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---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
315,146 | olgham-1990-01-31-10-uf-28589 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
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} | 10 UF 285/89 | 1990-01-31T00:00:00 | 2019-03-13T14:47:33 | 2022-10-18T15:08:59 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1990:0131.10UF285.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 26. Juni 1989 wird das am 26. Mai 1989 verkündete Urteil des Amtsgerichts Recklinghausen abgeändert.</p>
<p>Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin die folgenden monatlichen Ausgleichsrenten, die künftigen monatlich jeweils im voraus zahlbar, zu zahlen:</p>
<p></p>
<p>1.</p>
<p>für die Zeit vom 1. August 1986 bis 30. Juni 1987 je 84,95 DM,</p>
<p></p>
<p>2.</p>
<p>für die Zeit vom 1. Juli 1987 bis 30. Juni 1988 je 88,20 DM,</p>
<p></p>
<p>3.</p>
<p>für die Zeit vom 1. Juli 1988 bis 30. Juni 1989 je 90,85 DM,</p>
<p></p>
<p>4.</p>
<p>für die Zeit ab 1. Juli 1989 je 93,55 DM.</p>
<p></p>
<p>Die Gerichtskosten des gesamten Verfahrens tragen beide Parteien je zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.</p>
<p>Der Beschwerdewert wird auf 1.122,60 DM festgesetzt.</p>
<p></p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Gründe</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Parteien waren Eheleute. Ihre am 17.7.1975 geschlossene Ehe wurde durch Urteil des Amtsgerichts Recklinghausen vom 22.5.1981, rechtskräftig seit dem 04.09.1981, geschieden (45 F 46/80). Statt der Übertragung von Rentenanwartschaften von monatlich 68,75 DM, bezogen auf den 31.8.1980, wurde hinsichtlich des Versorgungsausgleichsbetrages der schuldrechtliche Versorgungsausgleich angeordnet.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Vorliegend begehrt die Antragstellerin die Zahlung des -fortgeschriebenen - Versorgungsausgleichsbetrages.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Durch das angefochtene Urteil, auf das wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens und wegen der Begründung verwiesen wird, hat das Amtsgericht das Begehren der Antragstellerin abgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit ihrem Rechtsmittel, das sie im einzelnen, wie folgt, begründet:</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Da es sich vorliegend nicht um einen Unterhaltsanspruch handele, gelte auch der Selbstbehalt für den Leistungspflichtigen nicht.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Antragsgegner sei gehörig in Verzug gesetzt worden.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">abändernd den Antragsgegner zu verurteilen, als schuldrechtlichen Versorgungsausgleich an sie folgende Beträge zu zahlen:</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">für die Zeit vom 1.8.1986 bis 30.6.1987 je 84,95 DM monatlich,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">für die Zeit vom 1.7.1987 bis 30.6.1988 je 88,20 DM monatlich,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">für die Zeit vom 1.7.1988 bis 30.6.1989 je 90,85 DM monatlich,</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">4.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">für die Zeit ab 1.7.1989 je 93,55 DM monatlich.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Der Antragsgegner beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">die Beschwerde zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Er trägt vor:</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Es handele sieh vorliegend nicht um die Geltendmachung eines Anspruchs auf schuldrechtlichen Versorgungsausgleich, sondern um eine Klage auf Unterhalt im Zivilprozeß. Eine Auslegung des erstinstanzlichen Begehrens im Sinne eines Antrages auf Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs scheide aus.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Soweit es auch im Rechtsmittelverfahren um einen Unterhaltsanspruch gehe, sei er nicht leistungsfähig.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Gehe es um den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich, so treffe grundsätzlich zu, daß der unterhaltsrechtliche Selbstbehalt keine Bedeutung habe. Jedoch sei die Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs unbillig. Die Ausgleichsberechtigte schweige sich über ihre eigenen Einkommensverhältnisse aus.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Es geht um die Regelung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs gemäß § 1584 ff BGB. Das Verfahren unterliegt den Vorschriften des Gesetzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit und damit dem Amtsermittlungsgrundsatz des § 12 FGG. Die Stellung eines bezifferten Antrages ist nicht erforderlich, da der Antrag hier nicht Sachantrag, sondern nur Verfahrensvoraussetzung ist. Eine Bindung an die Höhe eines bezifferten Antrages findet nicht statt (Johannsen/Henrich/Hahne, Eherecht, § 1587f Rz. 19). Aus der Natur des Verfahrens als eines solchen der freiwilligen Gerichtsbarkeit folgt, daß als Rechtsmittel die befristete Beschwerde einzulegen ist (§§ 621 e Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 6, 621 a Abs. 1 ZPO). Der Statthaftigkeit der Beschwerde steht nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung nicht entgegen, wenn das Amtsgericht, wie hier, unzutreffend die Regelung des schuld-rechtlichen Versorgungsausgleichs durch Urteil und nicht durch Beschluß vorgenommen hat (OLG Hamm FamRZ 1987, 290). Ebensowenig geht es nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung zu Lasten der Antragstellerin, daß sie die - unzutreffend - in Form eines Urteils ergangene erstinstanzliche Entscheidung mit der Berufung angreift.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Bei dem vorliegenden Verfahren hat es sich von vornherein um ein solches auf Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs gehandelt. Auch dann, wenn der Antrag auf' Zahlung von Unterhalt lautete, ergab sich aus der Begründung der Klageschrift, was gemeint war. Die unrichtige Behandlung durch das Amtsgericht ändert daran nichts.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Das Rechtsmittel der Antragstellerin ist im übrigen fristgemäß eingelegt und begründet worden.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Gemäß § 1587 g Abs. 1 BGB hat der (geschiedene) Ehegatte, dessen auszugleichende Versorgung die des anderen übersteigt, dem anderen (geschiedenen) Ehegatten als Ausgleich eine Geldrente in Höhe der Hälfte des jeweils übersteigenden Betrages zu entrichten. Die Rente kann erst dann verlangt werden, wenn beide Ehegatten eine Versorgung erlangt haben oder wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte eine Versorgung erlangt hat und der andere Ehegatte (...) das 65. Lebensjahr vollendet hat. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor. Wie sich bereits aus dem Scheidungsurteil vom 22.5.1981 (45 F 46/80 AG Recklinghausen) ergibt, hat der Antragsgegner in der Ehe Rentenanwartschaften in Höhe von 137,50 DM erworben, während die Antragstellerin Rentenanwartschaften nicht erworben hat. Bezogen auf das Ende der Ehezeit am 31.8.1980 stand der Antragstellerin mithin die Hälfte der vom Antragsgegner erworbenen Rentenanwartschaften, also ein Betrag von 68,75 DM zu.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Da es sich um ein Amtsverfahren handelt, sind die Wertänderungen zu beachten, welche die Ausgleichsrente inzwischen genommen hat, d.h. bei Renten der gesetzlichen Rentenversicherung, wie hier, sind die jährlichen Rentenanpassungen zu berücksichtigen (Johansen/Henrich/Hahne, a.a.O., § 1587 g Rz. 17). Aus dem bereits erstinstanzlich vorgelegten Schreiben der Bundesknappschaft vom 25.11.1986 ergibt sich, daß der auf die Antragstellerin entfallende Rentenanteil sich im Jahre 1986 auf 84,95 DM erhöht hatte. Die vom Senat eingeholte Auskunft der Bundesknappschaft vom 6.10.1989 belegt, daß der monatliche Betrag von 84,95 DM bis zum 30.6.1986 Bestand hatte, daß sich die Rente alsdann ab 1.7.1987 auf 88,20 DM monatlich, ab 1.7.1988 auf 90,85 DM monatlich und ab 1.7.1989 auf 93,55 DM monatlich belaufen hat bzw. beläuft.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Auch die weitere Voraussetzung des § 1587 g BGB liegt vor. Die am 22.3.1915 geborene Antragstellerin hat das 65. Lebensjahr bereits im Jahre 1980 vollendet.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Es kann dahingestellt bleiben, ob der Antragsgegner bei Leistung der im Ausspruch des vorliegenden Beschlusses aufgeführten Beträge unter den unterhaltsrechtlichen Eigenbedarf gerät. Der schuldrechtliche Versorgungsausgleich hat zwar unterhaltsrechtlichen Charakter, ist jedoch im Grundsatz nicht von der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten und von der Bedürftigkeit des Berechtigten abhängig (BGH, FamRZ 1985, 263 ff/265). Eine Ausnahme besteht nur für den Fall, daß der Ausgleichsberechtigte seinen angemessenen Unterhalt selbst anderweitig decken kann, also keinen Unterhaltsanspruch hat, und die Zahlung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs für den Verpflichteten eine unbillige Härte bedeuten würde, weil er im Gegensatz zum Berechtigten auf den Betrag der schuldrechtlichen Ausgleichsrente dringend angewiesen ist, § 1587 h Nr. 1 BGB (Johansen/Henrich/Hahne, a.a.O., § 1587 f, Rz 11; § 1587 h Rz 4 ff). Die Voraussetzungen dieser Ausnahme liegen nicht vor, da die Antragstellerin, wie sie durch Sozialamtsbescheinigung belegt hat, jedenfalls seit August 1986 (bis heute) laufende Hilfe zum Lebensunterhalt empfangen hat.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin kann die Ausgleichsrente auch ab August 1986 verlangen. Denn von da an befindet sich der Antragsgegner jedenfalls gegenüber dem Sozialamt der Stadt im Verzug. Den Anspruch des Sozialamtes aber macht die Antragstellerin für die Vergangenheit geltend. Das Sozialamt hat nämlich die Ansprüche der Antragstellerin auf "Zahlung eines Versorgungsausgleichsbetrages" am 22.10.1986 auf sich übergeleitet. In dieser Überleitungsanzeige ist eine zugleich damit verbundene und als Mahnung wirkende Rechtswahrungsanzeige zu sehen (vgl. BGH FamRZ 1983, 895 ff/896). Alsdann kann die Inanspruchnahme des Ausgleichspflichtigen frühestens vom Erlaß des Sozialhilfebescheides, der hier am 22.01.1985 ergangen ist, erfolgen (BGH, FamRZ 1985, 793). Die weitere Voraussetzung der Unverzüglichkeit der schriftlichen Mitteilung über die Gewährung von Sozialhilfe ist in Bezug auf die Leistungen ab August 1986 noch gewährt.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">An die Bestimmtheit der gemäß §§ 1585 b Abs. 2, 1587 k Abs. 1 BGB für die Geltendmachung von Ausgleichsansprüchen für die Vergangenheit erforderlichen Mahnung sind keine strengen Anforderungen zu stellen. Insbesondere ist keine Bezifferung erforderlich, da der Berechtigte die Ausgleichsrente auch im Hauptverfahren nicht beziffern muß (Johansen/Henrich/Hahne, a.a.0., § 1587 k Rz 3 m.w.N.). Deshalb reicht der Zusatz auf der Überleitungsanzeige, die Überleitung erfolge wegen Zahlung eines Versorgungsausgleichsbetrages, als Mahnung aus.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Auch wenn nicht ersichtlich ist, daß die Antragstellerin vor Zustellung ihres Antrages auf Durchführung des vorliegenden Verfahrens den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich selbst angemahnt hat, kann sie aufgrund des Zusatzes auf der Überleitungsanzeige, wonach die Antragstellerin ihre Ansprüche selbst verfolgen und einziehen kann, die vorliegend erhobenen Ansprüche von Anfang an im eigenen Namen geltend machen und Zahlung an sich verlangen. Nach der Rechtsprechung des Senats steht nämlich der Geltendmachung übergeleiteter Ansprüche durch den (ursprünglichen) Berechtigten die Überleitung dann nicht entgegen, wenn etwa der Sozialhilfeträger, wie hier, den Anspruchsinhaber zugleich berechtigt, die übergeleiteten Beträge in einem Gerichtsverfahren selbst geltend zu machen und einzuziehen (vgl. Senat in FamRZ 1989, 506).</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Nach alledem ist, wie geschehen, zu entscheiden.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Die Voraussetzungen für die Zulassung der weiteren Beschwerde liegen nicht vor.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 13 a FGG.</p>
|
315,147 | lg-dusseldorf-1990-01-31-24-s-11490 | {
"id": 808,
"name": "Landgericht Düsseldorf",
"slug": "lg-dusseldorf",
"city": 413,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 24 S 114/90 | 1990-01-31T00:00:00 | 2019-03-13T14:47:34 | 2022-10-18T15:09:00 | Urteil | ECLI:DE:LGD:1990:0131.24S114.90.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung der Klägerin wird das am 14. Februar 1990 verkündete Urteil des Amtsgerichts Neuss -30 C 326/88 ­teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt: </p>
<p></p>
<p>Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.047,28 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 01.10.1987 sowie weitere 370,85 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 01.02.1989 sowie weitere 932,76 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 03.12.1989 zu zahlen. </p>
<p></p>
<p>Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin weitere 2.746,60 DM zu zahlen. </p>
<p></p>
<p>Im übrigen wird die Klage abgewiesen. </p>
<p></p>
<p>Die weiterehende Berufung der Klägerin und die Anschlußberufung des Beklagten </p>
<p>werden zurückgewiesen. </p>
<p></p>
<p>Von den Kosten des ersten Rechtszuges tragen die Klägerin 7/100, der Beklagte 93/100. </p>
<p>Die Kosten des zweiten Rechtszuges werden zu 5/47 der Klägerin, zu 42/47 dem Be-klagten auferlegt. </p>
<p></p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="h2 absatzLinks">E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e </p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Beide Rechtsmittel sind zulässig. </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Berufung der Klägerin hat auch in der Sache überwiegend Erfolg; die Anschlußberufung des Beklagten ist unbegründet. </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist in Höhe eines Betrages von insgesamt 6.097,49 DM begründet, darüber hinaus unbegründet. </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist gemäß § 535 Satz 2 BGB berechtigt, von dem Beklagten nicht gezahlte Mietzinsen für die Zeit von September 1985 bis einschließlich Dezember 1989 in Höhe des genannten Betrages zu verlangen. Im Streit sind Mieteinbehaltungen des Beklagten in dem angegebenen Zeitraum abzüglich verrechneter Nebenkosten-Gut haben für 1985/86 von 219,24 DM und für 1986/87 von 852,08 DM -, insgesamt ein Betrag von 6.556,29 DM. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Dieser Mietzins war nur teilweise gemäß § 537 BGB gemindert. </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Eine Minderung ist nicht gegeben, soweit der vom Beklagten beanstandete Zustand der Mietsache schon bei Abschluß des Mietvertrages vorhanden war. Denn insoweit ergibt sich keine Abweichung der Ist-Beschaffenheit zur Soll-Beschaffenheit, also zum vertraglich vereinbarten Zustand. Der Beklagte hat die Wohnung gemäß § 8 des Mietvertrages im vor­handenen und ihm bekannten Zustand übernommen, also als vertragsmäßig anerkannt. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Mangels Abweichung vom vertragsmäßigen Zustand kommt daher eine Minderung von vornherein nicht Betracht bezüglich folgender Positionen: </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">1. </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Fußleisten </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">2. </p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">zerbrochenes Türschild </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">3. </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Fliesen im Bad </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">4. </p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">SchlagsteIle an der Badewanne </p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">7. </p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">verzogene Wohnungseingangstür </p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">8. </p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Pakettboden in der Küche .. </p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin waren die insoweit vom Beklagten nach Beginn des Mietverhältnisses erhobenen Beanstandungen bereits bei Mietvertragsabschluß vorhanden. Auch hat die Klägerin eine Reparatur nicht zugesagt. überdies hat der Beklagte durch vorbehaltlose Zahlung des vollen Mietzinses seit Oktober 1984 -Mängelrügen hat er erstmals mit Schreiben vom 12.02.1985 erhoben -die Ordnungsmäßigkeit der Mietsache bestätigt und hätte daher ein Minderungsrecht gemäß § 539 BGB verloren. </p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Aufgrund des Vorbringens der Klägerin in der Berufungsschrift, dem der Beklagte nicht entgegen getreten ist, ist davon auszugehen, daß auch die beiden Balkontüren (Positionen 5 und 6) von Anfang an die Beschaffenheit aufwiesen, die der Beklagt e späterhin (Schreiben vom 12.02.1985) bemängelt hat. Selbst wenn eine schlechte Verschließbarkeit aber erst im Laufe des Mietverhältnisses eingetreten sein sollte, so läßt sich eine mehr als unerhebliche Gebrauchsbeeinträchtigung, wie sie eine Minderung nach § 531 BGB voraussetzt, nicht feststellen. Die im Protokoll über die Ortsbesichtigung sowie im erstinstanzlichen Urteil beschrieben Undichtigkeit der unteren Balkontür durch Fehlen eines Beschlages, der dann im Januar 1989 angebracht wurde, ergibt nicht, daß hierdurch der mit Doppeltüren versehene Ausgang zum Balkon in einer beachtlichen Weise Zugluft oder Nässe durchgelassen hat. Entsprechendes gilt für die obere Balkontür. Daß durch ein Nichtfunktionieren eines von vier Schließmechanismen mit der Folge eines leichten Abstehens der Tür im oberen Bereich die Sicherung der Tür oder aber die Benutzung des Zimmers durch Zugluft oder gar Kälte oder Nässe beeinträchtigt war, ist vom Beklagten weder substantiiert vorgetragen, noch kann dies den Beschreibungen des Amtsgerichts entnommen werden. </p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Als ein grundsätzlich die Minderung rechtfertigender Umstand kann indessen die unfachgemäße Tapezierung der Wohnzimmerdecke, die die Klägerin nach einem Absenken der Decke veranlaßt hat, angesehen werden. Nach den von der Klägerin nicht mehr bestrittenen Feststellungen des Amtsrichters aufgrund der von ihm </p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">durchgeführten Ortsbesichtigung war die Tapezierung nicht fachgerecht ausgeführt, sondern laienhaft und ließ optisch deutliche Fugen erkennen. Allerdings gibt schon die Bemessung einer Minderung von 1 % Anlaß zu Bedenken, ob es sich um eine mehr als unerhebliche Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit der Wohnung handelt. Immerhin geht es um eine Beeinträchtigung im hauptsächlichen Wohnbereich. Sie kann im Verein mit den bestehenden Mängeln an den Tapeten in Bad und Diele, die mit der Änderung der Warmwasserversorgung einhergegangen sind und die das Amtsgericht ebenfalls mit einer 1%igen Minderung bewertet hat, als Herabsetzung der Gebrauchstauglichkeit um insgesamt 2% angesehen werden. </p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Ein Minderungsrecht ist nicht gegeben wegen .der Änderung der Wasserversorgung selbst. Die Beurteilung der Gebrauchstauglichkeit ist in der Gesamtschau zu sehen. Dem Nachteil einer gelegentlichen Einschränkung bei der gleichzeitigen Entnahme von warmen Wasser an zwei Stellen der Wohnung steht die nicht unerhebliche Energieeinsparung gegenüber. Es ist gerichtsbekannt und bedarf daher nicht einer Begutachtung durch einen Sachverständigen, daß die bei einer zentralen Warmwasserversorgung gegebene ständige Bereithaltung eines Reservoirs an warmem Wasser sowie den durch die Zuleitung zu den Wohnungen bedingten Wärmeverlust ein Energieverbrauch entsteht. Die Klägerin hat ihn mit ihren konkreten Verbrauchsangaben, denen der Beklagte nicht entgegen getreten ist, belegt. Daß er durch einen Mehrverbrauch an Strom durch die elektrischen Durchlauferhitzer wettgemacht werde, hat der Beklagte nicht anhand konkreter Gegenüberstellungen seines Stromverbrauchs vor und nach der Umstellung der Warmwasserversorgung dargelegt. Auch hier steht nach den allgemeinen Erfahrungen fest, daß der Energieverbrauch durch das Betreiben einer zentralen Warmwasserbereitungsanlage ganz erheblich höher ist als derjenige, der durch das Betreiben von Durchlauferhitzern entsteht. Es ist anerkannt; daß letzteres in jedem Falle kostengünstiger ist und eine Verbesserung darstellt. Schließlich eröffnet sie den Mietern die bessere Möglichkeit für eine Energieeinsparung. Insgesamt ergibt sich ein Vorteil, der die geringfügigen Nachteile einer nicht stets gleichzeitigen Warmwasserentnahmemöglichkeit mindestens voll aufwiegt. </p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Eine mehr als unerhebliche Herabsetzung der Gebrauchstauglichkeit der Wohnung kann insoweit auch nicht durch eine zeitweilige Verminderung des Wasserdrucks angenommen werden. Die Beweisaufnahme hat ergeben, daß sich dieser Zustand nur ganz vorübergehend und auf kurze Dauer in den heißen </p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Sommermonaten gezeigt hat. Die Zeugin D. hat glaubhaft bekundet, daß sie in ihrer Wohnung etwa drei-bis viermal in dieser Hinsicht" Probleme gehabt habe, insgesamt in einem Zeitraum von einer Woche, und daß auch Bewohner der Wohnungen in den Obergeschossen sich nicht darüber beschwert hätten. Eine weitergehende Beeinträchtigung in seiner Wohnung hat der Beklagte nicht anhand konkreter Datenangaben dargelegt, jedenfalls aber nicht bewiesen. </p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Es bleibt daher die oben genannte Minderung wegen der Tapezierarbeit en der Klägerin, d. h. % von März 1986 bis Dezember 1989 von einem Mietzins von 620,00 DM (Position 9) und 1 % von September 1987 bis Dezember 1989 von .620,00 DM. Das sind jeweils 6,20 DM für 46 Monate = 285,20 DM und 6,20 DM für 28 Monate = 173,60 DM, insgesamt 458,80 DM. </p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">In diesem Umfang ist der mit der Klage geltend gemachte Betrag zu kürzen. Das Zinsverlangen ist aus § 288 BGB begründet. Für den mit der Berufung weiterverfolgten Betrag sind Zinsen nicht geltend gemacht worden. </p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Die weitergehende Klage ist abzuweisen. </p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die Abzüge der Nebenkostenguthaben sind berücksichtigt. </p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 </p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Abs. 1 ZPO. </p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Streitwert zweiter Instanz: </p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Berufung der Klägerin: 3.205,40 DM, </p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Anschlußberufung des Beklagten: <u>1.100, 16 DM,</u> </p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">insgesamt 4.305,56 DM. </p>
<span class="absatzRechts">38</span><ol class="absatzLinks" type="A"><li> B. C.</li></ol>
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315,148 | olgham-1990-01-30-28-u-23489 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 28 U 234/89 | 1990-01-30T00:00:00 | 2019-03-13T14:47:35 | 2022-10-18T15:09:00 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1990:0130.28U234.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung des Beklagten wird das am 14. Juni 1989 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bochum abgeändert.</p>
<p></p>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits werden, dem Kläger auferlegt.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p>Die Beschwer beträgt für den Kläger 25.000,00 DM.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Von der Darstellung des <b>Tatbestandes</b> wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe</b></p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Berufung des Beklagten hat Erfolg und führt zur Abweisung der Regreßklage.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Mit dem Landgericht ist der Senat der Auffassung, daß der Beklagte seine anwaltlichen Pflichten gegenüber dem Kläger verletzt hat, als er es schuldhaft versäumt hat, materielle Ansprüche des Klägers gegen den Unfallgegner in einer die Verjährung unterbrechenden Weise geltend zu machen. Nach dem Verkehrsunfall des Klägers am 28. Februar 1982 mit dem ... verjährten seine Ansprüche auch aus Gefährdungshaftung des Fahrers und Fahrzeughalters gemäß §§ 7, 14, 18 StVG in Verbindung mit § 852 Abs. 1 BGB in drei Jahren, also am 28. Februar 1985. Pflicht des Beklagten wäre somit gewesen, innerhalb dieser Frist nicht nur die Klage auf Zahlung von Schmerzensgeld zum Landgericht Bochum zu erheben - 6 O 550/83 -, sondern auch auf Feststellung der Ersatzpflicht des Unfallgegners auf Ersatz aller bzw. eines Teils der materiellen Schäden des Klägers. Eine solche Klage hätte sogar eher Erfolg haben können, weil dafür der Kläger ein Verschulden des Unfallgegners nicht hätte nachzuweisen, brauchen; vielmehr hätte jener sich entlasten müssen, daß also der Unfall für ihn ein unabwendbares Ereignis gewesen wäre.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Für dieses Versäumnis würde der Beklagte jetzt grundsätzlich haften; es sei denn, dieser würde anstelle des Unfallgegners des Klägers den Nachweis erbringen, der Unfall sei für den Autofahrer unabwendbar gewesen. Diese Behauptung hat der Beklagte bereits in erster Instanz unter Beweisantritt aufgestellt. Dem hätte das Landgericht im vorliegenden Regreßprozeß vor einer Verurteilung des Beklagten zum Ersatz von 50 % der materiellen Schäden des Klägers nachgehen müssen (vgl. dazu BGH in NJW 88, 3313ff; Rinsche, Die Haftung des Rechtsanwalts und des Notars, 3. Aufl., Rn. I, 146; Borgmann/Haug ..., Anwaltshaftung, 2. Aufl., § 46), zumal der Kläger durch Schreiben seiner späteren Anwälte und ... vom 29. September 1987 von der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners lediglich Ersatz von 25 % seiner Schäden verlangt hatte.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Dieser Verfahrensmangel des Landgerichts führt jedoch nicht zu einer Zurückverweisung der Sache gemäß § 539 ZPO. Die Klage kann nämlich keinen Erfolg haben, weil ein etwaiger Regreßanspruch des Klägers gegen den Beklagten inzwischen verjährt ist. Die Einrede hat der Beklagte erhoben. Mit dem Landgericht ist davon auszugehen, daß der Anspruch gegen den Beklagten gemäß § 51, 1. Alt. BRAO in drei Jahren nach dem schadensstiftenden Ereignis, also am 28. Februar 1988 verjährte; denn spätestens bis zum 28. Februar 1985 hätte der Beklagte verjährungsunterbrechende Maßnahmen gegenüber dem Unfallgegner des Klägers ergreifen müssen. Die vorliegende Regreßklage, mit der eine Unterbrechung der Verjährung des sog. Primäranspruchs gegen den Beklagten hätte erreicht werden können (§§ 209 Abs. 1 BGB, 270 Abs. 3 ZPO), ist jedoch erst am 22. September 1988 beim Landgericht Bochum eingegangen. Zwar kann ein Anwalt auch dann noch haften, wenn er - wie der Beklagte - innerhalb des Laufs der dreijährigen Verjährung gemäß § 51 BRAO nicht auf seinen Fehler und somit Ansprüche gegen sich hinweist: sog. Sekundäranspruch. Dieser Anspruch verjährt nach § 51 BRAO in ebenfalls drei Jahren. Der Sekundäranspruch entsteht aber nicht, wenn der geschädigte Mandant während des bestehenden Mandats oder nach Mandatsende noch rechtzeitig vor Ablauf der Verjährungsfrist des Primäranspruchs anderweitig über den Regreßanspruch anwaltlich beraten ist (vgl. dazu BGH in NJW 880, 266). So ist es im vorliegenden. Fall. Unstreitig hatte der Kläger bereits Ende September 1987 die Rechtsanwälte ... und ... damit beauftragt, seinen vermeintlichen Regreßanspruch gegen den Beklagten durchzusetzen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Verjährung des sog. Primäranspruchs ist entgegen der Annahme des Landgerichts nicht durch ein etwaiges Anerkenntnis des Beklagten anläßlich des Telefongesprächs am 19. November 1987 mit Rechtsanwalt ... unterbrochen worden (§ 208 BGB). Eine Unterbrechung der Verjährung kann ... bereits nach dem Wortlaut des § 208 BGB nur angenommen werden, wenn der "Anspruch" anerkannt wird. Das bloße Eingeständnis, etwas falsch gemacht zu haben, kann somit nicht als Anerkenntnis eines "Anspruchs" gewertet werden, wenn dieser vielleicht aus anderen Gründen zweifelhaft ist. So verlangt auch der Bundesgerichtshof (vgl. dazu BGH in BGHZ 58, 104f; WM 70, 548f, NJW j78, 1914, NJW RR 88, 684), daß sich aus dem Verhalten des Schuldners eindeutig sein Bewußtsein vom Bestehen der "Forderung" bzw. "Schuld" ergeben muß, so daß der Gläubiger darauf vertrauen kann, der Schuldner werde sich nicht auf den Ablauf der Verjährung berufen. Nach der Aussage des Zeugen ... vor dem Landgericht, von dessen erneuter Vernehmung der Senat gemäß § 398 Abs. 1 ZPO absehen konnte, da an der Glaubwürdigkeit des Zeugen keine für die Entscheidung erheblichen Zweifel bestehen, hat der Beklagte ihm damals aber auch gesagt, ein derartiger Prozeß hätte keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Damit hat der Beklagte nichts anderes zum Ausdruck gebracht, als daß er gerade nicht einstehen wolle, weil der Kläger durch seine Pflichtverletzung gar keinen Schaden erlitten habe. Wenn der Zeuge ... damals falsche rechtliche Schlußfolgerungen gezogen hat, so geht das nicht zu Lasten des Beklagten. Im übrigen ergibt sich aus dem Vermerk sowie dem Schreiben des Zeugen ... vom 19. November 1987 an die Eltern des Klägers mit aller Deutlichkeit, daß der Beklagte nur seinen "Fehler" anerkannt hat. Nach dem Vermerk sowie dem Schreiben des Rechtsanwalts ... an den Beklagten vom 27. November 1987 kann es ferner keinem Zweifel unterliegen, daß der Beklagte nicht persönlich bezahlen wollte; das sollte seine Haftpflichtversicherung tun. Über deren Verhalten konnte er - für ... erkennbar - jedoch nicht bestimmen. Deshalb ist es unerheblich, ob Rechtsanwalt ... damals nicht gewußt hat, ohne Rücksprache mit der Versicherung habe der Beklagte keine verbindlichen Erklärung zur Haftung abgeben können. Ob dies allerdings zutrifft, mag dahinstehen; jedenfalls hat Rechtsanwalt ... das Mandat des Klägers niedergelegt, als die Versicherung des Beklagten nicht zahlen wollte, ohne sich dieser gegenüber darauf zu berufen, dieser habe seine Haftung dem Grunde nach bereits endgültig anerkannt. Die begründete Einrede der Verjährung gibt dem Beklagten gemäß § 222 BGB das Recht, die Leistung dauernd zu verweigern. Somit kann die Klage keinen Erfolg haben.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO.</p>
