bzw. K III oder durch die zwischen B II c) und B II d) verlaufende Verbindungsstraße und sodann weiter in westlicher Richtung entlang den Lagern B II d), e), f) zu den Krematorien K IV bzw. K V geführt. Von Zeit zu Zeit, insbesondere bei kleineren Transporten, fand die Selektion allerdings nicht auf der Rampe statt. In diesen Fällen wurden die nach Auschwitz Deportierten auf dem Fußweg von der Rampe über die Hauptlagerstraße zunächst in westlicher, sodann in nördlicher Richtung durch das Lager B II g) - über dessen Hauptlagerstraße - zu einem westlich von den Krematorien gelegenen lichten Birkenwald geführt. Dort mußten die Deportierten mitunter Stunden warten, ehe über ihr weiteres Schicksal entschieden wurde.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Die Entlausungsanstalt des Lagers B II g) wurde bereits Anfang des Jahres 1944 in Betrieb genommen. Dort war das sogenannte Saunakommando tätig, das mit der Desinfektion der in Lager eintreffenden - arbeitsfähigen - Häftlinge und deren Kleidung befaßt war. Die Effektenkammer III nahm etwa zeitgleich mit den Effektenlager II die Tätigkeit im April/Mai 1944 auf. Die Effektenkammer war in den Baracken 21 - 28 untergebracht. Dort erfolgte die Sortierung und Aufbewahrung der persönlichen Habe der im Lager B II untergebrachten Gefangenen. Zu dem Effektenlager II gehörten die Baracken 1 - 20 und 29/30. In den beiden letztgenannten Baracken waren männliche Häftlinge untergebracht, die in Lager B II g) eingesetzt waren. Im Lager tätige weibliche Häftlinge waren in den Baracken 1 und 2 - gegenüber dem Krematorium K IV - untergebracht. Die Baracken 3 - 10 dienten als Arbeitsräume. Hier wurde - wie im Effektenlager I - das Hab und Gut der in den Krematorien getöteten Menschen gesichtet, sortiert, verpackt und verteilt. In der mittleren Reihe befanden sich in der Baracke 11 Unterkünfte für die SS-Angehörigen und ein Dienstzimmer. In Baracke 12 waren ebenfalls SS-Unterkünfte, ein Büro, das der Registrierung der Effekten diente, Unterkünfte für Funktionshäftlinge, eine Kantine und ein Magazin eingerichtet. Die Baracken 13 - 20 dienten vornehmlich als Magazine, aber auch teilweise als Arbeitsräume.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Der gesamte Lagerbereich B II g) war mit einem Stacheldrahtzaun umgeben, der nachts unter Starkstrom gesetzt wurde. Im östlichen Bereich verlief zusätzlich in Abgrenzung zum Männerkrankenlager (B II f) ein Wassergraben. Innerhalb des Lagers waren die Unterkünfte für die männlichen (Blöcke 29/30) und weiblichen Gefangenen (Blöcke 1/2) nochmals gesondert mit einem - allerdings nicht elektrisch zu ladenden - Zaun umgeben. Ein weiterer niedriger Drahtzaun, der ebenfalls nicht elektrisch geladen werden konnte, war zumindest zeitweilig westlich der Barackenreihen in Abgrenzung zu der durch das Lager führenden Lagerstraße errichtet. Ein nicht gesondert bewachtes kleines Holztor war zwischen der nördlichen und mittleren Barackenreihe in den Zaun eingelassen.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Das Stammlager und das Lager Birkenau waren am Tage von einer großen Postenkette umgeben. Das umstellte Gebiet war Sperrgebiet und konnte nur mit besonderem Passierschein betreten werden. Die bewaffneten Posten wurden von dem SS-Wachsturmbann gestellt und bildeten in einem größeren Abstand zum Lager einen geschlossenen Ring. Auf diese Weise sollten Fluchtversuche von Häftlingen während der Arbeit verhindert werden. Die große Postenkette wurde abends erst eingezogen, wenn beim Abendappell festgestellt wurde, daß kein Häftling fehlte. Ansonsten blieben die Außenposten - ebenso wie die zum Appell angetretenen Häftlinge - stehen, bis der oder die fehlenden Gefangenen gefunden waren.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">c)</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Einer näheren Beschreibung des zum KL Auschwitz gehörenden Lagers Monowitz wie der übrigen Außenlager bedarf es nicht, weil die Taten, die zur Verurteilung des Angeklagten geführt haben, in den Effektenlagern I und II begangen worden sind und der Angeklagte mit den Nebenlagern auch ansonsten nicht in Berührung gekommen ist.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Die Organisationsstruktur des KL Auschwitz richtete sich nach einem Organisationsplan, der in sämtlichen Konzentrationslagern Verwendung fand. Der Plan trug dem Umstand Rechnung, daß für die Tätigkeit des KL Auschwitz - wie für andere KL - im Kern zwei Ämter der Reichsführung-SS bestimmend waren. Daß WVHA - bis 1942 die Inspektion der KL - und hier die Amtsgruppe D entschied über Wirtschafts- und Verwaltungsangelegenheiten. Das RSHA überwies durch seine Amtsstellen Häftlinge in ein KL und entschied über ihr weiteres Schicksal (Entlassung, Hinrichtung bzw. Vernichtung). Entsprechend dieser Vorgabe waren die Befehlswege und Unterstellungsverhältnisse für das KL Auschwitz geregelt.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">An der Spitze des KL Auschwitz stand der Lagerkommandant, der für die Gesamtheit aller Angelegenheiten des Lagers verantwortlich war. Ihm stand der Lageradjutant zur Seite, der als Abteilung I die Kommandantur im engeren Sinne leitete. Diese Abteilung war für das Personalwesen der Kommandanturangehörigen und der Wachtruppe zuständig.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Die Abteilung II, die politische Abteilung (PA) - von den Häftlingen Lagergestapo genannt - unterstand einem Angehörigen der Gestapo. Die PA war gleichsam als verlängerter Arm des RSHA in ihren Entscheidungen über das Schicksal der Häftlinge vom Kommandanten unabhängig, mußte ihn aber hiervon in Kenntnis setzen. Ihre Hauptaufgabe war es, die eingelieferten Schutzhaftgefangenen aktenmäßig zu erfassen und die Sicherheit im Lager zu überwachen. Nicht erfaßt wurden von der PA diejenigen Neuankömmlinge, die unmittelbar in den Gaskammern getötet wurden.</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Die Abteilung III (Schutzhaftlagerabteilung) war für die Beaufsichtigung der im Lager untergebrachten Häftlinge, ihre Einteilung zu Arbeitskommandos und die Ahndung von Verstößen gegen die Lagerordnung wie für die Vollziehung von Strafen gegen die Gefangenen zuständig. Die Abteilung unterstand dem sogenannten Schutzhaftlagerführer. Im KL Auschwitz gab es drei Schutzhaftlagerführer, wobei die beiden weiteren dem ersten Schutzhaftlagerführer unterstellt waren. Die Schutzhaftlagerführer wurden unterstützt von SS-Rapportführern, Blockführern, Kommando- (Arbeitseinsatzführern) und SS-Aufseherinnen im FKL. Die Rapportführer waren für Ordnung und Sicherheit in einzelnen Lagerabschnitten zuständig. Sie waren die unmittelbaren Vorgesetzten der SS-Blockführer, teilten diese zum Dienst ein und führten mit ihnen die Zählappelle, die regelmäßig morgens und abends erfolgten, durch. Den Blockführern waren ein oder mehrere Häftlingsblocks zugeteilt, über die sie die Aufsicht führten. Sie delegierten die Aufgabe weitgehend auf die sogenannten Funktionshäftlinge. Die Blockführer konnten zur Beaufsichtigung von Arbeitskommandos herangezogen werden und hatten in dieser Funktion als Kommandoführer die Arbeit der Gefangenen zu überwachen.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Die Abteilung IV, die sogenannte Verwaltungsabteilung, wurde von dem ersten Verwaltungsführer geleitet. Die Abteilung war zuständig für die Verwaltung des gesamten Lagervermögens, die Versorgung der SS-Angehörigen (Unterkunft, Verpflegung, Kleidung, Besoldung) sowie für Unterkunft, Verpflegung und Bekleidung der Schutzhaftgefangenen. Die Abteilung unterstand unmittelbar den Amt D IV des WVHA. Verwaltungsführer waren nacheinander der Hauptsturmführer X (bis Ende 1941), der Sturmbannführer C (bis Mitte 1943) und von da an der Obersturmbannführer N. Teil der Verwaltung war die bereits erwähnte Gefangeneneigentumsverwaltung mit ihren Untergliederungen. Leiter der Gefangeneneigentumsverwaltung war von Juni 1941 bis Dezember 1944 ununterbrochen der Untersturmführer, spätere Obersturmführer und Zeuge L. Ihm waren 1944 etwa 30 bis 40 SS-Angehörige des allgemeinen Verwaltungsdienstes unterstellt. Sowohl die Anzahl wie auch die Personen der in dieser Abteilung eingesetzten SS-Kräfte blieben über die Jahre hinweg in wesentlichen unverändert. Eine Aufstockung erfolgte erst mit Inbetriebnahme des Lagers B II g) zur Zeit der großen Ungarntransporte ab April/Mai 1944. Zu dieser Zeit waren für die Häftlingsgeldverwaltung im weiteren Sinne (Reichsmark-, Devisen-, Wertsachenabteilung) etwa 8 - 10, für die Effektenkammern I und II etwa 5, für das Effektenlager 1 (altes Lager Kanada) etwa 5 - 7 und das Lager B II g) mit seinen Untergliederungen (u. a. Effektenlager II = neues Lager Kanada) etwa 15 - 20 SS-Kräfte tätig. Die Effektenlager arbeiteten 1944 zeitweilig nebeneinander. Das Effektenlager I erfüllte seine Funktion zumindest bis August/September 1944, das Effektenlager II bis zur Evakuierung des Lagers.</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Bei der Häftlingsgeldverwaltung handelte es sich um eine kleine überschaubare Verwaltungseinheit, deren Angehörige einander aufgrund der täglichen Zusammenarbeit genau kannten. In der Häftlingsgeldverwaltung im engeren Sinne - ohne Wertsachenabteilung - waren ausschließlich SS-Angehörige, also keine Schutzhaftgefangenen eingesetzt. Hierzu gehörten 1944 als Hauptbuchhalter der Unterscharführer O sowie als langjährige Mitarbeiter u. a. die Unterscharführer I, H und H1. Sie verrichteten ihren Dienst regelmäßig in dem außerhalb des Stammlagers gelegenen Verwaltungsgebäude. Von Fall zu Fall wurden sie allerdings auch zum "Dienst an der Rampe" herangezogen. Dabei waren sie nicht unmittelbar mit der Selektion der eintreffenden Menschentransporte befaßt. Ihre Aufgabe war es in solchen Fällen, die Häftlingskommandos zu beaufsichtigen, die für das Verladen der Effekten - sei es bei eintreffenden Transporten von der (alten oder neuen) Rampe auf Lastkraftwagen, die die Effekten alsdann in die Effektenlager brachten, sei es bei abgehenden Transporten von den Lkw in die Eisenbahnwaggons - eingesetzt wurden. Zu dem Rampendienst in vorgenannten Sinn wurden regelmäßig auch die in den Effektenlagern und Effektenkammern eingesetzten SS-Angehörigen, die ansonsten in diesen Bereichen ihren Dienst versahen, herangezogen.</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Die Gefangeneneigentumsverwaltung blieb auch nach der organisatorischen Verselbständigung der Lager Birkenau und Monowitz in November 1943 - administrative Aufteilung des Gesamtlagers in die Lager Auschwitz I (Stammlager), Auschwitz II (Lager Birkenau) und Auschwitz III (Lager Monowitz mit Nebenlagern) mit eigenen Lagerkommandanten für die Lager Birkenau und Monowitz mit Nebenlagern - weiterhin für die Effektenlager und Effektenkammern im Stammlager und Birkenau zuständig.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Die Abteilung V war mit dem Sanitätswesen im Gesamtlager befaßt.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Unterhalb der SS-Lagerverwaltung sorgte eine Art von Häftlingsselbstverwaltung für die Entlastung der SS-Angehörigen mit Überwachungsfunktionen. Die Häftlingsselbstverwaltung war allerdings gänzlich von den Weisungen der SS-Führung abhängig. Sie setzte sich aus sogenannten Funktionshäftlingen zusammen, an deren Spitze der "Lagerälteste" stand. Dieser war der SS-Führung für das gesamte Schutzhaftlager verantwortlich. Unterstützt wurde er von den "Blockältesten", die jeweils für einen Unterkunftsblock zuständig waren. Diesen waren die "Stubendienste" unterstellt. Die einzelnen Häftlings-Arbeitskommandos wurden von "Oberkapos", "Kapos" (Kameradschaftspolizei), die selbst nicht arbeiten mußten, und Vorarbeitern beaufsichtigt und geführt. Daneben gab es noch eine Vielzahl anderer Funktionshäftlinge wie den Rapportschreiber, der die Häftlingsschreibstube in einem Lagerabschnitt leitete, und den Häftlingsschreiber, der für jeden Block (Blockschreiber) eingesetzt war. In den Effektenlagern befanden sich ebenfalls Schreibstuben, in denen mehrere Schreiber - wie die Zeugin D in Block 12 des Effektenlagers II - vor allem mit der Registrierung der Effekten befasst waren. Die Schutzhaftgefangenen hatten den durch entsprechende Armbinden gekennzeichneten Funktionshäftlingen unbedingten Gehorsam zu leisten. Diese nahmen bei der SS eine gewisse Vorzugsstellung ein. Entsprechend ihrer inneren Einstellung nutzten sie den eingeräumten Freiraum vielfach zum Nutzen der Mitgefangenen; einige mißbrauchten die Macht über die Mithäftlinge allerdings auf das Gröbste. Das war insbesondere in den Anfängen des Lagers der Fall, als die SS die Funktionshäftlinge vorzugsweise aus den Reihen der Berufsverbrecher rekrutierte.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">4.</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">Das Leben der in das Lager eingewiesenen Schutzhaftgefangenen war von Anfang an durch gänzliche Recht- und Wehrlosigkeit gekennzeichnet.</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Bereits bei ihrer Ankunft - anfangs auf der sogenannten alten Rampe, seit April/Mai 1944 auf der sogenannten neuen Rampe in Birkenau - erwartete die Gefangenen eine grausige Szenerie. Die in das Lager verbrachten Häftlinge hatten vorher zumeist in anderen Konzentrationslagern, Gefängnissen, Durchgangslagern oder Gettos gelebt. Die ob der ihnen dort zuteil gewordenen Behandlung ohnehin schon vielfach physisch und psychisch geschwächten Menschen erreichten das Lager zuweilen erst nach einem mehrere Tage dauernden Eisenbahntransport. Hierzu wurden überwiegend Viehwaggons eingesetzt. In den geschlossenen, ungelüfteten Waggons waren oft bis zu 80 Menschen auf engstem Raum zusammengepfercht. Stickige Luft, brütende Hitze im Sommer, eisige Kälte im Winter, Gestank, quälender Hunger und vor allem Durst überstanden viele der Deportierten nicht. Die übrigen kamen vorwiegend im Zustand äußerster Erschöpfung im Lager an. Zu deren ersten nachhaltigen Eindrücken auf der Rampe zählte neben der Selektion der Anblick der auf dem Transport verstorbenen Mitmenschen. Die Nähe des Todes, im Lager allgegenwärtiger Begleiter der Gefangenen, ließ viele in Hoffnungslosigkeit verfallen. Dieses Gefühl wurde durch die Selektion, die in der Regel schon auf der Rampe, nur in einzelnen Fällen erst im Lager - wie bei kleineren Transporten westlich vom Krematorium K IV - erfolgte, verstärkt.</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Bei der Selektion entschied sich das weitere Schicksal der Deportierten. SS-Führer bestimmten unter Hinzuziehung eines oder mehrerer der SS-Lagerärzte - wie beispielsweise dem im Lager bekannten und gefürchteten Dr. Mengele - nach dem äußeren Eindruck und kurzer Befragung (Alter, Beruf, Familienangehörige etc.) über Leben oder Tod. Allein die Arbeitsfähigen wurden in das Lager eingewiesen; der "selektierte Rest" eines Transportes wurde in den Gaskammern des Lagers der "Sonderbehandlung", wie die NS-Machthaber die Massenvernichtung von Menschen nannten, zugeführt. Auf diese Weise wurden unzählige Familien bereits auf der Rampe auseinandergerissen, zumal die arbeitsfähigen Frauen noch von den arbeitsfähigen Männern getrennt wurden. Dieses Erlebnis und das ungewisse Schicksal der von ihnen getrennten Familienangehörigen belastete die in das Lager eingewiesenen Gefangenen auf das Äußerste.</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Im Lager setzte sich das schreckliche Erlebnis des ersten Kontaktes mit der Lagerwirklichkeit fort. Die Neuankömmlinge ("Zugang") wurden zu "Badeanstalten" geführt, in der ihre Aufnahme und Registrierung erfolgte. Die Gebäude hießen in der Lagersprache Sauna. Im Lager Birkenau nahm diese Funktion die im westlichen Teil des Lagerabschnitts B II g) errichtete Sauna seit Anfang 1944 ein. Die Sauna hatte eine sogenannte schmutzige und eine saubere Seite. Der Eingang zu der "schmutzigen Seite" der im Lager B II g) gelegenen Sauna lag im Norden, die "saubere Seite" im Süden. Im oder vor dem nördlichen Teil mußten "Zugänge" oftmals Stunden verharren, wenn der Transport nachts eingetroffen war, weil die Aufnahme und Registrierung in der Regel am Tage erfolgte. Dabei mußten die Neuankömmlinge sich auf der schmutzigen Seite entkleiden und ihr gesamtes Hab und Gut abgeben. Dieses wurde in Säcke verstaut und in die Effektenkammer überwiesen, wo es während des Aufenthalts eines Gefangenen im Lager verblieb bzw. verbleiben sollte. Die Neuankömmlinge wurden anschließend am ganzen Körper geschoren und zur Desinfizierung in die im Gebäudeinneren liegenden Bäder getrieben. Die Prozedur war vielfach mit ersten Mißhandlungen der Häftlinge verbunden. Nach dem Baden erhielten die Häftlinge auf der "reinen Seite" die Lagerkleidung. Im Jahre 1944 mangelte es an der zuvor ausgegebenen gestreiften Häftlingsbekleidung. Die Neuankömmlinge erhielten daher überwiegend Privatkleidung der im Lager getöteten Menschen. Bei der anschließenden Registrierung wurde von der PA ein Häftlings-Personalbogen angelegt. Der Neuankömmling erhielt eine Lagernummer, die - gleichsam als Ausdruck der Entmenschlichung - für die Zeit seines Lageraufenthaltes anstelle des Namens benutzt wurde. Die Häftlingsnummer wurde dem Häftling - was nur im Lager Auschwitz der Fall war - auf dem linken Unterarm eintätowiert. Die auf besondere Stoffstreifen gedruckte Häftlingsnummer hatte der Gefangene außerdem zusammen mit - je nach dem Grund für die Inhaftierung - unterschiedlich eingefärbten dreieckigen sogenannten Winkeln auf die Häftlingskleidung zu nähen.</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Die Farben der Winkel waren bei den sogenannten politischen Gefangenen "rot", bei Kriminellen ("Berufsverbrechern") "grün", bei den sogenannten "Asozialen" - in diese Kategorie wurden höchst unterschiedliche Gruppen wie etwa Prostituierte und "Zigeuner" eingereiht - "schwarz", bei den sogenannten "Bibelforschern" (Zeugen Jehovas) "violett" und "rosa" bei den "Homosexuellen". Für Juden wurde ein sechszackiger Stern verwandt, der aus zwei verschiedenfarbigen Dreiecken zusammengesetzt war. Ein gelbes Dreieck kennzeichnete ihn als Juden; ein weiteres Dreieck entsprach den vorerwähnten Farben und gab den angeblichen Anlaß für die Inhaftierung an. Neben Häftlingsnummer und Winkel gab es noch eine Vielzahl weiterer Kennzeichen, die die Häftlinge von Fall zu Fall auf der Kleidung aufzubringen hatten. So war - ausgenommen bei Deutschen - auf die Dreiecke der Anfangsbuchstabe der Nationalität aufzutragen, z. B. mit "T" bei tschechischen und "P" bei polnischen Gefangenen. Wurde ein Häftling in die Strafkompanie (SK) eingewiesen, erhielt er als auf der Kleidung zu tragendes Kennzeichen ein rundes, schwarzes Stoffstück. Bestand bei einem Gefangenen Fluchtverdacht, mußte er auf der Kleidung einen roten Kreis mit dem Buchstaben "iL" ("im Lager") oder gar "iB" ("im Block") aufbringen, was bedeutete, daß der Häftling unter besonderer Bewachung stand und Lager bzw. Block nicht verlassen durfte.</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">Nach der Registrierung folgte die Isolierung der "Neuzugänge" in der sogenannten Quarantäne. Die Häftlinge wurden für die Dauer von ca. sechs bis acht Wochen in Quarantäne-Unterkünften untergebracht. Für männliche Gefangene im Lager Birkenau diente - wie erwähnt - seit 1943 der Lagerabschnitt B I a) als Quarantäne-Lager; für weibliche Neuankömmlinge gab es entsprechende Blocks im Lagerabschnitt B I. In der Quarantäne erfuhren viele der Gefangenen erstmals, daß sie der uneingeschränkten Gewalt der Lagerbesatzung auf Gedeih und Verderb ausgesetzt waren. Die Häftlinge wurden während dieser Zeit nicht zur Arbeit eingesetzt. Sie mußten gleichwohl den allgemeinen Tagesablauf einhalten. Während des früh beginnenden Tages mußten sie stundenlang exerzieren, deutsche Soldatenlieder singen, bestimmte typische deutsche Redewendungen - wie Erstatten von Meldungen gegenüber SS-Angehörigen - erlernen. Neben diesen stupiden Verrichtungen waren sie der Willkür der SS-Blockführer, teils auch der Funktionshäftlinge ausgesetzt. Schläge, Tritte und andere Mißhandlungen waren an der Tagesordnung. Als nicht zur Arbeit eingesetzte Häftlinge erhielten sie noch geringere Essensrationen als andere Gefangene. Viele wurden bereits hier von älteren Häftlingen über die Massenvernichtungsanlagen und ihre Bedeutung im Zusammenhang mit der Selektion aufgeklärt. Der alltägliche Terror, verbunden mit der sich zur Gewißheit verdichtenden Erkenntnis, viele - wenn nicht alle - Angehörige verloren zu haben, brach den Lebenswillen einer Vielzahl von Neuankömmlingen. Nicht selten kam es deshalb - hier wie in anderen Lagerabschnitten - vor, daß ein Gefangener seinem Leben ein Ende setzte, indem er in den nachts unter Starkstrom stehenden Zaun lief.</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Hatte ein Häftling die Quarantäne überlebt, wurde er einem "Arbeitskommando" zugeteilt und entsprechend dieser Zuordnung auf die Lagerabschnitte verteilt, d. h. untergebracht. Im Gesamtlager Auschwitz gab es eine Vielzahl von Arbeitskommandos, die den Gefangenen je nach der Art des Einsatzes und der Behandlung durch die SS-Bewachung wie der Funktionshäftlinge höchst unterschiedliche Überlebungschancen boten.</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">Besonders gefürchtet waren die sogenannten Außenkommandos, die außerhalb des eigentlichen Lagers, jedoch in der Regel innerhalb der großen Postenkette härteste Arbeit im Freien (z. B. Feldarbeit; Straßenbauarbeiten, Kanalisierungsarbeiten) verrichten mußten. Die Arbeitsfron in solchen Kommandos, in denen die ohnehin geschwächten Menschen den wechselnden Witterungseinflüssen der Jahreszeiten ungeschützt ausgesetzt waren, überlebten viele der dort eingesetzten Gefangenen nur wenige Monate. Der Einsatz im sogenannten Sonderkommando war ebenfalls mit geringen Überlebensaussichten verbunden. Das Kommando war in den Krematorien und Gaskammern mit der grauenvollen Aufgabe befaßt, Handlangerdienste bei der Vernichtung der zur Tötung bestimmten Menschen zu leisten, insbesondere die Leichen der vergasten Menschen zu verbrennen. Die Mitglieder des Sonderkommandos galten wegen ihrer Mitwirkung bei der Umsetzung des "Endlösungsbefehls" als Geheimnisträger. Sie waren daher teils von Anbeginn an in den Krematorien untergebracht, teils wohnten sie anfangs noch in einem gesonderten Block im Lagerabschnitt B II d) und wurden erst im Verlauf des Jahres 1944 in die Krematorien verlegt. Wegen ihres Wissens wurden die Mitglieder des Sonderkommandos von Zeit zu Zeit "ausgewechselt", was für die ersetzten Häftlinge die Vernichtung in den Gaskammern bedeutete. Eine derartige Aktion befürchtend, setzten sich die Mitglieder des Sonderkommandos am 7. Oktober 1944 gegen die SS-Bewachung zur Wehr. Im Verlauf des sogenannten Krematorium-Aufstandes wurde das nahe dem Lager B II g) gelegene Krematorium K IV von den Häftlingen gesprengt. Der Aufstand wurde niedergeschlagen; nahezu alle Mitglieder des Sonderkommandos wurden erschossen oder auf andere Weise getötet.</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Im Gegensatz zu den erwähnten Kommandos galt der Einsatz in einem der für die Effektenlager bzw. -kammern tätigen Arbeitskommandos unter den Häftlingen als erstrebenswert. Der Tätigkeitsbereich war zwar nicht, wie es in der Lagersprache hieß, entfernt vergleichbar mit einem "Land, wo Milch und Honig fließt" ("Kanada"). Die dort eingesetzten Häftlinge waren indes tatsächlich, was Nahrung, Unterkunft, hygienische Verhältnisse, Arbeitsplatz und die Behandlung durch SS und Funktionshäftlinge anbelangt, in gewisser Hinsicht gegenüber anderweit eingesetzten Häftlingen in einer günstigeren Lage und hatten bessere Überlebensaussichten.</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">Im wesentlichen gab es im Zusammenhang mit der Sammlung, Sortierung und Verteilung der Effekten der getöteten Menschen - dem eigentlichen Tätigkeitsbereich des bzw. der Kommandos "Kanada" - die sogenannten Räumungs-, Verlade-, Rollwagen- und Sortierkommandos. Das aus männlichen Häftlingen gebildete Räumungskommando hatte sich bei Ankunft von Transporten auf ein besonderes Kommando auf der Rampe einzufinden. Es hatte im wesentlichen die Waggons leerzuräumen und das auf der Rampe zurückgebliebene Gepäck der "selektierten" Menschen auf Lkw zu verladen, die in die beiden Effektenlager fuhren. Die Aufsicht über das Kommando auf der Rampe führten vorwiegend SS-Kräfte aus den Effektenlagern. Das Räumungskommando war zunächst im Stammlager Auschwitz, sodann im Lagerabschnitt B I b) in Birkenau und seit Mitte des Jahres 1943 bis zumindest August/September 1943 im Lagerabschnitt B II d) untergebracht. Dort war 1944 auch das ebenfalls aus männlichen Gefangenen zusammengesetzte Verladekommando untergebracht. Dieses Kommando war hauptsächlich mit dem Beladen der sortierten Güter in Eisenbahnwaggons befaßt. Allgemein wurden beide Kommandos überwiegend als "Rampenkommandos" bezeichnet. Die Aufgabenteilung wurde nicht immer eingehalten. Je nach Arbeitsanfall und Bedarf wurde - insbesondere in der Zeit der Ungarntransporte und des damit verbundenen erhöhten Arbeitsanfalls - das eine Kommando ganz oder teilweise auch für Aufgaben des anderen Kommandos eingesetzt. Mitglieder der Arbeitsgruppen wurden von Zeit zu Zeit, wenn keine Transporte eintrafen oder Gütertransporte abzufertigen waren, ebenfalls zur Sortierung der Effekten eingesetzt. Andererseits unterstützten Kräfte - auch weibliche - der Sortierkommandos das Verladekommando im Effektenlager I (altes Lager Kanada) bei dem Beladen der Eisenbahnwaggons. Weitere männliche Häftlinge bildeten das Rollwagenkommando. Dieses Kommando war nach Inbetriebnahme des Effektenlagers II (neues Lager Kanada) in Lager B II g) untergebracht. Es hatte die eintreffenden Güter grob vorzusortieren (Wäsche, Kleidung, Nahrung etc.) und auf bestimmte Blocks zu verteilen, wo verschiedene Kommandos für die jeweiligen Arten von Effekten mit der Durchsuchung, Sortierung und gegebenenfalls deren Aufbereitung befaßt waren. Die Sortierkommandos rekrutierten sich überwiegend aus weiblichen Gefangenen. Es gab allerdings Bereiche, für die ausschließlich oder doch vorwiegend männliche Häftlinge eingesetzt waren (z. B. Nahrung, Werkzeug, Pelze etc.).</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">Die weiblichen Häftlinge, die den verschiedenen Sortierkommandos angehörten, waren zunächst im Stammlager, nachfolgend im Lager Birkenau im Abschnitt B I a) und seit April/Mai 1944 überwiegend im Lagerabschnitt B II g) untergebracht. Bis 1943 gab es das sogenannte Weißköpfchen- bzw. Weißkäppchenkommando, so genannt, weil die weiblichen Häftlinge weiße Kopftücher trugen. Dieses Kommando arbeitete in der Effektenkammer II; es wurde täglich vom Lagerabschnitt B I a) zur Arbeit in das damalige Männerlager B I b), wo sich die Effektenkammer II befand, geführt. Ein weiteres weibliches Arbeitskommando wurde wegen der von den Häftlingen zu tragenden roten Kopfbedeckung "Rotkäppchen-" bzw. "Rotköpfchenkommando" genannt. Diese Kommando wurde bis April - Juni 1944 im Effektenlager I eingesetzt. Es gelangte täglich zu Fuß von den im Lager Birkenau im Abschnitt B I a) - seit Mitte des Jahres 1943 auch B I b) - liegenden Unterkünften zur Arbeitsstelle in das nahe dem Stammlager gelegene, ca. 3 km entfernte Effektenlager I. Das Kommando wurde mit Inbetriebnahme des Effektenlagers II in Birkenau nach und nach aufgelöst. Eine Vielzahl der weiblichen Häftlinge wurde in der Zeit von April bis Juni 1944 sukzessive in den Lagerabschnitt B II g) überstellt, arbeitete fortan dort und war hier zugleich untergebracht. Mit der Überstellung wurde die vorher uniforme Kennzeichnung durch rote Kopftücher aufgegeben, das Kommando verlor die Bezeichnung als "Rotkäppchen-" bzw. "Rotköpfchenkommando". Einige der Häftlinge verblieben allerdings im Lagerabschnitt B I und waren weiter im Effektenlager I bis zumindest August/September 1944 tätig. Andererseits gab es zu Zeiten des größten Arbeitsanfalls im Effektenlager II in den Sommermonaten des Jahres 1944 weitere, im Lagerabschnitt B I ausgewählte weibliche Gefangene, die täglich in das Lager B II g) marschierten und die dort untergebrachten Sortierkommandos unterstützen.</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Neben den für die Aufgaben des Effektenlagers II eingesetzten Häftlingen gab es im Lagerbereich B II g) zwei hiervon zu unterscheidende Arbeitskommandos. Hierzu zählte einmal das sogenannte Saunakommando, das im wesentlichen für die Desinfizierung der Neuankömmlinge und deren Kleidung wie der Häftlinge aus der von Zeit zu Zeit angeordneten Desinfizierung ganzer Lagerabschnitte zuständig war. Zunächst "Kapo" und seit April 1944 bis August/September 1944 "Oberkapo" dieses Kommandos war der ehemalige Häftling und Zeuge Q. Weiterhin gab es ein Kommando, das für die Effektenkammer III tätig war. Dieses Kommando befehligte 1944 der SS-Unterscharführer X1. Dem Kommando gehörten unter anderem der zwischenzeitlich verstorbene ehemalige Häftling F, anfangs als "Schreiber", seit Juni 1944 als "Kapo", der ebenfalls verstorbene ehemalige Häftling und Blockschreiber U und die ehemaligen Gefangenen und Zeugen L1 und L2 an. Auch hier wurden die personellen Zuweisungen nicht streng gewahrt. So war etwa der Zeuge L2 dem Effektenkammerkommando zugeteilt, gleichwohl in Abstimmung mit dem SS-Unterführer X1 zeitweilig als Laufbursche für den Leiter des Effektenlagers II, den ehemaligen SS-Hauptscharführer und Zeugen I1 und - allerdings nur kurzzeitig - den Angeklagten tätig.</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">Die fließenden Übergänge in den Kommandos fanden seit Mai 1944 einen Grund in dem erhöhten Arbeitsanfall für das Lager B II g). Ab dieser Zeit erreichten bis August 1944 fast täglich mehrere aus Ungarn kommende Eisenbahntransporte das KL Auschwitz. Bei etwa 40 bis 50 Waggons pro Transport und 80, manchmal 106 Menschen je Waggon, von denen nicht selten der ganze Transport (ohne Selektion) - wie es in der Lagersprache hieß - "ins Gas geschickt wurde", sammelten sich vor allem im Effektenlager II unvorstellbare Mengen an Häftlingsgut. Zu dieser Zeit wurde die Anzahl der in den Kommandos eingesetzten Häftlinge beträchtlich erhöht. Während der Sommermonate waren über 1.000 Häftlinge im Lager B II g) tätig. Diese sortierten in zwei Schichten "rund um die Uhr"; die Tagschicht von 7.00 - 19.00 Uhr, die Nachschicht von 19.00 - 7.00 Uhr. Alle Maßnahmen konnten indes nicht verhindern, daß sich während dieser Phase vielfach riesige Effektenberge zwischen den Längsseiten der im Norden des Lagers gelegenen Block auftürmten. In solchen Situationen sortierten die ansonsten in den Blocks arbeitenden Kommandos auch im Freien. Trotz einer Verstärkung der zur Aufsicht im Lager B II g) befohlenen SS-Angehörigen mußte ständig improvisiert werden. Dem Zeugen I1 unterstanden etwa sechs bis acht SS-Angehörige. Wegen der Vielzahl der Aufgaben gab es keine festen Dienstpläne. Wer mit der Beaufsichtigung der jeweiligen Kommandos beauftragt wurde, wechselte oft von Tag zu Tag. Auf diese Weise kamen die SS-Angehörigen mit nahezu allen Kommandos in Berührung, wurden insbesondere gleichermaßen zur Aufsicht auf der Rampe - Räumungskommando, Verladekommando - herangezogen.</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">Der Alltag des Häftlings begann und endete mit dem Appell. Dieser diente der Feststellung der Lagerevidenz, d. h. der Überprüfung, ob die Anzahl der in den einzelnen Lagerabschnitten untergebrachten Häftlinge mit den registrierten Häftlingszahlen übereinstimmte. Zu diesem Zweck mußten selbst Sterbende und Tote in die Schar der angetretenen Gefangenen eingereiht werden. Ergaben sich Unstimmigkeiten, dauerte der Appell ungeachtet der Witterungsverhältnisse oft Stunden, bis die Fehlerquelle aufgeklärt war und die Häftlingsstärke "stimmte". Von einem Appell zum nächsten erstreckte sich die nur durch drei Mahlzeiten am Tage unterbrochene Mühsal der Häftlinge in den verschiedenen Arbeitskommandos.</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">Der Nährwert der unzureichenden Verpflegung, oft aus verdorbenen Lebensmitteln hergestellt, war in der Regel nicht einmal für den menschlichen Organismus im Ruhezustand ausreichend. Hunger war daher der ständige Begleiter vieler Lagerinsassen. Nicht selten führte die chronische Unterernährung zum Tode eines Häftlings. Der im "Aushungern" begriffene Mensch wurde in der Lagersprache "Muselmann" genannt. Die Gestalt eines Muselmanns war durch ein mit bloßer Haut überzogenes Skelett gekennzeichnet. Apathie und Schläfrigkeit waren charakteristische Merkmale, die sich in langsamen, schleppenden Bewegungen niederschlugen. Die körperliche Auszehrung war von geistiger Erschöpfung begleitet, die eine völlige Gleichgültigkeit gegenüber der ihn umgebenden Welt und dem eigenen Leben zur Folge hatte. Dem Schicksal eines solchen "Muselmanns" konnte nur derjenige entgehen, dem es gelang, den erforderlichen Kalorienbedarf durch zusätzliche Lebensmittel zu decken. Neben den nur wenigen eröffneten "legalen" Möglichkeiten - sogenannten Zulagen für Schwerarbeiter, Lebensmittelpakete von Familienangehörigen etc. - nahm das unter Strafe gestellte sogenannte Organisieren von Lebensmitteln breiten Raum im täglichen Überlebenskampf einer Vielzahl der Lagerinsassen ein.</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">Die Nacht war für die meisten Häftlinge nur eine Fortsetzung der Mühsal und Qualen des Tages. Die Häftlingsunterkünfte waren - vor allem im Lager Birkenau - fast durchweg weit überbelegt. In den Lagerabschnitten B I a) und B I b) ruhten oft bis zu vier Häftlinge in den für eine Person gemauerten Schlafboxen. In den auf gestampftem Lehmboden erstellten Wehrmachtspferdestallbaracken des Lagers B II nahmen dreistöckige Holzpritschen die Häftlinge auf. Auch hier lagen bis zu vier Gefangene auf dem für einen Menschen geplanten Schlafplatz. Wegen Platzmangels mußten die Häftlinge zumeist auf der Seite liegen. Verließ ein Häftling seine Liegestatt, wurde die freigewordene Stelle sogleich besetzt. Da die Wände und Dächer der Holzbaracken nicht wasserdicht waren, drang bei Regenwetter Feuchtigkeit ein. Die Gefangenen wateten in solchen Zeiten in den Blocks durch knöcheltiefen Schlamm. Als Schlafunterlagen genutzte Strohsäcke und Decken wurden feucht. Unzählige Ratten, Flöhe, Läuse und anderes Ungeziefer waren zwangsläufige Folgen der katastrophalen Wohnverhältnisse, deren negative Wirkung auf die Häftlinge durch die gänzlich unzureichenden sanitären und hygienischen Verhältnisse im Lager weiter verstärkt wurden. Mangel an Wasser, Waschgelegenheiten, Abortanlagen und die Hast des Tagesablaufs führte bei vielen Häftlingen dazu, daß sie sich nur selten oder überhaupt nicht wuschen bzw. waschen konnten. Viele der Häftlinge trugen als wertvollsten Besitz eine Schüssel bei sich, die der Verrichtung ihrer Notdurft ebenso diente wie als Eßnapf.</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">Arbeitsfron, schlechte Wohnverhältnisse, unzureichende Ernährung, ungenügende und nicht vor Witterungseinflüssen schützende Kleidung, schlechte hygienische und sanitäre Bedingungen sowie der Schmutz und das allgegenwärtige Ungeziefer hatten zur Folge, daß zeitweilig täglich Hunderte von Häftlingen starben und sich Infektionskrankheiten sowie Seuchen ausbreiteten. Typhus, Ruhr und Cholera traten immer wieder auf und trugen zum Massensterben bei. Der Häftlingskrankenbau im Lagerabschnitt B II f) war ständig überfüllt. Für die dorthin zur Untersuchung überwiesenen oder eingewiesenen Häftlinge wurden Krankenblattunterlagen angelegt, in denen Häftlingsnummer, Name und Grund der Überstellung vermerkt wurde. In den Unterlagen vom 14. August 1944 wurde beispielsweise zur Untersuchung des ehemaligen Häftlings und Zeugen G unter Ziffer 9 der Liste vermerkt: "87215 ... G ... klin. Diag.: Typhusverdacht", bei anderen Häftlingen wurde als Grund etwa "noch Typhverd.", nur "Typhus" etc. vermerkt. Eine Registrierung des Zeugen G erfolgte weiterhin im Zusammenhang mit einer Blutuntersuchung am 18. September 1944. Die SS-Ärzte führten periodische Selektionen unter den Kranken und Genesenden im Häftlingskrankenbau wie auch unter den in anderen Lagerabschnitten untergebrachten Häftlingen durch. Gefangene, deren Zustand nicht erwarten ließ, daß sie alsbald wieder zur Arbeit eingesetzt werden konnten, bestimmten sie zum Tode in den Gaskammern oder töteten sie - bei kleineren Gruppen - durch Phenol-Injektionen. Wegen dieser Maßnahmen und der ungenügenden Ausrüstung mit Instrumenten und Medikamenten, die ärztliche Hilfe - so sie überhaupt beabsichtigt war, was bei den SS-Ärzten ganz überwiegend nicht der Fall war - oft nicht einmal ansatzweise zuließ, wurde der Häftlingskrankenbau in der Lagersprache "Vorhof zum Krematorium" bzw. "Vorhof zur Hölle" genannt.</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">Vor all den sonstigen Widrigkeiten im Lager belastete die Häftlinge zutiefst die alltägliche Erniedrigung, Schikanierung und Mißhandlung durch die SS-Aufseher und Bewachungsmannschaften. Den SS-Angehörigen war zwar untersagt, eigenmächtig Häftlinge zu mißhandeln oder gar zu töten. Hierauf wurden sie - wie die Angehörigen der Gefangeneneigentumsverwaltung wiederholt durch den Zeugen L - immer wieder hingewiesen. In diesem Zusammenhang erfolgte zugleich die Belehrung, daß die Verhängung sogenannter Lagerstrafen dem Lagerkommandanten, der hierzu in bestimmten Fällen sogar der Zustimmung des Inspekteurs der KL bedurfte, vorbehalten war. Formal erfolgte die Bestrafung - etwa: Einweisung in die SK, Arrest, Prügelstrafe etc. - eines Häftlings, der gegen die Lagerordnung verstoßen hatte, auf eine über den Schutzhaftlagerführer an den Lagerkommandanten erstattete schriftliche Meldung. Der unter Beibehaltung gewisser Formalitäten vorgeschriebene Weg bei "Lagervergehen" wurde indes nur selten eingehalten. Unter dem Einfluß der nationalsozialistischen Erziehung war für die SS jeder Häftling ein Gegner und damit ein "Staatsfeind", der kein Lebensrecht hatte. Das Leben eines Gefangenen, vor allem das der Juden, die ohnehin in den Augen der SS nicht als Menschen galten, wurde gering geschätzt. Die grundlegende, menschenverachtende Haltung wurde durch das Massensterben und das damit einhergehende Gefühl, daß das Überleben eines Häftlings im Lager ohnehin auf einen kurzen Zeitraum begrenzt war, verstärkt. Vor diesem Hintergrund war die eigenmächtige Mißhandlung und Tötung von Gefangenen durch die SS-Angehörigen an der Tagesordnung. Die Häftlinge wurde nicht selten ohne konkreten Anlaß mit Hand, Faust, Stöcken, Peitschen oder Gewehren auf alle Körperteile geschlagen. Erfahrene Häftlinge - wie der 1939 verhaftete und seitdem bis 1945 in verschiedenen KL, seit November 1942 im KL Auschwitz inhaftierte ehemalige Häftling und Zeuge L3 - sahen es während solcher Übergriffe als Erlösung an, wenn die Mißhandlungen zu blutenden Wunden führten, weil manche der SS-Angehörigen dann "gesättigt waren" und von den Opfern abließen. Andere wiederum setzten die Gewalttätigkeiten fort, bis die Häftlinge starben. Die willkürlichen "Strafen", die von den SS-Bewachern, teils auch von den Funktionshäftlingen, eigenmächtig verhängt wurden, waren an Grausamkeit und Brutalität oft nicht zu überbieten.</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">Als beliebte Sanktion der SS war das sogenannte "Sporttreiben" unter den Häftlingen gefürchtet. Die "Sportübungen" kamen einem verschärften Exerzieren gleich. Gruppen von Häftlingen mußten hierbei nach den Befehlen und nicht selten "zur Belustigung" eines oder mehrerer SS-Angehöriger zumeist bis zur völligen Erschöpfung springen, laufen, hüpfen, robben und andere sinnlose „Übungen" ausführen. Je nach Lust und Laune der SS waren die "Sportübungen" von Schlägen und Tritten begleitet, die sich bevorzugt gegen die schwachen Häftlinge richteten und nicht selten deren Tod zur Folge hatten. Die allgemein übliche Mißhandlung und Tötung von Häftlingen wurde durch die SS-Führung nicht nur toleriert, sondern vielfach sogar unterstützt. Nicht selten gaben sie selbst gegenüber Kapos oder SS-Unterführern die Devise aus, daß deren Kommandos "am Abend judenrein" zu sein hatten. Bestrafungen wegen willkürlicher Gewalttaten mußten SS-Angehörige wie Funktionshäftlinge unter diesen Umständen nicht gewärtigen. Das galt umso mehr, als die einzigen Zeugen solcher Übergriffe, die in der Regel ein Interesse an der Bestrafung der Gewalttäter hatten, aus den Häftlingsreihen kamen. Diese schenkten, soweit sie hiervon nicht unmittelbar betroffen waren, den Gräueltaten inmitten des allgegenwärtigen Sterbens indes vielfach keine besondere Aufmerksamkeit, zumindest gaben sie ihre Kenntnis von konkreten Vorfällen nicht jedem preis, um nicht Gefahr zu laufen, als lästiger Zeuge liquidiert zu werden. Je nach ihrer Einstellung wollten sie um den Preis des Überlebens von der sie umgebenden Wirklichkeit von vornherein nichts wissen - wie die Zeugin D - oder nahmen derartige Vorfälle zwar wahr, hielten ihre Kenntnis indes bisweilen selbst vor ihnen nahestehenden Personen zurück, weil - wie die Zeugin B es empfand - "der nächste Häftling schon ein Spitzel der PA sein konnte". Auf diese Weise war ein allgemeiner Informationsaustausch unter den Häftlingen nicht einmal bei Taten von hervorstechender Grausamkeit gewährleistet. Einen weitreichenden Bekanntheitsgrad erlangten allerdings die wenigen Widerstandshandlungen im Lager, wie etwa die Erschießung des SS-Angehörigen T durch eine Deportierte im Oktober 1943 oder der Aufstand des Sonderkommandos im Oktober 1944, die in das Lager dringenden Nachrichten über die Kriegslage und die Herkunft und Zusammensetzung größerer Transporte wie zu Zeiten der großen Ungarntransporte. Abgesehen von solchen Ereignissen stand für die Häftlinge der eigene, tägliche Überlebenskampf im Mittelpunkt.</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">Wie bereits erwähnt, waren die Lebensverhältnisse der im Effektenlager I und Lagerabschnitt B II g) arbeitenden Häftlinge ungleich besser als die der Gefangenen in anderen Arbeitskommandos. Die Überlebenschancen der zugleich im Lager B II g) untergebrachten Häftlinge wiederum waren größer als diejenigen der dort oder im Effektenlager I (nur) zur Arbeit eingesetzten Gefangenen. Das lag vor allem daran, daß beide Gruppen die Möglichkeit hatten und diese nutzten, aus den Effekten zumindest Lebensmittel zu organisieren, mit denen sie den über die Lagermahlzeiten hinaus erforderlichen Kalorienbedarf decken konnten. Vor allem im Effektenlager I liefen die Häftlinge zwar Gefahr wegen des Organisierens von Lebensmitteln von eigenmächtigen SS-Aufsehern - sei es durch Schläge oder Tritte, selten durch Erschießen - "bestraft" zu werden, wobei als besonders strafwürdig neben der Aneignung von Schmuck, Geld und anderen Kostbarkeiten die Ansichnahme von Konservendosen galt. Andererseits duldeten jedoch viele, vor allem dort bereits seit längerem tätige SS-Aufseher, die Aneignung von Lebensmitteln stillschweigend. Dies beruhte - von Ausnahmen abgesehen - nicht so sehr auf menschlichem Mitgefühl, sondern auf der Verstrickung fast aller SS-Angehörigen dieser Lagerabschnitte in Korruption. Nahezu jeder in den Effektenlagern zur Aufsicht eingesetzte SS-Angehörige bereicherte sich über kurz oder lang in kleinerem oder größerem Umfang unmittelbar oder mittelbar - durch Aufträge an Untergebene, Funktionshäftlinge oder andere Häftlinge - an dem Gut derer, die zur Vernichtung nach Auschwitz verbracht wurden. Das Wissen der Gefangenen, insbesondere der Funktionshäftlinge, von deren Verfehlungen machte ihre Position angreifbar. Desgleichen galt im Verhältnis der SS-Führer zu den SS-Unterführern und Mannschaftsgraden.</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">Die Kenntnis der Untergebenen von den Bereicherungen der Vorgesetzten an Häftlingsgut untergrub die Disziplin. In den Effektenlagern galten daher eigene hierarchische Rangfolgen und Machtverhältnisse. So erkannte der Zeuge I1, der seit Ende Mai 1944 im Range eines Hauptscharführers im Lager B II g) eingesetzt und dem ab dem 1. August 1944 als Nachfolger des SS-Obersturmführers T1 die Leitung des Lagerabschnitts übertragen war, alsbald, daß er gegenüber bestimmten "niederen Chargen", teils sogar Funktionshäftlingen keine tatsächlichen Machtbefugnisse hatte. An der allgemeinen Disziplinlosigkeit der SS, die einherging mit "Saufgelagen" und vielfältigen Übergriffen gegenüber weiblichen Häftlingen, vermochten einzelne gerichtliche Verfahren, die von der SS-Gerichtsbarkeit wegen Vermögensdelikten gegen SS-Angehörige - wie die ehemaligen SS-Angehörigen I2 und I3 - durchgeführt wurden, nichts zu ändern.</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">Neben der ständigen Möglichkeit, Nahrung zu organisieren, standen den im Lager B II g) untergebrachten Häftlingen bessere, wenngleich immer noch nicht annähernd menschenwürdige Unterkünfte zur Verfügung. Immerhin ruhten hier in der Regel aber nur zwei Häftlinge auf dem für einen vorgesehenen Schlafplatz. Außerdem war es den Häftlingen nicht nur möglich, fast täglich ein Bad in der sogenannten Sauna zu nehmen, sie wurden hierzu sogar von den SS-Aufsehern, die ständig in Angst vor Läusen, Flöhen, anderem Ungeziefer und den damit häufig einhergehenden Seuchen und Infektionskrankheiten lebten, angehalten. Schließlich und entscheidend trug zu den besseren Überlebensaussichten bei, daß insbesondere die langjährigen SS-Aufseher wegen ihrer Verfehlungen und ihrer Bestechlichkeit die Häftlinge in der Regel weniger grausam behandelten als es in anderen Lagerabschnitten der Fall war. Hinzu kam das Interesse der SS, die in den Prozeß der Sammlung, Sortierung, Aufarbeitung und Verteilung von Effekten eingegliederten und eingearbeiteten Arbeitskräfte zu erhalten. Vor diesem Hintergrund erklärt sich, daß Massentötungen im Bereich des Lagers - bzw. der Lager - Kanada nicht stattfanden. Die eigenmächtige Tötung eines Häftlings war hier - so die dem Beweisantrag der Verteidigung zu Nr. 15 folgende und mit den Feststellungen korrespondierende Wahrunterstellung der Kammer mit Beschluß vom 14. Dezember 1987 zu Ziffer II, 2. - die Ausnahme. Das war selbst in den Sommermonaten des Jahres 1944 der Fall, in denen sich riesige Effektenmassen in den Lagern sammelten, die Arbeitskommandos beträchtlich erhöht wurden und bei zeitweilig über 1.000 im Lager B II g) eingesetzten Häftlingen jegliche Übersicht über einzelne Geschehnisse im Lagerbereich selbst für SS-Aufseher und Funktionshäftlinge verloren ging.</p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks">Trotz der besseren Überlebenschancen im Effektenlager I und Lagerabschnitt B II g) war das Leben der Häftlinge ebenfalls geprägt von alltäglichen Schikanen und Mißhandlungen durch die SS-Aufseher, wovon vorwiegend die männlichen Häftlinge betroffen waren. Daneben belastete die Gefangenen im Lagerabschnitt B II g) die Tätigkeit inmitten der Krematorien. Vor allem die Nähe des Krematoriums K IV und der Mitleid erregende Anblick der zur Massenvernichtung geleiteten Männer, Frauen und Kinder, deren Schreie beim Tötungsvorgang ebenso in das Lager drangen wie der von den Krematorien ausgehende Geruch wirkte entmutigend auf viele Häftlinge. Auch in diesem Lagerbereich "gingen" daher Häftlinge "in den Draht" - wie der Zeuge I1 etwa in einem Fall kurz nach seinem Eintritt in das Lager B II g) erfuhr -, um dem qualvollen und perspektivlosen Leben ein Ende zu bereiten. Andere wiederum versuchten zu fliehen, wobei sie vielfach den Weg über die vom Lager abgehenden Eisenbahntransporte wählten. Mißlang ein solcher Fluchtversuch, wurden die Häftlinge nicht selten unverzüglich erschossen oder solange mißhandelt, bis sie starben.</p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks">5.</p>
<span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks">Auf die Funktion des KL Auschwitz als Massenvernichtungslager soll nicht näher eingegangen werden, weil die Taten, die der Angeklagte begangen hat bzw. haben soll, nicht im Zusammenhang mit den im Rahmen der "Endlösung der Judenfrage" erteilten Befehlen stehen.</p>
<span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks">6.</p>
<span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks">Die Feststellungen zu diesem Abschnitt hat die Kammer getroffen aufgrund der Einlassung des Angeklagten, soweit ihr gefolgt werden konnte, der in diesem Zusammenhang uneingeschränkt glaubhaften Aussagen der Zeugen E, I1, K, B, S, I3, L, M, I4, I5, K1, L3, H, L4, C1, Q1, X2, T2, T3, G, U1, M1, Q, L1, L2, D und C2, des Inhaltes der in der Hauptverhandlung verlesenen Niederschriften über die im Wege der internationalen Rechtshilfe in Anwesenheit von Mitgliedern des Gerichts in Israel und Österreich durchgeführten Vernehmungen der nicht reisebereiten bzw. nicht reisefähigen Zeugen T4, T5, H2, S1, G1, X3, M2 und H3, des Inhaltes der in der Hauptverhandlung verlesenen Niederschriften über die früheren Vernehmungen des nicht mehr vernehmungsfähigen Zeugen I und der zwischenzeitlich verstorbenen Zeugen I6, I2, H1, U, U2 und F, des Inhaltes der ausweislich der Sitzungsniederschrift in der Hauptverhandlung erörterten sonstigen Urkunden, Schriftstücke, Skizzen, Lichtbilder und Filme, soweit sie durch Verlesung oder Inaugenscheinnahme zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden sind, des verlesenen behördlichen Zeugnisses des Bundesministers des Inneren und der allgemeinkundigen, geschichtlich gesicherten Tatsachen zur Entstehung und Entwicklung des KL Auschwitz, wie sie in den veröffentlichten Aufzeichnungen des ersten Lagerkommandanten des KL Auschwitz, dem früheren und nach dem Kriege zum Tode verurteilten und hingerichteten SS-Obersturmbannführer Höss niedergelegt und dem Streit der zeitgeschichtlichen Forschung entrückt sind.</p>
<span class="absatzRechts">103</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">104</span><p class="absatzLinks">Bei den Feststellungen zur äußeren Aufteilung und Einrichtung des Gesamtlagers Auschwitz wie der einzelnen Lagerabschnitte ist das Gericht weitgehend von der "Situationsskizze des KL Ausschwitz II (Birkenau)" - veröffentlicht in den vom staatlichen Museum in Auschwitz herausgegebenen "Heften von Auschwitz" - und den Skizzen des Zeugen Wunsch über das "Gesamtlager", das "alte Kanada-Gelände" (Effektenlager I), das "neue Kanada-Gelände - Birkenau mit Sauna" (Lagerabschnitt B II g), die "Effektenkammer - Birkenau" (Effektenkammer II) und den "Weg des weiblichen Arbeitskommandos vom Lagerabschnitt B I a) in Birkenau zu der in Lagerabschnitt B I b) gelegenen Effektenkammer II" ausgegangen. Die Skizzen geben, wenngleich nicht maßstabgetreu, die tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten nach den Bekundungen aller Zeugen, die je nach dem Ort der Unterbringung und des Arbeitseinsatzes bei den ehemaligen Häftlingen bzw. der dienstlichen Verwendung bei den früheren SS-Angehörigen allerdings ganz überwiegend nur ausschnittweise Angaben zu bestimmten Lagerbereichen machen konnten, im wesentlich zutreffend wieder. Was die Größenverhältnisse und die Anordnung der Lager im sogenannten Interessensgebiet des KL Auschwitz anbelangt, haben der in der Hauptverhandlung vorgeführte, unter Mitwirkung der Zeugin I5 entstandene Film der BBC mit dem Titel "Auschwitz - ein Überlebender kehrt zurück" sowie die bei der Befragung der Zeugen in die Hauptverhandlung eingeführten Lichtbilder (Luftaufnahmen) des amerikanischen Geheimdienstes aus dem Jahre 1944 für sich genommen und in ihrer Gesamtheit zuverlässigen Aufschluß über die äußere Lagersituation in jener Zeit erbracht.</p>
<span class="absatzRechts">105</span><p class="absatzLinks">Von den Zeugen ist, was die Aufteilung des Gesamtlagers wie der einzelnen Lagerabschnitte und deren Entwicklung anbetrifft, der heutige Historiker L3, der in der Zeit von November 1942 bis Januar 1945 Häftling im KL Auschwitz war und einem sogenannten Instandsetzungskommando angehörte, hervorzuheben. Der Zeuge war als Mitglied des genannten Kommandos während der Dauer seiner Inhaftierung in nahezu sämtlichen Lagerabschnitten - sei es im Rahmen der Bauarbeiten bei deren Errichtung oder im Zuge von Reparaturarbeiten - zeitweilig eingesetzt. Er vermochte sich an eine Vielzahl von selbst erlebten Einzelheiten zu erinnern, die er - unter deutlicher Trennung von den Ergebnissen der erst nach dem Krieg aufgenommenen Forschungstätigkeit - bei seiner Vernehmung präzise, umfassend und anschaulich dargestellt hat. Seine Beschreibung zur Aufteilung des Gesamtlagers und der einzelnen Lagerabschnitte stimmt mit den eingangs erwähnten Skizzen ebenfalls im Wesentlichen überein. Hiervon abweichend hat sich lediglich herausgestellt, daß die sogenannte Sauna im Lagerabschnitt B II g) im Gegensatz zu der von dem Zeugen X3 gefertigten Skizze dieses Lagerabschnittes ("neues Kanada-Gelände - Birkenau mit Sauna") zum einen westlich - und nicht wie auf der Skizze südwestlich - von der mittleren Barackenreihe - gleichsam in deren westlicher Verlängerung - angeordnet war und der Gebäudekomplex zum anderen eine symmetrische Gestaltung mit einem im Norden und Süden befindlichen Anbau - "schmutzige (unreine) Seite" / "saubere (reine) Seite" - aufwies. Diese von dem Zeugen L3 erwähnte, von den Zeugen L1, Q1 und Q, der im Jahre 1944 zeitweilig Oberkapo des sogenannten Saunakommandos war, bestätigte Besonderheit ist zutreffend in der aus den Heften von Auschwitz stammenden "Situationsskizze des KL Auschwitz II (Birkenau)" dargestellt. Auf dieser Skizze fehlt allerdings die nach den glaubhaften Angaben der Zeugen L1, Q und Q1 erst Mitte des Jahres 1944 errichtete leere Baracke im Nordwesten des Lagerabschnitts B II g) ebenso wie ein - auf beiden Skizzen fehlender - zwischen der Sauna und der "leeren Baracke" gelegener Abort.</p>
<span class="absatzRechts">106</span><p class="absatzLinks">Schließlich ist nach den übereinstimmenden Angaben der Zeugen K, I4, I5, L3, C1, D und M2 davon auszugehen, daß westlich von den Barackenreihen des Lagers B II g) in Abgrenzung zu der Lagerstraße zumindest zeitweilig ein niedriger Drahtzaun mit einem nicht besonders bewachten kleinen Holzgatter gezogen war. Die weiteren hierzu befragten Zeugen konnten sich zwar an eine derartige Abgrenzung nicht erinnern, vermochten die zeitweilige Existenz eines - noch dazu niedrigen - Zaunes allerdings nicht auszuschließen. Dem Zeugen X3 war dagegen eine provisorische Umzäunung erinnerlich, er meinte indes, daß ein solcher Zaun auf seine Veranlassung östlich von der Baracke 12 angelegt worden sei. Dafür, daß sich im Jahre 1944 hier ein Zaun befunden hätte, fehlen indes jede die Aussage des Zeugen X3 stützende Anhaltspunkte. Das gilt umso mehr, als der Zeuge den bei seiner Vernehmung vom 3. September 1987 angeführten Zaun bei früheren Vernehmungen und auch bei der Anfertigung der Skizzen nicht berücksichtigt hat. Die Kammer hat daher keine Bedenken, bei den Feststellungen zu der fraglichen Umzäunung den übereinstimmenden Angaben der oben erwähnten Zeugen, die hieran eine zuverlässige Erinnerung hatten, zu folgen. Hervorzuheben ist des weiteren, daß im Gesamtlager Auschwitz zwei Effektenlager eingerichtet waren, und zwar das Effektenlager I ("altes Lager Kanada") in der Nähe des Stammlagers und das bereits erwähnte Effektenlager II ("neues Lager Kanada") im Abschnitt B II g) des Lagers Birkenau. Dabei hat sich erst im Verlauf der Hauptverhandlung - insbesondere aufgrund der detaillierten Angaben der Zeugen E, I4, L4, C1, U1, Q und G herausgestellt, daß in der unmittelbaren Nähe des Effektenlagers I - wie festgestellt - ein zum Stammlager Auschwitz führendes Eisenbahnnebengleis verlief, an dem in Höhe der Einfahrt zum Effektenlager I eine kleine Holzrampe zum Verladen der Effekten diente. Der Abtransport der sortierten Güter aus dem Effektenlager I erfolgte dementsprechend nicht - so der Wissensstand nach den Vorermittlungen - von der zwischen dem Stammlager und dem Lager Birkenau an einem Nebengleis der Hauptbahnstrecke gelegenen sogenannten alten Rampe, sondern unmittelbar aus diesem Effektenlager.</p>
<span class="absatzRechts">107</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">108</span><p class="absatzLinks">Bei den Feststellungen zur inneren Organisation in KL Auschwitz hat sich die Kammer maßgeblich auf die in den - den Feststellungen zugrundegelegten - Grundzügen übereinstimmenden, widerspruchsfreien und in diesen Punkten unverfänglichen Angaben der früheren SS-Angehörigen I1, I3, M, H, L4 und vor allem des Zeugen L gestützt, die - soweit es die sogenannte Häftlingsselbstverwaltung anbelangt - durch die Aussagen der als Zeugen gehörten ehemaligen Häftlinge bestätigt wurden. Vor allem der Zeuge L vermochte sich zuverlässig an eine Vielzahl von Einzelheiten zur Organisationsstruktur, insbesondere zu der von ihm seinerzeit über Jahre geleiteten, in die Abteilung IV - die sogenannte Verwaltungsabteilung - des KL Auschwitz eingegliederten "Gefangeneneigentumsverwaltung" zu erinnern. Seine Darstellung von Aufbau und Untergliederungen der Gefangeneneigentumsverwaltung deckte sich in allen wesentlichen Punkten mit den Angaben des in der Zeit von September 1942 bis September/Oktober 1944 in der Häftlingsgeldverwaltung - einer Untergliederung der Gefangeneneigentumsverwaltung - eingesetzten Zeugen H. Die Kammer hatte daher keine Bedenken, den Feststellungen die nähere Beschreibung des Zeugen L über die Gefangeneneigentumsverwaltung zugrundezulegen, zumal seine Angaben eine weitere - wenn auch nur ausschnittweise - Bestätigung in den verlesenen Aussagen der Zeugen I vom 15. März 1984, H1 vom 9. November 1984 und I2, die allesamt zeitweilig in der Häftlingsgeldverwaltung eingesetzt waren, gefunden haben.</p>
<span class="absatzRechts">109</span><p class="absatzLinks">c)</p>
<span class="absatzRechts">110</span><p class="absatzLinks">Die Feststellungen zu den Lebensverhältnissen der Häftlinge im KL Auschwitz entsprechen den weitgehend übereinstimmenden Angaben aller Zeugen, die aus allerdings höchst unterschiedlichen Positionen - einerseits als SS-Bewacher, andererseits als Häftlinge - das Dasein der Gefangenen im Lager mitverfolgt und hiervon ein im Kern übereinstimmendes Bild gezeichnet haben. Das gilt insbesondere für die Einteilung der Häftlinge in bestimmte Arbeitskommandos und deren Unterbringung in den jeweiligen Zeitabschnitten.</p>
<span class="absatzRechts">111</span><p class="absatzLinks">Nicht vollends geklärt werden konnte allerdings, ob das Effektenlager I - wie das Effektenlager II - bis zur Evakuierung des Lagers im Januar 1945 seiner Bestimmung gemäß benutzt wurde. Fest steht jedenfalls, daß in beiden Effektenlagern Arbeitskommandos bis zumindest August/September 1944 nebeneinander tätig waren. Daß das Effektenlager I mit Inbetriebnahme des Effektenlagers II nicht aufgelöst wurde, sondern zeitweilig neben dem Effektenlager II fortbestand, war für die hierzu befragten Zeugen nicht zweifelhaft. Insbesondere die Zeugen E, S, L, I1, L3, T3, G, U1, D, S1, X3 und H3 vermochten sich hieran zuverlässig zu erinnern. Schwierigkeiten bereitete den Zeugen allerdings die zeitliche Einordnung. Dies beruhte vor allem darauf, daß insbesondere die aus den Reihen der ehemaligen Häftlinge stammenden Zeugen - wie etwa die Zeuginnen U1, D oder S1 mit der Verlegung ihres Arbeitsplatzes in das Effektenlager II zugleich dort untergebracht wurden und damit nahezu jeglichen Kontakt zu den im Effektenlager I weiter tätigen Häftlingen verloren. Besonderes Gewicht kam daher den Aussagen derjenigen ehemaligen SS-Angehörigen und Häftlinge zu, die im Jahre 1944 mit dem Effektenlager I noch nach Inbetriebnahme des Effektenlagers II im April/Mai 1944 in Berührung kamen. Hierzu zählte einmal der Zeuge L als Leiter der Gefangeneneigentumsverwaltung, nach dessen Erinnerung beide Lager "einige Monate" nebeneinander arbeiteten. Damit in Einklang stehen die Angaben der Zeugen L3 und T3, die als Häftlinge in einem "Instandsetzungskommando" bzw. der sogenannten "SS-Unterkunftskammer" im Stammlager Verwendung fanden und auch im Jahre 1944 von Zeit zu Zeit im Effektenlager I tätig waren, sei es, weil sie dort Reparaturen ausführen mußten (L3), sei es, weil sie dort Effekten für die SS-Unterkunftskammer abholen mußten (T3). Beiden Zeugen war erinnerlich, daß das Effektenlager I "ständig" bzw. "durchweg" neben dem Effektenlager II weiterarbeitete. Diese zeitliche Einordnung erfährt durch die Angaben der ehemaligen Häftlinge S und G, die 1944 in dem sogenannten Aufräumungskommando eingesetzt waren, insoweit eine Einschränkung, als das Effektenlager I nach ihrer Erinnerung nur bis August/September 1944 (G) bzw. November 1944 (S) seine Funktion erfüllte. Den Aussagen dieser Zeugen mißt die Kammer entscheidende Bedeutung zu. Beide Zeugen waren Mitglieder des sogenannten Aufräumungskommandos, das nahezu täglich in den Effektenlagern eingesetzt wurde. Im Gegensatz zu den Zeugen L, L3 und T3 beruhen ihre Angaben folglich nicht auf einem seinerzeit gewonnenen allgemeinen Überblick über das bzw. gelegentlichen Einsatz im Effektenlager, sondern auf ihren alltäglichen Verrichtungen unter anderem in dem Effektenlager I. Die Unstimmigkeit in den Angaben der Zeugen G und S läßt sich zwanglos damit erklären, daß beide das Ende ihrer Tätigkeit im Aufräumungskommando bzw. ihre Verlegung vom Lagerabschnitt B II d) in den Abschnitt B II g) mit der Einstellung jeder Tätigkeit im Effektenlager I gleichgesetzt haben und der Zeuge S überdies erst nach ergänzenden Fragen seine zunächst allgemeine Angabe "bis Herbst 1944" auf November 1944 konkretisiert hat. Die zeitliche Fixierung des Zeugen G wird zusätzlich durch die Bekundungen des Zeugen M2, wonach das genannte Aufräumungskommando im August 1944 vom Lagerabschnitt B II d) in den Abschnitt B II g) verlegt worden sein soll, untermauert. Nimmt man hinzu, daß der Zeuge G an den von ihm genannten Zeitpunkt nicht nur deshalb eine genaue Erinnerung hat, weil die Verlegung in einen anderen Lagerabschnitt stets eine einschneidende Änderung für einen Häftling darstellte, sondern auch, weil nach der Verlegung schon nach wenigen Tagen bei ihm eine Typhus-Erkrankung festgestellt wurde und er in engem zeitlichen Zusammenhang hierzu den nachfolgenden Krematoriums-Aufstand einordnet, so trägt die Kammer keine Bedenken, den Feststellungen die zeitliche Einordnung des Zeugen G zugrundezulegen. Die Glaubwürdigkeit des Zeugen steht, worauf im Zusammenhang mit den Taten des Angeklagten noch gesondert einzugehen sein wird, nicht in Zweifel. Die Glaubhaftigkeit seiner Angaben kann ebenfalls weder in diesem noch in anderen Punkten angezweifelt werden.</p>
<span class="absatzRechts">112</span><p class="absatzLinks">Der Zeuge G hatte allerdings anläßlich seiner in Wege der Rechtshilfe in Israel durchgeführten - ihm vorgehaltenen - polizeilichen Vernehmung in einem anderweiten Strafverfahren am 20. November 1968 erklärt, daß er Ende Mai 1944 an Typhus erkrankt und bis zu diesem Zeitpunkt dem "Kommando Kanada", wo er u. a. "das Gepäck aus den Waggons zu nehmen gehabt habe", angehört habe. Den zeitlichen Widerspruch zu seiner früheren Aussage hat er vor dem Schwurgericht indes nachvollziehbar damit erklärt, daß er das Ende seiner Tätigkeit im "Kommando Kanada", d. h. im Aufräumungskommando in seiner Vorstellung zeitlich seiner Verlegung in den Lagerabschnitt B II g) zuordne, weil er dort nur kurze Zeit tätig geworden und alsdann erkrankt sei. Den Zeitpunkt seiner Erkrankung habe er in der damaligen Vernehmung, weil er ihm keine besondere Aufmerksamkeit gewidmet habe, in den Monat Mai 1944 verlagert und damit zugleich das Ende seiner Tätigkeit im Aufräumungskommando (fälschlich) hiermit gleichgesetzt. Dies trifft nach der Erinnerung des Zeugen, der zu diesem Punkt eingehend befragt wurde, jedoch nicht zu. Unter Hinweis auf den zeitlich engen Zusammenhang mit dem Krematorium-Aufstand war sich der Zeuge G "absolut sicher", daß die Typhus-Erkrankung erst im August/September 1944 festgestellt und er zu dieser Zeit in den Lagerabschnitt B II g) verlegt wurde, fortan also nicht mehr im Effektenlager I tätig war. Eine deutliche Bestätigung erfährt die Aussage des Zeugen durch das nach Anbringung des Hilfsbeweisantrages der Verteidigung vom 18. Januar 1988 von der Kammer eingeholte - verlesene - behördliche Zeugnis des Bundesministers des Innern vom 25. Januar 1988. Danach wurde der Zeuge G nicht nur (erst) am 25./26. Oktober 1944 vom KL Auschwitz in das KL Sachsenhausen verlegt; außerdem weisen die dem behördlichen Zeugnis beigefügten, dem Bundesminister des Innern vom Internationalen Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes in Arolsen in Ablichtung überlassenen - ebenfalls verlesenen - Krankenblattunterlagen des Lagerabschnitts B II f) vom 13. August 1944 bzw. 18. September 1944 aus, daß der Zeuge G zu jener Zeit im Häftlingskrankenbau wegen Typhus-Verdachts untersucht wurde. Bei dieser Sachlage bestand für die Kammer kein Anlaß, dem Hilfsbeweisantrag der Verteidigung weiter nachzugehen, zumal nichts dafür ersichtlich ist, daß dem staatlichen Auschwitz-Museum in Polen über die genannten dem Internationalen Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes in Ablichtung überlassenen Dokumente hinausgehende Krankenblattunterlagen zur Verfügung stehen.</p>
<span class="absatzRechts">113</span><p class="absatzLinks">Was Einsatz und Auflösung des Arbeitskommandos "Rotkäppchen" bzw. "Rotköpfchen" anbelangt, so folgen die Feststellungen den übereinstimmenden Angaben der ehemals in diesem Kommando eingesetzten weiblichen Häftlinge - wie etwa die Zeuginnen C1, U1, D und S1 -, die mit den Aussagen der früheren SS-Bewacher wie z. B. der Zeugen I3, L4, X3 und H3 in Einklang stehen. Danach besteht für die Kammer kein Zweifel, daß für die Mitglieder des Kommandos mit der Verlegung ihres Tätigkeitsbereiches vom Effektenlager I in das Effektenlager II das Tragen des das Kommando kennzeichnenden roten Kopftuches entfiel. Die uniforme Kopfbedeckung diente nach den Erläuterungen der weiblichen Zeugen während der Zeit, als das Kommando im Lagerabschnitt B I untergebracht und im Effektenlager I arbeitete, ebenso wie weiße Kopftücher bei den sogenannten "Weißköpfchen-" bzw. "Weißkäppchen-Kommando", das Lagerabschnitt B I a) untergebracht und täglich zur Arbeitsstelle (Effektenkammer II) in den Lagerabschnitt B I b) geführt wurde, zur äußeren Kennzeichnung, daß diese regelmäßig nicht von SS-Angehörigen begleiteten Kommandos berechtigt waren, sich innerhalb der großen Postenkette zur Arbeitsstelle zu bewegen. Dieser Zweck war mit der Verlegung der Arbeitsstelle und der damit verbundenen Unterbringung der weiblichen Häftlinge in dem abgegrenzten Bereich des Lagers B II g) entfallen, so daß es einer uniformen Kopfbedeckung nicht mehr bedurfte und eine solche von den weiblichen Gefangenen auch nicht mehr getragen wurde.</p>
<span class="absatzRechts">114</span><p class="absatzLinks">Daß auf der durch das Lager B II g) zwischen den Baracken und der sogenannten Sauna von Süden nach Norden verlaufenden Lagerstraße 1944 von Zeit zu Zeit jedenfalls kleine Menschentransporte auf dem Fußweg von der sogenannten neuen Rampe im Lager Birkenau zu einem westlich von dem Krematorium K IV gelegenen Birkenwald geführt wurden, belegen die Aussagen der Zeugen U1, B, I5, Q, L3 und X3. Die Zeugen U1 und X3 hatten an derartige Transporte eine zuverlässige Erinnerung, weil ein solcher Transport im Leben beider - seinerzeit ungeachtet aller Gefahren freundschaftlich verbundenen - Zeugen eine besondere Rolle spielte. Mit einem derartigen Transport wurde nämlich im Sommer 1944 u. a. die Schwester der Zeugin U1 durch das Lager B II g) zu dem Krematorium K IV und dem damit sicheren Tod geführt. Auf Bitten der Zeugin U1 rettete der Zeuge X3 ihrer Schwester das Leben. Aufgrund dieses Erlebnisses ist die Tatsache der durch das Lager geführten kleinen Menschentransporte in dem Gedächtnis der Zeugen - insbesondere der Zeugin U1 tief verwurzelt. Bestätigt und ergänzt wurden ihre Angaben überdies allgemein von den Zeugen B, I5, L3 und Q. Den Angaben des letztgenannten Zeugen kommt dabei besonderes Gewicht zu. Der Zeuge Q war 1944 zeitweilig als Oberkapo, im sogenannten Saunakommando mit den Transporten von Häftlingen befaßt, die als Arbeitsfähige in das Lager eingewiesen worden waren. Für ihn waren in seiner Funktion als Oberkapo folglich nur diese Transporte von Bedeutung, während die durch das Lager B II g) zum Krematorium K IV geführten Menschen für die ihm gestellte Aufgabe ohne Belang waren. Andererseits blieb es nicht aus, daß er die lediglich an der Sauna vorbeigeführten Transporte registrierte, weil er dem Schicksal der betroffenen Menschen nicht gleichgültig gegenüberstand. Vor diesem Hintergrund besteht für die Kammer kein Zweifel, daß über die zwischen Baracken und Sauna in Lager D II g) verlaufende Lagerstraße kleinere Transporte zu dem Krematorium K IV geführt wurden.</p>
<span class="absatzRechts">115</span><p class="absatzLinks">Das Schwurgericht ist weiter davon überzeugt, daß alle als Bewacher in den jeweiligen Effektenlagern und -kammern eingesetzten SS-Angehörigen zum Dienst an der Rampe herangezogen wurden, und zwar zumindest zur Bewachung der sogenannten Rampenkommandos ("Aufräumungskommando", "Verladekommando"). Das entspricht nicht nur den Schilderungen der Zeugen aus den Reihen der früheren Häftlinge - wie z. B. S, L3, M2, Q1 und G, sondern ebenfalls den Bekundungen der ehemaligen SS-Angehörigen H, L4, X3, I und vor allem I1. Der letztgenannte Zeuge war als Leiter des Effektenlagers II u. a. mit der Einteilung der Dienste für die SS-Angehörigen seines Kommandos zuständig. Er vermochte sich wegen der Vielzahl der Transporte im Sommer 1944 deutlich zu erinnern, daß er zu Zeiten der "großen Ungarntransporte" alle SS-Angehörigen gleichermaßen zum sogenannten Rampendienst heranziehen mußte, er bisweilen sogar selbst - was der Zeuge allerdings erst nach Vorhalt und längerem Zögern einräumte - den Rampendienst versehen hat.</p>
<span class="absatzRechts">116</span><p class="absatzLinks">Die allgemeine Disziplinlosigkeit der SS-Angehörigen im KL Auschwitz, vor allem die ständigen, eigenmächtigen Übergriffe auf Häftlinge steht für die Kammer außerhalb jeden Zweifels. Die Darstellung der als Zeugen gehörten ehemaligen Häftlinge war an Eindringlichkeit nicht zu überbieten. Jeder der Häftlinge hatte seine eigene Geschichte, in denen sich über alle Unterschiede in den persönlichen Erlebnissen die völlige Recht- und Wehrlosigkeit der Gefangenen und deren alltägliche Gefährdung, von eigenmächtigen SS-Angehörigen oder Funktionshäftlingen aus nichtigen Anlässen mißhandelt oder gar getötet zu werden, widerspiegelte. Allein die Bewertung der Zeugen zu der Behandlung in einzelnen Lagerabschnitten bzw. durch bestimmte SS-Angehörige ließ entsprechend ihren jeweiligen persönlichen Erfahrungen Unterschiede erkennen. Ansonsten zeichneten sie - ausgehend von Anzahl und Ausmaß der jeweils selbst erlebten Übergriffe von SS-Angehörigen - das den Feststellungen zugrundegelegte einheitliche Bild. Den verhaltenen Schilderungen der ehemaligen SS-Angehörigen (I1, I3, L, M, H, L4, X3 und H3) zu diesem Punkt kommt nur eine denkbar geringe Bedeutung zu. Die hierzu konkret befragten Zeugen waren in ihren ansonsten - soweit es Äußerlichkeiten wie Lageraufteilung, Organisationsstrukturen etc. anbelangt - ergiebigen und aufschlußreichen Aussagen, sobald ihre oder die Schuldverstrickung eines ihrer ehemaligen "Kameraden" in Rede stand, äußerst zurückhaltend. Hierauf wird noch im Zusammenhang mit dem Lebenslauf des Angeklagten näher einzugehen sein. Immerhin räumten einige der ehemaligen SS-Angehörigen - wie I1, I3, L4 und H3 - ein, daß Häftlinge "mitunter" eigenmächtig von SS-Angehörigen mit dem Stock geschlagen wurden, dies allerdings nur, um "Schlimmeres" von ihnen abzuwenden (I1, I3, L4) wenn sie die SS-Bewacher "provoziert" hatten (H3). Auf die naheliegende Frage, welche schlimmeren Sanktionen denn durch derartige Übergriffe von Gefangenen hatten abgewendet werden sollen, verwiesen die Zeugen allgemein auf die "schärferen ordentlichen" Lagerstrafen. Diese Erklärung mußte unvollkommen bleiben, weil eine derartige Lagerstrafe von einer Meldung des jeweiligen SS-Angehörigen abhängig gewesen wäre, die den Verstoß eines Häftlings gegen die Lagerordnung voraussetzte. Eines solchen Verstoßes bedurfte es indes für die willkürliche Mißhandlung eines Häftlings nicht; ausreichend hierfür war, wie die Zeugin B plastisch formulierte, "schon ein falscher Blick". Daß die Disziplin der SS-Angehörigen im KL Auschwitz auch im übrigen nicht gewähreistet war, belegen schon die - nach eigenen Angaben - gerichtlichen Verfahren der SS-Gerichtsbarkeit gegen die damals im KL Auschwitz eingesetzten Zeugen I2 und I3 wegen Vermögensdelikten (widerrechtliches Aneignen von Häftlingsgut) bzw. L4 und H3 wegen unerlaubten Fernbleibens von der Truppe. Auffällig und bezeichnend ist dabei, daß keiner der Zeugen von einem gerichtlichen Verfahren der SS-Gerichtsbarkeit gegen einen SS-Angehörigen wegen Mißhandlung oder Tötung eines Häftlings - trotz zahlloser Übergriffe - zu berichten wußte. Für die Disziplinlosigkeit der SS-Angehörigen spricht des weiteren die Aussage des Zeugen I1, der sich bei seiner Vernehmung noch gerade darüber beschwerte, daß der Dienstrang im Lager nichts galt, sondern die durch andere Umstände - wie Dauer der Lagerzugehörigkeit, Funktion etc. - beeinflußten Machtverhältnisse entscheidend waren.</p>
<span class="absatzRechts">117</span><p class="absatzLinks">Schließlich ist das Gericht davon überzeugt, daß der ohnehin von vielen Unwägbarkeiten abhängige Informationsaustausch unter den Gefangenen während der Zeit der großen Ungarntransporte noch weitergehend eingeschränkt war. Nach den im Kern übereinstimmenden Bekundungen der Zeugen E, K, B, S, I4, I5, K1, L3, X2, T2, T3, G, U1, M1, C2 und D besteht kein Zweifel, daß viele der Häftlinge das sie umgebende Leid im täglichen Überlebenskampf nicht wahrnahmen, teils nicht einmal wahrnehmen wollten und selbst wenn sie Zeugen von Übergriffen der SS-Angehörigen wurden, ihr Wissen anderen Häftlingen nicht mitteilten, sei es, weil sie - was vor allem bei erfahrenen Häftlingen vorkam - Mißhandlungen und sogar die Tötung eines oder mehrerer Häftlinge inmitten der Szenerie der Massenvernichtungsstätten als nichts Ungewöhnliches ansahen und solchen Ereignissen relativ gleichgültig gegenüberstanden, sei es, weil sie alle Gefahren vermeiden wollten, die sich aus einer offenbarten Kenntnis für sie ergeben konnten. Vor diesem Hintergrund wurden Informationen - etwa von Übergriffen einzelner SS-Angehöriger - regelmäßig nur unter miteinander vertrauten Gefangenen ausgetäuscht, wobei allerdings selbst hier die Bereitschaft von der Einstellung des einzelnen Häftlings abhängig war. Immerhin wurden vor allem Neuankömmlinge vereinzelt über das allgemeine Verhalten der SS-Angehörigen und Funktionshäftlinge im jeweiligen Lagerabschnitt aufgeklärt. Nicht selten geschah es allerdings, daß ein Häftling die besondere Grausamkeit eines SS-Bewachers - wie der Zeuge T2 - erst am eigenen Leib erfahren mußte, ehe er von den Häftlingen (zu spät) gewarnt wurde.</p>
<span class="absatzRechts">118</span><p class="absatzLinks">Insgesamt kann danach keine Rede davon sein, daß ein Häftling - sei es auch ein Funktionshäftling - im KL Auschwitz jemals einen solchen Überblick über einzelne Lagerabschnitte erlangt hätte, daß er über alle Übergriffe von SS-Angehörigen zuverlässig informiert gewesen wäre. Das gilt besonders für den Lagerabschnitt B II g), in dem zu Zeiten der großen Ungarntransporte nach den übereinstimmenden Schätzungen der Zeugen über 1.000 Häftlinge tätig waren. Die Größe des Lagerabschnitts stand der Überschaubarkeit bereits entgegen, was sinnfällig darin zum Ausdruck kam, daß viele der hierzu vernommenen früheren weiblichen Häftlinge sich lediglich an die im Norden und der Mitte des Lagers belegenen Barackenreihen erinnerten und ihnen die administrative Aufteilung der im Lager eingesetzten Arbeitskommandos (Saunakommando, Effektenkammer III, Effektenlager II) nicht bekannt war. Hinzu kam, daß im Sommer 1944 Häftlinge zur Unterstützung. aus anderen Lagerabschnitten - insbesondere weibliche Häftlinge aus dem Lagerabschnitt B I - herangezogen wurden. Die Vielzahl von Häftlingen verbunden mit den - angesichts der unterschiedlichen Nationalitäten der Häftlinge, die aus Frankreich, Belgien, Holland, Deutschland, Österreich, Polen, Ungarn, Tschechoslowakei, Griechenland etc. stammten, naturgemäß auftretenden - Sprachschwierigkeiten stand einem annähernd zuverlässigen Informationsfluß unter der Gesamtheit der Gefangenen entgegen. Einen relativen Überblick gewannen die Häftlinge zumeist nur über Gespräche innerhalb kleinerer Gruppen, die sich vereinzelt nach Nationalität, längerer gemeinsamer Lagerzugehörigkeit oder anderer Kriterien bildeten. Selbst in derartigen - nach dem Sprachgebrauch der Zeugin D - "Unterstützungsgruppen" erlangten die Häftlinge indes nur einen begrenzten Überblick über die Geschehnisse im Lagerabschnitt B II g). So war nicht gewährleistet, daß im Effektenlager II eingesetzte weibliche Häftlinge etwa von allen Ereignissen erfuhren, die die dort eingesetzten männlichen Gefangenen betrafen. Das galt erst recht, wenn männliche Häftlinge betroffen waren, die - wie etwa die sogenannten Rampenkommandos - zeitweilig außerhalb des Lagers eingesetzt und untergebracht waren oder in anderen Kommandos (Effektenkammer III, Saunakommando) arbeiteten. Die Taten, die zur Verurteilung des Angeklagten führten, mußten vor diesem Hintergrund in den einzelnen Lagerabschnitten keineswegs allgemein verbreitet sein.</p>
<span class="absatzRechts">119</span><p class="absatzLinks">III.</p>
<span class="absatzRechts">120</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">121</span><p class="absatzLinks">Der heute 66 Jahre alte Angeklagte ist in bürgerlichen Verhältnissen aufgewachsen. Sein Vater war Bauunternehmer, mußte, nicht zuletzt wegen einer im Ersten Weltkrieg erlittenen Kriegsverletzung, seinen Betrieb allerdings gegen Ende der 20er Jahre schließen. Die Mutter war Hausfrau und sorgte auf diese Weise für das Wohlergehen der in X4 ansässigen Familie. Der Angeklagte wie auch seine beiden um ein bzw. vier Jahre älteren Schwestern wurden von den Eltern im Sinne des evangelisch-lutherischen Religionsbekenntnisses, das nach Einschätzung des Angeklagten beim Vater am stärksten ausgeprägt war, erzogen. Die Familie litt keine materielle Not. Seine Kindheit und Jugend erlebte der Angeklagte als ausgeglichen und harmonisch.</p>
<span class="absatzRechts">122</span><p class="absatzLinks">Der Angeklagte besuchte seit 1927 die Volksschule, die er nach unproblematischem Verlauf der Schulzeit im März 1935 mit dem Abschlußzeugnis verließ. Seinem bereits früh geweckten Interesse für alles "was mit Bauen zu tun hatte", folgend, trat er im Mai 1935 die Maurerlehre an, die er nach vier Jahren im April 1939 erfolgreich abschloß. Neben der Lehre besuchte der Angeklagte in der Zeit von 1935 bis 1938 die Gewerbe- und Öffentliche Handelsschule und anschließend eine Bauschule. Die dort angestrebte Ausbildung zum Bautechniker konnte er wegen seiner Einberufung zum Kriegsdienst im September 1940 nicht mehr abschließen.</p>
<span class="absatzRechts">123</span><p class="absatzLinks">Parallel zur Ausbildung in Schule und Beruf verlief die Erziehung des Angeklagten zu einem "neuen Menschen" im Sinne des Nationalsozialismus. Bis 1933 war er Mitglied im Deutschen Turnverein und der Vereinigung Christlicher Pfadfinder. Nach der Aufnahme in das Deutsche Jungvolk im April 1933 und der geschlossenen Erfassung aller Jugendlichen zum Hitler-Jugenddienst im Jahre 1936 gehörte der Angeklagte bis zum 9. November 1937 der Hitler-Jugend (HJ) als Hitler-Junge an. Spätestens in dieser Zeit wurde er wie viele seiner der HJ zugehörigen Altersgenossen dem Einfluß des Elternhauses zunehmend entzogen.</p>
<span class="absatzRechts">124</span><p class="absatzLinks">Die NS-Führung hatte schon bald erkannt, daß ihre Ziele nicht ohne die Jugend zu verwirklichen waren und daß dies eine Schulung voraussetzte, die von den als reaktionär und rückständig empfundenen Erziehungsmächten Elternhaus und Schule nicht erwartet werden konnte, eher gegen diese durchgesetzt werden mußte. Entsprechend dem durch das Hitler-Jugendgesetz vom 1. Dezember 1936 vorgegebenen Auftrag, "die gesamte deutsche Jugend .... körperlich, geistig und sittlich im Geiste des Nationalsozialismus zum Dienst am Volk und zur Volksgemeinschaft zu erziehen", wurden die Hitler-Jungen daher auf breiter Basis im nationalsozialistischen Sinne geschult. Der Schwerpunkt der Schulung lag auf dem Gebiet der sportlichen Betätigung, die gleichermaßen der körperlichen Ertüchtigung wie auch als Grundlage für die Vermittlung nationalsozialistischer Werte diente. Im Mittelpunkt dieser Beeinflussung stand eine neue Moralauffassung, in der das "Recht des Stärkeren" einen absoluten Rang einnahm, der selbstverständlichen Wahrnehmung dieses "Rechts" das Wort geredet und damit der Boden für die Überzeugung bereitet, wurde, das Schwächere, das sogenannte "unwerte Leben", könne ohne Hemmungen vernichtet werden. In diesem Zusammenhang wurde den Hitler-Jungen immer wieder - vor allem während laufend veranstalteter Lageraufenthalte, in deren Isolierung nationalsozialistisches Gedankengut abgeschirmt von störenden Einflüssen wie der Erziehung der Eltern verbreitet werden konnte - bewußt gemacht, eine Auslese darzustellen, die künftig besondere Aufgaben lösen dürfe. Die ständige Beeinflussung verfehlte die beabsichtigte Wirkung auch auf den Angeklagten nicht. Er verschrieb sich der NS-Ideologie und ihren Zielen vollends, trat am 25. Juni 1937 dem "Bund Deutscher Osten" bei und wurde in Anerkennung seiner Haltung am 10. November 1937 - also mit 16 Jahren - von der HJ als Staffelbewerber in die SS übernommen. In seinem handschriftlich abgefaßten, einem ausgefüllten Fragebogen des Rasse- und Siedlungshauptamtes der SS vom 15. August 1938 beigefügten Lebenslauf hob der Angeklagte seinen Werdegang in der HJ ebenso hervor wie den Beitritt zum Bund Deutscher Osten. Zugleich verwies er darauf, daß mit der Aufnahme in die SS sein sehnlichster Wunsch in Erfüllung gegangen sei, nämlich einmal "der höchsten Garde des Führers anzugehören" und er "in dieser Organisation" sein "Möglichstes ... tun" wolle, um den an ihn gestellten Anforderungen gerecht zu werden.</p>
<span class="absatzRechts">125</span><p class="absatzLinks">Nach einjähriger Anwartschaftszeit wurde der Angeklagte 1938 im Alter von 17 Jahren entsprechend seiner Überzeugung und auf seinen Antrag als Staffelmann in die Allgemeine SS übernommen. Zunächst vom Wehr- bzw. Kriegsdienst wegen der andauernden Berufsausbildung zurückgestellt, bewarb er sich 1940 mit Blick auf die bevorstehende Einberufung als Freiwilliger bei der Waffen-SS. Am 15. September 1940 wurde er zum SS-Regiment "Westland" eingezogen. Nach der Ausbildung zum Infanterie-Pionier - was den Wünschen des Angeklagten entsprach - in München und Dresden kam er zu Beginn des Ostfeldzuges im Range eines SS-Mannes zum Kriegseinsatz. Hierbei wurde er am 11. September 1941 verwundet, verlor aufgrund einer Kopfverletzung das linke Auge und erblindete. Lazarettaufenthalte in Lublin und Saarbrücken, in deren Verlauf er die Sehfähigkeit auf dem rechten Auge wiedererlangte, schlossen sich an. Vom 28. Oktober 1941 bis zum 14. Januar 1942 war er dem Pionier-Sturmbann 5 in Dresden, einer Genesungskompanie, zugeteilt. Im Januar/Februar 1942 bildete er Rekruten in Debica/Polen aus. Während dieser Zeit wurde er zum SS-Sturmmann befördert. Es schloß sich bis zum 1. April 1942 ein Ausbildungslehrgang auf der Unteroffiziersschule in Radolfzell an. Zu dieser Zeit trat der Angeklagte aus der Kirche aus. Entsprechend seiner Bewerbung für die Verwaltungslaufbahn wurde der Angeklagte in der Zeit vom 1. April 1942 bis zum 29. Mai 1942 auf einem Rechnungsführerlehrgang in Dachau ausgebildet. Es folgte die Versetzung zum SS-WVHA nach Berlin. Dort wurde der Angeklagte im Hauptwirtschaftslager II der SS als Rechnungsführer eingesetzt. Während dieser Zeit erfolgte seine Beförderung zum SS-Unterscharführer. Am 28. Januar 1944 wurde der Angeklagte nach seiner unwiderlegten Einlassung zur "Frontsammelstelle Oranienburg" beordert, nahm dort für kurze Zeit an einer Infanterieausbildung teil und versah in der Folge "reinen Verwaltungsdienst" als Rechnungsführer in der ersten Wachkompanie. Anfang Mai 1944 wurde der Angeklagte zum 1. Totenkopf - Wachbataillon Oranienburg kommandiert, wobei in der Hauptverhandlung nicht geklärt werden konnte, welchen Dienst er dort versah. Insbesondere blieb offen, ob der Angeklagte in dieser Einheit oder (nachfolgend) im SS-Totenkopf-Wachbataillon KL Sachsenhausen bereits mit der Bewachung von Häftlingen des KL Sachenhausen befaßt war. Fest steht jedenfalls, daß der Angeklagte gemäß Befehl des SS-WVHA vom 23. Mai 1944, und zwar des SS-Gruppenführers und Generalleutnants der SS Glücks als Amtsgruppenchef der Abteilung "D - Konzentrationslager" mit Wirkung vom 22. Mai 1944 vom "SS-Wachbataillon K.L. Sachenshausen" zum "K.L. Auschwitz - SS. - Standortverwaltung Auschwitz" kommandiert wurde. Neben dem Angeklagten wurden zugleich der Zeuge I1 und weitere SS-Angehörige - wie der Oberscharführer T6 und die Unterscharführer H4 und M3 nach Auschwitz kommandiert.</p>
<span class="absatzRechts">126</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">127</span><p class="absatzLinks">Der Angeklagte meldete sich am 22. oder 23. Mai 1944 auf der Standortkommandantur im KL Auschwitz. Hier wurde er - wie jeder SS-Angehörige - über die Richtlinien für die Behandlung der Häftlinge im Lager, insbesondere darüber belehrt, daß über Leben und Tod eines "Staatsfeindes" allein "der Führer" zu entscheiden habe und deshalb kein Nationalsozialist berechtigt sei, vom sich aus Hand an einen "Staatsfeind" zu legen oder ihn körperlich zu mißhandeln. Im Zusammenhang mit weiteren Belehrungen unterzeichnete der Angeklagte am 24. Mai 1944 einen "Verpflichtungsschein", mit dem vorformulierten Text:</p>
<span class="absatzRechts">128</span><p class="absatzLinks">"1.)</p>
<span class="absatzRechts">129</span><p class="absatzLinks">Mir ist bekannt und ich bin heute darüber belehrt worden, daß ich mit dem Tode bestraft werde, wenn ich mich an Judeneigentum jeglicher Art vergreife.</p>
<span class="absatzRechts">130</span><p class="absatzLinks">2.)</p>
<span class="absatzRechts">131</span><p class="absatzLinks">Über alle während der Judenevakuierung durchzuführenden Maßnahmen habe ich unbedingte Verschwiegenheit zu bewahren, auch gegenüber meinen Kameraden.</p>
<span class="absatzRechts">132</span><p class="absatzLinks">3.)</p>
<span class="absatzRechts">133</span><p class="absatzLinks">Ich verpflichte mich, mich mit meiner ganzen Person und Arbeitskraft für die schnelle und reibungslose Durchführung dieser Maßnahmen einzusetzen."</p>
<span class="absatzRechts">134</span><p class="absatzLinks">Belehrungen dieser Art - etwa über den Befehl des RFSS vom 29. Mai 1944 betreffend die Verhütung von Geschlechtskrankheiten oder das Schreiben des Chefs des SS-WVHA vom 29. Juni 1944 betreffend Geheimhaltung im Dienstbetrieb - mußte der Angeklagte in der Folge wiederholt abzeichnen.</p>
<span class="absatzRechts">135</span><p class="absatzLinks">Nach Eintritt in das KL Auschwitz wurde der Angeklagte der Gefangeneneigentumsverwaltung als Verstärkung zugeteilt. Dort fand er nach seiner unwiderlegten Einlassung für kurze Zeit in der Häftlingsgeldverwaltung (HGV) Verwendung. Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt gegen Ende Mai/Anfang Juni 1944 - jedenfalls schon wenige Tage nach seiner Ankunft im KL Auschwitz - wurde der Angeklagte in der Effektenlagerverwaltung eingesetzt. Dabei konnte in der Hauptverhandlung nicht aufgeklärt werden, ob - wie bereits unter Ziffer II., 2. a), cc) ausgeführt - ein weiteres Magazin für die Effekten in der sogenannten Lederfabrik eingerichtet und der Angeklagte zeitweilig - allerdings allenfalls wenige Tage - zunächst zur Beaufsichtigung der dort tätigen Gefangenen eingesetzt war. Ebenso vermochte die Kammer nicht zuverlässig festzustellen, ob der Angeklagte bereits gegen Ende Mai/Anfang Juni 1944 in den Lagerabschnitt B II g) verlegt, das heißt dort untergebracht wurde und von dort aus unterschiedlichen Aufsichtsarbeiten - auch im Effektenlager I - nachging oder ob er zunächst für einige Wochen ausschließlich im Effektenlager I seinen Dienst versah und erst nachfolgend - spätestens aber im Juli 1944 - in das Lager B II g) verlegt wurde. Sicher ist in diesem Zusammenhang indes, daß der Angeklagte schon bald nach seinem Eintreffen im KL Auschwitz seit Anfang Juni 1944 in beiden Effektenlagern mit Bewachungsfunktionen betraut war, und zwar im Effektenlager I zumindest bis Juli 1944 und im Effektenlager II spätestens ab Juli 1944 bis zur Evakuierung des Lagers. Außer Zweifel steht des weiteren, daß der Angeklagte spätestens ab Juli 1944 seine Unterkunft im Lagerabschnitt B II. g) und hier in Block 11 - gemeinsam mit dem Zeugen I1, mit dem er in der Folge viel zusammen war - hatte. Fest steht außerdem, daß der Angeklagte seit Anfang Juni 1944 nicht nur die weiblichen wie männlichen Sortierkommandos, sondern ebenfalls von Zeit zu Zeit die sogenannten Rampenkommandos beaufsichtigte und im Rahmen dieser Tätigkeit an der Verladerampe des Effektenlagers I ebenso die Aufsicht führte, wie auf der sogenannten neuen Rampe im Lager Birkenau. Ob er neben seinen Bewachungsaufgaben noch - zumindest zeitweilig - mit der Funktion eines Blockführers für diejenige Baracke im Lagerabschnitt B II. d) in Birkenau, in der die männlichen Häftlinge der Aufräumungs- und Verladekommandos untergebracht waren, betraut war, konnte nicht zuverlässig geklärt werden. Sicher ist hierzu jedoch, daß der Angeklagte in dem vorerwähnten Lagerabschnitt vereinzelt die Unterkünfte der sogenannten Rampenkommandos auf Hinweise "unrechtmäßiger" Aneignung von Effekten durch Häftlinge durchsuchte.</p>
<span class="absatzRechts">136</span><p class="absatzLinks">Innerhalb der relativ kurzen Zeit seines Einsatzes im KL Auschwitz - von Ende Mai 1944 bis Ende Januar 1945 - verbreitete der Angeklagte unter den Häftlingen, die er zu beaufsichtigen hatte oder die mit solchen Kommandos in Berührung kamen, ungleich mehr Angst und Schrecken als andere in den Effektenlagern eingesetzte SS-Angehörige. Getreu der nationalsozialistischen Ideologie waren für ihn alle Häftlinge Staatsfeinde, die keinerlei Milde verdienten und die es auszurotten galt. Mit dieser inneren Einstellung verrichtete der Angeklagte seinen Dienst. Er blickte mit Verachtung auf die Häftlinge herab, hielt einerseits möglichst viel Distanz zu ihnen, hatte andererseits indes keinerlei Skrupel, Häftlinge je nach Lust und Laune ohne oder wegen nichtiger Anlässe zu quälen, zu mißhandeln oder gar zu töten. Vor diesem Hintergrund erlangte er unter den Gefangenen sehr bald den Ruf eines unnachsichtigen, unberechenbaren, überaus gewalttätigen SS-Aufsehers. Vielen Häftlingen, die ihn zumeist - weil unter den SS-Angehörigen so angesprochen - als "<em>[1. Vorname des Angeklagten]</em>" kennenlernten und die ihm überwiegend Beinamen wie "der Blinde", "Slepy" oder "Slepak" - was gleichbedeutend mit "der Blinde" ist - gaben, vereinzelt aber untereinander auch "Hagen" oder "Zyklop" nannten, galt der Angeklagte wegen Vielzahl und Gewicht der Übergriffe gegen die Gefangenen als einer der brutalsten SS-Angehörigen in den Effektenlagern.</p>
<span class="absatzRechts">137</span><p class="absatzLinks">Den denkbar schlechten Ruf begründete der Angeklagte schon im Effektenlager I. Abgesehen von den Taten, die u.a. zu seiner Verurteilung führten und auf die nachfolgend noch einzugehen sein wird, ließ der Angeklagte bereits hier seine menschenverachtende Grundhaltung erkennen und mißhandelte die ihm unterstellten Häftlinge nach Belieben. Der Zeuge T5 zählte zu seinen Opfern. Bei mehreren Gelegenheiten schlug ihn der Angeklagte mit einem Spazierstock. Als bei einem der Übergriffe der Stock zerbrach, befahl der Angeklagte dem Zeugen, einen neuen Stock aus dem Magazin zu holen, um die Mißhandlung fortsetzen zu können. Der Zeuge war gehalten, den neuen Stock - gleichsam als Akt der Unterwerfung und Erniedrigung - "förmlich" zu überreichen, ehe der Angeklagte weiter auf ihn einschlug. Im Effektenlager II waren von derartigen Übergriffen des Angeklagten u.a. die Zeugen I4 und T2 betroffen. Ohne jeden äußeren Anlaß wurde der Zeuge T2 in vielen Fällen von dem Angeklagten mit einem Stock geschlagen. Das gilt ebenfalls für den Zeugen I4. Auch hier legte es der Angeklagte darauf an, dem Zeugen nicht nur Schmerzen zuzufügen, sondern ihn darüber hinaus spüren zu lassen, daß dieser in seinen Augen ein "Nichts" war. Der Zeuge hatte sich, wenn der Angeklagte ihn rief, zu bücken. Alsdann prügelte der Angeklagte mit einem Spazierstock auf Gesäß, Rücken und Kopf des Zeugen, bis er - der Angeklagte - ermüdete. Die Übergriffe beruhten nicht selten auf Wutausbrüchen des Angeklagten. Diese entluden sich nicht allein in Taten. Der Angeklagte belegte die Häftlinge während der Mißhandlungen vielmehr des öfteren mit "wahren Schimpfkanonaden". Der ehemalige Häftling K war - ebenso wie die früheren Häftlinge K1 und Q1 - in vielen Fällen Zeugen von Mißhandlungen männlicher Gefangener im Effektenlager II durch den Angeklagten. Abgesehen von der brutalen Vorgehensweise des Angeklagten, der die Gefangenen trat und mit einem Stock schlug, "wo er sie gerade traf", waren für den Zeugen K die Haßtiraden des Angeklagten, die zumeist in Sätzen wie "Mistjude, dich hat man vergessen zu vergasen" gipfelten, besonders auffällig.</p>
<span class="absatzRechts">138</span><p class="absatzLinks">Der Angeklagte vergriff sich indes nicht nur an männlichen, sondern sogar an weiblichen Häftlingen. Die Zeugin K1 war an einem Tag im Herbst des Jahres 1944 im Lagerabschnitt B II. g) mit anderen weiblichen Häftlingen zum Appell angetreten. Die Häftlinge "organisierten" zu dieser Zeit wegen des bevorstehenden Winters vor allem Bekleidungsstücke. An dem fraglichen Tag wurden die Häftlinge, was nicht ungewöhnlich war, "gefilzt", d.h. die SS-Angehörigen untersuchten die Gefangenen daraufhin, ob sie sich Effekten angeeignet hatten. Eine der neben der Zeugin K1 angetretenen Häftlingsfrauen entledigte sich angesichts der bevorstehenden Untersuchung mehrerer Bekleidungsstücke, die sie unter der Häftlingsbekleidung verborgen hatte. Der Angeklagte sah dies, ging auf die Frau zu und "knüppelte" unvermittelt mit einem Stock auf sie ein. Auf das unter der Wucht seiner Schläge zu Boden gefallene Opfer trat er wahllos mit seinen bestiefelten Füßen ein. Ob das unbekannte Opfer die Mißhandlungen überlebt hat, konnte in der Hauptverhandlung nicht aufgeklärt werden. Bei einem weiteren Fall war die Zeugin T4 zugegen. Sie arbeitete an einem nicht näher bestimmbaren Tag - jedenfalls nach dem Krematoriumsaufstand, d.h. nach dem 7. Oktober 1944 - zur Nachtzeit in einer im Morden des Lagerabschnitts B II. g) gelegenen Baracke. Während der Arbeit legte eine neben der Zeugin sitzende Gefangene den Kopf gegen einen Lumpenhaufen. Kurz darauf betrat der Angeklagte die Baracke und befragte die Häftlinge, wer geschlafen habe. Ihm antwortete eine schwangere Häftlingsfrau, daß niemand geschlafen habe. Für jeden - auch für den Angeklagten - war sichtbar, daß die Gefangene ein Kind erwartete. Verärgert über die "Lüge" und seinen niedrigen Instinkten freien Lauf lassend, forderte der auch hier Stiefel tragende Angeklagte sie auf, aufzustehen und trat ihr in den Bauch. Der unbekannte weibliche Häftling schrie hierauf auf, brach zusammen und wurde weggetragen. Ob das Opfer die Mißhandlung des Angeklagten überstanden hat, konnte ebenfalls nicht zuverlässig aufgeklärt werden. Die Zeugin T4 hat jene schwangere Häftlingsfrau allerdings nach dem Übergriff des Angeklagten nicht mehr im Lagerabschnitt B II. g) gesehen.</p>
<span class="absatzRechts">139</span><p class="absatzLinks">Der Angeklagte ließ auch ansonsten die gebotene Zurückhaltung gegenüber den weiblichen Häftlingen vermissen. Während der großen Ungarntransporte im Sommer 1944 reichte - wie erwähnt - die Kapazität der Krematorien nicht aus, um die für die "Sonderbehandlung" bestimmten Menschen aufzunehmen. Zu dieser Zeit wurden Männer, Frauen und Kinder - mitunter bei lebendigem Leib - in "brennenden Feuergruben", die u.a. nördlich des Lagers B II. g) ausgehoben waren und nahe den Unterkünften für die weiblichen Häftlinge (Blöcke 1 und 2) lagen, verbrannt. Die grauenvollen Schreie der sterbenden Menschen wurden bei solchen Verbrennungen bis in das Lager B II. g) getragen. In einer Nacht, in der eine derartige "Aktion" die Klagelaute der Opfer in das Lager B II. g) dringen ließ, suchte der angetrunkene Angeklagte die Baracke auf, in der u.a. die Zeugin T4 untergebracht war. Er forderte dort eine griechische Häftlingsfrau mit dem Vornamen Olga auf, nach den Klängen einer Zieharmonika zu tanzen. Ihn interessierten weder die in die Baracke dringenden Schreie der Opfer noch die für die weiblichen Häftlinge unerträgliche Situation, inmitten des grauenvollen Szenarios zu der Musik tanzen bzw. einer solchen Veranstaltung beiwohnen zu müssen. Die griechische Häftlingsfrau kam seinen von völliger Gefühlsrohheit und Gleichgültigkeit getragenen Wünschen nach.</p>
<span class="absatzRechts">140</span><p class="absatzLinks">Beachtete der Angeklagte, was die Häftlingsfrauen anbelangt, ebenfalls nicht die Richtlinien für die Behandlung der Gefangenen im Lager, so richteten sich seine willkürlichen Angriffe und Mißhandlungen doch schwerpunktmäßig gegen die männlichen Häftlinge. Mit ihnen trieb er vor allem des öfteren aus Langeweile, Verärgerung oder nichtigen Gründen "Sport", was die Zeugin I5 im Lagerabschnitt B II. g) miterlebte. Der Zeuge L3 erlebte den Angeklagten bei zwei solcher "Sportveranstaltungen" im Lagerabschnitt B II. d) im Sommer 1944. In einem Fall gehörte er selbst zu den Opfern. Während dieser "Sportübung", in die der Zeuge ohne jeden Anlaß einbezogen wurde und in deren Verlauf die Häftlinge pausenlos nach den Kommandos des Angeklagten abwechselnd "kriechen, hüpfen, spurten, robben" und ähnliche stumpfsinnige Übungen verrichten mußten, schlug und trat der Angeklagte auf die schwächeren Gefangenen ein. Als Schlagwerkzeug benutzte er einen Stock. Seine Schläge richteten sich vornehmlich gegen die Köpfe der Häftlinge. Er trug Stiefel. Seine Tritte trafen die betroffenen Häftlinge wahllos am ganzen Körper. Das "Wüten" des Angeklagten führte in dem beschriebenen Fall dazu, daß viele der Häftlinge bluteten, zwei Opfer nach der "Veranstaltung" auf dem Boden liegen blieben und weggetragen werden mußten. Das weitere Schicksal der unbekannten Opfer blieb ebenfalls ungeklärt. </p>
<span class="absatzRechts">141</span><p class="absatzLinks">Viele der vorbeschriebenen Übergriffe des Angeklagten blieben im KL Auschwitz weitgehend unbekannt, weil sie zum "gewöhnlichen" Tagesablauf im Lager gehörten und mitunter nicht einmal von den unmittelbar Betroffenen, geschweige denn von den bloßen Augenzeugen als allzu wichtig eingestuft wurden. Das Überleben war die Richtschnur der meisten Häftlinge. Vor diesem Hintergrund schenkten sie Mißhandlungen - so sie oder ihre Leidensgenossen nur überlebten - in der Regel wenig Aufmerksamkeit. Gleichwohl verbreitete sich in Form von Warnungen u.a. auf der Grundlage dieser und anderer Übergriffe der allgemeine Ruf des Angeklagten als besonders brutaler SS-Aufseher. So hörte etwa der Zeuge I4 im Lager davon, daß der Angeklagte eine Gefangene zusammengeschlagen habe, die wegen der Folgen der Schläge drei Tage nicht gehfähig gewesen sei. Den Zeugen X2 und T2 wurde im Lager zugetragen, daß der Angeklagte einen jüdischen Häftling aus Holland namens "Q2" nahezu "halbtot geschlagen" habe. Zudem erhielt der Zeuge T2 von einer Gefangenen die Nachricht, daß der Angeklagte deren Bruder "schlimm" zugerichtet habe. Neben diesen konkreten Vorfällen wurden viele Häftlinge im Lager allgemein vor der Gefährlichkeit und Unberechenbarkeit des Angeklagten gewarnt. Schon bald nach dem Eintreffen des Angeklagten im Effektenlager II sah sich der Zeuge Q, dem anhand konkreter Vorfälle davon berichtet wurde, daß der Angeklagte immer wieder Häftlinge grundlos "zusammenschlug", deshalb genötigt, in seiner Eigenschaft als Oberkapo zweimal gegenüber dem damaligen Leiter des Lagerabschnitts B II. g), dem SS-Obersturmführer T1 Beschwerde zu führen. Er wählte diesen Weg, weil nach seiner Einschätzung mit dem Angeklagten im Gegensatz zu anderen SS-Angehörigen nicht "vernünftig" zu reden war. Die Beschwerden führten indes zu keiner Änderung im Verhalten des Angeklagten. Er nahm die "Unbotmäßigkeit" vielmehr zum Anlaß, den Zeugen Q nachhaltig zu bedrohen.</p>
<span class="absatzRechts">142</span><p class="absatzLinks">Ausgangspunkt für die Drohung war die Meldung des Zeugen über einen SS-Angehörigen der Bewachungsmannschaften, der versucht hatte, Wertsachen, mit deren Transport zur HGV der Zeuge betraut war, an sich zu bringen. Im Zusammenhang mit dieser Meldung bemerkte der Angeklagte im Beisein des SS-Angehörigen C3 zu dem Zeugen: "Wenn du das mit uns gemacht hättest, wärst du jetzt tot." Dem Zeugen Q war klar, daß sein Leben auf das äußerste bedroht war, zumal es für den Angeklagten nach seinen Erfahrungen ein Leichtes war, einen getöteten Häftling in den nahegelegenen Krematorien verschwinden zu lassen. Er vermied es deshalb peinlichst, mit dem Angeklagten zusammenzutreffen. Das erhielt ihm im Gegensatz zu anderen Opfern, derentwegen der Angeklagten verurteilt worden ist und auf die ebenso wie auf weitere, erst im Verlauf der Hauptverhandlung zutage getretene Tötungsdelikte nachfolgend unter Ziffer IV. noch einzugehen sein wird, das Leben. Neben dem ständigen Verstoß gegen die Richtlinien zur Häftlingsbehandlung versuchte der Angeklagte - wie nahezu jeder SS-Angehöriger in den Effektenlagern - sich am Hab und Gut der in den Gaskammern von Birkenau getöteten Menschen persönlich zu bereichern. Abgesehen von der hiermit in Zusammenhang stehenden Warnung gegenüber dem Zeugen Q trug er der Zeugin B an, ihm gegen Gewährung von Vergünstigungen bei der Durchsuchung der Effekten aufgefundene Wertgegenstände auszuhändigen, statt diese allgemeinen Anweisungen folgend in die sogenannte Wertgegenständekiste zu werfen. Die Zeugin kam dem Ansinnen nicht nach, teils aus Angst, weil sie bei Entdeckung eine Strafe befürchtete, teils aus dem Bestreben, möglichst viele Wertgegenstände "in den Boden zu treten", um auf diese Weise, wenn auch nur in begrenztem Umfang, "Sabotage" zu treiben.</p>
<span class="absatzRechts">143</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">144</span><p class="absatzLinks">Der Angeklagte verließ das KL Auschwitz bei Evakuierung des Lagers am 22. Januar 1945. Er fuhr mit einem Lkw-Transport nach Berlin. Vom WVHA wurde er sogleich nach Fürstenberg bei Ravensburg in Marsch gesetzt. In Ravensbrück hatte er nach seiner unwiderlegten Einlassung zusammen mit den SS-Angehörigen I1 und M3 ausschließlich die Tätigkeit von Häftlingen in einer Bekleidungs-Verfügungsbaracke der Amtsgruppe D des WVHA für weibliche SS-Angehörige zu beaufsichtigen. In der Verfügungsbaracke arbeiteten ca. 25 weibliche Häftlinge, die täglich vom KL Ravensbrück zum Arbeitseinsatz geführt wurden. Diese weiblichen Häftlinge rekrutierten sich überwiegend aus solchen Gefangenen, die zuletzt im Effektenlager II des KL Auschwitz eingesetzt und bei der Evakuierung des Lagers in das KL Ravensbrück überstellt worden waren. Zu diesen Häftlingen zählten u.a. die Zeuginnen U1, T4, S1 und D. Spätestens seit der Räumung des KL Auschwitz wegen der herannahenden Ostfront war dem Angeklagten wie auch den übrigen SS-Angehörigen klar, daß das Ende des Krieges und damit der Niedergang der NS-Gewaltherrschaft bevorstand. Dies erkennend trat bei der Mehrzahl der in den KL eingesetzten SS-Kräfte ein grundlegender Wandel in der Häftlingsbehandlung ein. Die wachsende Angst, nach dem Krieg für ihre Untaten zur Rechenschaft gezogen zu werden, ließ die meisten SS-Angehörigen nicht nur von (weiteren) willkürlichen Übergriffen Abstand nehmen. Viele begannen darüber hinaus - vor allem in der Endphase des Krieges - durch ausgesprochenes Wohlverhalten gegenüber den Häftlingen eine Grundlage zu schaffen, die es ihnen nach dem Krieg ermöglichen sollte, etwaigen konkreten Vorwürfen mit dem Hinweis auf ihr angeblich "tadelloses" Allgemeinverhalten begegnen zu können. Nahezu jeder SS-Angehöriger suchte, wie es die Zeugin U1 empfand, in dieser Phase "seinen Juden", auf dessen Zeugnis er sich bei Bedarf zu seiner Entlastung berufen konnte. Die nicht selten bis zur Anbiederung reichenden Bemühungen der SS vermittelten den Gefangenen - wie der Zeugin D - bisweilen das Gefühl, daß manche der SS-Angehörigen sogar glaubten, sie könnten durch gute Behandlung der überlebenden Häftlinge diese "vergessen machen", daß sie viele ihrer Leidensgenossen mißhandelt oder gar getötet hatten. Der Angeklagte reihte sich in die Schar solcher SS-Kräfte ein. Er hielt zwar noch im KL Ravensbrück weitgehend Distanz zu den Gefangenen. Andererseits sah er hier von Mißhandlungen der ihm unterstellten weiblichen Häftlinge ab. Zudem versuchte er, teils mit Erfolg, in gelegentlichen Gesprächen mit den Häftlingsfrauen den (falschen) Eindruck zu erwecken, sein Vater sei "Bibelforscher" und er - der Angeklagte - müsse gegen seinen Willen im KL seinen Dienst verrichten.</p>
<span class="absatzRechts">145</span><p class="absatzLinks">Am 28. April 1945 verließ der Angeklagte mit der ersten Häftlings-Marschkolonne das vor der Räumung stehende KL Ravensbrück. Auf dem mehrtätigen Marsch nach Neustadt/Kleve begegnete ihnen am 3. Mai 1945 auf einer Chaussee in der Nähe von Hagenow/Mecklenburg ein Kradfahrer, der davon berichtete, daß in der Nähe Artilleriegefechte mit amerikanischen Streitkräften seien. Der Zeuge I1 ordnete hierauf an, daß die Kolonne abseits der Chaussee querfeldein weitermarschieren sollte. Die angesichts der herannahenden amerikanischen Truppen drohende Gefangenschaft vor Augen und in dem Bestreben, in dieser allerletzten Phase in Freiheit nach außen den Eindruck eines den Häftlingen hilfreichen SS-Mannes zu vermitteln, trug der Angeklagte einen weiblichen Häftling mit dem Vornamen Katja, der wegen eines gelähmten Beines gehbehindert war, eine kurze Strecke über ein Feld bis zu einen Bach. Bald darauf traf die Kolonne auf die amerikanischen Streitkräfte; der Angeklagte wurde gefangengenommen.</p>
<span class="absatzRechts">146</span><p class="absatzLinks">In der Zeit von 3. Mai 1945 bis zum 26. September 1947 befand sich der Angeklagte in Kriegsgefangenschaft in verschiedenen Lagern, zuletzt im ehemaligen KL - damaligen Internierungslager - Neuengamme. Im Verlauf der Gefangenschaft wurde am 12. April 1946 von den Besatzungsmächten seine Entlassung aus der Waffen-SS festgestellt. Mit Schreiben vom 11. März 1947 wandte sich sein Vater - X5 - an die englische Militär-Lagerkommandantur zu Neuengamme und bat um Nachsicht für den Sohn. In dem Schreiben heißt es u.a.:</p>
<span class="absatzRechts">147</span><p class="absatzLinks">".... Das unselige Naziverbrechertum verhinderte, entriß, entfremdete jedoch die Jugend den Eltern und verzog dieselben zu willensbeschränkten mithelfern ihres auf verbrecherischer Herrsch- und Gewaltsucht, Lüge und Betrug begründeten, arglistigen Täuschungssystems....</p>
<span class="absatzRechts">148</span><p class="absatzLinks">Diese Jugend hat den Nazi- und Satansgiftgeist eingehaucht bekommen, und zwar so fanatisch - intensiv, daß auch jedem sich dagegen wehrenden Elternteile der sichere Untergang gedroht hat, nebst Freiheits- und Vermögensverlusten....</p>
<span class="absatzRechts">149</span><p class="absatzLinks">War aber ohnmächtig, den eigenen Sohn, der mir entfremdet, verführt und den Nazihyänen zugeführt und gefügig gemacht wurde, mir zu erhalten! Er war zu jung und unerfahren...."</p>
<span class="absatzRechts">150</span><p class="absatzLinks">Dem Bittgesuch waren zwei Leumundszeugnisse beigefügt. In einem Schreiben vom 7. März 1947 führte eine von dem Vater des Angeklagten angesprochene Frau T7 aus, daß der Angeklagte und seine Angehörigen ihr "vor, während und nach" ihrer "KZ-Häftlingszeit" als achtbare Mitmenschen bekannt seien, sie den Angeklagten in der Zeit von "Januar bis zur Räumung 1945 des Konzentrationslagers Ravensbrück" ebenfalls als anständigen Soldaten kennengelernt, nichts Gegenteiliges, sondern nur Gutes über ihn gehört habe und er im KL Ravensbrück gegenüber weiblichen Häftlingen u.a. geäußert habe: "Mein Vater ist selber Bibelforscher und ich muß nun hier sein." Eine Frau O1 legte in einem Schreiben vom 9. März 1947 nieder, daß sie Häftling im KL Ravensbrück gewesen sei, es ihr leid tue, daß der Angeklagte wegen seiner Tätigkeit im "K.Z. Ravensbrück in Haft gehalten" werde und sie ihm - dem Angeklagten - bestätigen wolle, daß sie von den ihm dort unterstellten weiblichen Häftlingen nur Gutes über ihn gehört habe. Ein im Kern gleichlautendes Schreiben richtete Frau O1 am 12. August 1947 an die "War-Crime-Investigation Group North-West Europe Bad Oeynhausen", in dem sie hervorhob, daß sie sechseinhalb Jahre - von 1939 bis 1945 - wegen ihres religiösen Bekenntnisses (Bibelforscher) im KL Ravensbrück inhaftiert gewesen sei. In einem Schreiben vom 8. Juni 1947 teilte der Angeklagte seinen Eltern mit, daß Eingaben an die Kommandantur ebenso zwecklos seien wie (weitere) Leumundszeugnisse, die "Mädelsuchaktion" mehr persönliches Interesse habe, "als für Entlastung nötig" und im übrigen zu beklagen sei, daß man nur darauf lauere, daß jemand "denunziert" werde, er indes, da er niemanden "erschlagen oder erschossen" habe, zuversichtlich sei.</p>
<span class="absatzRechts">151</span><p class="absatzLinks">Nach seiner Entlassung aus dem Internierungslager am 26. September 1947 nahm die in Landshut ansässige Familie der jüngeren Schwester den Angeklagten auf. Er fand dort alsbald eine Arbeitsstelle bei dem Bauunternehmer P. Wegen des seit Oktober 1947 anhängigen Entnazifizierungsverfahrens bei der Spruchkammer in Landshut-Stadt hielt er es für ratsam, die Suche nach ehemaligen weiblichen Häftlingen des KL Ravensbrück, die - wie er hoffte - gegebenenfalls zu seiner Entlastung beitragen konnten, über seinen unbelasteten Vater zu betreiben. Auf diese Weise meinte er sicherstellen zu können, daß ausschließlich ihm günstige Reaktionen in das Verfahren eingeführt wurden, während er ihm nachteilig erscheinende Äußerungen der Spruchkammer vorenthalten konnte und wollte. Ein entsprechendes Antwortschreiben des Deutschen Roten Kreuzes vom 2. April 1948 wie auch ein Schreiben des World Jewish Congress vom 16. April 1948 - jeweils an den Vater des Angeklagten gerichtet - betrafen in diesem Zusammenhang die Suche nach den Geschwistern E1 und E2. Im übrigen vermied es der Angeklagte, in das Entnazifizierungsverfahren nähere Einzelheiten zu seinem Einsatz im KL Auschwitz einfließen zu lassen. Im Meldebogen vom 7. Oktober 1947 fehlten ebenso wie im Meldebogen des Einwohnermeldeamtes Landshut Nr. 34884 Angaben zu dem Einsatz im KL Auschwitz. In dem Lebenslauf vom 9. Januar 1948 führte der Angeklagte u.a. aus:</p>
<span class="absatzRechts">152</span><p class="absatzLinks">"... Kaum selbst darüber nachdenkend begann man hier nun, mir mit 12 Jahren den einseitigen Geist des Nationalsozialismus einzuhauchen. Ich glaubte einer guten Sache zu dienen und fiel auf die großmäulige Propaganda die man aufgezogen hat, natürlich genauso rein wie der größte Haufen der damals diese hochherzige Dummheit pries.</p>
<span class="absatzRechts">153</span><p class="absatzLinks">Von dem ganzen heraufbeschworenen Fiasko ahnte ich bis an das seelige Ende dieses Regimes nichts...</p>
<span class="absatzRechts">154</span><p class="absatzLinks">Ich sah alles so wie man es uns vorgegaukelt hat und hielt alles für das Richtigste unseres Volkes. Die Erkenntnis das alles anders war, kam mir erst als ich später dann 2 1/2 Jahre dafür hinter Stacheldraht festgehalten wurde und die Enttäuschung war für mich in jeder Beziehung niederschmetternd ... Ich glaubte an den aufgezwungenen Krieg und in meinen jungen Jahren hielt ich es für meine Pflicht auch dort meinen Mann zu stehen, wo ich mein Vaterland bedroht sah..."</p>
<span class="absatzRechts">155</span><p class="absatzLinks">Den Einsatz im KL Auschwitz stellte der Angeklagte in diesem Lebenslauf bewußt wahrheitswidrig dar:</p>
<span class="absatzRechts">156</span><p class="absatzLinks">"... Nur dem glücklichen Umstand das ich wachdienstunfähig war, verdanke ich es, das ich in der Standortverwaltung bleiben konnte wo ich als Kassenhilfsbuchführer außer zeitweiser Beaufsichtigung von Effeckten bis zum Januar 1945, wo Auschwitz geräumt werden mußte, tätig war."</p>
<span class="absatzRechts">157</span><p class="absatzLinks">Mit dieser seinen tatsächlichen Einsatz im KL Auschwitz überdeckenden Umschreibung gelang es dem Angeklagten, von der Spruchkammer in Landshut-Stadt in dem B 2-Verfahren, Liste-Nr. 163/6; Sü-Nr. 1265 mit seit dem 26. April 1948 bestandkräftigen Sühnebescheid vom 14. April 1948 als Mitläufer eingestuft zu werden; gegen ihn wurde eine Geldsühne von 50,-- RM festgesetzt. Als Belastungen waren in dem Bescheid lediglich aufgeführt:</p>
<span class="absatzRechts">158</span><p class="absatzLinks">"Allg. SS. v. 1939 - 1940, SS-Mann</p>
<span class="absatzRechts">159</span><p class="absatzLinks">Waffen-SS. v. 1940 - 1945, Unterscharf. v. 1940 - 1945, </p>
<span class="absatzRechts">160</span><p class="absatzLinks">HJ. v. 1933 - 1939".</p>
<span class="absatzRechts">161</span><p class="absatzLinks">Nach der für ihn relativ folgenlos verlaufenden "Entnazifizierung" setzte der Angeklagte' die Suche nach früheren weiblichen Gefangenen aus dem KL Ravensbrück fort. Über seinen Arbeitgeber versuchte er die Bezirksstelle Landshut der "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN)" in seine Bemühungen einzuspannen, um auf diese Weise gegenüber dem World Jewish Congress einen unverfänglichen Bittsteller vorweisen zu können. Mit Schreiben vom 11. Dezember 1948 reichte ein Herr X6 dem damaligen Arbeitgeber des Angeklagten - P - den von dem Angeklagten unter dem Absender der vorerwähnten Bezirksstelle vorformulierten Entwurf eines Schreibens vom 5. November 1948 an den World Jewish Congress mit dem Bemerken zurück, daß sie sich "für einen SS-Mann nicht einsetzen" könnten. Der Angeklagte vermerkte - völliges Unverständnis für die Verfolgten des Naziregimes zeigend - am 15. Januar 1949 auf diesem Schriftstück:</p>
<span class="absatzRechts">162</span><p class="absatzLinks">"Bedauerlich das der gute Herr X6 aus der letzten Zeit auch wieder nichts gelernt hat."</p>
<span class="absatzRechts">163</span><p class="absatzLinks">Nach der dem Beweisantrag zu Nr. 25, Ziffer II folgenden Wahrunterstellung der Kammer gemäß Beschluß vom 11. Januar 1988 zu Ziffer 3 war davon auszugehen, daß der Angeklagte ein inhaltlich mit dem Entwurf vom 5. November 1948 übereinstimmendes Schreiben, in dem um Anschriftenvermittlung von 14 "Mädels" aus dem ehemaligen KL Ravensbrück bzw. KL Auschwitz nachgesucht wurde, am 15. Januar 1949 erneut an den World Jewish Congress übersandt hat, und zwar unter Verwendung der damals zutreffenden Adresse des Angeklagten und mit seiner Unterschrift.</p>
<span class="absatzRechts">164</span><p class="absatzLinks">Hatte der Angeklagte schon in dem Entnazifizierungsverfahren keine zutreffenden Angaben über seinen dienstlichen Einsatz im KL Auschwitz gemacht, so verschwieg er diesen Einsatz gänzlich bei seinem "Antrag auf Gewährung einer Entschädigung nach § 3 des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes" vom 24. Oktober 1954.</p>
<span class="absatzRechts">165</span><p class="absatzLinks">Dort gab er für Zeit vom 28. Januar 1944 bis zum 24. April 1945 als letzte Einheit das WVHA Berlin und als Dienststellung "Bekl.-Kammerverw." an.</p>
<span class="absatzRechts">166</span><p class="absatzLinks">In den Jahren von 1948 bis 1950 ließ sich der Angeklagte zum Bautechniker ausbilden. Am 22. April 1950 heiratete er Frau C4. Aus der Ehe ging der am 15. Februar 1953 geborene Sohn <em>[Vorname des Sohnes]</em> als einziges Kind hervor. Der Angeklagte verlegte 1950 seinen Wohnsitz nach T8. Hier arbeitete er seitdem bis zum Eintritt in den Ruhestand im Jahre 1982 bei und zur vollsten Zufriedenheit der Bauunternehmung L5 KG. Sein Leben nach dem Krieg verlief insgesamt unauffällig; strafrechtlich ist er in dieser Zeit nicht in Erscheinung getreten.</p>
<span class="absatzRechts">167</span><p class="absatzLinks">4.</p>
<span class="absatzRechts">168</span><p class="absatzLinks">Die Feststellungen zu diesem Abschnitt hat die Kammer getroffen aufgrund der Einlassung des Angeklagten, soweit ihr zu folgen ist, in Verbindung mit insbesondere den Aussagen der Zeugen I4, S, L3, T2, Q, K, I5, K1, Q1, X2, U1, G, B, L1, H und - allerdings nur eingeschränkt - I1 sowie L, dem Inhalt der in der Hauptverhandlung verlesenen Niederschriften über die im Wege der internationalen Rechtshilfe in Anwesenheit von Mitgliedern des Gerichts in Israel und Österreich durchgeführten Vernehmungen der nicht reisebereiten bzw. nicht reisefähigen Zeugen T5, T4, G1, M2 und - allerdings ebenfalls nur mit der nachfolgenden Einschränkung – X3, dem Inhalt der in der Hauptverhandlung verlesenen Niederschriften über die früheren Vernehmungen des nicht mehr vernehmungsfähigen Zeugen I und der zwischenzeitlich verstorbenen Zeugen I2 und H1 sowie dem Inhalt der ausweislich der Sitzungsniederschrift in die Hauptverhandlung eingeführten sonstigen Urkunden, Schriftstücke und Lichtbilder, soweit sie durch Verlesung oder Augenscheinseinnahme zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden sind.</p>
<span class="absatzRechts">169</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">170</span><p class="absatzLinks">Die Feststellungen zum Lebenslauf, dienstlichen Werdegang, zur inneren Einstellung und zum - allgemeinen - Verhalten des Angeklagten im KL Auschwitz begegneten ebenso wie diejenigen zu den ihm zur Last fallenden, nachfolgend unter Ziffer IV. dargestellten Taten erheblichen Schwierigkeiten. Das beruhte vornehmlich darauf, daß der Angeklagte sich zur Person und Sache nur insoweit einließ, als er am ersten Verhandlungstag eine schriftlich vorbereitete Erklärung verlas, ansonsten - auch zur Person - jegliche weitere Stellungnahme ablehnte und sein Schweigen erst mit dem Schlußwort brach, in dem er allerdings nur nochmals allgemein auf seine "Unschuld" verwies. Das Schwurgericht war bei dieser Verfahrenslage gehalten, (auch) die teils lückenhafte Darstellung des Angeklagten zu Werdegang und Wirken im KL Auschwitz im Rahmen der Beweisaufnahme zu überprüfen und - soweit es das Beweisergebnis zuließ - im Kernbereich zu korrigieren bzw. zu ergänzen.</p>
<span class="absatzRechts">171</span><p class="absatzLinks">Dabei konnte sich die Kammer neben einigen wenigen Urkunden allein auf Zeugenaussagen stützen. Bei der Beweisaufnahme und bei der Würdigung der Zeugenaussagen ergaben sich naturgemäß erhebliche Schwierigkeiten vor allem daraus, daß die Vorgänge, die im Zusammenhang mit den dem Angeklagten zur Last gelegten Taten stehen, über 40 Jahre zurückliegen und das Erinnerungsvermögen der meisten Zeugen dadurch beeinträchtigt war. Weiter war zu beachten, daß das Erinnerungsbild mancher Zeugen sich im Laufe der Jahre getrübt oder verändert haben konnte. Zudem standen unbeteiligte Zeugen nicht zur Verfügung. Zum einen handelte es sich um frühere Häftlinge, die Opfer der schrecklichen Leiden im KL Auschwitz waren. Zum anderen stammten die Zeugen aus den Reihen der ehemaligen SS-Angehörigen, die selbst mehr oder weniger in die Tötungsmaschinerie verwickelt waren, zum Teil (I1, I3, M) wegen verbrecherischer Handlungen schon abgeurteilt waren, zum Teil in Zusammenhang mit den dem Angeklagten vorgeworfenen Taten gebracht wurden (H3). Diese Zeugen haben zwar nicht von den ihnen teilweise zustehenden Auskunftsverweigerungsrechten Gebrauch gemacht. Ihr Bestreben, nur das Notwendigste über die auch für sie belastenden Vorkommnisse zu berichten und die ihnen unbequemen Erinnerungen aus ihrem Bewußtsein zu verdrängen, trat indes deutlich zutage. Die Zurückhaltung dieser Zeugen mag, soweit es die innere Einstellung des Angeklagten und sein Verhalten gegenüber den Gefangenen im KL Auschwitz anbelangt, nicht zuletzt auch in der Befürchtung begründet gewesen sein, der Angeklagte könnte, falls man ihn über das unumgängliche Maß hinaus belaste, unter Umständen seinerseits bisher noch unbekannte, unerfreuliche und strafwürdige Geschehnisse zu dem Verhalten der jeweiligen Zeugen im KL Auschwitz aufdecken. Andererseits war bei den Zeugen aus dem Kreis der ehemaligen Gefangenen des KL Auschwitz zu bedenken, daß das unvorstellbare Leid, das ihnen im Lager zugefügt wurde, die ständige Angst und Todesfurcht wie der alles beherrschende Drang zu überleben, es ihnen in Einzelfällen erschwert haben konnte, die für die meisten Gefangenen zum alltäglichen Geschehen im Lager zählenden Mißhandlungen oder gar Tötungen von Häftlingen bewußt in sich aufzunehmen. Fast alle jüdischen Zeugen haben im KL Auschwitz Angehörige verloren und sind selbst nur zufällig dem Tode entgangen. Sie mußten, teilweise in sehr jungem Alter und über mehrere Jahre hinweg eine derartige Vielfalt furchtbarer Vorgänge erleben und erdulden, daß es mitunter über die Grenze ihres Vermögens ging, sich in die damalige Zeit zurückzuversetzen und unter der Fülle von leidvollem und schrecklichem Geschehen nach über 40 Jahren konkrete Einzelheiten zu bestimmten Vorgängen aus einer sicheren Erinnerung abzurufen. In dem Lagerdasein war ihr Sinnen und Trachten zudem vielfach weniger auf das möglichst genaue Erfassen konkreter Lagererlebnisse als auf das Überleben selbst gerichtet. Hinzu kam, daß sich einige dieser Zeugen untereinander kennen, gelegentlich treffen und Erinnerungen austauschen. Dadurch - wie auch durch die Lektüre über Vorgänge aus der damaligen Zeit - konnte es möglich sein, daß sie Selbsterlebtes mit Gehörtem oder Gelesenem vermischen. Bei den aus den Reihen der ehemaligen Häftlinge stammenden Zeugen war außerdem zu beachten, daß wegen der nahen persönlichen Beziehungen zum KL Auschwitz und Tatgeschehen die vielleicht unbewußte Versuchung nicht von der Hand zu weisen war, daß sie gefühlsmäßig alle der im Lager eingesetzten SS-Angehörigen pauschal für das ihnen und ihren Angehörigen zugefügte Leid verantwortlich machten und machen, ohne nach dem Maß individueller Beteiligung und Schuld differenzieren zu wollen oder zu können.</p>
<span class="absatzRechts">172</span><p class="absatzLinks">Das Schwurgericht ist sich all dieser Umstände, die regelmäßig als allgemeine Problematik des Zeugenbeweises in Strafverfahren wegen nationalsozialistischer Verbrechen wiederkehren, bei der Beweisaufnahme bewußt gewesen. Es hat die Zeugen deshalb vor allem auch jeweils allgemein, insbesondere aber dann, wenn Lücken und Widersprüche zu früheren Aussage erkennbar wurden, zu Erlebnisgehalt und Erlebnisweise, d. h. zu ihren eigenen inneren Erlebnissen und den Vorgängen ihres Erinnerns befragt. Bei der Beweiswürdigung hat sich die Kammer zudem wegen der aufgezeigten Bedenken zu einer besonders vorsichtigen Bewertung des Beweismaterials veranlaßt gesehen.</p>
<span class="absatzRechts">173</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">174</span><p class="absatzLinks">Unter Einbeziehung all der Momente, die generell geeignet erscheinen, das Erinnerungsvermögen der Zeugen zu beeinträchtigen, haben sich indes, was die Zeugen aus den Reihen der früheren Häftlinge des KL Auschwitz anbelangt, von einer einzigen - wenig belangreichen - Ausnahme abgesehen keine Umstände ergeben, die durchgreifende Bedenken an dem objektiven Wahrheitsgehalt der Aussagen dieser Zeugen begründet hätten. Das Gegenteil war der Fall. Allein die Zeugin C1 vermittelte der Kammer den Eindruck, daß die Leiden und Schrecken des KL Auschwitz solch tiefe Wunden hinterlassen haben, daß ihre von hoher Emotion getragenen Erinnerungen nicht als in jedem Fall mit der Realität in Einklang stehend eingestuft werden können. Die Zeugin hat bei ihrer von großer innerer Anteilnahme begleiteten, teils durch Weinkrämpfe unterbrochenen Vernehmung eine Vielzahl an grausigen Erlebnissen aus der Zeit ihrer Inhaftierung im KL Auschwitz geschildert. Dabei war nicht immer eindeutig feststellbar, ob die Geschehnisse aus auf eigenem Erleben beruhender Erinnerung abgeleitet wurden. Teils wirkte die Darstellung einzelner Szenen fremdkörperartig in einer ansonsten realistisch klingenden Schilderung. Dies mag darauf beruhen, daß die Zeugin "alles sammelt und liest, was mit Auschwitz zusammenhängt". Bestand hiernach schon die naheliegende Gefahr, daß die Erinnerungsmöglichkeit der Zeugin beeinträchtigt war, nämlich zweifellos selbst erlebte Fakten zuverlässig von solchen zu trennen, über die sie nur gelesen hatte, so kam bei dieser Zeugin als weiterer Unsicherheitsfaktor hinzu, daß für sie alle SS-Angehörigen als Symbole des Schreckens gelten und sie vor diesem Hintergrund sämtliche schrecklichen Szenen, die ihr vor Augen standen, mit dem Angeklagten in Verbindung brachte. Entgegen dem Schlußvortrag der Verteidigung ist die Kammer zwar von der Wahrheitsliebe der Zeugin C1 überzeugt. Die Zeugin hat durchaus ihre subjektive Wahrheit kundgetan. Diese stimmt auch in vielen Details mit den Angaben der übrigen Zeugen überein. Gleichwohl hat das Gericht ihre Aussage, soweit es das Verhalten des Angeklagten im KL Auschwitz anbelangt, wegen der aufgezeigten möglichen Fehlerquellen bei der Reproduktion der Erinnerung durch die Zeugin vollends außer Betracht gelassen.</p>
<span class="absatzRechts">175</span><p class="absatzLinks">Der Wahrheitsgehalt der übrigen Aussagen von ehemaligen Häftlingen steht hingegen außer Zweifel, Haß oder Rachsucht haben keine ins Gewicht fallende Rolle gespielt. Die Zeugen waren im Gegenteil oft erst nach vielen vergeblichen Versuchen zu bewegen, überhaupt vor dem Prozeßgericht auszusagen, teils, weil sie das Wiederauflebenlassen schrecklicher Erinnerungsbilder vermeiden wollten, teils aber auch, weil sie Prozesse dieser Art nach so langer Zeit als sinnlos einstuften. Deutlicher als die Zeugin K1 hat dies kein Zeuge in Worte gefaßt. Die Zeugin verwies darauf, daß sie inzwischen so viel Abstand gewonnen habe, daß der Prozeß und die im Mittelpunkt dieses Verfahrens stehende Frage nach der persönlichen Verstrickung des Angeklagten in Schuld sie kaum noch berühre, sie vielmehr vornehmlich eine Verpflichtung darin gesehen habe, allgemein Zeugnis über die Zeit der Schrecken zu legen und nachfolgende Generationen vor der Wiederholung verhängnisvoller Fehler zu bewahren. Ähnliche Beweggründe veranlaßten viele der Zeugen (I4, I5, Q1, X2, T2, U1, M1) trotz ihrer teils übergroßen Angst, im Verlauf der Vernehmung allzu starken Belastungen ausgesetzt zu sein, letztlich doch noch zu einem Erscheinen vor dem Prozeßgericht. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Zeugin M1, die eine Anreise nach anfänglicher Zusage zunächst - allerdings zugleich unter dem Eindruck des überraschenden Todes ihres Ehemannes und eines Drohanrufes aus der Bundesrepublik Deutschland - abgelehnt hatte. Auch nach der Vernehmung durch den Rechtshilferichter in Budapest im Beisein deutscher Verfahrensbeteiligter erbat sich die Zeugin, auf die Bedeutung einer Aussage vor dem Prozeßgericht angesprochen, wegen der damit für sie verbundenen Belastungen eine Bedenkzeit, in der sie sich mit ihren Angehörigen beraten wollte. Sie hatte während der Überlegungszeit schwerste innere Kämpfe auszufechten, ob sie der Situation einer erneuten gerichtlichen Vernehmung - noch dazu vor einem deutschen Gericht - gewachsen wäre und ihrer ohnehin angegriffenen Gesundheit nicht den Vorrang vor dem weit zurückliegenden Geschehen einräumen sollte. Für ihren Entschluß zur Anreise machte sie letztlich, wie andere Zeugen, das Gefühl verantwortlich, die Zeugenschaft den "Opfern von Auschwitz" schuldig zu sein.</p>