|
315,149 | lg-dortmund-1990-01-29-14-ii-qs-290 | {
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} | 14 (II) Qs 2/90 | 1990-01-29T00:00:00 | 2019-03-13T14:47:37 | 2022-10-18T15:09:00 | Beschluss | ECLI:DE:LGDO:1990:0129.14II.QS2.90.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>wird der Beschluß des Amtsgerichts Dortmund vom 29.12.1989</p>
<p>aufgehoben.</p>
<p>Die Beschlagnahme des Spritzenautomaten an der</p>
<p>T-straße/Ecke L-straße in E wird angeordnet.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Gründe</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Beschuldigte X ist Leiter der Drogenberatungsstelle in</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">E, deren Träger die Gesellschaft für F ist. Am 15.9.1989 ließ der Be-</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">schuldigte an der T-straße/Ecke L-straße in E</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">einen sogenannten Spritzenautomaten aufstellen. Dieser Auto-</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">mat, den die B zur Ver-</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">fügung gestellt hat, enthält fünf Warenschächte, von denen</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">drei mit Einwegspritzen und zwei mit Kondomen bestückt sind.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Eine Packung mit zwei Einwegspritzen läßt sich nach Einwerfen</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">eines 1,00-DM-Stücks ziehen. Nach Mitteilung des Be-</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">schuldigten X, werden durchschnittlich 20 Packungen pro Tag</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">erworben. Neben dem Automaten ist ein Behälter zur Aufnahme</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">gebrauchter Spritzen angebracht.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Mit Antrag vom 19.12.1989 hat die Staatsanwaltschaft Dortmund</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">die Anordnung der Beschlagnahme des Spritzenautomaten "gem.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">§ 33 BtMG" beantragt. Das Amtsgericht Dortmund hat diesen</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Antrag mit dem angefochtenen Beschluß vom 29.12.1989 ab-</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">gelehnt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Staats-</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">anwaltschaft, der die Kammer stattgegeben hat.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist zulässig und begründet.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Gem. § 111 b Abs. 1 und 2 StPO ist der Automat durch Be-</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">schlagnahme sicherzustellen, da dringende Gründe für die</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Annahme gegeben sind, daß die Voraussetzungen für seine Ein-</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">ziehung im späteren Strafverfahren vorliegen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Gem. § 74 Abs. 1 StGB können Gegenstände, die zur Begehung</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">einer vorsätzlichen Straftat gebraucht wurden (Tatmittel),</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">eingezogen werden. Nach Aktenlage ist im gegenwärtigen Stand</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">des Ermittlungsverfahrens davon auszugehen, daß sich der</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Beschuldigte X des vorsätzlichen Verschaffens einer Ge-</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">legenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln gem.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">§ 29 Abs. 1 Nr. 10 BtMG schuldig gemacht hat. Das Verschaffen</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">einer solchen Gelegenheit setzt nicht die Überlassung von</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Rauschgift voraus, denn das unterfiele unmittelbar dem Tat-</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">bestand des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG; es genügt vielmehr die</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Herbeiführung günstiger äußerer Umstände, die das unbefugte</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Handeln fördern und ihm unmittelbar dienlich sind (vgl.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">BayObLG in MDR 1983, Seite 75; Körner, BtMG, 2. Auflage 1985,</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">§ 29 Rd-Ziff. 565; Joachimski, Betäubungsmittelrecht, 4.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Auflage 1985, § 29 Anm. 20 a); Endriß/MaIek, Betäubungs-</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">mittelstrafrecht, 1986, Seite 109, 110; Hügel/Junge,</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Deutsches Betäubungsmittelrecht, Kommentar, 6. Auflage, Stand</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Oktober 1989, BtMG § 29 Rd-Ziff. 20.4; Eberth/Müller, Be-</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">täubungsmittelrecht, Kommentar und Anleitung für die Praxis,</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">München 1982, BtMG § 29 Rd-Ziff. 64 mit überwiegend gleich-</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">lautenden Definitionen). Daß die Überlassung von sterilen</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Spritzen zur Injektion von Heroin dem damit vorgenommenen</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Rauschgiftgenuß unmittelbar dienlich ist, kann nicht be-</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">zweifelt werden. Die in dem angefochtenen Beschluß dargelegte</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Ansicht, es handele sich lediglich um eine unwesentliche</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Förderung, da die Abnehmer -ggf. unter Benutzung gebrauchter</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Spritzen- bereits zum Drogenkonsum entschlossen seien, muß</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">schon deshalb Bedenken begegnen, weil es auf die Ermöglichung</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">des konkreten Verhaltens ankommt. Auch im Rahmen der Beihilfe</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">gem. § 27 StGB -und hier handelt es sich um zur Täterschaft</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">aufgewertete Beihilfehandlungen- ist schließlich nicht er-</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">heblich, ob der Tatbeitrag des Gehilfen von einem anderen</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">oder vom Täter selbst hätte geleistet werden können. Unab-</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">hängig davon läßt sich die der amtsgerichtlichen Würdigung</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">unausgesprochen zugrundeliegende Beschränkung auf einen be-</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">stimmten Benutzertypus sachlich nicht rechtfertigen. Es ist</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">nicht anzunehmen, daß sich allein Drogenkonsumenten des</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Automatens bedienen, die über die Möglichkeit verfügen, ohne</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">weiteres von anderen eine benutzte Spritze zu erhalten. Es</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">werden vielmehr, wie auch den für die Aufstellung verant-</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">wortlichen Personen klar sein muß, auch Konsumenten davon</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Gebrauch machen, die über eine solche Möglichkeit nicht ver-</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">fügen. Jedenfalls in solchen nicht fernliegenden Fällen</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">stellt die Überlassung der Spritze, deren Gebrauch den</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Rauschgiftgenuß für die daran gewöhnten Konsumenten</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">effektiver als im Falle anderer Konsumformen sein läßt, eine</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">wesentliche Verbesserung der äußeren Umstände für den Rausch-</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">giftgenuß dar.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Angesichts des klaren Wortsinnes erscheint der Kammer der in</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">der Literatur (vgl. Kreuzer, Strafrecht als Hindernis sinn-</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">voller AIDS-Prophylaxe ? in NStZ 1987, Seite 268 f) unter-</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">nommene Versuch, den Anwendungsbereich der Vorschrift im Wege</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">der Auslegung nach Entstehungsgeschichte und Gesetzessinn auf</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">die Fälle einer Kontaktvermittlung zwischen Drogenkonsument</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">und Bezugsquelle zu beschränken, nicht statthaft.</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Daß ihr Handeln gerechtfertigt war, können die für die Auf-</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">stellung des Automaten verantwortlichen Personen nicht für</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">sich in Anspruch nehmen. Die Voraussetzungen eines recht-</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">fertigenden Notstandes gem. § 34 StGB liegen -jedenfalls bei</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">vorläufiger Bewertung in diesem Verfahrensstadium- nicht vor.</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">Die Überlassung der Spritzen soll die bei Benutzung einer</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">gebrauchten Spritze gegebene Gefahr einer HIV-Infektion mit</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">der Wahrscheinlichkeit eines hierdurch verursachten späteren</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">Todes abwenden. Das Mittel, mit dem diese Gefahr abgewendet</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">werden soll, ist dem Rauschgiftkonsum dienlich. Es trägt also</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">seinerseits zur Aufrechterhaltung einer Abhängigkeit, die als</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">Gesundheitsbeschädigung einzustufen ist, bei. Dieses Mittel</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">kann sogar mitursächlich für den Tod des Konsumenten sein,</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">falls dieser mit Hilfe der überlassenen Spritze versehentlich</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">oder absichtlich eine Überdosis Heroin einnimmt oder sich die</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">Wirkung der gewohnten Menge etwa wegen schlechten körper-</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">lichen Allgemeinzustandes oder aufgrund der Auswirkungen oft</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">zusätzlich genommener Medikamente als tödlich erweist.</p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks">Diese Überlegung zeigt, daß es hier nicht um den Eingriff in</p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks">ein Rechtsgut zum Schutze eines höherwertigen anderen Rechts-</p>
<span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks">gutes geht. Vielmehr sind das beeinträchtigte und das Rechts-</p>
<span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks">gut, dessen Schutz erstrebt wird, identisch. Zwar findet § 34</p>
<span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks">StGB auch Anwendung, wenn ein Rechtsgut aus einer akuten</p>
<span class="absatzRechts">103</span><p class="absatzLinks">Gefahr nur dadurch gerettet werden kann, daß es einer anderen</p>
<span class="absatzRechts">104</span><p class="absatzLinks">Gefahr ausgesetzt wird (vgl. Schönke-Schröder-Lenckner, StGB,</p>
<span class="absatzRechts">105</span><p class="absatzLinks">Kommentar, 23. Auflage, § 34 Rd-Ziff. 8) .Infolge der Abgabe</p>
<span class="absatzRechts">106</span><p class="absatzLinks">über einen Automaten an einen anonymen Abnehmerkreis ist aber</p>
<span class="absatzRechts">107</span><p class="absatzLinks">im Einzelfall völlig offen, ob dem Erwerber die akute Gefahr</p>
<span class="absatzRechts">108</span><p class="absatzLinks">droht, anderenfalls eine HIV-Infektion zu erleiden, oder ob</p>
<span class="absatzRechts">109</span><p class="absatzLinks">ihm in Wahrheit erst das Mittel überlassen wird, mit dem er</p>
<span class="absatzRechts">110</span><p class="absatzLinks">sich Rauschgift auf besonders effiziente Weise -bis zum töd-</p>
<span class="absatzRechts">111</span><p class="absatzLinks">lichen Ausgang- verabreichen kann. Allein auf den Einzelfall</p>
<span class="absatzRechts">112</span><p class="absatzLinks">ist aber abzustellen. § 34 StGB rechtfertigt nicht, unbe-</p>
<span class="absatzRechts">113</span><p class="absatzLinks">stimmt viele Personen anderen Gefahren für Leib und Leben</p>
<span class="absatzRechts">114</span><p class="absatzLinks">auszusetzen oder sogar vorhandene Schäden (Abhängigkeit) zu</p>
<span class="absatzRechts">115</span><p class="absatzLinks">intensivieren, um für einen Teil dieses Personenkreises die</p>
<span class="absatzRechts">116</span><p class="absatzLinks">Gefahr einer HIV-Infektion zu verringern. Im übrigen ist</p>
<span class="absatzRechts">117</span><p class="absatzLinks">weder festzustellen, wie hoch das Risiko einer HIV-Infektion</p>
<span class="absatzRechts">118</span><p class="absatzLinks">für Betäubungsmittelabhängige ist, noch ist abzuschätzen,</p>
<span class="absatzRechts">119</span><p class="absatzLinks">wieviele Infektionen im Falle einer Abgabe der Spritzen ver-</p>
<span class="absatzRechts">120</span><p class="absatzLinks">mieden würden.</p>
<span class="absatzRechts">121</span><p class="absatzLinks">Nach dem gegenwärtigen Ermittlungsstand bestehen auch</p>
<span class="absatzRechts">122</span><p class="absatzLinks">dringende Gründe für die Annahme schuldhaften Verhaltens der</p>
<span class="absatzRechts">123</span><p class="absatzLinks">für die Automatenaufstellung Verantwortlichen. Ein unver-</p>
<span class="absatzRechts">124</span><p class="absatzLinks">meidbarer Verbotsirrtum dürfte nicht gegeben sein. Zwar hatte</p>
<span class="absatzRechts">125</span><p class="absatzLinks">sich das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des</p>
<span class="absatzRechts">126</span><p class="absatzLinks">Landes Nordrhein-Westfalen, das die Aufstellung initiiert</p>
<span class="absatzRechts">127</span><p class="absatzLinks">hat, auf die Zustimmung des Justizministeriums berufen; je-</p>
<span class="absatzRechts">128</span><p class="absatzLinks">doch hat die Staatsanwaltschaft Dortmund, bei der gerade zur</p>
<span class="absatzRechts">129</span><p class="absatzLinks">Klärung eines eventuellen Gesetzesverstoßes noch einmal an-</p>
<span class="absatzRechts">130</span><p class="absatzLinks">gefragt worden war, von Anfang an auf ihre Bedenken hin-</p>
<span class="absatzRechts">131</span><p class="absatzLinks">sichtlich der Gesetzmäßigkeit -zumindest an dem hier in Rede</p>
<span class="absatzRechts">132</span><p class="absatzLinks">stehenden Aufstellungsort- hingewiesen, so daß die Be-</p>
<span class="absatzRechts">133</span><p class="absatzLinks">teiligten nicht geltend machen können, sie hätten ihr Tun für</p>
<span class="absatzRechts">134</span><p class="absatzLinks">erlaubt gehalten. Dementsprechend hat der Beschuldigte X</p>
<span class="absatzRechts">135</span><p class="absatzLinks">in seiner verantwortlichen Vernehmung auch sinngemäß ange-</p>
<span class="absatzRechts">136</span><p class="absatzLinks">geben, er sei wegen der von der Staatsanwaltschaft erhobenen</p>
<span class="absatzRechts">137</span><p class="absatzLinks">Bedenken völlig überrascht gewesen, sie hätten jedoch die</p>
<span class="absatzRechts">138</span><p class="absatzLinks">Ansicht vertreten, daß dieser Konflikt ausgetragen werden</p>
<span class="absatzRechts">139</span><p class="absatzLinks">müßte. Schließlich ist auch nicht ersichtlich, daß einer der</p>
<span class="absatzRechts">140</span><p class="absatzLinks">Beteiligten -was einem Tatbestandsirrtum gleichzustellen</p>
<span class="absatzRechts">141</span><p class="absatzLinks">wäre- über die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 34 StGB</p>
<span class="absatzRechts">142</span><p class="absatzLinks">als eines in Betracht kommenden Rechtfertigungsgrundes irrte.</p>
<span class="absatzRechts">143</span><p class="absatzLinks">Bei ihrer vorläufigen Würdigung hat die Kammer nicht ver-</p>
<span class="absatzRechts">144</span><p class="absatzLinks">kannt, daß die Beteiligten aus sozialer Verantwortung und in</p>
<span class="absatzRechts">145</span><p class="absatzLinks">der Absicht handelten, der Ausbreitung des auf Dauer wohl</p>
<span class="absatzRechts">146</span><p class="absatzLinks">tödlichen HIV-Virus unter den Betäubungsmittelabhängigen</p>
<span class="absatzRechts">147</span><p class="absatzLinks">entgegenzuwirken. Dieses anerkennenswerte Ziel kann aber den</p>
<span class="absatzRechts">148</span><p class="absatzLinks">Verstoß gegen bestehende Strafvorschriften weder recht-</p>
<span class="absatzRechts">149</span><p class="absatzLinks">fertigen noch entschuldigen.</p>
<span class="absatzRechts">150</span><p class="absatzLinks">Der Einziehung steht schließlich nicht entgegen, daß der</p>
<span class="absatzRechts">151</span><p class="absatzLinks">Automat im Eigentum der B</p>
<span class="absatzRechts">152</span><p class="absatzLinks">steht. Das Ermittlungsverfahren richtet sich gegen alle für</p>
<span class="absatzRechts">153</span><p class="absatzLinks">die Aufstellung und Betreibung des Automaten verantwortlichen</p>
<span class="absatzRechts">154</span><p class="absatzLinks">Personen und beschränkt sich nicht auf den Beschuldigten</p>
<span class="absatzRechts">155</span><p class="absatzLinks">X. Von daher wird die Einziehung im späteren Strafver-</p>
<span class="absatzRechts">156</span><p class="absatzLinks">fahren gem. § 74 Abs. 2 Nr. 1 StGB zulässig sein, auch wenn</p>
<span class="absatzRechts">157</span><p class="absatzLinks">zur Zeit das als Tatteilnehmer in Betracht kommende Organ der</p>
<span class="absatzRechts">158</span><p class="absatzLinks">B namentlich noch nicht feststeht.</p>
|
315,150 | olgham-1990-01-26-26-u-17389 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
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"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 26 U 173/89 | 1990-01-26T00:00:00 | 2019-03-13T14:47:38 | 2022-10-18T15:08:58 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1990:0126.26U173.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung der Klägerin gegen das am 13. Juni 1989 verkündete Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Rechtsmittels werden der Klägerin auferlegt.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Von der Darstellung eines</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestandes</b></p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">wird gemäß § 543 ZPO abgesehen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe</b></p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist zulässig.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Sie ist jedoch unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Klägerin stehen die geltend gemachten Forderungen aus den von ihr bezeichneten Verträgen nicht zu. Der auf der Vorderseite der Vertragsformulare aufgenommene Vertragstext ist nämlich unklar; § 8 d der rückseitigen "Lieferungs- und Zahlungsbedingungen" verstößt außerdem gegen § 3 AGBG. Die Folge ist, daß der Beklagte die Verträge der Parteien entweder zu Ende Oktober 1985 gekündigt hat, oder daß die Verträge durch die Kündigung des Beklagten jedenfalls gemäß der Kündigungsregelung im Eingang der Vorderseite spätestens Ende 1985 beendet worden sind. Eine Vergütung für Einschaltungen der Werbung in der Zeit danach, die hier gefordert wird, kann die Klägerin deshalb nicht verlangen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks"><b>1.</b></p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Kündigungsregelung im Eingang des Vertrages ist unklar im Sinne von § 5 AGBG, weil sie eine Vertragsdauer von 12 <u>Spiel</u>monaten vorsieht: In der Auslegung der Klägerin bedeutet dieser Begriff (vgl. Berufungsbegründung Bl. 3, 103 GA) "Monate tatsächlich laufender Werbung". Mögliche ist demgegenüber aber auch die Auslegung, mit diesem Begriff sei eine 12-monatige Vertragsdauer gemeint. Denn immer, wenn es um bestimmte Zeiträume geht, ist im Zweifelsfall exakt festzulegen, wie die Zeit zu messen ist. Das wird hier mit dem Begriff "<u>Spiel</u>monate" nur unzureichend versucht. So bedeutet die Spieldauer von 1 1/2 Stunden beim Fußballspiel beispielsweise die (in den Spielregeln definierte) absolute Zeit (Ausnahmen sind während des Spiels vom Schiedsrichter ausdrücklich zu bestimmen); beim Eishockey dagegen wird bei jeder Unterbrechung des Spiels die Spieluhr angehalten: Spieldauer bedeutet, beim Eishockey demgemäß effektive Spielzeit. Der Vertragstext im unteren Teil der Vorderseite des Vertrags, will man ihn im vorliegenden Zusammenhang mit berücksichtigen ("Bei Jahresauftrag ist eine Unterbrechung bis zu vier Monaten möglich, wobei die obengenannte Einschaltdauer bestehen bleibt. Unterbrechungswünsche und Änderungen der Werbemittel müssen Kinomat bis 15. des Vormonats schriftlich bekanntgegeben werden".) bewirkt keine Klarheit im Sinne der Interpretation der Klägerin; vielmehr ist dieser Satz als Ausnahme von der Regelung im Eingang des Vertragstextes formuliert, bringt also angesichts der Unklarheit dieses Eingangs auch keine sicheren Anhaltspunkte für den Willen zur Vereinbarung der einen oder anderen Version. Klarheit in dieser Richtung bringt auch nicht § 8 d der sogenannten Lieferungs- und Zahlungsbedingungen auf der Rückseite des Vertragsformulars, wo bestimmt ist, "bei Zahlungsverzug hat Kinomat das Recht, die Werbung bis zur völligen Bezahlung zu unterbrechen, ohne daß ihre Ansprüche gemindert werden". Auch diese Regelung ist vielmehr - in Gestalt eines zugunsten der Klägerin wirkenden Unterbrechungstatbestandes - wie eine Ausnahmeregelung formuliert, erlaubt also ebenfalls nicht den sicheren Schluß auf den Willen der Parteien, "Spielmonate" bedeute unter allen Umständen "Monate tatsächlich laufender Werbung".</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks"><b>2.</b></p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Regelung der Ziffer 8 d der Lieferungs- und Zahlungsbedingungen ist gemäß § 3 AGBG unwirksam.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Nach dieser Vorschrift werden solche Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht Bestandteil des Vertrages, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild der Vertragsurkunde, so ungewöhnlich sind, daß der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht. Diese Voraussetzungen sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes dann gegeben, wenn einer Klausel ein Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt innewohnt, indem sie eine Regelung enthält, die von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht, und mit der dieser den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Dabei kann sich die maßgebende Erwartungshaltung des Vertragspartners und die beachtliche Diskrepanz zu dem Inhalt der Klausel insbesondere auch aus dem äußeren Zuschnitt der Vertragsurkunde und der Unterbringung der Klausel an unerwarteter Stelle ergeben (vgl. BGH NJW 89, 2255).</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Im vorliegenden Fall konnte der Beklagte anhand des oben erörterten Vertragstextes auf der Vorderseite der Vertragsurkunde als für ihn günstig davon ausgehen, daß der Vertrag für eine Vertragszeit von 12 Monten geschlossen wurde, die sich um den gleichen Zeitraum verlängerte, wenn der Vertrag nicht rechtzeitig gekündigt wurde; bezieht man die Regelung im unteren Teil der Vorderseite der Vertragsurkunde ein, galt hier lediglich eine Ausnahme für eine Unterbrechung auf Wunsch des Kunden, und zwar für eine Unterbrechungszeit von maximal 4 Monaten. Ähnlich wie im Fall BGH NJW 89, 2255 ist dies als Festlegung einer bestimmten Vertragsdauer anzusehen, mit dem Unterschied allerdings, daß die Verlägerungsklausel in den auf der Vorderseite hervorgehobenen Vertragstext übernommen worden ist. Ähnlich, wie in dem vom BGH entschiedenen Falle konnte sich der Beklagte im vorliegenden Fall anhand des Vertragstextes auf der Vorderseite der Vertragsurkunde jedoch sagen: Wenn er vertragsgemäß rechtzeitig kündige (und wenn er den Ausnahmefall einer Unterbrechung von vier Monaten nicht in Anspruch genommen habe), dauere die effektive Vertragszeit ein Jahr oder - wegen automatischer Verlängerung - entsprechend länger. Vor diesem Hintergrund wirkt es im oben beschriebenen Sinne überraschend, wenn entgegen der auf der Vorderseite vorgenommenen Festlegung durch eine rückseitig abgedruckte AGB-Bestimmung die Vertragsdauer im Falle eines Zahlungsverzuges in dem Sinne zu einer unbegrenzten werden soll, daß eine wegen Zahlungsverzuges nicht ausgenutzte "Spielzeit" noch nach Jahr und Tag eingefordert werden kann.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks"><b>3.</b></p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Aus den Erörterungen oben zu 1. und 2. folgt: Es kann offenbleiben, ob die Unwirksamkeit der AGB-Bestimmung in § 8 d auch die gesamte Kündigungsregelung der Vorderseite des Vertrages erfaßt: Denn jedenfalls hat der Beklagte die Verträge spätestens für das Jahresende 1985 gekündigt.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Falls nämlich die Kündigungsregelung insgesamt unwirksam ist (eine geltungserhaltende Reduktion oder etwa eine ergänzende Vertragsauslegung kommt in diesem Falle nicht in Betracht, vgl. zuletzt BGH NJW 89, 3010), hat der Beklagte den Vertrag der Parteien mit Schreiben vom 28.09.1985 (siehe dieses Datum im Schreiben der Klägerin vom 08.11.1985, Bl. 66 GA) zum 31.10.1985 wirksam gemäß § 621 Ziffer 3 BGB gekündigt. Denn das Rechtsverhältnis der Parteien ist, wie das Landgericht zu Recht ausgesprochen hat, als Geschäftsbesorgungsvertrag entweder mit Dienst- oder Werkvertragscharakter zu werten; mit dem Landgericht erscheint dem Senat die entsprechende Anwendung der genannten Vorschrift, falls es sich um eine Geschäftsbesorgung mit Werkvertragscharakter handelt, was offenbleiben kann, hier im Falle einer auf Dauer angelegten Geschäftsbeziehung als sachgerecht; durch die Kündigung, die spätestens Anfang Oktober 1985 zugegangen ist (vgl. den Inhalt des Schreibens der Klägerin vom 11.10.1985 (Bl. 61 GA), wäre dann das Vertragsverhältnis wirksam zum Schluß des Monats Oktober 1985 gekündigt worden). Es kann in diesem Zusammenhang offenbleiben, ob der Beklagte mittels Einschreibebriefes gekündigt hat: Wichtig ist nur der Zugang der Willenserklärung. Denn soll die Form wie hier lediglich der Beweissicherung oder der Klarstellung dienen, ist das Rechtsgeschäft auch bei Nichteinhaltung der Form wirksam (Palandt, 48. Aufl., § 125, 4; BGH NJW 64, 1269, 1270 für den Handelsverkehr). Im vorliegenden Fall wird kein Anhaltspunkt für die Annahme deutlich, daß die Form nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien konstitutiv sein sollte.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Ergreift die Unwirksamkeit der Bestimmung des § 8 d der Lieferungs- und Zahlungsbedingungen die Regelungen im Eingang des Vertrages nicht, sind die Verträge nach dieser Regelung jedenfalls zum Jahresende 1985 beendet worden, weil sie nicht dahin ausgelegt werden können (siehe oben), es sei auf die Spieldauer im Sinne der Dauer der tatsächlichen Werbung abzustellen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Danach war, wie geschehen, zu entscheiden. Der Erörterung der von den Parteien und vom Landgericht (welches § 9 AGBG angewandt hat) weiter behandelten tatsächlichen und rechtlichen Fragen bedarf es nicht.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10 ZPO.</p>
|
315,151 | lg-dortmund-1990-01-25-15-s-32289 | {
"id": 806,
"name": "Landgericht Dortmund",
"slug": "lg-dortmund",
"city": 407,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 15 S 322/89 | 1990-01-25T00:00:00 | 2019-03-13T14:47:40 | 2022-10-18T15:08:58 | Urteil | ECLI:DE:LGDO:1990:0125.15S322.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil</p>
<p>des Amtsgerichts Dortmund vom 17.8.1989</p>
<p>- unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung -</p>
<p>wie folgt abgeändert:</p>
<p></p>
<p>Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger</p>
<p>638,00 DM ( i. W.: sechshundertachtunddreißig</p>
<p>Deutsche Mark) nebst 4 % Zinsen seit 31.1.1989</p>
<p>zu zahlen.</p>
<p></p>
<p>Im übrigen bleibt die Klage abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die</p>
<p>Beklagte 87 % und der Kläger 13 %.</p>
<p></p>
<p>Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543</p>
<p>Abs. 1 ZPO abgesehen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache in Höhe</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">von 638,00 DM Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat einen fälligen Anspruch gegen die Beklagte</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">auf Ersatz seines Nutzungsausfallschadens für die Zeit</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">vom 09. bis 19.12.1988, in welcher sein Fahrzeug unstreitig</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">in der Werkstatt der Firma N war (11 Tage) zu je</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">58,00 DM täglich. Der Anspruch des Klägers war spätestens</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">zu dem Zeitpunkt fällig geworden, als der Kläger der Be-</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">klagten anhand der Bescheinigung der Firma N die</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">reparaturbedingte Ausfallzeit von 11 Tagen mitgeteilt</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">hatte. Für den vom Kläger gefahrenen Pkw Audi 80, 1,8 l</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Hubraum, 66 kw = 90 PS sieht die Tabelle Sanden-Danner</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">(Stand 01.09.1987) gemäß Gruppe E einen Nutzungswert von</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">58,00 DM täglich vor. Auch der eigene Sachverständige hatte</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">das Fahrzeug in diese Gruppe eingeordnet. Zubehör ist nicht</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">geeignet, das Fahrzeug in eine höhere Gruppe einzuordnen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat daher nur einen Anspruch in Höhe von</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">638,00 DM.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Der Beklagten steht dem gegenüber kein Zurückbehaltungsrecht</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">gemäß § 273 Abs. 1 BGB zu. Sie hat keinen fälligen Gegen-</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">anspruch gegen den Kläger auf Vorlage der oder einer Re-</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">paraturkostenrechnung. Ob die Beklagte einen solchen Gegen-</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">anspruch überhaupt haben kann, kann dahinstehen. Die Be-</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">klagte begehrt die Vorlage der Rechnung nur zu dem Zweck,</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">prüfen zu können, ob die von ihr gezahlten Reparaturkosten</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">[gemäß dem ihr vorgelegten Gutachten höher sind als die</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">tatsächlich infolge der Reparatur verauslagten Kosten;</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">sie meint in diesem Falle einen Rückzahlungsanspruch gegen</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">den Kläger zu haben, mit dem sie dann eventuell gegenüber</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">dem Nutzungsentschädigungsanspruch aufrechnen will.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Einen möglichen Rückzahlungsanspruch (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB)</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">hat die Beklagte jedoch nicht dargelegt. Denn sie hat die</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">geschätzten Reparaturkosten gemäß Gutachten, ohne irgend-</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">einen konkreten Einwand dagegen erhoben zu haben, vorbe-</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">haltlos gezahlt. Dem Vortrag des Klägers, die Beklagte habe</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">die Richtigkeit der im Gutachten ausgewiesenen Schäden bzw.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">deren wertmäßige Erfassung vor der Zahlung überprüft, hat</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">die Beklagte nicht widersprochen. Ein Rückforderungsanspruch</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">trotz Zahlung ohne Vorbehalt ist daher nicht ersichtlich,</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">so daß auch kein diesen Anspruch vorbereitender Anspruch</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">auf Vorlage der Reparaturrechnung, sollte überhaupt eine</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">solche Rechnung existieren, besteht. Nachdem die Beklagte</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">diese Schadensposition (Reparaturkosten gemäß Gutachten)</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">anstandslos vorgerichtlich beglich, stellt sich im vor-</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">liegenden Falle im nachhinein nicht mehr Frage, ob der Kläger be-</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">rechtigt war, die Reparaturkosten auf Gutachtenbasis trotz</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">durchgeführter Reparatur abzurechnen, oder ob er nur auf</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">der Basis der tatsächlich verauslagten Reparaturkosten</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">abrechnen konnte. Gegen die Ansicht der Beklagten, der</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Kläger müsse nach durchgeführter Reparatur auf der Basis</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">der tatsächlich gezahlten Reparaturkosten abrechnen und</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">daher die Rechnung vorlegen, ist die erst in jüngster Zeit</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">veröffentlichte Entscheidung des Bundesgerichtshofs (NJW</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">1989, 3009 = NZV 89, 465) anzuführen, wonach der Ge-</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">schädigte gemäß § 249 Satz 2 BGB den zur Herstellung er-</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">forderlichen Geldbetrag für eine von ihm selbst veranlaßte</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Reparatur verlangen kann. Für das, was zur Schadensbe-</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">seitigung nach § 249 Satz 2 BGB erforderlich ist, ist</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">ein objektivierender, nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">typisierender Maßstab anzulegen. Dafür kann das Schätzungs-</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">gutachten eines anerkannten Sachverständigen über die Höhe</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">der voraussichtlichen Reparaturkosten für das Gericht eine</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">sachgerechte Grundlage sein, sofern das Gutachten hin-</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">reichend ausführlich ist und das Bemühen erkennen läßt,</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">den konkreten Schadensfall vom Standpunkt eines wirt-</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">schaftlich denkenden Betrachters gerecht zu werden (BGH</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">a.a.O.). Das Schätzungsgutachten legt zwar den zu be-</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">anspruchenden Schadensersatz für die Reparatur nicht</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">bindend fest; auch kann die Reparaturrechnung zu einer</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">genaueren Bemessung des nach § 249 Satz 2 BGB geschuldeten</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Ersatzbetrages führen. Das Schätzungsgutachten ist aber</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">dann eine ausreichende Grundlage für die Frage, welcher</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Betrag zur Schadensbeseitigung erforderlich ist, wenn die</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Versicherung keine substantiierten Einwendungen gegen das</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">Schätzungsgutachten des Sachverständigen vorbringt. Das</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">vom Kläger eingeholte Schätzungsgutachten wäre daher eine</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">ausreichende Grundlage zur Bewertung des Fahrzeugschadens</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">gewesen; denn Einwendungen hiergegen hat die Beklagte bis</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">heute nicht vorgebracht.</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 288, 284 BGB;</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">92 Abs. 1 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">Gegenstandswert: 737,00 DM</p>
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315,152 | olgham-1990-01-24-20-u-16089 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 20 U 160/89 | 1990-01-24T00:00:00 | 2019-03-13T14:47:44 | 2022-10-18T15:08:58 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1990:0124.20U160.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung der Beklagten wird das am 11. April 1989 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Münster abgeändert.</p>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Mit Antrag vom 12.02.1986 beantragte die Beklagte bei dem Kläger den Abschluß einer Haftpflicht- und einer Teilkaskoversicherung für einen Pkw. Gleichzeitig ließ sie ihn nach Erteilung einer vorläufigen Deckungszusage zum Straßenverkehr zu. Der Kläger nahm den Antrag an und übersandte den Versicherungsschein vom 18.03.1987, mit dem er auch den Erstbeitrag, bestehend aus Haftpflicht- und Teilkaskoprämie sowie Ausfertigungsgebühr, einforderte. Im Anschluß daran erteilte er folgende Belehrung:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"><i>Sehr geehrter Versicherungsnehmer,</i></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks"><i>wird mit diesem Dokument ein Erstbeitrag gefordert, beginnt der Versicherungsschutz mit der Zahlung des Beitrages. Aufgrund einer vorläufigen Deckungszusage haben Sie nur vorläufigen Versicherungsschutz. Wenn Sie nach Erhalt des Versicherungsscheines den Erstbeitrag nicht innerhalb der gesetzten Frist zahlen, geht der Versicherungsschutz rückwirkend verloren. Sie müssen den Beitrag auch dann in dieser Frist zahlen, wenn inzwischen ein Schaden eingetreten ist, weil Sie sonst den Versicherungsschutz verlieren und für diesen Schaden selbst aufkommen müssen (§39 VVG). Sollten Sie die Zahlungsfrist versäumt haben, so empfehlen wir Ihnen dringend, den Betrag gleichwohl sofort zu zahlen, damit Sie wenigstens für die Zukunft Versicherungsschutz haben.</i></p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte zahlte nicht. Am 22.04.1987 fuhr ihr Lebensgefährte, der Zeuge ..., mit dem Fahrzeug auf den ... eines Herrn ... auf. In der Schadenanzeige der Beklagten heißt es, man selbst stelle keine Ansprüche. Der Unfallgegner habe in ... auf der ... Richtung ... fahrend plötzlich stark abbremsen müssen. Es sei keine Möglichkeit zum Ausweichen mehr verblieben, um nicht den Gegenverkehr zu gefährden. ... hatte den Unfall dagegen so geschildert, daß der Lebensgefährte der Beklagten auf sein Fahrzeug aufgefahren sei, als er, ... vor einer roten Ampel bereits gestanden habe. Er gab sein Fahrzeug bei der Firma ... in Reparatur, die wegen Auftragsüberlastung erst 14 Tage später mit der Reparatur begann. Insgesamt dauerte es 40 Tage bis zu deren Abschluß. ... hatte während dieser Zeit einen Mietwagen genommen. Die dafür anfallenden Kosten zuzüglich Reparaturkosten am Pkw nebst Sachverständigen- und Anwaltskosten hat der Kläger ... erstattet und verlangt er jetzt abzüglich Leistungen der ... gemäß Teilgungsabkommen von der Beklagten in Höhe von letztlich 18.236,11 DM zurück.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat der Klage entsprochen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Berufung meint, der Kläger habe wegen der unterschiedlichen Sachdarstellungen der Unfallbeteiligten nicht regulieren dürfen, zumindest nicht zu 100 %, keinesfalls in Höhe der erheblichen Mietwagenkosten. Dies umso weniger, als ... mit ... sich geeinigt gehabt hätten, daß niemand Ansprüche gegen den anderen erhebt. Mit Schriftsatz vom 12.01.1990 hat sich die Beklagte ferner darauf berufen, daß der Kläger auch schon dem Grunde nach nicht leistungsfrei sei.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">abändernd die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Er verteidigt das angefochtene Urteil und legt im einzelnen dar, warum der Kläger die vollen Mietwagenkosten ausgeglichen hat. Die Rechtsauffassung der Beklagten im Schriftsatz vom 12.01.1990 rügt der Kläger als verspätet. Erstmals im Senatstermin hat er sich darauf berufen, daß er auch wegen Obliegenheitsverletzung zumindest teilweise leistungsfrei sei.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe</b></p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist begründet. Der Kläger könnte dann die von ihm gemäß §3 Nr. 1 PflichtVG an den Unfallgegner ... gezahlten Beträge ganz oder teilweise von der Beklagten zurückverlangen, wenn er ihr gegenüber leistungsfrei wäre, §3 Nr. 9 PflichtVG. Dies ist indes nicht der Fall. Auf den Streit der Parteien, ob der Kläger den Unfall sachgerecht reguliert oder dabei seine Verpflichtungen schuldhaft verletzt hat (§3 Nr. 10 PflichtVG), kommt es daher nicht an.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks"><b>1.</b></p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Der Kläger nimmt zu Unrecht für sich in Anspruch, wegen nicht fristgerechter Zahlung der Erstprämie leistungsfrei geworden zu sein. Die Erstprämienanforderung hat nur dann die Rechtswirkung des §38 VVG, wenn in ihr mit zutreffender Bezifferung und richtiger Kennzeichnung derjenige Betrag ausgewiesen ist, den der Versicherungsnehmer zur Erlangung - bzw. bei vorläufiger Deckungszusage zur Erhaltung - des betreffenden Versicherungsschutzes aufwenden muß. Die weitreichenden und für einen Versicherunsnehmer nicht selten existenzgefährdenden Folgen treten außerdem nur dann ein, wenn der Versicherer den Versicherungsnehmer über die Rechtsfolgen nicht fristgerechter Einlösung des Versicherungsscheines richtig belehrt hat (BGH VersR 85, 447; NJW 86, 1103; Senat NJW RR 87, 1241; Stiefel-Hofmann §1 AKB RNr. 79 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind gleich in mehrfacher Hinsicht nicht erfüllt.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Zunächst ist schon der für die Erhaltung des Versicherungsschutzes zu zahlende Erstbeitrag nicht, zumindest nicht in der gebotenen Klarheit bezeichnet worden. Zwar ist in dem Versicherungsschein die Prämie für die Haftpflicht- und für die Fahrzeugversicherung zunächst gesondert ausgewiesen. Im Anschluß daran heißt es aber, daß insgesamt 262,20 DM zu zahlen seien und daß es sich dabei um den Erstbeitrag handele. Zur Erhaltung des Versicherungsschutzes in der Haftpflichtversicherung wäre aber die Zahlung der für die Fahrzeugversicherung berechneten Prämie nicht erforderlich gewesen. Hierauf wird in dem Versicherungsschein an keiner Stelle hingewiesen. Der Hinweis des Klägers, Erstbeitrag gemäß §38 VVG sei der Beitrag bis zum 01.04.1987, der in der Zeile zuvor mit 262,20 DM, also inclusive der Prämie für die Teilkaskoversicherung, ausgeworfen worden war, erweckt vielmehr - zu Unrecht - den Anschein, daß der genannte Gesamtbetrag zur Erhaltung des Versicherungsschutzes gezahlt werden müsse.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Unabhängig davon ist die Belehrung auch in weiteren Punkten verwirrend und falsch. Die Belehrung soll nach den schriftsätzlichen Angaben des Klägers - die vorliegende verkleinerte Ablichtung des Versicherungsscheines ist in diesem Punkt unleserlich - auf §39 VVG verweisen. Dies wäre offensichtlich verfehlt und stünde im Widerspruch zu dem darüberstehenden Computerausdruck, der auf §38 VVG Bezug nimmt.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Selbst wenn aber auch im Vordrucktext §38 VVG zitiert worden sein sollte, wäre das unrichtig. In der Kraftfahrtversicherung ergeben sich die Voraussetzungen der Leistungsfreiheit wegen nicht rechtzeitiger Einlösung des Versicherungsscheines nicht aus §38 VVG sondern aus §1 Abs. 2 AKB. Danach tritt der Versicherungsschutz aus vorläufiger Deckungszusage nur dann rückwirkend außer Kraft, wenn der Antrag unverändert angenommen, der Versicherungsschein nicht spätestens innerhalb von 14 Tagen eingelöst wird und der Versicherungsnehmer die Verspätung zu vertreten hat. Auch in diesem Punkt ist die Belehrung falsch. Sie weist nicht darauf hin, daß bei unverschuldeter Versäumung der Zahlungsfrist auch nachträgliche Zahlung zur Erhaltung des Versicherungsschutzes auch für die Vergangenheit ausreicht. Die Belehrung des Klägers erweckt den unzutreffenden Eindruck, daß jedwede Fristversäumung zum Verlust des Versicherungsschutzes führt. Auch dieser Mangel in der Belehrung führt dazu, daß der Kläger nicht wegen fehlender Einlösung des Versicherungsscheines leistungsfrei geworden ist.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">c)</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung des Klägers war es dem Senat, auch wenn die Berufungsbegründung sich im wesentlichen zu §3 Nr. 10 PflichtVG verhält, nicht verwehrt, die Entscheidung auf die vorstehenden Gesichtspunkte zu stützen. Ein Regreßanspruch kann nur bestehen, wenn der Kläger im Verhältnis zur Beklagten leistungsfrei ist, §3 Nr. 9 Satz 2 PflichtVG. Die Voraussetzungen dieser Leistungsfreiheit gehören mithin zur Schlüssigkeit des Klagevorbringens, was - nach entsprechender Erörterung - ohne weiteres Berücksichtigung finden muß. Von Verspätung kann keine Rede sein: Der Versicherungsschein war schon in 1. Instanz überreicht worden.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">d)</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Der nach dem Unfall erfolgte Rücktritt des Klägers ist für seine Einstandspflicht ohne Belang. Diese endet rückwirkend <u>nur</u> unter den - hier nicht vorliegenden - Voraussetzungen des §1 II 4 AKB (Prölss-Martin §1 AKB Anm. 2 b). Selbst wenn eine Umdeutung in eine Kündigung nach §1 IIs AKB zulässig sein sollte, was unerörtert bleiben kann, könnte das der Klage deshalb nicht zum Erfolg verhelfen.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks"><b>2.</b></p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist auch nicht wegen Obliegenheitsverletzung, auf die er sich im übrigen auch erstmals im Senatstermin bezogen hat, ganz oder teilweise leistungsfrei geworden, §7 V AKB. Zwar war im Senatstermin zwischen den Parteien nicht streitig, daß die Schilderung des Unfalles in der Schadenanzeige vom 15.05.1987 unrichtig ist. Es besteht auch kein vernünftiger Zweifel daran, daß der Zeuge ..., der Fahrer des Unfallwagen war und von dem Angaben stammen, dies wußte. Leistungsfreiheit setzt aber Vorsatz oder - unter weiteren Voraussetzungen - zumindest grobe Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers oder seines Repräsentanten voraus. Der Kläger hat, obwohl er in der Haftpflichtversicherung zu diesem Punkt beweispflichtig ist (Prölss/Martin §7 Anm. 6 D AKB m.w.N.), nicht dargetan, daß die Beklagte Kenntnis von der Unrichtigkeit dieser Angaben hatte. Dies versteht sich auch nicht von selbst, zumal sie im Zeitpunkt des Unfalles im Krankenhaus lag und von ihrem Lebensgefährten nicht im einzelnen unterrichtet worden sein muß.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte braucht sich das Verhalten des Zeugen ... auch nicht nach den Grundsätzen der Repräsentantenhaftung zurechnen zu lassen. Zunächst ist dieser nicht allein deshalb Repräsentant, weil er mit der Beklagten zusammenlebt (BGH VersR 89, 909 = NJW 2474). Zu den tatsächlichen Voraussetzungen einer etwaigen Repräsentantenstellung hat der Kläger nichts vorgetragen. Eine solche ergibt sich auch nicht daraus, daß die Beklagte in der Schadenanzeige die Frage "Entscheidet der Fahrer über den Gebrauch des Kfz allein (Repräsentant)?" bejaht hat. Abgesehen davon, daß die Frage nur einen Teilaspekt des Repräsentantenbegriffes betrifft, der Klammerzusatz "Repräsentant" deshalb etwas Falsches suggeriert, ist es nicht Aufgabe eines Versicherungsnehmers, vom Versicherer falsch definierte Rechtsbegriffe womöglich zwischen den Parteien verbindlich zu beantworten. Daß die Beklagte die versicherungsrechtliche Abwicklung ihrem Lebensgefährten gerade nicht übertragen hat, folgt schon daraus, daß sie die Schadenanzeige selbst unterschrieben hat.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Nach allem ist der Kläger gegenüber der Beklagten für den Unfall vom 22.04.1987 aus der vorläufigen Deckungszusage in vollem Umfange einstandspflichtig. Er kann deshalb auch keinen Regreß nehmen.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks"><b>3)</b></p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§91, 708 Nr. 10 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die Beschwer des Klägers beträgt 18.236,11 DM.</p>
|
315,153 | ag-dusseldorf-1990-01-24-29-c-1045389 | {
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} | 29 C 10453/89 | 1990-01-24T00:00:00 | 2019-03-13T14:47:45 | 2022-10-18T15:08:59 | Urteil | ECLI:DE:AGD:1990:0124.29C10453.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>hat das Amtsgericht Düsseldorf</p>
<p>auf die mündliche Verhandlung vom 15. November 1989</p>
<p>durch die Richterin X für R e c h t erkannt:</p>
<p></p>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Der Klägerin fallen die Kosten des</p>
<p>Rechtsstreits zur Last.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p>Die Klägerin darf die Vollstreckung durch</p>
<p>Sicherheitsleistung in Höhe von 500,-- DM</p>
<p>abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der</p>
<p>Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.</p>
<p>Die jeweiligen Sicherheiten dürfen auch durch eine</p>
<p>selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundes-</p>
<p>republik oder Westberlin ansässigen Großbank oder</p>