<span class="absatzRechts">176</span><p class="absatzLinks">Tendenzen für absichtlich erfundene Belastungen des Angeklagten haben sich bei keinem der Zeugen gezeigt. Auch Übertreibungstendenzen, die die ohnehin fürchterliche Situation der Häftlinge im KL Ausschwitz noch schlimmer dargestellt hätten, als sie tatsächlich war, konnten mit einer einzigen - bereits erwähnten - Ausnahme ausgeschlossen werden. So haben alle Zeugen mehr oder weniger deutlich - je nach ihrem persönlichen Erlebnisbild - die Situation der Gefangenen in den Effektenlagern - vor allem im Effektenlager II - im Vergleich zu den übrigen Lagerabschnitten als ungleich besser herausgestellt. Sie haben indes zugleich verdeutlicht, daß in diesen Lagerabschnitten ebenfalls Mißhandlungen von Häftlingen durchaus an der Tagesordnung waren und Gefangene von Fall zu Fall auch willkürlich getötet wurden. In zwei Fällen (I5, M1) ließen die Aussagen allerdings bei erster oberflächlicher Betrachtung insoweit Übertreibungstendenzen aufscheinen, als die Zeuginnen von dem tagtäglichen Tod "im Lager" - B II g) - berichteten. Daß hiermit in Wahrheit nicht die alltägliche Tötung von Häftlingen in diesem Lagerbereich gemeint war, klärte sich im Zuge der weiteren Befragungen der Zeuginnen auf. Die Zeugin M1, die Ende März 1944 in das KL Auschwitz deportiert und erst seit Ende Mai/Anfang Juni 1944 im Effektenlager II eingesetzt war, bezog das sie seinerzeit und heute noch auf das Tiefste erschütternde Massensterben in den das Lager B II g) umgebenden Krematorien in ihre Erinnerungsbilder und damit Schilderungen ein. Für sie war der Lagerabschnitt B II g) aufgrund seiner Lage gleichsam zu den Krematorien gehörig. Ähnlich verhielt es sich bei der Zeugin I5. Hier kam die "Fehlerquelle" allerdings noch deutlicher zum Ausdruck, weil die Zeugin zu Beginn ihrer Vernehmung schilderte, daß sie "in den Krematorien" tätig gewesen sei. Ließ dies anfänglich die Vermutung aufkommen, die Zeugin habe dem dort eingesetzten Sonderkommando angehört, so ergab die weitere Befragung, daß einige der im Lager B II g) untergebrachten und arbeitenden Häftlinge während der Zeit des Lageraufenthalts aufgrund der Lage zwischen den Krematorien als Umschreibung des Einsatzortes "in den Krematorien" gewählt hatten und daß die Zeugin diese undifferenzierte Formulierung bei ihrer Aussage übernommen hatte. Dieselbe Zeugin hat überdies in einer bewundernswert reifen Art und Weise Stellung zu dem allgemeinen Lagerleben und verschiedenen Greueltaten genommen und durch ihre differenzierte Abstufung zu konkreten SS-Angehörigen gezeigt, daß von der moralischen Gesinnung her bei ihr kaum Trübungen und Verzerrungen des Erinnerungsvermögens zu befürchten sind. Das gilt nahezu in gleichem Maße bei den weiteren Zeugen, wobei besonders die Zeugen L3, G, I4, T2, K und Q1 zu erwähnen sind.</p>
<span class="absatzRechts">177</span><p class="absatzLinks">Die Zeugen selbst haben überdies sehr wertvolle Angaben gemacht, nicht nur im Hinblick auf den äußeren Sachverhalt, sondern auch in bemerkenswert differenzierter Reflexion auf den eigenen Erinnerungsprozeß und dessen naturgegebene Schwächen und Unzulänglichkeiten. Wenn sich einige der Zeugen in dieser oder jener Einzelheiten gegenüber ihren eigenen früheren Aussagen - tatsächlich oder scheinbar - widersprachen, wenn Lücken und Ungenauigkeiten immer wieder zum Vorschein kamen, so spricht das im ganzen eher für denn gegen ihre Glaubwürdigkeit. Dies mag nicht zuletzt die Aussage der Zeugin U1 belegen, die auf den Vorhalt eines vermeintlichen Widerspruchs - auf den an späterer Stelle noch einzugehen sein wird - entgegnete, daß sie "tagelang über ihre Erlebnisse in Auschwitz berichten könne" und "je nachdem, wozu sie befragt "werde und worauf man ihren Blick lenke, Geschehnisse in ihre Erinnerung zurückkehrten, an die sie in anderem Zusammenhang nicht gedacht oder es nicht für erwähnenswert gehalten habe.</p>
<span class="absatzRechts">178</span><p class="absatzLinks">Schließlich haben sich keinerlei Anzeichen für Absprachen unter den Zeugen oder eine sonstige nennenswerte Beeinflussung der Zeugen durch Dritte ergeben. Die Aussagen der Zeugen entsprachen der Vielfalt ihrer persönlichen Erlebnisse. Jeder der Zeugen hatte eine eigene unverwechselbare Geschichte, die sich in den Schilderungen niederschlug. Die Geschehnisse, von denen die Zeugen berichteten, waren nicht einmal in den Kernbereichen völlig deckungsgleich. Übereinstimmungen konnten oft nur über Querverbindungen und durch Nachfragen festgestellt werden. Die Verteidigung hat in ihrem Schlußvortrag allerdings darauf abgehoben, daß viele der Zeugen untereinander Kontakt hätten und die im Ausland lebenden Zeugen während ihres Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland anläßlich der Vernehmung vor dem Prozeßgericht betreut worden seien, wobei die Verteidigung Bemerkungen einer Betreuungsperson entnommen hat, daß diese gegen den Angeklagten eingestellt gewesen sei. Selbst wenn letzteres der Fall wäre, so fehlt doch jede tragfähige Grundlage für die Annahme, daß während der Betreuung der Zeugen über den Prozeß gesprochen, geschweige denn die Zeugen beeinflußt worden wären. Die Kammer hat die in Betracht kommenden Zeugen hierzu jeweils befragt. Die Zeugen haben derartige Gespräche oder Beeinflussungsversuche glaubhaft verneint. Zudem hat das Gericht durch eingehende Befragung der Zeugen insbesondere zu ihrem Erinnerungsprozeß sichergestellt, daß Beeinflussungen irgendwelcher Art offengelegt wurden. Für einen irgendwie gearteten Einfluß der Betreuung auf die Aussagen der Zeugen haben sich nicht die geringsten Anhaltspunkte ergeben. Bei der Befragung hat der Zeuge S allerdings freimütig den Weg seiner Erinnerung beschrieben und selbst hervorgehoben, daß er nach seiner ersten polizeilichen Vernehmung vom 5. Juni 1984 - die allzu kurz anberaumt und durchgeführt worden sei und in deren Verlauf er sich zwar an die dem Angeklagten vorgeworfenen Taten erinnert, nicht aber den Bezug zu ihm habe herstellen können - in seine Erinnerung zurückgekehrt sei. Dabei seien ihm, so der Zeuge, "eine ganze Reihe von Sachen ins Gedächtnis zurückgekommen", an die er bei seiner Aussage nicht gedacht habe; im Gespräch mit Freunden, vor allem dem Zeugen T5, sei seine Erinnerung dann jedoch ganz sicher geworden, insbesondere dazu, daß "der Blinde" diese Taten begangen habe. Der Erinnerungsvorgang belegt, daß der Zeuge die Reproduktion der Erlebnisbilder zunächst gänzlich eigenständig anging, seine Erinnerung in der Folge lediglich durch Gespräche mit Freunden weiter zu beleben suchte. Eine solche Rekonstruktion der Erinnerung ist nicht ungewöhnlich und entspricht dem natürlichen Versuch, im Gedächtnis verloren gegangene Einzelheiten zu dem Kern der Erinnerung wiederaufleben zu lassen. Anhaltspunkte dafür, daß der Zeuge S in diesem Erinnerungsprozeß (fehlende) Bruchstücke der Erinnerung hinzuphantasiert hat bzw. ihm solche hinzusuggeriert wurden, fehlen. Abgesehen von dem Zeugen S waren bei keinem der Zeugen über allgemeine Kontakte und Gespräche hinausgehende Beziehungen festzustellen, die die Annahme einer Absprache von Aussagen auch nur im Ansatz hätten nahelegen können. Das gilt insbesondere für die von der Verteidigung ins Feld geführten Zeuginnen U1 und S1. Diese Zeuginnen haben zwar, die Zeugin U1 vor dem Prozeßgericht, die Zeugin S1 gemäß der Vernehmungsniederschrift vom 9. Juni 1987, von regelmäßigen Treffen ehemaliger Häftlinge des KL Auschwitz berichtet, indes zugleich glaubhaft versichert, daß über das anhängige Strafverfahren unter den in Frage kommenden Zeugen nicht gesprochen worden sei. Die Zeugin U1 hat zur Verdeutlichung angemerkt, daß sie den Termin ihrer Vernehmung vor dem Prozeßgericht wegen ihrer negativen Erfahrungen im Zusammenhang mit ihrer Aussage in dem früher, gegen die Zeugen H3 und X3 in Wien anhängig gewesenen Strafverfahren vor jedermann zurückgehalten und erst drei Tage vor ihrer Abreise einige - wenige - gute Freunde allein von der Tatsache ihrer zeitweiligen Abwesenheit in Kenntnis gesetzt habe. Zudem gilt hier gleichermaßen, daß die von der Verteidigung allgemein vermutete Absprache unter einigen Zeugen schon angesichts der Verschiedenartigkeit der Aussagen dieser Zeuginnen fehlgeht.</p>
<span class="absatzRechts">179</span><p class="absatzLinks">c)</p>
<span class="absatzRechts">180</span><p class="absatzLinks">Ganz im Gegensatz zu den Zeugen aus den Reihen der ehemaligen Häftlinge des KL Auschwitz stand das Aussageverhalten der früheren SS-Angehörigen (L4, L, I1, I3, M, H, X3 und H3). Diese Zeuge bildeten - von zwei Ausnahmen (M, H) abgesehen - bei ihrer Vernehmung immer dann, wenn das allgemeine Verhalten der SS im Lager, insbesondere das des Angeklagten zur Sprache kam, gleichsam eine schweigende Mauer. Ansonsten eher gesprächig, insbesondere dann, wenn es um unverfängliche Themen wie die äußere Beschreibung des Lagers, innere Strukturen, Befehlswege oder ihren bzw. den Einsatz des Angeklagten im KL Auschwitz ging, "versagte" bei diesen Zeugen regelmäßig das Erinnerungsvermögen, sobald Bereiche berührt wurden, in denen die Verstrickung der SS bzw. einzelner SS-Angehöriger in Übergriffe gegenüber den Gefangenen angesprochen wurde. Der bewußte oder unbewußte totale Verdrängungsprozeß jeglicher Erinnerung zu diesem Thema war bei den Zeugen nahezu abgeschlossen und evident. Sie hinterließen denn auch bisweilen einen jämmerlichen Eindruck, etwa wenn der in beiden Effektenlagern tätig gewesene Zeuge L4 den Tränen nahe und ob der ihn bedrängenden Vernehmungssituation in Selbstmitleid zerfließend schilderte, daß er im KL Auschwitz keinen "erschossenen Häftling", wohl aber mehrere "erschossene SS-Leute" gesehen habe und ihm erst über wiederholte Vorhalte wenigstens die Erinnerung abgerungen werden konnte, daß er "wie alle anderen natürlich" von den Massentötungen gewußt, aber eben keinen toten Gefangenen gesehen habe. Im Zuge der weiteren Vernehmung verwickelte der Zeuge sich in dem Bestreben, möglichst an der Oberfläche zu bleiben, immer wieder in Widersprüche. Immerhin ließ er sich nach eingehender Befragung dazu herab, zu der Behandlung der Häftlinge in den Effektenlagern allgemein dahin Stellung zu beziehen, daß die Gefangenen dort "bis zum Verrecken" arbeiten mußten, daß "Sporttreiben" an der Tagesordnung war und die Häftlinge von SS-Angehörigen mitunter geschlagen wurden, bis sie zusammenbrachen. Einschränkend hob er hierzu allerdings hervor, daß es "nur bei Verfehlungen der Häftlinge Schläge gab, um sie vor Schlimmerem" zu bewahren. Diese bei nahezu allen Zeugen - wie auch in der Einlassung des Angeklagten - wiederkehrende stereotype Erklärung für die zumeist willkürliche Mißhandlung von Gefangenen warf die naheliegende Frage auf, ob und weshalb schlimmere Maßnahmen erforderlich oder unausweislich waren. Weder der Zeuge L4 noch die weiteren Zeugen, noch der schweigende Angeklagte - naturgemäß - hatten hierauf eine plausible Antwort, konnten sie auch nicht geben, weil die Umschreibung zur Überzeugung der Kammer nichts anderes war, als der vergebliche Versuch, eigene - eingestandene oder greifbare - Verfehlungen zu kaschieren. Das kam besonders deutlich bei dem Zeugen H3 zum Ausdruck, der nach der Vernehmungsniederschrift vom 7. September 1987 das "offizielle Verbot", Häftlinge zu schlagen, ebenso hervorhob wie die dennoch immer wieder vorkommende Mißhandlung von Gefangenen durch SS-Angehörige. Zur Erklärung für derartige Übergriffe dienten diesem Zeugen "Provokationen" der Gefangenen, denen man mit Schlägen habe begegnen müssen, um sie vor den bei einer Meldung zu erwartenden offiziellen - drastischen - Lagerstrafen zu bewahren. Als "Provokation" empfand es der Zeuge nach seinen Bekundungen seinerzeit bereits, wenn Häftlinge sich wiederholt ihnen nicht zustehende Lebensmittel aneigneten.</p>
<span class="absatzRechts">181</span><p class="absatzLinks">Zu konkreten Vorfällen und zum Verhalten des Angeklagten im KL Auschwitz befragt, zogen sich die Zeugen nach besten Kräften auf ihre (angeblich) fehlende Erinnerung zurück. Teils versuchten sie - wie der Zeuge H3 - bereits im Vorfeld einer Vernehmung auszuweichen. Waren sie schließlich doch gezwungen, Zeugnis zu legen, so gaben sie über das Verhalten einzelner SS-Angehöriger - nicht nur dasjenige des Angeklagten - allein unumgängliche, vielfach bereits durch Vorvernehmungen bekannte Einzelheiten preis. Beispielhaft soll in diesem Zusammenhang der Zeuge H3 genannt werden, der - zu dem Versuch eines Häftlings befragt, der im Jahre 1943 in einem Güterwaggon versteckt aus dem Lager fliehen wollte und nach seiner Entdeckung erschossen wurde - sich dieses Vorfalls erst auf Vorhalt erinnerte, allerdings dann sogleich - seine eigene Tatbeteiligung ausschließend - anmerkte, daß der SS-Angehörige X7 den unbekannten Gefangenen erschossen habe. Das Bestreben einiger der SS-Angehörigen, keinesfalls einen (früheren) "Kameraden" belasten zu wollen, schien nicht selten überaus deutlich auf. Der Zeuge X3 war, wie die Vernehmungsniederschrift vom 3. September 1987 ausweist, nicht einmal auf Androhung von Beugestrafen durch den österreichischen Rechtshilferichter zu bewegen, den Namen desjenigen SS-Angehörigen preiszugeben, den er zuvor allgemein mit der Mißhandlung eines Gefangenen in Verbindung gebracht hatte. Er wollte den Namen erst nennen, wenn "dem Mann keine Nachteile erwachsen". Erst nach der Erklärung des Rechtshilferichters, daß der von ihm geschilderte Übergriff nach österreichischem wie deutschem Recht bereits längst verjährt sein dürfte, er also keine Gefahr für seinen ehemaligen Kameraden mehr sah, nannte der Zeuge X3 den Namen C3. Ein ähnliches mehr oder weniger deutliches Aussageverhalten charakterisierte die Vernehmung der übrigen SS-Angehörigen. Insgesamt vermittelten die Zeugen der Kammer den Eindruck, als ob sie sich - trotz teils entgegenstehender verbaler Bekenntnisse (L) - nach wie vor dem vermeintlich elitären "Orden" der Vergangenheit verbunden fühlten und peinlichst den obersten Grundsatz beachteten, niemals etwas Nachteiliges über "SS-Kameraden" auszusagen, es sei denn, es blieb ihnen keine andere Wahl. Vor diesem Hintergrund mißt die Kammer ihren ohnehin vagen Bekundungen zu dem Verhalten des Angeklagten im KL Auschwitz keine nennenswerte Bedeutung zu. Ihre Aussagen hat das Schwurgericht allein zu unverfänglichen Themen, zu denen die Zeugen bereitwillig und ersichtlich frei von Entlastungsbestrebungen Angaben machten, berücksichtigt.</p>
<span class="absatzRechts">182</span><p class="absatzLinks">Hiervon ausgenommen sind die Aussagen der bereits erwähnten Zeugen M und H. Beide Zeugen haben, wenngleich teils erst nach Vorhalten (M) und spürbaren inneren Kämpfen wenigstens allgemein aufrichtig vom Leben und Sterben der Gefangenen im KL Auschwitz berichtet. Der Zeuge M, während des Einsatzes im KL Auschwitz der Fahrbereitschaft zugehörig, hob hervor, daß jedermann im Lager bekannt gewesen sei, daß Menschen nicht nur in den Krematorien, sondern auch in den nördlich vom Lagerabschnit B II. g) gelegenen "Bunkern" vergast und anschließend in offenen Gruben verbrannt worden seien. In seiner letztlich von rückhaltloser Offenheit getragenen Aussage räumte er ein, daß er selbst mit Menschen beladene Lkw zu den Bunkern gefahren habe und die Tatsache der Verbrennung in offenen Gruben schon deshalb allgemein bekannt gewesen sei, weil es im Verlauf solcher Aktionen "kilometerweit nach verbranntem Menschenfleisch" gerochen habe. Dies bestätigend und auch im übrigen gleichermaßen offen, wenngleich - was die konkret handelnden SS-Angehörigen anbelangt - zurückhaltend, umschrieb der von September 1942 bis September/Oktober 1944 ständig in der HGV des KL Auschwitz eingesetzte Zeuge H, daß er selbst Selektionen auf der Rampe miterlebt habe, allerdings nur anläßlich der Beaufsichtigung der sogenannten Rampenkommandos, zu deren Bewachung auf der Rampe jeder SS-Angehörige der Gefangeneneigentumsverwaltung herangezogen worden sei. Auch zu den Zuständen in den Effektenlagern gab der Zeuge eine anschauliche Schilderung, in der "die weit verbreitete Korruption" - "es war niemand dort, der sich nicht persönlich bereichert hätte" - ebenso zur Sprache kam wie die ständige, beinahe als selbstverständlich empfundene Mißhandlung von Häftlingen und die hierauf zurückzuführenden oftmaligen Fluchtversuche von Gefangenen in Güterwaggons, die - wie der Zeuge im Lager gehört hatte - oft fehlschlugen und mit dem sofortigen Tod des bzw. der Häftlinge durch "Genickschuß" geahndet wurden. Beide Zeugen hatten zwar keine Erinnerung an den Angeklagten, so daß ihre Aussagen, was dessen Verhalten und die Tatvorwürfe anbelangt, unmittelbar ebenso unergiebig waren wie die der übrigen früheren SS-Angehörigen. Diese Zeugen hinterließen indes den Eindruck, daß sie wenigstens ernsthaft gewillt waren, ihre Erinnerung zu bemühen und wahrheitsgemäß - vor allem vollständig - Zeugnis zu legen. Die Kammer steht daher nicht an, ihre Aussagen in Zweifel zu ziehen.</p>
<span class="absatzRechts">183</span><p class="absatzLinks">d)</p>
<span class="absatzRechts">184</span><p class="absatzLinks">Unbeschadet der teils erheblichen Schwierigkeiten, die die Beweisaufnahme und Beweiswürdigung zum Werdegang und Wirken des Angeklagten im KL Auschwitz nach so langem Zeitlauf erschwerten, eröffnete die Hauptverhandlung trotz der gebotenen vorsichtigen Wertung des Beweismaterials doch so weitreichende Feststellungen, daß sich die Einlassung des Angeklagten in allen entscheidenden Punkten als unwahr herausgestellt hat. Der Angeklagte hat von seinem Lebenslauf, dienstlichen Werdegang, seiner inneren Einstellung und allgemeinen Verhalten im KL Auschwitz ein durch und durch geschöntes Bild gezeichnet, das mit der Wirklichkeit allein in den äußeren Rahmenbedingungen übereinstimmt. Hierzu gilt im einzelnen folgendes:</p>
<span class="absatzRechts">185</span><p class="absatzLinks">aa)</p>
<span class="absatzRechts">186</span><p class="absatzLinks">Bei den Feststellungen zum Lebenslauf und zum dienstlichen Werdegang ist das Gericht allerdings weitgehend von der insoweit glaubhaften, teils unwiderlegten Einlassung des Angeklagten ausgegangen. Der Angeklagte hat sich jedoch nicht, wie es seine Schilderung vom dienstlichen Werdegang vermuten lassen kann, ohne innere Überzeugung zunächst der Allgemeinen, in der Folge der Waffen-SS angeschlossen. Der Kammer ist bewußt, daß die tiefgreifende Änderung der Zeitverhältnisse in den vergangenen 40 Jahren erhebliche Anforderungen an die Wertung der Verhaltensweise des Angeklagten stellt. Nur schwerlich ist heute noch der damalige Zeitgeist zu erfassen, dem der Angeklagte ausgesetzt war. Kaum noch vorstellbar sind der bis zum Terror gesteigerte Druck der unaufhörlichen Propaganda und das Ausmaß ihrer Einwirkung auf jeden einzelnen, vor allem aber der jugendlichen Menschen. Schließlich läßt sich auch die Persönlichkeit des Angeklagten nur unter großen Schwierigkeiten beurteilen. Seine damalige Verhaltensweise bietet hierzu nur in beschränktem Umfang Anhaltspunkte. Sein heute erkennbarer Charakter dürfte sich im Laufe der Zeit nicht unbedeutend gewandelt haben. Die Beweisschwierigkeiten zu diesem Punkt wurden indes dadurch weitgehend gemildert, daß bereits nach den Angaben des Angeklagten in Verbindung mit den in die Hauptverhandlung eingeführten Urkunden (Lebensläufe des Angeklagten vom 15. August 1938, 9. Januar 1948; Brief seines Vaters vom 11. März 1947) für die Kammer kein Zweifel besteht, daß der Angeklagte nicht nur ein "stolzer Deutscher", wie es die Zeugin S1 gemäß der Vernehmungsniederschrift vom 9. Juni 1987 formulierte, sondern ein im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie "150 %iger" (U1) Anhänger der "Bewegung" war.</p>
<span class="absatzRechts">187</span><p class="absatzLinks">Das belegt zunächst sein Werdegang in der Hitler-Jugend, aus der er schon mit 16 Jahren als Staffelbewerber für die SS ausgewählt wurde. Wie sehr der Angeklagte seinerzeit mit den Zielen der NS-Machthabern einherging, belegt sein Beitritt zum "Bund Deutscher Osten" im Jahre 1937 ebenso wie der diesen Umstand erwähnende Lebenslauf vom 15. August 1938. Ihm erschien ausweislich dieses Dokumentes die SS getreu der Vorstellungen Himmlers als "höchste Garde des Führers"; seine vornehmste Pflicht sah er darin, den von der Organisation an ihn herangetragenen Aufgaben gerecht zu werden. Zweifel an den (verbrecherischen) Zielen dieser vermeintlichen Elite ließ er weder hier erkennen, noch war der weitere dienstliche Werdegang von solchen Irritationen geprägt. Das Gegenteil war der Fall. Der Angeklagte trat freiwillig im Jahre 1938 der Allgemeinen SS und ebenso freiwillig 1940 der Waffen-SS bei. Seine Beförderungen zum SS-Sturmmann (Januar/Februar 1942) und SS-Unterscharführer (1942/1943) belohnten seine "Linientreue", die er dadurch unterstrich, daß er während des Ausbildungslehrganges auf der Unteroffiziersschule in Radolfzell (Februar/März 1942) aus der Kirche austrat. Die völlige Entfremdung vom Elternhaus und Auswechslung der ihm dort vermittelten Werte gegen die der NS-Ideologie belegt in aller Deutlichkeit der Brief seines Vaters vom 11. März 1947, soweit dort niedergelegt ist, die "Nazi-Hyänen" hätten den Jugendlichen den "Nazi- und Satansgiftgeist" so "fanatisch-intensiv" eingehaucht, daß "jedem sich wehrenden Elternteile der sichere Untergang gedroht" hätte und er - der Vater - vor diesem Hintergrund "ohnmächtig" gewesen sei, den eigenen Sohn vor der Verblendung und Mitwirkung an dem verbrecherischen System zu bewahren. Daß diese Einschätzung des Vaters der damaligen inneren Einstellung entsprach, bestätigt des weiteren der Lebenslauf des Angeklagten vom 9. Januar 1948, wenn er dort beklagt, daß ihm bereits mit 12 Jahren der "einseitige Geist des Nationalsozialismus eingehaucht" worden sei, er "alles" so gesehen habe, wie die NS-Machthaber es ihm vorgegaukelt hätten und er deshalb geglaubt habe, auch dort seinen Mann stehen zu müssen, wo er sein "Vaterland" bedroht sah. Der Angeklagte suchte in diesem Lebenslauf sein spätestens während des Einsatzes im KL Auschwitz erlangtes Wissen um die menschenverachtenden Ziele und Handlungen der SS mit der Formulierung, er habe bis "an das selige Ende dieses Regimes" nichts von dem "ganzen heraufbeschworenen Fiasko" geahnt, zu überdecken. Er trachtete weiterhin jedwede persönliche Verstrickung in Schuld durch den verfälschenden Hinweis, er habe glücklicherweise im KL Auschwitz in der Standortverwaltung bleiben können - gemeint war die ständige Verwendung in der Standortverwaltung, wie die versteckte Anmerkung zu der "zeitweisen Beaufsichtigung von Effekten" erkennen läßt -, auszuschließen. Der Lebenslauf vom 9. Januar 1948 läßt mithin bereits klare Entlastungstendenzen erkennen. Gerade dieser Umstand erweist, daß der Angeklagte dort jedenfalls keine ihm nachteiligen - unwahren - Einzelheiten etwa zu seiner inneren Einstellung während der Zeit der NS-Diktatur eingestellt hat.</p>
<span class="absatzRechts">188</span><p class="absatzLinks">Zusammenfassend ist daher festzuhalten, daß der Angeklagte während seiner Zugehörigkeit zur SS durchaus mit den Zielen dieser Organisation im Einklang stand, sie innerlich bejahte und zu seiner eigenen Sache machte, indem er sein Denken und Handeln auf die bestmögliche Verwirklichung dieser Ziele im Rahmen der ihm übertragenen Aufgaben richtete. Bei dieser Beweislage bedarf es nicht einmal mehr des Hinweises auf die - nachfolgend zu erörternde - Behandlung der Gefangenen durch den Angeklagten, die allerdings ebenfalls keinen Zweifel daran läßt, daß er zu den fanatischen Anhängern der nationalsozialistischen Machthaber und deren Gedankengutes zählte.</p>
<span class="absatzRechts">189</span><p class="absatzLinks">bb)</p>
<span class="absatzRechts">190</span><p class="absatzLinks">Bei den Feststellungen zum Einsatz des Angeklagten im KL Auschwitz und zu seinem allgemeinen Verhalten ist das Schwurgericht den Angaben des Angeklagten nur in denkbar eingeschränktem Umfang gefolgt. Der Angeklagte hat sich hierzu im Kern folgendermaßen eingelassen: Er sei nach seinem Eintreffen im KL Auschwitz am 22./23. Mai 1944 bis etwa Mitte September 1944 ausschließlich in der im Gebäude der Standortverwaltung untergebrachten Häftlingsgeldverwaltung (HGV) eingesetzt worden. Erst gegen Mitte September 1944 sei er zum "Effektenlager Birkenaus (B II. g)" versetzt worden. Dort habe er Aufsicht darüber führen müssen, daß die in das "sogenannte Lager Kanada" mit Lkw angelieferten Sachen sortiert und gelagert wurden. Mit dem südlichen Bereich des Lagerabschnitts B II g), d. h. den Baracken der sogenannten Effektenkammer und den Unterkünften für männliche Häftlinge, habe er zu keiner Zeit etwas zu tun gehabt. Gegenüber Häftlingen habe er keine Abneigung verspürt. Allerdings habe er in Einzelfällen Gefangene geschlagen, die etwas Verbotenes getan hätten. Dies sei jedoch stets nur erfolgt, "um ihnen härtere Strafen zu ersparen". überdies habe er mit dem Zeugen I1 versucht, manches Übel abzuschaffen. So habe er "mit Männerhäftlingen halbwegs menschenwürdige Abortanlagen für B II g)" und Feuerstellen erstellt, wobei er mehrere solcher Anlagen eigenhändig aufgemauert habe. Diese Einlassung ist in den wesentlichen Punkten widerlegt.</p>
<span class="absatzRechts">191</span><p class="absatzLinks">Was den Einsatz des Angeklagten in der HGV anbelangt, spricht zwar vieles dafür, daß der Angeklagte dort nach dem 22./23. Mai 1944 nicht einmal einen einzigen Tag eingesetzt war. Gänzlich auszuschließen ist jedoch nicht, daß er hier wenigstens für einige Tage Verwendung fand. Fest steht hingegen, daß er keinesfalls länger als einige - wenige - Tage in der HGV seinen Dienst verrichtete. Keiner der dort eingesetzten ehemaligen SS-Angehörigen (L, H, I2, I, H1) erinnerte sich daran, daß der Angeklagte jemals in der HGV eingesetzt war. Angesichts des Umstandes, daß es sich hierbei um einen ausgesprochen begrenzten, überschaubaren Arbeitsbereich handelte, bei dem man die Mitarbeiter schon nach kurzer Zeit kannte (L, H) ist zuverlässig auszuschließen, daß der Angeklagte dort einige Wochen oder gar Monate tätig war. Das gilt um so mehr, als der Angeklagte wegen seiner Kriegsverletzung eine auffällige Erscheinung war, die das Erinnerungsvermögen der Zeugen hätte begünstigen müssen. Der Zeuge H war sich zwar nicht absolut sicher, ob er sich dann an den Angkelagten erinnern "müßte", wenn dieser über mehrere Wochen in der HGV eingesetzt gewesen wäre. Er hat hingegen an eine Vielzahl der dort - auch nur zeitweilig - tätigen SS-Angehörigen noch eine genaue Erinnerung. Darüber hinaus kannte er namentlich selbst solche SS-Angehörige der Gefangeneneigentumsverwaltung, die er nur über den gelegentlichen Einsatz auf der Rampe oder Besuche in den Effektenlagern kennengelernt hatte. Mit Blick auf die ansonsten sichere Erinnerung des Zeugen wäre nur schwerlich nachvollziehbar, wenn der Angeklagte, wäre er für längere Zeit in der HGV tätig gewesen, seinem Gedächtnis gänzlich entfallen wäre. Das gilt gleichermaßen für den Zeugen L, der es - wenn auch erst nach eingehender Befragung - für ausgeschlossen hielt, daß der Angeklagte einige Wochen oder gar Monate in der HGV eingesetzt war, weil er sich sonst an ihn wie an andere SS-Angehörige, zu denen er eine zuverlässige Erinnerung erkennen ließ, erinnern müßte.</p>
<span class="absatzRechts">192</span><p class="absatzLinks">Mit dem vorstehenden Beweisergebnis, nach dem die Einlassung des Angeklagten, er sei bis Mitte September 1944 in der HGV eingesetzt gewesen, schon für sich genommen widerlegt ist, stimmt überein, daß der Angeklagte zur Überzeugung des Schwurgerichts bereits ab Anfang Juni 1944 in den Effektenlagern tätig wurde. Der genaue (datenmäßige) Zeitpunkt seines Einsatzes in den jeweiligen Lagern blieb nahezu zwangsläufig ungeklärt, weil schriftliche Unterlagen hierzu nicht vorliegen und die Zeugen sich naturgemäß nicht an einen bestimmten Tag erinnern konnten. In diesem Zusammenhang trat als weitere Unsicherheit hinzu, daß der Angeklagte möglicherweise nach Eintreffen im KL Auschwitz nicht nur - seiner insoweit unwiderlegten Einlassung folgend - einige Tage in der HGV eingesetzt war, sondern darüber hinaus im Anschluß noch einige - wenige - Tage in der sogenannten Lederfabrik als Aufsichtskraft Verwendung fand. Dies deuteten die Zeugen Q und M2, letzterer gemäß der Vernehmungsniederschrift vom 4. September 1987, an, indem sie darauf verwiesen, daß dem Angeklagten nachgesagt worden sei, dort Häftlinge getötet zu haben. Waren diese Angaben auch zu vage, um darauf gegen den Angeklagten verwertbare Vorwürfe stützen zu können, so verblieben doch letzte Zweifel, ob der Angeklagte nicht für einige Tage gegen Ende Mai / Anfang Juni 1944 in der Lederfabrik eingesetzt war. Diesen Umstand hat die Kammer zugunsten des Angeklagten in die Erwägungen zu seinem Einsatz im KL Auschwitz einbezogen. Diese - mögliche - Verwendung des Angeklagten in der Lederfabrik, auf die er sich möglicherweise aus verständlichen Gründen nicht selbst berufen hat, war indes keinesfalls von langer Dauer. Denn nach dem Beweisergebnis besteht kein Zweifel, daß der Angeklagte bereits in den Sommermonaten Juni/Juli 1944 seiner Beaufsichtigungstätigkeit in den Effektenlagern nachging. Sicher ist hierzu nach den Aussagen der Zeugen Q, G und U1 sowie der Vernehmungsniederschrift bezüglich des Zeugen T5 vom 8. Juni 1987, daß der Angeklagte jedenfalls im Juni und Juli 1944 zur Beaufsichtigung von Häftlingen im Effektenlager I herangezogen wurde.</p>
<span class="absatzRechts">193</span><p class="absatzLinks">Ebenso sicher ist nach den Angaben der Zeugen K, B, M1, T2, Q, L1 und X3, daß der Angeklagte spätestens seit Juli 1944 im Effektenlager II untergebracht und dort fortan tätig war. Ungeklärt ist dagegen, ob der Angeklagte von Anbeginn an, d. h. ab Anfang Juni 1944 im Effektenlager II untergebracht war, dort regelmäßig seinen Dienst verrichtete und nur aushilfsweise von Fall zu Fall zur Aufsichtstätigkeit im Effektenlager I herangezogen wurde. Eine solche Verwendung wäre durchaus möglich gewesen, wie die Aussage des Zeugen I1 belegt, der davon berichtete, daß er selbst "einige Male" im Effektenlager I gewesen und der Dienst von Tag zu Tag neu eingeteilt worden sei. Andererseits kann auch nicht vollends ausgeschlossen werden, daß der Angeklagte zunächst einige Wochen im Effektenlager I tätig war und erst im Juli 1944 in das Effektenlager II verlegt wurde. Insbesondere der Zeuge X3 war sich zwar sicher, daß der Angeklagte bereits seit Juni 1944 im Lagerabschnitt B II g) untergebracht war. Ebenso deuteten die Zeugen B, T2 und L1 an, daß der Angeklagte bereits in den Anfängen der großen Ungarntransporte ab Mai/Juni 1944 im Lager B II. g) eingesetzt gewesen sei, während die Zeugen K und Q eine zeitliche Spanne von etwa einem Monat zu dem Zeugen I1, der seit Ende Mai 1944 im Lagerabschnitt B II. g) untergebracht war, sahen und vor diesem Hintergrund das Eintreffen des Angeklagten im Lagerbereich B II. g) mit Juli 1944 angaben. Angesichts des mit den Ungarntransporten verbundenen bemerkenswerten Einschnitts im Lagerleben waren sich - mit einer Ausnahme - alle genannten Zeugen indes sicher, daß der Angeklagte seit Juni oder Juli 1944 im Lagerabschnitt B II. g) untergebracht und dort fortan tätig war.</p>
<span class="absatzRechts">194</span><p class="absatzLinks">Allein der Zeuge I1 meinte, daß dieser Zeitpunkt im August 1944 anzusiedeln sei. Er war sich in seiner Erinnerung indes nicht allzu sicher, vermochte insbesondere keinen Bezug zu seinem Eintreffen in diesem Lagerabschnitt herzustellen und wollte deshalb nicht ausschließen, daß der Angeklagte "möglicherweise auch früher im Lager B II. g) eingetroffen" sei. Zu der konkreten Angabe des Zeugen X3 (Juni 1944) ist anzumerken, daß der Zeuge nach eigenen Angaben im Mai 1944 wegen Erschöpfung zusammengebrochen war, in der Folge Urlaub hatte und alsdann einen sechswöchigen Arrest verbüßte, so daß seine Angaben - auch zu einem etwaigen Einsatz des Angeklagten im Effektenlager I - gerade für den hier fraglichen Zeitraum Juni/ Juli 1944 eine sichere Erinnerungsgrundlage für die Angabe Juni 1944 nicht erkennen lassen. Das gilt gleichermaßen für den Zeugen H3, der gemäß der Vernehmungsniederschrift vom 7. September 1987 nicht einmal eine zeitliche Einordnung zu der eigenen Verlegung vom "alten" in das "neue Kanadalager" vornehmen konnte. Seine Aussage, daß er den Angeklagten allein im "neuen Kanadalager" gesehen habe, kommt sonach kein allzu hohes Gewicht zu. Das gilt um so mehr, als der Zeuge H3 - worauf an späterer Stelle noch einzugehen sein wird - neben dem Angeklagten für die Tötung eines Häftlings im Effektenlager I verantwortlich ist und der Zeuge demnach ein gesteigertes Interesse daran hat, eine Zusammenarbeit mit dem Angeklagten im Effektenlager I von vornherein in Abrede zu stellen. Festzuhalten ist danach, daß der Angeklagte im Juni/Juli 1944 im Effektenlager I - zumindest von Fall zu Fall - und spätestens seit Juli 1944 im Effektenlager II untergebracht und dort fortan ebenfalls tätig war.</p>
<span class="absatzRechts">195</span><p class="absatzLinks">Daneben besteht für das Schwurgericht nicht der geringste Zweifel, daß der Angeklagte entgegen bzw. in Ergänzung seiner dies verschweigenden bzw. überdeckenden Einlassung von Zeit zu Zeit männliche Arbeitskommandos in den Effektenlagern, vor allem aber die sogenannten Rampenkommandos beaufsichtigte und im Zuge dieser Verrichtung zeitweilig auf der neuen Rampe in Birkenau wie an der kleinen Verladerampe nahe dem Effektenlager I tätig war. Daß alle SS-Angehörigen der Gefangeneneigentumsverwaltung, vor allem aber die in den Effektenlagern eingesetzten Kräfte und damit auch der Angeklagte gleichermaßen zur Beaufsichtigung der Rampenkommandos und damit dem Dienst auf bzw. an der Rampe herangezogen wurden, hat neben dem Zeugen H selbst der einer Aussage zum Nachteil des Angeklagten gänzlich unverdächtige Zeuge I1 angegeben. Diese allgemeinen Bekundungen werden nachhaltig unterstützt von denjenigen Zeugen, die den Angeklagten auf bzw. an der Rampe selbst erlebt haben (T3, G, U1) oder von seiner Tätigkeit im Zusammenhang mit den Rampenkommandos berichten konnten (L3). Der letztgenannte Zeuge hat sehr anschaulich geschildert, auf welche Weise der Angeklagte in zwei Fällen mit einigen, dem Aufräumungskommando zugehörigen Häftlingen im Lagerabschnitt B II. d) - wo diese Häftlinge untergebracht waren - "Sport" getrieben hat. Auf Vorhalt, daß er bei seiner Vernehmung im Vorverfahren vom 21. Dezember 1984 derartige Vorfälle nicht geschildert habe, hat der Zeuge den Prozeß seiner Erinnerung nachvollziehbar dargelegt. Hierzu hat er hervorgehoben, daß er nach der Vernehmung anhand der "dunklen Erinnerung" an den Angeklagten "in die Vergangenheit zurückgegangen sei", nach und nach seien die den "<em>[1. Vorname des Angeklagten]</em>" (Angeklagten) betreffenden Vorgänge in ihm "hochgekommen", das sei keine "Sache von Minuten oder Stunden", weil er allzu viel "grausame Szenen" im Gedächtnis habe. In Gesprächen mit anderen ehemaligen Häftlingen habe er sich deutlich an die Vorfälle aus dem Lagerabschnitt B II. d) erinnert; dann seien - so der Gedankengang des Zeugen - ihm weitere Einzelheiten zu dem Angeklagten eingefallen. Die Aussage des Zeugen klang im Ton nicht phrasenhaft, die Darstellung von der Reproduktion des Gedächtnisinhaltes plausibel. Die subjektive Glaubwürdigkeit und der Wille zur Objektivität waren insbesondere bei diesem Zeugen nicht zu bezweifeln. Teils war bei ihm - wie bei anderen Zeugen aus den Reihen der früheren Häftlinge - geradezu ein Widerwille zu verspüren, die grauenhaften Erlebnisse zu schildern. Sichtlich wohler fühlte sich der Zeuge, wenn er zu objektiven Gegebenenheiten befragt wurde. Dagegen war die Aussage von Zurückhaltung und Scheu geprägt, wenn die Vernehmung auf Einzelheiten des tagtäglichen Terrors gelenkt wurde, weil, wie der Zeuge glaubhaft versicherte, jeder Gang in die Vergangenheit mit Schmerzen verbunden sei. Die Kammer ist daher davon überzeugt, daß in die Aussage des Zeugen keinerlei absichtliche oder auch nur unbewußte verfälschende Tendenzen eingeflossen sind. Das gilt um so mehr, als die wiederkehrende Erinnerung mit dem selbst erlebten Schrecken bei dem "Sporttreiben" des Angeklagten, das ihm als "alterfahrenen" Häftling neben der Pein noch nachträglich den Spott seiner damaligen Mithäftlinge eintrug, einen prägnanten Anknüpfungspunkt bot.</p>
<span class="absatzRechts">196</span><p class="absatzLinks">Schließlich und vor allem kann keine Rede davon sein, daß der Angeklagte gegenüber den Häftlingen im KL Auschwitz "keine Abneigung" verspürt und diese nur "in Einzelfällen" und nur dann, wenn sie etwas "Verbotenes" getan hatten, geschlagen hätte. Seine innere Einstellung und die Behandlung der Häftlinge entsprachen vielmehr den mit den Feststellungen korrespondierenden Angaben nahezu sämtlicher Zeugen aus den Reihen der früheren Häftlinge, soweit sie eine konkrete Erinnerung an den Angeklagten hatten. Mit einer - nicht ins Gewicht fallenden - Ausnahme (L1) beschrieben diese Zeugen den Angeklagten als einen gewöhnlich distanzierten, jedoch durchweg zu Mißhandlungen der Häftlinge neigenden SS-Aufseher. Das von dem Zeugen gezeichnete Bild von dem Angeklagten steht in diametralem Gegensatz zu seiner eigenen Beschreibung. Die ohnehin nichtssagende Erklärung, er habe Häftlinge nur in Einzelfällen geschlagen, wenn sie etwas Verbotenes getan hätten, erwies sich allein im Kerngehalt als zutreffend, daß er nämlich Gefangene geschlagen hat. Der Angeklagte schlug dagegen - wie die auf eigene Erlebnisse gestützten Angaben der Zeugen I4, L3, T2, K, I5, K1, Q1 sowie die Aussagen der Zeugen T5 und T4 gemäß den Vernehmungsniederschriften vom 8. und 9. Juni 1987 belegen - nicht nur in Einzelfällen und nicht allein dann, wenn ein konkreter Anlaß vorlag. Er mißhandelte die Häftlinge vielmehr des öfteren - zumeist willkürlich je nach Lust und Laune - auf das äußerste. Insbesondere verprügelte er sie mit einem Stock, trat auf sie ein, und zwar nicht selten, bis sie verletzt oder geschwächt von den Mißhandlungen zu Boden fielen. Selbst dann schlug und trat er vielfach, wie etwa bei seinen "Sportspielen", noch auf die am Boden liegenden Häftlinge ein. Im Verlauf solcher Übergriffe beschimpfte er die Häftlinge zumeist in übelster Weise, wobei im Mittelpunkt solcher Ausfälle das "nichtswürdige" Leben - vor allem - der jüdischen Gefangenen stand. "Wie selbstverständlich" (K) gebrauchte er Worte wie: "Mistjude, dich hat man vergessen zu vergasen". Die gegenüber dem Zeugen Q ausgesprochene Drohung bestätigt zudem, daß selbst die Tötung eines ihm unbequemen Häftlings als selbstverständliche Reaktion in seiner Gedankenwelt verfestigt war.</p>
<span class="absatzRechts">197</span><p class="absatzLinks">Insgesamt besteht für das Schwurgericht nach den im Kern nahezu einhelligen Schilderungen vom Verhalten des Angeklagten im KL Auschwitz durch die früheren Häftlinge keinerlei Zweifel, daß der Angeklagte die Gefangenen verachtete, ihnen - vor allem den jüdischen Häftlingen - getreu der nationalsozialistischen Ideologie kein Lebensrecht zugestand und er vor dem Hintergrund des ihn ohnehin umgebenden Massensterbens jegliche Zurückhaltung oder gar Schonung der Häftlinge vermissen ließ. Wie ein roter Faden zog sich durch die Aussgen der Häftlinge die Beschreibung eines SS-Angehörigen, der die Häftlinge mit Mißachtung belegte, ihnen mit - vor allem in den Effektenlagern - ungewöhnlicher Härte begegnete und sie mit teils offen zur Schau getragener Befriedigung mißhandelte. Der auffällige Sadismus des Angeklagten fand seinen Ausdruck in der Verhöhnung der Opfer, die nicht selten neben den Mißhandlungen sein Lachen und auf systematische Erniedrigung abzielende Befehle - wie etwa die "formale" Übergabe eines neuen Stockes im Falle des Zeugen T5 - ertragen mußten. Der denkbar schlechte Ruf des Angeklagten unter den als Zeugen gehörten früheren Häftlingen, die ihn - wie der Zeuge K - vielfach in die Nähe einer "Bestie" rückten, fand eine Entsprechung nur in der Einstufung des SS-Angehörigen C3. Allein von diesem SS-Mann wurde gleichermaßen konform das Abbild eines grausamen, gefühlsrohen und "teuflischen" (Q) Peinigers der Häftlinge gezeichnet. Ansonsten wurden die in den Effektenlagern eingesetzten SS-Kräfte von den früheren Gefangenen je nach ihren persönlichen Erfahrungen durchaus unterschiedlich beurteilt. So stuften die Zeugen K, U1 und I5 beispielsweise den Zeugen X3 als einen im Bereich seiner Möglichkeiten "anständigen" SS-Aufseher ein. Demgegenüber galt X3 den Zeugen T4, H2 und G1, vor allem wegen seines Verhaltens gegenüber männlichen Gefangenen, als berüchtigter SS-Mann. Ähnlich verhielt es sich mit der Einschätzung der weiteren SS-Angehörigen in den Effektenlagern. Teils fanden sich sogar erstaunliche Differenzierungen bei einzelnen Zeugen, etwa wenn der Zeuge T2 die schillernde Figur des Zeugen H3 so umriß, daß dieser einerseits viele Häftlinge erschossen habe - was andere Zeugen bestätigten -, ihn - den Zeugen T2 - andererseits aber in zwei Fällen "vor dem sicheren Vergasen" gerettet habe.</p>
<span class="absatzRechts">198</span><p class="absatzLinks">Für den Angeklagten trat in diesem Zusammenhang einzig der Zeuge L1 ein, der ihn als "menschlich" einstufte. Seiner Bewertung kommt indes keine nennenswerte Bedeutung zu. Einmal war der Zeuge im Lager B II. g) in der sogenannten Effektenkammer tätig, mithin in einem Bereich, mit dem der Angeklagte unmittelbar nicht in Berührung kam. Folgerichtig sah der Zeuge den Angeklagten auch nur "selten". Das war zumeist dann der Fall, wenn der Zeuge für die SS-Angehörigen des Nachts musizierte. Dabei fielen dem Zeugen zu dem Angeklagten "keine Besonderheiten" auf. Auch auf mehrmalige Nachfrage vermochte er nicht näher anzugeben, worauf er seine Einschätzung in der Erinnerung stützen konnte. Letztlich leitete er die Bewertung des Angeklagten aus dem Umstand ab, daß er "Slepy" in der Erinnerung nicht mit unangenehmen Vorfällen, die ihn betrafen, in Verbindung brachte bzw. bringen konnte. Angesichts des nur eingeschränkten Überblicks dieses Zeugen über die Lagerbereiche, in denen der Angeklagte tätig war, und der einen verifizierbaren Erlebniskern ohnehin vermissen lassenden Ausführungen vermag das Gericht seiner Einschätzung ebensowenig Gewicht beizumessen wie denjenigen der ehemaligen SS-Angehörigen, die - insbesondere die Zeugen I1 und X3 - den Angeklagten als ruhigen, umgänglichen SS-Mann kennengelernt haben wollen. Insoweit kann auf die allgemeinen Erwägungen - oben zu c.) - verwiesen werden.</p>
<span class="absatzRechts">199</span><p class="absatzLinks">Neben dem Zeugen L1 wäre allenfalls noch die Aussage der Zeugin D, wenn auch nur entfernt, geeignet, das festgestellte Verhalten des Angeklagten im KL Auschwitz in Frage zu stellen. Die ersichtlich in den Strukturen eines amerikanischen Strafprozesses denkende Zeugin machte indes deutlich, daß sie zwar nichts Nachteiliges über den Angeklagten sagen könne, es aber durchaus möglich sei, daß im Lager Einiges an ihr "vorbeigelaufen" sei. Dies unterstrich sie mit dem Hinweis auf ihre Tätigkeit im Büro des Effektenlagers II, die sie voll ausgefüllt habe; es sei ihr vor allem "ums Überleben" gegangen, deshalb habe sie damals "gar nicht so viel wissen" wollen und das, was sie erfahren habe, nach dem Krieg mehr oder weniger erfolgreich unterdrückt. Mit Blick auf die deutliche Tendenz der Zeugin, schon den Geschehnissen im Lager nicht allzu viel Aufmerksamkeit zu widmen und das dennoch Erfahrene nach Möglichkeit aus der Erinnerung zu streichen, vermag die Kammer ihren ohnehin wenig aussagekräftigen Angaben zum (unauffälligen) Verhalten des Angeklagten keine Bedeutung beizumessen.</p>
<span class="absatzRechts">200</span><p class="absatzLinks">Die gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugen aus den Reihen der ehemaligen Häftlinge und die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen vorgebrachten Bedenken der Verteidigung entbehren einer tragfähigen Grundlage. Allgemein kann hierzu auf die obigen Ausführungen - zu b.) - Bezug genommen werden. Abgesehen von der dort gekennzeichneten Ausnahme haben sich bei keinem der Zeugen Anzeichen ergeben, die die Annahme einer absichtlichen oder auch nur unbewußt verfälschenden Darstellung der Ereignisse nahelegen könnten. Einzig bei der Zeugin C1 haben sich solche Tendenzen gezeigt. Sinnfällig hat die Verteidigung ihre Aussage im Schlußvortrag immer wieder als oftmals einzigen Beleg für die hohe Gefahr von Erinnerungsfehlern ins Feld geführt. Dem steht gegenüber, daß die weiteren Zeugen durchaus die Grenzen ihres Erinnerungsvermögens erkennen ließen. Das mag etwa der Zeuge E belegen, der viele Angehörige in Auschwitz verloren und sich vor diesem Hintergrung redlich bemüht hat, die Vergangenheit "wachzurufen". Dies ist dem Zeugen nach seiner Darstellung indes nicht gelungen mit der Folge, daß er, über eine "dunkle Erinnerung" an den Angeklagten nicht einmal berichten wollte. Ebenso verhielt es sich mit der Zeugin K1, der noch "weitere Dinge im Kopf herumgingen", die sie allerdings nicht sicher erinnerte und deshalb unerwähnt ließ, weil man - so die Zeugin I5 im Verlauf ihrer bemerkenswerten Aussage - nur das angeben dürfe, was man zuverlässig wisse.</p>
<span class="absatzRechts">201</span><p class="absatzLinks">Daß Haß- und Rachsucht bei den Zeugen keinerlei Rolle spielten, steht für die Kammer außer Zweifel. Allerdings blieb es nicht aus, daß manche der Zeugen mitunter - vor allem wenn sie gezwungen wurden, ihre Erinnerung zu schrecklichen, sie teils heute noch bis in den Schlaf verfolgenden Erlebnissen auszuschöpfen - emotional reagierten. Das waren jedoch nur kurze Augenblicke, nach denen sie wieder zu einer vollends sachlichen Aussage zurückkehrten. Das mag die Aussage des Zeugen I4 belegen, der - zu Mißhandlungen des Angeklagten gefragt - erregt und seine Scheu in der Vernehmungssituation sichtlich zurückdrängend zu dem Angeklagten gewandt bemerkte, daß er damals noch Angst vor ihm gehabt habe, dies indes heute nicht mehr der Fall sei. Soweit die Zeugen Einzelheiten zu dem Angeklagten und seinem Verhalten im KL Auschwitz schilderten, die über das hinausgingen, was sie in früheren Vernehmungen im Vorverfahren ausgesagt hatten, haben sie auf entsprechende Vorhalte den Weg ihres Erinnerungsprozesses jeweils - wie etwa der in diesem Zusammenhang bereits erwähnte Zeuge L3 - einfühlsam und nachvollziehbar dargestellt. So hat etwa der Zeuge K, der keinerlei Kontakt mehr zu ehemaligen Häftlingen aus dem KL Auschwitz hat, mit seiner Aussage vom 28. Juni 1985 konfrontiert, ausgeführt, daß er schon während der Vernehmung intensiv über Namen und Spitznamen des ihm bereits seinerzeit erinnerlichen "Einäugigen" nachgedacht habe, die Zeit jedoch zu kurz gewesen sei und die Erinnerung an "Slepy" bzw. "<em>[1. Vorname des Angeklagten]</em>" wie dessen Zuordnung zu dem Einäugigen erst nachher, als er in Ruhe über alles nachgedacht habe, "wachgerufen" worden sei. Der Zeuge I4 verwies zu seiner Aussage vom 7. Juni 1984 darauf, daß das "damals alles so schnell" gegangen sei, und zwar sowohl die Anberaumung des Vernehmungstermins wie auch die Vernehmung selbst. "Eigentlich" zur Besinnung sei er - der Zeuge - erst nach der Vernehmung gekommen; dann sei "aus dem Keller" der Erinnerungen vieles "hochgekommen" und an bestimmten Punkten habe sein Gedächtnis nach und nach die "Zeit zurückgeholt." Der Zeuge T2 hob hervor, daß er "noch nie etwas mit dem Gericht zu tun" gehabt habe. Die Vorladung zu der Vernehmung vom 17. September 1985 sei, wie der Zeuge es empfunden hat, gänzlich überraschend gewesen, das Vernehmungsthema sei ihm vor der Aussage knapp vorgestellt worden, dann habe er aussagen müssen. Das sei ihm alles sehr schwer gefallen, weil er - wie der Zeuge angab - mit Auschwitz "nichts mehr zu tun haben wolle", die Zeit sei lange genug gewesen. Diese innere Sperre entfiel nach der Aussage des Zeugen zwar nach der Vernehmung nicht gänzlich, es blieb jedoch nicht aus, daß "die Dinge" ihn dennoch bis in die oft schlaflosen Nächte verfolgten und er in dieser Phase viele - "zurückgedrängte" - Einzelheiten erinnerte. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß der Zeuge gleichwohl nach seinen Bekundungen nicht vor dem Prozeßgericht erscheinen wollte und nicht erschienen wäre, wenn ihm nicht der Zeuge X2 seine allgemeine Verpflichtung zum Zeugnis vor Augen gehalten hätte. Die Zeugin K1, nach deren Auffassung "Prozesse dieser Art ohnehin nichts bringen", verwies zu ihrer Vernehmung vom 24. November 1983 darauf, daß sie "den schlechten Ruf des Angeklagten" damals "wohl zu milde" dargestellt, vor allem nicht an Einzelheiten, die ihr erinnerlich seien, "festgemacht" habe. Insgesamt hat die Kammer nach der eingehenden, mitunter bis an die Grenze der physischen und psychischen Belastbarkeit der Zeugen reichenden Befragung bei keinem von ihnen Anhaltspunkte dafür gewonnen, daß den von ihnen beschriebenen - jeweils höchst individuellen - Weg der Erinnerungskonstruktion als fragwürdig erscheinen lassen könnte.</p>
<span class="absatzRechts">202</span><p class="absatzLinks">Die ihm als alleiniger Beleg für die außer '"gelegentlichen Schlägen" ordentliche Behandlung der Häftlinge dienende Einlassung, er habe an der Errichtung von Feuerstellen und menschenwürdigen Abortanlagen im Lagerabschnitt B II g) mitgewirkt, konnte von vorneherein - da für die Planung solcher Maßnahmen andere Zuständigkeiten gegeben waren (I1) - allein dann und selbst dann nur von denkbar untergeordneter Bedeutung sein, wenn der Angeklagten wenigstens - seiner Einlassung folgend - solche Anlagen "eigenhändig aufgemauert" hätte. Das kann indes zuverlässig ausgeschlossen werden. Keiner der gehörten Zeugen aus den Reihen der ehemaligen Häftlinge, noch nicht einmal die früheren SS-Angehörigen vermochten dem Angeklagten zu attestieren, daß er selbst jemals mit Hand angelegt hätte. Dem Zeugen Q1, der einige Tage von dem Angeklagten bei der Erstellung solcher Anlagen beaufsichtigt wurde, entlockte die Einlassung gar ein Lachen und die Bemerkung, daß er, gleichviel ob es sich um "ruhige" - wie etwa I1 - oder "wilde" SS-Angehörige - wie den Angeklagten - handelte, niemals einen SS-Angehörigen im Lager dergestalt selbst arbeiten gesehen habe. Auch für den Angeklagten schloß der Zeuge dies aus. Dafür seien - so der Zeuge - "ja die Gefangenen da gewesen". Der Zeuge stellte zu seiner Vorvernehmung vom 23. September 1985 richtig, daß er nur einige Tage, nicht aber fünf Wochen unter dem Angeklagten gearbeitet habe. Er verwies darauf, daß die "Dame, die das damals aufgeschrieben" habe, "sehr alt" und dem ganzen wohl "nicht ganz gewachsen" gewesen sei. Der Zeuge Q1 hatte eine genaue Erinnerung an den Angeklagten, weil er Mißhandlungen von Häftlingen durch den Angeklagten erlebt hatte, diesem der Ruf als "Killer" vorauseilte und er deshalb auf das Schlimmste gefaßt war, als er zu ihm befohlen wurde. Noch heute ist dem Zeugen unbegreiflich, daß er unbehelligt davonkam, wobei er die einzige Erklärung darin suchte, daß der Angeklagte "wohl überrascht war, daß Juden mauern konnten".</p>
<span class="absatzRechts">203</span><p class="absatzLinks">cc)</p>
<span class="absatzRechts">204</span><p class="absatzLinks">Was den Weg und das Verhalten des Angeklagten nach der Evakuierung des KL Auschwitz anbetrifft, ist die Kammer wiederum weitgehend seinen teils glaubhaften, teils unwiderlegten Angaben gefolgt. Auffällig ist hierzu indes die von den Zeugen U1 und T4 besonders hervorgehobene deutliche Verhaltensänderung zum Besseren im KL Ravensbrück, die der Angeklagte mit seiner Einlassung - allerdings vergeblich - auf sein Wirken im KL Auschwitz zu erstrecken versuchte. Daß er im KL Ravensbrück den drohenden Niedergang des NS-Gewaltregimes erkannte, die damit für ihn verbundenen Gefahren zumindest erahnte und deshalb bereits hier Vorsorge für die Zeit nach dem Kriege traf, wird nicht allein durch die bessere Behandlung der Häftlinge belegt. Kennzeichnend ist hierfür ebenfalls das urkundlich in die Hauptverhandlung eingeführte Leumundszeugnis der Frau T7 vom 7. März 1947, nach dem der Angeklagte gegenüber weiblichen Häftlingen im KL Ravensbrück sogar - was nicht den Tatsachen entsprach - die Zugehörigkeit seines Vaters zu den Bibelforschern, mithin eines wegen seines Glaubens Verfolgten des Naziregimes, vorschob, um die Häftlinge für sich einzunehmen. Vor diesem Hintergrund kommt dem weiteren Inhalt wie auch den weiterhin verlesenen Leumundszeugnissen der Frau O1 vom 9. März 1947 und 12. August 1947 keine Bedeutung für das Verhalten des Angeklagten im KL Auschwitz zu. Das gilt um so mehr, als sowohl Frau T7 wie auch Frau O1 nach dem Inhalt der Schriftstücke einerseits zu den Bibelforschern zählten, zudem aus X4 stammten und schließlich Häftlinge allein im KL Ravensbrück, nicht aber im KL Auschwitz waren, somit nicht nur nicht auszuschließen, sondern sogar naheliegend ist, daß sie wegen ihrer Verbundenheit zur Familie des Angeklagten oder der vermeintlichen Zugehörigkeit des Vaters zu ihrem Glaubenskreis "Gefälligkeitsatteste" ausgestellt haben.</p>
<span class="absatzRechts">205</span><p class="absatzLinks">Ebenso belanglos ist, was die Haltung des Angeklagten im KL Ravensbrück anbelangt, die "Rettungstat" des Angeklagten kurz vor der Gefangennahme durch die Alliierten am 3. Mai 1945. Der Angeklagte trug hier allerdings - den glaubhaften Angaben der Zeugin D folgend - einen gehbehinderten weiblichen Gefangenen mit dem Vornamen Katja ein "kurzes Stück querfeldein". Zu diesem Zeitpunkt stand indes die Festsetzung der Marschkolonne nach den Informationen eines vorbeifahrenden Kradfahrers für alle erkennbar unmittelbar bevor. Der innere Bezug für die Handlungsweise des Angeklagten, gerade in diesem letzten Augenblick gleichsam als Identifikation mit den Häftlingen einem von ihnen eine in der Erinnerung haftende Wohltat zu erweisen und den Augenzeugen dieser Szene solcherart als "anständiger" SS-Mann in Erinnerung zu bleiben, liegt auf der Hand. Daß das weitere Verhalten des Angeklagten nach dem Krieg geprägt war von dem Versuch, seine Zeit im KL Auschwitz, insbesondere aber die Tätigkeit in den Effektenlagern weitgehend geheimzuhalten, ist urkundlich belegt. Die verlesenen - den Feststellungen unterlegten - Dokumente (Meldebogen vom 7. Oktober 1947, EMA-Landshut/Meldebogen Nr. 34884; Lebenslauf des Angeklagten vom 9. Januar 1948; Kriegsgefangenenentschädigungsantrag vom 24. Oktober 1954) weisen dies deutlich aus. Auch der Hinweis der Verteidigung, die "Mädel-Suche" des Angeklagten nach dem Krieg sei ein Beleg für sein "reines Gewissen", ist keineswegs überzeugend. Einerseits ist anzumerken, daß der Angeklagte diese Suchaktion zunächst über seinen Vater bzw. Arbeitgeber, mithin unverfängliche Personen in Szene setzte und selbst erst in Erscheinung trat, als die "Entnazifizierung" hinter ihm lag. Andererseits läßt der Hinweis der Verteidigung, nur eine der gesuchten früheren weiblichen Häftlinge hätte genügt, um den Angeklagten - so die Vorwürfe zuträfen - zu entlarven, außer acht, daß der Angeklagte die Auswahl traf und es so in der Hand hatte, nur solche Häftlinge in die Suchaktion einzubeziehen, von denen er annehmen konnte, daß sie nichts Nachteiliges über ihn zu berichten wüßten. Hierfür steht vor allem, daß der Angeklagten die Suche ausschließlich auf weibliche Häftlinge und hier nur auf diejenigen erstreckte, die zuletzt im KL Ravensbrück unter dem Eindruck seiner veränderten Verhaltensweise gestanden hatten. Bei dieser Sachlage kommt dem Umstand, daß der Angeklagte - entsprechend der Wahrunterstellung der Kammer gemäß Beschluß vom 11. Januar 1988 zu Ziffer 3. - ein auf Anschriftenvermittlung abzielendes Schreiben am 15. Januar 1949 an den World Jewish Congress übersandt hat, und zwar mit seiner damals zutreffenden Adresse und seiner Unterschrift, kein nennenswertes Gewicht zu.</p>
<span class="absatzRechts">206</span><p class="absatzLinks">IV.</p>
<span class="absatzRechts">207</span><p class="absatzLinks">Zu den Tötungshandlungen, die von dem Angeklagten im Jahre 1944 im KL Auschwitz an Häftlingen des Lagers und anderen Menschen begangen worden sind bzw. begangen worden sein sollen, ist vorab anzumerken, daß die einzelnen Tatvorwürfe in der Anklageschrift enthalten sind, die von dem Leiter der Zentralstelle im Lande Nordrhein-Westfalen für die Bearbeitung von nationalsozialistischen Massenverbrechen in Konzentrationslagern bei der Staatsanwaltschaft Köln dem Gericht unter dem Datum vom 7. Juni 1985 zugeleitet wurde. Das Schwurgericht hat die Anklage mit Beschluß vom 14. Oktober 1985 nur hinsichtlich sechs (a., b. und c. der Anklageschrift) der sieben dort angeklagten Fälle zur Hauptverhandlung zugelassen. Wegen des auf den Angaben der Zeugin T4 beruhenden Tatvorwurfs des versuchten Mordes (d. der Anklageschrift) hat die Kammer die Eröffnung des Hauptverfahrens dagegen abgelehnt, weil nach dem Ermittlungsergebnis hinreichend zuverlässige Anhaltspunkte dafür fehlten, daß der Angeklagte auf die schwangere Häftlingsfrau mit zumindest bedingtem Tötungsvorsatz eingetreten hat. Dem Beschluß der Kammer trägt der geänderte Anklagesatz der Staatsanwaltschaft vom 4. November 1985 Rechnung. Im Verlauf der Hauptverhandlung hat die Staatsanwaltschaft in der Sitzung vom 7. April 1987 mit Erweiterungsschrift vom gleichen Tage - korrigiert gemäß der Erklärung in der Hauptverhandlung vom 21. April 1987 - Nachtragsanklage wegen neun weiterer Tötungsdelikte erhoben. Der Angeklagte hat der Einbeziehung der ihm nachträglich zur Last gelegten Taten am 21. April 1987 widersprochen mit der Folge, daß der Kammer allein die gemäß Eröffnungsbeschluß vom 14. Oktober 1985 zur Hauptverhandlung zugelassenen Tatvorwürfe zur Verhandlung und Entscheidung angefallen sind. Die der Nachtragsanklage unterlegten Tötungshandlungen sind indes teils, soweit sie sich auf die Angaben des Zeugen T3 stützen, ebenso wie weitere erst im Verlauf der Hauptverhandlung zutage getretene - nicht von Anklage oder Nachtragsanklage umfaßte bzw. umschriebene - Tötungsdelikte des Angeklagten von indizieller Bedeutung. Auf diese Vorfälle wird daher im Anschluß an die Feststellungen zu den Taten, derentwegen der Angeklagte verurteilt (Ziffer 1) bzw. freigesprochen (Ziffer 2) worden ist, unter Ziffer 3 einzugehen sein.</p>
<span class="absatzRechts">208</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">209</span><p class="absatzLinks">Die Taten, die zu der Verurteilung des Angeklagten geführt haben, gliedern sich nach den Tatorten auf in solche, die der Angeklagte einerseits in dem in der Nähe des Stammlagers gelegenen Effektenlager I, dem sogenannten alten Lager Kanada und andererseits im Abschnitt B II g) des Lagers Birkenau, der unter Außerachtlassung der verschiedenen dort arbeitenden Kommandos vielfach undifferenziert "neues Lager Kanada" genannt wurde, begangen hat. Die Feststellungen zu den erstgenannten Taten sind nachfolgend unter a) und b), diejenigen zu den letztgenannten unter c) und d) getroffen.</p>
<span class="absatzRechts">210</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">211</span><p class="absatzLinks">An einem nicht näher bestimmbaren Tag im Juni/Juli 1944 hatte das Räumungskommando ununterbrochen im Effektenlager I gearbeitet. Das Überschreiten der gewöhnlichen Arbeitszeit war in dieser Phase keine Seltenheit, weil sich aufgrund der Vielzahl der tagtäglich aus Ungarn eintreffenden Menschentransporte unübersehbare Effektenmassen in den Effektenlagern ansammelten, deren Untersuchung, Sortierung, Bearbeitung und Weiterleitung innerhalb der normalen Arbeitszeit der Häftlinge nicht zu bewältigen war. Deshalb wurde von Zeit zu Zeit, je nach Arbeitsanfall und Einstellung der SS-Aufseher die Anordnung getroffen, daß bestimmte Häftlinge oder ganze Kommandos nach Beendigung oder außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit (weiter) zu arbeiten hatten. Hiervon betroffen waren vor allem die sogenannten Rampenkommandos (Räumungs-, Verladekommando), zumal ohne ihren Einsatz die ankommenden oder abgehenden Eisenbahntransporte - was die Effekten anbelangt - nicht planmäßig abgewickelt werden konnten.</p>
<span class="absatzRechts">212</span><p class="absatzLinks">Nach einem solchen besonderen Einsatz, verbunden mit einer durchwachten Nacht wurde den Häftlingen des Räumungskommandos, unter ihnen der Zeuge G, erlaubt, sich während des Tages eine Stunde auszuruhen. Viele der übermüdeten und erschöpften männlichen Gefangenen schliefen im Verlauf dieser Stunde in den im südöstlichen Lagerbereich des Effektenlagers I gelegenen Baracken 1 und 2 ein. Als Schlafstatt dienten ihnen in den Baracken aufgetürmte Bekleidungs- bzw. Bettwäschehaufen, an die sie sich hockend lehnten oder auf die sie sich legten. Zur Beaufsichtigung der Gefangenen waren an diesem Tag u. a. der Angeklagte und der SS-Angehörige X eingesetzt. Der Angeklagte war - wie gewöhnlich - mit seiner geladenen Dienstpistole bewaffnet. Die Häftlinge wurden nach Ablauf der ihnen zugebilligten kurzen Ruhepause durch einen Pfiff zum Antreten vor den Baracken aufgerufen. Dies hatte wie üblich in aller Eile zu erfolgen. Während viele Häftlinge die Baracken im Laufschritt verließen, brauchten andere Gefangene - vor allem diejenigen, die eingeschlafen waren - hierfür mehr Zeit. Insgesamt empfand der Angeklagte die Reaktion auf das Kommando als viel zu zähflüssig. Er war hierüber ebenso verärgert wie der SS-Angehörige X. Deshalb entschlossen sie sich, jeder in einer der beiden Baracken die verzögerlich antretenden Häftlinge anzutreiben und für ihren "Ungehorsam" zu bestrafen. Während X auf eine Baracke zulief, stürmte der Angeklagte auf die andere Baracke zu. Ungeklärt ist in diesem Zusammenhang, wer sich in welche Baracke (1 bzw. 2) begab. Fest steht dagegen, daß der Angeklagte diejenige Baracke aufsuchte, in der in jener Zeit vornehmlich Bettzeug bearbeitet und sortiert wurde. Der Zeuge G, der sich in der anderen Baracke aufgehalten hatte, verließ diese in dem Zeitpunkt, in dem X sich auf diese und der Angeklagte sich auf die weitere (Bettzeug-) Baracke zubewegten. Im Vorbeilaufen schlug X dem Zeugen G mit der Faust gegen den Kopf, um ihn für seine Langsamkeit zu bestrafen. Der Zeuge empfand den Schlag als nicht allzu gravierend, zumal derartige Mißhandlungen für einen erfahrenen Häftling wie ihn zu dem alltäglichen, selbst den Betroffenen nicht sonderlich berührenden Vorkommnissen im Lager zählten. Er stellte sich in die erste Reihe zu den bereits westlich vor den und mit Blickrichtung zu den westlichen Schmalseiten der Baracken 1 und 2 angetretenen Gefangenen.</p>
<span class="absatzRechts">213</span><p class="absatzLinks">Während der Zeuge G seinen Platz einnahm, sah er den Angeklagten die "Bettzeugbaracke" betreten. In der Baracke traf der Angeklagte auf einen unbekannt gebliebenen männlichen Häftling. Der Angeklagte war über diesen erbost, wobei die Hauptverhandlung keine näheren Erkenntnisse dazu erbracht hat, ob der Häftling ihm neben der bloß verzögerlichen Reaktion weiteren Anlaß - etwa weil er noch geschlafen hatte - zu einer Mißstimmung gegeben hatte. Der Angeklagte beschimpfte den allein mit ihm in der Baracke befindlichen Häftling jedenfalls lautstark. Er steigerte sich dabei derart in Wut, daß er seine Dienstpistole zog. Ihm war durchaus bewußt, daß schon die eigenmächtige Mißhandlung von Häftlingen, erst recht deren nicht auf einem Befehl beruhende Tötung untersagt war. Andererseits galt ihm das Leben eines Gefangenen nichts. Zudem hatte spätestens der bisherige Aufenthalt im KL Auschwitz und hier in der Effektenverwaltung bereits ausgereicht, ihm vor Augen zu führen, daß der Gefangene Bedeutung allein als Arbeitskraft hatte, das - nach der nationalsozialistischen Irrlehre, von der er überzeugt war - nichtswürdige Leben eines jeden Häftlings hingegen in der Wirklichkeit des Lagerlebens ohnehin nur auf eine kurze Dauer angelegt war. Gedanken daran, daß er ein menschliches Wesen vor sich hatte, verschwendete er vor diesem Hindergrund nicht. Er sah allein den unbekannten Gefangenen, der dem durch den Pfiff gegebenen Befehl nicht nachgekommen war, seine Funktion als Arbeitskraft folglich nicht erfüllte. In unbarmherziger Konsequenz des ihm eingehauchten Hasses auf alle Volksfeinde hatte der Häftling in seinen Augen damit das ihm auf die Dauer der Verwendbarkeit als Arbeitskraft begrenzte Lebensrecht verwirkt. Der Angeklagte entschloß sich deshalb, den Gefangenen zu töten. Bedenken, daß er hierfür von Vorgesetzten zur Verantwortung gezogen werden könnte, hatte er nicht, zumal er davon ausging und ausgehen konnte, daß derartige "Vorfälle" - soweit sie überhaupt auffielen - regelmäßig folgenlos blieben. In Ausführung seines Entschlusses richtete der Angeklagte kurzerhand seine Dienstpistole auf den Häftling und tötete ihn mit einem Schuß in den Kopf. Das zu Boden gefallene Opfer ergriff er an den Hosenbeinen und zog es solcherart hinter sich her bis zu der Tür an der westlichen Schmalseite der Baracke. Dort gab er mit von dem Zeugen G als schadenfroh empfundenen Lachen zwei der vor den Baracken anstehenden Gefangenen die Anweisung, den Getöteten abzuholen. Er untersagte ihnen, hierzu eine Bahre zur Hilfe zu nehmen. Die Gefangenen waren deshalb gezwungen, den Toten an Händen und Füßen - wie einen Sack - wegzutragen.</p>
<span class="absatzRechts">214</span><p class="absatzLinks">Der vor den Baracken angetretene Zeuge G hatte das nur wenige Augenblicke dauernde Geschehen in der Baracke, vor allem das lautstarke Schimpfen des Angeklagten, den unmittelbar nachfolgenden Schuß und das Erscheinen des das Opfer hinter sich herschleifenden Angeklagten in der Tür der Baracke aufmerksam verfolgt. Auf Geheiß des Angeklagten hatte er in der Baracke für Ordnung zu sorgen. Als er auf dem Weg in die Baracke an dem unbekannten Häftling vorbeiging, erkannte er, daß dieser keinerlei Lebenszeichen mehr von sich gab und ersichtlich tot war. In der Baracke stellte er fest, daß sich dort niemand außer ihm befand. In der Mitte des Raumes lag ein Bettlaken voller Blut. Dies ergriff er und brachte es zu dem in der Lagermitte westlich von der Entwesungskammer stehenden Abort. Daneben legte er das blutverschmierte Laken nieder. Währenddessen bedrängte ihn die Vorstellung, daß er "knapp" dem Tode entronnen war, weil er "ebensogut das Opfer" hätte sein können, wenn er in der "falschen" Baracke gewesen wäre. Im Nachhinein betrachtete er es als sein Glück, daß er auf X gestoßen war, der ihn nur geschlagen hatte.</p>
<span class="absatzRechts">215</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">216</span><p class="absatzLinks">An einem ebenfalls nicht näher bestimmbaren Tag im Juni/Juli 1944 wurde an der in der Nähe des ostwärtigen Eingangs zum Effektenlager I errichteten Verladerampe des Lageranschlußgleises zum Stammlager Auschwitz ein Güterzug, beladen, der aufbereitete und sortierte Effekten in das damalige Deutsche Reich transportieren sollte. Ein Teil des zu verladenden Häftlingsgutes, vornehmlich Bekleidung, war zuvor mit Lastkraftwagen aus dem Stammlager zur Verladung in das Effektenlager I angefahren worden. Bei dem Beladen der ca. dreißig bis vierzig Eisenbahnwaggons wurden neben den Rampenkommandos - wie gewöhnlich - zeitweilig auch weibliche Häftlinge der Sortierkommandos herangezogen. Drei aus Grodno/Polen stammende Gefangene, die bis auf den Vornamen (Lipa) eines von ihnen unbekannt geblieben sind und von denen nicht festgestellt werden konnte, welchem Kommando sie zugehörten, wollten den Transport zur Flucht nutzen. Sie richteten deshalb in einem Waggon unter den Effekten ein höhlenartiges Versteck ein. Dort brachten sie wegen des zu erwartenden mehrtägigen Transportes vorsorglich Wasser und Lebensmittel unter und hielten sich in der Höhle verborgen. Gegen Abend lösten die für die Nachtschicht eingeteilten Kommandos, darunter das Räumungskommando, zu dem der Zeuge G gehörte, die tagsüber eingesetzten Kommandos ab. Zu dieser Zeit wurden die weiblichen Häftlinge, die im Effektenlager I regelmäßig nur in Tagschicht arbeiteten, abgezogen. Sie mußten mit den übrigen Häftlingen der verschiedenen Kommandos zum Appell innerhalb des Effektenlagers I antreten, um anschließend zu ihren Unterkunftsbaracken in das Lager Birkenau geführt zu werden. Währenddessen setzten die in Nachtschicht arbeitenden Rampenkommandos den Verladevorgang fort.</p>
<span class="absatzRechts">217</span><p class="absatzLinks">Der Appell dauerte an diesem Abend ungewöhnlich lange. Unter den angetretenen Häftlingen befand sich die Zeugin U1. Sie hatte zwar schon des öfteren zeitaufwendige Appelle mitmachen müssen. An diesem Abend erschien ihr die Zeit indes endlos, weil der Appell sich über mehrere Stunden erstreckte. Der Grund für die Verzögerung war für die angetretenen Gefangenen offenbar. Sie beobachteten, wie die an diesem Tag zur Beaufsichtigung im Effektenlager I eingesetzten SS-Angehörigen, u. a. der Angeklagte und der Zeuge H3, in den Baracken des Effektenlagers offensichtlich nach einem oder mehreren fehlenden Häftlingen "fieberhaft" Ausschau hielten. Nach mehreren Stunden vergeblicher Suche hatten die Rampenkommandos der Nachtschicht die Waggons zu einer unbestimmten Uhrzeit, jedenfalls noch vor Mitternacht beladen. Die Nacht war inzwischen hereingebrochen. Der Platz vor der Verladerampe war durch die Lagerbeleuchtung taghell erleuchtet. Die Kommandos mußten ebenfalls zum Appell antreten. Nach dem Abzählen stand fest, daß weiterhin drei Häftlinge fehlten. Die SS-Aufseher ordneten mit Blick auf die ergebnislos verlaufende Suchaktion im Effektenlager I nunmehr an, daß alle Effekten von den Rampenkommandos wieder auszuladen waren, weil sie - zu Recht - vermuteten, daß die vermißten Häftlinge sich in einem Waggon versteckt hatten, um auf diese Weise - wie andere Häftlinge vor ihnen - die Flucht zu versuchen.</p>
<span class="absatzRechts">218</span><p class="absatzLinks">Im Verlauf des Ausladens wurde das Versteck der drei unbekannten Häftlinge, die sich dort verborgen hielten, aufgespürt. Die Rampenkommandos mußten auf dem Platz zwischen Verladerampe und der ostwärtigen Einfahrt zum Effektenlager I antreten. Die drei Häftlinge wurden von den SS-Aufsehern unter einem Hagel von Schlägen und Tritten aus dem Waggon ebenfalls zu diesem Platz getrieben. Der Zeuge H3 wie der Angeklagte, beide mit geladenen Dienstpistolen bewaffnet, beteiligten sich an den Mißhandlungen vor den Augen der angetretenen Häftlinge des Rampenkommandos. Neben Zorn und Wut über den aus ihrer Sicht unverfrorenen, ihnen zusätzliche "Arbeit" bereitenden Fluchtversuch der drei aus Grodno stammenden Häftlinge war ihr Handeln bestimmt von dem Gefühl, daß den angetretenen Häftlingen deutlich gemacht werden müsse, wie derartige Fluchtversuche beantwortet werden. Von diesem Gedanken war es kein weiter Schritt bis zu dem Entschluß, die Gefangenen zunächst zu mißhandeln und abschließend zu töten. Grundlegend war hierbei für die Willensentschließung des Angeklagten wiederum, daß er den Gefangenen schon allgemein nur ein begrenztes Lebensrecht zugestand, das im konkreten Fall mit ihrem Fehlverhalten, dem sie erst recht als "Volksfeinde" ausweisenden Fluchtversuch, verspielt war. Hinzu trat bei ihm die Erwägung, daß eine wirksame Abschreckung der übrigen Gefangenen vor ähnlichen Versuchen nur dann erzielt werden konnte, wenn eine über die alltäglichen Mißhandlungen hinausgehende Maßnahme ihnen nachhaltig das mit solchen Unternehmungen verbundene Risiko verdeutlichte.</p>
<span class="absatzRechts">219</span><p class="absatzLinks">Während der Mißhandlung der drei Häftlinge ließen Äußerungen des Angeklagten den Zeugen G erkennen, daß dessen Verhalten auf eine solche abschreckende Wirkung angelegt war. Zwei der drei durch Tritte und Schläge aller SS-Aufseher zu Boden gefallenen Häftlinge versuchten, sich zu erheben. Der vor ihnen stehende Angeklagte unterband diese Versuche, indem er vehement mit den Füßen auf Brust- bzw. Bauchbereich der beiden Häftlinge eintrat. Diese fielen wiederum von Schmerzen und Qualen gepeinigt zu Boden. Sie waren - wie es der Zeuge G empfand - "halb verrückt vor Todesangst" und sichtlich am Ende ihrer Kräfte. Der Angeklagte empfand dies ebenso und hielt deshalb die Situation zur "Exekution" für gekommen. Der grausamen Mißhandlung der Häftlingen sollte seiner von keinem Befehl getragenen Entschließung die Tötung der Häftlinge nachfolgen. Er zog seine Dienstpistole, richtete sie auf einen der am Boden liegenden Häftlinge und schoß ihm aus nächster Nähe in den Kopf, um ihn zu töten. Ebenso verfuhr er unmittelbar nachfolgend mit dem weiteren Häftling, während der Zeuge H3 - ebenfalls in engem zeitlichen Zusammenhang hiermit - den dritten der unbekannten Gefangenen erschoß. Keines der drei Opfer gab nach den Schüssen ein Lebenszeichen von sich. Sie waren für alle erkennbar tot. Die angetretenen Häftlinge der Rampenkommandos, vor allem der Zeuge G, waren wegen der besonderen Brutalität und Rigorosität des Vorgehens der SS zutiefst erschüttert.</p>
<span class="absatzRechts">220</span><p class="absatzLinks">Die im Effektenlager I immer noch bei dem andauernden Appell anstehenden Häftlinge, unter ihnen die Zeugin U1, hatten die Schüsse gehört, ohne indes das Geschehen mitverfolgen zu können. Während Häftlingen der Rampenkommandos von den SS-Angehörigen aufgetragen wurde, die Leichen der Getöteten in das Effektenlager I zu tragen und dort neben den Baracken abzulegen, konnten die Häftlinge der Tagschicht, da die Unstimmigkeiten der Häftlingszahlen "aufgeklärt" waren, nunmehr zu den Unterkünften in das Lager Birkenau abrücken. Dort erfuhr die Zeugin U1 im Verlauf der nächsten Tage von Mithäftlingen aus dem FKL, daß an dem fraglichen Abend drei Häftlinge bei einem fehlgeschlagenen Fluchtversuch erschossen worden seien, und zwar zwei Gefangene von dem Angeklagten und ein Häftling von dem Zeugen H3.</p>
<span class="absatzRechts">221</span><p class="absatzLinks">c)</p>
<span class="absatzRechts">222</span><p class="absatzLinks">Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt im Lauf der Monate Juli bis September 1944 verrichtete der Angeklagte am Tage seinen Dienst im Abschritt B II g) des Lagers Birkenau. Er war mit der Dienstpistole bewaffnet, die er an seiner Hüfte trug. An diesem Tag erreichte ein Eisenbahntransport mit Deportierten das Lager Birkenau. Die Menschen - Männer, Frauen und Kinder - wurden bei brütender Hitze nachmittags von der sogenannten neuen Rampe auf dem Fußweg in zunächst westlicher, dann nördlicher Richtung durch den Lagerabschnitt B II g) zu den Krematorien K IV und K V geführt. Im Lager B II g) benutzten sie die zwischen Sauna und Baracken in nord-südlicher Richtung verlaufende Hauptlagerstraße.</p>
<span class="absatzRechts">223</span><p class="absatzLinks">Aus dem Zug der Deportierten löste sich ein unbekannt gebliebener kleiner Junge im Alter von ca. sechs bis zehn Jahren. Er lief von der Hauptlagerstraße in den eigentlichen Lagerbereich. Dort traf er in der Mitte entweder der zwischen der südlichen und mittleren oder der mittleren und nördlichen Barackenreihe in west-östlicher Richtung verlaufenden Lagerstraße auf den Angeklagten. Die Zeugin M1 war zu dieser Zeit im Lager B II g) auf dem Weg zu einer im mittleren Bereich liegenden Baracke. Sie sah und hörte den Jungen weinen und betteln. Sie nahm an, daß der Junge wegen der Entbehrungen auf dem Transport oder des heißen Tages zu trinken und/oder zu essen begehrte. Sie wagte indes nicht, ihm etwas zuzuwenden, weil der Angeklagte in der Nähe war und den Häftlingen die Kontaktnahme mit den durch das Lager geführten Deportierten untersagt war. Der Junge dauerte sie jedoch so sehr, daß sie das weitere Geschehen aufmerksam verfolgte.</p>
<span class="absatzRechts">224</span><p class="absatzLinks">Der Angeklagte begegnete den flehentlichen Bitten des Jungen mit kaum zu überbietender Gefühlskälte. Das Schicksal des Kindes war ihm gleichgültig. Es war für ihn angesichts der bevorstehenden Vergasung in einem der Krematorien (K IV oder K V) ohnehin bereits vom Tode gezeichnet. In dieser Situation entschloß er sich, sein "Spiel" mit dem Jungen zu treiben. Er wollte an ihm seine Schießkünste erproben. Zu diesem Zweck dirigierte er das Kind mit Gesten und Worten zwischen die Längsseiten von zwei Baracken. Dabei herrschte er den Jungen an, er solle nicht so jammern und sich zurückstellen. Der Junge kam den Wünschen des Angeklagten nach, wobei nicht zuverlässig festzustellen war, ob er die Sprache des Angeklagten verstand oder allein auf dessen Gesten reagierte. Als er zwischen den Baracken stand, stellte ihm der Angeklagte drei geleerte Konservendosen auf Kopf und Schultern, was ihm angesichts der starren Haltung des Kindes auch gelang. Er beabsichtigte, dem Jungen diese Dosen vom Kopf zu schießen. Ihm kam es zwar in erster Linie darauf an, seine Schießfertigkeit unter Beweis zu stellen, die Dosen also zu treffen. Andererseits war ihm bewußt, daß ein fehlgehender Schuß schon mit Blick auf das ins Auge gefaßte Ziel oberhalb bzw. neben dem Kopf den Jungen schwer verletzten oder gar töten konnte. Derartige mögliche Folgen berührten ihn indes nicht. Zum einen gehörte selbst das Kind aus seiner Sicht zum feindlichen Lager und war damit nach seinem Empfinden als "lebensunwertes Leben" konsequenterweise für den Tod in der Gaskammer vorgesehen. Zum anderen beabsichtigte er bereits hier, den Jungen, nachdem er sein Spiel getrieben hatte, zu erschießen. Daß er dem Kind durch sein Vorgehen unermeßliche - weit über die mit dem eigentlichen Tötungsakt notwendigerweise verbundenen Ängste hinausgehende - seelische Qualen zufügen würde, blieb ihm nicht verborgen. Es hielt ihn jedoch nicht von seinem Plan ab, weil das Schicksal des Jungen ihm vollends gleichgültig war.</p>
<span class="absatzRechts">225</span><p class="absatzLinks">Daß zum bloßen Spielobjekt degradierte Kind hatte wegen der rüden Behandlung durch den Angeklagten sein Jammern und Weinen eingestellt. Es nahm das Aufstellen der Büchsen wehrlos hin und blieb, wie ihm vom Angeklagten bedeutet wurde, regungslos stehen. Selbst in dem Moment, als der Angeklagte seine Pistole zog und aus wenigen Metern Entfernung auf die Dosen zielte, stand das Kind starr vor Schreck und ließ die Schüsse des Angeklagten regungslos über sich ergehen. Nicht zuverlässig geklärt werden konnte, ob der Angeklagte nacheinander mit mehreren Schüssen die Dosen zunächst von den Schultern, dann vom Kopf des Jungen schoß oder ob die Dosen nach jedem Schuß jeweils - auch die nicht getroffenen Objekte - insgesamt zu Boden fielen und die noch nicht abgeschossenen Büchsen nach jedem Schuß aufs neue von dem Angeklagten auf die betreffenden Körperteile gestellt wurden. Fest steht dagegen, daß es dem Angeklagten letztlich gelang, alle drei Dosen von den vorgesehenen Körperstellen abzuschießen. In der Folge forderte er das Kind auf, die Hände zu falten, zu klatschen und mit ihm zu tanzen, was einer "Siegesfeier" für die unter Beweis gestellte Treffsicherheit gleichkam. Der Junge kam den auf niedrigsten Instinkten des Angeklagten beruhenden Anordnungen trotz seiner unbeschreibbar großen Angst nach. Schließlich verlor der Angeklagte die Lust an dem "Spiel" mit dem Jungen, der wieder zu weinen begann. Er deutete dem Kind an, daß es erneut zurücktreten solle, wobei er sein Unverständnis über dessen weinerliches Gehabe äußerte und hinzusetzte, daß er es "erledigen" werde. Seinen Worten folgend richtete der Angeklagte die Pistole auf den nur wenige Meter von ihm entfernt stehenden Jungen. Entsprechend seinem vorgefaßten, nicht ins Wanken geratenen Entschluß, das Kind nach den Schießübungen zu töten, zielte und schoß er auf das Gesicht des Jungen. Der Schuß traf den Kopf des Kindes, das sofort zu Boden fiel. Der Angeklagte bewegte sich auf das auf dem Rücken liegende Opfer zu. Dabei trat er auf die geöffnete Handfläche einer Hand des Jungen, der hierauf allerdings ebensowenig eine Reaktion zeigte wie auf einen Tritt, den ihm der Angeklagte versetzte. Nachdem der Angeklagte sich solcherart vom Tode des Kindes überzeugt hatte, wies er zwei Gefangene an, die Leiche zu den Krematorien zu tragen. Diese beugten sich seiner Anordnung.</p>
<span class="absatzRechts">226</span><p class="absatzLinks">Die Zeugin M1, die den gesamten Handlungsablauf ebenso wie andere in der Nähe befindliche - unbekannt gebliebene - Häftlinge des Lagers B II g) verfolgte, setzte das Geschehen in Angst und Schrecken. Ihre sich nach und nach steigernde Sorge um den fremden Jungen ging in fassungsloses Entsetzen über, als der Angeklagte den Jungen entgegen all ihren Hoffnungen erschoß. Sie suchte nachfolgend den verlassenen Platz, an dem der Junge zu Tode gekommen war, auf. Hier fand sie einen am Boden liegenden Siegelring, der dem Kind entfallen war. Sie nahm diesen Ring an sich. Er diente ihr fortan im Lager als Talisman.</p>
<span class="absatzRechts">227</span><p class="absatzLinks">d)</p>
<span class="absatzRechts">228</span><p class="absatzLinks">An einem ebenfalls nicht mehr näher einzugrenzenden Tag in den Monaten Juli bis September 1944 hielt sich der Angeklagte wiederum im Lagerabschnitt B II g) auf. Er war - wie in allen anderen Fällen - mit seiner Uniform bekleidet und trug an der rechten Hüfte seine geladene Dienstpistole. Auch an diesem Tag war es heiß. Die Zeugin M1 war auf dem Weg zu einem in der mittleren Barackenreihe gelegenen Block, als sie den Angeklagten zwischen zwei Baracken der südlichen Barackenreihe wahrnahm.</p>
<span class="absatzRechts">229</span><p class="absatzLinks">Vor dem Angeklagten stand zu dieser Zeit mit dem Gesicht zu ihm gewandt in wenigen Metern Entfernung ein unbekannt gebliebenes Mädchen. Ungeklärt blieb insbesondere, ob dieses Mädchen zu den im Lager B II g) eingesetzten Häftlingen zählte oder ob es sich um eine Deportierte handelte, die ebenfalls auf dem Weg zu den Krematorien K IV oder K V in den Barackenbereich des Lagers B II g) geflohen oder von dem Angeklagten zum Betreten des Lagers veranlaßt worden war. Fest steht hingegen, daß das Mädchen ca. 17 bis 18 Jahre alt war und keine Häftlingsbekleidung, sondern ein normales Kleid ohne jede Kennzeichnung trug. Sicher ist des weiteren, daß der Angeklagte das Mädchen wie in dem vorbeschriebenen Fall den kleinen Jungen als Objekt seiner Schießversuche benutzte, indem er mit seiner Dienstpistole mehrmals auf eine auf ihrem Kopf stehende Konservendose schoß. Ob die Dose im Verlauf des Geschehens einmal oder mehrmals zu Boden fiel und wer - der Angeklagte oder das überaus verängstigte Mädchen - sie gegebenenfalls jeweils zurückstellte, konnte in der Hauptverhandlung nicht zuverlässig aufgeklärt werden. Sicher ist hingegen, daß die Verhaltensweise des Angeklagten hier gleichfalls von der Überzeugung getragen war, daß der Tod des Mädchens über kurz oder lang ohnehin vorgezeichnet war und er es vor diesem Hindergrund von vornherein darauf anlegte, das Mädchen, nachdem es zu seinem mit unermeßlicher seelischer Pein verbundenen "Spiel" mißbraucht worden war, abschließend zu töten. Diesem Entschluß folgend schoß er nach mehreren Schüssen auf die Konservendose aus wenigen Metern Entfernung auf den Kopf des Mädchens. Das am Kopf getroffene Opfer fiel sofort zu Boden. Es war, wie die Zeugin M1 erkannte, tot. Neben ihr hatten weitere, außerhalb der Baracken arbeitende - ebenfalls unbekannt gebliebene - Häftlinge das nur einige Minuten dauernde grausige Geschehen verfolgt.</p>
<span class="absatzRechts">230</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">231</span><p class="absatzLinks">Zu dem gemäß Eröffnungsbeschluß vom 14. Oktober 1985 weiterhin zugelassenen Vorwurf, der Angeklagte habe wie in den vorbeschriebenen Fällen zu 1. c) und d) einen (weiteren) männlichen Häftling erschossen, hat die Hauptverhandlung nicht zu Feststellungen geführt, die den Anklagevorwurf zweifelsfrei zu stützen vermögen. Die dem Eröffnungsbeschluß unterliegende Anklage hat bei dem Vorwurf entscheidend auf die Aussage der Zeugin M1 im Ermittlungsverfahren vom 26. Juni 1984 abgestellt (vgl. a) des Anklagesatzes; Ziffer II., 1. des wesentlichen Ermittlungsergebnisses - S. 2, 17 f. der Anklage), wonach der Angeklagte vor den Baracken des Lagerabschnitts B II g) im Sommer 1944 einen unbekannten männlichen Häftling bei dem Versuch, ihm eine Konservenbüchse vom Kopf zu schießen, erschossen haben soll. Der Tatvorwurf erhielt sein entscheidendes Gepräge durch Tatzeit (1944), Tatopfer (männlicher Häftling), Tatort (vor den Baracken des Lagers B II g) und vor allem die kennzeichnende Tatbegehung (Erschießung bei dem Versuch, dem Häftling eine Dose vom Kopf zu schießen). Das bedeutete, daß allein ein mit diesen charakterisierenden Tatumständen korrespondierendes, die Identität der Tat wahrendes Beweisergebnis eine Verurteilung des Angeklagten nach dem Anklagevorwurf rechtfertigen konnte. Das war indes, wie an späterer Stelle im Rahmen der Beweiswürdigung näher darzustellen sein wird, nicht der Fall. Andererseits war die Kammer nicht gehindert, mit dem Anklagevorwurf zu einzelnen Tatumständen zwar vergleichbare, sich hiervon jedoch durch Wegfall oder Hinzutreten einzelner signifikanter Merkmale klar abhebender weiterer - erst im Verlauf der Hauptverhandlung zutage getretener - Handlungen des Angeklagten, die den Vorwurf eines Tötungsdeliktes ausfüllen, indiziell heranzuziehen.</p>
<span class="absatzRechts">232</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">233</span><p class="absatzLinks">Den der Kammer nicht zur Entscheidung angefallenen weiteren Taten des Angeklagten liegen folgende Feststellungen zugrunde:</p>
<span class="absatzRechts">234</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">235</span><p class="absatzLinks">An einem nicht genau feststellbaren Tag in den Monaten Juli bis September 1944 befand sich der Zeuge S als Mitglied des Räumungskommandos im Lagerabschnitt B II g). Er nutzte die Zeit, um wieder einmal mit holländischen Landsleuten ins Gespräch zu kommen. Aus diesem Grund suchte er zu einem vor 17.00 Uhr gelegenen Zeitpunkt eine der im Norden belegenen Sortierbaracken auf. Das war den nicht dort tätigen Gefangenen wie dem Zeugen S untersagt. Er traf in einer der nicht näher bestimmbaren Baracken sechs, sieben oder acht auf die ihm bekannten weiblichen Häftlinge mit den Vornamen Jelsche, Antje und Rica. Er unterhielt sich mit ihnen in der Nähe des südlichen Barackeneingangs, um die Baracke jederzeit wieder schnellstmöglich verlassen zu können, wenn eine Entdeckung der verbotenen Kontaktnahme drohte. In der Baracke arbeitete ein aus weiblichen Häftlingen zusammengesetztes Sortierkommando. Zeitweilig hielten sich dort allerdings ebenfalls männliche Häftlinge des Rollwagenkommandos auf, die für die Verteilung der Effekten zuständig waren, d. h. die aufzubereitenden und zu sortierenden Effekten in die Arbeitsbaracken brachten und das sortierte Gut dort abholten. Im Verlauf des Gesprächs mit den weiblichen Häftlingen wurde der Zeuge S von ihnen darauf aufmerksam gemacht, daß " der Blinde den Franzosen mitgenommen" habe. Der Zeuge S war dem "einäugigen" SS-Angehörigen, dem von Häftlingen u. a. der Spitzname "der Blinde" beigelegt war und den er nur unter diesem Namen kannte, zuvor bereits wiederholt begegnet. Er wußte aus Erzählungen von Häftlingen aus dem Lagerabschnitt B II g), daß man sich vor dem Blinden in acht nehmen mußte. Konkret war ihm berichtet worden, daß der Blinde die Gefangenen nicht nur grob mißhandelte, sondern sie mitunter sogar tötete, indem er ihnen Konservendosen auf den Kopf stellte und auf die Büchsen schoß, bis er schließlich den Kopf der Gefangenen traf. Der Zeuge schenkte aufgrund des deutlichen Hinweises der weiblichen Häftlinge, nach dem für ihn eine ähnliche Aktion des Angeklagten bevorstand, dem weiteren Geschehen besondere Aufmerksamkeit.</p>
<span class="absatzRechts">236</span><p class="absatzLinks">Der Angeklagte begab sich mit dem unbekannt gebliebenen männlichen Häftling, von dem allerdings feststeht, daß es sich um einen Franzosen handelte, zwischen die Längsseiten von zwei in der nördlichen Barackenreihe gelegenen Baracken. In der Hauptverhandlung konnte nicht zweifelsfrei geklärt werden, um welche Baracken es sich handelte. Sicher ist indes, daß der Zeuge S den weiteren Handlungsablauf durch mehrere zwischen den senkrecht verlaufenden Holzspanten befindliche Löcher in der westlichen Barackenwand verfolgte, das weitere Geschehen sich also zwischen - und nicht "vor" - den Baracken 7/8, 6/7 oder 5/6 zutrug. Der Angeklagte dirigierte den französischen Gefangenen zwischen den Baracken nach Norden zu der äußeren Lagerbegrenzung. Hier ließ er ihn eine leere Konservendose auf den Kopf stellen oder stellte ihm selbst eine Büchse auf den Kopf. Wie in den oben - zu 1. c) und d) - beschriebenen Fällen wollte er in dieser Situation ebenfalls seine Schießfertigkeit erproben. Der Angeklagte stellte sich in wenigen, allenfalls bis zu 10 Meter Entfernung gegenüber dem französischen Häftling nahe der in westöstlicher Richtung zwischen der mittleren und nördlichen Barackenreihe verlaufenden inneren Lagerstraße auf. Er schoß mehrmals mit seiner Dienstpistole auf die auf dem Kopf des mit Blickrichtung zu ihm stehenden Gefangenen postierte Konservendose. Ob er oder der solcherart gequälte Häftling die einige Male zu Boden gefallene Dose wieder auf den Kopf zurückstellte, konnte nicht aufgeklärt werden. Fest steht dagegen, daß der Angeklagte schließlich in dem Bestreben, den Franzosen zu töten, auf das Gesicht des Häftlings zielte, schoß und traf. Das Opfer sank zu Boden. Es blutete aus der durch den Schuß verursachten Kopfwunde. In der Hauptverhandlung konnte nicht mit einer jeden Zweifel ausschließenden Sicherheit geklärt werden, ob der Häftling an den Folgen des Schusses verstarb.</p>
<span class="absatzRechts">237</span><p class="absatzLinks">Den Zeugen S hatte das anfänglich mit einer relativ unbeteiligten Neugierde verfolgte Geschehen in der letzten Phase zutiefst erschüttert. Ihm wurde bewußt, daß er sich verbotenermaßen in der Sortierbaracke befand und Gefahr lief, daß ihm ebenfalls "eine Dose auf den Kopf gestellt" würde. Er verließ die Baracke deshalb fluchtartig, um dem Angeklagten nicht "in die Finger zu fallen". Bei einem der nächsten Aufenthalte im Lagerabschnitt B II g) hörte er von weiblichen Häftlingen, daß der Blinde "den Franzosen" getötet habe.</p>
<span class="absatzRechts">238</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">239</span><p class="absatzLinks">An einem nicht genau feststellbaren Tag im Juni 1944 befahl der in der SS-Unterkunftskammer des Stammlagers Auschwitz eingesetzte SS-Unterscharführer T9 vier Häftlingen seines Kommandos, mit einem Lkw zur neuen Rampe nach Birkenau zu fahren. In der voraufgegangenen Nacht hatte dort ein Eisenbahntransport mit Deportierten sein Ziel, das für viele von ihnen den Tod bedeutete, erreicht. Der SS-Angehörige T9 hatte befehlsgemäß auf der Rampe Aufsicht geführt und an der Selektion teilgenommen. Wie gewöhnlich hatte er die Gelegenheit genutzt, bei dieser Aktion die auf der Rampe abgeladenen Effekten grob zu untersuchen und ihm für die SS geeignet erscheinende Effekten auszusondern und beiseite stellen zu lassen. Zu den Häftlingen, die dieses Gut von der Rampe abholen sollten, zählten der Zeuge T3 und der Häftling X8, dessen weiteres Schicksal ungewiß ist. Als das Kommando aus der SS-Unterkunftskammer frühmorgens auf der neuen Rampe in Birkenau eintraf, waren die Rampenkommandos bereits damit beschäftigt, die Effekten auf Lkw zu verladen. Auf der Rampe stapelten sich bis in Hüfthöhe eines Erwachsenen Effekten.</p>
<span class="absatzRechts">240</span><p class="absatzLinks">Die Häftlinge aus der SS-Unterkunftskammer begannen das von dem SS-Unterscharführer T9 ausgesonderte Gut auf den Lkw zu verladen. Plötzlich vernahm der Zeuge T3 ein zorniges Schreien in deutscher Sprache. Er bezog dies auf sich und blickte, weil er den Wortlaut nicht verstanden hatte, vorsichtig auf. Dabei gewahrte er über die auf der Rampe liegenden Effekten blickend in einer Entfernung von ca. 40 Meter einen SS-Unterscharführer, der mit dem Rücken zu ihm stand. Der SS-Mann, bei dem es sich um den Angeklagten handelte, war mit hohen Stiefeln, einer SS-Uniform und einem "Schiffchen" als Kopfbedeckung bekleidet. In der rechten Hand hielt er eine Pistole. Diese war auf einen aus der Blickrichtung des Zeugen T3 nach rechts versetzt - vornübergebeugt - stehenden jüdischen männlichen Gefangenen in Häftlingsbekleidung gerichtet. Der Häftling stand in einem Abstand von wenigen, höchstens bis zu 25 Meter von und mit Blickrichtung zu dem Angeklagten entfernt. Er rief dem Angeklagten etwas zu. Die Antwort stellte den Angeklagten nicht zufrieden. Er entschloß er sich, auch dieses Leben auszulöschen und schoß auf den Häftling. Der Schuß traf den Gefangenen, der sofort zu Boden fiel. Der Angeklagte drehte sich um. Er stand nunmehr mit dem Gesicht zu dem das Geschehen beobachtenden Zeugen T3 gewandt. Den Gesten des Angeklagten, der in der rechten Hand weiterhin die Pistole hielt und mit der linken Hand auf den auf dem Boden liegenden Häftling verwies, entnahm der Zeuge, daß er einem weiteren in der Nähe befindlichen Gefangenen der Rampenkommandos anwies, sein Opfer an einen anderen Ort zu verbringen. Das Schicksal des Opfers ist ungewiß. Insbesondere konnte nicht zweifelsfrei geklärt werden, wo der Schuß des Angeklagten das Opfer getroffen hat und ob der Häftling an den Folgen des Schusses gestorben ist.</p>
<span class="absatzRechts">241</span><p class="absatzLinks">Der Zeuge T3 befragte einen polnischen - jüdischen - Häftling aus dem Rampenkommando, der ihm zuvor diejenigen Effekten bezeichnet hatte, die von ihm aufzuladen waren, wer der SS-Mann sei. Er erhielt zur Antwort: "Ach, das ist der <em>[Nachname des Angeklagten]</em>, er hat schon wieder einen unserer Kollegen getötet."</p>
<span class="absatzRechts">242</span><p class="absatzLinks">c)</p>
<span class="absatzRechts">243</span><p class="absatzLinks">An einem weiteren, ebenfalls nicht näher bestimmbaren Tag in der ersten Hälfte des Monats Oktober 1944 fuhr der Zeuge T3 mit dem Häftling E3, zwei weiteren Mithäftlingen jüdischer Abstammung und dem SS-Unterscharführer T9 zu dem Lagerabschnitt B II g). Zweck dieser Lkw-Fahrt war, bestimmte Sachen vom Stammlager in diesen Lagerabschnitt zu bringen und andere dort abzuholen. Die Häftlinge beluden den Lkw nach Weisungen des SS-Mannes T9 und des im Abschnitt B II g) tätigen SS-Unterscharführers T10. Für den Transport aus der im Westen der mittleren Barackenreihe gelegenen Baracke 11 des Lagers B II g) zum Lkw nutzten sie einen zweirädrigen kleinen Holzwagen, auf dem etwa sechs bis sieben Koffer Platz fanden.</p>
<span class="absatzRechts">244</span><p class="absatzLinks">Der Angeklagte traf zu dieser Zeit auf der inneren Lagerstraße zwischen der Baracke 11 und der im Westen der südlichen Barackenreihe stehenden Baracke 21 auf einen unbekannt gebliebenen männlichen Gefangenen jüdischer Abstammung in Häftlingskleidung. Er tötete ihn mit einem Schuß in die Herzgegend, wobei die näheren Tatumstände ungeklärt sind. Sicher ist jedoch, daß der Angeklagte den Häftling töten wollte und getötet hat.</p>
<span class="absatzRechts">245</span><p class="absatzLinks">Die im nördlichen Eingangsbereich der Baracke 11 bei geöffneter Tür befindlichen Häftlinge aus der SS-Unterkunftskammer hatten ebenso wie die SS-Angehörigen T9 und T10 den Schuß gehört. Sie gingen zu dem zwischen den Baracken 11 und 21 gelegenen Platz. Dort trafen sie auf den Angeklagten, der in der gesenkten rechten Hand eine Pistole hielt. Etwa ein bis zwei Meter von dem Angeklagten entfernt lag der unbekannte Häftling auf dem Boden. Der Zeuge T3 sah, daß die Häftlingsbekleidung des Gefangenen im Brustbereich nahe der Herzgegend durchblutet war und der Häftling kein Lebenszeichen von sich gab. Blutspuren um den Gefangenen nahm der Zeuge nicht wahr. Andere - als die genannten - SS-Angehörigen oder Häftlinge waren nicht zugegen. Auf die Frage des SS-Unterscharführer T10, was geschehen sei, gab der Angeklagte keine konkrete Auskunft. Stattdessen bat er die SS-Unterscharführer T10 und T9, ihm die Gefangenen, d. h. den Zeugen T3 und die weiteren Häftlinge, zum Abtransport der Leiche zu überlassen. Die Häftlinge wurden angewiesen, das Opfer auf den zweirädrigen Holzwagen zu laden. Der Zeuge T3 und der Häftling E3 fuhren das auf dem Wagen liegende Opfer anschließend über die holprige innere Lagerstraße zwischen der südlichen und mittleren Barackenreihe ca. 60 bis 70 Meter in östlicher Richtung bis in Höhe der Baracken 25 bis 27. Dort mußten sie die Leiche zwischen den Baracken 25 und 26 oder 26 und 27 ablegen. Sie hatten im Verlauf des Transportes festgestellt, daß das Opfer tot war.</p>
<span class="absatzRechts">246</span><p class="absatzLinks">In Abwesenheit des Angeklagten unterhielten sich die SS-Angehörigen T10 und T9 über den Vorfall. Der Zeuge T3 hörte, daß T10 darauf verwies, das sei <em>[Nachname des Angeklagten]</em> gewesen, er sei wegen ähnlicher Taten schon bekannt. In diesem Zusammenhang warnte er T9 vor dem Angeklagten mit den Worten, der Angeklagte sei eine "alte Spinne" - was in der Lagersprache für einen Denunzianten stand -, der selbst SS-Angehörige melde, wenn sie sich aus seiner Sicht zu tolerant gegenüber Gefangenen verhielten.</p>
<span class="absatzRechts">247</span><p class="absatzLinks">4.</p>
<span class="absatzRechts">248</span><p class="absatzLinks">Die Feststellungen zu diesem Abschnitt beruhen auf der Einlassung des Angeklagten, soweit ihr gefolgt werden konnte, und den Aussagen insbesondere der Zeugen G, M1, S, T3 und U1. </p>
<span class="absatzRechts">249</span><p class="absatzLinks">Der Angeklagte hat sich in seiner schriftlich vorformulierten Erklärung am ersten Prozeßtag zur Sache dahin eingelassen, er habe mit keiner der (angeklagten) Taten etwas zu tun, aus seiner Dienstpistole, die er als einzige Waffe besessen habe, habe er nie einen Schuß abgegeben. Das anschließende Schweigen hat er erst im Schlußwort gebrochen und an seine Eingangserklärung anschließend nochmals seine Unschuld beteuert. An der knappen Erklärung zu den Tatvorwürfen ist zutreffend, daß der Angeklagte eine Dienstpistole besaß. Ob ihm darüber hinaus weitere Schußwaffen - Gewehr, Maschinenpistole, Maschinengewehr - zur Verfügung standen, wofür vieles spricht, ist unerheblich. Ansonsten sieht die Kammer die Einlassung als unwahre Schutzbehauptung an. Für das Schwurgericht steht ohne jeden Zweifel fest, daß der Angeklagte die unter Ziffer 1. dargestellten Taten begangen und dabei den Tod der Opfer bewußt und gewollt herbeigeführt hat, um ihr aus seiner Sicht nichtswürdiges Leben auszulöschen. Ebenso ist das Gericht nach den glaubhaften - indirekt durch die Aussage der Zeugin S1 gestützten - Angaben des Zeugen S und der ebenfalls glaubhaften Aussage des Zeugen T3 davon überzeugt, daß dem Angeklagten die weiteren, unter Ziffer 3. beschriebenen Tathandlungen zur Last fallen. Die Überzeugung der Kammer stützt sich entscheidend, was die Taten zu 1. a) und b) anbelangt, auf die glaubhafte Schilderung des Zeugen G, was die Taten zu 1. c) und d) anbetrifft, auf die ebenso glaubhafte Darstellung der Zeugin M1. Der Überzeugung des Gerichts liegen weiter, wenngleich mit abgestufter Wertigkeit die Aussage der Zeugin U1, die den Wahrheitsgehalt der Bekundungen des Zeugen G zu dem Tatgeschehen zu Ziffer 1. b) nachhaltig unterstreicht und das bereits festgestellte allgemeine Verhalten des Angeklagten gegenüber den Häftlingen im KL Auschwitz, das ebenso wie die weiterhin dargestellten, erst im Verlauf der Hauptverhandlung aufgeklärten Taten zu Ziffer 3., die zutiefst menschenverachtende Grundhaltung des Angeklagten, der den Häftlingen jedes Lebensrecht absprach, belegt, zugrunde. Schließlich tritt, wenngleich als Indiz nur von denkbar untergeordneter Bedeutung, hinzu, daß eine Vielzahl der Zeugen bereits im Lager von Tötungshandlungen des Angeklagten, insbesondere von den im Zusammenhang mit seinen Schießübungen stehenden Taten erfahren hat. Von dem spätestens im Verlauf der einzelnen Tathandlungen gefaßten Willen des Angeklagten, die Opfer zu töten, ist die Kammer aufgrund des objektiven Geschehensablaufes in Verbindung mit dem allgemeinen Verhalten des Angeklagten - insbesondere seinen weiteren Taten und sonstigen Übergriffen - gegenüber den Häftlingen, die zusammen genommen zuverlässige Rückschlüsse auf seine Willensbildung zu den jeweiligen Tatzeiten eröffnen, überzeugt.</p>
<span class="absatzRechts">250</span><p class="absatzLinks">Bei der Würdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme einzeln und insgesamt hat das Schwurgericht die von der Verteidigung näher gekennzeichneten Erschwernisse für die Wahrheitsfindung durchaus im Auge. Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß dokumentarisches Beweismaterial nur in sehr begrenztem Maße zur Verfügung steht und die ansonsten in "normalen" Strafverfahren über solche und anderweite Beweismittel (Fotos, Obduktionsergebnis, Sachverständigengutachten etc.) vielfach bis ins Detail reichenden Erkenntnisse über eine Tat wegen der mehr als 40 Jahre zurückliegenden Ereignisse und der besonderen Umstände zur Zeit der NS-Gewaltherrschaft insbesondere in den Konzentrationslagern hier nicht in gleichem Maße erzielt werden konnten. Das ändert indes nichts daran, daß derart weit zurückliegende Geschehnisse selbst heute noch in gewissem Umfang aufklärbar sind, sogar dann, wenn das Strafverfahren im wesentlichen allein von Zeugenaussagen lebt. Der Verteidigung ist in diesem Zusammenhang allerdings zuzugestehen, daß der Zeugenbeweis allgemein als das schwächste Beweismittel gilt. Das Gericht stimmt mit der Verteidigung ebenfalls überein, daß besondere Zurückhaltung geboten ist, wenn nur ein einziger Zeuge für derart weit zurückliegende Vorfälle zur Verfügung steht. Nicht zu folgen ist der Verteidigung dagegen in der pauschalen Schlußfolgerung, immer dann, wenn nur ein Zeuge die Beweisgrundlage bilde, fehle es an einer ausreichenden Basis für die zuverlässige Überzeugungsbildung des Gerichts. Die mit derartigem Ausschließlichkeitscharakter versehene Aussage läßt außer acht, daß einem einzelnen Zeugen und seiner Aussage durchaus eine solch herausragende Qualität zukommen kann, daß schon danach keinerlei Zweifel an dem Wirklichkeitsgehalt des von ihm geschilderten Geschehens verbleiben. Zeugen von derart überragendem Gewicht stehen der Kammer in Gestalt der Zeugen G und M1, was die angeklagten Taten anbelangt, aber auch, was die weiteren - die rohe und unbarmherzige Gesinnung des Angeklagten kennzeichenden - Taten anbetrifft, mit den Zeugen S und T3 zur Verfügung. Bei der Würdigung ihrer - wie aller übrigen - Aussagen hat das Schwurgericht die allgemein bekannten psychologischen Erfahrungsgrundsätze über den Beweiswert von Zeugenaussagen, vor allem über denkbare Fehlerquellen, die generell geeignet sind, das Erinnerungsvermögen zu beeinträchtigen, berücksichtigt. Abgesehen von den nachfolgend dargestellten, nicht ins Gewicht fallenden kleinen Unebenheiten haben sich jedoch keinerlei den Aussagewert nachhaltig beeinträchtigende Auffälligkeiten in den Aussagen der genannten Zeugen ergeben. Ihre in sich und untereinander widerspruchsfreien Angaben passen sich vielmehr in das Gesamtbild ein, das die weiteren Zeugen, insbesondere diejenigen aus den Reihen der ehemaligen Häftlinge, von dem Angeklagten und seinem Verhalten im KL Auschwitz gezeichnet haben. Sie werden überdies in konkreten Einzelfällen durch Aussagen anderer Zeugen mittelbar bestätigt. Die Kammer hat daher keine Bedenken, ihre Aussagen zu den einzelnen Taten den Feststellungen zugrunde zu legen.</p>
<span class="absatzRechts">251</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">252</span><p class="absatzLinks">Die Ausführung der unter Ziffer 1. dargestellten Taten durch den Angeklagten steht für das Schwurgericht außer Frage. Die gegenteilige Einlassung des Angeklagten ist im Kern unglaubhaft. Der Angeklagte hat - wie unter Ziffer III. festgestellt - bereits zum Rahmengeschehen unwahre Angaben gemacht, die in ihrer Gesamtheit darauf abzielten, seine allgemeine Verstrickung in Schuld zu überdecken und seine Täterschaft von vornherein in Zweifel zu ziehen. Die Darstellung des Angeklagten ist in allen wesentlichen Punkten - vor allem, was den Zeitpunkt seines Einsatzes in den Effektenlagern I und II und sein allgemeines Verhalten gegenüber den Häftlingen im KL Auschwitz anbetrifft - widerlegt. Seiner Einlassung kommt danach ebenfalls nur eine denkbar eingeschränkte Bedeutung zu, vermag jedenfalls nicht die Überzeugung der Kammer in seiner Täterschaft bei den festgestellten Taten auch nur entfernt in Zweifel zu ziehen.</p>
<span class="absatzRechts">253</span><p class="absatzLinks">aa)</p>
<span class="absatzRechts">254</span><p class="absatzLinks">Die Darstellung des Geschehens zu den oben unter Ziffer 1. a) und b) festgestellten Taten beruht auf der glaubhaften Schilderung des Zeugen G. Die Glaubwürdigkeit des Zeugen ist über jeden Zweifel erhaben. Weder im Bereich der Motivationen, d. h. der individuellen Glaubwürdigkeit, noch zur Leistungsfähigkeit, d. h. der ursprünglichen Wahrnehmung und des Gedächtnisses, haben sich Anzeichen feststellen lassen, die einer kritischen Überprüfung nicht standhalten.</p>
<span class="absatzRechts">255</span><p class="absatzLinks">Der zur Zeit der Vernehmung 62 Jahre alte Zeuge wurde als polnischer Jude im Spätsommer des Jahres 1942 in Warschau verhaftet und in das KL Auschwitz deportiert. Dort verblieb er in der Zeit von September 1942 bis Oktober 1944. Während dieser Zeit war er im Aufräumkommando eingesetzt. Seit 1943 im Abschnitt B II d) des Lagers Birkenau untergebracht, arbeitete er bis August/September 1944 Vornehmlich im Effektenlager I. Alsdann erfolgte im Zusammenhang mit einer Typhus-Erkrankung seine Verlegung in den Lagerabschnitt B II g) und der Einsatz für das dortige Effektenlager II, der allerdings wegen seiner Erkrankung nur von kurzer Dauer war. Insoweit kann auf die Ausführungen zu Ziffer II. 6. c) Bezug genommen werden. Heute ist der Zeuge als Buchhalter in Israel tätig. Bei seiner Vernehmung vor dem Prozeßgericht trat er sicher und gewandt auf. Er beherrscht die deutsche Sprache weitgehend, mußte den hinzugezogenen Dolmetscher nur selten bemühen und berichtete intelligent und rasch reagierend über die weit zurückliegenden Geschehnisse. Bei in zwei Phasen deutlich werdender - verständlicher - Erregung war er ansonsten beherrscht und stellte die Geschehnisse zusammenhängend und sachlich dar. Im Verlauf der eingehenden Befragung blieb der Zeuge keine Antwort schuldig. Seine Aussage war von einem erstaunlich präzisen Gedächtnis, vor allem zu den Örtlichkeiten, SS-Angehörigen und bestimmten Vorfällen, getragen. Einzelausfälle in zeitlicher Hinsicht erklärte der Zeuge nachvollziehbar mit dem weit zurückliegenden Geschehen. In diesem Zusammenhang gab er jeweils präzise an, wenn er etwas nicht oder nicht genau wußte. Zugleich bemühte er sich, Lücken in seiner Erinnerung durch (geäußerte) logische Schlüsse und Wahrscheinlichkeitserwägungen zu füllen und solcherart einen (zeitlich) sinnvollen Zusammenhang herzustellen. Zur Aussagesituation hob der Zeuge hervor, daß er "noch nie vor einem Gericht" ausgesagt habe, "natürlich", noch dazu "in der Nähe des Slepak", aufgeregt sei; abgesehen von zwei polizeilichen Vernehmungen "in den 60er Jahren" - einmal zum Komplex Sachsenhausen, des weiteren wegen des SS-Arztes Dr. Mengele - sei er zu seiner Zeit als Häftling in Konzentrationslagern noch nie als Zeuge gehört worden, sehe man einmal von seiner Vorvernehmung in diesem Strafprozeß ab. Bei seiner Vorvernehmung "durch die Israel-Polizei am 13. Februar 1985" sei ihm die Erinnerung "sofort gekommen", als er "<em>[1. Vorname des Angeklagten]</em> und Slepak gehört" habe, da habe er "Bescheid gewußt", "<em>[1. Vorname des Angeklagten]</em>" sei "eingeritzt" in seinen Gedanken. Erst nachfolgend - so der Zeuge - sei ihm der vollständige Namen "<em>[Nachname des Angeklagten]</em>" eingefallen, den er schon bei der Vorvernehmung in einer ihm vorgelegten Lichtbildmappe, die neben Bildern des Angeklagten aus der damaligen Zeit Fotos anderer SS-Angehöriger beinhaltete, zweifelsfrei erkannt habe.</p>
<span class="absatzRechts">256</span><p class="absatzLinks">Zu seinem Erinnerungsprozeß versicherte der Zeuge, daß er außer den Vernehmungen mit niemandem über die den Angeklagten betreffenden Vorgänge gesprochen habe. Bis zu seiner ersten Befragung hätten diese Vorfälle in seinen Gedanken ohnehin keinen festen Platz gehabt. Für die Schreckenszeit im KL Auschwitz hätten ihm über lange Zeit nur die Experimente des SS-Arztes Dr. Mengele an lebenden Menschen (Häftlingen) vor Augen gestanden; das seien "scheußliche" und "quälende" Bilder der Erinnerung, die alles übertroffen hätten und ihn nicht selten heute noch bis in den Schlaf verfolgten. Sein Allgemeinbefinden stufte der Zeuge als altersentsprechend ein. Er verwies darauf, daß ihn sein Gedächtnis schon ab und an im Stich lasse; das sei vor allem bei Zeitangaben der Fall, die er bisweilen nur mühsam "zusammenbekomme". In diesem Zusammenhang hob der Zeuge hervor, daß er an die Zeit seiner Inhaftierung im KL Auschwitz mehr und sichere Erinnerungen habe als an nachfolgende Ereignisse; manche der damaligen Ereignisse seien "eingebrannt" in seinem Gedächtnis bzw. "eingeritzt" in seinen Gedanken. Zu den SS-Angehörigen bemerkte er, daß alle an der Tötungsmaschinerie teilgehabt hätten, die einen mehr, die anderen weniger. Der Zeuge ließ keinen Zweifel daran, daß der Angeklagte zu den erstgenannten zählte und er ihn als "Mörder" sieht.</p>
<span class="absatzRechts">257</span><p class="absatzLinks">Die Nähe zum Angeklagten beunruhigte den Zeugen sichtlich, ihn anzuschauen bereitete ihm Unbehagen. Gleichsam in einem Akt der Befreiung äußerte er, daß er den "Slepak", den "<em>[1. Vorname des Angeklagten]</em>" sofort wiedererkannt habe, als er den Sitzungssaal betreten habe und fuhr alsdann auf den Angeklagten blickend fort: "Ja, das ist er. Er soll seine Brille runternehmen. Damals trug er keine Brille. Ich bin Häftling 87215. Erkennen Sie mich?" In der ihm vorgelegten Lichtbildmappe identifizierte er den Angeklagten bei sich steigernder Erregung und schnellem Vor- und Zurückblättern schon nach wenigen Augenblicken: "Ich schaue, ich denke, ich bin in Auschwitz. Das ist er (Bild 8). Ganz eindeutig, das ist er (Bild 14). So habe ich ihn gesehen (Bild 2). Das ist er auch. Es ist ganz klar, auf diesen Bildern ist der Slepak abgebildet. Das ist der Mann, der heute hier sitzt." Eine ähnliche Erregung kam auf, als der Zeuge ansetzte, über den Fall in einer Baracke des Effektenlagers I zu berichten, in dessen Verlauf der Angeklagte einen unbekannten Häftling erschoß. Die Erregung unterdrückend und zugleich entschuldigend erläuterte der Zeuge: "Ich lebe es immer mit, wenn ich erzähle. Ich leide noch heute darunter." Er führte im weiteren aus, daß es ihn viel Kraft und Überwindung gekostet habe, seine Angst - auch vor der Erinnerung - niederzuhalten und zur Aussage nach Deutschland zu kommen, er nun allerdings "froh" sei, seiner Pflicht gegenüber den "toten Kollegen aus dem Lager" nachgekommen zu sein. Abschließend bat der Zeuge um ein "gerechtes Urteil". In beiden emotional geprägten Aussagephasen kehrte der Zeuge alsbald wieder zu einer betont sachlichen Darstellung der Geschehnisse zurück.</p>
<span class="absatzRechts">258</span><p class="absatzLinks">Die persönlichen Qualitäten des Zeugen G, d. h. der Wille zur wahrheitsgemäßen Aussage stehen nach seiner Person und Aussagequalität außer Frage. Der Zeuge hinterließ bei dem Schwurgericht einen ausgezeichneten Eindruck. Er war offensichtlich besorgt, nicht mehr zu sagen, als er wirklich wußte. Affektiv bedingte Reaktionen, die angesichts der ihm aufgezwungenen Wiedererinnerung an die schmerzlichen Erlebnisse im KL Auschwitz verständlich waren, blieben nur von kurzer Dauer und auf das weitere sachliche Aussageverhalten ohne Einfluß. Dabei machte der Zeuge aus seiner Antipathie gegen den Angeklagten allerdings kein Hehl. Zugleich war indes festzustellen, daß er sich dessen bewußt war und deshalb zu besonderer Vorsicht gegenüber der eigenen Erinnerung neigte, wenn Ereignisse zur Sprache kamen, die mit dem Angeklagten in Verbindung gebracht wurden. So gab er etwa zunächst an, daß er nicht wisse, ob der Angeklagte ebenfalls an Selektionen teilgenommen habe, um im weiteren Verlauf der Vernehmung unaufgefordert zu dieser Fragestellung zurückzukehren und zugunsten des Angeklagten anzumerken, daß er nicht glaube, daß der Angeklagte selektiert habe, diese Aufgabe sei in erster Linie den SS-Ärzten zugefallen. Überhaupt belegt die teils präzise Charakterisierung der einzelnen SS-Angehörigen, die er allerdings insgesamt als in der Tötungsmaschinerie verstrickt sah, durch den Zeugen den hohen Grad an Sachlichkeit. Selbst dem Zeugen H3, den er als weiteren Täter zu dem Geschehen an der Verladerampe des Effektenlagers I benannte, hielt er zugute, daß dieser es regelmäßig "übersah", wenn Häftlinge sich Lebensmittel aneigneten, während andere SS-Angehörige wie der Angeklagte dies zum Anlaß nahmen, mit den betroffenen Gefangenen "Sport zu treiben".</p>
<span class="absatzRechts">259</span><p class="absatzLinks">Die individuelle Glaubwürdigkeit des Zeugen wird von (vermeintlichen) Widersprüchen zu früheren Aussagen und den Angaben anderer Zeugen nicht berührt. Was die Angaben zu seiner Typhus-Erkrankung in der Aussage vom 20. November 1968 in einem anderweiten Strafverfahren anbelangt, ist bereits an früherer Stelle - oben zu Ziffer II. 6. c) - dargestellt worden, daß seine heutige Aussage keinesfalls, wie die Verteidigung meint, wahrheitswidrig ist, der Wirklichkeitsgehalt der Erinnerung vielmehr durch Indizien nachhaltig gestützt wird. Der Aussage des Zeugen H3 gemäß der Vernehmungsniederschrift vom 7. September 1987, in der dieser seine Täterschaft in dem zu Ziffer 1. b) festgestellten Tatgeschehen in Abrede stellte, steht der Glaubwürdigkeit des Zeugen G ebenfalls nicht entgegen. Die Kammer hat im Gegenteil allen Anlaß, die Aussage des Zeugen H3 anzuzweifeln. Das gilt nicht nur, weil der Zeuge durch die Bekundungen des Zeugen G ebenfalls belastet wird und somit, weil seine Tat in engem zeitlichen, örtlichen und inneren Zusammenhang mit denjenigen des Angeklagten steht, ein ureigenes Interesse daran hat, das Gesamtgeschehen abzustreiten. Hinzu kommt vielmehr das Aussageverhalten des Zeugen, der bereits allgemein deutliche Tendenzen erkennen ließ, die Verhältnisse im KL Auschwitz zu verniedlichen, insbesondere die Behandlung der Häftlinge durch die SS zu beschönigen und Verfehlungen der SS-Angehörigen nach besten Kräften zu verdrängen bzw. zu verschweigen. Seine Reaktion auf die Konfrontation mit dem Tatvorwurf war ebenfalls wenig einfühlsam. Er war spürbar verunsichert, zog sich zunächst darauf zurück, daß ihm ein solcher Vorfall - an dem er beteiligt sein sollte - "nicht bekannt" sei, erst in der Folge wollte er für seine Person ausschließen, daß er dabei gewesen sei, um schließlich verallgemeinernd anzugeben, es sei nicht passiert "und" er sei nicht dabei gewesen. Daß ein solcher Zeuge und eine derartige Aussage nicht entfernt geeignet ist, die individuelle Glaubwürdigkeit des Zeugen G in Frage zu stellen, bedarf keiner weiteren Darlegung.</p>
<span class="absatzRechts">260</span><p class="absatzLinks">Die Leistungsfähigkeit des Zeugen G zu einer wahrheitsgemäßen Aussage steht für das Schwurgericht ebenfalls außer Zweifel. Der Zeuge berichtete über das Tatgeschehen in den Fällen zu Ziffer 1. a) und b) wie über weitere Geschehnisse im Lager mit einer bemerkenswerten Erinnerungsgenauigkeit. Seine Schilderung war von einer Unmittelbarkeit und Lebendigkeit getragen, die den Stempel des Unverwechselbaren und Selbsterlebten deutlich erkennen ließen. Die Stimmigkeit und Folgerichtigkeit der von ihm dargestellten Geschehensabläufe zeugten ebenso wie spontane Korrekturen und Hervorhebung seiner Gemütsverfassung zur Zeit der Taten für ein hohes Maß an Fallglaubwürdigkeit. Seine Aussage enthielt keinerlei Anzeichen für eine berechnende, konsequente Zweckausrichtung. Tendenzen zum Abstrakten fehlten gänzlich. Der Zeuge berichtete anschaulich und unter Hervorhebung einer Vielzahl von wesentlichen und unwesentlichen Rahmendetails derart farbig und konkret über die Ereignisse, daß die Taten bildhaft wiederauflebten und die Stimmung im Verlauf der damaligen Ereignisse spürbar übermittelt wurde. Dabei legten die Angaben zu seiner eigenen Befindlichkeit während der Vorfälle offen, daß das Wahrnehmungserlebnis in beiden Fällen nicht nachhaltig durch seine psychische Ausgangsverfassung beeinträchtigt war. Insbesondere fehlten jedwede Anzeichen einer affektiven Einengung oder Ausblendung der Wahrnehmungen, die sich in Situationen des stärkeren affektiven Stresses - wie bei Panik, Schreck und Todesangst - als Folge eines egozentrischen Schutzverhaltens auf die Motivation zur Beobachtung und Weltzuwendung auswirken können. Der Zeuge hatte allerdings keine "volle" Erinnerung an die Geschehnisse. Eine derartige Erinnerung ist indes, zumal nach so langem Zeitlauf überaus selten und müßte, würde sie an den Tag gelegt, eher zur Vorsicht mahnen. Seine "einfache" Erinnerung erwies indes zum Kerngeschehen einen hohen Grad an Erinnerungsgenauigkeit und war selbst zu den Rahmendetails, soweit der Zeuge sie erinnern konnte, von einer erstaunlichen Präzision und Wirklichkeitsnähe gekennzeichnet.</p>
<span class="absatzRechts">261</span><p class="absatzLinks">Die Ausführungen des Zeugen über sein Vergessen und Erinnern waren einfühlsam und stehen mit den allgemein bekannten psychologischen Erfahrungssätzen in Einklang. Insbesondere die Anmerkung, daß er manche Ereignisse aus der Zeit seiner Inhaftierung im KL Auschwitz zuverlässiger erinnere als Begebenheiten aus der nachfolgenden Zeit, findet eine Erklärung in der sogenannten Vergessenskurve, die den Vorrang des Altgedächtnisses vor dem später Hinzugelernten gekennzeichnet, d. h. daß bei dem Abbau des Gedächtnisses durch Alter oder Krankheit regelmäßig die Erinnerungen in der umgekehrten Reihenfolge vergessen werden, wie sie erworben wurden. Das gilt um so mehr dann, wenn Erinnerungen von höchst ungleichem Gewicht, wie die aus der Schreckenszeit im KL Auschwitz und diejenigen aus Zeitabschnitten von geringerer lebensgeschichtlicher Bedeutung, miteinander konkurrieren.</p>
<span class="absatzRechts">262</span><p class="absatzLinks">Auffälligkeiten waren bei dem Zeugen ebenfalls nicht im Rahmen der sukzessiven Reproduktion der Erinnerung zu verzeichnen. Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß über längere Zeit bewahrte Erinnerungsbilder bei jeder Wiederbelebung im Bewußtsein aus einem Kristallisationskern einzelner - zumeist affektbetonter - Gedächtnisreste neu aufgebaut werden. Diese sukzessive Reproduktion verlief bei dem Zeugen G frei von störenden Fremdbeeinflussungen, die die Grenzen zwischen selbsterlebten und später erworbenen Informationen verwischen könnten. Der Zeuge war zu den hier in Rede stehenden Vorfällen lediglich im Rahmen des Vorverfahrens gehört worden. Er hatte ansonsten mit niemandem über die Ereignisse gesprochen. Eine Fremdbeeinflussung kann danach zuverlässig ausgeschlossen werden. Die Wiederbelebung des Gedächtnisses in der Hauptverhandlung lehnte sich auch nicht eng an die Vorvernehmung an. Der Zeuge löste sich vielmehr weitgehend von der voraufgegangenen Aussage und erzählte frei und in anderen Zusammenhängen aus seiner Erinnerung. Dabei kam es allerdings zu kleinen Unebenheiten, denen jedoch insgesamt kein nennenswertes Gewicht zukommt. So verwechselte der Zeuge etwa bei seinem Bericht zunächst die SS-Angehörigen X und H3 und gab erst auf Nachfrage an, daß er in dem Fall zu Ziffer 1. a) von X geschlagen worden sei, H3 hingegen in dem Fall zu Ziffer 1. b) den dritten Häftling erschossen habe. Zu seiner Vergegenwärtigung befragt äußerte der Zeuge, daß er im Nachhinein seinerzeit ja glücklich gewesen sei, auf X und nicht den Angeklagten getroffen zu sein, da er andernfalls ebenfalls Opfer des Angeklagten hätte werden können. Auf diese Weise stellte der Zeuge aus seiner Erinnerung zu einem affektbetonten Erinnerungsdetail wieder einen sinnvollen Zusammenhang her. Das gilt gleichermaßen für seine Aussage in bezug auf das Opfer "Lipa", das der Zeuge anfänglich dem Fall zu Ziffer 1. a) zuordnete, auf Befragung hingegen klarstellte, die drei Häftlinge im Fall Ziffer 1. b) seien allesamt aus Grodno gewesen, zu ihnen habe der ebenfalls aus Grodno stammende Lipa gehört. Danach befragt, ob sich die Vorfälle vor oder nach der ihm bekannten Erschießung des SS-Angehörigen T durch einen weiblichen Häftling ereignet hätten, gab der Zeuge anfangs an, das sei "wohl" vor dem Ereignis mit T gewesen. Er schränkte indes zugleich ein, er könne sich nicht mehr genau erinnern, wann "das mit T geschehen sei. Auf Vorhalt, daß diese Begebenheit sich im Jahre 1943 zugetragen habe, erwiderte er spontan, daß die Vorfälle mit dem Angeklagten "dann" danach gelegen seien, weil er ihn ja erst im "44er Jahr" kennengelernt habe. In diesem Zusammenhang hob der Zeuge nochmals hervor, daß ihm die Zeiteinteilung mitunter Schwierigkeiten bereite, insbesondere dann, wenn er - wie im Falle T - das Geschehene nicht selbst erlebt, sondern hiervon nur gehört habe. Zu Auffälligkeiten des Angeklagten befragt, meinte der Zeuge sich an eine Narbe über dessen linkem Auge zu erinnern. Er schränkte auch hier indes die Zuverlässigkeit seiner Erinnerung ein, indem er darauf verwies, daß er ja nicht näher an den Angeklagten herangekommen sei. Vor diesem Hintergrund kam der Frage, ob der Angeklagte seinerzeit eine Narbe über dem linken Auge hatte, keine Bedeutung zu. Es sprach jedenfalls für und nicht gegen den Zeugen, daß er zu diesem wie zu anderen Details die Grenzen seines Gedächtnisvermögens offenbarte.</p>
<span class="absatzRechts">263</span><p class="absatzLinks">Schließlich kann aufgrund des bei der Vernehmung gewonnenen Gesamteindrucks zuverlässig ausgeschlossen werden, daß seine Leistungsfähigkeit durch anderweite Einflüsse - Alter, Krankheit - beeinträchtigt war. Der Zeuge war bei der Vernehmung in der Hauptverhandlung einer erheblichen geistigen Beanspruchung ausgesetzt, die, wie er abschließend erklärte, fast über seine Kräfte gegangen sei. Zu nennenswerten Ausfällen kam es nicht. Er durchstand die Höchstbeanspruchung vielmehr in imponierender Art und Weise. Kurzweilige Emotionen, die bei der Wiedererinnerung geweckt wurden, beeinträchtigten - wie erwähnt - den realitätsgemäßen Bericht in keiner Weise. Insgesamt steht danach für das Schwurgericht fest, daß der Zeuge gewillt und imstande war, wahrheitsgemäß zu berichten. Schon aufgrund seiner glaubhaften Aussage ist die Kammer daher von den unter Ziffer 1. a) und b) dargestellten Taten des Angeklagten überzeugt.</p>
<span class="absatzRechts">264</span><p class="absatzLinks">Der Wahrheitsgehalt der Aussage des Zeugen G wird überdies, was die Erschießung von zwei unbekannten Häftlingen (Fall zu Ziffer 1. b) anbelangt, nachhaltig unterstrichen durch die Angaben der Zeugin U1.</p>
<span class="absatzRechts">265</span><p class="absatzLinks">Die Glaubwürdigkeit dieser Zeugin steht ebenfalls nicht in Zweifel. Sie war gleichfalls deutlich besorgt, keinesfalls mehr zu sagen, als sie sicher wußte, zeigte bei ihrer Vernehmung zudem eine distanzierte Haltung, die jeden anklägerischen oder sonstigen Affekt vermied. Sehr eindrücklich ging sie auf eigene Wahrnehmungseinschränkungen ein, da sie sehr ängstlich gewesen sei. Sie erweckte einen überaus zuverlässigen Eindruck. Ihre Beziehung zu dem früheren SS-Angehörigen X3 deckte sie auf, obwohl ihr dies sichtlich schwer fiel. Sie ließ ebenfalls nicht unerwähnt, daß X3 ihre Schwester vor dem sicheren Tod in der Gaskammer gerettet habe. Bei der Beurteilung der einzelnen SS-Angehörigen fiel es ihr ohnehin nicht schwer, zu differenzieren und zu dem einen oder anderen auch gute Seiten aufzuzeigen. Ihrer Aussage lag eine beachtenswerte moralische Grundhaltung zugrunde. Das innerliche Streben nach Gerechtigkeit war offenbar, als sie über die äußeren und inneren Schwierigkeiten anläßlich ihrer Aussage in dem anderweiten Strafverfahren gegen X3 und H3 vor einem österreichischen Gericht berichtete. Zur Verdeutlichung merkte sie an, daß Freunde und Bekannte ihr seinerzeit abgeraten, ja sogar nachhaltig auf sie eingewirkt hätten, sich nicht zu einer Vernehmung nach Österreich zu begeben, um einem SS-Mann zu helfen. Alle Anfeindungen hätten sie - so die Zeugin - aber nicht von einer Aussage abhalten können, weil man über "die guten Taten ebenso berichten muß wie über die schlechten". Die Eignung der Zeugin, insbesondere ihr unbedingter Wille zu einer wahrheitsgemäßen Aussage ist nicht zweifelhaft.</p>
<span class="absatzRechts">266</span><p class="absatzLinks">Ihre Leistungsfähigkeit, d. h. ihr Vermögen richtig auszusagen, begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Die Zeugin hob selbst hervor, daß sie im KL Auschwitz viele Situationen erlebt habe, in denen Angst und Schrecken vorgeherrscht und sie davon abgehalten hätten, die Vorgänge genau zu beobachten; andererseits habe sich vieles aus der damaligen Zeit - wie etwa die Errettung ihrer Schwester - in ihrer Erinnerung festgesetzt, worüber sie, wenn sie darauf konkret angesprochen werde, "stundenlang" berichten könne. Wesentliche Einschränkungen des Erinnerungsvermögens durch Alter oder Krankheit waren ebensowenig zu verzeichnen wie affektive Tendenzen in der Vernehmungssituation, die einer realitätsgerechten Schilderung hätten entgegenstehen können. Die den Angeklagten betreffenden Erinnerungen trug die Zeugin ausgesprochen sachlich vor. Sie schilderte anschaulich und einfühlsam die die Aussage des Zeugen G unterstützende Begebenheit, bei der sie mit der Tagschicht nach Beendigung der Arbeit im Sommer 1944 stundenlang bei einem Appell im Effektenlager I angestanden habe, weil Häftlinge nicht auffindbar gewesen seien. Deutlich grenzte sie die selbsterlebte Suche nach den Häftlingen im Effektenlager I durch SS-Angehörige ab von den im weiteren Verlauf gehörten Schüssen und dies wiederum von ihrer Erinnerung vom bloßen Hörensagen, daß sie nämlich später erst im FKL gehört habe, daß der Angeklagte zwei Gefangene, der Zeuge H3 hingegen einen dritten Häftling erschossen habe, die einen Fluchtversuch gewagt hätten. Ebenso klar brachte die Zeugin zum Ausdruck, daß sie von den Taten des Angeklagten, die im Zusammenhang mit seinen Schießübungen auf Konservendosen standen und in deren Verlauf Deportierte bzw. Häftlinge - "auch Kinder" - erschossen worden seien, erst in Breczinki (Lagerabschnitt B II g) gehört, solche Taten dagegen nicht miterlebt habe.</p>
<span class="absatzRechts">267</span><p class="absatzLinks">Fremdbeeinflussungen waren bei der Zeugin ebenfalls auszuschließen. Der von der Verteidigung ins Feld geführte Umstand, daß sich die Zeugin gelegentlich mit Freunden und Bekannten aus der Zeit ihrer Inhaftierung im KL Auschwitz trifft, läßt außer acht, daß die Zeugin mit Blick auf ihre negativen Erfahrungen anläßlich ihrer Aussage vor einem österreichischen Gericht glaubhaft versicherte, mit niemandem über die hier in Rede stehenden Taten gesprochen und sogar die Anreise zum Prozeßtermin weitgehend geheimgehalten zu haben. Widersprüche zu früheren und zu Aussagen anderer Zeugen schienen nur in einem Punkt auf. Die Kammer hat gemäß dem Beweisantrag der Verteidigung vom 12. November 1987 zu Nr. 22 mit Beschluß vom 14. Dezember 1987 zu Ziffer II. 7. zugunsten des Angeklagten als wahr unterstellt: "In ihrer Vernehmung im Ermittlungsverfahren gegen die Zeugen X3 und H3 vom 21. Januar 1972. (Beiheft II, S. 136) hat die Zeugin U1 zu Protokoll gegeben: "Im Kommando Kanada selbst wurde während der Zeit meiner Zugehörigkeit keiner der Kommando-Angehörigen ermordet. Ich weiß auch nichts davon, daß im Rahmen des Kommandos Kanada andere Häftlinge getötet, respektive aufgegriffen und zur Tötung auf andere Stellen befördert wurden." Bei dieser Vernehmung hat die Zeugin - dem protokollierten Wortlaut entsprechend - ohne jede Einschränkung bekundet, daß während ihrer Zeit der Zugehörigkeit zum Kommando Kanada nicht nur von X3, sondern auch von keinem anderen SS-Mann jemand ermordet worden ist." In dem Beschluß hat die Kammer zugleich vorsorglich hervorgehoben, daß die Zeugin im Rahmen ihrer Vernehmung vom 4. Juni 1987 eine im Kern von der Darstellung der Verteidigung in den Beweisbehauptungen abweichende Erklärung für die damalige Aussage gegeben hat. Konfrontiert mit jener Aussage, die die Kammer als wahr unterstellt hat, erläuterte die Zeugin, daß sie seinerzeit auf X3 "konzentriert" gewesen sei, um dessen Verhalten sei es gegangen, "zu und für" ihn habe sie ausgesagt. Die Erklärung der Zeugin fand dementsprechend eine Grundlage nicht darin, daß sie etwa nur zu X3 befragt worden wäre. Die Zeugin machte für ihre Aussage nicht die Person des sie Vernehmenden, sondern ausschließlich ihre durch die Konzentration auf X3 verkürzte Betrachtungsweise verantwortlich. Die affektiv bedingte Einengung ihrer Erinnerung bei der Aussage vom 21. Januar 1972 ist angesichts der Bedeutung, die der SS-Angehörige X3 für ihr Leben im KL Auschwitz hatte, durchaus nachvollziehbar und geeignet, den vermeintlichen Widerspruch zu ihrer Aussage im vorliegenden Prozeß aufzulösen. Die Kammer steht daher nicht an, ihre Angaben in Zweifel zu ziehen.</p>
<span class="absatzRechts">268</span><p class="absatzLinks">Die Aussage des Zeugen G wird weiterhin - wenngleich nur mittelbar - bestätigt von dem Zeugen X2, dessen Glaubwürdigkeit ebenfalls nicht zweifelhaft ist. Der zur Zeit der Vernehmung 71 Jahre alte Zeuge empfand die Aussagesituation als überaus belastend. Ihn bedrückte die Erinnerung an die "grauenvolle" Zeit im KL Auschwitz sichtlich, was in den Worten "37 Monate im Konzentrationslager sind genug" sinnfällig zum Ausdruck kam. Der Zeuge war zwar jederzeit bemüht, seine Erinnerung wachzurufen. Er ließ indes keinen Zweifel daran, daß sein Leistungsvermögen nicht so sehr aufgrund des allgemeinen, altersentsprechenden Abbaues des Gedächtnisses, sondern vielmehr als Folge seines ständigen Strebens, die Ereignisse aus der "schlimmsten Zeit" seines Lebens zu verdrängen, nachgelassen habe. So konnte er zwar angeben, daß er vielfach erlebt habe, wie Häftlinge versucht hätten, in Eisenbahnwaggons unter Effekten versteckt zu fliehen; er habe weiter erlebt, daß bei derartigen Fluchtversuchen Häftlinge erschossen worden seien, habe jedoch keine zuverlässige Erinnerung mehr, wer diese SS-Angehörigen gewesen seien, obwohl er "sie doch gesehen" habe. Ebenso war dem Zeugen aus dem Effektenlager I bekannt, daß ein Häftling, der nach einem Weckruf verschlafen hatte, erschossen worden sei. Auch hier konnte er sich indes nicht an den SS-Mann erinnern, dem diese Tat zugeschrieben wurde. Immerhin belegt seine äußerst vorsichtig gehaltene Aussage, daß sich ein von dem Zeugen G geschilderter - unter Ziffer 1. a) festgestellter - Fall im Effektenlager I zugetragen hat.</p>
<span class="absatzRechts">269</span><p class="absatzLinks">Schließlich wird der Wahrheitsgehalt der Aussage des Zeugen G durch eine Vielzahl an Übereinstimmungen zu Rahmendetails und scheinbar oder tatsächlich nebensächlichen Punkten - wie etwa zu Örtlichkeiten, Zeitangaben, SS-Angehörigen usw. - mit Aussagen anderer Zeugen unterstrichen. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, daß der Zeuge G das "Sporttreiben" des Angeklagten mit Häftlingen der Rampenkommandos im Abschnitt B II d) des Lagers Birkenau - wo die männlichen Häftlinge der Rampenkommandos untergebracht waren - ebenso erwähnte wie der Zeuge L3.</p>
<span class="absatzRechts">270</span><p class="absatzLinks">Andererseits sind die von der Verteidigung bemühten Gesichtspunkte nicht geeignet, die Täterschaft des Angeklagten in den zu Ziffer 1. a) und b) festgestellten Taten in Frage zu stellen. Die Kammer hat allerdings dem Beweisantrag Nr. 8 der Verteidigung vom 17. August 1987 (teilweise) folgend mit Beschluß vom 14. Dezember 1987 zu Ziffer III., 2. c) zugunsten des Angeklagten als wahr unterstellt: "Während der Lagerzugehörigkeit des nachbenannten Zeugen (X9) haben einmal, nämlich Anfang 1943, zwei Häftlinge einen Fluchtversuch unternommen, indem sie sich in einem Güterwaggon zwischen den abzutransportierenden Sachen versteckt hatten. Diese Häftlinge wurden aufgefunden und nach Mißhandlung durch den Scharführer X7 erschossen." Das Gericht hat schon im Beschluß vorsorglich angemerkt, daß die Wahrunterstellung einen Vorfall aus dem Jahre 1943 betrifft. Dieser Vorfall hätte nur dann Bedeutung erlangen können, wenn festgestellt worden wäre, daß sich nur ein einziger derartiger Fluchtversuch zugetragen hat. Das Gegenteil ist hingegen erwiesen. Abgesehen von den Zeugen aus den Reihen der ehemaligen Häftlinge - wie etwa dem Zeugen X2 - hat selbst der frühere SS-Angehörige H von vielen solcher Fluchtversuche berichtet, bei denen Häftlinge durch "Genickschuß" getötet worden seien. Der Vorfall aus dem Jahre 1943, bei dem zudem an dem Fluchtversuch nur zwei Häftlinge beteiligt waren, berührt folglich die Feststellungen zu Ziffer 1. b) in keiner Weise. Das gilt gleichermaßen für den Hinweis der Verteidigung auf die Aussage des Zeugen E. Nach dessen Bericht war bei einem weiteren Fall ein "Muselmann aus Grodno" im Rahmen eines ähnlichen Fluchtversuchs etwa im April/Mai 1943 von dem Zeugen H3 erschossen worden. Die von dem Zeugen E geschilderte Tat wies deutliche Unterscheidungsmerkmale (1943, ein Häftling, ein Täter, keine voraufgegangene Mißhandlung) zu dem hier in Rede stehenden Geschehen (1944, drei Häftlinge, zwei Täter, voraufgegangene Mißhandlungen) auf. Die beiden Übereinstimmungen (Häftling aus Grodno, H3) fallen demgegenüber nicht ins Gewicht, zumal nichts dagegen spricht, daß der Zeuge H3 an beiden Vorfällen beteiligt war.</p>
<span class="absatzRechts">271</span><p class="absatzLinks">bb)</p>
<span class="absatzRechts">272</span><p class="absatzLinks">Die Feststellungen zu den unter Ziffer 1. c) und d) dargestellten Taten folgen dem glaubhaften Bericht der Zeugin M1. Die subjektive Glaubwürdigkeit der Zeugin im Hinblick auf ihre Wahrheitsliebe und ihren Willen zur Objektivität ist nicht zu bezweifeln. Die Leistungsfähigkeit der Zeugin in bezug auf die Wahrnehmung der ursprünglichen Geschehnisse und Erinnerung an solche Situationen dem wesensmäßigen Inhalt nach steht von einer Ausnahme abgesehen, die auf den Einzelfall beschränkt blieb und eine naheliegende Erklärung in der Geschichte ihrer Aussage und der Aussagesituation findet, ebenfalls außer Frage.</p>
<span class="absatzRechts">273</span><p class="absatzLinks">Die zur Zeit ihrer Vernehmung 66 Jahre alte Zeugin ist Ungarin und gehört der jüdischen Religionsgemeinschaft an. Als Jüdin wurde sie im März 1944 bei einer Straßenkontrolle in Budapest verhaftet, von der Familie getrennt und in das KL Auschwitz deportiert. Dort war sie spätestens seit Juli 1944 im Abschnitt B II g) des Lagers Birkenau untergebracht und arbeitete bis Januar 1945 in einem Sortierkommando des Effektenlagers II. Heute lebt die Zeugin als Rentnerin in Ungarn.</p>
<span class="absatzRechts">274</span><p class="absatzLinks">Bei der Vernehmung vor dem Prozeßgericht trat sie überwiegend ruhig und gefaßt auf. Der Zeugin war allerdings anzumerken, daß ihr die Aussagesituation anfänglich, als sie den Angeklagten und den vollbesetzten Sitzungssaal wahrnahm, Unbehagen bereitete. Sie sagte in dieser Phase stockend und vornehmlich in ungarischer Sprache aus, während sie im weiteren Verlauf der Vernehmung immer mehr dazu überging, in gebrochenem, gleichwohl weitgehend verständlichen Deutsch von den Ereignissen zu berichten. Sie vermittelte den Eindruck einer einfachen, durchschnittlich intelligenten Frau, die keinesfalls in der Lage ist, bewußt wahrheitswidrige Sachverhalte zu erfinden oder als selbsterlebt zu übernehmen, darzustellen und bei näherer Befragung die Folgerichtigkeit solcher Geschehensabläufe einzuhalten. Affektiv bedingte Tendenzen wie Haß, Rachsucht oder Vergeltungsstreben fehlten gänzlich. Unverkennbar war allerdings, daß die Wiedererinnerung die Zeugin schmerzte und das zu Ziffer 1. c) festgestellte Tatgeschehen in ihrem Gedächtnis einen alles überragenden, teils sogar andere Ereignisse überdeckenden Platz einnahm. Hierauf wird nachfolgend noch gesondert einzugehen sein. Abgesehen von der Darstellung zu der Erschießung eines unbekannt gebliebenen kleinen Kindes durch den Angeklagten waren emotionale Spannungen, die bei der Wiedererinnerung hervorgerufen wurden, bei der Zeugin nicht feststellbar. Zur Vernehmungssituation gab die Zeugin an, daß sie außer in dem vorliegenden Verfahren noch nie in einem Strafverfahren zu Vorfällen aus der Zeit ihrer Inhaftierung im KL Auschwitz, erst recht nicht vor einem Gericht befragt worden sei. Sie hob hervor, daß sie nach dem Kriege aus dem Kreis der früheren Häftlinge nur Kontakt zu der Zeugin B und der verstorbenen Zeugin I6 gehalten habe, sie es indes vermieden hätten, sich über die Zeit in Auschwitz zu unterhalten. überhaupt sei sie, wie die Zeugin versicherte, besorgt gewesen, mit niemandem über diese oder andere Vorfälle aus dem KL Auschwitz zu sprechen, weil dies mit unangenehmen Erinnerungen verbunden sei. In diesem Zusammenhang hob die Zeugin hervor, daß ihr nach der ersten Vernehmung im Vorverfahren vom 26. Juni 1984 in Ungarn vieles wieder eingefallen sei, was "tief vergraben" gewesen sei. Erläuternd fügte sie hinzu, daß sie zwar den "Slepy", den "Blinden" in der ihr vorgelegten Lichtbildmappe unter mehreren SS-Angehörigen sofort erkannt und sich an sein "schlechtes Benehmen" erinnert habe; viele Einzelheiten seien jedoch erst nach der Vernehmung wieder in ihre Erinnerung zurückgekehrt, wobei vor allem das "Geschehen mit dem kleinen Jungen" sie zutiefst bewegt habe. "Mit Macht" seien - so die Zeugin - die Gefühle von damals wieder aufgebrochen, insbesondere ihr Unverständnis über das "alles in den Schatten" stellende Ereignis mit dem Kind und die bohrenden Fragen: "Warum hat er das gemacht? Warum das Kind? Es hatte doch nichts getan", hätten ihr keine Ruhe gelassen. Die Zeugin ließ erkennen, daß ähnliche Erinnerungen und Gefühle sie nach ihrer Vernehmung durch den ungarischen Rechtshilferichter im Beisein deutscher Verfahrensbeteiligter vom 18. Mai 1987 beherrscht hätten. Die weiteren den Angeklagten betreffenden Vorfälle berührten sie emotional auch bei ihrer Vernehmung vor dem Prozeßgericht erheblich weniger. Erkrankungen oder seelische Störungen spielten bei der Aussage der Zeugin keine Rolle. Die Leistungsfähigkeit ihres Gedächtnisses stufte sie als altersgemäß ein, wobei sie anmerkte, daß sie Örtlichkeiten ebenso wie Zeiten und Personen allgemein nicht immer auf Anhieb erinnere; andererseits seien ihr bestimmte Personen, vor allem aus dem KL Auschwitz heute noch bestens erinnerlich. Hierzu verwies die Zeugin auf den Zeugen X3 der "hinkte und einem jüdischen Mädchen "(U1)" hofierte". Zu dem Angeklagten hob sie hervor, daß ihr der Name "<em>[Nachname des Angeklagten]</em>" damals nicht bekannt gewesen sei, der Angeklagte sei ihr nur unter dem Spottnarren "Slepy", den er "wegen des Glasauges" hatte, erinnerlich. Zum Wiedererkennen befragt äußerte die Zeugin ohne besondere Erregung mit Fingerzeig auf den Angeklagten: "Dort sitzt er. Immer lächelte er; auch dort lächelte er."</p>
<span class="absatzRechts">275</span><p class="absatzLinks">Die individuelle Glaubwürdigkeit der Zeugin M1 steht für die Kammer nach Persönlichkeit und Aussage nicht in Zweifel. Ihr Streben nach einer wahrhaften Aussage war allenthalben spürbar. Sie kennzeichnete deutlich, wenn sie bei der eingehenden Befragung an die Grenzen ihres Leistungsvermögens stieß und Detailfragen nicht genau beantworten konnte. Andererseits ließ sie keinen Zweifel daran, daß bestimmte Vorkommnisse im Lager ihr im Kerngeschehen noch so erinnerlich sind, als wären sie "gestern" geschehen. Hierüber berichtete sie ohne jede über die tatsächlichen Ereignisse hinausgehende Belastungstendenz. Die von der Verteidigung als Beispiel für Übertreibungstendenzen angesprochene Aussage der Zeugin, im Lager "Kanada" seien täglich Häftlinge getötet bzw. erschossen worden, läßt außer acht, daß die Zeugin bei dieser Angabe einen deutlichen Bezug zu den Krematorien herstellte, "Kanada" zu den Krematorien zählte und in das "tägliche" Massensterben der Häftlinge in den Krematorien einbezog.</p>
<span class="absatzRechts">276</span><p class="absatzLinks">Die Zeugin war sich durchaus bewußt, daß sie die Wiedererinnerung an das "Geschehen mit dem Kind" emotional zutiefst bewegte. Die affektive Spannung blieb zwar nicht ohne Einfluß auf die Leistungsfähigkeit ihres Gedächtnisses, was das Geschehen zu Ziffer 1. d) und den weiterhin erhobenen Anklagevorwurf - oben zu Ziffer 2. - anbelangt. Sie beeinträchtigt indes nicht die individuelle Glaubwürdigkeit der Zeugin. Nennenswerte Abweichungen zu der früheren Aussage vom 26. Juni 1984 waren - abgesehen von dem Fall, der einen männlichen Häftling betraf - nicht festzustellen. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, daß der von der Verteidigung im Schlußvortrag Immer wieder bemühte Vergleich mit der Aussage der Zeugin vom 18. Mai 1987 vor dem ungarischen Rechtshilferichter bereits im Ansatz verfehlt ist. Diese Aussage mußte im vorliegenden Verfahren unberücksichtigt bleiben, nachdem sich die Zeugin anläßlich der Vernehmung in Ungarn bereit erklärt hatte, vor dem Prozeßgericht zu erscheinen und ihrer Erklärung folgend vor der Kammer ausgesagt hat. Der Vorsitzende hat zwar anläßlich der Vernehmung der Zeugin vor dem Schwurgericht Vorhalte aus der in Ungarn durchgeführten Vernehmung zugelassen; er hat indes zugleich hervorgehoben, daß das Protokoll über jene Vernehmung nach der Erinnerung der am 18. Mai 1987 anwesenden deutschen Berufsrichter nicht in allen Punkten dem entsprach, was die Zeugin dort tatsächlich ausgesagt hatte.</p>
<span class="absatzRechts">277</span><p class="absatzLinks">Die Ausführungen der Verteidigung zu angeblichen Widersprüchen in der Aussage der Zeugin vor dem Schwurgericht gegenüber derjenigen vom 26. Juni 1984 im Vorverfahren teilt die Kammer nicht. Die Zeugin M1 hat das Tatgeschehen zu Ziffer 1. c) wie festgestellt geschildert. Entgegen dem Schlußvortrag der Verteidigung ging sie bei ihrer Aussage vor dem Gericht wie bei der ersten Vernehmung darauf ein, daß der Angeklagte das Kind aufgefordert habe, die Hände zu falten, zu klatschen und mit ihm zu tanzen. Die Anmerkung der Verteidigung, die Zeugin habe bei ihrer ersten Vernehmung nicht erwähnt, daß der Junge nach Essen oder Trinken verlangt habe, läßt unberücksichtigt, daß die Zeugin - hiernach befragt - dies keineswegs als feststehend schilderte, sondern als möglichen Grund für das Betteln des Kindes ("das Kind hatte wohl etwas zu trinken oder essen begehrt") angab. Gleichermaßen trifft die Zeugin nicht der Vorwurf, sie habe die früheren weiblichen Häftlinge B und I6 fälschlich als weitere Augenzeugen bezeichnet. Hierzu führte die Zeugin M1 lediglich aus, daß andere Häftlinge das Geschehen ebenfalls verfolgt hätten und "B und I6 auch dabei gewesen sein könnten." Die weiteren Anwürfe der Verteidigung, bei der ersten Vernehmung habe die Zeugin nichts davon erwähnt, daß der Angeklagte bei dem Kind drei Dosen verwandt und es, nachdem er es erschossen hatte, getreten habe, vermögen die Glaubwürdigkeit der Zeugin ebenfalls nicht zu erschüttern. Abgesehen davon, daß die Zeugin selbst hervorhob, daß ihr viele Einzelheiten zu diesem Handlungsteil erst nachfolgend eingefallen seien, handelt es sich um Rahmendetails, die keineswegs selten - vor allem nach so langen Zeiträumen - erst bei der Vergegenwärtigung des Kerngeschehens erinnert werden. Die Wertung der Verteidigung, die Verwendung von drei Konservendosen in dem zu Ziffer 1. c) dargestellten Fall sei "absurd", weise "keine Wirklichkeitsnähe" auf und entspreche nicht den "Naturgesetzen", vermag die Kammer nicht nachzuvollziehen. Die Zeugin verwies in diesem Zusammenhang darauf, daß die Befragung vom 26. Juni 1984 viel weniger eingehend als vor dem Schwurgericht gewesen sei. Sie beharrte trotz wiederholter Vorhalte auf ihrer Darstellung. Sich halb vom Stuhl erhebend führte sie bei ihrer Schilderung vom Verhalten des Kindes plastisch vor, wie das Kind "starr vor Schreck dagestanden" habe. Laut nachdenkend über die außergewöhnliche Regungslosigkeit des Kindes deutete die Zeugin an, daß der Junge wohl gedacht habe, daß es "gut für ihn wäre, ganz ruhig stehenzubleiben".</p>
<span class="absatzRechts">278</span><p class="absatzLinks">Zu dem unter Ziffer 1. d) festgestellten Tatgeschehen greift die Verteidigung die Darstellung der Zeugin als "wirr" und "nicht nachvollziehbar" an. Auch hier vermag ihr das Schwurgericht nicht beizutreten. Zuzugeben ist der Verteidigung allein, daß die Zeugin M1 das Tatgeschehen kurz und knapp darstellte. Dies kommt in den Feststellungen zum Ausdruck. Deutlich erkennbar war zu diesem Handlungsteil, daß der Einfluß affektiver Momente verschwindend gering war. Das erklärt vor dem Hintergrund der affektiven Besetzung im Falle des Kindes und der allgemeinen Vorsicht der Zeugin, nicht mehr auszusagen, als sie sicher erinnerte, das offensichtliche Mißverhältnis zwischen dem tatsächlichen Geschehen und dem Wenigen, was dazu in der Hauptverhandlung von der Zeugin als realitätsgetreue Erinnerung wieder ins Gedächtnis gerufen werden konnte.</p>
<span class="absatzRechts">279</span><p class="absatzLinks">Die vorstehenden Ausführungen gelten in noch stärkerem Maße für den weiteren Anklagevorwurf, demzufolge der Angeklagte einen männlichen Häftling vor den Baracken des Lagerabschnitts B II g) erschossen haben soll, nachdem er ihn für seine Schießübungen mißbraucht hatte. Hierzu vermochte die Zeugin allein anzugeben, daß dieser Häftling wohl dem in den Krematorien eingesetzten Sonderkommando angehörte, bei einem "kleinen Aufstand" - den sie von dem nachfolgenden "großen Krematoriumsaufstand Anfang Oktober 1944" deutlich unterschied - in das Lager B II g) geflohen und dort von dem Angeklagten aufgefunden und erschossen worden sei. Auf Vorhalt, daß sie bei der ersten Vernehmung in dieser Sache angegeben hatte, der Häftling sei ebenfalls zuvor zu Schießübungen mit Konservendosen mißbraucht worden, entschuldigte sich die Zeugin ausdrücklich und setzte bedauernd hinzu, daß "so eben" ihre heutige Erinnerung sei.</p>
<span class="absatzRechts">280</span><p class="absatzLinks">Insgesamt hat die Kammer nicht nur trotz, sondern gerade wegen der aufgezeigten Besonderheiten in der Geschichte der Aussage dieser Zeugin an ihrer individuellen Glaubwürdigkeit keinerlei Zweifel. Nichts hätte für die Zeugin - wollte sie den Angeklagten zweckgerichtet belasten und Widersprüche vermeiden - näher gelegen, als an der bisherigen Aussage um jeden Preis und sogar zu den Details festzuhalten. Die Zeugin fühlte sich indes in keiner Weise an frühere Aussagen gebunden. Die als Fehlerquelle allgemein zu beachtende etwaige Bindung eines Zeugen an frühere (schriftliche) Aussagen trat bei ihr vollends in den Hintergrund. Das Bestreben der Zeugin, ihrer Erinnerung gemäß auszusagen, ging so weit, daß sie zu früheren Angaben selbst dann nicht zurückkehrte, wenn eindringliche Vorhalte - etwa zu der Verwendung von drei Dosen im Falle des Kindes - ihr deutlich machten, daß ihrer Aussage vor dem Prozeßgericht mit Skepsis begegnet wurde.</p>
<span class="absatzRechts">281</span><p class="absatzLinks">Das Leistungsvermögen der Zeugin zu einer realitätsgerechten Aussage steht für die Kammer - ausgenommen der Fall mit dem männlichen Häftling - ebenfalls außer Frage. Die Zeugin berichtete über das Tatgeschehen zu Ziffer 1. c) überaus lebendig und farbig. Sie unterstrich ihre Schilderung vielfach mit Gesten, die das außerordentlich "grausame" Vorgehen des Angeklagten bildhaft belegten. Ihre Darstellung erhielt durch ihre Erlebnisweise und Wiedergabe ein individuelles Gepräge, das an Detailreichtum kaum zu überbieten war. Dabei wurden die Grenzen zwischen dem, was die Zeugin objektiv erlebt hatte und dem, was sie daraus zu inneren Vorgängen anderer - sei es dem Angeklagten oder dem Kind - ableitete, stets offenbar. So äußerte sie etwa ihre Vermutung, daß das Kind in das Lager B II g) gegangen sei, weil es nach dem Transport oder wegen der Hitze "wohl" Durst oder Hunger gehabt habe. Ebenso vermutete sie, daß das Kind "wohl" zu dem Angeklagten gegangen sei, weil es sich von ihm etwas zu essen oder zu trinken - Wasser oder Milch - erhoffte. Spontan korrigierte sie diese Aussage: "Ach nein, Milch gab es da ja nicht." Zum Angeklagten bemerkte sie, daß er "vielleicht" schließlich das Spiel "leid" geworden sei und deshalb den Jungen erschossen habe. Abgesehen von den vermeintlichen Widersprüchen zu der früheren Vernehmung traten nennenswerte Unsicherheiten nicht auf.</p>
<span class="absatzRechts">282</span><p class="absatzLinks">Schwierigkeiten bereitete es der Zeugin allerdings, die von dem Angeklagten benutzte Schußwaffe zutreffend einzuordnen. Sie erklärte, daß sie von Waffen nicht viel verstehe und die SS Schußwaffen "über der Schulter" und "an der Hüfte" gehabt hätten. Bei der Beschreibung der "Hüftwaffen" behalf sie sich, indem sie mit den Händen eine Länge von ca. 20 cm kennzeichnete. Deutlich hob sie - dies mit einem Handgriff zur Hüfte unterstreichend - hervor, daß der Angeklagte in allen Fällen die Waffe "von der Hüfte" genommen habe, so daß kein Zweifel bestand, daß der Angeklagte nach ihrer Erinnerung jeweils eine Pistole benutzte.</p>
<span class="absatzRechts">283</span><p class="absatzLinks">Zu dem Wahrnehmungserlebnis bei dem Tatgeschehen zu Ziffer I. berichtete die Zeugin, daß sie ängstlich gewesen sei, aber gerade wegen der Sorge um das Kind die Vorgänge aufmerksam verfolgt habe. Von einer affektiven Einengung oder gar Ausgrenzung der Beobachtung aufgrund ihrer psychischen Ausgangsverfassung, die eine realitätsgerechte Wahrnehmung hätte behindern können, kann danach keine Rede sein. Andererseits wurde bei der Vernehmung offenbar, daß die Wiedererinnerung an das Geschehen mit dem kleinen Kind die Zeugin emotional zutiefst berührte. Der Einfluß affektiver Momente ging indes in diesem Fall nicht auf Kosten der Erinnerungsgenauigkeit. Das Gegenteil war der Fall. Der hierzu von der Verteidigung hervorgehobene, gegen die Zeugin eingesetzte Aspekt der "Erinnerungsanreicherung" läßt nicht ohne weiteres den Schluß auf eine phantasiereiche Ausgestaltung, mithin Unzuverlässigkeit der Zeugin zu. Es gehört vielmehr zu den allgemein bekannten psychologischen Erfahrungsgrundsätzen über den Beweiswert von Zeugenaussagen, daß es insbesondere bei affektbetonten Geschehnissen nachfolgend zu spontanen Verbesserungen und Präzisierungen von früheren Aussagen kommen kann. Die Gedächtnispsychologie bezeichnet die Erhöhung der Behaltensleistung als Phänomen der "Reminiszenz". Dieses Phänomen der Reminiszenz oder der Erinnerungsanreicherung brachte die Zeugin M1 zum Vorfall mit dem Jungen deutlich zum Ausdruck: "Ich habe in der Zwischenzeit natürlich nachgedacht. Mir fällt hierzu immer mehr ein. Die Vergangenheit kommt zurück. Es kann sein, daß ich auch heute noch nicht alle Einzelheiten angebe und beim nächsten Mal noch mehr sagen könnte. Die Erinnerung kommt eben nur in Bruchstücken. Eines ist aber ganz sicher. Es ist so, daß Slepy das Kind erschossen hat. Viele Einzelheiten habe ich nachfolgend erinnert. Es könnten mir hierzu noch mehr Einzelheiten einfallen. Ich mußte zurückdenken, wie und was und wo es war. Da ist doch so viel passiert...".</p>
<span class="absatzRechts">284</span><p class="absatzLinks">Die Kehrseite der von hoher Prägnanz getragenen Schilderung zu dem Geschehen mit dem Kind stellte in abgestufter Folge die Darstellung von den weiteren Taten des Angeklagten dar. Im Fall zu Ziffer 1. d) war der Kristallisationskern der Erinnerung erhalten. Abgesehen von dem Erinnerungsteil, der (noch) leicht emotional betont war, waren hier indes schon die Mehrzahl der Details verloren gegangen, weil die Erinnerung der Zeugin von dem Geschehen mit dem Jungen gefühlsmäßig "besetzt" war. Nahezu gänzlich an Bedeutung verloren hatte für die Zeugin der Vorfall mit dem männlichen Häftling. In diesem Fall waren im Vergleich zu der ihr vorgehaltenen Aussage im Vorverfahren lediglich noch Rudimente der Erinnerung zurückgeblieben. Die Abweichung der Zeugin zu beiden Fällen in Richtung einer Nivellierung der Aussage läßt sich unschwer aus der mit starken Affekten in dem erstgenannten Fall verbundenen Bewußtseinseinengung ableiten. Die Zeugin war bei der Vergegenwärtigung ihrer Erinnerung ersichtlich konzentriert auf das Geschehen, in dessen Verlauf der Angeklagte das kleine Kind erschossen hatte. Ihre Leistungsfähigkeit war danach zwar partiell eingeschränkt, steht insgesamt aber, insbesondere was die Taten zu Ziffer 1. c) und wesensmäßig zu Ziffer 1. d) anbelangt, nicht in Zweifel. Das Schwurgericht hat nach alledem keine Bedenken, ihren glaubhaften Angaben zu diesen Taten zu folgen.</p>
<span class="absatzRechts">285</span><p class="absatzLinks">Anders verhält es sich dagegen mit der weiterhin angeklagten Tat. Wie bereits oben zu Ziffer 2. dargestellt, erhielt dieser entscheidend auf die Aussage der Zeugin M1 im Vorverfahren gestützte Tatvorwurf sein entscheidendes Gepräge durch die Art der Tatbegehung, daß nämlich ein männlicher Häftling vor den Baracken des Lagerabschnitts B II g) bei dem Versuch, ihm eine Konservendose vom Kopf zu schießen, von dem Angeklagten erschossen worden sein soll. Nach der zu diesem Tatvorwurf zu verzeichnenden Nivellierungstendenz der Zeugin in der Hauptverhandlung, wonach ihr Konservendosen bei der Erschießung eines männlichen Häftlings nicht erinnerlich waren, fehlt eine zuverlässige Grundlage für die Feststellung dieser Tat. Es spricht zwar einiges dafür, daß die Aussage der Zeugin im Rahmen ihrer ersten Vernehmung zutreffend war. Das reicht für eine zweifelsfreie Beweisführung jedoch nicht annähernd aus. Die verlesene Aussage des verstorbenen Zeugen U aus einem anderweiten Strafverfahren vor dem Landesgericht für Strafsachen in Wien vom 25. September 1962 ist ebenfalls nicht geeignet, den Anklagevorwurf zu tragen. Der Zeuge schilderte zwar einen möglicherweise mit dem Anklagevorwurf identischen Fall. Er grenzte die Örtlichkeit des Vorfalls indes nur insoweit ein, als der "SS-Unterscharführer...<em>[Nachname des Angeklagten]</em>, der einäugig war und aus X4 stammte", "im" Effektenlager einen männlichen Häftling bei dem Versuch, ihm mit der Pistole eine Büchse vom Kopf zu schießen, beim zweiten oder dritten Schuß tötlich in den Kopf getroffen habe. Diese Darstellung kann gleichermaßen dem auf den früheren Angaben der Zeugin M1 (vor den Baracken) geschilderten Anklagevorwurf zugeordnet werden wie dem auf der Aussage des Zeugen S beruhenden - anderweitigen - Tatgeschehen nach den Feststellungen zu Ziffer 3. a) (zwischen den Baracken). Ingesamt fehlte es sonach für den weiteren Anklagevorwurf nach dem Fortfall eines charakterisierenden Merkmals in der Aussage der Zeugin M1 an einem die Identität der Tat wahrenden Beweisergebnis mit der Folge, daß der Angeklagte von diesem Vorwurf mangels konkreten Schuldnachweises freizusprechen war.</p>
<span class="absatzRechts">286</span><p class="absatzLinks">cc)</p>
<span class="absatzRechts">287</span><p class="absatzLinks">Die von den Zeugen G und M1 geschilderten Taten stehen nicht als Fremdkörper in der Lebensgeschichte des Angeklagten. Sie fügen sich vielmehr nahtlos ein in sein festgestelltes Allgemeinverhalten gegenüber den Häftlingen im KL Auschwitz. Zudem erweisen die weiterhin zu Ziffer 3. a), b) und c) dargestellten, dem Schwurgericht allerdings nicht zur Entscheidung angefallenen, folglich lediglich als Indiz herangezogenen Tötungshandlungen, daß es für den Angeklagten keineswegs wesensfremd war, wie die Verteidigung meint, Häftlinge zu töten.</p>
<span class="absatzRechts">288</span><p class="absatzLinks">Die Feststellungen zu dem Tatgeschehen in dem zu Ziffer 3. a) festgestellten Fall stützen sich maßgeblich auf die Aussage des Zeugen S. Die Glaubwürdigkeit des Zeugen, insbesondere sein Wille zu einer wahrhaften Aussage, steht für das Gericht außer Frage. Der zur Zeit der Vernehmung 65 Jahre alte Zeuge wurde als holländischer Jude bereits im August 1942 in das KL Auschwitz deportiert. Dort wurde er nach wenigen Wochen, in denen er im Sonderkommando eingesetzt war, dem Räumungskommando zugeteilt. Er verblieb bis zur Evakuierung im Januar 1945 im KL Auschwitz. Heute ist der Zeuge als Konfektionshändler in Amsterdam tätig.</p>
<span class="absatzRechts">289</span><p class="absatzLinks">Bei der Vernehmung hinterließ der Zeuge einen guten Eindruck. Er gab besonnen Auskunft, erinnerte sich in Anbetracht seines Lebensalters relativ gut an die Zeit im KL Auschwitz, konnte insbesondere zeitliche Bezüge zu im Lager allgemein bekannt gewordenen Ereignissen - wie etwa dem Krematoriumsaufstand - herstellen. Der Zeuge machte allerdings kein Hehl daraus, daß ihn sein Gedächtnis bisweilen im Stich lasse und er manches erst "nach und nach" erinnere. Sehr eindrucksvoll ging der Zeuge auf den Weg seiner Erinnerung ein, als die Sprache auf den hier in Rede stehenden Vorfall kam. Er hob hierzu unaufgefordert hervor, daß er bei der ersten Vernehmung vom 5. Juni 1984 in Holland gänzlich unvorbereitet gewesen sei, dort habe er sich zwar daran erinnern können, daß vor dem Krematoriumsaufstand ein Häftling im Lagerabschnitt B II g) auf die ihm bei der Vernehmung vorgestellte Art und Weise - nämlich bei dem Versuch, Dosen von seinem Kopf zu schießen - von dem "Einäugigen" erschossen worden sei. Erst nachfolgend - so der Zeuge - seien ihm dann jedoch viele Einzelheiten, wie etwa, daß es sich um einen französischen Häftling handelte und der Einäugige den Spitznamen "Slepy" hatte, eingefallen. Hierzu ging der Zeuge - ebenfalls ohne Aufforderung - darauf ein, daß er erst in Gesprächen mit dem Zeugen T5 erfahren habe, daß es sich bei Slepy um den SS-Angehörigen namens "<em>[Nachname des Angeklagten]</em>" handelte. Diese Aussage gleichsam bestätigend deutete er auf den Angeklagten und fuhr fort, daß dieser Mann dort "Slepy" sei, er habe sich - "die Wirklichkeit ist doch etwas anderes als Bilder" - nicht allzu sehr verändert, sei allenfalls wie er "eben älter" geworden.</p>
<span class="absatzRechts">290</span><p class="absatzLinks">Abgesehen von der mit der Schilderung des Tatgeschehens notwendigerweise verbundenen Belastung des Angeklagten zeigten sich keinerlei Anzeichen, die den Verdacht auf eine Beeinflussung der Aussage durch innerliche Strebungen nahelegen könnten. Der Zeuge erweckte vielmehr den Eindruck, daß er sich des Wertes einer wahrheitsgemäßen Aussage bewußt war und deshalb betont unterschied, wenn er etwas selbst erlebt hatte oder hiervon nur vom Hörensagen wußte. So hob er hervor, daß der Häftling nach dem Schuß des Angeklagten aus einer Kopfwunde geblutet habe, er indes aus Angst, daß ihm ähnliches widerfahren könnte, sofort die Baracke - aus der er das Geschehen verfolgte - verlassen habe, deshalb auch nicht aus eigenem Wissen sagen könne, was mit dem Häftling geschehen sei. Er nehme - so der Zeuge - zwar an, daß der Gefangene an den Folgen der Schußverletzung gestorben sei, dies sei ihm jedoch erst später erzählt worden, er wisse es also nur vom Hörensagen.</p>
<span class="absatzRechts">291</span><p class="absatzLinks">Neben der individuellen Glaubwürdigkeit steht die Leistungsfähigkeit des Zeugen ebenfalls nicht in Frage. Der Zeuge berichtete nicht allein in bezug auf den Angeklagten und die zu Ziffer 3. a) festgestellte Tat spontan und anschaulich. Er ging ebenfalls auf weitere Erlebnisse und Ereignisse im Lager wie auf Örtlichkeiten, Kommandos und andere SS-Angehörige mit vielen Details ein. Daß eine emotionale Spannung bei der Ausgangssituation die realitätsgerechte Wahrnehmung der Ereignisse nicht beeinflußte, belegt die Schilderung des Zeugen über seine Befindlichkeit bei der Beobachtung des sich zwischen den Baracken abspielenden Vorfalls, den er anfänglich mit einer gewissen, relativ unbeteiligten Neugierde verfolgt habe. Auch bei der Vernehmung ergaben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß die Wiedererinnerung mit Emotionen verbunden war, die eine realitätsgemäße Aussage hätten behindern können. Die von der Verteidigung angesprochene - vermißte - Wirklichkeitsnähe in bezug auf die Möglichkeiten des Zeugen, den Vorfall durch in der Seitenwand der Baracke befindliche Löcher zu beobachten, läßt unberücksichtigt, daß sich nach den Angaben vieler Zeugen tatsächlich größere Löcher in den Wänden und Decken der Baracken befanden. Besonders verdeutlichte dies die Zeugin I5, die auf die hierdurch verursachte ständige Zugluft in den Arbeitsbaracken und die vielfach eindringende Feuchtigkeit verwies.</p>
<span class="absatzRechts">292</span><p class="absatzLinks">Schließlich können auch frühere Aussagen des Zeugen S seine Glaubwürdigkeit und die Glaubhaftigkeit seiner Aussage nicht erschüttern. Die Kammer hat hierzu dem Beweisantrag Nr. 18 der Verteidigung vom 12. November 1987 zu Ziffer II. folgend mit Beschluß vom 14. Dezember 1987 zu Ziffer II, 5. zugunsten des Angeklagten als wahr unterstellt: "In der Strafsache gegen X3 u. a. vor dem Landesgericht für Strafsachen in Wien hat der Zeuge im Hauptverhandlungstermin vom 22.06.1972 - über den Bereich Canada befragt - einen solchen Fall nicht geschildert, aber wörtlich erklärt: "In Canada sind Erschießungen vorgekommen. Es wurden mehrere Leute erschossen. Wer jedoch erschossen worden ist, weiß ich nicht. Ich kann auch nicht sagen, welcher SS-Mann die Erschießungen durchgeführt hat. Ich weiß sicher, daß auch X7 einen Häftling getötet hat." Diese Aussage stellt keinen unauflöslichen Widerspruch zu der heutigen Erinnerung des Zeugen dar. Die Aussage kann sich einmal (nur) auf den Bereich des "alten Lagers Kanada", mithin das Effektenlager I bezogen haben. Hierfür spricht, daß der Zeuge seinerzeit den SS-Angehörigen X7, der nach den Erkenntnissen im vorliegenden Verfahren allein im Effektenlager I eingesetzt war, benannte. Hierfür spricht des weiteren, daß der Zeuge in der Hauptverhandlung hervorhob, daß das Verhalten des Angeklagten für das Effektenlager II "sehr ungewöhnlich" war; dort habe der "Auftrag für die SS gelautet, nur die Aufsicht auszuüben, nicht zu schlagen und zu töten; im übrigen Lager wurde viel mehr gemordet," während er in der damaligen Aussage die Erschießung mehrerer Häftlinge angab, was eher dem von ihm in der Hauptverhandlung als schlimmer eingestuften Effektenlager I zuzuordnen war. Entscheidend für das Schwurgericht ist indes der von dem Zeugen beschriebene Weg seiner Erinnerung, in deren Verlauf er, einmal hierauf angesprochen und sich sofort an einen konkreten Vorfall erinnernd, in die Vergangenheit zurückgekehrt sei und sich nach und nach erinnert habe. Die Geschichte seiner Aussage belegt, daß die Erinnerung des Zeugen durch einen konkret angesprochenen, affektbetonten Erinnerungsteil wachgerufen wurde, nämlich den selbst erlebten und ihn gegen Ende in Angst und Schrecken versetzenden Vorfall mit dem französischen Häftling. Dies erklärt zur Überzeugung der Kammer den vermeintlichen Widerspruch zu seiner früheren Aussage.</p>
<span class="absatzRechts">293</span><p class="absatzLinks">Was die von der Verteidigung angesprochene Fremdbeeinflussung seiner Aussage anbelangt, ist anzumerken, daß der Zeuge sehr deutlich hervorhob, daß das Gespräch mit früheren Häftlingen ihm lediglich den tatsächlichen Namen (<em>[Nachname des Angeklagten]</em>) des ihm unter dem Spitznamen Slepy erinnerlichen SS-Angehörigen vermittelt habe. Daß der wirkliche Name für ihn selbst bei der Vernehmung noch ohne nennenswerte Bedeutung war, zeigte sich darin, daß er vornehmlich von "Slepy" oder "dem Blinden" sprach. Die Kammer hat danach keine Bedenken, seinen Angaben Glauben zu schenken und dem von ihm geschilderten Geschehensablauf den Feststellungen zu Ziffer 3. a) zu unterlegen. Das gilt um so mehr, als die Zeugin S1 gemäß der Vernehmungsniederschrift vom 9. Juni 1987 die Aussage des Zeugen S im Kerngehalt insoweit bestätigte, als Ihr aus dem Lager Breczinki (B II g) die Erschießung eines französischen Häftlings bekannt war, ohne daß sich die Zeugin indes an nähere Einzelheiten erinnern konnte. Hinzu kommt die verlesene - bereits erwähnte - Aussage des verstorbenen Zeugen U, zu der zwar nicht sicher festgestellt werden kann, ob der dort geschilderte Vorfall mit dem von dem Zeugen S geschilderten Tatgeschehen identisch ist. Der Aussage kommt indes für sich genommen schon ein hoher Stellenwert zu, obwohl sich die Kammer über die Zuverlässigkeit des Zeugen weder durch eine entsprechende Befragung noch durch den persönlichen Eindruck abschließende Gewißheit verschaffen konnte. Festzuhalten ist, daß der Zeuge U bereits zu einer Zeit (1962) über ein - mit der von dem Zeugen S geschilderten Tat - vergleichbares Tötungsdelikt des Angeklagten berichtete, als weder ein Verfahren gegen den Angeklagten anhängig war, noch ansonsten Vorwürfe dieser Art im Raum standen. Hinzu kommt, daß der Zeuge U die Tat des Angeklagten in einem anderen Strafverfahren beiläufig erwähnte und hierzu ein in den Details überaus stimmiges Bild mit den tatsächlichen Gegebenheiten zeichnete. Daß der Zeuge als Täter des von ihm geschilderten Vorfalls den Angeklagten kennzeichnete, steht angesichts der von ihm angegebenen Einzelheiten (SS-Unterscharführer bzw. Rottenführer "<em>[Nachname des Angeklagten]</em>, der einäugig war und aus X4 stammte"; "Effektenlager"; "viel in Begleitung des I1", dem "Lagerführer im Lager B II g)") außer Frage. Anhaltspunkte dafür, daß der Zeuge U den Angeklagten der Wahrheit zuwider hätte belasten wollen, fehlen gänzlich. Der Umstand, daß der Zeuge sich nach dem verlesenen Bescheid des Regierungspräsidenten in Düsseldorf vom 9. Februar 1960 (Az.: 14 I 1 (01) ZK. 70271) bei der Erlangung eines Darlehens aus Mitteln der Wiedergutmachung unrichtiger Angaben bedient hatte, mag seine Glaubwürdigkeit in bezug auf die Schilderung solcher Taten in Frage stellen, aus denen er - weil selbst betroffen - Entschädigungsansprüche abzuleiten suchte. Derartige Bezüge fehlen indes hinsichtlich der von ihm dargestellten Tat des Angeklagten.</p>
<span class="absatzRechts">294</span><p class="absatzLinks">Bei den Taten zu Ziffer 3. b) und c) stellt das Schwurgericht entscheidend auf die überzeugende Aussage des Zeugen T3 ab. Der Zeuge erweckte bei der Vernehmung einen hervorragenden Eindruck. Seine individuelle Glaubwürdigkeit und Leistungsfähigkeit sind über jedem Zweifel erhaben. Der zur Zeit der Vernehmung 69 Jahre alte polnische Zeuge wurde als politischer Häftling von Mitte Dezember 1942 bis Ende Oktober 1944 im KL Auschwitz gefangen gehalten. Heute ist er trotz seines Alters teilweise noch als Elektroniker in Warschau tätig.</p>
<span class="absatzRechts">295</span><p class="absatzLinks">Der Zeuge erstattete seine Aussage betont sachlich. Nennenswerte Anzeichen einer affektiven Spannung, sei es, was die Ausgangssituationen, sei es, was die Aussagesituation anbelangt, waren nicht feststellbar. Er gab besonnen Auskunft, verlor zu keinem Zeitpunkt, selbst bei bohrenden Fragen nicht die Ruhe und schilderte sehr eingehend die Verhältnisse im Lager. In Anbetracht seines Alters waren seine Angaben von einem bemerkenswert hohen Grad an Erinnerungsgenauigkeit getragen. Zu der von dem Zeugen X3 gefertigten Skizze III merkte er etwa zutreffend an, daß das Lager Birkenau in leichter Abweichung von der Skizze in einem "anderen Winkel" zu dem Stammlager Auschwitz gelegen gewesen sei. Selbst an die Zeiten bestimmter Ereignisse konnte sich der Zeuge noch relativ konkret erinnern. Er kokettierte geradezu - auf sein gutes Gedächtnis anspielend - damit, daß er sich aber schon einmal um einige Tage irren könne, wie überhaupt die Angabe bestimmter Tage aus der damaligen Zeit ihm natürlich zumeist nicht möglich sei. An dem Willen des Zeugen, die Wahrheit auszusagen, besteht für die Kammer nach dem Gesamteindruck nicht der geringste Zweifel.</p>
<span class="absatzRechts">296</span><p class="absatzLinks">Die Leistungsfähigkeit steht ebenfalls außer Frage. Das Erinnerungsvermögen des Zeugen war, wie erwähnt, durch eine beachtenswerte Erinnerungsgenauigkeit gekennzeichnet. Fremdbeeinflussungen schloß der Zeuge glaubhaft aus. Er verwies darauf, daß er losen Kontakt zu dem Zeugen L1 habe, ob er mit diesem über den Angeklagten gesprochen habe, wollte er nicht ausschließen, bezweifelte dies jedoch, weil es "Wichtigeres" gebe, als sich über diese grauenvollen Vorgänge aus vergangener Zeit zu unterhalten. Indirekt bestätigt wurde er zu diesem Detail von dem Zeugen L1 der bekundete, daß er den Zeugen T3 nach langer Zeit erstmals im April 1987 - also nach dessen erster Vernehmung vom 21. April 1986 - wiedergesehen und sich dabei nur beiläufig mit ihm über das Lager Kanada unterhalten habe. Irgendwelche affektiven Momente beeinflußten die Aussage des Zeugen T3 nicht. Seine präzisen Bekundungen zeichneten von den unter Ziffer 3. b) und c) festgestellten Taten ein anschauliches Bild. Die Folgerichtigkeit der Geschehensabläufe, Stimmigkeit der erwähnten Gefühle und die bei aller Sachlichkeit zutage getretene Lebendigkeit, mit der der Zeuge die Vorgänge darstellte, lassen keinen Zweifel daran, daß er diese Geschehnisse selbst erlebt hat. überdies kennzeichnete der Zeuge jeweils deutlich, wenn er etwas nicht mehr genau wußte oder hiervon im Lager nur vom Hörensagen erfahren hatte. In diesem Zusammenhang stellte er in bezug auf den einzigen Widerspruch zu seiner von einer polnischen Rechtshilferichterin am 21. April 1986 durchgeführten Vernehmung heraus, daß er sich damals tatsächlich nicht auf Anhieb an den Ruf des "Blinden", was die "Büchsenschüsse" anbelangt, erinnert habe; dies sei ihm wohl deshalb erst nachträglich eingefallen, weil für ihn das Selbsterlebte vor dem Wissen vom Hörensagen gestanden habe. Die Erklärung des Zeugen über sein Erinnern und Vergessen ist plausibel. Das gilt um so mehr, als der Zeuge aus seiner Erinnerung angab, daß er bei der genannten Aussage eingehend zu dem - auch bei der Vernehmung vor dem Schwurgericht im Mittelpunkt stehenden - selbsterlebten Geschehen befragt, während dem Wissen vom Hörensagen kaum Aufmerksamkeit gewidmet worden sei. Zu einer etwaigen Fremdbeeinflussung verwies er auf die Anmerkung zu dem Zeugen L1 und betonte: "Ich habe vor der heutigen Vernehmung mich mit niemandem darüber unterhalten, was heute hier zur Sprache gekommen ist. Ich kenne - außer L1 - ja keinen Häftling aus dem Kommando Kanada. Auch in der Bundesrepublik, also jetzt vor dem Termin, habe ich mit niemandem über dieses Thema gesprochen. Es gibt doch hier niemanden, der sich dafür interessieren würde." Das Gericht ist aufgrund des glaubhaften Zeugnisses dieses Zeugen mit einer jeden Zweifel ausschließenden Sicherheit davon überzeugt, daß der Angeklagte auch die unter Ziffer 3. b) und c) festgestellten Taten begangen hat.</p>
<span class="absatzRechts">297</span><p class="absatzLinks">dd)</p>
<span class="absatzRechts">298</span><p class="absatzLinks">Nicht ohne Belang, wenngleich für die Beweisführung von ungleich geringerem Gewicht, ist der Umstand, daß neben den erwähnten eine Vielzahl weiterer Zeugen bekundet hat, daß der Angeklagte schon im KL Auschwitz im Ruf gestanden habe, einen oder mehrere Häftlinge bei seinen "Schießübungen" erschossen zu haben. Die Zeugen K, I4, I5, K1, L3, X2, T4, Q, H2 und T5 berichteten übereinstimmend und glaubhaft, daß derartige Taten in den Erzählungen anderer Häftlinge (allein) dem Angeklagten zugeschrieben worden seien. In diesem Zusammenhang hat die Kammer, was die Zeugen Q, T5 und H2 anbelangt, den Beweisanträgen Nrn. 17, 19, 21 der Verteidigung vom 12. November 1987 entsprechend gemäß dem Beschluß vom 14. Dezember 1987 zu Ziffer II., 4. und 5. zugunsten des Angeklagten als wahr unterstellt: "In der Strafsache gegen X3 u. a. vor dem Landesgericht für Strafsachen in Wien hat der Zeuge Q im Hauptverhandlungstermin vom 15. Juni 1972 im Zusammenhang mit dem Lagerbereich Canada u. a. erklärt: (Über Befragen des Vorsitzenden, welche SS-Leute aus dem neuen Canada dem Zeugen in Erinnerung seien, erklärte dieser): "Ich kenne X1, X3, H3, L4, C5, den Hauptscharführer I1, den Verwaltungsführer T1, die Sanitätsdienstgrade X10 und C3, die mit der Desinfektion beschäftigt waren" (über Befragen des Vorsitzenden, ob der Zeuge weiß, daß X3 Häftlinge geschlagen oder getötet hat, erklärt dieser): "Ich möchte betonen, daß bei uns kein Todesfall vorkam" (auf Befragen des Verteidigers K2, welcher SS-Mann im Zusammenhang mit der Erschießung eines Häftlings erwähnt wurde, der in einem Waggon aufgefunden wurde, erklärt der Zeuge): "Ich sprach mit J darüber, glaube ich. Er sagte, jetzt haben sie einen umgelegt. Das war der X7 oder der I3, irgendeinen Namen hat er gesagt. Ich kann über diesen Vorfall nur vom Hörensagen sprechen. Ich habe nur von diesem einen Fall gehört". (Beweisantrag Nr. 17 zu Ziff., II).</p>
<span class="absatzRechts">299</span><p class="absatzLinks">"In der Hauptverhandlung vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien in der Strafsache gegen X3 u. a. - 20 Vr 3805/64 - Hv 63/71 - vom 19. Mai 1972 gibt der Zeuge T5 (über Befragen durch den Staatsanwalt, ob dem Zeugen bekannt ist, daß I3 - wie dieser selbst angibt - einmal eine Häftlingsfrau erschossen hat bzw. ob der Zeuge einmal davon gehört hat und ob die Häftlinge darüber gesprochen haben) an: "Jetzt weil Sie mir das sagen, fällt mir das auch wieder ein. Ich glaube, daß einmal davon gesprochen wurde, daß eine Frau von I3 erschossen wurde. Dies kam ja nicht jeden Tag vor und war eine Besonderheit. Unser Magazin ist ziemlich weit rückwärts gelegen, so daß es schon sein konnte, daß man den Schuß, mit dem die Frau getötet wurde, nicht unbedingt hören mußte. Mit mir hat noch ein Mann im Magazin gearbeitet, und zwar X2 aus Brüssel. In unserem Magazin wurden die Klamotten gelagert. In den anderen Baracken, in denen Frauen beschäftigt waren, wurden die Wäschestücke sortiert und als Winterhilfe nach Deutschland geschickt. Wenn wirklich jemand erschossen wurde und wir den Schuß nicht gehört haben, so hat man später erfahren, daß dieser oder jener Häftling fehlt und es kam auch durch, auf welche Art der Häftling erschossen worden ist. In seiner umfassenden (37 Schreibmaschinenseiten) Aussage in der Hauptverhandlung vor dem Landesgericht Wien in dem Verfahren gegen X3 u. a., Aktenzeichen 20 Vr 3805/64 - Hv 63/71, hat der Zeuge T5 auf die Frage, ob er noch andere SS-Leute aus Canada kenne, die Namen X3, H3, L4, N1, X7, I3, einen kleinen Rottenführer aus Jugoslawien, L6, Q3, M2 und X2 genannt; den Namen <em>[Nachname des Angeklagten]</em>, die Spitznamen Slepy oder der Blinde nannte er nicht. Obwohl er in der sehr ausführlichen Vernehmung, insbesondere über seine Erlebnisse im alten und neuen "Canada", von verschiedenen Mißhandlungen und Tötungen berichtet hat, hat er das spektakuläre "Büchsenschießen" an keiner Stelle erwähnt. Auch als der Staatsanwalt fragte, ob dem Zeugen noch ein Fall. einer Erschießung aus dem Lagerabschnitt Canada bekannt ist, hat der Zeuge das "Büchsenschießen" nicht erwähnt, sondern geantwortet: "Mir ist ein jüdischer Capo namens H5 in Erinnerung. Er wurde erschossen, da er Geschäfte mit der SS im Rahmen des Lagers Canada gemacht hat. Das war damals natürlich besonders gefährlich, denn der Schuldige war dann der Häftling." (Beweisantrag Nr. 19 zu II).</p>
<span class="absatzRechts">300</span><p class="absatzLinks">"In der Strafsache gegen X3 u. a. vor dem Landesgericht für Strafsachen in Wien hat die Zeugin H2 im Hauptverhandlungstermin vom 25. Mai 1972 erklärt: "Vom Hörensagen ist mir bekannt, daß H3 einen Häftling, der eingeschlafen war, erschossen hat. Im "Lederkommando" soll auch jemand erschossen worden sein." Auf Befragen des Vorsitzenden gab die Zeugin an, sie habe selbst gesehen, daß der Oberscharführer I3 ein Mädchen erschossen hat. Auf Befragen des Vorsitzenden, ob ihr weitere Vorfälle im neuen "Canada" bekannt seien, erklärte die Zeugin: "Als der Aufstand des Sonderkommandos war, haben wir gehört, daß ein Häftling davon auf dem Gelände des neuen Canada erschossen wurde." Die spektakulären Fälle des sogenannten "Büchsenschießens" hat die Zeugin in ihrer umfassenden Vernehmung nicht erwähnt. (Beweisantrag Nr. 21 zu Ziff. II)."</p>
<span class="absatzRechts">301</span><p class="absatzLinks">Das Gericht hat schon in dem Beschluß vorsorglich angemerkt, daß die Aussage des Zeugen Q in der Hauptverhandlung und die der Zeugen T5 und H2 gemäß der verlesenen Vernehmungsniederschriften vom 8. und 10. Juni 1987 in den den Beweisanträgen vorangestellten sogenannten Anknüpfungspunkten nicht (T5) bzw. nur unvollständig (Q, H2) wiedergegeben sind und deshalb die Schlüsse, die die Verteidigung aus den früheren Aussagen dieser Zeugen in anderen Strafverfahren ziehen will, möglicherweise nicht eröffnet sind. Allgemein ist hierzu anzumerken, daß den vormaligen Aussagen von Zeugen in anderen Strafverfahren, soweit sie über bestimmte Ereignisse nicht berichtet haben, nur ein denkbar eingeschränkter Wert zukommt. Das gilt um so mehr dann, wenn dem Gericht diese Aussagen – wie hier - gemäß den Wahrunterstellungen nur auszugsweise übermittelt werden. Die konkrete Vernehmungssituation ist ohnehin nicht entfernt nachvollziehbar. Die gefühlsmäßige Belastung des Zeugen bei dem Versuch einer wahrheitsgemäßen Reproduktion der Erinnerungen, zumal in der Situation der gerichtlichen Vernehmung, Hemmungen, Sperrungen und Verdrängungen scheinen - wenn überhaupt - allenfalls auf. Die Rahmensituation, Angaben Dritter, Vorhalte, Suggestivfragen bei den Vernehmungen, ohne deren Kenntnis eine zuverlässige Bewertung nicht eröffnet ist, ist nicht einmal in Grundzügen erkennbar. Nimmt man die allgemeine Eigenschaft des Gedächtnisses, von komplexen Situationen und Szenen vorrangig den affektiv betonten, auf die eigene Person bezogenen Kerngehalt zu behalten und die Einzelheiten zu vergessen hinzu, und weiter, daß diese Zeugen vorliegend - jedenfalls in erster Linie - zu anderen Tätern und Taten befragt wurden, so ist durchaus erklärlich, wenn sie sich seinerzeit an ihr Wissen vom Hörensagen über die dem Angeklagten zugeschriebenen Taten nicht erinnerten. Das gilt in besonderem Maße für den Zeugen Q.</p>
<span class="absatzRechts">302</span><p class="absatzLinks">Der Zeuge verdeutlichte in der Hauptverhandlung, daß er sich bei der ersten ihm vorgehaltenen Vernehmung in dieser Sache vom 15. September 1983 "auf Anhieb" - allerdings auch erstmals wieder - an die "Büchsenschüsse" erinnert habe, nachdem er hierzu konkret befragt worden sei. Der Zeuge führte weiter aus, daß er an "[<em>Nachname des Angeklagten</em>]" bei jener Vernehmung nur eine dunkle Erinnerung gehabt habe, erst in der Folge sei ihm im Zusammenhang mit der von Slepy ihm gegenüber ausgesprochenen "Todesdrohung" und seinen im KL Auschwitz über Slepy gegenüber dem SS-Angehörigen T1 geführten Beschwerden über dessen brutales Vorgehen gegen Häftlinge eingefallen, daß <em>[Nachname des Angeklagten]</em> und Slepy ein und dieselbe Person war, die er hier zweifelsfrei wiedererkenne. Der Zeuge hat damit einen Weg der Erinnerung aufgezeigt, der gleichermaßen geeignet ist, den vermeintlichen Widerspruch zu seiner Aussage vom 15. Juni 1972 in einem anderen Strafverfahren wie auch zu seiner Vernehmung im Vorverfahren aufzulösen.</p>
<span class="absatzRechts">303</span><p class="absatzLinks">Das gilt gleichermaßen für den Zeugen T5. Der Zeuge befand sich nach der Vernehmungsniederschrift vom 8. Juni 1987 in der Zeit vom 11. August 1942 bis zum 18. Januar 1945 im KL Auschwitz. Wie der Niederschrift zu entnehmen ist, identifizierte der Zeuge den Angeklagten in der ihm vorgelegten Lichtbildmappe zweifelsfrei. Für die Erinnerung dieses Zeugen war ebenfalls eine affektbetonte Einzelheit ausschlaggebend. Nach seiner Darstellung wurde er von dem Angeklagten mehrmals mit einem Spazierstock geschlagen, eine Begebenheit, die im Lager alltäglich, und in einem nicht gegen den Angeklagten gerichteten Verfahren sicherlich nicht erwähnenswert war. Gerade eine solche, auf die eigene Person bezogene Tat vermag indes die Erinnerung an weitere Geschehnisse - wie hier die "Büchsenschüsse" - wachzurufen, die bereits im KL Auschwitz mit dem Angeklagten in Verbindung gebracht wurden, als Wissen vom Hörensagen indes leicht dem Vergessen anheimfallen können.</p>
<span class="absatzRechts">304</span><p class="absatzLinks">Nichts anderes gilt für die Aussage der Zeugin H2 vom 25. Mai 1972. Die Zeugin war nach der Vernehmungsniederschrift vom 10. Juni 1987 über zwei Jahre im KL Auschwitz inhaftiert. Sie hatte eine genaue Erinnerung an den Angeklagten und erkannte ihn in der ihr vorgelegten Lichtbildmappe zweifelsfrei wieder. Wie die Vernehmungsniederschrift belegt, brachte die Zeugin von der Person des Angeklagten ausgehend die Sprache auf die ihm im Lager zugeschriebenen Taten, daß er nämlich Häftlingen "eine Büchse auf den Kopf stellte und darauf geschossen hat" und daß dabei "auch ein Häftling erschossen worden ist". Der Erinnerungsprozeß der Zeugin belegt, daß für ihre Erinnerung die Person des Angeklagten als Anknüpfungspunkt im Mittelpunkt stand. Auch hier besteht sonach kein unauflöslicher Widerspruch zu der Aussage vom 25. Mai 1972. Das gilt um so mehr, als es angesichts der Fülle von selbsterlebten schrecklichen Ereignissen im KL Auschwitz keineswegs verwunderlich ist, wenn vor allem über lange Zeit inhaftiert gewesene Zeugen bestimmte Geschehnisse, von denen sie im Lager nur gehört hatten, allenfalls dann erwähnen oder für erwähnenswert halten, wenn sie hierzu konkret befragt werden. Überdies ist zu berücksichtigen, daß viele Zeugen dem Wissen vom Hörensagen selbst nur eine denkbar ungeordnete Bedeutung zuerkannten, teils sogar derart zurückhaltend waren, daß sie solches Wissen nicht einmal preisgeben wollten. Verwiesen sei hier auf die Aussage der Zeugin B, die angab, daß man das, was man nicht selbst gesehen habe, nicht angeben dürfe.</p>
<span class="absatzRechts">305</span><p class="absatzLinks">Insgesamt hat die Kammer danach keinen Anlaß die Glaubwürdigkeit der Zeugen Q, H2 und T5 und die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben in Zweifel zu ziehen. Das gilt in gleichem Maße für Person und Aussage der weiteren Zeugen K, I4, I5, K1, L3 und X2 sowie die Zeugin T4 gemäß der verlesenen Vernehmungsniederschrift vom 9. Juni 1987. Alle Zeugen haben ihren individuellen Erinnerungsprozeß nachvollziehbar und glaubhaft dargestellt. Bei keinem der Zeugen haben sich Anhaltspunkte dafür ergeben, daß sie den Angeklagten bewußt oder unbewußt der Wahrheit zuwider belasten wollten. Das Schwurgericht ist danach überzeugt, daß bereits im KL Auschwitz einige Häftlinge aus Erzählungen anderer Gefangener von den "Schießübungen" des Angeklagten ebenso erfahren haben wie davon, daß derartige Taten, bei denen den betroffenen Häftlingen leere Konservendosen auf den Kopf gestellt wurden, die der Angeklagte in "Wilhelm-Tell-Manier," abschoß, um die Häftlinge schlußendlich zu erschießen, allein dem Angeklagten zugeschrieben wurden.</p>
<span class="absatzRechts">306</span><p class="absatzLinks">Den vorstehenden Ausführungen stehen weder die Aussagen der Zeugen L1 und C2 noch die - teils als wahr unterstellten - Angaben anderer früherer Häftlinge entgegen. Der Zeuge L1 brachte allerdings zum Ausdruck, daß er "wohl" schon im Lager von den "Büchsenschüssen" gehört und diese Taten immer mit dem SS-Angehörigen I2, der etwa im April/Mai 1944 aus dem Lagerabschnitt B II g) "verschwunden" sei, in Verbindung gebracht habe. Der Zeuge schränkte bei der weiteren Befragung jedoch die Zuverlässigkeit seiner Erinnerung deutlich ein. Er "glaubte" zwar weiterhin, von diesen Vorfällen bereits im Lager gehört zu haben, hob jedoch hervor, daß die Taten allgemein dem "Verrückten" zugeschrieben worden seien. Daraus - so der Zeuge - habe er geschlossen, daß der "SS-Mann I2 der "Verrückte" sei, das sei nämlich ein "Pathologe" gewesen, der ebenso wie der "C3 hinterhältig und sadistisch" gewesen sei. Die Erklärung des Zeugen offenbart, daß er bei der Gleichsetzung des "Verrückten" mit I2 einem aus seiner Sicht naheliegenden Irrtum erlegen sein kann. Dies um so mehr, als er nach seiner - von den individuellen Erfahrungen ausgehenden - Beschreibung von dem Angeklagten keinen Anlaß hatte, in ihm einen Verrückten zu sehen. Der Zeuge C2 gab nach der ihm vorgehaltenen Aussage aus der Vorvernehmung vom 12. April 1985 an, daß er sich nicht mehr genau erinnern könne, ob er von den Vorfällen - den Schüssen eines SS-Angehörigen auf die auf Köpfen von Gefangenen aufgestellten Dosen, in deren Verlauf die Häftlinge schließlich durch Schüsse in den Kopf getötet worden seien - schon im Lager oder erst nach dem Krieg gehört habe. Folglich kann aus der Tatsache, daß der Zeuge "nur" bis April 1944 Häftling im KL Auschwitz war, nicht abgeleitet werden, daß derartige Vorfälle sich etwa schon vor dem Eintreffen des Angeklagten im Lager ereignet hätten.</p>
<span class="absatzRechts">307</span><p class="absatzLinks">Dem Umstand, daß einige Zeugen selbst vom Hörensagen nichts zu den "Büchsenschüssen" zu berichten vermochten, kommt keine nennenswerte Bedeutung zu. In diesem Zusammenhang hat die Kammer den Beweisanträgen Nrn. 4 und 9 vom 17. August 1987 und Nr. 16 vom 12. November 1987 ganz oder teilweise folgend mit Beschlüssen vom 21. September 1987 zu Ziffer II., 4. und 9. und vom 14. Dezember 1987 zu Ziffer II., 3. zugunsten des Angeklagten als wahr unterstellt: "Der Zeugin T11 sind Erschießungen von Häftlingen durch den Angeklagten weder aus eigenem Erleben noch vom Hörensagen bekannt (Beweisantrag Nr. 4 zu Ziffer II., 3.). Den Zeugen M4 und H6 ist über die Erschießung von Häftlingen im Rahmen des sogenannten "Büchsenschießens" bzw. sonstiger Erschießungen weder aus eigenem Erleben noch vom Hörensagen etwas bekannt (Beweisantrag Nr. 9 zu Ziffer II., 3.). Die Zeugen X11, Frau X12, L7, M5, Herr X9, S2, A, I7, O2, M6, C6 und C7 haben sich zu den Zeiten, in denen die angeklagten Taten geschehen sein sollen, in unmittelbarer Nähe der angeblichen Tatorte, nämlich im eng begrenzten Bereich des Lagers B II g) (Canada) befunden. Sie haben trotzdem und trotz der im Beweisantrag Nr. 15 geschilderten Umstände weder das dem Angeklagten angelastete "Büchenschießen" beobachtet noch andere Tötungshandlungen durch den Angeklagten. Von solchen Tötungen haben sie während ihres Aufenthaltes im Lagerbereich B II g) (Canada) auch nicht gehört" (Beweisantrag Nr. 16 zu Ziffer II.). Zu den "im Beweisantrag Nr. 15 geschilderten" Umständen zählte unter anderem die Wertung der Verteidigung, die "Größe des Lagers B II g)" sei "überschaubar" gewesen, "Tötungen im Lagerbereich Canada" hätten sich deshalb und wegen des "Ausnahmecharakters" "bis zum letzten Häftling herumgesprochen". Das gelte - so die Verteidigung - besonders für "geradezu spektakuläre Tötungen" wie sie dem Angeklagten in der Form des sogenannten Büchsenschießens angelastet würden; "vor allem wäre keinem Capo, keinem Funktionshäftling ein solches Geschehen verborgen geblieben".</p>
<span class="absatzRechts">308</span><p class="absatzLinks">Das Gericht hat bereits mit Beschluß vom 14. Dezember 1987 zu Ziffer II., 3. vorsorglich hervorgehoben, daß die teils in den Anknüpfungspunkten, teils in den Beweisbehauptungen eingestellten - in den Antrag Nr. 16 wie in dem einbezogenen Beweisantrag Nr. 15 - Wertungen der Verteidigung, die mitunter schon eine Beweiswürdigung beinhalteten, nicht bedenkenfrei sind und deshalb, was den Beweisantrag zu Nr. 15 anbelangt, unter Ziffer II., 2. des Beschlusses u. a. ausgeführt: "Die Aussage, die Tötung eines Häftlings im Lager Kanada habe bzw. hätte sich bis zum <u>letzten</u> Häftling herumgesprochen, könnte von den Zeugen nur unter der Voraussetzung zweifelsfrei bestätigt werden, daß sie nicht nur <u>alle</u> Häftlinge des 1944 zeitweilig ca. 1.000 Personen umfassenden "Kommandos Kanada" (im weitesten Sinne) gekannt, sondern auch durch laufende Rückfragen oder sonstige Maßnahmen hinsichtlich sämtlicher Häftlinge einen solchen Überblick über deren jeweiligen Kenntnisstand gewonnen hätten, daß ihnen eine allumfassende Aussage im Sinne der Verteidigung eröffnet wäre. Daß ein Häftling im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau einen derartigen Überblick auch nur in einem Teilbereich wie dem des Lagers Kanada und auch nur annäherungsweise gewonnen haben könnte, ist angesichts der Größe des Lagers B II g, der Aufteilung der Häftlinge in verschiedene Kommandos mit nochmals unterteilten Schichtdiensten und der Vielzahl der in diesem Lagerbereich - bei wechselndem Bestand - untergebrachten wie auch der dort nur zeitweilig tätigen Häftlinge undenkbar. Das gilt gleichermaßen für die Behauptung, Tötungen "in der Form des Büchsenschießens" wären vor allem keinem Kapo und keinem Funktionshäftling verborgen geblieben. Auch hierzu wäre einem ehemaligen Kapo oder sonstigem Funktionshäftling eine zweifelsfreie Aussage nur eröffnet, wenn er einen allumfassenden - also nicht nur sein Kommando betreffenden - Überblick über das Geschehen im gesamten Lagerbereich B II g gehabt hätte, was schon angesichts der begrenzten Aufgabenbereiche in den dort tätigen drei Kommandos fernliegend, mit Blick auf die Größe des Lagers, die Vielzahl der dort tätigen Häftlinge und das wechselhafte Geschehen dagegen undenkbar ist." Daran ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme festzuhalten.</p>
<span class="absatzRechts">309</span><p class="absatzLinks">Es kann keine Rede davon sein, daß der Lagerabschnitt B II g) "überschaubar" gewesen wäre. So hatten viele der dort in der nördlichen Barackenreihe untergebrachten weiblichen Häftlinge bei ihrer Vernehmung nicht einmal entfernt einen Überblick über die südliche Barackenreihe oder hoben hierzu hervor, daß sie über das, was in jenen Baracken geschah, nichts berichten könnten, weil sie dort nicht tätig gewesen seien. Der Mehrzahl der Zeugen war nicht klar, daß im Lagerabschnitt B II g) im wesentlichen drei verschiedene Kommandos (Effektenkammer-, Effektenlager-, Saunakommando) tätig waren, wobei die weiblichen Häftlinge überwiegend hervorhoben, daß sie nur mit der mittleren und nördlichen Barackenreihe sowie der Sauna und den dort tätigen Häftlingen, die sie allerdings einheitlich dem "Kommando Kanada" zurechneten, in Berührung gekommen seien. Hinzu kommt, daß manche der Häftlinge vor allem wegen der umliegenden Krematorien und dem dortigen Massensterben gegenüber dem Alltagsgeschehen im Lager weitgehend abgestumpft waren, die Motivation zur Beobachtung und Registrierung von Vorgängen, die nicht dem eigenen Schutzbedürfnis dienten, somit erlahmt war oder gar gänzlich fehlte. Besonders deutlich wurde dieses Moment einer affektiven Einengung der Wahrnehmungen bei der Zeugin D, die in einer Art Vogelstraußhaltung von, den Ereignissen im Lager nichts wissen wollte, um sich nicht selbst zu gefährden. Dieses egozentrische Schutzverhalten führte überdies dazu, daß Wissen über Selbsterlebtes oder vom Hörensagen wegen der Gefahr, auf einen Spitzel zu treffen, nicht oder nur an die vertrauten Häftlinge weitergegeben wurde, der Informationsfluß unter den Gefangenen somit keinesfalls als gesichert angesehen werden kann. Angesichts all dieser Umstände kommt dem Aspekt, daß einigen der im Jahre 1944 im Lagerabschnitt B II g) eingesetzten bis zu 1.000 Gefangenen nichts von den Taten des Angeklagten bekannt wurde, keine besondere Bedeutung zu. Das gilt selbst in bezug auf die sogenannten Funktionshäftlinge.</p>
<span class="absatzRechts">310</span><p class="absatzLinks">Der Zeuge Q war im Jahre 1944 Oberkapo im Lagerabschnitt B II g). Er meinte, einen relativ guten Überblick über das Lager gehabt zu haben. Nach seiner - der Wahrunterstellung zu dem Beweisantrag Nr. 17 der Verteidigung folgenden - Aussage vom 15. Juni 1972 erwähnte er dort zunächst, daß "bei uns kein Todesfall vorkam" und gab auf weiteres Befragen an, daß er sich (doch) an einen Fall vom "Hörensagen" erinnern könne, in dem "X7 oder der I3" einen in einem Waggon aufgefundenen Häftling - so lautete die Fragestellung - "umgelegt" hätten. In der Hauptverhandlung berichtete er von drei anderen Vorfällen, bei denen Häftlinge getötet worden oder gestorben seien; einen Fall stufte er als Arbeitsunfall ein. Den 1972 geschilderten Vorfall erwähnte er nicht. Das belegt, mit welcher Vorsicht umfassenden Äußerungen von Zeugen begegnet, werden muß, die - wie der Zeuge Q in der Hauptverhandlung - meinen, einen guten Überblick gehabt zu haben und deshalb in der Lage zu sein, aus ihrer Erinnerung "alle" Tötungshandlungen und Toten im Lagerabschnitt B II g) aufzählen zu können. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, daß der Zeuge I1 von einem Häftling im Lagerabschnitt B II g) berichtete, der "in den Zaun gegangen" sei. Der unbekannte Tote zählte zu den nachdrücklichsten Erinnerungen des Zeugen I1, fand indes weder bei der Schilderung des Zeugen Q noch der sonstigen Zeugen, die hierzu allerdings nicht befragt wurden, Erwähnung.</p>
<span class="absatzRechts">311</span><p class="absatzLinks">Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, daß das Gericht auf den die Zeugin C1 betreffenden Beweisantrag Nr. 20 der Verteidigung vom 12. November 1987 zu Ziffer II. mit Beschluß vom 14. Dezember 1987 zu Ziffer II., 6. zugunsten des Angeklagten als wahr unterstellt hat: "In der Strafsache gegen X3 u. a. vor dem Landesgericht für Strafsachen in Wien hat die Zeugin im Hauptverhandlungstermin vom 16. Mai 1972 erklärt: "Ich habe eine Ladung vom Gericht bekommen. Auf der der Name H3 angeführt war. Aufgrund dieses Namens habe ich mich an ihn erinnert. Ich habe die drei letzten Monate über alles nachgedacht und da ist mir sein Name eingefallen. Und so etwas ist nicht leicht." Auf Befragen des Vorsitzenden, ob die Zeugin gesehen habe, daß einer der beiden Angeklagten einen Häftling getötet habe, gibt die Zeugin an: "Anfang Oktober 1944 hat das Sonderkommando einen Aufstand gemacht. Es war bei den Krematorien III und IV. Eines der beiden Krematorien hat gebrannt. Ich war eben aus der Nachtschicht gekommen, als man eine Sirene hörte und dann hieß es, alle müssen zum Appell. Die SS-Männer haben herumgesucht. Das Sonderkommando war ja hinter dem Stacheldraht. Bei dem Ausbruchsversuch haben sie die Drähte zerschnitten. Die Männer vom Sonderkommando haben zu laufen angefangen. Manche haben sich verstecken können. Die Baracken waren mit Wäsche vollgestopft. Ein Häftling hat sich zwischen Wäschestücken versteckt und X3 hat ihn gefunden. Er hat ihn dann anschließend durch den ganzen Frauenblock durchgeschliffen. Ich stand in der ersten Reihe und habe alles genau gesehen. Sie haben die Häftlinge dann hinter die Mauer beim Krematorium gebracht. Wir haben nur eine Schießerei gehört. Wer geschossen hat, haben wir nicht gesehen."</p>
<span class="absatzRechts">312</span><p class="absatzLinks">Da die Kammer der Aussage der Zeugin C1, was das allgemeine Verhalten des Angeklagten und die ihm zugeschriebenen Taten anbelangt, aus den oben - Ziffer III., 4. b) - erwähnten Gründen nicht folgt, bedarf es keines weiteren Eingehens auf etwaige Widersprüche Ihrer Aussage in der Hauptverhandlung zu derjenigen vom 16. Mai 1972. Aus diesem Grund hat die Kammer ebenfalls den Beweisantrag Nr. 7 der Verteidigung vom 17. August 1987 zu der unter Ziffer II., 1. aufgestellten Beweisbehauptung, wonach anläßlich des Aufstandes im Krematorium ein griechischer Häftling des Sonderkommandos in den Bereich des Lagers B II g) geflüchtet und dort von dem ehemaligen SS-Unterscharführer X3 erschossen worden sein soll, mit Beschluß vom 21. September 1987 zu Ziffer II., 7. a) als für die Entscheidung ohne Bedeutung abgelehnt, weil der Angeklagte der u. a. zu diesem Punkt auf die Angaben der Zeugin C1 gestützten Nachtragsanklage nicht zugestimmt hat. In diesem Zusammenhang ist zur Klarstellung hervorzuheben, daß die Zeugin M1 die von ihr geschilderte Erschießung eines männlichen Häftlings durch den Angeklagten - vgl. vorstehend zu bb) a. E. - nicht mit dem von der Zeugin C1 dargestellten Ereignis anläßlich des Krematoriumsaufstandes (7. Oktober 1944), sondern mit einem von ihr hiervon deutlich abgehobenen sogenannten "kleinen" Krematoriumsaufstand, in dessen Verlauf ein Häftling des SK geflohen sei, in Verbindung brachte. Die Beweistatsache ist mithin auch in bezug auf die Glaubwürdigkeitsprüfung der Zeugin M1 ohne Belang.</p>
<span class="absatzRechts">313</span><p class="absatzLinks">Nach alledem steht für das Schwurgericht vor allem aufgrund der glaubhaften Angaben der Zeugen G und M1, die mit dem allgemeinen Verhalten des Angeklagten im KL Auschwitz ebenso in Einklang stehen wie mit den weiterhin dargestellten Taten (oben zu Ziffer 3.), ohne jeden Zweifel fest, daß der Angeklagte die unter Ziffer 1. festgestellten Tathandlungen verwirklicht und dabei fünf unbekannt gebliebene Menschen getötet hat.</p>
<span class="absatzRechts">314</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">315</span><p class="absatzLinks">Daß der Angeklagte bei der Ausführung der einzelnen Taten bewußt und gewollt den Tod der Opfer herbeigeführt hat, steht zur Überzeugung der Kammer fest aufgrund der objektiven Geschehensabläufe und seinem allgemeinen Verhalten gegenüber Häftlingen bzw. Deportierten, die zusammen genommen zuverlässige Rückschlüsse auf seine Willensbildung während der jeweiligen Taten eröffnen.</p>
<span class="absatzRechts">316</span><p class="absatzLinks">Opfer, Zielrichtung und Intensität der Angriffe machen in allen Fällen deutlich, daß es dem Angeklagten nicht um eine bloße Beeinträchtigung der körperlichen Integrität seiner Opfer ging. Wer, wie der Angeklagte, mit einer Pistole auf den Kopf eines Menschen zielt und schießt, der weiß gewöhnlich um die Gefährlichkeit und will den Tod des Opfers. Das gilt in besonderem Maße dann, wenn die Schüsse aus wenigen Metern Entfernung abgegeben werden, im Fall 1. b) sogar aus nächster Nähe auf die am Boden liegenden Opfer erfolgten. Schon der äußere Geschehensablauf streitet daher nachhaltig dafür, daß der Angeklagte bei der jeweiligen Tatausführung seine Schüsse bewußt und gezielt einsetzte, um die Opfer zu töten. Das gilt auch für den Fall 1. a), in dem das lautstarke Schimpfen des Angeklagten und der diesem unmittelbar nachfolgende Schuß belegen, daß der Angeklagte hier nicht etwa "versehentlich" geschossen oder getroffen hat, zumal das nachfolgende Lachen des Angeklagten bei der Anweisung gegenüber zwei anderen Häftlingen, den Körper des Erschossenen abzuholen, als Reaktion auf einen ungewollten Geschehensablauf kaum nachvollziehbar wäre.</p>
<span class="absatzRechts">317</span><p class="absatzLinks">Neben dem äußeren Geschehensablauf wird die Überzeugung der Kammer gestützt durch das Allgemeinverhalten des Angeklagten gegenüber Häftlingen im KL Auschwitz. Der Angeklagte war nicht lediglich allein in seiner Eigenschaft als im Lager eingesetzter SS-Angehöriger ein notwendiges Glied in der "Tötungsmaschinerie" des KL Auschwitz. Darüber hinaus trug er mit seinem Verhalten und seinen Taten dazu bei, daß Auschwitz heute als Synonym für die Schreckensherrschaft der NS-Machthaber und alle in ihrem Namen begangenen Verbrechen gilt. Er setzte sich nach den Feststellungen im Lager über alle menschlichen und moralischen Bedenken, ja selbst über die ihm von dem Unrechtssystem vorgegebenen Regeln, hinweg. Die ihm unterstellten Häftlinge mißhandelte er seinen sadistischen Strebungen folgend nach Gutdünken. Roh und gefühllos verdeutlichte er ihnen während solcher Mißhandlungen mit üblen Beschimpfungen, daß ihnen - was seiner Überzeugung entsprach - ein Lebensrecht nicht zukam. Die pervertierten Gefühle des Angeklagten fanden ihren Höhepunkt in den den Fällen 1. c) und d) - aber auch 3. a) - zugrunde liegenden Taten, in denen er menschliche Wesen zum bloßen Objekt seiner "Schießübungen" herabwürdigte. Dabei schreckte er im Falle 1. c) nicht einmal davor zurück, einem Kind vor dem Tode zusätzliche unermeßliche seelische Qualen zuzufügen. Deutlicher kann die menschenverachtende Grundhaltung des Angeklagten, dem jegliches Mitgefühl für die Häftlinge oder Deportierten fehlte, nicht belegt werden. Gerade der Fall 1. c) beweist zudem, daß der Tod des kleinen Jungen nicht etwa "zufällig" - durch einen fehlgehenden Schuß - eintrat. Die Ankündigung des Angeklagten, er werde das Kind "erledigen", war eindeutig und zeigt, daß er das Kind töten wollte. Insgesamt hat das Schwurgericht danach nicht den geringsten Zweifel, daß der Angeklagte in allen unter Ziffer 1. festgestellten Fällen den Tod der Opfer wissentlich und willentlich herbeigeführt hat.</p>
<span class="absatzRechts">318</span><p class="absatzLinks">V.</p>
<span class="absatzRechts">319</span><p class="absatzLinks">Die unter Ziffer IV., 1. a) - d) aufgeführten Tathandlungen führen in allen Fällen zu einer Verurteilung wegen Mordes.</p>
<span class="absatzRechts">320</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">321</span><p class="absatzLinks">Der Sachentscheidung steht ein die Einstellung des Verfahrens nach § 206 a StPO gebietendes Verfahrenshindernis nicht entgegen.</p>
<span class="absatzRechts">322</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">323</span><p class="absatzLinks">Entgegen der im Schlußwort nochmals erhobenen Einwände der Verteidigung bestehen an der Zulässigkeit der Anklageschrift vom 7. Juni 1985 in Form des korrigierten Anklagesatzes vom 4. November 1985, insbesondere was Art und Umfang der Konkretisierung der einzelnen Anklagepunkte anbetrifft, keinerlei Zweifel.</p>
<span class="absatzRechts">324</span><p class="absatzLinks">Anklage und somit auch der Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens bezeichnen den Verhandlungs- und Urteilsgegenstand so genau und vollständig, daß der historische Ablauf der einzelnen Taten wie Art und Umfang des Schuldvorwurfs hinreichend deutlich zu erkennen sind. Zutreffend geht die Verteidigung davon aus, daß von einer hinreichenden Konkretisierung der Tat nur dann ausgegangen werden kann, wenn die Tat "durch bestimmte Tatumstände so genau gekennzeichnet" wird, daß "keine Unklarheit darüber möglich ist, welche Handlungen dem Angeklagten zur Last gelegt werden" (BGHSt 5, 225, 227). Es läßt sich allerdings "nicht allgemein sagen, mit welchen näheren tatsächlichen Angaben eine Tat genügend gekennzeichnet wird" (BGHSt 10, 137, 140). Unabdingbar ist jedoch, daß der historische Ablauf des Tatgeschehens und der Umfang des Schuldvorwurfs mit genügender Deutlichkeit gekennzeichnet werden. Dabei ist die genaue datenmäßige Festlegung der Tatzeit nur dann erforderlich, wenn sie für den Schuldspruch und die sichere Erfassung der ihm zugrunde liegenden Tat unerläßlich ist (OLG Karlsruhe MDR 1982, 248).</p>
<span class="absatzRechts">325</span><p class="absatzLinks">Diesen Grundsätzen für die Darstellung der konkreten Taten trägt die Anklage und der hierauf fußende Eröffnungsbeschluß der Kammer, soweit dem Antrag auf Eröffnung des Hauptverfahrens stattgegeben wurde, Rechnung. Sämtliche Tathandlungen sind dort - jedenfalls bei der zulässigen Heranziehung des in der Anklageschrift niedergelegten wesentlichen Ermittlungsergebnisses - nach Tatzeit, Tatort, Tatopfer und vor allem dem jeweils prägenden Tatgeschehen so deutlich gekennzeichnet, daß das historische Geschehen der Tatvorwürfe wie Art und Umfang des Schuldvorwurfs hinreichend konkretisiert sind. Die Forderung nach einer (noch) näheren Eingrenzung der Tatzeiten als im Anklagesatz (1944) bzw. wesentlichen Ermittlungsergebnis (wegen des dort mit dem 22. Mai 1944 erwähnten Eintreffens des Angeklagten im KL Auschwitz frühestens ab diesem Zeitpunkt), Tatorte (KL Auschwitz-Birkenau; bei Aufsicht des Angeklagten über Häftlinge des Kommandos "Kanada") oder Tatopfer zu verlangen, hieße jedenfalls in Fällen der vorliegenden Art die Anforderungen an die unabdingbare Konkretisierung zu überspannen, zumal den Taten jeweils ein unterscheidungskräftiges Merkmal von dem Rahmen- wie Tatgeschehen verliehen wird.</p>
<span class="absatzRechts">326</span><p class="absatzLinks">Als Beleg für die genügende Konkretisierung mag der Teilfreispruch des Angeklagten von dem Schuldvorwurf, einen weiteren männlichen Häftling bei seinen "Schießübungen" erschossen zu haben (a. des Anklagesatzes), dienen. Mit Blick auf die vom Zeugen S geschilderte - oben zu Ziffer IV., 3. a) festgestellte - Tat, die im wesentlichen mit derjenigen des Anklagevorwurfs gleichgelagert ist, sich hiervon indes wegen des Tatgeschehens zwischen und nicht vor den Baracken abhebt, ergibt sich der Teilfreispruch folglich als Konsequenz aus dem durch die Anklage hinreichend umrissenen Verhandlungs- und Urteilsgegenstand.</p>
<span class="absatzRechts">327</span><p class="absatzLinks">Der Verteidigung kann nicht darin gefolgt werden, daß das Gericht an die im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen der Anklage niedergelegte allgemeine Beschreibung des KL Auschwitz bzw. des Lagers Birkenau oder die Ausführungen zu einzelnen Lagerabschnitten, Kommandos oder Werdegang und Einsatz des Angeklagten im KL Auschwitz gebunden ist. Die Kammer trifft ihre Feststellungen vielmehr allein auf der Grundlage der in der Hauptverhandlung gewonnenen Erkenntnisse. Soweit diese von dem wesentlichen Ermittlungsergebnis abweichen, ist dies nur dann von Bedeutung, wenn hierdurch die Identität der angeklagten Taten in Frage gestellt wird. Das ist indes nicht der Fall.</p>
<span class="absatzRechts">328</span><p class="absatzLinks">Die auf der früheren Einlassung des Angeklagten beruhende Angabe im wesentlichen Ermittlungsergebnis, der Angeklagte habe nach seinem Eintreffen im KL Auschwitz zunächst zwei Monate in der Häftlingsgeldverwaltung (HGV) Dienst verrichtet (Seite 9/10 der Anklage), trifft nach den Feststellungen der Kammer - weil schon diese Einlassung des Angeklagten der Wahrheit zuwiderlief - nicht zu. Daß der Angeklagte allenfalls wenige Tage in der HGV eingesetzt war, berührt die Identität der angeklagten Taten jedoch in keiner Weise. Das gilt gleichermaßen für die erst im Verlauf der Hauptverhandlung gewonnenen näheren Erkenntnisse über das in der Nähe des Stammlagers Auschwitz gelegene Effektenlager I, den Lagerabschnitt B II g) - mit dem Effektenlager II - in Birkenau und die dort jeweils tätigen Kommandos, insbesondere das zeitweilige Nebeneinanderwirken einzelner Arbeitskommandos in den Effektenlagern I und II. Dem wesentlichen Ermittlungsergebnis (Seite 11 f. der Anklage) liegt allerdings die Annahme zugrunde, daß (auch) die Taten zu b) und c) des Anklagesatzes sich im Lager Birkenau ereignet hätten. Dies folgt aus der - nach den Feststellungen der Kammer unzutreffenden, nach den damaligen Erkenntnissen naheliegenden - Darstellung, wonach sich das Lager "Kanada"' bis Ende 1943/Anfang 1944 in der Nähe des Stammlagers Auschwitz befunden habe und "anschließend" in Birkenau eingerichtet worden sei (Seite 12 der Anklage). Die Abweichung in diesem, allen Verfahrensbeteiligten nach der Vernehmung des Zeugen G offenbar gewordenen Detail zu dem näheren Tatort (Effektenlager I) vermag die Identität der angeklagten Taten ebenfalls nicht in Frage zu stellen. Denn die Identität des historischen Geschehensablaufs bleibt schon wegen des im Anklagesatz übergreifend genannten Tatortes (KL Auschwitz-Birkenau) und der kennzeichnenden Angaben zu Tatzeit, Tatopfern und vor allem dem näheren Tatgeschehen gewahrt.</p>
<span class="absatzRechts">329</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">330</span><p class="absatzLinks">Das Verfahren ist ebenfalls nicht aus dem Gesichtspunkt der Verjährung der Strafverfolgung einzustellen.</p>
<span class="absatzRechts">331</span><p class="absatzLinks">Die Straftaten des Angeklagten sind nicht verjährt. Verbrechen des Mordes unterliegen nach§ 78 Abs. 2 StGB der Verjährung nicht. Die durch das 16. Strafrechtsänderungsgesetz vom 16. Juli 1979 (BGBl. I S. 1046) geschaffene Rechtslage bezieht sich nach Artikel 2 auch auf früher begangene Taten, wenn deren Verfolgung am 21. Juli 1979 noch nicht verjährt war. Das ist hier der Fall.</p>
<span class="absatzRechts">332</span><p class="absatzLinks">Die Straftaten des Angeklagten sind nach der materiellen Strafvorschrift des § 211 StGB zu beurteilen. Die bereits zur Tatzeit (1944) gültige Fassung sah allerdings für Mord anstelle der lebenslangen Freiheitsstrafe die durch Artikel 102 GG abgeschaffte Todesstrafe vor. Nach der Strafdrohung richteten sich die Regelungen zur Strafverfolgungsverjährung, die gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 1 StGB a. F. für die Strafdrohung des Mordes eine Verjährungsfrist von 20 Jahren vorsahen. Die zur Tatzeit maßgebende 20-jährige Verjährungfrist ruhte indes bis zum 8. Mai 1945, weil die Verfolgung der Taten wegen der rechtsfeindlichen Haltung der NS-Machthaber bis zu diesem Zeitpunkt praktisch ausgeschlossen war (§§ 69 Abs. 1 StGB a. F., 78 b Abs. 1 StGB n. F.; vgl. BGH NJW 1962, 2308; 1963, 1627). Das gilt trotz der eigenmächtigen Handlungsweise des Angeklagten. Auch der Verfolgung dieser Verbrechen stand nach der Überzeugung des Gerichts der als Gesetz postulierte Führerwille objektiv entgegen, weil aus der Sicht der Reichsführung-SS ein strafwürdiges Delikt allenfalls in dem selbständigen Handeln gelegen hätte, nicht aber in der Erschießung sogenannter "Volksfeinde" bzw. "Untermenschen" (vgl. BGH NJW 1963, 1627). Überdies hat die Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 31. Dezember 1949 für die Taten des Angeklagten als nach der damaligen Rechtslage mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedrohten Verbrechen nach § 1 des Gesetzes über die Berechnung strafrechtlicher Verjährungsfristen vom 13. April 1965 (BGBl. I, S. 315), das frei von verfassungsrechtlichen Bedenken ist (BVerfGE 25, 269), außer Betracht zu bleiben. Die 20-jährige Verjährungsfrist für die Straftaten des Angeklagten wurde folglich erst am 1. Januar 1950 in Lauf gesetzt, war daher am 6. August 1969 noch nicht beendet. Vor diesem Zeitpunkt wurde die Verjährungsfrist mit dem 9. Strafrechtsänderungsgesetz vom 4. August 1969 (BGBl. I, S. 1065) durch Änderung des § 67 Abs. 1 Nr. 1 StGB a. F. auf 30 Jahre verlängert. Diese verlängerte Verjährungsfrist war noch nicht abgelaufen, als das eingangs erwähnte 16. Strafrechtsänderungsgesetz die Verjährung von Mord aufhob.</p>
<span class="absatzRechts">333</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">334</span><p class="absatzLinks">Die unter Ziffer IV., 1. a) - d) aufgeführten Fälle sind im Kern rechtlich gleich zu beurteilen. In allen Fällen ist der Tatbestand des Mordes verwirklicht.</p>
<span class="absatzRechts">335</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">336</span><p class="absatzLinks">Der Angeklagte hat in jedem der geschilderten Fälle die Häftlinge bzw. Deportierten vorsätzlich getötet. Denn nach den getroffenen Feststellungen hat er den Tod der Opfer in Tötungsabsicht durch die in jedem einzelnen Fall geschilderte Behandlung unmittelbar herbeigeführt.</p>
<span class="absatzRechts">337</span><p class="absatzLinks">aa)</p>
<span class="absatzRechts">338</span><p class="absatzLinks">Die Tötung der Häftlinge bzw. Deportierten erfolgte in jedem der genannten Fälle aus niedrigen Beweggründen. Eine Tötung beruht auf niedrigen Beweggründen i. S. d. § 211 Abs. 2 StGB, wenn die den Täter beherrschenden Vorstellungen und Erwägungen nach allgemeiner sittlicher Anschauung auf tiefster Stufe stehen und seine Motive deshalb als gemein, verachtenswert und besonders verwerflich anzusehen sind (BGHSt 2, 63; 3, 133; 18, 37; 22, 376). Das trifft auf die Gesinnung des Angeklagten in den zu Ziffer IV., 1. a) - d) angeführten Taten zu. In allen diesen Fällen erfolgte die Tötung der Opfer ohne Gerichtsverfahren und ohne Urteil aus einer Gesinnung heraus, die auf der nationalsozialistischen Rassenirrlehre von der Vorherrschaft der sogenannten nordischen Rasse aufbauend den Angehörigen der angeblich "minderwertigen Rassen", insbesondere den Deportierten und Lagerinsassen kein Lebensrecht zuerkannte und ihnen jede Menschenwürde absprach. Besonders deutlich treten die niedrigen Beweggründe bei den Taten zu Ziffer IV., 1. c) und d) zutage, in deren Verlauf der Angeklagte seine Opfer zu bloßen Objekten seiner "Schießübungen" herabwürdigte, ehe er die nach Überzeugung der Kammer von ihm als minderwertig eingestuften Opfer tötete. Eine andere Gesinnung lag auch den Fällen zu Ziffer IV., 1. a) und b) nicht zugrunde, mögen hier auch sonst noch äußere Anlässe (verzögerliche Befolgung des Weckrufs; Fluchtversuch) vorgelegen haben. Auch die "Liquidierung" dieser Häftling war letztlich getragen von dem Motiv, das Leben der als "minderwertig" angesehenen Menschen allein aus diesem Grunde ohne weiteres auslöschen zu können. Solche Beweggründe stehen auf tiefster sittlicher Stufe und können nur als gemein und verächtlich bezeichnet werden. Wer sich aus einer solchen Einstellung heraus zur Tötung von Menschen bestimmen läßt, handelt aus niedrigen Beweggründen (BGH a.a.O.).</p>
<span class="absatzRechts">339</span><p class="absatzLinks">Nicht erforderlich ist, daß der Angeklagte selbst erkannt haben muß, daß seine tragenden Tatmotive als niedrige Beweggründe im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB zu werten sind. Maßgeblich sind nicht die Wertvorstellungen des einzelnen Täters, sondern die Anforderungen, die die allgemein anerkannten sittlichen Grundsätze an jeden einzelnen Menschen stellen. Nach diesen Grundsätzen aller zivilisierten Völker ist und war schon damals die Tötung eines Menschen allein wegen seines Glaubens, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse oder Personengruppe, wegen seiner politischen Überzeugung oder wegen einer Krankheit, noch dazu ohne irgendein Verfahren, durch das seine Rechte gewahrt wurden, sittlich verachtenswert. Da der Angeklagte die tatsächlichen Umstände kannte, die seine Motive als verabscheuungswürdig kennzeichneten, ist es unbeachtlich, wenn er im Sinne seiner eigenen pervertierten Wertskala sein Handeln möglicherweise nicht als sittlich und moralisch verachtenswert empfand.</p>
<span class="absatzRechts">340</span><p class="absatzLinks">bb)</p>
<span class="absatzRechts">341</span><p class="absatzLinks">Die Tötung der Häftlinge bzw. Deportierten erfolgte außerdem in den geschilderten Fällen IV., 1. b), c) und d) auf grausame Art und Weise. Grausam ist eine Tötung dann, wenn der Täter seinen Opfern aus gefühlloser, unbarmherziger Gesinngung körperliche oder seelische Leiden von einer Stärke und Dauer bereitet, die zur Herbeiführung des Todes nicht erforderlich sind (BGHSt 3, 181, 264; BGH NJW 1971, 1190). Diese Voraussetzungen sind - abgesehen von der unter IV., 1. a) dargestellten Tat - bei den genannten Fällen erfüllt.</p>
<span class="absatzRechts">342</span><p class="absatzLinks">Der Angeklagte hat seinen Opfern aus einer gefühllosen und unbarmherzigen Gesinnung heraus besondere Schmerzen und Qualen körperlicher und seelischer Art zugefügt. Nur ein gefühlloser, unbarmherziger Mensch konnte die Häftlinge bzw. Deportierten, die ohnehin schon genug unter der jeder Menschenwürde hohnsprechenden Behandlung auf dem Transport in das bzw. im KL Auschwitz litten, noch zusätzlich, ohne daß triftige oder menschlich wenigstens nachvollziehbare Gründe vorlagen, auf die in den einzelnen Fällen geschilderte Art und Weise umbringen. Der Angeklagte kannte die äußeren Umstände für das schwere Los der Deportierten und Häftlinge im KL Auschwitz. Wenn er sie in der geschilderten Weise mißhandelte, bis zur Bewußtlosigkeit schlug und trat und in den angeführten Fällen sogar tötete, so zeugt das davon, daß er weder Mitleid noch Erbarmen kannte, sondern durch innere Grundhaltung und Zustände im KL völlig verroht war.</p>
<span class="absatzRechts">343</span><p class="absatzLinks">Besonders kraß tritt die Grausamkeit in den Fällen IV., 1. c) und d) zutage, die an Brutalität kaum noch überbietbar erscheinen. Durch die "Schießübungen" mußten die Opfer, ein kleines Kind und ein Mädchen, vor ihrer "Liquidierung" weit über die normale Todesangst hinausgehende seelische Qualen erleiden. Daran kann kein Zweifel bestehen. Aus ihrer Sicht konnte jeder Schuß des Angeklagten auf die auf ihrem Kopf bzw. Schultern stehenden Dosen den Tod bedeuten. Andererseits brachte jeder Schuß, der sie nicht traf, Hoffnung auf ein Überleben zurück. Die unbeschreibbare Angst der Opfer und die ihnen während der Schießübungen zugefügten seelischen Qualen, die mit der Herbeiführung ihres Todes nicht notwendigerweise verbunden waren, wird deutlich gekennzeichnet durch die geschilderte Erstarrung des Kindes im Falle I. c). Zudem belegt das Verhalten, des Angeklagten in diesem Fall die völlige Pervertierung der Gefühle und seinen grenzenlosen Sadismus. Hierfür steht nicht zuletzt die ausdrückliche Ankündigung gegenüber dem Kind, daß er es "erledigen" werde. Der Fall IV., 1. d) steht der vorbeschriebenen Tat an Grausamkeit in nichts nach.</p>
<span class="absatzRechts">344</span><p class="absatzLinks">Grausam war ebenfalls die Erschießung der beiden männlichen Häftlinge im Fall IV., 1. b). Die Opfer haben vor ihrem Tod durch die Mißhandlungen, insbesondere auch durch die Tritte des Angeklagten erhebliche Schmerzen erdulden müssen. Es steht außer Frage, daß Tritte mit Stiefeln, die gegen empfindliche Körperteile (Brust/ Bauch) geführt werden, bei den Opfern erhebliche Schmerzen hervorrufen. Diese Schmerzen waren ebenfalls nicht notwendigerweise mit der Herbeiführung des Todes verbunden. Außerdem mußten beide Häftlinge seelische Qualen erleiden. Das kann angesichts der vor Angst fast "verrückten" Opfer nicht zweifelhaft sein und gilt in besonderem Maße für denjenigen Häftling, der in qualvoller Weise vor dem eigenen Tod die Erschießung seines Kameraden durch den Angeklagten miterleben mußte.</p>
<span class="absatzRechts">345</span><p class="absatzLinks">Der Angeklagte kannte in den vorerwähnten Fällen (IV., 1. b, c, d) auch die gesamten Umstände, die die Tötungshandlungen als grausam kennzeichneten. Denn er war es selbst, der die Häftlinge in der geschilderten Art und Weise quälte und zu Tode brachte. Das genügt. Nicht erforderlich ist, daß er die Tötungen selbst als grausam empfand und wertete.</p>
<span class="absatzRechts">346</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich des männlichen Häftlings, der in einer Baracke des Effektenlagers I erschossen wurde, weil er nicht "rechtzeitig" angetreten war (Fall IV., 1. a), reichen die getroffenen Feststellungen dagegen nicht aus, um seine Tötung als grausam einzustufen. Es steht weder fest, ob der Häftling sein Schicksal vorausahnte und dadurch besondere psychische Qualen erduldete, noch läßt sich aus der Erschießung selbst etwas dafür herleiten, daß diesem Häftling über den mit jeder Erschießung notwendig verbundenen Schmerz zusätzliche Leiden zugefügt wurden.</p>
<span class="absatzRechts">347</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">348</span><p class="absatzLinks">Die vorsätzlich, in allen Fällen aus niedrigen Beweggründen und außer im Fall IV., 1. a) zudem grausam ausgeführten Tötungen waren rechtswidrig. Irgendwelche Rechtfertigungsgründe sind dafür nicht vorhanden. Der Angeklagte war nicht - auch nicht nach den Richtlinien der damaligen NS-Machthaber - befugt, die Häftlinge eigenmächtig zu töten. Wenn seine Handlungsweise von seinen unmittelbaren Vorgesetzten im KL Auschwitz stillschweigend geduldet wurde, kann das sein Handeln nicht rechtfertigen. Denn ihnen stand nach dem Willen der SS-Führung ebenfalls nicht das Recht zu, über Leben und Tod eines Häftlings oder Deportierten zu bestimmen.</p>
<span class="absatzRechts">349</span><p class="absatzLinks">Da der Angeklagte in allen Fällen selbständig ohne besondere Anordnung oder Befehl gehandelt hat, kann er sich schon im Ansatz nicht darauf berufen, daß er nur in Ausführung von "Befehlen in Dienstsachen" und damit gemäß § 47 Abs. 1 MStGB persönlich rechtmäßig tätig geworden wäre. Darauf, daß eine solche Rechtfertigung voraussetzt, daß der Untergebene in Ausübung "rechtmäßiger" Befehle gehandelt hat und daß dieses Merkmal Tötungsbefehlen in den konkreten Situationen gefehlt hätte, weil derartige Befehle die allen Kulturvölkern gemeinsame Überzeugung von Wert und Würde des menschlichen Lebens mißachtet hätten und damit offenkundig verbrecherischen Inhalts gewesen wären, kommt es mithin nicht an.</p>
<span class="absatzRechts">350</span><p class="absatzLinks">Wegen der eigenmächtigen Handlungsweise des Angeklagten ist die strafrechtliche Verantwortlichkeit in allen Fällen ebenfalls nicht unter dem Gesichtspunkt des rechtfertigenden Notstandes im Sinne des § 34 StGB aufgehoben. Diese als Ausformung der von der Rechtsprechung entwickelten Rechtsfigur des sogenannten übergesetzlichen Notstandes seit dem 1. Januar 1975 in das StGB eingefügte Regelung beruht auf dem Grundgedanken, daß das Recht in Konfliktsituationen den Zugriff auf fremde Güter unter bestimmten Voraussetzungen zulassen muß. Derartige Konfliktsituationen fehlen in allen Fällen gänzlich. Wegen der selbständigen Handlungsweise des Angeklagten ist insbesondere von vornherein ausgeschlossen, daß er, wenn er die Tötungen nicht vorgenommen hätte, einer eigenen Gefährdung ausgesetzt gewesen wäre.</p>
<span class="absatzRechts">351</span><p class="absatzLinks">c)</p>
<span class="absatzRechts">352</span><p class="absatzLinks">Der Angeklagte handelte in allen Fällen schuldhaft.</p>
<span class="absatzRechts">353</span><p class="absatzLinks">Dem Angeklagten war in allen Fällen bewußt, daß er Unrecht verübte. Seine eigenmächtigen Tötungsakte verstießen in so elementarer Weise gegen das selbst dem primitivsten Menschen bekannte Recht eines jeden menschlichen Wesens auf sein Leben, daß er nicht geglaubt haben kann und nach der Überzeugung des Schwurgerichts auch nicht geglaubt hat, er handele nicht unrechtmäßig, wenn er die Opfer umbringe. Das gilt auch für die Fälle IV., 1. a) und b). Der Angeklagte war als SS-Angehöriger in hohem Maße an Befehl und Gehorsam gewöhnt. Ihm war bekannt, daß sich selbst das Leben unter dem NS-Regime innerhalb einer durch Gesetze, Verordnungen, Erlasse, Richtlinien und Befehle geregelten normativen Ordnung abspielte. Zweifellos handelte es sich nicht um eine Ordnung, die nach rechtstaatlichen Gesichtspunkten aufgebaut war. Sie ließ aber grundsätzlich jedenfalls keinen Raum für beliebige, willkürliche Maßnahmen irgendeiner Stelle im Machtapparat. Als Bestandteil dieser normativen Ordnung war den SS-Angehörigen, die in den KL eingesetzt waren, untersagt, selbständig gegen Inhaftierte vorzugehen, insbesondere Hand an sie zu legen. Das war dem Angeklagten bekannt. Wenn er gleichwohl in den genannten Fällen eigenmächtig handelte, so ist zuverlässig auszuschließen, daß er etwa der Auffassung war, er dürfe Häftlinge, die sich gegen die Disziplin und Lagerordnung vergangen hatten, einfach töten.</p>
<span class="absatzRechts">354</span><p class="absatzLinks">Der Angeklagte war bei Begehung der Taten voll zurechnungs- bzw. schuldfähig im Sinne der §§ 51 StGB a. F., 20, 21, StGB n. F. Es haben sich keine Anzeichen dafür ergeben, daß er zu den jeweiligen Tatzeiten wegen Bewußtseinsstörung, krankhafter Störung der Geistestätigkeit oder Geisteschwäche bzw. wegen einer krankhaften seelischen Störung, einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder einer anderen schweren seelischen Abartigkeit unfähig gewesen wäre, das Unrecht der Taten einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, noch daß seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit durch derartige Umstände erheblich vermindert gewesen wäre. Die Hauptverhandlung hat insbesondere keinerlei Hinweise auf einen bei dem Angeklagten bestehenden organischen Hirnschaden und eine etwa darauf beruhende "krankhafte seelische Störung" ergeben. Zwar hat der Angeklagte im Verlauf der Kriegshandlungen am 11. September 1941 eine Kopfverletzung erlitten. Die Verletzung führte indes zu keiner organischen Hirnschädigung. Das kann nach dem weiteren Weg des Angeklagten, vor allem seiner Heranziehung zur Rekrutenausbildung und dem bestandenen Unteroffizierslehrgang bereits im Jahre 1942, dem beruflichen Werdegang und seinem unauffälligen Verhalten nach dem Kriege, zuverlässig ausgeschlossen werden.</p>
<span class="absatzRechts">355</span><p class="absatzLinks">Der Angeklagte ist auch nicht in anderer Weise entschuldigt. Da er selbständig handelte, kann er sich nicht darauf berufen, daß er etwa über die Rechtmäßigkeit eines ihm erteilten Befehls im Rahmen des § 47 Abs. 1 MStGB geirrt hätte. Die eigenmächtige Handlungsweise steht in allen Fällen ebenfalls der Annahme eines entschuldigenden Notstandes i. S. d. § 35 StGB n. F. bzw. eines Befehlsnötigungsnotstandes oder Befehlsnotstandes i. S. d. §§ 52, 54 StGB a. F. entgegen.</p>
<span class="absatzRechts">356</span><p class="absatzLinks">d)</p>
<span class="absatzRechts">357</span><p class="absatzLinks">Der Angeklagte ist mithin in allen Fällen zu Ziffer IV., 1. a), b), c) und d) des Mordes schuldig, wobei er bezüglich aller fünf Tatopfer aus niedrigen Beweggründen und zudem bei vier Tatopfern - ausgenommen der Fall IV., 1. a), in dem ein Häftling zu Tode kam - grausam handelte. Daß die Tötung jedes einzelnen Menschen als selbständige Handlung i. S. d. § 53 StGB n. F. bzw. § 74 StGB a. F. anzusehen ist, bedarf keiner näheren Begründung.</p>
<span class="absatzRechts">358</span><p class="absatzLinks">VI.</p>
<span class="absatzRechts">359</span><p class="absatzLinks">Der des fünffachen Mordes für schuldig befundene Angeklagte war nach allem unter Freisprechung von dem weiteren Anklagevorwurf (oben zu Ziffer IV., 2.) aus § 211 StGB mit der hier einzig angedrohten l e b e n s l a n g e n  <a name="_GoBack" id="_GoBack"></a>  F r e i h e i t s s t r a f e in fünf Fällen zu bestrafen. Die Kammer hatte keine Handhabe, von der im Gesetz für einen aus niedrigen Beweggründen bzw. grausam verübten Mord allein vorgesehenen Strafe abzusehen. Sie hätte indes angesichts der ungeheuren Schwere der Schuld, die der Angeklagte auf sich geladen hat, selbst dann nicht auf eine mildere Strafe erkannt, wenn das Gesetz ihr einen Spielraum eingeräumt hätte.</p>
<span class="absatzRechts">360</span><p class="absatzLinks">Nach §§ 53, 54 Abs. 1 Satz 1 StGB war für die gleichzeitig abgeurteilten Taten des Angeklagten eine Gesamtstrafe zu bilden und auf eine Gesamtstrafe von </p>
<span class="absatzRechts">361</span><p class="absatzLinks">lebenslanger Freiheitsstrafe </p>
<span class="absatzRechts">362</span><p class="absatzLinks">zu erkennen.</p>
<span class="absatzRechts">363</span><p class="absatzLinks">VII .</p>
<span class="absatzRechts">364</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 465, 467 StPO.</p>
<span class="absatzRechts">365</span><p class="absatzLinks">
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</p>
<span class="absatzRechts">366</span><p class="absatzLinks">
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</p>
<span class="absatzRechts">367</span><p class="absatzLinks">
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</p>
<span class="absatzRechts">368</span><p class="absatzLinks">
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</p>
<span class="absatzRechts">369</span><p class="absatzLinks">
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</p>
<span class="absatzRechts">370</span><p class="absatzLinks">
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</p>
<span class="absatzRechts">371</span><p class="absatzLinks">
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</p> |
315,405 | olgk-1988-01-26-ss-65087 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | Ss 650/87 | 1988-01-26T00:00:00 | 2019-03-13T14:54:48 | 2019-03-27T09:43:12 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1988:0126.SS650.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Das angefochtene Urteil wird mit seinen Feststellungen aufgehoben.</p>
<p></p>
<p>Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Bonn zurückverwiesen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Die Berufung des Angeklagten hat die Strafkammer verworfen. Dagegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Revision hat (vorläufigen) Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die ordnungsgemäß - unter Mitteilung des Ablehnungsantrags und der Gründe des zurückweisenden Beschlusses (vgl. KK-Pikart, StPO, 2. Aufl., § 344 Rn. 47 m.w.N.) - erhobene Verfahrensrüge der Verletzung des § 338 Nr. 3 StPO greift durch. Nach dieser Vorschrift ist ein absoluter Revisionsgrund gegeben, wenn bei dem Urteil ein Richter mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch mit Unrecht verworfen worden ist. Bei ordnungsgemäßer Ablehnungsrüge hat das Revisionsgericht unter Anwendung von Beschwerdegrundsätzen zu prüfen, ob das Gesuch nach den damaligen Verhältnissen sachlich gerechtfertigt war (vgl. BVerfG NJW 1977, 1815; BGH NJW 1985, 443, 444; KK-Pikart a.a.O. § 338 Nr. 59 m.w.N.). Das ist im Ergebnis zu bejahen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft hätte die Ablehnung nicht bereits gemäß §§ 26 a Abs. 1 Nr. 1, 25 Abs. 2 StPO als unzulässig, da verspätet angebracht, verworfen werden müssen. § 25 Abs. 2 StPO bestimmt, daß nach dem Beginn der Vernehmung des Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse ein erkennender Richter nur abgelehnt werden darf, wenn die Umstände, auf welche die Ablehnung gestützt wird, erst später eingetreten sind und die Ablehnung unverzüglich geltend gemacht wird. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Das Ablehnungsgesuch wird darauf gestützt, daß der in der Berufungshauptverhandlung amtierende Vorsitzende, kurz vor dem Ende des ersten Verhandlungstages dem Angeklagten gegenüber geäußert habe: "Sie hätten sich besser bei der Zeugin zu Beginn der Verhandlung entschuldigt, anstatt Ihre Berufung durchzuziehen." Damit hebt der Angeklagte auf einen im Sinne von § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 "später eingetretenen" Ablehnungsgrund ab. Dieser ist auch "unverzüglich" geltend gemacht worden (§ 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO). Eine Ablehnung ist unverzüglich, wenn sie ohne schuldhaftes Zögern geltend gemacht wird, also sobald als möglich, ohne eine durch die Sachlage nicht begründete Verzögerung (vgl. BGH St. 21, 334, 339; OLG Köln OLGSt. § 24 StPO Nr. 2; KK-Pfeiffer a.a.O. § 25 Rn. 4). Hier ist das Ablehnungsgesuch ausweislich der Sitzungsniederschrift zu Beginn des zweiten Verhandlungstages (30. Juli 1987) gestellt worden. Die beanstandete Äußerung des Vorsitzenden, aus der die Besorgnis der Befangenheit abgeleitet wird, ist hingegen am Ende des ersten Verhandlungstages (28. Juli 1987) unmittelbar vor der Unterbrechung der Hauptverhandlung gefallen. Zwar darf sich der Angeklagte, wenn ein Ablehnungsgrund entstanden ist, grundsätzlich nicht damit begnügen, zunächst die weitere Entwicklung abzuwarten (KK-Pfeiffer a.a.O. § 25 Rn. 4). Vielmehr ist bei einer längeren Unterbrechung (vgl. § 229 StPO) das Ablehnungsgesuch u.U. außerhalb der Hauptverhandlung zu Protokoll der Geschäftsstelle anzubringen (BGH St. 21, 334, 344). Findet beispielsweise der folgende Verhandlungstag erst nach Ablauf einer Woche statt, wird ein Ablehnungsgesuch, das erst zu diesem Zeitpunkt gestellt wird, regelmäßig als verspätet anzusehen sein (BGH StV 1981, 163; BGH, bei Pfeiffer/Miebach, NStZ 1983, 208). Der "Unverzüglichkeit" steht jedoch nicht entgegen, daß sich der Angeklagte zuvor mit seinem Verteidiger bespricht (BGH NStZ 1984, 371; Wendisch in: Löwe-Rosenberg, StPO, 24. Aufl., § 25 Rn. 19). Danach ist die Ablehnung im vorliegenden Fall unverzüglich erfolgt. Der geltend gemachte Ablehnungsgrund ist am Ende des ersten Verhandlungstages (28. Juli) entstanden. Da sich der Angeklagte, wie in der Rechtsprechung anerkannt ist, zuvor mit seinem Verteidiger beraten durfte, konnte es bei der hier verfügten kürzeren Unterbrechung der Hauptverhandlung bis zum 30. Juli 1987 noch als unverzüglich gelten, den Ablehnungsantrag erst bei Beginn des zweiten Verhandlungstags zu stellen, zumal den Beteiligten eines mündlichen Verfahrens in der Regel zugebilligt werden muß, Ablehnungsanträge in der Hauptverhandlung vorzubringen, wenn das ohne nennenswerte Verzögerung möglich ist (vgl. Wendisch a.a.O.). Der Senat vermag hiernach der Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft, der Angeklagte habe das Ablehnungsgesuch spätestens am 29. Juli 1987 zu Protokoll der Geschäftsstelle anbringen müssen, nicht zu folgen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Das demnach rechtzeitig gestellte Ablehnungsgesuch war begründet und ist vom Landgericht zu Unrecht als unbegründet zurückgewiesen worden.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Bei der ihm obliegenden freien Nachprüfung des Sachverhalts muß der Senat von dem Wortlaut der Äußerung des Vorsitzenden ausgehen, den der Angeklagte nach dem Sitzungsprotokoll schon bei der Antragstellung in der Hauptverhandlung angegeben und in der Revisionsbegründung vorgetragen hat. Es ist hinreichend glaubhaft gemacht (§ 26 Abs. 2 StPO), daß der in der Hauptverhandlung amtierende Vorsitzende dem Angeklagten gegenüber wörtlich geäußert hat: "Sie hätten sich besser bei der Zeugin entschuldigt, anstatt Ihre Berufung durchzuziehen". Diese Erklärung, die sinngemäß auch in einer Pressenotiz der "B. R." zitiert wird, hat der abgelehnte Richter im Rahmen seiner dienstlichen Äußerung im Ergebnis bestätigt mit den Worten, es sei richtig, daß er den Angeklagten zur Rücknahme seiner Berufung aufgefordert und das mit dem Rat verbunden habe, sich bei der Zeugin zu entschuldigen. Zwar mag die der dienstlichen Äußerung zugrundeliegende Darstellung durch ihre sprachliche Fassung den vom Angeklagten behaupteten Erklärungsinhalt in gewissem Maß abmildern. Gleichwohl hält der Senat es für glaubhaft, daß die beanstandete Äußerung des Vorsitzenden so, wie sie vom Angeklagten zitiert worden ist, gelautet hat, zumal der abgelehnte Richter selbst angesichts des Vorbringens des Angeklagten und des damit im Kern übereinstimmenden Presseberichts in der dienstlichen Äußerung nicht darauf hingewiesen hat, daß seine Erklärung im Wortlaut unzutreffend wiedergegeben worden sei. Dementsprechend geht auch der das Ablehnungsgesuch zurückweisende Beschluß des Landgerichts, an dem zwei Mitglieder der erkennenden Strafkammer mitgewirkt haben, in Übereinstimmung mit der Behauptung des Angeklagten davon aus, daß der Vorsitzende dem Angeklagten wörtlich vorgehalten hat: "Sie hätten sich besser bei der Zeugin entschuldigt, als Ihre Berufung durchzuziehen".</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Dem auf die oben zitierte Bemerkung des Vorsitzenden gestützten Ablehnungsgesuch des Angeklagten hätte das Landgericht stattgeben müssen. Nach § 24 Abs. 2 StPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Mißtrauen in die Unparteilichkeit des Richters ist gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der abgelehnte Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die dessen Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen könne (vgl. BVerfGE 32, 288, 290; BGH St. 24, 336, 338; BGH, bei Dallinger, MDR 1974, 367; OLG Düsseldorf VRS 66, 27, 28; OLG Koblenz StV 1986, 7; KK-Pfeiffer a.a.O. § 24 Rn. 3; Kleinknecht/Meyer, StPO, 38. Aufl., § 24 Rn. 8; jeweils m.w.N.). Es ist also nicht erforderlich, daß der Richter in der Tat parteilich oder befangen ist. Auch kommt es weder darauf an, ob er sich selbst für unbefangen hält, noch darauf, ob er für Zweifel an seiner Unbefangenheit Verständnis aufbringt (BVerfG a.a.O.; Wendisch a.a.O. § 24 Rn. 5). Maßgebend sind vielmehr der Standpunkt eines vernünftigen Angeklagten und die Vorstellungen, die er sich bei der ihm zumutbaren ruhigen Prüfung der Sachlage machen kann (BGH St. 21, 334, 341; OLG Düsseldorf a.a.O.). Der Ablehnende muß daher Gründe für sein Ablehnungsbegehren vorbringen, die jedem unbeteiligten Dritten einleuchten (KK-Pfeiffer a.a.O.).</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Bemerkung des Vorsitzenden am Ende des ersten Verhandlungstages, der Angeklagte hätte sich besser bei der Zeugin (gemeint ist die Hauptbelastungszeugin und Nebenklägerin S.) entschuldigt, anstatt die Berufung durchzuziehen, gab dem Angeklagten auch bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Grund zu der Annahme, der Vorsitzende nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die dessen Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit störend beeinflussen könne. Die Äußerung konnte bei dem Angeklagten den Eindruck erwecken, der Vorsitzende habe sich bereits vor Abschluß der Beweisaufnahme seine endgültige Überzeugung gebildet und sei nicht mehr bereit, die Bekundungen der am zweiten Verhandlungstag noch zu vernehmenden Entlastungszeugen des Angeklagten unvoreingenommen zu würdigen und gegen die Aussage der Zeugin S. abzuwägen. Zwar ist Befangenheit regelmäßig dann nicht zu besorgen, wenn der Richter lediglich sein erkennbar <u>vorläufiges</u> Urteil über die Prozeßaussichten nach dem jeweiligen Stand des Verfahrens bekanntgibt und dem Angeklagten anschließend rät, eine Berufung zurückzunehmen (Wendisch a.a.O. § 24 Rn. 28 m.w.N.). Hier liegt die vom Regelfall abstechende Besonderheit jedoch darin, daß die am ersten Verhandlungstag vernommene Nebenklägerin S. die <u>einzige</u> Tatzeugin war. Damit hing von ihren Bekundungen der Ausgang des Verfahrens ab. Die einzige Chance des Angeklagten, einen Freispruch zu erzielen, bestand darin, die Glaubwürdigkeit der Hauptbelastungszeugin S. insgesamt zu erschüttern durch den Nachweis, daß sie in diesem oder jenem Einzelpunkt ihrer Schilderung die Unwahrheit gesagt habe. Um dies erreichen zu können, hatte der Angeklagte Zeugen benannt, die von der Strafkammer auch am zweiten Verhandlungstag vernommen werden sollten. In dieser Lage hat der Vorsitzende, nachdem er schon vorher erfolglos eine Rücknahme der Berufung angeregt hatte, den Angeklagten erneut zur Berufungsrücknahme und überdies dazu aufgefordert, sich bei der Zeugin S. zu entschuldigen. Dieses Vorgehen konnte auch bei einem verständigen, den Sachverhalt ruhig prüfenden Angeklagten den Verdacht nahelegen, daß der Vorsitzende bereits endgültig entschlossen war, den Bekundungen der Hauptbelastungszeugin S. zu folgen, und daß er die vorgesehenen weiteren Beweiserhebungen nur noch als eine lästige, im Grunde überflüssige Pflichtübung ansah. Gerade das Ansinnen einer Entschuldigung war zu diesem Zeitpunkt auch bei verständiger Betrachtung geeignet, dem Angeklagten den Eindruck zu vermitteln, daß er ungeachtet der noch ausstehenden Beweiserhebungen aus der Sicht des Vorsitzenden praktisch als Täter feststehe. Die Entscheidung im Strafverfahren ist aber aufgrund des Ergebnisses der gesamten Beweisaufnahme zu fällen, zu der im vorliegenden Fall gleichermaßen die Vernehmung derjenigen Zeugen gehörte, die vom Angeklagten benannt waren, um die Glaubwürdigkeit der einzigen Tatzeugin zu erschüttern. Die in der Äußerung des Vorsitzenden zutage getretene Endgültigkeit seiner Überzeugungsbildung und das darin enthaltene Unverständnis dafür, daß der Angeklagte bei so eindeutiger Sachlage dennoch Rechtsmittel eingelegt habe, statt sich zur Tat zu bekennen und sich beim Opfer zu entschuldigen, gaben dem Angeklagten auch bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlaß, an der Unvoreingenommenheit des Richters für das weitere Verfahren und die Entscheidung zu zweifeln. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob der abgelehnte Richter diese Wirkung seiner Äußerung überhaupt in Erwägung gezogen hatte oder ob er vielmehr nur bestrebt war, die aus seiner Sicht auch für den Angeklagten günstigste Form der Verfahrensbeendigung anzuregen. Denn es kommt - wie dargelegt - nicht darauf an, ob der abgelehnte Richter tatsächlich befangen war, sondern nur darauf, daß die Umstände seiner Äußerung den Schein der Befangenheit erwecken konnten und mußten. Hinweise zu den Prozeßaussichten sind in der Berufungshauptverhandlung grundsätzlich erlaubt und oft sinnvoll, sie müssen dann aber maßvoll in der Form sein und den Eindruck der Endgültigkeit vermeiden.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Das rechtzeitig angebrachte Ablehnungsgesuch war nach allem begründet und ist zu Unrecht verworfen worden. Das angefochtene Urteil muß deshalb nach der zwingenden Vorschrift des § 338 Nr. 3 StPO mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache gemäß § 354 Abs. 2 StPO zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine Strafkammer des Landgerichts Bonn zurückverwiesen werden, obwohl sonstige Rechtsfehler nicht erkennbar sind.</p>
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315,406 | olgk-1988-01-25-12-u-21087 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
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"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 12 U 210/87 | 1988-01-25T00:00:00 | 2019-03-13T14:54:49 | 2019-03-27T09:43:12 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1988:0125.12U210.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das am 23. September 1997 verkündete Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 23 0 413/87 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Parteien schlossen im Mai 1986 einen Leasingvertrag für die Dauer von 42 Monaten über einen PKW U Typ D. Wegen Zahlungsverzuges mit den vereinbarten Leasingraten kündigte die Verfügungsklägerin mit Schreiben vom 15.03.1987 fristlos den Leasingvertrag und beantragte beim Landgericht Köln - 22 0 149/87 - den Erlaß einer einstweiligen Verfügung, gerichtet auf Herausgabe des Leasinggegenstandes an den Gerichtsvollzieher als Sequester. Nach Abschluß eines außergerichtlichen Vergleichs nahm die Verfügungsklägerin unter dem 19.03.1987 den Antrag wieder zurück.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 12.06.1987 kündigte die Verfügungsklägerin erneut fristlos den Leasingvertrag aufgrund Zahlungsrückstandes. Die Höhe des Zahlungsrückstandes im einzelnen zum Zeitpunkte der Kündigungserklärung vom 12.06.1987 ist zwischen den Parteien in erster Instanz streitig gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Mit dem am 0<sup>.</sup>9.0.7.1987 bei Gericht eingegangen Antrag hat die Verfügungsklägerin wiederum den Erlaß einer einstweiligen Verfügung auf Herausgabe des geleasten Personenkraftwagens an den Gerichtsvollzieher als Sequester beantragt. Das Landgericht hat den Antrag mit Urteil vom 23.09.1987 abgewiesen mit der Begründung, die Voraussetzungen für eine Kündigung des Leasingvertrages seien aufgrund der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Verfügungsklägerin nicht hinreichend dargetan, so daß kein Verfügungsanspruch vorliege. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil des Landgerichts vom 23.09.1987 verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Verfügungsklägerin hat gegen dieses<sup>.</sup> Urteil Form-und fristgerecht Berufung eingelegt. Sie wendet sich gegen die Rechtsaufassung des Landgerichts zur Frage, der Wirksamkeit ihrer Kündigung des Leasingsvertrages und stützt hilfsweise die Kündigung auf weitere<sub>s</sub> zwischenzeitlich fällig gewordene Leasingraten. Sie behauptet, trotz der Zahlung der Verüfungsbeklagten vom 17.11.1987 über 3.000,-- DM betrag der Rückstand mehr als zwei Leasingraten.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Verfügungsbeklagten haben sich im zweiten Rechtszug nicht anwaltlich vertreten lassen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Verfügungsklägerin beantragt im Wege des Versäumnisurteils,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">das angefochtene Urteil abzuändern und im Wege der einstweiligen Verfügung anzuordnen, daß die Verfügungsbeklagten das in ihrem Besitz befindliche Kraftfahrzeug U D, amtliches Kennzeichen X-_XX 0000, Fahrgestell-Nr. 000000 an einen von der Verfügungsklägerin zu beauftragenden Gerichtsvollzieher als Verwahrer zur Verwahrung in der Pfandkammer herauszugeben.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachstandes wird auf die Berufungsbegründungsschrift und das Sitzungsprotokoll vom 17.12.1987 verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Entscheidunqsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Berufung ist gemäß § 542 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil das tatsächliche Vorbringen der Verfügungsklägerin deren Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung nicht rechtfertigt.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Es kann dahingestellt bleiben, ob die Verfügungsklägerin jedenfalls nach ihrem neuen Vorbringen in der Berufungsinstanz den Leasingvertrag wirksam gekündigt hat, so daß die Verfügungsbeklagten gemäß §§ 556 Abs. 1, 985 BGB zur Rückgabe des geleasten Personenkraftwagens an die Verfügungsklägerin verpflichtet wären, ohne ein Recht zum Besitz (§ 986 BGB) mehr zu haben. Unterstellt man zugunsten der Verfügungsklägerin das Bestehen eines solchen Herausgabeanspruches,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">der in Verbindung mit § 938 Abs. 2 ZPO auf Herausgabe an einen Gerichtsvollzieher als Sequester gerichtet sein kann, so scheitert der Antrag auf Erlaß der begehrten einstweiligen Verfügung jedenfalls am Vorliegen eines Verfügungsgrundes. Die Verfügungsklägerin hat die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Gefährdung der Realisierung ihres Herausgabeanspruches im Sinne von § 935 ZPO nicht genügend vorgetragen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Frage, ob die bloße weitere Benutzung des Leasinggegenstandes bzw. des Kaufgegenstandes nach Kündigung des Leasingvertrages bzw. Rücktritt vom Kaufvertrag eine Gefährdung des Herausgabeanspruches des Leasinggebers bzw. Vorbehaltsverkäufers im Sinne von § 935 ZPO darstellt, ist umstritten. Sie wird bejaht vom OLG Düsseldorf (MDR 1984, 411 betr. Möbelkauf mit zustimmender Anmerkung von Kleier in MDR 1984, 370) und vom LG Ravensburg (NJW 1987, 139 betr. Computerleasing). Die Gegenposition vertritt das Landgericht Berlin (MDR 1968, 1018).</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Das OLG Frankfurt (NJW 1960, 827) nimmt den Verfügungsgrund nur an, wenn der Gegenstand übermäßig benutzt und dadurch die Sache in ihrer Substanz wesentlich verändert wird. Der Ansicht des OLG Frankfurt hat sich die Kommentarliteratur weitgehend angeschlossen (vgl. Stein-Jonas-Grunsky, ZPO, 20. Aufl., § 935 Rz. 12; Wieczorek/Schütze, ZPO, 2. Aufl., § 935 Anm. C ‚I b; Baumbach/Lauterbach/Alerbs/Hartmann, ZP0, 46. Aufl., § 935 Anm. 2 B). Dieser Auffassung folgt auch der Senat.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Der Herausgabenspruch der Verfügungsklägerin wird durch die Weiternutzung des geleasten Personenkraftwagens seitens der Verfügungsbeklagten nicht „vereitelt oder wesentlich erschwert“, wie es § 935 ZPO voraussetzt. Wenn die Verfügungsklägerin im Hauptsacheverfahren einen Herausgabetitel erstritten hat, kann sie von den Verfügungsbeklagten notfalls im Wege der Zwangsvollstreckung ohne weiteres ihren Herausgabeanspruch vollstrecken. Es ist nicht ersichtlich, daß diese Vollstreckung durch die weitere Nutzung des Leasinggegenstandes gefährdet ist.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Vollstreckung eines Herausgabeurteils wird auch nicht "wesentlich erschwert', sein, weil die Verfügungsbeklagten in der Zwischenzeit den Personenkraftwagen weiter benutzt haben. Daß der Personenkraftwagen in der Zwischenzeit, das heißt von heute an gerechnet bis zur Vollstreckung des Herausgabeurteils, eine Wertminderung erfahren wird, bedeutet keine wesentliche Erschwerung der REalisierunq des Herausgabetitels im Sinne von § 935 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Der Verfügungsgrund setzt bei der Sicherung eines Individualanspruches nach dem Wortlaut des § 935 ZPO zunächst eine "Veränderung des bestehenden Zustandes" voraus. Es ist schon zweifelhaft, ob dieses Kriterium in concreto überhaupt erfüllt ist. Die Verfügungsbeklagten benutzen den geleasten Personenkraftwagen heute so, wie sie es auch vor der Kündigung des Leasingvertrages getan haben. Insoweit ist eine "Veränderung des bestehenden Zustandes" überhaupt nicht eingetreten, wie das Landgericht Berlin (a. a.0.) für solche Fälle zutreffend ausgeführt hat. Das gilt insbesondere in bezug auf die Gefahren, die dem Leasinggegenstand durch dessen Benutzung im Straßenverkehr drohen. Diese Gefahr hat auch schon vor Vertragskündigung bestanden.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Diese Argumentation beruht allerdings auf der Annahme, daß mit dem "bestehenden Zustand" im Sinne von § 935 ZPO nicht (auch) der derzeitige (Verkehrs-)Wert des herauszugehenden Gegenstandes, sondern dessen Besitz und Nutzung gemeint sind. Für eine Interpretation in diesem Sinne spricht die Überlegung, daß es hier nur um die Sicherung eines Herausgaheanspruches geht. Eine Veränderung in der Art des Besitzes und/oder der Benutzung des herauszugebenden Personenkraftwagens ist seitens der Verfügungsklägerin nicht behauptet.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Der - hier zu sichernde - Herausgabeanspruch könnte allerdings dadurch praktisch ausgehöhlt und damit im Sinne von § 935 ZPO vereitelt, zumindest wesentlicherschwert werden, daß der Besitzer den Gegenstand übermäßig nutzt und auf diese Weise eine so erhebliche Wertminderung des herauszugehenden Gegenstandes herbei daß dieser hei Vollstreckung des Herausgabeurteils wirtschaftlich nichts mehr wert wäre. Einen solchen Sachverhalt hat die Verfügungsklägerin nicht hinreichend vorgetragen. Mach der allgemeinen Lebenserfahrung kann nicht davon ausgegangen werden, daß ein Leasingnehmer oder Vorbehaltskäufer nach Kündigung bzw. Rücktritt des Vertrages seitens des Leasinggebers bzw. des Vorbehaltsverkäufers nunmehr regelmäßig den Gegenstand übermäßig nutzen oder in sonstiger Weise den herauszugebenden GEgenstand so unsachgemäß behandeln und/oder überhaupt nicht pflegen werde, daß der Gegenstand über das normale Maß hinaus eine Wertminderung erleiden würde. Das kannin concreto schon deshalb nicht gelten, weil die Verfügungsbeklagten an dem aufgrund eines Finanzierungsleasingvertrages nentutzen Personenkraftwagen weiterhin interessiert sind, wie ihre letzte Zahlung vom 17.11.1987 über 3.000,- DM und ihre persönlichen Erklärungen in der Berufungsverhandlung zeigen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Der Umstand, daß der geleaste Personenkraftwagen durch die weitere Benutzung seitens der Verfügungsbeklagten eine Wertminderung erfährt, kann alleine als Gefährdung im Sinne von § 935 ZPO schon deshalb nicht reichen, weil eine Wertminderung auch durch eine Verwahrung des Personenkraftwagens auf dar Pfandkammer eintreten würde, zumal das Fahrzeug dann gerade nicht genutzt würde, was bekanntlich für jedes Fahrzeug nicht gerade vorteilhaft ist.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Gebührenstreitwert: 4.000,-- DM</p>
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315,407 | olgham-1988-01-22-20-w-6287 | {
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"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 20 W 62/87 | 1988-01-22T00:00:00 | 2019-03-13T14:54:51 | 2019-03-27T09:43:12 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1988:0122.20W62.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der angefochtene Beschluß wird abgeändert.</p>
<p>Dem Kläger wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... in ... Prozeßkostenhilfe für eine auf Zahlung von 19.679,- DM nebst 4 % Prozeßzinsen gerichtete Klage bewilligt.</p>