<p>Sparkasse geleistet werden.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px"><u>Tatbestand</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Die Klägerin ist als Halterin des PKW X, Erst-</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">zulassung 1976, Fahrgestell Nr. 90236, mit dem amtlichen Kenn-</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">zeichen X durch Versicherungsvertrag vom 30.9.1986 bei</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">der Beklagten kraftfahrtversichert. Hierzu gehört auch eine</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Kfz-Diebstahlversicherung. Das Fahrzeug wurde in der Nacht</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">vom 24.1. auf den 25.1.1989 zwischen 22 und 2.00 Uhr vor der</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Gaststätte X auf der X Straße in X von</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Unbekannten entwendet. Dort hatte ihn der Ehemann der Klägerin</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">zum Zwecke des Gaststättenbesuchs abgestellt.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Den PKW-Schlüssel hatte der Ehemann der Klägerin in die</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Tasche seiner Lederjacke gesteckt und diese an die Garderobe</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">gehängt.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Die Klägerin behauptet, vom Platz ihres Ehemannes aus sei</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">die Jacke die gesamte Zeit über gut sichtbar gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Die Gaststätte sei an diesem Abend nur sehr spärlich besucht</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">gewesen, weshalb der Blick auf die Jacke die ganze Zeit über</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">vollkommen frei gewesen sei. Ihr Ehemann habe die Jacke die</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">ganze Zeit über im Auge behalten. Die Jacke und der Schlüssel</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">seien sodann während eines ganz kurzen unbeaufsichtigten Moments</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">gestohlen worden.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Das von der Staatsanwaltschaft X eingeleitete Ermittlungs-</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">verfahren wurde durch Verfügung vom 13.2.1989 eingestellt,</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">weil der Täter nicht ermittelt werden konnte. Die Klägerin</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">zeigte der Beklagten den Schaden am 25.1.1989 an; die Beklagte</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">lehnte die Regulierung mit Schreiben vom 15.5.1989 ab.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Die Klägerin beziffert ihren Schaden auf 2.500,-- DM</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">(s. Berechnung Blatt 5 ff d.A.).</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:92px">die Beklagte zu verurteilen, an sie</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:92px">2.500,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 12.7.1989</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:92px">zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Die Beklagte bittet um</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:92px">Klageabweisung.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Sie vertritt die Auffassung, dass der Versicherungsfall von</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">einem Repräsentanten der Klägerin grob fahrlässig herbeige-</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">führt worden sei, was zu ihrer Leistungsfreiheit führe.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Zum einen sei der Ehemann der Klägerin seit Erwerb des</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Fahrzeugs im September 1986 bis zu dessen Diebstahl der</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">alleinige Benutzer gewesen, so daß er Repräsentant der Klägerin</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">sei und sie sich also dessen Verhalten zurechnen lassen müsse.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Grobes Verhalten ergebe sich zum einen daraus, dass der Ehemann</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">der Klägerin schon angesichts der in der Gaststätte statt-</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">findenden Unterhaltungen nicht die ganze Zeit seine Jacke fixiert</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">haben könne, zumal sich neben der Garderobe ein Spielauto-</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">mat befinde, an dem zur fraglichen Zeit ständig Leute gewesen</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">seien. Im übrigen habe der Ehemann der Klägerin an diesem</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Abend in ganz erheblichem Maß dem Alkohol zugesprochen</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">und sich auch zeitweise am Billardtisch aufgehalten. Zu-</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">mindest in der letzten Zeit seines Gaststättenbesuchs habe</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">er seine Jacke infolge Alkoholgenusses nicht mehr im Auge</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">behalten können.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird auf den</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Inhalt der von ihnen eingereichten vorbereitenden Schriftsätze</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">nebst Anlagen verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px"><u>Entscheidungsgründe</u></p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Die Klage ist unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Die Klägerin kann von der Beklagten nicht Ersatz des Schadens</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">verlangen, weil die Beklagte nach § 61 VVG von ihrer Pflicht</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">zur Leistung frei ist.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Der Ehemann der Klägerin ist deren Repräsentant im versicherungs-</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">rechtlichen Verhältnis zur Beklagten. In der Fahrzeugver-</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">sicherung ist Repräsentant des Versicherungsnehmers, wer</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">an seiner Stelle Halter und Wartung des versicherten Kfz</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">übernimmt.; die Befugnis, für den Versicherungsnehmer</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">rechtsgeschäftlich zu handeln, ist nicht erforderlich</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">(BGH –Versicherungsrecht 69, 1068). Konkretisiert bedeutet</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">dies, dass bei einer Kfz-Kaskoversicherung der Ehemann des</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Versicherungsnehmers dann als dessen Repräsentant anzusehen ist,</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">wenn er das versicherte Fahrzeug ständig fährt, im Besitz</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">der Papiere und sämtlicher Schlüssel ist und jeden Fahrzeug-</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">schaden wirtschaftlich trägt (OLG Karlsruhe Versicherungs-</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">recht 76,58).</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Diese Voraussetzungen liegen hier vor.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Aus der Vernehmungsniederschrift des Ehemannes der Klägerin</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">geht hervor, dass für den PKW nur ein Schlüssel existierte;</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">der zweite, seinerzeit mitverkaufte Schlüssel war im Jahre</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">1986 verlorengegangen. Der Ehemann der Klägerin war also zum</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Diebstahlzeitpunkt alleiniger Schlüsselinhaber des Fahrzeugs.</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Die Klägerin kann auch nicht bestreiten, dass ihr Mann den</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Schaden wirtschaftlich trägt. Sie selbst bringt vor, die</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Unterhaltung des Fahrzeugs vom Haushaltsgeld abzuzweigen.</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Dies bedeutet i. ü. nicht nur, dass ihr Ehemann den Verlust wirtschaftlich</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">trägt; wirtschaftlich trug er auch den Unterhalt des Fahrzeugs,</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">mag dies auch ein durchlaufender Posten "im Haushaltsgeld" der Klägerin</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">gewesen sein.</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Der Ehemann der Klägerin sprach im übrigen bei der poli-</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">zeilichen Vernehmung von "meinem PKW", den "auch meine Frau"</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">benutzt. Aus diesen Formulierungen geht hervor, dass der</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Ehemann der Klägerin das Fahrzeug als seines betrachtet,</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">was von der Kostentragung durch ihn untermauert wird.</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Da der Ehemann der Klägerin den Diebstahl grob fahrlässig</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">ermöglicht hat, besteht Leistungsfreiheit der Beklagten.</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Sorgfalt gröblich, in hohem Maße, außer Acht lässt und nicht</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">das beachtet, was unter den gegebenen Umständen jedem ein-</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">leuchten müsste (vgl. Prölss/Martin, Anm. 12 zu § 6 VVG).</p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Grob fahrlässig handelt also, wer unbekümmert und leichtfertig</p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">agiert. Dabei ist das Verhalten des Versicherungsnehmers</p>
<span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">- bzw. seines Repräsentanten - in seiner Gesamtheit zu betrachten,</p>
<span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">so dass das Zusammentreffen von – für sich genommen – tolerier-</p>
<span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">baren Umständen den qualifizierten Vorwurf begründen kann.</p>
<span class="absatzRechts">103</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Aus der polizeilichen Aussage des Ehemannes der Klägerin geht</p>
<span class="absatzRechts">104</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">hervor, daß er zum Ende des Gaststättenbesuchs so alkoho-</p>
<span class="absatzRechts">105</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">lisiert war, daß er nicht klar denken konnte. Selbst wenn man</p>
<span class="absatzRechts">106</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">zu Gunsten der Klägerin unterstellt, daß ihr Ehemann</p>
<span class="absatzRechts">107</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">die Jacke während der gesamten Zeit im Blick hatte, so wurde</p>
<span class="absatzRechts">108</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">diese Beobachtung mit zunehmender Alkoholisierung zunehmend</p>
<span class="absatzRechts">109</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">unzuverlässiger; ein Betrunkener in einer Gaststätte kann</p>
<span class="absatzRechts">110</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">seine Aufmerksamkeit nicht mehr in dem Maße seiner Jacke</p>
<span class="absatzRechts">111</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">schenken wie ein Nüchterner. Dies zeigt sich auch daran, daß</p>
<span class="absatzRechts">112</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">der Ehemann der Klägerin zunächst auf der Straße auf das</p>
<span class="absatzRechts">113</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Taxi wartete, ohne seine Jacke anzuhaben. Er ging dann zurück</p>
<span class="absatzRechts">114</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">und stellte erst beim neuerlichen Hineingehen in die Gast-</p>
<span class="absatzRechts">115</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">wirtschaft fest, dass die Jacke insgesamt abhanden gekommen </p>
<span class="absatzRechts">116</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">war.</p>
<span class="absatzRechts">117</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Das Verhalten des Ehemannes der Klägerin ist auch subjektiv</p>
<span class="absatzRechts">118</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">vorwerfbar. Ausweislich der polizeilichen Aussage handelte</p>
<span class="absatzRechts">119</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">es sich bei den in der Jacke befindlichen Schlüssel um</p>
<span class="absatzRechts">120</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">einen Haustürschlüssel und um einen PKW-Schlüssel und mit-</p>
<span class="absatzRechts">121</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">hin nicht um einen schweren Schlüsselbund; man hätte diese</p>
<span class="absatzRechts">122</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Schlüssel deshalb genau so gut in die Hosentasche stecken</p>
<span class="absatzRechts">123</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">können. Der Ehemann der Klägerin hat die Schlüssel in einer</p>
<span class="absatzRechts">124</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Lederjacke deponiert, obwohl Lederjacken an Garderoben eher</p>
<span class="absatzRechts">125</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">gestohlen zu werden pflegen als andere Bekleidungsstücke.</p>
<span class="absatzRechts">126</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Spätestens zu dem Zeitpunkt, als der Ehemann der Klägerin</p>
<span class="absatzRechts">127</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">im Hinblick auf seine fortschreitende Alkoholisierung noch</p>
<span class="absatzRechts">128</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">realisieren konnte, daß er bald seiner Sinne nicht mehr voll-</p>
<span class="absatzRechts">129</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">ständig mächtig sein würde, hätte er den Wagenschlüssel an</p>
<span class="absatzRechts">130</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">sich nehmen müssen.</p>
<span class="absatzRechts">131</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Da die Klägerin in diesem Rechtsstreit unterlegen ist,</p>
<span class="absatzRechts">132</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">hat sie gemäß § 91 Abs. 1 ZPO dessen Kosten zu tragen.</p>
<span class="absatzRechts">133</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">Die übrigen prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf</p>
<span class="absatzRechts">134</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:21px">den §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1, 108 Abs. 1 ZPO.</p>
|
315,154 | olgham-1990-01-22-3-u-26788 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
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"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 3 U 267/88 | 1990-01-22T00:00:00 | 2019-03-13T14:47:47 | 2022-10-18T15:08:59 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1990:0122.3U267.88.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung der Beklagten gegen das am 14. April 1988 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Auf die Berufung des Klägers wird das genannte Urteil abgeändert und wie folgt neu gefaßt:</p>
<p></p>
<p>Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 99.020,25 DM nebst 8,5% Zinsen seit dem 26. Februar 1987 zu zahlen.</p>
<p></p>
<p>Im übrigen bleibt die Klage abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p>Die Beklagten können die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 150.000,- DM, falls nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.</p>
<p></p>
<p>Den Parteien wird nachgelassen, Sicherheit auch durch eine unbedingte und unbefristete Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse zu erbringen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Tatbestand</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger befuhr am 1.8.1986 gegen 20.40 Uhr mit seinem Pkw xxx, amtliches Kennzeichen xxx den linken Fahrstreifen der BAB xxx in Fahrtrichtung xxx. In Höhe von xxx fuhren vor ihm in gleicher Fahrtrichtung auf dem rechten Fahrstreifen der Beklagte zu 1) mit seinem bei dem Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Wohnmobil xxx amtliches Kennzeichen xxx dahinter ein Lkw und hinter diesem der Zeuge xxx mit seinem Pkw xxx. Nachdem der Zeuge xxx auf dem linken Fahrstreifen ausgeschert war, um den vor ihm fahrenden Lkw zu überholen, bemerkte er den mit hoher Geschwindigkeit herannahenden Kläger und fuhr wieder auf den rechten Fahrstreifen hinüber, um dem Kläger zunächst die Vorbeifahrt zu ermöglichen. Kurz darauf kollidierte der Kläger aus Gründen, die zwischen den Parteien streitig sind, mit dem Beklagten zu 1), der inzwischen seinerseits zum Überholen eines weiteren vor ihm fahrenden Lkw auf den linken Fahrstreifen ausgeschert war. Durch den Aufprall überschlug sich das Fahrzeug des Beklagten zu 1) mehrfach und kam anschließend im Bereich der Mittelleitplanke zum Stehen, während das Fahrzeug des Klägers nach rechts hinüberschleuderte und dort in einem Acker landete.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat die Beklagten auf vollen Ersatz seines unter näherer Darlegung auf insgesamt 99.420,25 DM bezifferten Unfallschadens in Anspruch genommen und dazu behauptet, der Beklagte sei, während er - der Kläger - mit einer Geschwindigkeit von etwa 200 km/h den Zeugen xxx überholt habe, plötzlich und ohne Betätigung des Fahrtrichtungsanzeigers auf die linke Fahrspur gefahren. Obwohl er - der Kläger - darauf sofort mit einer Vollbremsung reagiert und auch noch versucht habe, nach rechts auszuweichen, habe er das Fahrzeug des Beklagten zu 1) noch mit dem linken Vorderteil seines Ferrari erfaßt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten haben eine schuldhafte Verursachung des Unfalls durch den Beklagten zu 1) in Abrede gestellt und behauptet, dieser sei erst auf dem linken Fahrstreifen gewechselt, nachdem er das linke Blinklicht gesetzt und sich durch einen Blick in den Rückspiegel vergewissert habe, daß die linke Fahrspur frei gewesen sei. Als sich der Beklagte zu 1) bereits einige Zeit auf dem linken Fahrstreifen befunden habe, habe er plötzlich von hinten einen starken Anstoß erhalten, was - wie die Beklagten meinen - darauf zurückzuführen sei, daß der Kläger, der mit einer Geschwindigkeit von 200 bis 250 km/h gefahren sei, zu spät reagiert habe.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung der Zeugen xxx und xxx (Ehefrau des Beklagten zu 1 ) und xxx (Sohn des Klägers) sowie durch Einholung eines Gutachtens, das der Sachverständige xxx unter dem 30.11.1987 schriftlich erstattet und im Termin am 4.2.1988 mündlich erläutert hat. Das Landgericht hat ferner die Ermittlungsakten 64 Js 1889/86 StA Bielefeld zu Informationszwecken beigezogen und sodann der Klage unter Abweisung im übrigen in Höhe von 69.314,18 DM stattgegeben. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, daß der Unfall von dem Beklagten zu 1) schuldhaft verursacht worden sei, während den Kläger zwar kein Mitverschulden treffe, er aber für die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs einzustehen habe, so daß er mehr als 70% seines in Höhe von insgesamt 99.020,25 DM als berechtigt anzuerkennenden Unfallschadens nicht ersetzt verlangen könne.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil, auf das gemäß § 543 ZPO Bezug genommen wird, richten sich die selbständigen Berufungen beider Parteien, mit denen der Kläger unter Hinnahme der vom Landgericht vorgenommenen Kürzung weiterhin vollen Ersatz seines Unfallschadens begehrt,, während die Beklagten die Abweisung der Klage erstreben, soweit diese über 15.000,- DM hinausgeht.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten bleiben unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vortrages bei der Behauptung, daß der Pkw des Klägers bei Einleitung des Ausschermanövers des Beklagten zu 1) für diesen noch nicht wahrnehmbar gewesen sei und meinen, daß der Unfall allein von dem Kläger verschuldet worden sei, der entweder mit überhöhter Geschwindigkeit oder unaufmerksam gefahren sei, weshalb sie sich nicht für verpflichtet erachten, dem Kläger mehr als 30% seines Unfallschadens, den sie mit näheren Ausführungen auch nur in Höhe von insgesamt 50.000,- DM als berechtigt anerkennen, zu ersetzen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">abändernd die Klage abzuweisen, soweit sie als Gesamtschuldner verurteilt sind, an den Kläger mehr als 15.000,- DM nebst 4% Zinsen zu zahlen,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">die gegnerische Berufung zurückzuweisen,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">ihnen nachzulassen, die gemäß § 711 ZPO oder § 712 ZPO zu bestimmende Sicherheitsleistung auch durch Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse zu erbringen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner über den ausgeurteilten Betrag von 69.31,10 DM hinaus weitere 29.706,07 DM, insgesamt 99.020,25 DM nebst 8,5% Zinsen ab 26.2.1987 an ihn zu zahlen,</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">die gegnerische Berufung zurückzuweisen, </p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">ihm zu gestatten, Sicherheit gemäß §§ 709 - 711, 720a Abs. 3 ZPO durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer Großbank oder öffentlichen Sparkasse zu erbringen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Er wiederholt und ergänzt seinen erstinstanzlichen Vortrag zum Unfallhergang, meint, daß ihm weder ein Mitverschulden noch eine Mitverantwortlichkeit unter dem Gesichtspunkt der Betriebsgefahr anzulasten, der Unfall für ihn vielmehr unabwendbar gewesen sei und verteidigt mit näheren Ausführungen die Höhe des von ihm geltend gemachten Schadens, wobei er seinen in Höhe von 91.000,- DM geltend gemachten Fahrzeugschaden nunmehr ausdrücklich als erstrangigen Teilbetrag deklariert.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung der Zeugen xxx und xxx und xxx sowie durch Einholung von Gutachten, die der Sachverständige xxx mündlich und schriftlich erstattet hat. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 10.4.1989 und 22.1.1990, die Vermerke der Berichterstatterin zu diesen Sitzungsniederschriften und, das schriftliche Gutachten des Sachverständigen vom 8.11.1989 verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die Ermittlungsakten 64 Js 1889/86 StA Bielefeld haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Berufung der Beklagten hat keinen, die Berufung des Klägers hat vollen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten sind gemäß den §§ 823 BGB, 7 StVG, 3 PflVG verpflichtet, dem Kläger vollen Ersatz seines Unfallschadens zu leisten, der nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme jedenfalls in Höhe der verlangten 99.020,25 DM begründet ist.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Der Senat ist nach ergänzender Beweisaufnahme mit dem Landgericht davon überzeugt, daß der Unfall allein von dem Beklagten zu 1) verschuldet worden ist, indem dieser sich bei dem von ihm vorgenommenen Fahrstreifenwechsel nicht so verhalten hat, daß eine Gefährdung des Klägers ausgeschlossen war (§§ 5 Abs. 4 Satz 1, 7 Abs. 5 Satz 1 StVO). Diese Überzeugung stützt sich im wesentlichen auf die glaubhaften Bekundungen des Zeugen xxx der als Beifahrer in dem xxx seines Bruders xxx saß und den Unfallhergang zuverlässig beobachtet und wiedergegeben hat. Danach ist der Zeuge xxx zwischen der Raststätte xxx und der Ausfahrt xxx auf die linke Fahrspur gewechselt, um einen vor ihm auf der rechten Fahrspur fahrenden Lkw zu überholen, als er hinter sich den Kläger herannahen sah. Mit der Bemerkung, daß sie für den, der jetzt komme, nicht schnell genug seien, hat der Zeuge xxx daraufhin von seinem Überholmanöver zunächst Abstand genommen und sich wieder auf die rechte Fahrspur eingeordnet, um dem Kläger die Vorbeifahrt zu ermöglichen. Unmittelbar nach dieser Vorbeifahrt ist der Zeuge xxx wieder nach links ausgeschert. Etwa zeitgleich ist der Beklagte zu 1) ebenfalls nach links ausgeschert, wobei sich der Kläger zu diesem Zeitpunkt nach Schätzung des Zeugen xxx nur noch ca. 100 bis 150 m hinter dem Beklagten zu 1) und damit nach den Feststellungen des Sachverständigen xxx voll in dessen Sichtbereich befand. Unter Zugrundelegung dieser Darstellung, die in sich widerspruchsfrei ist, in keinerlei Widerspruch, zu den Bekundungen der Zeugen xxx und xxx steht, sondern von diesen ergänzt wird und sich auch mit den technischen Feststellungen des Sachverständigen xxx volle Übereinstimmung bringen läßt, steht fest, daß der Beklagte zu 1) den Kläger entweder übersehen oder aber dessen Geschwindigkeit völlig unterschätzt hat, was beides die Feststellung eines unfallursächlichen Verschuldens begründet.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Zutreffend macht der Kläger demgegenüber geltend, daß der Unfall für ihn ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 7 Abs. 2 StVG darstellte. Allerdings ermöglichen die Feststellungen des Sachverständigen xxx eine dahingehende Feststellung nur unter der Prämisse, daß sich der Kläger zum frühestmöglichen Zeitpunkt zur spontanen Bremsung entschlossen hat, das heißt zu dem Zeitpunkt, zu, welchem der Fahrstreifenwechsel des Beklagten zu 1) für ihn erkennbar wurde, weil sich das Unfallgeschehen technisch nur insoweit zuverlässig hat rekonstruieren lassen. Dieser frühestmögliche Zeitpunkt liegt nach den Ausführungen des Sachverständigen bei etwa 1/3 des von dem Beklagten zu 1) für den Fahrspurwechsel insgesamt benötigten Weges, das heißt bei Zugrundelegung der von dem Kläger selbst eingeräumten Ausgangsgeschwindigkeit von rund 200 km/h, knapp 100 m vor der Unfallstelle, weil sich die Kollisionsgeschwindigkeit des Klägers nach den Feststellungen des Sachverständigen zuverlässig mit 157 km/h hat ermitteln lassen und der Kläger 9.9 m gebraucht hat, um aus einer Ausgangsgeschwindigkeit von rund 200 km/h auf diese Kollisionsgeschwindigkeit zu kommen. Daß der Kläger tatsächlich zu diesem frühestmöglichen Zeitpunkt gebremst hat, entnimmt der Senat den Bekundungen des Zeugen xxx dessen Schätzung des Abstandes des Klägers zu dem ausscherenden Beklagten zu 1) mit 100 bis 150 m sich auch insoweit als zuverlässig erweist und der desweiteren bekundet, daß der Kläger bereits mit dem Bremsvorgang begonnen habe, als der Zeuge xxx nach der Vorbeifahrt des Klägers wieder nach links ausgeschert sei, was etwa zeitgleich mit dem Ausscheren des Beklagten zu 1) der Fall war. Bei Zugrundelegung dessen war der Unfall für den Kläger nach den Ausführungen des Sachverständigen unvermeidbar, so daß die Beklagten dem Kläger dem Grunde nach zum vollen Ersatz seines Unfallschadens verpflichtet sind.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Auch zur Höhe erweist sich das Schadensersatzbegehren des Klägers in vollem Umfang als begründet.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Soweit die Beklagten den von dem Kläger unter Bezugnahme auf das Gutachten des Sachverständigen xxx auf 91.000,- DM bezifferten Fahrzeugschaden für übersetzt halten, ist der Sachverständige xxx in seinem schriftlichen Gutachten vom 8.11.1989 zwar zu dem Ergebnis gelangt, daß dieser Schaden nur 73.000,- DM betrage. Wie sich im Senatstermin herausgestellt hat, hat der Sachverständige seiner Bewertung dabei aber den Unfallzeitpunkt zugrunde gelegt, während der Kläger, dessen xxx unstreitig einen Totalschaden erlitten hat, gemäß § 251 Abs. 1 BGB den derzeit zur Wiederbeschaffung eines gleichwertigen Ersatzfahrzeugs erforderlichen Geldbetrag verlangen kann. Insoweit hat der Sachverständige im Senatstermin bestätigt, daß - wie von dem Kläger behauptet - heute Aufpreise von 100.000,- DM und mehr gezahlt werden, so daß auch unter Berücksichtigung der Vorsteuerabzugsberechtigung des Klägers keine Bedenken bestehen, dessen Fahrzeugschaden jedenfalls in Höhe der nunmehr ausdrücklich als erstrangiger Teilbetrag geltend gemachten 91.000,- DM als berechtigt anzuerkennen.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Entsprechendes gilt für die vom Landgericht zuerkannten Beträge von 3.398,- DM für das Schadensgutachten des Sachverständigen xxx und 3.780,- DM für 30 Tage à 126,- DM Nutzungsausfallentschädigung, gegen die von den Beklagten substantiierte Einwendungen in der Berufungsinstanz nicht erhoben worden sind.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die verlangte Kostenpauschale ist in erster Instanz in Höhe von 100,- DM als berechtigt anerkannt worden und in dieser Höhe auch in der Berufungsinstanz unstreitig.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Schließlich sieht der Senat unter Berücksichtigung der Erklärungen des Klägers im Senatstermin am 10.4.1989 als glaubhaft an, daß dessen Brille bei dem Unfall zerstört worden ist, so daß auch die belegten Kosten für die Anschaffung einer Ersatzbrille in Höhe von 742,25 DM als berechtigt anzuerkennen sind.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 286 I, 284 I, 288 II BGB.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.</p>
|
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"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 25 T 26/90 | 1990-01-15T00:00:00 | 2019-03-13T14:47:49 | 2022-10-18T15:08:59 | Beschluss | ECLI:DE:LGD:1990:0115.25T26.90.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.</p>
<p></p>
<p>Die Sache wird an das Amtsgericht Düsseldorf zur erneuten Entscheidung über den Eintragungsantrag der Beteiligten zu 1. und 2. vom 1. Dezember 1989 nach Maßgabe der nachstehenden Gründe zurückgewiesen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>G r ü n d e :</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligten zu 1. sind eingetragene Eigentümer des eingangs näher bezeichneten Grundstücks. Die Beteiligten zu 2. sind eingetragene Eigentümer des im Grundbuch von X Blatt X eingetragenen Grundbesitzes Gemarkung X, Flur X, Flurstücke 1249, 1268 und 1267 (1/8 Miteigentumsanteil).</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Bei der Errichtung ihres Hauses mit Wintergarten haben die Beteiligten zu 2. auf ihrem Flurstück 1249 in einer Länge von 5,50 m um 0,15 m über die Grenze zum Flurstück 1250 gebaut. Die Beteiligten zu 1. haben dem Überbau nicht widersprochen und sind sich mit den Beteiligten zu 2. darüber einig, dass der Überbau nicht auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit von ihnen beruhe. </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">In öffentlich beglaubigter Erklärung vom 24. November 1989 - URNR. X aus 1989 des Notars X in Düsseldorf - haben die Beteiligten 1. für sich und ihre Rechtsnachfolger auf eine Überbaurente verzichtet, den die Beteiligten zu 2. angenommen haben. Die Beteiligten zu 1. bewilligen und die Beteiligten zu 2. beantragen, diesen Verzicht bei dem im Grundbuch von X Blatt X eingetragenen Grundstück Flur X, Flurstück 1249 einzutragen. Die Beteiligten zu 1. beantragen, bei dem im Grundbuch von X Blatt X eingetragenen Grundstück Flur X, Flurstück 1250 den vorstehend bewilligten Verzicht zu vermerken.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Mit Antrag vom 1. Dezember 1989 haben die Beteiligten beantragt, bei dem im Grundbuch von X Blatt X eingetragenen Grundstück Flur X, Flurstück 1249 den bewilligten Verzicht auf eine Überbaurente einzutragen und bei dem im Grundbuch von X Blatt X eingetragenen Grundstück Flur X Nr. 1250 diesen Verzicht zu vermerken.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Durch den angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht - Rechtspfleger - Düsseldorf den Antrag der Beteiligten zu 1. und 2. vom 1. Dezember 1989 insgesamt zurückgewiesen, weil die Eintragungsfähigkeit des Vermerks, der bei dem im Grundbuch von X Blatt X eingetragenen Grundstück Flur X Nr. 1250 eingetragen werden soll, nicht gegeben sei und im übrigen wegen des vermuteten Vorbehalts der gleichzeitigen Erledigung gemäß § 16 Abs. 2 GBO auch der Antrag auf Eintragung des Verzichts zurückzuweisen war. Gegen diese Entscheidung haben die Beteiligten zu 1. und 2. Erinnerung eingelegt, der der Rechtspfleger nicht abgeholfen und die der Amtsrichter der Kammer zur Entscheidung vorgelegt hat.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Erinnerung gilt als Beschwerde ( § 11 Abs. 2 Satz 4 und 5 RpflG), die zulässig (§§ 71 Abs. 1, 73 GBO) und in der Sache auch begründet ist.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Nach § 914 Abs. 2 Satz 2 BGB ist der Verzicht auf eine Überbaurente auf dem Grundbuchblatt des rentenpflichtigen Grundstücks einzutragen (vg. KG JFG 4, 387; OLG Bremen DNotZ 1965, 295 = Rpfleger 1965, 55 mit zustimmender Anmerkung Haegele; KG Rpfleger 1968, 52 mit zustimmender Anmerkung Haegele; BayObLG</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">DNotZ 1977, 111 = Rpfleger 1976, 180; OLG Düsseldorf DNotZ 1978, 353 = Rpfleger 1978, 16; Palandt/Bassenge, BGB, 49. Auflage, § 914 Anm. 3; Staudinger/Beutler, BGB, 12. Auflage, § 914 Rdnr. 5 und 6; Haegele/Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 8. Auflage, Rdnr. 1168 Buchstabe p; Horber/Demharter, Grundbuchordnung, 18. Auflage, § 9 Anm. 3; Kunze/Ertel/Herrmann/Eickmann, Grundbuchrecht, 3. Auflage, Einleitung D Rdnr. 9).</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung des Grundbuchamtes ist ein Vermerk über den vorstehend näher bezeichneten Verzicht nach § 1 GBO im Grundbuch des herrschenden Grundstückes einzutragen, wenn dies bewilligt und beantragt wird. Die Frage der Eintragungsfähigkeit eines derartigen Vermerks auf dem herrschenden Grundstück wird sowohl von der Rechtsprechung als auch von der Literatur überwiegend bejaht (vgl. KG Rpfleger 1968, 52; OLG Düsseldorf DNotZ 1978, 353 = Rpfleger 1978, 16; Palandt/Bassenge, a.a.O., § 914 Anm. 3; Staudinger/Beutler, a.a.O., § 914 Rdnr. 5 und 6; Kunze/Erstel/Herrmann/Eickmann, a.a.O. Einleitung D Rdnr. 9; a.A. Meikel; Grundbuchrecht, 7.Auflage 1986, § 9 Rdnr. 25). Aus folgenden Gründen schließt sich die Kammer der überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur an: Der Verzicht auf die Überbaurente ist gemäß § 914 Abs. 2 Satz 2 BGB in das Grundbuch einzutragen; die Eintragung ist nach dieser Bestimmung Wirksamkeitserfordernis für den Verzicht. Dagegen ist für die Eintragung des Verzichts kein Raum, wenn er keine rechtliche Wirkung hat, etwa weil im Falle des unentschuldigten Überbaus ein Rentenanspruch gemäß § 912 Abs. 1 BGB überhaupt nicht besteht, denn das Grundbuch soll von überflüssigen und sinnlosen Eintragungen freigehalten werden. Überflüssig und sinnlos wären sowohl die Eintragung des Verzichts auf eine Überbaurente auf dem verpflichteten Grundstück und die Eintragung des Vermerks über diesen Verzicht auf dem herrschenden Grundstück, wenn zweifelsfrei feststünde, dass ein Rentenanspruch für den jeweiligen Grundstückseigentümer des herrschenden Grundstücks überhaupt nicht entstanden wäre. Indessen bedarf dies keiner abschließenden Beantwortung, weil die Beteiligten zu 1. und 2. mögliche Zweifel durch die vertragliche Regelung vom 24. November 1989 behoben haben, um mögliche künftige Streitigkeiten zu vermeiden. Aus diesem Grunde haben die Beteiligten zu 1. und 2. nicht nur ein schutzwürdiges Interesse an der Eintragung des Verzichts auf eine Überbaurente auf dem verpflichteten Grundstück, sondern in gleicher Weise ein derartiges Interesse an der Eintragung eines entsprechenden Vermerks auf dem herrschenden Grundstück, denn aufgrund der beantragten Eintragungen steht für jedermann fest, dass der jeweilige Eigentümer des herrschenden Grundstücks aus dem Überbau keinerlei Rechte herleiten kann. Allein dieser Umstand begründet die Eintragungsfähigkeit des Vermerks auf dem herrschenden Grundstück, ganz abgesehen davon, dass diese Eintragung dem Rechtsfrieden dient (vgl. OLGZ 1978, 20), so dass es nur zu verständlich erscheint, dass das Kammergericht in seiner Entscheidung vom 5. Juni 1967 (Rpfleger 1968, 52) zur Frage der Eintragungsfähigkeit des Vermerkes nach § 9 Abs. 1 GBO auf dem herrschenden Grundstück keine weitere Begründung angeführt hat, weil die sich zwingend aus den vorstehenden Ausführungen zur Eintragungsfähigkeit des Verzichtes auf eine Überbaurente auf dem belasteten Grundstück ergibt. </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Aus den angeführten Gründen kann der Eintragungsantrag der Beteiligten zu 1. und 2. nicht zurückgewiesen werden. Das Grundbuchamt hat daher erneut über den Antrag zu entscheiden und hat dabei von den in dem angefochtenen Beschluss erhobenen Bedenken abzusehen. Deshalb war die erstinstanzliche Entscheidung aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen.</p>
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315,156 | olgham-1990-01-12-20-u-18989 | {
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"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 20 U 189/89 | 1990-01-12T00:00:00 | 2019-03-13T14:47:50 | 2022-10-18T15:08:57 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1990:0112.20U189.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung des Klägers gegen das am 28. April 1989 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts ... wird zurückgewiesen.</p>
<p>Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p>Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 13.000,- DM abzuwenden, sofern nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.</p>
<p>Der Kläger kann die Sicherheit durch unbefristete Bürgschaft der Sparkasse ... die Beklagte durch eine solche der ... erbringen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat bei der Beklagten unter anderem für seine Ehefrau, die Zeugin ... eine Unfallversicherung über 150.000,- DM mit Progression bei Invalidität über 75 % abgeschlossen. Am 16.07.1985 wurde die Zeugin ... bei einem Verkehrsunfall, bei dem ein fremdes Fahrzeug auf ihren Pkw auffuhr, verletzt: Sie erlitt ein HWS-Schleudertrauma. Dies zeigte der Kläger mit Unfallmeldung vom 14.08.1985 (Bl. 34 GA) an. Die Beklagte antwortete darauf mit Schreiben vom 22.08.1985, in welchem sie darauf verwies, daß im Fall einer Invalidität ein Jahr nach dem Unfallereignis über die Art der Dauerfolgen berichtet werden müsse und in welchem sie den Kläger im einzelnen über die Voraussetzungen des §8 II 1 der vereinbarten AUB belehrte. Der Kläger behauptet, er habe mit Schreiben vom 14.01.1988 Invaliditätsansprüche bei der Beklagten geltend gemacht. Der Beklagte lehnte Leistungen mit Schreiben vom 29.06.1988 wegen Verfristung ab. Daraufhin wandte sich der Zeuge ... ein Versicherungsangestellter der Beklagten im Außendienst ohne Abschlußvollmachten, mit Schreiben vom 07.07.1988 an die Beklagte, sie möge doch regulieren, zumal nach einem Jahre noch überhaupt nicht vorauszusehen wäre, ob ein Schaden zurückbleiben würde, und zumal er bei dem Kläger noch mehr Versicherungen unterzubringen gedenke. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 05.08.1988 (Bl. 16 = 37 GA) unter Hinweis auf Fristversäumung Regulierung erneut ab und erteilte Belehrung gemäß §12 III VVG wie folgt:</p>
<br /><span class="absatzRechts">3</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>Sollten Sie mit unserem ablehnenden Bescheid nicht einverstanden sein, so bitten wir, zu beachten, daß ein Anspruch auf Versicherungsschutz zur Vermeidung des Verlustes innerhalb von sechs Monaten durch Klage beim zuständigen Gericht geltend zu machen ist (§12 VVG). Die Klagefrist beginnt mit Eingang dieses Schreibens bei Ihnen. Lassen Sie diese Frist ungenutzt verstreichen, so verlieren Sie einen Anspruch auf Versicherungsschutz allein durch Zeitablauf.</i></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger wandte sich dann an seine erstinstanzlichen Anwälte. Bei diesen fand eine Besprechung mit dem örtlichen Vertreter ... der Beklagten statt, nachdem die Anwälte des Klägers gegenüber dessen Rechtschutzversicherung eine Klage für aussichtsreich bezeichnet hatten. Die Beklagte sagte mit Schreiben vom 11.11.1988 (Bl. 127 GA) erneute Überprüfung zu, lehnte dann aber mit Schreiben vom 19.12.1988 erneut wegen Verfristung Regulierung ab (Bl. 159 GA). Im Anschluß daran heißt es:</p>
<br /><span class="absatzRechts">5</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>In diesem Zusammenhang verweisen wir auf §12 III VVG, nach dem Sie Ihren Anspruch auf Versicherungsschutz binnen einer Frist von sechs Monaten gerichtlich geltend machen müssen. Ansonsten verlieren Sie Ihren Anspruch auf Versicherungsschutz allein durch Zeitablauf.</i></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Mit der am 06.03.1989 erhobenen Klage macht der Kläger den rechnerisch unstreitigen Betrag von 180.000,- DM für die von ihm behauptete Invalidität seiner Ehefrau von 80 % geltend.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beruft sich auf Fristversäumung gemäß, §8 Abs. 2 AUB und §12 Abs. 3 VVG. Der Kläger meint, die Beklagte handele insoweit treuwidrig, weil nämlich der Zeuge ... dem den Kläger deshalb den Streit verkündet hat, ihn von einer fristgerechten Einreichung der Unterlagen nach §8 AUB dadurch abgehalten habe, daß er ständig und stets, u.a. im Mai 1986, gesagt habe, solche müßten erst eingereicht werden, wenn die Zeugin ... wieder gesund sei. Sie sei aber bis Ende Januar 1989 krank geschrieben gewesen. Im übrigen vertritt der Kläger die Auffassung, die Klagefrist sei durch die zugesagte und durchgeführte Überprüfung Ende 1988 verlängert worden.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil die mit Schreiben vom 05.08.1988 ordnungsgemäß gesetzte Klagefrist nicht eingehalten worden sei. Wegen der Begründung des Urteils im einzelnen und zur weiteren Sachdarstellung wird auf die angefochtene Entscheidung verwiesen (Bl. 82 ff GA).</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Berufung hält die Begründung des angefochtenen Urteils für verfehlt. Sie meint, die 6-Monats-Frist müsse für die Dauer der Verhandlungen, um mindestens 38 Tage, als verlängert gelten, so daß die Klage fristgerecht erhoben sei. Im übrigen vertritt sie die Auffassung, es falle in den Bereich der Beklagten, wenn deren Angestellte falsche Ausführungen zur rechtzeitigen Geltendmachung und Vorlage von Invaliditätsbescheinigungen gemacht hätten. Erstmals im Senatstermin hat der Kläger behauptet, es existiere jetzt auch ein für die ... erstelltes weiteres Gutachten ... in welchem Berufsunfähigkeit von 75 % festgestellt worden sei (Beweis: Beiziehung der ...-Akten).</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">abändernd die Beklagte zu verurteilen, an ihn 150.000,- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 05.08.1988 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Sie bestreitet unrichtige Angaben ihres ehemaligen Angestellten, der am 30.05.1987 aus ihren Diensten ausgeschieden ist. Sie vertritt mit näherer Begründung die Auffassung, daß nicht einmal bis heute eine ausreichende ärztliche Bescheinigung vorliege. Die Stellungnahme ... vom 29.12.1987 (Bl. 33 GA) und das von der ... eingeholte Gutachten ... vom 16.01.1989 (Bl. 45 GA), beides ohnehin verspätet, entsprächen nicht den Anforderungen des §8 AUB. Sie bestreitet ferner, daß der Kläger mit Schreiben vom 14.01.1988 Ansprüche geltend gemacht hat. Hinsichtlich der Klagefrist verteidigt die Beklagte das angefochtene Urteil. Sie meint, von einer Fristverlängerung könne nicht ausgegangen werden. Den neuen Vortrag aus dem Senatstermin rügt die Beklagte als verspätet. Im übrigen bestreitet sie die Existenz eines solchen Gutachtens; jedenfalls sei es ihr, der Beklagten, unbekannt.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen ... und .... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll über den Senatstermin vom 12.01.1990 (Bl 171 ff GA) verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe</b></p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Berufung hat im Ergebnis keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks"><b>1.</b></p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Allerdings scheitert die Klage entgegen der Auffassung des Landgerichts, wie die Berufung zutreffend rügt, nicht schon an der Versäumung der Klagefrist des §12 Abs. 3 VVG. Nach dieser gesetzlichen Bestimmung ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Anspruch auf die Leistung nicht innerhalb von sechs Monaten gerichtlich geltend gemacht wird. Die Frist beginnt erst, nachdem der Versicherer dem Versicherungsnehmer gegenüber den erhobenen Anspruch unter Angabe der mit dem Ablaufe der Frist verbundenen Rechtfolge schriftlich abgelehnt hat. Die danach für den Beginn der Frist erforderliche Belehrung des Versicherers muß zwar nicht den Wortlaut des §12 Abs. 3 VVG wiederholen, muß aber zutreffend sein. Anderenfalls wird die Frist nicht in Lauf gesetzt.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Das Schreiben der Beklagten vom 05.08.1988 genügt den Anforderungen des §12 Abs. 3 Satz 2 VVG nicht und war deshalb nicht geeignet, die Klagefrist in Lauf zu setzen. Die Belehrung ist gleich in zweifacher Hinsicht falsch: Weder bedarf es einer <u>Klage</u>, ein Mahnverfahren genügt, noch ist eine Klage vor dem <u>zuständigen</u> Gericht erforderlich. Es kann unerörtert bleiben, ob Konsequenzen allein daran zu knüpfen sind, daß nicht darauf hingewiesen worden ist, daß auch eine Klage vor einem unzuständigen Gericht jedenfalls in aller Regel fristwahrend wirkt (verneinend Prölss-Martin §12 VVG Anm. 6 unter Hinweis auf Senat VersR 83, 1124 und BGH VersR 78, 313). Denn jedenfalls ist die Belehrung dahin, daß eine Klage zu erheben ist, so fehlerhaft, daß die Frist nicht zu laufen beginnt. Fristwahrend wirkt - in aller Regel sogar rückwirkend auf den Zeitpunkt der Anbringung des Mahnantrages - auch die Zustellung des Mahnbescheides, §693 ZPO. Dieses Verfahren ist nicht nur schneller einzuleiten; es ist insbesondere sehr viel kostengünstiger in Gang zu setzen als ein Klageverfahren. Die Belehrung eines Versicherers, die diese dem Versicherungsnehmer günstige Möglichkeit verschweigt und nur auf den Klageweg verweist, ist in hohem Maße fehlerhaft und deshalb nicht geeignet, die Klagefrist in Gang zu setzen. Dies mag im Ergebnis anders sein, wenn im konkreten Fall das Mahnverfahren unzulässig ist, etwa deswegen, weil der Anspruch nicht auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme gerichtet ist, §688 ZPO (vgl. Prölss-Martin §12 VVG Anm. 6 B m.w.N.). Dies braucht aber nicht weiter erörtert zu werden. Denn ein solcher Fall liegt hier nicht vor.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Selbst wenn man aber insoweit eine andere Rechtsauffassung vertreten wollte, kann die Beklagte hieraus nichts zu ihren Gunsten herleiten. Sie hat, nachdem sie erneute Überprüfung zugesagt und diese Überprüfung auch durchgeführt hatte, mit Schreiben vom 19.12.1988 (Bl. 159 GA) Leistungen erneut abgelehnt und hat dann eine erneute Frist zur gerichtlichen Geltendmachung gesetzt, die entgegen der eigenen Auffassung der Beklagten den Voraussetzungen des §12 Abs. 3 VVG genügt. Diese Frist ist aber auch eingehalten.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Es ist eine Frage der Auslegung, ob bei erneuter Bescheidung nach Überprüfung nach bereits erfolgter Ablehnung eine neue Klagefrist zu laufen beginnen soll. Dies wird jedenfalls dann im allgemeinen zu verneinen sein, wenn, wie hier, die Ablehnung auf dieselben Gesichtspunkte gestützt wird. Denn der Empfänger des Schreibens wird dies nicht dahin verstehen können, daß der Versicherer, der im Interesse des Versicherungsnehmers die Angelegenheit erneut überprüft hat, sich bereits bestehender Rechte oder laufender Fristen begeben will. Hier ist aber zu berücksichtigen, daß die Belehrungen inhaltlich erheblich voneinander abweichen und daß deshalb der Erklärungsempfänger - nach Auffassung des Senats völlig zu Recht - zu dem Ergebnis kommen wird, daß etwa wegen Bedenken wegen der ursprünglichen Belehrung erneut eine fristwahrende Belehrung erfolgen soll.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Jedenfalls ist dem Kläger nicht als schuldhaft vorzuwerfen, wenn er der ursprünglichen Fristsetzung nicht die Bedeutung beigemessen hat, die nach Auffassung der Beklagten geboten war. Es verstößt nicht gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt, wenn der Versicherungsnehmer sich an die Belehrung des Versicherers hält, die nach erneuter Überprüfung erteilt worden ist und die in wesentlichen Punkten von dem Inhalt einer früheren Belehrung abweicht, wenn, wie hier, die ursprüngliche Belehrung zumindest rechtlich sehr problematisch war.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks"><b>2.</b></p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte ist aber deshalb leistungsfrei, weil der Kläger die vertraglich vereinbarten Voraussetzungen für die Zahlung einer Invaliditätsentschädigung nicht erfüllt (§8 II 1 AUB). Danach muß eine dauernde Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit (Invalidität) als Unfallfolge innerhalb eines Jahres vom Unfalltag an gerechnet eingetreten sein; sie muß spätestens vor Ablauf einer Frist von weiteren drei Monaten nach dem Unfalljahr ärztlich festgestellt und geltend gemacht sein. Dabei kann die Nichtanmeldung innerhalb der Frist zwar im Einzelfall entschuldigt werden, die nicht fristgerechte ärztliche Feststellung aber nicht. Durch die Frist für die ärztliche Feststellung binnen 15 Monaten sollen im Interesse einer rationellen, arbeits- und kostensparenden Abwicklung Spätschäden auch dann vom Versicherungsschutz ausgenommen werden, wenn der Versicherungsnehmer an der Nichteinhaltung der Frist schuldlos ist. Die ärztliche Stellungnahme muß nicht nur ärztliche Befunde enthalten, die bei richtiger medizinischer Bewertung oder sachverständiger Würdigung den Schluß auf eine bereits eingetretene Invalidität zulassen; es muß unfallbedingte Invalidität selbst festgestellt werden (BGH r + s 88, 120; Senat r + s 88, 312).</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Unstreitig ist Invalidität weder binnen 15 Monaten ärztlich festgestellt noch ist sie innerhalb dieser Frist gegenüber der Beklagten geltend gemacht worden.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Allerdings darf die Beklagte auch nicht gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn sie sich auf den Ablauf der Fristen des §8 Abs. 2 AUB beruft.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Es kann nicht zweifelhaft sein, daß ein Verstoß gegen Treu und Glauben von vornherein ausscheidet, wenn, wie die Beklagte meint, auch heute Invalidität als Unfallfolge noch nicht ärztlich festgestellt wäre. Mit einigem Anlaß weist die Beklagte darauf hin, daß das Gutachten ... vom 16.01.1989 und die ärztliche Stellungnahme ... vom 29.12.1987 in dieser Beziehung sehr dürftig sind. Daß das Gutachten ... das der Kläger erstmals, ohne es vorlegen zu können, im Senatstermin erwähnt hat, Invalidität als Unfallfolge festgestellt hat, ist nicht einmal behauptet. Das liegt auch nicht sehr nahe, weil es für Zwecke der ... ohne Bedeutung ist, ob die Invalidität auf einem Unfall oder auf sonstigen Gründen beruht. Das bedarf aber keiner weiteren Vertiefung.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Selbst wenn nach Ablauf der Frist des §8 II 1 AUB bei der Ehefrau des Klägers unfallbedingte Invalidität festgestellt worden wäre, handelt die Beklagte nicht treuwidrig, wenn sie sich auf Fristablauf beruft. Nach Auffassung des Senates wäre es allerdings treuwidrig, wenn der Zeuge ... damals Angestellter der Beklagten im Außendienst, den Kläger durch die unrichtige Mitteilung im Mai 1986, Unterlägen müßten erst nach Gesundung der Zeugin ... eingereicht werden, von der rechtzeitigen Einreichung der Unterlagen abgehalten hätte, wie der Kläger behauptet. Das Verhalten ihres Angestellten müßte sich die Beklagte zurechnen lassen, auch wenn sie unstreitig zuvor mit Schreiben vom 22.08.1985 über, alle Fristen zutreffend belehrt hatte. Zu den Angaben ihres Angestellten würde sich die Beklagte in Widerspruch setzen, wenn sie sich gleichwohl auf Fristablauf beruft und den Kläger deshalb um die vertraglich vereinbarten Rechte bringt.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Nach der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme ist aber nicht erwiesen, daß der Zeuge ... in der vom Kläger behaupteten Art und Heise ihn von der fristgerechten Einreichung der Unterlagen abgebracht hat. Zeuge ... hat in seiner Vernehmung vor dem Senat bestritten, eine. Auskunft dahin erteilt zu haben, daß die Unterlagen erst nach Gesundung der Zeugin ... eingereicht werden müßten. Er hat glaubhaft, darauf hingewiesen, daß ihm die Fristen des §8 II AUB auch damals bereits bekannt waren. Es ist dann in der Tat nicht einzusehen, warum der Zeuge, zudem bei einem guten Kunden wie dem Kläger, eine derart verfehlte Auskunft geben sollte. Soweit der Zeuge angefügt hat, er könne sich jedenfalls nicht darauf erinnern, eine solche Auskunft erteilt zu haben, bedeutet dies nach dem Ergebnis seiner Anhörung keine Einschränkung seiner zuvor gemachten klaren Aussage sondern nur den Verweis auf die ohnehin selbstverständliche Tatsache, daß die Aussage auf der gegenwärtigen Erinnerung beruht. Tatsachen dafür, daß diese trügt, liegen nicht vor. Insbesondere spricht das Schreiben des Zeugen vom 07.07.1988 (Bl. 158 GA) nicht gegen seine Darstellung. Dort ist nicht erwähnt, daß die Fristversäumung auf seinen eigenen Angaben beruht. Das eigentliche Anliegen des Schreibens erschließt sich im übrigen erst aus dem letzten Satz: Der Zeuge wollte bei dem Kläger weitere Versicherungen unterbringen, was in Frage stehen konnte, wenn die Regulierung des Versicherungsfalles unterblieb.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Die vom Kläger behaupteten unrichtigen Angaben des Zeugen ... sind auch nicht durch die zeugenschaftliche Aussage seiner Ehefrau bewiesen. Die Zeugin hat innerhalb des hier maßgeblichen Zeitraumes von 15 Monaten nach dem Unfall, also bis zum 16.10.1986, lediglich ein Gespräch erwähnt, das ungefähr Ende Mai 1986 stattgefunden haben muß. Danach soll der Zeuge ... auf ihren Hinweis, daß sie noch krankgeschrieben sei, erwähnt haben, es sei zur Zeit nichts zu veranlassen, die Sache laufe ja. Diese Auskunft war nicht falsch. Ende Mai 1986 war nicht einmal die Jahresfrist abgelaufen. Es läßt sich auch nicht feststellen, daß die Äußerung überhaupt in Bezug auf den vorliegenden Vertrag erfolgt ist. Immerhin waren vom Kläger eine Vielzahl von Verträgen abgeschlossen worden, die der Zeuge ... entweder betreute oder für die der Zeuge ... vom Kläger oder seiner Ehefrau um Rat angegangen worden ist. Im übrigen waren dem Kläger und seiner Ehefrau nach deren Angaben das Schreiben vom 22.08.1985 während dieser ganzen Zeit geläufig. Es hätte deshalb nahegelegen, den Zeugen ... unter Vorhalt dieses Schreibens zu fragen, ob denn das, was die Beklagte geschrieben hat, unrichtig sei. Dies ist aber selbst nach Angaben der Zeugin ... nicht geschehen. Wenn sie gleichwohl in Kenntnis dieses Schreibens den Äußerungen von Herrn ... entnommen hat, sie brauchten nicht tätig zu werden, weil sie, die Zeugin ... noch krankgeschrieben sei, ist dies nicht nachvollziehbar und nicht geeignet, Feststellungen über eine unrichtige Beratung durch den Zeugen ... zu treffen. Daran ändert auch nichts, daß die Zeugin auf die Frage des Anwaltes ihres Ehemannes, ob denn nicht die Rede davon gewesen sei, daß der Invaliditätsnachweis erst erbracht werden müsse, wenn sie wie der gesund sei, geantwortet hat, ja, so sei es gewesen, jedenfalls habe sie den Zeugen ... so verstanden. Zunächst erweckt schon Bedenken, daß die resolute und redegewandte Zeugin erst auf wörtlichen Vorhalt des Anwaltes ihres Mannes in Abwandlung ihrer bisherigen Aussage den Vortrag des Klägers bestätigt hat. Unabhängig davon hat sie selbst eingeschränkt, daß der Zeuge Knogge dies vielleicht doch nicht gesagt sondern sie ihn so auch nur so verstanden haben kann. Dies kann auf einem Mißverständnis zutreffender Angaben des Zeugen ... oder auf der heutigen Sicht der Dinge beruhen. Anderes ergibt sich letztlich auch nicht daraus, daß der Zeugin nach ihren Angaben das Schreiben der Beklagten vom 22.08.1985 geläufig war. Möglicherweise ist den dort genannten Fristen nicht die gebotene Bedeutung beigemessen worden. Vielleicht haben die Zeugin oder ihr Ehemann tatsächlich Äußerungen des Zeugen ... mißverstanden. Unrichtige Belehrungen des Zeugen ... lassen sich bei einem solchen Ergebnis der Hauptverhandlung nicht feststellen.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Dann handelt die Beklagte aber auch nicht treuwidrig, wenn sie sich auf Fristablauf beruft. Versäumnisse, die in der Sphäre des Klägers liegen und die nach den zutreffenden Belehrungen der Beklagten in ihrem Schreiben vom 22.08.1985 nicht einmal als unverschuldet bezeichnet werden kennen, rechtfertigen eine abweichende Wertung nicht.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks"><b>3.</b></p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§97, 708 Nr. 10 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Die Beschwer des Klägers beträgt 150.000,- DM.</p>