<p>Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Auslagen sind nicht zu erstatten.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"><b>I.</b></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Kläger nimmt den Beklagten aus einer Hausratsversicherung auf Entschädigung wegen eines Einbruchsdiebstahls in Anspruch.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist gemeinsam mit einer Frau ... Versicherungsnehmer einer Hausratsversicherung für eine bei Vertragsschluß von beiden gemeinsam bewohnte Wohnung in .... Dem Versicherungsvertrag liegen die VHB 84 zugrunde.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Am 19.02.1986 brachen unbekannte Täter in diese Wohnung ein (Ermittlungsverfahren 71 UJs 273/86 StA Köln). Den ermittelnden Polizeibeamten gab der Kläger an, es seien folgende Gegenstände entwendet worden: Ein Videorecorder (Grundig VHS), eine Schwarzwalduhr, drei Teppichbrücken, zwei Goldketten, fünf Ringe sowie 8.400,- DM Bargeld in Scheinen. Ein Täter wurde nicht ermittelt.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der vom Kläger aus der Hausratsversicherung in Anspruch genommene Beklagte lehnte mit Schreiben vom 15.12.1986 die Schadensregulierung mit der Begründung ab, der Kläger habe seine vertraglichen Obliegenheiten verletzt, denn er habe es versäumt, der Polizei eine Liste der abhandengekommenen Gegenstände (sog. Stehlgutliste) vorzulegen. Mit Schriftsatz vom 17.12.1986 reichten die vom Kläger beauftragten Rechtsanwälte bei der Staatsanwaltschaft eine formularmäßige Schadensaufstellung ein, die die Unterschrift des Klägers und das Datum des 25.02.1986 trägt. In dieser Schadensaufstellung werden außer den den ermittelnden Polizeibeamten bereits genannten Gegenständen weitere Gegenstände, u.a. Textilien, ein Fotoapparat und weiterer Schmuck als gestohlen angegeben.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Mit seiner am 16.06.1987 beim Landgericht eingereichten Klage hat der Kläger einen Antrag auf Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 22.429,- DM nebst Prozeßzinsen an sich angekündigt und u.a. ausgeführt, er habe die Stehlgutliste alsbald ausgefüllt, aber wegen eines Umzugs vergessen, sie der Polizei einzureichen. Dies sei zwar sicherlich grob fahrlässig gewesen, habe aber keinen Einfluß auf den Umfang der Entschädigungsleistung haben können. Vorsorglich beschränke er seinen Anspruch auf Entschädigung für die Gegenstände, die er den am Tatort ermittelnden Polizeibeamten bereits im Rahmen der Strafanzeige angegeben habe.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte ist dem Anspruch entgegengetreten und hat ausgeführt, der Kläger könne nicht Zahlung an sich verlangen, weil er nicht alleiniger Versicherungsnehmer sei. Er hat bestritten, daß die vom Kläger als gestohlen gemeldeten Gegenstände entwendet worden seien, und sich mit näherer Begründung auf Leistungsfreiheit wegen unterbliebener Vorlage der Stehlgutliste berufen. Vorsorglich hat er sich darüber hinaus auf vertraglich vereinbarte Leistungsgrenzen für Wertgegenstände berufen und ausgeführt, der Anspruch des Klägers könne sich allenfalls auf 21.599,- DM belaufen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Mit dem angefochtenen Beschluß ist das Landgericht der Argumentation des Beklagten gefolgt und hat Prozeßkostenhilfe wegen Nichtvorlage der Stehlgutliste verweigert.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Im Rahmen der hiergegen gerichteten Beschwerde hat der Kläger seinen Zahlungsantrag auf 20.000,- DM ermäßigt und nunmehr vortragen lassen, ein oder zwei Tage nach dem Einbruch sei ein Vertreter des Beklagten, der Zeuge ..., bei ihm gewesen, habe die vom Kläger erstellte Schadensaufrechnung mitgenommen und erklärt, er - der Kläger - brauche sich um nichts mehr zu kümmern; er - der Zeuge - werde diese Schadensaufstellung in dreifacher Ausfertigung kopieren, und zwar für sich, für die Zentrale des Beklagten und für die Polizei. Einige Tage später habe er ihm - dem Kläger - auch das Original der Schadensaufstellung zurückgeschickt. Er - der Kläger - sei davon ausgegangen, daß er nunmehr alles Erforderliche getan habe. Daher treffe ihn jedenfalls kein Verschulden an der verspäteten Einreichung der Stehlgutliste bei der Polizei.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte ist dieser Darstellung unter Vorlage der vorgerichtlichen Korrespondenz entgegengetreten und hat ausgeführt, die Darstellung des Klägers sei unglaubhaft.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Mit Beschluß vom 16.11.1987 hat das Landgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und ausgeführt, die Darstellung des Klägers sei widersprüchlich und unglaubhaft. Außerdem sei die Klage jetzt unzulässig, weil nicht mitgeteilt werde, welcher Teil des Schadens mit dem jetzt angekündigten Antrag auf Zahlung von 20.000,- DM ersetzt verlangt werde.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Dem trägt der Kläger mit Schriftsatz vom 17.12.1987 Rechnung und beziffert seinen Schaden unter näherer Bezeichnung der einzelnen Gegenstände auf 19.679,- DM. Außerdem fügt er eine Abtretungserklärung von Frau Trabelsi vom 15.05.1987 bei.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks"><b>II.</b></p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist zulässig (§127 Abs. 2 Satz 2 ZPO) und begründet.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks"><b>1.</b></p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Es ist glaubhaft, daß der Kläger nicht in der Lage ist, aus eigenen Mitteln die Kosten der Prozeßführung aufzubringen. Der Kläger befindet sich seit längerer Zeit und bis auf weiteres in Strafhaft, so daß er nicht über nennenswerte Einkünfte verfügen kann.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks"><b>2.</b></p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Klage bietet auch hinreichende Aussicht auf Erfolg (§114 ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Der Eintritt des Versicherungsfalls (Einbruchsdiebstahl §3 Ziffer 2, §5 Ziffer 1 a VHB 84) ist unstreitig. Dies entspricht dem Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen, die es hinreichend wahrscheinlich erscheinen lassen, daß unbekannte Täter gewaltsam in die Wohnung des Klägers eingedrungen sind. Dies folgt nicht nur aus den an der Tür festgestellten Beschädigungen, sondern insbesondere auch daraus, daß entsprechende Beschädigungen an der Wohnungstür einer Nachbarwohnung gefunden worden sind.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Soweit der Beklagte bestreitet, daß die vom Kläger als gestohlen angegebenen Gegenstände entwendet worden sind, hat der Kläger Beweis durch Zeugnis der Frau ... angeboten. Das genügt, um die Klage insoweit hinreichend erfolgreich erscheinen zu lassen.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen jetzt nicht mehr, nachdem der Kläger im einzelnen beziffert hat, wie sich sein Anspruch im einzelnen zusammensetzt. Der Kläger ist auch nicht gehindert, Zahlung an sich selbst zu verlangen, nachdem er eine Abtretungserklärung von Frau ... beigebracht hat. Im übrigen könnte die Erfolgsaussicht der Klage hieran auch deshalb nicht scheitern, weil der Kläger nicht gehindert wäre, notfalls seinen Antrag auf Zahlung an sich und an Frau Trabelsi umzustellen (§432 Abs. 1 Satz 1 BGB).</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">c)</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Nach dem gegenwärtigen Sachstand scheitert die Erfolgsaussicht der Klage auch noch nicht daran, daß der Kläger die sogenannte Stehlgutliste verspätet vorgelegt hat.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Nach §21 Ziff. 1 b VHB 84 hat der Versicherungsnehmer bei Eintritt des Versicherungsfalls unverzüglich einen Schaden durch Einbruchsdiebstahl der Polizei anzuzeigen und dieser ein Verzeichnis der abhanden gekommenen Sachen einzureichen. Verletzt der Versicherungsnehmer diese Obliegenheit, "so kann der Versicherer gemäß §§6 Abs. 3, 62 Abs. 2 VVG leistungsfrei sein" (§21 Ziff. 3 Satz 1 VHB 84).</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat diese Obliegenheit objektiv verletzt, weil er die sog. Stehlgutliste erst im Dezember 1986 bei der Staatsanwaltschaft eingereicht hat. Dies wird vom Kläger nicht in Abrede gestellt. Daraus allein folgt jedoch noch nicht die vollständige Leistungsfreiheit des Beklagten.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">aa)</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Nach §6 Abs. 3 VVG tritt bei Verletzung von Obliegenheiten, die nach dem Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllen sind, Leistungsfreiheit nur dann ein, wenn dies im Versicherungsvertrag vereinbart worden ist. Es handelt sich also nicht um eine zwingende gesetzliche Folge, sondern setzt eine entsprechende Vereinbarung der Vertragsparter voraus. Es ist zumindest nicht unzweifelhaft, ob §21 Ziff. 3 VHB 84 eine entsprechende Vereinbarung enthält. Denn die Formulierung: " ... so kann der Versicherer gemäß §§6 Abs. 3, 62 Abs. 2 VVG leistungsfrei sein" enthält ihrem Wortlaut nach keine Vereinbarung, sondern nur einen (richtigen) Hinweis auf die Rechtslage, wonach Leistungsfreiheit eintreten "kann", nämlich dann, wenn dies vereinbart ist. Ob §21 Ziff. 3 Satz 1 VHB 84 gleichwohl über den Wortlaut hinaus als Vereinbarung ausgelegt werden kann - insbesondere unter Berücksichtigung der anders, aber sprachlich eindeutig gefaßten entsprechenden Regelung in §13 Ziff. 3 VHB 74 -, wird näherer rechtlicher Erörterung, insbesondere unter Berücksichtigung der sog. Unklarheitenregelung des §§5 AGBG bedürfen. Im gegenwärtigen Stand des Verfahrens bedarf die Frage keiner weiteren Vertiefung, weil die Erfolgsaussicht der Klage auch dann nicht verneint werden kann, wenn man in §21 Ziff. 3 Satz 1 VHB 84 die wirksame Vereinbarung eines Leistungsausschlusses sieht.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">bb)</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Wenn nämlich bestimmte abhandengekommene Sachen der Polizeidienststelle nicht angezeigt wurden, so kann der Versicherer die Entschädigung nur für diese Sachen verweigern (§21 Ziff. 3 Satz 2 VHB 84). Danach wird der Versicherer nur hinsichtlich der Gegenstände leistungsfrei, die der Polizei nicht angegeben worden sind.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat der Polizei zwar kein Verzeichnis der entwendeten Gegenstände eingereicht, er hat jedoch den ermittelnden Polizeibeamten verschiedene Gegenstände benannt, die entwendet worden seien. Auf diese Gegenstände beschränkt er seinen Klageanspruch.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Der Zweck der Obliegenheit des §21 Ziff. 1) b VHB 84 besteht darin, der Polizei die Fahndung nach den entwendeten Gegenständen zu ermöglichen. Es wird daher zu prüfen sein, ob die Obliegenheit nicht bereits dadurch erfüllt wird, daß den ermittelnden Polizeibeamten entwendete Gegenstände bezeichnet werden, ohne daß es dann noch einer schriftlichen Schadensaufstellung bedürfte. Unabhängig davon wird der Kläger aber möglicherweise auch geltend machen können, daß die Nichteinreichung einer schriftlichen Schadensliste auf die Schadensregulierung keinen Einfluß gehabt hat (§6 Abs. 3 Satz 2 VVG), weil auch die Einreichung einer schriftlichen Schadensaufstellung nicht zur Wiederbeschaffung der entwendeten Gegenstände geführt oder wenigstens die Fahndung danach erleichtert hätte.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">cc)</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Im übrigen hat der Versicherungsnehmer nach §6 Abs. 3 VVG die Möglichkeit, nachzuweisen, daß er die vertragliche Obliegenheit weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt hat. Hierzu trägt der Kläger vor, er habe dem Vertreter der Beklagten die Schadensliste ausgehändigt, und dieser habe ihm gesagt, er - der Kläger - brauche sich um nichts mehr zu kümmern. Wenn das richtig ist, wird dem Kläger der Vorwurf einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verletzung der vertraglichen Obliegenheit nicht gemacht werden können.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Richtig ist zwar, daß der Kläger zunächst eine andere Erklärung für die verspätete Einreichung der schriftlichen Stehlgutliste gegeben hat. Daraus allein folgt jedoch noch nicht, daß die zweite Version falsch ist. Immerhin ergibt sich aus dem Schreiben des Beklagten vom 14.01.1987 (Bl. 31 GA), daß dem Beklagten tatsächlich bereits mit der Schadensmeldung die vom Kläger gefertigte Schadensaufstellung zugegangen ist. Das spricht dafür, daß die Darstellung des Klägers jedenfalls insoweit richtig ist, als er dem Vertreter des Beklagten die Schadensaufstellung übergeben haben will. Ob der Vertreter des Beklagten dann auch gesagt hat, der Kläger brauche sich um weiteres nicht zu kümmern, läßt sich nach Aktenlage nicht beurteilen. Hierzu bedarf es zunächst der Vernehmung des vom Kläger hierfür benannten Zeugen .... Damit hängt die Entscheidung letztlich vom Ergebnis der Beweisaufnahme und einer Beweiswürdigung ab, die im Prozeßkostenhilfeverfahren nicht vorgenommen werden kann. Die Notwendigkeit einer Beweisaufnahme begründet in der Regel und so auch hier die hinreichende Erfolgsaussicht einer Klage und läßt die Klage auch nicht mutwillig erscheinen.</p>
|
315,408 | ag-neuss-1988-01-22-36-c-53287 | {
"id": 713,
"name": "Amtsgericht Neuss",
"slug": "ag-neuss",
"city": 473,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 36 C 532/87 | 1988-01-22T00:00:00 | 2019-03-13T14:54:52 | 2019-03-27T09:43:12 | Urteil | ECLI:DE:AGNE:1988:0122.36C532.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 125,96 DM zu zahlen.</p>
<p>Die weitergehende Klage wird abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.</p>
<p></p>
<p>Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Tatbestand:</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Parteien streiten im wesentlichen über die Billigkeit des von dem Kläger gewählten Verteilungsmaßstabs für die Umlage der Betriebskostenarten Grundsteuer, Haftpflicht und Versicherungen. Die Beklagten sind Mieter einer Wohnung im ersten Stock des im Rubrum genannten Hauses. Das Haus besteht aus acht Wohnungen und wurde in den Abrechnungszeiträumen #####/####und #####/####von 14 bzw. 15 Personen bewohnt. Die dreiköpfige Familie der Beklagten bewohnt eine 86 qm große Wohnung. Der Kläger bewohnt im Dachgeschoss eine 150 qm große Wohnung allein.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger von den Beklagten die Zahlung restlicher Betriebskosten für die Abrechnungsperioden #####/####und #####/####in Gesamthöhe von 734,19 DM. In den Nebenkostenabrechnungen vom 21.08.1986 und 19.08.1987, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird (Bl. 12, 13 und 49 der Akten), hat der Kläger die allgemeinen Betriebskosten nach Personen umgelegt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 734,19 DM nebst 4 % Zinsen von 538,76 DM ab 29.08.1986 und von 195,43 DM seit dem 04.12.1987 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten behaupten, der von dem Kläger gewählte Verteilerschlüssel sei unbillig und verstoße gegen § 315 BGB. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 09.10.1987 (Bl. 20 ff d.A.) verwiesen. Im übrigen beanstanden sie die Ordnungsgemäßheit der Heizkostenabrechnung.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Demgegenüber trägt der Kläger vor, eine Änderung des Abrechnungsverfahrens werde von vier Mietparteien abgelehnt. Im übrigen sei der Differenzbetrag aus der in gleicher Weise erstellten Nebenkostenabrechnung #####/####von den Beklagten unbeanstandet gezahlt worden.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks"><u>Entscheidungsgründe:</u></p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist lediglich in Höhe von 125,96 DM begründet, in Höhe von 608,83 DM ist sie nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten sind gemäß § 535 Satz 2 BGB verpflichtet, an den Kläger restliche Betriebskosten für die Abrechnungsperiode #####/####in Höhe von 125,96 DM zu zahlen. Die Leistung der Beklagten wird mit der Rechtskraft des Urteils fällig. Ein weitergehender Nachzahlungsanspruch aus den Betriebskostenabrechnungen für die Abrechnungsperioden #####/####und #####/####steht dem Kläger gegen die Beklagten nicht zu, denn die von ihm bei der Abrechnung der verbrauchsunabhängigen Kosten (Grundsteuer, Haftpflicht und Versicherungen) bestimmte Umlage nach Personen ist unbillig und bindet die Beklagten nicht.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Da die Parteien eine Vereinbarung über den anzuwendenen Verteilungsmaßstab nicht getroffen haben, hat der Kläger als Vermieter nach § 316 BGB ein einseitiges Bestimmungsrecht zur Festlegung des Verteilungsschlüssels. Die von dem Kläger getroffene Leistungsbestimmung ist gemäß § 315 Abs. 3 BGB für die Beklagten nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Indem die Beklagten gegenüber der Leistungsklage des Klägers geltend machen, der zugrundegelegte Personenschlüssel entspreche nicht der Billigkeit, haben sie im Sinne des § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB das Gericht angerufen. Bei der Überprüfung der Billigkeit ist zu berücksichtigen, dass sich eine absolute Verteilungsgerechtigkeit nicht finden lässt und von einem Mieter vernünftigerweise nicht erwartet werden kann. Für die Annahme der Billigkeit der getroffenen Bestimmung muss es danach grundsätzlich als ausreichend angesehen werden, wenn der gewählte Verteilungsmaßstab dem Verursacherprinzip im weitesten Sinne Rechnung trägt und alle Nutzer in den Grnzen des Möglichen und Zumutbaren gleichbehandelt (vgl. OLG I NJW 1984, 984; Sternel, 2. Aufl., II 68, III 287). Dabei ist zu beachten, dass das Bestimmungsrecht nach billigem Ermessen begriffsnotwendig nicht nur eine einzig mögliche Entscheidung zulässt, sondern die Wahl unter den Möglichkeiten eines bis an die Grenzen der Billigkeit reichenden Ermessensspielraums gewährt.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Bestreitet der Mieter - wie hier die Beklagten - die Billigkeit des zugrundegelegten Umlageschlüssels mit Gründen, die die Billigkeit der Vermieterbestimmung deutlich in Frage stellen, so trägt der Vermieter die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass seine Bestimmung der Billigkeit entspricht (BGH Urt. v. 06.03.1986, BGHZ 97, 212, 223; Urt.v. 02.04.1964, BGHZ 41, 271). Es obliegt dann dem Vermieter, die Tatsachen darzulegen, die im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung dem Gericht die Feststellung der Billigkeit ermöglichen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Dieser Darlegungs- und Beweislast ist der Kläger nicht nachgekommen. Eer hat den von den Beklagten vorgetragenen und für die Unbilligkeit des Personenschlüssels sprechenden Umständen keinen erheblichen Sachvortrag entgegengesetzt, §§ 138 Abs. 2, 139 Abs. 3 ZPO. Danach ist der Abrechnungsmodus so beschaffen, dass der Kläger in einer nicht mehr hinzunehmenden und dem Gerechtigkeitsgebot (§§ 242, 315 BGB) widersprechenden Weise bei der Abrechnung der verbrauchsunabhängigen Kosten einseitig begünstigt wird. Obwohl der Kläger in dem Haus die mit 150 qm bei weitem größte Wohnung allein bewohnt, entfällt auf die nur 86 qm große Wohnung der Beklagten bei der Umlage nach Personenzahl der dreifache Kostenanteil. Von den in der Abrechnung für #####/####in Ansatz gebrachten Gesamtkosten von 3.604,17 DM (= Grundsteuer 2.436,04 DM + Versicherungen 882,80 DM + Haftpflicht 187,83 DM + 97,50 DM) sollen die Beklagten nach der Berechnung des Klägers insgesamt 837,88 DM (= 20,02 DM x 8 Monate x 3 Personen + 21,58 DM x 4 Monate x 3 Personen) zahlen, während der Anteil des Klägers nur 245,96 DM beträgt. Demgegenüber ergibt sich bei einer Umlage nach dem Flächenmaßstab für die Beklagten ein Betrag von 425,18 DM, für den Kläger ein solcher von 741,60 DM (3.604,17 DM : 729 qm Gesamtfläche x 150 qm bzw. 86 qm). Der im Verhältnis der Parteien angewandte Personenschlüssel lässt insbesondere außer Acht, dass einerseits nach dem Verursacherprinzip die Koten jedenfalls grundsätzlich von der Partei zu tragen sind, die für ihre Entstehung, sei es durch Verbrauch oder allein durch die verbrauchsunabhängige Nutzung der Wohnung verantwortlich zeichnet, dass andererseits aber die beanstandeten Betriebskosten für Grundsteuer, Haftpflicht und Versicherungen bereits durch die Bereitstellung des Wohnraums entstehen und ihre Berechnung üblicherweise von der flächenmäßigen Größe des Hauses abhängig ist (vgl. U ZMR 1986, 271). Dementsprechend sind von den Beklagten nach dem Verursachungsprinzip nur die verbrauchsunabhängigen Kosten zu verantworten, die der Kläger seinerseits im Rahmen der Bewirtschaftung des Hauses für ihre Wohnung flächenmäßig aufwenden muss. Eine sachliche Rechtfertigung für diese unter Überschreitung seines Ermessensspielraums vorgenommene Ungleichbehandlung der Beklagten ist nicht erkennbar und wird von dem Kläger auch nicht dargetan. Die Verteilung der verbrauchsunabhängigen Betriebskosten nach den Personenschlüssel ist vielmehr ersichtlich von dem Bestreben des Klägers getragen, die Kosten für die eigengenutzte Wohnung weitgehend auf die Mieter des Hauses abzuwälzen. Besonders deutlich wird dies auch bei einem Vergleich mit einem weiteren Mieter im ersten Stock des Hauses. Dieser hat für seine nur 26 qm große Wohnung den gleichen Anteil zu tragen, wie der Kläger. Ein sachlicher Grund für die Leistungsbestimmung des Klägers ist auch nicht darin zu sehen, dass vier Mietparteien des Hauses bisher ihre Zustimmung zu einer Abänderung des Verteilungsmaßstabs im Sinne der von den Beklagten erstrebten Regelung nicht erteilt haben. Abgesehen davon, dass es verständlich ist, dass die Mieter, die bei einer Änderung des hausinternen Umlageschlüssels mit einer Mehrbelastung rechnen müssen, hiermit nicht einverstanden sind, bleibt es dem Kläger grundsätzlich unbenommen, mit den übrigen Mietern in der bisherigen Art und Weise abzurechnen. Da das Haus insgesamt nur 8 Wohneinheiten aufweist, ist die getrennte Einzelabrechnung für den Kläger nicht mit einem unzumutbaren Aufwand verbunden. Ob die übrigen Mieter aus Rechtsgründen einer Abänderung des Verteilungsmaßstabes zustimmen müssten, ist hier nicht zu entscheiden. Mit der einmaligen Zahlung des Nachzahlungsbetrages aus der in gleicher Weise erstellten Betriebskostenabrechnung #####/####haben die Beklagten die Umlage nach dem Personenschlüssel jedenfalls für die hier in Rede stehenden Abrechnungsperioden nicht anerkannt (st. Rspr. LG E 24 S 465/85, urt. v. 10.06.1986; 24 S 115/86, Urt. v. 14.10.1986). Da nach dem vorliegenden Sachverhalt der Flächemaßstab der einzige in Betracht kommende Verteilungsmaßstab ist, ist das Gericht befugt, die dem Kläger zustehende Leistung selbst auszusprechen und durch Urteil festzusetzen. Für die Abrechnungsperiode #####/####steht dem Kläger ein Nachzahlungsbetrag von 125,96 DM zu. Wie bereits ausgeführt entfallen auf die Beklagten bei der Umlage nach dem Flächenmaßstab für die in Rede stehenden Betriebskostenarten Gesamtkosten in Höhe von 425,18 DM, so dass sich zu den tatsächlich von dem Kläger in Rechnung gestellten Kosten ein Differenzbetrag von 412,70 DM ergibt. Um diesen Betrag ist die Abrechnung des Klägers vom 21.08.1986 zu kürzen, so dass ein Restbetrag von 125,96 DM verbleibt. Weitergehende erhebliche Einwendungen haben die Beklagten nicht erhoben. Zwar ist ihnen grundsätzlich zuzugeben, dass die Heizkostenabrechnung den Anfangs- und Endbestand des verbrauchten Heizöls aufweisen muss. Durch die Nichtangabe des Anfangsbestandes in der Abrechnung #####/####weden die Beklagten jedoch nicht benachteiligt, denn nach dem unwidersprochen gebliebenen Sachvortrag des Klägers, der gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden und unstreitig anzusehen ist, ist den Beklagten lediglich die in der Heizkostenabrechnung aufgeführte und verbrauchte Heizöllieferung vom 28.10.1985 über 10.456 Liter in Rechnung gestellt worden.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Ein Nachzahlungsanspruch aus der Betriebskostenabrechnung für die Abrechnungsperiode #####/####steht dem Kläger nicht mehr zu. Die Umlage der verbrauchsunabhängigen Kosten nach dem Flächenmaßstab ergibt für die Beklagten einen anteiligen Betrag von 442,44 DM, so dass der Kläger den Beklagten auf der Grundlage der für die Abrechnung #####/####vorgenommenen Berechnung insgesamt 338,88 DM zuviel in Rechnung gestellt hat. Um diesen Betrag ist die Abrechnung vm 19.08.1987 zu reduzieren, so dass für die Beklagten ein Guthaben von 143,45 DM verbleibt. Bei der Berechnung der Klageforderung hätte das Gericht dieses Guthaben der Beklagten nur berücksichtigen können, wenn die Beklagten insoweit die Aufrechnung erklärt hätten.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Aus den dargelegten Gründen kann daher der Kläger von den Beklagten die Zahlung von 125,96 DM verlangen, allerdings wird die Leistung erst mit der Rechtskraft des Urteils fällig (Palandt-Heinrichs, 47. Aufl., § 315 Anm. 4).</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Streitwert: 734,19 DM</p>
|
315,409 | olgham-1988-01-19-21-u-11087 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 21 U 110/87 | 1988-01-19T00:00:00 | 2019-03-13T14:54:54 | 2019-03-27T09:43:12 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1988:0119.21U110.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung der Klägerin wird das am 04. März 1987 verkündete Urteil der 7. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen wie folgt abgeändert:</p>
<p></p>
<p>Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 91.905,56 DM nebst 1 % Zinsen über dem Lombardsatz der Deutschen Bundesbank, mindestens aber 5 %, seit dem 15.08.1987 zu zahlen.</p>
<p></p>
<p>Wegen des weitergehenden Zinsanspruchs werden die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p>Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 108.000,-- DM abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Sicherheit kann auch durch Bürgschaft einer westdeutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder Genossenschaftsbank geleistet werden.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Tatbestand:</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Firma xxx hat im Namen und für Rechnung der Beklagten für den Neubau ihres Verwaltungsgebäudes in xxx der Klägerin die Lieferung und Montage abgehängter Decken erteilt. Grundlage der Vertragsbeziehungen ist das Bestellschreiben vom 06.06.1985 (Bl. 11 bis 16 d.A.), in dem eine Reihe von Anlagen (Bl. 17 bis 45 d.A.) und ein Verhandlungsprotokoll vom 15.03./02.04.1984 (Bl. 80 bis 86 d.A.) in Bezug genommen sind. Das ausgeführte Werk ist abgenommen. Die geprüfte Rechnung der Klägerin vom 30.04.1985 (Bl. 46 ff d.A.) über 1.838.111,25 DM ist rechnerisch unstreitig. Die Rechnungssumme ist bis auf die Klageforderung von 91.905,96 DM (= 5 % der Rechnungssumme) bezahlt. Die Beklagte hält die Klageforderung wegen der Zahlungsvereinbarung in Ziffer 4 des Bestellschreibens für nicht fällig.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Ziffer 4 des Bestellschreibens lautet (auszugsweise):</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">"4. <u>Zahlung</u></p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">85 % - ...</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">10 % - . . .</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">5 % - 60 Monate nach kompletter Fertigstellung aller von Ihnen zu erbringenden Lieferungen und Leistungen einschließlich eventueller Gewährleistungsansprüche.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">..."</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat die Ansicht vertreten:</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Aus dem Gesamtinhalt des Vertragswerkes ergebe sich, daß es sich bei der letzten Rate von 5 % um einen durch Bürgschaft ablösbaren Sicherheitseinbehalt im Sinne von § 17 Nr. 6 VOB/B handele. Eine Fälligkeitsabsprache komme nicht klar zum Ausdruck, verstoße im übrigen gegen das AGB-Gesetz, auf jeden Fall aber gegen § 242 BGB.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">die Beklagte zu verurteilen, an sie 91.905,56 DM nebst 7,5 % Zinsen seit dem 22.04.1986 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Sie hat geltend gemacht:</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Für sie sei der durch den Aufschub der Fälligkeit eingetretene Zinsgewinn ein wesentliches Element der Kalkulation gewesen. Sie habe das bei den Vertragsverhandlungen allen Anbietern gegenüber klar zum Ausdruck gebracht und erklärt, daß bei einer Änderung dieser Regelung der entsprechende Zinsbetrag anderweitig einkalkuliert werden müsse. Die Klägerin sei - im Gegensatz zu anderen Anbietern - mit der vorgeschlagenen Regelung einverstanden gewesen. Bei dieser Sachlage sei die Klausel klar, das AGB-Gesetz nicht anwendbar und § 242 BGB nicht erfüllt. - Hilfsweise mache sie ein Zurückbehaltungsrecht wegen Mängeln geltend.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat nach Zeugenvernehmung die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt:</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die restlichen 5 % des Werklohns seien nicht fällig, da die in Ziffer 4) der Bestellung vereinbarte Frist von 60 Monaten noch nicht abgelaufen sei. Durch diese Regelung sei die Fälligkeit hinausgeschoben und § 17 VOB/B abbedungen. Das AGB-Gesetz sei nicht anwendbar. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme müsse sich die Klägerin zumindest so behandeln lassen, als sei die Ziffer 4) der Bestellung ausgehandelt worden. Für die Anwendung des § 242 BGB bestehe kein Raum.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Urteils verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter. Sie macht geltend:</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Ziffer 4) der Bestellung sei für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert. Deshalb sei das AGB-Gesetz anzuwenden. Ziffer 4) sei nach verschiedenen Tatbeständen des AGB-Gesetzes unwirksam. Diese Bestimmung sei nicht ausgehandelt worden, weil nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme die Bestimmung nie zu Disposition gestanden und die Beklagte ihre Bereitschaft zur Änderung dieser Bestimmung nicht zum Ausdruck gebracht habe. Vielmehr seien die Firmen, die diese Bestimmungen nicht hätten akzeptieren wollen, bei der Auftragsvergabe nicht berücksichtigt worden. Die Unwirksamkeit von Ziffer 4) des Bestellschreibens ergebe sich aus den §§ 3, 5 und jedenfalls § 9 AGB-Gesetz. Ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten bestehe nicht, da ihr Werk mangelfrei sei und Mängelbeseitigungsarbeiten nicht rückständig seien.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">1.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">abändernd die Beklagte zu verurteilen, an sie 91.905,56 DM nebst 7,5 % Zinsen seit dem 22.04.1986 zu zahlen;</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">2.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">hilfsweise:</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Vollstreckungsschutzmaßnahmen und die Gestattung, Sicherheit auch durch Bankbürgschaft erbringen zu dürfen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">1.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">die Berufung zurückzuweisen;</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">2.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Sicherheit durch Bürgschaft einer Großbank oder öffentlichen Sparkasse erbringen zu dürfen.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Sie macht geltend:</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Das AGB-Gesetz sei nicht anwendbar. Ziffer 4) des Bestellschreibens sei nicht für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert. Der Verfasser habe den Text des Vertrages aus Textbausteinen für einen Einzelfall zusammengesetzt und speziell die Formulierung in Ziffer 4) hinsichtlich der 5 %-Klausel "einschließlich eventueller Gewährleistungsansprüche" individuell formuliert (Beweis: Zeuge xxx). Im übrigen ergebe sich aus der Beweisaufnahme, daß Ziffer 4) ausgehandelt worden sei. Darüber hinaus liege kein Verstoß gegen Bestimmungen des AGB-Gesetzes vor. - Die Klägerin habe gerügte Mängel ihrer Arbeiten erst Anfang August 1987 beseitigt.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens zweiter Instanz wird auf die Berufungsbegründung vom 09.06.1987 und den ergänzenden Schriftsatz der Klägerin vom 01.12.1987 sowie auf die Berufungserwiderung vom 11.01.1988 nebst Anlagen verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks"><u>Entscheidungsgründe:</u></p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist bis auf einen Teil der Zinsforderung begründet.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin kann die restlichen 5 % ihres Werklohns verlangen. Sie sind jetzt jedenfalls fällig. Das Hinausschieben der Fälligkeit auf fünf Jahre ab Fertigstellung in Ziffer 4) des Bestellschreibens ist gemäß § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Das AGB-Gesetz ist anwendbar.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Ziffer 4) ist nach dem eigenen Vortrag der Beklagten im Senatstermin eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 AGBG. Die Beklagte hat danach - entweder von anderen oder in ihrem Hause - vorformulierte Textbausteine für die Zusammensetzung des Vertragstextes verwendet. Der abstrakt-generelle Charakter dieser Textbausteine ergibt sich schon aus ihrer Zweckbestimmung. Sie sind für die Verwendung - je nach Bedarf - für eine unbestimmte Zahl von Verträgen ausgearbeitet. Unerheblich ist, ob die Klägerin sie vorher schon mehrfach verwendet hat. Unerheblich ist auch, ob solche Textbausteine einem Datenträger oder einem Formularbuch entnommen werden. Daß der Vertragsverfasser der Ziffer 4) den Zusatz "einschließlich eventueller Gewährleistungsansprüche" nach der Behauptung der Beklagten "individuell" hinzugefügt hat, ändert nichts daran, daß Ziffer 4) im übrigen für eine Vielzahl von Fällen vorformuliert war und blieb. Der Antrag der Beklagten auf Vernehmung des Zeugen xxx zu diesem Sachverhalt war daher unerheblich.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Ziffer 4) des Bestellschreibens ist - entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht im einzelnen ausgehandelt im Sinne des § 1 Abs. 2 AGBG.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">"Aushandeln" setzt voraus, daß der Verwender den in seinen allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen "gesetzesfremden" Kerngehalt, also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen inhaltlich <u>ernsthaft zur Disposition stellt</u> und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit zumindest der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen (BGH in ZfBR 1987, 40, <u>41</u>). Die Beklagte hätte sich deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderung der Ziffer 4) bereit erklärt haben müssen (BGH, a.a.O.). Schon daran fehlt es. Zum einen hat die Klägerin keine Änderung der Ziffer 4) des Bestellschreibens gewünscht. Zum anderen ist nach dem Vortrag der Beklagten und der Aussage des Zeugen xxx allen Anbietern erklärt worden, für den Fall der Ablehnung von Ziffer 4) werde das Angebot um den Zinsverlust (d.h.: den der Beklagten entgehenden Zinsgewinn) teurer gemacht, was wirtschaftlich zum gleichen Ergebnis wie die Hinnahme der Klausel geführt hätte. Allenfalls unter besonderen Umständen kann ein Vertrag auch dann als Ergebnis eines "Aushandelns" gewertet werden, wenn es schließlich nach gründlicher Erörterung bei dem gestellten Entwurf verbleibt (BGH a.a.O.). Solche Umstände sind nicht ersichtlich.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Der Einbeziehung von Ziffer 4) des Bestellschreibens in den Vertrag steht nicht § 3 AGBG (überraschendes Klausel) entgegen. Ziffer 4) enthält kein starkes Überraschungsmoment. Zudem war den fachkundigen Zeugen xxx und xxx, die hier für die Klägerin verhandelt haben, diese Klausel vor Vertragsschluß bekannt.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Ziffer 4) ist wegen einer gegen Treu und Glauben verstoßenden unangemessenen Benachteiligung der Klägerin nach § 9 AGBG unwirksam.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Die unangemessene Benachteiligung ergibt sich aus zwei Gesichtspunkten: Durch die § 641 BGB abändernde Hinausschiebung der Fälligkeit auf fünf Jahre ab Fertigstellung wird dem Auftragnehmer ein erheblicher Zinsverlust aufgebürdet. Die Unbilligkeit dieser Regelung zeigt der Vergleich mit § 641 Abs. 2 BGB, wonach der Besteller einen in Geld festgesetzten Werklohn von der Abnahme des Werkes an zu verzinsen hat, und mit § 17 Nr. 6 Abs. 1 Satz 4/ Nr. 5 Satz 2 VOB/B, wonach bei vereinbartem Sicherheitseinbehalt der einbehaltene Betrag auf ein Sperrkonto einzuzahlen ist und etwaige Zinsen dem Auftragnehmer zustehen. Ferner führt die Regelung in Ziffer 4) dazu, daß der Auftragnehmer ohne jede Sicherung ab Fertigstellung fünf Jahre lang das Risiko tragen soll, daß der Auftraggeber zahlungsunfähig wird. Dieses Risiko kann nicht gering veranschlagt werden, wie die Konkurse auch großer und renommierter Baufirmen in den letzten Jahren zeigen. Dagegen kann nicht mit Erfolg eingewendet werden, daß der Auftraggeber mit einer solchen Klausel wie Ziffer 4) wirtschaftlich gesehen lediglich eine Herabsetzung der Vergütung erreichte. Eine solche soll offen und ehrlich ausgehandelt werden. - Schon aus diesen Gründen verstößt die Klausel gegen § 9 AGBG.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Erschwerend kommen hier zwei Gesichtspunkte hinzu: Die Formulierung der Ziffer 4) ist an übliche Sicherheitsvereinbarungen gem. § 17 Nr. 6 VOB/B angelehnt, so daß ihre belastenden Folgen für den Auftragnehmer nicht deutlich hervortreten. Bezüglich der Auswirkungen von Gewährleistungsansprüchen auf den Beginn der 5-Jahresfrist ist Ziffer 4) so unklar formuliert, daß eine Frist von praktisch 10 Jahren möglich erscheint.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">4.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Ein Zurückbehaltungsrecht wegen Mängeln steht der Beklagten nach ihrem eigenen Vorbringen nicht (mehr) zu, nachdem die von ihr behaupteten Mängel inzwischen beseitigt sind.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Gem. § 16 Nr. 5 Abs. 3 VOB/B ist die Klageforderung ab 15.08.1987 zu verzinsen. Für die vorangehende Zeit kann die Klägerin keine Zinsen verlangen. Die Beklagte durfte die Zahlung verweigern. Sie hatte ein Zurückbehaltungsrecht wegen Mängeln der Leistungen der Klägerin (§§ 320, 322 BGB, 13 Nr. 5 VOB/B). Daß ein Nachbesserungsanspruch der Beklagten bestand, hat die Klägerin anerkannt, indem sie Nachbesserungsarbeiten erheblichen Umfangs bis Anfang August 1987 ausgeführt hat.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">III.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 92 Abs. 2, 708 Ziffer 10, 711 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Die Beschwer der Beklagten beträgt 91.905,56 DM.</p>
|
315,410 | olgham-1988-01-15-20-u-19587 | {
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"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
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"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 20 U 195/87 | 1988-01-15T00:00:00 | 2019-03-13T14:54:57 | 2019-03-27T09:43:11 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1988:0115.20U195.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung der Klägerin gegen das am 15. Mai 1987 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts xxx wird zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Auf die Berufung und die Anschlußberufung des Beklagten wird das angefochtene Urteil abgeändert.</p>
<p></p>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Tatbestand</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin belieferte in ständiger Geschäftsbeziehung eine xxx, deren Geschäftsführer der Beklagte war. Diese bezahlte ab Ende 1984 die offenen Forderungen nicht mehr. Ende Mai 1985 beantragte sie die Eröffnung des Konkursverfahrens.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat gegen diese Firma offene Forderungen in Höhe von 7.789,25 DM, denen Rechnungen aus der Zeit zwischen dem 31.12.1984 und dem 20.05.1985 zugrunde liegen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte habe sich in einem Telefongespräch am 14.02.1985 gegenüber ihrer Gesellschafterin und Seniorchefin verpflichtet, für diese Forderungen "persönlich einzustehen". Sie hat darin einen Schuldbeitritt des Beklagten gesehen und beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">den Beklagten zu verurteilen, an sie 7.789,25 DM als Gesamtschuldner neben der gesondert in Anspruch genommenen xxx nebst 9 % Zinsen seit dem 16. Januar 1986 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat bestritten, sich persönlich zur Bezahlung der Verbindlichkeiten der xxx verpflichtet zu haben.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme der Klage in Höhe von 2.907,78 DM nebst 9 % Zinsen seit dem 16.01.1986 stattgegeben und die Klage im übrigen abgewiesen. Es hat der Beweisaufnahme entnommen, daß der Beklagte durch mündliche Erklärung in dem Telefongespräch die Schuld mitübernommen habe. Es hat diese Erklärung allerdings dahin ausgelegt, daß diese Schuldmitübernahme nur die bis zum 14.02.1985 bereits entstandenen Forderungen, nicht aber künftig entstehende Forderungen umfaßt habe.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil richten sich die fristgerecht eingelegten und begründeten Berufungen beider Parteien.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin verfolgt ihren Klageantrag in voller Höhe weiter und behauptet, der Beklagte habe auch die künftig erst noch entstehenden Forderungen persönlich übernehmen wollen, um sicherzustellen, daß die xxx von ihr weiter beliefert werde.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten als Gesamtschuldner neben der xxx zu verurteilen, an sie über die ausgeurteilten 2.907,78 DM nebst Zinsen weitere 4.881,47 DM nebst 9 % Zinsen seit dem 16.01.1986 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte, der zunächst nur beantragt hat,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen, soweit er zur Zahlung von mehr als 835,16 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 16.01.1986 verurteilt worden sei,</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">beantragt nunmehr,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils und Zurückweisung der Berufung der Klägerin die Klage in vollem Umfang abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat sich zunächst gegen die Höhe seiner Verurteilung gewandt und mit näherer Begründung ausgeführt, daß er allenfalls die Haftung für offene Forderungen in Höhe von 835,16 DM nebst 5 % Zinsen übernommen habe, wenngleich er an eine entsprechende telefonische Zusicherung keine Erinnerung mehr habe.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Nach einem rechtlichen Hinweis, daß in der behaupteten Zahlungszusage auch eine formunwirksame Bürgschaftserklärung gesehen werden könne, "erweitert" der Beklagte seine Berufung und greift das angefochtene Urteil in vollem Umfang an.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin sieht hierin eine Anschlußberufung, die sie für unzulässig hält.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Im übrigen ist sie der Auffassung, daß auch eine mündlich erklärte Bürgschaft des Beklagten wirksam sei, weil der Beklagte xxx sei, jedenfalls aber in dem Telefongespräch einen entsprechenden Vertrauenstatbestand gesetzt habe.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Anschlußberufung des Beklagten zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen und auf die in den nachstehenden Entscheidungsgründen ergänzend mitgeteilten Tatsachen verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks"><u>Entscheidungsgründe</u></p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg, während die Berufung und die Anschlußberufung des Beklagten zur Klageabweisung insgesamt führen.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Berufung der Klägerin könnte schon deshalb keinen Erfolg haben, weil die vor dem Landgericht durchgeführte Beweisaufnahme nichts dafür ergeben hat, daß der Beklagte zugesagt hat, auch für künftige Forderungen einstehen zu wollen. Diese Frage bedarf jedoch keiner weiteren Vertiefung, weil der eigene Sachvortrag der Klägerin schon dem Grunde nach nicht geeignet ist, einen Zahlungsanspruch gegen den Beklagten zu begründen.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Nach der Darstellung der Klägerin, die die vom Landgericht vernommenen Zeuginnen im wesentlichen bestätigt haben, hat der Beklagte in dem streitigen Telefongespräch zugesagt, er werde für die Verbindlichkeiten der xxx "einstehen" bzw. "geradestehen". Diese Erklärung enthält ihrem Wortlaut nach die Übernahme einer Bürgschaft, denn nach § 765 Abs. 1 BGB verpflichtet sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger eines Dritten, "für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Dritten einzustehen".</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die Übernahme einer Bürgschaft ist jedoch nur dann verbindlich, wenn sie schriftlich erklärt wird (§ 766 BGB). An dieser gesetzlich vorgeschriebenen Schriftform fehlt es hier.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Der Schriftform bedarf es nur dann nicht, wenn der Bürge Vollkaufmann ist und die Bürgschaft sich als Handelsgeschäft darstellt (§§ 343, 350, 351 HGB). Der Beklagte ist als Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung jedoch nicht Vollkaufmann im Sinne von § 1 HGB. Er ist lediglich Angestellter der Gesellschaft.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Soweit die Klägerin mit Schriftsatz vom 05.01.1988 ausführt, der Beklagte sei doch Kaufmann gewesen, fehlt es an näheren tatsächlichen Darlegungen, so daß für die von der Klägerin beantragte eidliche Parteivernehmung des Beklagten kein Raum ist.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte ist auch nicht gehindert, sich auf die fehlende Schriftform zu berufen. Dies verstößt nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB). Beide Parteien sind sich ersichtlich nicht darüber im klaren gewesen, daß die Erklärung des Beklagten eigentlich der Schriftform bedürfe, um rechtswirksam zu sein. Der Beklagte hat die Klägerin daher nicht treuwidrig daran gehindert, sich seine Zahlungszusage schriftlich geben zu lassen.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Die - bestrittene - Zusage des Beklagten, für Verbindlichkeiten der GmbH einstehen zu wollen, enthält keine (formlos) wirksame Schuldmitübernahme (Schuldbeitritt).</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Ob eine Zahlungszusage als Schuldbeitritt oder als Bürgschaft zu verstehen ist, hängt zunächst davon ab, ob mit dieser Zusage eine selbständige oder eine an die Hauptforderung "angelehnte" Schuld begründet werden sollte. Im ersten Fall liegt die Annahme eines Schuldbeitritts nahe, während im zweiten Fall in der Regel eine Bürgschaft gewollt ist. Bleiben Zweifel, wie die Erklärung zu verstehen ist, ist eine Bürgschaft anzunehmen (BGH NJW 86, 580).</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Der Wortlaut der von der Klägerin behaupteten Erklärung des Beklagten ist eindeutig und so zu verstehen, daß der Beklagte keine rechtlich selbständige Zahlungsverpflichtung begründen, sondern für die Verbindlichkeiten der GmbH in ihrem jeweiligen Bestand einstehen wollte. Er hat daher eine an die Hauptschuld angelehnte Verbindlichkeit übernehmen wollen und dies durch seine dem Wortlaut des § 765 entsprechende Erklärung auch hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">c)</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Es ist darüber hinaus auch nicht ersichtlich, daß der Beklagte ein eigenes wirtschaftliches oder rechtliches Interesse daran gehabt haben könnte, Verbindlichkeiten der xxx zu übernehmen. Es mag zwar sein, daß der Beklagte den Fortbestand der in Zahlungsschwierigkeiten geratenen xxx sicherstellen wollte. Daraus folgt jedoch nicht unmittelbar ein eigenes Interesses, denn es ist nicht ersichtlich, in welcher Weise der Beklagte vom Fortbestehen dieser Gesellschaft wirtschaftlich abhängig war. Nach seiner unbestrittenen Darstellung hatte er noch eine zweite Firma in Westdeutschland - ebenfalls eine GmbH -, so daß seine eigene wirtschaftliche Existenz durch den möglichen Zusammenbruch der xxx nicht unbedingt bedroht war.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Selbst die Annahme eines eigenen wirtschaftlichen Interesses würde im übrigen für sich allein auch nicht ausreichen, um den sicheren Schluß auf einen Schuldbeitritt zu rechtfertigen (BGH NJW 68, 2332). Das eigene wirtschaftliche (oder rechtliche) Interesse kann allenfalls ein Auslegungskriterium unter mehreren anderen sein, wenn Zweifel bestehen, wie eine Zahlungszusage auszulegen ist (ebenso BGH NJW 86, 580).</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">d)</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Der Schutzzweck der Formvorschrift des § 766 BGB gebietet Zurückhaltung bei der Annahme formfrei wirksamer Schuldbeitrittserklärungen. So kommt regelmäßig auch die Umdeutung einer formunwirksamen Bürgschaftserklärung in einen formlos wirksamen Schuldbeitritt nicht in Betracht (Palandt-Thomas, BGB, Einführung vor § 765 Anm. 3 b).</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Da der Klägerin ein Zahlungsanspruch gegen den Beklagten nicht zusteht, muß dessen Berufung Erfolg haben. Dasselbe gilt für seinen weiteren, als Berufungserweiterung bezeichneten Antrag auf Abweisung der Klage insgesamt. Dieser Antrag stellt sich rechtlich als unselbständige Anschlußberufung an die Berufung der Klägerin dar (§ 521 Abs. 1 ZPO), weil die Berufungsbegründungsfrist für den Beklagten inzwischen abgelaufen war. Bedenken gegen die Zulässigkeit dieser Anschlußberufung bestehen nicht. Es steht insbesondere nicht entgegen, daß der Beklagte zunächst eine nur beschränkte Berufung eingelegt hat. Denn die Anschlußberufung wäre selbst dann statthaft, wenn der Beklagte auf sein Rechtsmittel der Berufung verzichtet gehabt hätte (§ 521 Abs. 1 ZPO). Die zunächst beschränkte Berufung enthält jedoch nicht einmal einen Verzicht auf eine weitergehende Berufung. Der Beklagte wäre daher innerhalb der gesetzlichen Frist zur Begründung der Berufung nicht gehindert gewesen, sein Rechtsmittel zu erweitern. Daß der Ablauf der Berufungsbegründungsfrist der Erhebung einer Anschlußberufung nicht entgegensteht, folgt unmittelbar aus dem Gesetz (§ 521 Abs. 1 ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">III.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO, während der Ausspruch über die Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Ziff. 10, 713 ZPO folgt. Die Beschwer der Klägerin wird auf 7.789,25 DM festgesetzt.</p>
|
315,411 | lg-dusseldorf-1988-01-14-16-o-15487 | {
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"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 16 O 154/87 | 1988-01-14T00:00:00 | 2019-03-13T14:54:59 | 2019-03-27T09:43:11 | Urteil | ECLI:DE:LGD:1988:0114.16O154.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>1.</p>
<p>Das Versäumnisurteil vom 8. Oktober 1987 wird aufrechterhalten.</p>
<p> </p>
<p>2.</p>
<p>Die weiteren Kosten des Rechtsstreits werden dem Verfügungsbeklagten auferlegt.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Ta t b e s t a n d </u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Bundesparteitag der Verfügungsklägerin wählte am 15.02.1986 den Verfügungsbeklagten zum 1. stellvertretenden Bundesvorsitzenden. Zwei Mitglieder der Verfügungsklägerin fochten die Bundesvorstandswahlen vom 15.02. 1986 vor dem bei der Verfügungsklägerin eingerichteten Bundesparteischiedsgericht an. Wegen der Einzelheiten der Parteischiedsgerichtsordnung der Verfügungsklägerin vom 05.11.1978 wird auf BI. 50 - 61 GA Bezug genommen. Das Bundesparteischiedsgericht der Verfügungsklägerin beschloß am 06.12. 1986, daß die Bundesvorstandswahlen vom 15.02.1986 ungültig waren und beauftragte im Interesse der Funktionsfähigkeit der Bundesorganisation der Verfügungsklägerin deren Bundesgeschäftsführer, den Verfügungskläger, u.a. alsbald zum Zwecke der Wiederholung der Bundesvorstandswahlen einen Bundesparteitag einzuberufen. Mit weiterem Beschluß vom 06.01.1987 beauftragte das Bundesparteischiedsgericht den Verfügungskläger mit der Vertretung der Verfügungsklägerin gemäß § 26 BGB. </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Verfügungsbeklagte lud zum 13.12.1986 und zum 31.01.1987 zu Bundesvorstandssitzungen ein. Der Verfügungskläger hob die Einladungen jeweils auf. Die auf der Bundesvorstandswahl vom 15.02.1986 zur Bundesvorsitzenden gewählte Frau Prof. A. erwirkte gegen die Verfügungsklägerin am 20.01.1987 beim Landgericht Mönchengladbach im Wege der einstweiligen Verfügung einen Beschluß, wonach der Schiedsspruch des Bundesparteischiedsgerichtes vom 06.12.1986 zunächst keine Wirkung entfaltete, Frau A. die Verfügungsklägerin weiter nach außen vertrat und die Kompetenzen des Verfügungsklägers zunächst ausgesetzt wurden. Im Termin zur mündlichen Verhandlung über den Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung nahm Frau A. den Antrag auf Erlaß der einstweiligen Verfügung zurück. Am 12.03.1987 sprach der Verfügungsbeklagte wiederum eine Einladung an die Mitglieder des Bundesvorstandes der Verfügungsklägerin zu einer Vorstandssitzung auf den 21.03.1987 aus. Auf Einladung der Landesvorsitzenden von Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Rheinland, Rheinland-Pfalz, Hessen und Saarland vom 14.04.1987 hielt ein Teil der Parteimitglieder der Verfügungsklägerin am 02.05.1987 einen Bundesparteitag ab, auf dem der Verfügungsbeklagte zum 1. stellvertretenden Bundesvorsitzenden gewählt wurde. Ein weiterer Parteitag der Verfügungsklägerin fand am 09.05.1987 auf Einladung des Verfügungsklägers vom 08.04.1987 statt, auf dem Herr B. als 1. Vorsitzender und die Herren C. und Dr. D. als stellvertretende Vorsitzende, der Verfügungskläger als Geschäftsführer und Herr E. als Leiter der Redaktion der von der Verfügungsklägerin herausgegebenen Zeitschrift "F." gewählt wurden. Der Verfügungsbeklagte beteiligte sich auch nach dem Parteitag vom 09.05.1987 am Vertrieb der Zeitschrift "F.“. Über ihren Prozeßbevollmächtigten forderte die Verfügungsklagerin den Verfügungsbeklagten mit Schreiben vom 15.07.1987 auf, diese Tätigkeit zu beenden. In den Ausgaben für August und November 1987 der vorgenannten Zeitschrift ist als Verantwortlicher für den Vertrieb und auch als 2. Vorsitzender der Verfügungsbeklagte genannt. </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Mit Urteil vom 01.07.1987 wies die 16. Zivilkammer des Landgerichts Münster - AZ 16 0 246/87 - einen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung der durch Frau Adelgunde A. vertretenen Verfügungsklägerin zurück, weil u.a. nicht glaubhaft gemacht war, daß die Verfügungsklägerin durch Frau A. ordnungsgemäß vertreten war. Durch zwei Urteile vom 01.10. 1987 wies die 15. Zivilkammer des Landgerichts Münster einen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung - AZ 15 0 448/87 - und eine Klage - AZ 15 0 447/87 - der von Herrn B. vertretenen Verfügungsklägerin gegen Frau A. als unzulassig zurück, weil die Verfügungsklägerin durch Herrn B. nicht wirksam vertreten wurde.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Auf Einladung vom 10.10.1987 hielt die Verfügungsklägerin am 31.10.1987 in G. einen außerordentlichen Bundesparteitag ab. Auf diesem Bundesparteitag wurden zum Bundesvorsitzenden Herr B. und zum 1. und 2. stellvertretenden Bundesvorsitzenden die Herren H. und Dr. D. gewählt sowie zum Leiter für den "F." Herr E., die sämtlich die Wahl annahmen. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Verfügungskläger behaupten, der dem Bundesparteischiedsgericht angehörende Schiedsrichter I. sei von seinem Amt als Ortsvorsitzender in J. zurückgetreten. Die Einberufung des Sonderparteitages der Bundespartei auf den 09.05.1987 sei wegen verschiedener einstweiliger Verfügungsverfahren des Verfügungsbeklagten und der Frau A. nicht früher möglich gewesen. Die Verfügungsklägerin behauptet weiter, der Bundesparteitag am 31.10.1987 sei auf Antrag von 1/5 der Delegierten der vorausgegangenen Bundesparteitage einberufen worden. </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Das erkennende Gericht hat auf Antrag der Verfügungskläger vom 17.03.1987 durch Beschluß vom 20.03.1987 dem Verfügungsbeklagten untersagt, bis zur Neuwahl eines Bundesvorstandes der Deutschen Zentrumspartei als Vorstandsmitglied der Deutschen Zentrumspartei nach außen oder gegenüber Mitgliedern der Deutschen Zentrumspartei tätig zu werden und am Samstag, dem 21. März 1987, eine Bundesvorstandssitzung der Deutschen Zentrumspartei abzuhalten. Gegen diesen Beschluß hat der Verfügungsbeklagte am 27.03.1987 Widerspruch eingelegt. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Verfügungskläger haben den Antrag angekündigt, die einstweilige Verfügung vom 20.03.1987 zu bestätigen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Verfügungsbeklagte hat den Antrag angekündigt, unter Aufhebung der einstweiligen Verfügung den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen. </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Verfügungskläger haben den Rechtsstreit hinsichtlich der Anträge aus der Antragsschrift vom 17.03.1987, die im Beschluß vom 20.03.1987 ihren Ausdruck gefunden haben, für erledigt erklärt. Der Verfügungsbeklagte hat sich der Erledigungserklärung angeschlossen. </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Verfügungsklägerln hat im Termin vom 17.09.1987 beantragt. </p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">1.               </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">dem Verfügungsbeklagten zu untersagen, bis auf weiteres als 1. stellvertretender Bundesvorsitzender der Deutschen Zentrumspartei tätig zu werden, </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">2.               </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">dem Verfügungsbeklagten zu untersagen, die Zeitschrift „F.“ der Verfügungsklägerin zu vertreiben oder sich am Vertrieb der Zeitschrift zu beteiligen. </p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Der Verfügungsbeklagte hat im Termin vom 17.09.1987 keinen Antrag gestellt. </p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Das erkennende Gericht hat durch Versäumnisurtell vom 08.10.1987 nach den Anträgen der Verfügungsklägerin erkannt und dem Verfügungsbeklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. </p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Gegen das dem Verfügungsbeklagten am 15.10.1987 zugestellte Versäumnisurteil hat der Verfügungsbeklagte am 29.10.1987 Einspruch eingelegt.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Verfügungskläger beantragen, das Versäumnisurteil vom 08.10.1987 aufrechtzuerhalten. </p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Der Verfügungsbeklagte beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Versäumnlsurteils die Verfügungskläger mit Ihrem Antrag zurückzuweisen. </p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Er behauptet, der dem Bundesparteischiedsgericht angehörende Schiedsrichter I. sei entgegen § 37 Abs.2 der Grundsatzung der Verfügungsklägerin Ortsvorsitzender der <em>Deutschen Zentrumspartei</em> in J.. Die Feststellungen des Bundesparteischiedsgerichtes in den Beschlüssen vom 06.12.1986 und 06.01.1987 wegen einer falschen Anwendung des Delegiertenschlüssels seien unrichtig. Der Bundesparteitag vom 31.10.1987 sei nicht von 1/5 der Delegierten der vorausgegangenen Parteitage einberufen worden. Der Verfügungsbeklagte ist der Ansicht, die Verfügungsklägerln werde durch Herrn B. nicht ordnungsgemäß vertreten. Zudem rügt er die Prozeßvollmacht des Prozeßbevollmächtigten der Verfügungsklägerin. </p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den sonstigen Akteninhalt Bezug               genommen.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks"><u>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e </u></p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Das Versäumnisurteil vom 08.10.1987 war aufrechtzuerhalten, weil der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung in dem jetzt weiterverfolgten Umfang zulässig und begründet ist. </p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">1.               a) Die Verfügungsklägerin wird durch Herrn B. gemäß § 32 Abs. 5 der Grundsatzung der Deutschen Zentrumspartei in der Fassung vom 05.11.1978 in Verbindung mit §§ 51 ZPO, 26 BGB wirksam vertreten. Nach der vom Verfügungsbeklagten selbst im Termin vom 02.12.1987 überreichten Grundsatzung der Verfügungsklägerin in der Fassung vom 05.11.1978 erfolgt die Vertretung der Bundespartei nämlich gemäß § 32 Abs. 5 und Abs. 1 dieser Grundsatzung durch den Vorsitzenden des Bundesvorstandes gemäß § 26 BGB. Vorsitzender des Bundesvorstandes ist aufgrund der Wahl auf dem außerordentlichen Bundesparteitag am 31.10.1987 in G. Herr B.. der auf diesem Bundesparteitag einstimmig zum Bundesvorsitzenden gewählt worden ist und die Wahl angenommen hat. Von der Wirksamkeit dieser Wahl ist im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren auszugehen. Denn die Wahl des Herrn B. zum Bundesvorsitzenden am 31.10.1987 ist nicht vor dem gemäß § 14 Parteiengesetz. § 37 der Grundsatzung und § 14 Abs. 1 Nr. 5 der Parteischiedsgerichtsordnung der Verfügungskllgerin zuständigen Bundesparteischiedsgericht angefochten worden. Gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 5 in Verbindung mit § 37 der Grundsatzung ist nämlich das Bundesparteischiedsgericht für die Anfechtung von Wahlen des Bundesparteitages zuständig. Soweit der Verfügungsbeklagte die fehlende Ordnungsmäßigkeit der Vertretung der Verfügungsklägerin durch Herrn B. im vorliegenden Verfahren geltend macht, greift er die Wirksamkeit einer Wahl des Bundesparteitages an. Dies hat grundsätzlich durch Anfechtung vor dem Bundesparteischiedsgericht nach den vorstehend näher bezeichneten Vorschriften zu geschehen. Eine Anfechtung dieser Wahl ist nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 2. Dezember 1987 nicht erfolgt. Liegt aber bislang nicht einmal eine Anfechtung der Wahl des Herrn B. zum Bundesvorsitzenden vor, so ist das erkennende Gericht gehindert. die Ordnungsmäßigkeit dieser Wahl einer eigenen Überprüfung zu unterziehen; vielmehr ist für das vorliegende Verfahren von der Wirksamkeit der Wahl des Herrn B. auszugehen. </p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Dies ergibt sich zwar nicht bereits aus dem Umstand. daß der Verfügungsbeklagte ersichtlich die Wochenfrist für die Wahlanfechtung nach § 20 Abs. 2 S. 1 Parteischiedsgerichtsordnung nicht eingehalten hat. Im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 06.03.1967 (NJW 1967. 1268. 1269 f) wäre für eine wirksame Verankerung der Wahlanfechtungsfrist deren Aufnahme in die Satzung und nicht nur in die Schiedsgerichtsordnung erforderlich. Letztlich braucht dies im vorliegenden Verfahren aber nicht abschließend entschieden zu werden. Denn das erkennende Gericht ist unabhängig davon, ob es sich bei dem Bundesparteischiedsgericht der Verfügungsklägerin um ein unechtes oder ein echtes Schiedsgericht im Sinne der ZPO handelt, deshalb daran gehindert. im vorliegenden Verfahren eine Überprüfung der Ordnungsmaßigkeit der Wahl des Herrn B. vorzunehmen, weil der Verfügungsbeklagte trotz ausreichenden Zeitablaufs keine Wahlanfechtung vorgenommen hat sondern lediglich seine Einwendungen gegen die Wirksamkeit der Wahl vorbringt. Durch ein solches Vorgehen wird die in erster Linie für die Frage der Wirksamkeit der Bundesvorstandswahlen bestehende Zuständigkeit des Parteischiedsgerichtes unterlaufen und ein zunächst dessen Entscheidungsfindung unterliegender Sachverhalt (vgl. zur zunächst erforderlichen Ausschöpfung des vereinsinternen Instanzenzuges Palandt-Heinrichs § 25 Anm. 4 e m.w.N. aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung) der Überprüfung des Bundesparteischiedsgerichtes entzogen. Dem steht nicht entgegen, daß es sich vorliegend um ein einstweiliges Verfügungsverfahren handelt, in dem die prozeßhindernde Einrede der Schiedsgerichtsvereinbarung gemäß § 1027 a ZPO grundsätzlich nicht greift (vgl. hierzu Baumbach-Albers § 1027 a Anm. 1). Es geht nämlich vorliegend nicht darum, ob die Verfügungskläger das erkennende Gericht als staatliches Gericht für das einstweilige Verfügungsverfahren anrufen dürfen sondern darum, ob der Verfügungsbeklagte im vorliegenden Verfahren ohne die Wahl des Bundesvorsitzenden überhaupt vor dem Bundesparteischiedsgericht angefochten zu haben, deren Unwirksamkeit im einstweiligen Verfügungsverfahren geltend machen darf. Dies ist auch für das einstweilige Verfügungsverfahren aus den vorstehend näher dargelegten Gründen wegen des Eingriffs in die in erster Linie bestehende Zuständigkeit des Bundesparteischiedsgerichtes abzulehnen, zumal, wie der bisherige Verfahrensablauf zeigt, ansonsten die Gefahr divergierender Entscheidungen besteht und nicht abzusehen ist, ob der Verfügungsbeklagte überhaupt einmal den Weg der Wahlanfechtung vor dem Parteischiedsgericht beschreitet. </p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">b)               Für das vorliegende einstweilige Verfügungsverfahren ist der Zivilrechtsweg gemäß § 13 GVG gegeben. Es handelt sich um eine bürgerlichrechtliche Streitigkeit, weil Angelegenheiten der inneren Ordnung der Partei betroffen sind, die vereinsrechtlicher Natur sind (vgl. Relchert-Dannecker-Kühr Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts 1984 Rdnr. 1847). </p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">c)               Für das einstweilige Verfügungsverfahren besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis. Insoweit sind die Bestimmungen in der Schiedsgerichtsverfassung der Verfügungsklägerin über einstweilige Anordnungen gemäß 55 35, 36 nicht vorgreiflich. Dabei kann dahinstehen, ob die staatlichen Gerichte für ein einstweiliges Verfügungsverfahren ausschließlich zuständig sind (so Palandt-Heinrichs § 25 Anm. 4 e cc; zum Streitstand: Reichert-Dannecker-Kühr a.a.O. Rdnr. 1870). Vorliegend bestand für die Verfügungskläger jedenfalls deshalb ein Rechtsschutzbedürfnis für die Anrufung des staatlichen Gerichts im einstweiligen Verfügungsverfahren. weil nicht damit zu rechnen war, daß sich der Verfügungsbeklagte einer einstweiligen Anordnung eines Schiedsgerichts der Verfügungsklägerin unterwerfen würde. Denn der Verfügungsbeklagte nahm bereits den Schiedsspruch vom 06.12.1986 nicht hin. Aus diesem Grunde konnten die Verfügungskläger davon ausgehen, daß der Verfügungsbeklagte auch eine einstweilige Anordnung zur Durchsetzung des Schiedsspruches nicht beachten würde. Damit blieb den Verfügungsklägern zur Erlangung eines effektiven Rechtsschutzes nur die Anrufung des staatlichen Gerichts. </p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">d)               Eine ordnungsgemäße Prozeßvollmacht hat der Prozeßbevollmächtigte der Verfügungskläger durch Vorlage des Vollmachtsformulars vom 10.11.1987 (BI. 227 GA) nachgewiesen. </p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">2.               Der Antrag auf Erlaß der einstweiligen Verfügung in dem jetzt weiterverfolgten Umfang ist begründet, weshalb das Versäumnisurteil vom 08.10.1987 gemäß § 343 ZPO aufrechtzuerhalten ist. Die nach der übereinstimmenden Teilerledigungserklärung der Parteien nur noch von der Verfügungsklägerin beantragte einstweilige Verfügung ist nämlich nach wie vor erforderlich zur Regelung eines einstweiligen Zustandes in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zur Abwendung wesentlicher Nachteile für die Verfügungsklägerin, §§ 940, 936, 920 Abs. 2 ZPO. Der Verfügungsklägerin steht nämlich ein Verfügungsanspruch dahingehend zu, daß der Verfügungsbeklagte es bis auf weiteres unterläßt, als 1. stellvertretender Bundesvorsitzender der Verfügungsklägerin tätig zu werden und die Zeitschrift  „F." der Verfügungsklägerin zu vertreiben oder sich am Vertrieb zu beteiIigen, § 1004 BGB analog. Dieser Unterlassungsanspruch ergibt sich daraus, daß der Verfügungsbeklagte die innere Ordnung der Verfügungsklägerin nachhaltig stört. Denn auch nach dem Bundesparteitag vom 31.10.1987, auf dem Herr H. zum 1. stellvertretenden Bundesvorsitzenden und Herr E. zum Leiter des Kuriers vom Zentrum gewählt worden sind, gibt der Verfügungsbeklagte, wie aus der Novemberausgabe der Zeitschrift der Verfügungsklägerin folgt, sich nach wie vor als 2. Vorsitzender und als verantwortlich für den Vertrieb der Zeitschrift "F." aus. </p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr ergibt sich daraus, daß der Verfügungsbeklagte nach seinen Erklärungen im               Termin vom 02.12.1987 die Beschlüsse des Bundesparteitages vom 31.10.1987 für nichtig hält und zudem keine Anhaltspunkte vom Verfügungsbeklagten dargelegt sind, die eine Wiederholungsgefahr nach den vorangegangenen Verstößen ausschließen (vgl. Palandt-Bassenge § 1004 Anm. 6 c). </p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die Verfügungsklägerin hat auch einen Verfügungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht. Denn aufgrund des vorstehend aufgeführten Verhaltens des Verfügungsbeklagten besteht die Gefahr, daß der Verfügungsbeklagte ohne die einstweilige Verfügung sich weiterhin als 2. Bundesvorsitzender ausgibt und am Vertrleb der Zeitschrift der Verfügungsklägerin mitwirkt.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Soweit dem Verfügungsbeklagten In dem Versäumnisurtell vom 08.10.1987 in entsprechender Anwendung des § 91 a ZPO Im Hinblick auf die übereinstimmende Teilerledigungserklärung der Parteien auch die Kosten des Verfügungsbeklagten auferlegt worden sind, verbleibt es auch insoweit bei der Entscheidung des Versäumnisurteils. Zur Begründung dieser Kostenentscheidung wird auf die Selten 7 -10 des Versäumnisurteils Bezug genommen. </p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die vorliegende Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nicht erforderlich. Bel bestätigenden Urteilen im einstweiligen Verfügungsverfahren bleibt es bei der Vollstreckbarkeit der Vorentscheidung (vgl. Zöller-Schneider § 708 Nr. 8). Daran ändert sich auch nichts im Hinblick darauf, daß die Vorentscheidung ein Versäumnisurteil ist (vgl. Zöller-Schneider § 709 Rdnr. 8). </p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Der Schriftsatz des Verfügungsbeklagten vom 6.1.1988 gab keine Veranlassunq zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, § 156 ZPO. </p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Streitwert: 10.000,--DM. </p>
|
315,412 | lagk-1988-01-12-4-sa-69787 | {
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} | 4 Sa 697/87 | 1988-01-12T00:00:00 | 2019-03-13T14:55:00 | 2019-03-27T09:43:11 | Urteil | ECLI:DE:LAGK:1988:0112.4SA697.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung der Klägerinnen zu 1.), 2.) und 4.) und des Klägers zu 6.) werden die Urteile des Arbeitsgerichts Köln vom 14.4., 7.5., 8.7. und 15.7.1987</p>
<p>- 1 Ca 452/87 –- 8 Ca 642/87 –- 3 Ca 285/87 –und 3 Ca 454/87 - abgeändert:</p>
<p>1) Es wird festgestellt, daß die Kündigung der Beklagten vom 31.12.1986 unwirksam ist und das zwischen der Klägerin zu 1.) und der Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat.</p>
<p>2) Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin zu 2.) und der Beklagten durch die Kündigung vom 12.1.1987 nicht aufgelöst, worden ist.</p>
<p>3}  Es wird festgestellt, daß die Kündigung der Beklagten vom 19.12.1986, zugestellt am 31.12.1986, das zwischen der Klägerin zu 4.) und der Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis nicht zum 31.7.1987 beendet hat.</p>
<p>4) Es wird festgestellt, daß die ordentliche Kündigung der Beklagten von 19.12.1986 unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger zu 6) und der Beklagten aufgrund dieser Kündigung nicht zum 31.7.1987 beendet worden ist.</p>
<p>Die Berufungen der Beklagten gegen die am 7.7. und 14.8.1987 verkündeten Urteile des Arbeitsgerichts Köln - 15 Ca 3180/87 - und - 2 Ca 453/87 - werden zurückgewiesen.</p>
<p>Die erstinstanzliche Kostenentscheidung in dem Verfahren - 15 Ca 3180/87 - bleibt aufrechterhalten.</p>
<p>Die Beklagte trägt im übrigen die Kosten des Verfahrens.</p>
<p>Streitwert: für das Verfahren 4 (2) Sa 1045/87  4.200,-- DMsonst unverändert (insgesamt:                      47.752,30 DM)</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die beklagte Krankenhausstiftung betrieb bis 31.7.1987 eine Bildungseinrichtung mit drei Zweigen, einer einjährigen Berufsfachschule der Fachrichtung Ernährung und Hauswirtschaft, einer zweijährigen Berufsfachschule für Sozialpflege und einer dreijährigen Fachschule für Sozialpädagogik. Im Jahre 1986 beschloß das Kuratorium, die Bildungseinrichtung zu schließen und kündigte deshalb allen Lehrern, u. a. den fünf Klägerinnen und dem Kläger des vorliegenden Verfahrens mit Wirkung zum 31.7.1987. Der Streit der Parteien geht im wesentlichen um die Frage, ob die Beklagte bei Ausspruch der Kündigung eine ernsthafte Stilllegungsabsicht hatte oder ob die Bildungseinrichtung von der Stadt K  übernommen worden ist, die ab 1.8.1987 in den gleichen Räumlichkeiten eine Fachschule für Sozialpädagogik errichtet hat und die bisherigen Schüler der zweijährigen Berufsfachschule weiter unterrichtet, für den Unterricht allerdings nicht die bisherigen Lehrer, sondern Lehrer einer anderen Berufsfachschule einsetzt.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Klägerinnen und der Kläger des vorliegenden Verfahrens waren mit Ausnahme der Klägerin zu 1), die ganz überwiegend an der zweijährigen Berufsfachschule für Sozialpflege unterrichtet hat, an der Fachschule, für Sozialpädagogik tätig.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin zu 1) ist 19... geboren, verheiratet und hat ein Kind; sie ist seit 1.8.1973 an der Schule als Lehrerin für hauswirtschaftliche Praxis, Haushaltspflege und Nahrungsmittallehre tätig. Sie unterrichtete 25 Wochenstunden. In dem Arbeitsvertrag vom 20.5.1973 ist u. a. die Geltung des BAT vereinbart (vgl. im übrigen wegen des Vertragsinhalts Band I, Bl. 4 ff d. A.). Mit Schreiben vom 19.12.1986, der Klägerin zugegangen am 31.12.1986, sprach die Beklagte der Klägerin zunächst eine Änderungskündigung aus und wollte die Klägerin ab 1.8.1987 in der Küche des Krankenhauses einsetzen. Nachdem die Klägerin ein ärztliches Attest vorgelegt hat, nach dem sie derartige Arbeiten nicht verrichten kann, sind die Parteien nunmehr einig, daß die Kündigung vom 19.12.1986 als Beendigungskündigung gilt.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin zu 2) ist 19... geboren, verheiratet mit einem Kind und seit 1983 als Lehrerin für Jugendhilfe und Jugendrecht an der Fachschule für Sozialpädagogik tätig. Sie hat ein Jurastudium absolviert und unterrichtet vier Wochenstunden, ihre Vergütung beträgt 257,60 DM monatlich zuzüglich Sondervergütungen für Prüfungen etc. Auch ihr ist mit Schreiben vom 19.12.1986, ihr zugegangen am 12.1.1987, gekündigt worden.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin zu 3) ist 19... geboren, verheiratet und seit dem 1.8.1980 als Musiklehrerin halbtags an der Fachschule für Sozialpädagogik beschäftigt; zuvor war sie ein Jahr befristet angestellt. Sie hat zuletzt 1.400,-- DM verdient. Ihr ist mit Schreiben vom 13.4.1987, zugegangen am 23.4.1987, zum 31.7.1987 gekündigt worden. Mit Rücksicht auf die Mutterschutzbestimmungen hat die Beklagte die Kündigung nicht zusammen mit den anderen Kündigungen ausgesprochen. Ein bei dieser Klägerin erstinstanzlich beschiedener Weiterbeschäftigungsantrag ist nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin zu 4) ist seit 1.8.19... als Lehrerin für Didaktik und Methodik der sozialpädagogischen Praxis an der Fachschule für Sozialpädagogik tätig. Ihr Einkommen betrüg zuletzt 3.900,-- DM. Die Kündigung vom 19.12.1986 ist ihr am 31.12.1986 zugegangen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin zu 5) ist 19... geboren und unterrichtete ab 1.2.1976 ebenfalls Didaktik und Methodik der sozialpädagogischen Praxis an der Fachschule für Sozialpädagogik. Die Kündigung vom 19.12.1986 ist ihr am 8.1.1987 zugegangen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Kläger zu 6.) ist 40 Jahre alt und seit 1.11.1970 als Kunstlehrer an der Schule angestellt. Er unterrichtet seit 29.8.1983 21 Wochenstunden. Die Geltung des BAT ist arbeitvertraglich vereinbart. Das Einkommen des Klägers betrug zuletzt 3.000,-- DM brutto. Die Kündigung vom 19.12.1986 ist ihm am 2.1.1987 zugegangen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Im Jahre 1986 waren die Schülerzahlen in der von der Beklagten betriebenen Bildungseinrichtung, die das einzige derartige Angebot im rechtsrheinischen K.   Raum darstellt, rückläufig. Ebenso rückläufig waren die Schülerzahlen in der von der Stadt K.   betriebenen linksrheinischen Berufsfachschule in L. (vgl. Zeitungsmeldung vom 11.7.1986, Band I, Bl. 55 f d. A.}. Es wurden deshalb schon damals unter Einbeziehung der Stadt K.   und der Schulbehörde Überlegungen angestellt, beide Schulen zusammenzulegen, d. h. in den Räumen des Krankenhauses eine von der Stadt K.   geführte Zweigstelle der L.    Berufsfachschule zu betreiben. Auch der Geschäftsführer der Beklagten sprach sich in einem Schreiben an den Lehrerrat vom 6.6.1986 (Band VI., Bl. 60 d. A.) für eine derartige Möglichkeit (Überführung der Bildungseinrichtung auf die Stadt K.   ) aus. Am 10.10.1986 beschloß das Kuratorium der Beklagten im Grundsatz, die Bildungseinrichtung aus der Trägerschaft der Krankenhausstiftung P.   herauszulösen und in die Trägerschaft, der Stadt K.   zu überführen. Die Verwaltung würde beauftragt, entsprechende Schritte in die Wege zu leiten und insbesondere die Verhandlungen mit der Stadt K.   und mit der Schulaufsicht, zu führen. Die Unterrichtung der Schüler solle nach Möglichkeit weiterhin in den Räumen der Bildungseinrichtung erfolgen (vgl. Band VI, Bl.61 d. A.). Der Kuratoriumsbeschluß entsprach einer Tischvorlage des Geschäftsführers der Beklagten, der sich ebenfalls dafür einsetzte, auf eine Übernahme der Bildungseinrichtung in die Schulträgerschaft der Stadt K.  hinzuwirken (Band V, Bl. 50 d.A.). In einem Schreiben vom 2.12.1986 an den Betriebsrat, den Schulleiter und den Lehrerrat wies die Beklagte darauf hin, aus rechtlichen Gründen sei es nicht möglich, die Bildungseinrichtung aus der Trägerschaft der Krankenhausstiftung herauszulösen und in die Trägerschaft der Stadt <em>K.  </em> überführen. Da die Genehmigung der Ersatzschule nur für den Schulträger gelte, werde der Kuratoriumsbeschlüß dahingehend erweitert, die Ersatzschulen mit Ablauf des Schuljahres 1986/87 aufzulösen. Weiterhin habe sie das Schulverwaltungsamt der Stadt K.  gebeten, entsprechend seiner schriftlichen Zusage vom 24.11.1986 die Übernahme der bestehenden Klassen an die berufsbildenden Schulen der Stadt K.    anzubinden, wobei nach Möglichkeit die Unterrichtung weiterhin in den Räumen der Bildungseinrichtung erfolgen solle (vgl. Band VI, 81. 62 f d. A.). In den Kündigungsschreiben vom wies die Beklagte darauf hin, aufgrund der Beschlüsse des Kuratoriums vom 10.10. und 19.12.1936 solle die Bildungseinrichtung aufgelöst werden, da alle bisherigen Verhandlungen mit der Stadt K.   und der Schulaufsichtsbehörde über eine vollzählige Übernahme der Lehrkräfte fehlgeschlagen seien, müsse das Arbeitsverhältnis gekündigt werden.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Am 21.1.1987 fand eine Besprechung zwischen der Beklagten und leitenden Beamten der Stadt K... statt (vgl. Besprechungsniederschrift vom 22.1.1987, Band V, Bl. 57 d. A.), Die Besprechung betraf die "Auflösung der von der Krankenhausstiftung betriebenen Ersatzschule“ und die "Übernahme der Schüler" an die Schule. Wie bereits mit der Schulaufsicht vorgeklärt, sei die Stadt K...) bereit, die zur Zeit an der Bildungseinrichtung unterrichteten Schüler ab Schuljahr 1987/88 zu übernehmen und ihrer Schule in L.   zuzuweisen. Die Schüler, die bereits ihre Ausbildung begonnen hätten, würden, im Gebäude der Bildungseinrichtung, in dem eine Nebenstelle der linksrheinischen Schule eingerichtet werde, weiter unterrichtet. Die dreijährige und die zweijährige Schule sollten weitergeführt werden. Für die zweijährige Schule solle der Errichtungsbeschluß unverzüglich herbeigeführt werden. Die einjährige Schule solle mit dem Schuljahr 1986/87 auslaufen. Die Krankenhausstiftung werde das bisher benutzte Gebäude (einschließlich Mobiliar und Unterrichtsmitteln) für die Nebenstelle der Schule der Stadt K.   gegen eine Anerkennungsgebühr zur Verfügung stellen. Betriebs- und Unterhaltskosten solle die Stadt K.   übernehmen. Die personellen Voraussetzungen für die Unterrichtung müsse die Schulaufsicht schaffen, soweit die bisherigen Lehrer nicht, in den öffentlichen Schuldienst übernommen werden könnten, bemühten sich Stadt K.   und Krankenhausstiftung gemeinsam um ihre Unterbringung. Anmeldungen für die dreijährige und die zweijährige Schule nehme sowohl die Beklagte als auch die Stadt K.   entgegen. Es solle ab 2.2.1987 in der Presse in der üblichen Form um neue Schüler geworben werden. Das Weiterbestehen der Schulnebenstelle sei abhängig von der weiteren Entwicklung der Schülerzahlen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">In einer Pressekonferenz nahmen die Beklagte und die Stadt K.   zu der gefundenen Lösung Stellung (vgl. die Pressenotizen Band I, 81. <em>34</em> ff d. A.). Ab Februar 1987 warb die Stadt K.   um neue Schüler mit dem Hinweis, die dreijährige und die zweijährige Berufsfachschule der Bildungseinrichtung der Krankenhausstiftung in P.   würden ab Schuljahr 1987/88 als Nebenstelle der städtischen berufsbildenden Schule ... im bisherigen Schulgebäude fortgeführt, Anmeldungen nähmen die Beklagte und die Stadt K.   entgegen. Schülern, die sich für das neue Schuljahr anmeldeten, teilte der Schulleiter der K.   Schule mit, nachdem nun gesichert sei, daß die berufsbildende Schule der Stadt K.   die Fachschule für Sozialpädagogik der Bildungseinrichtung der Beklagten übernehme und weiterführen werde, freue er sich, der Schülerin, einen Ausbildungsplatz in der künftigen Zweigstelle, in P.   zuteilen zu können (vgl. Band VI, Bl. 59 d. A., ebenso einen entsprechenden Zwischenbescheid vom 23.2.1987, Band IV, Bl. 62 d. A.). Die Bildungseinrichtung der Beklagten bestätigte mit Schreiben vom 12.5.1987 einer Klägerin, daß der Unterricht der Fachschule für Sozialpädagogik und der Berufsfachschule für Sozialpflege für die Stadt K.                 im neuen Schuljahr in den Räumen der Bildungseinrichtung der Beklagten weitergeführt werde (Band V, 81. 49 d. A.). Mit Schreiben vom 19.5.1987 schränkte er allerdings ein, für die zweijährige Berufsfachschule für Sozialpflege werde im Gegensatz zur ursprünglichen Absicht kein Errichtungsbeschluß durch die Stadt <em>K.  </em> herbeigeführt, weil die Zahl der Neuanmeldungen für das Schuljahr 1987/88 zu gering gewesen sei (Band VI, Bl. 71 d. A.). Mit Schreiben vom 4.6.1987 bestätigte die Stadt K.   einer Schülerin die Aufnahme in die "Fachschule für Sozialpädagogik der Stadt K.   , Zweigstelle P.   " (Band V, Bl. 95 d. A.).</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Mit Beginn des neuen Schuljahres nahm die Stadt K.   den Schulbetrieb in den bisherigen Räumlichkeiten auf, für die Fachschule für Sozialpädagogik u, a. mit einer Klasse neu aufgenommener Schüler. Das Inventar wurde weiter benutzt, die neuen Lehrer übernahmen auch das Unterrichtsmaterial, die neue Musiklehrerin wurde nach der Behauptung der Klägerin zu 3) von ihrer Schulleitung gebeten, mit der Klägerin zu 3) Kontakt aufzunehmen, um Lehrpläne und Unterrichtsinhalte von ihr zu bekommen und vor allem die Unterrichtsräume und das Musikinventar zu besichtigen. Nach der Behauptung der Klägerin zu 5) wurde eine Lehrerin der Fachschule für Sozialpädagogik der Stadt K.   , die seit längerer Zeit auf einer halben Stelle gearbeitet hatte, zum Schuljahresbeginn seitens der Stadt K.   per Verfügung angewiesen, wieder in vollem Umfang tätig zu werden, damit der Unterricht gewährleistet werden könne.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Klägerinnen und der Kläger der erstinstanzlich noch nicht verbundenen Verfahren halten die Kündigung für sozial ungerechtfertigt. Sie behaupten, die Beklagte habe nie die ernsthafte Absicht gehabt, die Bildungseinrichtung zu schließen. Von Anfang an habe sie vorgehabt, die Schule in die Trägerschaft der Stadt K.   zu überführen. Dieser Plan sei auch letztlich dadurch verwirklicht worden, daß die Beklagte formell die Schule geschlossen habe und die Stadt K.   in unmittelbarem Anschluß an die Schließung die Schule mit sämtlichen Betriebsmitteln, den alten und einigen neuen Schülern wieder eröffnet habe. Bis auf die nicht übernommenen Lehrkräfte sei der gesamte Schulbetrieb von der Stadt K.   übernommen worden.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat behauptet, mit Rücksicht auf die rückläufigen Schülerzahlen habe sich der Zuschußbedarf der Schule ständig erhöht. Aus eigenen Mitteln habe sie diese Zuschüsse nicht mehr aufbringen können und sei deshalb im Hinblick auf ihre prekäre Finanzlage gezwungen gewesen, die Schule zu schließen. In den Verhandlungen mit der Stadt K.   sei es nicht um eine Übernahme der Schule gegangen, sie sei nur aufgrund des Schulrechts als Ersatzschulträger verpflichtet gewesen, dafür zu sorgen, daß die Schüler ihrer Schule ihre Ausbildung anderweitig hätten fortsetzen können.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Klägerinnen zu 1), 2) und 4) und der Kläger zu 6) sind erstinstanzlich unterlegen. Dia Klägerinnen zu 3) und 5) haben erstinstanzlich obsiegt und es ist festgestellt worden, daß die Kündigung der Beklagten ihr Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat. Wegen der Begründung wird jeweils auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Urteile Bezug genommen. Soweit die Klägerinnen zu 1), 2) und 4) und der Kläger zu 6) bzw. die Beklagte erstinstanzlich unterlegen sind, wenden sie sich gegen die angefochtenen Urteile vor allem mit Rechtsausführungen, soweit sie obsiegt haben, stützen sie die angefochtenen Urteile.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin zu 1) rügt darüber hinaus in ihrem Fall die Anhörung des Betriebsrates als nicht ordnungsgemäß. Sie behauptet, bei der ursprünglichen Änderungskündigung sei ihr konkreter Einsatzbereich im Wirtschaftsbereich des Krankenhauses letztlich offengeblieben. Der Betriebsrat habe der Kündigung letztlich nur deshalb nicht widersprochen, weil er aufgrund vorangegangener Informationen der Meinung gewesen sei, sie solle als Diätassistentin eingesetzt werden. In Wahrheit sei aber ihr Einsatz als Köchin beabsichtigt gewesen. Auch über den Verhandlungsstand zwischen der Beklagten und der Stadt K.   sei der Betriebsrat nicht vollständig und richtig informiert worden. Bereits<sub>:</sub> zum Zeitpunkt der Anhörung des Betriebsrats zu den Kündigungen habe im wesentlichen festgestanden, daß die Stadt K.   die Bildungseinrichtung - wenn auch eingeschränkt - übernehmen und im wesentlichen unverändert fortführen werde. Bei richtiger und vollständiger Information über diesen Stand der Übernahmeverhandlungen hätte der Betriebsrat in jedem Fall den Kündigungen widersprochen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin zu 3) macht geltend, die Kündigung sei schon deshalb rechtsunwirksam, weil sie nicht von ihrem Arbeitgeber, sondern vom "Krankenhaus P.   am R... ", das keine eigene Rechtspersönlichkeit besitze, ausgesprochen sei. Außerdem habe die Beklagte mit dem 31.7. nicht den richtigen Kündigungstermin gewählt. Nach dem für anwendbar erklärten BAT müsse der 30.9. als Kündigungstermin gelten.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Der Klägerin zu 4) hat die Beklagte eine Weiterbeschäftigung im Krankenhaus als Sozia1arbeiterin angeboten, die Parteien haben sich allerdings noch nicht über die Eingruppierung der Klägerin in einem derartigen Arbeitsverhältnis einigen können.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Der Kläger zu 6) beruft sich darauf, sein Arbeitsverhältnis sei nach § 53 Abs. 3 BAT unkündbar. Die Beklagte habe ihm im Jahre 1979 als Beginn der Beschäftigungszeit im Sinne des § 19 BAT den 1.8.1971 bestätigt. Selbst wann diese Bestätigung unzutreffend gewesen sei, könne er sich im Hinblick auf das Verhalten der Beklagten auf den Vertrauensschütz berufen. Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Hauptantrag nimmt der Kläger zu 6) die Beklagte auf Zahlung einer Abfindung nach § 10 KSchG in Anspruch mit der Begründung, die Beklagte habe es versäumt, mit ihrem Betriebsrat nach § 112 BetrVG einen Interessenausgleich auszuhandeln oder auch nur zu versuchen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin zu 1) beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">unter Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, daß die Kündigung der Beklagten vom 31.12.1986 unwirksam ist und das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis dadurch nicht aufgelöst wird.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin zu 2) beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">unter Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 12.1.1987 nicht aufgelöst wurde.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die. Klägerin zu 4} beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">unter Aufhebung des angefochtenen Urteils festzustellen, daß die Kündigung der Beklagten vom 19.12.1986, zugestellt am 31.12.1986, das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht zum 31.7.1987 beendet hat.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Der Kläger zu 6) beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">das angefochtene Urteil aufzuheben und festzustellen, daß die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 19.12.1986 unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis aufgrund dieser Kündigung nicht zum 31.7.1987 beendet worden ist;, hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Abfindung zu zahlen, deren Höhe das Gericht gemäß § 10 KSchG festsetzen möge;</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">die Berufungen, der Klägerinnen zu 1), 2) und 4) und des Klägers zu 6) zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich der Klägerinnen zu 3) und 5) beantragt sie,</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die Klägerinnen zu 3) und 5) beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte behauptet auch in der Berufungsinstanz, im Zeitpunkt der Kündigungen habe sie den ernst liehen und endgültigen Beschluß zur Stillegung der Bildungseinrichtung gefaßt, dies sei durch den Kuratoriumsbeschluß vom 19.11.1986 belegt. Demgegenüber sei es unerheblich, welche Möglichkeiten vorher - im Interesse der Schüler und Lehrer - erwogen worden seien. Allein entscheidend, sei der Beschluß über die Auflösung <em>der</em> Bildungseinrichtung. Dieser Beschluß habe, keinerlei Möglichkeit einer Übernahme: in die Trägerschaft der Stadt K.                 beinhaltet oder vorgesehen. Ein Betriebsübergang scheide schon deshalb aus, weil die Stadt K.   nicht alle drei Schulen in ihre Trägerschaft übernommen habe. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, nach der bei einem Betriebsübergang eines Konditorei-Cafes ein gleichartiges Warensortiment beibehalten werden müsse, müsse auf den vorliegenden Fall übertragen werden. Eine Übernahme durch die Stadt K.   könne schon deshalb nicht erfolgt sein, weil ein entsprechender Ratsbeschluß nicht vorliege. Die Personalkosten der öffentlichen Schulen trage im übrigen das Land, so daß sie als Stadt zur Einstellung von Lehrern überhaupt nicht zuständig sei. Mangels Dienstherrenfähigkeit könne sie auch keine öffentliche Schule übernehmen.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Die dem Kläger zu 6.) erteilte Bescheinigung über seine Beschäftigungszeit sei falsch. Es sei in ihr nicht berücksichtigt, daß der Kläger bis zum 31.7.1972 nur mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von vier Stunden beschäftigt gewesen sei. Damit sei der Kläger in Wahrheit nicht unkündbar, ihr Schreiben aus dem Jahre 1979 habe lediglich deklaratorischen Charakter gehabt.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Auch eine Betriebsänderung im Sinne von § 111 Ziff. 1 BetrVG sei nicht gegeben, da die Bildungseinrichtung keinen wesentlichen Betriebsteil des Krankenhauses dargestellt habe. Auch ohne die Bildungseinrichtung könnten die Aufgaben des Krankenhauses ohne Einschränkung weiter erfüllt werden.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">Entscheidungsgründe :</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Alle sechs Berufungen sind an sich statthaft, sie sind auch in der gesetzlichen Frist und Form eingelegt worden und unterliegen damit keinen formalen Bedenken.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">In der Sache hatten die Klägerinnen zu 1), 2), 4) und der Kläger zu 6) mit der Berufung Erfolg, die Berufung der Beklagten gegen die Urteile im Falle der Klägerinnen zu 3) und 5) blieb erfolglos.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Die Kündigungen, die die Beklagte im Hinblick auf die Schließung der Bildungseinrichtung ausgesprochen hat, sind nach § 1 des Kündigungsschutzgesetzes, dessen generelle Voraussetzung bei allen Klägerinnen und dem Kläger gegeben sind, sozial ungerechtfertigt und damit unwirksam.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, von der die Kammer ausgeht (vgl. zuletzt Urteil vom 12.2.1987, 2 AZR 247/86 = DB 1983, 126; Urteil vom 27.2.1987, 7 AZR 552/85; Urteil vom 30.10.1986, 2 AZR 696/85) schließen die Stillegung eines Betriebs und dessen Übergang nach § 613 a Abs. 1 BGB einander aus, sie lösen unterschiedliche Schutzregelungen zugunsten der Arbeitnehmer aus. Die Stillegung des gesamten Betriebes durch den Arbeitgeber gehört gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen, die einen Grund zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung abgeben können. Es ist auch grundsätzlich der freien Entscheidung des Unternehmers Vorbehalten, ob er seinen Betrieb stillegen oder fortführen will. Unter Betriebsstillegung ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und zugleich ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, daß der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Weiterverfolgung des bisherigen Betriebszwecks dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne aufzuheben. Dabei kann die Kündigung euch im Hinblick auf eine, beabsichtigte. Stillegung ausgesprochen werden, wenn die betrieblichen Umstände, greifbare Formen angenommen habe und eine vernünftige Betrachtung die Prognose ergibt, daß bis zum Auslaufen der einzuhaltenden Kündigungsfrist die, geplante Maßnahme, durchgeführt ist und der Arbeitnehmer somit entbehrt werden kann. Entscheidend für die Betriebsstillegung ist die Aufgabe, des Betriebszwecks, die nach außen in der Auflösung der Betriebsorganisation zum Ausdruck kommt.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Eine Betriebsstillegung liegt nicht vor, wenn der Betrieb durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber übergeht. Ein derartiger Betriebsübergang im Sinne von § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB liegt vor, wenn der neue Inhaber den Betrieb mit den übernommenen Betriebsmitteln so fortführen kann, wie es der bisherige Inhaber bei Fortführung des Betriebes getan hätte. Es ist also vor allem auf die sächlichen und immateriellen Betriebsmittel abzustellen, kann der neue, Inhaber mit ihnen den arbeitstechnischen Zweck, des Betriebes weiterverfolgen, so liegt ein Betriebsübergang vor. Der Übergang der Arbeitsverhältnisse ist für die Abgrenzung ohne Bedeutung, daß die Arbeitsverhältnisse übergehen, ist Rechtsfolge, nicht Tatbestandsvoraussetzung des § 613 a BGB. Es muß nur im Zeitpunkt der Betriebsmittelveräußerung noch eine Betriebsgemeinschaft bestehen, mit deren Übernahme der Betriebsübernehmer die bisherigen arbeitstechnischen Zwecke des Betriebes weiterverfolgen kann. Ob der neue Inhaber nach der Übernahme der Betriebsmittel den bisherigen arbeitstechnischen Zweck weiterverfolgt oder einen andersartigen Betrieb eröffnet, ist im Einzelfall abzugrenzen (BAG, Urteil vom 30.10.1986, 2 AZR 696/85; Urteil vom 26.2.1987, 2 AZR 321/86).</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Davon, daß die Beklagte im vorliegenden Fall bei Ausspruch der Kündigungen den ernsthaften und endgültigen Entschluß gefaßt hatte, die Bildungseinrichtung stillzulegen, kann nach dem eigenen Vorbringen und dem unstreitigen Inhalt der im Prozeß vorgelegten Urkunden nicht ausgegangen werden.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Der Schulbetrieb der Bildungseinrichtung stellte zweifellos einen Betrieb im Sinne von § 613 a BGB dar. Er war eine organisatorische Einheit, innerhalb derer die Beklagte zusammen mit den Mitarbeitern, vor allem dem Lehrpersonal mit Hilfe von sachlichen und immateriellen Mitteln (Räumlichkeiten, Mobiliar, Lehrmaterial, Lehrpläne etc.) den arbeitstechnischen Zweck verfolgte, die Schüler der Bildungseinrichtung zu unterrichten. Ob dabei, das Krankenhaus und die Bildungseinrichtung jeweils als eigenständiger Betrieb anzusehen sind, ist unerheblich, denn § 613 a Abs. 1, 1 Satz 1 BGB betrifft auch die Übertragung eines Betriebsteils. Da in der Bildungseinrichtung ganz andere arbeitstechnische Zwecke verfolgt worden sind als in dem Krankenhausbetrieb, stellt die Bildungseinrichtung jedenfalls einen Betriebsteil im Sinne von § 613 a BGB dar (vgl. zur Abgrenzung im einzelnen BAG, Urteil vom 16.10.1987, 7 AZR 519/86). Auch daß in der Bildungseinrichtung erzieherische Zwecke verfolgt werden, steht einer Anwendbarkeit des § 613 a BGB nicht entgegen. Nur eine abzulehnende Mindermeinung schließt aus der Tatsache, daß § 613 a BGB über eine Änderung des BetrVG Gesetz geworden ist, auf die Unanwendbarkeit des § 613 a BGB auf Tendenzbetriebe (dagegen zu Recht BAG, AP Nr. 3 zu § 99 BetrVG 1972; Dietz-Richardi, BetrVG, 6. Auflage, § 118 Rdn. 154).</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Das Ziel der Überlegungen der Beklagten war von Anfang an keine Stillegung des Schulbetriebes, sondern eine Übertragung der Bildungseinrichtung auf die Stadt K.    als neuen Schulträger. In diese Richtung gingen zumindest seit 1986 die Überlegungen des Geschäftsführers der Beklagten als auch des Kuratoriums. Schon das Schreiben vom 6.6.1986 spricht von einer "Überführung" der Bildungseinrichtung auf die Stadt K.   , die ohnehin zur Tragung des Verlustes des Krankenhauses in einem gewissen Umfang verpflichtet war. Auch der Kuratoriumsbeschluß vom 10.10.1936 ging eindeutig dahin, daß die Stadt K.   die Trägerschaft der Bildungseinrichtung, die Räumlichkeiten, die Schüler und auch möglichst vollzählig die Lehrkräfte übernehmen sollte. Als dann die Schwierigkeit auftauchte, daß die öffentlich-rechtliche Genehmigung der Ersatzschule sich als nicht, übertragbar erwies, beschloß das Kuratorium in "Erweiterung“ seines bisherigen Beschlusses die Auflösung der Schule. Daß damit nur eine andere rechtliche Form der Abwicklung, in der Sache aber keine grundlegende Änderung des Konzepts beschlössen war, ergibt sich schon daraus, daß dieser Beschluß den Beschluß vom 10.10.1986 nur "erweitern" sollte, darüber hinaus nimmt auch das Schreiben vom 2.12.1986 klar Bezug auf die schriftliche Zusage der Stadt K.    , die bestehenden Klassen zu übernehmen, an die berufsbildenden Schulen der Stadt K.   anzubinden und den Unterricht nach Möglichkeit in den Räumen der Bildungseinrichtung fortzusetzen. Im Kern sollte also auch nach den Vorstellungen der Beklagten im Dezember 1986 die Betriebsorganisation nicht zerschlagen werden , es sollten vielmehr euch nach dem 30.7.1987 die Schüler in den gleichen Räumlichkeiten unter Benutzung des gleichen Mobiliars und des gleichen Lehrmaterials, nur von einem anderen Schulträger weiter unterrichtet werden. Auch die Kündigungsschreiben vom 19.12.1986 bringen dies hinreichend klar zum Ausdruck, denn als betriebsbedingter Kündigungsgrund wird vor allem genannt, daß die Verhandlungen mit der Stadt K.   über die Übernahme der Lehrkräfte fehlgeschlagen sind. Die Einigung zwischen dem bisherigen Und dem neuen Betriebsinhaber über die Überleitung, der Arbeitsverhältnisses ist aber gerade im Rahmen von § 613 a BGB unerheblich. Daß von einer Stillegungsabsicht der Beklagten im Dezember 1986 bzw. Januar 1987 keine Rede sein kann, ergibt sich auch aus der weiteren Entwicklung. Schon wenige Tage nach Zugang der Kündigungen, in einem Fall sogar einige Monate vor Zugang der Kündigung, fand am 22.1.1887 .eine Besprechung zwischen der Beklagten und der Stadt K.   unter Beteiligung der beiden Schulleiter statt. Aus der Besprechungsniederschrift geht hervor, daß schon in diesem Zeitpunkt mit der Schulaufsicht vorgeklärt war, daß die Stadt K.   die Schüler der Bildungseinrichtung ab dem neuen Schuljahr übernehmen würde. Es war auch Einigkeit darüber erzielt, daß der Unterricht nach wie vor in den Bäumen der Bildungseinrichtung stattfinden sollte. Es war klar, daß die Stadt K.   nicht nur die von der Schließung der Bildungseinrichtung betroffenen Schüler zu Ende unterrichten sollte, sondern selbst wertend tätig werden wollte und für das neue Schuljahr - mit Ausnahme des einjährigen Zweiges - neue Schüler aufnehmen wollte. Das Ergebnis der Besprechung vom 22.1.1987 ist dann auch in der Folgezeit Punkt für Punkt verwirklicht worden. Zunächst wurde in einer Pressekonferenz die Öffentlichkeit über die Schließung der Schule und die Neueinrichtung durch die Stadt K.   unterrichtet. Sofort würde, in der Tagespresse mit der Werbung für das neue Schuljahr begonnen, die auch tatsächlich dazu führte, daß in der Fachschule für Sozialpädagogik im neuen Schuljahr eine neue Eingangsklasse eingerichtet werden konnte. Daß der zweijährige Zweig der Schule nicht mit einer neuen Eingangsklasse, sondern nur mit den bisherigen Schülern fortgesetzt wurde, entsprach nicht den Absichten der Beteiligten im Januar 1987. Es wurde ausdrücklich auch für diesen Schulzweig geworben und es war nur die Zahl der Anmeldungen zu gering, so daß aufgrund eines späteren neuen Entschlusses, wie das Schreiben vom 19.5.1987 ausdrücklich feststellt, "entgegen der ursprünglichen Absicht" der zweijährige Zweig doch nur ohne die Neubewerber weitergeführt wurde. Daß der einjährige Schulzweig, auf dem ohnehin nur wenige Schüler der Schule unterrichtet wurden, mit dem Schuljahr 1986/87 auslief, stellt keine wesentliche Änderung des Betriebs zwecks dar , eine solche Entscheidung hätte angesichts der Entwicklung der Schülerzahlen und der Gesetzgebung ohnehin zu diesem Zeitpunkt angestanden, auch wenn die Bildungseinrichtung weiter in der Hand der Beklagten geblieben wäre.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Es kann auch keinem vernünftigen Zweifel unterliegen, daß die von Anfang an beabsichtigte Übernahme der Bildungseinrichtung durch die Stadt K... durch Rechtsgeschäft erfolgt ist. Die Stadt K.   hat gerade nicht, wie die Beklagte dies darzustellen versucht, nach der Schließung einer privaten Schule aufgrund irgendwelcher öffentlich-rechtlicher Pflichten lediglich gewährleistet, daß die Schüler dieser Schule den Unterricht nicht abbrechen mußten. Aus der Besprechungsniederschrift vom 22.1.1987 und der weiteren Entwicklung ergibt sich klar, daß eine rechtsgeschäftliche Übernahme der ganzen Bildungseinrichtung geplant war und auch durchgeführt würden ist. Zwischen der Beklagten und der Stadt K.   sind klare rechtsgeschäftliche Absprachen getroffen worden, die die Modalitäten der Übernahme im einzelnen regelten. So wurde z. B. ausweislich der Besprechungsniederschrift vom 22.1.1987 vereinbart, daß die Beklagte das bisher genutzte Gebäude einschließlich Mobiliar und Unterrichtsmitteln der Stadt K.   zur Verfügung stellte und daß die Beklagte dafür von der Stadt K.   Die Parteien sind sich einig, dass das eine Anerkennungsgebühr erhielt. Betriebs- und Unterhaltskosten sollte vereinbarungsgemäß die Stadt K.   übernehmen. Auch die mit den bisherigen Schülern geschlossenen Unterrichts vertrage sollten im Einverständnis mit der Schulaufsicht auf die Stadt K... übergehen. Außerdem vereinbarten die Stadt K.   und die Beklagte, daß sie sich um die Unterbringung der bisherigen Lehrer jedenfalls gemeinsam bemühen wollten. Schließlich wurden auch die genauen Einzelheiten vereinbart, wie das Anmeldeverfahren für das neue Schuljahr abzuwickeln war, daß auch die Beklagte Anmeldungen von Schülern entgegenzunehmen und an die Stadt K.    weiterzuleiten hatte. Wertet man die Vereinbarungen zwischen der Beklagten und der Stadt K... im Zusammenhang, so ist ein bis ins Einzelne gehender Übernahmevertrag geschlossen worden. Die Übernahme ist also im Sinne des § 613 a BGB durch Rechtsgeschäft erfolgt und dies war auch von Anfang an beabsichtigt.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Der Anwendung des § 613 a BGB steht auch nicht die Besonderheit des Falles entgegen, daß hier eine Schule von einem privaten Schulträger auf die öffentliche Hand übergegangen ist. Die Kammer folgt insoweit der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 19.1.1977 - 1 Sa 611/76 -. § 613 a BGB gilt grundsätzlich auch bei der<sup>:</sup> Übernahme eines Betriebes von einem privaten Arbeitgeber durch eine öffentlich-rechtliche Körperschaft. Der Anwendungsbereich des § 613 a BGB ist weit gefaßt und der Schutzzweck dieser gesetzlichen Vorschrift erfordert es, auch bei einer Übernahme eines Privatbetriebes durch die öffentliche Hand zu verhindern, daß der funktionsfähige Betrieb übernommen wird, die Arbeitnehmer aber entlassen werden, um einen zufällig an anderer Stelle bestehenden Arbeitskräfteüberhang auszugleichen. Es muß nur in derartigen Fällen genau geprüft werden, ob tatsächlich eine. Betriebsübernahme vorliegt oder ob nicht in Wahrheit der private Arbeitgeber seinen Betrieb geschlossen und die öffentlich-rechtliche Körperschaft aufgrund ganz anderer öffentlich-rechtlicher Überlegungen mit einer Neugründung eingesprungen ist. Insoweit teilt die Kammer durchaus den rechtlichen Ausgangspunkt der Kammern des Arbeitsgerichts, die die Klagen abgewiesen haben. Wird eine private Ersatzschule geschlossen und errichtet im zeitlichen Zusammenhang damit ein öffentlicher Schulträger eine gleichartige Schule, so läßt dies noch nicht ohne weiteres auf eine Betriebsübernahme im Sinne von § 613 a BGB schließen. Es kann durchaus sein, daß der private Träger der Ersatzschule, sich z. B. an die zuständige öffentlich- rechtliche Körperschaft wendet, um sicherzustellen, daß die bisherigen Schüler seiner Schule nicht unvermittelt ihre Ausbildung abbrechen müssen. Wenn dann der zuständige Träger der öffentlichen Leistungsverwaltung geeignete Maßnahmen trifft, daß die bisherigen Schüler der Ersatzschule zu Ende unterrichtet werden können, so kann dies durchaus ein Akt der öffentlich-rechtlich erforderlichen Daseinsvorsorge sein, ohne daß der ganze Vorgang deshalb, als Betriebsübernahme im Sinne von § 613 a BGB zu werten wäre.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Nach Artikel 8 Abs. 3 der Verfassung des Landes NRW haben Land und Gemeinden die Pflicht, Schulen zu errichten und zu fördern. Privatschulen werden dabei im Rahmen des Artikels 7 Abs. 4 und 5 des Grundgesetzes garantiert. Genehmigte Privatschulen haben die gleichen Berechtigungen wie die entsprechenden öffentlichen Schulen. Ersatzschulen, d. h. Privatschulen, die vergleichbaren bestehenden öder grundsätzlich vorgesehenen öffentlichen Schulen entsprechen, bedürfen nach § 37 Schulordnungsgesetz NW der Genehmigung durch den Kultusminister. Sie unterstehen auch hinsichtlich der Anstellungsverträge mit den Lehrern nach § 41 des Schulordnungsgesetzes der Schulaufsicht. Nach § 4 der 3. Verordnung zur Ausführung des Schulordnungsgesetzes NW gilt die Genehmigung zum Betrieb einer Ersatzschule nur für den Schulträger. Die Absicht, eine Ersatzschule aufzulösen, ist vom Schulträger und Leiter spätestens sechs Monate vor dem beabsichtigten Schließungstermin dem Kultusminister unter Angabe der Gründe anzuzeigen. Hierbei sind Angaben über die anderweitige Unterbringung der Schüler, insbesondere der schulpflichtigen, zu machen. Öffentliche Schulen werden von den Gemeinden bzw. Gemeindeverbänden errichtet (§ 3 des Schulverwaltungsgesetzes NW). Aufbau und Gliederung des Schulwesens ergeben sich aus §§ 4 bis 4 f Schulverwaltungsgesetz NW. Dabei ist die öffentliche Schule als nicht rechtsfähige öffentliche Anstalt des Schulträgers anzusehen (§ 6 Schulverwaltungsgesetz NW). Über die Errichtung einer öffentlichen Schule beschließt der öffentliche Schulträger. Die Gemeinden sind dabei nach § 10 Schulverwaltungsgesetz NW verpflichtet, u. a. Grundschulen, Hauptschulen, Realschulen, Gymnasien und Gesamtschulen zu errichten, wenn ein Bedürfnis dafür besteht. Bei entsprechendem Bedürfnis sind auch die kreisfreien Städte verpflichtet, neben Berufsschulen andere berufsbildende Schulen zu errichten. Eine solche Verpflichtung, eine Schule zu errichten, besteht nur, soweit nicht andere öffentliche oder private Schulträger das Schulbedürfnis durch einen geordneten Schulbetrieb erfüllen.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Im Rahmen des so skizzierten Schulrechts des Landes Nordrhein-Westfalen sind durchaus Fälle denkbar, daß ein privater Schulträger eine Ersatzschule schließt und im unmittelbaren Zusammenhang damit ein öffentlicher Schulträger eine Schule errichtet, ohne daß dies als Betriebsübergang im Sinne von § 613 a BGB zu werten wäre. Wird die Genehmigung zur Schließung einer Ersatzschule erteilt, so kann, dadurch ein "Schulbedürfnis" entstehen, das die Gemeinde verpflichtet, ihrerseits eine Schule zu errichten, um dem Unterrichtsbedarf nachzukommen. Die Übernahme der Schüler der bisherigen Privatschule durch den öffentlichen Schulträger kann dann kein Indiz für eine Betriebsübernahme sein.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">So liegt der vorliegende Fall aber nicht. Der Beklagte hat keine ausreichenden Tatsachen dafür vorgetragen, daß eine reine Betriebsstillegung geplant war und die Stadt K.   allein aufgrund öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen im zeitlichen Zusammenhang mit der Schließung der Privatschule eine eigene Schule errichtet hat. Daß die Stadt K.   aufgrund des geltenden Schulrechts verpflichtet gewesen wäre, eine neue Berufsfachschule zu errichten, ist nicht ausreichend vorgetragen. Es sprechen im Gegenteil alle Indizien dafür, daß dem Schulbedürfnis auch durch Übernahme der Schüler in die L.   Schule hätte Rechnung getragen werden können. Diese Schule umfaßte die in der Bildungseinrichtung unterrichteten Schulzweige und auch in dieser Schule waren die Anmeldungszahlen rückläufig. Dafür, daß eine ausreichende Unterrichtskapazität vorhanden war, spricht die Tatsache, daß die Stadt K.   trotz der für die Lehrer enttehenden Fahrtprobleme den Unterricht in der neu errichtenden Schule zwanglos mit den Lehrern der L.    Schule erteilen konnte. Diese Schule muß also erhebliche Überkapazitäten gehabt haben. Unter diesen Umständen muß es für die Abgrenzung im Rahmen von § 613 a BGB entscheidend darauf ankommen, daß nach den Verhandlungen zwischen der Beklagten und der Stadt K.   es nicht lediglich um eine Übernehme der Schüler ging.., sondern daß die Stadt K.                 nahtlos den ganzen Schulbetrieb aufgrund einer vertraglichen Abmachung mit der Beklagten übernommen hat. Von der Übernahme blieben allein ausgespart die bisherigen Lehrkräfte. Hätte die Stadt K.   nicht an der L.   Schule erhebliche Überkapazitäten gehabt, so hätte sie zur Weiterführung der Schule Lehrer beschäftigen müssen und es hätte nahegelegen, daß sie auf die: bisherigen Lehrkräfte zurückgegriffen Hätte. Nunmehr ist im Zusammenhang mit der Übernahme der Schule versucht worden, einem Lehrerüberhang an einer ganz anderen Schule dadurch zu begegnen, daß die Schule der Beklagten übernommen worden ist, ohne die Lehrer weiterzubeschäftigen. Solche Rechtsgeschäfte will § 613 a BGB verhindern.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, der Übernahmeakt seitens der Stadt K.    sei unwirksam, denn für eine derartige Betriebsübernahme hätte es eines Ratsbeschlußes bedurft. Wenn nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts es der Anwendung des § 613 a BGB schon nicht entgegensteht, daß einer der Vertragspartner geschäftsunfähig ist, so sind derartige formelle Bedenken nicht geeignet, eine Betriebsübernahme in Frage zu stellen. Es kommt im Kern auf den rein tatsächlichen Akt der Betriebsübernahme an, dieser ist vollzogen worden.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Auch die Rüge der Beklagten, der Stadt K.   fehle die Dienstherreneigenschaft, ist letztlich unerheblich. Im Rahmen des § 1 Abs. 2 KSchG kommt es auf die Abgrenzung an, ob eine Betriebsstillegung oder ein Betriebsübergang geplant war. Ob der Übernehmer selbst oder ein Dritter normalerweise die Arbeits-vertrage mit den Arbeitnehmern seines Betriebes abschließt, darauf kann es im Verhältnis zu dem bisherigen Betriebsinhaber nicht ankommen. Auch in der Privatwirtschaft kommt es häufiger vor, daß die Arbeitnehmer etwa in einem Konzern nicht vom Betrieb selbst, sondern von einer Personalführungsgesellschaft angestellt werden. Der Schutzzweck des § 613 a BGB kennte unterlaufen werden, wollte man annehmen, daß in derartigen Fällen kein. Betriebsübergang gegeben wäre. Wie letztlich die Rechtsfolgen der Anwendung des § 613 a BGB zwischen Stadt Und Land abzuwickeln sind, ist nicht in dem Verfahren zwischen dem bisherigen Betriebsinhaber und dem Arbeitnehmer zu klären.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Sind nach alledem die Kündigungen nicht wegen beabsichtigter Betriebsstillegung sozial gerechtfertigt, so könnten sie allenfalls als Kündigung wegen des beabsichtigten Betriebsübergangs bewertet werden. Eine solche Kündigung des bisherigen Betriebsinhabers ist aber nach § 613 a Abs. 4 BGB unwirksam. Andere Gründe, die eine Kündigung wegen des Betriebsübergangs rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen,</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Am deutlichsten ist der Betriebsübergang aus den vorgelegten Urkunden nachzuvollziehen im Fall der dreijährigen Fachschule für Sozialpädagogik. Hier ist schließlich ein Errichtungsbeschluß herbeigeführt. worden, mit den neuen Schülern hat die Stadt K.    eine neue Klasse eingerichtet und die Schule wie bisher in vollem Umfang weitergeführt. Es ist aber auch im Falle der Klägerin zu 1), die überwiegend an der zweijährigen Berufsfachschule für Sozialpflege unterrichtet hat, von einer Sozialwidrigkeit der Kündigung auszugehen. Entscheidend kommt es darauf an, welche Absichten die Beklagte bei Ausspruch der Kündigung hatte. Im Dezember 1986/Januar 1987 gingen aber die ganzen Verhandlungen zwischen der Beklagten und der Stadt K.   dahin, auch die zweijährige Schule voll zu übernehmen. In der Presse wurde um neue Schüler geworben mit dem ausdrücklichen Hinweis darauf, daß die Stadt K.   auch die zweijährige Berufsfachschule als Nebenstelle der anderen Schule weiterführt. Erst aufgrund einer lange nach Ausspruch der Kündigung sich abzeichnenden Entwicklung hat dann die Stadt K.   den Entschluß gefaßt, wegen zu geringer Schülerzahlen keine neue Eingangsklasse zu errichten. Bezogen auf den Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung ist der Fäll der Klägerin zu 1) deshalb nicht anders zu behandeln als die Fälle der anderen Klägerinnen und des Klägers, die an der dreijährigen Schule unterrichten.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Der Streitwert hat sich nur im Verfahren 4 (2) Sa 1045/87 geändert und war dort unter Berücksichtigung der Tatsache, daß der Weiterbeschäftigungsanspruch nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, neu festzusetzen. In den übrigen Fällen blieb der Streitwert unverändert.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Die Kammer sah keinen Anlaß, die Revision gegen dieses Urteil zuzulassen.</p>
|
315,413 | ag-lemgo-1988-01-07-17-c-73587 | {
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<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p></p>
<p> Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.</p>
<p></p>
<p> Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p> Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch </p>
<p> Sicherheitsleistung von 400,-- DM abzuwenden, sofern nicht die Beklagte</p>
<p> zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>T a t b e s t a n d</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist Halterin des Pkw VW-Polo, Kennzeichen: .</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Am 22. Juni 1987 befuhr ihr Sohn mit diesem Pkw die Bundesstraße 239 in . An dieser Bundesstraße, und zwar mit der Schmalseite angrenzend, liegt der Sportplatz der Beklagten. Das Grundstück gehört der Stadt . Die Beklagte ist aber vertraglich verpflichtet, die Eigentümerin von der Haftung aus Verkehrssicherungspflicht freizustellen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte führte dort ein Fußballspiel durch. Vor Beginn des Spieles wärmten sich die beteiligten Spieler auf und schossen dabei auf das zur Straße hin gelegene Tor. In einem Abstand von 20 m hinter der Toraußenlinie ist ein 4,20 m hoher Ballfangzaun errichtet. Nach einem Schuß auf das Tor flog der Fußball über den Fangzaun hinweg und traf den Kotflügel des Pkw der Klägerin. Mit der Klage macht die Klägerin geltend:</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Reparaturkosten gemäß Rechnung vom</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">4. August 1987, unstreitig 710,60 DM</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Nutzungsausfall 6 Tage à 37,-- DM, be-</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">stritten 222,-- DM</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Pauschalunkosten, unstreitig <u> 30,-- DM</u> </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">962,60 DM.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagte die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht durch den vorhandenen Ballfangzaun nicht erfüllt habe.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Reparaturkostenforderung war übrigens gemäß Urkunde vom 4. August 1987, Blatt 10 der Akten, an die Firma abgetreten worden, nach ihrer Bezahlung durch die Klägerin aber an diese gemäß schriftlicher Abtretungserklärung vom 30. November 1987, Blatt 15 der Akten, rückabgetreten worden. </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 962,60 DM nebst 4 % Zinsen seit </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">dem 25. November 1987 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Sie hält die von der Stadt durchgeführte Verkehrssicherung durch die unstreitige Errichtung des 4,20 m hohen Ballfangzaunes 20 m hinter der Toraußenlinie für ausreichend.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Sie trägt unbestritten vor, dass dieser Sportplatz seit Ende der 40-iger Jahre besteht und dass bisher ein Schaden vergleichbarer Art nicht vorgekommen ist.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks"><b><u>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e</u></b></p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist nicht begründet. Der Klägerin steht ein Schadensersatzanspruch wegen der Beschädigung ihres Pkw nicht zu, denn eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht des beklagten Vereines lässt sich nicht feststellen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Zwischen den Parteien besteht die übliche Interessenkollision, die immer dann eintritt, wenn jemand ohne eigenes Verschulden einen Schaden erleidet. In unserem Rechtssystem ist der Rechtsschutz des einzelnen im allgemeinen derart perfekt ausgebaut, dass sich bei Schadensereignissen, an denen der Geschädigte keine Schuld trägt, fast immer ein Schadensersatzpflichtiger ausmachen lässt. An diesen Gedanken ist die Allgemeinheit derart gewöhnt, dass es einem Geschädigten unbegreiflich erscheint, dass er einen schuldlos erlittenen Schaden einmal selbst tragen muss. </p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Auf der anderen Seite steht das rechtlich allgemein anerkannte berechtigte Interesse der Beklagten an der Ausübung von Sport, welches letztlich als Ausfluß des Rechtes auf freie Entfaltung der Persönlichkeit sogar grundgesetzlich geschützt ist, Artikel 1 Grundgesetz. Bei der Ausübung eines jeden Sportes, insbesondere einer Kampfsportart, lasen sich Gefahren für unbeteiligte Dritte nicht vollständig ausschließen. Der Bundesgerichtshof hat die hierdurch skizzierte Interessenkollision in der Weise abgegrenzt, dass der Verkehrssicherungspflichtige nur diejenigen Vorkehrungen zu treffen hat, die nach den Sicherungserwartungen des jeweiligen Verkehres im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren geeignet sind, Gefahren von Dritten tunlichst abzuwenden, die bei bestimmungsgemäßer oder nicht ganz fern liegender bestimmungswidriger Benutzung drohen, vergl. BGH NJW 1985, Seite 1076; BGH NJW 1978, 1629. Es ist hier festzustellen, dass die Errichtung des 4,20 m hohen Ballfangzaunes 20 m hinter der Toraußenlinie eine solche geeignete Sicherungsmaßnahme ist. Sie ist generell geeignet, Fußballschüsse beim Spielbetrieb oder auch bei dem vorangehenden Training und Warmspielen von der Bundesstraße abzufangen. Dies folgt auch aus der vom Beklagten unstreitig vorgetragenen Tatsache, dass seit Ende der 40-iger Jahre dort Fußball gespielt wird und bisher ein Schaden vergleichbarer Art nicht vorgekommen ist. Das Gericht kann deshalb aus eigener Sachkunde auch ohne Einschaltung eines Sachverständigen feststellen, dass ein Ballfangzaun von 4,20 m Höhe, der 20 m hinter dem Fußballfeld aufgestellt ist, hinreichend geeignet ist, so dass es sich bei diesem Fehlschuss um einen ganz außergewöhnlichen Fall gehandelt haben muss. Für Schadensabläufe ganz ungewöhnlicher Art braucht die Beklagte aber keine Vorsorge zu treffen. Es kann der Beklagten nicht zugemutet werden, den Fußballplatz käfigartig einzufassen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Ziffer 11, 711 ZPO</p>
|
111,944 | lg-kiel-1987-12-22-2-o-24287 | {
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"name": "Landgericht Kiel",
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"jurisdiction": null,
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} | 2 O 242/87 | 1987-12-22T00:00:00 | 2018-11-27T07:30:12 | 2022-10-18T13:28:17 | Urteil | ECLI:DE:LGKIEL:1987:1222.2O242.87.0A | <div class="docLayoutText">
<div class="docLayoutMarginTopMore"><h4 class="doc">
<!--hlIgnoreOn-->Tenor<!--hlIgnoreOff-->
</h4></div>
<div class="docLayoutText"><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 20.943,57 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 10. April 1987 zu zahlen; im übrigen wird die Klage abgewiesen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p>Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 27.000,-- DM vorläufig vollstreckbar.</p></dd>
</dl>
</div></div>
<div class="docLayoutMarginTopMore"><h4 class="doc">
<!--hlIgnoreOn-->Tatbestand<!--hlIgnoreOff-->
</h4></div>
<div class="docLayoutText"><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_1">1</a></dt>
<dd><p>
Der Kläger, Halter und Eigentümer des Campingbusses, Marke Volkswagen, Typ Joker 1, amtliches Kennzeichen KI- , macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall gegen den Beklagten zu 1) als Fahrer des VW Passat, amtliches Kennzeichen HB - , und die Beklagte zu 2) als Haftpflichtversicherer des VW Passat geltend.
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_2">2</a></dt>
<dd><p>
Am 15. März 1987 befuhr das klägerische Fahrzeug die Bundesautobahn 7 in Fahrtrichtung Hamburg-Bremen. Der Wagen wurde von dem Schwager des Klägers, dem Zeugen ..., gesteuert. Es herrschte Schneefall, die Fahrbahn war glatt. Aus einer Entfernung von 250 - 300 m sah der Zeuge ..., daß sich auf der linken Fahrspur vor ihm ein Fahrzeug drehte. Auf der rechten Fahrspur fuhr ein Lkw, der nach rechts in Richtung Standspur fuhr und dort mit der Leitplanke kollidierte. Der Zeuge ... wechselte auf die rechte Fahrspur, setzte seine Geschwindigkeit auf „Schrittgeschwindigkeit“ herab und schaltete die Warnblinkanlage ein.
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_3">3</a></dt>
<dd><p>
Sodann wurde auch das klägerische Fahrzeug in den Unfall verwickelt. Auf welche Weise dies geschah, ist zwischen den Parteien im wesentlichen streitig. Unstreitig ist lediglich, daß der Beklagte zu 1) mit der linken Vorderseite des von ihm gesteuerten Passat auf die rechte Heckseite des klägerischen Fahrzeugs auffuhr, wodurch zumindest die rechte hintere Heckseite des Campingbusses beschädigt wurde. Ob der Beklagte zu 1) darüber hinaus die am Fahrzeug eingetreten Gesamtschäden - mittelschwere Beschädigungen der linken und rechten Fahrzeugseite, weitere Schäden im Heckbereich an tragenden Teilen sowie an Teilen der Fahrzeuginnenausstattung - verursacht hat, ist streitig.
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_4">4</a></dt>
<dd><p>
Der Kläger behauptet, der von dem Beklagten zu 1) gesteuerte VW Passat sei auf der rechten Fahrspur mit hoher Geschwindigkeit in das klägerische Fahrzeug hineingefahren, was eine Drehung des Campingbusses entgegen dem Uhrzeigersinn verursacht habe. Dadurch sei das klägerische Fahrzeug nach links in die mittlere Leitplanke gedrückt worden. Dort sei der Campingbus von zumindest einem weiteren Fahrzeug angefahren worden.
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_5">5</a></dt>
<dd><p>
Demgegenüber tragen die Beklagten vor, der Beklagte zu 1) habe lediglich das hintere rechte Rücklicht des VW-Busses beschädigt, für weitere Schäden sei der Beklagte zu 1) nicht ursächlich geworden. Der Beklagte zu 1) sei allenfalls noch Schrittgeschwindigkeit gefahren, habe das Fahrzeug auf der eisglatten Fahrbahn jedoch nicht mehr lenken können und habe mit der vorderen linken Ecke seines Pkw die hintere rechte Ecke des VW-Busses berührt, der am linken Fahrbahnrand bereits gestanden habe.
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_6">6</a></dt>
<dd><p>
Den gelten gemachten Schaden beziffert der Kläger wie folgt:
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_7">7</a></dt>
<dd><table class="Rsp" style="margin-left:36pt">
<tr>
<th colspan="2" rowspan="1">
</th>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:left">1. Wiederbeschaffungswert</p></td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:right"> 18.000,00 DM</p></td>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:left">2. Abschleppkosten</p></td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:right">587,01 DM</p></td>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:left">3. Unterbringungskosten (einschl. Verzehrkosten)</p></td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:right">117,63 DM</p></td>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:left">4. Gutachtenkosten</p></td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:right">713,00 DM</p></td>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:left">5. weitere Kosten</p></td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:right">515,56 DM</p></td>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:left">6. Wiederbeschaffungsdauer (24 Tage à 75,00 DM)</p></td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:right">1.800,00 DM</p></td>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:left">7. Rücktransportkosten der Familienangehörigen</p></td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:right">
<span style="text-decoration:underline">156,00 DM</span>
</p></td>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">        </td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:right"> 21.889,20 DM</p></td>
</tr>
</table></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_8">8</a></dt>
<dd><p>
Wegen der Aufschlüsselung der Position 5 „weitere Kosten“ wird auf den klägerischen Schriftsatz vom 13. August 1987, Seite 6 (Bl. 60 d. A.), Bezug genommen.
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_9">9</a></dt>
<dd><p>
Der Kläger beantragt,
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_10">10</a></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 21.889,20 DM nebst 9 % Zinsen auf 10.000,00 DM sowie 12 % Zinsen auf 11.889,20 DM seit dem 10. April 1987 zu zahlen.
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_11">11</a></dt>
<dd><p>
Die Beklagten beantragen,
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_12">12</a></dt>
<dd><p style="margin-left:36pt">
die Klage abzuweisen.
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_13">13</a></dt>
<dd><p>
Sie machen im übrigen geltend:
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_14">14</a></dt>
<dd><p>
Von den Wiederbeschaffungskosten des Fahrzeuges in Höhe von 18.000,00 DM sei die Mehrwertsteuer herauszurechnen, weil es sich bei dem Campingbus - was unstreitig ist - um ein Geschäftsfahrzeug handele. Daher könne der Kläger auch nur den entgangenen Gewinn als Nutzungsausfall beanspruchen. Allenfalls stünden ihm aber 14 Tage Nutzungsausfall zu. Darüber hinaus sei die Nutzungsausfallentschädigung pro Tag höchstens mit 63,00 DM zu beziffern.
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_15">15</a></dt>
<dd><p>
Eine Übernachtung der Familienmitglieder sei nicht erforderlich gewesen. Bei den Verzehrkosten handele es sich um ersparte Aufwendungen. Rücktransportkosten seien nur in Höhe von 75,50 DM ersatzfähig.
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_16">16</a></dt>
<dd><p>
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_17">17</a></dt>
<dd><p>
Das Gericht hat Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 4. Dezember 1987 (Bl. 122 ff. d. A.) sowie die schriftliche Erklärung des Zeugen ... vom 29. November 1987 (Bl. 121 d. A.) verwiesen.