|
315,157 | lg-duisburg-1990-01-11-5-s-19189 | {
"id": 807,
"name": "Landgericht Duisburg",
"slug": "lg-duisburg",
"city": 408,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 5 S 191/89 | 1990-01-11T00:00:00 | 2019-03-13T14:47:52 | 2022-10-18T15:08:57 | Urteil | ECLI:DE:LGDU:1990:0111.5S191.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung des Klägers gegen das am 22. August 1989 verkündete Urteil des Amtsgerichts Oberhausen – 31 C 90/89 – wird zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung hat in der Sache keine Erfolg. Denn die Klage ist unbegründet. </p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat zu Recht festgestellt, dass dem Kläger der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht zusteht, insbesondere von einem Alleinverschulden des zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalls das klägerische Fahrzeug führenden Widerbeklagten zu 2) auszugehen ist, weil ein Mitverschulden des Beklagten zu 1) nicht als erwiesen angesehen werden kann mit der Folge, dass die den Beklagten zu 1) allenfalls belastende Betriebsgefahr seines Fahrzeugs hinter dem Vorfahrtsverschulden des Widerbeklagten zu 2) voll zurücktritt.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Kammer schließt sich den im wesentlichen zutreffenden Ausführungen der amtsgerichtlichen Entscheidung an und sieht daher zwecks Vermeidung unnötiger Wiederholungen von einer erneuten Darlegung der Sach- und Rechtslage ab (§ 543 Abs. 1 ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Gleichwohl ist zum Berufungsvorbringen ergänzend auf folgendes hinzuweisen: </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Es kann dahinstehen, ob die Auffassung des Amtsgerichts zutrifft, die Rechtsprechung zu sogenannten Lückenfällen, d. h. zur Frage, ob und ggf. welche Anforderungen an einen vorfahrtsberechtigten Verkehrsteilnehmer in Fällen zu stellen sind, in denen dieser an einer zum Stehen gekommenen Fahrzeugkolonne vorbeifährt, in der sich in Höhe einer Kreuzung oder Einmündung eine Lücke gebildet hat, gelte dann nicht, wenn – wie hier – auf der vorfahrtsberechtigten Straße zwei Fahrspuren vorhanden sind. Denn eine Mithaftung des Beklagten zu 1) kommt auch bei Anwendung dieser Rechtsprechung nicht in Betracht.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Dabei darf nicht verkannt werden, dass es sich bei der genannten Rechtsprechung keineswegs um eine einheitliche Rechtsprechung handelt. So steht der vom Kammergericht vertretenen Ansicht, wonach derjenige, der bei dichtem Verkehr an einer zum Stehen gekommenen Fahrzeugkolonne vorbeifährt, bei erkennbaren Verkehrslücken in Höhe von Kreuzungen und Einmündungen trotz seiner Vorfahrt seine Fahrweise so einrichten muss, dass er auch vor unvorsichtig aus der Lücke fahrenden Fahrzeugen rechtzeitig anhalten kann (vgl. dazu: KG VersR 1974, 370 f. und vor allem KG VersR 1977, 157 f. m.w.N.), die Meinung des Oberlandesgerichts Köln gegenüber, nach der ein Kraftfahrer, der im dichten Verkehr an einer längeren haltenden Kolonne links außen vorbeifährt, nicht verpflichtet ist, auf größre Lücken, die innerhalb der Kolonne freigelassen sind, zu achten und vor ihnen die Geschwindigkeit seines Fahrzeugs herabzusetzen (vgl. OLG Köln VersR 1973, 1074 ff.).</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Welcher Auffassung der Vorzug einzuräumen ist, bedarf hier indessen keiner Entscheidung, weil beide Ansichten im vorliegenden Falle zum gleichen Ergebnis führen. Während den Beklagten zu 1) nach der Rechtsprechung des OLG Köln schon mangels Verpflichtung, auf Lücken zu achten und die Geschwindigkeit herabzusetzen, generell keine Mithaftung trifft, scheidet nach den vom Kammergericht entwickelten Grundsätzen eine Mithaftung des Beklagten zu 1) deshalb aus, weil die Voraussetzungen für ein entsprechendes Mitverschulden nicht nachgewiesen sind. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Zwar steht fest, dass der Beklagte zu 1) mit seinem Fahrzeug auf der freien linken – zweiten – Fahrspur der Friedrich-Karl-Straße fahrend die auf der rechten Fahrspur dieser vorfahrtsberechtigten Straße befindliche Fahrzeugkolonne überholt hat, welche in Höhe der Einmündung der Paul-Reusch-Straße eine Lücke aufwies, durch die der Widerbeklagte zu 2) mit dem klägerischen Fahrzeug die rechte Fahrspur der Friedrich-Karl-Straße überquerend in den Bereich der linken – zweiten – Fahrspur der rechten Fahrbahnhälfte eingefahren ist. Der Beklagte zu1) musste aber nur dann mit Querverkehr rechnen, wenn die Lücke für ihn erkennbar war. Ob dies der Fall war, kann letztlich dahinstehen. Selbst wenn die Lücke für den Beklagten zu 1) bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennbar gewesen sein sollte, könnte gleichwohl nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte zu 1) der gegebenen Verkehrssituation infolge überhöhter oder nicht angepasster Geschwindigkeit keine Rechnung getragen hat. </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Mithaftungsvoraussetzung auch nach der Rechtsprechung, die in Lückenfällen eine Verpflichtung des Vorfahrtsberechtigten anerkennt, sich auf Querverkehr einzustellen, ist allemal, dass der Vorfahrtsberechtigte die Geschwindigkeit des von ihm geführten Fahrzeugs nicht der gegebenen Verkehrssituation angepasst hat. Dass aber der Beklagte zu 1) mit überhöhter oder jedenfalls nicht angepasster Geschwindigkeit gefahren ist, hat der Kläger nicht bewiesen, ja nicht einmal substantiiert dargelegt. </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Er hat insoweit vorgetragen, der Beklagte zu 1) sei "mit unverminderter Geschwindigkeit" gefahren, ohne allerdings die Höhe der Geschwindigkeit auch nur annähernd zu präzisieren. Mithin lässt der Vortrag keinen Schluss auf die vom Beklagten zu 1) tatsächlich eingehaltene Geschwindigkeit zu.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Selbst wenn man den Vortrag gleichwohl dahin versehen würde, der Beklagte zu 1) sei mit nicht angepasster Geschwindigkeit gefahren, so kann die behauptete Tatsache nicht als erwiesen angesehen werden. Der Kläger hat sich zum Beweis dieser Tatsache lediglich auf die Angaben des , des Widerbeklagten zu 2), berufen. Dessen diesbezügliche Bekundungen haben sich indessen insoweit als unergiebig erwiesen. Der Widerbeklagte zu 2) hat bei seiner Vernehmung als Partei erklärt, er habe den Unfallgegner vor dem Zusammenstoß überhaupt nicht kommen sehen. Demgemäss war er nicht in der Lage, Ausführungen zu der vom Beklagten zu 1) gefahrenen Geschwindigkeit zu machen. </p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Danach ist der Kläger beweisfällig geblieben. </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Überdies hat auch der Beklagte zu 1) im Rahmen seiner Parteivernehmung darauf hingewiesen, dass er "beim besten Willen nicht sagen könne", wie hoch die von ihm gefahrene Geschwindigkeit, die er zuvor angesichts der für ihn "rot" anzeigenden Ampel reduziert gehabt habe, noch gewesen sei. Gleichwohl hat er sie auf "zwischen 20 und 30" km/h geschätzt.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Angaben erscheinen glaubhaft, denn es ist nachvollziehbar – weil verständlich und der Lebenserfahrung entsprechend -, dass der Beklagte zu 1) angesichts der "rot" anzeigenden Verkehrsampel die Geschwindigkeit seines Fahrzeugs reduziert, sich also bereits rechtzeitig auf ein Anhalten eingestellt hat. Mögen seine Angaben zu der Geschwindigkeit auch auf einer ehe vagen Schützung beruhen, so erscheint es gleichwohl nicht ausgeschlossen, dass sie zutreffend sind. Danach ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass der Beklagte zu 1) mit einer der Situation angepassten Geschwindigkeit gefahren ist. </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Mangels Nachweises des Gegenteils oder zumindest entsprechender Tatsachen, die geeignet wären, den Schluss auf eine unangemessene Geschwindigkeit zuzulassen, steht somit nicht fest, dass der Beklagte zu 1) mit einer der Verkehrslage nicht angepassten Geschwindigkeit gefahren ist. Den Nachteil des nicht erbrachten Beweises hat der Kläger zu tragen, da ihm die Beweislast bezüglich der das behauptete Mitverschulden des Beklagten zu 1) begründenden Tatsachen obliegt.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Ansicht des Klägers ist dem Schadensbild an den Fahrzeugen bei der Bewertung der Haftungsfrage sehr wohl erhebliche Bedeutung zumindest dann beizumessen, wenn die Beschädigungen an den Fahrzeugen einen hinreichenden Schluss auf den Unfallhergang zulassen. Dies ist hier der Fall. Der Umstand, dass das Fahrzeug des Beklagten zu 1) im mittleren bis hinteren Bereich der rechten Seite beschädigt worden ist, zeigt, dass der Widerbeklagte zu 2) gegen das Fahrzeug des Beklagten zu 1) gefahren ist. Dies bestätigt auch der Sachverständige Norbert Meyer in seinem Gutachten vom 14.10.1998, in dem er das Schadensbild am Fahrzeug des Beklagten zu 1) wie folgt darstellt: "starker Seitenanstoß hinten rechts". Dies widerlegt den Vortrag des Klägers, der Widerbeklagte zu 2) habe sich langsam durch die Lücke hindurch vorgetastet und habe gestanden, als es zum Unfall gekommen sei. Hätte das klägerische Fahrzeug zum Kollisionszeitpunkt tatsächlich gestanden, wären am Fahrzeug des Beklagten zu 1) Schäden auch im vorderen Bereich entstanden. Demgemäss lassen die Unfallschäden am Fahrzeug des Beklagten zu 1) auch erkennen, dass der Beklagte zu 1) das Fahrzeug des Klägers bereits zum Teil passiert hatte,, als der Widerbeklagte zu 2) gegen das gegnerische Fahrzeug stieß.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Dieser konkrete Unfallhergang legt es nahe, die Frage der Unvermeidbarkeit des Unfalls für den Beklagten zu 1) aufzuwerfen. Denn es ist nicht ersichtlich, wie der Beklagte zu 1) den Unfall hätte vermeiden können, wenn er von Anfang an mit Querverkehr gerechnet hätte. Auch nach der Rechtsprechung des Kammergerichts wäre er nicht gehalten gewesen, sein Fahrzeug vorsorglich zum Stillstand zu bringen. Er wäre lediglich verpflichtet gewesen, eine der Gefahrensituation angepasste Geschwindigkeit einzuhalten. Dass er dies nicht getan hat,, ist aber nicht nachgewiesen. Somit kann nicht festgestellt werden, dass der Beklagte zu 1) seinen erhöhten Sorgfaltspflichten nicht nachgekommen ist. Vielmehr liegt die Annahme nahe, dass er auch bei Einhaltung aller Pflichten den Unfall nicht hätte vermeiden können. Denn er brauchte jedenfalls nicht damit zu rechnen, dass der Widerbeklagte zu 2) das von ihm gesteuerte Fahrzeug noch zu einem Zeitpunkt vorzieht, als er, der Beklagte zu 1), dieses Fahrzeug bereits zum Teil passiert hatte.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Indessen kann die Frage, ob der Unfall für den Beklagten zu 1) unvermeidbar war, letztlich unbeantwortet bleiben, weil eine Mithaftung des Beklagten zu 1) auch im Falle der Vermeidbarkeit ausscheidet. Da nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ein Mitverschulden des Beklagten zu 1) nicht angenommen werden kann, belastet diesen allenfalls die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs. Diese Betriebsgefahr tritt jedoch hinter dem Vorfahrtsverschulden des Widerbeklagten zu 2), welches sich der Kläger zurechnen lassen muss, voll zurück mit der Folge, dass der Kläger den erlittenen Schaden allein zu tragen hat. </p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Streitwert für das Berufungsverfahren: 845,08 DM.</p>
|
315,158 | olgham-1990-01-09-26-u-19288 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
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} | 26 U 192/88 | 1990-01-09T00:00:00 | 2019-03-13T14:47:54 | 2022-10-18T15:08:58 | Grund- und Teilurteil | ECLI:DE:OLGHAM:1990:0109.26U192.88.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen das am 6. Juli 1988 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts teilweise abgeändert.</p>
<p></p>
<p>Die Klage ist, soweit sie sich auf Verschmutzungen infolge Rißbildungen stützt, dem Grunde nach zu 1/2 gerechtfertigt; im übrigen bleibt sie abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Sache wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Berufungsinstanz, an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverwiesen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Tatbestand</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Das klagende Land (im folgenden Kläger genannt) nimmt die beklagte Arbeitsgemeinschaft (die Beklagten zu 1. bis 5.) auf Gewährleistung in Anspruch, die Beklagte zu 6., xxx, als Gewährleistungsbürgin.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die xxx (im folgenden xxx genannt) und die Beklagten zu 1. bis 5., die sich zur "xxx" zusammengeschlossen haben, schlossen am 30.11.1972 einen Vertrag, wonach sich die Beklagten verpflichteten, Leichtbetonelemente als Fassadenelemente herzustellen und am Gebäude der Universität xxx zu montieren; auf den Inhalt dieses Vertrages im einzelnen (vgl. Sonderband I Anlage 2) wird verwiesen. Der Kläger nimmt für sich in Anspruch, Rechtsnachfolger der xxx zu sein. Die Beklagte zu 6, xxx, hat gegenüber der xxx für die Arbeitsgemeinschaft eine selbstschuldnerische Bürgschaft für alle Ansprüche, die der xxx gegenüber der Arbeitsgemeinschaft aus dem Werkvertrag über die Erstellung des Rohbaus der Universität xxx zustehen, bis zum Betrage von 9.074.000,-- DM übernommen (Sonderband II Anlage 23). Nach Ziff. 3.6 der "Zusätzlichen Technischen Vorschriften" (Sonderband I a Anlage 7), die u.a. Gegenstand des Vertrages zwischen der xxx und der Arbeitsgemeinschaft sind, war die Oberfläche der Leichtbetonelemente "sauber, glatt und in einheitlichem Farbton" herzustellen. Das Werk der Beklagten wurde am 13.10.1976 abgenommen. An der Oberfläche zahlreicher Fassadenelemente, insbesondere derjenigen, welche der Witterung ausgesetzt sind, zeigten sich alsbald Netz- und auch Gitterrisse. Die Oberflächen waren außerdem unsauber und wiesen einen uneinheitlichen Farbton auf; dazu wird auf die Fotografien Hüllen nach Bl. 133 a GA verwiesen. Der Kläger beantragte deshalb am 19.11.1979 beim Amtsgericht Bielefeld - 4 H 3/80 - Beweissicherung; in diesem Verfahren wurden Prof. Dr. xxx und Dr. xxx, welche auch im vorliegenden Verfahren als Gutachter vernommen worden sind, als Gutachter tätig. Die beklagte Arbeitsgemeinschaft xxx ist zur Mängelbeseitigung aufgefordert worden, sie hat mit Schreiben vom 19.12.1984 (Sonderband I a Anlage 16) Sanierungsarbeiten abgelehnt. Zu Beginn des Rechtsstreits befand sich das Universitätsgebäude noch in dem oben dargelegten Zustand, weshalb der Kläger die Beklagten zunächst auf Zahlung von Vorschuß, wie es im Klageantrag heißt, für die Kosten der Ersatzvornahme der Mängelbeseitigung, die dem Kläger aus der Beseitigung von Mängeln entstehen, die aus Rißbildungen an den von den Beklagten ausgeführten Leichtbetonbrüstungselementen resultieren, in Anspruch genommen hat. Inzwischen sind auf Mängelbeseitigung gerichtete Arbeiten im Wege einer Beschichtung am Universitätsgebäude durchgeführt worden.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat u.a. vorgetragen: Er sei aktiv legitimiert; dazu wird im einzelnen zur Vermeidung von Wiederholungen auf die nachfolgenden Entscheidungsgründe zu I) verwiesen. Die Rißbildungen, so der Kläger weiter, zumindest soweit sie in einer Breite von mehr als 0,1 mm aufträten, stellten einen die Lebensdauer der Fassadenplatten beeinträchtigenden Mangel dar, der durch dauerhafte Beschichtung der Fassadenplatten beseitigt werden müsse. Insoweit komme bei rationeller Arbeitsweise nur eine einheitliche Beschichtung aller Platten in Betracht, selbst wenn nicht alle Platten Risse aufwiesen. Eine einheitliche Beschichtung sei auch wegen der Unsauberkeiten und Uneinheitlichkeit der Fassade erforderlich, weil sonst ein völlig unterschiedliches Aussehen der</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">beschichteten und der nicht beschichteten Platten erzielt werde, die dann außerdem verschiedenen Verwitterungseinflüssen ausgesetzt seien. Ein Vorschuß in Höhe von 1.588.000,-- DM sei erforderlich.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">die Beklagten zu 1.) bis 6.) zu verurteilen, als Gesamtschuldner 1.588.000,-- DM als abzurechnenden Vorschuß für die Kosten der Ersatzvornahme der Mängelbeseitigung zu zahlen, die dem Kläger aus der Beseitigung von Mängeln entstehen, die aus Rißbildungen an den von den Beklagten zu 1.) bis 5.) ausgeführten Leichtbetonbrüstungselementen im Stammgebäude der Universität xxx resultieren.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten haben beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Sie haben u.a. vorgetragen: Die aufgetretenen Risse als solche widersprächen nicht dem Stand der Technik, aber auch die gemessenen Rißbreiten seien unschädlich. Was das Aussehen der Platten anbetreffe: Es müsse toleriert werden. Denn der Kläger habe für die Universität xxx eine Betonfassade gewählt, die notwendigerweise zu einem unsauberen, um nicht zu sagen häßlichen Aussehen führen müsse. Dies hätten die Spatzen schon von den xxx Dächern gepfiffen, als die Universität noch nicht bezogen gewesen sei. Sehr viele Betrachter hätten nämlich Anstoß an dem einfallslosen, kalten Betonbau genommen. Dies aber seien Folgerungen aus einer vom Bauherrn gewollten, mit Sicherheit nicht von den Beklagten zu 1.) bis 5.) zu verantwortenden Planung. Insgesamt sei ihr Werk nicht mangelhaft.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. xxx.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil, auf das verwiesen wird, hat der Kläger rechtzeitig Berufung eingelegt.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Er fordert statt Vorschuß nun die Kosten der Ersatzvornahme, wiederholt seinen Vortrag erster Instanz, ergänzt ihn und macht u.a. geltend: Eine Mindesthöhe der Betondeckung der Fassadenelemente von 3 mm sei im vorliegenden Fall vereinbart worden und notwendig gewesen; dieses Maß habe unter allen Umständen eingehalten werden müssen, werde aber tatsächlich nicht durchgehend erreicht. Dadurch sei die Bewehrung der Betonelemente infolge sogenannter Karbonatisierung gefährdet, werde nämlich gleichsam "weggefressen", wodurch die Gebrauchsdauer der Fassadenelemente beeinträchtigt sei. Um das zu verhindern, hätten die Beklagten von vornherein eine Schutzschicht aufbringen müssen. Die Beklagten hätten außerdem ihre vertragliche Pflicht, die Oberfläche der Fassadenelemente sauber, glatt und in einheitlichem Farbton herzustellen, nicht erfüllt: Die aufgetretenen Verschmutzungen stellten einen Mangel dar; gerade auf die optische Wirkung der. Fassadenelemente sei es der Auftraggeberin angekommen, denn schließlich sei es um die Ausgestaltung einer Universität und nicht einer Lagerhalle für getragene Kleidung gegangen. </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Als Mängel seien zusammengefaßt anzusehen:</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">1. Die teilweise ungenügende Betondeckung (unter 30 mm),</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">2. die Rißbildung im Beton,</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">3. die fehlende Beschichtung des Betons.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Was die Höhe des Anspruchs betreffe: Ein ästhetisch zufriedenstellender Eindruck der Fassadenplatten hätte nur durch eine einheitliche Beschichtung der Fassadenplatten am gesamten Gebäude erreicht werden können.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Entsprechend der geprüften Schlußrechnung seien damit von den Beklagten die nachfolgend dargelegten Kosten zu erbringen; (dabei wird zu Einzelheiten, u.a. zu Abzugsposten, auf Bl. 16 bis 18 der Berufungsbegründung des Klägers (Band II Bl. 213 ff d.A.) verwiesen):</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:14px">1. Kosten der Hängebühnen für die Leistungen des Loses I 39.128,79 DM</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:14px">2. Kosten der Betonsanierung 31.959,74 DM</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:14px">3. Kosten der Beschichtung 964.461,01 DM</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:14px">a) 14 % Mehrwertsteuer auf die Pos. 1-3 201.396,93 DM</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:14px">4. Aufwand der Landesentwicklungsgesellschaft </p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:14px">(die für die xxx als Treuhänderin tätig war) 102.471,03 DM</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:14px">5. Ingenieurleistungen 18.687,56 DM</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:14px">6. Schließen von Bohrlöchern 158,20 DM</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:14px">7. wie vor 637,32 DM</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:14px">8. Reinigung der Leichtbetonbrüstungselemente 449,43 DM</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:14px">9. Untersuchung und Beratung zu Fassadenaufzügen <u>251,94 DM</u></p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">1.762.601,95 DM.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">die Beklagten zu 1) bis 5) als Gesamtschuldner und die Beklagte zu 6) als selbstschuldnerische Bürgin zu verurteilen, an den Kläger 1.762.601,95 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 19.12.1984 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">die Berufung zurückzuweisen,</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">ihnen zu gestatten, eine etwa erforderliche Sicherheitsleistung auch durch Bank- oder Sparkassenbürgschaft zu erbringen.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil, wiederholen ihren Vortrag erster Instanz, ergänzen ihn und tragen u.a. vor: Zur Frage der Aktivlegitimation müßten sie sich weiter mit Nichtwissen bestreitend erklären. In der Sache selbst sei das angefochtene Urteil nicht zu beanstanden. Die Lebensdauer der Platten sei durch die Risse nicht beeinträchtigt; dazu seien neue Forschungsergebnisse zu beachten: Eine erhebliche Korrosion der Bewehrungselemente trete nur ein, wenn der Bewehrungsstahl im ungerissenen Bereich in einen "schlechten" Beton eingebettet sei. Das sei aber hier nicht der Fall. Auch die Betondeckung entspreche dem Vertragsinhalt. Außerdem sei die Dichtigkeit des Betons wichtiger als die Frage der Überdeckung. Die Messungen an den Leichtbetonplatten hätten ergeben, daß es sich hier um einen sehr dichten Beton handele, so daß auch bei einer Unterschreitung der nominellen Normwerte für die Betondeckung innerhalb bestimmter Grenzen aus technischer Sicht keine Gefahr ersichtlich sei. Auch bezüglich der Oberfläche der Leichtbetonelemente liege kein Mangel vor. Der Vereinbarung, die Oberfläche solle sauber, glatt und in einheitlichem Farbton hergestellt werden, hätten die Leichtbetonelemente entsprochen; andernfalls wären sie nicht abgenommen worden. Der Zustand, der jetzt reklamiert werde, sei erst nach vielen Jahren aufgetreten. Die Optik, die mit diesen Elementen erzielt worden sei, entspreche derjenigen, die der Kläger auch bei seinen anderen Universitätsbauten praktiziert und gewollt habe. Nicht zuletzt aus Kostengründen habe das klagende Land bei seinen Universitätsbauten bewußt auf optische Reize verzichtet und habe die reine Funktionalität in den Vordergrund gestellt, wie etwa das Beispiel der Universitätsneubauten in xxx und xxx zeige. Das Land, das heute optische Anforderungen in den Vordergrund stelle, hätte zur Erzielung dieser Optik die Sichtbetonelemente ohnehin mit einem Anstrich versehen müssen. Dieser Anstrich gehöre mithin zu den der Beklagten nicht anzulastenden Sowieso-Kosten.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. xxx; auf dieses schriftliche Gutachten vom 31.10.1989 wird verwiesen. Der Senat hat außerdem die Sachverständigen Prof. Dr. xxx, xxx, xxx, xxx im Senatstermin angehört; bezüglich des Ergebnisses wird auf den Berichterstattervermerk Bl. 382 bis 388 GA verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist zulässig.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Sie ist zum Teil begründet: Die Zahlungsklage ist in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang dem Grunde nach gerechtfertigt</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">I</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist aktiv legitimiert. Dies an dieser Stelle festzustellen, bedeutet keine Stellungnahme zu der Frage, ob anderenfalls durch Prozeßurteil oder Sachurteil zu entscheiden wäre (vgl. dazu u.a. BGH NJW 83, 684; 60, 523; 62, 633, 636 linke Spalte); diese Frage kann vielmehr wegen des oben mitgeteilten Ergebnisses der Prüfung der allgemeinen Aktivlegitimation des Klägers auf sich beruhen.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Zur Frage der Aktivlegitimation erklären sich die Beklagten weiterhin mit Nichtwissen. Das ist hier hinsichtlich wesentlicher Teile des diesbezüglichen Vortrages des Klägers nicht zulässig, weil eine Erklärung mit Nichtwissen nur über Tatsachen zulässig ist, die weder eigene Handlungen der Parteien noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmungen gewesen sind (§ 138 Abs. 4 ZPO). Danach hätten sich die Beklagten unter den gegebenen Umständen erklären müssen.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">1.1.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Der Kläger behauptet eine Vertragsübernahme. Eine Vertragsübernahme kann durch dreiseitigen Vertrag im engeren Sinne oder durch Vereinbarung zwischen zwei Beteiligten unter Zustimmung des Dritten geschehen (BGH NJW 79, 369; 85, 2528; 86, 918).</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">1.2</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat dargelegt, den Vertrag in der zuletzt genannten Form einer zweiseitigen Vereinbarung unter Zustimmung Dritten übernommen zu haben, nämlich</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:14px">- (Schriftsatz v. 30.01.1986 S. 2 ff Bl. 68, 57 GA) unter Hinweis auf das Gesetz über die Fortführung des Ausbaus der Universitäten xxx und xxx vom 11.10.1977,</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:14px">- (Bl. 68, 77 GA) unter Hinweis auf den Vertrag zwischen Land xxx und der xxx vom 18.10.1977, nach welchem das Land die xxx aus ihren Pflichten zum Ausbau der Universität xxx entläßt,</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:14px">- (Bl. 83 GA) unter Darlegung des Vertrages zwischen dem Land xxx und der xxx vom 26.11.1977, wonach das Land die Aufgaben der xxx übernimmt,</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:14px">- (Bl. 69 GA) weiter mit dem Vortrag, die Beklagten hätten ab dem 01.12.1977 die wechselseitige Abwicklung des Vertrages ausschließlich mit .dem Kläger vollzogen, und zwar sowohl hinsichtlich der Abnahme, der Prüfung der Rechnungen, der Abschlagszahlungen und der Schlußzahlung, schließlich der Verfolgung von Gewährleistungsansprüchen.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Die jedenfalls stillschweigende Zustimmung der Beklagten zu einer zwischen der xxx und dem Kläger vereinbarten Vertragsübernahme ist damit dargelegt.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">1.3.