</p></dd>
</dl>
</div></div>
<div class="docLayoutMarginTopMore"><h4 class="doc">
<!--hlIgnoreOn-->Entscheidungsgründe<!--hlIgnoreOff-->
</h4></div>
<div class="docLayoutText"><div>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p><strong>I.</strong></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_18">18</a></dt>
<dd><p>Die Klage hat im wesentlichen Erfolg.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_19">19</a></dt>
<dd><p>1. Sie ist dem Grunde nach gegen den Beklagten zu 1) aus § 18 StVG, gegen die Beklagte zu 2) in Verbindung mit § 3 PflVG begründet, wobei sich die gesamtschuldnerische Haftung aus einer entsprechenden Anwendung von § 840 BGB ergibt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_20">20</a></dt>
<dd><p>Allerdings ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme unklar geblieben, ob der Beklagte zu 1) für den an dem Campingbus entstanden Gesamtschaden ursächlich geworden ist. Dies ist nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen zwar überwiegend wahrscheinlich, ist jedoch auch in Verbindung mit den - wenig ergiebigen - Zeugenaussagen nicht geeignet, das Gericht von der Richtigkeit der klägerischen Darstellungen des Unfallverlaufes zu überzeugen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_21">21</a></dt>
<dd><p>Die Unaufklärbarkeit geht gleichwohl zu Lasten der Beklagten. Das folgt aus § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB, der mit Blick auf die im Straßenverkehrsgesetz enthaltenen Anspruchsgrundlagen entsprechende Anwendung findet. Die Funktion von § 830 BGB, wonach von mehreren Beteiligten an einer unerlaubten Handlung jeder für den Schaden verantwortlich ist, wenn sich nicht ermitteln läßt, welcher der Beteiligten durch seine Handlung den Schaden verursacht hat, besteht darin, dem Beweisnotstand des Verletzten Rechnung zu tragen (BGHZ 33, 290 f.). Ein Ersatzanspruch des Geschädigten soll nicht daran scheitern, daß nicht mit Sicherheit festgestellt werden kann, wer von mehreren beteiligten Tätern der eigentliche Schädiger gewesen ist. Dieser in § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB enthaltene Rechtsgedanke trifft auf für § 18 StVG zu (BGH NJW 1969, 2137 f.), so daß angesichts der gleichartigen Interessenlage eine analoge Anwendung dieser Vorschrift geboten ist.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_22">22</a></dt>
<dd><p>Der Beklagte zu 1) war auch Beteiligter im Sinne der genannten Gesetzesbestimmung. Hierfür ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. nur BGHZ 25, 274; 33, 292) lediglich ein tatsächlicher einheitlicher, örtlich und zeitlich zusammenhängender Vorgang erforderlich, der sich aus mehreren selbständigen Handlungen zusammensetzt und in dessen Bereich der rechtswidrige Schadenserfolg fällt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_23">23</a></dt>
<dd><p>Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Bei natürlicher Auffassung bildet das Unfallgeschehen einen einheitlichen - örtlich und zeitlich zusammenhängenden - Lebenssachverhalt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_24">24</a></dt>
<dd><p>Es wäre lebensfremd, den am klägerischen Fahrzeug eingetretenen Gesamtschaden von den einzelnen möglichen Verursachungsanteilen - Karambolage mehrerer Fahrzeuge - isolieren zu wollen</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_25">25</a></dt>
<dd><p>2. Die Verpflichtung der Beklagten zum Schadensausgleich besteht dem Grunde nach zu 100 %. Das Gericht ist davon überzeugt, daß der Beklagte bei Beobachtung der erforderlichen Sorgfalt den Unfall hätte vermeiden können, er also fahrlässig gehandelt hat. Er hätte seine Fahrweise auf die schlechten Witterungsverhältnisse einstellen können und müssen. Demgegenüber hat der Fahrer des klägerischen Fahrzeuges, indem er die Geschwindigkeit stark reduzierte und die Warnblinkanlage einschaltete, denjenigen Sorgfaltsanforderungen entsprochen, die auch ein besonders besonnener und erfahrener Fahrer angewendet hätte. Die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeuges hat demnach außer Betracht zu bleiben.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_26">26</a></dt>
<dd><p>Von den Wiederbeschaffungskosten des Fahrzeuges darf der Kläger den Beklagten auch die Mehrwertsteuer in Rechnung stellen. Dem steht nicht entgegen, daß die für die Beschaffung des Ersatzfahrzeuges angefallene Mehrwertsteuer im Zuge des Vorsteuerabzuges geltend gemacht worden ist. Denn dies ändert nichts an dem Umstand, daß der Unfall anläßlich einer Urlaubsreise, also einer Privatfahrt entstanden ist. Die Aufwendungen für die Wiederbeschaffung stellen sich als Kosten dar, die auf die private Nutzung des Kraftfahrzeuges entfallen. Sie bilden daher in voller Höhe einen umsatzsteuerrechtlich relevanten Eigenverbrauch (vgl. Peter, Umsatzsteuer, Stand 1982, § 1 Rd. 216), den der Kläger dem Finanzamt gegenüber zu offenbaren hat.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_27">27</a></dt>
<dd><p>Die Klage ist auch hinsichtlich der Abschleppkosten (587,01 DM) sowie der Gutachtenkosten (713,00 DM) gegründet. Das gilt auch für die weiteren Kosten in Höhe von insgesamt 515,56 DM. Darüber streiten die Parteien denn auch nicht. Jedenfalls ist die detaillierte Aufschlüsselung dieser Schadensposition im klägerischen Schriftsatz vom 13. August 1987 von den Beklagten nicht (mehr) angegriffen worden.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_28">28</a></dt>
<dd><p>Die geltend gemachten Unterbringungs- und Verzehrkosten für die Familienangehörigen kann der Kläger demgegenüber nicht verlangen. Denn er hat nicht vorgetragen, daß er, der Kläger, diese Aufwendungen getragen hat. Die Liquidierung von Fremdschäden kommt jedoch nur unter sehr eingeschränkten - und hier nicht vorliegenden - Voraussetzungen in Betracht.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_29">29</a></dt>
<dd><p>Eine Nutzungsentschädigung steht dem Kläger für 14 Tage à 75,00 DM, also insgesamt in Höhe von 1.050,00 DM zu. Daß es sich bei dem Campingbus nicht um ein ausschließlich privat genutztes Fahrzeug handelt, steht dem nicht entgegen. Denn die Zuerkennung einer Entschädigung für Nutzungsausfall findet ihre innere Rechtfertigung darin, daß sich die derart abstrakte Nutzungsentschädigung letztlich für eine dem Geschädigten für dessen Sparsamkeit gewährt Prämie darstellt (vgl. Staudinger-Medicus, § 253 BGB Rn. 33 ff.).</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_30">30</a></dt>
<dd><p>Die Höhe der Nutzungsentschädigung schätzt das Gericht nach § 287 ZPO auf 75,00 DM pro Tag. Es lehnt sich dabei an die Tabelle von Sanden/Danner an, wonach für ein ähnliches Fahrzeug, nämlich den Caravelle C Syncro, die Ausfallentschädigung mit 75,00 DM pro Tag angegeben wird. Wollte man lediglich auf der Grundlage des Basismodelles abrechnen, so würde hierbei verkannt, daß das klägerische Fahrzeug über eine Campingausstattung verfügte.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_31">31</a></dt>
<dd><p>Allerdings stellen lediglich 14 Tage Nutzungsausfall einen ersatzfähigen Schaden dar. In dem zu den Akten gereichten Parteigutachten des Sachverständigen „K“ wird die Wiederbeschaffungsdauer eines gleichwertigen und ähnlichen Kraftfahrzeuges mit 12 - 14 Tagen angegeben. Diese Sicht der Dinge macht sich das Gericht zu eigen (§ 287 ZPO). Der Kläger trägt vor, zu dem 24 Tage andauernden Nutzungsausfall sei es dadurch gekommen, daß der gesamte Bestand der Verkäuferin ausverkauft war und daher das Fahrzeug von dieser erst beschafft werden mußte. Bei dieser Sachlage kann der Kläger nur dann den tatsächlich entstandenen Nutzungsausfall als Schaden liquidieren, wenn er darlegt, daß die Beschaffung eines Ersatzfahrzeuges auch bei anderen Händlern zu einem gleich langen Nutzungsausfall geführt hätte. Da insoweit nichts vorgetragen ist, kann vorliegend offen bleiben, wie viele Händler der Geschädigte unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten hätte befragen müssen.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_32">32</a></dt>
<dd><p>Schließlich stehen dem Kläger nur 78,00 DM an Rücktransportkosten der Familienangehörigen zu. Hinsichtlich der Rückfahrt von Oyten nach Kiel handelt es sich nämlich um ersparte Aufwendungen. Denn auch ohne das schädigende Ereignis hätten die Familienangehörigen - es handelte sich um eine Urlaubsreise - Aufwendungen für die Rückreise nach Kiel gehabt.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_33">33</a></dt>
<dd><p>Die Klage ist demnach wie folgt begründet:</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_34">34</a></dt>
<dd><table class="Rsp" style="margin-left:36pt">
<tr>
<th colspan="2" rowspan="1"></th>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:left">Wiederbeschaffungswert</p></td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:right"> 18.000,00 DM</p></td>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:left">Abschleppkosten</p></td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:right">587,01 DM</p></td>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:left">Gutachtenkosten</p></td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:right">713,00 DM</p></td>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:left">weitere Kosten</p></td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:right">515,56 DM</p></td>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:left">Nutzungsausfallentschädigung</p></td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:right">1.050,00 DM</p></td>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:left">Rücktransportkosten der Familienangehörigen</p></td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:right"><span style="text-decoration:underline">78,00 DM</span></p></td>
</tr>
<tr>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top">        </td>
<td colspan="1" rowspan="1" valign="top"><p style="padding:1px; margin-top:0px; margin-bottom:0px; text-align:right"><span style="text-decoration:underline"> 20.943,57 DM</span></p></td>
</tr>
</table></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p><strong>II.</strong></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_35">35</a></dt>
<dd><p>Der Zinsanspruch ist lediglich im tenorierten Umfang aus §§ 284 ff. BGB gegründet, weil der Kläger entgegen seiner Ankündigung keine Bankbescheinigung, aus der sich auch die Höhe des in Anspruch genommenen Kredites ergibt, zu den Akten gereicht hat.</p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt></dt>
<dd><p><strong>III.</strong></p></dd>
</dl>
<dl class="RspDL">
<dt><a name="rd_36">36</a></dt>
<dd><p>Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2, 709 Abs. 1 Satz 1 ZPO.</p></dd>
</dl>
</div></div>
<br>
</div>
|
315,414 | lg-dortmund-1987-12-21-17-s-2887 | {
"id": 806,
"name": "Landgericht Dortmund",
"slug": "lg-dortmund",
"city": 407,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 17 S 28/87 | 1987-12-21T00:00:00 | 2019-03-13T14:55:03 | 2019-03-27T09:43:11 | Urteil | ECLI:DE:LGDO:1987:1221.17S28.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil</p>
<p>des Amtsgerichts Hamm vom 19. Dezember 1986</p>
<p>abgeändert.</p>
<p></p>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt,</p>
<p>an die Beklagte 2.859,14 DM (i.V. zweitausend-</p>
<p>achthundertneunundfünfzig 14/100 Deutsche Mark)</p>
<p>nebst 4 % Zinsen seit dem 3. Oktober 1986 sowie</p>
<p>weitere 1.500,---DM (i.W. eintausendfünfhundert</p>
<p>Deutsche Mark) Schmerzensgeld zu zahlen.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">1. Der Kläger hat die Beklagte in der Zeit vom 25.03.1983 bis</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">zum 15.11.1983 zahnprothetisch behandelt und hierfür Ins-</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">gesamt 9.609,14 DM berechnet. Den Kassenanteil von 7.311,66</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">DM hat die zuständige Versicherung der Beklagten getragen,</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">weitere 2.000,-- DM hat sie selbst am 04.0.1984 gezahlt. Den</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Restbetrag von 297,28 DM macht der Kläger im vorliegenden</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Rechtsstreit geltend.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Demgegenüber wirft die Beklagte dem Kläger vorwerfbare</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Behandlungsfehler vor, verweigert deswegen die eingeklagte</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Restzahlung und begehrt im Wege der Widerklage den Ersatz</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">materiellen Schadens in Höhe von 2,859,14 DM, ferner Zahlung</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">eines Schmerzensgeldes in Höhe von mindestens 1.500,-- DM.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und die Wider- </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">klage abgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">2. Die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil hat Erfolg,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">weil sich in II. Instanz aufgrund der nunmehr erhobenen</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Beweise ein anderer Sach- und Streitstand ergeben hat.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><ol class="absatzLinks" type="a"><li>Die Klage ist nicht begründet.</li></ol>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Der Kläger war als Zahnarzt vereinbarungsgemäß verpflichtet,</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">der Beklagten fachgerechte zahnprothetische Leistungen und</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">damit Dienste höherer Art im Sinne des § 627 BGB zu er-</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">bringen. Diesen Vertrag konnte die Beklagte gemäß § 627 Abs.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">1 BGB jederzeit kündigen. Das hat die Beklagte auch jeden-</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">falls konkludent getan, indem sie sich nicht mehr vom Kläger</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">hat behandeln lassen, obwohl ihre Beschwerden fortdauerten. </p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Demnach kann der Kläger gemäß § 628 BGB nur einen seinen</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">bisherigen Leistungen entsprechenden Teil der Vergütung</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">verlangen. Einen solchen Betrag hat er bereits erhalten. Die</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">von ihm geleistete Arbeit war nämlich mit Fehlern behaftet,</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">worauf nachfolgend noch einzugehen ist. Unter Berücksich-</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">tigung dieser Mängel war der Wert der bisherigen Leistungen</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">des Klägers – wenn überhaupt – kaum höher als der Kassenteil,</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">mit der Folge, dass ihm darüber hinaus kein weiterer Anspruch entsteht. </p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">b) Hingegen ist die Widerklage begründet.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">aa) Der Kläger hat sich dem Grunde nach schadensersatzpflich-</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">tig gemacht, weil er vorwerfbare Behandlungsfehler begangen</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">hat. Insoweit folgt die Kammer den Überzeugenden Gutachten</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">der von ihr gehörten Sachverständigen F und N.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">So hat N mit Hilfe einer Skizze anschaulich</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">verdeutlicht, daß die vom Kläger gewählte Konstruktion</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">erhebliche statische Schwierigkeiten bot, weil die heraus-</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">nehmbaren Teile der Oberkiefer-Prothetik sämtlich außerhalb</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">des sogenannten Unterstützungsdreiecks lagen und dies beim</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Bißvorgang ganz erbebliche Hebelkräfte bewirkte. Solche</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Hebelkräfte konnten hier typischerweise zu einem "Schaukel-</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">effekt" führen, mit der Folge, daß auch bei Fachgerechter Einzemen-</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">tierung des festen Teils der Oberkiefer-Prothese dort im</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Laufe der Zeit Lockerungen eintreten konnten. In </p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">solchen Fällen führen die einwirkenden Kräfte oft zu elasti-</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">schen Deformationen der metallenen Kronen und zur Zerbröse- </p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">lung der Zementbefestigung. In die so entstehenden Spalten</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">dringen dann Bakterien ein, die die harte Zahnsubstanz</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">zersetzen, ohne daß der Patient von diesem Vorgang etwas</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">merkt, weil er in der Regel schmerzlos verläuft.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Um den bei der hier gewählten Konstruktion auftretenden </p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Hebelkräften und den damit verbundenen Gefahren entgegenzu-</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">wirken, war es wichtig, daß die herausnehmbaren Teile der</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Prothetik eine feste Auflage auf dem Alveolarkamm hatten.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Dies hat der Kläger nicht beachtet, sondern das in der</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Konstruktion ohnehin schon angelegte Risiko in zweierlei Hinsicht</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">noch erhöht.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Zum einen war die Zeitplanung des Klägers falsch. Er hat bei</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">der Beklagten am 25.03.1983 im Oberkiefer die Zähne 16 und 27</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">extrahiert, und am 29.03.1993 die Zähne 12, 13 und 14. Schon</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">zwei Wochen später hat er die Pfeilerzähne präpariert und den</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Abdruck für die Prothetik gemacht, die dann am 28.04.1983</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">endgültig eingepaßt worden ist. Richtig wäre es aber gewesen,</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Wundheilung und Schrumpfung des Kiefers nach den Extraktionen</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">vollständig abzuwarten, was erfahrungsgemäß einige Monate</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">dauert, und es vorher bei einein Provisorium zu belassen. Dies</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">hat der Sachverständige F im einzelnen dargelegt, und</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">der weitere Sachverständige N hat sich ihm</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">angeschlossen. Zudem hat der Kläger selbst auf Seite</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">2 seines erstinstanzlichen Schriftsatzes vom 11.07.1984</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">vortragen lassen, erst nach vollständiger Verknöcherung der</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Extraktionswunden könne Zahnersatz exakt eingepaßt werden.</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Zwar hat er dazu behauptet, die Beklagte habe damals ge-</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">drängt, die Zähne zu ihrer bevorstehenden Kur endgültig "in</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Ordnung" zu bringen. Dies kann ihn aber nicht entlasten, weil</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">er als Arzt selbst für die von Ihm vorgenommenen Behandlungen</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">verantwortlich ist und sich dabei nicht ohne weiteres</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">laienhaften Vorstellungen von Patienten nachgeben darf.</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Zum anderen hat der Kläger das in der Konstruktion liegende</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">Risiko weiter durch die sehr schwache Konstruktion der Geschiebe</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">zwischen den festen und den herausnehmbaren Teilen der</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Oberkiefer-Prothetik vergrößert. Hierzu hat der Sachver-</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">ständige N darauf hingewiesen, daß diese</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">Geschiebe nach ihrem Erscheinungsbild zu schwach waren, um</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">auf Dauer die dort einsetzenden Hebelkräfte schadlos auszu-</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">halten.</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">Überdies hat N aufgezeigt, daß der Kläger</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">auch hinsichtlich der für die Beklagte gefertigten Unter-</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">kiefer-Prothetik einen Behandlungsfehler jedenfalls insoweit</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">begangen hat, als er auch dort herausnehmbare Teile des</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">Zahnersatzes mit zu labilen Geschieben an die festsitzende</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">Prothetik angehängt hat. Da auch dort erhebliche Hebelkräfte</p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks">auf die Geschiebe einwirkten, für deren Aufnahme sie zu</p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks">schwach waren, war der später eingetretene Bruch des Geschiebes</p>
<span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks">auf der rechten Seite vorhersehbar.</p>
<span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks">Insgesamt sind die vom Kläger begangenen Behandlungsfehler</p>
<span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks">als schwerwiegend anzusehen. Solche Fehler ziehen normaler-</p>
<span class="absatzRechts">103</span><p class="absatzLinks">weise einen Verlauf nach sich, wie er hier eingetreten ist.</p>
<span class="absatzRechts">104</span><p class="absatzLinks">Insoweit sind die später von der Zahnärztin T</p>
<span class="absatzRechts">105</span><p class="absatzLinks">erhobenen Befunde hervorzuheben. Dort war nämlich der feste</p>
<span class="absatzRechts">106</span><p class="absatzLinks">Teil der Prothetik locker, so daß er sich ohne Mühe von den</p>
<span class="absatzRechts">107</span><p class="absatzLinks">beschliffenen Zähnen herunterziehen ließ. Unter diesen</p>
<span class="absatzRechts">108</span><p class="absatzLinks">Umständen hätte der Kläger im einzelnen darlegen und beweisen</p>
<span class="absatzRechts">109</span><p class="absatzLinks">müssen, daß die von ihm begangenen Behandlungsfehler nicht</p>
<span class="absatzRechts">110</span><p class="absatzLinks">schadensursächlich geworden sind und die Beschwerden der</p>
<span class="absatzRechts">111</span><p class="absatzLinks">Beklagten auf einem atypischen Verlauf beruhten. Diesen </p>
<span class="absatzRechts">112</span><p class="absatzLinks">Beweis hat er nicht geführt. Sein Hinweis auf die Stellung-</p>
<span class="absatzRechts">113</span><p class="absatzLinks">nahme des Zahnarztes L aus Hamm vom 20.10.1983</p>
<span class="absatzRechts">114</span><p class="absatzLinks">geht fehl, weil sich dieser nur über die Okklusion geäußert</p>
<span class="absatzRechts">115</span><p class="absatzLinks">hat und nicht umfassend auf Planung und technische Herstel-</p>
<span class="absatzRechts">116</span><p class="absatzLinks">lung des Zahnersatzes eingegangen ist. Das weitere Vorbringen</p>
<span class="absatzRechts">117</span><p class="absatzLinks">des Klägers, wonach die eingetretenen Schäden vermieden</p>
<span class="absatzRechts">118</span><p class="absatzLinks">worden wären, wenn ihm die Beklagte Gelegenheit gegeben</p>
<span class="absatzRechts">119</span><p class="absatzLinks">hätte, weitere Unterfütterungen vorzunehmen, ist durch die</p>
<span class="absatzRechts">120</span><p class="absatzLinks">von der Kammer eingeholten und gerade auch in dieser Frage</p>
<span class="absatzRechts">121</span><p class="absatzLinks">übereinstimmenden Gutachten widerlegt worden.</p>
<span class="absatzRechts">122</span><p class="absatzLinks">bb) Demnach hat der Kläger der Beklagten die aufgrund der</p>
<span class="absatzRechts">123</span><p class="absatzLinks">Fehlbehandlung entstandenen Schäden zu ersetzen.</p>
<span class="absatzRechts">124</span><p class="absatzLinks">Der materielle Schaden der Beklagten setzt sich auf der</p>
<span class="absatzRechts">125</span><p class="absatzLinks">Grundlage ihres Schriftsatzes vom 23.09.1986 wie folgt</p>
<span class="absatzRechts">126</span><p class="absatzLinks">zusammen:</p>
<span class="absatzRechts">127</span><p class="absatzLinks">Zunächst sind der Beklagten Kosten für eine Nachbehandlung</p>
<span class="absatzRechts">128</span><p class="absatzLinks">durch die Zahnärztin T entstanden. Diese betrugen</p>
<span class="absatzRechts">129</span><p class="absatzLinks">17,41 DM gemäß Rechnung vom 03.09.1984, 100,30 DM gemäß</p>
<span class="absatzRechts">130</span><p class="absatzLinks">Rechnung vom 13.01.1986 sowie 40,- DM Fahrtkosten. Sodann</p>
<span class="absatzRechts">131</span><p class="absatzLinks">hat sie Kosten für die Neuanfertigung der Zahnprothetik durch</p>
<span class="absatzRechts">132</span><p class="absatzLinks">den Zahnarzt N2 aufgewendet, nämlich 581,69 DM</p>
<span class="absatzRechts">133</span><p class="absatzLinks">gemäß Rechnung vom 03.09.1986, 1.668,78 DM gemäß weiterer</p>
<span class="absatzRechts">134</span><p class="absatzLinks">Rechnung vom 03.09.1986 und Fahrtkosten in Höhe von 414,96</p>
<span class="absatzRechts">135</span><p class="absatzLinks">DM. Schließlich sind für die Fahrt nach C zum</p>
<span class="absatzRechts">136</span><p class="absatzLinks">erstinstanzlich beauftragten Sachverständigen S</p>
<span class="absatzRechts">137</span><p class="absatzLinks">Unkosten in Höhe von 36,— DM entstanden (§ 287 ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">138</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich dieser Position hat die Kammer bedacht, daß es</p>
<span class="absatzRechts">139</span><p class="absatzLinks">sich insoweit um notwendige Auslagen im Rahmen der Prozeß-</p>
<span class="absatzRechts">140</span><p class="absatzLinks">führung handelt, die grundsätzlich im Kostenfestsetzungsver-</p>
<span class="absatzRechts">141</span><p class="absatzLinks">fahren geltend zu machen sind. Gleichwohl hat sie hier</p>
<span class="absatzRechts">142</span><p class="absatzLinks">ausnahmsweise ein Rechtsschutzinteresse der Beklagten </p>
<span class="absatzRechts">143</span><p class="absatzLinks">anerkannt, weil über diese -zudem nur geringfügige- Position</p>
<span class="absatzRechts">144</span><p class="absatzLinks">sofort entschieden werden kann und das Kostenfestsetzungsver-</p>
<span class="absatzRechts">145</span><p class="absatzLinks">fahren für die Beklagte in diesem konkreten Einzelfall keinen</p>
<span class="absatzRechts">146</span><p class="absatzLinks">einfacheren Weg bieten würde, diesen Anspruch durchzusetzen,</p>
<span class="absatzRechts">147</span><p class="absatzLinks">es vielmehr mindestens ebenso einfach ist, diese Kosten in</p>
<span class="absatzRechts">148</span><p class="absatzLinks">die Widerklageforderung einzubeziehen. Demnach beläuft sich</p>
<span class="absatzRechts">149</span><p class="absatzLinks">der vom Kläger zu ersetzenden materielle </p>
<span class="absatzRechts">150</span><p class="absatzLinks">Schaden insgesamt auf 2.859,14 DM. </p>
<span class="absatzRechts">151</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich ihres immateriellen Schadens und des dement-</p>
<span class="absatzRechts">152</span><p class="absatzLinks">sprechend vom Kläger zu zahlenden Schmerzensgeldes hat die</p>
<span class="absatzRechts">153</span><p class="absatzLinks">Beklagte eine Mindestvorstellung von 1.500,-- DM genannt.</p>
<span class="absatzRechts">154</span><p class="absatzLinks">Dieser Betrag erscheint auch der Kammer angesichts der von</p>
<span class="absatzRechts">155</span><p class="absatzLinks">der Beklagten erlittenen erheblichen Beschwerden einschließlich ihrer</p>
<span class="absatzRechts">156</span><p class="absatzLinks">Beeinträchtigungen durch erforderliche Nachbehandlungen</p>
<span class="absatzRechts">157</span><p class="absatzLinks">Angemessen.</p>
<span class="absatzRechts">158</span><p class="absatzLinks">3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.</p>
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315,415 | olgk-1987-12-16-11-u-8187 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
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"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 11 U 81/87 | 1987-12-16T00:00:00 | 2019-03-13T14:55:05 | 2019-03-27T09:43:11 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1987:1216.11U81.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung des Beklagten zu 1) wird das am 18. März 1987 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 1 0 116/86 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert, soweit es den Beklagten zu 1) betrifft, und insoweit wie folgt neu gefaßt:</p>
<p>Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, als Gesamtschuldner neben der Beklagten zu 2) an den Kläger 2.002,52 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 12. Februar 1987 zu zahlen.</p>
<p>Der Beklagte zu 1) wird darüber hinaus verurteilt, an den Kläger weitere 4.226,71 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 12. Februar 1985 zu zahlen.</p>
<p>Im übrigen wird die Klage gegen den Beklagten zu 1) abgewiesen.</p>
<p>Die Gerichtskosten des ersten Rechtszuges tragen der Kläger zu 48 % und der Beklagte zu 1) zu 52 %, und zwar in Höhe von 17 % als Gesamtschuldner neben der Beklagten zu 2). Der Kläger trägt 48 % der außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) aus dem ersten Rechtszug, der Beklagte zu 1) 52 % der außergerichtlichen Kosten des Klägers, davon 17 % als Gesamtschuldner neben der Beklagten zu 2).</p>
<p>Im übrigen tragen Kläger und Beklagter zu 1) ihre außergerichtlichen Kosten des ersten Rechtszuges</p>
<p>selbst, soweit diese nicht durch das Urteil vom 18. März 1987 der Beklagten zu 2) auferlegt worden sind.</p>
<p>Auch im übrigen verbleibt es bezüglich der außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) bei der Entscheidung des Landgerichts.</p>
<p>Die Kosten des zweiten Rechtszuges tragen der Kläger zu 12 % und der Beklagte zu 1) zu 88 %.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die verfahrensrechtlich einwandfreie Berufung des Beklagten <em>zu</em> 1) ist in Höhe von 861,34 DM sachlich gerechtfertigt und ist im übrigen zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Kläger kann als Miteigentümer des durch den Schadensfall vom 23./24. November 1984 betroffenen Grundstücks die in Betracht kommenden Ansprüche allein geltend machen (vgl. § 1011 Satz 1 BGB). Aufgrund der Zustimmungserklärung seiner Ehefrau vom 26. Oktober 1987 kann er in vollem Umfang Zahlungen an sich selbst verlangen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte zu 1) ist dem Kläger nach § 823 Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig. Unstreitig haben Fichten, die in der Nacht vom 23. zum 24. November 1984 bei einem Sturm mit Windstärken bis zu 11 - 12 Beaufort umgestürzt sind, auf dem Grundstück des Klägers Schäden angerichtet. Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, daß der Beklagte zu 1) Vorkehrungen zur Vermeidung derartiger Folgen hätte treffen müssen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Es ist nicht zweifelhaft, daß sich aus einem Vergleich der Höhe der Nweg stehenden Fichten mit dem Abstand zum Grundstück des Klägers zwangsläufig die Folgerung ergab, daß die Bäume, wenn sie in Richtung des Grundstücks umstürzten, dieses erreichten. Aber auch die weitere Frage, ob eine solche Gefährdung zu erwarten und bei pflichtgemäßer Sorgfalt zu vermeiden war, ist zu bejahen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Ausführungen des Beklagten zu 1), gegen Orkane mit Windstärke 12 sei kein Schutz möglich, sind allenfalls zum Teil zutreffend. Es mag richtig sein, daß einem Orkan auch Bäume mit fester Verwurzelung und bei günstigen Bedingungen des Bodens und der Umgebung nicht immer standhalten. Das besagt aber nicht ohne weiteres, daß jede Gefährdung von den Beteiligten hingenommen werden muß.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Unabänderlich ist nur die Tatsache, daß orkanartige Stürme vorkommen und daß trotz einiger Erfahrungswerte nicht sicher vorausgesehen werden kann, an welchen bestimmten Stellen sich ihre volle Gewalt auswirkt. Dagegen kann abgewogen werden, inwieweit die örtlichen Verhältnisse zu einer erhöhten Gefährdung beitragen und ob Maßnahmen zur Herabsetzung einer<sub>.</sub>solchen Gefahr angebracht sind.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Derartige Umstände waren im vorliegenden Fall auch dann gegeben, wenn die umgestürzten Bäume, wie der Beklagte zu 1) behauptet, nicht im Bereich besonderer Staunässe standen und nicht durch Rotfäule vorgeschädigt waren.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Fichten sind, wie sich aus dem vorgelegten Auszug aus dem Buch von Schwerdtfeger "Waldkrankheiten, 3.Auflage" ergibt und wie auch sonst allgemein bekannt ist, wegen ihres flachen Wurzelwerks besonders windanfällig. Die Gefahr des Windwurfs steigert sich mit zunehmendem Alter der Bäume, weil das Holz dann weniger elastisch ist als bei jüngeren Bäumen und weil die größere Höhe zu mehr Ansatzmöglichkeiten für einen Sturm und zu einer größeren Hebelwirkung führt. Bei immergrünen Bäumen verringert sich der Windwiderstand auch im Winter nicht.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Im vorliegenden Fall handelte es sich um einen reinen Fichtenbestand im Alter von etwa 65 Jahren, der zwar, wie der Beklagte zu 1) unwidersprochen vorgetragen hat, noch nicht altersbedingt geschwächt war, der aber voll ausgewachsen war und eine entsprechende Höhe aufwies. Letztlich geht der Beklagte zu 1) aber auch selbst davon aus, daß die betroffenen Fichten, wenn sie von einem Orkan voll erfaßt wurden, zumindest mit großer Wahrscheinlichkeit umstürzen würden. Jede andere Erklärung für den Schadensfall stellt er in Abrede. Hauptsächlich betont er, daß wegen der Ungewißheit von Ort und Zeitpunkt heftiger Stürme Vorsorgehandlungen nicht möglich seien.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Dieser Betrachtungsweise vermag der Senat sich jedoch nicht anzuschließen. Ist wegen der Art des Baumbestandes eine erhöhte Gefährdung der Umgebung gegeben, dann sind auch die möglichen und zumutbaren Schutzvorkehrungen zu treffen. Was Schwerdtfeger im eigenen Interesse des Waldeigentümers als zweckmäßig empfiehlt, wird dann zur Rechtspflicht. Da ein Orkan nicht beeinflußbar ist, müssen sich die Maßnahmen auf eine Anpassung des Waldes richten.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Dabei kann es dahingestellt bleiben, welche Vorkehrungen auf Grund des eigenen Interesses eines Waldeigentümers an einer möglichst günstigen forstwirtschaftlichen Nutzung in Betracht kommen; im vorliegenden Fall geht es allein um den Schutz des Nachbarn. Aber auch insoweit braucht nicht entschieden zu werden, welche bestimmten Maßnahmen zu treffen gewesen wären. Sie hätten nur dazu führen müssen, daß umstürzende Bäume nicht auf das Grundstück des Klägers fielen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Der Hinweis des Beklagten zu 1), bei Anlegung derartiger Maßstäbe müsse um jedes Waldstück herum ein Schutzstreifen angelegt werden, ist kein ausschlaggebender Gesichtspunkt. Der vorliegende Fall gibt keine Veranlassung , insoweit allgemeine Richtlinien aufzustellen. Es hängt von den jeweiligen Umständen ab, wie groß die Gefahr von Sturmschäden an den Bäumen ist und ob und inwieweit dadurch Schädigungen anderer Personen zu erwarten sind.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Im vorliegenden Fall lag die Sache jedenfalls so, daß die Fichten zu den besonders windgefährdeten Bäumen gehören und daß bei einem Umstürzen der dem Grundstück des Klägers benachbarten Bäume auch mit Schäden zu rechnen war. Insofern liegt die Sache auch anders als bei dem dem Urteil des BGH vom 30. Oktober 1973 (VersR 1974/88) zugrunde liegenden Geschehnis. Bei Wegen können auch die Benutzer von sich aus dazu beitragen, sich nicht einer Gefahr auszusetzen. Vor allem aber ging es in dem damaligen Rechtsstreit darum, daß nicht erkannte Rotfäule die maßgebliche Ursache für den schon bei Windgeschwindigkeiten von 54 - 77 km/h eingetretenen Schaden gewesen ist und unter diesem Gesichtspunkt die Pflichten und das Verschulden des Waldeigentümers zu beurteilen waren.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Dem Kläger kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, daß sein Rechtsvorgänger im Jahre 1958 das Grundstück bebaut und er selbst und seine Ehefrau es im Jahre 1969 erworben haben, als der Wald schon vorhanden war. Abgesehen davon, daß die Fichten 1958 wegen ihres damals geringeren Alters weniger gefährdet und wenigergefährlich gewesen sein dürften, waren die Grundstückseigentümer nicht verpflichtet, sich in der Nutzung ihres Grundstücks zu beschränken, um einem Nachbarn eine intensivere Bewirtschaftung seiner Waldflächen zu ermöglichen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Zu den zu ersetzenden Schäden gehören auch diejenigen, die durch den Betonmast verursacht worden sind. Es besteht kein ernsthafter Zweifel daran, daß dessen Umstürzen durch die vorher auf die Stromleitung gefallenen Fichten herbeigeführt worden ist. Mehrere Bäume, die auf der Leitung liegen, stellen eine so erhebliche zusätzliche Belastung dar, daß es sich aufdrängt, daß dieser Umstand sich auch ausgewirkt hat, zumal andere alleinige Gründe für das Umstürzen nicht ersichtlich sind.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Insbesondere ergibt sich auch aus der Fallrichtung des Mastes und der Fichten nichts anderes. Die Fichten haben zunächst die Leitung nach unten und wahrscheinlich auch zur Seite gedrückt und sind beim Umstürzen des Mastes so gefallen, wie es ihrer vorherigen Lage und dem plötzlichen Nachgeben der Leitung entsprach. Der Mast mußte nicht notwendigerweise in dieselbe Richtung oder in Richtung des Verlaufs der Leitung fallen. Die Leitung übte zwar einen Zug in der Richtung aus, in die sie durch die Fichten gedrückt worden war. Von der anderen Seite wirkte aber der dortige Abschnitt der Leitung weiter auf den Mast ein, und darüber hinaus wurde die Fallrichtung durch die nicht näher bekannte Art und Weise beeinflußt, in der der Mast in seinem unteren Bereich weggebrochen ist.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Das übereinstimmende Vorbringen in den nach der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsätzen über Zahlungen auf die durch den Mast verursachten Schäden kann nicht berücksichtigt werden (vgl. § 296 a ZPO). Für eine Wiedereröffnung der Verhandlung sieht der Senat keine Notwendigkeit.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Dagegen ist die Urteilssumme des landgerichtlichen Urteils um 861,34 DM herabzusetzen und die Klage auch in dieser Höhe abzuweisen, weil das Landgericht die bereits bei dem Schaden an der Mauer berücksichtigten Anstreichkosten von 756<sub>.</sub>DM zuzüglich Mehrwertsteuer bei den sonstigen Schäden im Gartenbereich nochmals in Ansatz gebracht hat. Tatsächlich betreffen die Kosten allein die durch den Betonmast beschädigte Mauer. Die Höhe der sonstigen Schäden ist im zweiten Rechtszug unstreitig.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich aus §§ 284, 288 BGB.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92, 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Streitwert des Berufungsverfahrens:              7.090,57 DM</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Beschwer (§ 546 Abs. 2 ZPO) für den</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Beklagten zu 1):                                          6.229,23 DM</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Beschwer für den Kläger:                                861,34 DM.</p>
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315,416 | ag-essen-1987-12-16-23-c-71987 | {
"id": 657,
"name": "Amtsgericht Essen",
"slug": "ag-essen",
"city": 417,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 23 C 719/87 | 1987-12-16T00:00:00 | 2019-03-13T14:55:06 | 2019-03-27T09:43:10 | Urteil | ECLI:DE:AGE1:1987:1216.23C719.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 896,50 DM (achthundertsechsundneunzig u. 50/100 DM) nebst 4 % Zinsen seit dem 28.07.1987 zu zahlen.</p>
<p>Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p>Die Beklagte kann die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1.500,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger macht restliche Anwaltsgebühren als Schadensersatz aus dem Verkehrsunfall vom 08.03.1987 gegenüber der Beklagten als Haftpflichtversicherer des an dem Unfall mit dem klägerischen Fahrzeug beteiligten Zeugen geltend.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Unfallhergang und die umfängliche Einstandspflicht der Beklagten ist dem Grund nach inzwischen den Parteien unstreitig. Die Beklagte verweigerte dem Kläger jedoch die im Rahmen der Schadensregulierung entstandenen Anwaltsgebühren auszugleichen. Unstreitig betrug der Schaden des Klägers 11.924,97 DM, die von diesem am 18.05.1987 gegenüber der Beklagten geltend gemacht worden sind. Demgegenüber errechneten die Beklagten den Schaden mit Abrechnungsschreiben vom 05.06.1987 mit 7.812,86 DM, wovon eine à-Kontozahlung von 7.000,00 DM abzuziehen war. Außerdem lehnt die Beklagte die Zahlung einer Wiederbeschaffungspauschale ab. Bezüglich des Schmerzensgeldes hielt die Beklagte lediglich einen Betrag von 1.500,00 DM für ausreichend und legte mit Schreiben vom 05.06.1987 eine Vergleichs- und Abfindungserklärung mit der Bitte bei, diese zu unterschreiben.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Dieser Vergleich wurde vom Kläger angenommen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Prozessbevollmächtigte des Klägers rechnete gegenüber der Beklagten die entstandenen Gebühren ab, die er wie folgt beziffert:</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks"><strong>Kostennote:</strong></p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Wert:</span> 10.481,34 DM</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Gebühr § 118 I 1 BRAGO                                                                                          DM              427,50</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Gebühr § 118 I 2 BRAGO              Besprechungsgebühr                                          DM              427,50</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Gebühr § 23 BRAGO Vergleichsgebühr                                                                    DM              570,00</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Gebühr § 26 BRAGO                                                                                                 DM              40,00</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">                                                                                                                                            _____________</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">                                                                                                                                   DM              1.465,00</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">14 % MWSt                                                                                                                 DM               205,10</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">                                                                                                                                            _____________</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">                                                                                                                                    DM               1.670,10</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Hingegen errechnet die Beklagte die durch den Unfall entstandenen Anwaltsgebühren wie folgt:</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Wert:</span> 9.312,86 DM</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Gebühr § 118 I 1 BRAGO                                                                                            DM              384,80</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Gebühr § 118 I 2 BRAGO              Besprechungsgebühr</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Wert: 2.312,86 DM                                                                                                       DM              108,80</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Gebühr § 23 BRAGO Vergleichsgebühr                                                                      DM              145,00</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Gebühr § 26 BRAGO                                                                                                   DM              40,00</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">                                                                                                                                            _____________</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">                                                                                                                                     DM              678,60</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">14 % MWSt                                                                                                                  DM               95,00</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">                                                                                                                                            _____________</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">                                                                                                                                    DM               773,60</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte sei bei der Berechnung des Gegenstandswertes zu Unrecht von einem Streitwert von 9.312,86 DM ausgegangen. Vielmehr müsse von einem Streitwert von zumindest 10.481,34 DM ausgegangen werden. Da die Beklagte die dem Kläger durch den Unfall entstandenen Mietwagenkosten in Höhe von 1.168,48 DM nicht berücksichtigt habe.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Soweit die Beklagte der Ansicht sei, das eine Besprechungsgebühr nach einem verminderten Streitwert von lediglich 2.312,86 DM zu bemessen sei zu Unrecht, vielmehr sei auch hier der Gesamtstreitwert zugrundezulegen, weil bei der Erörterung der Sach- und Rechtslage mit einem Vertreter der Beklagten der gesamte Sachverhalt erörtert worden sei und auch die übrigen Schadenspositionen mit in die Besprechung einbezogen worden seien.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Dies ergäbe sich auch bereits aus der von der Beklagten geleisteten à-Kontozahlung, denn diese sei als „zinsloses Darlehen“ gewährt worden, welches erst mit Abschluß des Vergleiches auch auf die Zahlung als Erfüllung der Schadensverpflichtung der Beklagten angesehen werden könne.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte habe lediglich einen Betrag von 7.63,60 DM an den Prozeßbevollmächtigten des Klägers erstattet, so daß somit eine Klageforderung in Höhe von 836,50 DM offenstehe.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt daher,</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 896,50 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 28.07.1987 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">                            die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Sie ist der Ansicht, dem Kläger stehe nur Erstattung seiner Rechtsanwaltskosten zu, weil das Maß des Erforderlichen in der Regel nach dem von Geschädigten nach dem Maß der Bestimmung der BRAGO an den beauftragten Anwalt zu zahlenden Kosten richten.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Bereits in dem Anwaltsschreiben vom 18.05.1987 sei eine à-Kontozahlung von 7.000,00 DM seitens der Beklagten ausgewiesen worden. Was die Mietwagenkosten beträfe, habe die Beklagte bereits in ihrem Schreiben vom 05.06.1987 darauf hingewiesen, daß die Mietwagenkosten direkt an den Mietwagenunternehmer, die Firma G, gezahlt worden seien. Da diese Ansprüche abgetreten worden seien mit der Folge, daß der Kläger nicht mehr Inhaber dieser Ansprüche sei, die Mietwagenkosten folglich auch nicht Gegenstand des vom Kläger erteilten Anwaltsauftrages sein könnten.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Außerdem sei in dem Abrechnungsschreiben eine vergleichsweise Regelung bezüglich des Schmerzensgeldes in Höhe von 1.500,00 DM angegeben worden und für den Restentschädigungsbetrag ein Betrag von 2.312,86 DM. Daraufhin sei am 03.07.1987 ein Anruf des Klägervertreters bei der Beklagten erfolgt, der das Vergleichsangebot der Beklagten bezüglich des Schmerzensgeldes zu gering erachtet habe. Während des Telefongesprächs sei über dem immateriellen Schaden verhandelt worden. Demnach errechne sich der Anspruch des Klägers auf Erstattung seiner Anwaltskosten wie folgt:</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">a)      Geschäftsgebühr nach § 118 I 1 BRAGO sei der Wert ohne die Mietwagenkosten</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">b)      Gegenstand der Besprechung vom 03.07.1987 seit die Restentschädigung, die die Beklagte vergleichsweise noch zu zahlen bereit gewesen sei, nachdem durch das Abrechnungsschreiben der Beklagten vom 05.06.1987 spätestens der Schadensersatzanspruch des Klägers in Höhe der zuvor geleisteten Vorschußzahlung von 7.000,00 DM als endgültig im Sinne des § 362 BGB anzusehen und erledigt war.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Demnach war eine Besprechunsgebühr gemäß § 118 I 2 BRAGO nur noch nach einem Streitwert von 2.312,86 DM, davon 7,5/10 Gebühr = 108,80 DM zugrundezulegen.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Dieses gilt für die Vergleichsgebühr gemäß § 23 BRAGO, wobei von einem Streitwert von 2.312,86 DM auszugehen sei, hiervon 10/10 Gebühr = 145,00 DM.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Wegen des weiteren Parteivortrages wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Entscheidungsgründe:</span></p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist in vollem Umfang begründet.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Dem Kläger steht gemäß seiner Abrechnung gemäß § 3 PflVG gegenüber der Beklagten als Haftpflichtversicherer des schädigenden Fahrzeuges ein Anspruch in Höhe der Klageforderung in Höhe von 836,50 DM zu.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Das Gericht ist insoweit der Überzeugung, daß auszugehen ist von dem Gesamtschaden auf Klägerseite in Höhe von 10.481,34 DM, wobei die à-Kontozahlung ist nicht auf den durch den Unfall entstandenen Schaden erfolgt, sondern lediglich als „Darlehen“. Das Gericht ist daher der Überzeugung, daß diese Leistung der Beklagten nicht in Erfüllung einer Verbindlichkeit erfolgt ist, sondern offensichtlich lediglich, um dem Kläger Gelegenheit zu geben, den ihm durch den Unfall entstandenen Schaden zu regulieren und auf Beklagtenseite die Kreditkosten des Klägers möglichst gering zu halten, nicht aber um den Kläger bereits einen Teil seines Schadens zu ersetzen.Selbst wenn diese Zahlung vor endgültiger Abrechnung durch den Klägervertreter erfolgt ist, mußte sie daher bei der Höhe der Streitwertberechnung nicht berücksichtigt werden.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Gleiches gilt für die Berechnung der Vergleichsgebühr. Auch insoweit ist das Gericht der Überzeugung, daß von einem Streitwert von 10.481,34 DM auszugehen ist. Denn grundsätzlich ist bei Vergleichen von der Höhe der geltend gemachten Forderung auszugehen. Denn solche Vergleiche, wie vom Kläger vorgetragen, sollten zu einer Abfindung des Klägers für alle vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Folgen des Schadensfalles führen.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Damit sind in diesem Vergleich nicht nur die von der Beklagten nicht gezahlten Schadensersatzansprüche enthalten, sondern sie gehen weit darüberhinaus. Insbesondere da auch zukünftige Schäden, Schmerzensgeldansprüche etc. mitumfaßt werden, durch das Vergleichsangebot der Beklagten. Vor allem aber gilt auch hier, daß die à-Kontozahlung unberücksichtigt bleiben muß, da sie nur darlehensweise gewährt worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Berücksichtigt werden muß in beiden Fällen auch die Höhe der Mietwagenkosten, die durch Abtretung des Klägers direkt an die Mietwagenfirma in Höhe von 1.168,48 DM bezahlt worden sind. Denn grundsätzlich war der Kläger Inhaber dieser Forderung. Zwar ist durch die Abtretung der Kläger nicht mehr Inhaber der Forderung, jedoch, da es sich um einen unfallbedingten Schaden auf Klägerseite handelt und er im Falle der Nichtzahlung der Beklagten mit einer Rückabtretung rechnen muß, durchaus noch Gegenstand der Vergleichsverhandlungen.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Das Gericht ist daher der Überzeugung, daß die Streitwertberechnung und die Abrechnung des Klägervertreters nicht zu beanstanden ist.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte ist insoweit verpflichtet, auch die noch nicht gezahlten Anwaltskosten im Rahmen der Verpflichtung nach § 3 PflVG an den Kläger zu zahlen. Zwar verweist die Beklagte insoweit auf gegenteilige Rechtsprechungen. Erstaunlich erscheint nur, daß die Beklagte nur die Entscheidungen zitiert, die zu ihren Gunsten spricht, nicht aber die Entscheidungen, die ihn ähnlichen Fällen genau die gegenteilige Ansicht vertreten.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Die Zinsentscheidung ergeht nach §§ 284 ff. BGB.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Ziffer 1, 711 ZPO.</p>
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315,417 | olgham-1987-12-10-28-u-10487 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 28 U 104/87 | 1987-12-10T00:00:00 | 2019-03-13T14:55:08 | 2019-03-27T09:43:10 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1987:1210.28U104.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung des Klägers wird - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen - das am 28. Januar 1987 verkündete Schlußurteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Siegen abgeändert.</p>
<p></p>
<p>Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger über die im Anerkenntnis-Teil-Urteil vom 07. Januar 1987 und im angefochtenen Urteil zuerkannten Beträge hinaus weitere 486,50 DM (vierhundertsechsundachtzig 50/100 Deutsche Mark) nebst 4% Zinsen seit dem 12. November 1986 zu zahlen.</p>
<p></p>
<p>Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger 1/11 und die Beklagte 10/11.</p>
<p>Von den Kosten der Berufungsinstanz tragen der Kläger 4/7 und die Beklagte 3/7.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p>Die Beschwer beträgt für den Kläger 540,60 DM und für die Beklagte 486,50 DM.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Entscheidungsgründe</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">(gemäß § 543 Abs. 1 ZPO ohne Tatbestand)</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung des Klägers ist nur teilweise begründet.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Nachdem sich die Parteien in erster Instanz auf die Wandlung des Kaufvertrages vom 25. April 1986 betreffend die Lieferung eines fabrikneuen xxx verständigt haben, streiten sie in der Berufungsinstanz ausschließlich noch über die Höhe der Nutzungsvergütung, die der Kläger für die bis zum 7. Januar 1987 unstreitig mit dem Wagen gefahrenen 9.730 km an die Beklagte zu bezahlen hat. Dieser Anspruch der Beklagten auf Ersatz der vom Kläger gezogenen Gebrauchsvorteile ergibt sich bis zur Kenntnis von den Wandlungsvoraussetzungen aus einer entsprechenden Anwendung des § 327 Satz 2 oder der §§ 988, 818 BGB, danach aus den §§ 467 Satz 1, 347 Satz 2, 987 BGB (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 3. Aufl. 1987 Rdn. 387; Senatsurteil vom 21.1.1982, MDR 82, 580). Dabei ergeben sich Umfang und Wert des vom Kläger auszugleichenden Vorteils aus einem Vergleich mit der Lage, in der er sich befände, wenn er statt des tatsächlich gekauften Neuwagens des Baujahrs 1986 einen anderen Wagen desselben oder eines vergleichbaren Typs gekauft und diesen Wagen an Stelle des an die Beklagte später zurückgegebenen Fahrzeugs während der hier unstreitigen Fahrzeit von 8,5 Monaten und der unstreitigen Fahrstrecke von 9.730 km benutzt hätte. In diesem Fall wäre der andere Wagen abgenutzt und entwertet worden. Der auszugleichende Vorteil des Klägers besteht folglich darin, daß er diesen Wertverlust vermieden hat, indem er den hier anschließend an die Beklagte zurückgegebenen Wagen benutzt hat (vgl. BGH NJW 82, 1909, <u>1910;</u> OLG Hamm NJW 70, 2296; OLG Köln DAR 32, 403). Dieser fiktive (ersparte) Abnutzungswert kann nur gemäß § 237 Abs. 2 ZPO geschätzt werden (OLG Hamm und OLG Köln a.a.O.). Dabei ist zu berücksichtigen, daß zwar bei der Benutzung eines Neufahrzeugs während der ersten Zeit außerordentlich hohe Wertverluste eintreten, diese aber dem Käufer nicht angelastet werden können, da die Rückgabe des Fahrzeugs nicht in seinem, sondern im Verantwortungsbereich des Verkäufers liegt. Dementsprechend erscheint es sinnvoll, den infolge der Benutzung eingetretenen Wertverlust auf der Grundlage einer anteiligen linearen Abschreibung zu ermitteln und so an der zu erwartenden durchschnittlichen Lebensdauer des Fahrzeugs auszurichten (OLG Köln DAR 82, 402, <u>403</u>; Reinking/Eggert a.a.O. Rdn. 394 ff.). Angesichts des heutigen hohen qualitativen und technischen Standards von Neufahrzeugen ist dabei nach Ansicht des Senats von einer zu erwartenden Lebensdauer des Fahrzeugs vom Tage der Erstzulassung bis zum Zeitpunkt seiner hypothetischen Verschrottung von 10 Jahren bei einer voraussichtlichen Gesamtfahrleistung von 150.000 km auszugehen; daraus errechnet sich ein vom Kläger zu ersetzender Gebrauchsvorteil von 0,67% des Kaufpreises pro gefahrene 1.000 km (vgl. ebenso OLG Köln DAR 32, 402, <u>403</u>; OLG Nürnberg DAR 80, 345; OLG Nürnberg DAR 85, 81, <u>82</u>; OLG München NJW 87, 3012, <u>3013</u> = DAR 87, 225, <u>226</u>; Reinking/Eggert a.a.O. Rdn. 399 und 400). Da hier der Kläger in rund 8,5 Monaten 9.730 km mit dem zurückgegebenen Wagen gefahren ist, ergibt sich daraus eine durchschnittliche Fahrleistung von 1.150 km monatlich und rund 14.000 km jährlich, so daß es dem Senat angemessen erscheint, von dem vorgenannten Wert von 0,67% des Anschaffungspreises pro gefahrene 1.000 km auszugehen, der auf einer erwarteten Gesamtlebensdauer des Neufahrzeugs von 10 Jahren und 150.000 km basiert. Dabei kann hier dahingestellt bleiben, ob im Einzelfall auf die individuelle Jahresfahrleistung abzustellen ist, wenn eine besonders geringe oder eine besonders intensive Fahrzeugsnutzung vorliegt, die erheblich von den Durchschnittswerten abweicht (vgl. dazu Reinking/Eggert a.a.O. Rdn. 396 und 402). Da es sich hier um die Wandlung eines Kaufvertrages über einen <u>Neu</u>wagen handelt, kann auch offen bleiben, ob der Senat bei der Schätzung von Nutzungsentschädigungen für <u>Gebraucht</u>wagen bei seiner bisherigen Praxis verbleibt (vgl. MDR 82, 580; OLG Hamm DAR 80, 285 - LS 3 = MDR 80, 846). Somit ergibt sich in vorliegendem Fall aus dem vom Landgericht insoweit unangegriffen festgestellten Kaufpreis für den neuen VW Golf C von 17.921,- DM (18.010,- DM abzüglich der vom Kläger selbst abgesetzten Zulassungskosten in Höhe von 89,- DM) eine vom Kläger zu zahlende Nutzungsvergütung von 0,12 DM pro gefahrenen Kilometer. Da das Landgericht in dem angefochtenen Urteil von einer Nutzungsvergütung von 0,17 DM pro gefahrene Kilometer ausgegangen ist und diese vom Erstattungsanspruch des Klägers abgesetzt hat, kann der Kläger noch 0,05 DM pro gefahrenen Kilometer von der Beklagten erstattet verlangen, mithin 9.730 x 0,05 DM = 486,50 DM. Wegen des weitergehenden Zahlungsanspruchs ist die Berufung unbegründet. Entgegen der Auffassung des Klägers verträgt es die auf eine Gesamtlebensdauer des Fahrzeugs von 10 Jahren bei 150.000 km Fahrleistung abhebende pauschale Schätzung der Gebrauchsvorteile nicht, davon im Einzelfall Abschläge zu machen, wenn das Fahrzeug während der auf diesen Zeitraum bezogenen relativ kurzen Nutzungsdauer einen Sachmangel aufgewiesen hat. Es kann im Wege der Schätzung nicht festgestellt werden, um wie viel weniger sich das Fahrzeug dadurch abgenutzt hat, wenn der Mangel überhaupt eine geringere Abnutzung herbeigeführt hat. Es kann daher hier offen bleiben, ob die vom Kläger beanstandeten Geruchsbeeinträchtigungen durch den ungeregelten Katalysator einen Sachmangel darstellt oder nicht.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Schließlich kann der Kläger sich auch nicht für die im Zeitraum zwischen Wandlungserklärung und Durchführung der Wandlung gezogenen Nutzungen darauf berufen, ihm seien die Nutzungen aufgedrängt worden, indem die Beklagte die Wandlung hinausgezögert habe. Er muß sich entgegenhalten lassen, daß er die Nutzungen tatsächlich gezogen und hierdurch zugleich eine Wertminderung des Fahrzeugs herbeigeführt hat. Die bloße Unerwünschtheit des Gebrauches hat daher hinter die meßbare Wertbeeinträchtigung zurückzutreten (Reinking/Eggert a.a.O. Rdn. 392). Dabei muß auch berücksichtigt werden, daß Ausgangspunkt für die Bemessung der Gebrauchsvorteile die ersparte Abnutzung am sonst angeschafften Fahrzeug ist, wie oben bereits ausgeführt wurde. Tatsächlich hat der Kläger dadurch, daß er rund 8,5 Monate den dann an die Beklagte zurückgegebenen xxx gefahren hat, während dieses Zeitraums die Abnutzung des danach angeschafften Fahrzeugs erspart. Daher kann sich der Kläger entgegen seiner Ansicht auch nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Er kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, er wäre ohne den Kauf dieses xxx weiter mit seinem älteren xxx gefahren. Denn es muß davon ausgegangen werden, daß der Kläger ein Neufahrzeug vom Wert des xxx erwerben wollte und sonst ein anderes gleichwertiges Fahrzeug angeschafft hätte, wenn er nicht bei der Beklagten diesen xxx gekauft hätte. Soweit die Beklagte die Auffassung vertreten hat, der Geltendmachung einer niedrigeren Nutzungsentschädigung durch den Kläger stehe die teilweise Klagerücknahme vom 7. Januar 1987 entgegen, kann sie nicht gemäß § 269 Abs. 4 ZPO insoweit die Einlassung verweigern. Denn aus dem Kostenfestsetzungsbeschluß des Landgerichts vom 16. März 1987 (Bl. 68 f. d.A.) geht hervor, daß die Beklagte im Wege der Verrechnung ihre durch die teilweise erfolgte Klagerücknahme entstandenen Kosten erstattet erhalten hat. Der Kläger ist daher nicht gehindert, den am 7. Januar 1987 zurückgenommenen Klageanspruch im Berufungsrechtszug erneut geltend zu machen. Es kann daher offen bleiben, ob und inwieweit der Kläger im Berufungsrechtzug Klageansprüche verfolgt, wegen derer er in der ersten Instanz schon die Klage zurückgenommen hatte.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich aus § 291 BGB.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Dementsprechend ist das angefochtene Schlußurteil unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abzuändern. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Dabei war bezüglich der Kosten erster Instanz zu berücksichtigen, daß die Beklagte sich zunächst zu Unrecht der Wandlung widersetzt hatte, so daß die zunächst nach dem höheren Streitwert entstandenen Gebühren überwiegend zu Lasten der Beklagten gehen, wie das Landgericht in dem angefochtenen Schlußurteil bereits zutreffend ausgeführt hat.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.</p>
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315,418 | olgk-1987-12-07-21-u-1287 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 21 U 12/87 | 1987-12-07T00:00:00 | 2019-03-13T14:55:09 | 2019-03-27T09:43:10 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1987:1207.21U12.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 85 O 208/86 - vom 23. Februar 1987 wird zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte. </p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p>Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 150.000,-- DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.</p>
<p></p>
<p>Der Beklagten und der Klägerin wird gestattet, die Sicherheitleistung auch in Form einer selbstschuldnerischen Bürgschaft einer bundesdeutschen Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse zu leisten.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>T a t b e s t a n d:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin, eine amerikanische Gesellschaft, begehrt die Feststellung, daß die Beklagte , eine zum Konzern gehörende AG, noch Mitgesellschafterin der und GmbH ist.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die wurde 1921 unter der Firma GmbH<b> </b>gegründet. Sie betätigt sich im wesentlichen im Kesselbau. Seit der Gründung wechselten die Gesellschafter öfter. 1967 trat ein Rechtsvorgängerin der heutigen Gesellschafterin</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">GmbH mit einem Anteil von 10 % der bei.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Bis 1970<i> </i>waren in der Gesellschaft beherrschend nur zwei Gesellschafter.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Als im Jahre 1970 die Gesellschaft, die ab dann als firmierte, durch eine 40 %-ige Beteiligung einer Rechtsvorgängerin der Beklagten umstrukturiert wurde, wurde ein neuer Gesellschaftsvertrag geschlossen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">§ 4 dieses Vertrages sieht für Verfügungen über Gesellschaftsanteile folgendes vor:</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks"><u>§ 4 Verfügung über Gesellschaftsanteile</u></p>
<span class="absatzRechts">9</span><ol class="absatzLinks"><li>Die Verfügung über Geschäftsanteile bedarf der Zustimmung der Gesellschafter, wobei eine Mehrheit von mehr als 3/4 der abgegebenen Stimmen erforderlich ist.</li></ol>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Einer Zustimmung bedarf es nicht, wenn ein Gesellschafter über seinen Geschäftsanteil an Gesellschaften verfügt, an denen der Gesellschafter mit einer Mehrheit beteiligt ist oder die an dem Gesellschafter mit einer Mehrheit beteiligt sind (Konzerngesellschaften). Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn sich die betreffenden Gesellschafter erbieten, die Anteile zu einem angemessenen Preis zu übernehmen. Soweit mehrere Gesellschafter ein solches Angebot machen, erwerben sie die Anteile im Verhältnis ihrer bisherigen Beteiligung an der Gesellschaft.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><ol class="absatzLinks" start="2"><li>Falls sich die Beteiligten über die Höhe des angemessenen Preises nicht innerhalb einer Frist von zwei Monaten einigen, so beauftragen der ver-äußerungswilIige Gesellschafter und der oder die erwerbswilligen Gesellschafter je einen Sachverständigen. Einigen diese sich, so ist die Einigung für die Gesellschafter verbindlich.</li></ol>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Einigen sie sich nicht, so kann jeder beteiligte Gesellschafter den Präsidenten der Industrie- und Handelskammer F bitten , eine angesehene Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu benennen, die den angemessenen Preis verbindlich ermittelt, hierbei aber innerhalb der von den beiden Parteigutachtern ermittelten Werte<i> </i>bleiben und vor ihrer schriftlichen und mit Gründen versehenen Entscheidung mit beiden Parteigutachtern verhandeln muss.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><ol class="absatzLinks" start="3"><li>Ungeachtet der vorstehenden Bestimmungen soll keinem Gesellschafter einschließlich seiner Konzerngesellschaften gestattet sein, mehr als </li></ol>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">50 % des Stammkapitals zu erwerben, es sei denn mit der Zustimmung von Gesellschaftern, die mehr als 75 % des Stammkapitals vertreten."</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Seit 1975 waren die Gesellschaftsanteile zu je einem Drittel auf die Klägerin, die Beklagte und die verteilt.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Der Konzern beabsichtigte schon in den Jahren vor 1985 sich von seiner durch die Beklagte gehaltenen Beteiligung zu trennen, wobei es ihm aber darauf ankam, gleichzeitig eine Loslösung von den bei der Beklagten befindlichen und von der beschäftigten Werkstätten zu vollziehen, ohne diese aufzulösen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Anlässlich eines Gesellschaftergesprächs mit anschließender Aufsichtsratssitzung der am 4./5. Dezember 1985 wurde der Klägerin und der Mitgesellschafterin mitgeteilt, dass nunmehr ernsthaft beabsichtigt sei, die </p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Anteile der Beklagten einschließlich der Werkstätten auf Dritte - wobei kein Name erwähnt wurde - zu übertragen. Als Preisvorstellung wurde für Anteile einschließlich Werkstätten der gegenüber eine Summe von 65 Mio. DM genannt.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin und die bekundeten bei dieser Gelegenheit zumindest ihr Interesse, selbst die Gesellschaftsanteile zu übernehmen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte schlug vor, dass sie bis zum 28. Januar 1986, für den eine erneute Aufsichtsratssitzung geplant war, zu einer Entscheidung gelangen sollten.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Am 24. Januar 1986 teilte Herr ( ) Herrn ( ) telefonisch mit, dass eine abschließende Meinungsbildung über den Ankauf der Gesellschaftsanteile durch die Klägerin und noch nicht stattgefunden habe.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Sitzung am 28. Januar 1986 fand nicht statt.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Am 19. Februar 1986 verpflichtete sich die Beklagte privatschriftlich, ihre Geschäftsanteile an der an die Firma , ( ) zu veräußern.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Am 21. Februar erfuhr die Klägerin durch Dritte, dass</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">die Anteile der Beklagten an der einschließlich der Werkstätten erwerben wolle.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Daraufhin führten die Parteien einen regen Schriftwechsel, in dem die Klägerin mehrfach der Übertragung von Geschäftsanteilen auf Dritte widersprach und ihrerseits ihre Kaufabsicht ausdrückte.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 4. März 1986 teilte die Beklagte der und ihren beiden Mitgesellschaftern mit, dass sie beabsichtige, ihre Gesellschaftsanteile auf ihre, noch zu gründende, 100 %-ige Tochtergesellschaft </p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">( ) zu übertragen; gleichzeitig wies sie darauf hin, daß eine Zustimmung der übrigen Gesellschafter zu diesem Geschäft nicht notwendig sei, da es sich um einen Vorgang gemäß § 4 Nr. 1 S. 2 des Gesellschaftsvertrages handele.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Eine Genehmigung gemäß § 4 hat die Beklagte dementsprechend auch nicht </p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">- weder zu diesem Zeitpunkt noch später - beantragt.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Am 10.<i> </i>März 1986 gründete die Beklagte die</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Spätestens im Juli 1986 hat die Klägerin eindeutig erklärt, die Anteile der Beklagten an der erwerben zu wollen.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Am 1. August 1986 trat die Beklagte ihre Geschäftsanteile an die ab und übertrug ihr gleichzeitig ihre Werkstätte zur Kesselbaufertigung, die u.a. Inventar, Maschinen und Arbeitskräfte umfassten.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die Abtretung wurde unter dem 27. August 1986 beurkundet und gleichzeitig der angemeldet.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Am 1. September 1986 übertrug die Beklagte ihre Geschäftsanteile an der auf</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat vorgetragen, die durch die Beklagte vorgenommene Abtretung ihrer Anteile an der sei nichtig, so dass die Beklagte nach wie vor Gesellschafterin der sei.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Die Unwirksamkeit der Übertragung ergebe sich daraus, daß es sich bei der Abtretung der Anteile an die um eine unzulässige Umgehung des § 4 des Gesellschaftsvertrages handele. Dieser sei im Wege der Auslegung so zu verstehen, daß für die Abtretung an die eine Zustimmung der übrigen Gesellschafter einzuholen gewesen sei; ein Fall der Genehmigungsfreiheit aufgrund Abtretung innerhalb des Konzerns liege nicht vor. Die Abtretung habe vielmehr dem Zweck gedient, unter Umgehung des § 4 die Übertragung an zu ermöglichen.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte habe auch in der Absicht gehandelt, diese Vorschrift zu umgehen.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">festzustellen, daß die Beklagte mit Geschäftsanteilen im Nominalwert von insgesamt 14 Mio. DM Gesellschafterin der und</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:142px">GmbH,</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">gemäß des zwischen ihr, der GmbH und</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">der Klägerin bestehenden Gesellschaftsvertrages ist.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Sie hat vorgetragen, es fehle der Klage bereits das Rechtsschutzbedürfnis, da eine in diesem Verfahren ergehende Entscheidung gegenüber der nicht am Verfahren beteiligten und der keine Rechtskraft entfalte.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Auch sei die Klägerin verpflichtet gewesen, bis zum 28. Januar 1986 ein angemessenes Angebot für eine Übernahme der Anteile an der abzugeben. Da sie dies nicht getan habe, könne sie sich gemäß § 4 Nr. 1 S. 3 des Gesell- schaftsvertrages nicht mehr auf die Verweigerung der Zustimmung berufen.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Im übrigen sei eine Zustimmung für die Abtretung der</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Anteile an die nicht nötig gewesen, da dieses Geschäft nicht unter die Zustimmungspflicht des § 4 fiele. Vielmehr sei die Abtretung an die ein Ausnahmegeschäft im Sinne des § 4 Nr. 1 S. 2 gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Deshalb habe sie auch nicht in der Absicht gehandelt, den Rechtsweg des § 4 zu umgehen.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat der Klage durch das angefochtene Urteil stattgegeben, auf das wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat gegen dieses Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt und die Berufung rechtzeitig begründet.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Sie trägt vor, vom Wortlaut des § 4 sei die vorgenommene Transaktion nicht dem Zustimmungsbedürfnis unterworfen gewesen: Die Übertragung von der Beklagten auf die sei im Rahmen des §4 Nr. 1 S. 2 nicht genehmigungspflichtig gewesen, und die Übertragung der Geschäftsanteile an der</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">auf sei ohnehin nicht genehmigungsbedürftig gewesen, da die Anteile an<i> </i>der gesellschaftsrechtlich frei übertragbar gewesen seien.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Auch habe sie nicht die Absicht gehabt, § 4 zu umgehen, weil ihr Vergehen wirtschaftlich vernünftig gewesen sei. Sie habe unternehmerisch gehandelt und</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">in dieser Situation nicht an § 4 des Gesellschaftsvertrages gedacht.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Im übrigen habe die Klägerin der Veräußerung der Gesellschaftsanteile zustimmen müssen, da sie sich nicht zum Ankauf der Anteile erboten habe; das habe ihr aber nach § 4 Nr. 1 S. 3 obgelegen. Auch verstoße die Klägerin gegen Treu und Glauben, wenn sie sich auf die Zustimmung des § 4 beruft, weil sie -die Beklagte - im Interesse der Erhaltung der Arbeitsplätze gehandelt habe.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:106px">unter Abänderung des langerichtlichen Urteils die </p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:106px">Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:106px">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Sie ist der Ansicht, daß § 4 im Wege<i> </i>der Auslegung so zu verstehen sei, daß eine Genehmigungsfreiheit i. S. v. § 4 Nr. 1- S. 2 nur dann vorliege, wenn die Übertragung auf eine Konzerngesellschaft erfolge die den Anteil für den Konzern, nicht aber zur Weitergabe an Dritte erwerbe. Daß die Beklagte bei ihrem Vorgehen eine Umgehungsabsicht gehabt habe, könne man aus dem zeitlichen Ablauf der Transaktionen erkennen, indem zunächst schuldrechtlich ein Ver- trag mit geschlossen worden sei und erst dann die Anteilsübertragung in die Wege geleitet worden sei . Bei Betrachtung der Gesamtumstandes sei die Umgehung des § 4 offensichtlich.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Sie sei auch nicht zur Abgabe eines Übernahmeangebots verpflichtet gewesen, weil die Beklagte nur die Anteile <u>und</u> die Werkstätten angeboten habe. Im übrigen könne sich die Beklagte darauf nicht berufen, weil sie ihr</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">- der Gläubigerin - mitgeteilt habe, eine Genehmigung sei nicht erforderlich.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien vorgetragenen Schriftsätze nebst Unterlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks"><u>E n t s c h e I d u n g s g r ü n d e:</u></p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">D i e Berufung ist zulässig , aber nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Zu Recht hat das Landgericht festgestellt, daß die Beklagte weiterhin Gesellschafterin der ist.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Die Feststellungsklage ist gemäß § 256 ZPD zulässig.</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Ein rechtliches Interesse an der Feststellung liegt dann vor, wenn dem Recht oder der Rechtslage des Klägers eine Unsicherheit droht und das angestrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (st. Rspr, vgl. BGH NJW 1986. 2507 m.w.N.), wobei sich die Gefahr aus einem Bestreiten oder Behaupten ergeben kann (BGH a.a.D.; Baumbach-Lauterbach-Albers-hartmann, ZPO, 45. Aufl., § 256 Anm. 3 c; Zöller-Stephan, ZPO, 15. Aufl., § 256, Rz. 8). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Dadurch, dass die Beklagte behauptet hat, nicht mehr Gesellschafterin der zu sein, ergab sich für die Klägerin als Mitgesellschafterin eine Unsicherheit bezüglich des Gesellschaftsverhältnisses. Diese Unsicherheit wird durch das Feststellungsurteil beseitigt, weil es bei Rechtskraft in den Grenzen der §§ 325 ff. ZPO das Bestehen eines Rechtsverhältnisses zwischen der Klägerin und der Beklagten auch gegenüber Dritten feststellt. Es ist deshalb anerkannt, daß die Klage eines Gesellschafters gegen einen anderen auf FeststeIlung, daß er Gesellschafter sei, zulässig ist (Schilling in Hachenburg, GmbHG, 7. Aufl., § 13 Rdz. 10) .</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Die Feststellungsklage ist auch begründet; die Abtretung der Gesellschaftsanteile von der Beklagten auf die ist nicht wirksam, so daß die Beklagte</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">weiterhin Gesellschafterin der ist.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Eine wirksame Übertragung scheitert an § 4 des Gesellschaftsvertrages i.V.m. § 15 Abs. 5 GmbHG.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Für die Abtretung der Anteile war gemäß diesen Vorschriften die Erteilung der Zustimmung der Klägerin erforderlich. Diese hat die Klägerin nicht ausgesprochen. Die trotzdem erfolgte Abtretung ist wirkungslos (Fischer/ Lettig GmbHG, 11. Aufl. , § 15 Rdz. 21) .</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">.</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Es kann hier nicht etwa dahinstehen, ob die Zustimmung überhaupt erforderlich war, weil eine Berufung der Klägerin auf das Fehlen der Zustimmung als rechtsmißbräuchlich anzusehen wäre und deshalb nicht zur Unwirksamkeit der Abtretung führen würde. Eine Rechtsmißbräuchlichkeit könnte nur dann angenommen werden, wenn die Klägerin sich nicht innerhalb einer ihr wirksam gesetzten Frist gemäß § 4 Nr. 1 S. 3 des Gesellschaftsvertrages erboten hätte, die Anteile selbst zu erwerben und demzufolge nun zur Zustimmung verpflichtet wäre. Eine solche Frist bestand aber hier nicht, so daß auch eine Fristversäumung nicht eintreten konnte.</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Für die wirksame Fristsetzung genügte es nicht, daß die Beklagte die Klägerin am 4./5. Dezember 1985 davon in Kenntnis setzte, sie habe die Absicht. ihre Anteile an der zu veräußern, und sie erwarte eine Erklärung der Klägerin, ob sie zur Übernahme bereit sei, bis zum 28. Januar 1986. Eine Frist i.S.v. § 4 des Gesellschaftsvertrages wäre durch dieses Verhalten nur dann in Gang gesetzt worden wenn die Beklagte gleichzeitig mitgeteilt hätte, <u>an wen </u>die Veräußerung geplant war. Diese Pflicht zur Mitteilung des möglichen neuen Gesellschafters ergibt sich durch die Auslegung des § 4 des Gesellschaftsvertrages der nach seinem Sinn und Zweck.</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Die Auslegung eines Gesellschaftsvertrages richtet sich nach §§ 133, 157 BGB ( RGZ 159, 272 ( 278 ) ; Scholz-Winter, GmbHG, § 15 Rz. 82).</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">§ 4 Nr. 1 S. 1 setzt für die Wirksamkeit der Abtretung von Gesellschaftsanteilen die Zustimmung der übrigen Gesellschafter voraus, wobei diese gemäß § 4 Nr. 1 S. 3 der Vorschrift nur verweigert werden darf, wenn sich die Gesellschafter selbst zur Übernahme zu angemessenem Preis bereitfinden. Demnach steht dem Zustimmungserfordernis des Satzes 1 ein Vorkaufsrecht und eine Vorkaufspflicht für den Fall der Zustimmungsverweigerung gegenüber.</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">Ein so ausgestaltetes Zustimmungserfordernis hat erkennbar den Sinn, eine Gesellschaft von einem Gesellschafter freizuhalten, der den übrigen Gesellschaftern nicht genehm ist (so RGZ 103, 195 (199) ; Hachenburg in J W 1931, 2968). Es wird dadurch verhindert, daß ein nicht genehmer Gesellschafter Einfluss auf die Angelegenheiten der Gesellschaft nimmt (RGZ a.a.D.; RGZ 159, 272 (282) ). Die Einführung eines solchen Vorkaufsrechtes in den Gesellschaftsvertrag ist auch ein geeignetes Mittel, das Eindringen fremder Personen</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">in den Gesellschafterkreis zu verhüten und zugleich jedem Gesellschafter ein Austrittsrecht zu belassen (Scholz-Winter, GmbHG, § 15 Rz. 87) .</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">Unter Berücksichtigung dieser Anhaltspunkte ist auch § 4 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrages der so<i> </i>zu verstehen, daß er beabsichtigt, einerseits unliebsame Gesellschafter von der Gesellschaft fernzuhalten, andererseits aber auch die Verkaufsmöglichkeit der Gesellschaftsanteile sicherstellen will. Der Zweck der Fernhaltung unliebsamer Gesellschafter, kann aber nur dann erreicht werden, wenn den Mitgesellschaftern vor ihrer Entscheidung, ob sie selbst die Anteile erwerben wollen, bekannt ist, <u>wer</u> der mögliche Anteilserwerber und damit neue Gesellschafter sein soll.</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Ohne die Mitteilung über den potentiellen Erwerber begann darum auch nicht der Lauf der Frist des § 4 Nr. 1 S. 3 des Gesellschaftsvertrages.</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">Dem steht ferner auch entgegen, daß während der Gespräche über eine mögliche Übernahme von Anteilen durch die Klägerin oder<i> </i>die wie die Beklagte selbst eingeräumt hat, stets von einer Übernahme von Gesellschaftsanteilen <u>und</u> Kesselbauwerkstatt in Rahmen einer unternehmerischen Gesamtlösung die Rede war. Da die Klägerin im Rahmen des § 4 Nr. 1 S. 3 bei beabsichtigter Verweigerung der Zustimmung aber nur zu einer Übernahme der Gesellschaftsan- teile, nicht aber der Werkstatt verpflichtet war, die mit den Anteilen nicht verbunden war, handelt es sich bei dem in diesen Gesprächen unterbreiteten Angebot nicht um ein solches, das zur Ingangsetzung der Frist geeignet war.</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">Ob bereits am 4./5. Dezember 1985 auch der Klägerin und nicht nur der ein angestrebter Kaufpreis von 65 Mio. DM genannt wurde, kann aus diesem Grunde ebenfalls dahinstehen.</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Ebenso kann dahinstehen, ob eine Frist zum Erbieten dadurch in Gang gesetzt werden konnte, daß die Klägerin am 21. Februar 1986 erfuhr, daß die Firma die Gesellschaftsanteile der Beklagten erwerben wollte. Die Beklagte kann sich jedenfalls auf ein fehlendes Erbieten aus den Grundsätzen des</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">venire contra factum propium nicht berufen .</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">Dem steht entgegen, daß sie die Klägerin mit Schreiben vom 4. März 1986 darüber informiert hat, ihre GeseIIschaftsanteile an ihre 100 %-ige Tochtergesellschaft übertragen zu wollen und der Klägerin den Hinweis erteilte, eine Zustimmung zu dieser Transaktion sei nicht erforderlich, da es sich gemäß § 4 Nr. 1 S. 2 des Gesellschaftsvertrages um eine Übertragung auf eine Konzerngesellschaft handele.</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">Da die Beklagte damit zum Ausdruck brachte, daß infolge fehlender Zustimmungsbedürftigkeit auch ein eigenes Erbieten der Klägerin gemäß Satz 3 der Vorschrift nicht nötig sei, stellt es ein widersprüchliches Verhalten der Beklagten dar, wenn sie sich nunmehr auf ein fehlendes Erbieten der Klägerin beruft, obwohl sie dieses selbst durch ihr Schreiben vom 4.<i> </i>März 1986 verhindert hat.</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">Schließlich wurde eine Frist, innerhalb derer die Klägerin zur Abgabe ihres Erbietens verpflichtet war, auch nicht dadurch in Gang gesetzt, daß die Beklagte am 24. Januar 1986 Mitteilung an die machte, es werde ernsthaft mit über den Ankauf der Gesellschaftsanteile gesprochen.</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">Angesichts der Bedeutung dieses Geschäftes konnte eine Frist nur dann zu laufen beginnen, wenn Mitteilung an die Klägerin selbst, nicht nur an einen Dritten, erfolgte. Auch das ergibt sich aus Sinn und Zweck des § 4.</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">Die spätestens im Juli 1986 ausgesprochene Offerte der Klägerin zur Übernahme der Gesellschaftsanteile ist nach alledem rechtzeitig erfolgt.</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">Die ohne Zustimmung der Klägerin erfolgte Abtretung der Gesellschaftsanteile an die ist unwirksam, da es sich dabei um ein Geschäft unter Umgehung des § 4 des GeseIIschaftsvertrages i.V.m. § 15 GmbHG handelte, so daß auch</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">auf diese Veräußerung § 15 Abs. 5 GmbHG zutrifft.</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">Zwar war nach dem Wortlaut allein des § 4 Nr.1 S. 1 und 2 eine Zustimmung der übrigen Gesellschafter nicht vonnöten, da es sich bei der zum Zeitpunkt der Abtretung der Anteile von der Beklagten auf sie um eine 100 %-ige Tochter- gesellschaft der Beklagten und damit um eine Konzerngesellschaft i.S.v. § 4 Nr. 1 S. 2 handelte.</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">Trotzdem war die Abtretung der Anteile an die zustimmungsbedürftig gemäß § 4 des Gesellschaftsvertrages der . Es ergibt sich im Wege der Auslegung dieser Vorschrift, daß die Zustimmung nötig gewesen wäre und es sich bei der Abtretung um ein unzulässiges Umgehungsgeschäft gehandelt hat.</p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks">Der in der Literatur herrschende Streit, ob ein Umgehungsgeschäft nichtig ist, weil die richtige Auslegung der Verbotsnorm zum Erfassen auch des Umgehungsgeschäftes führt, (so Soergel-Hefermehl, BGB, 11. Aufl. § 134, Rz. 52; Flume, BGB AT, 2. Aufl. , Rz. 660-662) oder ob die Umgehung der Verbotsnorm einen eigenen Nichtigkeitsgrund darstellt (so wohl BGH LM Nr. 19 zu § 134; Münch Komm-Mayer-Maly, BG8, 2. Aufl., § 134 Rz. 17) , kann dahinstehen, da Einigkeit herrscht, daß ein Geschäft, welches dem Sinn und Zweck der Verbotsnorm widerspricht, im Ergebnis entweder qua Auslegung oder wegen der Tatsache der Umgehung nichtig ist (Palandt - Heinrichs, BG8, 46.Aufl., </p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks">§ 134 Anm. 4) .</p>
<span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks">Dieser Nichtigkeitsgrund kann hier auch eingreifen obwohl es sich bei der Umgehung des § 4 des Gesellschaftsvertrages der nicht um die Umgehung eines Verbots<u>gesetzes </u>handelt.</p>
<span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks">Die Festlegung zusätzlicher Voraussetzungen für die Abtretung von Gesellschaftsanteilen wird durch § 15 Abs. 5 GmbHH ermöglicht; da zwar bei einer Umgehung der danach festgelegten Voraussetzungen § 15 Abs. 5 GmbHG nicht unmittelbar umgangen wird, der Sinn der Beschränkungsbefugnis aber unterlaufen würde, wenn die festgelegten Beschränkungen ohne Nichtigkeitsfolge umgangen werden dürften, stellt eine Umgehung von vertraglich festgelegten Wirksamkeitsvoraussetzungen für die Abtretung von Gesellschaftanteilen zugleich eine Umgehung von § 5 Abs. 5 GmbHG dar (Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965. S. 116) .</p>
<span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks">Der Charakter der Abtretung der Gesellschaftsanteile an die ergibt sich daraus, daß auf diese Weise versucht wurde, einen verbotenen Erfolg - die Übertragung der Anteile an ohne Zustimmung der übrigen Gesellschafter -durch die Verwendung rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten - die vorherige Abtretung an die - zu erreichen, die scheinbar - als Abtretung an eine Konzerngesellschaft - von der Verbotsnorm nicht umfasst wurden (vgl. die gleichlautende Klassifizierung des Umgehungsgeschäftes in der st. höchstrichterlichen Rspr. RGZ 155, 138 (146) ; BGHZ 58, 60<i> </i>(65) ; BGHZ 85, 39 (46) ) .</p>
<span class="absatzRechts">103</span><p class="absatzLinks">Wie bereits dargelegt wurde, hat § 4 des Gesellschaftsvertrages den Zweck, die Gesellschaft von einem Gesellschafter freizuhalten, der den übrigen Gesellschaftern nicht genehm ist, und stellt daher ein Zustimmungserfordernis für die Übertragung von Gesellschaftsanteilen auf. § 4 ist deshalb so auszulegen, daß die Notwendigkeit der Zustimmung bei Abtretung auf eine Konzerngesellschaft auch nur dann entfällt, wenn diese den Anteil für sich und nicht zur Weitergabe an Dritte erwirbt.</p>
<span class="absatzRechts">104</span><p class="absatzLinks">Dies war aber hier nicht der Fall. Entscheidend für die Frage des Umgehungsgeschäftes ist es, ob die Rechtsübertragung trotz des Vetos der Gesellschafter <u>wirtschaftlich </u>herbeigeführt wurde (RGZ 159, 272; Soergel-Hefermehl, § 134 Rz. 35; Wiedemann, a.a.D. , S. 116). Durch die Übertragung der Anteile an die am 1. August 1986 und die Übertragung der Geschäftsanteile der auf einen Monat später, am 1. September 1986, wurde unter wirtschaftlicher Betrachtungsweise herbeigeführt, daß innerhalb eines Monats die Beklagte unter der Führung von aus der ausschied und an ihre Stelle die unter Führung von stehende in die Gesellschaft eintrat. Im gleichen Maße, wie die Geschicke der Beklagten zu lenken vermag, ist aber</p>
<span class="absatzRechts">105</span><p class="absatzLinks">nun in der Lage, die Geschicke der und dadurch die der Gesellschaftsanteile in der zu beeinflussen. Wirtschaftlich betrachtet ist daher nicht die als Halterin der Gesellschaftsanteile anzusehen, sondern die hinter ihr stehen-</p>
<span class="absatzRechts">106</span><p class="absatzLinks">de</p>
<span class="absatzRechts">107</span><p class="absatzLinks">Gerade diese wirtschaftliche Betrachtungsweise würde aber außer acht gelassen, wenn man nur auf den formalen Gesichtspunkt abstellen würde, daß die auch nach der Übertragung der Geschäftsanteile an noch Gesellschafterin der ist, und daß die Abtretung der Gesellschaftsanteile an die zu einem Zeitpunkt erfolgte, da die noch 100 %-ige Tochter der Beklagten war. Denn nur formal betrachtet handelt es sich um <u>zwei</u> Übertragungsakten: Die Beklagte hatte sich doch bereits am 19. Februar 1986 gegenüber verpflichtet, ihre Geschäftsanteile an der auf diese zu übertragen. Um diese Verpflichtung zu erfüllen, wurde die Übertragung zunächst auf die eigens gegründete durchgeführt und dann die Geschäftsanteile an dieser einen Monat später auf transferiert. Dadurch wurde aber gerade <u>der</u> wirtschaftliche Erfolg erreicht, den § 4 Nr. 1 S. 1 des Gesellschaftsvertrages zu verhindern bestimmt war.</p>
<span class="absatzRechts">108</span><p class="absatzLinks">Da auf die geschilderte Weise das Zustimmungserfordernis des § 4 umgangen wurdet ist die Veräußerung der Gesellschaftsanteile nach §§ 134 BGB, 15 Abs. 5 GmbHG nichtig.</p>
<span class="absatzRechts">109</span><p class="absatzLinks">Daran ändert es auch nichts, daß neben den Gesellschaftsanteilen noch andere Güter auf die übertragen wurden, denn für die Beurteilung, ob ein Umgehungsgeschäft vorliegt, ist ausschließlich auf die Abtretung der Gesellschaftsanteile abzustellen; die Umgehung entfällt nicht deshalb, weil außer diesen noch ein Weiteres<i> </i>mitübertragen wurde, wie bereits das Landgericht festgestellt hat.</p>
<span class="absatzRechts">110</span><p class="absatzLinks">Demgegenüber ist auch der Einwand der Beklagten, die von ihr durchgeführte Transaktion sei zur Erhaltung von Arbeitsplätzen geschehen, unerheblich. Denn dieser Gesichtspunkt mag unternehmerisch vernünftig sein, vermag aber nicht die Bestimmung des § 4 des Gesellschaftsvertrages außer Kraft zu setzen.</p>
<span class="absatzRechts">111</span><p class="absatzLinks">Ob für die Nichtigkeit des Umgehungsgeschäftes eine Umgehungsabsicht zu fordern ist oder nicht (dafür MünchKomm-Mayer-Maly, § 134 Rz. 18 für bestimmte Fälle; BGH NJW 1960, 524 (525); dagegen Soegel-Hefermehl, § 134 Rz. 55; BAG E 10, 65 (70) ), kann hier dahinstehen, da die Beklagte eine solche Absicht zum Zeitpunkt der Vornahme der Rechtsgeschäfte jedenfalls hatte. Dies ergibt sich daraus, daß die Abtretung auf die erkennbar nur dem Zweck diente, in Umgehung des § 4 des Gesellschaftsvertrages die Anteile an übertragen zu können, um auf eben diese Weise den bereits Monate zuvor geschlossenen Verpflichtungsvertrag mit erfüllen zu können.</p>
<span class="absatzRechts">112</span><p class="absatzLinks">Nach alledem war der Feststellungsklage stattzugeben. </p>
<span class="absatzRechts">113</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPD.</p>
<span class="absatzRechts">114</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus </p>
<span class="absatzRechts">115</span><p class="absatzLinks">§§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">116</span><p class="absatzLinks"><u>Streitwert: </u>6 Mio. DM.</p>
|
315,419 | olgham-1987-11-27-20-u-8887 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
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"state": 12,
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} | 20 U 88/87 | 1987-11-27T00:00:00 | 2019-03-13T14:55:11 | 2019-03-27T09:43:10 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1987:1127.20U88.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung des Klägers gegen das am 11. Februar 1987 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.</p>
<p>Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p>Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 17.000,- DM abzuwenden, sofern nicht die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Beide Parteien können die Sicherheit auch durch unbefristete, selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse erbringen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Der Kläger stellte am 17.04.1984 einen Antrag auf Abschluß eines Lebensversicherungsvertrages verbunden mit einer Berufsunfähigkeitszusatzrente. Durch Anträge vom 07. und 14.08.1984 beantragte der Kläger Erhöhung der Lebensversicherungssumme auf 68.639,- DM, verbunden mit einer jährlichen Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 16.473,- DM. Den Anträgen wurde von der Beklagten jeweils entsprochen. Der Antrag vom 17.04.1984 ging bei der Beklagten am 25.04. ein; die Versicherungspolice datiert vom 09.05.1984. In den Anträgen ist auf die entsprechende Frage jeweils angegeben, daß er, der Kläger, sich vollkommen gesund und frei von Beschwerden fühle, daß er in den letzten 5 Jahren weder ärztlich untersucht noch beraten oder behandelt worden sei und daß Krankheiten oder Gesundheitsstörungen, insbesondere Alkohol- und Drogenmißbrauch nicht vorlägen. Tatsächlich ist der Kläger in hohem Maße alkohol- und medikamentenabhängig und seit 1980 in nahezu ständiger ärztlicher Behandlung mit vielfachen stationären Aufenthalten insbesondere zur Alkoholentgiftung. Hiervon erfuhr die Beklagte in der zweiten Hälfte des Monats März 1986, nachdem der Kläger einen Antrag auf Zahlung der vereinbarten Berufsunfähigkeitsrente mit Wirkung von Februar 1986 gestellt hatte. Mit Schreiben vom 01.01.1986 erklärte sie daraufhin den Rücktritt. Mit der Klageerwiderung hat sie ferner die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung erklärt.</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hält die Beklagte nicht für leistungsfrei und hat deshalb in erster Instanz die Zahlung einer monatlichen Berufsunfähigkeitsrente von 1.000,- DM für die Zeit von Februar 1986 bis Mai 1987 sowie die Feststellung begehrt, daß die Beklagte ihre Leistungen nicht mit der Begründung verweigern dürfe, der Kläger habe sie nicht über die vorliegende Alkoholkrankheit aufgeklärt. Er behauptet dazu, er habe den Versicherungsvertreter ..., heute verheirateter ..., umfassend aufgeklärt. Dieser habe daraufhin geantwortet, er werde das Problem mit seinem Orga-Leiter ... besprechen. Am 17.04.1986 sei dann auch mit diesem die Alkoholsucht erörtert worden. Dieser habe sich Notizen gemacht. Erst dann sei der Antrag bei der Beklagten eingereicht worden. Er meint, jedenfalls das Wissen ... müsse sich die Beklagte zurechnen lassen; jedenfalls habe er nicht schuldhaft seine Alkoholsucht verschwiegen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hatte darauf verwiesen, daß ihr, unstreitig, lediglich der schriftliche Antrag zugegangen sei und daß auch ... keine Abschlußvollmacht gehabt habe.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen. Wegen des Ergebnisses der erstinstanzlichen Beweisaufnahme wird auf das darüber erstellte Protokoll vom 14.01.1987 ... Bl. 97 ff GA verwiesen. Wegen der Begründung des Urteils und zur weiteren Sachdarstellung wird auf die angefochtene Entscheidung (Bl. 129 ff GA) Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Mit der Berufung beantragt der Kläger,</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger aufgrund des Versicherungsvertrages mit der Versicherungsnummer ... ab dem 1. Februar 1986 für die Dauer der Berufsunfähigkeit des Klägers, längstens bis zum 31.05.1996, eine monatliche, zum 1. eines jeden Monats fällige Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 1.372,28 DM nebst 4 % Zinsen aus monatlich 1.372,28 DM jeweils ab Fälligkeit der rückständigen monatlichen Rentenleistungen zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Er meint, die Beklagte sei beweispflichtig dafür, daß sie über die Vorerkrankungen des Klägers nicht aufgeklärt worden sei. Dieser Beweis sei nicht erbracht. Er behauptet, der Zeuge ... geborener ..., sei schon am 10.04.1984 bei ihm gewesen und bei dieser Gelegenheit sei das Formular bereits vollständig ausgefüllt worden, bis auf das Datum, das ... erst bei Abgabe des Formulars auf der Geschäftsstelle in ... eingesetzt habe. ... sei für diesen Fall durch den Zeugen ... zum Abschluß eines Vertrages ermächtigt worden. Jedenfalls deshalb müsse sich die Beklagte die Kenntnis ... zurechnen lassen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Sie verweist darauf, daß der Kläger auch medikamentenabhängig sei und behauptet, das Gespräch mit ... habe am 11.05.1984 stattgefunden. Dabei sei die Alkoholabhängigkeit nicht zur Sprache gekommen. Zweck der Unterredung sei vielmehr die Überprüfung des Zeugen ... gewesen, von dem der Verdacht bestanden habe, daß er Abwerbungen zugunsten der Beklagten und zum Nachteil der ..., bei der er früher unstreitig beschäftigt war, vorgenommen habe. Tatsächlich war auch der Kläger zuvor bei der ... versichert. Dieser Vertrag war zunächst, weil der Kläger keine Prämien zahlte, außer Vollzug und ist, als er nachträglich seine Alkoholsucht mitteilte, beendet worden.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen ... und eidliche Vernehmung der Zeugen ... und ....</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks"><b>1.)</b></p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Der Zeuge ... hat ausgesagt:</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Er sei damals und sei heute wieder bei der Beklagten als Versicherungskaufmann tätig. Vom 01.07.1985 bis zum 01.07.1987 sei er selbständig gewesen. Der Name ... sei ihm nicht bekannt gewesen. Er habe diesen Namen erstmals gehört, als Herr ... ihn angerufen und gesagt habe, er müsse vermutlich eine Aussage vor dem Oberlandesgericht machen. Er sei Bezirksdirektor, Herr ... sei Orga-Leiter und Herr ..., jetzt ..., sei Mitarbeiter gewesen. Herr ... habe 5 bis 8 Mitarbeiter zu betreuen, habe aber keine Abschlußvollmacht gehabt. Eine solche habe nicht einmal er, der Zeuge, gehabt. Entscheidungen über Verträge der vorliegenden Art seien ausnahmslos in der Direktion getroffen worden. Er habe Herrn ... auch nicht bevollmächtigt. Allenfalls habe er ihn beauftragt, wirtschaftliche und persönliche Verhältnisse zu überprüfen, ohne daß er sich heute daran ... erinnern könne.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Auf Frage von Rechtsanwalt ..., ob er gegenteilig mit Rechtsanwalt ... (dem Rechtsvertreter des Klägers erster Instanz) gesprochen habe, erklärte der Zeuge: Ein Gespräch mit Rechtsanwalt ... habe er nicht in Erinnerung. Damals sei ein Großteil der Verträge, die von ... vermittelt worden seien, überprüft worden. Es sei damals um unerlaubte Abwerbung gegangen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks"><b>2.)</b></p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Der Zeuge ... hat ausgesagt:</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Er sei damals für die Beklagte als Orga-Leiter tätig gewesen, jetzt aber nicht mehr. Für die Beklagte sei er nur kurzfristig, nämlich vom 01.04.1984 bis zum 31.12.1984 tätig gewesen. Er arbeite jetzt gar nicht mehr in der Versicherungsbranche. Nach seiner Erinnerung müsse er um den 09.05.1984 herum, es könne auch der 01.05.1084 gewesen sein, bei Herrn ... gewesen sein. Er habe von Herrn ... den Auftrag bekommen, bei alle durch den Zeugen ... vermittelten Verträgen zu recherchieren, wie die Verträge zustandegekommen und warum etwaige ... Vorverträge gekündigt worden seien. Es habe nämlich Abwerbungsbeschwerden gegeben. Er habe bis zum Sommer 60 bis 70 Recherchen durchgeführt. Dabei habe er ein weißes Formular gehabt, das ihm die Versicherung zur Verfügung gestellt habe und das er jeweils bei den Kunden ausgefüllt habe. Auf Vorhalt von Bl. 82 GA: Ja, das sei das Formular. Auf die Frage, daß der Inhalt des Vordruckes nicht auf die von ihm angegebene Recherche schließen lasse, entgegnete der Zeuge: Ja das stimme, aber andere Formulare habe es nicht gegeben, seien ihm jedenfalls nicht zur Verfügung gestellt worden. Das Ergebnis komme auch nur verschlüsselt zum Ausdruck. Wenn er Bedenken gehabt hätte, hätte er nicht geschrieben, VN sei mit der Beratung zufrieden, sondern, VN sei mit der Beratung unzufrieden. Über gesundheitliche Probleme des Klägers sei damals nicht gesprochen worden. Diese seien nicht zur Sprache gekommen. Dessen sei er sich ganz sicher. Wenn solche Dinge zur Sprache gekommen seien, hätte er nämlich aufgemerkt, weil dann ja zu befürchten gestanden hätte, daß ... auch in anderen Fällen bei der Aufnahme von Verträgen Fehler gemacht haben könnte. Zweck des Gespräches sei nicht die Überprüfung des Antrages des Klägers, sondern ausschließlich die Überprüfung der Tätigkeit seines Mitarbeiters ... gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Es sei richtig, daß er später noch einmal beim Kläger gewesen sei, dabei sei es aber nur um private Dinge gegangen. Über Alkohol sei auch da nicht gesprochen worden. Er sei sicher, daß das Gespräch nicht im April, sondern im Mai stattgefunden habe und daß er das Formular bereits beim Gespräch und nicht etwa 3 Wochen später ausgefüllt habe. Auf Vorhalt von Bl. 175: Wenn in dem Terminkalender ... stehe, daß er auch am 25.04. bei Herrn ... gewesen sei, könne er dazu nichts sagen. Er wisse nicht, wie und wann die Eintragung gemacht worden sei. Jedenfalls sei er nicht beim Kläger gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Der <u>Kläger persönlich</u> erklärte:</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Herr ... habe den Vertrag aufgenommen, er habe ihn unterschrieben. Er habe vor der Unterschrift nicht über seine Alkoholprobleme geredet. Das sei erst später gewesen, und zwar habe er am nächsten Tag bei ... angerufen und ihm von seiner Alkoholsucht erzählt. Später sei dann ... mit ... vorbeigekommen. Den Antrag habe ... dabei in der Hand gehabt. Ob das Antragsformular schon voll ausgefüllt gewesen sei, als er unterschrieben habe, wisse er nicht mehr.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Der <u>Zeuge</u> erklärte weiter: Bei meiner Recherche lag mir der Original-Antrag nicht vor; ich hatte nur eine Fotokopie von dem Antrag dabei.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks"><b>3.)</b></p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Der Zeuge ..., geborener ..., hat ausgesagt:</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Er sei heute nicht mehr in der Versicherungsbranche tätig. Damals sei er in der Gruppe ... eingesetzt gewesen. Er habe den Vertrag ... aufgenommen. Dieser sei früher bei der ... versichert gewesen, für die auch er, der Zeuge, früher tätig gewesen sei. Er habe Herrn ... gefragt, ob er nicht bei der ... versichert werden wolle. Herr ... habe zugestimmt. Er, der Zeuge, habe gewußt, daß Herr ... gelegentlich etwas trank. Er sei zunächst allein zu Herrn ... gefahren. Er wisse nicht mehr, ob er da schon den Antrag fertig ausgefüllt gehabt habe, er meine aber ja, denn er habe zu Hause eine Kundenkartei gehabt, von der er die notwendigen Angaben immer abgeschrieben habe. Ob in seiner Kundenkartei, die Alkoholprobleme vermerkt gewesen seien, wisse er nicht. Er habe die Kundenkartei nicht mehr. Wahrscheinlich habe aber etwas darüber drin gestanden. Bei dem Gespräch mit dem Kläger sei ihm von diesem ... vor dessen Unterschrift ausführlich mitgeteilt worden, daß dieser stark alkoholkrank gewesen sei. Daß der Antrag insbesondere in diesem Punkt falsch ausgefüllt gewesen sei, sei ihm egal gewesen, weil er gewußt habe, daß ... ohnehin recherchieren würde. Er habe dann den vollständig ausgefüllten Antrag auf der Geschäftsstelle in ... abgegeben und Herrn ... daraufhin angesprochen. Er sei dann zusammen mit diesem zum Kläger gefahren. Aus seinem Terminkalender entnehme er, daß er am 10.04.1984 vormittags bei dem Kläger gewesen sei, daß er am 17.04.1984 zusammen mit ... erneut hingefahren sei. Das müsse der Termin gewesen sein, an dem über den Alkohol ausführlich gesprochen worden sei. Am 25.04. sei er dann noch einmal mit ... zum Kläger gefahren; dabei sei es aber ausschließlich um Funkgeräte gegangen, für die sich ... interessiert habe. Am 10. Mai sei er noch einmal bei ... gewesen, am 11.05. mit ... wieder bei .... Wann das Gespräch mit ... über den Alkohol gewesen sei, könne er nicht sicher sagen. Sicher sei aber, daß er den Antrag am 17.04. ausgefüllt habe. Er setze das Datum immer dann ein, wenn der Antrag unterschrieben werde. Zu diesem Zeitpunkt sei klar gewesen, daß der Antrag falsch gewesen sei. Gerade weil er das gewußt habe, sei er zu ... gegangen. Ob er diesem das mit den Entziehungskuren so deutlich gesagt habe, wisse er nicht mehr genau. Ihn habe die Erklärung des Klägers zum Alkohol zunächst gar nicht interessiert; er habe erst aufgemerkt, als die Entziehungskur zur Sprache gekommen sei. Das sei insbesondere auch bei dem Gespräch gewesen, an dem ... beteiligt gewesen sei. Das Gespräch sei mindestens 1 1/2 Stunden lang gewesen. ... habe auch geschrieben, was, könne er nicht sagen, weil er es ihm nicht gezeigt habe. Es habe sich um einen Recherchenbericht gehandelt. Der Antrag habe zusammen mit dem Bericht ... nach ... gehen sollen, so habe er sich das jedenfalls vorgestellt.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Auf Frage: Herr ... sei damals Filialdirektor und damit auch Herrn ... noch übergeordnet gewesen. Im Laufe des Rechtsstreits sei er von Herrn ... nach den Vorfällen damals gefragt worden. Dem habe er dasselbe gesagt, wobei er den Eindruck gehabt habe, daß Herr ... damit nicht recht zufrieden gewesen sei.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Auf Vorhalt Bl. 98 GA: Er könne sich nicht vorstellen, daß er beim Landgericht gesagt habe, erst zwei Wochen nach Abschluß des Versicherungsantrages sei ihm vom Kläger erstmals gesagt worden, daß er Alkoholprobleme habe. Das müsse beim Landgericht alles falsch aufgenommen worden sein.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks"><b>4.)</b></p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Die <u>Zeugin ... hat</u> ausgesagt:</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Sie sei die Ehefrau des Klägers. Bei der Antragsaufnahme sei sie nicht anwesend gewesen, weil sie arbeiten müsse. Ihr Mann habe ihr aber berichtet, daß schon damals über seine Alkoholprobleme gesprochen worden sei. ... habe dann entgegnet, das könne er nicht beurteilen und müsse deshalb einen weiteren Herrn der Beklagten zuziehen. Ca. 1 Woche später sei dann Herr ... mit Herrn ... ins Haus gekommen. Es sei ein langes Gespräch geführt worden, wobei es ausschließlich um Alkoholprobleme gegangen sei. Der Antrag habe auf dem Tisch gelegen. Ihr Mann habe alles gesagt, um später keine Schwierigkeiten mit der Versicherung zu bekommen. Ob der Antrag im Original oder als Ablichtung vorgelegen habe, wisse sie nicht. Es habe sich um ein Blatt Papier DIN A 4 gehandelt. Da habe oben Antrag oder so was ähnliches draufgestanden. Sie habe das Blatt nicht in die Hand genommen. Herr ... habe auf das Blatt Papier etwas geschrieben. Ihres Erachtens habe es sich nicht um einen Vordruck gehandelt.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Erneut hervorgerufen erklärte der <u>Zeuge ...:</u> Ihm sei von Alkoholproblemen nichts bekannt gewesen; darüber sei zu keiner Zeit gesprochen worden, das könne er nur wiederholen.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Nach Verkündung des Beschlusses über die Vereidigung der Zeugen und vor Abnahme des Eides erklärte der <u>Zeuge ...:</u> Er müsse seine Aussage in einem Punkte berichtigen. Es könne sein, daß der Kläger ihn doch angerufen und dabei über Alkoholprobleme gesprochen habe.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Die Berufung hat keinen Erfolg. Die Beklagte ist mit Schreiben vom 01.04.1986 wirksam wegen Verletzung der Anzeigepflicht vom Vertrag zurückgetreten, §6 AVB, §§16 f VVG.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Der Kläger mußte, wie ihm nach seinem eigenen Sachvortrag auch bekannt war, die vorliegende Alkoholsucht angeben und durfte die sachdienliche Frage in dem Antragsformular (derzeitiger Gesundheitszustand, Behandlungen in den letzten Jahren, Alkohol- und Drogenmißbrauch) nicht unrichtig beantworten. Der Beklagten ist der Antrag, ebenso wie die späteren Erhöhungsanträge, unstreitig ohne irgendwelche Zusätze zugegangen und sie hat hierüber auch ausschließlich aufgrund ihrer Kenntnisse aus dem Antrag befunden. Der Kläger hat damit objektiv über für die Entschließung der Beklagten erhebliche Umstände unrichtige Angaben gemacht, §17 Abs. 1 VVG. Dies rechtfertigt den Rücktritt, es sei denn, daß die Unrichtigkeit dem Versicherer bekannt war oder die Anzeige ohne Verschulden des Versicherungsnehmers unrichtig gemacht worden ist, §17 Abs. 2 VVG. Beides liegt nicht vor.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks"><b>a)</b></p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, daß die Unrichtigkeit der Angaben des Klägers der Beklagten nicht bekannt war. Die Kenntnis des Zeugen ... braucht sich die Beklagte nicht zurechnen zu lassen, §44 VVG. Denn dieser war unstreitig lediglich mit der Vermittlung von Versicherungsgeschäften betraut. Nichts anderes gilt für den Zeugen ....</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Denn der Zeuge ... war weder Angestellter bei der Beklagten, sondern Handlungsgehilfe im Sinne des §59 HGB ohne Abschlußvollmacht, wie sich aus dem vorgelegten Anstellungsvertrag (Bl. 124 GA) ergibt, und er war auch nicht im Einzelfall, wie der Kläger in der Berufungsinstanz behauptet hatte, zum Vertragsschluß ermächtigt. Dies hat der Zeuge ... glaubhaft ausgesagt. Davon abgesehen ist, worauf noch zurückzukommen sein wird, auch nicht erwiesen, daß der Zeuge ... überhaupt Kenntnis der in Rede stehenden Umstände hatte.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks"><b>b)</b></p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat auch keine Tatsachen bewiesen, die die unrichtigen Angaben als entschuldigt erscheinen lassen könnten.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">aa)</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Es erscheint schon zweifelhaft, ob das Verhalten des Klägers überhaupt als entschuldigt angesehen werden könnte. Der Senat kann nicht feststellen, daß der Kläger wenigstens den Zeugen ... vor Unterzeichnung des Antrages vollständig informiert hat. Der Kläger selbst hat im Senatstermin der entsprechenden Darstellung seiner Anwälte widersprochen und erklärt, erst am nächsten Tag ... fernmündlich informiert zu haben. Der Zeuge ... hat seine abweichende Darstellung vor der Beeidigung selbst in Zweifel gezogen. Die anderen Zeugen konnten hierzu keine Angaben machen. Bei einem solchen Sachverhalt spricht aber viel dafür, daß der Kläger bei Meidung des Vorwurfes, zumindest fahrlässig die Anzeigepflicht verletzt zu haben, alles daransetzen mußte, den, wie er wußte, unrichtigen Antrag richtigzustellen. Da ... wie er gegenüber dem Kläger ... erklärt hatte und wie sich im übrigen auch von selbst versteht, über den Antrag nicht entscheiden konnte, mußte der Kläger deshalb alles tun, daß die Beklagte Kenntnis vom wahren Sachverhalt erhielt. Selbst wenn das vom Kläger behauptete Gespräch mit dem Zeugen ... stattgefunden und der Kläger davon ausgegangen sein sollte, daß sein Antrag mit der Stellungnahme ... nach ... geschickt werden würde, spricht viel für die Wertung daß allein die Erwartung des Versicherungsnehmers, die Richtigstellung bezüglich eines bewußt falsch ausgefüllten Versicherungsantrages werde diesem beigefügt, diesen nicht entschuldigen kann. Er muß sich vergewissern, daß das auch geschieht, wenn nicht sogar verlangt werden muß, daß er auf die Berichtigung seines Antrags besteht, weil nur dann für ihn feststehen kann, daß seine Anzeigepflichtverletzung nicht zu einer Fehlinformation seines Vertragspartners, des Versicherers, führen kann. Letztlich kann das aber offenbleiben.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">bb)</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat nicht bewiesen, daß der Zeuge ... überhaupt über die bestehende Alkoholsucht informiert worden ist. Zwar haben die Zeugen ... und ... den entsprechenden Vortrag des Klägers unter Eid bestätigt, der Zeuge ... hat ihn aber ebenfalls unter Eid abgestritten. Der Senat sieht sich nicht in der Lage, dem Kläger (möglicherweise) günstige Feststellungen zu treffen. Der Zeuge ... ist unglaubwürdig, seine Aussage unglaubhaft. Sie widerspricht nicht nur in wesentlichen Punkten seiner Aussage vor dem Landgericht, der Zeuge mußte auch im Senatstermin in einem nicht unwesentlichen Punkt (Telefongespräch des Klägers) von seiner Aussage wieder abrücken. Unglaubhaft ist auch, daß es dem Zeugen gleichgültig gewesen sein will, daß die Angaben im Antragsformular unrichtig waren. Sowohl in seinem Interesse als auch in dem des Klägers wäre eine umgehende Berichtigung zu erwarten gewesen. Seine Erklärung, der Zeuge ... werde ohnehin recherchieren, erklärt ein solches Vorgehen nicht. Auffallend ist auch, daß er sich nicht daran erinnern kann oder will, ob er ... überhaupt deutlich aus das Alkoholproblem des Klägers hingewiesen hat, bevor er mit ihm zum Kläger gefahren ist. Demgegenüber hat die Zeugin ..., die Ehefrau des Klägers, vor dem Senat keinen schlechten Eindruck hinterlassen. Das gilt aber auch für den Zeugen .... Auch seine Aussage ist in sich schlüssig. Seine Erklärung, er hätte die Alkoholsucht schon deshalb in den Recherchenbericht aufgenommen, weil dieses für die Beurteilung der Arbeit ... von erheblichem Gewicht gewesen wäre, ist nachvollziehbar. Weiter geht der Senat davon aus, daß es sich bei dem Formular (Bl. 802) um die während des Gespräches gefertigten Aufzeichnungen des Zeugen handelt. Der Senat hat sich, zumal die Zeugin ... auch ein erhebliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreites hat, nicht davon überzeugen könne, welcher der Zeugen - nach Lage der Dinge bewußt - die Unwahrheit gesagt hat.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Ist aber nicht erwiesen, daß der Kläger den wahren Sachverhalt gegenüber dem Zeugen ... aufgedeckt hat, kann eine Erklärung gegenüber dem Zeugen ... ihn nicht entlasten. Denn dieser Zeuge hatte dem Kläger ... erklärt, daß er die Sache nicht entscheiden könne und deshalb mit einem weiteren Herrn wiederkommen werde.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Bei dieser Sachlage kam die von dem Kläger angeregte eigene Parteivernehmung nicht in Betracht; der dafür zumindest erforderliche Anbeweis ist nicht erbracht. Es muß vielmehr bei der angefochtenen Entscheidung sein Bewenden haben.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§97 I, 708 Ziff. 10, 711 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Die Beschwer des Klägers übersteigt 40.000,- DM.</p>
|
315,420 | olgham-1987-11-25-11-u-34786 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
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} | 11 U 347/86 | 1987-11-25T00:00:00 | 2019-03-13T14:55:12 | 2019-03-27T09:43:10 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1987:1125.11U347.86.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung der Klägerin, die im übrigen zurückgewiesen wird, wird das am 30. Oktober 1986 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Essen abgeändert.</p>
<p></p>
<p>Die Beklagten werden verurteilt, zugunsten der Klägerin in die Freigabe der auf dem Notar-Anderkonto Nr. xxx der Deutschen Bank AG, Zweigstelle xxx des Notars xxx in xxx hinterlegten 60.000,-- DM nebst Zinsen einzuwilligen.</p>
<p></p>
<p>Auf die Widerklage der Beklagten bleibt die Klägerin verurteilt, an die Beklagten als Gläubiger zur gesamten Hand 2.000,-- DM nebst 4% Zinsen seit dem 11. November 1985 zu zahlen.</p>
<p></p>
<p>Im übrigen wird die Widerklage abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Berufung der Beklagten gegen das vorgenannte Urteil wird zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 3,2%, die Beklagten 96,8%.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p>Den Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10.500,00 DM abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.</p>
<p></p>
<p>Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2.700,-- DM abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.</p>
<p></p>
<p>Den Beklagten wird nachgelassen, die Sicherheit auch durch unbedingte und unbefristete selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse zu leisten.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil beschwert die Beklagten in Höhe von 100.000,-- DM und die Klägerin in Höhe von 2.000,-- DM.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Tatbestand</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin war die Lebensgefährtin des am 31. Oktober 1911 geborenen und am 16. März 1985 in xxx verstorbenen xxx (im folgenden Z.). Die Beklagte zu 1) ist die Witwe des Z., der Beklagte zu 2) dessen Adoptivsohn und Sohn der Beklagten zu 1) aus erster Ehe, die Beklagte zu 3) die Tochter des Z. aus dessen Ehe mit der Beklagten zu 1). Die Beklagten sind - wie sie behaupten - die gesetzlichen Erben des Z. Dieser und die Beklagte zu 1) lebten seit 1972 innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt; im August 1978 zog Z. zu der Klägerin, die damals in Essen wohnte. Nachdem es zu Streitigkeiten zwischen der Klägerin und Z. gekommen war, verließ Z. Ende September 1979 die Klägerin, kehrte aber später - nach der Behauptung der Klägerin im Oktober 1979, nach der Behauptung der Beklagten erst im Jahre 1981 - zur Klägerin zurück. Die Klägerin betrieb in xxx eine Heilpraktikerpraxis, zu deren Einrichtung Z. Mittel in streitiger Höhe zur Verfügung stellte. Unstreitig erhielt sie von Z. einen Betrag von DM 20.000,--, bei dem es sich nach der Behauptung der Beklagten um ein Darlehen gehandelt haben soll. Mit eingeschriebenem Anwaltsschreiben vom 1. Oktober 1979 ließ Z. das "im Januar 1979 gewährte Darlehen in Höhe von DM 20.000,--" kündigen und die Klägerin auffordern, das "Darlehen" bis spätestens 5. Januar 1980 an ihn zurückzuzahlen. Die Klägerin verweigerte die Annahme dieses Schreibens. Die Angelegenheit wurde hiernach von Z. nicht weiter verfolgt.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Bereits im Jahre 1978 hatte die Beklagte zu 1) beim Amtsgericht Essen Scheidungsantrag gestellt. Das Verfahren kam jedoch 1979 einverständlich zum Ruhen. Es sollte 1982 weiterbetrieben werden. Inzwischen war aber bei Z., der wieder mit der Klägerin zusammenlebte, eine krankhafte Störung seiner Geistestätigkeit eingetreten, die dazu führte, daß er seine Angelegenheit nicht mehr selbst besorgen konnte. Nach einer ärztlichen Bescheinigung des Arztes für Nervenkrankheiten Dr. xxx vom 23. März 1982 war Z. geschäftsunfähig. Auf Antrag des Prozeßbevollmächtigten des Z. ordnete das Amtsgericht am 13. Mai 1982 eine Pflegschaft an mit dem Wirkungskreis "Vertretung des Pflegebefohlenen in allen Vermögensangelegenheiten, Wahrnehmung seiner Interessen in dem Ehescheidungsverfahren xxx (xxx Amtsgericht Essen) einschließlich der Folgesachen". Am 28. Mai 1982 wurde der Wirkungskreis des Pflegers um das Aufenthaltsbestimmungsrecht erweitert. Zum Pfleger wurde Rechtsanwalt xxx aus xxx bestellt. Dieser beließ Z. bei der Klägerin, die ihn pflegte und betreute. An laufenden Einnahmen bezog Z. eine Rente von anfangs monatlich DM 1.639,50, die sich im Laufe der Zeit auf DM 1.736,20 erhöhte. Davon wurde der laufende Unterhalt für die Beklagte zu 1) in Höhe von DM 665,50 gezahlt. Ab Juli 1982 zahlte der Pfleger an die Klägerin für die Versorgung des Z. anfangs monatlich DM 700,00. Diesen Betrag erhöhte er rückwirkend auf DM 2.000,-- und zahlte für die Zeit von Juli 1982 bis November 1983 DM 22.100,-- nach. Inzwischen hatte Z., vertreten durch seinen Pfleger, am 30. Juni. 1983 mit der Beklagten zu 1) einen Ehevertrag abgeschlossen und seinen hälftigen Miteigentumsanteil an einem Hausgrundstück für DM 250.000,-- an den Beklagten zu 2) verkauft. Beide Verträge wurden am 21. Juli 1983 vormundschaftsgerichtlich genehmigt. Ende 1983 gab die Klägerin ihre Heilpraktikerpraxis in xxx auf und verzog mit Z. nach xxx in der Nähe von xxx, wo er bis zu seinem Tode verblieb.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Inzwischen war die Klägerin an den Pfleger herangetreten und hätte von ihm den Ausgleich der von ihr angeblich in der Vergangenheit für Z. erbrachten tatsächlichen und finanziellen Leistungen sowie eine finanzielle Absicherung ihrer künftigen Versorgungs- und Pflegeleistungen für Z. verlangt. Ein von dem Pfleger dazu erstellter Vertragsentwurf (Bl. 118 ff d. Beiakten) stieß bei dem Vormundschaftsrichter auf Ablehnung. In der Folge führte der Pfleger in dieser Angelegenheit Gespräche mit Rechtsanwalt und Notar xxx, dem anwaltlichen Vertreter der Klägerin. Schon vorher hatte er am 27. März 1984 über seine Absichten mit der Beklagten zu 3), deren Ehemann und Rechtsanwalt Dr. xxx in xxx ein Gespräch geführt. Dabei wandten diese sich gegen Zuwendungen an die Klägerin aus dem Vermögen des Z., insbesondere gegen Zuwendungen für den Fall des Ablebens von Z.. Ob insoweit eine Einigung mit dem Pfleger erzielt wurde, ist streitig. Am 13. November 1984 kam es zu einer gemeinsamen Besprechung des Pflegers und des Rechtsanwalt Dr. xxx mit dem Vormundschaftsrichter. Im Anschluß daran schloß die Klägerin unter dem 16. November 1981 mit dem durch den Pfleger vertretenen Z. einen notariellen Vertrag, der von Notar Dr. xxx beurkundet wurde. In diesem Vertrag verpflichtete sich die Klägerin, Z. bis an dessen Lebensende in ihrer Wohnung wohnen zu lassen, ihn ständig zu pflegen, zu beköstigen, zu betreuen und sämtliche erforderliche Hilfeleistungen zu erbringen. Die Verpflichtung sollte entfallen, wenn die Betreuung das für die Klägerin zumutbare Maß überschreiten würde. Ferner hieß es in dem Vertrag:</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">"(2)</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, daß die tatsächlichen und wirtschaftlichen Unterstützungen seitens der Frau xxx (Klägerin) nicht in ausreichender Weise bezahlt worden sind. In Erkenntnis dieser Tatsache wird festgelegt, daß </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">a) ein Betrag von DM 20.000,-- sofort an die Erschienene zu 2.) (Klägerin) ausgezahlt wird, </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">b) ein Betrag von DM 60.000,-- auf ein auf den Namen der Frau xxx lautendes Konto angelegt wird, der auszuzahlen ist, sobald die Sterbeurkunde des Herrn xxx vorgelegt wird. Dieser Betrag gilt ebenfalls als Ausgleich für die von Frau xxx in der Vergangenheit erbrachte Leistung soweit sie nicht mit der Zahlung von DM 20.000,-- abgegolten ist und zugleich für die künftigen Leistungen, Betreuungen und Versorgung des Herrn xxx durch die Erschienene zu 2.), wobei diese pauschale Abgeltung festgesetzt wird.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Das Sparbuch soll im Besitz des Pflegers bleiben, der ohne Zustimmung von Frau xxx hierüber nicht verfügen darf. Falls Herr xxx vor dem 30.09.1989 in einem Alten- oder Pflegeheim untergebracht werden sollte, ermäßigt sich der Abfindungsbetrag von DM 60.000,-- auf DM 30.000,--. Für diesen Fall gibt Frau xxx den Teilbetrag von DM 30.000,-- frei.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">(3)</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Sollte diese zu Lebzeiten anerkannte Schuldverpflichtung seitens der gesetzlichen Erben des Herrn xxx in Zweifel gezogen werden, bleibt es Frau xxx vorbehalten, weitere Forderungen als wirtschaftlichen Ausgleich für die bisher bereits erbrachten und die noch in Zukunft zu erbringenden tatsächlichen und finanziellen Leistungen geltend zu machen. Insoweit verzichtet der Erschienene zu 1.) auf die Einrede der Verjährung.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">(4)</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Der Erschienene zu 1.) als Pfleger des Herrn xxx, verpflichtet sich, in seiner Eigenschaft als amtlich bestellter Pfleger, der Erschienenen zu 2.) monatlich einen Betrag von DM 2.000,-- und zwar jeweils innerhalb der ersten fünf Tage eines jeden Monats im Voraus auf das von Frau xxx anzugebende Konto zu überwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Soweit sich die Rente des Herrn xxx ändert, ist auch der zu zahlende Betrag entsprechend anzupassen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Dieser Betrag dient in erster Linie zur Abdeckung anteiliger Mietkosten, Heizung, Strom, Wasserkosten pp und in zweiter Linie für die anteilige Verpflegung, wie auch Sonderkost des Herrn xxx und in einem kleinen Umfang mag ein etwaiger Überschuß auf Betreuung und Pflege in Ansatz gebracht werden.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligten sind sich darüber im klaren, daß bei einer Unterbringung in einem Pflegeheim ein wesentlich höherer Monatsbetrag zu entrichten wäre und daß dann, wenn Herr xxx eine Pflegerin oder Krankenschwester einstellt, ebenfalls man mit diesem Betrag nicht annähernd auskommt. Gerade in dieser Erkenntnis soll der Betrag von DM 60.000,-- auf ein auf Frau xxx lautendes Sparkonto genommen werden.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die zu zahlenden DM 20.000,-- sind ausschließlich als Teilzahlung auf Unkosten, die vor der Pflegerbestellung entstanden sind, anzurechnen und auf die erheblichen wirtschaftlichen und tatsächlichen Leistungen seitens der Frau xxx zugunsten des Herrn xxx. Auch ein Teilbetrag von DM 60.000,-- dürfte diesen Zeitraum betreffen. Die Parteien verzichten aber darauf, einen genauen Ausgleich vorzunehmen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Weitergehende wechselseitige Ansprüche bestehen zwischen den Parteien nicht."</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Wegen des weiteren Inhalts des notariellen Vertrages vom 16.11.1984 wird auf die Ablichtung Bl. 7 ff. d.A. Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Der notarielle Vertrag wurde mit Beschluß des Amtsgerichts Essen vom 7. Januar 1985 vormundschaftsgerichtlich genehmigt. Von diesem Beschluß erhielt die Klägerin am 16. Januar 1985 Kenntnis. Alsbald danach zahlte der Pfleger xxx DM 20.000,-- an die Klägerin. Am 16. März 1985 starb Z.. Die Klägerin verlangte nunmehr unter Vorlage der Sterbeurkunde gem. Nr. 2 b des Vertrages vom 16. November 1984 von dem Pfleger die Auszahlung des Betrages von DM 60.000,--. Dagegen wandten sich die Beklagten als gesetzliche Erben des Z.. Die Parteien kamen darauf überein, daß die DM 60.000,-- auf einem Notar-Anderkonto des Notars Dr. xxx hinterlegt und nur mit Ermächtigung der Erben des Z. ausgezahlt werden sollten.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat mit ihrer Klage von den Beklagten Einwilligung in die Freigabe des hinterlegten Betrages von DM 60.000,-- nebst Zinsen zu ihren Gunsten sowie Erstattung restlicher Beerdigungskosten von DM 787,80 nebst Zinsen begehrt. Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten und haben im Wege der Widerklage von der Klägerin ihrerseits die Freigabe des hinterlegten Betrages zu ihren Gunsten, die Rückzahlung des von dem Pfleger an die Klägerin ausgezahlten Betrages von DM 20.000,--, ferner die Zahlung eines Betrages von DM 2.000,--, den die Klägerin von dem Pfleger zuviel erhalten habe, und schließlich die Auskehrung des von der Krankenkasse an die Klägerin gezahlten Sterbegeldes von DM 3.733,20 DM verlangt. Hilfsweise haben die Beklagten den von ihnen geltend gemachten Zahlungsanspruch von DM 20.000,-- auf ein von Z. der Klägerin im Januar 1979 gewährtes, aber bisher nicht zurückgezahltes Darlehen von DM 20.000,-- gestützt.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Nach Vernehmung des Pflegers Rechtsanwalt xxx als Zeugen hat das Landgericht Essen durch das angefochtene Urteil die Beklagten verurteilt, zugunsten der Beklagten in die Freigabe des hinterlegten Betrages in Höhe eines Teilbetrages von DM 30.000,-- nebst anteiligen Zinsen einzuwilligen. Auf die Widerklage hat es die Klägerin verurteilt, zugunsten der Beklagten als Gläubiger zur gesamten Hand in die Freigabe des Restbetrages des hinterlegten Betrages einzuwilligen und an die Beklagten DM 22.900,52 nebst Zinsen zu zahlen. Im übrigen hat es Klage und Widerklage abgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil, auf das - auch wegen des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien - Bezug genommen wird, haben beide Seiten Berufung eingelegt. Die Klägerin verfolgt mit ihrer Berufung die Freigabe des hinterlegten Betrages zu ihren Gunsten in voller Höhe und bekämpft mit längeren Ausführungen die Auffassung des Landgerichts, daß sie sich in Anwendung der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage eine Minderung ihres Anspruches auf die Hälfte gefallen lasse müsse. Ferner beansprucht sie weiterhin Erstattung restlicher Beerdigungskosten in Höhe von DM 787,80, wendet sich gegen ihre Verurteilung auf die Widerklage zur Zahlung von DM 20.000,-- und bestreitet weiterhin, daß Z. ihr ein Darlehen von DM 20.000,-- gewährt habe. Desweiteren hält sie sich nicht zur Rückzahlung eines Betrages von DM 2.000,-- für verpflichtet und macht in diesem Zusammenhang geltend, eine Leistung ohne Rechtsgrund liege insoweit nicht vor, auch sei eine etwaige rechtsgrundlose Bereicherung weggefallen, weil sie das Geld für den Unterhalt und die Pflege des Z. verwandt habe. Schließlich bekämpft die Klägerin ihre Verurteilung zur Rückzahlung von Sterbegeld in Höhe von DM 900,52 nebst Zinsen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">unter Abänderung des angefochtenen Urteils im vollen Umfang nach ihren in erster Instanz zuletzt gestellten Anträgen zu erkennen.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">unter Abänderung des angefochtenen Urteils</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">1. die Klage insgesamt abzuweisen,</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">2. widerklagend die Klägerin zu verurteilen,</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">a) zu ihren Gunsten als Gläubiger zur gesamten Hand die Freigabe des auf dem Notar-Anderkonto Nr. xxx, Zweigstelle xxx, des Notars xxx hinterlegten Betrags in Höhe von DM 60.000,-- nebst Zinsen einzuwilligen;</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">b) unter Einschluß des ausgeurteilten Betrages an sie als Gläubiger zur gesamten Hand insgesamt DM 25.733,20 nebst 8,5% von DM 3.733,20 seit dem 20. April 1985 und von DM 25.733,20 seit dem 11. November 1985 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten halten den Vertrag vom 16. November 1984 für nichtig, weil Rechtsanwalt xxx nicht wirksam zum Pfleger bestellt worden sei, weil Notar Dr. xxx als Interessenvertreter der Klägerin an der Beurkundung des Vertrages nicht habe mitwirken dürfen und weil die Beteiligten mit dem Vertragsschluß die erbrechtlichen Vorschriften über Verfügungen von Todes wegen umgangen hätten. Nach Inhalt und Zweck des Vertrages hätten der Klägerin schenkweise von Todes wegen oder als Vermächtnis Beträge von insgesamt DM 80.000,-- zugewendet werden sollen. Auch sei der notarielle Vertrag wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig, weil die in dem Vertrag bestimmten Zahlungen von DM 20.000,-- und DM 60.000,-- ausschließlich dazu hätten dienen sollen, mögliche erbrechtliche Ansprüche der gesetzlichen Erben zu schmälern. Auch bestehe ein auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, zumal Z. erst ab Juni 1982 ein Pflegefall gewesen sei und der monatlich gezahlte Betrag von DM 2.000,-- ausgereicht habe, die Leistungen und den Aufwand der Klägerin angemessen abzudecken. Weiterhin berufen sich die Beklagten darauf, daß ihre Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung durchgreife. In diesem Zusammenhang machen die Beklagten geltend: Die Klägerin habe den Pfleger über den Umfang ihrer Pflege- und Betreuungsleistungen bewußt getäuscht. Die Klägerin habe gegenüber dem Pfleger wahrheitswidrig behauptet, Z. von 1978 bis 1982 gepflegt zu haben, obwohl Z. erst ab Juni 1982 pflegebedürftig gewesen sei. Zudem sei Z. am 30. September 1979 aus der Wohnung der Klägerin ausgezogen und - nach Wiederaufleben des Verhältnisses zur Klägerin - erst im Jahre 1981 dorthin zurückgekehrt. Im Berufungsrechtszug berufen sich die Beklagten erstmals darauf, die Klägerin habe den Pfleger mit der Drohung, die Pflege nicht mehr fortzuführen, zum Abschluß des notariellen Vertrages und zur Durchsetzung unangemessener Forderungen bestimmt. Jedenfalls halten die Beklagten nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage eine Anpassung des Vertrages für geboten. Weiterhin stützen die Beklagten ihren Anspruch auf Zahlung von DM 20.000,-- hilfsweise auf die Behauptung, Z. habe der Klägerin in dieser Höhe ein Darlehen gewährt, das bisher nicht zurückgezahlt sei, und verteidigen die Verurteilung der Klägerin zur Rückzahlung von DM 2.000,-- nebst Zinsen. Schließlich haben sie die Auskehrung des an die Klägerin gezahlten Sterbegeldes von DM 3.733,20 verlangt.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Berufungsvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und die überreichten Unterlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die Pflegschaftsakten xxx sind informatorisch Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">In der Verhandlung haben die Prozeßbevollmächtigten der Parteien übereinstimmend erklärt, daß hinsichtlich der Beerdigungskosten und des Sterbegeldes beiderseits keine Ansprüche mehr gegeneinander geltend gemacht würden.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat die Klägerin persönlich gem. § 141 ZPO angehört. Sie hat angegeben: Herr xxx habe kein Testament hinterlassen. Seit August 1978 habe sie mit xxx zusammengelebt. Damals sei er noch gesund gewesen. Erst ab 1982 sei er zu einem Pflegefall geworden. Schon vor seinem geistigen Verfall sei bei ihm eine Inkontinenz eingetreten. Aggressiv sei xxx nicht gewesen. Wie es zu der zeitlichen Fixierung auf den 30. September 1989 in Nr. 2 b des Vertrages vom 16. November 1984 gekommen sei, könne sie nicht sagen. Auch könne sie nicht erklären, wie es zu dem in dieser Vertragsbestimmung genannten Betrag von DM 30.000,-- gekommen sei.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks"><u>Entscheidungsgründe</u></p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung der Klägerin hat überwiegend Erfolg. Sie führt dazu, daß die Beklagten in die Freigabe des gesamten hinterlegten Betrages nebst Zinsen zu Gunsten der Klägerin einzuwilligen haben. Auf die Widerklage bleibt die Klägerin lediglich zur Zählung eines Betrages von DM 2.000,00 nebst Zinsen verurteilt. Die Berufung der Beklagten hat dagegen keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">A.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks"><u>Berufung der Klägerin</u></p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">1)</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin kann von den Beklagten die Einwilligung in die Freigabe des gesamten auf dem Notaranderkonto hinterlegten Betrages von DM 60.000,00 verlangen. Der Anspruch ergibt sich aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB ("Bereicherung in sonstiger Weise"), weil die Klägerin durch die einverständlich erfolgte Hinterlegung des Geldbetrages von DM 60.000,00 auf einem Notaranderkonto ohne Zustimmung der Beklagten das Geld nicht ausgezahlt erhält und die Beklagten diese Rechtstellung auf Kosten der Klägerin ohne rechtlichen Grund erlangt haben. Die Beklagten sind daher der Klägerin aus § 812 BGB verpflichtet, ihre Rechtsstellung dadurch aufzugeben, daß sie zu Gunsten der Klägerin in die Freigabe des auf dem Notaranderkonto hinterlegten Betrages von DM 60.000,00 nebst Zinsen einwilligen (vgl. dazu BGH NJW 1970, 463).</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">2)</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten sind durch die Hinterlegung der DM 60.000,00 auch dann auf Kosten der Klägerin bereichert, wenn sie (gesetzliche) Erben des Z. geworden sein sollten. Denn aufgrund Nr. 2 b des notariellen Vertrages vom 16. November 1984 steht der hinterlegte Betrag der Klägerin zu. Darin ist bestimmt, daß ein Betrag von DM 60.000,00 an die Klägerin auszuzahlen ist, sobald die Sterbeurkunde des Z. vorgelegt wird. Letzteres ist unstreitig geschehen.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">3)</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Vertrag vom 16. November 1984 rechtswirksam zustande gekommen.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Der für Z. bestellte Gebrechlichkeitspfleger hat den notariellen Vertrag im Rahmen seines Wirkungskreises als gesetzlicher Vertreter des Z. geschlossen. Denn nach dem unstreitigen Sachverhalt war Z. zur Zeit des Vertragsschlusses bis zu seinem Tode geschäftsunfähig. Davon gehen auch die Parteien dieses Rechtsstreits aus. Nach der Beurteilung des Arztes für Nervenkrankheiten Dr. xxx, wie sie in der ärztlichen Bescheinigung vom 23. März 1982 (Bl. 3 d. BA.) niedergelegt wurde, befand sich Z. schon zur damaligen Zeit nicht nur vorübergehend in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit im Sinne des § 104 Nr. 2 BGB. Dafür sprechen auch die Feststellungen in dem Aktenvermerk vom 13. Mai 1982 (Bl. 5 d. BA.) der mit der Anordnung der Gebrechlichkeitspflegschaft befaßten Vormundschaftsrichterin. Im Falle der Geschäftsunfähigkeit des Pflegebefohlenen hat der Pfleger die Stellung eines gesetzlichen Vertreters (BGHZ 48, 147, 161). Da der Wirkungskreis des Pflegers die Vertretung des Pflegebefohlenen in allen Vermögensangelegenheiten umfaßt, war der Pfleger auch befugt, für Z. den notariellen Vertrag vom 16. November 1984 zu schließen, durch den die Pflege, Betreuung und Versorgung des Pflegebefohlenen unter Einsatz dessen Vermögens auf Dauer rechtsverbindlich sichergestellt werden sollten.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Ob und gegebenenfalls nach welchen Vorschriften der notarielle Vertrag vom 16. November 1984 der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bedurfte, kann dahingestellt bleiben, weil das Vormundschaftsgericht jedenfalls den Vertrag durch Beschluß vom 7. Januar 1985 genehmigt hat. Wie im Berufungsverfahren nicht mehr im Streit ist, im übrigen auch durch die in den Pflegschaftsakten befindliche Erklärung vom 16. Januar 1985 (Bl. 164 d. BA.) nachgewiesen ist, hat die Klägerin durch den Pfleger von der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung des Vertrages am 16. Januar 1985 Kenntnis erhalten. Aus dieser Erklärung ergibt sich zugleich, daß der Pfleger der Klägerin die Genehmigung mitgeteilt hat (vgl. §§ 1829 Abs. 1, 1915 Abs. 1 BGB).</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">4)</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Es liegen auch keine Nichtigkeits- oder Anfechtungsgründe vor.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Für die Annahme eines sog. Scheingeschäfts im Sinne des § 117 Abs. 1 BGB liegen keine Anhaltspunkte vor. Auch die Beklagten berufen sich nicht auf einen solchen Nichtigkeitsgrund.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, ist der Vertrag nicht wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB i.V. mit § 3 Abs. 1 Nr. 5 des BeurkG deshalb nichtig, weil an der Beurkundung ein Notar mitgewirkt hat, den die Klägerin in derselben Angelegenheit bevollmächtigt hatte. § 3 BeurkG enthält lediglich sogenannte Sollvorschriften, die der beurkundende Notar zwar beachten muß, deren Verletzung aber nicht zur Nichtigkeit des Vertrages führt (Palandt-Heinrichs, BGB, 46. Aufl., § 3 BeurkG, Anm. 1 a; Firsching in Staudinger, BGB, 12. Aufl., § 3 BeurkG Rdn. 5).</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">c)</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Der Berufung der Beklagten kann auch nicht darin gefolgt werden, daß es an einem wirksamen Vertragsschluß deshalb fehle, weil Rechtsanwalt xxx vom Amtsgericht xxx nicht wirksam zum Pfleger bestellt worden sei. Gründe, die die Pflegerbestellung nichtig machten, zeigt sie nicht auf. Im Interesse des Verkehrsschutzes kann eine unwirksame Pflegerbestellung nur dann in Betracht gezogen werden, wenn dabei Normen verletzt wurden, an deren Nichtbeachtung das Gesetz unzweideutig die Nichtigkeit knüpft (vgl. BGHZ 41, 303, 309). Die Voraussetzungen für die Anordnung einer Gebrechlichkeitspflegschaft nach § 1910 BGB lagen bei Z. zweifellos vor. Auch wenn das Vormundschaftsgericht aufgrund der Vorschrift des § 1779 Abs. 3 BGE, die auf die Pflegschaft gem. 1915 Abs. 1 BGB entsprechend anzuwenden ist, die Beklagten bei der Auswahl des Pflegers hätte hören müssen, berührt eine etwaige Verletzung der genannten Vorschriften nicht die Rechtswirksamkeit der Pflegerbestellung. Bei § 1779 Abs. 3 BGB handelt es sich um eine bloße Sollvorschrift, deren Verletzung ohne Einfluß auf die Wirksamkeit der Pflegerbestellung und der von dem Pfleger vorgenommenen Rechtshandlungen ist (vgl. auch Soergel-Damrau, BGB, 11. Aufl., § 1779 Rdn. 11 und § 1915 Rdn. 5). Auch eine etwaige Verletzung der gem. § 1915 Abs. 1 BGB im Pflegschaftsrecht entsprechend geltenden Vorschrift des § 1847 BGB, wonach das Vormundschaftsgericht in wichtigen Angelegenheiten Verwandte oder Verschwägerte des Mündels (bzw. des Pflegebefohlenen) hören soll, führt nicht zur Unwirksamkeit des vom Pfleger vorgenommenen Rechtsgeschäfts und der vom Vormundschaftsgericht ausgesprochenen Genehmigung dieses Rechtsgeschäfts (vgl. dazu Schwab in Münchener Kommentar zum BGB, 2. Aufl., § 1847 Rdn. 1 mit weiteren Nachweisen). § 1847 BGB ist lediglich eine Ordnungsvorschrift, die der besseren und umfassenderen Information des Vormundschaftsgerichts dient. Die Vorschrift gewährt den Verwandten und Verschwägerten kein eigenes Anhörungsrecht. Als bloße Ordnungsvorschrift kann deren Verletzung nicht die Unwirksamkeit der gerichtlichen Maßnahmen bewirken, erst recht nicht die Unwirksamkeit der vom Pfleger vorgenommenen Rechtsgeschäfte.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">d)</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Unzutreffend ist auch die Auffassung der Beklagten, der Vertrag vom 16. November 1984 sei rechtsunwirksam, weil die Vertragsschließenden die erbrechtlichen Vorschriften über Verfügungen von Todes wegen bewußt umgangen hätten.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">aa)</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der der Senat folgt, bildet die Gesetzesumgehung dann einen Nichtigkeitsgrund gemäß § 134 BGB, wenn durch andere - ernstlich gemeinte - rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten der Zweck einer Rechtsnorm vereitelt wird. Ein vom Gesetz mißbilligter (verbotener) Erfolg soll nicht durch Umgehung des Gesetzes erreicht werden dürfen (BGHZ 58, 61, 65; 85, 39, 46; BGH, NJW 1959, 332, 334; vgl. auch Mayer-Maly in Münchener Kommentar zum BGB, 2. Aufl., § 134 Rdn. 11 ff.; Krüger-Nieland/Zöller in BGB-RGRK, 12. Aufl., § 134 Rdn. 139).</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">bb)</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Um einen Fall der Gesetzesumgehung handelt es sich vorliegend indes nicht. Allerdings war Z. mangels Testierfähigkeit der Weg der Verfügung von Todes wegen verschlossen. Wie oben ausgeführt (3a), war er geschäftsunfähig im Sinne des § 104 Nr. 2 BGB. Dann aber war er auch testierunfähig im Sinne des § 2229 Abs. 4 BGB. Er konnte mithin weder ein Testament wirksam errichten noch einen Erbvertrag abschließen oder bestätigen (vgl. §§ 2275 Abs. 1, 2284 BGB), auch kein Vermächtnis aussetzen (vgl. §§ 1939, 1941 Abs. 1 BGB). Da ein Erblasser ein Testament nur persönlich errichten und einen Erbvertrag nur persönlich schließen kann (§§ 2064, 2274 BGB), ist jegliche Art von Vertretung, auch die gesetzliche, bei letztwilligen Verfügungen ausgeschlossen (vgl. BGHZ 15, 199, 200). Den genannten gesetzlichen Vorschriften, denen zufolge testier- und geschäftsunfähige Personen Verfügungen von Todes wegen - auch durch einen gesetzlichen Vertreter - nicht treffen können, liegt nicht ein Verbot zugrunde, durch Rechtsgeschäft unter Lebenden für den Fall des Todes über den künftigen Nachlaß zu verfügen oder Verpflichtungen einzugehen. Wie den Vorschriften der §§ 331, 2301 BGB zu entnehmen ist, gebt das Gesetz - in den Grenzen der §§ 134, 138 BGB - von der grundsätzlichen Zulässigkeit derartiger Geschäfte aus, so daß diese Geschäfte grundsätzlich nicht unter dem Gesichtspunkt einer Umgehung des Gesetzes oder berechtigter Belange anderer Personen betrachtet werden können (vgl. BGHZ, 8, 23, 31/32). Dann ist es auch zulässig, daß der Erblasser im Falle seiner Geschäftsunfähigkeit solche Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte durch seinen ordnungsgemäß bestellten gesetzlichen Vertreter vornimmt,</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">c)</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Der notarielle Vertrag vom 16. November 1984 enthält keine (verschleierten) Verfügungen von Todes wegen. Sein Inhalt und die Umstände seines Zustandekommens rechtfertigen eine solche Auslegung nicht.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">aa)</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Weder die in 2 a des Vertrages vereinbarte Zahlung von DM 20.000,00 noch die in Nr. 4 Abs. 1 des Vertrages festgelegten laufenden Zahlungen von monatlich DM 2.000,00 an die Klägerin sind in irgendeiner Weise auf den Fall des Todes abgestellt, so daß schon deswegen die Annahme (verschleierter) Verfügungen von Todes wegen ausscheidet. Die DM 20.000,00 sollten "sofort", also nicht erst nach dem Tode des Z. vom Pfleger an die Klägerin gezahlt werden. Ausweislich der mit Schreiben des Gebrechlichkeitspflegers vom 25. Juni 1985 (Bl. 177 ff d.BA.) vorgelegten Abrechnung hat dieser die Zahlungsverpflichtung am 26. Februar 1985, also noch vor dem Tode des Z, erfüllt (vgl. Bl. 190 d.BA.). Nach Nr. 4 Abs. 5 war die Zahlung des Betrages "ausschließlich" dazu bestimmt, Unkosten und Leistungen der Klägerin für Z. aus der Zeit vor der Pflegerbestellung auszugleichen, wobei - wie Nr. 4 Abs. 5 letzter Satz des Vertrages zu entnehmen ist - auf einen genauen Ausgleich verzichtet wurde. Die laufende Zahlung von DM 2.000,00 monatlich sollte in erster Linie die mit der Unterbringung, Pflege, Betreuung und Versorgung des Z. verbundenen Unkosten der Klägerin abdecken und nur zu einem kleinen Teil auch die Betreuungs- und Pflegeleistungen der Klägerin für Z. entgelten. Entgegen der Ansicht der Beklagten ergibt sich aus dem an die Beklagte zu 3) gerichteten Schreiben des Gebrechlichkeitspflegers vom 1. Februar 1984 (Bl. 53 ff d.A.) kein Hinweis darauf, daß die Einmalzahlung von DM 20.000,00 und die laufende Zahlung von monatlich DM 2.000,00 als (verschleierte) letztwillige Zuwendungen an die Klägerin gedacht waren. Auch nach dem insoweit eindeutigen Inhalt dieses Schreibens war die Zahlung des Betrages von DM 20.000,00 zur Abgeltung von "Leistungen (der Klägerin) in der Vergangenheit" und "zum Ausgleich aller wechselseitigen Ansprüche" bestimmt. Ähnliches bestimmte der dem Vormundschaftsgericht zugeleitete, von ihm aber abgelehnte Vertragsentwurf des Pflegers (Bl. 118 ff d.BA.) in Nr. 5 Abs. 2. In diesem Vertragsentwurf war auch schon die laufende Zahlung von DM 2.000,00 monatlich "als Entgelt für die Betreuung, Verpflegung und Einräumung des Mitbesitzes an der Wohnung" vorgesehen. Weder das Schreiben des Pflegers vom 1. Februar 1984 noch dieser Vertragsentwurf enthalten Hinweise darauf, daß es sich bei den darin erwähnten Zahlungen von DM 20.000,00 bzw. DM 2.000,00 monatlich in Wahrheit um letztwillige Zuwendungen handeln sollte. Selbst wenn es sich bei der Zahlung des Betrages von DM 20.000,00 ganz oder teilweise um Schenkungen handeln sollte, würde die Zuwendung als eine unter Lebenden vollzogene Schenkung anzusehen sein.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">bb)</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Auch hinsichtlich der von Z. übernommenen Zahlungsverpflichtung von DM 60.000,00 liegt keine (verschleierte) Verfügung von Todes wegen vor.</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">(1)</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Mach dem Wortlaut des Vertrages, wie er sich aus den Bestimmungen Nr. 2 b S. 2 und Nr. 4 Abs. 5 des Vertrages erschließt, sollte der Betrag von DM 60.000,00 einerseits als Ausgleich für die von der Klägerin in der Vergangenheit für 2. erbrachte Leistung gelten, soweit sie nicht mit der Zahlung von DM 20,000,00 abgegolten ist; andererseits sollte er aber auch die künftigen Betreuungs- und Versorgungsleistungen der Klägerin ausgleichen. Hiernach handelt es sich bei der versprochenen Zahlung von DM 60.000,00 jedenfalls um die Gegenleistung für die Übernahme der lebzeitigen Pflege und Versorgung des Z., wobei mit der Zahlung zugleich nicht näher aufgeschlüsselte, von der Klägerin in der Vergangenheit für Z. erbrachte Leistungen mitabgegolten werden sollten. Wie der erstinstanzlichen Aussage des als Zeuge vernommenen früheren Pflegers des Z. zu entnehmen ist, wurde mit dem Abschluß des Vertrages vom 16. November 1984 bezweckt, mit Hilfe des Vermögens des Z. dessen Pflege bis zum Tode sicherzustellen. Dieser Zweck hat auch Ausdruck in dem Vertrag gefunden. Es wurde zwar der Klägerin eine Zahlung von DM 60.000,00 versprochen. Dieser Betrag sollte aber nicht sofort an die Klägerin ausgezahlt, sondern auf ein auf den Namen der Klägerin lautendes Sparkonto eingezahlt werden. Das Sparbuch sollte im Besitz des Pflegers bleiben, der jedoch ohne Zustimmung der Klägerin nicht über das Guthaben sollte verfügen dürfen (Nr. 2 b Abs. 2 des Vertrages). Zweck dieser Regelungen war es, wie Nr. 4 Abs. 4 des Vertrages zu entnehmen ist, das Geld zumindest teilweise für die Pflege des Z. verfügbar zu halten, damit bei einer erforderlichen Unterbringung des Z. in einem Pflegeheim oder bei Einstellung einer Pflegerin oder Krankenschwester die Kosten, die von den Vertragsparteien als wesentlich über dem Monatsbetrag von DM 2.000,00 liegend veranschlagt wurden, auch aus dem Sparguthaben gedeckt werden konnten, soweit das Geld nicht nach Nr. 2 b Abs. 2 des Vertrages der Klägerin auf jeden Fall verbleiben sollte.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">(2)</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Der Umstand, daß der Betrag von DM 60.000,00 - von den vorstehend genannten Besonderheiten abgesehen - nach Nr. 2 b Abs. 1 S. 1 des Vertrages erst nach den Tode des Z. unter Vorlage der Sterbeurkunde auszuzahlen ist, rechtfertigt es nicht, das Zahlungsversprechen als Verfügung von Todes wegen anzusehen. Hierdurch wurde lediglich die Fälligkeit des Auszahlungsanspruchs auf den Zeitpunkt des Todes des Z. hinausgeschoben. Dies änderte jedoch nicht den Charakter des Rechtsgeschäfts als eines solchen unter Lebenden. Richtigerweise ist daher auch in Nr. 3 des Vertrages hinsichtlich des Zahlungsversprechens von DM 60.000,00 von einer zu Lebzeiten anerkannten Schuldverpflichtung die Rede, zumal dieser auch die Verpflichtung der Klägerin zu lebzeitigen Pflege und Versorgung des Z. entspricht. Hinzu kommt, daß sich der Pfleger, wie seinem Schreiben vom 1. Februar 1984 an die Beklagte zu 3) zu entnehmen ist (Bl. 53, 54 d.A.) und sich auch aus seiner Zeugenaussage vor dem Landgericht ergibt, bewußt war, daß Z. nicht mehr testierfähig war und daher Verfügungen von Todes wegen nicht treffen konnte. Es kam daher nur in Betracht, nicht nur die Pflege und Versorgung des Z., sondern auch die dazu von der Klägerin ausbedungenen Geldleistungen durch schon zu Lebzeiten wirksame Verpflichtungen und Rechte auch für den Fall des Todes des Z. auf eine sichere Rechtsgrundlage zu stellen. Dem Schreiben des Pflegers vom 1. Februar 1984 kommt in diesem Zusammenhang für die Auslegung des Vertrages keine wesentliche, insbesondere keine entscheidende Bedeutung zu, da weder dargetan noch sonst erkennbar ist, daß dieses allein an die Beklagte zu 3) gerichtete Sehreiben mit seinen Formulierungen Gegenstand der Verhandlungen mit der Klägerin oder ihrem anwaltlichen Vertreter war, die zum Abschluß des Vertrages in der vorliegenden Form führten. Ersichtlich handelt es sich bei den in dem genannten Schreiben der Beklagten zu 3) unterbreiteten Vorschlägen um noch nicht abschließend durchdachte Überlegungen und Vorstellungen des Pflegers, die auch keinen Niederschlag in dem endgültigen Vertrag fanden. Auch der von Notar xxx erstellte und dem Vormundschaftsgericht Essen mit Schreiben des Pflegers vom 18. Juli 1984 vorgelegte Entwurf, nach dem die Klägerin "aus dem Nachlaß" einen Betrag von DM 60.000,00 erhalten sollte, ist mit diesem Inhalt nicht in den endgültigen Vertrag übernommen worden. Gerade was die Zahlung von DM 60.000,00 angeht, weicht der Vertrag von dem Vertragsentwurf in einem wesentlichen Punkte ab, weil die Vertragsparteien vereinbarten, daß der Betrag von DM 60.000,00 sofort auf ein auf den Namen der Klägerin lautendes Sparkonto eingezahlt und lediglich die Auszahlung des Guthabens bis zum Tode aufgeschoben werden sollte. Der Geldbetrag sollte, wenn auch mit gewissen Kautelen, schon lebzeitig aus dem Vermögen des Z. ausgeschieden, also eben nicht mehr "aus dem Nachlaß" gezahlt werden.</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">d)</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Die Nichtigkeit des Vertrages folgt ferner nicht aus § 2301 Abs. 1 BGB.</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Nach dieser Vorschrift finden auf ein Schenkungsversprechen, das unter der Bedingung erteilt wird, daß der Beschenkte den Schenker überlebt, die Vorschriften über Verfügungen von Todes wegen Anwendung. Läge ein derartiges Schenkungsversprechen hier vor, wäre es nichtig, da bei Z. wegen dessen Testierunfähigkeit (Geschäftsunfähigkeit) eine wesentliche Voraussetzung, unter der eine Verfügung von Todes wegen getroffen werden kann, fehlte. Möglicherweise würde dies gemäß § 139 BGB zur Nichtigkeit des gesamten Vertrages führen.</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Ein Schenkungsversprechen liegt hier jedoch nicht vor. § 2301 BGB gilt nur für Schenkungen, nicht für entgeltliche Verträge (BGHZ 8, 23, 31). Das Schenkungsversprechen ist Teil eines Vertrages, durch den eine Leistung schenkweise versprochen wird (vgl. § 518 Abs. 1 BGB). Zur Annahme einer Schenkung bedarf es einer Einigung des Begünstigten mit dem Schenker über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung gemäß § 516 BGB. Dementsprechend muß auch das Schenkungsversprechen auf eine derartige Einigung angelegt sein. Daran fehlt es hier. Nach Nr. 2 b und Nr. 4 Abs. 5 des Vertrages sollten die DM 60.000,00 Entgelt für in der Vergangenheit erbrachte Leistungen und für künftige Pflege- und Versorgungsleistungen der Klägerin sein, deren Umfang zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht abzusehen war.</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Selbst wenn es sich aber bei der von Z. übernommenen Zahlungsverpflichtung zumindest teilweise um ein Schenkungsversprechen handeln sollte, wäre § 2301 BGB nicht anwendbar, weil es an hinreichenden Anhaltspunkten dafür fehlt, daß das (etwaige) Schenkungsversprechen von Z. unter der Bedingung abgegeben wurde, daß die Klägerin Z. überlebte.</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">e)</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Zu Recht hat das Landgericht angenommen, daß der Vertrag vom 16. November 1984 nicht wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nach § 138 BGB nichtig ist.</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">aa)</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">§ 138 Abs. 2 BGB kann vorliegend schon deshalb nicht angewendet werden, weil die insoweit darlegungspflichtigen Beklagten keine Tatsachen und Umstände vorgetragen haben, die die Annahme rechtfertigen könnten, die Klägerin habe sich in dem Vertrag "unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche" (unverhältnismäßige) Vermögensvorteile versprechen lassen.</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">bb)</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">Der von der Klägerin mit Z. geschlossene Vertrag ist auch nicht nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat. Der Senat nimmt auf diese Ausführungen Bezug.</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der sich der Senat in zahlreichen Entscheidungen angeschlossen hat, ist ein Rechtsgeschäft sittenwidrig und darum nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein auffälliges Mißverhältnis besteht und weitere Umstände hinzutreten, insbesondere der durch das Rechtsgeschäft Begünstigte aus einer verwerflichen Gesinnung gehandelt hat (BGH, NJW 1985, 3006 mit weiteren Nachweisen; vgl. auch BGH WM 1984, 874). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfalle nicht vor.</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">(1)</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">Allerdings hat die Klägerin sich im Vertrag vom 16. November 1984 neben einer laufenden Zahlung von monatlich DM 2.000,00 die Zahlung weiterer Beträge von insgesamt DM 80.000,00 ausbedungen. Indes sollten, wie die Vertragsparteien ausdrücklich vereinbart haben, mit der Zahlung von DM 20.000,00 ausschließlich Leistungen und Unkosten abgegolten werden, die die Klägerin in der Zeit vor der Pflegerbestellung für Z. erbracht bzw. aufgewendet hatte. Die Vertragsparteien haben insoweit auf einen genauen Ausgleich, also auf eine Abrechnung der einzelnen Leistungen verzichtet. Der Vertrag hat in dieser Hinsicht Vergleichscharakter, so daß es nicht darauf ankommt, ab wann, wie intensiv und mit welchen etwa durch die Trennung der Klägerin und des Z. bedingten Unterbrechungen dieser von der Klägerin bis zur Pflegerbestellung versorgt, betreut und gepflegt worden ist. Es ist nicht erkennbar, auch von den Beklagten nicht dargetan, daß Z. durch die übernommene Zahlungsverpflichtung in Höhe von DM 20.000,00 Forderungen der Klägerin in einem unangemessenen Ausmaß anerkannt hat. Immerhin hat Z. unstreitig ab August 1978 bis zum 30. September 1979 und zumindest ab 1981 bei der Klägerin gelebt und ist von ihr versorgt worden, mag er auch - wie die Klägerin bei ihrer Anhörung angegeben hat - erst ab 1982 ein sogenannter Pflegefall gewesen sein. Die Beklagten haben ihre von der Klägerin bestrittene Behauptung, an die Klägerin seien DM 10.000,00 aus einem Sparkassenbrief, die Abfindung des Z. in Höhe von DM 36.000,00 aus seiner Tätigkeit als Handelsvertreter sowie die Versicherungssumme aus seiner Lebensversicherung geflossen, nicht unter Beweis gestellt. Allerdings ergibt sich aus der bei den Pflegschaftsakten befindlichen Aufstellung der Klägerin (Bl. 147, 148 d.BA.), daß Z. ihr Beträge von insgesamt DM 56.000,00 zur Verfügung gestellt hat, wobei unklar ist, ob darin die unstreitig an die Klägerin geflossenen DM 20.000,00 enthalten sind, deren Rückzahlung als Darlehen die Beklagten fordern. Insofern ist jedoch zu bedenken, daß die Klägerin und Z. eine Heilpraktikerpraxis in Essen errichtet haben, die die beiden gemeinsam betreiben wollten, und daß zur Errichtung dieser Praxis Kapital benötigt wurde, das Z. zumindest in der von der Klägerin eingeräumten Höhe beigesteuert hat, das für den gemeinsamen Lebensunterhalt mithin nicht zur Verfügung stand. Die Rente des Z. belief sich lediglich auf rund DM 1.600,00, wovon Unterhaltsforderungen der Beklagten zu 1) In Höhe von monatlich DM 665,00 erfüllt werden mußten. Auch wenn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHZ 77, 55, 58) bei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft - vorbehaltlich aber einer besonderen Vereinbarung - persönliche und wirtschaftliche Leistungen der Partner nicht gegeneinander aufgerechnet werden, erscheint es im Hinblick auf die persönlichen Beziehungen nicht unangemessen und anstößig, daß sich Z. anläßlich der Sicherstellung seiner künftigen Pflege und Betreuung verpflichtete, zur teilweisen Abgeltung der von der Klägerin zu seinen Gunsten erbrachten Leistungen einen Betrag von DM 20.000,00 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">(2)</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">Ebensowenig kann ein auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung im Hinblick auf die von der Klägerin ausbedungene weitere Zahlung von DM 60.000,00 angenommen werden. Wenngleich dieser Betrag teilweise ebenfalls die von der Klägerin in der Vergangenheit für Z. erbrachten Leistungen ausgleichen sollte, war er hauptsächlich dazu bestimmt, wie sich aus dem Zusammenhang der Regelungen in Nr. 2 b, 4 Abs. 4 und 5 des Vertrages entnehmen läßt, die künftigen Pflegeleistungen der Klägerin abzugelten und die Pflege und Versorgung des Z. für die Zukunft sicherzustellen. Da nicht abzusehen war, wie lange Z. der Pflege, Betreuung und Versorgung durch die Klägerin bedürfen würde, erscheint der hierfür ausbedungene Betrag, von DM 60.000,00 trotz der laufenden Zahlung von monatlich DM 2.000,00 nicht unangemessen und anstößig. Immerhin war Z. in Anbetracht der vorliegenden schweren Zerebralsklerose (vgl. das Schreiben des Arztes xxx vom xxx, Bl. 116 d.BA.) pflegebedürftig. Bei einer Unterbringung in einem Pflegeheim wäre, wie dem Senat aus einer Reihe von früheren Rechtstreitigkeiten bekannt ist, bei den seinerzeit üblichen Pflegesätzen mit Pflegekosten von mindestens DM 3.000,00 zu rechnen gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">f)</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">Dem Landgericht ist auch dahin beizupflichten, daß der Vertrag vom 16. November 1984 nicht infolge wirksamer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach §§ 123 Abs. 1, 142 Abs. 1 BGB nichtig ist. Der Senat nimmt insoweit auf die überzeugenden Ausführungen des Landgerichts Bezug (§ 543 Abs. 1 ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">g)</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">Schließlich greift auch die erstmalig im Berufungsrechtszug erklärte Anfechtung des Vertrages wegen widerrechtlicher Drohung (§ 123 Abs. 1 BGB) nicht durch. Wie das Landgericht im Zusammenhang mit der Frage der Sittenwidrigkeit des Vertrages zutreffend ausgeführt hat, kann es nicht als verwerflich angesehen werden, daß die Klägerin - wie der Zeuge xxx glaubhaft bekundet hat - mit der Androhung, andernfalls "die Brocken hinzuwerfen", die Anerkennung ihrer Vergütungsforderungen erreicht hat. Insofern liegt keine inadäquate Mittel-Zweck-Beziehung vor, da es dem Pfleger, der immerhin Rechtsanwalt ist, freistand, die Forderungen der Klägerin zurückzuweisen und aufgrund des ihm zukommenden Aufenthaltsbestimmungsrechts den Pflegebefohlenen anderweitig zur Pflege unterzubringen. Hinreichende Barmittel, um die Kosten der anderweitigen Unterbringung für die nächsten Jahre bestreiten zu können, standen ihm ausweislich der dem Vormundschaftsgericht eingereichten Abrechnungen (vgl. etwa Bl. 128 der BA.) zur Verfügung. Der Klägerin konnte nicht zugemutet werden, im Interesse der künftigen Erben die Last der Pflege unter möglichster Schonung des Vermögens des Z. auf sich zu nehmen. Daran änderte auch nichts der zwischenzeitlich vorgenommene Umzug nach Lauchringen.</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">5)</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">Da hiernach der Vertrag vom 16. November 1984 wirksam zustande gekommen ist, steht der Klägerin der geltend gemachte Anspruch auf Einwilligung in die Freigabe des hinterlegten Betrages nebst Zinsen grundsätzlich zu.</p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks">Der Zahlungsanspruch (und damit der Freigabeanspruch) erfährt keine Minderung nach Nr. 2 b letzter Absatz des Vertrages, weil Z. vor dem 30. September 1989 verstorben ist. Die in der genannten Vertragsbestimmung von den Vertragsparteien getroffene Regelung betrifft den vorliegenden Fall nicht. Sie behandelt allein den Fall, daß Z. vor dem 30. September 1989 in einem Alten- oder Pflegeheim untergebracht werden würde. Da dann mit erhöhten Kosten gerechnet wurde (vgl. Nr. 4 Abs. 4 S. 1 des Vertrages), die durch den laufenden Betrag von DM 2.000,00 voraussichtlich nicht gedeckt werden könnten, sollte die Klägerin die Hälfte des Betrages von DM 60.000,00, also DM 30.000,00, "freigeben". Angesichts dieses Sinn und Zwecks der Nr. 2 b letzter Absatz des Vertrages ist für eine - auch entsprechende - Anwendung dieser Vertragsbestimmung kein Raum.</p>
<span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks">Auch aufgrund einer ergänzenden Vertragsauslegung ergibt sich keine Minderung oder gar ein gänzlicher Ausschluß des Zahlungsanspruches. Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt dann in Betracht, wenn ein Vertrag innerhalb des durch ihn gesteckten Rahmens oder der tatsächlich gewollten Vereinbarung ergänzungsbedürftig ist (BGH NJW 1985, 2581, 2582 mit weiteren Nachweisen). Sie scheidet hier jedoch aus, weil eine Einschränkung oder der völlige Ausschluß des Zahlungsanspruches den durch den Vertrag gesteckten Rahmen überschreiten würde. Denn nach Sinn und Zweck des Vertrages sollte der Klägerin im Falle des Todes des Z. der Betrag von DM 60.000,00 ungeschmälert und unabhängig von der Dauer der Pflege und Betreuung endgültig zustehen, wenn nicht vor dem 30. September 1989 der Fall einer Unterbringung in einem Alten- oder Pflegeheim eingetreten war. Entgegen der vom Landgericht in anderem Zusammenhang geäußerten Ansicht fehlt jede verläßliche Grundlage für die Annahme, die Vertragsparteien seien bei Vertragsschluß von einer mindestens 5-jährigen Pflege, also auch von einer entsprechend langen Lebensdauer des Z. ausgegangen.</p>
<span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks">c)</p>
<span class="absatzRechts">103</span><p class="absatzLinks">Der Senat vermag dem Landgericht nicht darin zu folgen, daß der Vertrag vom 16. November 1984 nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 242 BGB) dahin anzupassen sei, daß der Klägerin nur eine ermäßigte Summe von DM 30.000,00 zustehe. Die Geschäftsgrundlage eines Vertrages wird gebildet durch die nicht zum Vertragsinhalt erhobenen, aber beim Vertragsschluß zutage getretenen, dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen des einen Vertragsteils oder durch die gemeinsamen Vorstellungen beider Teile vom Vorhandensein oder künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille auf diesen Vorstellungen aufbaut. Der Senat hat erhebliche Bedenken, ob die Vertragsparteien eine annähernd bestimmte Lebensdauer des Z. zur Geschäftsgrundlage des Vertrages gemacht haben. Immerhin war Z. bei Abschluß des Vertrages 73 Jahre alt und aufgrund altersbedingter Zerebralsklerose pflegebedürftig. Zwar haben die Beteiligen möglicherweise - wie der Zeuge xxx erstinstanzlich ausgesagt hat - nicht in Betracht gezogen, daß Z. schon rund vier Monate nach Vertragsschluß sterben würde. Die Annahme des Zeugen xxx, Z. sei physisch noch recht gesund gewesen und habe noch eine relativ hohe Lebenserwartung gehabt, erscheint angesichts des dem Zeugen bekannten ärztlichen Berichts des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie vom 18. Juni 1984 (Bl. 116 d.BA) und der darin Z. bescheinigten schweren Zerebralsklerose fragwürdig. Für die Annahme des Landgerichts, die Vertragsparteien hätten im Sinne einer Geschäftsgrundlage bei Vertragsschluß eine mindestens noch fünfjährige Lebensdauer des Z. zugrundegelegt, entbehrt jedenfalls hinreichender Anhaltspunkte. Weder die für den Fall einer Heimunterbringung in Nr. 2 Abs. 2 S. 2 und 3 des Vertrages noch die vom Landgericht angeführten Aktenvermerke (Bl. 123 R und 168 der BA.) rechtfertigen diese Annahme. Sie sprechen nur dafür, daß auch eine längere Pflegebedürftigkeit in Betracht gezogen wurde und demgemäß eine längere Pflege sichergestellt werden sollte. Selbst wenn man jedoch dem Landgericht darin folgt, daß die Vertragsparteien von einer längeren Lebensdauer als Geschäftsgrundlage des Vertrages ausgegangen sind, scheidet eine Vertragsanpassung aus. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, ist für eine Berücksichtigung von Störungen der Geschäftsgrundlage kein Raum, wenn nach der vertraglichen Regelung derjenige das Risiko zu tragen hat, der sich auf die Störung beruft (BGHZ 74, 370, 373 mit weiteren Nachweisen; BGH, NJW 1985, 2693 und 1987, 1629, 1630). Die Klägerin hatte vertraglich bis zur Grenze der Zumutbarkeit die Pflege und Betreuung des Z. bis an dessen Lebensende übernommen (Nr. 1 Abs. 2 des Vertrages). Das Risiko, daß Z. noch lange leben und ihre ständige Pflege und Betreuung in Anspruch nehmen würde, lag bei ihr; eine Erhöhung des vereinbarten Abgeltungsbetrages hätte sie von Z. oder dessen künftigen Erben nicht verlangen können. Dem entspricht das Risiko des Z. oder seiner künftigen Erben, daß Z. alsbald sterben könnte und demzufolge die Klägerin die Pflege- und Betreuungsleistungen nur im geringen Umfang zu erbringen brauchte, also ohne erhebliche Gegenleistungen - sieht man von der vereinbarten Abgeltung der in der Vergangenheit erbrachten Leistungen ab - in den Genuß des Abgeltungsbetrages kommen würde. Bei Rechtsgeschäften der vorliegenden Art mit Versorgungscharakter, bei denen der Umfang der geschuldeten Leistungen und Gegenleistungen von dem Leben des einen Vertragsteils abhängt, ist die genannte Risikoverteilung typisch. Sie wird von den Vertragsparteien, die vielfach in engen persönlichen Beziehungen zueinander stehen, wenn nicht bewußt in Kauf, so doch jedenfalls hingenommen, und zwar auch für den Fall, daß die eine oder andere Seite je nach der Entwicklung der Lebensverhältnisse begünstigt wird. So ist es auch hier. Die Zahlung des Betrages von DM 60.000,00 war zwar dazu bestimmt, die erbrachten und künftigen Leistungen abzugelten. Die Vorgeschichte des Vertragsschlusses zeigt aber auch, daß die Klägerin als langjährige Lebensgefährtin und Vertrauensperson des Z. in dieser Weise an dessen Vermögen teilhaben sollte. Zu einer Anpassung der von Z. übernommenen Zahlungsverpflichtung in Höhe von DM 60.000,00 nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage ist daher nach Auffassung des Senats kein Raum.</p>
<span class="absatzRechts">104</span><p class="absatzLinks">d)</p>
<span class="absatzRechts">105</span><p class="absatzLinks">Mach alledem sind die Beklagten verpflichtet, zu Gunsten der Klägerin in die Freigabe des hinterlegten Betrages in voller Höhe nebst den inzwischen angefallenen Zinsen einzuwilligen.</p>
<span class="absatzRechts">106</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">107</span><p class="absatzLinks">Soweit die Klägerin mit ihrer Berufung die Abweisung ihres Zahlungsanspruches von DM 787,80 angegriffen hat, hat sich der Rechtsstreit in der Hauptsache dadurch erledigt, daß die Parteien in der mündlichen Verhandlung erklärt haben, daß hinsichtlich der Beerdigungskosten (und des Sterbegeldes) beiderseits keine Ansprüche mehr geltend gemacht würden.</p>
<span class="absatzRechts">108</span><p class="absatzLinks">III.</p>
<span class="absatzRechts">109</span><p class="absatzLinks">Die Berufung der Klägerin hat auch insoweit Erfolg, als die Klägerin - auf die Widerklage - zur Zahlung eines Betrages von DM 20.000,00 nebst Zinsen verurteilt worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">110</span><p class="absatzLinks">1)</p>
<span class="absatzRechts">111</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat zu Unrecht angenommen, daß die Klägerin die Zahlung dieses Betrages aus Darlehen nach § 607 Abs. 1 BGB schuldet.</p>
<span class="absatzRechts">112</span><p class="absatzLinks">Der geltend gemachte Anspruch ist nicht begründet, weil nicht festgestellt werden kann, daß der unstreitig an die Klägerin geflossene Betrag von DM 20.000,00 ihr von Z. als Darlehen gegeben wurde. Allein aufgrund der Anwaltsschreiben vom 1. und 4. Oktober 1979 läßt sich die Darlehensvereinbarung nicht feststellen. Sie beweisen allenfalls, daß Z., der sich seinerzeit von der Klägerin getrennt hatte, vom Bestehen einer Darlehensforderung ausging. Daß die Klägerin den Betrag von DM 20.000,00 tatsächlich von Z. als Darlehen - aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung - empfangen hat, beweisen die Schreiben nicht. Für die behauptete, von der Klägerin bestrittene eigentliche Darlehensvereinbarung haben die insoweit beweispflichtigen Beklagten keinen geeigneten Beweis angeboten. Der als Zeuge benannte Rechtsanwalt xxx könnte allenfalls das bekunden, was sich aus den beiden Schreiben vom 1. und 4. Oktober 1979 ergibt und was ihm möglicherweise Z. mitgeteilt hat. Dieser in das Wissen des Zeugen gestellte Sachvortrag kann als wahr unterstellt werden. Für den Nachweis einer Darlehensvereinbarung reicht dies ebensowenig aus wie die genannten Anwaltsschreiben, Beim Abschluß des behaupteten Darlehensvertrages und der Hingabe des Geldes waren ersichtlich Zeugen nicht anwesend.</p>
<span class="absatzRechts">113</span><p class="absatzLinks">2)</p>
<span class="absatzRechts">114</span><p class="absatzLinks">Da der Vertrag vom 16. November 1984 - wie oben ausgeführt - wirksam zustande gekommen ist, hat der Pfleger die in Nr. 2 a des Vertrages von Z. übernommene Zahlungsverpflichtung mit Rechtsgrund erfüllt, so daß ein Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB gegenüber der Klägerin nicht besteht.</p>
<span class="absatzRechts">115</span><p class="absatzLinks">IV.</p>
<span class="absatzRechts">116</span><p class="absatzLinks">Ohne Erfolg wendet sich die Klägerin gegen ihre Verurteilung zur Rückzahlung von DM 2.000,00.</p>
<span class="absatzRechts">117</span><p class="absatzLinks">1)</p>
<span class="absatzRechts">118</span><p class="absatzLinks">Der Anspruch auf Rückzahlung dieses Betrages steht den Beklagten als gesetzlichen Erben des Z. zu. Die Beklagten sind die gesetzlichen Erben des Z.. Allerdings hat die Klägerin dies in der mündlichen Verhandlung bestritten. Ihr neuerliches Bestreiten der Erbenstellung der Beklagten ist indes gemäß §§ 296 Abs. 1, 527 ZPO wegen Verspätung nicht zuzulassen. Zwar hat die Klägerin schon erstinstanzlich bezweifelt, daß die Beklagten die gesetzlichen Erben des Z. sind. Das landgerichtliche Urteil geht jedoch von der Erbenstellung der Beklagten aus. In ihrer Berufungsbegründung hat die Klägerin das nicht angegriffen. Im übrigen spricht für die Erbenstellung der Beklagten, daß Z., wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unwidersprochen angegeben hat, kein Testament hinterlassen hat. Die Beklagte zu 3) ist eine eheliche Tochter des Z., mithin Abkömmling im Sinne des § 1924 Abs. 1 BGB. Der Beklagte zu 2) hat die Stellung eines (gemeinschaftlichen) ehelichen Kindes durch die Annahme als Kind erlangt (§ 1754 Abs. 1 BGB). Die Beklagte zu 1) war die Ehefrau des Z. und ist neben den Beklagten zu 2) und 3) als gesetzliche Erbin nach § 1931 Abs. 1 S. 1 BGB berufen. Sie hatte zwar die Scheidung ihrer Ehe beantragt; es ist jedoch nichts dafür ersichtlich, daß Z. ebenfalls die Scheidung der Ehe beantragt oder der Scheidung zugestimmt hatte (vgl. § 1933 S. 1 BGB). Der Schriftsatz vom 8. Juni 1978 (Bl. 130 d.A.) enthält eine solche - formelle - Zustimmung nicht (vgl. dazu Werner in Staudinger, BGB, 12. Aufl., § 1933 Rndn. 7).</p>
<span class="absatzRechts">119</span><p class="absatzLinks">2)</p>
<span class="absatzRechts">120</span><p class="absatzLinks">Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, liegt in Höhe eines Betrages von DM 2.000,00 eine Zuvielzahlung seitens des Pflegers an die Klägerin vor, so daß diese nach Bereicherungsgrundsätzen (§ 812 Abs. 1 S. 1, 818 Abs. 2 BGB) zur Rückzahlung verpflichtet ist. Der Senat nimmt insoweit auf die überzeugenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil Bezug. Die Angriffe der Berufung der Klägerin hiergegen rechtfertigen keine andere Beurteilung. Ob die Klägerin sich überhaupt auf den Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) berufen kann, kann offenbleiben. Jedenfalls reicht es insoweit nicht aus, wenn die Klägerin pauschal behauptet, der eventuell zuviel gezahlte Betrag von DM 2.000,00 sei voll für den Unterhalt und die Pflege des Z. verwandt worden.</p>
<span class="absatzRechts">121</span><p class="absatzLinks">3)</p>
<span class="absatzRechts">122</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich des Zinsanspruches muß es bei den vom Landgericht zugrunde gelegten Satz von 4% verbleiben, weil die Beklagten die angekündigte Bankbescheinigung nicht vorgelegt haben.</p>
<span class="absatzRechts">123</span><p class="absatzLinks">B.</p>
<span class="absatzRechts">124</span><p class="absatzLinks"><u>Berufung der Beklagten</u></p>