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">In erster wie in zweiter Instanz haben die Beklagten die Existenz der genannten Verträge nicht ernsthaft in Frage gestellt. Was darüber hinaus die vom Kläger behauptete, oben dargestellte Abwicklungspraxis betrifft, stehen nach den vorgetragenen Umständen eigene Handlungen der Arbeitsgemeinschaft und Gegenstände ihrer eigenen Wahrnehmung in Rede. Dazu hätten sich die Beklagten nicht mit Nichtwissen erklären dürfen. Das ist erörtert worden. Der diesbezügliche Vortrag des Klägers gilt deshalb als zugestanden (§ 138 Abs. 3, Abs. 4 ZPO). Die Aktivlegitimation ist festzustellen.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Statt ursprünglich Vorschuß fordert der Kläger nun die Kosten einer Ersatzvornahme. Ob das eine Klageänderung bedeutet, kann dahinstehen (zum Verhältnis Vorschuß/ Schadensersatz etwa siehe z.B. Grunsky, NJW 84, 2545; zum Übergang einer Forderung auf Abschlagzahlung zu einem Anspruch auf Schlußzahlung siehe BGH in NJW 85, 1840). Eine Klageänderung wäre jedenfalls im Sinne von § 263 ZPO sachdienlich. Dazu ist maßgebend - auch für die Berufungsinstanz - der Gesichtspunkt der Prozeßwirtschaftlichkeit (BGH NJW 85, 1811). Er greift hier durch: Der Streitstoff bleibt unabhängig vom Klageziel weitestgehend derselbe; das Ergebnis der bisherigen Prozeßführung kann uneingeschränkt verwertet werden.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Der Anspruch des Klägers auf die Kosten der Ersatzvornahme ist, soweit er sich auf Verschmutzungen infolge Rißbildungen stützt, gegenüber den Beklagten zu 1. bis 5. als Gesamtschuldnern gemäß §§ 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B, 633 III BGB, 421, 431 BGB und gegenüber der Beklagten zu 6., xxx, gemäß §§ 765, 773 Abs. 1 Nr. 1 BGB dem Grunde nach im Umfang des Tenors gerechtfertigt: Die beklagte Arbeitsgemeinschaft hat ihre Pflicht verletzt (§ 4 Nr. 3 VOB/B), ihrer Auftraggeberin Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung vorzutragen, welche die Gefahr von Verschmutzungen nahelegte; dadurch ist das Gesamtwerk beeinträchtigt; der Kläger kann die beklagte Arbeitsgemeinschaft deshalb auf Gewährleistung in Anspruch nehmen, jedoch nur in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Die Geltung der oben angeführten VOB/B, in der die Hinweispflicht geregelt ist (§ 4 Nr. 3), ist in Ziff. 2.8 des Vertrages vom 30.11.1972 vereinbart worden. Da sie in weiteren Vertragsgrundlagen (z.B. in 14.06 der "Zusätzlichen Vertragsbedingungen", Sonderband I Anlage 6, hinsichtlich der Gewährleistungsfristen) geändert worden ist, ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die in Rede stehende Regelung der Kontrolle nach dem AGB-Gesetz standhält (BGH NJW 88, 55). Das ist bei § 4 Nr. 3 VOB/B der Fall, bei dem es sich um eine Regelung handelt, die dem Grundsatz von Treu und Glauben entspringt (vgl. Ingenstau-Korbion, VOB, 11. Aufl. § 4 VOB/B Rn. 182, vgl. auch BGH NJW 87, 643).</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Gemäß § 4 Nr. 3 VOB/B mußte die Arbeitsgemeinschaft den Kläger darauf hinweisen, daß Risse in den Leichtbetonfassadenelementen entstehen konnten und daß dadurch und durch damit zusammenhängende Verschmutzungen der Fassadenelemente der optische Eindruck des Bauwerks beeinträchtigt werden konnte.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">2.1</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Wie die Gutachter Prof. xxx und Prof. xxx dargelegt haben und wie es die zu den Gerichtsakten überreichten Fotografien (vgl. u.a. die Fotografien in den Hüllen nach Bl. 133a GA, ferner die Fotografien, die dem ersten Gutachten Prof. xxx in der Beweissicherungsakte beigefügt sind) ausweisen, weisen insbesondere die der Witterung ausgesetzten Fassaden der Universität Risse auf; es haben Schmutzeinspülungen stattgefunden; die Fassaden wirkten unsauber und wiesen keinen einheitlichen Farbton mehr auf.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">2.2.</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte zu 4. als Betonbauer, deren Wissen sich die übrigen Partner der Arbeitsgemeinschaft zurechnen lassen müssen, mußte wissen, daß sich Risse bilden konnten und daß die Gefahr von Verschmutzungen bestand. Das haben die vier Gutachter im Senatstermin zur Überzeugung des Senats übereinstimmend bekundet; so waren die damit zusammenhängenden Fragen der Ästhetik von Gebäuden mit Leichtbetonfassaden damals Gegenstand von Diskussionen in Fachkreisen, waren auch Gegenstand von Lehrveranstaltungen in der Hochschule, so Prof. xxx ergänzend; die Problematik hätte in leicht zugänglicher Literatur auch geprüft werden können, so alle Gutachter.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">2.3.</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Angesichts der dargelegten Umstände waren die Beklagten gehalten, dem Kläger Bedenken dagegen vorzutragen, die Leichtbetonplatten vorzusehen, ohne sie zugleich gegen Verschmutzungen zu schützen. Eine solche Pflicht setzt entsprechende Erkenntnisquellen des Verpflichteten voraus. Was zur Erschließung solcher Quellen zu fordern ist, hängt wiederum von den besonderen Umstanden des Einzelfalles ab. Die Grenzen solcher Hinweispflicht werden u.a. (vgl. z.B. die vom Bundesgerichtshof in der Entscheidung NJW 87, 643 zur Prüfungspflicht des Nachunternehmers formulierten Grundsätze, die hier nach Auffassung des Senats aber gleichermaßen anzuwenden sind) durch das vom Unternehmer zu erwartende Fachwissen und überhaupt durch alle Umstände bestimmt, die für den Unternehmer bei hinreichend sorgfältiger Prüfung als bedeutsam erkennbar sind.</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Im vorliegenden Fall bestand die Pflicht zum Hinweis: Nur derjenige Betonbauer befand sich fachlich auf der Höhe der Zeit (siehe auch oben zu 2.2.), dem die geschilderten Gefahren bewußt waren. Für die Arbeitsgemeinschaft als Unternehmerin war ferner klar, daß das Aussehen des Gebäudes dem Bauherrn - wie jedem Bauherrn - nicht gleichgültig sein konnte. Diese Feststellung gründet sich auf allgemeine Erfahrungen zum ästhetischen Empfinden. Sie findet ihre Anerkennung im aktuellen Recht u.a. darin, daß Schönheitsfehler einen Mangel des Bauwerks darstellen können (vgl. Ingenstau-Korbion, § 13, Rn. 153). Sie findet ihre konkrete Bestätigung im Vertragswillen der Auftraggeberin, die in 3-6. der Zusätzlichen Technischen Vorschriften hat aufnehmen lassen "Die Oberfläche ist sauber, glatt und in einheitlichem Farbton herzustellen". Ist es aber gar nicht gegangen, diesen Zustand nachhaltig zu bewahren, "weil Verschmutzungen der hier in Rede stehenden Art zu erwarten sind" (so zur Überzeugung des Senats Prof. xxx, ergab sich nicht zuletzt aus dem soeben behandelten Umstand, aber auch aus den zuvor erörterten Gründen die Pflicht der Arbeitsgemeinschaft zum Hinweis.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Umstände für eine andere Wertung werden nicht deutlich.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Es kann nicht etwa davon ausgegangen werden, daß der Auftraggeber eine größere Fachkenntnis als die Beklagte zu 4. aufwies. Nur wenn der Unternehmer der größeren Fachkenntnis des ihn Anweisenden vertrauen darf, ist er von der Verpflichtung zur Mitteilung von Bedenken frei (BGH NJW 77, 1966). Eine solche überragende Fachkenntnis der Mitarbeiter der Auftraggeberin ist aber weder ausdrücklich vorgetragen, noch ergibt sie sich von selbst. Zwar könnte der Inhalt der überreichten Unterlagen, welche die Auftraggeberin zum Gegenstand des Vertrages hat machen lassen, dafür sprechen, daß die Mitarbeiter der Auftraggeberin in Baudingen sachkundig waren; eine so spezielle Fachkenntnis, wie sie im vorliegenden Fall gefordert ist, konnten die Beklagten, die ja die Beklagte zu 4. als einen Betonfachmann in ihren Reihen hatten, jedoch nicht voraussetzen.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten waren zum Hinweis auch dann verpflichtet, wenn der Auftraggeber mit der Wahl unbehandelter Betonelemente als Fassadenelemente eine besondere architektonisch-ästhetische Konzeption verfolgt hat. Letzteres vortragen zu wollen, deuten die Beklagten u.a. Bl. 11 der Klageerwiderung (Bl. 53 GA), Bl. 8 der Berufungserwiderung (Bl. 289 GA) an. Aber mögen (siehe Vortrag Bl. 289 GA) Kostengründe die Auswahl der Materialien mitbestimmt haben, mögen bei anderen Universitätsbauten im Lande xxx ähnliche Konzepte verfolgt worden sein, mag die Funktionalität als (auch ästhetisches) Prinzip eine Rolle gespielt haben, mag auf eine "gefällige" Optik kein Wert gelegt worden sein, rechtfertigten alle diese Umstände mangels Anhaltspunktes für einen solchen Willen nicht den Schluß der Arbeitsgemeinschaft, dem Auftraggeber seien optische Beeinträchtigungen der hier nun vorliegenden Art gleichgültig gewesen. Das Gleiche gilt hinsichtlich des Umstandes, daß der Auftraggeber sich damals für "Multifunktionsplatten" (Ausdruck Prof. xxx) entschieden hat, die sowohl Aufgaben der Wärmedämmung als auch der Optik zu erfüllen hatten. Eine Hinweispflicht entfiel schließlich nicht angesichts des Umstandes, daß der Kenntnisstand damals "noch sehr viel geringer war" (Prof. xxx); das Wissen um die Gefahr von Verschmutzungen, über das alle Gutachter berichtet haben, galt es vielmehr weiterzugeben, um dem Bauherrn das Risiko zukünftiger Nachteile bewußt zu machen und um ihm Entscheidungen zu ermöglichen.</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hätte den Hinweis beachtet und hätte die Fassade anders gestalten lassen. Das ist, wenn man die jetzt aufgetretenen, oben behandelten Rißbildungen und Verschmutzungen ins Auge faßt, nicht zweifelhaft. Nichts anderes ergibt sich aber, wenn man in Betracht zieht, daß das Wissen um das Verhalten des in Rede stehenden Werkstoffs gerade auch in der jüngsten Vergangenheit gewachsen ist. Denn ein Bauherr wird es regelmäßig nicht unbeachtet lassen, wenn ein besonders qualifizierter Fachmann ihn darauf hinweist, er werde, wenn er einen bestimmten Werkstoff wähle, zukünftig mit Rissen und Verschmutzungen der Fassade zu rechnen haben. Diese Feststellung wird gestützt dadurch, daß die Beklagten trotz Hinweises auf den hier behandelten rechtlichen Gesichtspunkt im Beweisbeschluß des Senats vom 12.05.1989 keine ernsthaften Versuche unternommen haben, den Erfolg eines Hinweises in Zweifel zu ziehen. Sie haben zwar zum Beispiel geltend gemacht (siehe Berufungsbegründung Bl. 9), der Auftraggeber habe sich <u>frei</u> entschieden, den Sichtbeton "nackt zu belassen"; die Annahme einer <u>freien</u> Entscheidung beruht dabei jedoch auf einem Zirkelschluß, weil eine freie Entscheidung die Kenntnis der notwendigen Entscheidungsumstände voraussetzt. Schließlich sind die Beklagten daran festzuhalten, daß denjenigen, der eine vertragliche Aufklärungspflicht verletzt, das Risiko der Unaufklärbarkeit des Ursachenzusammenhangs trifft (BGH NJW 75, 824).</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">4.</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Kommt der Unternehmer der Hinweispflicht nicht nach und wird das Gesamtwerk beeinträchtigt, so ist seine Werkleistung mangelhaft; der Besteller kann ihn auf Gewährleistung in Anspruch nehmen (BGH NJW 83, 875). Im vorliegenden Fall kann der Kläger von den Beklagten die Kosten der Ersatzvornahme gemäß § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B fordern (wie auch gemäß § 633 Abs. 3 BGB, wenn die Vorschrift anzuwenden wäre). Denn die Arbeitsgemeinschaft hat sich in ihrem Schreiben vom 19.12.1984 (Sonderband Ia Anlage 16) strikt geweigert, die Mängel zu beseitigen. Ihre Weigerung hat in erster Linie die von dem Kläger in Aussicht genommenen Sanierungsarbeiten zum Gegenstand. Dem Schreiben ist jedoch der Wille der Arbeitsgemeinschaft zu entnehmen, zum Beispiel durch die Betonung der Unvermeidlichkeit von Netzrissen, Gewährleistung überhaupt und ein für allemal abzulehnen. Einer weiteren Aufforderung zur Mängelbeseitigung bedurfte es deshalb nicht.</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">5.</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">Gewährleistungsansprüche des Klägers sind nicht verjährt. Die Verjährungsfrist endete unstreitig am 13.10.1981 (vgl. z.B. Vortrag (Schriftsatz der Beklagten vom 28.02.1986 S. 12) Bl. 54, (Schriftsatz des Klägers vom 16.12.1988.S. 21) 218 GA). Sie ist am 19.11.1979 unterbrochen worden durch Einleitung des Beweissicherungsverfahrens (§§ 639, 477 Abs. 2, 209 BGB), die Unterbrechung dauerte bis zur Beendigung des Beweissicherungsverfahrens fort, § 477 Abs. 2 BGB, also bis Ende 1984. Unterbrochen worden ist die Verjährung auch bezüglich der Verschmutzungen; denn ein wesentliches Moment dieser Verschmutzungen, die Rißbildung, war von Anfang an Gegenstand der Beweissicherung. Außerdem ist die Unsauberkeit durch Beschluß des Amtsgerichts vom 30.09.1981, also vor Ablauf der ursprünglichen Gewährleistungsfrist, ausdrücklich auch in die Beweissicherung einbezogen worden (vgl. Sonderband Ia Anlage 12).</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">6.</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">Der Anspruch des Klägers ist jedoch nicht in vollem Umfang begründet, sondern nur zur Hälfte.</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Der Bauherr hat für ein Planungsverschulden seines Architekten und für die darauf beruhenden Mängel des Bauwerks nach §§ 254, 278 BGB (mit-) einzustehen (BGH NJW 72, 447; 84, 1677). Hier liegt ein solches Planungsverschulden vor. Denn die Auswahl der Materialien zählt zur Planungstätigkeit des Architekten. Im vorliegenden Fall aber hatte er Veranlassung, die Leichtbetonplatten auf ihre Tauglichkeit auch in ästhetischer Hinsicht zu überprüfen. Bei sorgfältiger Prüfung wäre er dabei auf die Gefahr der Rissebildung und die sich daran anschließende Gefahr von Verschmutzungen gestoßen. Zur Begründung wird auch hierzu auf die Ausführungen oben zu II, 2.2. verwiesen: Das Problem war in Fachkreisen, auch bei den Architekten, bekannt, wie die Gutachter zur Überzeugung des Senats berichtet haben; jedenfalls wäre der Architekt in der Lage gewesen, sich anhand leicht zugänglicher Literatur die Problematik vor Augen zu führen, was alle Gutachter betont haben.</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">Hat der Kläger deshalb für ein Planungsverschulden des Architekten einzustehen: Der Senat bemißt die Verursachungsanteile des Architekten einerseits und die von den Beklagten zu vertretenden auf je 1/2. Dabei hat der Senat u.a. erwogen: Im vorliegenden Fall kann nicht festgestellt werden, der vom Kläger zu vertretende Planungsfehler oder andererseits der Fehler der Arbeitsgemeinschaft stellten die entscheidende Ursache für die Mängel dar. Dies deshalb, weil sich beide Seiten, Architekt wie Betonbauer, hinsichtlich ihrer Kenntnismöglichkeiten in einer vergleichbaren Situation befunden haben: Die Problematik war bekannt (siehe oben). Das Ausmaß möglicher Beeinträchtigungen nur war, das haben alle Gutachter zum Ausdruck gebracht, weder den Planern noch dem Hersteller des Materials mangels praktischer Erfahrung gegenwärtig: So hat Prof. xxx zum Beispiel ausgesagt, das, was an der xxx Universität aufgetreten sei, "sei schon extrem gewesen"; damals sei der Kenntnisstand sehr viel geringer gewesen; es habe damals eine Euphorie für Sichtbeton bestanden, die aber jetzt vorbei sei. Daraus folgt: Es ist nicht etwa so, daß dem einen oder dem anderen ein schwererer Fehler anzulasten wäre; sondern beide haben zur Verfügung stehende Kenntnisse, deren Folgen für die Praxis zudem noch nicht voll abzusehen waren, nicht im Interesse ihre Auftraggebers zu dessen Information eingesetzt. Deshalb rechtfertigt sich nach Auffassung des Senats die getroffene Wertung, die Verursachungsanteile gleich zu bemessen.</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">7.</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Der Anspruch ist nach Grund und Betrag streitig. Der Senat entscheidet über den Grund vorab (§ 304 ZPO) und verweist den Rechtsstreit gemäß § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO an das Gericht des ersten Rechtszuges zurück.</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">Der Anspruch ist noch nicht endgültig zur Entscheidung reif. Es bestehen keine vernünftige Zweifel, daß der geltend gemachte Anspruch in irgendeiner Höhe besteht, daß eine Entscheidung zur Höhe also noch folgen muß. Zwar wird das Landgericht u.a. zu prüfen haben, ob die vom Kläger geltend gemachten Beträge auch sog. Sowieso-Kosten enthalten, etwa weil, wie der Sachverständige Prof. xxx geäußert hat, von Anfang an eine Beschichtung der Platten hätte vorgesehen werden können; in diesem Falle werden möglicherweise erhebliche Abstriche von den Forderungen des Klägers geboten sein. Andererseits bestehen keine Zweifel, daß dem Kläger zum Beispiel zusätzliche Einrüstkosten entstehen: Er hatte Anspruch darauf, nachdem die Arbeitsgemeinschaft Mängelbeseitigung verweigerte, die notwendigen Arbeiten sofort in Angriff zu nehmen, wobei Einrüstkosten entstanden, was im Senatstermin vom Kläger geltend gemacht und was von den Beklagten nicht bestritten worden ist. Nach bisherigem Verfahrensstand haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß diese Einrüstkosten, wenn das Gewerk von Anfang an ordnungsgemäß ausgeführt worden wäre, ohnehin entstanden wären, etwa weil sie im Rahmen normaler Wartung des Gebäudes nicht später als die jetzt durchgeführten Arbeiten aufzubringen gewesen wären.</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">Für das weitere Verfahren merkt der Senat an: Die Entscheidung über den Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten der Beklagten und den einzelnen Klageposten wird dem Nachverfahren überlassen (vgl. zu solcher Verfahrensweise z.B. BGH NJW 68, 1968); das Landgericht wird auf diese Weise jeden der nun in der Berufungsbegründung zu 1. bis 9. aufgeführten Klageposten zu überprüfen haben.</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">Dabei wird wie gesagt auch zu untersuchen sein, ob die Forderung des Klägers um Kosten zu kürzen ist, um die das Werk bei ordnungsgemäßer Ausführung von vornherein teurer geworden wäre ("Sowieso-Kosten"). Das kommt gerade im vorliegenden Fall in Betracht, weil sich die Kalkulation der Arbeitsgemeinschaft nicht allein nach ihren Vorstellungen gerichtet hat, sondern wesentlich auch nach dem Leistungsverzeichnis des Bestellers (vgl. dazu u.a. BGH NJW 84, 2457; 2458).</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">Zu prüfen wird das Landgericht ferner haben, ob ein ästhetisch zufriedenstellender Eindruck der Fassadenplatten nur durch eine einheitliche Beschichtung der gesamten Leichtbetonfassade erzielt werden konnte (siehe den Vortrag Berufungsbegründung Bl. 15, 16). Letzteres haben die Beklagten jedenfalls mit Schreiben vom 19.12.1984 unter Hinweis auf Prof. xxx bezweifelt.</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">III.</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">Die Klageforderung ist im übrigen, soweit sie sich auch auf eine Unterschreitung der Betondeckung gegenüber dem Sollwert von 30 mm stützt (vgl. dazu die Anlage 6 zum Gutachten xxx vom 01.10.1983, "planerische Forderung zur Betondeckung"), unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fehlt der Leistung der Arbeitsgemeinschaft insoweit weder eine vertraglich zugesicherte Eigenschaft, noch widerspricht sie den anerkannten Regeln der Technik, noch ist sie mit einem Fehler behaftet.</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">Was zunächst das Auftreten von Netzrissen und gradlinigen Rissen in Leichtbetondecken an und für sich betrifft: Solche Risse sind nach der Darstellung aller Gutachter unvermeidlich: Der Beton versagt im Bereich von Zugspannungen, was eben zu Rissen führt. Deshalb sind die Risse im Beton Bestandteil des Bemessungsprinzips im Stahlbetonbau. Die Bewehrung des Stahlbetons ist gegen Korrosion zu schützen. Dabei kommt der Dicke und Permeabilität der Betonüberdeckung im ungerissenen Bereich zur Beurteilung der Korrosion an den Rissen eine entscheidende Bedeutung zu, während der Absolutwert der Rißbreiten von untergeordneter Bedeutung ist. Das steht fest aufgrund der Bekundungen aller Gutachter.</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">Im vorliegenden Fall ist der Sollwert der Betonüberdeckung von 30 mm bei zahlreichen Platten nicht erreicht; dazu wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Berichterstattervermerk zum Senatstermin vom 14.11.1989, dort Bl. 2 oben, und auf die dortigen Hinweise zu den entsprechenden Feststellungen der Sachverständigen im einzelnen verwiesen. Das führt jedoch für sich betrachtet nicht zu einem Mangel des Werks. Denn die oben bezeichneten "planerischen Forderungen zur Betonüberdeckung" (Anlage 6 zum Gutachten Prof. xxx vom 10.01.1983) mußten die Beklagten nicht so verstehen, der bezeichnete Sollwert sei unter allen Umständen und in allen Fällen zu erzielen. Hierzu haben die Gutachter zur Überzeugung des Senats geäußert: In den Jahren, als die Elemente hergestellt worden seien, seien die Betondeckungen in den Normen wie etwa in der DIN 1045 (die nach den Ausführungen aller Gutachter damals auch auf die hier in Rede stehenden Leichtbetonelemente angewandt worden ist) zwar als Mindestwerte angegeben worden, seien in der generell geübten und akzeptierten Praxis aber als Nennwerte verstanden und angewandt worden: Die in der Norm genannten Mindestwerte seien als Maß für die Abstandshalter herangezogen worden; Vorhaltewerte auf diese Mindestwerte seien fast nie berücksichtigt worden; man habe es auf diese Weise hingenommen, daß das Mindestmaß der Überdeckung nicht an allen Stellen eingehalten worden sei (z.B. als Folge einer Durchbiegung der Bewehrung). Unter Berücksichtigung dessen ist ein Fehler des Werks auch nicht deshalb zu erkennen, weil eine die Sollstärke erreichende höhere Betondeckung zu einer höheren Lebensdauer der einzelnen Platte geführt hätte. Letzteres kommt nach Prof. xxx in Betracht, ohne daß man dies jetzt schon genau einschätzen könne. Ist das hier behandelte Maß jedoch allgemein in dem beschriebenen Sinne begriffen worden, war es für die Arbeitsgemeinschaft nicht etwa so zu verstehen, der angegebene Sollwert treffe zugleich eine Aussage über die erwartete Lebensdauer der Platte; über die zu erwartende Lebensdauer der Betonelemente wird im übrigen auf die Ausführung unten verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">Die bereits erwähnte teilweise Unterdeckung der Platten bedeutet auch in technischer Hinsicht keinen Mangel. Alle Gutachter haben hierzu zur Überzeugung des Senats ausgeführt, daß insgesamt Betondeckungen festgestellt worden seien, die dem üblichen Standard der Produktion der Platten und der Bauausführungen entsprachen. Alle Gutachter haben abschließend ausgeführt: Wenn das Aussehen des Gebäudes nicht in Rede stehe, dann gebe es für eine Nachbesserung eindeutig keine Veranlassung. Dabei beziehen die Gutachter ihre Aussage auf eine Lebensdauer der Platten von 50 Jahren, Lebensdauer hier verstanden als Dauer wartungsfreier Nutzung. Daß aber die Vertragsschließenden im vorliegenden Fall von einer höheren Dauer wartungsfreier Nutzung ausgegangen wären, für eine solche Annahme gibt es keine Anhaltspunkte. Auch der Inhalt der Aktennotiz vom 30.11.1973, welcher im Senatstermin mit den Gutachtern erörtert worden ist, bietet nach deren Bekundungen keine Anhaltspunkte für die Annahme, es könnten bei der Produktion der Platten technische Fehler gemacht worden sein.</p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat die Sachverständigen Prof. xxx und Prof. xxx im Senatstermin vom 14.11.1989 wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Er hat sich dabei auf die Bl. 5 des Protokolls vom 14.11.1989 niedergelegten Äußerungen über gutachtliche Tätigkeiten des Prof. xxx in den 70er Jahren im Auftrage der Firma xxx und xxx und über einen Forschungsauftrag des Sachverständigen Prof. xxx Anfang der 80er Jahre bezogen, der zum Teil vom Bundesministerium für Forschung und zum Teil von einem Firmenkonsortium erteilt worden ist, dem die Firma xxx und xxx angehörte. Die von den Sachverständigen beschriebenen Tatbestände rechtfertigen jedoch keine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit.</p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks">Allein die flüchtigen, zum Teil lang, zum Teil sehr lang zurückliegenden Berührungen, die zwischen dem Sachverständigen und den genannten Parteien damit verbanden waren, - mehr ist nicht erkennbar - rechtfertigen vom Standpunkt des Klägers aus objektiv und vernünftig betrachtet kein Mißtrauen in die unparteiliche Gutachtenerstattung der Sachverständigen. Die Beschwer beider Parteien übersteigt 40.000,-- DM.</p>
|
315,159 | olgham-1990-01-08-8-wf-64289 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 8 WF 642/89 | 1990-01-08T00:00:00 | 2019-03-13T14:47:55 | 2022-10-18T15:08:58 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1990:0108.8WF642.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der angefochtene Beschluß wird - soweit den Klägern die nachgesuchte Prozeßkostenhilfe verweigert worden ist - aufgehoben und die Sache zur erneuten Bescheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.</p>
<p></p>
<p>Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Gründe:</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Beschwerde mußte zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht führen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die rechtlichen Voraussetzungen des Unterhaltsanspruchs der Kläger richten sich gemäß Art. 10 Nr. 1 Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 02.10.1973, inhaltlich gleichlautend mit Art. 18 Abs. 6 Mr. 1 EGBGB. Bei der Bemessung des Unterhaltsbetrages sind gemäß Art. 11 Abs. 2 Haager Übereinkommen (= Art. 18 Abs. 7 EGBGB) die Bedürfnisse des Berechtigten und die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unterhaltsverpflichteten auch unabhängig vom anzuwendenden Recht zu berücksichtigen. Das bedeutet, daß grundsätzlich von den Geldbeträgen auszugehen ist, die der Berechtigte an seinem Aufenthaltsort aufwenden muß, um den ihm gebührenden Lebensstandard aufrechtzuerhalten (BGH FamRZ 1987, 682, 683), daß aber eine gewisse Teilhabe des Berechtigten an dem höheren Lebensstandard des Verpflichteten gerechtfertigt ist (Senatsurteil v. 07.06.1989 FamRZ 1989, 1333 m.Nw.).</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Letzteres setzt gewisse Mindestangaben zum Lebensstandard des Verpflichteten voraus, der in der Regel durch das tatsächlich erzielte oder das erzielbare Einkommen manifestiert wird. An solchen Angaben fehlt es bislang. Die Erfolgsaussicht der Klage im Sinne von § 114 ZPO kann ohne solche Angaben nicht beurteilt werden. Folglich kann dem Berechtigten auch nicht abverlangt werden, quasi ins Blaue hinein an der Unterhaltstabelle der Hammer Leitlinien orientierte Anträge auf "Mindestunterhalt" zu stellen. Unstreitig bezieht die Beklagte derzeit nur Leistungen der Sozialhilfe. Sollte es auf ihre erzielbaren fiktiven Einkünfte aus Erwerbstätigkeit ankommen, müßten die Kläger zunächst Angaben zur beruflichen Qualifikation der Beklagten machen. Allenfalls hilfsweise könnte auf das von ungelernten Kräften erzielbare Einkommen zurückgegriffen werden, wobei gegebenenfalls auch die unstreitig mangelhaften Sprachkenntnisse der Beklagten zu berücksichtigen wären.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Im übrigen weist der Senat darauf hin, daß angesichts der unter 1. dargelegten Bemessungsgrundsätze eine schematische Orientierung an den für Unterhaltsberechtigte mit inländischem Aufenthalt aufgestellten Tabellensätzen mit ebenso schematischen Abzügen von 1/3 oder 2/3 nicht in Betracht kommt. Das wäre allenfalls dann gerechtfertigt, wenn dem entsprechende Erfahrungswerte über den tatsächlichen Geldbedarf im Aufenthaltsstaat zugrundelägen, was im Verhältnis zu XXX zumindest für die letzten Jahre nicht mehr der Fall ist. Der Senat hat bislang in ständiger Rechtsprechung (FamRZ 19 87, 1303, 1306; FamRZ 1989, 1334) die vom Statistischen Bundesamt ermittelten sog. Verbrauchergeldparitäten herangezogen (ebenso OLG München mit ausdrücklicher Billigung des BGH, FamRZ 1987, 6 82, 6 84, Heinrich, Internationales Familienrecht, 1989, S. 152). Diese bislang im Statistischen Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland veröffentlichten Vierte (zuletzt St.Jb. 1988, 721 f bis einschließlich 1987) bieten jedoch angesichts der rapiden Veränderung der Wirtschafts- und Lebensverhältnisse in Polen für die hier geltend gemachten Ansprüche ab 01.07.1989 keine brauchbare Bemessungsgrundlage mehr. Unter diesen Umständen muß dem im Ausland lebenden Berechtigten abverlangt werden, Angaben über die inzwischen für die Aufrechterhaltung des ihm gebührenden Lebensstandards erforderlichen Geldbeträge zu machen. Dem sind die Kläger mit Schriftsatz vom 04.12.19 89 bereits ansatzweise nachgekommen. Insoweit sind aber ergänzende Angaben erforderlich. Eine Hilfestellung könnten ggfls. die von Gralla/Leonhardt (Das Unterhaltsrecht in Osteuropa, Bonn 1989, S. 157/8) angesprochenen Eckwerte bieten. Nach Ansicht dieser Autoren "sollten sich die deutschen Gerichte bei der Bemessung des Unterhalts für in XXX wohnhafte Berechtigte an den vom XXX periodisch bekanntgegebenen Durchschnittsalters - oder - invalidenrenten unter Berücksichtigung der von der XXX wöchentlich in der Tagespresse veröffentlichten Wechselkurstabellen orientieren. Keinesfalls sollten die Unterhaltsraten niedriger sein als die Mindestaltersrente, andererseits aber auch nicht höher als die Durchschnittsvergütung in der vergesellschafteten Wirtschaft". Auch diese Werte könnten allerdings, angesichts der derzeit äußerst angespannten Versorgungslage in XXX überholt sein. Gegebenenfalls muß auf der Grundlage der verfügbaren Daten auf Schätzwerte zurückgegriffen werden, die nach den Vorstellungen des Senates im Bereich zwischen 100,- und 200,- DM liegen dürften.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Nach alledem mußte der angefochtene Beschluß teilweise aufgehoben und die Sache insoweit zur Vervollständigung der für die Beurteilung der Erfolgsaussicht der Klage erforderlichen Feststellungen an das Amtsgericht zurückverwiesen werden.</p>