<span class="absatzRechts">125</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">126</span><p class="absatzLinks">Wie oben unter A. I. näher begründet worden ist, steht der Klägerin gegen die Beklagten ein Anspruch auf "Freigabe" des hinterlegten Betrages in voller Höhe zu. Daraus folgt zugleich, daß die Beklagten hinsichtlich des hinterlegten Betrages keinerlei Ansprüche haben.</p>
<span class="absatzRechts">127</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">128</span><p class="absatzLinks">Soweit die Beklagten mit ihrer Berufung die Rückzahlung des von der Klägerin vereinnahmten Sterbegeldes in voller Höhe von DM 3.733,20 weiterverfolgt haben, hat sich der Rechtsstreit durch die Erklärungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in der Hauptsache erledigt.</p>
<span class="absatzRechts">129</span><p class="absatzLinks">C.</p>
<span class="absatzRechts">130</span><p class="absatzLinks">Hiernach erweist sich die Berufung der Beklagten als unbegründet. Die Berufung der Klägerin führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang.</p>
<span class="absatzRechts">131</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf den Vorschriften der §§ 91, 91 a, 92, 100 ZPO. Es entspricht billigem Ermessen, den Beklagten die Kosten hinsichtlich des erledigten Teils der Hauptsache aufzuerlegen. Der von der Klägerin erhobene Anspruch auf Zahlung restlicher Beerdigungskosten in Höhe von DM 787,80 war aus § 1968 BGB begründet. Die vom Landgericht vorgenommenen Kürzungen hält der Senat nicht für gerechtfertigt. Der von den Beklagten mit der Widerklage verfolgte Anspruch auf Erstattung des Sterbegeldes war unbegründet. Nach § 203 RVO wird das Sterbegeld nur an denjenigen gezahlt, der die Bestattung besorgt hat. Das war die Klägerin. Ein Überschuß ist nicht verblieben. Er stünde auch nicht den Beklagten zu, da sie mit dem Verstorbenen zur Zeit des Todes nicht in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben. Die Regelung des § 203 RVO gilt auch, wenn - wie hier - das Sterbegeld von einer Ersatzkasse geleistet wurde. § 508 RVO .enthält insoweit keine Einschränkungen.</p>
<span class="absatzRechts">132</span><p class="absatzLinks">Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus den Vorschriften der §§ 708 Nr. 10, 711, 546 Abs. 2 S. 1 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">133</span><p class="absatzLinks">Die Beschwer der Beklagten setzt sich aus der zu ihren Ungunsten getroffenen Entscheidung über den Freigabeanspruch in Höhe von DM 60.000,00, den Rückzahlungsanspruch von DM 20.000,00 und den hilfsweise geltend gemachten Darlehensanspruch von DM 20.000,00 zusammen.</p>
|
315,421 | lg-krefeld-1987-11-25-6-t-31787 | {
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<p>Die Beschwerde wird kostenpflichtig zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Beschwerdewert: 20.000,00 DM</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">(<u>G r ü n d e:</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Gläubigerin hat die Zwangsverwaltung beantragt aus einer in Abteilung III/1 im Grundbuch von Krefeld eingetragenen Briefgrundschuld wegen Forderungen aus Zinsen in Höhe von 172.091,50 DM und 827.908,50 DM in die Miteigentumsanteile der Schuldnerin an mehreren im einzelnen aufgeführten Miteigentumsanteilen. Dabei handelt es sich um Wohnungseigentum. Das Amtsgericht Krefeld hat dem Antrag durch den Anord- nungsbeschluß vom 31.07.19B7 stattgegeben, gegen den die Beschwerdeführerin zunächst Erinnerung eingelegt und eingewandt hat, ihr seien sämtliche Miet- und Pachtforderungen abgetreten. Ferner sei ihr durch notariellen Vertrag des Notars Wolfgang Busch vom 29.05.1987 (UR.Nr.316 für 1987) ein Nießbrauchsrecht eingeräumt worden. Der Nießbraucher sei zum Besitz berechtigt, könne das Grundstück vermieten, verpachten und die sonstigen Nutzungen ziehen. </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat die Erinnerung der Beschwerdeführerin durch Beschluß vom 26.08.1987 zurückgewiesen. Es hat darauf hingewiesen, daß das Nießbrauchsrecht nicht wirksam entstanden sei, weil es nicht im Grundbuch eingetragen sei.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Gegen diesen Beschluß hat die Beschwerdeführerin Rechtsmittel eingelegt. Sie macht geltend, sie befinde sich seit der notariellen Einigung über die Nießbrauchsbestellung im Besitz der Wohnungen. Darüberhinaus sei am 24.06.1987 eine Begehung des gesamten Objekts durch die Beschwerdeführerin durchgeführt worden, bei der sämtliche Mieter unter Vorlage der notariellen Verträge angesprochen und auf die veränderte Situation, hingewiesen worden seien. Da sie zur Herausgabe des Besitzes nicht bereit sei, könne der Zwangsverwalter durch den Anordnungsbeschluß nicht in den Besitz eingewiesen werden. Im Hinblick auf ihren Besitz müsse die betreibende Gläubigerin einen entsprechenden Duldungstitel erlangen. Wegen der Einzelheiten ihres Vortrages wird auf den Beschwerdeschriftsatz vom 14. Oktober 1987 Bezug genommen. </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 793, 577 zulässig. In der Sache hat sie keinen Erfolg. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Anordnung der Zwangsverwaltung ist zu Recht erfolgt. </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">1. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Wie das Amtsgericht zutreffend in dem angefochtenen Beschluß ausgeführt hat, führt der zwischen den Parteien vereinbarte Nießbrauch an den hier fraglichen Grundstücksmiteigentumsanteilen nicht zur Aufhebung des Anordnungsbeschlusses. Zwar trifft es zu, daß der dem Nießbrauch im Rang vorgehende Grundpfandrechtsgläubiger - das ist hier die betreibende Gläubigerin - gegen den nachrangigen Nießbraucher, der der Zwangsverwaltung nicht zustimmt, einen Duldungstitel erlangen müsste, um die Zwangsverwaltung zu betreiben (vgl. Zeller, 12. Aufl., § 146 Rdnr. 9.2). </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Die Schuldnerin hat durch notariellen Vertrag vom 29.05.1987 einen Nießbrauch an einem Grundstücksmiteigentumsanteil, also an einem Grundstücksrecht bestellt. Dieses Recht entsteht aber erst wirksam mit der Eintragung im Grundbuch. Der Nießbrauch ist die Belastung<i> </i>eines Grundstücks mit einem Recht, so daß zur Entstehung dieses Rechts gemäß § 873 Abs. 1 BGB die Einigung der Beteiligten und die Eintragung des Rechts im Grundbuch erforderlich ist (vgl. auch Palandt, 46. Aufl., 1987, Einführung vor § 1030, Anm. 1). Als die Zwangsverwaltung angeordnet wurde, war der Nießbrauch nicht im Grundbuch eingetragen. Das Recht ist damit nicht wirksam vor Anordnung der Zwangsverwaltung entstanden und steht ihr deshalb nicht entgegen. </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">2. </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der vom Beschwerdeführer nunmehr geltend gemachte Besitz führt ebenfalls nicht zur Unzulässigkeit des Anordnungsbeschlusses. Ein nach § 854 BGB mögliches Besitzverhältnis ist nicht festzustellen. Die Schuldnerin war lediglich mittelbare Besitzerin der Wohnungen, da sie diese vermietet hatte. In dieses Besitzmittlungsverhältnis ist weder durch den schuldrechtlichen Nießbrauchs-Bestellungsvertrag noch durch den Abtretungsvertrag eingegriffen worden. Unter Ziff. II des Nießbrauchsvertrages bestellt der Eigentümer, nämlich die </p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Schuldnerin ein Nießbrauchsrecht beginnend mit Abschluß des Vertrages. Weiter heißt es dann: "Im übrigen gelten für das Nießbrauchsrecht die gesetzlichen Bestimmungen". Ein Besitzübergang ist weder in diesem Vertrag noch in dem notariellen Abtretungsvertrag vom 29.05.1987 vereinbart. Unter Ziff. II des Abtretungsvertrages tritt die Schuldnerin sämt- liche Miet- und Pachtforderungen aus den Mietverträgen mit sofortiger Wirkung an die Beschwerdeführerin ab, die die Abtretung annimmt. Damit sind lediglich die Forderungen aus dem Mietvertrag, aber nicht die besitzrechtlichen Ansprüche abgetreten. </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">3. </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Soweit die Beschwerdeführerin sich auf ein Besitzrecht beruft, das sie durch die Begehung des gesamten Objekts erlangt und bei der sie die einzelnen Mieter persönlich angesprochen haben will, reicht dies für die Besitzübertragung nicht aus. Wie bereits oben dargelegt, war die Schuldnerin lediglich mittelbare Besitzerin. Sie konnte also nur diesen Besitz übertragen, aber nicht den unmittelbaren Besitz, der durch Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft gemäß § 854 BGB erfolgt. Der mittelbare Besitz wird nach § 870 BGB durch Abtretung des Herausgabeanspruchs übertragen, zu der eine rechtsgeschäftliche Einigung erforderlich ist. In der Begehung des Gesamtobjekts kann eine solche rechtsgeschäftliche Einigung regelmäßig noch nicht gesehen werden, denn damit wird noch nicht in das Besitzmittlungsverhältnis zwischen dem Schuldner als Vermieter und dem Mieter als unmittelbarem Besitzer eingegriffen. Eine wirksame Besitzübertragung erfolgt im Regelfall erst durch die rechtswirksame Entstehung des Nießbrauchs, denn nach § 1036 BGB ist der Nießbraucher erst dann zum Besitz der Sache berechtigt. Zwar kann der Besitz auch im Vorgriff auf eine Rechtsübertragung überlassen werden(vgl. BGHZ 96, 61). Dafür ist aber eine besondere Einigung der Parteien erforderlich, in der zum Ausdruck kommen muß, daß der Besitz schon vor der rechtswirksamen Entstehung des Nießbrauchs sofort übertragen werden sollte. Die notariellen Verträge sagen hierüber nichts aus. Auch die Bestellung des Nießbrauchsrechts "beginnend mit dem heutigen Tage" bedeutet im Zweifel nicht, daß der Besitz schon vor Entstehung des dinglichen Nießbrauchsrechts übertragen werden sollte. Da der notarielle Vertrag über den Nießbrauch ausdrücklich "auf die gesetzlichen Vorschriften" verweist, ist davon auszugehen, daß auch der Besitz erst mit der wirksamen Entstehung des Nießbrauchsrechts übertragen werden sollte. </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Nach alledem ist der Anordnungsbeschluß über die Zwangsverwaltung zu Recht erfolgt, so daß die Beschwerde zurückzuweisen war. </p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. </p>
|
315,422 | ag-essen-1987-11-19-20-c-587 | {
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"name": "Amtsgericht Essen",
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"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
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} | 20 C 5/87 | 1987-11-19T00:00:00 | 2019-03-13T14:55:16 | 2019-03-27T09:43:09 | Urteil | ECLI:DE:AGE1:1987:1119.20C5.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Das Versäumnisurteil vom 20.05.1987 wird insoweit aufrechterhalten, als der Beklagte zur Zahlung von 64,62 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 28.11.1986 verurteilt worden ist.</p>
<p></p>
<p>Im übrigen wird das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abge-wiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 33 % und der Be-klagte zu 67 % mit Ausnahme der durch die Säumnis des Beklagten im Termin am 20.05.1987 veranlaßten Kosten; diese fallen allein dem Be-klagten zur Last.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. </p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Tatbestand:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte befand sich am 09.12.1985 in augenärztlicher Behandlung beim Kläger. Auf Grund der Untersuchungen, über deren Umfang zwischen den Parteien Streit besteht, diagnostizierte der Kläger Myopie und Exophorie und ermittelte - 1,75 Dioptrien für das rechte und - 0,25 für das linke Auge.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Untersuchung des Beklagten wies einen mittleren Schwierigkeitsgrad auf und verlangte einen durchschnittlichen Zeitaufwand. Mit Schreiben vom 18.12.1985 stellte der Kläger dem Beklagten für die von ihm erbrachten Leistungen 141,51 DM in Rechnung, dem Schreiben war eine Anlage zur Liquidation beigefügt, die Erläuterungen zu den Ziffern der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) enthielt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Auf den Inhalt der Rechnung sowie ihre Anlagen wird Bezug genommen (Blatt 10 und 12 der Akten). Den einzelnen Rechnungspositionen war eine Codierungsnummer vorangestellt, die sich auf das gemäß § 4 Absatz 1 GOÄ erstellte Gebührenverzeichnis (Anlage zur GOÄ) bezog. Insgesamt machte der Kläger acht Einzelpositionen geltend, wovon sich sieben auf persönliche und eine auf medizinisch-technische Leistungen bezogen. Bei seiner Rechnung ging der Kläger ohne nähere Begründung von einem Steigerungssatz gemäß § 5 GOÄ für persönliche Leistungen in Höhe vom 2,3-fachen des Einfachsatzes, für die medizinisch-technischen Leistungen nach dem 1,8-fachen des Einfachsatzes aus. Der Beklagte überwies lediglich 45,90 DM und lehnte im übrigen eine Bezahlung mit der Begründung ab, nach der GOÄ könne der Kläger maximal diesen Betrag verlangen. </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 17.11.1986 unter Fristsetzung zum 27.11.1986 forderte der Kläger den Beklagten fruchtlos zur Zahlung des Rechtes auf.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Kläger behauptet, die im einzelnen in der Rechnung spezifizierten Leistungen erbracht zu haben. </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Behandlung habe an der oberen Sorgfaltsgrenze gelegen und er habe das ihm eingeräumte Ermessen bei dem Ansatz der geforderten Vergütung im Sinne des § 5 Absatz 2 GOÄ billig ausgeübt. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Er ist der Meinung, dass gemäß § 5 Absatz 2 GOÄ der Gesetzgeber es dem billigem Ermessen des Arztes überlassen habe, die zwischen dem einfachen und 2,3-fachen Gebührensatz liegende sogenannte "Regelspanne" bis zum Schwellenwert von 1,8-fach für medizinisch-technische Leistungen und 2,3-fach für persönliche Leistungen auszuschöpfen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Mit Schriftsatz vom 27.10.1987, eingegangen bei der Geschäftsstelle um 16.00 Uhr, behauptet der Kläger nunmehr unter Beweisantritt, dass die Untersuchung etwa 25 Minuten gedauert habe. Die Untersuchung habe angesichts des Zeitaufwandes insgesamt erheblich über den Durchschnitt gelegen. Im übrigen wird auf den Schriftsatz vom 27.10.1987 (Blatt 86 bis 91 der Akten) Bezug genommen. </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte ist durch Versäumnisurteil vom 20.05.1987 verurteilt worden, an den Kläger 95,91 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 18.11.1986 zu zahlen. Gegen das ihm am 23.05.1987 zugestellte Versäumnisurteil hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 05.06.1987, eingegangen beim Gericht am 08.06.1987, Einspruch eingelegt.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">das Versäumnisurteil vom 20.05.1987 aufrechtzuerhalten. </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Der Beklagt bestreitet, im Rahmen seiner Behandlung vom Kläger eingehend untersucht worden zu sein, es seien weder die in der Rechnung behaupteten subjektiven und objektiven Refraktionsbestimmungen vorgenommen noch die unter den Honorarziffern 1216, 1256, A 091 und A 020 genannten Leistungen erbracht worden. Es habe keine eingehende Untersuchung stattgefunden, die Untersuchung habe lediglich 10 Minuten gedauert. Innerhalb dieser Zeit habe der Kläger noch 5 Minuten mit seinem Steuerberater telefoniert. Die unter der Honorarziffer A 091 und A 020 geltend gemachten Leistungspositionen seien nicht indiziert gewesen. Die Klage sei nicht schlüssig, weil der Kläger nicht begründet habe, weshalb er vom 2,3-fachen beziehungsweise 1,8-fachen Steigerungssatz bei den Leistungen ausgegangen sei. </p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Im übrigen seien diese Steigerungssätze unangemessen. </p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Desweiteren habe die Rechnung gegen § 12 GOÄ verstoßen, da dort nicht zwischen medizinisch-technischen und ärztlichen Leistungen unterschieden worden sei.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Hilfsweise rechnet der Beklagte mit einer Schadensersatzforderung in Höhe von 103,04 DM auf.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Er behauptet, die vom Kläger ermittelten Brillenwerte seien falsch, eine anderweitige Konsultation eines Augenarztes sei dadurch erforderlich gewesen. Die bei einer Untersuchung am 16.01.1986 durch die Dres. C2 und Z-W ermittelten Werte von - 2,0 Dioptrien für das rechte und von -0,5 für das linke Auge seien richtig. Der Beklagte ist der Ansicht, der Kläger sei ihm wegen der zusätzlichen Behandlungskosten schadensersatzpflichtig. Der Kläger bestreitet, dass eine Behandlung stattgefunden habe, sowie die Dioptrienwerte ermittelt worden seien, und behauptet, dass die von ihm ermittelten Dioptrienwerte richtig seien. Desweiteren bestreitet er die Höhe der vom Beklagten behaupteten Honorarforderung von 103,04 DM. Desweiteren behauptet er, eine Abweichung von 0,25 Dioptrien auf jedem Auge sei die kleinste mit den heutigen Apparaturen nachweisbare und meßbare Größe. Ein solcher Unterschied werde von dem Patienten auch nicht objektivierbar wahrgenommen. Es sei vielmehr von dem Empfinden des Patienten und seiner jeweiligen Tagesform abhängig, ob eine Berücksichtigung von ¼ Dioptrien mehr erfolgen müsse. </p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Da insoweit bei jeder Untersuchung von leicht unterschiedlichen Meßparametern ausgegangen würde, könne, soweit lediglich eine Abweichung von 0,25 Dioptrien vorliegt, nicht von falschen oder richtigen Untersuchungsbefunden gesprochen werden.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Im übrigen wird ergänzend auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. </p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat einen Anspruch auf 64,62 DM aus §§ 611 Absatz 1 2. Halbsatz, 612 Absatz 1, 2 BGB in Verbindung mit §§ 4, 5 GOÄ. </p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Zwischen den Parteien ist unstreitig ein Dienstvertrag zustande gekommen, da der Kläger den Einsatz seines fachlichen Könnens gemäß dem ärztlichen Berufswillen zum Zwecke der Heilung des Patienten geschuldet hat. </p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Hierfür steht dem Kläger eine gemäß der GOÄ in Verbindung mit ihrer Anlage zu § 4 berechnete Vergütung zu, da es sich bei der GOÄ um eine Taxe im Sinne des § 612 Absatz 2 1. Halbsatz BGB handelt (Palandt-Putzo, BGB, 44. Auflage 1985, § 612 Anmerkung 3 a). Dies ist zwischen den Parteien dem Grunde nach auch nicht streitig.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Es ist davon auszugehen, dass dem Kläger Gebühren auf Grund der von ihm in der Honorarrechnung ausgewiesenen Gebührenpositionen zustehen, weil er die entsprechenden Leistungen erbracht hat.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung des Beklagten kommen dem Kläger Gebühren nach Nummer 1 und Nummer 65 des Gebührenverzeichnisses zu § 4 Absatz 1 GOÄ zu Gute.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Dass dem Kläger eine Gebühr nach Nummer 1 des Verzeichnisses für eine normale Behandlung zusteht, bezweifelt auch der Beklagte nicht. Dem Kläger kommt aber daneben auch die Honorarposition Nummer 65 für eine eingehende, das gewöhnliche Maß übersteigende Untersuchung zu. Der Kläger hat im Schriftsatz vom 01.07.1987 im einzelnen dargelegt, dass er für die binokulare Untersuchung des Augenhintergrundes (im Normalfall Position 1242 des Gebührenverzeichnisses) die Position Nummer 65 des Verzeichnisses in Ansatz gebracht hat, weil er bei der Untersuchungsmaßnahme nicht die Pupille der Beklagten geweitet habe. </p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Damit hat der Kläger eine in sich schlüssige und nachvollziehbare Begründung für diese Position gegeben, die der Beklagte auch inhaltlich nicht substantiiert mehr angegriffen hat. Die Berechnung der Position Nummer 1 und 65 des Gebührenverzeichnisses nebeneinander ist grundsätzlich zulässig. Dies ergibt sich aus den Allgemeinen Bestimmungen zum Gebührenverzeichnis (Bundesratsdrucksache Nummer 295/82 Teil B I), wonach die Position 1 neben bestimmten anderen Leistungen aus den Abschnitten B III und C - O des Gebührenverzeichnisses nur 1 X berechnet werden darf. Da insoweit in den Allgemeinen Bestimmungen eine Regelung zu Position 65 fehlt, wegen der enumerativen Aufzählung von einer abschließenden Regelung auszugehen ist, bestehen gegen die einmalige Inansatzbringung neben den Positionen der Nummern 1200 ff. und Nummer 1 keine Bedenken. </p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Soweit der Beklagte die weiteren in Ansatz gebrachten Positionen dem Grunde nach bestritten hat, weil diese nicht erbracht beziehungsweise die Positionen A 091 und A 020 nicht indiziert gewesen seien, so ist sein Bestreiten unbeachtlich. Angesichts des detaillierten und eingehenden Vortrages des Klägers zu jeder einzelnen Position und der Tatsache, dass der Beklagte an der Untersuchung selbst teilgenommen hat, reicht einfaches Bestreiten nicht aus. Der Grundsatz des § 138 Absatz 1 ZPO gebietet eine vollständige und wahrheitsgemäße Erklärung zu den vom Kläger behaupteten Tatsachen. Dem Beklagten hätte es angesichts dessen oblegen, die einzelnen Positionen konkret zu bestreiten. </p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Desweiteren ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte an den Kläger vorbehaltlos 45,90 DM erbracht hat mit der Bemerkung, dies sei der nach der GOÄ maximal zu berechnende Betrag. Eine Entschlüsselung dieses Teilbetrages ergibt, dass es sich dabei um die Summe der in Rechnung gestellten Einfachsätze mit Ausnahme der Position 1 und 65 handelt. Damit steht sein vorprozessual unstreitiges Verhalten im inneren Widerspruch zu seinem Vortrag im jetzigen Verfahren und führt zur Unbeachtlichkeit seiner Einwendungen. </p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Den Berechnungen des Klägers ist jedoch nur ein Steigerungssatz gemäß § 5 Absatz 1, Absatz 2 Satz 4 GOÄ Leistungen und von 1,4 hinsichtlich der medizinisch-technischen Leistungen zugrunde zu legen. Hierbei geht das Gericht davon aus, dass es sich um eine Untersuchung mittleren Schwierigkeitsgrades und durchschnittlichen Zeitaufwandes handelte.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">§ 5 GOÄ ermöglicht dem Arzt eine Festlegung der Gebührenhöhe im Rahmen eines normative eingeräumten Ermessens. Insoweit ist ihm grundsätzlich eine Steigerungsmöglichkeit zwischen dem 1 bis 3,5-fachen des Gebührensatzes eröffnet. Im Regelfall darf eine Gebühr aber nur "zwischen dem einfachen und dem 2,3-fachen des Gebührensatzes bemessen werden" (§ 5 Absatz 2 Satz 4 GOÄ). Bei medizinisch-technischen Leistungen wird gemäß § 5 Absatz 3 GOÄ der Höchstwert im Regelfall auf das 1,8-fache des Gebührensatzes begrenzt. Das Gericht ist der Meinung, dass bei einer Untersuchung mittlerer Schwierigkeit und durchschnittlicher Zeitdauer bei persönlichen ärztlichen Leistungen in der Regel von einem Gebührensteigerungssatz von 1,65 und bei medizinisch-technischen Leistungen von 1,4 auszugehen ist, soweit nicht die in § 5 Absatz 2 Satz 1 GOÄ näher beschriebenen Qualifizierungsmerkmale eine Abweichung nach oben gebieten. Im vorliegenden Fall bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass eben diese Qualifikationsmerkmale, nämlich die Schwierigkeit, der Zeitaufwand der Einzelleistung, die Umstände bei der Ausführung oder die örtlichen Verhältnisse eine Einstufung des Gebührensteigerungssatzes an der oberen Regelspanne des § 5 Absatz 2 Satz 4 GOÄ rechtfertigen. Auch bei Anwendung der Regelspanne hat der Arzt innerhalb des eröffneten Rahmens vom 1 bis 2,3-fachen oder 1 bis 1,8-fachen unter Berücksichtigung der nach § 5 Absatz 2 Satz 1 GOÄ genannten Kriterien eine Einstufung vorzunehmen. Deshalb kann nicht in jedem Fall ohne weiteres der Höchstsatz der Regelspanne Anwendung finden. Mit seiner Meinung findet sich das Gericht im Einklang mit der Entscheidung des Amtsgerichts Braunschweig, NJW 1985, 689 und der überwiegend in der greifbaren Literatur vertretenen Meinung (Brück, Kommentar zur Gebührenordnung für Ärzte, Stand 01.03.1986, § 5 GOÄ Anmerkung 1, 1.2; Wetzel/Liebhold, Handkommentar zur BMÄ, E-GO und GOÄ, Stand Oktober 1987, § 5 GO Anmerkung zu II; Didier, Anmerkung zum Urteil des Amtsgerichts Braunschweig vom 01.10.1984, NJW 1985, 689 f; Schwabe, ZRP 1987, 271; a. A. Hoffmann, GOÄ, Stand Januar 1984, § 5 Erläuterung 5). Insgesamt besteht insoweit Einigkeit, dass die ständige Praxis bei der ärztlichen Privatliquidation nicht mit der gebotenen Auslegung des Verordnungstextes übereinstimmten (Brück, am angegebenen Ort, Anmerkung 1.1). Die Richtigkeit dieses Ansatzes ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 5 Absatz 2 Satz 4 GOÄ. Danach darf nämlich die Gebühr nur "zwischen" dem einfachen und dem 2,3-fachen bemessen werden. Dies eröffnet einerseits ein Ermessen des Arztes, bei der Einstufung seiner Gebührenforderungen die Lagerung des Einzelfalles zu beachten. Auf keinen Fall ist es zulässig, sich stets an der oberen Grenze der Regelspanne, dem sogenannten Schwellenwert zu orientieren. Dies wird zu Recht auch in dem Erfahrungsbericht zur Anwendung der GOÄ der Bundesregierung vom 18.12.1985 (siehe bei Brück, am angegebenen Ort, 1.1.) bemängelt. Auch die teleologische Auslegung nach Sinn und Zweck der Norm führt zu keinem anderen Ergebnis. Mit der Eröffnung von Gebührenrahmen hat der Gesetzgeber dem Arzt einen frei verantwortlichen Entscheidungsbereich überlassen, um der Vielfalt der in der ärztlichen Praxis auftretenden Konstellationen gerecht werden zu können, denen eine starre, verbindliche Regelung des Gebührensatzes nicht entsprechen würde. Das damit eingeräumte Ermessen bedeutet auch gleichzeitig eine Pflicht des Arztes, so dass die in der Praxis zu beobachtende Tendenz, sich auf den Schwellenwert festzulegen, dem offensichtlichen Bemühen des Gesetzgebers entgegensteht. Dies wird nicht zuletzt auch durch den Rückgriff auf die Materialien der GOÄ bestätigt, worin eindeutig zu § 5 Absatz 2 ausgeführt wird, dass bei mittleren Schwierigkeit und durchschnittlichem Zeitaufwand eine Gebühr innerhalb der Spanne vom 1 bis 2,3-fachen des Gebührensatzes zu bemessen ist (Regelspanne), Bundesratsdrucksache 295/82. Der Auslegung, die Hoffmann dem § 5 Absatz 2 Satz 4 GOÄ zugrunde legt (am angegebenen Ort, § 5 Erläuterung 5) ist deshalb nicht zu folgen.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Die Regelspanne verlangt eine Abstufung nach Schwierigkeit, Zeitaufwand, örtlichen Verhältnissen und besonderen Umständen. Auch schwierige und zeitaufwendige Untersuchungen müssen innerhalb der Regelspanne untergebracht werden, denn eine Überschreitung des Schwellenwertes ist nur bei überdurchschnittlichem Zeitaufwand und außergewöhnlichen Schwierigkeiten zulässig (Brück, am angegebenen Ort, § 5 Anmerkung 1.2.). Angesichts dessen ist zweifelhaft, den Schwellenwert nur als Grenze einer Beweislastregel anzusehen, wie dies in der neuesten Auflage des Kommentars von Brück geschieht (am angegebenen Ort, 1.2). Entscheidend bleibt alleine unter Vermeidung jedes Schematismus, der durch die Norm gerade vermieden werden soll, ob die Bemessungskriterien des § 5 Ab Satz 2 Satz 1 GOÄ im Einzelfall die Festlegung des Arztes rechtfertigen. Dabei ist vorab zu berücksichtigen, dass schon die Bewertung der einzelnen Leistungen in der Leistungslegende des Gebührenverzeichnisses besondere Zeitaufwendung und Schwierigkeiten der Untersuchungen berücksichtigt.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Die Besonderheiten der Leistungserbringung dürfen insofern nicht doppelt in Ansatz gebracht werden. Dies entspricht gerade bei der Geltendmachung eines vermehrten Zeitaufwandes für eine besonders restriktive Handhabung, weil gerade bei vermehrtem Zeitaufwand die persönliche Leistungsfähigkeit des Arztes seinen Niederschlag findet. Wenn auch in der Literatur ein graduell ansteigender Multiplikator innerhalb der Regelspanne, deren oberer Bereich für durchschnittlich gelagerte Leistungserbringung erreicht werden könnte, herangezogen wird (Brück, am angegebenen Ort, Anmerkung 1.2.), so bedarf es bei der Bestimmung des Steigerungswertes durch die gerichtliche Praxis innerhalb der Regelspanne eines festen Anhaltspunktes, der bei bloßen Vortrag einer mittleren Schwierigkeit und eines durchschnittlichen Zeitaufwandes einer Untersuchung nur in dem Mittelpunktwert der Regelspanne gesehen werden kann (so auch Didier, NJW 1985, 690). Dies bedeutet keine unbillige Benachteiligung des Arztes, da es ihm obliegt, die Besonderheiten des Einzelfalles, die zu seinem Ansatz geführt haben, im Streitfall näher darzulegen. Dies entspricht der herrschenden Meinung zur Beweislast- und Darlegungsverteilung durch den zur Leistungsbestimmung Berechtigten bei der Ausübung seines billigen Ermessens im Rahmen des § 315 BGB (Palandt-Heinrichs, am angegebenen Ort, § 315 Anmerkung 5). Der Kläger hat keine näheren Tatsachen außerhalb der Auflistung der einzelnen Gebührenpositionen vorgebracht, die die nach § 5 Absatz 2 Satz 1 GOÄ bestimmten Tatbestandsvoraussetzungen auszufüllen vermögen. Seine Behauptung, es habe sich um eine Untersuchung im oberen Sorgfaltsbereich gehandelt, reicht hierzu nicht aus, da bei der ärztlichen Tätigkeit angesichts der naturgegebenen Hochwertigkeit der gefährdeten Rechtsgüter stets von einer Sorgfalt im obersten Bereich auszugehen ist, was dann nicht als Besonderheit des Einzelfalles herangezogen werden kann.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Das Vorbringen des Klägers in seinem Schriftsatz vom 27. Oktober 1987 ist gemäß §§ 296 Absatz 2, 282 Absatz 1 ZPO als verspätet zurückzuweisen, weil die Zulassung des Vorbringens den Rechtsstreit verzögern würde. Dabei ist es unerheblich, wie der Verzögerungsbegriff bestimmt wird, da zum einen der Rechtsstreit in seinem jetzigen Stadium insgesamt durch eine Neuterminierung verzögert würde, wenn man nur auf den Zeitpunkt des Vortrages abstellt, jedoch auch eine Verzögerung festzustellen ist, wenn man in hypothetischer Betrachtungsweise vergleicht, ob der Rechtsstreit bei rechtzeitigem Vorbringen länger gedauert hätte. Auch letzteres wäre der Fall, da bei rechtzeitigem Vortrage die nun vorgetragenen Aspekte bei der Terminsvorbereitung hätten berücksichtigt werden und eventuell durch vorbereitende Zeugenladungen hätte Beweis erhoben werden können. Der Rechtsstreit wäre dann aller Voraussicht nach im Termin am 28.10.1987 zur Entscheidungsreife gelangt. </p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Durch den verspäteten Vortrag hat der Kläger gegen seine in § 288 Absatz 1 ZPO niedergelegte Prozeßförderungspflicht verstoßen. Seine nunmehr, vom bisherigen Vortrag hinsichtlich der Länge der Untersuchung und der Schwierigkeit abweichenden Behauptungen stellen Angriffs- und Verteidigungsmittel tatsächlicher Art dar, die bei weitem früher hätten vorgebracht werden können. Hierzu bestand auf Grund der Prozeßlage schon im Anfangsstadium hinreichender Anlaß. Denn um die Frage, ob ein mittlerer Wert innerhalb der Regelspanne oder der Schwellenwert selbst anzusetzen sein könnte, wurde schon vorprozessual und von Anfang an in dem vorliegenden Rechtsstreit gestritten. Schon vor dem Prozeß hatte der Beklagte erkennen lassen, dass es ihm wesentlichen auf den Ansatz des Steigerungssatzes ankam. Im Schriftsatz vom 08.02.1987 hat er diesen Aspekt aufgegriffen und im Schriftsatz vom 05.06.1987, also mehr als 4 1/2 Monate vor dem letzten Termin, den Ansatz von 1,65 beziehungsweise 1,4 des Steigerungssatzes konkret benannt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte der Kläger Anlaß gehabt, seine bisherigen, pauschalen Ausführungen zur Qualität der Untersuchung zu spezifizieren. Da es gerade im Kern um diesen Punkt ging, war der Tatsachenvortrag des Klägers früher zuzumuten. Der Kläger durfte nicht davon ausgehen, dass ein früherer Vortrag zu einer unnötigen Ausweitung des Prozeßstoffes geführt hätte (vergleiche Zöller-Stephan, ZPO, 15. Auflage 1987, §§ 277 Randnummer 1, 282 Randnummer 3).</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Dem Kläger musste sich aufdrängen, dass für die Entscheidung des Rechtsstreites von entscheidender Bedeutung war, dass die näheren Umstände der Untersuchung in tatsächlicher Hinsicht vollständig und wahrheitsgemäß dem Gericht unterbreitet wurden. Einen Beweisantritt der Untersuchung hat er ebenfalls erst im Schriftsatz vom 27.10.1987 erbracht.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">4.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Ansicht des Beklagten ist die Vergütungsforderung des Klägers auch fällig geworden, da eine nach § 12 GOÄ zu beurteilende ordnungsgemäße Rechnung vorgelegen hat. Selbst wenn, was angesichts des enumerativen Charakters der Norm nicht naheliegt, eine eindeutige Unterscheidungsmöglichkeit zwischen ärztlichen und medizinisch-technischer Leistung erkennbar sein muss, so wäre dieses Erfordernis erfüllt, da in der Anlage zur Rechnung die medizinisch-technischen Leistungen besonders gekennzeichnet worden sind. </p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">5.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Die Berechnung nach dem Steigerungssatz von 1,65 beziehungsweise 1,4 für die medizinisch-technische Leistung ergibt eine Gesamtsumme von 110,52 DM, von der die gezahlten 45,90 DM abzusetzen sind, was den im Tenor ausgeworfenen Betrag ergibt.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Der Vergütungsanspruch ist auch nicht durch Aufrechnung des Beklagten erloschen, §§ 387, 389 BGB.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Für das Vorliegen einer positiven Vertragsverletzung des Behandlungsvertrages durch den Kläger sind Tatsachen nicht hinreichend vorgetragen. Es ist nicht ersichtlich, dass dem Kläger eine objektive Pflichtverletzung vorzuwerfen ist. Den eingehenden Ausführungen zu dem Vortrag des Klägers hinsichtlich möglicher Abweichungen der Dioptrienwerte ist der Beklagte nicht mehr substantiiert entgegengetreten. Dies wäre insbesondere deswegen erforderlich gewesen, weil auch die zweite Untersuchung durchaus dieselbe Diagnose erbracht hat.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Darüber hinaus wäre der Beklagte angesichts des zulässigen Bestreitens des Klägers hinsichtlich der Richtigkeit der neu gefundenen Dioptrienwerte und der Umstände ihrer Ermittlung gehalten gewesen, für die Tatsachen, aus denen auf eine Pflichtverletzung des Klägers hätte geschlossen werden können, Beweis anzutreten. Dies hat der Beklagte nicht getan, so dass er insoweit auch beweisfällig geblieben wäre.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">III.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Auf Grund des Mahnschreibens des Klägers vom 17.11.1986 mit Fristsetzung zum 27.11.1986 befindet sich der Beklagte mit dem geschuldeten Betrag in Verzug, § 284 Absatz 1 BGB, und ist zur Zahlung von 4 % Zinsen, § 288 Absatz 1 ZPO, verpflichtet.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">IV.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Absatz 1, 269, 344 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nummer 11, 713 ZPO.</p>
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315,423 | lagham-1987-11-19-4-sa-1405-87 | {
"id": 794,
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"jurisdiction": "Arbeitsgerichtsbarkeit",
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} | 4 Sa 1405-87 | 1987-11-19T00:00:00 | 2019-03-13T14:55:18 | 2019-03-27T09:43:09 | Urteil | ECLI:DE:LAGHAM:1987:1119.4SA1405.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung des Klägers gegen das am 24.03.1987 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Münster wird auf seine Kosten zurückgewiesen</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><img width="193" height="180" src="4_Sa_1405_87_Urteil_19871119_0.png" alt="Die Entscheidung enthält an dieser Stelle ein Bild oder eine Grafik." /></p><h1><span style="text-decoration:underline">4 Sa 1405/87</span>                                                                                                                 Verkündet am</h1><span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">3 Ca 2113/86 ArbG Münster                                                                                    19.11.1987</p><span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">gez. D1</p><span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Reg.-Ang.</p><span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Urkundsbeamter der</p><span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Geschäftsstelle</p><span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks"><strong>LANDESARBEITSGERICHT HAMM</strong></p><span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">IM NAMEN DES VOLKES</p><span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks"><strong>URTEIL</strong></p><span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm</p><span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">auf die mündliche Verhandlung vom 19.11.1987</p><span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. M1</p><span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">und die ehrenamtlichen Richter S1 und K1</p><span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">für Recht erkannt:</p><span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Berufung des Klägers gegen das am 24.03.1987 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Münster wird auf seine Kosten zurückgewiesen.</p><span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">Tatbestand</span></strong></p><span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Der 47 Jahre alte Kläger, der das Elektrohandwerk erlernt und mit der Gesellenprüfung abgeschlossen hat, ist am 01.01.1967 in die Dienste des Landkreises Wxxx getreten.</p><span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Aufgrund des Gesetzes zur Neugliederung der Gemeinden und Kreise des Neugliederungsraumes Münster/Hamm vom 09.07.1974 ist aus den bisherigen Kreisen Wxxx und Bxxx sowie den Gemeinden Txxx und Dxxx der neue Kreis Wxxx, der Beklagte, gebildet worden.</p><span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">In § 2 des schriftlichen Arbeitsvertrages des Klägers vom 01.01.1967 ist festgelegt worden, daß sich das Arbeitsverhältnis nach den Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in ihrer jeweils geltenden Fassung richtet. Der Kläger hat zunächst Vergütung nach der VergGr. VIII und ab 01.01.1973 nach der VergGr. VII erhalten.</p><span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Seit dem 01.07.1983 richtet sich seine Vergütung nach der VergGr. VI b. Im Jahre 1982 sind dem Haustechniker Mxxx, zugeordnet dem Hochbau- und Bauordnungsamt, die Bedienung und Betreuung der technischen Einrichtungen im neuen Kreishaus zugewiesen worden.</p><span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Dem Kläger sowie zwei weiteren Mitarbeitern ist die Abwesenheitsvertretung des Technikers Mxxx übertragen worden.</p><span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Wiederholt, und zwar in den Jahren 1980, 1982 und 1986, hat der Kläger erfolglos die VergGr. V c begehrt.</p><span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Mit der am 23.12.1986 bei dem Arbeitsgericht in Münster eingegangenen Klage erstrebt der Kläger die Feststellung der Verpflichtung des Beklagten, ihm ab 01.03.1986 Vergütung nach der VergGr. V c zu gewähren.</p><span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Er hat vorgetragen, er habe zusätzlich zu seiner Hausmeistertätigkeit vielfältige Aufgaben im technischen Bereich zu verrichten. Das Hauptamt habe 42 verschiedene technische Anlagen und Einrichtungen aufgelistet, mit deren Betreuung und Bedienung er befaßt sei.</p><span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die dafür erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen habe er in langjähriger Tätigkeit erworben.</p><span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat im Schriftsatz vom 23.02.1987 (Bl. 21 - 30 d.GA) detailliert Erläuterungen zu seinem Arbeitsgebiet gegeben.</p><span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat beantragt,</p><span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, den Kläger nach der Vergütungsgruppe V c BAT ab dem 01.03.1986 zu besolden.</p><span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat beantragt,</p><span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p><span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Er hat herausgestellt, daß für die technischen Einrichtungen des neuen Kreishauses der Haustechniker Mxxx zur Verfügung stehe, der Vergütung nach der Fallgr. 16 der VergGr. V b des Technikertarifvertrages erhalte. Dem Kläger sei nur für den Fall der Abwesenheit des Technikers die Überwachung der technischen Anlagen im Kreishaus übertragen.</p><span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Der Zeitaufwand des Klägers für seine technische Tätigkeit liege bei 30%. Überwiegend verrichte er Hausmeistertätigkeiten.</p><span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Bestritten werde, daß der Kläger die Tätigkeitsmerkmale der angestrebten VergGr. V c Fallgr. 17 erfülle.</p><span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die ihm zugewiesenen Arbeiten hätten keinen Technikerzuschnitt. Der Kläger sei mit einfachen Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten, die in genau vorgeschriebenen Intervallen und nach präzise festgelegten Regeln durchzuführen seien, betraut.</p><span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Er habe keinen Spielraum zur Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative. Schließlich sei nicht erkennbar, daß der Kläger über Fähigkeiten und Erfahrungen verfüge, die denen eines staatlich geprüften Technikers gleichwertig seien.</p><span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Das Arbeitsgericht Münster hat durch das am 24.03.1987 verkündete Urteil die Klage abgewiesen.</p><span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Der Vorderrichter hat ausgeführt, der Vortrag des Klägers zum "sonstigen Angestellten" sei unzureichend.</p><span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Auch fehle es an Darlegungen, daß mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfielen, die den Tätigkeitsmerkmalen der begehrten Vergütungsgruppe entsprächen.</p><span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Aus dem klägerischen Vorbringen ergebe sich weiter nicht, daß eine überwiegend selbständige Tätigkeit in Rede stehe.</p><span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Die Ausbildung eines Elektrikers sei mit der eines Technikers nicht vergleichbar.</p><span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Dieses Urteil ist dem Kläger am 30.06.1987 zugestellt worden.</p><span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Er hat mit Schriftsatz vom 09.07.1987, eingegangen bei dem Landesarbeitsgericht am 23.07.1987, Berufung eingelegt.</p><span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Das Rechtsmittel ist mit dem am 20.08.1987 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet worden.</p><span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Der Kläger betont, er erfülle sowohl das subjektive als auch das objektive Tätigkeitsmerkmal des sonstigen Angestellten der erstrebten Vergütungsgruppe V c.</p><span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Überwiegend sei er selbständig tätig, wie dies die VergGr. V c fordere. Er arbeite in Eigenverantwortung und treffe selbst die Entscheidungen. Bei der Erledigung seiner Aufgaben müsse er die anzuwendenden Methoden bestimmen.</p><span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Er müsse in den hochkomplizierten und auf hohem Niveau stehenden Anlagen die aufgetretenen Störungen finden und beseitigen. Das gelte etwa für die Wärmepumpen, die Heizungsanlage, den Schaltschrank, die Sprinkleranlage, die Lüftungsanlage sowie die Optimierungsanlage.</p><span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p><span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">unter Abänderung des am 24.03.1987 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Münster festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, den Kläger nach der VergGr. V c des BAT ab dem 01.03.1986 zu besolden.</p><span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p><span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p><span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte macht Zeitangaben zu den vom Kläger im einzelnen geschilderten Tätigkeiten.</p><span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ziehe, wenn er die aufgetretenen Störungen und Fehler nicht beseitigen könne, den Haustechniker Mxxx hinzu. Gegebenenfalls würden Fremdfirmen eingeschaltet.</p><span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Das Landesarbeitsgericht hat am 06.10.1987 im Rahmen einer Ortsbesichtigung im Kreishaus in Wxxx die Tätigkeit des Klägers gründlich und umfassend erörtert.</p><span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Auf die Niederschrift vom 06.10.1987 (Bl. 111 - 118 d.GA) wird verwiesen.</p><span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Akteninhalt Bezug genommen.</p><h2><strong><span style="text-decoration:underline">Entscheidungsgründe</span></strong></h2><span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist zulässig.</p><span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Sie ist an sich statthaft, auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.</p><span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">In der Sache selbst kann das Rechtsmittel keinen Erfolg haben.</p><span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">1. Dem Klageantrag steht § 256 ZPO nicht entgegen.</p><span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat eine der im öffentlichen Dienst allgemein üblichen Eingruppierungsfeststellungsklagen erhoben (vgl. BAG AP Nr. 57, 59, 69, 84 zu §§ 22, 23 BAT).</p><span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">2. Gemäß § 611 wird der Arbeitgeber durch den Arbeitsvertrag verpflichtet, dem Arbeitnehmer für die geleistete Arbeit die vereinbarte Vergütung zu zahlen.</p><span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Die Vergütung des Klägers für die von ihm erbrachte Arbeitsleistung, also die von dem Beklagten geschuldete Gegenleistung im Sinne des § 611 BGB, richtet sich nach dem BAT, wobei die Vergütungsordnung in der VkA-Fassung maßgebend ist. Das folgt aus der einzelvertraglichen Vereinbarung der Parteien.</p><span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">3. Der Kläger erstrebt die Vergütungsgruppe V c ab 01.03.1986.</p><span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Die Fallgruppe 17 dieser VergGr. gilt für staatlich geprüfte Techniker bzw. Techniker mit staatlicher Abschlußprüfung nach Nr. 6 der Bemerkung zu allen Vergütungsgruppen und entsprechender Tätigkeit, die überwiegend selbständig tätig sind, sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben.</p><span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">4. Die in Rede stehenden tariflichen Vorschriften geben keine Erläuterungen zum "sonstigen Angestellten" und zu der "überwiegend selbständigen Tätigkeit. Da indessen hinreichend erkennbar und überprüfbar sein muß, ob bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die tragenden Normen die zutreffenden Rechtsbegriffe zugrunde gelegt worden sind, erscheint es zweckmäßig, diese zu definieren und in abstrakter Weise klarzustellen (vgl. BAG AP Nr. 3, 22 zu §§ 22, 23 BAT 1975; auch BAG AP Nr. 116, 120 zu §§ 22, 23 BAT 1975).</p><span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Die Gerichte wenden Rechtsnormen auf den konkreten Einzelfall an. Dabei steht die Bestimmung und Umschreibung der Rechtsbegriffe dieser Normen in Rede. Die Entscheidung des konkreten Einzelfalles verlangt, daß einerseits klargelegt wird, welche Rechtsnormen mit welchen Rechtsbegriffen herangezogen werden, und daß zum anderen die Tatsachen gewürdigt und eingeordnet werden. Rechtsprechung ist immer Anwendung von Rechtsnormen mit ihren Rechtsbegriffen auf einen Sachverhalt (vgl. BAG AP Nr. 5 zu § 72a Divergenz).</p><span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">4.1. Die tariflichen Bestimmungen verlangen von den "sonstigen Angestellten", daß sie aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben.</p><span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">4.1.1. Bei den gleichwertigen Fähigkeiten und Erfahrungen handelt es sich um das subjektive Tätigkeitsmerkmal.</p><span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Der sonstige Angestellte muß Fähigkeiten und Erfahrungen besitzen und benötigen, wie sie gerade die einschlägige technische Fachausbildung zu vermitteln pflegt (vgl. BAG AP Nr. 49 zu §§ 22, 23 BAT). Sie müssen denen eines technischen Angestellten entsprechen (vgl. BAG AP Nr. 96, 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975).</p><span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Zu fordern ist zwar nicht das gleiche Wissen und Können, wie es üblicherweise durch die vorausgesetzte Fachausbildung erworben und durch die einschlägige Abschlußprüfung nachgewiesen wird; verlangt wird aber eine im Verhältnis dazu ähnlich gründliche Beherrschung eines entsprechend umfangreichen Wissensgebietes. Das bedeutet, daß zwar nicht dieselben Fähigkeiten wie diejenigen eines geprüften technischen Angestellten zu fordern sind, wohl aber ähnliche, deswegen freilich nicht geringere (vgl. BAG AP Nr. 12, 16, 27, 33, 35, 37, 41, 48, 66, 89, 96, 101, 108, 115, 118 zu §§ 22, 23 BAT 1975).</p><span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Es reicht nicht, wenn der sonstige Angestellte auf einem Einzelarbeitsgebiet, also auf einem eng begrenzten Teilgebiet, Leistungen erbringt, die auf diesem begrenzten Gebiet gleichwertig sind (vgl. BAG AP Nr. 10, 12, 16, 33, 37, 41, 48, 66, 96, 108, 115, 118 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Gleichwertige Tätigkeiten werden also nicht schon dadurch nachgewiesen, daß der sonstige Angestellte auf einem Einzelgebiet eines entsprechend ausgebildeten technischen Angestellten Leistungen erbringt, die auf diesem begrenzten Gebiet denen eines entsprechend ausgebildeten technischen Angestellten gleichwertig sind (vgl. AP Nr. 17 zu §§ 22, 23 BAT).</p><span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Auch wenn es grundsätzlich nicht ausgeschlossen ist, aus der auszuübenden Tätigkeit Rückschlüsse auf die gleichwertigen Fähigkeiten und Erfahrungen, also die subjektive Qualifikation zu ziehen, so kann daraus doch weder der Rechtssatz noch der allgemeine Erfahrungssatz hergeleitet werden, daß immer dann, wenn ein "sonstiger Angestellter" eine "entsprechende Tätigkeit" ausübt, dieser auch über "gleichwertige Fähigkeiten und Erfahrungen" verfügt. Vielmehr zeigt die Lebenserfahrung, daß "sonstige Angstellte", selbst wenn sie im Einzelfalle eine "entsprechende Tätigkeit" ausüben, gleichwohl - anders als ein ausgebildeter technischer Angestellter - häufig an anderen Stellen deswegen nicht eingesetzt werden können, weil ihnen für andere Tätigkeiten Kenntnisse und Erfahrungen fehlen (vgl. BAG AP Nr. 37 zu §§ 22, 23 BAT 1975; auch BAG AP Nr. 12, 41, 66, 96, 105, 115, 118 zu §§ 22, 23 BAT 1975; ferner Anm. Zängl zu BAG AP Nr. 12 zu §§ 22, 23 BAT 1975).</p><span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">4.1.2. Neben den gleichwertigen Fähigkeiten und Erfahrungen wird eine entsprechende Tätigkeit gefordert.</p><span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Hier steht das objektive Tätigkeitsmerkmal in Rede.</p><span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Verlangt wird eine Tätigkeit, die unter allgemeinen technischen Gesichtspunkten und nicht nur auf einem speziellen Gebiet ein Wissen und Können erfordert, das sich im Verhältnis zu einer entsprechend abgeschlossenen technischen Ausbildung als ähnlich gründliche Beherrschung eines entsprechend umfangreichen Wissensgebietes darstellt (vgl. BAG AP Nr. 27 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Von einer entsprechenden Tätigkeit des Angestellten kann daher keine Rede sein, wenn sie lediglich beschränkte Fachkenntnisse auf einem eng begrenzten Teilgebiet eines einschlägig ausgebildeten technischen Angestellten erfordert (vgl. BAG AP Nr. 55, 107 zu §§ 22, 23 BAT). Die zu leistende Tätigkeit muß einen entsprechenden Zuschnitt haben (vgl. BAG AP Nr. 6, 10, 12, 16, 101, 107, 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Sie muß ihrerseits die Befähigung erfordern, wie ein geprüfter technischer Angestellter mit der vorausgesetzten abgeschlossenen Fachausbildung Zusammenhänge zu überschauen und Ergebnisse zu entwickeln (vgl. BAG AP Nr. 27, 41 zu §§ 22, 23 BAT 1975).</p><span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">4.1.3. Der "sonstige Angestellte" muß, soll seine Eingruppierungsklage schlüssig sein, darlegen, welche Tätigkeiten üblicherweise ein Angestellter mit der vorausgesetzten Fachausbildung und der einschlägigen Abschlußprüfung auszuüben pflegt und wie sich dazu nach Art und Aufgabenstellung sein Arbeitsgebiet verhält, insbesondere auch, welchen Umfang es hat.</p><span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Er muß vortragen, was zum entsprechenden Lehr- und Prüfungsstoff eines technischen Angestellten, dessen Fähigkeiten und Erfahrungen er besitzen will, gehört.</p><span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Dabei kommen Ausbildungs- und Prüfungsordnungen, auch Vorlesungsverzeichnisse und sonstige Quellen in Betracht.</p><span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Die Gerichte für Arbeitssachen können insoweit mit Hilfe eines Sachverständigen (§ 144 ZPO) die erforderlichen Feststellungen treffen (vgl. BAG AP Nr. 52 zu §§ 22, 23 BAT).</p><span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">4.2. Selbständige Leistungen verlangen eine Gedankenarbeit, die im Rahmen der für die Vergütungsgruppe vorausgesetzten Fachkenntnisse hinsichtlich des einzuschlagenden Weges und des zu findenden Ergebnisses eine eigene Beurteilung mit eigener Entschließung enthält. Es muß sich um das selbständige Erarbeiten eines Ergebnisses handeln, wobei eine eigene geistige Initiative zu erfordern ist. Eine leichte geistige Arbeit genügt nicht. Erforderlich ist eine gewisse eigene Entscheidungsbefugnis über die zur Erbringung der geschuldeten Leistungen jeweils in Betracht kommende Arbeitsmethode, die Arbeitsgestaltung sowie die Erreichung der Arbeitsergebnisse und zugleich auch eine gewisse Eigenständigkeit des Aufgabenbereichs. Eine gewisse Freiheit von Weisungen und Anleitungen wird vorausgesetzt, ein gewisser wie auch immer gearteter Ermessens-, Entscheidungs-, Gestaltungs- oder Beurteilungsspielraum bei der Erarbeitung der Arbeitsergebnisse ist kennzeichnend (vgl. BAG AP Nr. 6, 20, 22, 46, 53, 62, 79, 94, 108, 109 zu §§ 22, 23 BAT 1975).</p><span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">Selbständige Leistungen liegen nicht nur dann vor, wenn die Tätigkeit besondere Schwierigkeiten bereitet oder überhaupt schwierig ist. Sie sind schon dann anzunehmen, wenn ein Ergebnis aufgrund eigener Initiative erarbeitet wird und darin nicht nur eine leichte geistige Arbeit liegt (vgl. BAG AP Nr. 52, 102 zu §§ 22, 23 BAT 1975).</p><span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Die Art des Ergebnisses der geistigen Arbeit ist unerheblich. Die wiederholte Bearbeitung ähnlich oder identisch gelagerter Fälle steht der Annahme selbständiger Leistungen im tariflichen Sinne nicht entgegen (vgl. BAG AP Nr. 19, 52 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Andererseits liegt eine selbständige Leistung nicht schon dann vor, wenn es sich um eine Arbeit handelt, die nicht schematischer Art ist (vgl. BAG AP Nr. 9 zu § 1 TOA; BAG AP Nr. 29 zu § 3 TOA).</p><span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">Es reicht nicht aus, wenn der Angestellte im landläufigen Sinne selbständig arbeitet, wenn eine selbständige Arbeitsweise im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs zu bejahen ist (vgl. BAG AP Nr. 22, 62 zu §§ 22, 23 BAT). Der Rechtsbegriff der "selbständigen Tätigkeit" kann nicht mit einer solchen Tätigkeit gleichgesetzt werden, die im allgemeinen Wortsinn "selbständig" ist, also ohne Anleitung erfolgt (vgl. BAG AP Nr. 6, 89 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Sorgfältiges Arbeiten wird von jedem Angestellten erwartet und ist kein Maßstab für den Wert der geistigen Leistung (vgl. BAG AP Nr. 56 zu § 3 TOA). Das gleiche gilt für Zuverlässigkeit und Gewissenhaftigkeit (vgl. BAG AP Nr. 61 zu § 3 TOA).</p><span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Bei der Prüfung, ob das tarifliche Tätigkeitsmerkmal der "selbständigen Leistungen" erfüllt ist, ist nicht auf die die Gesamtarbeitszeit ausmachenden Aufgaben unter Verzicht auf eine Gliederung in Arbeitsvorgänge abzustellen. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Hälfte der Arbeitsvorgänge, die in der Gesamtarbeitszeit des Angestellten in Rede stehen, ihrerseits jeweils das tarifliche Qualifizierungsmerkmal der selbständigen Leistungen erfordert. Maßgebend ist vielmehr, ob von den die Gesamtarbeitszeit des Angestellten ausfüllenden Arbeitsvorgängen der im Tarifvertrag bestimmte Teil seinerseits der tariflichen Anforderung der "selbständigen Leistungen" entspricht (vgl. BAG AP Nr. 116 zu §§ 22, 23 BAT 1975).</p><span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">Das Berufungsgericht hat sich bereits in der Vergangenheit (vgl. LAG Hamm, Urteil vom 10.07.1986 - Akz. 4 Sa 1889/85) mit der in der Kommentierung zum BAT (vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, VergGr. VkA, Techn. Berufe, Anm. 42, S. 614 z 6 + 7 - Stand August 1984/Mai 1987) vertretenen Auffassung befaßt, es handele sich bei der in der Fallgr. 17 der VergGr. V c TTV geforderten Selbständigkeit nicht um selbständige Leistungen, beide Begriffe seien nicht inhaltsgleich, jedoch brächten sie, bezogen auf die unterschiedlichen Aufgaben, die den Angestellten im Verwaltungsdienst und den Technikern oblägen, eine entsprechende Wertigkeit der Tätigkeit zum Ausdruck, ein Techniker sei insoweit selbständig tätig, als er für die Erledigung bestimmter Aufgaben keine Einzelanweisungen durch einen Ingenieur oder Dipl.Ingenieur erhalte, sondern aufgrund der nach seiner Ausbildung vorauszusetzenden Kenntnisse selbst den zur Erfüllung der Aufgabe einzuschlagenden Weg und die anzuwendende Methode finden müsse.</p><span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">Auch nach einer erneuten Überprüfung der in Rede stehenden Frage sieht das Rechtsmittelgericht keine Veranlassung, von seiner früheren Meinung abzuweichen.</p><span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">5. Gemäß § 22 Abs. 2 BAT ist auf Arbeitsvorgänge abzustellen. Unter einem Arbeitsvorgang ist eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeit und bei Berücksichtigung einer vernünftigen, sinnvollen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und tarifrechtlich selbständig bewertbare Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten zu verstehen (vgl. BAG AP Nr. 122, 123, 124 zu §§ 22, 23 BAT 1975).</p><span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">Was dabei ein abschließendes selbständiges Arbeitsergebnis ist, richtet sich nach dem jeweiligen Aufgabengebiet des Angestellten. Für die Bestimmung des Arbeitsergebnisses sind Geschäftsverteilung, Behördenanschauung, gesetzliche Bestimmungen, Verwaltungsvorschriften und die behördliche Übung zu berücksichtigen (vgl. BAG AP Nr. 6, 12 zu §§ 22, 23 BAT 1975).</p><span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">Unter Zusammenhangstätigkeiten sind solche Tätigkeiten zu verstehen, die aufgrund ihres engen Zusammenhangs mit bestimmten, insbesondere höherwertigen Aufgaben eines Angestellten bei der tarifrechtlichen Bewertung der Arbeitseinheiten nicht abgetrennt werden dürfen, sondern diesen zuzurechnen sind, um eine dem Tarifvertrag entgegenstehende Zerstückelung zu verhindern (vgl. BAG AP Nr. 15 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Eine Zusammenhangstätigkeit liegt dann vor, wenn es sich um ein unselbständiges Teilstück handelt, das der Hauptarbeit ein- und untergeordnet ist (vgl. BAG AP Nr. 5 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG AP Nr. 3 zu §§ 22, 23 KnAT).</p><span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">Zur Vermeidung einer tarifwidrigen "Atomisierung" sind weiter wiederkehrende gleichartige Arbeiten, die also die gleichen Einzeltätigkeiten umfassen und das gleiche Arbeitsziel haben, bei gleicher rechtlicher Wertigkeit jeweils grundsätzlich zu einem Arbeitsvorgang zusammenzufassen und nicht einzeln rechtlich zu bewerten (vgl. BAG AP Nrn. 8, 12, 16 und 47 zu §§ 22, 23 BAT 1975).</p><span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">6. Die Parteien haben sich weder im erstinstanzlichen Verfahren noch vor dem Berufungsgericht näher mit der Frage befaßt, wie die Tätigkeit des Klägers in Arbeitsvorgänge zu gliedern ist.</p><span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat in der Klageschrift (S. 2) herausgestellt, daß ihm zusätzlich zu seiner Hausmeistertätigkeit Aufgaben im technischen Bereich übertragen seien. Die gesamte Tätigkeit des Klägers als Hausmeister ist als ein Arbeitsvorgang anzusehen und einheitlich zu beurteilen (vgl. BAG AP Nr. 111 zu §§ 22, 23 BAT 1975).</p><span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">Das folgt allein schon daraus, daß ein Hausmeister eine Funktion innehat. Bedenken bestehen, ob der Kläger die in der Zuständigkeitsregelung des Hauptamtes vom 10.11.1982 (Bl. 5 - 10 d.GA) aufgelisteten 42 technischen Einrichtungen des Kreishauses zu Recht aus seiner Hausmeistertätigkeit ausgegliedert hat, um die ihm übertragenen Aufgaben, die auf diese technischen Einrichtungen gerichtet sind, einer gesonderten Bewertung nach der Fallgr. 17 der VergGr. V c zuzuführen. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch (vgl. Knaurs großes Wörterbuch der deutschen Sprache, 1985, S. 469) wird ein Hausmeister vom Hauseigentümer angestellt, um für Ordnung, Sauberkeit und die Erhaltung des Hauses zu sorgen.</p><span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">Das Bundesarbeitsgericht (vgl. BAG AP Nr. 111 zu §§ 22, 23 BAT 1975) rechnet nach dem Sinn und Zweck der Tarifbestimmungen zu den Aufgaben eines Schulhausmeisters die Sorge für die ordnungsgemäße Öffnung und Schließung der Räume, die Überwachung ihres Zustandes, die Feststellung und das Beseitigen von Schäden, die Sorge für die Beheizung, das Unterbinden von Beschädigungen sowie die Erledigung kleinerer Reparaturen.</p><span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">Im Tatbestand einer weiteren höchstrichterlichen Entscheidung (vgl. BAG AP Nr. 65 zu §§ 22, 23 BAT 1975) sind zahlreiche Hausmeistertätigkeiten zusammengestellt.</p><span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">Alle Aufgaben des Klägers im technischen Bereich sind, soweit sie nicht Hausmeistertätigkeiten sind, zu einem einzigen Arbeitsvorgang zusammenzufassen. Abzustellen ist dabei auf das Arbeitsergebnis, bei dessen Bestimmung die Verwaltungsorganisation, die Geschäftsverteilung und Behördenanschauung zu berücksichtigen sind. Dem Kläger sind sowohl im Rahmen seiner Hausmeistertätigkeit als auch neben seiner Hausmeistertätigkeit Aufgaben bei der Bedienung, Aufsicht, Wartung, Kontrolle, Überwachung und Instandsetzung technischer Einrichtungen des Kreishauses zugewiesen, die alle dem Zweck dienen, die Funktionsfähigkeit dieser Einrichtungen zu sichern, zu erhalten und ggf. wiederherzustellen. Diese Aufgabenstellung ist entscheiden.</p><span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">7. Der Kläger kann mit seinem Feststellungsbegehren keinen Erfolg haben, weil er nicht, wie dies die Fallgr. 17 der VergGr. V c fordert, überwiegend selbständig tätig ist, weil nicht überwiegend selbständige Leistungen zu bejahen sind.</p><span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks">Nach dem Ergebnis der Ortsbesichtigung kommen in seinem Arbeitsbereich selbständige Leistungen überhaupt nicht vor.</p><span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks">7.1. Das Landesarbeitsgericht hat die Tätigkeit des Klägers in dem Ortstermin vom 06.10.1987 gründlich und umfassend erörtert.</p><span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks">Eine derartige Erörterung ist nicht nur nicht zu beanstanden, sie ist, wenn der richterlichen Aufklärungspflicht speziell in Eingruppierungsstreitigkeiten Rechnung getragen werden soll, sogar geboten (vgl. Baumbach/Hartmann, ZPO, 41. Aufl., § 139 Anm. 2 E).</p><span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks">Die höchstrichterliche Rechtsprechung (vgl. BAG AP Nr. 9 zu § 3 TOA) hat betont, die Arbeitsgerichte hätten die Tätigkeit des auf Höhergruppierung klagenden Angestellten gründlich zu erörtern und dann im Rahmen der Tätigkeitsmerkmale der erstrebten Vergütungsgruppe zu würdigen.</p><span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks">Dem steht nicht entgegen, daß die Gerichte, wenn sie das klägerische Tatsachenvorbringen nicht für ausreichend halten, zu dessen Vervollständigung, Klärung und Ergänzung sachdienliche Auflagen nach § 139 ZPO machen müssen.</p><span class="absatzRechts">103</span><p class="absatzLinks">Damit wird die Verpflichtung zu einer mündlichen Erörterung der entsprechenden Fragen im Rahmen eines Ortstermins nicht beseitigt, wie umgekehrt bei einer derartigen Erörterung nicht darauf verzichtet werden darf, den Kläger mit sachdienlichen Auflagen anzuhalten, sein Klagevorbringen zu vervollständigen, klarzustellen und zu ergänzen (vgl. BAG AP Nrn. 8, 16, 19 zu §§ 22, 23 BAT 1975).</p><span class="absatzRechts">104</span><p class="absatzLinks">Gerade in Eingruppierungsprozessen können die Tatsachengerichte im Rahmen eines weiten Ermessens zur Sachaufklärung, Klarstellung und zu ihrer eigenen Unterstützung von Amts wegen die Vorlage von Urkunden bzw. behördlichen Akten, also von Arbeitsunterlagen des klagenden Angestellten, die Einnahme des gerichtlichen Augenscheins sowie die Zuziehung von Sachverständigen, allerdings nicht die Vernehmung von Zeugen anordnen und durchführen, wie sich im einzelnen aus §§ 141 ff ZPO ergibt (vgl. BAG AP Nr. 4 zu § 1 Tarifverträge: Presse; auch BAG AP Nr. 60 zu §§ 22, 23 BAT 1975 m.w.N.). Das Berufungsgericht verkennt, soweit die Erörterung und Prüfung der Tätigkeit des die Höhergruppierung begehrenden Klägers in dem Ortstermin vom 06.10.87 in Rede steht, nicht, daß zu den Grundlagen der Rechtsverfolgung im Zivilprozeß das Vorbringen von Tatsachen gehört, aus deren lückenloser Folge sich - ihre Richtigkeit unterstellt - der geltend gemachte Anspruch herleiten lassen muß (vgl. BAG AP Nr. 5 zu § 139 ZPO), wobei eine Eingruppierungsfeststellungsklage dann schüssig ist, wenn das tatsächliche Vorbringen des Klägers bei Unterstellung seiner Richtigkeit den Klageantrag begründet erscheinen läßt, so daß im Falle der Säumnis der beklagten Partei aufgrund des Vorbringens des Klägers nach § 331 ZPO ein Versäumnisurteil erlassen werden könnte (vgl. BAG AP Nr. 97 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Der Kläger eines Eingruppierungsrechtsstreits muß mithin darlegen, daß Tatsachen vorliegen, aus denen die Erfüllung der qualifizierenden Tätigkeitsmerkmale hergleitet werden kann. Er muß, wenn er die Eingruppierung nach bestimmten Qualifikationsmerkmalen begehrt, diejenigen Tatsachen vortragen und im Bestreitensfalle beweisen, aus denen der rechtliche Schluß möglich ist, daß er die im Einzelfall in Betracht kommenden und für sich beanspruchten tariflichen Tätigkeitsmerkmale unter Einschluß der darin vorgesehenen Qualifizierungen erfüllt (vgl. BAG AP Nrn. 32, 36, 39, 68, 88, 97 zu §§ 22, 23 BAT 1975).</p><span class="absatzRechts">105</span><p class="absatzLinks">Notwendigerweise kennt nämlich der Kläger seine eigene Tätigkeit am besten und muß daher am ehesten in der Lage sein, darzulegen, ob und warum sie sich im Sinne der qualifizierenden Tätigkeitsmerkmale heraushebt (vgl. BAG AP Nr. 36 zu §§ 22, 23 BAT 1975).</p><span class="absatzRechts">106</span><p class="absatzLinks">Nicht selten erweist sich allerdings die Tatsachenfeststellung und Sachaufklärung mit den Mitteln der Verhandlungsmaxime in Eingruppierungsstreitigkeiten als noch schwieriger als die Rechtsanwendung, insbesondere deshalb, weil bei unstreitigem Sachverhalt die Parteien die Einzelheiten der Tätigkeit des jeweiligen Klägers oft nur stichwortartig und nicht nachvollziehbar schildern oder den Gerichten der Nachvollzug den Parteien geläufiger interner Verwaltungsvorgänge nicht oder nur schwer möglich ist.</p><span class="absatzRechts">107</span><p class="absatzLinks">Die rechtlichen Schwierigkeiten in Eingruppierungsprozessen haben ihre Ursache keineswegs allein in den zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffen der VergO zum BAT. Häufig betreffen sie die Bestimmung der Arbeitsvorgänge nach § 22 BAT. Sie sind in vielen Fällen auch darin begründet, daß bei lediglich verbaler Anerkennung des Tarifgefüges innerhalb der öffentlichen Hand Höher- und Eingruppierungen nach außerrechtlichen Gesichtspunkten vorgenommen werden, weiter auch darin, daß die damit beschäftigten Bediensteten wegen der nur schwer überschaubaren Vielfalt der VergO und ihrer immer stärker zunehmenden, vielfältigen Differenzierungen nicht selten überfordert erscheinen. Zahlreich sind die Rechtsstreitigkeiten, in denen es den jeweiligen Klägern, obwohl das rechtlich und tatsächlich möglich ist, erhebliche Schwierigkeiten bereitet, in der prozessual gebotenen Art und Weise Tatsachen insbesondere für qualifizierende tarifliche Tätigkeitsmerkmale vorzubringen (vgl. BAG AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975; auch BAG AP Nr. 36, 97 zu §§ 22, 23 BAT 1975).</p><span class="absatzRechts">108</span><p class="absatzLinks">Rauschgoldähnliche Wertungen finden nicht nur in Ausnahmefällen Eingang in die klägerischen Ausführungen (vgl. etwa BAG AP Nr. 68 zu §§ 22, 23 BAT 1975).</p><span class="absatzRechts">109</span><p class="absatzLinks">Führt eine Aufzählung der Tätigkeiten im einzelnen und eine detaillierte Beschreibung des Aufgabengebietes bei der Überprüfung und Würdigung des Eingruppierungsbegehrens nicht weiter, dann muß das Gericht danach fragen, was der klagende Angestellte in einem überschaubaren Zeitraum dienstlich gemacht hat (vgl. Anm. Clemens zu BAG AP Nr. 102 zu §§ 22, 23 BAT). Die Erörterung in einem Ortstermin ist ein entscheidender Schritt für die Beurteilung, ob bestimmte Tätigkeiten und Einzelaufgaben den jeweils in Betracht kommenden qualifizierenden Tätigkeitsmerkmalen zuzuordnen sind. Die Pflicht des Gerichts, das Sach- und Streitverhältnis in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu erörtern, zielt nicht nur auf die Parteien; einzubeziehen sind auch unterrichtete Vertreter, wie sich aus § 141 Abs. 3 Satz 2 ZPO ergibt. Auch sie kommen in Betracht, wenn es sich um die Beantwortung der notwendigen Aufklärungsfragen handelt (vgl. Baumbach/Hartmann, a.a.O., § 139 Anm. 2 E).</p><span class="absatzRechts">110</span><p class="absatzLinks">7.2. In dem Ortstermin vom 06.10.1987 ist wie dargelegt zu Recht der Haustechniker Mxxx herangezogen worden.</p><span class="absatzRechts">111</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat Gelegenheit gehabt, seine Aufgaben im einzelnen zu schildern und mit allen Einzelheiten zu erläutern.</p><span class="absatzRechts">112</span><p class="absatzLinks">Selbständige Tätigkeit, also selbständige Leistungen, haben sich im Aufgabengebiet des Klägers nicht ergeben.</p><span class="absatzRechts">113</span><p class="absatzLinks">Er arbeitet nach detaillierten Vorgaben, der einzuschlagende Weg ist festgelegt, für eigene Initiativen ist kein Raum. Die Arbeitsmethode und die Arbeitsgestaltung sind ihm vorgeschrieben, von einer Eigenständigkeit seines Arbeitsbereichs kann keine Rede sein. Ermessens-, Entscheidungs-, Gestaltungs-, oder Beurteilungsspielraum hat er bei der Erarbeitung seiner Arbeitsergebnisse nicht.</p><span class="absatzRechts">114</span><p class="absatzLinks">Im einzelnen gilt folgendes:</p><span class="absatzRechts">115</span><p class="absatzLinks">Die täglichen Kontrollen der Wärmepumpe bereiten keinerlei Schwierigkeiten. Das Nachfüllen von Kühlwasser ist ebenso einfach wie das Öffnen von Sicherungsventilen.</p><span class="absatzRechts">116</span><p class="absatzLinks">Instandsetzungen an der Wärmepumpe führt der Kläger nur in ganz geringem Umfang durch: er zieht Schrauben und Muttern nach. Das Instandsetzungswerkzeug ist entsprechend bescheiden: ein Rollgabelschlüssel. Ähnlich einfach wie die Kontrolle der Wärmepumpe ist die Überwachung der Heizungsanlage, der Wasserdruck muß stimmen.</p><span class="absatzRechts">117</span><p class="absatzLinks">Das Ablesen der Betriebsstunden und der Wärmezähler erfordert keinerlei Qualifikationen.</p><span class="absatzRechts">118</span><p class="absatzLinks">Das Auswechseln der Filtermatten der Be- und Entlüftungsanlagen, die alle nach dem gleichen Prinzip funktionieren, läßt keinerlei Raum für irgendeine geistige Tätigkeit, zumal der Grad der Verschmutzung der Matten automatisch angezeigt wird.</p><span class="absatzRechts">119</span><p class="absatzLinks">Die Wartung der Schindler-Aufzüge wird von der Herstellerfirma durchgeführt. Ist ein Aufzug steckengeblieben, so muß der Kläger die Bremse entsperren und den Aufzug "von Hand" bis zum nächsten Stockwerk herunterfahren, wobei er auf Farbmarkierungen auf den Stahlseilen zurückgreifen kann. Auch hier hat er keinen Ermessens- und Gestaltungsspielraum. Die Aufgaben des Klägers in der "Zentralen Leitstelle" enthalten keinerlei Ermessenstätigkeit.</p><span class="absatzRechts">120</span><p class="absatzLinks">Hier ist alles in einem Bedienerhandbuch festgelegt. Die Wartung der Sprinkleranlage sowie der Brandmelder gehört nicht zum Aufgabenbereich des Klägers.</p><span class="absatzRechts">121</span><p class="absatzLinks">Defekte an den Mikroschaltern der Taschenförderungsanlage in der Zulassungsstelle sind leicht zu ermitteln. Das Auswechseln der Schalter ist problemlos. Ähnliches gilt, wenn sich Taschen verfangen.</p><span class="absatzRechts">122</span><p class="absatzLinks">Die Tätigkeiten des Klägers, die sich auf die Drainagepumpen, die Solepumpe, die Brunnenanlage, die Heizverteilung, die Sprinkleranlage, die Niederspannungsanlage, die automatischen Türöffner, die Trafostation und das Notstromaggregat, die Müllkomprimierungsanlage, den Batterieraum, die Druckerhöhungsanlage, die Küche und den Kaffeeautomaten beziehen, gehören teilweise in den Arbeitsbereich eines Hausmeisters; soweit sie darüber hinausgehen, sind sie dadurch gekennzeichnet, daß ihnen jede Schwierigkeit, die den Einsatz nicht ganz leichter geistiger Arbeit fordert, fehlt.</p><span class="absatzRechts">123</span><p class="absatzLinks">8. Nach Lage des Falles bedarf es keiner Erörterungen, ob in dem Arbeitsbereich des Klägers, der nicht den Hausmeisteraufgaben zugeordnet werden kann, überhaupt Technikertätigkeiten anfallen.</p><span class="absatzRechts">124</span><p class="absatzLinks">Eine Auseinandersetzung mit dem Berufsbild eines Technikers im Sinne der Fallgr. 17 der VergGr. V c ist daher nicht erforderlich.</p><span class="absatzRechts">125</span><p class="absatzLinks">Auch erübrigen sich Überlegungen, ob gleichwertige Fähigkeiten und Erfahrungen allein mit dem Hinweis auf die Tatsache, daß die Aufgaben seit vielen Jahren erledigt werden, dargetan werden können.</p><span class="absatzRechts">126</span><p class="absatzLinks">Ob das Bauamt des Beklagten die Höhergruppierung des Klägers befürwortet hat, ist gleichgültig.</p><span class="absatzRechts">127</span><p class="absatzLinks">Unzutreffend ist die Annahme des Klägers, für die Anwendung des Techniker-Tarifvertrages sei weniger die Aus- und Vorbildung des Angestellten, sondern mehr die Wahrnehmung der entsprechenden Tätigkeiten maßgebend. Da die Tarifvertragsparteien kumulativ bei dem "sonstigen Angestellten" einmal als subjektive Voraussetzung gleichwertige Fähigkeiten und Erfahrungen und außerdem als zweites objektives Erfordernis eine "entsprechende Tätigkeit" fordern, ist die Klage unbegründet, wenn es bei dem Kläger an dem subjektiven Merkmal der gleichwertigen Fähigkeiten und Erfahrungen fehlt (vgl. BAG AP Nr. 12, 41, 96 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG AP Nr. 7 zu § 72 BPersVG).</p><span class="absatzRechts">128</span><p class="absatzLinks">Schließlich kann dahinstehen, wie die Hausmeistertätigkeiten von den sonstigen Aufgaben des Klägers abzugrenzen sind und wie bei einer sachgerechten Zuordnung der Tätigkeit zu den Arbeitsvorgängen zu quantifizieren ist. Wenn die Hausmeistertätigkeiten zeitlich überwiegen, so scheitert allein schon deshalb das Höhergruppierungsbegehren des Klägers.</p><span class="absatzRechts">129</span><p class="absatzLinks">Die Berufung des Klägers muß daher ohne Erfolg bleiben. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.</p>
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315,424 | lg-dusseldorf-1987-11-17-4-o-34186 | {
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} | 4 O 341/86 | 1987-11-17T00:00:00 | 2019-03-13T14:55:19 | 2019-03-27T09:43:09 | Urteil | ECLI:DE:LGD:1987:1117.4O341.86.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p></p>
<p> Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.</p>
<p></p>
<p> Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 22.000,-- vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p> Die Sicherheitsleistung darf auch durch die selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich West-Berlin ansässi- gen Großbank oder öffentlichen Sparkasse erbracht werden.</p>
<p></p>
<p></p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>T a t b e s t a n d </u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist Inhaberin des deutschen Patents 28 19 065 (nachfolgend: Klagepatent), das auf einer Anmeldung vom 29. April 1978 beruht, die am 31. Oktober 1979 offengelegt worden ist. Am 31. Januar 1985 ist die Patenterteilung veröffentlicht worden. Das Klagepatent trägt die Bezeichnung "Einhebel-Mischarmatur". Gegen die Erteilung des Klagepatents hat die Firma Ideal-Standard GmbH Einspruch erhoben. Nach Prüfung des Einspruchs hat die Patentabteilung 12 des Deutschen Patentamtes mit Beschluß vom 19. August 1986 das Klagepatent in vollem Umfang aufrechterhalten. Gegen diesen Beschluß hat die Einsprechende Beschwerde eingelegt. Mit Eingabe vom 24. März 1987 ist die Beklagte der Einsprechenden und Beschwerdeführerin beigetreten. Eine Entscheidung des Bundespatentgerichts im Einspruchs-Beschwerdeverfahren (Aktenzeichen: 6 W (pat) 130/86) liegt bisher nicht vor.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Patentanspruch 1 des Klagepatents lautet wie folgt:</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">"Einhebel-Mischarmatur, insbesondere für den Sanitärbereich, mit einer Festscheibe, die Durchtrittsöffnungen für Kalt-, Warm- und Mischwasser aufweist;</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">mit einer an der Festscheibe anliegenden, gegenüber dieser verdrehbaren und verschiebbaren Regelscheibe, in der gegebenenfalls zusammen mit einem Mitnahmeteil ein Umlenkkanal ausgebildet ist, über den je nach der Relativstellung der beiden Scheiben Wasser zwischen den Durchtrittsöffnungen der Festscheibe fließen kann;</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">mit einem im Umlenkkanal mittels mindestens eines Befestigungsabschnittes hängend angeordneten, geräuschmindernden Sieb, welches einen von der Festscheibe her gesehen konvex gekrümmten Abschnitt aufweist, dessen Scheitellinie parallel zur regelnden Kante des Umlenkkanals in einer Ebene verläuft, die parallel zu und im geringem Abstand von den Kontaktflächen der beiden Scheiben liegt, dadurch gekennzeichnet, daß das Sieb (11) sich lediglich in der Nähe der regelnden Kante des Umlenkkanals (5, 10) erstreckt und der sich an den Befestigungsabschnitt (14) anschließende, konvex gekrümmte Abschnitt des Siebes (11) mit einem Rand (13) an der an die regelnde Kante sich anschließenden Innenwand des Umlenkkanals (5, 10) anliegt."</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte stellt her und vertreibt Einhebel-Mischarmaturen gemäß der als Anlage 4 überreichten Zeichnung, deren wesentliche Bestandteile nachfolgend wiedergegeben sind:</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks"><b>- hier folgen zwei Abbildungen –</b></p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin trägt vor, mit Herstellung und Vertrieb der Einhebel-Mischarmatur gemäß Anlage 4 verletze die Beklagte die ihr zustehenden Rechte aus dem Klagepatent. Die Einhebel-Mischarmatur gemäß Anlage 4 mache von dem Wortlaut des Patentanspruches 1 des Klagepatents Gebrauch. Die angegriffene Ausführungsform weise insbesondere im Umlenkkanal ein geräuschminderndes Sieb auf, das mittels eines Befestigungsabschnittes im Umlenkkanal hängend angeordnet sei und einen von der Festscheibe her gesehen konvex gekrümmten Abschnitt aufweise, dessen Scheitellinie parallel zur regelnden Kante des Umlenkkanals in einer Ebene verlaufe, die parallel zu und in geringem Abstand von den Kontaktflächen der beiden Scheiben liege. Sie verweise insoweit insbesondere auf ihre farbig angelegten Darstellungen der angegriffenen Ausführungsform in den Anlagen 4 a und 5, die diesen Sachverhalt verdeutlichen. Die angegriffene Ausführungsform mache jedoch nicht nur von den Merkmalen des Oberbegriffs wortlaut-gemäß Gebrauch, sondern verwirkliche auch die kennzeichnenden Merkmale dem Wortlaut nach. Auch bei der angegriffenen Ausführungsform erstrecke sich das Sieb <u>lediglich</u> in der Nähe der regelnden Kante des Umlenkkanals. Schließlich liege der sich an den Befestigungsabschnitt anschließende, konvex gekrümmte Abschnitt des Siebes mit einem Rand an der an die regelnde Kante sich anschließenden Innenwand des Umlenkkanals an. Wie aus der untersten Figur nach Anlage 5 hervorgehe, erstrecke sich der rot markierte, geräuschdämpfend aktive Abschnitt des Siebes bis zur Anlage an die Wand des Umlenkkanals heran. Von diesem Rand aus verlaufe dann der grün skizzierte Befestigungsabschnitt entlang der Wand des Umlenkkanals nach oben. Somit liege eine <u>wortwörtliche Verwirklichung aller Merkmale des Hauptanspruchs des Klagepatents vor</u>. Der Einwand des freien Standes der Technik stehe der Beklagten somit nicht zu. Selbst wenn jedoch das Gericht bestimmte Merkmale des Hauptanspruches nur als äquivalent oder in sog. verschlechterter Ausführungsform verwirklicht ansehen sollte, stände der gesamte bekannte Stand der Technik dem Verletzungsgegenstand erheblich ferner als dieser dem Erfindungsgegenstand.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">es bei Vermeidung einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsstrafe bis zu DM 500.000,--, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Mo- naten, bei mehrfachem Verstoß bis zu insgesamt 2 Jahren, zu unterlassen,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Einhebel-Mischarmaturen mit einer Festscheibe, die Durchtrittsöffnungen für Kalt-, Warm- und Mischwasser aufweist, mit einer an der Festscheibe anlie- genden, gegenüber dieser verdrehbaren und verschiebbaren Regelscheibe, in der zusammen mit einem Mitnahmeteil ein Umlenkkanal ausgebildet ist, über den je nach der Relativstellung der beiden Scheiben Wasser zwischen den Durchtrittsöffnungen der Festscheibe fließen kann, mit einem im Umlenkkanal mittels mindestens eines Befestigungsabschnittes hängend angeordneten, geräuschmindernden Sieb, welches einen von der Festscheibe her gesehen konvex gekrümmten Abschnitt aufweist, dessen Scheitellinie parallel zur re- gelnden Kante des Umlenkkanals in einer Ebene verläuft, die parallel zu und in geringem Abstand von den Kontaktflächen der beiden Scheiben liegt,</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">gewerblich herzustellen, feilzuhalten, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">bei welchen das Sieb sich lediglich in der Nähe der regelnden Kante des Um- lenkkanals, nicht jedoch in dessen Mittelteil erstreckt, und der sich an den Befestigungsabschnitt anschließende, konvex gekrümmte Abschnitt des Sie- bes mit einem Rand an der an die regelnde Kante sich anschließenden Innenwand des Umlenkkanals anliegt, während der andere Rand dieses kon- vex gekrümmten Abschnittes sich zum Inneren des Umlenkkanals erstreckt,</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Rechnung darüber zu legen, in welchem Umfange die Beklagte die zu I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 1. Dezember 1979 begangen hat, und zwar unter Vorlage eines Verzeichnisses, aus welchem die Liefermengen, Lieferzeiten, Lieferpreise, sowie Abnehmer mit Namen und Anschriften, ferner Angebote nach Mengen, Preisen, Zeiten und Angebotsempfängern sowie be- triebene Werbung nach Art, Umfang, Verbreitungszeiten und Verbreitungsor- ten, schließlich Herstellungs- und Vertriebskosten unter Angabe der einzelnen Kostenfaktoren und die erzielten Gewinne ersichtlich sind;</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">die Namen und Anschriften der Abnehmer und Angebotsempfänger mögen unter Wirtschaftsprüfervorbehalt erfolgen;</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist,</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">der Klägerin für die vom 1. Dezember 1979 bis 28. Februar 1985 nach I.1 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen,</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die seit dem 1. März 1985 nach I.1 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen,</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">hilfsweise ihr für den Fall ihrer Verurteilung zur Rechnungslegung nach ihrer Wahl vorzubehalten, die Namen und Anschriften ihrer Abnehmer und Empfänger von Angeboten statt der Klägerin einem von der Klägerin zu be- zeichnenden, zur Verschwiegenheit gegenüber der Klägerin verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern sie diesen ermächtigt, der Klägerin darüber Auskunft zu geben, ob eine bestimmte Lieferung oder ein bestimmter Abnehmer in der Rechnung oder ein bestimmter Empfänger eines Angebots in der Auskunft enthalten ist.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt hilfsweise ferner,</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Erledigung des gegen das Klagepatent 28 19 065 erhobenen Einspruchs der Ideal-Standard GmbH, Bonn, auszu- setzen.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">den Aussetzungsantrag der Beklagten zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte trägt vor, das Klagepatent sei nicht rechtsbeständig. Insbesondere aufgrund der Vorveröffentlichung "Gesundheits-Ingenieur", 1931, Heft 9, Seite 129/130 (Anlage B 9) sowie aufgrund des DE-GM 19 123 155 (Anlage B 10) und der CH-PS 574 067 (Anlage B 11), US-PS 34 33 264 (Anlage B 12) und DE-OS 20 51 374 (Anlage B 13) hätte der Durchschnittsfachmann ohne erfinderisches Zutun zu der Weiterentwicklung des Klagepatents finden können. - Auf die Rechtsbeständigkeit des Klagepatents komme es indessen nicht an, weil die angegriffene Ausführungsform die Lehre des Klagepatents nicht verwirkliche. Die angegriffene Ausführungsform weise kein Sieb auf, das einen konvex gekrümmten Abschnitt mit einer Scheitellinie habe. Vielmehr sei dort der ringförmige Siebkörper am unteren Ende zweifach rechtwinklig umbördelt. Nur bogenförmig gekrümmte Siebabschnitte seien im Sinne der Lehre des Klagepatents konvex gekrümmte Abschnitte mit einer Scheitellinie. Vor allem fehle aber bei der angegriffenen Ausführungsform das Merkmal, nach welchem das Sieb sich <u>lediglich</u> in der Nähe der regelnden Kante des Umlenkkanals erstrecken solle. Die regelnde Kante sei die in den Figuren 1 bis 3 und 5 der Klagepatentschrift jeweils links dargestellte Kante der Regelscheibe (4), die in der Nähe des Bezugszeichens (12) liege, nicht aber die ihr gegenüberliegende Kante des Umlenkkanals, die keine Regelungsfunktion habe. Es komme der vermeintlichen Erfindung des Klagepatents darauf an, die Siebanordnung räumlich auf die Nähe der regelnden Kante zu beschränken. Dies sei auch im Prüfungsverfahren deutlich geworden. Bei der angegriffenen Ausführungsform erstrecke sich das Sieb jedoch auf den gesamten durch die Regelscheibe begrenzten Innenraum des Umlenkkanals. Schließlich fehle auch das kennzeichnende Merkmal, nach welchem der sich einem Befestigungsabschnitt (14) anschließende konvex gekrümmte Abschnitt des Siebes (11) mit einem Rand (13) an deren die regelnde Kante sich anschließenden Innenwand des Umlenkkanals (5, 10) anliegen solle. Der Rand des Siebes der angegriffenen Ausführungsform stehe nach zweimaliger rechtwinkliger Umbördelung senkrecht in den freien Raum des Umlenkkanals (5) vor. Er liege mithin nicht an der Innenwandung des Umlenkkanals an. Da von der Klägerin nur eine "wortwörtliche" Verwirklichung des Patentanspruches 1 des Klagepatents geltend gemacht worden sei, sei es nicht ihre Sache, sich zu etwaigen Äquivalenzgesichtspunkten zu äußern. Angesichts eines fehlenden Sachvortrages der Klägerin zur Äquivalenzfrage könne es weder dem Gericht noch ihr zugemutet werden, von sich aus Erwägungen zu Äquivalenzgesichtspunkten anzustellen. Derartige Erwägungen müsse ein entsprechend konkreter Sachvortrag der Klägerin zugrunde liegen, an dem es hier jedoch fehle.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Mit nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 3. November 1987 hat die Klägerin ergänzend vorgetragen. Die Beklagte hat einer Verwertung dieses Vorbringens widersprochen.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks"><u>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :</u></p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Die auf Verletzung des Klagepatents gestützte Klage (§§ 139, 14 PatG) ist nicht gerechtfertigt. Die mit der Klage beanstandete Ausführungsform verwirklicht nicht identisch sämtliche Lösungsmerkmale des Hauptanspruches des Klagepatents. Vielmehr macht sie von dessen Wortlaut, der nicht philologisch zu betrachten ist, sondern im Lichte der sich aus der Klagepatentschrift nach Aufgabe und Lösung ergebenden technischen Lehre zu sehen ist, zumindest insoweit keinen Gebrauch, als bei ihr abweichend vom Wortlaut das Sieb sich nicht <u>lediglich</u> in der Nähe der regelnden Kante des Umlenkkanals erstreckt und als bei ihr ebenfalls abweichend vom Wortlaut der sich an den Befestigungsabschnitt anschließende, von diesem rechtwinklig abgebogene und parallel zu den Kontaktflächen der Scheiben verlaufende und dann in einigem Abstand vom Befestigungsabschnitt noch einmal rechtwinklig abgebogene Abschnitt des Siebes nicht mit einem Rand an der an die regelnde Kante sich anschließenden Innenwand des Umlenkkanals anliegt. Bei der angegriffenen Einhebel-Mischarmatur erstreckt sich, wie insbesondere der Augenschein des in der letzten mündlichen Verhandlung vorgelegten Musters der angegriffenen Ausführungsform gezeigt hat, wie aber auch aus den zeichnerischen Darstellungen in den Anlagen 4, 4a und 5 hervorgeht, das Sieb im gesamten Bereich des Umlenkkanals an und in der Nähe von dessen Innenwandung. Der sich an den an der Innenwand anliegenden vertikalen Siebabschnitt anschließende Siebabschnitt, den die Klägerin als im Sinne des Wortlauts des Klagepatents "konvex gekrümmt" ansieht, ragt mit seinem Rand in den freien Raum des Umlenkkanals vor. Er liegt an keiner Wand an, insbesondere auch nicht an der an die regelnde Kante sich anschließenden Innenwand des Umlenkkanals.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Es ließ sich auch nicht feststellen, daß die angegriffene Ausführungsform unter dem Gesichtspunkt patentrechtlicher Äquivalenz in den Schutzbereich des Hauptanspruches des Klagepatents fällt. Eine solche Feststellung ließ sich schon allein deshalb nicht treffen, da es an jeglichem substantiierten Sachvortrag der Klägerin fehlt, daß im Hinblick auf die vorgenannten Abweichungen vom Wortlaut des Klagepatents Ersatzmittel vorhanden sind, die in der technischen Funktion (Aufgabenstellung) mit den wortlautgemäßen Mitteln übereinstimmen und im wesentlichen die gleichen Wirkungen erzielen und die der Fachmann im Prioritätszeitpunkt, ausgerüstet mit dem allgemeinen Fachwissen und in Kenntnis des in der Patentschrift mitgeteilten Standes der Technik ohne erfinderisches Bemühen den Patentansprüchen als funktionsgleiches Lösungsmittel entnehmen konnte (vgl. zum Begriff der Äquivalenz für die Patente, deren Schutzbereich sich nach § 14 PatG 1981 bestimmt Benkard-Ullmann, Patentgesetz, 7. Aufl. 1981, § 14 Rdn. 123).</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Die Erfindung nach dem Klagepatent betrifft eine Einhebel-Mischarmatur, wie sie insbesondere im Sanitärbereich Verwendung findet. Die erfindungsgemäße Mischarmatur besteht aus einer Festscheibe, einer an ihr anliegenden, ihr gegenüber verdrehbaren und verschiebbaren Regelscheibe, in der gegebenenfalls zusammen mit einem Mitnahmeteil ein Umlenkkanal ausgebildet ist, und einem im Umlenkkanal mittels mindestens eines Befestigungsabschnittes hängend angeordneten, geräuschmindernden Sieb. Bei der aus den vorgenannten Bestandteilen bestehenden Mischarmatur weist die Festscheibe Durchtrittsöffnungen für Kalt-, Warm- und Mischwasser auf. Über den in der Regelscheibe ausgebildeten Umlenkkanal kann je nach der Relativstellung der beiden Scheiben Wasser zwischen den Durchtrittsöffnungen der Festscheibe fließen. Das im Umlenkkanal angeordnete Sieb weist einen von der Festscheibe her gesehen konvex gekrümmten Abschnitt auf, dessen Scheitellinie parallel zur regelnden Kante des Umlenkkanals in einer Ebene verläuft, die parallel und in geringem Abstand von den Kontaktflächen der beiden Scheiben liegt.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Gemäß Spalte 2 Zeilen 48 bis 50 der Klagepatentschrift ist eine derartige Einhebel-Mischarmatur aus der älteren Patentanmeldung P 27 53 287.2 – 12 bekannt. Die Figur 1 dieser älteren Patentanmeldung, auf die das aus der Anlage 2 ersichtliche Patent erteilt worden ist, zeigt den nachfolgend wiedergegebenen Schnitt durch zwei Steuerscheiben, wie sie in einem Ventil übereinanderliegen, mit eingesetzten geräuschminderndem Sieb, wobei die gegenüberliegenden Enden des Siebes auf unterschiedliche Weise aus der Hauptebene des Siebes herausgebogen sind:</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks"><b>- hier folgt eine Abbildung –</b></p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Diese Einhebel-Mischarmatur der älteren Patentanmeldung wird in der Klagepatentschrift dahin gewürdigt, daß bei ihr im Umlenkkanal ein Sieb angeordnet sei, welches die Fließgeräusche des Wassers reduziere. Das Sieb umfasse einen parallel zum Boden des Umlenkkanals verlaufenden Hauptteil, aus dem zumindest im Bereich von einem Siebende einstückig ein Siebbereich herausgebogen sei. Dieser weise auf die Durchtrittsöffnungen für Kalt- und Warmwasser in der Festscheibe zu (vgl. Spalte 2 Zeilen 50 bis 57).</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Zu dieser Armatur wird in der Klagepatentschrift kritisch angemerkt, daß die Wirksamkeit des Siebes gut sei, daß jedoch immer das Bedürfnis bestehe, die Gefahr der Verschmutzung von Sieben in Sanitärarmaturen zu verringern und die durch sie bewirkte Wasserdrosselung so klein wie möglich zu halten (vgl. Spalte 2 Zeilen 57 bis 61).</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Die Aufgabe der Erfindung ist in der Klagepatentschrift dahin formuliert, eine Einhebel-Mischarmatur der eingangs genannten Art so fortzubilden, daß ohne Verschlechterung der geräuschdämpfenden Wirkung die durch das Sieb hervorgerufene Drosselung sowie die Verschmutzungsgefahr des Siebes reduziert sind (vgl. Spalte 2 Zeilen 61 bis 67). Bei Beibehaltung der guten geräuschdämpfenden Wirkungen des Siebes der bekannten Armatur soll also dafür gesorgt werden, daß die durch das Sieb hervorgerufene Wasserdrosselung herabgesetzt und so klein wie möglich gehalten wird und die Gefahr der Verschmutzung des Siebes verringert wird.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Zur Lösung dieser Aufgabe wird vorgeschlagen, daß das Sieb sich lediglich in der Nähe der regelnden Kante des Umlenkkanals erstreckt und der sich an den Befestigungsabschnitt anschließende, konvex gekrümmte Abschnitt des Siebes mit einem Rand an der an die regelnde Kante sich anschließenden Innenwand des Umlenkkanals anliegt (vgl. Spalte 2 Zeilen 68 bis Spalte 3 Zeile 1 in Verbindung mit Spalte 1 Zeilen 23 bis 29).</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Diese Lösung ist in der Klagepatentschrift ausschließlich anhand von Ausführungsbeispielen näher erläutert, wobei die nachfolgend wiedergegebenen Figuren 2, 3 und 5 drei verschiedene Ausführungsformen zeigen:</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks"><b>- hier folgen drei Abbildungen –</b></p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Von diesen Ausführungsbeispielen der Erfindung heißt es in der Klagepatentschrift, daß bei allen Ausführungsformen der Rand 13 des Siebes 11 gegen die Innenwand der Regelscheiben-Öffnung 5 unter geringfügigem, elastischem Druck anliege (vgl. Spalte 5 Zeilen 17 bis 19). Im Hinblick auf das Ausführungsbeispiel nach Figur 3 wird darauf hingewiesen, daß dort das Sieb durch einen zusätzlichen Abschnitt 21 versteift sei, wodurch Vibrationen des Siebes 11 zuverlässig unterdrückt würden und eine zusätzliche Aufteilung des Wasserstromes auftrete (vgl. Spalte 5 Zeilen 9 bis 15). </p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Die erfindungsgemäße Lösung nach dem Hauptanspruch des Klagepatents läßt sich in folgende Merkmale gliedern:</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Einhebel-Mischarmatur, insbesondere für den Sanitärbereich, mit einer Festscheibe, die Durchtrittsöffnungen für Kalt-, Warm und Mischwasser aufweist,</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">mit einer Regelscheibe, die an der Festscheibe anliegt und gegenüber dieser verdrehbar und verschiebbar ist;</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">in der Regelscheibe ist – gegebenenfalls zusammen mit einem Mitnahmeteil – ein Umlenkkanal ausgebildet, über den je nach der Relativstellung der beiden Scheiben Wasser zwischen den Durchtrittsöffnungen der Festscheibe fließen kann;</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">4.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">im Umlenkkanal ist mittels mindestens eines Befestigungsabschnittes ein geräuschminderndes Sieb hängend angeordnet;</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">5.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">das Sieb weist einen von der Festscheibe her gesehen konvex gekrümmten Abschnitt auf,</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">6.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">dessen Scheitellinie parallel zur regelnden Kante des Umlenkkanals verläuft, und zwar in einer Ebene die parallel zu den Kontaktflächen der beiden Scheiben liegt und von diesen einen geringen Abstand hält;</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">- Oberbegriff –</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">7.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">das Sieb erstreckt sich lediglich in der Nähe der regelnden Kante des Umlenkkanals;</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">8.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">der sich an den Befestigungsabschnitt anschließende konvex gekrümmte Abschnitt des Siebes liegt mit einem Rand an <u>der</u> Innenwand des Umlenkkanals an, die sich an die regelnde Kante anschließt.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">- Kennzeichen -.</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Von der zuvor erläuterten Lehre des Hauptanspruches des Klagepatents macht die angegriffene Ausführungsform nicht wortlautgemäß Gebrauch.</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Eine wortlautgemäße oder identische Benutzung der beanspruchten Erfindung ist nur gegeben, wenn die angegriffene Ausführungsform sämtliche Lösungsmerkmale des Hauptanspruches des Klagepatents verwirklicht. Dabei wird jedoch ein philologisches Verständnis der Merkmale des Patentanspruches dem patentrechtlichen Schutz nicht gerecht; vielmehr ist auch im Rahmen der Prüfung, ob eine Ausführungsform vom Wortlaut einer beanspruchten Erfindung Gebrauch macht, zu prüfen, ob sie die sich aus Aufgabe und Lösung ergebende Lehre mit technisch identischen Mitteln verwirklicht (vgl. BGH GRUR 1975, 422, 424 – Streckwalze). Die Beschreibung der Erfindung in der Klagepatentschrift ist stets und nicht nur bei Unklarheiten in den Patentansprüchen zu deren Verständnis heranzuziehen (vgl. Benkard-Ullmann, Patentgesetz, 7. Aufl., 1981, § 14 Rdn. 118). – In diesem zuvor erläuterten Sinne verwirklicht die angegriffene Ausführungsform jedoch nicht sämtliche Lösungsmerkmale des Hauptanspruches des Klagepatents wortlautgemäß (= identisch).</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Bei der angegriffenen Ausführungsform handelt es sich zwar um eine Einhebel-Mischarmatur mit einer Festscheibe, die Durchtrittsöffnungen für Kalt-, Warm- und Mischwasser aufweist (Merkmal 1), mit einer Regelscheibe, die an der Festscheibe anliegt und gegenüber dieser verdrehbar und verschiebbar ist (Merkmal 2) und in der ein Umlenkkanal ausgebildet ist, über den je nach der Relativstellung der beiden Scheiben Wasser zwischen den Durchtrittsöffnungen der Festscheibe fließen kann (Merkmal 3) sowie mit einem im Umlenkkanal angeordneten geräuschmindernden Sieb (Teile des Merkmals 4). All dies steht zwischen den Parteien nicht in Streit und hat sich auch durch den Augenschein des in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Musters der angegriffenen Ausführungsform bestätigt. Es kann hier letztlich dahingestellt bleiben, ob bei der angegriffenen Ausführungsform die weiteren Merkmale des Oberbegriffs, insbesondere auch das Merkmal 5, identisch verwirklicht sind, woran, wie noch darzulegen sein wird, erhebliche Zweifel bestehen, da jedenfalls die beiden kennzeichnenden Merkmale 7 und 8 bei der angegriffenen Ausführungsform nicht identisch verwirklicht sind.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Wie sich aus den zeichnerischen Darstellungen in Anlage 4 a, die unstreitig die angegriffene Ausführungsform zutreffend wiedergeben, ergibt, ist das dort in roter Farbe dargestellte Sieb (11), das an der gesamten Innenwandung des Umlenkkanals (5) anliegt, durch zwei an seinem oberen Ende an zwei gegenüberliegenden Stellen angeordnete, nach außen umbördelte Randteile, die in der Anlage 4 a mit dem Bezugszeichen (14) gekennzeichnet sind, gehalten. Das an der gesamten Innenwandung des Umlenkkanals (5) anliegende, insgesamt ringförmige Sieb reicht, wie die Anlage 4 a erkennen läßt, nach unten bis zu den Kontaktflächen der Festscheibe (1) und der Regelscheibe (4). Am unteren Ende ist das in Anlage 4 a in roter Farbe dargestellte Sieb (11) umgebördelt, und zwar mit einem kurzen, rechtwinkligen, waagerechten Steg, an dem sich ein weiterer, wiederum in rechten Winkel angeordneter, d.h. sich in der Zeichnung senkrecht erstreckender Steg anschließt, der parallel zum ringförmigen Siebkörper liegt.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Dieser Steg erstreckt sich nach oben und endet dort frei. Die nachfolgend wiedergegebene, der Anlage 4 a entnommene, Darstellung verdeutlicht den angegriffenen Gegenstand:</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks"><b>- hier folgt eine Abbildung –</b></p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Es mag bereits gewissen Zweifeln unterliegen, ob der in der zuvor wiedergegebenen Figur dargestellte Siebabschnitt 14 als ein Befestigungsabschnitt angesehen werden kann, an den das Sieb im Sinne des Merkmals 4 "hängend" angeordnet ist, noch viel zweifelhafter ist jedoch, ob dieses Sieb im Sinne des Merkmals 5 einen von der Festscheibe her gesehen "konvex" gekrümmten Abschnitt aufweist, der im Sinne des Merkmals 6 eine Scheitel<u>linie</u> hat.</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Die Merkmale 5 und 6 sind ausweislich der Klagepatentschrift der gattungsbildenden älteren Patentanmeldung entnommen, von der der Kammer als Anlage 2 die Patentschrift vorliegt. Der Fachmann wird daher, wenn ihm gesagt wird, er solle das Sieb mit einem von der Festscheibe her gesehen "konvex" gekrümmten Abschnitt versehen, der eine Scheitellinie hat, die er in bestimmter Weise anordnen soll, zum Verständnis dieses Merkmals auf die ältere Patentanmeldung zurückgreifen. Die ältere Patentanmeldung zeigt ihm unterschiedliche Siebanordnungen, denen jedoch gemeinsam ist, daß aus der Ebene eines zum Boden des Umlenkkanals parallel verlaufenden Siebhauptteils Siebteile herausgebogen sind. Diese herausgebogenen Siebteile können nach dem Inhalt der älteren Anmeldung unterschiedliche Gestalt haben, wobei als eine Gestaltungsmöglichkeit eine Ausbildung des Stirnendes des Siebes dahin gelehrt wird, daß es im Querschnitt zu einem nahezu vollständigen Kreis gebogen ist, so wie dies in der oben wiedergegebenen Figur 1 dieser älteren Patentanmeldung an dem linken mit dem Bezugszeichen 10 gekennzeichneten Stirnende geschehen ist. Die dort dargestellte Wölbung des Siebabschnitts dürfte dem Fachmann deutlich machen, was mit dem Merkmal, daß das Sieb einen von der Festscheibe her gesehen konvex gekrümmten Abschnitt aufweist, gemeint ist, nämlich einen zur Festscheibe hin gewölbten (bogenförmigen) Siebabschnitt. In der Sprache des Technikers steht das Begriffspaar "konvex" und "konkav" dafür, die unterschiedliche <u>Wölbungs</u>richtung gegenüber einem Festpunkt zu bezeichnen, nicht aber dazu, gegenüber einem Festpunkt in unterschiedliche Richtungen weisende rechtwinklige Abknickungen zu kennzeichnen. Der Fachmann dürfte in seiner durch die ältere Patentanmeldung gewonnenen Erkenntnis, daß mit "konvex gekrümmt" ein zur Festscheibe hin gewölbter Verlauf des Siebes gemeint ist, auch durch das im Patentanspruch enthaltene Merkmal einer Scheitellinie bestätigt werden. Von einem Scheitel und einer Scheitel<u>linie</u> kann regelmäßig nur bei gewölbten Körpern gesprochen werden, nicht aber bei geradlinig verlaufenden Körpern, die rechtwinklig abgeknickt sind, wie z. B. das Sieb der angegriffenen Ausführungsform. Es gibt bei einer solchen Ausführungsform keine tiefste, der Festscheibe am nächsten kommende <u>Linie</u>, sondern eine tiefste Fläche.</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Der Fachmann wird bei der Bestimmung dessen, was mit "konvex gekrümmt" gemeint ist, auch die Beschreibung der Erfindung in der Klagepatentschrift heranziehen. Die nähere Beschreibung der Erfindung ist in der Klagepatentschrift ausschließlich anhand von Ausführungsbeispielen erfolgt, denen jedoch, wie die Figuren 2, 3 und 5 erkennen lassen, allen gemein ist, daß das Sieb einen zur Festscheibe hin bogenförmig <u>gewölbten</u> Abschnitt aufweist. Nicht eines der dargestellten Siebe ist aus der vertikalen Erstreckung heraus rechtwinklig zur Innenwandung des Umlenkkanals abgeknickt und nicht bogenförmig gewölbt.</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Der Fachmann dürfte es bei der Auslegung des Merkmals "konvex gekrümmt" jedoch nicht nur bei demjenigen belassen, was ihm die insoweit in bezug genommene ältere Patentanmeldung offenbart und was ihm der Patentanspruch mit dem Merkmal "Scheitellinie" verdeutlicht und was die Ausführungsbeispiele der Klagepatentschrift schließlich zeigen, sondern er wird sich auch fragen, ob das zuvor gewonnene Verständnis von einem gewölbten Verlauf des Siebabschnitts auch im Hinblick auf die Aufgabenstellung des Klagepatents einen Sinn macht. Die Frage dürfte sich für den Fachmann allein schon deshalb stellen, weil er sich fragen wird, warum der Erfinder aus den in der älteren Patentanmeldung alternativ gelehrten verschiedenen Möglichkeiten der Siebgestaltung sich gerade für eine Gestaltung entschieden hat, bei der ein Siebabschnitt von der Festscheibe her gesehen "konvex gekrümmt" ist. Der Fachmann dürfte erkennen, daß diese Ausgestaltung im Hinblick auf das Ziel der Reduzierung der Wasserdrosselung von Vorteil ist. Er sieht vor allem, daß er bei einer bogenförmigen Wölbung des Siebes zur Festscheibe hin den Vorteil hat, daß dann schon bei kleinsten Ventilöffnungen ein By-pass-Weg am Sieb vorbei eröffnet ist, der zum Beispiel nicht in gleicher Weise vorhanden ist, wenn das Sieb in der Weise "gekrümmt" ist, das es rechtwinklig abgebogen ist. Den By-pass bei einer Festscheibe hin erfolgten Wölbung verdeutlicht die nachfolgende, dem Schriftsatz der Beklagten vom 7. Oktober 1987 Seite 7 (Bl. 74 GA) entnommene Figur:</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks"><b>- hier folgt eine Abbildung –</b></p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Stellt man sich vor, daß das Sieb nicht gewölbt verläuft, sondern in seinem Krümmungsbereich einen rechten Winkel einschließt, so ist dieser By-pass bei kleinsten Ventilöffnungen nicht mehr im gleichen Maße vorhanden.</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">Zusammenfassend läßt sich mithin feststellen, daß erhebliche Zweifel daran bestehen, daß der Fachmann das Klagepatent dahin versteht, daß ein von der Festscheibe her gesehen "konvex" gekrümmter Abschnitt mit einer "Scheitellinie" auch ein solcher Abschnitt ist, der zum vertikalen Abschnitt hin rechtwinklig abgebogen ist gemäß der nachfolgenden Darstellung:</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks"><b>- hier folgt eine Abbildung –</b></p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">Wie aber bereits oben kurz angeführt, können diese erheblichen Zweifel letztlich auf sich beruhen, da jedenfalls mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden kann, daß die kennzeichnenden Merkmale 7 und 8 des Hauptanspruchs des Klagepatents bei der angegriffenen Ausführungsform nicht dem Wortlaut nach verwirklicht sind.</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Nach dem Merkmal 7 soll sich das Sieb "lediglich" in der Nähe der regelnden Kante des Umlenkkanals erstrecken. Das Sieb soll sich mithin "nur" bzw. "ausschließlich" in der Nähe der regelnden Kante des Umlenkkanals befinden. Was unter dem Ausdruck "regelnde Kante des Umlenkkanals (5, 10)" zu verstehen ist, ergibt der Inhalt der Klagepatentschrift, in der in Spalte 4 Zeilen 3 bis 7 mit Bezug auf die konvexe Krümmung des Siebes (11) ausgeführt ist:</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">"Der Scheitel 12 dieses Siebes 11, das heißt die in den Fig. 2, 3 und 5 tiefste,</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">der Festscheibe 1 am nächsten kommende Linie, ist so gekrümmt, daß er parallel zur regelnden Kante der Regelscheiben-Öffnung 5 verläuft".</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">Damit ist die regelnde Kante als die in den Fig. 2, 3 und 5 der Klagepatentschrift jeweils links dargestellte Kante der Regelscheibe (4), die in der Nähe des Bezugszeichens (12) liegt, definiert, nicht aber als die dieser Kante gegenüberliegende Kante des Umlenkkanals. Die gegenüberliegende Kante des Umlenkkanals hat keine Regelungsfunktion, weil sie nicht zur Veränderung der Mischwasser-Auslaßöffnung (3) führt und im Bereich dieser Öffnung auch gar nichts zu regeln ist.</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">Daß sich das Sieb "lediglich" in dem vorgenannten Bereich und nicht über den gesamten Bereich des Umlenkkanals erstrecken soll, macht auch die in der Klagepatentschrift enthaltene Beschreibung der Nachteile der gattungsbildenden älteren Patentanmeldung sowie die Darstellung der Aufgabe der Erfindung deutlich. Im Hinblick auf das aus der älteren Patentanmeldung bekannte Sieb wird beanstandet, daß es einen parallel zum Boden des Umlenkkanals verlaufenden Hauptteil hat, der sich nahezu über den gesamten Bereich des Umlenkkanals erstreckt. Insoweit wird die Gefahr der Verschmutzung des Siebes und der Wasserdrosselung hervorgehoben. Ziel des Klagepatents mit dem kennzeichnenden Merkmal 7 ist es, dadurch, daß sich das Sieb lediglich, d.h. ausschließlich, in der Nähe der regelnden Kante des Umlenkkanals erstreckt, dafür zu sorgen, das einerseits die gute geräuschmindernde Wirkung des Siebes nach der älteren Patentanmeldung beibehalten wird, andererseits aber die Wasserdrosselung so klein wie möglich gehalten wird (vgl. Spalte 2 Zeilen 60/61 der Klagepatentschrift) und die Gefahr der Verschmutzung des Siebes verringert wird.</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">Der Fachmann wird daher, wenn ihm gelehrt wird, das Sieb sich <u>lediglich</u> in der Nähe der regelnden Kante des Umlenkkanals erstrecken zu lassen, dies dahin verstehen, das Sieb ausschließlich in diesem ihm näher beschriebenen Bereich des Umlenkkanals anzuordnen, nicht aber den gesamten Umlenkkanal mit dem Sieb auszukleiden. Er muß nämlich nach dem Inhalt der Klagepatentschrift anderenfalls befürchten, daß die Wasserdrosselung nicht mehr so klein wie möglich gehalten ist und die Gefahr der Siebverschmutzung wächst. Der Fachmann weiß, daß die Verstärkung der Gefahr der Verschmutzung sowie die Größe der Wasserdrosselung nicht nur davon abhängt, wie er das Sieb räumlich im Umlenkkanal anordnet, sondern auch von <u>der Ausdehnung</u> des Siebes. Mit der Größe des Siebes wächst die Gefahr des Hängenbleibens von Partikeln am Sieb und damit die Gefahr des Zusetzens des Siebes (vgl. Beschluß der Patentabteilung 12 des Deutschen Patentamtes vom 19. August 1986 Seite 9 – Anlage B 2).</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">Der Fachmann versteht daher das Merkmal 7 dahin, daß die <u>Siebausdehnung</u> auf den Bereich in der Nähe der regelnden Kante des Umlenkkanals beschränkt sein soll (so auch die Patentabteilung 12 des Deutschen Patentamts in dem Beschluß vom 19. August 1986 Seite 9 – Anlage B 2).</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">Bei der angegriffenen Ausführungsform ist die Siebausdehnung jedoch nicht auf den Bereich in der Nähe der regelnden Kante des Umlenkkanals beschränkt. Vielmehr erstreckt sich das Sieb über den gesamten durch die Regelscheibe begrenzten Innenraum des Umlenkkanals, womit zwangsläufig die Gefahr der Verschmutzung des Siebes wächst und womit ebenfalls zwangsläufig eine Vergrößerung der Wasserdrosselung gegenüber einer Erstreckung des Siebes lediglich im Bereich der regelnden Kante des Umlenkkanals verbunden ist.</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">Der Umstand, daß die angegriffene Ausführungsform abweichend von der älteren Patentanmeldung kein Sieb aufweist, das sich mit seinem Hauptteil parallel zum Boden des Umlenkkanals erstreckt, sondern ein Sieb hat, das sich im Umlenkkanal im wesentlichen vertikal längs der Innenwand erstreckt, bedeutet nicht, daß das Merkmal 7 dem Wortlaut nach erfüllt ist. Das Merkmal 7 beschränkt sich seinem Wortlaut nach, wie dargelegt, nicht darauf, anzugeben, daß das Sieb mit seinem ebenen Abschnitt im wesentlichen senkrecht zum Boden des Umlenkkanals verläuft, wie möglicherweise die Klägerin geltend machen will, sondern gibt einen bestimmten Bereich des Umlenkkanals an, in dem sich das Sieb ausschließlich erstrecken soll. Auf diesen Bereich beschränkt sich jedoch die Siebausdehnung bei der angegriffenen Ausführungsform nicht.</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">Bei der angegriffenen Ausführungsform wird auch von dem weiteren kennzeichnenden Merkmal 8 kein identischer Gebrauch gemacht, selbst wenn man einmal insoweit zugunsten der Klägerin unterstellen würde, daß das Sieb der angegriffenen Ausführungsform einen konvex gekrümmten Abschnitt aufweist. Zu der Annahme, daß dann eine Verwirklichung des Merkmals 8 vorliegt, kann man nur bei einer rein philologischen Betrachtungsweise kommen, die jedoch, wie eingangs dieser Entscheidungsgründe ausgeführt worden ist, auch im Rahmen der Prüfung, ob eine Ausführungsform identisch oder wortlautgemäß einen Patentanspruch verwirklicht, unzulässig ist. Berücksichtigt man dagegen, wie es erforderlich ist, unter Zugrundelegung von Aufgabe und Lösung die technische Bedeutung des Merkmals 8, so kann von einer identischen Verwirklichung keine Rede sein.</p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks">Nach dem Merkmal 8 soll der sich an den Befestigungsabschnitt anschließende konvex gekrümmte Abschnitt "mit einem Rand" an der an die regelnde Kante sich anschließenden Innenwand des Umlenkkanals anliegen. Das Merkmal wird dem Fachmann in der Klagepatentschrift ausschließlich anhand von Ausführungsbeispielen erläutert. Sämtliche Ausführungsbeispiele zeigen ihm dabei, daß der konvex gekrümmte Abschnitt des Siebes auf der einen Seite in den Befestigungsabschnitt 14 übergeht und daß das Sieb mit seinem dem Befestigungsabschnitt gegenüberliegenden Siebrand (13) an der Innenwandung des Umlenkkanals anliegt, und zwar wie es in Spalte 5 Zeilen 17 bis 19 heißt "unter geringfügigem, elastischem Druck". Sämtliche Ausführungsbeispiele zeigen dem Fachmann also, daß es sich bei dem Rand, der an der Innenwandung des Umlenkkanals anliegen soll, um den Rand handelt, der dem Rand gegenüberliegt, mit dem der konvex gekrümmte Abschnitt an den Befestigungsabschnitt anschließt.</p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks">Wenn auch dem Fachmann die technische Bedeutung dieses Merkmals in der Klagepatentschrift nicht ausdrücklich erläutert wird, so erkennt er doch, daß durch das Anliegen des freien Siebrandes an der Innenwandung das Sieb eine stabile Halterung erfahren soll und nicht mit seinem dem Befestigungsabschnitt gegenüberliegenden Ende frei in den Umlenkkanal hineinragen soll, da andernfalls das Sieb durch das an- und durchströmende Wasser zu Schwingungen angeregt werden könnte (vgl. auch die Eingabe der Anmelderin vom 27. Oktober 1982 Seite 3/Bl. 50 der Erteilungsakten gemäß Anlage B 1). In der Klagepatentschrift wird diese Gefahr ausdrücklich bei der Erläuterung der Figur 3 in Spalte 5 Zeilen 9 bis 16 angesprochen. Dort wird unter Bezugnahme auf eine besonders vorteilhafte Ausgestaltung der Erfindung, bei der das Sieb durch einen zusätzlichen Abschnitt 21 versteift ist, ausgeführt, daß mit diesem zusätzlichen Abschnitt Vibrationen des Siebes zuverlässig unterdrückt werden.</p>
<span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks">Wenn daher in dem Merkmal 8 davon die Rede ist, daß der "konvex gekrümmte" Abschnitt "mit einem Rand" an der Innenwand des Umlenkkanals anliegt, kann dies für den Fachmann nur bedeuten, daß der konvex gekrümmte Abschnitt mit dem Rand an der Innenwandung anliegt, der dem Rand gegenüberliegt, mit dem dieser Abschnitt in den Befestigungsabschnitt übergeht. Nur auf diese Weise wird verhindert, daß der konvex gekrümmte Abschnitt mit seinem freien Rand ohne Halt in den Umlenkkanal hineinragt.</p>
<span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks">In dem zuvor erläuterten Sinne ist bei der angegriffenen Ausführungsform das Merkmal 8 jedoch nicht identisch verwirklicht. Der sich an den Befestigungsabschnitt anschließende, von der Klägerin als "konvex gekrümmt" bezeichnete Abschnitt des Siebes der angegriffenen Ausführungsform liegt mit seinem freien Rand nicht an der Innenwandung des Umlenkkanals an, sondern ragt frei in den Umlenkkanal hinein, so daß der durch das an- und durchströmende Wasser zu Schwingungen angeregt wird, ohne an der Innenwandung einen Halt zu finden.</p>
<span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks">Ob bei der angegriffenen Ausführungsform die Gefahr von Schwingungen bzw. Vibrationen des Siebes durch vom Wortlaut des Patentanspruches 1 des Klagepatents abweichende Mittel ebenfalls weitgehend vermieden wird, ist eine Frage patentrechtlicher Äquivalenz, die sich bei der hier vorzunehmenden Erörterung der identischen Verwirklichung aller Lösungsmerkmale des Patentanspruchs 1 des Klagepatents nicht stellt.</p>
<span class="absatzRechts">103</span><p class="absatzLinks">III.</p>
<span class="absatzRechts">104</span><p class="absatzLinks">Da das Klagepatent auf einer Anmeldung vom 29. April 1978 beruht, bestimmt sich sein Schutzumfang nach § 14 PatG 1981 (vgl. Art. XI § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 5 IntPatÜb). Von seinem Schutzbereich sind daher auch Ausführungsformen erfaßt, die sich solcher Lösungsmittel bedienen, die mit den in den Patentansprüchen genannten Mitteln in der technischen Funktion (Aufgabenstellung) übereinstimmen und die im wesentlichen die gleichen Wirkungen erzielen, wenn der Fachmann im Prioritätszeitpunkt ausgerüstet mit dem allgemeinen Fachwissen und in Kenntnis des in der Patentschrift mitgeteilten Standes der Technik ohne erfinderisches Bemühen diese Ersatzmittel den Patentansprüchen als funktionsgleiche Lösungsmittel entnimmt (vgl. Benkard/Ullmann, Patentgesetz, 7. Aufl. 1981, § 14 Rdn. 123). Dabei handelt es sich bei den genannten Voraussetzungen für die Annahme patentrechtlicher Äquivalenz im wesentlichen um Tat- und nicht um Rechtsfragen, die angesichts des im Zivilprozeß herrschenden Grundsatzes der Parteimaxime von demjenigen, der sich darauf beruft, daß die angegriffene Ausführungsform unter dem Gesichtspunkt patentrechtlicher Äquivalenz in den Schutzbereich fällt, regelmäßig substantiiert vorzutragen sind. Das Gericht kann nicht von sich aus, jedenfalls dann, wenn es sich nicht um Nebensächlichkeiten oder um Gesichtspunkte handelt, zu denen die Parteien bereits unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt alles Erforderliche vorgetragen haben, Überlegungen dazu anstellen, ob und welche Elemente der angegriffenen Ausführungsform mit den wortlautgemäßen Merkmalen in der technischen Funktion übereinstimmen, ob sie im wesentlichen die gleichen Wirkungen erzielen und vor allem auch, ob sie der Fachmann als funktionsgleiche Lösungsmittel hat auffinden können. Ohne entsprechenden Sachvortrag zu diesen Voraussetzungen kann das Gericht die Frage patentrechtlicher Äquivalenz nicht entscheiden.</p>
<span class="absatzRechts">105</span><p class="absatzLinks">Hier hat die Klägerin sich ausweislich ihres Klageantrages und der von ihr gegebenen Begründung darauf beschränkt, eine "<u>wortwörtliche Verwirklichung aller Merkmale des Hauptanspruches des Klagepatents"</u> (vgl. Seite 13 des Schriftsatzes vom 14. September 1987/Blatt 67 GA) geltend zu machen. Sowohl nach ihrem Klageantrag (vgl. Antrag zu Ziffer I, 1) als auch nach der in der Klageschrift und in dem Replikschriftsatz vom 14. September 1987 gegebenen Begründung hat die Klägerin sich ausschließlich auf eine identische bzw. wortlautgemäße Verwirklichung des Hauptanspruches gestützt und insbesondere auch nicht vorsorglich zu den Voraussetzungen patentrechtlicher Äquivalenz vorgetragen. Ihre Ausführungen am Ende des Replikschriftsatzes vom 14. September 1987, daß dann, wenn das Gericht bestimmte Merkmale des Hauptanspruches nur als äquivalent oder in sog. verschlechterter Ausführungsform verwirklicht ansehen sollte, der gesamte bekannte Stand der Technik dem Verletzungsgegenstand erheblich ferner stehe als dieser dem Erfindungsgegenstand, sind nicht geeignet, die oben genannten Voraussetzungen patentrechtlicher Äquivalenz darzutun. Es wäre jedoch Sache der Klägerin gewesen, diesen Gesichtspunkt vorsorglich geltend zu machen, und vor allem vorsorglich dazu vorzutragen, durch welche Mittel sie möglicherweise dem Wortlaut nach nicht verwirklichte Merkmale ersetzt ansieht, daß diese Ersatzmittel in der technischen Funktion (Aufgabenstellung) mit den wortlautgemäßen Mitteln übereinstimmen und daß diese Ersatzmittel im wesentlichen die gleichen Wirkungen erzielen und vor allem auch, daß der Fachmann diese Mittel ohne erfinderisches Bemühen als funktionsgleiche Lösungsmittel auffinden konnte. Zu einem solchen substantiierten Sachvortrag hätte es hier unter anderem gehört, im einzelnen aufzuzeigen, welche Auswirkungen auf die Wasserdrosselung und die Gefahr der Siebverschmutzung eine Siebausbildung, wie sie die angegriffene Ausführungsform aufweist, einerseits hat, und welche Geräuschminderung mit ihr andererseits verbunden ist. Dem hätten die Werte der Geräuschminderung, der Wasserdrosselung und der Verschmutzungsgefahr gegenübergestellt werden müssen, die sich zum Beispiel dann ergeben, wenn das Sieb sich nur in der Nähe der regelnden Kante des Umlenkkanals erstreckt.</p>
<span class="absatzRechts">106</span><p class="absatzLinks">Dem ersten Anschein nach müssen die Wirkungen hinsichtlich der Wasserdrosselung und der Gefahr der Siebverschmutzung jedoch erheblich unterschiedlich sein, da beides zumindest auch mit von der Siebausdehnung und nicht nur von der Art der räumlichen Anordnung des Siebes im Umlenkkanal abhängt. Mangels jeglichen substantiierten Sachvortrags der Klägerin zu den Voraussetzungen patentrechtlicher Äquivalenz, ließ sich nicht feststellen, daß die angegriffene Ausführungsform unter diesem Gesichtspunkt in den Schutzbereich des Klagepatents fällt.</p>
<span class="absatzRechts">107</span><p class="absatzLinks">Die anwaltlich vertretene Klägerin ist durch den Schriftsatz der Beklagten vom 7. Oktober 1987 Seite 14/Bl. 80 GA auf den fehlenden Sachvortrag zur patentrechtlichen Äquivalenz hinreichend hingewiesen worden, so daß es eines Hinweises des Gerichts an sich nicht mehr bedurft hätte. Gleichwohl hat der Vorsitzende der angerufenen Kammer zu Beginn der mündlichen Verhandlung vom 13. Oktober 1987 die Klägerin ausdrücklich darauf hingewiesen, daß das angerufene Gericht sich nach ihrem bisherigen Sachvortrag nur mit der Frage befassen könne und werde, ob die von der Klägerin geltend gemachte identische bzw. wortlautgemäße Verwirklichung aller Merkmale des Hauptanspruches des Klagepatents vorliege.</p>
<span class="absatzRechts">108</span><p class="absatzLinks">Angesichts des Fehlens eines hier erforderlichen Vorbringens zu den Voraussetzungen patentrechtlicher Äquivalenz bestand für die Kammer keine Möglichkeit zu prüfen, ob die angegriffene Ausführungsform unter dem rechtlichen Gesichtspunkt patentrechtlicher Äquivalenz in den Schutzbereich des Klagepatents fällt. Eines Eingehens auf den Stand der Technik, auf den die Beklagte sich berufen hat, bedurfte es daher nicht.</p>
<span class="absatzRechts">109</span><p class="absatzLinks">IV.</p>
<span class="absatzRechts">110</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">111</span><p class="absatzLinks">Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 108 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">112</span><p class="absatzLinks">Streitwert: DM 1.000.000,--.</p>
<span class="absatzRechts">113</span><p class="absatzLinks">Steinacker Rütz Dr. Meier-Beck</p>
|
315,425 | lg-arnsberg-1987-11-16-5-s-17487 | {
"id": 801,
"name": "Landgericht Arnsberg",
"slug": "lg-arnsberg",
"city": 384,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 5 S 174/87 | 1987-11-16T00:00:00 | 2019-03-13T14:55:21 | 2019-03-27T09:43:09 | Urteil | ECLI:DE:LGAR:1987:1116.5S174.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg</p>
<p>auf die mündliche Verhandlung vom 16. November 1987</p>
<p>durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht ,</p>
<p>den Richter am Landgericht sowie</p>
<p>den Richter am Landgericht </p>
<p>für R e D h t erkannt:</p>
<p></p>
<p>Die Berufung des Beklagten gegen das am 23. Juni 1987 verkündete Urteil des Amts-gerichts Brilon - 2 D 499/86 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen. </p>
<p></p>
<p></p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen. </p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px"><b>Entscheidungsgründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die an sich zulässige Berufung hatte in der Sache keinen Erfolg. </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Rückzahlungsanspruch der Klägerin ergibt sich aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative in Verbindung mit § 242 BGB. </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die dem Beklagten erstellte Abrechnung ist ordnungsgemäß. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Wenn es auch keinen allgemeinen Rechtssatz dahin gibt, dass dem Vermieter von Wohnraum die Geltendmachung von Nebenkostennachforderungen verwehrt ist, wenn bei vereinbarter Nebenkostenvorauszahlung die sich aus der Abrechnung ergebende Nachforderungen den Vorauszahlungsbetrag wesentlich übersteigt, so gilt doch dann etwas anderes, wenn besondere Umstände hinzu kommen. </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Derartige besondere Umstände sind vorliegend gegeben. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Vormieter der Klägerin mußten für die Zeit von 01.01.1984 bis zum 31.04.1984 einen Betrag von 860,40 DM an Heizkosten zahlen. Diese Zahlung muss dem Beklagten bei Abschluss des Mietvertrages mit der Klägerin bekannt gewesen sein. Diese Kenntnis verbot es ihm aber dann, gegenüber der Klägerin zu erklären, es würden nur monatliche Heizkosten von etwa 50,00 DM anfallen. </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Dass der Beklagte eine derartige Zusage gemacht hat, ergibt sich aus der Beweisaufnahme des Amtsgerichts. </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat seine Erklärung, wie sich aus der Aussage der Zeugin D ergibt, mit Tatsachen untermauert. So hat er gegenüber der Klägerin angegeben, die von ihr anzumietende Wohnung sei die wärmste, best isolierte Wohnung des Hauses. Des weiteren hat er auf die Isolierverglasung hingewiesen und insbesondere auch darauf, dass er die Wohnung selbst bewohnt habe. Damit hat er den Anschein erweckt, dass er über zu erwartende Heizkosten genauestens informiert sei. Außerdem war die Frage der monatlichen Heizkostenvorauszahlungen und die Höhe eventueller Nachzahlungen ausdrücklich Gegenstand der Vertragsverhandlungen. Es kam, was auch für den Beklagten erkennbar war, der Klägerin auf die Höhe der Heizkosten an. </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Ein auffälliges Mißverhältnis ergibt sich hier daraus, dass die Diskrepanz zwischen den Vorauszahlungen und dem in der Heizkostenabrechnung ausgeworfenen Betrag mehr als 260 % ausmacht. Mag der Mieter auch mit einer 100 %-igen Überschreitung der Heizkostenvorauszahlungen rechnen müssen, so kann bei einer 260 %-igen Überschreitung nicht mehr davon ausgegangen werden, dass der Mieter sich auf eine derartige Nachforderung einrichten muss. </p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Soweit der Beklagte bestreitet, die Heizkosten seien von der Klägerin mit Vorbehalt gezahlt worden, so kann er sich darauf nicht berufen. Er hat dies erst in der Rechtsmittelinstanz behauptet, so dass sein derartiger Vortrag verspätet ist.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Kosten des von der Klägerin eingeholten privaten Sachverständigengutachtens kann sie aus positiver Vertragsverletzung ersetzt verlangen. </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. </p>
|
315,426 | ovgnrw-1987-11-11-11-a-116086 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
"slug": "ovgnrw",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 11 A 1160/86 | 1987-11-11T00:00:00 | 2019-03-13T14:55:22 | 2019-03-27T09:43:09 | Urteil | ECLI:DE:OVGNRW:1987:1111.11A1160.86.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Das Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom</p>
<p>27. Februar 1986 wird aufgehoben.</p>
<p>Es wird festgestellt, daß der im Klageverfahren 11 K 1909/81 des Verwaltungsgerichts</p>
<p>Minden am 7. November 1983 abgeschlossene Vergleich unwirksam ist.</p>
<p>Beklagter und Beigeladene - diese als Gesamtschuldner - tragen die Kosten des Verfahrens</p>
<p>je zur Hälfte mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese</p>
<p>selbst tragen.</p>
<p>Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p>Die Revision wird nicht zugelassen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks, Gemarkung_ ,.</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Flur 5, Flurstück 184 (S 18 in ). Das Grundstück ist mit einem eingeschossigen Haus in Winkelbauweise bebaut; das traufenständig zur Straße steht. Das westlich angrenzende Flurstück</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">185 der Beigeladenen ist mit einem giebelständig zur Straße stehenden Einfamilienhaus bebaut. In der näheren Umgebung der Straße S , die nicht von einem Bebauungsplan erfaßt wird,</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">besteht offene Bauweise.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Entlang der östlichen Grundstücksgrenze der Parzelle 185 verläuft die Zufahrt zur PKW-Garage der Beigeladenen, die etwa 3-4 m über die rückrwärtige Giebelwand des Wohnhauses hinaus reicht. Das Garagendach ist entsprechend der Baugenehmigung vom</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">6. April 1979 in der Weise gestaltet, daß die Dachkönstruktion des Wohnhauses bis zur Grundstücksgrenze fortgeführt ist. Dem Antrag, auch den Stellplatz vor der Garage und den Hauseingangsbereich in gleicher Weise zu überdachen, wurde durch die Baugenehmigung nicht entsprochen. Stattdessen wurde den Beigeladenen gestattet, in diesem Bereich, auf einer Länge von ca.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">7,45 m die Dachsparrenkonstruktion als "Pergola" bis zur Grenze des Grundstücks des Klägers zu führen und dort die notwendigen Stützpfeiler anzubringen. Die Beigeladenen errichteten entlang der gesamten östlichen Traufseite eine derartige Dachsparrenkonstruktion, was einer Verlängerung um ca. 4,80 m gegenüber dem durch Bauschein genehmigten Teil entspricht. Die Dachsparren</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">hielten einen Abstand von jeweils ca. 0,70 m ein, die Stützen aus Vierkanthölzern einen solchen von ca. 2,50 m untereinander. Vor Durchführung des Ortstermins durch den Berichterstatter des Senats entfernten die Beigeladenen im nicht genehmigten Bereich der Dachsparrenkonstruktion jeden zweiten Dachsparren, so daß jetzt noch insgesamt vier Dachsparren (und zwei Stützpfeiler)</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Gegenstand des Nachbarstreits sind.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 7. September 1979 erhob der Kläger gegen die Art der Grenzbebauung durch die Beigeladenen Einspruch, da eine Sparrenkonstruktion vom First bis zur Grundstücksgrenze keine "Pergola" im üblichen Sinne sei. Der Baustil entspreche zudem nicht dem der nebenstehenden Häuser. Nach erfolglosem Vorverfahren</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">hob das Verwaltungsgericht Minden im anschließenden Klageverfahren zum Aktenzeichen 1 K 897/80 die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung (nur) hinsichtlich der Bauwichgarage auf. Der genehmigte Teil der Dachsparrenkonstruktion sei zwar rechtswidrig, beeinträchtige den Kläger jedoch nicht spürbar in Nachbarrechten. Das Urteil wurde nach Berufungsrücknahme rechtskräftig.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Mit Ordnungsverfügung vom 30. April 1980 forderte der Beklagte</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">von den Beigeladenen die Eritfernung des nicht genehmigten</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Teils der "Pergola". Nach erfolglosem Widerspruch der Beigeladenen</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">schlossen sie mit dem Beklagten im anschließenden Klageverfahren</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">zum-Aktenzeichen 11 K 1909/81 des Verwaltungsgerichts Minden am</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">7. November 1983 einen Vergleich mit folgendem Wortlauts</p>
<span class="absatzRechts">18</span><ul class="absatzLinks"><li><span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">1. Die Kläger sichern zu, daß der gegenwärtige Zustand der an der Osteeite befindlichen Dach- und Sparrenkonstruktion nicht verändert wird.</p>
</li>
</ul>
<span class="absatzRechts">20</span><ul class="absatzLinks"><li><span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">2. Die Vertreter des Beklagten sichern zu, daß aus der angefochtenen Verfügung vom 30. April 1980 nicht vollstreckt werden wird. Diese Zusicherung gilt nur für den Fall, daß keine Veränderung an der</p>
</li>
</ul>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Dachkonstruktion an der Ostseite, des Hauses vorgenommen wird.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><ul class="absatzLinks"><li><span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">3. Die Kläger nehmen die Klage zürück.</p>
</li>
</ul>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 27. Oktober 1983 erkundigte sich der Kläger u. a. nach dem Stand des Verfahrens über die Beseitigungsverfügung vom 30. April 1980. Daraufhin teilte ihm der Beklagte mit</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Schreiben vom 6. Januar 1984 den Abschluß des Vergleiches mit.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 4. Februar 1984 erhob der Kläger Widerspruch "gegen den vorderen Teil der Sparren". Mit weiterem Schreiben vom 30. April 1984 erhob er Widerspruch gegen die im Vergleich vom 7. November 1983 ausgesprochene Duldung und verlangte aus der Ordnungsverfügung vom 30. April 1980 zu vollstrecken. Mit Bescheid vom 1. März 1985 wies der Oberkreisdirektor des Kreises den letztgenannten Widerspruch zurück, da er sich nicht</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">egen einen Verwaltungsakt richte und der Kläger in geschützten Rechten nicht spürbar beeinträchtigt werde.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat am 28. März 1985 Klage erhoben und beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">vom 7. November 1983 und des Widerspruchsbescheides vom 1. März 1985 zu verpflichten, den</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Beigeladenen die Beseitigung der nicht durch Bauschein vom 6. April 1979 genehmigten Dachkonstruktion</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">an der Ostseite des Gebäudes</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">...kamp 16, soweit sie mehr als 1 m in die Abstandsfläche hineinragt, aufzugeben und diese Verfügung auch durchzusetzen.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte und die Beigeladenen haben beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat der Klage durch das angefochtene</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Urteil stattgegeben, da der nicht genehmigte Teil der Dachsparrenkonstruktion zu einer Beeinträchtigung des Klägers in Nachbarrechten führe; denen der Beklagte durch eine Beseitigungsverfügung genügen müsse. Beklagter und Beigeladene haben rechtzeitig selbständig Berufung eingelegt und schriftsätzlich den Antrag angekündigt, das angefochtene</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte sieht sich durchden gerichtlichen Vergleich vom November 1983 daran gehindert, die ihm auferlegte Verpflichtung „zum jetigen zum Erlaß einer Ordnungsverfiigung zu erfüllen.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte und die Beigeladenen stellen keinen Antrag.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Die Beigeladenen halten die Klage für unzulässig. Der Vergleich vom 7. November 1983 sei wirksam, da er keine Rechte des Klägers berühre. Der Kläger werde durch die Dachsparrenkonstruktion nicht beeinträchtigt. Die vom Verwaltungsgericht angenommene optische</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Vergrößerung ihres Hauses folge aus der Hausstellung und der Haushöhe, nicht aus dem ungenehmigten Teil der "Pergola".</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">festzustellen, dass der in dem gerichtlichen Verfahren 11 K 1909/81 Verwaltungsgericht Minden abgeschlossene Vergleich vom 7. November 1983 unwirksam ist.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Er trägt vor, der Vergleich vom 7. November 1983 stehe der Verpflichtung des Beklagten zum Erlaß einer Ordnungsverfügung nicht entgegen, da durch den Vertrag keine Bindung zu Lasten Dritter erfolgen könne. Die Verlängerung der Dachsparrenkonstruktion sei besonders belastend, da der Eindruck einer integrierten Grenzbebauung entstehe.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Der Berichterstatter des Senats hat die Örtlichkeit in Augenschein</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">genommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">auf die Niederschrift vom 8. Oktober 1987 verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsvorgänge des Beklagten,</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">der vom Beklagten überreichten Flurkarte und der Grundkarte sowie</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">der Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Minden zu den Verfahren</p>
<span class="absatzRechts">53</span><ul class="absatzLinks"><li><span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">1. K 897/80, 11 K 1909/81 und 11 L 638/82 Bezug genommen.</p>
</li>
</ul>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist unbegründet. Das Feststellungsbegehren des</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Klägers hat Erfolg. Zur Klarstellung ist das Verpflichtungsurteil</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">des Verwaltungsgerichts aufzuheben.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Gegen die Zulässigkeit der vom Kläger im Berufungsverfahren</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">erhobenen Feststellungsklage bestehen keine rechtlichen Bedenken.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Der Kläger will (und wollte) die Verpflichtung des Beklagten erreichen,</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">gegen die Beigeladenen bauordnungsrechtllch einzuschreiten. Er hat den diesem Begehren entgegenstehenden Vergleich</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">vom 7. Novernber 1983 a1s unwirksam betrachtet und bereits mit der Klagebegründung unter Hinweis auf § 86 Abs. 3 VwGO eine Feststellungsklage</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">erwogen. Der Ubergang von dem erstinstanzlich formulierten Verpflichtungsantrag zum Feststellungsantrag bedeutet damit keine sächliche Änderung des Klagebegehrens. Allenfalls liegt</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">darin eine Beschränkung des Klageantrags, die als solche gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO nicht als eine Änderung der Klage anzusehen ist.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG; Urteil vom 19. August 1982</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">-   2 C 4. 82 -, NJW 1983, 1990.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Die Feststellungsklage ist auch begründet, da der Vergleich vom 7. November 1983 unwirksam ist.</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Der Vergleich ist jedenfalls wegen der Zusicherung des Beklagten, aus der Ordnungsverfügung vom 30. April 1980 nicht zu vollstrecken, ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, der den Vorschriften,</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">der §§ 54 ff VwVfG NW unterliegt.</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Vgl. Kopp, VwGO, 7. Auflage, 1986, § 106 Nr. 6;</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Meyer/Borgs, Kommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Auflage, 1982, § 54 RdNr. 62.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Gemäß § 58 Abs. 1 VwVfG NW wird ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, der in Rechte eines Dritten eingreift, erst mit dessen schriftlicher Zustimmung wirksam. Der Vergleich vom</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">7. November 1983 bedarf der Zustimmung des Klägers, die nicht vorliegt.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Mit der Vereinbarung wollte sich der Beklagte der Vollstreckungsmöglichkeit gegen die Beigeladenen begeben, da die Ordnungsverfügung vom 30. Apri1 1980 zwar bestehen bleibt und wegen der im Verfahren 11 K 1909/81 des Verwaltungsgerichts Minden er-</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">klärten Klagerücknahme auch bestandskräftig werden sollte. Soweit die Beigeladenen jedoch ihrer Vergleichsverpflichtung genügen und den Zustand der Dachparrenkonstruktion unverändert lassen, ist dem Beklagten die Berufung auf die unanfechtbare Beseitigungsanordnung</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">für weitere Vollstreckungsmaßnahmen verwehrt. Diese Regelung kommt damit einer unbeschränkten Duldung des vorhandenen Bestandes gleich, zumal dem Erläß einer wiederholenden Abbruchverfügung die Vertragsabrede entgegengehalten werden konnte. Eine unbeschränkte Duldung hat jedoch für die Beigeladenen,</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">vor allem aber auch für den Kläger im Hinblick auf sein Verlangen, daß der Beklagte einschreiten möge, die Wirkung einer Genehmigung und damit eines Verwaltungsaktes mit Drittwirkung.</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NW, Urteil vom 28. September 1976</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">-   VII A 1338/75 -, BRS 30 Nr. 169 zum Fal1</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">der Duldung eines Wochenendhauses auf mehrere</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Generationen.</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">Der Erlaß einer Duldungsverfügung ist nach dem Vertragstext des Vergleiches nicht mehr vorgesehen und ein entsprechender Bescheid ist in ihm auch nicht enthalten. Dem Vergleich fehlt damit ein unmittelbar verfügender Teil, wie er von Teilen der Literatur zur Voraussetzung der Anwendbarkeit des § 58 Abs. 1 VwVfG NW erhoben wird.</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Vgl. Ule /Laubinger, Verwaltungsverfahrens-</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">recht, 2. Auflage , 1969, § 69 ( S. 348 f.)</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">Der Kläger kann im vorliegenden Falle jedoch nicht darauf verwiesen werden, daß ihm ausreichender Rechtsschutz durch den Angriff gegen eine spätere behördliche Regelung in Ausführung des</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Vertrages Offenstünde. Jedenfalls dann, wenn die Vertragsverpflichtung - wie hier - lediglich auf ein bloßes Unterlassen gerichtet ist, steht ein angreifbarer Verwaltungsakt nicht zu erwarten.</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">Demnach ist der Auffassung, die auch Verpflichtungsverträge an § 58 Abs. 1 VwVfG NW mißt, jedenfalls dann zu folgen, wenn ein schlichtes Unterlassen Gegenstand der Verpflichtung der Behörde ist, dies zumal dann, wenn die Duldungsverpflichtung</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">-   wie hier - im praktischen Ergebnis eine im Vergleich selbst nicht enthaltene Duldungsverfügung ersetzt.</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">Vgl. Stelkens/Bonk/Leonhardt, Verwaltungs-.</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">verfahrensgesetz, 2. Auflage, 19839 § 58</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">RdNr. 12; Meyer/Borgs, a.a.0., § .58 Nr. 16;</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz, 4. Auflage,</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">1986, § 58 RdNr. 6.</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts ist die Prüfung des Vergleichs als Vollstreckungshindernis nicht deshalb entbehrlich, weil diesem nur relative Rechtswirksamkeit zukäme und daher dem Kläger nicht engegengehalten werden könnte. Die Regelung des § 58 Abs. 1 VwVfG NW belegt, daß diese zunächst zivilrechtliche Betrachtung</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">nicht auf den öffentlich-rechtlichen Vertrag übertragen werden kann. Gerade um denkbaren Problemen insbesondere im Hinblick auf einen wirksamen Rechtsschutz Dritter zu begegnen, normiert § 58 Abs. 1 VwVfG NW ein Wirksamkeitserfordernis</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung vom</p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks">18. Juli 1973 zwn Verwaltungsvollstreckungs-</p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks">gesetz, BT-Drucks.7 /910, S. 81 zum gleichlau-</p>
<span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks">tenden § 54 Abs. 1 des Entwurfs VwVfG.</p>
<span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks">Die Unterlassungsverpflichtüng des Beklagten aus dem öffentlich-rechtlichen Vertrag stellt einen Eingriff im Sinne des § 58 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NW dar. Der Grundsatz der Gewährung tatsächlich wirksamen Rechtsschutzes gebietet, den Begriff des Eingriffs nicht nur äuf positives Verwaltungshandeln zu beschränken, sondern die Verpflichtung zum Unterlassen des, an sich gebotenen Handelns diesem gleichzustellen.</p>
<span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks">Vgl, Schimpf, Der verwaltungsrechtliche Ver-</p>
<span class="absatzRechts">103</span><p class="absatzLinks">trag unter besonderer Berücksichtigung seiner</p>
<span class="absatzRechts">104</span><p class="absatzLinks">Rechtswidrigkeit, 1982, S. 282.</p>
<span class="absatzRechts">105</span><p class="absatzLinks">Die der Sache nach vom Beklagten beabsichtigte unbefristete Duldung greift in die Rechte des Klägers ein, da die ihr fiktiv gleichzusetzende Genehmigung des bislang nicht genehmigten Teils der Dachsparrenkonstruktion nach den von der Rechtsprechung entwickelten</p>
<span class="absatzRechts">106</span><p class="absatzLinks">Grundsätzen zur örfentlich-rechtlichen Nachbarklage keinen Bestand haben könnte. Danach hat eine solche Klage Erfolg, wenn die angegriffene Bebauungsgenehmigung gegen den Nachbarschutz dienendes öffentliches (Bau-)Recht verstößt und eine Befreiung von diesen Vorschriften nicht erteilt ist oder nicht ohne Rechtsverstoß unter Beachtung der nachbarlichen Belange erteilt werden kann. Sofern die den Nachbarschutz eröffnende Norm, dies</p>
<span class="absatzRechts">107</span><p class="absatzLinks">erfordert, ist die tatsächliche Beeinträchtigung des Nachbarn in seinen Eigentumsrechten mit der Folge der Wertminderung seines Grundstücks weitere Voraussetzung für den Klageerfolg.</p>
<span class="absatzRechts">108</span><p class="absatzLinks">Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf, soweit es die Rechtswidrigkeit der Dachkonstruktion unter Hinweis auf § 7</p>
<span class="absatzRechts">109</span><p class="absatzLinks">Abs. 1 und Abs. 3 BauO NW 1970 sowie § 6 Abs. 6, und 7 BauO NW 1984, angenommen hat. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, daß es sich hierbei um nachbarschützende Normen hande1t.Ein Befreiungsgrund ist ersichtlich nicht gegeben. Die Dachsparrenkonstruktion verletzt den Kläger auch spürbar in</p>
<span class="absatzRechts">110</span><p class="absatzLinks">seinen Rechten. Zum Berufungsvorbringen ist ergänzend auszuführen, daß die Beeinträchtigung des Klägers nicht nur aus dem ungenehmigten Teil der Dachsparrenkonstruktion folgt. Daß der Kläger einen Teil akzeptiert hat, verwirkt insoweit seinen Nachbaranspruch, läßt die tatsächlichen Verhältnisse jedoch unberührt an diesen</p>
<span class="absatzRechts">111</span><p class="absatzLinks">vermag die Entfernung lediglich dreier Sparren nichts Wesentliches zu verändern. Weiterhin besteht der Eindruck einer massiven, nur geringfügig durchbrochenen Bebauung des Bauwichs, der auf den Kläger bedrückend wirkt. Der Einwand der Beigeladenen, dieser Eindruck entstehe nicht durch die Sparren sondern durch die Haushöhe und die Hausstellung, geht an den Gründen, die zum Erfolg</p>
<span class="absatzRechts">112</span><p class="absatzLinks">des Nachbarbegehrens führen, vorbei. Die Haushöhe und Hausstelung, sollte sie denn als ungünstig zu bezeichnen sein, fordert zusätzlich, den Bauwichbereich nicht noch stärker zu belasten, und führt nicht dazu, die Interessen des Nachbarn geringer zu veranschlagen.</p>
<span class="absatzRechts">113</span><p class="absatzLinks">Der Senat stimmt den Ausführungen des Verwaltungsgerichts auch insoweit zu, daß der Beklagte zum Einschreiten verpflichtet ist. Die Ermessensreduzierung läßt sich allerdings nicht mit der den Beigeladenen erteilten Auskunft des Beklagtenvertreters zur Genehmigungsbedürftigkeit einer "Pergola" begründen. Dies vermag an der Ermessensreduzierung jedoch nichts zu ändern, da den Beigeladenen keine schutzwürdigen Interessen zur Seite stehen.</p>
<span class="absatzRechts">114</span><p class="absatzLinks">Mit der Beseitigung der Dachsparren würde den Beigeladenen auch nichts tatsächlich Unmögliches und auch kein unvertretbarer Aufwand abverlangt. Statische Gründe stehen der Kürzung der Dachsparren offensichtlich nicht entgegen. Dies ergibt sich schon daraus, daß die Berechnungen des Dipl.-Ing. , Prüfingenieur für Baustatik, vom .4. April 1979, die sich auf den Genehmigungsantrag</p>
<span class="absatzRechts">115</span><p class="absatzLinks">der Beigeladenen beziehen, die strittigen überstehenden Dachsparren nicht berücksichtigen und auch Abstützungen in dem fraglichen Bereich des Grundstücks nicht für erforderlich halten.</p>
<span class="absatzRechts">116</span><p class="absatzLinks">Die Unwirksamkeit des materiell-rechtlichen Rechtsgeschäfts erfaßt auch seinen prozessualen Teil. Da der Vergleich vom 7. November 1983 unwirksam ist, ist das Verfahren 11 K L909/81 des Verwaltungsgerichts Minden noch nicht beendet und auf Antrag</p>
<span class="absatzRechts">117</span><p class="absatzLinks">fortzuführen.</p>
<span class="absatzRechts">118</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentschei.dung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3, 159 Satz 2 VwGO. Die Beigeledenen waren als Rechtsmittelführer an den Kosten des Verfahrens zu beteiligen.</p>
<span class="absatzRechts">119</span><p class="absatzLinks">Die Entschei.dung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt, sich auf § 167 VwGO i. V.m. §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">120</span><p class="absatzLinks">Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.</p>
|
315,427 | olgk-1987-11-06-ss-54087 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | Ss 540/87 | 1987-11-06T00:00:00 | 2019-03-13T14:55:24 | 2019-03-27T09:43:09 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1987:1106.SS540.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>I. Der Zulassungsantrag wird als offensichtlich unbegründet verworfen.</p>
<p></p>
<p>II. Die Rechtsbeschwerde gilt damit als zurückgenommen.</p>
<p></p>
<p>III. Die Kosten des Verfahrens vor dem Beschwerdegericht trägt der Betroffene.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und auch nicht wegen Versagung des rechtlichen Gehörs geboten (§ 80 Abs. 1 OWiG). Der Einzelfall gibt keine Veranlassung, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufzustellen, Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen oder schwer erträglichen Unterschieden in der Rechtsprechung entgegenzuwirken (BGH VRS 40, 134, 137).</p>
|
315,428 | olgham-1987-11-04-12-u-2887 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 12 U 28/87 | 1987-11-04T00:00:00 | 2019-03-13T14:55:25 | 2019-03-27T09:43:09 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1987:1104.12U28.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung des Klägers gegen das am 14. November 1986 verkündete Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen .</p>
<p></p>
<p>Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p>Der Kläger ist in Höhe von 34.200,00 DM beschwert.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Tatbestand:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist als Speditionskaufmann tätig. Der Beklagte ist britischer Staatsangehöriger, der beabsichtigte, ein Umzugsunternehmen für die Angehörigen der in Deutschland stationierten britischen Streitkräfte zu errichten. Er bemühte sich deshalb mit anwaltlicher Hilfe um die nach dem Güterkraftverkehrsgesetz erforderliche Genehmigung. Unter dem 10. September 1982 stellte er einen entsprechenden Antrag bei dem Regierungspräsidenten in Detmold. Der Regierungspräsident erteilte die beantragte Genehmigung jedoch nicht, sondern wies darauf hin, daß der Beklagte nicht über die nach dem Gesetz erforderliche Sachkunde verfüge. Mit Schreiben vom 20. Oktober 1982 und vom 8. Februar 1983 deutete der Regierungspräsident auf die Möglichkeit an, einen fachlich geeigneten Geschäftsführer einzustellen, um auf diese Weise die Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis zu schaffen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Daraufhin nahmen die Parteien Kontakt miteinander auf und schlossen unter dem 30. März 1983 einen schriftlichen, mit der Überschrift "Anstellungs-Vertrag" versehenen Vertrag. Dieser lautet wie folgt:</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">"Hiermit stelle ich den Speditionskaufmann xxx, jun. ab 1. April 1983 für ein monatliches Gehalt von netto DM 2.000,00 als Mitarbeiter im Sinne des GüKG ein. Der Anstellungsvertrag gilt zunächst für 3 Jahre.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Zu den anfallenden Aufgaben gehören die Abwicklung der Einholung von Genehmigungen beim Regierungspräsidenten, den Kreisverwaltungen pp.. Außerdem ist er für allgemeine Beratungen, vor allem auf speditionellen Sektor und in Tariffragen zuständig. Die Büroorganisation und Koordination der Büroarbeit ist an keine geregelte, festgelegte Arbeitszeit gebunden."</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Bei dem Abschluß des Vertrages waren sich die Parteien einig, daß der Kläger nicht im Geschäft der Beklagten mitarbeiten sollte. Streitig ist jedoch, ob der Beklagte den Kläger in dessen Unternehmen zum Zwecke der Beratung aufgesucht hat.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Im Zuge einer Gesetzesänderung ging die Zuständigkeit für die Erteilung der vom Beklagten angestrebten Genehmigung im März 1983 vom Regierungspräsidenten in Detmold auf den Oberkreisdirektor des Kreises Gütersloh über. Der Beklagte beantragte deshalb am 15.06.1983 beim Oberkreisdirektor in Gütersloh erneut die Genehmigung nach dem GüKG für sein Umzugsunternehmen. Der Oberkreisdirektor erteilte dem Beklagten die Genehmigung unter dem 27.06.1983. Als Voraussetzung für die Erteilung der Erlaubnis wurde der Anstellungsvertrag vom 30.03.1983 nicht herangezogen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte zahlte an den Kläger bis Ende 1984 die vereinbarten 2.000,00 DM zuzüglich Mehrwertsteuer. Danach blieben weitere Zahlungen aus. Der Steuerberater des Beklagten teilte dem Kläger unter dem 16.09.1985 mit, daß es klar sei, daß der Beklagte das rückständige Entgelt zahlen müsse; der Beklagte befinde sich aber zur Zeit in Liquiditätsschwierigkeiten. Am 26.02.1986 erneuerten die Parteien den Anstellungsvertrag. Unter dem 13. März 1986 forderte der Kläger den Beklagten mit Fristsetzung zum 22.03.1986 zur Zahlung der monatlichen Beträge für 1985 auf.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Mit der Klage macht der Kläger die vereinbarten Zahlungen für den Zeitraum von Januar 1985 bis zum März 1986 zuzüglich Mehrwertsteuer geltend.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat behauptet, er habe mit dem Beklagten 20 bis 30 Beratungsgespräche in seinem Betrieb geführt. Die Genehmigungsbehörde habe gewußt, daß er nicht hauptberuflich im Betrieb des Beklagten mitarbeite. Der Kläger ist der Ansicht gewesen, der Vertrag vom 30. März 1983 sei nicht als Umgehungsgeschäft nichtig, da die Behörde nicht getäuscht worden sei.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">den Beklagten zu verurteilen, an ihn 34.200,00.DM nebst 8 % Zinsen aus 27.360,00 DM ab 23.03.1986 und aus weiten 6.840,00 DM ab 06.05.1986 zu zahlen,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">hilfsweise</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht xxx abzugeben.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Er hat die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts gerügt, da für den Rechtsstreit gemäß §§ 2, 3 ArbGG die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gegeben sei.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat behauptet, der Kläger sei nur für die Erlangung der Erlaubnis nach dem GüKG vorgeschoben worden, habe ansonsten aber keine Leistungen erbringen sollen bzw. erbracht. Er hat die Ansicht vertreten, der Vertrag vom 30.03.1983 sei als Umgehungsgeschäft gemäß § 134 BGB nichtig. Hilfsweise hat der Beklagte sich damit verteidigt, daß er den Vertrag angefochten habe. Der Kläger habe bereits im Frühjahr 1983 gewußt, daß der Oberkreisdirektor des Kreises Gütersloh als Genehmigungsbehörde lediglich bis zur Erteilung der Genehmigung im Juli 1983 einen Garanten im Sinne des Güterkraftverkehrsgesetzes verlangt habe.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Durch Urteil vom 14. November 1986 hat das Landgericht xxx die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, daß der Vertrag vom 30. März 1983 als Umgehungsgeschäft gemäß § 134 BGB nichtig sei.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger im Wege der Berufung und vertritt die Ansicht, der zwischen den Parteien abgeschlossene Vertrag stelle kein Umgehungsgeschäft dar. Mit diesem Vertrag habe der Beklagte den von der Genehmigungsbehörde gewünschten Nachweis der Sachkunde erbracht. Der Oberkreisdirektor habe nicht verlangt, daß ein fachkundiger Geschäftsführer für den Beklagten tätig werde. Vielmehr habe es im Genehmigungsermessen der Behörde gelegen, auch schon aufgrund eines Beratungsvertrages mit einer ausreichend sachkundigen Person eine Erlaubnis nach dem GüKG zu erteilen (Beweis: Zeugnis xxx). Vor dem Abschluß des Anstellungsvertrages hätten auch intensive Erörterungen mit dem Zeugen xxx stattgefunden. Man habe sich sogar mehrfach des abends in Gaststätten getroffen, um das Genehmigungsverfahren zu fördern. Anläßlich dieser Besprechungen habe der Zeuge xxx erklärt, daß der Abschluß eines Beratervertrages für die Erteilung einer Genehmigung genüge (Beweis: Zeugnis xxx). Eine Umgehung des § 10 Abs. 1 GüKG liege auch deshalb nicht vor, weil das Gesetz ohnehin nicht erzwingen könne, daß die sachkundige Person tatsächlich im Unternehmen des Transportunternehmers tätig werde. Im Rahmen des § 10 GüKG sei es uninteressant, ob der fachkundige Geschäftsführer seine Tätigkeit in dem Transportunternehmen auch tatsächlich aufnehme.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an ihn 34.200,00 DM nebst 8 % Zinsen von 27.360,00 DM seit dem 23.03.1986 und aus weiteren 6.840,00 DM seit dem 06.05.1985 zu zahlen;</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">hilfsweise</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht xxx zu verweisen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die gegnerische Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Er trägt vor, der unter dem 30. März 1983 abgeschlossene Vertrag habe lediglich dazu gedient, eine Erlaubnis nach dem Güterkraftverkehrsgesetz zu erlangen. Irgendwelche Leistungen habe der Kläger nicht erbracht. Der Beklagte bestreitet, daß der Zeuge xxx einen Beratungsvertrag als für die Erteilung der Erlaubnis ausreichend angesehen habe. Zwar habe das Gespräch mit dem Zeugen xxx im Frühjahr 1983 stattgefunden. Doch habe der Zeuge xxx, der ein ausgezeichneter Kenner der Materie gewesen sei, die von dem Kläger behaupteten Erklärungen nicht abgegeben. Der Vertrag sei auch erstmals am 6. März 1986 anläßlich einer Überprüfung seines Betriebes zu den Verwaltungsvorgängen gelangt.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte behauptet, der Kläger habe spätestens seit der Besprechung mit dem Zeugen xxx im Frühjahr 1983 gewußt, daß es zur Erlangung der Konzession seiner Einschaltung gar nicht bedurft hätte. Der Beklagte vertritt die Auffassung, daß der Kläger ihn arglistig getäuscht habe, um an den für ihn lukrativen Vertrag zu kommen. Erst durch die Betriebsprüfung des Zeugen xxx im Jahre 1986 sei er über die wirkliche Sachlage aufgeklärt worden und habe deshalb mit Anwaltsschreiben vom 26. März 1986 die Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung erklärt.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte bestreitet, daß ihn der Kläger beraten habe. Dieser habe keine Tätigkeit ausgeführt, so daß der Kläger schon aus diesem Grunde keine Vergütung verlangen könne. Im übrigen bestehe auch ein wucherisches Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, so daß § 138 Abs. 2 BGB Anwendung finde. Der Kläger habe nämlich lediglich seinen Namen dazu hergegeben, um die Erlaubnis nach dem GüKG zu bekommen.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Im übrigen rügt der Beklagte weiterhin die sachliche Zuständigkeit der Zivilgerichtsbarkeit. Er vertritt die Auffassung, daß die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts begründet sei.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die Akten des Oberkreisdirektors in Gütersloh über die Erteilung einer Erlaubnis für den Umzugsverkehr für den Beklagten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist unbegründet, weil die Klage zwar zulässig, sachlich aber nicht gerechtfertigt ist.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Zulässig ist die Klage, weil die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts gemäß § 2 Nr. 3 Arbeitsgerichtsgesetz nicht gegeben ist. Denn durch den sogenannten Anstellungsvertrag vom 30. März 1983 wurde kein Arbeitsverhältnis begründet. Arbeitnehmer ist nach § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes nur derjenige, der von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Merkmale, aus denen sich diese persönliche Abhängigkeit ergibt, sind in erster Linie die Weisungsgebundenheit hinsichtlich der Arbeitsgestaltung, die Arbeitszeit und die Eingliederung in eine betriebliche Organisation (BAG NJW 84, 1986). Davon kann im vorliegenden Fall, soweit es das Anstellungsverhältnis des Klägers angeht, jedoch keine Rede sein.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist aber unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Dem Kläger steht kein Vergütungsanspruch gemäß § 611 Abs. 1 BGB gegenüber dem Beklagten zu, da der Anstellungsvertrag vom 30.03.1983 unwirksam ist. Die Unwirksamkeit ergibt sich allerdings nicht' daraus, daß entsprechend dem Vorbringen des Beklagten überhaupt keine Beratungstätigkeit des Klägers beabsichtigt war und mit dem Anstellungsvertrag lediglich die Erteilung einer Transportgenehmigung erreicht werden sollte. In einem solchen Fall wäre der Beratervertrag zwar gemäß § 117 Abs. 1 BGB als Scheingeschäft unwirksam. Doch wäre das verdeckte Geschäft gemäß § 117 Abs. 2 BGB wirksam. Dieses wahre Rechtsverhältnis bestünde dann darin, daß der Kläger lediglich nach außen hin als "Mitarbeiter nach dem GüKG" auftreten sollte. Seiner Rechtsnatur nach wäre dieser Vertrag ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag gemäß § 675 BGB.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Der Vertrag ist auch nicht, wie das Landgericht meint, gemäß § 5 GüKG i.V.m. § 134 BGB nichtig. Denn ein Umgehungsgeschäft, das als einzige Fallgruppe im Rahmen des § 134 BGB in Betracht kommt, liegt nicht vor. Von einem Umgehungsgeschäft spricht man dann, wenn durch ein erlaubtes Rechtsgeschäft ein verbotener Erfolg herbeigeführt werden soll (RGRK § 134 363 Rndn. 139). Diese Erfordernisse sind auch dem Wortlaut nach nicht gegeben. Denn § 10 Abs. 1 GüKG verlangt die Anstellung eines Geschäftsführers. Der Kläger sollte aber nicht als Geschäftsführer tätig werden. §§ 5 GüKG, 134 BGB sind bereits deshalb nicht anwendbar, weil entgegen § 5 Abs. 1 GüKG kein relevanter Scheintatbestand geschaffen wurde. Zwar sollte der Kläger nach dem Beklagtenvortrag keine Beratungspflichten übernehmen. Andererseits wurde der Kläger im Vertrag aber auch nicht als Geschäftsführer bezeichnet. Auf der Grundlage dieses Vertrages durfte dem Beklagten keine Erlaubnis erteilt werden, so daß ein Umgehungsgeschäft in dem speziellen Sinne des § 5 GüKG nicht vorliegt. Die Frage, ob nach § 5 GüKG eine Umgehungsabsicht erforderlich ist (Hein-Eichhoff-Pukall-Krien, Kommentar zum GüKG, § 5 Anm. 3 c), stellt sich deshalb nicht, weil schon kein objektiver Scheintatbestand festzustellen ist.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Die Wirksamkeit des Vertrages scheitert aber an § 306 BGB. Eine anfängliche objektive Unmöglichkeit liegt vor, weil die Herbeiführung der Transportgenehmigung Inhalt der Leistungspflicht des Klägers war. Dieser schuldete nicht nur die Beratung bzw. das Auftreten als Mitarbeiter nach dem GüKG, sondern schuldete als Leistungserfolg auch die Herbeiführung der Genehmigung. Insoweit hat der Anstellungsvertrag auch werkvertragliche Elemente.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hervorgehoben, daß er mit dem zuständigen Beamten die Voraussetzungen der Genehmigung intensiv erörtert und sich auch mit dem Beamten mehrfach des abends in Gaststätten getroffen habe, um das Genehmigungsverfahren zu fördern. Das zeigt, daß sich der Kläger verpflichtet fühlte, für die Herbeiführung der Genehmigung selbst Sorge zu tragen. Daß die Herbeiführung der Genehmigung zum Leistungsinhalt gehörte, ergibt sich auch aus der Höhe der monatlichen Vergütung, die zu der vom Kläger behaupteten geringfügigen Beratungstätigkeit in keinem Verhältnis stehen würde, wenn nicht die Erteilung der Genehmigung im Vordergrund des Leistungsinhaltes stand. Diese Auffassung wird durch den Wortlaut des Anstellungsvertrages vom 30.03.1983 erhärtet. Denn nach diesem Vertrag gehörte es zu den Aufgaben des Klägers, die Einholung von Genehmigungen der Kreisverwaltungen abzuwickeln.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Der Leistungserfolg konnte jedoch nicht eintreten, weil eine Erteilung der Transportgenehmigung auf rechtsfehlerfreie Weise mit Hilfe des Anstellungsvertrages nicht möglich war. Denn ein Beratervertrag genügte den Anforderungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 GüKG nicht. Nach dieser Vorschrift war erforderlich, daß ein fachlich geeigneter Geschäftsführer eingestellt wurde. Der Zeuge xxx hätte also auf der Grundlage des "Anstellungsvertrages" vom 30.03.1983 eine Genehmigung nach §§ 8 ff. GüKG nicht erteilen dürfen. Der Kläger vertritt zwar die Ansicht, daß eine Erteilung der Genehmigung der Grundlage des Anstellungsvertrages zulässig war. Insoweit handelt es sich jedoch um eine Rechtsfrage, die der Senat selbst zu entscheiden hat. Auf den Beweisantritt des Klägers kommt es mithin nicht an.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Allerdings hat der Kläger behauptet, der Zeuge xxx habe für den Fall des Abschlusses des "Anstellungsvertrages" die Erteilung der Genehmigung zugesagt, und seine Behauptung durch die Vernehmung des Zeugen xxx unter Beweis gestellt. Gleichwohl war der Zeuge nicht zu vernehmen, weil das Klagevorbringen auch in diesem Punkte unschlüssig ist. Denn der geschuldete Leistungserfolg bestand darin, daß die Erteilung der Genehmigung auf rechtsfehlerfreier Weise erfolgte, um dem Beklagten eine unentziehbare Rechtsposition einzuräumen. Auf der Grundlage dieses "Anstellungsvertrages" war eine unentziehbare Rechtsposition jedoch nicht gewährleistet.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Keine der Parteien hat vorgetragen, daß der Kläger und der Beklagte in kollusivem Zusammenwirken mit dem Landkreis Gütersloh versucht hätten, in rechtswidriger Absicht eine Erteilung der Transportgenehmigung zu erschleichen. Davon hat der Senat aufgrund der Dispositionsmaxime im Zivilprozeß auszugehen. Gleichwohl hätte der Beklagte im Falle der Erteilung der Genehmigung auf der Grundlage des ''Anstellungsvertrages" immer mit der Rücknahme der Genehmigung gemäß § 48 VwVfG NW rechnen müssen, weil nach dem Klagevorbringen erhebliche Indizien für eine Erschleichung der Genehmigung vorgelegen hätten, wenn die Genehmigung auf Grund des "Anstellungsvertrages" erteilt worden wäre. Dabei ist zu berücksichtigen, daß über die von dem Kläger behaupteten umfangreichen Verhandlungen mit dem Zeugen xxx keine schriftlichen Unterlagen existieren. Nicht einmal Aktenvermerke des Zeugen xxx liegen vor. Hinzu kommt, daß sich der Kläger mit dem Zeugen abends in Gaststätten getroffen haben will, um die Angelegenheit zu erörtern. Außerdem ist auch kaum verständlich, daß der für die Erteilung von Genehmigungen nach dem GüKG zuständige Beamte die elementaren Voraussetzungen des § 10 GüKG nicht gekannt haben sollte. In diesem Zusammenhang wird vorsorglich darauf hingewiesen, daß der Senat keineswegs von einem unlauteren Verhalten des Zeugen xxx oder eines anderen Beamten des Landkreises Gütersloh ausgeht. Vielmehr unterstellt der Senat lediglich, daß das Klagevorbringen der Wahrheit entspricht. Sollte dies, wenngleich es wenig wahrscheinlich ist, der Fall sein, hätten derart beweiskräftige Anzeichen für eine Erschleichung der Genehmigung bestanden, daß der Beklagte, sofern ihm nicht aufgrund eigener Sachkunde die Genehmigung erteilt worden wäre, nicht sicher sein konnte, daß er auch im Besitz der Genehmigung bleiben würde. Eine solche unsichere Rechtslage entspricht aber nicht der vertraglichen Leistungspflicht des Klägers.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Der Kläger vermag auch nicht mit Erfolg einzuwenden, daß dem Beklagten schließlich die Genehmigung erteilt und ein Widerruf der Genehmigung niemals erwogen worden sei. Denn diese Folge beruht lediglich darauf, daß dem Beklagten die Genehmigung nicht aufgrund des Anstellungsvertrages, sondern aufgrund eigener Sachkunde erteilt worden ist. Der Kläger hat zwar im Schriftsatz vom 15.10.1987 ausgeführt, dem Landkreis Gütersloh habe der Beratervertrag genügt, um die Genehmigung zu erteilen. Diese Behauptung hat der Kläger aber nicht unter Beweis gestellt. Sie ist auch nicht hinreichend substantiiert, weil sie sich mit dem unstreitigen Inhalt der Verwaltungsvorgänge des Landkreises Gütersloh nicht vereinbaren läßt. Denn nach dem Verwaltungsvorgang des Landkreises Gütersloh hat der Beklagte ganz eindeutig aufgrund eigener Sachkunde die Genehmigung erhalten. Im übrigen richtet sich die Beurteilung, ob der Vertrag gemäß § 306 BGB unwirksam ist, nach dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Zu diesem Zeitpunkt war aber auf Grund des Anschlußvertrages eine unentziehbare Rechtsposition nicht gewährleistet.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat sich auch die Frage vorgelegt, ob sich der Beklagte überhaupt auf die Unwirksamkeit des Vertrages berufen kann, nachdem er noch am 26.02.1986 den Vertrag mit dem Kläger erneuert hat. Doch hat der Beklagte hierzu vorgetragen, er habe erst anläßlich der Betriebsprüfung am 6. März 1986 durch den Zeugen xxx Klarheit erlangt, daß es dieses Anstellungsvertrages gar nicht bedurft habe. Dies ist dem Beklagten angesichts der vom Kläger vorgetragenen häufigen Besprechungen außerhalb des Amtes mit dem Zeugen xxx auch kaum zu widerlegen. Unter diesen Umständen besteht kein Anlaß, es dem Beklagten gemäß § 242 BGB zu verwehren, sich auf die Unwirksamkeit des Vertrages gemäß § 306 BGB zu berufen.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Dem Kläger steht auch kein Anspruch gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 BGB wegen der von ihm behaupteten 20 bis 30 Beratungen zu. Denn es kann nicht festgestellt werden, in welchem Umfang der Beklagte geldwerte Leistungen gemäß § 818 Abs. 2 BGB erlangt hat. Der Kläger hat den Inhalt und den Umfang der Beratungen nicht mitgeteilt und auch nicht unter Beweis gestellt.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 ZPO.</p>
|
315,429 | olgham-1987-10-29-15-w-20087 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
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} | 15 W 200/87 | 1987-10-29T00:00:00 | 2019-03-13T14:55:27 | 2019-03-27T09:43:08 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1987:1029.15W200.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der angefochtene Beschluß wird unter Zurückweisung der weiteren sofortigen Beschwerde im übrigen teilweise aufgehoben und unter Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts ... vom 21.11.1986 wie folgt neu gefaßt:</p>
<p>Es wird festgestellt, daß die Beteiligte zu 1) berechtigt ist, einmal jährlich rechtzeitig vor der Beschlußfassung über die Jahresabrechnung des Verwalters in die hierfür bedeutsamen Verwaltungsunterlagen Einsicht zu nehmen, und zwar beginnend mit der Jahresabrechnung 1986.</p>
<p>Der weitergehende Antrag der Antragstellerinnen wird zurückgewiesen.</p>
<p>Die Gerichtskosten aller 3 Rechtszüge tragen die Beteiligten zu 3) bis 13) zu 9/10 und die Beteiligten zu 1) und 2) zu 1/10. Der Gegenstandswert für alle 3 Rechtszüge wird auf je 500,- DM festgesetzt.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"><b>I.</b></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligten zu 1) bis 12) sind Miteigentümer, der Beteiligte zu 13) Verwalter der vorbezeichneten
Wohnungseigentumsanlage. Die Beteiligten streiten über das Recht der Beteiligten zu 1), Einsicht in die der
Abrechnung des Verwalters zugrundeliegenden Belege zu nehmen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich der Rechnungslegung des Verwalters bestimmt §16 Abs. 5 der notariellen Teilungserklärung
vom 07.02.1982 (UR-Nr.: 26/1972 des Notars ... in ....</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks"><i>" ... Der Verwalter ist verpflichtet, die ihm obliegenden Verpflichtungen pünktlich zu erfüllen
und über die Einnahmen und Ausgaben auf Verlangen der Wohnungseigentümer oder des Verwaltungsbeirates
Rechnung zu legen ..."</i></p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Wohnungseigentümer haben die Bestellung eines Verwaltungsbeirats beschlossen. Dieser ist gemäß
§17 Satz 3 der Teilungserklärung "zur Einsichtnahme in alle Bücher und Schriften des Verwalters
berechtigt".</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Jahresabrechnungen des Verwalters werden seit Jahren vom Verwaltungsbeirat durch Einsichtnahme in sämtliche
Belege überprüft, sodann mit den Unterschriften des Beirats versehen, den einzelnen Miteigentümern zugeleitet
und in einer Wohnungseigentümerversammlung durch Mehrheitsbeschluß gebilligt.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">In der Wohnungseigentümerversammlung vom 06.06.1986 wurde die Jahresabrechnung 1985 einstimmig, also mit den
Stimmen der Beteiligten zu 1) und 2), angenommen. Ausweislich der Niederschrift über die Versammlung der
Wohnungseigentümergemeinschaft vom 06.06.1986 beantragten die Beteiligten zu 1) und 2) im Anschluß an die
Billigung der Jahresendabrechnung 1985 "gesonderte Rechnungslegung". Ihr Antrag wurde mit 8 : 1 Stimmen
abgelehnt.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Daraufhin begehrten die Beteiligten zu 1) und 2) mit am 04.07.1986 beim zuständigen Amtsgericht eingegangenen
Schriftsatz, den Beschluß der Wohnungseigentümergemeinschaft betreffend den Antrag auf gesonderte Rechnungslegung
für ungültig zu erklären. Sie haben die Auffassung vertreten, jeder Eigentümer habe das Recht, in die
Jahresabrechnung samt dazugehörenden Abrechnungsunterlagen Einsicht zu nehmen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Durch Beschluß vom 21.11.1986 hat das Amtsgericht ... nach mündlicher Verhandlung festgestellt, daß
der Beschluß der Eigentümerversammlung vom 06.06.1986 insoweit ungültig ist, als er den Beteiligten zu 1)
und 2) die Einsicht in die Belege verwehrt. Auf die gegen diesen Beschluß eingelegte sofortige Beschwerde der
Beteiligten zu 3) bis 13) hat das Landgericht ... nach mündlicher Verhandlung durch Beschluß vom 20.03.1987
diesen Beschluß aufgehoben und den Antrag der Beteiligten zu 1) und 2) zurückgewiesen. Zur Begründung
hat es ausgeführt, den Antragstellerinnen fehle das Rechtsschutzbedürfnis zur Anfechtung eines sogenannten
Negativbeschlusses, ein Antrag auf Feststellung einer ordnungsgemäßen Verwaltung sei nicht gestellt, der
ursprüngliche Antrag sei zu unbestimmt gewesen; darüber hinaus bestehe kein Einsichtsrecht der einzelnen
Miteigentümer, da sie ihr Einsichtsrecht wirksam durch Beschluß auf den Verwaltungsbeirat übertragen
hätten.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Gegen diesen am 08.04.1987 zugestellten Beschluß wendet sich die Beteiligte zu 1) - zugleich als Erbin der
Beteiligten zu 2) - mit ihrer am 22.04.1987 beim Landgericht eingegangenen sofortigen weiteren Beschwerde. Zur
Begründung stellt sie nochmals ausdrücklich klar, sie wolle erreichen, daß ihr Einsicht in diejenigen
Belege gewährt werde, die die Basis für die jährlichen Abrechnungen bilden, und zwar für die
Rechnungsjahre 1985 und 1986 sowie für die Zukunft.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligten zu 3) bis 13) beantragen, die sofortige weitere Beschwerde zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Sie sind der Auffassung, die Wohnungseigentümer hätten ihr Recht auf Einsichtnahme in die Belege wirksam
auf den Verwaltungsbeirat übertragen. Sie behaupten insoweit, dies sei durch einen "vor Jahren einmal
gefaßten und jetzt erneut bestätigten Beschluß" der Wohnungseigentümer geschehen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks"><b>II.</b></p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§43, 45 WEG i.V.m.
§§27, 29 FGG zulässig. Sie hat im wesentlichen auch sachlich Erfolg, weil die angefochtene
Beschwerdeentscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes i.S. des §27 FGG beruht.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks"><b>1.</b></p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Zu Unrecht hat das Landgericht die Zurückweisung des Antrags der Beteiligten zu 1) und 2) auf das Fehlen eines
Rechtsschutzbedürfnisses gestützt. Zwar ist mit dem Landgericht davon auszugehen, daß sogenannte
Negativbeschlüsse - wie hier der ausdrücklich angefochtene Beschluß der Wohnungseigentümerversammlung
vom 06.06.1986 über die Verweigerung der "gesonderten Rechnungslegung" - mangels eines
Rechtsschutzbedürfnisses nicht einer Beschlußanfechtung nach §23 Abs. 4 WEG unterliegen. Wenn - wie
hier - ein Antrag in der Eigentümerversammlung keine Mehrheit gefunden hat (negatives Abstimmungsergebnis), ist
ein Eigentümerbeschluß nämlich gar nicht vorhanden. Ein solcher Mehrheitsbeschluß erschöpft
sich in der Verweigerung der positiven Beschlußfassung; seine etwaige Ungültigkeit ändert
grundsätzlich nichts an dem Fehlen einer positiven Beschlußfassung, es sei denn, der Antragsteller hätte
einen klagbaren Anspruch auf eine bestimmte Willensbildung der Wohnungseigentümer zu der von ihm aufgeworfenen
Frage (vgl. RGZ 142, 123, 129; BayObLGZ 1972, 150, 153; 1983, 283; OLG Frankfurt OLGZ 80, 418; KG BlGBW 1985, 71,
jeweils m.w.N.). Das Gericht ist nämlich nicht befugt, einen - wenn auch möglicherweise ungültigen -
Negativbeschluß durch einen positiven Beschluß zu ersetzen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Das Vorgehen der Beteiligten zu 1) und 2) gegen diesen Beschluß war aber in einen Antrag auf Vornahme einer
Maßnahme der ordnungsmäßigen Verwaltung gemäß den §§21 Abs. 4 und Abs. 5 Nr. 1, 43
Abs. 1 Nr. 1 und 2 WEG umzudeuten. Im Wohnungseigentumsverfahren sind Sachanträge grundsätzlich ohne Bindung
an deren Wortlaut so auszulegen, daß sie nach Möglichkeit zu dem erkennbar erstrebten Ergebnis führen
(vgl. BayObLG MDR 1981, 499; NJW 1972, 1377; BayObLGZ 1972, 150; 1983, 283; OLG Frankfurt und KG, jeweils a.a.O.;
Augustin, Wohnungseigentumsgesetz, §43 Rdnr. 44 u. 65 sowie §21, 30; Weitnauer, Wohnungseigentumsgesetz, 6.
Aufl., §43 Anm. 11). Diese Auslegung ist unabhängig davon, ob die Beteiligten durch einen Rechtsanwalt beraten
werden, unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere dem verfolgten Rechtsschutzziel, vorzunehmen. Zwar
haben die Antragstellerinnen ausdrücklich nur beantragt, den beanstandeten Beschluß für ungültig zu
erklären. Dennoch war bereits Verfahrensgegenstand des ersten und des zweiten Rechtszuges ohne Antragsänderung
auch der Antrag, die Ordnungsgemäßheit der Verwaltung nach §21 Abs. 4 und Abs. 5 Nr. 1 sowie nach §28
Abs. 3 WEG festzustellen. Anders als etwa im Zivilprozeß ist im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit kein
bestimmt formulierter Antrag erforderlich (vgl. OLG Hamm OLGZ 1969, 278). Bereits in der Antragsschrift vom 04.07.1986
haben die Beteiligten zu 1) und 2) klargestellt, daß es ihnen um die Einsichtnahme in die den Jahresabrechnungen
zugrundeliegenden Belege ging. Mit Schriftsatz vom 21.10.1986 haben sie dies nochmals bekräftigt. Auch in der
mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 13.03.1987 hat die Beteiligte zu 1) nochmals klargestellt, daß
sie die Einsichtnahme in die Belege für die Jahresabrechnungen, und zwar auch für die Rechnungsjahre 1985 und
1986, gewährt bekommen will. Entgegen der Ansicht des Landgerichts war deshalb auch ohne ausdrücklichen Antrag
über die Ordnungsgemäßheit der Verwaltung zu entscheiden. Gerade das Unterlassen einer Anfechtung des
Beschlusses über die Jahresabrechnung 1985 zeigt deutlich, daß es den Antragstellerinnen um die Klärung
der grundsätzlichen Frage geht, ob ihnen ein Einsichtsrecht in die Unterlagen zusteht. Ihr Verlangen richtet sich
erkennbar ohne zeitliche Begrenzung auf eine ordnungsgemäße Verwaltung. Gemäß §43 Abs. 1 Nr. 1
und 2 WEG ist dieses Begehren jedenfalls dann sachlich zu verbescheiden, wenn - wie hier - der Entscheidung über
die Ungültigkeit eines solchen Mehrheitsbeschlusses ein Verfahrenshindernis entgegensteht, der Streit über die
Ordnungsmäßigkeit der Verwaltung unter den Beteiligten aber fortbesteht (vgl. BayObLGZ 72, 150, 154).</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks"><b>2.</b></p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Der sich aus der Begründung der Beteiligten zu 1) und 2) ergebende Antrag auf Feststellung des Bestehens eines
Rechts der Beteiligten zu 1) auf Einsichtnahme in die den Jahresabrechnungen zugrundeliegenden Belege ist auch hinreichend
bestimmt. Das Rechtsschutzziel der Beteiligten zu 1) besteht unmißverständlich darin, die den Jahresabrechnungen
1985 und 1986 sowie den zukünftigen Jahresabrechnungen zugrundeliegenden Belege einzusehen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks"><b>3.</b></p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligte zu 1) ist auch berechtigt, die den Jahresabrechnungen ab dem Jahre 1986 zugrundeliegenden Unterlagen
und Belege einzusehen; für 1985 ist ein Einsichtsrecht nicht gegeben.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Der (ausgelegte) Antrag der Beteiligten zu 1) und 2) auf Vornahme einer Maßnahme der ordnungsmäßigen
Verwaltung richtet sich nach §43 Abs. 1 Nr. 1 WEG gegen die übrigen Wohnungseigentümer, die der Beteiligten
zu 1) das Recht auf Einsichtnahme nach wie vor verweigern, sowie gemäß §43 Abs. 1 Nr. 2 WEG gegen den
Verwalter, der aufgrund des Verhaltens der übrigen Wohnungseigentümer der Beteiligten zu 1) die Einsicht
nicht gewährt. In der Antragsschrift vom 04.07.1986 sind dementsprechend nicht nur die übrigen
Wohnungseigentümer, sondern auch der Verwalter als Antragsgegner bezeichnet.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 3) bis 13) kann die Beteiligte zu 1) im Rahmen einer ordnungsgemäßen
Verwaltung nach §21 WEG Einsicht in die den Jahresabrechnungen des Verwalters nach §28 Abs. 3 WEG
zugrundeliegenden Unterlagen verlangen. Dieser Anspruch folgt aus den §§675, 666, 259, 260 BGB i.V.m. 21, 28
WEG sowie dem zwischen der Wohnungseigentümergemeinschaft und dem Verwalter abgeschlossenen Verwaltervertrag. Die
aus diesem Verwaltervertrag folgende Auskunfts- und Rechnungslegungspflicht des Verwalters besteht zwar grundsätzlich
nach §432 Abs. 1 Satz 1 BGB nur gegenüber der Eigentümergemeinschaft als Vertragspartnerin. Die
Auskunftserteilung ist eine unteilbare Leistung. Die grundsätzliche Regelung des §432 BGB ist jedoch durch
die Bestimmungen des Wohnungseigentumsgesetzes modifiziert. So kann z.B. nach der Bestimmung des §21 Abs. 4 WEG
jeder Wohnungseigentümer eine Verwaltung verlangen, die dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer
nach billigem Ermessen entspricht, woraus sich auch Einzelansprüche gegen den Verwalter sowie eine gesetzliche
Verfahrensstandschaft des einzelnen Wohnungseigentümers in gewissen Fällen ergeben können. Mit der
herrschenden Meinung ist davon auszugehen, daß die aus §28 Abs. 3, Abs. 4 und Abs. 5 WEG folgende
Rechnungslegungspflicht des Verwalters primär gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft besteht und
Individualansprüche erst dann gegeben sind, soweit die Gemeinschaft von ihren Auskunftsrechten keinen Gebrauch
macht (KG NJW-RR 1987, 462 = WEZ 1987, 95 = OLGZ 1987, 185; OLG Celle OLGZ 1983, 177).</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Von diesem in erster Linie der Eigentümergemeinschaft zustehenden Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch ist
jedoch das Recht jedes einzelnen Wohnungseigentümers auf Einsichtnahme in die den Abrechnungen zugrundeliegenden
Unterlagen zu unterscheiden. Gemäß den §§259 Abs. 1, 260 BGB gehört zur Rechnungslegung die
Pflicht, dem Berechtigten die der Abrechnung zugrundeliegenden Belege vorzulegen. Der Verwalter einer
Wohnungseigentumsanlage hat die Abrechnungsbelege dabei grundsätzlich nicht nur der
Wohnungseigentümergemeinschaft, sondern jedem einzelnen Wohnungseigentümer zur Einsichtnahme zugänglich
zu machen (BayObLGZ 1972, 161, 166 u. 246; 1978, 231, 233; KG a.a.O.; OLG Karlsruhe NJW 1969, 1968; MDR 1976, 758;
OLG Frankfurt NJW 1972, 1376). Die Prüfung der den Jahresabrechnungen zugrundeliegenden Abrechnungsbelege ist
Voraussetzung einer sinnvollen Beschlußfassung aller Wohnungseigentümer über die Richtigkeit der
Abrechnung nach §28 Abs. 5 WEG. Die Bestätigung einer nicht nachprüfbaren Abrechnung ist niemandem
zuzumuten. Dies gilt zumindest für den Fall des §28 Abs. 3 WEG der nach Ablauf des Kalenderjahres
regelmäßig aufzustellenden Abrechnung. Diese kann - im Gegensatz zu einer auch vor Ablauf eines Kalenderjahres
zu erstellenden Rechnung nach §28 Abs. 4 WEG, die jederzeit vom Verwalter, jedoch nur durch Mehrheitsbeschluß
der Wohnungseigentümerversammlung angefordert werden kann -, jeder einzelne Wohnungseigentümer verlangen
(vgl. Diester NJW 1969, 1968).</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligten zu 1) und 2) haben dieses ihnen als Individualrecht zustehende Einsichtsrecht entgegen der
Auffassung der Beteiligten zu 3) bis 13) nicht - wirksam - auf den Verwaltungsbeirat übertragen. Es ist schon
fraglich, ob ein Beschluß der Wohnungseigentümerversammlung, wonach die Einsichtnahme in die
Verwaltungsunterlagen ausschließlich durch den Verwaltungsbeirat erfolgen soll, gefaßt worden ist. Die
Beteiligten zu 3) bis 13) haben einen derartigen Beschluß nicht vorgelegt. Aus den überreichten Unterlagen,
insbesondere aus der notariellen Teilungserklärung vom 07.02.1972, ergibt sich lediglich, daß gemäß
§17 der Verwaltungsbeirat "zur Einsichtnahme in alle Bücher und Schriften des Verwalters berechtigt"
sein sollte. Auch aus der Niederschrift über die Versammlung der Wohnungseigentümer vom 23.07.1981 folgt
lediglich, daß die Prüfung der Abrechnungsunterlagen in vierteljährlichen Abständen vom
Verwaltungsbeirat durchgeführt wird. Selbst wenn entsprechend dem Vorbringen der Beteiligten zu 3) bis 13) ein
Mehrheitsbeschluß mit dem Inhalt, die Belege nur von dem Verwaltungsbeirat prüfen zu lassen, gefaßt
worden sein sollte, wäre durch eine solche Vereinbarung das grundsätzliche Einsichtsrecht des einzelnen
Wohnungseigentümers in die Unterlagen der Verwaltung nicht ausgeschlossen. Der Inhalt einer Vereinbarung der
Wohnungseigentümer ist gemäß den §§133, 157, 242 BGB im Wege der Auslegung zu ermitteln. Der
Vorrang einer Vereinbarung vor den abdingbaren Regeln des Wohnungseigentumsgesetzes ist nur dann und nur insoweit
anzuerkennen, als der Wille, von der Regel abzuweichen, erkennbar zum Ausdruck gebracht ist (vgl. BGHZ 36, 33; 53,
307; BayObLGZ 72, 150, 156). Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beteiligten zu 3) bis 13) ergibt sich,
daß die Wohnungseigentümer den Verwaltungsbeirat lediglich entsprechend der gesetzlichen Regelung des §29
WEG mit der Überprüfung der Abrechnungen und der Einsichtnahme in die Unterlagen des Verwalters beauftragt
haben. Ein Wille, das grundsätzlich den einzelnen Wohnungseigentümern zustehende Einsichtsrecht in die
Unterlagen des Verwalters abzubedingen, ist nicht erkennbar. Bei der Prüfung der gemäß §28 Abs. 3 WEG
nach Ablauf eines Kalenderjahres aufzustellenden Abrechnung durch den Verwaltungsbeirat handelt es sich lediglich um eine
Vorprüfung, die dem Entlastungsbeschluß der Wohnungseigentümerversammlung nach §28 Abs. 5 WEG
vorgeschaltet ist. Zudem ist das jedem einzelnen Wohnungseigentümer zustehende Recht auf Einsichtnahme in die den
Jahresabrechnungen zugrundeliegenden Belege grundsätzlich nicht wirksam in vollem Umfang durch Mehrheitsbeschluß
abdingbar, da insoweit elementare Rechte des einzelnen Wohnungseigentümers berührt werden. Nur bei Zubilligung
eines eigenen Einsichtsrechtes kann der einzelne Eigentümer wirksam kontrollieren, ob der Verwalter seinen
Verpflichtungen nachkommt und ob das letztlich von jedem einzelnen zu zahlende Wohngeld richtig berechnet worden ist.
Eine sinnvolle Beschlußfassung aller Wohnungseigentümer über die Richtigkeit der Abrechnung ist nur
möglich, wenn jeder einzelne Wohnungseigentümer zuvor die Möglichkeit der Einsichtnahme in die
Abrechnungsunterlagen hatte. Die Bestätigung einer nicht nachprüfbaren Abrechnung ist niemandem zuzumuten.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Dieses Recht zur Einsichtnahme der einzelnen Wohnungseigentümer unterliegt lediglich den durch Treu und
Glauben (§242 BGB) und das Schikaneverbot (§226 BGB) gezogenen Grenzen. Die Art und der Umfang sowie die
Dauer der Einsichtgewährung hat nach Maßgabe des Umfangs der Belege dem tatsächlichen
Informationsbedürfnis zu entsprechen.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Ansicht der Beteiligten zu 3) bis 13) besteht ein Einsichtsrecht nicht nur bei Unklarheiten oder
Unstimmigkeiten über die Abrechnung. Der einsichtverlangende Wohnungseigentümer braucht im Einzelfall
grundsätzlich nicht ein besonderes Interesse an einer Einsichtnahme nachzuweisen. Grundsätzlich besteht das
Recht zur Einsichtnahme auch nach der Beschlußfassung der Eigentümerversammlung zu einer Jahresabrechnung,
weil zum einen die Entlastung nicht unbedingt jedweden Anspruch gegen den Verwalter ausschließt, zum anderen eine
Kontrolle der Abrechnung für einen zurückliegenden Zeitraum weiterhin von Bedeutung bleiben kann für
eine künftige ordnungsgemäße Verwaltung.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann die Beteiligte zu 1) im Rahmen der ordnungsgemäßen
Verwaltung für das Jahr 1985 nicht mehr die Einsicht in die der Jahresabrechnung zugrundeliegenden Belege verlangen.
Die Jahresabrechnung ist in der Wohnungseigentümerversammlung vom 06.06.1986 einstimmig, also mit den Stimmen der
Beteiligten zu 1) und 2), gebilligt worden. Die Beteiligten zu 1) und 2) haben Unklarheiten oder Unstimmigkeiten der
Abrechnung nicht geltend gemacht. Aus diesem Grunde ist die auch von ihnen getragene, durch die Mehrheit beschlossene
Entlastung des Verwalters bindend, zumal eine Anfechtung des Beschlusses innerhalb der geltenden Fristen nicht erfolgt
ist. Unter diesen Umständen erscheint der von der Beteiligten zu 1) geltend gemachte Anspruch auf Einsichtnahme
in die Belege der Jahresabrechnung 1985 rechtsmißbräuchlich.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Demgegenüber besteht ein Einsichtsrecht für das Jahr 1986 und für die Zukunft. Das Verlangen der
Antragstellerinnen richtet sich erkennbar ohne zeitliche Begrenzung auf eine ordnungsgemäße Verwaltung. Das
Gericht hat daher die Rechtsansicht der Mehrheit der Wohnungseigentümer und des Verwalters zu überprüfen,
ob es einer ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht, den einzelnen Wohnungseigentümer das Einsichtsrecht
grundsätzlich zu verweigern. Da Wohnungseigentümer und Verwalter sowohl vor diesem Verfahren als auch in diesem
Verfahren sich geweigert haben, den Antragstellerinnen die geforderte Einsichtnahme zu gewähren, bedarf es einer
besonderen Aufforderung zur Abhilfe nicht.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks"><b>4.</b></p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus §47 Satz 1 WEG. Da die Beteiligten zu 3) bis 13) im wesentlichen unterlegen sind,
sieht es der Senat als billig an, ihnen die Kosten des Verfahrens größtenteils aufzuerlegen. Hinsichtlich der
außergerichtlichen Kosten besteht kein Anlaß, von der Regel, daß jeder Beteiligte seine Kosten zu tragen
hat, abzuweichen.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über den Gegenstandswert beruht auf §48 Abs. 2 WEG.</p>
|
315,430 | lagk-1987-10-28-7-sa-30587 | {
"id": 795,
"name": "Landesarbeitsgericht Köln",
"slug": "lagk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Arbeitsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 7 Sa 305/87 | 1987-10-28T00:00:00 | 2019-03-13T14:55:28 | 2019-03-27T09:43:08 | Urteil | ECLI:DE:LAGK:1987:1028.7SA305.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Das Urteil des Arbeitsgerichts Köln von 8.1.1987</p>
<p>wird geändert. Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.</p>
<p>Streitwert: unverändert.</p>
<p>Die Revision wird zugelassen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Tatbestand</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte (GmbH) handelt mit Elektroartikeln und Fahrrädern in zwei Geschäften in K (50 Arbeitnehmer) und D (38 Arbeitnehmer). Der Kläger, geboren 1938, war bei ihr und dem Rechtsvorgänger ab 13.6.1961 als Zweiradmechaniker tätig, zuletzt gemäß schriftlichem Arbeitsvertrag vom 14.5.1984 (31. 53 ff.d.A.). Am 13.6.1988 hatte er 25 Dienstjahre vollendet. Er hat geltend gemacht, aus diesem Anlaß Anspruch auf eine Jubiläumszuwendung in Höhe von 1.200,-- DM zu haben. Er hat sich darauf berufen, daß andere Arbeitnehmer bei einer solchen Gelegenheit einen Einkaufsgutschein über 1.200,-- DM bzw. 1.200,-- DM bar erhalten hätten, nämlich der Arbeitnehmer C im Jahre 1983, der Arbeitnehmer M im September 1985, der Arbeitnehmer K im April 1985 und die Arbeit­nehmerin H aus Anlaß einer 20-jährigen Tätigkeit zwischen 1.200,-- und 1.500,-- DM.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Kläger   hat demgemäß beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.200,-- DM netto nebst 4 % Zinsen seit dem 29.10.1986 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Sie hat vorgetragen: Es habe eine allgemeine Ankündigung in ihrem Betrieb über Jubiläumssonderleistungen nie gegeben. Seit etwa 1981 habe sie an verschiedene Mitarbeiter aus Anlaß des 25-jährigen Jubiläums Sonderzahlungen geleistet. Die Zahlungen seien jedoch nicht an alle Jubilare erfolgt und nicht stets in gleicher Höhe. Vielmehr seien sachliche Gesichtspunkte, nämlich etwa die Funktion des jeweiligen Jubilars in dem Unternehmen, sein Einsatz für das Unternehmen und etwa auch die Höhe seines Gehaltes berücksichtigt worden. Zahlungen seien also jeweils individuell erfolgt, auf den Einzelfall abgestellt, sofern sie überhaupt erfolgt seien. Seit etwa</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">1984 seien Zahlungen nicht mehr geleistet worden, sondern den Jubilaren ein Einkaufsgutschein übergeben worden, der zum kostenlosen Bezug von Waren aus ihrem Angebot bis zum Verkaufs­wert von etwa 1.200,-- DM berechtigt habe. Im April 198S schließlich habe die Geschäftsleitung den Filialleitern mit­geteilt, daß ab Mai 1986 Sonderzahlungen jeglicher Art nicht mehr erfolgen würden, soweit diese nicht tariflich vorgeschrie­ben seien. Diese Einstellung der Zahlungen sei nicht willkür­lich erfolgt, sondern nach sorgfältiger Abwägung der Interessen aller Parteien. Seit etwa 1982 seien Umsatz und Ertrag der Be­klagten in erheblichem Maße zurückgegangen. Um nicht auf Dauer in die Verlustzone zu geraten und letzten Endes vielleicht gar den Betrieb einstellen zu müssen, seien eine Reihe von einschneidenden wirtschaftlichen Maßnahmen erforderlich ge­wesen. So seien etwa einige Tochterunternehmen veräußert und bei ihr selbst nach und nach ca. 100 Mitarbeiter entlassen wor­den. Im Laufe dieser Maßnahmen seien seit 1984 mehrfach sämt­liche Kostenpositionen überprüft und Streichungen in erheb­lichem Umfang vorgenommen worden. Dies habe auch dazu geführt, daß zunächst 1984 von Jubiläumszahlungen auf die Zuwendung von Einkaufsgutscheinen umgestellt worden sei, und dann, nach Ein­tritt eines neuen Gesellschafters im April 1986 in die Ge­schäftsleitung, daß die Jubiläumszuwendung und überhaupt außer­tarifliche Sonderzahlungen ganz eingestellt wurden. Diese Ent­scheidung habe nach außen hin ihren Ausdruck darin gefunden, daß die Filialleiter eine entsprechende Mitteilung mit der Maß­gabe erhalten hätten, dies den Mitarbeitern in den Filialen mitzuteilen. Inwieweit die Filialleitungen auch die seit längerem in den Diensten der Beklagten stehenden Mitarbeiter über den Wegfall von Jubiläumszuwendungen informiert hätten, sei ihr allerdings nicht bekannt, da dies nicht überprüft wor­den sei. Die Angestellte H habe am 15.10.1983 eine Sonder­zahlung in Höhe von 250,-- DM netto erhalten. Diese sei jedoch nicht im Zusammenhang mit dem 20-jährigen Dienstjubiläum (1.10. 1986) erbracht worden, sondern sei eine Leistungsprämie gewesen, mit der sie den besonderen Arbeitseinsatz von Frau H anläß­lich des Umzugs der Beklagten von der B Straße in neue</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Geschäftsräume am Fplatz habe anerkennen wollen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben (31. 29 - 33 d.A.), die Beklagte hiergegen Berufung eingelegt, mit der sie die Ab­weisung der Klage begehrt. Ihre Begründung ergibt sich aus ihrem Schriftsatz vom 24.4.1987, die Erwiderung des Klägers aus dessen Schriftsatz vom 24.6.1987.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben über die Behauptung der Beklagten, sie habe die Gewährung von Jubiläumszuwen­dungen per 1.5.1986 ganz eingestellt und über die Behauptung des Klägers, die Angestellte H habe noch in Oktober 1986 1.200,-- DM von der Beklagten erhalten als Zuwendung für 20-jäh­rige Dienste. Das Berufungsgericht hat hierüber Zeugen ver­nommen. Ihre Aussagen ergeben sich aus der Anlage zum Proto­koll vom 28.10.1987.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks"><u>Entscheidungsgründe</u></p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">I.              Die Berufung ist statthaft aufgrund von § 64 Abs. l und 2ArbGG, der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 800 DM.Die Berufung ist auch in der gesetzlichen Form und Frist ein­gelegt und begründet worden. Die diesbezüglichen Feststellungendes Landesarbeitsgerichts ergeben sich aus dem Protokoll vom12.8.1987.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">II.              Die Berufung ist auch begründet. Der Anspruch des Klägersbesteht rechtlich nicht.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">1. Er ergibt sich nicht aus dem Arbeitsvertrag der Parteien. Dort ist über Jubiläumszuwendungen nichts gesagt, außer, daß Gratifikationen des Arbeitgebers als freiwillige Leistung gel­ten sollten (§ 7).</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Einen Aushang über Jubiläumszuwendungen hat es im Betrieb der Beklagten ebenfalls nicht gegeben.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">2.      Umstände; aus denen geschlossen werden könnte, daß dieBeklagte sich stillschweigend zur Leistung einer solchenJubiläumszuwendung verpflichten wollte, sind nicht ersicht­-lich.  Zahlungen an andere Mitarbeiter in den vergangenenJahren sind keine solchen Umstände. Die Zahlungen lasseneinen Verpflichtungswillen der Beklagten gegenüber anderennicht erkennen. Im Gegenteil. Die Regelung in § 7 des Arbeits-­vertrages der Parteien spricht gegen einen Verpflichtungs­-willen der Beklagten, die Regelung in § 16 ( Nebenabreden)ebenfalls ,vgl. auch BAG, Urteil vom 27.3.1387 - 7 AZR 527/85 -</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">3.      Eine "betriebliche Übung" ist als solche keine Rechtsgrund­-lage für Ansprüche, sondern nur dann, wenn aus ihr auf  einenentsprechenden Verpflichtungswillen des Arbeitgebers geschlossenwerden kann, vgl. BAG, Urteil von 4.9.1985 - 7 AZR 232/83 -.Aus den früheren Jubiläumszahlungen der Beklagten an andereArbeitnehmer aber konnte der Kläger nicht auf einen allge­-meinen Verpflichtungswillen der Beklagten schließen, sieheoben.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">4a. Der Anspruch des Klägers ergibt sich schließlich auch nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Dieser setzt eine allgemein begünstigende Regelung des Ar­beitgebers  im Betrieb voraus (siehe z.B. BAG, Urteil vom 11.9.1985 - 7 AZR 371/83 -). Hinsichtlich von Zuwendungen aus Anlaß des 25-jährigen Dienstjubiläums hatte es bei der Be­klagten eine solche allgemeine begünstigende Regelung gegeben, wie sich aus dem Vortrag der Beklagten und der Aussagen der Zeugen I und D ergibt. Aus ihren Aussagen ergibt sich aber auch, daß diese allgemein begünstigende Regelung per 1.5.1986 von der Beklagten aufgehoben worden war. Für die Annahme, daß diese Aussagen unwahr sein könnten,gibt es keinen ausreichenden Anhaltspunkt. Die Behauptung des Klägers, die Angestellte H habe am 1.10.1986 eine Jubiläumszuwendung (20-jährige Dienstzeit) erhalten, hat sich nicht bestätigt. Frau H hat als Zeugin ausgesagt, eine solche Zuwendung nicht erhalten zu haben (sondern eine Zahlung von 250,-- DM für Sonderleistungen). Der Zeuge K wußte nur etwas vom</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Hörensagen. Das ist angesichts der Aussage von Frau H zu unbestimmt, zumal eine Zuwendung bei einem 20-jährigen Dienst- jubiläum ungewöhnlich ist. Den Angestellten Sch, von dem der Zeuge K etwas gehört hatte, hat den Kläger nicht als Zeugen benannt.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">b) Die Aufhebung der früheren begünstigenden Regelung in bezug auf Jubiläumszuwendungen durch die Beklagte wirkt auch gegen den Kläger. Die Beklagte war dem Kläger gegenüber zur Beibe­haltung dieser Regelung rechtlich nicht verpflichtet, siehe oben. Im übrigen hat sie dafür einleuchtende Gründe genannt, nämlich den Zwang zur Einsparung von Kosten. Daß dieser Zwang in Wirklichkeit nicht vorgelegen habe, hat der Kläger nicht geltend gemacht.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">III. Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. l ArbGG.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks"><u>Rechtsmittelbelehrung</u></p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Der Kläger kann gegen dieses Urteil durch einen Rechtsanwalt Revision beim Bundesarbeitsgericht einlegen (Graf-Bernadotte-Platz 5, 3500 Kassel-Wilhelmshöhe). Eine Revision ist schrift­lich einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieses Urteils und beträgt einen Monat. Die Frist zur Begründung der Revision beträgt ebenfalls einen Monat.</p>
|
315,431 | ag-neuss-1987-10-16-36-c-67486 | {
"id": 713,
"name": "Amtsgericht Neuss",
"slug": "ag-neuss",
"city": 473,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 36 C 674/86 | 1987-10-16T00:00:00 | 2019-03-13T14:55:32 | 2019-03-27T09:43:08 | Teilurteil | ECLI:DE:AGNE:1987:1016.36C674.86.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Klage wird hinsichtlich des Klageantrags zu 4) abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Kläger werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Beklagten 271,60 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 04.11.1986 zu zahlen.</p>
<p></p>
<p>In Höhe von 126,80 DM wird die Widerklage abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p>Den Klägern wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Beklagten in Höhe von 300,00 DM abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vorab in gleicher Höhe Sicherheit leistet.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte ist Eigentümer des Hauses .... in L 2, in dem die Kläger seit Februar 1981 wohnen. Es handelt sich um ein ehemaliges Bauerngehöft. Der Eingang zum Gebäude liegt ca. 50 m von der ....T-Straße entfernt. Die Zufahrt von der ....T-Straße zum Objekt, die nicht beleuchtet ist, ist mit Sträuchern und Bäumen nahezu vollständig zugewachsen. Seit November 1985 bewohnen die Kläger das erste Obergeschoss und das Dachgeschoss zu einem monatlichen Mietzins von 1.268,00 DM.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Nachdem die Klage durch das Teilurteil vom 19.12.1986, auf das im einzelnen verwiesen wird (Bl. 25-28 d.A.), hinsichtlich der Klageanträge der Klageschrift zu 1 und 3 abgewiesen worden ist, streiten die Parteien u.a. noch darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, die Zufahrt zum Gebäude mit Leuchtkörpern zu versehen, sowie darüber, ob den Klägern ein Anspruch auf einen eigenen Hauptstromzähler zusteht. Hierzu tragen sie vor, dass das RWE O darauf bestehe, dass die Wohnung der Kläger mit einem eigenen Hauptstromzähler versehen werde. Wegen ständiger Stromausfälle habe der Beklagte den installierten Hauptstromzähler für ihre Wohnung abgeklemmt. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 05.06.1987 (Blatt 45 ff d.A.) verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Kläger beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">1.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">den Beklagten zu verurteilen, das im 2. Obergeschoss des Hauses ..........4052 L 2 links befindliche Zimmer zu räumen und an die Kläger herauszugeben (= Klageantrag zu 2) der Klageschrift vom 06.10.1986),</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">2.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">die von der .....zu dem Gebäude auf dem Grundstück......., 4052 L 2, führende Einfahrt mit Leuchtkörpern zu versehen (= Klageantrag zu 4 der Klageschrift vom 06.10.1986),</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">3.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">den Beklagten zu verurteilen, den am 15.12.1985 installierten Hauptstromzähler für die Wohnung der Kläger im 1. Obergeschoss und Dachgeschoss des Hauses......., 4052 L 2 fachgerecht anzuschließen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">widerklagend,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">die Kläger als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">a)</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">2.198,40 DM nebst 4 % Zinsen - und zwar aus je 200,00 DM seit dem 04.09. und 04.11.1986, 04.01., 0.03., 04.05., 04.07., 04.09.1987, aus weiteren 271,60 DM seit dem 04.11.1986 und aus 126,80 DM seit dem 04.04.1987 zu zahlen;</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">b)</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">jeweils zum 04.11., 04.01., 04.03., 04.05., 04.07. und 04.09. eines jeden Jahres 200,00 DM zu zahlen,</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">c)</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">ferner, die Kläger als Gesamtschuldner zu verurteilen, gegenüber dem RWE O den per 15.12.1985 installierten, ursprünglich für die Stromversorgung ihrer Wohnung vorgesehenen Stromhauptzähler anzumelden.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte trägt u.a. vor, das RWE O habe, als der Zähler im Januar 1986 endgültig habe abgenommen werden sollen, die Demontage gefordert, weil in dem betreffenden örtlichen Bereich grundsätzlich nur 2 Zähler auf einem Grundstück installiert sein dürften. Zwischen den Parteien sei im Januar 1986 vereinbart worden, dass die Zuleitungen komplett neu verlegt und zu einem neuen Unterzähler in einem dafür geschaffenen Zählerraum hingeführt werden sollten. Der Stromverbrauch für die Wohnung der Kläger werde über den bis zum 24.07.1986 installierten Unterzähler erfasst. Seit September 1986 müsse er für die Stromversorgung der Wohnung der Kläger alle 2 Monate eine Stromkostenpauschale von 200,00 DM an das RWE zahlen. Ihm stehe daher gegen die Kläger ein Anspruch auf Erstattung der Stromkosten in Höhe von 1.800,00 DM zu. Darüber hinaus stehe ihm gegen die Kläger wegen einer unberechtigten Mietminderung für November 1986 und April 1987 ein Zahlungsanspruch in Höhe von 398,40 DM zu. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 07.05.1987, Blatt 36 ff d.A.) und 12.08.1987 (Blatt 61 ff d.A.) verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Kläger beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Widerklage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Kläger bestreiten das Vorbringen des Beklagten. Sie halten die von ihnen vorgenommene Mietminderung für berechtigt. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 05.06.1987 (Blatt 45 ff d.A.) und 08.09.1987 (Blatt 69 ff d.A.) verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich der weitergehenden Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Da die Klage bereits teilweise entscheidungsreif ist, kann soweit gem. § 301 ZPO durch Teilurteil entschieden werden.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Der Klageantrag zu 4 ist nicht begründet, die Widerklage ist in Höhe von 271,60 DM begründet, in Höhe von 126,80 DM ist sie nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Ein Anspruch darauf, die Zufahrt zu dem Grundstück ......in L 2 mit Leuchtkörpern zu versehen, steht den Klägern gegen den Beklagten nicht zu. Ein derartiger Anspruch der Kläger lässt sich insbesondere nicht aus § 536 BGB ableiten. Diese Vorschrift verpflichtet den Vermieter, die vermietete Sache stets in einem zum vertragsmäßigen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten und, wenn die Sache sich nicht mehr in diesem Zustand befindet, sie wieder in diesen Zustand zu versetzen. Daraus folgt zunächst die Pflicht des Vermieters, schon vorbeugend die Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind, um von der Sache dem Mieter und seinen Angehörigen drohende Gefahren abzuwenden. In Erfüllung dieser Verkehrssicherungspflicht obliegt es dem Vermieter grundsätzlich, für eine ausreichende Beleuchtung der Zu- und Abgänge und der Treppen und Flure der vermieteten Räume zu sorgen. Eine weitergehende Beleuchtungspflicht besteht dagegen nicht und wird im einschlägigen mietrechtlichen Schrifttum (vgl. Staudinger-F, 12. Auflage; §§ 535, 536 Randnummer 45; Palandt-Putzo, 46. Auflage; § 535 Anmerkung 2 b jeweils mw. N.), auch nicht gefordert. Eine Erstreckung der Beleuchtungspflicht des Beklagten auf die ca. 50 m lange Zufahrt zum Grundstück ist vorligend auch nicht geboten. Das Ausmaß der Verkehrssicherungspflicht des Vermieters richtet sich nach den konkreten örtlichen Verhältnissen, insbesondere nach dem Umfang der Benutzung, wie er nach den gegebenen Umständen in Betracht kommt. Wer sich --wie hier die Kläger - in einer ländlichen Umgebung auf einem Bauernhof anmietet, der ca. 50 m abseits der T-Straße liegt und nur über einen privaten und nicht asphaltierten Y-Weg zu erreichen ist, kann regelmäßig nicht mit einer für innerstädtische Verhältnisse zu fordernden Beleuchtung rechnen. Er muss sich auf die örtlichen Gegebenheiten einstellen und ihnen durch entsprechende eigene Vorsicht begegnen. Hierzu kann es für die Kläger geboten sein, den Y-Weg bei Dunkelheit nicht ohne Taschenlampe zu benutzen, ggfs. unter Zuhilfenahme einer vom Beklagten anzubringenden dauernden äußerlichen Lichtquelle am Hauseingang als Orientierungshilfe. Selbst wenn man aber davon ausgeht, den Beklagten treffe wegen der fehlenden Beleuchtung des Zuweges eine Verkehrssicherungspflicht, so ist vorliegend jedenfalls ein etwaiger Erfüllungsanspruch der Kläger in entsprechender Anwendung des § 539 BGB ausgeschlossen. Das Gericht folgt insoweit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Dieser hat mit Urteil vom 04.10.1961 - VIII Z 100/60 ausgeführt, dass der Anspruch des Mieters auf Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes dann ausgeschlossen ist, wenn aufgrund der Umstände des Einzelfalls das stillschweigende Einverständnis des Mieters mit dem Mangel anzunehmen sei. Ds sei insbesondere dann anzunehmen, wenn der Mieter den ihm von vorneherein bekannten (mangelhaften) Zustand der Mietsache nicht gerügt, vielmehr den Mietzins stets vorbehaltlos gezahlt habe. Diese Voraussetzungen liegen vor. Den Klägern war der Zustand des Grundstücks bei Anmietung 1981 bekannt. Insbesondere kann ihnen nicht verborgen geblieben sein, dass die Zufahrt zum Grundstück nicht mit einer Beleuchtung versehen war. Gleichwohl haben sie diesen ihnen bekannten Zustand der Mietsache nicht gerügt, vielmehr den vereinbarten Mietzins stets vorbehaltlos bezahlt. Damit haben sie die ihnen bekannten örtlichen Verhältnisse für den Beklagten erkennbar akzeptiert, so dass der Beklagte darauf vertrauen konnte, nicht nach mehreren Jahren plötzlich mit der Forderung überzogen zu werden, die Zufahrt mit einer Beleuchtung zu versehen. Etwaige Erfüllungsansprüche der Kläger sind danach ausgeschlossen. Soweit die Kläger und ihre Tochter aus Angst vor einem Überfall die Zufahrt bei Dunkelheit nicht zu betreten wagen, handelt es sich zudem nicht mehr um eine Gefahr, die von der unbeleuchteten Zufahrt selbst ausgeht, sondern um eine solche durch Dritte, für die der Beklagte auch aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht nicht einzustehen hat. Ein Anspruch auf Beleuchtung der Zufahrt lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass diese nach der Behauptung der Kläger derart uneben sein soll, dass ein Betreten bei Dunkelheit nicht ohne Gefahr möglich sei. Es mag dahinstehen, ob dieser von den Klägern behauptete Zustand zutrifft oder nicht und ob den Klägern insoweit überhaupt ein Erfüllungsanspruch zusteht, denn die Kläger sind jedenfalls nicht berechtigt, dem Beklagten vorzuschreiben, auf welche Weise er die sich aus der Unebenheit ergebende Gefährdung beseitigt. Ist der Beklagte nämlich insoweit im Rahmen seiner Instandhaltungspflicht verkehrssicherungspflichtig, so muss er die zur Abwendung einer Gefahr erforderlichen Maßnahmen insoweit treffen, als sie ihm nach objektiven Maßstäben zumutbar sind. Die Auswahl unter den für dieses Ziel in gleicher Weise tauglichen Mitteln (hier z.B.: Beleuchtung, Herstellung eines festen und asphaltierten Straßenkörpers, Beseitigung der Unebenheiten durch Aufschüttung etc.) kann der Beklagte nach seinem Ermessen treffen, eine Verpflichtung zu einer bestimmten Maßnahme besteht nicht (vgl. BGH LM Nr. 18 zu § 823 (Ea) BGB).</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Zur Widerklage:</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Dem Beklagten steht gem. § 535 Satz 2 BGB gegen die Kläger ein Anspruch auf Zahlung von 271,60 DM zu. </p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die Kläger waren nicht gem. § 537 BGB berechtigt, den vereinbarten Mietzins für November 1986 in dieser Höhe zu kürzen. Wie das Gericht bereits mit Teilurteil vom 19.12.1986 ausgeführt hat, stand den Klägern gegen den Beklagten ein Erfüllungsanspruch auf Anhebung der Heizungstemperaturen auf 20 Grad gegen den Beklagten nicht zu. War danach aber ein Erfüllungsanspruch der Kläger nicht begründet, so scheidet aus denselben Erwägungen auch ein Mietminderungsanspruch aus. Jedenfalls haben die Kläger auch nach Erlass des Teilurteils keine nachvollziehbaren Einzelheiten angegeben, die eine Minderung der Miete wegen einer mangelhaften Beheizung im November rechtfertigen könnten. Ein Minderungsrecht wegen der behaupteten Lärmstörungen durch die Übungen einer Musikgruppe im November 1986 steht den Klägern nicht zu, da ihr Sachvortrag Einzelheiten über Art und Ausmaß der eingetretenen Lärmstörungen lediglich für April nicht aber für November 1986 erkennen lässt. Ein etwaiges Minderungsrecht der Kläger wegen des Stromausfalls im November 1986 ist entsprechend § 539 BGB ausgeschlossen, denn die Kläger haben den Mietzins über Monate vorbehaltlos gezahlt, obwohl ihnen die Mängel in der Stromversorgung spätestens seit November 1985 bekannt waren.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">In Höhe von 126,80 DM ist die Widerklage allerdings nicht begründet. Die Kläger waren jedenfalls im April 1987 wegen der von der Musikgruppe ausgehenden Lärmstörungen berechtigt, die Miete um 10 % zu mindern. Nach dem nicht substantiiert widersprochenen und gem. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden und unstreitig anzusehenden Sachvortrag der Kläger, hat die Musikgruppe unter den Räumlichkeiten der Klägerim April 1987 mindestens 2x in der Woche von 20.00 Uhr bis 22.30 Uhr bzw. 23.00 Uhr, zusätzlich manchmal mittwochs und freitags, dermaßen laut geübt, dass es die Kläger vor lauter Krach in der ganzen Wohnung nicht aushalten konnten. Lärmstörungen in dem beschriebenen Ausmaß stellen eine erhebliche Beeinträchtigung des vertragsgemäßen Gebrauchs dar und berechtigen den Mieter zur Minderung der Miete. Einer vorherigen Ankündigung bedarf es wegen § 537 Abs. 3 BGB nicht.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die Höhe der Minderung schätzt das Gericht gem. § 287 ZPO auf 10 % der Miete von 1.268,00 DM.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 284, 286, 288 BGB.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Streitwert für den Klageantrag zu 4: 2.000,00 DM.</p>
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315,432 | ag-essen-1987-10-15-132-c-17287 | {
"id": 657,
"name": "Amtsgericht Essen",
"slug": "ag-essen",
"city": 417,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 132 C 172/87 | 1987-10-15T00:00:00 | 2019-03-13T14:55:34 | 2019-03-27T09:43:08 | Urteil | ECLI:DE:AGE1:1987:1015.132C172.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits tragen zu 38 % die Beklagten als Gesamtschuldner und zu 62 % der Kläger.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p>Der Kläger kann die Kostenvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 150,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Tatbestand:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger macht Schmerzensgeldansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 05.11.1986 in Essen ereignete.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte zu 1) fuhr in betrunkenem Zustand mit seinem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten PKW auf ein Taxi auf, in dem der Kläger Fahrgast war.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Dabei wurde der Kläger verletzt. Er erlitt eine Thorax-Prellung rechts und eine HWS-Zerrung.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Wegen dieser Verletzungen befand er sich bis zum 25.11.1986 in ambulanter Behandlung in Essen und sodann am 18.11.1986 in ambulanter Behandlung an seinem Wohnort in P.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Als Behandlung wurde das Tragen einer Schanz’sche Krawatte verordnet.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte zu 2) hat vorgerichtlich ein Schmerzensgeld in Höhe von 780,00 DM gezahlt, im Verlauf des Rechtsstreits wurden weitere 470,00 DM gezahlt.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Kläger vertritt die Auffassung, dass ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 2.000,00 DM angemessen sei.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Parteien haben den Rechtsstreit in Höhe eines Betrages von 470,00 DM in der Hauptsache für erledigt erklärt.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes in Höhe von 750,00 DM zu verurteilen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Dem Kläger steht gegen die Beklagten über das bereits in Höhe von 1.250,00 DM gezahltes Schmerzensgeld kein weiterer Schmerzensgeldanspruch gemäß §§ 847, 823 BGB, 3 PflVG zu.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat die bei einem Auffahrunfall typischen Verletzungen, nämlich eine HWS-Zerrung und eine Prellung am Thorax erlitten.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Unter Berücksichtigung des in ähnlich gelagerten Fällen von der Rechtsprechung zuerkannten Schmerzensgeldes hält das Gericht das hier gezahlte Schmerzensgeld, das über 1.000,00 DM liegt, für ausreichend. Zu berücksichtigen ist dabei, dass der Kläger infolge des Unfalls nicht arbeitsunfähig krank war, das Tragen einer Schanz’schen Krawatte wird in ähnlichen Fällen immer verordnet.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 a, 91 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.</p>
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315,433 | olgham-1987-10-15-18-u-5087 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 18 U 50/87 | 1987-10-15T00:00:00 | 2019-03-13T14:55:35 | 2019-03-27T09:43:08 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1987:1015.18U50.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung des Beklagten wird das am 7. Januar 1987 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts xxx geändert.</p>
<p></p>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p>Es beschwert die Klägerin um weniger als 40.000,-- DM.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist zulässig und auch begründet.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Maklerprovision nicht zu.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks"><b>1.</b></p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Es kann dahinstehen, ob zwischen den Parteien ein Maklervertrag, betreffend den Nachweis des Hausgrundstücks xxx, zustandegekommen ist. Der Provisionsanspruch der Klägerin scheitert nämlich bereits daran, daß sie keine für den Kauf des Hauses ursächliche Maklerleistung erbracht hat.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks"><b>a)</b></p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Unstreitig hat nicht der Beklagte selbst, sondern seine Ehefrau den Kauf getätigt. Das Landgericht hat dieser personellen Abweichung keine Bedeutung beigemessen. In der Tat ist es bislang in Rechtsprechung und Schrifttum als unerheblich angesehen worden, wenn statt des Auftraggebers dessen Ehegatte das vom Makler nachgewiesene Objekt erworben hat; in einem solchen Fall soll dem Makler grundsätzlich ein Anspruch auf Provision gegen den ursprünglichen Auftraggeber zustehen (Schwerdtner, Maklerrecht, 3. Aufl. 1987, RdNr. 142 mit umfassenden Nachweisen aus der Rechtsprechung). Diese Rechtslage ist jedoch durch eine erst nach Verkündung des landgerichtlichen Urteils erlassene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluß vom 30. Juni 1987 WM 1987, 1078) wesentlich modifiziert worden. Diese Entscheidung betrifft den umgekehrten Fall, daß der Ehegatte des Maklers mit dessen Auftraggeber das Geschäft schließt. In jenem Falle war dem Makler in der bisherigen Rechtsprechung ein Provisionsanspruch mit der Begründung versagt worden, der Makler könne an seinen Auftraggeber keine dem anerkannten Leitbild des Maklervertrages entsprechende Leistung erbringen, wenn er ihm seinen, des Maklers, eigenen Ehegatten als Vertragspartner zuführe. Die Bindung des Maklers an seinen Ehegatten sei vielmehr im Regelfall so eng, daß sie ihn hindere, die gegenläufigen Interessen des Auftraggebers zu wahren (zuletzt BGH NJW 1987, 1008). Demgegenüber hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, aus dem Bestehen der ehelichen Lebensgemeinschaft allein dürften nachteilige Schlüsse zu Lasten des Maklers nicht gezogen werden; dies verstoße nämlich gegen das verfassungsrechtliche Verbot der Benachteiligung von Verheirateten (Art. 6 Abs. 1 GG). Diese Entscheidung - die zunächst nur den Sonderfall der Wohnungsvermittlung betrifft - ist auch für das allgemeine Maklerrecht von weittragender Bedeutung. Sie wird zu einer Korrektur der bisherigen Rechtsprechungsgrundsätze bei Ehegattengeschäften führen müssen. Insbesondere wird sie sich auch auf Fälle der hier zu beurteilenden Art auswirken, die ihr Gepräge dadurch erhalten, daß der Hauptvertrag nicht von dem Auftraggeber selbst, sondern von dessen Ehegatten getätigt worden ist. Ebenso wie es nicht automatisch zu Lasten des Maklers gehen darf, wenn dieser ein Geschäft zwischen seinem Ehegatten und dem Auftraggeber zustandebringt, braucht es sich der Auftraggeber umgekehrt nicht automatisch zurechnen zu lassen, wenn statt seiner sein Ehegatte das vom Makler nachgewiesene Geschäft tätigt. Dies bedeutet, daß der Provisionsanspruch des Maklers nicht mehr ohne weiteres schon dann entsteht, wenn statt des Auftraggebers dessen Ehegatte das Geschäft schließt. Es bedarf vielmehr einer Einzelprüfung, ob im konkreten Fall eine besondere Rechtfertigung für eine solche Zurechnung besteht.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks"><b>b)</b></p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Dementsprechend ist im Berufungsrechtszug die Ehefrau des Beklagten als Zeugin vernommen worden. Sie hat eindeutig und unter Eid bekundet, daß sie von der Kaufgelegenheit nicht etwa durch den Beklagten, sondern - von diesem gänzlich unabhängig - durch einen von ihr selbst beauftragten Makler Kenntnis erlangt habe. Nach dem persönlichen Eindruck, den die Zeugin auf das Berufungsgericht gemacht hat, ist ihre Bekundung glaubhaft. Dieses Beweisergebnis schließt es mithin aus, daß eine vom Beklagten an die Zeugin weitergegebene Nachweisleistung der Klägerin für den Geschäftsabschluß ursächlich geworden ist. Damit entfällt - ganz unabhängig von der Frage der personellen Identität - ein Provisionsanspruch der Klägerin. Im übrigen hat die Beweisaufnahme weiter bestätigt, daß die Zeugin schon seit Jahren vom Beklagten getrennt lebt, so daß auch keine Lebensgemeinschaft und keine wirtschaftliche Verflechtung zwischen beiden Ehegatten mehr bestehen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks"><b>2.</b></p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Klage war daher unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen. Die Kosten des Rechtsstreits waren insgesamt gemäß § 91 ZPO der Klägerin aufzuerlegen. Für die von der Klägerin angeregte Überbürdung der Kosten des Berufungsrechtszugs auf den Beklagten nach § 97 Abs. 2 ZPO war kein Raum. Es wäre sicherlich sachdienlich gewesen, wenn der Beklagte den präzisen Sachvortrag darüber, wie seine Ehefrau von dem Kaufobjekt Kenntnis erlangt hat, bereits im ersten Rechtszug gebracht hätte. Der Beklagte hatte jedoch schon in erster Instanz bestritten, seiner Ehefrau aufgrund der von der Klägerin behaupteten Nachweisleistungen das Objekt verschafft zu haben, und hatte Gegenbeweis durch Benennung der Zeugin angetreten (Schriftsatz vom 28. November 1985 Bl. 28/29 GA). Das Landgericht ist diesem Beweisantrag anscheinend deshalb nicht nachgegangen, weil es von seinem damaligen Rechtsstandpunkt aus Rechtsgründen darauf nicht ankam. Die weitere Erklärung des Beklagten im landgerichtlichen Termin vom 9. Juli 1986, er habe mit der Zeugin über den Hauskauf gesprochen, stimmt mit der Bekundung der Zeugin überein. Danach hat in der Tat ein solches Gespräch stattgefunden, aber erst nachdem die Zeugin von der Kaufgelegenheit bereits Kenntnis erlangt hat. Dementsprechend läßt sich nicht feststellen, daß das Obsiegen des Beklagten ausschließlich auf dem präzisierten Berufungsvorbringen beruht. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks"><b>3.</b></p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Das Berufungsgericht hat - wie auch in der mündlichen Verhandlung erörtert worden ist - erwogen, die Revision zuzulassen. Die Rechtsfrage, wie sich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (a.a.O.) auf die rechtliche Beurteilung von Geschäften auswirkt, die statt des Auftraggebers dessen Ehegatte tätigt, hat grundsätzliche Bedeutung. Sie ist hier jedoch letztlich nicht entscheidungserheblich, da sich bei der Beweisaufnahme herausgestellt hat, daß nach den tatsächlichen Besonderheiten dieses Falles bereits die Ursächlichkeit der Maklerleistung der Klägerin nach den allgemeinen, auch schon früher geltenden Grundsätzen zu verneinen war. Aus diesem Grund konnte die Revision nicht zugelassen werden.</p>
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315,434 | lagk-1987-10-15-3-sa-69687 | {
"id": 795,
"name": "Landesarbeitsgericht Köln",
"slug": "lagk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Arbeitsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 3 Sa 696/87 | 1987-10-15T00:00:00 | 2019-03-13T14:55:37 | 2019-03-27T09:43:08 | Urteil | ECLI:DE:LAGK:1987:1015.3SA696.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung der Beklagten gegen das am 14.5.1987 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg - l Ca 561/86 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beklagte zur Zahlung von 2.929,77 DM verurteilt wird.</p>
<p>Die Kosten der Berufungsinstanz trägt die Beklagte.</p>
<p>Die Revision wird zugelassen. Streitwert: 2.929,-- DM.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Tatbestand</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Parteien streiten um die tarifgerechte Eingruppierung der Klägerin in den allgemein-verbindlich erklärten Gehaltstarifvertrag für kaufmännische und technische Angestellte im Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen in seiner Fassung vom 15.5.1985 für die Zeit von Juni 1985 bis einschließlich Januar 1986. Diese tarifliche Regelung unterscheidet - soweit es für diesen Rechtsstreit von Interesse ist - zwischen    Gehaltsgruppe I = Angestellte mit einfacher kaufmännischer Tätigkeit, und Gehaltsgruppe II = Angestellte mit einer Tätigkeit, die erweiterte Fachkenntnisse und eine größere Verantwortung erfordert. Als "Beispiele" sind hier für den Einsatz der Klägerin als Kassiererin genannt:</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">in Gehaltsgruppe I: Kassierer mit einfacher Tätigkeit in Gehaltsgruppe II: Kassierer mit gehobener Tätigkeit.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin, die keine kaufmännische Berufsausbildung hat,war vor ihrer Tätigkeit bei der Beklagten bei der Firma D in B   vom 10.7.1981 - 31.1.1982 und sodann vom 1.7.1982- 20.3.1984 bei der Firma H   A  als Kassiererinbeschäftigt. Seit 1.5.1984 ist sie als "Kassiererin/Kassenwesen" bei der Beklagten beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag vom 7.11.1985, der die rechtliche Grundlage der arbeitsvertraglichen Beziehungen bildet, war sie vorher undist sie seit 1.11.1985 in Tarifgruppe G 1/2. Berufsjahreingruppiert (Bl. 185 d.A.). Das Gehalt setzt sich zusammenaus dem Tarifgehalt              -  1.432,--</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">freiwillige übertarifliche, jederzeit widerrufliche und</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">auf Tarif-u.Berufsjahressteigerungen-    398,--anrechenbare Zulage</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Mankogeld              70,--</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">1.900,--Davon erhält die Klägerin bei einer Teilzeitarbeit von 120</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Stunden anstatt der Vollzeitarbeit von 173 Stunden (§ 2, § 23 Abs. l des Manteltarifvertrages Einzelhandel NRW vom 15.5.1985) folgende Bezüge ab 1.11.1985:</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Tarifgehalt:              1.048,48 DMfreiwillige Zulage:              291,41 DMMankogeld:              51,25 DM</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">1.391,14 DM</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin begehrt die Eingruppierung in Tarifgruppe G II 2. Berufsjahr, die sie mit ihrem Schreiben vom 29.11.1985 entsprechend § 20 Abs. l c MTV-Einzelhandel NRW vom 15.5.1985 schriftlich geltend gemacht hat (81. 9 d.A.).</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Sie hat unter detaillierter Schilderung ihrer Tätigkeit als Kassiererin behauptet, diese Tätigkeit erfülle die Merkmale für eine Eingruppierung in die begehrte Gehaltsgruppe G II. Sie übe eine Tätigkeit aus, die erweiterte Fachkenntnisse und eine größere Verantwortung erfordere als in Gruppe G I. Sie sei keine Kassiererin mit einfacher Tätigkeit, sondern mit gehobener Tätigkeit. Die Gehaltsdifferenz betrage für die streitige Zeit 2.942,23 DM, die die Beklagte nachzuzahlen habe.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.942,23 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat um</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Klageabweisung gebeten.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Sie hat die Eingruppierung der Klägerin in Gehaltsgruppe GI/ 2 für zutreffend nach ihren Ausbildungsvoraussetzungen und ihrer Tätigkeit gehalten.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Mit Urteil vom 14.5.1987 hat das Arbeitsgericht nach dem Klageantrag erkannt.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">In den Entscheidungsgründen ist im wesentlichen ausgeführt:</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Der Klägerin stehe ein Gehaltsanspruch nach Gehaltsgruppe II - Beschäftigungsgruppe B - unmittelbar nach § 3/B/Abs. l Gehalts-TV oder § 3/B/Abs. 2 Gehalts-TV  deswegen nicht zu, weil sie nicht über einen kaufmännischen Berufsabschluß verfüge. Dennoch sei sie in Beschäftigungsgruppe B einzugliedern, weil ihre bisherige Berufstätigkeit einer abgeschlossenen Berufsausbildung gleichzusetzen sei. Das ergebe sich aus § 2/Abs. 3/S. l/Buchstabe b Gehaltstarifvertrag: Sie habe eine kaufmännische Berufstätigkeit überwiegend im Verkauf von drei Jahren. Damit aber erfülle sie die Voraussetzungen für die Eingruppierung in die Beschäftigungsgruppe B des § 3 Gehalts-TV. Im übrigen begehre die Klägerin zu Recht Vergütung nach Gehaltsgruppe II. Ihre Tätigkeit sei eine Aufgabe, die erweiterte Fachkenntnisse und eine größere Verantwortung fordere. Das ergebe sich aus ihren Kassiereraufgaben an den verschiedenen Kassensystemen, die sie bei der Beklagten zu bedienen habe.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Wegen des näheren Inhaltes der erstinstanzlichen Entscheidung wird auf 81. 124 - 152 d.A. verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Gegen das am 16.6.1987 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch ihre Anwälte am 6.7.1987 Berufung eingelegt, die innerhalb der bis 31.8.1987 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 28.8.1987 begründet wurde.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte rügt die rechnerischen und tarifrechtlichen Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Rechnerisch verkenne das Arbeitsgericht, daß die begehrte Gehaltsdifferenz nicht annähernd 2.942,23 DM betrage. Wenn das Arbeitsgericht der Klägerin die Gehaltsgruppe II zubillige, müsse es gleichzeitig die freiwillig gewährte, jederzeit widerrufliche und auf Tarif- und Gehaltserhöhung anrechenbare Zulage von der dann zu zahlenden neuen Gehaltsregelung nach Gehaltsgruppe II in Abzug bringen. Dann ergebe sich allenfalls eine noch nachzuzahlende Gehaltsdifferenz von 640,36 DM (Berechnung Bl. 164 - 166 d.A.). Aber vor allem sei das Urteil tarifrechtlich nicht haltbar, denn die Klägerin erfülle zunächst nicht das Gleichsetzungsmerkmal. Sie sei zwar bereits drei Jahre tätig, jedoch nicht im Verkauf. Tätigkeit als Kassiererin sei nicht als "Tätigkeit im Verkauf" anzusehen.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Aber selbst wenn man die Voraussetzungen des § 2 Abs. 3/S. 1/b als erfüllt ansähe, könne sie allenfalls einen Anspruch auf Eingliederung in Gehaltsgruppe I geltend machen. Das ergebe sich aus § 3 A Abs. 2, wo es ausdrücklich heiße, mit Beginn des 4. Tätigkeitsjahres nach § 2 Abs. 3 a und c bzw. mit Beginn des 4. oder 5. Tätigkeitsjahres nach § 2 Abs. 3 b erfolge eine Einstufung in dasjenige Berufsjahr der Gehaltsgruppe B I, das dem Berufsjahr folge, von welchem bei der Aufnahme der Tätigkeit die bisherigen Abschläge errechnet wurden. Bei gleicher Tätigkeit könne mit Erfüllung der Gleichstellungsvoraussetzungen eine Eingruppierung in die Gehaltsgruppe II gar nicht in Betracht kommen. Im übrigen bestreite die Beklagte entschieden, selbst wenn man alle bisherigen tarifrechtlichen Rügen außer Ansatz lasse, daß die Kassierertätigkeit der Klägerin im Sinne der Gehaltsgruppe als eine solche in "gehobener Tätigkeit" anzusehen sei. Dafür fehlten alle tatsächlichen Voraussetzungen. Das Arbeitsgericht verkenne, daß sowohl die Bedienung der Kasse NCR 2060 eine einfache Kassierertätigkeit sei und das Bedienen der IBM 3683-Kasse noch Vereinfachungen zur Kasse NCR 2060 mit sich bringe. Beides seien einfache Kassentätigkeiten nach Gehaltsgruppe I.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Zurückweisung der Berufung.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Gegen die Rüge der rechnerischen Unrichtigkeit wendet sie ein, ihre richtige Gehaltseinstufung in Gruppe II werde nicht durch die freiwillige Zulage aufgezehrt. Sie hätte diese Zulage nämlich unabhängig davon bekommen, in welche Gruppe sie eingestuft sei. Sie ermäßige jedoch ihren Klageantrag um 12,46 DM Im übrigen sei sowohl die Auffassung des Arbeitsgerichts hinsichtlich § 2 Abs. 3 b zutreffend als auch wegen dessen Annahme, sie übe eine "gehobene Tätigkeit" aus.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen  Inhalt der Berufungsbegründung vom 27.8.1987 (81. 163 - 208 d.A.) und der Berufungserwiderung vom 1.10.87 (81. 213 - 237 d.A.) verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Entscheidungsgründe</span></p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die Berufung der Beklagten ist statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, also zulässig. In der Sache konnte sie keinen Erfolg haben.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">I. Tarifrechtliche Rügen  der Beklagten</span></p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">1. Rechtsgrundlage für die Entscheidung dieses Verfahrens sind die Rechtsnormen des GehaltstarifVertrages Einzelhandel NRW vom 15.5.1985, gültig ab 1.1.1985.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Dieser Gehaltstarifvertrag ist seit 1.4.1985 allgemeinverbindlich erklärt. Er gilt daher nach § 5 TVG auch für das Arbeits-</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Verhältnis zwischen den Parteien ohne Rücksicht auf die Tarifbindung (§ 3 TVG) der Beklagten. Die Allgemeinverbindlicherklärung ist im Bundesanzeiger vom 7.10.1985 Nr. 206 Seite 13 bekanntgegeben worden.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">2. Die Rüge, die Klägerin erfülle nicht die Gleichsetzungsvoraussetzungen des § 3 Abs. 3 S. l b Gehaltstarifvertrag, dringt nicht durch.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Auszugehen ist davon, daß eine Eingruppierung in Gehaltsgruppen  I - IV der Beschäftigungsgruppe B kaufmännische Tätigkeiten umfassen muß, für die in der Regel eine abgeschlossene kaufmännische Berufsausbildung (zwei- bzw. dreijährige Ausbildungszeit mit Abschlußprüfung) erforderlich ist.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Der zweijährigen Ausbildungszeit als "Verkäuferin" mit Abschlußprüfung stehen nach § 2 Abs. l gleich:</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">"b) eine kaufmännische Berufstätigkeit überwiegend im Verkauf von drei Jahren, im übrigen von vier Jahren."</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Die unstreitig vierzigmonatige Tätigkeit der Klägerin, die keine abgeschlossene kaufmännische Berufsausbildung mit der Abschlußprüfung als "Verkäuferin" hat, vielmehr nur diese 40 Monate als Kassiererin in Einzelhandelsgeschäften tätig war, erfüllt Voraussetzungen einer "kaufmännischen Tätigkeit im Verkauf". Insoweit teilt das Berufungsgericht die Auffassung des Arbeitsgerichts.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Sieht man sich das Berufsbild eines Verkäufers an, wie es der staatlichen Anerkennung des BAM vom 27.3.1968 (Bl. 205 d.A.) zugrunde liegt, so ist das Arbeitsgebiet des Verkäufers die beratende und verkaufende Tätigkeit im Einzelhandelsgeschäft sowie die sonstigen unmittelbar mit dem Warenverkauf verbundenen Arbeiten. Bei dem verbindlichen Inhalt einer Ausbildung werden u.a. als Teilbereiche genannt :</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">„Einführung in</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">2. Waren eines Fachbereiches (Bedarfs- oder</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Warengruppen)</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">9. Abrechnen der Waren beim Verkauf- Kassenverkehr</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">13. Einführung in den Zahlungsverkehr".</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Von den 17 Teilbereichen, die für die Ausbildung einer Verkäuferin mit Abschlußprüfung entscheidend sind, betreffen also zumindest drei den Abrechnungs- und Kassenverkehr.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Nun spricht § 2 Abs. 3 S. l b bei den Gleichstellungsvoraussetzungen nicht davon, daß eine kaufmännische Berufstätigkeit vorliegen müsse, die dem Berufsbild der staatlich anerkannten "Verkäuferin" zu entsprechen habe. Vielmehr wird festgestellt, daß die abgeschlossene Ausbildung als Verkäuferin gleichstehe eine kaufmännische Berufstätigkeit überwiegend (also mit 50,01 % der Gesamttätigkeit) <span style="text-decoration:underline">im Verkauf.</span>  Eine ausgebildete Verkäuferin ist allseitig einsetzbar auf allen Teilgebieten, die das staatlich anerkannte Berufsbild zum "Verkauf" in seiner Ziffer 1-17 der betrieblichen Ausbildung rechnet. Auch wenn diese anerkannte Verkäuferin nur einen Teilbereich der Ziffer 1-17 nach Abschluß ihrer Ausbildung verrichtet, ist und bleibt sie Verkäuferin.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Dann aber muß es konsequenterweise für eine Arbeitnehmerin mit  kaufmännischer Tätigkeit auch genügen, wenn sie drei Jahre <span style="text-decoration:underline">eine</span> der Aufgaben wahrnimmt, die typisch für den Verkäuferberuf sind und daher nach Ziffer 1-17 des Inhalts der betrieblichen Ausbildung erlernt werden müssen; denn •jede dieser Tätigkeiten ist eine Tätigkeit "im Verkauf", alle Teiltätigkeiten führen zum Beruf einer "Verkäuferin".</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Daher ist die überwiegende Tätigkeit der Klägerin - <em>wie</em> das Arbeitsgericht</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">zutreffend feststellt - eine "Tätigkeit im Verkauf" nach § 2 Abs. 3 S. l b des Gehaltstarifvertrages-Einzelhandel NRW. Daher fällt sie bei der Eingruppierung unter Abschnitt B der allgemeinen Eingruppierungsbedingungen.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">3. Nicht folgen kann das Berufungsgericht der Rüge der Beklagten, bei Bejahen des § 2 Abs. 3 b S. l b komme nach § 3 A Abs. 2 S. l nur eine Eingruppierung in Gehaltsgruppe B I in Frage.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte übersieht dabei § 2 Abs. 7 S. 1. Dort ist geregelt, unter welchen Voraussetzungen eine Versetzung in eine höhere Gehaltsgruppe erfolgt. Bei dieser Versetzung erhalten die Angestellten, die entweder die Ausbildungsvoraussetzungen des § 2 Abs. 2 <span style="text-decoration:underline">oder</span>  die Gleichsetzungsvoraussetzungen des § 2 Abs. 3 erfüllen, das ihrem bisherigen Gehalt folgende höhere Tarifgehalt der neuen Gehaltsgruppe; die dem höheren Gehalt entsprechenden Jahre der Tätigkeit gelten in diesen Fällen als zurückgelegt.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Erfolgt die Höhergruppierung nicht durch eine einseitige Versetzungsanordnung des Arbeitgebers, sondern aufgrund einer gerichtlichen Eingruppierungsentscheidung, müssen diese Grundsätze des § 2 Abs. <em>l</em> Abs. l in gleicher Weise zur Anwendung gelangen.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Demgegenüber haben die Eingruppierungsgrundzüge des § 3 A Abs. 3 zurückzutreten. Sie betreffen nur den Fall, daß ein Angestellter, der erstmals die Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 S. l b erfüllt, bei einer Einstufung in Gehaltsgruppe B I entsprechend der in Abs. 3 festgelegten Regelung zu behandeln ist.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Weil die Eingruppierung nach der tatsächlich verrichteten Tätigkeit zu erfolgen hat (§ 2 Abs. 1), ist es irrig, einen Angestellten ohne kaufmännische Ausbildung nach § 2 Abs. 2, aber mit Gleichsetzungsvoraussetzungen nach § 2 Abs. 3, wenn er das Tätigkeitsmerkmal der Gehaltsgruppe II oder III erfüllt, nur deswegen in Gruppe I einzugruppieren, weil er nur die Gleichsetzungsvoraussetzungen nach § 2 Abs. 3</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">erfüllt. Erbringt er die Tätigkeit nach Gehaltsgruppe II und III und erfüllt er auch die Gleichsetzungsvoraussetzungen nach § 2 Abs. 3, hat er einen tariflich zwingenden Anspruch auf Eingruppierung in die Gehaltsgruppe, deren Tätigkeitsmerkmale er mit seiner Tätigkeit erfüllt.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">4. Die Tätigkeit der Klägerin an den Kassen NCR 2060 und IBM 3683 sind auch eine Tätigkeit, die erweiterte Fachkenntnisse und eine größere Verantwortung erfordern. Soweit in den Beispielen dazu "Kassierer mit gehobener Tätigkeit" genannt sind, scheitert die Einordnung unter dieses Beispiel an dem "unbestimmten"Rechtsbegriff "gehobene Tätigkeit". Jedoch läßt ein Vergleich mit den Grundanforderungen der Gruppe I mit denen der Gruppe II mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, was die Tarifvertragsparteien mit dem Begriff "gehobene Tätigkeit" kennzeichnen wollten.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">In Gehaltsgruppe I werden "einfache" kaufmännische Tätigkeiten erfaßt, in  Gehaltsgruppe II werden "erweiterte Fachkenntnisse und größere Verantwortung" verlangt. Von einem Kassierer in gehobener Tätigkeit ist daher zu fordern, daß er diese erweiterten Fachkenntnisse besitzt und eine größere Verantwortung hat.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Das ist für die Kassierertätigkeit der Klägerin mit zutreffenden Feststellungen auf S. 20-27 des erstinstanzlichen Urteils bejaht worden. Das Berufungsgericht schließt sich diesen Feststellungen an und spart sich eine erneute und überflüssige Wiederholung der dort aufgeführten Wertungen.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Es ist einfach nicht richtig, daß eine Kassiererin in einem Supermarkt mit - wie die Beklagte zugesteht - etwa 85.000 Artikeln im Warenbestand nur die Artikelnummer, blind darauf vertrauend, über die Lesestation abrechnen oder - wenn diese Lesestation nicht aufnahmebereit ist - die EAN-Nummer (wiederum blind darauf vertrauend) über die lOer-Tastatur in die Kasse eingeben muß (S. 13/14 der Berufungsbegründung). Wäre dem so, daß die Beklagte sich auf dieses rein mechanische,</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">einen Denkvorgang überhaupt nicht voraussetzende Bedienen der Kasse verlassen würde, dann sind weder die in der Organisationsanweisung 3.6.01 vom 1.3.1981 - Abschnitt 3 -Grundsätze - (Bl. 74 - 76) - Abschnitt 4 - Kassiervorgang - aufgestellten Anweisungen verständlich noch die Zahlung eines Mankogeldes. Mankogeld für Kassenmankos wird doch nur gewährt für die Übernahme einer korrekten Kassenführung durch die Klägerin. Diese Mankoregelung wäre aber überflüssig, wenn die Klägerin so einfache Kassierarbeiten hätte, daß ein schuldhafter, von ihr zu vertretender Fehler gar nicht auftreten könnte.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Daß die von der Beklagten dargestellte Schulung - wie sie auf den Seiten 14-16 der Berufungsbegründung meint -"einfachster Art" zur Bedienung der beiden Kassensysteme für die qualifizierte Bewertung der Kassierertätigkeit nach Gehaltsgruppe II nicht den Ausschlag geben kann, ist der Beklagten zuzugestehen. Entscheidend muß in der Tat sein, ob die aufgrund dieser Schulung erworbenen Kenntnisse sie zur sachgerechten Erfüllung ihrer Aufgabe befähigen. Das aber kann die Beklagte nicht in Abrede stellen. Dabei kann eine allgemein-bekannte Tatsache nicht außer Betracht bleiben: Wer in einem Selbstbedienungsmarkt von der Größe der Beklagten als Kunde einkauft, hat zumeist nur eine einzige Bezugsperson des Geschäftsinhabers: die Kassiererin. Von ihr erwartet er nicht nur, daß sie <span style="text-decoration:underline">schnell</span> arbeitet, er muß sich auch darauf verlassen können, daß sie richtig arbeitet und er muß darauf vertrauen, daß sie nicht gedankenlos seine gekauften Waren über das Lesegerät schiebt und Preise eintippt. Er muß darauf vertrauen, daß sie in Zweifelsfällen - gleich zu wessen Gunsten und Ungunsten - sofort reagiert, notfalls die Kassenaufsicht ruft, um eine richtige Abrechnung zu erzielen. Diese Tätigkeit, die fachliche Kenntnisse des Warensortiments ebenso voraussetzt wie eine perfekte Beherrschung des bedienten Kassensystems, ist eben nicht vergleichbar mit einer Registrierkasse alten Stils, auf der an Zahlenknöpfen die Preise, an Buchstabenknöpfen die Warengruppen betulich eingestellt und nach einer mechanischen oder elektrisch ausgelösten Bedienung</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">der Kasse das Geld kassiert wurde. Ein so hochmodernes Kassensystem braucht neben den Fachkenntnissen eine beachtliche Verantwortung: Sie stellt <span style="text-decoration:underline">die</span> "Vertrauensposition " im Betrieb der Beklagten dar, eine "verantwortungsvolle Aufgaben" -zwei Begriffe, die die Beklagte zutreffend in ihrer Organisationsanweisung an ihre Kassiererinnen vom 1.3.1981 - Seite l deutlich unter 1.1. hervorhebt.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Soweit demnach eine Auseinandersetzung mit den insoweit erhobenen Berufungsrügen noch notwendig erschien, bestätigt sie die vom Arbeitsgericht vertretene Auffassung, die Klägerin sei ab Juli 1985 in die Gehaltsgruppe II des Einzelhandelstarifvertrages NRW vom 15.5.1985 einzustufen.</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">II. Rüge der rechnerischen Richtigkeit</span></p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Gegen die dann rechnerisch an sich unstreitig ergehende Gehaltssumme in Gehaltsgruppe II in Höhe von <span style="text-decoration:underline">11.510,96 DM</span>  (ohne die Zulage) setzt die Beklagte den in diesem Zeitraum gezahlten Betrag von 10.821,45 DM (mit Zulage) ab, so daß nach ihrer Berechnung der Klägerin in Gehaltsgruppe II ab 1.7.1985 bis 31.1. 1986 noch DM 640,36 zustehen (Bl. 2-4 der Berufungsbegründung).</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Diese Berechnung ist deswegen nicht zu billigen, weil der Klägerin nach der vertraglichen Abrede die Zahlung der freiwilligen, jederzeit widerruflichen Zulage, die auf Tarif-und Berufsjahresteigerungen anrechenbar ist, auf das jeweilige <span style="text-decoration:underline">zutreffende</span> Tarifgehalt zugesagt erhielt. Die Parteien waren gehalten, die Normen des GehaltstarifVertrages als Mindestentlohnung einzuhalten. Dann aber hatte die Klägerin bereits am 1.6.1985 einen tariflichen Mindestgehaltsanspruch nach § 2 Abs. l Gehaltstarifvertrag in Höhe der Verg.Gr. II. Zu diesem Anspruch auf Gehalt nach G II kam dann die vereinbarte Zulage, die nicht von der Bedingung abhängig war, daß die Eingruppierung der Klägerin in GI zutraf.</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Aber selbst wenn man das annehmen wollte, entfiel die Zulage nicht automatisch mit dem Zeitpunkt der Höhergruppierung in diesem Rechtsstreit.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Es bedürfte nach der getroffenen Abrede eines Widerrufs, der im Zeitraum v. 1.6.1985 bis 31.1.1986 nicht erklärt wurde.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Die damit zu Unrecht verrechneten Zulagebeträge in Höhe von 2.306,43 DM mit dem von der Beklagten vorsorglich anerkannten Betrag von 640,36 DM = 2.946,79 übersteigt die von der Klägerin im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch geltend gemachte Klageforderung in Höhe von 2.929,77 DM.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Es war nach alledem zu erkennen wie geschehen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">Der Streitwert war neu festzusetzen.</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Die Revision wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Auslegung des Einzelhandelstarifvertrages (§ 2 Abs. 3, § 3 A Abs. -2, Gehaltsgruppen I und II im Bereich "Kassierer") zugelassen .</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Rechtsmittelbelehrung</span></p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil kann von der Beklagten Revision eingelegt werden. Die Revision muß innerhalb einer Notfrist (eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden) von einem Monat nach der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim Bundesarbeitsgericht, Graf-Bernadotte-Platz 5, 3500 Kassel-Wilhelmshöhe, eingelegt werden. Die Revision ist gleichzeitig oder innerhalb eines Monats nach ihrer Einlegung schriftlich zu begründen. Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.</p>
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315,435 | lagk-1987-10-07-5-sa-76387 | {
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<p>Auf die Berufung des Klägers wird das am 27. Mai 1987 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg - 3-1 Ca 1199/86 - teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger weitere 4.345,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 12. Juni 1986 zu zahlen.</p>
<p>Die weitergehende Berufung des Klägers wird ebenso zurückgewiesen wie die Anschlußberufung der Beklagten.</p>
<p>Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 5/6 und die Beklagte 1/6..</p>
<p>Streitwert-: 49.167,62 DM.</p>
<p>Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Tatbestand</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Parteien streiten um einen Schadensersatzanspruch, den der Kläger aus einer unbefugten Nutzung seines Meistertitels durch die Beklagte herleitet.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist Dachdeckermeister; als solcher war er bei der Beklagten gemäß Arbeitsvertrag vom 1.4.1978 (Bl. 11 a d.A.)in der Zeit vom 1.4.78 bis 15.2.198o beschäftigt, wobei er allerdings nur nach den Lohnbedingungen eines Gesellen bezahlt wurde. Im Arbeitsvertrag (Ziffer 3) ist die Anwendung des Bundesrahmentarif Vertrages für das Dachdeckergewerbe in der zuletzt vereinbarten Fassung festgelegt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die vertraglich vereinbarte Vergütung des Klägers (laut Ziffer 4 des Arbeitsvertrages 14,-- DM Stundenlohn) entsprach einem durchschnittlichen Monatlichen Bruttolohn von DM 2.316,22 und lag damit geringfügig unter dem Tarifgehalt eines Gesellen in der Beschäftigungsgruppe T 3 des Gehaltstarifs für das Dachdeckerhandwerk vom 13.6.1978, der für die Beschäftigungsgruppe T 3 ab dem 3. Berufsjahr einen Tariflohn von DM2.462,-- bestimmt.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Zur Zeit der Einstellung des Klägers war die Beklagte nicht in die Handwerksrolle für das Dachdeckerhandwerk eingetragen; ein Betriebsleiter mit Meistertitel wurde nicht beschäftigt. Einige Zeit nach der Einstellung des Klägers erhielt die Beklagte ein Schreiben der Handwerkskammer zu K              , in welchem sie auf die fehlende Eintragung in der Handwerksrolle hingewiesen wurde; ferner war ein Antrag auf Eintragung beigefügt.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 4.8.1978 stellte die Beklagte einen Eintragungsantrag, wobei sie eine Fotokopie des Arbeitsvertrages mit dem Kläger, worin dieser als .Dachdeckermeister bezeichnet ist, vorlegte. Mit Schreiben vom 9.8.1978 bat die Handwerkskammer zu K              unter anderem um Vorlage des Meisterbriefes "des Betriebsleiters Herrn Kü              '", also des Klägers. Mit Schreiben vom 28.8.1978 übersandte der Geschäftsführer der Komplementär- GmbH der Beklagten der Handwerkskammer eine Kopie des Meisterbriefes des Klagers ohne dessen Wissen oder Zustimmung. Aufgrund dessen wurde der Kläger als verantwortlicher Betriebsleiter angesehen, und der Nachweis der Eintragungsvoraussetzung gemäß § 7 der Handwerksordnung als ausreichend geführt bewertet. Demzufolge kam es am 22.9.1978 zur Handwerksrolleneintragung mit dem Kläger als verantwortlichem Betriebsleiter.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte war folgendermaßen in den Besitz des Meisterbriefes gelangt: Einige Monate nach Abschluß des Arbeitsvertrages bat der Geschäftsführer L              der Beklagten den Kläger, ihm seinen Meisterbrief zur Vorlage bei der Stadt S               zu überlassen, um von dort eine bestimmte Auftragsvergabe erhalten zu können. Zu diesem Zweck übergab der Kläger dem Geschäftsführer seinen Meisterbrief, von dem dieser eine Fotokopie fertigte, die später der Handwerkskammer eingereicht wurde.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Nachdem der Kläger zum 15.2.198o bei der Beklagten ausgeschieden war, teilte Letztere dies der Handwerkskammer zu K              mit Schreiben vom 18.2.198o (Bl. 41 d.A.) mit. In dem Schreiben heißt es: "Wir geben Ihnen hiermit bekannt, daß unser Meister, Herr Kü               , zum 13.2.198o aus unserem Unternehmen ausgeschieden ist". Mit Schreiben der Handwerkskammer zu K              vom 3.3.198o (Bl. 58 d.A.) wurde die Beklagte alsdann gebeten, nähere Angaben hinsichtlich eines ständig zu beschäftigenden Betriebsleiters zu machen. Auf eine Erinnerung der Handwerkskammer vom 25.6.80 teilte die Beklagte mit Schreiben vom 18.7.198o (Bl. 42 d.A.) an die Handwerkskammer zu K                            mit, daß bei ihr als Betriebsleiter Herr Kn                            beschäftigt sei.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Während der Dauer des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses war der Kläger der einzige Meister im Betrieb der Beklagten. Als der Kläger am 27.11.1985 seine Eintragung als Betriebsleiter für eine andere Firma bei der Handwerkskammer zu K                            erreichen wollte, erfuhr er erstmals, daß er für die Beklagte als Betriebsleiter eingetragen war. Eine von ihm daraufhin beantragte Löschung dieser Eintragung wurde von der Handwerkskammer sofort vorgenommen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger Schadensersatz. Er hat dargelegt, die Bekagte habe ihn betrogen, da sie ihn über die Verwendung des Meisterbriefes getäuscht habe, so daß er es in Unkenntnis der erfolgten Meldung als Betriebsleiter unterlassen habe, eine der Tätigkeit des Betriebsleiters entsprechende Vergütung zu verlangen. Diese entspreche mindestens der Beschäftigungsgruppe T 5 im 3. Berufsjahr laut Gehaltstarifvertrag für das Dachdeckerhandwerk. Dazu hat der Kläger die Ansicht vertreten, daß er den Schadensersatz für die Dauer seiner Eintragung als Betriebsleiter bis zum 29.7.1982 verlangen könne, weil die Beklagte seine Konzession als Betriebsleiter bis zu diesem Zeitpunkt ausgenutzt habe. Der Kläger hat die Differenz zwischen dem Meistergehalt gemäß Beschäftigungsgruppe T 5 im 3. Berufsjahr und dem Gesellenlohn gemäß Beschäftigungsgruppe T 3 im 3. Berufsjahr geltend gemacht, und zwar gemäß folgender Schadensberechnung:</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Gemäß Beschäftigungsgruppe T 3 zu zahlender</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Lohn für die Zeit von Sept. 1978 bis Juli 1982              174.455,-- DM</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">abzüglich des während dieser Zeit nach Be</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">schäftigungsgruppe T 3 zu zahlenden Lohnes              82.278,5o DM</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">abzüglich des an ihn tatsächlich gezahlten Betrages              43.oo8,8o DM</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">ergibt insgeamt eine Klageforderung von              49.167,62 DM</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Der Kläger meint die Beklagte sei in dieser Höhe zum Schadensersatz verpflichtet, da in der unbefugten Angabe seiner Person als Betriebsleiter, auch ein Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht zu sehen sei.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 3.12.1985 forderte der Prozeßbevollmächtigte des Klägers die Beklagte auf, für die Zeit ab 1.1.1979 bis einschließlich November 1985 bis zum 10.12.1985 monatlich DM 600,-- also DM 49.800,-- unter Fristsetzung bis zum 1o.12.1985 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an ihn, den Kläger,DM 49.167,62 nebst 4 <em>%</em> Zinsen hinsichtlich eines Teilbetrages von DM 28.2oo,-- ab dem 1o.12.1985 im übrigen ab Klagezustellung zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Sie hat behauptet, der Kläger sei nie als Betriebsleiter eingesetzt worden; deswegen ergäben sich auch keine Ansprüche aus den §§ 812, 823 BGB. Aus einem etwaigen Verstoß gegen das Gesetz zur Ordnung des Handwerks ließen sich keine privatrechtlichen Ansprüche zugunsten des Klägers herleiten, da die Eintragung in die Handwerksrolle nur einem öffentlich-rechtlichen Zweck gedient habe. In der Verwendung der Berufsbezeichnung bzw. Qualifikation des Klägers als Meister liege keine Persönlichkeitsverletzung. Die Verwendung des Meisterbriefes habe nur der Existenzsicherung des Betriebes gedient; darüber hinaus habe der Kläger auch keinen Vermögensschaden erlitten, denn sie, die Beklagte, hätte ohnehin kein höheres Gehalt gezahlt, selbst wenn der Kläger einen höheren Betrag gefordert hätte; im übrigen habe sie angenommen, daß der Kläger ihr die Vorlage des Meisterbriefes bei der Handwerkskammer zu K              als Gefälligkeit gestatten werde. Von einem betrügerischen Verhalten könne in keinem Fall die Rede sein.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Das Arbeitsgericht hat zur Höhe der üblichen Vergütung eines Betriebsleiters eine Auskunft der Kreishandwerkerschaft vom 14.1o.1986 (Bl. 67 ff d.A.) eingeholt. Alsdann hat es durch Urteil vom 27.3.1987 die Beklagte verurteilt, an den Kläger DM 4.345,-- nebst 4 <em>%</em> Zinsen seit dem 12.6.1986 zu zahlen, während die weitergehende Klage abgewiesen worden ist. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger stehe für die Zeit von September 1978 bis zu seinem Ausscheiden aus dem Betrieb der Beklagten im Februar 198o ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB in Höhe von DM 4.345,-- zu, weil der Geschäftsführer der Beklagten den Kläger ohne dessen Wissen gegenüber der Handwerkskammer zu K              als Betriebsleiter angegeben habe. Ein solches Verhalten stelle einen Verstoß gegen die sich aus § 242 BGB ergebende Fürsorgepflicht des Arbeitgebers dar. Mit der Eintragung des Klägers in der Handwerksrolle sei für Dritte der Eindruck entstanden, daß der Kläger als Betriebsleiter für ein Verschulden bei der Leitung desBetriebes und der Nichtbeachtung von gewerbepolizeilichen Vorschriften haftbar gemacht werden könne. Die Beklagte habe nicht davon ausgehen können, daß der Kläger ein solches Verhalten aus Gefälligkeit gestatten werde, weil gerade wegen der haftungsrechtlichen Konsequenzen für den Konzessionsträger dessen Einverständnis für die Eintragung vorliegen müsse. Es verstoße gegen die guten Sitten, wenn die Beklagte den Kläger über die erfolgte Meldung bei der Handwerkskammer in Unkenntnis gelassen habe, um ihn von der Geltendmachung einer höheren Lohnforderung abzuhalten, denn es wäre überaus wahrscheinlich gewesen, daß der Kläger bei Kenntnis seines erhöhten Haftungsrisikos einen höheren Lohn ausgehandelt hätte. Damit sei dem Kläger wegen der Beeinträchtigung einer tatsächlichen Erwerbsaussicht ein Schaden zugefügt worden. Ein Schadensersatzanspruch sei allerdings nur bis zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Betrieb im Februar 198o begründet, weil die Beklagte die Handwerkskammer umgehend vom Ausscheiden des Klägers unterrichtet habe; einer darüber hinausgehenden Abmeldung als Betriebsleiter habe es nicht bedurft, weil die Handwerkskammer die Mitteilung der Beklagten vom 18.2.198o in diesem Sinne habe verstehen können. Für die Berechnung der Anspruchshöhe sei von der Differenz der Vergütung nach der Meistergruppe T 4 und des Tarifgehaltes eines Gesellen nach der Beschäftigungsgruppe T 3 des Geha1tstarifvertrages für das Dachdeckerhandwerk auszugehen, wobei allerdings der so entstandene Schaden um 5o <em>%</em> gemäß § 287 ZPO zu mindern sei. Denn der Kläger sei von vornherein bereit gewesen, für einen untertariflichen Lohn zu arbeiten, so daß er auch bei Kenntnis von einer Eintragung in der Handwerksrolle keine Betriebsleitertätigkeit ausgeführt hätte, so daß ihn auch die haftungsrechtliche Verantwortung nicht habe treffen können. Ausgehend von einem tariflichen Bruttolohn für die Beschäftigungsgruppe T 3 von DM 2.462,-- und für T 4 von DM 2.933,-- hat das Arbeitsgericht für die Zeit von September 1978 bis Juni 1979 eine Differenz von 1o x DM 473,--, also DM 4.37o,-- errechnet; für die Zeit von Juni 1 979 bis Februar 198o hat es gemäß dem Gehalt starifvertrag vom 3o.4.1979, wiederum ausgehend von einem Lohnanspruch für die Beschäftigungsgruppe T 3 von DM 2.381,-- und für die Gruppe T 4 von DM 3.o76,-- eine Differenz von 8 x DM 495,--,also DM 3.96o,--, mithin eine Gesamtdifferenz von DM 8.69o,-- ermittelt, wovon dem Kläger 5o % zuzusprechen seien. Dabei hat das Arbeitsgericht die Differenz zwischen dem vom Kläger tatsächlich erhaltenen Lohn und dem Tariflohn für die Beschäftigungsgruppe T 3 nicht berücksichtigt, weil dieser Anspruch gemäß der tariflichen Verfallklausel in § 64 des Rahmentarifvertrages für das Dachdeckergewerbe wegen unterlassener Geltendmachung des Klägers ausgeschlossen sei.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses dem Prozeßbewollmächtigten des Klägers am 26.6.87 zugestellte Urteil ist mit einer am 27.7.1987 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schrift Berufung eingelegt und diese mit einem am 7.8.1987 beim Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet worden. Mit einem am 3o.7.1987 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat die Beklagte Anschlussberufung eingelegt, die mit dem am 28.8.1987 beim Gericht eingegangenen Schriftsatz wiederholt und begründet worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Der Kläger wendet sich gegen das Urteil des Arbeitsgerichts mit der Begründung, zu Unrecht sei lediglich auf die Bestimmung des § 826 BGB abgestellt worden und der Schaden danach berechnet worden, welche Vereinbarung er mit der Beklagten getroffen hätte, falls diese ihm gegenüber offengelegt hätte, daß er als Betriebsleiter fungiere. Vielmehr stelle die unbefugte Verwendung des Meistertitels, die auf seiten der Beklagten zu geschäftlichen Zwecken erfolgt sei, ebenso wie die Benutzung eines fremden Namens zu Werbezwecken einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht dar und verpflichte daher die Beklagte in erster Linie nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Zahlung eines Bereicherungsausgleichs. Auszugleichen seien die Aufwendungen, die die Beklagte erspart habe, weil sie ihn, den Kläger, nicht als verantwortlichen Betriebsleiter nach dem entsprechenden Rahmentarifvertrag zu entlohnen gebraucht habe. Dabei sei von der Tarifgruppe T 5 auszugehen, weil es sich bei einer Beschäftigtenzahl von 9 bis 1o Arbeitnehmern nicht mehr um einen Kleinbetrieb im Sinne der Tarifgruppe T 4 handele. Auszugleichen seien die Vorteile der Beklagten bis zum 29.7.1982, dem Zeitpunkt der Streichung in seiner Funktion als Betriebsleiter in der Handwerksrolle. Die Beklagte habe zwar mit Schreiben vom 18.2.198o der Handwerkskammer mitgeteilt, daß er "ausgeschieden" sei. Damit sei jedoch seine Stellung als Betriebsleiter, worauf es hier allein ankomme, nicht entfallen, weil keine ausdrückliche Abmeldung als Betriebsleiter vorgenommen worden sei.Dies sei erst mit Schreiben der Beklagten vom 29.7.1982 erfolgt, mit welchem die Beklagte bestätigt habe, daß er nicht mehr Betriebsleiter sei. Weil die Beklagte zur Fortführung ihres Betriebes auf einen - wenn auch nur formell als solchen fungierenden -"Betriebsleiter" angewiesen gewesen sei, um nicht ihre Zulassung als Handwerksbetrieb zu verlieren, habe sie auch über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus seinen Meistertitel und die damit verbundene Konzession als Betriebsleiter tatsächlich ausgenutzt, also auch in diesem Zeitraum noch sein Persönlichkeitsrecht verletzt.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Beklagte zu verurteilen, an ihn, den Kläger, DM 49.167,62 nebst 4 <em>%</em> Zinsen hinsichtlich eines Teilbetrages von DM 28.ooo,-- ab 1o.12.1985 , im übrigen ab Klagezustellung zu zahlen, und zwar abzüglich des vom Arbeitsgericht bereits zuerkannten Betrages.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen und auf die Anschlußberufung hin, den Kläger mit der Klage abzuweisen .</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Sie vertritt die Auffassung, der Tatbestand des § 826 BGB sei nicht erfüllt, weil sie nicht den Vorsatz gehabt habe, den Kläger zu schädigen. Ihr Geschäftsführer habe dem Kläger trotz seiner Eigenschaft als Dachdeckermeister nicht deshalb den Gesellenlohn zugesagt, um diesen von der Geltendmachung einer höheren Lohnforderung abzuhalten, sondern deshalb, weil er nicht beabsichtigt habe, einen Dachdeckermeister in dieser Funktion einzustellen. Die Einstellung des Klägers als Dachdeckermeister sei zum damaligen Zeitpunkt auch nicht zwingend erforderlich gewesen,weil man im Hinblick auf die Eintragung in die Handwerksrolle einen Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung hätte stellen oder den Ingenieur Kn              hätte einstellen können. Sie, die Beklagte, habe</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">entgegen den Feststellungen des Arbeitsgerichts nicht davon ausgehen müssen, daß der Kläger zumindest den Versuch unternommen hätte, einen höheren Lohn zu erhalten, wenn ihm offenbart worden wäre, daß sein Meisterbrief der Handwerkskammer zu K                            vorgelegt worden sei. Der Kläger sei nämlich seinerzeit auf eigenen Wunsch hin zum Gesellenlohn eingestellt worden. Wenn er wegen der Weitergabe des Meisterbriefes mit höheren Lohnforderungen gekommen wäre, hätte er diese nicht erhalten, vielmehr wäre ihm gekündigt worden. Weiterhin vertritt die Beklagte die Ansicht, der Kläger habe keinen Schaden erlitten, weil ein Stundenlohn von DM 14,-- vereinbart worden sei, den der Kläger auch erhalten habe; er sei auch nur als gewerblicher Arbeitnehmer, nicht als technischer Angestellter tätig gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Schließlich ist nach Meinung der Beklagten ein Bereicherungsanspruch des Klägers nicht gegeben, weil die Stellung als Betriebsleiter keine Bezeichnung sei, die einer Person von vornherein und aufgrund ihrer persönlichen Qualifikation zukomme, sondern nur aufgrund einer konkreten Beschäftigungssituation und nur so lange bestehe, wie der Betroffene einen Handwerksbetrieb tatsächlich technisch leite. Die Stellung als Betriebsleiter sei auch nicht "lizenzähnlich", weil sie nicht mit einem Nutzungsrecht, Patent oder Gebrauchsmuster verglichen werden könne.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">die Anschlußberufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Er erwidert, die "Nutzung" seines Meistertitels stelle geradezu typischerweise eine Titelverwendung zum Nachweis dafür dar, daß ein verantwortlicher Betriebsleiter nach der Handwerksordnung vorhanden sei. Dieser "Vorteil" sei nach § 812 BGB auszugleichen.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die wechselseitigen Schriftsätze, die zu den Akten gereichten Urkunden und Fotokopien sowie auf den sonstigen Akteninhalt ebenso verwiesen wie auf die beigezogene Akte der Handwerkskammer zu K              .</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">E_n_t_s_c_h_e_i_d_u_n_g_s_g_r_ü_n_d_e</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">I.                         Die Berufung ist zulässig; sie ist statthaft (§ 64 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG) und form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 i.V.m. §§ 221, 222 Abs. 2 ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Die Anschlußberufung ist nach § 64 Abs. 6 ArbGG i.V. m. §§ 521, 522 Abs. 1, 522a ZPO ebenfalls zulässig.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">II.                       Die Berufung ist in der Sache selbst teilweise gerechtfertigt.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">1.                       Der Begründung des Arbeitsgerichts, ein Zahlungsanspruch sei als Schadensersatzanspruch gemäß § 826 BGB in Höhe von DM 4.345,-- gegeben, vermochte die Berufungskammer indessen nicht zu folgen.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Diese Vorschrift setzt eine sittenwidrige vorsätzliche Schadenszufügung voraus. Zum Vorsatz gehört das Bewußtsein, daß das Handeln den schädlichen Erfolg haben wird, wobei nach allgemeiner Ansicht in Rechtsprechung und Literatur eine nur allgemeine Vorstellung über etwa mögliche Schädigungen nicht genügt (vgl. Palandt-Thomas, BGB-Kommentar, 44. Aufl., Anm. 3 zu § 826; BAG in AP Nr. 14 zu § 826; BGH NJW 1963, S. 15o und BGH LM § 823 (Be) Nr. 15). Ein Vorsatz der Beklagten, den Kläger von der Geltendmachung einer höheren Lohnforderung abhalten zu wollen, ist nicht nachgewiesen. Mit dem Arbeitsgericht ist davon auszugehen, daß der Geschäftsführer der Beklagten wegen der haftungsrechtlichen Konsequenzen für den Kläger nicht annehmen durfte, der Kläger gebe sein Einverständnis zur Eintragung in die Handwerksrolle aus Gefälligkeit. Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts läßt sich daraus aber nicht der Schluß ziehen, der Geschäftsführer der Beklagten habe den Kläger von der Geltendmachung einer höheren Lohnforderung abhalten wollen, weil er diesem nicht den Umstand des Herbeiführens der Eintragung des Klägers als Betriebsleiter in der Handwerksrolle mitgeteilt habe. Die Beklagte mußte nicht davon ausgehen, daß der Kläger zumindest den Versuch unternommen hätte, einen höheren Lohn zu erhalten, wenn ihm offenbart worden wäre, daß sein Meisterbrief der Handwerkskammer zu K              zur Eintragung als Betriebsleiter vorgelegt worden war. Der Kläger war seinerzeit damit einverstanden, zum Gesellenlohn eingestellt zu werden; er hat auch tatsächlich nicht als Betriebsleiter gearbeitet. Es ist nicht auszuschließen, daß er auch nach Kenntnis seiner Eintragung zum gleichen Lohn weitergearbeitet hätte. Selbst wenn er die Vorstellung gehabt hätte, für das Zur-Verfügung-Stellen seiner Konzession eine Vergütung beanspruchen zu können, mußte die Beklagte aufgrund des vorangegangenen Verhaltens des Klägers nicht zwingend davon ausgehen, dieser würde einen derartigen Anspruch auch geltend machen, zumal der Kläger sich damit auch den haftungsrechtlichen Konsequenzen einer Stellung als Betriebsleiter ausgesetzt hätte.Ob der Kläger dazu bereit gewesen wäre, stand nicht im positiven Wissen der Beklagten. Daß er möglicherweise einer Ausweitung seines Verantwortungsbereichs zugestimmt hätte, reicht für das Bewußtsein, einen schädlichen Erfolg durch das Vereiteln von Vergütungsansprüchen herbeizuführen, nicht aus, weil es sich dabei nur um eine allgemeine Vorstellung über etwa mögliche Schädigungen handelt.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">2. Dem Kläger steht aber ein Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. BGB wegen der unbefugten Benutzung seines Meisterbriefes durch die Beklagte zu.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">a. Die Beklagte muß sich die in der unbefugten Weitergabe des Meisterbriefes durch den Geschäftsführer liegende Verletzung des nach § 823 Abs. 1 BGB geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers in entsprechender Anwendung des § 31 BGB zurechnen lassen. Der Meisterbrief beinhaltet eine Auszeichnung seines Inhabers; er "verbrieft" nach § 31 HandwO das Recht zur Führung des Meitertitels und zur Anleitung von Handwerkslehrlingen. Titel und Würden sind als Auszeichnungsmittel ebenso immaterielle Güter, wie das durch § 12 BGB geschützte Namensrecht (vgl. Palandt-Thomas, aaO, Anm. 6c und 15 Ca zu § 823; Lobe, D e r unlautere Wettbewerb, S. 314). Als ein verkörperter Teil der Ehre werden sie als sonstiges Recht i.S. d. § 823 BGB angesehen (Callmann, Der unlautere Wettbewerb, § 3 Anm. 3, 4o; RGZ 109, 5o, 52; Hubmann, Das Persönlichkeitsrecht, S. 29o). Mit der öffentlich-rechtlichen Verleihung des Meistertitels nach § 51 HandwO hat der Kläger auch die Befugnis erlangt, diese Auszeichnung zu gebrauchen und damit ein privates Gut erlangt, das gleichfalls als absolutes Recht geschützt ist. Daran ändert der im öffentlichen Recht ruhende Verleihungsgrund ebensowenig wie beim Personennamen, dessen Erwerbung sich ebenfalls nach öffentlichrechtlichen Rechtsvorschriften richtet. Auszeichnungen beinhalten zwar kein Verfügungsrecht, weil sie vom Beliehenen nicht .veräußert werden können, aber es besteht ein Ausschlußrecht gegen jeden Dritten, der den berechtigten Gebrauch an ihnen stört (so auch Palandt- Thomas, aaO, Anm. 6 b in Einf. vor § 812; Lobe, aaO, 5. 311, 312). In dieses Recht hat die Beklagte eingegriffen, denn sie war nicht ohne Zustimmung des Klägers befugt, dessen Meisterbrief der Handwerkskammer zu K              zum Zweck der Eintragung in die Handwerksrolle nach § 7 der Handwerksordnung vorzulegen. Die Ansicht der Beklagten, ein Bereicherungsanspruch des Kläger sei nicht gegeben, weil nach § 7 Abs. 4 der Handwerksordnung bei juristischen Personen der Betriebsleiter eingetragen werde und die Stellung als Betriebsleiter keine Bezeichnung sei, die einer Person von vorneherein und aufgrund ihrer persönlichen Qualifikation, sondern allein aufgrund einer konkreten Beschäftigungssituation zukomme und daher nicht mit einem Nutzungsrecht verglichen werden könne, steht dem nicht entgegen. Entscheidend ist, daß die Beklagte den <span style="text-decoration:underline">Meisterbrief</span> des Klägers zum Nachweis der Eintragungsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 4 der Handwerksordnung verwendet hat, indem sie den Kläger gegenüber der Handwerkskammer nicht nur als Betriebsleiter, sondern als Betriebsleiter mit Meisterprüfung i. S. d. § 7 Abs. 4 i. V. mit Abs. 1 der Handwerksordnung bezeichnet hat. Das geht aus dem von der Beklagten Unterzeichneten Antrag vom 4.8.1978 an die Handwerkskammer (vgl. Bl. 1oo der beigezogenen Akte der Handwerkskammer zu K              eindeutig hervor, wenn dort der Name des Klägers mit Angabe der Meisterprüfung unter der Rubrik des "Inhabers oder des Betriebsleiters oder des technischen Leiters" aufgeführt wird. Außerdem wurde auf die Rückfrage der Handwerkskammer (Bl. 97 jener Akte) wegen Vorlage "des Meisterzeugnisses Ihres Betriebsleiters, Herrn Kü                             " mit dem Schreiben der Beklagten vom 28.8.1978 die Fotokopie des Meisterbriefes eingereicht, also in eindeutiger Ausnutzung des durch den Brief dokumentierten Auszeichnung <span style="text-decoration:underline">sowie</span> der vorgegebenen Funktion als Betriebsleiter.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Für diesen Eingriff in die persönlichkeitsrecht1ichen Befugnisse des Klägers hat ihm die Beklagte nach § 812 Abs. 1 Satz 1,2. Alt. BGB einen Bereicherungsausgleich zu gewähren, für den; es auf ein Verschulden der Beklagten oder einen Schaden des Klägers nicht ankommt (ebenso Palandt-Thomas, aaO, Anm. 6 b in Einf. vor § 812; Hubmann, aaO, S. 361).</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">b. Die Ausschlußfrist nach § 64 Abs. 1 des Rahmentarifvertrages für gewerbliche Arbeitnehmer im Dachdeckerhandwerk findet auf den Bereicherungsanspruch nach Abs. 3 der Vorschrift keine Anwendung, weil die Beklagte eine unerlaubte Handlung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB begangen hat. Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, hätte der Kläger von der Eintragung als Betriebsleiter in Kenntnis gesetzt werden müssen, weil mit der Eintragung für Dritte der Eindruck entstehen konnte, den Kläger in seiner Betriebsleitereigenschaft für Verschulden bei der Leitung des Betriebes und der Nichtbeachtung von gewerbe-polizeilichen Vorschriften haftbar machen zu können. Die Beklagte durfte nicht davon ausgehen, der Kläger werde ein solches Verhalten aus Gefälligkeit gestatten, weil über das allgemeine Persönlichkeitsrecht hinaus gerade wegen der haftungsrechtlichen zielen konnte (BGH NJW 1981, 2403). In Ermangelung einer Lizenzgebühr ist auf den Gewinn abzustellen, den der kläger durch Verwendung seines Meisterbriefes hätte erzielen können. Auf seine Kosten erlangt ist die Ersparnis der Beklagten, den Kläger entsprechend ihren Angaben bei der Handwerkskammer als Meister vergüten zu müssen. Für den Kläger kam eine Verwirklichung seiner Beifugnisse als Meister im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses in Betracht, und dabei hätte er in Ermangelung ausdrücklicher Vereinbarung die tarifgemäße Vergütung für eine seiner Qualifikation entsprechende Berufsausübung erzielen können. Insofern kommen die Überlegungen des Arbeitsgerichts - wenn auch unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt - entgegen der Meinung der Beklagten zum Tragen. Es ist davon auszugehen, welche tarifmäßige Vergütung dem Kläger bei einer Betriebsleitertätigkeit als technischer Angestellter bei der Beklagten zugestanden hätte. Hier hätte für ihn nur die Möglichkeit bestanden, die Leitung eines Kleinbetriebes mit 9-1o Beschäftigten entsprechend der Tarifgruppe T4 nach § 1o des anwendbaren Gehaltstarifvertrages für das Dachdeckerhandwerk zu übernehmen und die entsprechende Vergütung zu beanspruchen. Für eine Tätigkeit entsprechend Tarifgruppe T5 ist dagegen eine technische und kaufmännische Leitung des Betriebes erforderlich, die auch die Einstellung und Entlassung von Mitarbeitern und Auszubildenden, die Führung des Gesamtbetriebes nach Weisung und die Befähigung zur Übertragung der Dispositionsbefugnis und Verantwortung für unterstellte Mitarbeiter voraussetzt. Derartige Befugnisse lassen sich in einem Betrieb mit nur 9-1o Beschäftigten jedenfalls dann nicht in genügendem Maße ausüben, wenn - wie hier - noch ein Geschäftsführer zur Erledigung dieser Aufgaben tätig ist.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Hätte der Kläger eine Vergütung nach Tarifgruppe T4 beanspruchen können und hat er nur eine Vergütung von DM 14,-- pro Stunde erhalten, os ist ihm ein "Gewinn" in Höhe der Differenz der Vergütungsansprüche entgangen.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Die Differenz zwischen dem vom Kläger erhaltenen Gehalt und der Tarifgruppe T 3, die der vom Kläger tatsächlich ausgeführten Tätigkeit entspricht, ist allerdings für den Bereicherungsausgleich nicht zu berücksichtigen, weil dieser Anspruch, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, gemäß § 64 Abs. 1 des Rahmentarifvertrages wegen unterlassener Geltendmachung ausgeschlossen ist. Insoweit handelt es sich nämlich nicht um eine unerlaubte Handlung der Beklagten, weil der Kläger sich zur Vereinbarung einer geringfügig unter Tarifgruppe T3 liegenden Vergütung ausdrücklich bereiterklärt hatte. Auszugleichen ist aber die Differenz zwischen Tarifgruppe T3 und T4. Diese hat das Arbeitsgericht zutreffend errechnet, ohne daß dagegen Einwendungen erhoben worden sind.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">e. Nicht zu berücksichtigen sind beim Bereicherungsausgleich die vom Arbeitsgericht im Rahmen des § 826 BGB aufgeführten schadensmindernden Gesichtspunkte, denn für den Bereicherungsausgleich ist es nicht von Belang, ob es zu einer Betriebsleitertätigkeit des Klägers bei der Beklagten gekommen wäre, wenn die Beklagte zuvor darum nachgesucht hätte, den Meisterbrief zum Nachweis eines Betriebsleiters bei der Handwerkskammer vorzulegen. Der Bereicherungsausgleich soll nicht eine Vermögensminderung auf seiten des Verletzten, sondern den rechtsgrundlosen Vermögenszuwachs auf seiten des Bereicherten ausgleichen (so BGH NJW 1981, 2403; BGH NJW 1979, 2205). Entscheidend ist insoweit, daß die Beklagte den Gewinn, den der Kläger durch Ausübung einer Betriebsleitertätigkeit hätte erzielen können, diesem durch Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht entzogen und für ihre geschäftlichen Zwecke verwendet hat. Ob der Kläger den Gewinn bei der Beklagten tatsächlich realisieren konnte, ist ohne Belang, weil er jedenfalls im Dachdeckergewerbe für die Ausübung seiner von der Beklagten unbefugt genutzten Qualifikation eine tarifmäßige Vergütung beanspruchen konnte. Diese der Verkehrsübung entsprechende Vergütung entspricht der Tarifgruppe T4. Lediglich zur Bestimmung der üblichen Vergütung war auf die konkrete Situation abzustellen und zu entscheiden, ob der Kläger seine Qualifikation als Selbständiger oder als Angestellter nach Tarifgruppe T4 oder nach Tarifgruppe T5 hätte verwerten können. Für den über Tarifgruppe T4 hinausgehenden Zahlungsantrag war demnach die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">f. Die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der Differenz zwischen Tarifgruppe T 3 und T 4 ist zeitlich begrenzt auf die Dauer des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Klägers. Nur bis zum Ausscheiden des Klägers aus dem Betrieb der Beklagten im Februar 1980 hat die Beklagte die Eintragung des Klägers zu verantworten, weil sie die Handwerkskammer umgehend von dem Ausscheiden des Klägers aus dem Betrieb unterrichtet hatte, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat. Einer darüber hinausgehenden Abmeldung des Klägers als Betriebsleiter bedurfte es nicht, weil die Handwerkskammer die Mitteilung der Beklagten vom 18.2.198o (Bl. 41 d.A.) der Kläger sei zum 15.2.198o aus dem Unternehmen ausgeschieden, als Abmeldung des Klägers als Betriebsleiter verstanden hat, sonst hätte sie nicht mit Schreiben vom 1.9.198o die Einleitung eines Amtslöschungsverfahrens nach § 13 HandwO mit der Begründung angekündigt, der Betriebsleiter sei ausgeschieden. Der Kläger hat auch sein ursprüngliches Bestreiten, daß die Beklagte mit Schreiben vom 18.2.198o der Handwerkskammer das Ausscheiden des Klägers mitgeteilt hat, nicht aufrechterhalten (Schriftsatz vom 24.9.1987, S. 1, Bl. 90 d.A.). Die Beklagte hat den Meistertitel und die damit verbundene Konzession als Betriebsleiter nur solange auf Kosten des Klägers erlangt, wie sie der gesetzlichen Güterzuordnung zuwider gehandelt hat. Mit der Bekanntgabe des Ausscheidens des Klägers an die Handwerkskammer zu K              hat die Beklagte nach außen erkennbar nicht mehr dessen Betriebsleiterstellung für sich beansprucht. Es ist davon auszugehen, daß der Handwerkskammer diese Mitteilung jedenfalls bis Ende Februar 198o zur Kenntnis gelangt ist. Damit war hinsichtlich des darüber hinausgehenden Zahlungsantrages die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks"><sup> </sup></p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">3. Der vom Kläger geltend gemachte weitergehende Anspruch auf Schadensersatz wegen Persönlichkeitsrechtsverletztung – gerichtet auf Ersatz des durch den Eingriff entstandenen immateriellen Schadens – ist nicht gegeben. Die Rechtsprechung gewährt einen Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens in Geld unter zwei einschränkenden Voraussetzungen (vgl. etwa BGH NJW 1971, 698): Es muss sich um eine schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts handeln und Genugtuung durch Unterlassung, Gegendarstellung oder Widerruf darf nach Art der Verletzung auf andere Weise nicht zu erreichen sein. Der Kläger hat nicht dargelegt, daß der Eingriff in sein Recht zur Nutzung des Meistertitels eine derartige schwere und unerträgliche Verletzung beinhalte, für die gerechterweise eine Genugtuung in Geld für die erlittene Unbill zuzusprechen sei.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">4. Ob sich ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 i.V.m. §§ 117, 118 der Handwerksordnung als Schutzgesetz auf ERsatz des entgangenen Gewinns nach § 232 BGB ergeben könnte, braucht nicht vertieft zu werden. Es ist schon zweifelhaft, ob diese Bestimmungen der Handwerksordnung als Schutzgesetz zugunsten des Klägers wirken (vgl. dazu BayOLG vom 15.1.71 - NJW 1971,S. 634, 635). Jedenfalls könnte dieser Anspruch sich nur darauf erstrecken, was der Kläger von der Beklagten hätte beanspruchen können, wenn ihm die Verwendung seines Meisterbriefs offenbart worden wäre. Dies wäre die Tarifgruppe T4 gewesen. Der Anspruch wäre nur bis zum Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis gegeben. Er könnte nicht weitergehend sein als der zugesprochene Bereicherungsanspruch. Auch ein Anspruch aus § 823 II BGB i.V.m. § 263 StGB kommt nicht in Betracht, weil der Beklagten ein betrügerisches Verhalten aus den gleichen Gründen wie im Rahmen des § 826 BGB nicht nachgewiesen werden kann.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">5. Der Zinsanspruch für die demnach in Höhe von DM 8.69o,-- begründete Forderung (vgl. zur Höhe oben unter 3c am Ende) ist gemäß §§ 284, 285, 288 BGB erst ab dem 12.6.1986 in Höhe von 4 <em>%</em> begründet, denn das Schreiben des Prozeßbevollmächtigten des Klägers vom 3.12.1985 begründet keinen Verzug im Sinne des § 284 Abs. 1 BGB, wie das Arbeitsgericht zutreffend entschieden hat. Dagegen hat die Berufung auch nichts eingewandt.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">III.                               Die weitergehende Berufung ist ebensowenig sachlich begründet wie die Anschlußberufung; für letztere ergibt sich das aus den Ausführungen zur Berufung.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">IV.                            Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, soweit die Berufungen zurückgewiesen worden sind, im übrigen auf § 92 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">V.                              Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache war nach § 72 Abs. 1 ArbGG die Revision zuzulassen.</p>
|
315,436 | lg-dusseldorf-1987-10-06-4-o-12986 | {
"id": 808,
"name": "Landgericht Düsseldorf",
"slug": "lg-dusseldorf",
"city": 413,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 4 O 129/86 | 1987-10-06T00:00:00 | 2019-03-13T14:55:40 | 2019-03-27T09:43:07 | Urteil | ECLI:DE:LGD:1987:1006.4O129.86.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>I.</p>
<p>Die Beklagten werden verurteilt,</p>
<p>1 .</p>
<p>es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhand­lung festzusetzenden Ordnungs­geldes bis zu 500 .000 ,--DM, er­satzweise Ordnungshaft oder Ord­nungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu 2 Jah­ren,</p>
<p>bis zum Ablauf der Schutzrechts­dauer am 13. Oktober 1987 zu unterlassen,</p>
<p>Schieberplatten oder Bodenplatten (Verschlußplatten) für den Einbau in einen oder zur Verwendung in einem Ausflußschieberverschluß für Gefäße zum Vergießen von Metallen, insbesondere Stahl, der eine in den Gefäßausguß einge­baute Einlaufhülse und eine darunter vorgesehene Bodenplatte, ferner einer mit dieser dichtend zusammenwirkende Schieberplatte und eine dieser zugeordnete Aus­laufhülse aufweist,</p>
<p>wobei die Schieberplatte und dieBodenplatte als auswechselbarefeuerfeste Verschleißteile vonjeweils gleicher Gestalt und</p>
<p>4</p>
<p>gleichen Abmessungen ausgebildet sind,</p>
<p>gewerbsmäßig dadurch herzustel­len, daß sie</p>
<p>a)</p>
<p>im Bereich der Durchflußöffnungen von Schieber- und/oder Boden­platte die verschlissene Platten­substanz entfernen, in die Öff­nung jeweils ein keramisches Bauteil mit einer Durchflußöff­nung einsetzen und darin fest­legen, bestehend aus einem Ring in der Stärke der Platte mit einer umlaufenden Randnut und einem ringförmigen Aufsatz, der in die Nut eingreift und mit dem Ring verbunden ist</p>
<p>und/oder</p>
<p>b)</p>
<p>im Bereich der Durchflußöffnungen von Schieber- und/oder Boden­platte die verschlissene Platten­substanz entfernen und in die Öffnung jeweils einen keramischen Ring in der Stärke der Platte mit einer Durchflußöffnung einsetzen und darin festlegen,</p>
<p>5</p>
<p>wobei die erweiterten Einsatz­öffnungen an einer Oberfläche der Platte einen weiteren und an der gegenüberliegenden Oberfläche der Platte einen engeren Durchmesser aufweisen und beide Bereiche beim Aufeinandertreffer/am Öffnungsrand eine umlaufende Schulter bilden,</p>
<p>der keramische Ring an seinem Außenrand ebenfalls an einer Seite einen weiteren und an der gegenüberliegenden Seite einen engeren Durchmesser aufweist und mit einer beide Bereiche verbin­denden umlaufenden Schulter ver­sehen ist,</p>
<p>die Außenkanten des Ringes und der Einsatzöffnung komplementär zueinander profiliert sind</p>
<p>und sich der Ring mit seiner Schulter auf der Schulter der Einsatzöffnung abstützt,</p>
<p>und/oder</p>
<p>die vorstehend beschriebenen Platten in den Verkehr zu brin­gen, feilzuhalten oder zu ge­brauchen ;</p>
<p>2.</p>
<p>der Klägerin darüber Rechnung zu</p>
<p>6</p>
<p>legen, in welchem Umfang sie die Handlungen der unter Ziffer 1.1. bezeichneten Art seit dem 29. Mai 1971 begangen haben, unter Angabe der Liefermengen, -Zeiten, -preise von Verschlußplatten sowie Namen und Anschriften der Abnehmer, der Angebote und Ange­botsempfänger, von Art und Umfang der Werbung, sowie der Gestehungskosten, unter Benennung der einzelnen Kostenfaktoren, wobei die Angaben über die Wer­bung nach Bundesländern und Ka­lendervierteljahren sowie nach Werbeträgern und Auflage der Werbeträger aufzuschlüsseln sind;</p>
<p>dabei bleibt den Beklagten nach ihrer Wahl vorbehalten, die Namen und Anschriften der Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klä­gerin einem von dieser zu benen­nenden, ihr gegenüber zur Ver­schwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten die Kosten seiner Einschaltung tragen und ihn ermächtigen, der Klägerin auf konkreten Befragen darüber Auskunft zu erteilen, ob in der Rechnungslegung ein bes­timmter Abnehmer oder Angebots-</p>
<p>7</p>
<p>empfänger, eine bestimmte Liefe­rung oder ein bestimmtes Angebot enthalten ist.</p>
<p>II.</p>
<p>Es wird festgestellt, daß die Beklagten verpflichtet sind,</p>
<p>1.</p>
<p>der Klägerin wegen derjenigen Hanldungen der unter Ziffer 1.1. bezeichneten Art, die sie in der Zeit vom 29. Mai 1971 bis zum 25-Dezember 1971 begangen haben, eine angemessene Entschädigung zu leisten,</p>
<p>2.</p>
<p>der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch dieje­nigen Handlungen der unter Ziffer 1.1. bezeichneten Art, die die Beklagten seit dem 25. Dezember 1971 begangen haben, entstanden ist und noch entstehen wird.</p>
<p>III.</p>
<p>Die weitergehenden Rechnungsle-gungs-, Entschädigungs-und Scha­denersatzforderungen betreffend die/unter Ziff. I 1 a) und b) genannten Handlungen werden ab­gewiesen.</p>
<p>8</p>
<p>IV.</p>
<p>Das Urteil ist gegen Sicherheits­leistung in Höhe von 200.000,--DM vorläufig vollstreckbar, die auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer zum Geschäfts­betrieb in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich West-Berlin zugelassenen Großbank oder öffentlichen Sparkasse erbracht werden kann.</p>
<p>V.</p>
<p>Die weiteren Entscheidungen bleiben dem Schlußurteil vorbe­halten .</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">.</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"><u>Tatbestand :</u></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist Inhaber des auf ihren früheren Namen X eingetragenen deutschen Patents X (Klagepatent, Anlage W 1) betreffend einen Ausflußschieberverschluß für Gefäße zum Vergießen von Metallen; sie nimmt die Beklagten daraus auf Unterlassung, Rechnungslegung, Entschädigung und Schadenersatz in Anspruch.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Das Klagepatent beruht auf einer Anmeldung vom 13-Oktober 1969, die am. 29. April 1971 offengelegt</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">9</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">wurde. Die Auslegung hat am 25. November 1971 statt­gefunden, die Ausgabe der Patentschrift am 31. Januar 1974. In der Offenlegungsschrift (Anlage B 3) lauteten die hier interessierenden Schutzansprüche 1 und  2  des  Klagepatents:</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">1.       Ausflußschieberverschluß für Gefäße zum Vergießen von Metallen mit im Bereich des Gefäßausflusses und im metallischen Schieber angeordneten auswechselbaren Verschleißtei­len aus feuerfestem Material, dadurch gekennzeichnet , daß Ausfluß und Schieber von Gestaltung und Abmessung gleich gebildete Verschleißteile (4 und 11 bzw.   10  und   14)   aufweisen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">2.       Schieberverschluß nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Einlaufhülse (4) des Gefäßausflusses und die Auslaufhülse (11) des Schiebers sowie die Bodenplatte (14) und die mit ihr dichtend zusammenwirkende Schie­berplatte (10) gleiche Gestalt und Abmes­sungen  haben.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">In   der   Klagepatentschrift   hat   der  Schutzanspruch   1 folgende  Fassung erhalten:</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Ausflußschieberverschluß für Gefäße zum Vergießen von Metallen, insbesondere Stahl, der eine in den Gefäßausfluß eingebaute Einlaufhülse und eine darunter vorgesehene Bodenplatte,   ferner  eine  mit   dieser  dichtend</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">10</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">zusammenwirkende Schieberplatte und eine dieser zugeordnete Auslaufhülse aufweist, dadurch gekennzeichnet, daß die Einlaufhülse (4) und die Auslauf­hülse (11) bzw. die Schieberplatte (10) und die Bodenplatte (14) als auswechselbare feuerfeste Verschleißteile von jeweils gleicher Gestalt und gleichen Abmessungen ausgebildet sind.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte zu 1), deren persönlich haftende Ge­sellschafterin die Beklagte zu 2) ist, die ihrer­seits unter der Geschäftsführung der Beklagten zu 3) und 4) steht, übernimmt von Gießereibetrieben un­brauchbar gewordene, ursprünglich von der Klägerin stammende Boden- und Schieberplatten für Metallguß­gefäße und macht daraus wiederverwendbare Verschluß-platten. Sie bohrt das beschädigte Plattenmaterial im Bereich der Durchflußöffnung für die Metall­schmelze aus. In diese erweiterte Bohrung setzt sie einen ringförmigen Einsatz aus feuerfestem Material und legt ihn anschließend fest.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">In einer ersten Ausführungsform bestand dieser Ein­satz aus zwei Teilen, nämlich einem mit einer um­laufenden Randnut versehenen Ring in der Stärke der Platte und einem Aufsatz, der in die Nut eingreift und mit dem Ring verbunden ist (Anlage B 4, Bilder 8 bis 11); der Aufsatz überragte die Platte (Anlage B 4 Bilder 7 bis 10).</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">In einer zweiten Ausführungsform ist der Einsatz aus</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">11</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">einem einteiligen Ring gebildet und mit einer Schul­ter ausgerüstet, in die eine spiegelbildliche Schulter am Rand der Plattenaufbohrung eingreift; das Vorhandensein dieser Schultern hat die Klägerin im Verhandlungstermin nicht mehr in Frage gestellt. Der Ring überragt die Platte an einer ihrer beiden Oberflächen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Eine dritte Ausführungsform besteht aus einem Ein­satzring, der an beiden Seiten die Plattenoberfläche nicht überragt und ebenfalls mit einer Schulter ausgerüstet ist, in die eine spiegelbildliche Schul­ter des Bohrungsrandes eingreift (Anlage B 6).</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin sieht darin einen Eingriff in ihre Rechte aus dem Klagepatent und macht geltend: Die angegriffenen Platten seien dazu bestimmt und geeignet, in nach dem Klagepatent geschützte Aus­flußschieberverschlüsse eingesetzt zu werden. Sie seien sowohl als Schieber- als auch als Bodenplatte verwendbar und von untereinander gleicher Gestalt und gleichen Abmessungen. Es handelte sich daher um erfindungsfunktionell individualisierte Teile. Die Bearbeitung der Verschlußplatte- komme einer völligen Neuherstellung gleich. Die Platten seien verschlissen und unbrauchbar geworden; ohne die Aufarbeitung durch die Beklagten müßten sie wegge­worfen werden. Durch die Bearbeitung entstehe unter Verwendung von Resten der alten Platte eine neue. Die Platten seien nach der Aufarbeitung von ein­heitlicher Gestalt, während sie vorher infolge der an jeder Platte unterschiedlichen verschleißbeding­ten Erweiterungen der Durchflußöffnung von unter­schiedlicher     Gestalt     gewesen     seien.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">12</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen:</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">1              .</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwi­derhandlung vom Gericht festzusetzenden Ord­nungsgeldes bis zu DM 500.000,--, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Mona­ten,   im    Wiederholungsfalle  Ordnungshaft   bis   zu</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">2              Jahren,</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">zu unterlassen,</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Schieberplatten oder Bodenplatten (Verschluß­platten) für den Einbau in einen oder zur Ver­wendung in einem Ausflußschieberverschluß für Gefäße zum Vergießen von Metallen, insbesondere Stahl, der eine in den Gefäßausguß eingebaute Einlaufhülse und eine darunter vorgesehene Bodenplatte, ferner eine mit dieser dichtend zusammenwirkende Schieberplatt-e und eine dieser zugeordneten Auslaufhülse aufweist,</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">wobei die Schieberplatte und die Bodenplatte als auswechselbare feuerfeste Verschleißteile von jeweils gleicher Gestalt und gleicher Ab­messungen ausgebildet sind,</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks"><strong>13</strong></p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">gewerbsmäßig   herzustellen,   in  Verkehr   zu   brin­gen,   feilzuhalten   oder   zu   gebrauchen,</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagten Handlungen der unter Ziffer 1.1. bezeichneten Art seit dem 15. Mai 1971 begangen haben, unter Angabe der Lie­fermengen, -Zeiten, -preise von Verschluß­platten sowie Namen und Anschriften der Ab­nehmer, der Angebote und Angebotsempfänger, von Art und Umfang der Werbung, sowie der Ge­stehungskosten, unter Benennung der einzelnen Kostenfaktoren, wobei die Angaben über die Werbung nach Bundesländern und Kalenderviertel­jahren sowie nach Werbeträgern und Auflage der Werbeträger aufzuschlüsseln sind, wobei es den Beklagten nach ihrer Wahl vorbe­halten bleibt, die Namen und Anschriften der Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klä­gerin einem von dieser zu benennenden, zur Verschwiegenheit gegenüber der Klägerin ver­pflichteten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen K-osten tragen und ihn ermächtigen, der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, ob in der Rechnungslegung ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger oder eine bestimmte Lieferung oder ein bestimmtes Angebot enthalten ist,</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">festzustellen,    daß   die   Beklagten   verpflichtet</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">sind,</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">14</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">der Klägerin wegen derjenigen Handlungen der unter Ziffer 1.1. bezeichneten Art, die sie in der Zeit vom 15. Mai 1971 bis zum 14. Dezember 1971 begangen haben, eine angemesene Entschä-digung zu leisten,</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch diejenigen Handlungen der unter Ziffer 1.1. bezeichneten Art, die die Beklagten seit dem 15. Dezember 1971 begangen haben, entstan­den ist und noch entstehen wird.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Sie machen geltend:</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Der Unterlassungsantrag sei zu unbestimmt. Er richte sich nach seinem Wortlaut gegen die Herstellung und Lieferung von Neuplatten. Solche Handlungen hätten sie nicht begangen. Die nach der Klagebegründung angegriffenen Aufarbeitungsmaßnahmen seien aus der Fassung des Klageantrages nicht zu erkennen.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">In der Sache stellen sie eine Verletzung des Klage­patents in Abrede und tragen insoweit vor: Sie hätten die Verschlußplatten, die bereits mit Zustimmung der Klägerin in den Verkehr gelangt</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">15</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">seien, lediglich repariert. Ein Reparaturmonopol des Patentinhabers habe der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung "Förderrinne" in GRUR 1959, Seite 232 gerade nicht anerkannt. Die Patentrechte der Klägerin seien verbraucht. Reparaturen als Neu­herstellung zu bewerten, komme auch deshalb nicht in Betracht, weil die überarbeiteten Stellen nur einen geringen Anteil der gesamten Schieberplatte ausmach­ten und die Qualität der aufgearbeiteten Platte hinter derjenigen von Neuware an den Stellen zurück­bleibe, an denen die ursprüngliche Substanz erhalten bleibe. Inzwischen sei es bei den Anwendern solcher Platten auch üblich, die Verschlußplatten so oft wie möglich zu repararieren anstatt sie wegzuwerfen.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten stellen weiterhin in Abrede, die kenn­zeichnenden Merkmale des Schutzanspruchs zu verwirk­lichen. Gegenüber der Offenlegungsschrift (Anlage B 3) sei der Schutzanspruch 1 des Klagepatents unzu­lässig erweitert worden. Außerdem befasse sich keine der drei angegriffenen Ausführungsformen mit Ver­schlußplatten, die in ihrer Funktion als Boden- oder Schieberplatte gegeneinander austauschbar seien; beide fraglichen Teile seien nicht in gleicher Ge­stalt und Abmessung ausgebildet.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">In der ersten angegriffenen Ausführungsform (Anlage B 4) seien die Keramikplatten zwar gleich gestaltet und bemessen, ihre Blech- oder Stahlummantelung sei aber bei Schieber- und Bodenplatte unterschiedlich gestaltet. Da die Keramikplatte dauerhaft in den Mantel eingekittet werde, könne der Anwender sie nicht mehr gegeneinander austauschen. Im übrigen sei</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">16</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">die Ausbildung des Ringeinsatzes nur ein Versuch gewesen, der sich nicht bewährt habe. Die Beklagten hätten diese Ausführungsform bereits nach kurzer Zeit aufgegeben.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Die Ausgestaltung der zweiten angegriffenen Aus­führungsform sei aus Anlage B 5 ersichtlich. Jeder Ringeinsatz besitze einen über die Platte ragenden konischen Überstand. In der Bodenplatte liege die Schulter des Ringeinsatzes so, daß der breitere Ringteil den überstehenden Konus bilde, in der Schieberplatte bilde dagegen der engere Ringteil den Konus. Auf diese Weise solle der Ringteil mit dem größeren Durchmesser stets an der nach oben gewen­deten Plattenoberfläche liegen, um sich auf seiner Schulter gegen den Druck der Metallschmelze auf der/3ehulter zur Plattenöffnung abstützen zu können. Dadurch wolle man verhindern, daß die Guß­flüssigkeit den ringförmigen Einsatz nach unten herausdrücke, was zum Verlust der Bewegungsfähigkeit des Schiebers führen könne. Aus diesem Grund sei die Platte mit dem breiteren Konus nur als ortsfeste Bodenplatte einsetzbar und die Platte mit dem schmaleren Konus ausschließlich als Schieberplatte. Deshalb kennzeichneten sie auf Wunsch des Kunden Boden- und Schieberplatte mit getrennten Markierun­gen. Die Klägerin erwidert darauf, die Ringeinsätze könnten auch unter dem Druck des Gußmetalls nicht ausweichen. Der Ringeinsatz der ortsfesten Boden­platte werde durch die absolut dicht anliegende Schieberplatte unverrückbar festgehalten, der Ring­einsatz der beweglichen Schieberplatte durch die darunter befindliche Auslaufhülse und die diese festhaltenden Bauteile.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">- 17 -</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich der dritten angegriffenen Ausführungsform (Anlage ß 6) macht die Beklagte geltend:</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Es bestünden zwar gleicne Abmessungen der Keramikplatte, man nüsse jedoch beim Einbau darauf achten, daß die Schulter der Ringe mit ihrer Kante nach unten zeige und der breitere Ringteil oben liege.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Wegen weiterer Einzelneiten des Parteivorbringens wird auf die wechselseitigen vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen und den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Entscheidung s g ründe:</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Der Rechtsstreit ist hinsichtlich der angegriffenen Verschlußplatten gemäß Anlage 8 <em>%  </em>und Anlage B 6 zur Endentscheidung reif. Deshalb ist insoweit durch Teilurteil nach § 301 <strong>der Zivilprozeßordnung (ZPO) zu ent­scheiden. Dagegen bedarf noch der </strong>Aufklärung, <strong>ob </strong>auch <strong>die</strong> angegriffene <strong>Aus­führungsform </strong>gemäß Anlage B 5 in <strong>die</strong> Rechte <strong>der </strong>Klägerin aus dem Klagepatent eingreift.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich der Ausführungsformen gemäß Anlagen B 4 und B 6 ist die Klage zulässig und in wesentlichen auch begründet.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">A.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist zulässiq. Der Klageantrag ist hinreichend bestimmt im Sinne des § <em>253  </em>ZPO. Aus dem Antrag der Klägerin ist hinreichend klar zu entnehmen, daß sie sich gegen die gewerbliche Nutzung er-<strong>f</strong>indungsfunktionell individualisierter Teile wendet, die in nach dem Klagepatent geschützten Anlagen eingesetzt werden können. <em>Da </em>die Verschlußplatten, denen die Klägerin die Eigenschaft als erfin-dungsfunktionel1 individualisierte Teile in diesem Sinne beinessen will, nach ihrer Auffassung von den Kennzeichnenden Merkmalen des Patentanspruchs 1 wortlautgemäß Gebrauch machen, genügte es den Erfordernissen einer möglichst genauen Anpassung des Klageantrags an die konkrete Verletzunqsform, insoweit: lediglich die Merkmale des Patentanspruchs im Unterlassungsantrag aufzuführen. <em>Da  </em>die</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">- 18 -</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">angegriffenen Benutzungshandlungen sich aus ihrer Sicht als Her­stellen bewerten lassen, war es auch nicht erforderlich, die Hand­lungen näher zu umschreiben, die die Klägerin als Herstellung be­trachtet.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">B.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsformen gemäß Anlage B 4 und 3 6 ist die Klage abgesehen von geringen zeitlichen Abstrichen bei den Ansprüchen auf Entschädigung, Schadensersatz und Rechnungslegung be­gründet. Nach § 47 Abs. 1 des Patentgesetzes (PatG) 1968 haben die Beklagten die angegriffenen Benutzungshandlungen zu unterlassen; nach § 47 Abs. 2 PatG 1963 sind sie der Klägerin zum Schadenseratz, gemäß § 24 Abs. 5 PatG 1968 zur Entschädigung und gemäß §§ 242, 259 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zur Rechnungslegung verpflichtet. Die angegriffenen Ver­schlußplatten machen von der geschützten Lehre des Klaqepatents mittelbar Gebrauch. I.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Die dem Klagepatent zugrundeliegende Erfindung betrifft Ausflußschieber­verschlüsse zum Vergießen von Metallen, insbesondere Stahl, mit einer in den Gefäßausfluß eingebauten Einlaufhülse und einer darunter vorgesehenen ortsfesten Bodenplatte sowie einer mit dieser dichtend zusammenwirkenden Schieberplatte und einer dieser zugeordneten Auslaufhülse.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">In der Klagepatentschrift ist einleitend ausgeführt, Bei derartigen Schieberverschlüssen sei es notwendig, die einem großen Verschleiß durch das ausfließende flüssige Metall ausgesetzten Teile häufig auszuwechseln, um ein dichtes Abschließen des Verschlusses während des Betriebes zu gewährleisten. Besonders im heutigen Stahlwerkbetrieb seien die Beanspruchungen der feuerfesten Teile dieser z. B. an Gießpfannen für Strangguß angebrachten Schieberverschlüsse außerordent­lich hoch. Dies liege vor allem an den langen Gießzeiten der großen, bis zu 300 Tonnen Stahl enthaltenden Pfannen sowie an den sehr hohen Temperaturen und den großen Fließgeschwindiqkeiten des unter hohem ferrostatischem Druck stehenden flüssigen Metalls. Infolge dieser hohen Beanspruchungen der dem Verschleiß ausgesetzten Teile des Schieberverschlusses sei es unumgänglich, kostspieliges feuerfestes Material höchster keramischer </p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">- 19 -</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Qualität zu verwenden, vor allem solches, das bis zu 90 <em>% </em>Tonerde enthalte. Selbst in diesem Fall sei der Verschleiß noch so hoch, daß es selten qelinge, die den Abschluß bewirkenden Platten für mehr als eine Pfannencharqe zu verwenden. Die qeringen Standzeiten erqäben sich nicht zuletzt auch aus der qeforderten Betriebssicherheit qeqen Stahldurchbrüche und Leckstellen. Die bekannten Schieberverschlüsse wiesen Verschleißteile verschiedener Gestalt auf, wobei für die Formqebung der einzelnen Teile vorwiegend wärmetechnische Überlegungen berücksichtigt würden. Bei den bekannten Schieberverschlüssen sei das Auswechseln der Verschleißteile mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, weil eine Vielzahl von verschie­denartigen Teilen für das Auswechseln in Betracht komme.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Zu einer aus der CH-PS X vorbekannten Lösung erläutert die Klagepatentschrift, bei den verschiedenen Ausführunqsformen seien die Bodenplatten und die Schieberplatten verschieden ausgebildet. Auch die Einlaufhülse und die Auslaufhülse seien ganz verschieden gestaltet. Zwischen Einlaufhülse und Auslaufhülse sei eine Verbindung durch Nut und Feder vorgesehen; Nut und Feder seien jedoch jeweils nicht identisch ausgebildet.</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Auch nach der DE-OS X und der FR-PS X seien die einzelnen Verschleißteile voneinander verschieden ausgebildet. An diesem Vorschlag bemänqelt die Klaqepatentschrift als nachteilig, daß die Fabrikation und Lagerhaltung solcher in ihrer Gestalt viel­fältiger Verschleißteile verhältnismäßig aufwendig und kostspielig sei. Außerdem seien die Montaqe- und Austauscnarbeiten für die Verschleißteile schwierig, wobei auch Verwechslungen von Teilen ähnlicher Gestalt beim Einbau nicht auszuschließen seien.</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Im Anschluß daran bezeichnet die Klaqepatentschrift als Aufgabe der Erfindung, einen Ausflußschieberverschluß für Gefäße von Metallen, wie z. B. Stahl zu schaffen, insbesondere für Gefäße mit großem Aufnahmevermögen, der durch zweckentsprechende Ausbildung einzelner Bauelemente wesentlich vereinfacht ist und bei dem das Auswechseln und Ersetzen der Verschleißteile erleichtert wird.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">- 20 -</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Dieser Aufgabe soll gemäß dem Schutzanspruch 1 durch eine Vorrichtung mit folqenden Merkmalen gelöst werden:</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">1.   Es handelt sich um einen Ausflußschieberverschluß für Gefäße zum Vergießen von Metallen, insbesondere Stahl;</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">2.   <em>Der  </em>Anschluß weist auf:</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">2.1.  eine in den Gefäßausfluß eingebaute Einlaufhülse und</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">2.2.  eine darunter vorgesehene Bodenplatte,</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">2.3.  ferner eine mit dieser dichtend zusammenwirkende Schieberplatte und</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">2.4. eine dieser zugeordnete Auslaufhülse.</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">-              überbegriff -</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">4. 5.</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Die Einlaufhülse (4) und die Auslaufhülse (11) bzw. die Schieberplatte (10) und die Bodenplatte (14) sind als auswechselbare feuerfeste Verschleißteile von jeweils gleicher Gestalt und gleichen Abmessungen ausge­bildet.</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">-              Kennzeichen -</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">Die erreichten Vorteile der geschützten Erfindung liegen nach den weiteren Darlegungen der Klagepatentschrift einmal darin, daß sich die Herstellung der Verschleißteile beim Fabrikanten vereinfache, da nunmehr die Produktion auf wenige Erzeugnisse beschränkt sei, die in Massenfertigung mit einem minimalen Aufwand an Maschinen und Werkzeugen billig und gut bei Verringerung der Ausschußquote hergestellt werden könnten. Zum anderen werde die Lagerhaltung für den Fabrikanten und Abnehmer vereinfacht. Weiterhin könnten Montage- und Reparaturarbeiten am Schieberverschluß mit den eine Verwechselungsgefahr nunmehr weitgehend ausschließenden Verschleiß-teilen schnell durchgeführt werden, so daß sich die kostspieligen Ausfallzeiten im laufenden Gießbetrieb verringerten.</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">- 21 -</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung der Beklagten enthält der Anspruch 1 in der erteilten Fassung keine unzulässige Erweiterung. Mit dieser Problematik hat sich die Kammer bereits in ihrem ebenfalls eine Verletzung des vorliegenden Klagepatents betreffenden Urteil vom 19. November 1985 (4 0 297/84 Anlage W 4) auseinandergesetzt. An der seinerzeit gegebenen Begründung hält sie fest. Die Beklagten haben keine Gesichtspunkte vorgebracht, die eine abweichende Betrachtung rechtfertiqen.</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">Durch die angegriffene Aufarbeitunq der gebrauchten Verschlußplatten greifen die Beklagten in Form der mittelbaren Patentverletzung in die Ausschließlichkeitsrechte der Klägerin ein. Voraussetzung für Ansprüche wegen mittelbarer Patentverletzung ist, daß der in den Verkehr gebrachte Gegenstand der qeschützten Erfindung ange­paßt, also erfindungsfunktionell individualisiert ist und der Ver­treter weiß oder wissen muß, daß die Abnehmer den Gegenstand in schutzrechtsverletzender Weise benutzen (BGH GRUR 1961, 466, 469 Gewinderollkopf; 1961, 627 Metallspritzverfahren).</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">Beides trifft auf die von den Beklagten aufgearbeiteten Platten zu.</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">Die Verschlußplatten, die die Beklagte in der angegriffenen Weise</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">bearbeitet hat, sind erfindungsfunktionell individualisiert.</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">Sie besitzen eine solche Ausgestaltung, die sie an die geschützte Gesamtvorrichtung "Ausflußschieberverschluß" erfindunqsqemäß anpaßt und aus der Zahl anderer vergleichbarer Einzelteile heraushebt. Dadurch sind sie in eine unmittelbare Beziehung zu dem Erfindungs­gedanken gesetzt.</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">Daß dies auf neu hergestellte Verschlußplatten zutrifft, die zur Verwendung in nach dem Klaqepatent geschützten Vorrichtungen geeignet und bestimmt sind, bedarf keiner weiteren Darlegungen. Daran hat sich</p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks">- <em>22</em> -</p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks">durch die Bearbeitungsmaßnahmen der Beklagten nichts geändert. Nach wie vor sind die Verschlußplatten von qleicher Gestalt und gleichen Abmessunq ausqebildet, wie die Merkmale 4 und 5 des Klage­patents voraussetzen.</p>
<span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks">aa)</p>
<span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform gemäß Anlage B 4 wenden die Beklagten ohne Erfolg ein, Bodenplatte und Schieber seien schon deshalb nicht gleich gestaltet und bemessen, weil sie bei der Aufarbeitung dauerhaft in einen Metall rahmen eingebracht würden, der seinerseits für Bodenplatte und Schieberelement unter­schiedlich ausgestaltet und bemessen sei. Nach dem Wortlaut des Klagepatentanspruchs 1, wie ihn der Fachmann versteht, genügt es, daß die jeweiligen Keramikteile der Platten als auswechselbare feuerfeste Verschleiß­teile von jeweils gleicher Gestalt und gleichen Abmessungen ausge­bildet sind. Auf die Beschaffenheit der Metallummantelunq kommt es ersichtlich nicht an. Wie die Beschreibunq der Klagepatentschrift erkennen läßt, sind unter Verschleißteilen lediglich die Platten und die zugehörigen Ein- bzw. Auslaufhülsen zu verstehen. In der Beschreibung der Erfindung anhand eines Ausführungsbeispiels (Spalte 3 Zeilen 45 bis Spalte 4 Zeile 15 der Klagepatentschrift) sind die Ummantelungen an keiner Stelle in den Begriff "Verschleißteile" einbezogen, sondern wie schon die Verwendung unterschiedlicher Bezugsziffern zeigt, stets voneinander getrennt. Der Fachmann erkennt, weiterhin, daß es gerade auf die Ausgestaltung der feuerfesten Teile ankommt, um die Vorteile der geschützten Lehre zu erreichen. Sie bestehen nach den Ausführungen in Spalte <em>2  </em>Zeilen 45 bis 58 der Klagepatentschrift in einer vereinfachten, da auf weniqe Feile beschränkten Fabrikation, einer vereinfachten Lagerhaltung für Fabrikanten und Abnehmer und einer vereinfachten Montage oder Repa­ratur an Schieberverschluß, da die Verschleißteile gleich ausgestaltet sind und man nunmehr insoweit auf mögliche Verwechslungen nicht mehr zu achten braucht. Dies alles bezieht sich auf die eingesetzten Feuerfestteile. Denn gerade sie unterlieqen dem hohen Verschleiß durch das Passieren der heißen Metallschmelze. Gerade sie sind daher auch besonders häufig zu erneuern.</p>
<span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks">- 23 -</p>
<span class="absatzRechts">103</span><p class="absatzLinks">Die patentgemäßen Vorteile, die die Scnieberplatten nach dem Klage­patent erreichen, lassen sich auch mit den von den Beklagten in den Verkehr gebrachten Verschlußplatten bewirken. Denn unabhängig davon, wie die Blechummantelungen ausgestaltet sind, sind für alle Blechummantelungen nur einheitlich gestaltete Feuerfestplatten vorhanden, gleichgültig ob sie als Boden- oder als Schieberplatte verwendet werden sollen. Dadurch kann sich die Herstellung auf eine einzige Ausführung der Einsatzplatten beschränken, was den Aufwand Maschinen und Werkzeugen entsprechend vermindert, und ebensowenig brauchen beim Einsetzen der von der Beklaqten zu 1) wieder herge­richteten Platten verschiedene Gestaltungen beim Einsatz in die Blechummantelungen auseinandergehalten zu werden.</p>
<span class="absatzRechts">104</span><p class="absatzLinks">bb)</p>
<span class="absatzRechts">105</span><p class="absatzLinks">Auch die angegriffene Ausführung gemäß Anlage B 6 verwirklicht die Merkmale 4 und 5 des Klagepatentanspruchs. Wie die Beklagten selbst nicht in Abrede stellen, sind die Platten von gleicher Abmessung und von gleicher Gestalt. Sie machen insoweit lediglich geltend, man müsse beim Einbau darauf achten, daß diejenige Plattenoberflächenseite beim Betrieb nach oben zeige, an der der ringförmige Einsatz an seiner Außenkante den größeren Durchmesser aufweist. Dies ändert aber nichts daran, daß die aufgearbeiteten Platten sowohl als Schie­ber- als auch als Bodenplatte verwendbar sind. Auch insoweit ist der mit dem Klagepatent angestrebte technische Erfolg zu erreichen. Auch hier braucht für beide Funktionen - Boden- und Schieberplatte -nur eine einziqe Plattengattung hergestellt zu werden, und demqemäß braucht man beim Einbau keine unterschiedlichen Plattenausführungs­formen auseinanderzuhalten.</p>
<span class="absatzRechts">106</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">107</span><p class="absatzLinks">Die Platten, die die Beklaqte zu 1) wieder aufgearbeitet hat, sind</p>
<span class="absatzRechts">108</span><p class="absatzLinks">zumindest nicht ohne weiteres auch außerhalb der nach dem Klagepatent</p>
<span class="absatzRechts">109</span><p class="absatzLinks">qeschützten Gesamtvorrichtung verwendbar. Dazu sind sie, was im</p>
<span class="absatzRechts">110</span><p class="absatzLinks">Hinblick auf die hier entsprechend geltenden Ausführungen der Kammer</p>
<span class="absatzRechts">111</span><p class="absatzLinks">in dem bereits qenannten Urteil 4 0 297/84 nicht weiter ausgeführt</p>
<span class="absatzRechts">112</span><p class="absatzLinks">werden muß, auch zu diesem Zweck geeignet und bestimmt. Hierzu</p>
<span class="absatzRechts">113</span><p class="absatzLinks">bieten die Beklagten sie ausdrücklich an.</p>
<span class="absatzRechts">114</span><p class="absatzLinks">- 24 -</p>
<span class="absatzRechts">115</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">116</span><p class="absatzLinks">Die Abnehmer der Beklagten begehen eine unmittelbare Patentverletzung, indem sie die von den Beklagten aufgearbeiteten und vertriebenen Platten für die von der Klägerin bezogenen Ausflußschieberverschlüsse für Gefäße zum Vergießen von Metallen verwenden, die die übrigen Merkmale des Schutzanspruchs 1 aus dem Klagepatent aufweisen. Zu Unrecht meinen die Beklagten, das Ausschließlichkeitsrecht der Klägerin sei durch die Lieferungen der Gesamtvorrichtunqen verbraucht. Wie die Kammer bereits in ihrem Urteil vom 19. NovemDer 1985 (4 0 297/84, Anlage W 4) entschieden hat, steht der Einsatz eines feuerfesten Ringes in die Durchflußöffnunq einer unbrauchbar gewordenen Verschlußplatte deren Neuerstellunq gleich. Nach einer nochmaligen Überprüfung hält die Kammer an ihrem damals eingenommenen Standpunkt fest. Sie hatte sich in der vorgenannten Entscheidung maßgeblich von der Erwägung leiten lassen, daß die Neuerstelluno und Lieferunq der erfindunqsfunktionell individualisierten Verschlußplatten eine Patentverletzung darstelle; dieser Neunerstellung seien die Überar­beitungsmaßnahmen der Beklaqten des damaligen Rechtsstreits gleich­zustellen, weil qerade in den wesentlichen Bereichen der Platte neues Material zum Einsatz qelange.das nicht vom Patentinhaber stamme. Daß diese Ausführungen nach wie vor richtiq sind und auch auf den vorliegenden Fall zutreffen, ergibt sich aus folqenden Erwägungen:</p>
<span class="absatzRechts">117</span><p class="absatzLinks">Grundsätzlich ist das Ausschlußrecht des Patentinhabers verbraucht durch den Verkauf der patentierten Vorrichtung, durch den er den Lohn für seine Erfindung erhält. Nach dem Grundsatz der Erschöpfung des Patentrechts wird jedes patentgeschützte Erzeugnis, das einmal berechtigterweise in den Verkehr qelangt ist, gemeinfrei benutzbar. Der Erwerber einer qemeinfrei qewordenen Vorricntunq kann über sie in jeder Hinsicht frei verfügen und sie demgemäß auch ungehindert gebrauchen. Ob und inwieweit er jedoch die ganz oder teilweise schad­haft oder unbrauchbar gewordene, durch Sachpatent geschützte Vor­richtung ohne besondere Erlaubnis des Patentinhabers ausbessern oder wieder herstellen darf, hängt einerseits von der Bedeutung des geschützten Erfindunqsgedankens für die betreffenden feile der Vorrichtung, andererseits von der Art der an innen vorgenommenen Ausbesserungs- und Wiederherstellungsarbeiten ab. Wäre</p>
<span class="absatzRechts">118</span><p class="absatzLinks">- 25 -</p>
<span class="absatzRechts">119</span><p class="absatzLinks">allerdings jede Ausbesserung eines erfindungsfunktionell wesentlichen Teils einer geschützten Gesamtvorrichtunq noch vom Patentrecht erfaßt, so führte dies zu einem nicht gerechtfertigten Reparaturmonopol des Patentinhabers (BGH GRUR 1959, 232, 235 Förderrinne; Benkard/ Bruchhausen, Patentgesetz, 7. Auflage, § 9 Rdnr. 39). Deshalb ge­hören zum bestimmungsgemäßen Gebrauch einer geschützten Vorrichtung alle üblichen Maßnahmen zur Inbetriebnahme, Inbetriebhaltung und zur Pflege der Vorrichtung. Hierzu rechnen auch alle Ausbesserungen, soweit sie nicht unter dem Begriff der Neuherstellung fallen (BGH GRUR 1973, 518, 520 Spielautomat II: 1959, 232, 234 Förderrinne; Urteil der Kammer in GRUR 1957, 599, 600 Rebuild-Pumpen; Lindenmaier GRUR 1952, 294, 296 f). Ob hiervon ausgehend eine erlaubte Ausbes­serung oder eine an die Zustimmung des Patentinhabers gebundene Wiederherstellung vorliegt, ist von Fall zu Fall unter Berücksichti­gung der Verkehrsauffassung zu entscheiden, wobei das angemessene Erfinderinteresse und die Bedürfnisse eines nicht unangemessenen eingeschränkten Wirtschafts- und Verkehrslebens gegeneinander abzuwägen sind (BGH GRUR 1959, 232, 235 Förderrinne).</p>
<span class="absatzRechts">120</span><p class="absatzLinks">Bei Gesamtvorrichtungen liegt eine gemeinfreie Reparatur im Rahmen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs vor, wenn der betreffende Gegen­stand seine Identität behält und lediglich seine vorübergehend ge­störte Funktionstüchtiqkeit zurückgewinnt. (Urteil der Kammer in GRUR 1957, 599, 600 Rebuild-Pumpe). Eine lediglich "gestörte" Funk­tionstüchtigkeit läßt sich indessen nur annehmen, wenn die Vorrich­tung von kleinen schadhaften Stellen abgesehen noch intakt Geblie­ben ist und die fraglichen Reparaturen während der normalen Lebens­dauer der geschützten Gesamtvorrichtung von vornherein vorgesehen sind oder als vorgesehen betrachtet werden müssen, wie das in dem der erwähnten "Förderrinne" - Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrundeliegenden Sachverhalts der Fall war. Sind dagegen innerhalb der Vorrichtung gerade die für den nach dem Patent erstrebten tech­nischen Erfolg maßgebenden Teile unbrauchbar geworden, liegt in deren Einbau eine dem Patentinhaber vorbehaltene Wiederherstellung. Gerade in ihnen manifestiert sich die Bereicherung der Technik, die es rechtfertigt, den Erfinder zu belohnen und die Interessen der Allgemeinheit an einer ungestörten ge-</p>
<span class="absatzRechts">121</span><p class="absatzLinks">- 26 -</p>
<span class="absatzRechts">122</span><p class="absatzLinks">werblichen Nutzung zurück­treten zu lassen (BGH GRUR 1951, 449, 451 Tauchpumpensatz m.w.N.). Demzufolge liegt eine Neuherstellung vor, wenn die bisherige Vor­richtung zerstört oder sonst konsumiert wird, indem erhalten gebliebene Teile aus der gebrauchten Vorrichtunq zum Bau einer bis dahin nicht vorhandenen Einrichtung verwendet werden (BGH GRUR 1959, 232, 234 Förderrinne; Urteil der Kammer in GRUR 1957, 599, 600 Rebuild-Pumpe; Benkard/Bruchhausen a.a.O., Rdnr. 36).</p>
<span class="absatzRechts">123</span><p class="absatzLinks">Diese Grundsätze lassen sich auf die Bearbeitung erfindungsfunktionell individualisierter Teile übertragen (vgl. RG GRUR 1926, 339, 341 Koksofen I; BGH GRUR 1951, 449, 451 zu II. 2. Tauchpumpensatz; 1959, 232, 234 f Förderrinne). In diesem Bereich kommt die Reparatur jedenfalls dann einer Neuherstellung gleich, wenn im erfindungswesentlichen Funktionsbereich keine intakt gebliebenen Elemente mehr vorhanden sind; in solchen Fällen kann von einer optimalen pfleglichen Behandlung und einem Ausnutzen der gewöhnlichen Lebensdauer keine Rede mehr sein, wobei es hier auf die gewöhnliche Lebensdauer des jeweils bearbeiteten Einzelteils ankommt. Die Beklagten können ihre gegen­teilige Auffassung nicht wie im Verhandlungstermin vorgetragen auf Bernhardt/Kraßer (Lehrbuch des Patentrechts, 4. Auflage, § 33 II 3 Seite 548) stützen. Dort heißt es, ein Herstellen liege nur vor, wenn sich die neuherstellende Ausbesserung auf alle Teile beziehe, in denen die die Erfindung kennzeichnenden Merkmale verwirklicht seien. Darin liegt keine andere Auffassunq als der Standpunkt der Kammer.</p>
<span class="absatzRechts">124</span><p class="absatzLinks">Geht man hiervon aus, kommen die Überarbeitungsmaßnahmen der Beklagten an den von ihnen übernommenen Platten einer Neuherstellung gleich. Vor der Aufarbeitung weisen sie nicht nur geringfügige schadhafte Stellen auf, und sie sind auch nicht mehr überwiegend intakt. Wenn sie aus den Gießereien in den Betrieb der Beklagten gelangen, sind sie verbraucht. Da sie gerade indem für die praktische Anwendung wesentlichen Bereich der Durchflußöffnung verschlissen sind, sind sie insgesamt unbrauchbar und erneuerungsbedürftiq geworden, übrig geblieben ist nur noch deren abgenutzte Substanz. Die Eigenschaft als Verschlußplatte ist infolge der starken Verschleißerscheinungen an der Durchflußöffnunq verlorengegangen. Dieses für seinen bisherigen Zweck wertlos gewordene Ausgangsmater-</p>
<span class="absatzRechts">125</span><p class="absatzLinks">- 27 -</p>
<span class="absatzRechts">126</span><p class="absatzLinks">ial verwenden die Beklagten wieder und fügen es mit dem Einsatzrina zu einer neuen Einheit zusammen, die bisher nicht vorhanden war.</p>
<span class="absatzRechts">127</span><p class="absatzLinks">Der Verschleißvorgang läßt sich auch nicht durch Wartung und optimale Pflege verhindern oder hinauszögern. In der Regel ist ihre normale Lebensdauer, von der man bei ihrer Herstellung ausgeht, abgelaufen, wenn eine Gießpfannencharge den Ausflußschieberverschluß passiert hat. Diese Lebensdauer wird durch die Aufarbeitungsmaßnahmen der Beklagten erheblich verlängert.</p>
<span class="absatzRechts">128</span><p class="absatzLinks">Die von den Beklagten eingesetzte Durchflußöffnung ist auch wesent­lich für den Erfindungsgedanken des Klagepatents, durch einheitlich gestaltete und abgemessene Feuerfestplatten die Anzahl verschieden­artiger und möglicherweise verwechselbarer Ersatzteile zu vermindern. Wäre die Durchflußöffnung in der Bodenplatte anders bemessen oder ausgebildet als in der Schieberplatte, so wären beide Teile schon deshalb nicht mehr gegenseitig auswechselbar und demzufolge auch nicht mär wahlweise in beiden Funktionen zu gebrauchen, mögen sie auch in den übrigen Abmessungen wie Plattendicke und Außenumfang übereinstimmen. Dem steht nicht entgegen, daß die Industrie in erheblichem Umfang die Verschlußplatten so häufig wie möglich aufar­beiten läßt, bevor sie ausgesondert werden. Es kommt nicht darauf an, ob die Anwender es aus wirtschaftlichen Gründen  als sinnvoll ansehen,  die Platten nicht schon nach dem ersten Ver­schleiß wegzuwerfen, denn nach den vorstehend dargelegten Grundsätzen bleibt eine der Neuherstellung gleichzusetzende Wiederaufarbeitung auch dann eine patentrechtliche Herstellung, wenn sie in verbreitetem Umfang praktiziert wird.</p>
<span class="absatzRechts">129</span><p class="absatzLinks">Auch die wirtschaftliche Bedeutung der Erfindung liegt unstreitig gerade bei den Verschleißteilen. Durch sie werden nicht nur wie dargelegt die erfindungsgemäß erstrebten Vorteile erzielt, sie beinhalten auch den wirtschaftlichen Nutzen des Klagepatents für den Schutzrechtsinhaber. Unter diesen Umständen ist es den Abnehmern zuzumuten, die Verschlußplatten nur mit Zustimmung der Patentinhaberin zu erneuern oder aufzuarbeiten.</p>
<span class="absatzRechts">130</span><p class="absatzLinks">- 28 -</p>
<span class="absatzRechts">131</span><p class="absatzLinks">III.</p>
<span class="absatzRechts">132</span><p class="absatzLinks">Im Hinblick auf die vorstehend dargelegte mittelbare Patentverlet-</p>
<span class="absatzRechts">133</span><p class="absatzLinks">zung sind die Beklagten gemäß $ 47 Abs. 1 PatG 1968 zur Unterlassung</p>
<span class="absatzRechts">134</span><p class="absatzLinks">verpflichtet.</p>
<span class="absatzRechts">135</span><p class="absatzLinks">Auch das für die Schadenersatz-und Entschädigungsansprüche nach den §§ 47 Abs. 2, 24 Abs. 5 PatG 1968 notwendige verschulden liegt vor<em>.  </em>Die Beklagten zu 3) und 4) hätten als Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin eines Fachunternehmens zumindest wissen müssen, daß die Wiederaufarbeitung der erfindungsfunktionell individualisierten Verschlußplatten mittelbar von der Lehre des Klagepatents Gebrauch macht. Dieses Verschulden der Beklagten zu 3) und 4) ist der Beklagten zu 2) gemäß § 31 BGB zuzurechnen; ent­sprechend muß die Beklagte zu 1) für das Verschulden der übrigen Beklagten einstehen. Alle Beklagten haften gemäß § 840 BGB als Gesamtschuldner. Deshalb haben sie der Klägerin für die Benutzungshand­lungen  im Zeitraum von der Offenlegung der dem Klagepatent zu­grundeliegenden Anmeldung bis zur Auslegung eine angemessene Ent­schädigung zu zahlen. Für die Zeit von der Auslegung an schulden die Beklagten der Klägerin Schadenersatz. Im Anschluß an die Ent­scheidung des Bundesgerichtshofs in GRUR 1986, 803, 806 (Formstein) geht die Kammer davon aus, daß dem Verletzer in aller Regel ein Prüfungszeitraum von 1 Monat zuzubilligen ist, um sich von der Offenlegung der Anmeldung bzw. der Auslegung Kenntnis zu verschaffen. Ein Verschulden kommt daher erst nach Ablauf dieses Zeitraums in Betracht. Die Verpflichtung der Beklagten zur Entschädigung bzw. zum Schadenersatz erfaßt deshalb erst bei Nutzungshandlungen, die mindestens 1 Monat nach der Offenlegung der Anmeldung bzw. der Auslegung begangen wurden. Die Klägerin hätte deshalb ihren Klage­antrag auf diesen Zeitraum beschränken oder im einzelnen darlegen müssen, aus welchen Gründen die Prüfungsfrist für die Beklagten abzukürzen war. Da sie das nicht getan hat, war ihr Entschädigungs-und Schadensersatzantrag teilweise abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">136</span><p class="absatzLinks">- 29 -</p>
<span class="absatzRechts">137</span><p class="absatzLinks">Soweit die Klage nicht aus diesem Grunde abzuweisen ist, ist das rechtliche Interesse der Klägerin anzuerkennen, ihre Schadener­satzansprüche und Entschädigungsforderungen nach § 256 ZPO fest­stellen zu lassen statt auf Leistung zu klagen. Das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen ist hinreichend wahrscheinlich; bezif­fern kann die Klägerin ihre Ansprüche aber erst dann, wenn die Beklagten über den Umfang der Benutzungshandlungen Rechnung gelegt haben. Die Leistungsklage in Form einer Stufenklage nach § 254 ZPO ist in solchen Fällen nicht vorrangig.</p>
<span class="absatzRechts">138</span><p class="absatzLinks">Hieraus ergibt sich zugleich, daß die begehrte Rechnungslegung als Hilfsanspruch zu den Schadenersatz- und Entschädigungsforderungen gemäß §§ 259, 242 BGB gerechtfertigt ist. Die Klägerin ist auf die Angaben der Beklagten angewiesen, um ihre Forderungen beziffern zu können, andererseits werden die Beklagten durch die ihnen abver­langten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. Damit die Rechnungs­legung nicht zu einer durch ihren Zweck nicht gebotenen Ausforschung des Kundenstammes der Beklagten zu 1) führt, ist den Beklagten auf ihren Antrag hin der übliche Wirtschaftsprüfervorbehalt nachzu­lassen.</p>
<span class="absatzRechts">139</span><p class="absatzLinks">IV.</p>
<span class="absatzRechts">140</span><p class="absatzLinks">Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus den §§ 709, 108 ZPO; die weiteren Nebenentscheidungen waren dem Schlußurteil vorzubehalten.</p>
<span class="absatzRechts">141</span><p class="absatzLinks">Gegenstandswert für dieses Teilurteil: 200.000,-- DM</p>
<span class="absatzRechts">142</span><p class="absatzLinks">Rütz</p>
<span class="absatzRechts">143</span><p class="absatzLinks">Or. Meier-Beck</p>
<span class="absatzRechts">144</span><p class="absatzLinks">Dr. Becker</p>
|
315,437 | olgk-1987-10-01-14-uf-24687 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 14 UF 246/87 | 1987-10-01T00:00:00 | 2019-03-13T14:55:44 | 2019-03-27T09:43:07 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1987:1001.14UF246.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beschwerde wird als unzulässig auf Kosten des Beschwerdeführers</p>
<p>verworfen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>G r ü n d e :</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Im Verhandlungstermin vom 19.08.1987 haben die Parteien unter anderem einen Vergleich dahin geschlossen, daß sie wechselseitig darauf verzichteten, ihre beiderseitigen</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">betrieblichen Altersversorgungen im Rahmen des Versorgungsausgleichs zu berücksichtigen. Dieser Vergleich wurde durch das Familiengericht mit einem sogleich verkündeten Beschluß genehmigt. Alsdann wurde im gleichen Termin die Scheidung der Ehe der Parteien ausgesprochen und der Versorgungsausgleich durch Übertragung von Rentenanwartschaften geregelt. Die Parteien verzichteten auf Rechtsmittel. Das Urteil wurde lediglich den Parteien und Verfahrensbeteiligten zugestellt, jedoch wurden der Vergleichstext und der Genehmigungsbeschluß am 02.09.1987 dem Beschwerdeführer, bei dem eine betriebliche Altersversorgung für die Antragsgegnerin besteht, sowie dem</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Träger der betrieblichen Altersversorgung des Antragstellers formlos übersandt.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Mit der am 14.09.1987 bei dem Oberlandesgericht eingegangenen Beschwerde wendet</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">sich der Beschwerdeführer gegen die ihm zugegangene Entscheidung des Familiengerichts mit dem Antrag, den Verzicht der Parteien vom19.08.1987 insoweit zu ergänzen,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">daß eine spätere Abänderung ausgeschlossen wird. Der Beschwerdeführer sei dadurch beschwert, daß die Parteien eine Änderung des Vergleichs nach § 10 a Abs. 9 VAHRG nicht ausgeschlossen hätten. Würden bei einer Abänderung etwa schuldrechtlich auszugleichende Ansprüche bestehen bleiben, könnten sich unter anderem Nachteile für den Beschwerdeführer aus einem verlängertem schuldrechtlichen Versorgungsaus</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">gleich ergeben.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen. </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Das Rechtsmittel ist dahin zu verstehen, daß es sich gegen die Genehmigungsentscheidung des Familiengerichts wendet, in dem Sinne, daß eine Genehmigung unter Beachtung der angeblichen Interessen des Beschwerdeführers nicht für einen Vergleich</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">dieses Inhalts sondern für einen solchen mit weitergehendem Inhalt zu erteilen sei.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Beschwerdebefugnis des Beschwerdeführers</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">nach § 20 Abs. 1 FGG darzutun. Nach herrschender Meinung sind Versorgungsträger nicht Beteiligte am Verfahren der Genehmigung nach § 1587 o BGB. Sie werden auch durch die genehmigte Vereinbarung nicht unmittelbar betroffen (Münchener Kommentar, § 1587 o Rdn. 41). Dementsprechend werden sie allgemein als nicht beschwerdebefugt angesehen (Keidel-Kunze-Winkler, FGG, 12. Aufl., § 53 d Rdn. 15 d; Rolland, 1. EheRG, 2.Aufl., § 1587o Rdn.38; Palandt, BGB, 45.Aufl, § 1587 o Anm.5; Göppinger, Vereinbarungen anläßlich der Ehescheidung 3. Aufl., Rdn. 419; OLG Frankfurt/Main, FamRZ 85, 613).</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Allerdings wird auch verschiedentlich eine gegenteilige Meinung vertreten (vgl. dazu Rolland a.a.O.), dieser kann sich der Senat aber nicht anschließen. Gerade die im vorliegenden Fall geltend gemachten Gründe des Beschwerdeführers zeigen, daß es in</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Wahrheit keine Rechtsbeeinträchtigung des Versorgungsträgers im Sinne des § 20 FGG</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">durch die Genehmigung einer Parteivereinbarung nach § 1587 o BGB gibt. Da der Beschwerdeführer keinen Anspruch darauf hat, von einem verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleich – sofern er gesetzlich zulässig sein und stattfinden sollte - verschont zu bleiben, kann er durch die Möglichkeit eines etwaigen späteren Ausgleichs</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">dieser Art nicht in seinen Rechten beeinträchtigt werden. § 20 FGG verlangt eine Rechtsbeeinträchtigung, eine Beeinträchtigung wirtschaftlicher oder sonstiger Interessen genügt nicht. Ebensowenig kann der Beschwerdeführer beanspruchen, daß die Parteien Oberhaupt eine Vereinbarung zum Versorgungsausgleich treffen. Deswegen, kann er auch nicht auf einem bestimmten Inhalt der Vereinbarung bestehen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Beschwerdewert: 1.000, -- DM</p>
|
315,438 | olgham-1987-09-30-20-u-5887 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 20 U 58/87 | 1987-09-30T00:00:00 | 2019-03-13T14:55:45 | 2019-03-27T09:43:07 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1987:0930.20U58.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung des Klägers gegen das am 18. November 1986 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.</p>
<p>Die Kosten der Berufung werden dem Kläger auferlegt.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p>Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 12.500,- DM abzuwenden, soweit nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger, ein früherer Polizeibeamter, hat bei mehreren Gesellschaften Unfallversicherungen abgeschlossen. Bei der Beklagten ist er seit 1979 unfallversichert. Weitere Unfallversicherungen bestehen bei der ... (Antrag vom 27.04.1984) und seit dem 04.04.1985 bei der ... Außerdem war bei der ... eine Krankenhaustagegeldversicherung abgeschlossen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Am 18.10.1984 erlitt der Kläger einen Unfall. Er stürzte beim Abladen von Bäumen und Sträuchern von der Ladefläche eines Lkws. Er wurde verletzt in das ...-Hospital in ... eingeliefert. Dort wurde er medizinisch versorgt. Auch wegen eines Zungenbisses und weil der Kläger keine näheren Angaben zum Unfallhergang machte, argwöhnte man zunächst einen epileptischen Anfall. Dieser Verdacht bestätigte sich nicht. Deshalb wurde in der Folgezeit von den behandelnden und untersuchenden Ärzten ein Ohnmachtsanfall (vasovagaler Kollaps) angenommen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist inzwischen aufgrund einer Untersuchung des Polizeiarztes Dr. ... in den Ruhestand versetzt worden. Er macht gegen die Beklagte Ansprüche aus dem abgeschlossenen Versicherungsvertrag geltend.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die schriftliche Schadensanzeige auf einem Formular der Beklagten vom "2901085" (Bl. 50 d.A.), die vom Kläger unterschrieben wurde, enthält die Frage:</p>
<br /><span class="absatzRechts">6</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>Bestehen für die verletzte Person noch weitere private Unfallversicherungen oder Krankentagegeld- bzw. Krankenhaustagegeldversicherungen?</i>
<i>Wenn ja, bei welchen Gesellschaften?</i></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat hier bei der ersten Frage das "Ja-Kästchen" angekreuzt und bei der zweiten Frage den Versicherungsvertrag bei der ... angegeben.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Bereits im Versicherungsantrag vom 09.08.1979 (Bl. 48 d.A.) war von der Beklagten die Frage gestellt worden:</p>
<br /><span class="absatzRechts">9</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>Besteht oder bestand eine Unfallversicherung oder wurde eine solche beantragt?</i></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat damals die Frage zu Recht verneint.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte lehnte ihre Leistungspflicht unter Hinweis auf §3 IV AUB wegen des Ohnmachtsanfalls ab.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat behauptet, Ursache des Unfalls sei gewesen, daß ihn beim Abladen auf dem Lkw der Ast eine Pflaumenbaumes am Kopf gestreift habe. Daran habe er sich erst später erinnert, da er wegen der erlittenen Gehirnerschütterung zunächst an Erinnerungsstörungen gelitten habe.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat den Antrag gestellt,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihm aus dem abgeschlossenen Versicherungsvertrag für den am 18.10.1984 erlittenen Unfall Versicherungsschutz zu gewähren.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Sie bestreitet die jetzige Unfalldarstellung des Klägers. Es sei auffallend, daß diese von ihm erst vorgebracht worden sei, als er erkannt habe, daß andernfalls die Leistungspflicht der Beklagten nach §3 IV AUB ausgeschlossen sei. Ferner hat sich die Beklagte auf Obliegenheitsverletzungen des Klägers berufen. Die Schadensanzeige sei verspätet. Sie sei erst am 09.05.1985 bei ihr eingegangen. Dies sei erheblich verspätet. Außerdem habe der Kläger das Bestehen weiterer Versicherungsverträge bei der ... und bei der ... Versicherung trotz ausdrücklicher Frage in der Schadensanzeige bewußt verschwiegen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat erwidert, daß er unmittelbar nach dem Unfall diesen telefonisch dem Zeugen ... bei der Agentur ... mitgeteilt habe. Dieser habe die schriftliche Schadensanzeige erst später an die Beklagte weitergegeben, wie er es auch bei vorangehenden Unfällen von der Beklagten unbeanstandet gemacht habe. Die in der Schadensanzeige nicht angegebenen Versicherungsverträge seien der Beklagten bereits bekannt gewesen. Im übrigen habe der Zeuge ... - dies ist unstreitig - die Anzeige ausgefüllt. Der Zeuge habe ihn nach weiteren Versicherungsverträgen nicht gefragt.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat durch das landgerichtliche Urteil die Klage abgewiesen. Die Beklagte sei leistungsfrei geworden, da der Kläger in der Schadensanzeige die übrigen Versicherungsverträge nicht angegeben habe.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Dagegen wendet sich der Kläger mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Eine Leistungsfreiheit der Beklagten könne nicht auf §§15, 17 AUB gegründet werden. Die Schadensanzeige sei nicht verspätet. Das Datum seiner Unterschrift unter die schriftliche Schadensanzeige sei nicht mehr festzustellen, da dieses durch Zeugen ... fehlerhaft und unverständlich geschrieben worden sei. Jedenfalls habe er den Zeugen ... rechtzeitig informiert, ohne daß der Zeuge dann eine alsbaldige schriftliche Anzeige veranlaßt habe. Im übrigen habe der Kläger aus dem Verhalten der Beklagten bei früheren Schadensfällen entnehmen dürfen, daß diese auf die Einhaltung der Anzeigefrist keinen besonderen Wert gelegt habe. Er, der Kläger, habe auch nicht andere Versicherungsverträge verschwiegen. Der Zeuge ... habe ihn nicht nach weiteren Versicherungsverträgen gefragt, und er, der Kläger, habe bei seiner Unterschrift nicht bemerkt, daß das Schadensanzeigeformular unrichtig ausgefüllt worden sei. Es seien damals zwar noch mehrere Rubriken offen gewesen, diese habe der Zeuge ... aber noch nachträglich ausfüllen wollen. Im übrigen habe der Zeuge ... wie auch die Beklagte Kenntnis von dem Bestehen der Versicherungsverträge gehabt. In einem Kurzbrief vom 15.12.1984 (Bl. 225 d.A.) habe er ihm ausdrücklich Einzelheiten zum Versicherungsvertrag mit der ... Versicherung mitgeteilt. Diesen Kurzbrief, d.h. dessen Durchschrift, könne er erst jetzt vorlegen, da er bei seinen Akten falsch abgeheftet gewesen sei. Es sei auch sicher, daß der Zeuge ... diesen Brief erhalten habe. In diesem Brief sei nämlich die Grundstücksnummer seines Grundstücks mitgeteilt worden. Diese habe der Zeuge von diesem Brief in die Schadensanzeige übernommen. Von dem Bestehen der Versicherung bei der ... habe die Beklagte bereits anläßlich der Schadensanzeige eines früheren Unfalls im März 1984 erfahren.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Der Kläger stellt den Antrag,</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">unter Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihm aus dem abgeschlossenen Unfallversicherungsvertrag für den am 18.10.1984 erlittenen Unfall Versicherungsschutz zu gewähren.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und beruft sich weiterhin darauf, daß der Kläger den Versicherungsfall verspätet angezeigt und Vorversicherungen nicht angegeben habe. Außerdem sei sie leistungsfrei nach §3 IV AUB.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und die beigefügten Anlagen verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat Beweis erhoben durch die Anhörung des Sachverständigen Professor Dr. ... und durch Vernehmung des Zeugen .... Diese haben ausführt:</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Professor Dr. ...</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Ein epileptischer Krampfanfall ist aufgrund der Untersuchungen ausgeschlossen. Möglich bleibt eine vasale Synkope aufgrund einer Kreislaufdisregulation. Für letzteres sind nach dem Unfall keine medizinischen Anzeichen festgestellt worden. Auch die vom Kläger geschilderte Tätigkeit deutet nicht auf eine solche Ursache hin. Nach der geschilderten Tätigkeit ist es nicht für längere Zeit zu größeren Kraftanstrengungen oder extremen Zwangshaltungen gekommen.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Möglicherweise hat der Kläger eine Gehirnerschütterung erlitten, die selbst nicht objektivierbar ist. Das kann zu einer retrograden Amnesie führen, da sich Sinneseindrücke, die unmittelbar vor dem Unfall aufgenommen wurden, noch nicht engrammiert hatten, d.h. noch nicht im Gedächtnis gespeichert waren. Es ist durchaus möglich, daß diese Erinnerungslücken später bei ständigem Bemühen aufgehellt wurden. Wenn auch zu vermuten ist, daß der Kläger in Wirklichkeit sich doch von Anfang an an den Unfallhergang erinnerte, ist seine Darstellung nicht zu widerlegen. Das ist heute nicht mehr aufzuklären und wäre auch unmittelbar nach dem Unfall nicht zu klären gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Zeuge ...</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Ich habe die Schadensanzeige (Bl. 73 d.A.) ausgefüllt. Aus den von mir geschriebenen Ziffern kann ich heute auch kein Datum mehr lesen. Ich habe insoweit auch keine konkrete Erinnerung. Ich weiß, daß mich der Kläger wegen des Unfalls angerufen hat. Ich habe ihm daraufhin kein Schadensanzeigeformular zugesandt, sondern ihn gebeten, vorbeizukommen.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Von dem Versicherungsvertrag bei der ... kann ich nur von dem Kläger erfahren haben. Dieser Vertrag ist nicht über die Agentur ... abgeschlossen worden. Ich meine, die Angaben hätte ich einem von dem Kläger vorgelegten Schreiben entnommen, bei dem es sich nach meiner Erinnerung um die Versicherungspolice gehandelt hatte. Andere Versicherungsverträge waren mir nicht bekannt.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Mir wird jetzt die Durchschrift eines Kurzbriefes vom 14.12.1984 (Bl. 225 d.A.) vorgehalten. Dieses Schreiben kenne ich nicht. Wenn ich es erhalten hätte, müßte es sich jetzt bei den Unterlagen der Beklagten befinden, da ich es dieser zugeleitet hätte. Das ist in unserer Agentur allgemeine Übung. Ich kann mich zwar daran erinnern, daß der Kläger bei seiner ersten Vorsprache die Nummer seines Hausgrundstücks nicht wußte. Wie ich diese dann aber erfahren habe, weiß ich nicht mehr. Auch in diesem Zusammenhang kann ich mich nicht an die Zusendung des eben erwähnten Kurzbriefes erinnern.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Die Berufung hat keinen Erfolg. Dem Kläger stehen keine Ansprüche aus dem abgeschlossenen Unfallversicherungsvertrag zu.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks"><b>I.</b></p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Ein solcher Anspruch ist zwar entgegen der Auffassung der Beklagten nicht nach §3 IV AUB ausgeschlossen. Die Beklagte hat nicht bewiesen, daß der Kläger infolge einer Bewußtseinsstörung (darunter wäre auch ein Ohnmachtsanfall zu subsumieren, Senat NJW RR 86, 330), vom Lkw gestürzt und den Unfall erlitten hat. Aus den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. ... folgt, daß für eine solche Annahme keine zwingenden Anhaltspunkte bestehen. Dafür spricht auch nicht zwingend, daß die ersten Äußerungen des Klägers so verstanden wurden und daß der Kläger mangels anderer Erklärungsmöglichkeiten davon zunächst auch ausgegangen sein mag. Es ist nämlich nicht auszuschließen, daß der Kläger sich zunächst nicht erinnerte und erst später den Unfall wieder rekonstruieren konnte.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks"><b>II.</b></p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Eine Leistungspflicht der Beklagten entfällt aber wegen einer Obliegenheitsverletzung des Klägers.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks"><b>1.)</b></p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Eine Verletzung der Anzeigepflicht (§15 II 1 AUB) hat die Beklagte nicht bewiesen. Zwar bestand hier eine Anzeigepflicht von Anfang an, da sofort eindeutig klar war, daß die Beklagte wegen des Unfalls leistungspflichtig war, denn nach dem Vertragsinhalt war ein Tagegeld bei Arbeitsunfähigkeit und ärztlicher Behandlung zu zahlen. Es ist auch zutreffend, daß die schriftliche Schadensanzeige, den eine mündliche oder telefonische formlose Anzeige des Klägers bei dem Versicherungsvertreter, die zunächst ausreichte, vorausgegangen sein muß, jedenfalls erst am 09.05.1985 bei der Beklagten einging (Bl. 73 d.A.). Unterzeichnet worden ist sie jedoch schon wesentlich früher. Die Aussage des Zeugen ... (Bl. 93 d.A.) spricht dafür, daß die Unterschrift am 29.01.1985 geleistet wurde, obwohl dies wegen der unverständlichen Datumsangabe unter der Schadensanzeige nicht sicher festzustellen ist. Die für die Anzeigenpflichtverletzung beweispflichtige Beklagte müßte jedoch eine vorherige telefonische Anzeige bei der Agentur ... die ihr zuzurechnen wäre (§§33, 43 Ziff. 2 VVG) widerlegen. Dies ist ihr nicht gelungen. Es liegt sogar nahe, daß der Unfall jedenfalls dem Zeugen ... rechtzeitig gemeldet wurde, da er jedenfalls unstreitig bereits bei dem Versicherungsantrag vom 13.12.1984, den der Zeuge ... aufgenommen hatte, erwähnt war (Bl. 135, 158 d.A.). Insgesamt ist daher nach Auffassung des Senates schon die objektive Verletzung der Anzeigepflicht von der Beklagten nicht bewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks"><b>2.)</b></p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Jedoch hat der Kläger seine Verpflichtung verletzt, in der Schadensanzeige an die Beklagte den bei der ... Versicherungsgesellschaft abgeschlossenen Versicherungsvertrag anzugeben.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Diese Verpflichtung besteht, da die Frage nach Vorversicherungen sachdienlich ist. Diese Frage bezieht sich nämlich auf das subjektive Risiko des Versicherungsnehmers. Das Bestehen weiterer Versicherungsverträge, die ganz oder teilweise das gleiche Risiko abdecken, kann bei einem Versicherer verständigerweise Anlaß sein, das Ausmaß seiner Ermittlungen zu bestimmen. Auch nach den Erfahrungen des Senates kann der Abschluß mehrerer Versicherungsverträge Grund und Motiv dazu sein, einen Versicherungsfall zu fingieren oder schwerere Folgen und längeren Heilverlauf vorzutäuschen. Insoweit stimmt der Senat der Auffassung des Bundesgerichtshofs (VersR 81, 625; 82, 182) und der anderer Oberlandesgerichte (OLG Köln VersR 83, 389; 86, 544; OLG Frankfurt VersR 83, 390; OLG Saarbrücken VersR 87, 98) unter teilweiser Abänderung seiner bisherigen Rechtsprechung (OLG Hamm VersR 70, 319; 78, 1137; 85, 469) zu. Das gilt jedoch nur für den Fall, daß der Versicherer bereits in dem Vertragsantragsformular nach Vorversicherungen fragt (so schon OLG Hamm RuS 86, 267). Nur dann ist auch eine entsprechende Frage in der Schadensanzeige sachdienlich. Das subjektive Risiko eines Versicherungsnehmers, für das Vorversicherungen in der Tat bedeutsam sind, ist vom Versicherer bei Vertragsannahme und nicht erst bei Eintritt des Versicherungsfalles zu prüfen. In dem späteren Zeitpunkt kann nur in Frage stehen, ob sich das bei Vertragsschluß vorausgesetzte Risiko geändert (vergrößert) hat. Ein Versicherer, der bei Vertragsabschluß nicht nach Vorversicherungen fragt, gibt zu erkennen, daß er diese zu diesem Zeitpunkt für unerheblich, d.h. nicht sachdienlich hält. Dies folgt auch aus den Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen der §§16 I 3, 18 VVG. Einem solchen Versicherer ist es dann auch verwehrt, bei dem Eintritt des Versicherungsfalles die zuvor unterbliebene Prüfung des subjektiven Risikos eines Versicherungsnehmers nachzuholen. Dadurch wird einem Versicherungsnehmer, der mehrere gleichartige Versicherungsverträge abgeschlossen hat und dessen Antrag und Prämienzahlungen der Versicherer unbeanstandet annahm, zugemutet, sich nachträglich bei einem Versicherungsfall Nachprüfungen und eventuellen Verdächtigungen hinsichtlich seines subjektiven Risikos zu unterziehen. Der Versicherer muß sich an seiner bei Vertragsschluß deutlich gewordene Auffassung von der Nichterheblichkeit weiterer Versicherungsverträge festhalten lassen.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Von dieser Auffassung ausgehend war die Beklagte hier berechtigt, nach weiteren Unfallversicherungen zu fragen, da diese Frage auch im Antrag schon gestellt war. Der Kläger hat die nach Abschluß des Vertrages abgeschlossene weitere Unfallversicherung bei der ... Versicherungsgesellschaft nicht angegeben. Er hat damit gegen §15 II 4 AUB verstoßen und verliert gemäß §17 AUB seinen Versicherungsanspruch.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Daß in der bei der Beklagten eingegangenen Schadensanzeige dieser zusätzliche Versicherungsvertrag nicht angegeben ist, ist unstreitig. Damit ist die Verpflichtung verletzt. Daß nach Darstellung des Klägers der Zeuge ... von dem Versicherungsvertrag bei der ... Versicherungsgesellschaft wußte, ist unerheblich. Dessen Kenntnis ist der Beklagten nach §44 VVG nicht zuzurechnen.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Der Kläger handelte auch vorsätzlich. Zumindest hat er die Vorsatzvermutung nicht widerlegt. Seine Darstellung, der Zeuge ... habe, ohne ihn im einzelnen zu fragen, die von ihm, dem Kläger, zuvor unterschrieben Schadensanzeige ausgefüllt, ist unbewiesen. Sie widerspricht im übrigen auch dem weiteren Vorbringen des Klägers, dem Zeugen den Kurzbrief vom 14.12.1984 gesandt zu haben. Hatte der Zeuge den Kläger nicht auf noch offengebliebene Fragen hingewiesen, bestand für den Kläger kein Anlaß zu den behaupteten zusätzlichen Informationen. Außerdem ist auch nicht bewiesen, daß das Schreiben vom 14.12.1984, das zudem erst in der Berufungsinstanz erwähnt wird, an den Zeugen ... abgegangen ist. Aus der Vorlage einer Durchschrift folgt dies noch nicht zwingend. Der Eingang wird von dem Zeugen ... nicht bestätigt. Der Empfang ist auch nicht aus dem Umstand zu schließen, daß die zunächst offengebliebene Nummer des Hausgrundstücks des Klägers in der Schadensanzeige, eingetragen ist. Diese Hausnummer kann der Zeuge ebenso bei zahlreichen anderen Gelegenheiten erfahren haben. Die Tatsache, daß der Versicherungsvertrag bei der ... Versicherungsgesellschaft nicht angegeben ist, spricht eher dagegen, daß die Hausnummer aufgrund dieses Briefes eingetragen wurde. Dann wäre nämlich unwahrscheinlich, daß nicht auch gleichzeitig die dort angegebene zweite Unfallversicherung mit in der Schadensanzeige vermerkt wurde.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Die Obliegenheitsverletzung ist auch versicherungsrechtlich relevant. Der Kläger hat minderschweres Verschulden nicht bewiesen. Das Verschweigen weiterer Versicherungsfälle ist auch generell geeignet, schutzwürdige Belange des Versicherer zu gefährden. Insoweit kann auf die Ausführungen zum subjektiven Risiko und das daran ausgerichtete Maß der Ermittlungen des Versicherer verwiesen werden. Ob im konkreten Fall Anlaß und Möglichkeit zu weiteren Ermittlungen gegeben gewesen wäre, ist unerheblich.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Da in dem Schadensanzeigeformular unmittelbar über der Unterschrift deutlich darauf hingewiesen wurde, daß auch folgenlose vorsätzlich unrichtige und unvollständige Angaben zur Leistungsfreiheit führen, ist die Beklagte leistungsfrei.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks"><b>III.</b></p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§97, 708 Ziff. 10, 711 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Der Wert der Beschwer beträgt 70.000,- DM.</p>
|
315,439 | olgham-1987-09-23-20-u-2687 | {
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} | 20 U 26/87 | 1987-09-23T00:00:00 | 2019-03-13T14:55:46 | 2019-03-27T09:43:07 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1987:0923.20U26.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung der Klägerin gegen das am 29. Oktober 1986 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts ... wird zurückgewiesen.</p>
<p>Die Kosten der Berufung werden der Klägerin auferlegt.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p>Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,- DM abzuwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Parteien streiten über die Höhe der Neuwertentschädigung, die die Beklagte der Klägerin aus einer Hausratsversicherung wegen eines Brandschadens zu gewähren hat.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin unterhielt seit dem Jahre 1979 bei der Beklagten eine Versicherung des Hausrats ihres Einfamilienhauses in ... zum Neuwert mit einer Gesamtversicherungssumme von 700.000,- DM, davon 200.000,- DM für echte Teppiche, Gobelins und Kunstgegenstände, u.a. gegen Feuer. Dem Versicherungsvertrag, der eine jährliche Erhöhung der Versicherungssumme um 4 % vorsah, lagen die Allgemeinen Bedingungen für die Neuwertversicherung des Hausrats gegen Feuer-, Einbruchdiebstahl-, Beraubungs-, Leitungswasser-, Sturm- und Glasbruchschäden (VHB 74) zu Grunde.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Am 04.12.1981 brach im Hause der Klägerin ein Brand aus, durch den der versicherte Hausrand weitgehend vernichtet oder beschädigt wurde.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Zur Ermittlung des Schadens wurde ein Sachverständigenverfahren (§15 VHB 74) durchgeführt. Die Klägerin benannte den öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen ... in ... die Beklagte den öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen ... in .... Die Sachverständigen ernannten ihrerseits am 03.02.1982 gemäß §15 Abs. 2 b VHB 74 den vereidigten Sachverständigen ... in ... zum Obmann.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Nach Vorbesichtigung des Brandschadens durch den Sachverständigen ... am 11.12.1981 gingen beide Sachverständigen die von der Klägerin erbetene umfangreiche Schadensaufstellung (Bl. 97 bis 111 d.A.), die mit einem Betrag von 563.311,22 DM abschließt, nach Inaugenscheinnahme der durch den Brand betroffenen Gegenstände am 03.02.1982 Position für Position mit der Klägerin und ihrem Ehemann gemeinsam durch und nahmen nach Vorlage einiger von ihnen erbetener Belege durch die Klägerin am 18.03.1982 eine gemeinsame abschließende Bewertung aller Schadenpositionen vor. In ihrem gemeinsamen Gutachten vom 01.04.1982, auf das Bezug genommen wird (Bl. 13 bis 37 d.A.), kamen beide Sachverständige übereinstimmend zu dem Ergebnis, daß der Neuwertschaden der Klägerin 391.326,- DM betrage, davon 22.318,- DM für Gold-, Silber- und Schmucksachen sowie Pelze und 1.650,- DM für Aufräumkosten, der Zeitwertschaden 311.602,- DM, davon 18.394,- DM für Gold-, Silber- und Schmucksachen sowie Pelze und 1.650,- DM für Aufräumkosten.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Auf der Grundlage des gemeinsamen Gutachtens der Sachverständigen ... und ... regulierte die Beklagte den Brandschaden der Klägerin am 24.05.1982 zum Zeitwert mit insgesamt 310.452,- DM (309.952,- DM Zeitwertschaden + 500,- DM Aufräumkosten) und erklärte sich zur Zahlung eines Neuwertanteils von 77.406,- DM nach Sicherstellung der Wiederbeschaffung von Hausrat im Gegenwert von insgesamt 387.858,- DM bereit. Auch dieser Neuwertanteil ist, wie die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 23.09.1987 übereinstimmend erklärt haben, inzwischen gezahlt.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat unter Vorlage einer Aufstellung, in der die Neuwertschadenansätze der Sachverständigen ... und ... Position für Position dem angeblich wirklich entstandenen Neuwertschaden gegenübergestellt sind (Bl. 38 bis 56 d.A.), geltend gemacht, ihr Gesamtneuwertschaden infolge des Brandes betrage 576.551,76 DM, so daß von der Beklagten noch ein Betrag von 185.325,67 DM zu zahlen sei. Das gemeinsame Gutachten der Sachverständigen ... und ... sei wegen erheblicher und offenbarer Fehlschätzungen unrichtig und deshalb nicht bindend. Allein der an den Orientteppichen entstandene Schaden sei um 47.120,- DM, der Neuwert der vernichteten oder beschädigten Kleidung und Wäsche um 46.592,- DM zu niedrig angesetzt worden. Offenkundig falsch sei außerdem die von den Sachverständigen vertretene Ansicht, die Zinnsammlung und der überwiegende Teil des Porzellans ließen sich reinigen und seien nicht als Totalschaden anzusehen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Sachverständigen hätten außerdem die zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel nicht ausreichend genutzt. Ferner sei die Vorlage eines gemeinsamen Gutachtens mit §15 Abs. 2 b VHB 74 nicht vereinbar.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an sie 185.325,67 DM nebst 6 % Zinsen seit dem 05.01.1982 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Sie hat geltend gemacht, das von den Sachverständigen ... und ... zulässigerweise vorgelegte gemeinsame Gutachten sei für beide Parteien verbindlich. Es enthalte keine offenbaren Unrichtigkeiten und auch im Bezug auf Teppiche, Bekleidung, Wäsche, Zinn und Porzellan keine unrichtigen Ansätze des Neuwert- und Zeitwertschadens. Die Forderung der Klägerin berücksichtige außerdem nicht, daß die Entschädigung für die von ihr mit 34.000,- DM angesetzten Gold-, Silber- und Schmucksachen sowie Pelze gemäß §2 Abs. 8 VHB 74 auf 20.000,- DM begrenzt sei.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen .... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 11.11.1985 (Bl. 157 bis 161 d.A.) Bezug genommen. Außerdem hat es den Sachverständigen ... beauftragt, über die Höhe des Brandwertschadens der Klägerin ein schriftliches Gutachten zu erstatten. Dieser hat mit Schreiben vom 25.06.1986 mitgeteilt, ohne Inaugenscheinnahme der zu bewertenden Gegenstände, die mit Ausnahme von zwei bei dem Brand beschädigten Orientteppichen unstreitig weitestgehend nicht mehr vorhanden sind, zur Erstellung des erbetenen Gutachtens nicht in der Lage zu sein.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Durch Urteil vom 29.10.1986 hat das Landgericht die Klage abgewiesen und dazu in den Entscheidungsgründen, auf die wegend er näheren Einzelheiten verwiesen wird (Bl. 202 f d.A.), ausgeführt, die Klägerin habe den ihr obliegenden Beweis, daß das gemeinsame Gutachten der Sachverständigen ... und ... offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweiche, nicht geführt.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und macht ergänzend geltend, das unzulässigerweise gemeinsam erstattete Gutachten der Sachverständigen ... und ... beruhe auf einer unzulänglichen Beurteilungsgrundlage. Den Sachverständigen seien die erforderlichen Auskunftspersonen benannt worden (Beweis: Zeugnis ihres Ehemannes ... sowie der Frau ...). Die Sachverständigen hätten die vorhandenen Erkenntnismittel jedoch anders als die vom Senat beauftragten Sachverständigen ... und ... nicht ausgeschöpft, sondern lediglich Wertangaben entgegengenommen und nicht nachvollziehbare Abschläge gemacht. Sie, die Klägerin, habe nur <u>die</u> von dem Brand betroffenen Gegenstände vernichtet, die die Sachverständigen ... und ... ausdrücklich freigegeben hätten (Beweis: Zeugnis ihres Ehemannes ... sowie der Frau ...).</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 171.325,67 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 05.01.1982 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen,</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">hilfsweise, ihr zu gestatten, Sicherheit auch durch Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse zu leisten.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil, nimmt Bezug auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und behauptet ergänzend, den Sachverständigen ... und ... seien nur die Klägerin und ihr Ehemann als Auskunftspersonen benannt worden. Die beiden vorgenannten Sachverständigen hätten den Brandschaden insbesondere auch an den Teppichen, der Bekleidung und Wäsche, nach Inaugenscheinnahme der beschädigten Gegenstände und Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten unter Berücksichtigung der Abnutzung und modischer Trends richtig bewertet. Von ihnen seien nur durch den Brand total beschädigte Gegenstände zur Vernichtung freigegeben worden (Beweis: Zeugnis der Sachverständigen ... und ...).</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst allen Anlagen und die in den nachstehenden Entscheidungsgründen ergänzend mitgeteilten Tatsachen verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung schriftlicher Gutachten der Sachverständigen ... und ... in ... sowie durch ergänzende Anhörung beider vorgenannten Sachverständigen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen Gutachten der Sachverständigen vom 28.08. und 03.09.1987 und den Vermerk des Berichterstatters über ihre Anhörung (Bl. 336 bis 339 d.A.) verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung einer weiteren Entschädigung in Höhe von 171.325,67 DM aus der bei der Beklagten genommenen Hausratversicherung wegen des Brandschadens vom 04.12.1981 nicht zu.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Auf der Basis des im Sachverständigenverfahren gemäß §15 VHB 74 erstatteten Gutachtens der Sachverständigen ... und ... vom 01.04.1982 beläuft sich der Gesamtneuwertentschädigungsanspruch der Klägerin auf den unstreitig gezahlten Betrag von 387.858,- DM. Von dem von den Sachverständigen ... und ... festgestellten Gesamtneuwertschaden der Klägerin in Höhe von 391.326,- DM sind insgesamt 3.468,- DM, und zwar 2.318,- DM für Gold-, Silber- und Schmucksachen sowie Pelze und 1.150,- DM für Aufräumkosten abzusetzen. Der von den Sachverständigen ... und ... mit 22.318,- DM festgestellte Neuwertschaden an Gold-, Silber- und Schmucksachen sowie Pelzen ist gemäß §2 Abs. 8 VHB 74 nur mit maximal 20.000,- DM zu entschädigen. Für Aufräumkosten beträgt die Entschädigungsgrenze gemäß §1 Satz 2 b VHB 74.500,- DM.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Die Feststellungen der Sachverständigen ... und ... sind gemäß §15 Abs. 3 VHB 74 für die Parteien verbindlich, da nicht nachgewiesen ist, daß sie offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweichen.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks"><b>I.</b></p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Das Gutachten der Sachverständigen ... und ... weist entgegen der Ansicht der Klägerin keine formellen Mängel auf.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks"><b>1.</b></p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Das gemeinsame Gutachten der beiden ordnungsgemäß bestellten Sachverständigen genügt den Anforderungen des §15 Abs. 2 c VHB 74.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks"><b>2.</b></p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Die Vorlage eines gemeinsamen Gutachtens entspricht zwar nicht §15 Abs. 2 d VHB 74, der von getrennten Gutachten der beiden Sachverständigen ausgeht. Ein gemeinsames Gutachten reicht jedoch aus, wenn sich die Parteien als Auftraggeber damit stillschweigend im voraus oder nachträglich einverstanden erklärt haben. Davon ist auszugehen, wenn gemeinsame Besichtigungen des Objekts und eine gemeinsame Besprechung zwischen den beiden Sachverständigen und dem Versicherungsnehmer stattgefunden haben, ohne daß von den Parteien Einwendungen dagegen erhoben worden sind (BGH VersR 1987, 601 (602); Prölss-Martin, VVG, 23. Aufl., §64 Anm. 6 c).</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">So liegt der Fall hier. Die Sachverständigen ... und ... haben den durch den Brand betroffenen Hausrat der Klägerin am 03.02.1982 gemeinsam in Augenschein genommen und sind die von der Klägerin vorgelegte Schadenaufstellung (Bl. 97 bis 111 d.A.) gemeinsam Punkt für Punkt mit ihr und ihrem Ehemann durchgegangen, ohne daß die Klägerin gegen dieses Vorgehen Einwendungen erhoben hat. Damit hat sie sich, ebenso wie die Beklagte, stillschweigend mit einem <u>gemeinsamen</u> Gutachten einverstanden erklärt und kann dies jetzt nicht mehr rügen (vgl. Prölss-Martin, VVG, 23. Aufl., §64 Anm. 9 d).</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks"><b>II.</b></p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Das Gutachten der Sachverständigen ... und ... leidet auch in materieller Hinsicht nicht an erheblichen Mängeln.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks"><b>1.</b></p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Bereits eine <u>erhebliche</u> Abweichung der von ihnen getroffenen Feststellungen von der wirklichen Sachlage läßt sich nicht feststellen.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Ob eine Abweichung von der wirklichen Sachlage erheblich ist, ist nicht schematisch nach dem Prozentsatz der Abweichung, sondern nach den besonderen Umständen des Einzelfalles zu beurteilen (BGH VersR 1987, 601 (602); Bruck-Möller, VVG, 8. Aufl., §64 Anm. 57; Prölss-Martin, VVG, 23. Aufl., §64 Anm. 7). Im Interesse der weitgehenden Gleichbehandlung der Versicherungsnehmer kann jedoch von einem Prozentsatz "als Richtschnur" ausgegangen werden (BGH a.a.O.). In der Rechtsprechung werden teilweise Abweichungen von 20 bis 25 % für notwendig erachtet (vgl. OLG Schleswig VersR 1954, 506; OLG München VersR 1959, 1017; OLG Braunschweig. VersR 1976, 329; zum Meinungsstand in der Literatur vgl. Bruck-Möller a.a.O. §64 Anm. 57: Abweichung von mehr als 10 % reicht aus; Prölss-Martin a.a.O. §64 Anm. 7: Angabe bestimmter Prozentsätze ist abzulehnen).</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Der erkennende Senat hat in seinem Urteil - 20 U 246/84 vom 08.05.1985 ausgesprochen, daß eine Abweichung vom Gesamtergebnis von weniger als 15 % nicht ausreicht und keine erhebliche Abweichung im Sinne der §§64 Abs. 1 VVG und 15 Abs. 1 AFG ist. Dies hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 11.04.1987 (VersR 1987, 601) nicht beanstandet. Der Prozentsatz der Abweichung ist dabei in der Weise zu errechnen, daß der vom Kläger geforderte höhere Betrag, hier 559.183,67 DM (387.858,- DM gezahlter Betrag + 171.325,67 DM Klageforderung) mit 100 % gleichgesetzt wird (BGH VersR 1987, 601 (602)).</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Ausgehend davon beläuft sich die Gesamtneuwertschadenabweichung zwischen den Gutachten der Sachverständigen ... und ... einerseits und dem gemeinsamen Gutachten der Sachverständigen ... und ... andererseits auf 78.231,68 DM. Davon entfallen 3.225,- DM auf die vom Sachverständigen ... begutachteten Teppiche (2.600,- DM Differenz bei der Galerie ... 3.900,- DM Neuwertschaden laut Gutachten ... (Seite 3); 1.300,- DM Neuwertschaden laut Gutachten ... (Bl. 30 d.A.)) + 625,- DM Differenz bei dem Orientteppich Täbris/Ghazwin (35.625,- DM Wertminderung laut Gutachten ... (Bl. 338 d.A., Seite 5 des Gutachtens); 35.000,- DM Neuwertschaden laut Gutachten der Sachverständigen ... und ... (Bl. 30 d.A.)) und 75.006,68 DM auf den von dem Sachverständigen ... bewerteten übrigen Hausrat. Dieser Betrag ergibt sich aus der Addition aller Neuwertschadendifferenzbeträge zwischen dem Gutachten des Sachverständigen ... und dem gemeinsamen Gutachten der Sachverständigen ... und ... (Schadenspositionen 10, 14, 18, 19, 22 bis 24, 26, 27, 34, 35, 37, 43 bis 45, 48 bis 50, 53, 54, 60, 68, 74, 75, 81, 82, 94, 98, 102, 103, 106, 109, 111, 113, 114, 116, 117, 119, 121, 129, 130, 132, 137, 141, 156, 159, 161, 163, 165, 167, 169, 170, 175 bis 177, 180, 185, 187 bis 190, 193, 195, 200, 201, 204, 212, 215, 218, 220, 221, 225, 228, 232, 236 bis 238, 241, 245, 247 bis 250, 252, 253, 255, 257, 258, 260, 275, 280, 282, 286, 292, 298, 299, 302, 303, 307, 309 bis 312 des Gutachtens des Sachverständigen ... (B. 276 bis 284 d.A.)). Bei Position 312 (Bekleidung und Wäsche) beträgt der Neuwertschadendifferenzbetrag zwischen den Gutachten 26.097,68 DM (77.097,68 DM Neuwertschaden laut Gutachten ... (Bl. 287) abzüglich 51.000,- DM Neuwertschaden laut Gutachten ... und ... (Bl. 34 d.A.)).</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Die Gesamtneuwertschadenabweichung von 78.231,68 DM zwischen den Gutachten der Sachverständigen ... und ... einerseits und dem gemeinsamen Gutachten der Sachverständigen ... und ... andererseits entspricht 13,99 % der von der Klägerin beanspruchten Gesamtneuwerdentschädigung von 559.183,67 DM. Sie liegt damit unter 15 % und ist deshalb unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nicht erheblich im Sinne der §§64 Abs. 1 VVG, 15 Abs. 3 VHB 74.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">c)</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Eine 78.231,68 DM übersteigende Gesamtneuwertschadenabweichung läßt sich auf keinen Fall feststellen. Die Sachverständigen ... und ... haben, wie die Klägerin selbst vorträgt (Bl. 327 d.A.) von den (noch) zur Verfügung stehenden Auskunftsmöglichkeiten und Erkenntnisquellen angemessen und in dem erforderlichen Umfang Gebrauch gemacht. Substantiierte Einwendungen, daß auch die von dem Sachverständigen ... und ... in Ansatz gebrachten Neuwertschadenansätze zu niedrig sind, sind von der Klägerin nicht erhoben worden und in keiner Weise ersichtlich.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Der Senat hält vielmehr sogar eine Reduzierung der Neuwertschadenansätze des Sachverständigen Kersten in einigen Punkten in einem Gesamtvolumen von 10.970,- DM für unbedingt geboten.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">aa)</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Bei Positionen 27, 165, 169, 185, 201, 215 und 255 seines Gutachtens wird nicht beachtet, daß sich der gemäß §5 Abs. 1 a VHB 74 zu ersetzende Versicherungswert zerstörter Sachen nach dem Zeit- und nicht nach deren Neuwert bemißt, wenn der sich aus Alter, Abnutzung und Gebrauch ergebende Zeitwert der Sachen niedriger als 50 % des Wiederbeschaffungspreises (Neuwert) ist (§4 Abs. 1 VHB 74). Dadurch ermäßigt sich die Gesamtneuwertschadenabweichung zwischen dem Gutachten des Sachverständigen ... und dem gemeinsamen Gutachten der Sachverständigen ... und ... um insgesamt 7.410,- DM.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">bb)</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Der Ansatz von 1.560,- DM bei Position 311 des Gutachtens des Sachverständigen ... ist zu streichen, da der Neuwert des Zulufttrockengerätes für das Schwimmbad unstreitig beim Gebäudeschaden berücksichtigt ist (Bl. 307, 328).</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">cc)</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Der Ansatz bei Position 275 über 15.500,- DM für Gardinen und Dekorationen ist um 2.000,- DM auf den Ansatz im Gutachten der Sachverständigen ... und ... zu reduzieren. Die angebliche, dem Sachverständigen ... nicht einmal vorgelegte Rechnung über neu angeschaffte Gardinen besagt über den Neuwert der durch den Brand betroffenen Gardinen nichts Wesentliches. Zwischen Gardinen bestehen ganz erhebliche Preisunterschiede.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">dd)</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Darüber hinaus trägt der Senat ganz erhebliche Bedenken, den von dem gemeinsamen Gutachten der Sachverständigen ... und ... abweichenden Ansätzen des Sachverständigen ... in den Positionen 170, 175, 190, 195, 204, 218, 220, 225, 232, 237, 238, 245, 250, 252, 253, 292 und 312 zu folgen. Ob eine Reinigung von Gegenständen erfolgversprechend ist oder nicht, kann ohne Inaugenscheinnahme dieser Gegenstände kaum zuverlässig beantwortet werden. Gleiches gilt im besonderen Maße für die Bewertung gebrauchter Kleidung und Wäsche. Da nur die auch nach Einschätzung des Sachverständigen ... erfahrenen Sachverständigen ... und ... diese Gegenstände in Augenschein nehmen konnten, spricht vieles dafür, daß ihr Gutachten insoweit zuverlässiger ist als das des Sachverständigen ... der insoweit ausschließlich auf Angaben der Klägerin und ihres Ehemannes angewiesen war.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Die Frage bedarf indes letztlich keiner Entscheidung, da die Gesamtneuwertschadenabweichung zwischen den Gutachten der Sachverständigen ... und ... dessen Gutachten zu folgen der Senat keine Bedenken trägt, und dem Gutachten der Sachverständigen ... und ... höchstens 67.261,68 DM (78.231,68 DM abzüglich 10.970,- DM (s.o. S. 11, 12)), das heißt rund 12 % von 559.183,67,- DM, beträgt und damit eindeutig nicht erheblich ist (§§64, Abs. 1 VVG, 15 Abs. 3 VHB 74).</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Es kommt deshalb nicht darauf an, ob den Sachverständigen ... und ... die erforderlichen Auskunftspersonen benannt worden sind und die Klägerin nur die Gegenstände weggeworfen hat, die von den Sachverständigen ... und ... ausdrücklich freigegeben worden sind. Den entsprechenden Beweisanträgen der Klägerin war daher nicht nachzugehen.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks"><b>2.</b></p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Weiterhin läßt sich erst recht nicht feststellen, daß die Neuwertschadenansätze der Sachverständigen ... und ...<u>offenbar</u> von der wirklichen Sachlage abweichen.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Eine derartige Abweichung liegt nur vor, wenn sich die Unrichtigkeit einem Sachkundigen aufdrängt, d.h. mit Deutlichkeit ergibt. Die Anfechtungsmöglichkeit soll sich nämlich nach dem Sinn und Zweck der §§64 Abs. 1 VVG, 15 Abs. 3 VHB 74 "auf die wenigen Fälle ganz offensichtlichen Unrechts" beschränken (BGH VersR 1987, 601 (602); Bruck-Möller, VVG, 8. Aufl., §64 Anm. 58; Prölss-Martin, VVG, 23. Aufl., §64 Anm. 7). Nur bei "offensichtlichen Fehlentscheidungen" (vgl. BGH a.a.O.; OLG Schleswig VersR 1954, 506) soll eine Abhilfe ermöglicht werden.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Von einer offenbaren Unrichtigkeit der Neuwertschadenansätze der Sachverständigen ... und ... kann danach, was den von dem Sachverständigen ... teilweise abweichend bewerteten Hausrat der Klägerin angeht, keine Rede sein. Der Sachverständige ... hat bei seiner Anhörung durch den Senat vielmehr ausdrücklich erklärt, nicht sagen zu können, daß die Schadenbewertung der ihm als erfahren bekannten Sachverständigen ... und ... in Bezug auf Wäsche und Bekleidung oder andere Schadenpositionen offenbar von der wirklichen Sachlage abweiche oder offenbar unvertretbar sei.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Der Senat folgt den insoweit überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen .... Da die durch den Brand betroffenen Gegenstände für eine Begutachtung und Bewertung weitestgehend nicht mehr zur Verfügung stehen, läßt sich eine offensichtliche Fehlbewertung durch die Sachverständigen ... und ... mit der für eine Verurteilung der Beklagten erforderlichen Zuverlässigkeit nicht (mehr) feststellen.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks"><b>III.</b></p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Die Berufung der Klägerin war daher nach alledem mit der Kostenfolge aus §97 Abs. 1 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§708 Nr. 10, 711 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Die Beschwer der Klägerin beträgt 171.325,67 DM.</p>
|
315,440 | ag-dusseldorf-1987-09-16-35-c-27287 | {
"id": 653,
"name": "Amtsgericht Düsseldorf",
"slug": "ag-dusseldorf",
"city": 413,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 35 C 272/87 | 1987-09-16T00:00:00 | 2019-03-13T14:55:48 | 2019-03-27T09:43:07 | Urteil | ECLI:DE:AGD:1987:0916.35C272.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>hat das Amtsgericht Düsseldorf</p>
<p>auf die mündliche Verhandlung vom 8. Juli 1987</p>
<p>durch den Richter am Amtsgericht X</p>
<p></p>
<p>für R e c h t erkannt:</p>
<p></p>
<p> Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p></p>
<p> Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.</p>
<p></p>
<p> Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p> Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch </p>
<p> Sicherheitsleistung in Höhe von 750,-- DM ab-</p>
<p> wenden, wenn nicht die Beklagte vor der Voll-</p>
<p> streckung eine entsprechende Sicherheit leistet.</p>
<p></p>
<p> Die Sicherheitsleistungen dürfen auch durch die</p>
<p> selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der </p>
<p> Bundesrepublik Deutschland ansässigen deutschen</p>
<p> Großbank oder Sparkasse erbracht werden.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>T a t b e s t a n d </u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat bei der Beklagten eine Reisegepäckversicherung abgeschlossen. Aus diesem Versicherungsvertrag fordert er die Entschädigung für einen angeblichen Diebstahlsschaden vom 10. Juni 1986 auf der italienischen Insel X. Er behauptet, er habe die in der Diebstahlsanzeige (Blatt 19 d.A.) aufgeführten Wäsche- und Oberbekleidungsstücke im Mai/Juni 1986 - jedenfalls lange vor dem </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">10. Juni 1986 - auf X zwecks Benutzung im Rahmen der Urlaubsreise zum Gesamtpreis von umgerechnet 8.346,-- DM erworben. Am 10. Juni 1986 sei ihm zwischen 14.00 und 17.00 Uhr aus seinem verschlossenen Mietwagen der Koffer mit den Textilien gestohlen worden.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.000,-- DM nebst</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">4 % Zinsen seit Zustellung des Mahnbescheides zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Klageabweisung.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Sie wendet sich mit Sach- und Rechtsausführungen gegen ihre Eintrittspflicht. </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks"><u>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :</u></p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Der Kläger kann aus dem Versicherungsvertrag auch dann keine Ansprüche herleiten, wenn man seinen Sachvortrag als uneingeschränkt zutreffend unterstellt. Die Beklagte ist nämlich gemäß § 11 Nr. 1 der allgemeinen Bedingungen für die Versicherung von Reisegepäck (AVBR), Fassung von 1980, von ihrer Leistungspflicht frei geworden. Nach der genannten Vertragsklausel, die die gesetzliche Regelung des § 6 Absatz 3 Satz 2 VVG klarstellt, ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung u.a. dann frei, wenn der Versicherungsnehmer aus Anlaß des Versicherungsfalls, insbesondere in der Schadensanzeige, vorsätzlich unwahre Angaben macht, auch wenn hierdurch dem Versicherer ein Nachteil nicht entsteht. Diesen Tatbestand hat der Kläger im Streitfalle geschaffen. In seiner Schadensanzeige vom 12. Juni 1986 heißt es nämlich auf Seite 3 (Blatt d.A.) eindeutig und unmissverständlich, die "Zeit der Anschaffung" sei der "10.6.86" gewesen, obwohl der Kläger nunmehr in diesem Rechtsstreit - offenbar nachdem er hat erkennen müssen, dass erst am Abreisetage erworbene Kleidungsstücke dem Versicherungsschutz nicht unterfallen - vorträgt, der Erwerb sei bereits wesentlich früher erfolgt. Trifft letzteres zu, so ist die Angabe in der Schadensmeldung nicht nur objektiv falsch, sie ist auch unzweifelhaft <u>vorsätzlich</u> falsch. Der Vorsatz wird hier nämlich durch den Tatbestand selbst indiziert. Entgegen den Angriffen des Klägers auf Seite 10 der Anspruchsbegründungsschrift ist die diesbezügliche Überschrift in dem Schadenformular nicht missverständlich und gibt keinen Anlass zur eigenen "Deutung", "Umdeutung" oder "Missdeutung". Selbst wenn der Kläger - was er freilich auch nicht behauptet - außergewöhnlich unbeholfen oder begriffsstutzig wäre, würde das Gericht ihm nicht abnehmen, hier einem Missverständnis unterlegen gewesen zu sein. </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Was unter "Anschaffung" zu verstehen ist, ist allgemein bekannt. Auch der juristische Laie weiß, dass man eine Sache nicht erst dann "anschafft", wenn man sie bezahlt. Erst recht weiß dies ein Kaufmann (siehe Berufsangabe des Klägers in dem Versicherungsantrag (Blatt 17 d.A.)).</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.</p>
|
315,441 | lg-duisburg-1987-09-15-7-s-23387 | {
"id": 807,
"name": "Landgericht Duisburg",
"slug": "lg-duisburg",
"city": 408,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 7 S 233/87 | 1987-09-15T00:00:00 | 2019-03-13T14:55:51 | 2019-03-27T09:43:07 | Urteil | ECLI:DE:LGDU:1987:0915.7S233.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Mülheim an der Ruhr vom 13. April 1987 - 19 C 908/86 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt:</p>
<p></p>
<p>Der Beklagte wird verurteilt,</p>
<p></p>
<p>die Wohnung in Mülheim an der Ruhr, , erstes Obergeschoß, bestehend aus vier Räumen, eine Küche, ein Korridor, eine Toilette und einem Kellerraum,</p>
<p></p>
<p>sowie den im Keller des Hauses, 4330 Mülheim an der Ruhr, innegehaltenen Kellerraum (ehemaliger Kellerraum bzw. Luftschutzkeller, welcher in dem in Anlage beigefügten Lageplan rotschraffiert ist) zu räumen und geräumt an den Kläger herauszugeben.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte. </p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"><u>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e</u> : </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache Erfolg. </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte ist nicht nur zur Räumung des Kellers (ehemaliger Keller bzw. Luftschutzkeller) verpflichtet, sondern auch zur Herausgabe der im Tenor näher bezeichneten Wohnung nebst Kellerraum. Der Kläger hat wirksam das mit dem Beklagten bestehende Mietverhältnis fristlos wegen wiederholt unpünktlicher Mietzinszahlungen gekündigt, § 554 a BGB.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Nach herrschender Meinung kann der Vermieter das Mietverhältnis fristlos kündigen, wenn der Mieter durch ständige unpünktliche Mietzahlungen bewirkt, daß der Vermieter nicht mehr von vornherein darauf vertrauen kann, über den Mietzins zum Fälligkeitstermin disponieren zu können. Nicht die Tatsache des Verzuges, sondern die Unzuverlässigkeit des Mieters einerseits sowie das schutzwürdige Dispositionsinteresse des Vermieters andererseits prägen den Kündigungsgrund (vgl. Sternel, Mietrecht, 2. Auflage, IV. Randnummer 349, mit weiteren Nachweisen). Der Vermieter hat häufig das Mietobjekt mit Fremdmitteln finanziert und ist seinerseits zu festgelegten Zeitpunkten verpflichtet, Geldleistungen zu erbringen. Er hat deshalb, um eine Zwischenkreditierung zu verhindern, ein Interesse an pünktlichen Mietzinszahlungen. Verstößt der Mieter hartnäckig, wiederholt und ohne triftigen Grund gegen die Pflicht zur pünktlichen Mietzinszahlung, so rechtfertigt dies eine Vertragsauflösung seitens des Vermieters. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Ausweislich der zu den Akten gereichten Aufstellungen über die Mietzinszahlungen des Beklagten hat der Beklagte im Zeitraum von Februar 1985 bis Oktober 1986 den Mietzins nahezug jeden Monat mit einigen Tagen Verzögerung gezahlt. Nach § 4 Ziff. 1 des Mietvertrages war der Beklagte verpflichtet, jeweils spätestens am 3. Werktag den Mietzins zu begleichen. Hinsichtlich der Rechtzeitigkeit ist nach dieser genannten Bestimmung auf den Zeitpunkt des Zahlungseinganges abzustellen. Diese Klausel ist wirksam und verstößt nicht gegen das AGBG (vgl. Schultz ZMR, 1987, 41 ff. mit weiteren Nachweisen).</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">In dem genannten Zeitraum wurde der Beklagte durch die Rechtsvorgängerin des Klägers insgesamt sechsmal wegen seines pflichtwidrigen Verhaltens abgemahnt und darauf hingewiesen, daß es für die Rechtszeitigkeit auf den Zeitpunkt der Ankunft des Geldes ankomme. Ferner wurden dem Beklagten wegen seines "permanenten Vertragsbruches” weitere rechtliche Schritte, insbesondere auch die Kündigung angedroht. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat auf diese Mahnungen nicht reagiert, vielmehr auch nach der erfolgten Kündigung zum Teil verspätet den Mietzins gezahlt. Dieses Verhalten läßt den Rückschluß auf eine Hartnäckigkeit des Beklagten zu und birgt eine Vermutung in sich, daß der Beklagte auch in Zukunft seinen vertraglichen Pflichten nicht in vollem Umfange nachkommen wird. </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Terminüberschreitungen werden auch nicht dadurch entschuldigt, daß der Beklagte Sozialhilfeempfänger ist. Denn nach seinem eigenen Vorbringen erhält er die Leistungen des Sozialamtes jeweils am Rnde eines Monats, so daß er durchaus in der Lage wäre, den Mietzins pünktlich am Anfang des nächstfolgenden Monats zu entrichten. Im übrigen wäre es dem Beklagten zuzumuten gewesen, bei eventuellen Schwierigkeiten den Kläger bzw. dessen Rechtsvorgängerin auf diese Probleme hinzuweisen und eine einvernehmliche Änderung des Zahlungstermins zu vereinbaren.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Nach alledem ist dem Kläger wegen des ständig vertragswiderigen Verhaltens des Beklagten nicht zuzumuten, an dem Mietverhältnis festzuhalten.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung des Beklagten ist das Kündigungsrecht des Klägers nicht deshalb ausgeschlossen, weil er erst seit August 1986 Eigentümer des streitgegenständlichen Anwesens ist, die unpünktlichen Zahlungen teilweise vor diesem Zeitpunkt erfolgt und die Abmahnungen noch vom früheren Eigentümer ausgesprochen worden sind. Denn unstreitig hat der Beklagte auch nach der Übergang der Nutzungen und Lasten auf den Kläger als neuen Eigentümer sich vertragsbrüchig verhalten. Die Voraussetzungen des Kündigungsrechtes nach § 554 a BGB sind somit zumindest teilweise auch in der Person des Klägers erfüllt worden, wann nach herrschender Meinung ausreichend ist (vgl. Emmerich/Sonnenschein, Mietrecht, 2. Bearbeitung 1981, § 571 Randnummer 62 a). Insofern ist es auch unschädlich, daß nicht der Kläger selbst, sondern seine Rechtsvorgängerin den Beklagten angemahnt hat.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Nach alledem ist der Beklagte infolge der wirksamen fristlosen Kündigung seitens des Klägers verpflichtet, die von ihm angemietete Wohnung zu räumen und geräumt an den Kläger herauszugeben, § 556 BGB.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Einer Entscheidung über den vom Amtsgericht Mülheim bereits zuerkannten Anspruch des Klägers auf Räumung des zusätzlichen Kellerraumes bedarf es nicht mehr, da die insoweit eingelegte Anschlußberufung des Beklagten zurückgenommen und das Urteil des Amtsgerichts Mülheim in diesem Umfang rechtkräftig geworden ist.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.</p>
|
315,442 | olgk-1987-09-08-ss-44087 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
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"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | Ss 440/87 | 1987-09-08T00:00:00 | 2019-03-13T14:55:52 | 2019-03-27T09:43:07 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1987:0908.SS440.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>I. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.</p>
<p></p>
<p>II. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht Köln zurückverwiesen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Durch Bußgeldbescheid vom 29.12.1986 ist gegen den Betroffenen eine Geldbuße von 60,00 DM festgesetzt worden, weil er am 27.10.1986 in K. mit einem PKW die zulässige Geschwindigkeit überschritten haben soll. Das Amtsgericht hat das Amtsgericht Koblenz gem. § 73 Abs. 3 OWiG um kommissarische Vernehmung des Betroffenen gebeten. Der Betroffene hat bei seiner Vernehmung in Koblenz zur Sache ausgesagt und auf seine schriftliche Äußerung vom 26.11.1986 verwiesen, wonach die Geschwindigkeitsüberschreitung durch einen technischen Defekt (Klemmen des Gaszuges) verursacht worden sein soll. Das Amtsgericht hat daraufhin Termin zur Hauptverhandlung bestimmt, das persönliche Erscheinen des Betroffenen angeordnet und im Hauptverhandlungstermin den Einspruch gem. § 74 Abs. 2 OWiG verworfen, da der Betroffene ausblieb.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Mit dem Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wird gerügt, die Anordnung des persönlichen Erscheinens sei unzulässig gewesen, da dem Betroffenen das Erscheinen in der Hauptverhandlung nicht zuzumuten gewesen sei; aus diesem Grund sei er auch kommissarisch vernommen worden; das Amtsgericht habe bei dieser Sachlage den Einspruch nicht verwerfen dürfen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die ordnungsgemäß (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) erhobene Verfahrensrüge führt zur Zulassung der Rechtsbeschwerde und zur Aufhebung des Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht. Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, weil es geboten ist, das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG).</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Grundsätzlich kann nach § 80 Abs. 2 OWiG in der seit 1.4.1987 geltenden Fassung die Rechtsbeschwerde nicht wegen der Anwendung von Rechtsnormen über das Verfahren zugelassen werden, wenn - wie hier - gegenüber dem Betroffenen nur eine Geldbuße von nicht mehr als 75,00 DM festgesetzt worden ist. Wie sich aus dem Vergleich des Wortlauts von § 80 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 1 OWiG ergibt, betrifft die Beschränkung des § 80 Abs. 2 OWiG jedoch nicht die Fälle der Versagung des rechtlichen Gehörs (vgl. Göhler, OWiG, 8. Aufl., § 80 Rn. 16 i). Die vom Betroffenen erhobene Verfahrensrüge beinhaltet zugleich die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs. Die Rüge ist auch begründet.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Ein Betroffener muß ebenso wie ein Beschuldigter im Rahmen der von der Verfahrensordnung aufgestellten, angemessenen Regeln, die Möglichkeit haben und auch tatsächlich ausüben können, auf das Verfahren einzuwirken, sich persönlich zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen zu äußern, entlastende Umstände vorzutragen, sowie deren umfassende und erschöpfende Nachprüfung und ggfs. auch Berücksichtigung zu erreichen (BVerfGE 63, 332, 337). Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs gebietet, daß das Gericht von der Stellungnahme des Gehörten Kenntnis nimmt und sie in Erwägung zieht (BVerfGE 21, 46, 48; 36, 97; BGHSt 28, 44 = NJW 1978, 1984 = VRS 55, 440). Art. 103 Abs. 1 GG gewährt allerdings keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen (BVerfGE 21, 191, 194; 70, 288, 294). Die Ausgestaltung des rechtlichen Gehörs im einzelnen ist der jeweiligen Verfahrensordnung überlassen (BGHSt 28, 44). Für das Bußgeldverfahren findet sich die Regelung in §§ 73, 74 OWiG: Die Gelegenheit zur Stellungnahme wird dem Betroffenen durch die Ladung zum Termin eröffnet, in der er auf die Möglichkeit der Entscheidung in seiner Abwesenheit hingewiesen wird (§ 74 Abs. 3 OWiG); er kann dann in der Hauptverhandlung erscheinen oder eine schriftliche Erklärung zur Sache abgeben, deren wesentlicher Inhalt in der Hauptverhandlung bekannt gegeben werden muß, oder sich in der Hauptverhandlung durch einen schriftlich bevollmächtigten Verteidiger vertreten lassen (vgl. BGHSt 28, 44). Unter Umständen hat der Betroffene auch Anspruch auf Vernehmung durch einen ersuchten Richter (BayObLG VRS 44, 361 und 71, 207). Bei weiter Entfernung vom Gerichtsitz tritt das Recht auf Vernehmung durch einen ersuchten Richter an die Stelle des umfassenderen Rechts auf Teilnahme an der Hauptverhandlung (BayObLG VRS 50, 51; 71, 207). Eine Einschränkung ergibt sich jedoch aus § 74 Abs. 2 OWiG, wonach das Amtsgericht den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ohne sachliche Prüfung der Beschuldigung verwerfen kann, wenn der Betroffene, dessen persönliches Erscheinen angeordnet war, ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben ist. Diese Regelung verletzt Art. 103 Abs. 1 GG nicht. Dem Betroffenen wird durch die Anordnung des persönlichen Erscheinens eine persönliche Mitwirkungspflicht zur Aufklärung des Sachverhalts auferlegt; lehnt er es durch sein unentschuldigtes Ausbleiben ab, in dem vom Gericht für erforderlich gehaltenen Umfang zur Aufklärung des Sachverhalts beizutragen, ist das Gericht von der Pflicht entbunden, die Beschuldigung zu prüfen (BVerfG DAR 1971, 156). Dies kann jedoch nur gelten, wenn die Anordnung des persönlichen Erscheinens zulässig war.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Anordnung des persönlichen Erscheinens ist insbesondere dann nicht zulässig - mit der Folge, daß der Einspruch auch nicht nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen werden darf -, wenn dem Betroffenen das Erscheinen in der Hauptverhandlung nicht zumutbar ist, weil es wegen der weiten Entfernung zwischen Wohn- und Gerichtsort mit Kosten, Mühen und Zeitaufwand verbunden ist, die außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache stehen, es sei denn, die gebotene Sachaufklärung kann nur durch die persönliche Anwesenheit der Betroffenen in der Hauptverhandlung erreicht werden (BGH NJW 1981, 2133 = VRS 61, 377; BayObLG VRS 65, 210; OLG Hamm VRS 54, 448; OLG Stuttgart VRS 61, 135; OLG Köln, 3. Strafsenat, VRS 60, 464; Senatsentscheidung vom 10.5.1983 - 1 Ss 271/83 = Strafverteidiger 1984, 18; Senatsentscheidung vom 20.6.1984 - 1 Ss 79/84). Unzulässig ist die Anordnung des persönlichen Erscheinens darüberhinaus, wenn dies nicht zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen kann (BayObLG VRS 65, 210 und NStZ 1986, 368). Keinesfalls darf die Anordnung des persönlichen Erscheinens dazu dienen, dem Tatrichter nur die Möglichkeit einer Verwerfung des Einspruchs ohne Sachprüfung zu eröffnen (BayObLG VRS 65, 210; OLG Stuttgart VRS 58, 436; 61, 135; OLG Köln, 3. Strafsenat, VRS 60, 464; Senatsentscheidung Strafverteidiger 1984, 18). Wenn dem Betroffenen ein persönliches Erscheinen in der Hauptverhandlung nicht zugemutet werden kann, würde die mit der Androhung der Einspruchsverwerfung verbundene Anordnung des persönlichen Erscheinens dem Betroffenen die Wahrnehmung seiner Rechte in einer Weise erschweren, die im Ergebnis auf eine Rechtsverweigerung hinauslaufen würde (OLG Hamm VRS 54, 444, 449).</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Eine nach diesen Grundsätzen unzulässige Einspruchsverwerfung verletzt nicht nur einfaches Verfahrensrecht, sondern verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn die Einspruchsverwerfung dazu führt, daß eine sachliche Einlassung des Betroffenen unberücksichtigt bleibt. Hat der Betroffene sich zur Beschuldigung geäußert - sei es schriftlich, sei es bei einer kommissarischen Vernehmung -, so verbietet der Grundsatz des rechtlichen Gehörs, daß sein Vorbringen aufgrund einer vom Gesetz nicht gedeckten Verfahrensweise unberücksichtigt bleibt. Der Anspruch des Betroffenen auf sachliche Würdigung seines Vorbringens darf nicht durch eine unzulässige Einspruchsverwerfung seines Inhalts beraubt werden.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Nach diesen Grundsätzen hat das Amtsgericht im vorliegenden Fall gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verstoßen. Es hat das Verteidigungsvorbringen des Betroffenen unberücksichtigt gelassen, indem es ohne sachliche Prüfung der Beschuldigung den Einspruch nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen hat. Das Amtsgericht durfte im vorliegenden Fall den Einspruch nicht verwerfen, da die Anordnung des persönlichen Erscheinens unzulässig war. Dem Betroffenen, der in Koblenz wohnt, war nicht zuzumuten, wegen eines Verkehrsverstoßes, für den im Bußgeldbescheid eine Geldbuße von nur 60,00 DM festgesetzt worden war, zur Hauptverhandlung nach Köln zu fahren, nachdem er bei seiner kommissarischen Vernehmung durch den Richter in Koblenz die Geschwindigkeitsüberschreitung eingeräumt und zur Verteidigung lediglich darauf verwiesen hatte, daß ein technischer Fehler ursächlich für die Geschwindigkeitsüberschreitung gewesen sei. Dadurch, daß das Amtsgericht zunächst selbst gem. § 73 Abs. 3 OWiG die Vernehmung des Betroffenen durch einen ersuchten Richter angeordnet hatte, hatte es selbst zu erkennen gegeben, daß dem Betroffenen ein Erscheinen in der Hauptverhandlung nicht zuzumuten war. Das Ergebnis der kommissarischen Vernehmung gab keinen Anlaß, das persönliche Erscheinen des Betroffenen in der Hauptverhandlung zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts anzuordnen. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens konnte in diesem Fall nur dazu dienen, die Möglichkeit einer Einspruchsverwerfung zu schaffen. Das ist aber - wie oben ausgeführt - unzulässig. Durch die unzulässige Verwerfung des Einspruchs hat das Amtsgericht die sachliche Würdigung der Einlassung des Betroffenen verhindert, so daß das Urteil wegen Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs aufzuheben ist.</p>
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315,443 | olgk-1987-09-07-14-uf-12087 | {
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"name": "Oberlandesgericht Köln",
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"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 14 UF 120/87 | 1987-09-07T00:00:00 | 2019-03-13T14:55:54 | 2019-03-27T09:43:06 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1987:0907.14UF120.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beschwerde wird zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beschwerdeführerin zu tragen.</p>
<p></p>
<p>Der Antragstellerin wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. M. in L. Prozeß-kostenhilfe zur Verteidigung gegen die Beschwerde bewilligt.</p>
<p></p>
<p>Der Beschwerdewert wird auf 1.000,-- DM festgesetzt.</p>
<p></p>
<p></p>
<p></p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">G r ü n d e:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Durch das angefochtene (Verbund-) Urteil, auf das Bezug genommen wird, hat das Familiengericht die Ehe der Parteien geschieden und unter anderem den Versorgungsausgleich durchgeführt. Als Versorgungsausgleich hat es Rentenanwartschaften von 117,35 DM bei der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz zugunsten der Ehefrau</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">(Antragstellerin) übertragen und weiter für sie Rentenanwartschaften von 6,18 DM begründet, letzteres zu Lasten der bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder für den Ehemann (Antragsgegner) bestehenden Versorgungsanwartschaft, bestehend in einer Anwartschaft auf Versicherungsrente von ehezeitanteilig 111,18 DM entsprechend 12,36 DM Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die - förmlich nicht zu beanstandende – Beschwerde der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder rügt Verletzung von § 3 c VAHRG. Der Betrag der begründeten</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Anwartschaften liege unter der Bagatellgrenze von hier 7,18 DM. Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung müßten solche Ausgleichsbeträge im allgemeinen entfallen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin beantragt. Zurückweisung der Beschwerde, weil der Wegfall der begründeten Anwartschaften ihr nachteilig sein werde, wenn der am 29. Mai 1951</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">geborene Antragsgegner aus dem öffentlichen Dienst ausscheide, und weil sie die Wartezeit auf das flexible Altersruhegeld mit den begründeten Rentenanwartschaften</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">früher erreichen könne.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Antragsgegner hat sich am Beschwerdeverfahren nicht beteiligt.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz hat mitgeteilt, daß Bedenken gegen den Ausschluß der begründeten Anwartschaften nicht bestünden, die Wartezeit nach den §§ 1247 Abs. 3 bund 1248 Abs. 7 RVO werde durch die Anwartschaftsbegründung nicht erreicht.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Wegen aller Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die im Beschwerderechtszug eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist unbegründet. Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin ist § 3 c VAHRG im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Der Senat braucht deshalb nicht die Frage zu beantworten, ob ein Versorgungsträger in seinen Rechten beeinträchtigt ist (§ 20 FGG ) ,wenn das Familiengericht von der ihm zur Regelung des Verhältnisses</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">der Eheleute zueinander durch § 3 c VAHRG eingeräumten Befugnis ("kann ... ausschließen") keinen Gebrauch gemacht hat.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Eine Ausschließungsbefugnis nach der genannten Vorschrift besteht nur, wenn das Anrecht, um dessen Ausgleich es geht, die bestimmte Grenze nicht übersteigt. Die Formulierung ist eindeutig. Der Bagatellgrenze muß das "Anrecht" unterfallen, nicht der Ausgleichsbetrag (ebenso Wagenitz, FamRZ 87, 8). Der in der Literatur vertretenen Meinung, mit Rücksicht auf die mit ihr bezweckte Verwaltungsvereinfachung müsse die Vorschrift , dahin verstanden werden, daß die Ausschließung erfolgen könne, wenn der Betrag des vorzunehmenden Ausgleichs die Bagatellgrenze nicht überschreite ( Ruland, NJW 87, 375; Glockner, FamRZ 87, 330; Michaelis und Sanders, DAngVers, 87, 86 (89)),kann nicht gefolgt werden. Dieses Verständnis der Vorschrift würde so weit von ihrem Wortlaut abweichen, daß schon gewichtige Anhaltspunkte dafür vorliegen</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">müßten, daß die Gesetzesfassung auf einem Redaktionsversehen beruht und in Wahrheit etwas anderes als ausgedrückt gewollt ist. Solche Anhaltspunkte fehlen jedoch.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Gesetzesfassung beruht auf der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses (BT- Drucksache10/6369) , und entspricht in dem hier fraglichen Teil ihrer Formulierung der Regierungsvorlage (BT-Drucksache 10/5447 § 3 b Abs. 3). In der Begründung der Regierungsvorlage (zu Art. 1 Nr. 3 (zu § 3 b Abs. 3)) heißt es, die Anwendung der Bestimmung komme dann in Betracht, "wenn das (abgezinste) auszugleichende Anrecht entweder von vornherein weniger betragen hat oder nach Abzug der" durch begrenztes Supersplitting und Kapitalabfindung "bereits ausgeglichenen Teilbeträge" die in dem Entwurf vorgesehene Grenze nicht überschreite. In dem Bericht zur Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses (zu Art. 2 Nr. 3 (§ 3 c VAHRG)) heißt es, die Ausschließungsmöglichkeit bestehe, "soweit ein Anrecht auszugleichen wäre, das einen bestimmten Monatsbetrag... nicht übersteigt". Beide Begründungen decken sich in dem hier fraglichen Punkt mit der Gesetz gewordenen Fassung der Vorschrift und geben keinen Anhaltspunkt für die Annahme, der Gesetzgeber habe nicht auf das auszugleichende Anrecht sondern auf den Ausgleichsbetrag abstellen wollen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Eine Auslegung im letzteren Sinne ist auch nicht mit Rücksicht auf den von den oben genannten Autoren herausgestellten Zweck der Vorschrift geboten. Gewiß soll das Versorgungsausgleichsverfahren durch Vermeidung von gesonderten Leistungen, Kürzungen und Erstattungen bei kleineren Beträgen vereinfacht werden, wie es in der Begründung der Regierungsvorlage heißt. Auch in dem Bericht zur Ausschlußempfehlung ist von der Abwägung der Belange der Verwaltungseffizienz gegen das Interesse des Berechtigten die Rede. Diese Zweckbestimmung der Vorschrift bedeutet aber nicht, eine Entlastung der Versorgungsträger von dem mit dem Versorgungsausgleichsverfahren</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">verbundenen Verwaltungsaufwand in jeder vielleicht wünschenswerten Weise als gesetzlich bestimmt zu erachten. Eine Verminderung des Verwaltungsaufwandes wird auch dann erreicht, wenn die Ausschließungsmöglichkeit auf die Fälle begrenzt bleibt, in denen die in die Ausgleichsbilanz einzustellenden (oder nach Ausgleich auf andere Weise darin verbliebenen) Anrechte unter der Bagatellgrenze liegen. In solchen Fällen auf den Ausgleich zu verzichten, wird den Berechtigten im allgemeinen zumutbar sein, da es für sie nur um die Hälfte des ohnehin geringfügigen Betrages geht. Wenn dagegen die Bagatellgrenze des Gesetzes auf den Ausgleichsbetrag anzuwenden wäre, kann eine Zumutbarkeit im allgemeinen nicht mehr angenommen werden, zumal</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">dann, wenn sich in mehreren Ausgleichsformen mehrere Ausgleichsbeträge ergeben die alle für sich unterhalb der Grenze des § 3 c VAHRG liegen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Für den hier zu entscheidenden Fall kann § 3 c VAHRG im dargestellten Verständnis des Senats nicht zu einer Ausschließung des Ausgleichs hinsichtlich der Anwartschaft</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">auf Versicherungsrente des Antragsgegners führen. Der in Beträgen der gesetzlichen Rentenversicherung ausgedrückte Wert dieses Anrechts ist mit 12,36 DM errechnet</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">und übersteigt daher die Bagatellgrenze von hier 7,18 DM.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 ZPO, die über die Zulassung der weiteren Beschwerde auf § 621 e Abs. 2, § 546 Abs. 1 Satz 2 ZPO.</p>
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315,444 | olgham-1987-08-27-1-vas-3787 | {
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"name": "Oberlandesgericht Hamm",
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"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 1 VAs 37/87 | 1987-08-27T00:00:00 | 2019-03-13T14:55:56 | 2019-03-27T09:43:06 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1987:0827.1VAS37.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Staatsanwaltschaft Wuppertal wird verpflichtet, dem Verteidiger des Betroffenen Einsichtnahme in die in der richterlichen Niederschrift vom 23.2.1987 - 8 a 139/87 AG Wuppertal - in Bezug genommenen polizeilichen Vernehmungen vom 2.2.1987 bis 11.2.1987 betreffend den Zeugen ... zu gewähren.</p>
<p>Die Landeskasse trägt die Kosten des Verfahrens und die dem Betroffenen erwachsenen notwendigen Auslagen. Der Geschäftswert wird auf 5.000,00 DM festgesetzt.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Staatsanwaltschaft Wuppertal führt u.a. gegen den Betroffenen ein Ermittlungsverfahren, in dem am 23.2.1987, als weder der Betroffene noch sein Verteidiger über die Existenz des Verfahrens Kenntnis hatten, der Zeuge ..., der zuvor in der Zeit vom 2.2.1987 bis zum 11.2.1987 Aussagen vor der Polizei gemacht hatte, richterlich vernommen worden war. Nach der Niederschrift vom 23.2.1987 über diese Vernehmung machte der Zeuge im Zusammenhang seine Aussage über sein Wissen über den Betroffenen und zwei weitere Beschuldigte. Weiterhin wurde dem Zeugen anschließend Gelegenheit gegeben, etwa 1 1/2 Stunden lang die Niederschriften über seine Aussagen vor der Polizei, die er in der Zeit vom 2.2. bis 11.2.1987 gemacht hatte, durchzulesen. Der Zeuge erklärte danach, daß die zuvor vor dem Vernehmungsrichter im Zusammenhang gemachte Aussage richtig sei und in den wesentlichen Punkten mit seinen polizeilichen Aussagen übereinstimme. Des weiteren ergänzte und erläuterte er seine Aussagen und sagte darüberhinaus auf Vorhalt zu verschiedenen Einzelpunkten aus.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Staatsanwaltschaft Wuppertal hat auf Antrag des Verteidigers durch die angefochtenen Bescheide lediglich die Einsichtnahme in die richterliche Niederschrift vom 23.2.1987 gewährt, im übrigen jedoch jedes darüberhinausgehende Einsichtsbegehren des Verteidigers wegen Gefährdung des Untersuchungszwecks abgelehnt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Mit dem vorliegenden, zunächst an das Oberlandesgericht Düsseldorf gerichteten, jedoch noch rechtzeitig beim Oberlandesgericht Hamm als dem gemäß §§ 25 Abs. 2 EGGVG i.V.m. dem Gesetz vom 8.11.1960 (GVBl. NW 1960 S. 352) für Entscheidungen gemäß §§ 23 ff EGGVG zuständigen Gericht eingegangenen Antrag verfolgt der Betroffene das Ziel, Einsichtnahme in die polizeilichen Vernehmungen betreffend den Zeugen ... zu erhalten, die in der Zeit vom 2.2.-11.2.1987 erfolgt sind.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Antrag ist zulässig. Die Weigerung der Staatsanwaltschaft, dem Verteidiger Akteneinsicht gemäß § 147 Abs. 2 StPO zu gewähren, ist im Verfahren nach den §§ 23 ff EGGVG überprüfbar (vgl. OLG Celle NStZ 1983, 379). Allerdings hat der Senat die Weigerung der Staatsanwaltschaft gemäß § 147 Abs. 2 StPO, Akteneinsicht zu gewähren, im Verfahren nach den §§ 23 ff EGGVG für nicht überprüfbar erachtet (vgl. OLG Hamm MDR 1984, 514 = NStZ 1984, 280 = GA 1984, 290 jeweils m.w.N.; so auch OLG Hamm StrVert. 1986, 422; NJW 1972, 1586). Das ist auch verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfG NStZ 1984, 228). Die Kritik von Welp (Str.Vert. 1986, 446) gibt dem Senat keine Veranlassung, seine Auffassung zu ändern. Anders liegt jedoch der Fall, wenn Akteneinsicht in die in § 147 Abs. 3 StPO genannten Beweisunterlagen verweigert wird. Die Rechtsschutzgewährung gemäß §§ 23 ff EGGVG im Falle des Vorenthaltens der in § 147 Abs. 3 StPO genannten Beweismittel ist die logische Folgerung aus dem Anspruch des Verteidigers auf <u>sofortige</u> Akteneinsicht. Hier hat der Gesetzgeber ausdrücklich den uneingeschränkten Zugang des Verteidigers zu den speziellen Beweismitteln gewährt, den die Staatsanwaltschaft auch nicht unter Berufung auf die Gefährdung des Untersuchungszwecks verweigern darf (Kleinknecht-Meyer, StPO, 38. Aufläge, Rz. 22; KMR-Müller Rz. 8; Löwe-Rosenberg-Dünnebier, StPO, 23. Auflage, Rz. 22; Laufhütte KK Rz. 10 und 11; jeweils zu § 147 StPO). Für die Gewährung sofortigen Rechtsschutzes spricht auch der Umstand, daß durch die gesetzeswidrige Vorenthaltung der in § 147 Abs. 3 bezeichneten Unterlagen der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt wird (BVerfG NJW 1965, 1172). Einer Vorlage der Sache gemäß § 121 Abs. 2 - GVG an den Bundesgerichtshof wegen der Entscheidung des OLG Hamburg (Str.Vert. 1986, 422, 423) bedarf es nicht, denn in dieser Entscheidung wird § 147 Abs. 3 StPO lediglich für den Fall, daß Übersetzungen als Sachverständigengutachten zu qualifizieren sein sollten, restriktiv ausgelegt.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Antrag ist auch begründet.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Staatsanwaltschaft hat dem Verteidiger des Betroffenen gemäß § 147 Abs. 3 StPO Akteneinsicht auch in die Protokolle über die polizeilichen Vernehmungen des Zeugen ..., die in der Zeit vom 2.2.-11.2.1987 angefertigt wurden, zu gewähren. Mit der Aushändigung der richterlichen Niederschrift vom 23.2.1987 an den Verteidiger war das Akteneinsichtsbegehren nicht erfüllt. Denn zu Recht verlangt der Verteidiger darüberhinaus auch Einsicht in die in der Niederschrift vom 23.2.1987 in Bezug genommenen polizeilichen Vernehmungen vom 2.2.-11.2.1987. Entgegen der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf sind die dem Verteidiger bisher vorenthaltenen polizeilichen Protokolle aus der Zeit vom 2.2.-11.2.1987 Bestandteil der Niederschrift über die richterliche Vernehmung des Zeugen .... Der Zeuge hat zunächst vor dem Richter eine zusammenhängende Aussage über sein gesamtes den Fall betreffendes Wissen gemacht. Diese Aussage ist nicht protokolliert worden. Sodann hat der Zeuge die polizeilichen Protokolle selbst durchgelesen und nunmehr - ersichtlich mit Billigung des Richters - erklärt, seine richterliche Aussage stimme in den wesentlichen Punkten mit den polizeilichen Aussagen überein. Damit sind diese polizeilichen Protokolle als Darstellungsersatz im richterlichen Protokoll in Bezug genommen, mithin im vorliegenden Fall, zu dessen Bestandteil geworden. Dieses Ergebnis wird auch nicht dadurch infrage gestellt, daß die polizeilichen Protokolle dem Zeugen nicht vorgelesen worden, sondern von ihm selbst gelesen worden sind. Ob im Hinblick auf die Rechtsprechung des BGH (NJW 1952, 1027; BGHSt 6, 279; BGHSt 7, 73, 74; BGH GA 1987, 262) ein so gefaßtes richterliches Protokoll gemäß § 251 StPO verwertbar ist, ist für die hier zu entscheidende Frage, ob polizeiliche Vernehmungen Gegenstand der richterlichen Vernehmung waren und Inhalt des richterlichen Protokolls sind und mithin ein Einsichtsrecht des Verteidigers besteht, nicht von Bedeutung.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Unerheblich ist auch der Hinweis der Staatsanwaltschaft Wuppertal, im Zeitpunkt der richterlichen Vernehmung des Zeugen ... sei Rechtsanwalt Lein noch nicht Verteidiger des Beschuldigten gewesen. Auf den Zeitpunkt der Verteidigerbestellung kann es nicht ankommen, da das Gesetz hierauf nicht abstellt, vielmehr es ausreichend sein laut, daß einem Verteidiger die Anwesenheit bei der jeweiligen Vernehmung hätte gestattet werden müssen. Das war hier gemäß § 168 c StPO der Fall (vgl. Kleinknecht/Meyer, StPO, 38. Aufl., § 168 c, RN 5 a.E.).</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 30 EGGVG, 30, 130 KostO.</p>
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315,445 | olgham-1987-08-19-5-u-18887 | {
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<p>Der Antrag der Kläger vom 7. August 1987, die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde vom 11. Februar 1986 einstweilen einzustellen, wird abgelehnt.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Gründe:</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Dem Einstellungsantrag gem. § 769 ZPO konnte nicht entsprochen werden, da die Berufung der Kläger aussichtslos ist.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat mit zutreffender Begründung - mit der sich die Kläger nicht auseinandergesetzt haben und auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird - dargelegt, daß die Klageerhebung durch Rechtsanwalt xxx in xxx nichtig und nicht genehmigungsfähig, die erhobene Vollstreckungsgegenklage mithin unzulässig<b> </b>ist. In der vom Landgericht zitierten Entscheidung des OLG Köln (Anw. Bl. 1980, 70/71) wurde die Nichtigkeit von Prozeßhandlungen eines nach § 45 Nr. 4 BRAO ausgeschlossenen Rechtsanwaltes überzeugend begründet, wobei der in solchen Fällen bestehende Interessenkonflikt nach Sinn und Zweck der im öffentlichen Interesse erlassenen Vorschrift zutreffend gelöst wurde. Eine Heilung der nichtigen Prozeßhandlungen durch Genehmigung eines anderen Rechtsanwaltes ist nicht möglich. Schon nach allgemeinen Grundsätzen sind nichtige Geschäfte einer Genehmigung nicht zugänglich. Im vorliegenden Falle würde zudem durch die Zulassung einer Genehmigung der Zweck der zwingenden öffentlich-rechtlichen, dem öffentlichen Interesse dienenden Vorschrift des § 45 Nr. 4 BRAO unterlaufen, da dann die vom Gesetzgeber ausdrücklich mißbilligten Prozeßhandlungen des ausgeschlossenen Rechtsanwaltes gleichwohl Bestandteil des Prozesses blieben (vgl. hierzu auch B Verf.G 8, 92 f. (94/95), - OLG Köln, MDR 1982, 1024). Das Landgericht hat daher die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Kläger werden durch diese Rechtsauffassung nicht benachteiligt oder gar rechtlos gestellt, im Gegenteil: Sie können jederzeit die aussichtslose Berufung zurücknehmen, beim Landgericht - viel kostengünstiger - eine neue, zulässige Vollstreckungsgegenklage mit einem Einstellungsantrag gem. § 769 ZPO erheben - sofern sie sich materiell Erfolg davon versprechen - und sich wegen der Kosten der nichtigen, unzulässigen Prozeßführung ggf. bei dem dafür Verantwortlichen schadlos halten.</p>
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