|
315,160 | ag-essen-1990-01-03-22-c-70889 | {
"id": 657,
"name": "Amtsgericht Essen",
"slug": "ag-essen",
"city": 417,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 22 C 708/89 | 1990-01-03T00:00:00 | 2019-03-13T14:47:57 | 2022-10-18T15:08:58 | Urteil | ECLI:DE:AGE1:1990:0103.22C708.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 209,70 DM nebst 8 % Zinsen seit </p>
<p>dem 18.07.1989 zu zahlen.</p>
<p></p>
<p>Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Tatbestand:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Nach einem Verkehrsunfall am 02.03.1089 wurde der Kläger, der ein Sachverständigenbüro für Kraftfahrzeuge, Verkehrsunfälle und Ausfallschäden betreibt, von der Unfallgeschädigten Frau O mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens über die verursachten Schäden beauftragt. Eintrittpflichtiger Unfallgegner war die Beklagte. Der Kläger erstellte unter dem 03.03.1989 ein Gutachten, bezüglich dessen Inhaltes auf Bl. 35 ff. d. A. verwiesen wird. Das Gutachten endete mit einem Schadensbetrag von 8.478,71 DM.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Fachwerkstatt M erstellte eine tatsächliche Rechnung über 8.808,52 DM. Daraufhin wandte sich die Beklagte über die Bevollmächtigten der Unfallbeteiligten O mit der Bitte, die Rechnung der Firma M im Rahmen des einmal erteilten Sachverständigenauftrags prüfen zu lassen. Insoweit wird auf Bl. 15 d. A. verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Unter dem 05.05.1989 erstellte der Kläger einen zweiseitigen Rechnungsprüfungsbericht, bezüglich dessen Inhalts im einzeln auf Bl. 17 d. A. verwiesen wird. Hierin setzte er sich mit der Differenz seines Gutachtens im Verhältnis zu dem Schadensbetrag der Firma M und den von ihm angegebenen Standkosten auseinander. Diese Leistung stellt er mit 209,70 DM in Rechnung. Die Geschädigte O trat ihre Ansprüche gegen die F auf Erstattung dieses Rechnungsbetrages an den Kläger ab, welcher mit vorliegenden Klage diesen Betrag gegenüber der Beklagten geltend macht.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist der Ansicht, er habe eine zusätzliche Leistung, nämlich eine Rechnungsprüfung erbracht, die auch unabhängig von der Liquidation des ursprünglichen Gutachtens abgerechnet werden könne.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Beklagte zu verurteilen, an ihn 209,70 DM nebst 8 % Zinsen seit dem 18.07.1989 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Sie ist der Ansicht, es könne die Überprüfung der Rechnung keine zusätzliche Bezahlung zum ursprünglichen Gutachten verlangt werden. Das Begehren zur Überprüfung der Rechnung sei ausdrücklich im Rahmen des ursprünglichen Gutachten gestellt worden. Zudem habe der Kläger in diesem Rechnungsprüfungsbericht lediglich sein ursprüngliches Gutachten nachgebessert. Dieses sei auch im Rahmen des erteilten Auftrages kostenlos zu erstellen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien nebst Anlage in den Akten Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist sachlich gerechtfertigt.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat einen Anspruch auf Bezahlung seines Rechnungsprüfungsberichtes, weil er keine selbständige abrechnungsfähige Leistung erbracht hat. Der Kläger hat sein zuvor erstelltes umfangreiches Gutachten vom 03.03.1989, welches in einigen Punkten unerheblich von der tatsächlich erstellten Rechnung der Firma M erstellt worden ist, abwich, erläutert und die insoweit tatsächlich vorliegenden Abweichungen erklärt und gerechtfertigt. Damit h at er eine eigenständige Leistung erbracht. Diese Leistung ist nicht mit der Bezahlung der ursprünglichen Rechnung bereits abgegolten. </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Wieso diese weitere Leistung - welche ausdrücklich im Auftrag gegeben wurde -, kostenlos sein sollte, ist nicht ersichtlich, zumal das Gutachten offensichtlich nicht fehlerhaft war.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.</p>
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315,161 | ovgnrw-1989-12-20-3-a-200786 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
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"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 3 A 2007/86 | 1989-12-20T00:00:00 | 2019-03-13T14:47:58 | 2022-10-18T15:08:58 | Urteil | ECLI:DE:OVGNRW:1989:1220.3A2007.86.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Unter Zurückweisung der Anschlußberufung des Beklagten wird das angefochtene Urteil teilweise geändert.Der Erschließungsbeitragsbescheid des Beklagten vom 8. Oktober 1984 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 1985 wird insgesamt aufgehoben.Der Beklagte trägt die Kosten des ge-samten Verfahrens.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.Die Revision wird nicht zugelassen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist Eigentümerin des an der Straße</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">in                            gelegenen Grundstücks Gemarkung</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Flur - Flurstücke</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Nachdem der Ausbau der Erschließungsanlagen im Gebiet des</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Bebauungsplanes Nr. 7 "H              ,-West" im Jahre 1980 abge</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">schlossen war, erließ die Stadt              unter dem</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">18. November 1982 eine Satzung zur Änderung des am 6. Juli 1858</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">bestätigten</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">bestätigten Rezesses der früheren Stadt              , durch welche</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">der Interessentenweg zum sog. H-              , der in einer Größe von</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">720 qm als Erschließungsanlage ausgebaut und insoweit Bestandteil</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">der Erschließungsanlage L              geworden war, eingezogen wurde;</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">zugleich wurde ausgeführt, daß dieser Weg dem öffentlichen Verkehr diene und deshalb in das Eigentum und die Unterhaltung der Stadt</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">übernommen werde. Unter dem 4. Februar 1983 erließ der Beklagte eine Widmungsverfügung, die in den Ausgaben der</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">11'              Zeitung" und des "              -Blattes" vom</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">12. Februar 1983 wie folgt bekanntgemacht wurde:</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">"Amtliche Bekanntmachung</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">über die Widmung der Erschließungsanlagen im Plange</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">biet Nr. 7 "H              :-West" im Stadtteil              _</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die im Bebauungsplan Nr. 7 "H              __-West" - Stadt</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">teil .              - ausgewiesenen Erschließungsanlagen</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">mit den Bezeichnungen "E              ' "H_</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">." und</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">"L              ," sind endgültig hergestellt und wurden</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">gem. § 8 Abs. 1 des Landesstraßengesetzes NW vom 28.11.1961 in der zur Zeit gültigen Fassung mit sofortiger Wirkung als Stadtstraßen für den öffent-lichen Verkehr gewidmet.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Der Bebauungsplan, aus dem der Verlauf der genannten Straßen ersichtlich ist, liegt während der Wider¬spruchsfrist im Rathaus der Stadt</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Zi. 22, zur Einsichtnahme aus.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Rechtsmittelbelehrung:</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Gegen die Widmung kann innerhalb eines Monats nach öffentlicher Bekanntmachung Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist schriftlich oder zur Niederschrift beim Stadtdirektor, P</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">straße d, Rathaus, Zi. 22,</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">3533 W.              , einzulegen."</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Durch einen an die Klägerin gerichteten Erschließungsbeitragsbe¬scheid vom 8. Oktober 1984 setzte der Beklagte einen Erschließungs¬beitrag für das genannte Grundstück für den Ausbau des Abschnittes</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">der Straße L              d zwischen der Aufmündung L              /H</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">und der Einmündung der Straßen              und              weg in</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Höhe von 9.389,32 DM fest und forderte sie zur Zahlung dieses Be¬trages auf. Den von der Klägerin hiergegen erhobenen Widerspruch, der sich zugleich gegen die Veranlagung des Grundstücks Gemarkung</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Flur              Flurstücke              richtete, wies der Beklagte</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">durch Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 1985 als unbegründet zurück.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat am 6. Februar 1985 gegen die beiden Er-schließungsbeitragsbescheide betreffend die Grundstücke Ge</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">markung              _ 1 Flur ' Flurstücke              ,              _              und Flurstück</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Klage erhoben. Durch einen in der mündlichen Verhandlung vom 27. Juni 1986 bekanntgegebenen Beschluß vom 26. Juni 1986 hat das Verwaltungsgericht die erhobenen Ansprüche getrennt</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">und die Veranlagung der Flurstücke              dem Verfahren</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">5 K 238/85 (3 A 2007/86) und die Veranlagung des Flurstücks dem Verfahren .5 K 1272/86 (3 A 2008/86) zugewiesen. Auf die Klage mit dem Antrag,</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">den Erschließungsbeitragsbescheid des Be-klagten vom 8. Oktober 1984 in der Fassung des dazu ergangenen Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 1985 aufzuheben,</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">hat das Verwaltungsgericht durch das angefochtene Urteil, auf das Bezug genommen wird, die angefochtenen Bescheide insoweit aufgehoben, als ein 7.100,70 DM übersteigender Erschließungs-beitrag festgesetzt und erhoben worden ist, und die Klage im übrigen abgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Gegen das ihr am 25. Juli 1986 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 22. August 1986 Berufung eingelegt. Zur Begrün¬dung wiederholt und vertieft sie insbesondere ihr bisheriges Vorbringen, daß die in der Abrechnung zugrunde gelegten Kosten nicht anerkannt werden könnten und daß ihr Gegenansprüche</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">gegen die Stadt              zustünden, die einen Betrag von</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">über 100.000,-- DM ausmachten.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">das angefochtene Urteil teilweise zu ändern und der Klage in vollem Umfang stattzugeben.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat durch einen am 29. August 1986 beim Ver-waltungsgericht Minden eingegangenen Telebrief sowie durch einen am 2. September 1986 ebenda eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die er laut Schriftsatz vom 17. Oktober 1986 als An-schlußberufung führt. Der Beklagte beantragt sinngemäß,</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">die Berufung der Klägerin zurückzuweisen und</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">das angefochtene Urteil insoweit zu ändern,</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">als</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">als es eine unter dem Betrag von 8.276,80 DM liegende Beitragsfest-setzung aufgehoben hat.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung bezieht er sich auf den angefochtenen Widerspruchs-bescheid und die Gründe des angefochtenen Urteils, soweit es die Klage abgewiesen hat, und legt ergänzend dar, daß die Beitrags¬erhebung nach Grund und Höhe rechtmäßig sei. Des weiteren wendet er sich gegen die im angefochtenen Urteil vertretene Auffassung,</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">die benachbarten Flurstücke              und              würden nicht landwirtschaft</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">lich, sondern gewerblich genutzt. Zudem verweist er auf seine Widmungsverfügung vom 4. Dezember 1989, deren amtliche Bekannt</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">machung - hier auszugsweise wiedergegeben aus dem              --Blatt</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">vom 6. Dezember 1989 - wie folgt lautet:</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">"Amtliche Bekanntmachung</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">T9ilfläche</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">aus Flurstück              _ in Grölte von 4438 m ,</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">eilfläche aus Flurstück . . in</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Größe von 717 m` und Teilfläche aus Flurstück 664 in Größe von 103 m2)</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">werden mit sofortiger Wirkung gem. § 6 des Straßen-und Wegegesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (StrWG NW) in der Fassung der Bekanntmachung vom 1.8.1983 (GV. NW. S. 306), geändert durch Gesetz vom 20.6.1989 (GV. NW. S. 366), ohne Einschränkungen als Stadtstraßen für den öffentlichen Verkehr ge¬widmet.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Während die Erschließungsanlagen " _              " und</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">"H              ' als Anliegerstraßen eingestuft werden,</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">stellt die Erschließungsanlage "L              " eine</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Haupterschließungsanlage dar. Rechtsbehelfsbelehrung ...."</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens und des Sachverhalts im übrigen wird auf die gerichtliche Streitakte nebst Beiakten Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">6</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">Die Berufung der Klägerin ist begründet'. Hingegen ist die Anschlußberufung des Beklagten nicht begründet. Die ange¬fochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, weil eine Erschließungsbeitragspflicht für das veranlagte Grundstück bisher nicht entstanden ist. Die abgerechnete Erschließungsanlage hat bisher nämlich nicht - wie das in § 127 Abs. 2 Nr. 1 BBaGG/BauGB für die Beitragserhebung vorausgesetzt wird - den Charakter einer öffentlichen Anbau¬straße erlangt.</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Der abgerechnete Straßenabschnitt war ursprünglich Teil</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">des sogenannten Weges zum              ,              -. Aufgrund des am 6. Juli</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">1858 bestätigten Rezesses über die Zusammenstellung der Wege</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">und Gräben in der Gemarkung              hatte dieser Weg den</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">Charakter eines Interessentenweges und stand somit nicht der Benutzung durch die Allgemeinheit, sondern lediglich der Be-nutzung durch einen beschränkten Personenkreis offen.</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Dieser Charakter des Weges als Privatweg ist durch die Satzung zur Änderung des Rezesses der früheren Stadt</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">vom 18. November 1982 nicht Geändert worden. Die darin enthaltene Aussage, der Weg diene dem öffentlichen Verkehr, erscheint nämlich nicht als Anordnung des Baues oder der Änderung einer öffentlichen Straße, die (zusammen mit der Ver¬kehrsübergabe) nach § 6 Abs. 5 Satz 1 LStrG 1961 die grund¬sätzlich erforderliche Widmung ersetzen kann. Vielmehr er¬scheint diese Aussage - zusammen mit der vorausgegangenen Mitteilung, eine Teillänge des Rezeßweges sei in einer Größe von 720 qm als Erschließungsanlage ausgebaut und insoweit</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Bestandteil der Erschließungsanlage              _' geworden - nur</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">als eine Beschreibung eines bereits verwirklichten Zustandes, die als Begründung für die mit Bezug auf diesen Weg gegebenen Anordnungen dient. Diese Anordnungen erschöpfen sich darin,</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">daß der Weg als Rezeßweg eingezogen und in das Eigentum und</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">in die Unterhaltung der Stadt W              übernommen wird.</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">Hiermit stimmt überein, daß die Stadt              selber</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">eine reguläre Widmung der ausgebauten Strecke der Straße</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">als erforderlich ansieht, wie sich am Erlaß der Widmungsverfügung vom 4. Februar 1983 zeigt. Angesichts der eingeschränkten Bedeutung, die der Änderungssatzung vom</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">18. November 1982 demnach beigelegt ist, kann Offenbleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen unmittelbar durch eine Ände¬rungssatzung, die aufgrund des Gesetzes über die durch ein Aus-einandersetzungsverfahren begründeten gemeinschaftlichen Ange-legenheiten vom 9. April 1956 (GS NW S. 740) erlassen wird, ein Interessentenweg in einen öffentlichen Weg umgewandelt werden kann.</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">Vgl. OVG NW, Urteil vom 16. Juni 1986 - 9 A 877/84 -.</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">Die abgerechnete Anlage hat den Charakter einer öffentlichen Straße des weiteren auch nicht durch die Widmungsverfügung des Beklagten vom 4. Februar 1983 erlangt. Wie sich aus der Überschrift der amtlichen Bekanntmachung dieser Widmungsverfügung in den beiden hierfür bestimmten Tageszeitungen ergibt, hat diese Ver¬fügung "die Widmung der Erschließungsanlagen im Plangebiet Nr. 7</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">h              -West im Stadtteil              " zum Inhalt. In Überein</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">stimmung hiermit werden im Text der Widmungsverfügung "die im Be¬bauungsplan Nr. 7 ... ausgewiesenen Erschließungsanlagen" für den öffentlichen Verkehr gewidmet. Der im Text der Widmungsverfügung dabei verwendete Zusatz "Erschließungsanlagen mit den Bezeichnungen</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">1E_ _              'H--              7' und 'L              hat dabei nicht die</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">Bedeutung, daß die Widmung insbesondere auf die gesamte Straße mit</p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks">dem Namen "              -" und die gesamte Straße mit dem Namen</p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks">." erstreckt werden sollte. Das ergibt sich einmal aus dem Umstand, daß in der amtlichen Bekanntmachung der Widmung darauf hingewiesen wird, der Bebauungsplan, aus dem der Verlauf der ge¬nannten Straßen ersichtlich sei, liege während der Widerspruchs</p>
<span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks">frist im Rathaus der Stadt              , Zimmer 22, zur Einsicht</p>
<span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks">nahme aus - der Hinweis auf eine nur in der Widerspruchsfrist er¬folgende Auslegung wäre überflüssig gewesen, wenn die zu widmenden Straßenstrecken ohnehin jedermann bekannt gewesen wären. Das er¬gibt sich zum anderen und vor allem daraus, daß die östlichen,</p>
<span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks">stadteinwärts führenden Anschlußstrecken der Straßen              . und</p>
<span class="absatzRechts">103</span><p class="absatzLinks">L              . außerhalb des Gebietes des Bebauungsplanes Nr. 7 liegen;</p>
<span class="absatzRechts">104</span><p class="absatzLinks">da dieser Bebauungsplan diese Anschlußstrecken nicht abbildet, war ihr Verlauf aus dem ausgelegten Bebauungsplan Nr. 7 nicht zu</p>
<span class="absatzRechts">105</span><p class="absatzLinks">ersehen.</p>
<span class="absatzRechts">106</span><p class="absatzLinks">ersehen. Demnach hat die Widmungsverfügung vom 4. Februar 1983 den Inhalt; alle im Gebiet des Bebauungsplanes Nr. 7 liegenden Erschließungsanlagen zu widmen, d.h. mit Bezug auf die Straße Lüsterbach: diese Straße insoweit zu widmen, als sie im Gebiet des Bebauungsplanes Nr. 7 verläuft.</p>
<span class="absatzRechts">107</span><p class="absatzLinks">Nach § 6 Abs. 3 LStrG 1961, der hier noch anwendbar ist, war die Widmung mit Rechtsmittelbelehrung öffentlich bekanntzu¬machen. Hierzu bestimmt § 14 Abs. 1 der Hauptsatzung der Stadt</p>
<span class="absatzRechts">108</span><p class="absatzLinks">vom 21. November 1979 i.d.F der ersten Änderungs¬satzung vom 24. Dezember 1981:</p>
<span class="absatzRechts">109</span><p class="absatzLinks">"Öffentliche Bekanntmachungen der Stadt, die</p>
<span class="absatzRechts">110</span><p class="absatzLinks">durch Rechtsvorschrift vorgeschrieben sind, werden in folgenden Tageszeitungen vollzogen:</p>
<span class="absatzRechts">111</span><p class="absatzLinks">a)                 in der Kreisausgabe              - des Westfalen</p>
<span class="absatzRechts">112</span><p class="absatzLinks">Blattes</p>
<span class="absatzRechts">113</span><p class="absatzLinks">b)                 in der Kreisausgabe              der Neuen</p>
<span class="absatzRechts">114</span><p class="absatzLinks">Westfälischen Zeitung."</p>
<span class="absatzRechts">115</span><p class="absatzLinks">Vollzogen ist eine öffentliche Bekanntmachung im Sinne dieser Vorschrift, wenn ihr Text (ggf. nebst Zeichnungen) in den Zeitungen abgedruckt ist und wenn die Zeitungen ausgegeben worden sind.</p>
<span class="absatzRechts">116</span><p class="absatzLinks">Vgl. den Beschluß des Senats vom 29. Juli 1988 - 3 B 1205/87 -, NWVB1 1989, 26.</p>
<span class="absatzRechts">117</span><p class="absatzLinks">Die in den amtlichen Bekanntmachungen vom 12. Februar 1983 ent¬haltene Bezugnahme auf den Bebauungsplan Nr. 7 bedeutet, daß ein Teil des Inhalts der Allgemeinverfügung "Widmung" nicht aus den beiden Zeitungstexten "abzulesen" ist, sondern aus einer anderen Quelle geschöpft werden muß. Die Abgrenzung der einzelnen von der Widmung erfaßten Flächen gehört zum Entscheidungssatz ("verfügender Teil" im Sprachgebrauch des § 41 Abs. 4 Satz 1 VwVfG NW) der Widmungsverfügung. Wird diese Abgrenzung (wie im vorliegenden Fall) nicht durch schlichte Anführung eines bereits auf andere Weise hinreichend öffentlich bekannten Straßennamens, sondern durch die Bezugnahme auf die Grenzen eines Bebauungs¬plangebietes getroffen, so ist nicht der ganze Inhalt der Widmungsverfügung in dem dem Leser der Tageszeitungen zur</p>
<span class="absatzRechts">118</span><p class="absatzLinks">Kenntnis</p>
<span class="absatzRechts">119</span><p class="absatzLinks">-   9 -</p>
<span class="absatzRechts">120</span><p class="absatzLinks">Kenntnis gegebenen Text enthalten. Ob darüber hinaus alle oder einige Anforderungen des § 41 Abs. 4 (insbesondere Satz 2) VwVfG NW gelten</p>
<span class="absatzRechts">121</span><p class="absatzLinks">-                 vgl. zu den Subsidiaritätsklauseln des § 1 VwVfG BVerwG Urteil vom 8. August 1986</p>
<span class="absatzRechts">122</span><p class="absatzLinks">-                 4 C 16.84 -, NVwZ 1987, 488, sowie Kopp, Komm. zum VwVfG, 4. Aufl. (1986), RNr. 8 zu § 1, und Stelkens/Bonk/Leonhardt, Komm. zum VwVfG,2. Aufl. (1983), RNr. 27a, 27b zu § 1 -</p>
<span class="absatzRechts">123</span><p class="absatzLinks">und ob diese Anforderungen erfüllt sind, kann angesichts des Ver-stoßes gegen die gemeinderechtliche Bekanntmachungsvorschrift der Hauptsatzung offenbleiben.</p>
<span class="absatzRechts">124</span><p class="absatzLinks">Schließlich hat auch nicht die im Berufungsverfahren vorge¬legte Widmungsverfügung vom 4. Dezember 1989, amtlich bekanntge</p>
<span class="absatzRechts">125</span><p class="absatzLinks">macht im              ..-Blatt vom 6. Dezember 1989 und in der</p>
<span class="absatzRechts">126</span><p class="absatzLinks">Zeitung vom selben Tage, den Charakter der Straße</p>
<span class="absatzRechts">127</span><p class="absatzLinks">als öffentliche Straße begründet. Diese Widmungsver-fügung - die gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 StrWG NW mit Rechtsbehelfsbelehrung öffentlich bekanntzumachen ist - betrifft zwar gleichfalls "die innerhalb des Bebauungsplanes Nr. 7 'H</p>
<span class="absatzRechts">128</span><p class="absatzLinks">irn Stadtteil              verlaufenden Erschließungsanlagen", wählt</p>
<span class="absatzRechts">129</span><p class="absatzLinks">aber mit der Bezeichnung einzelner Flurstücke einen Anknüpfungs¬punkt, der die oben dargelegten Bedenken gegen eine Bezugnahme auf den Bebauungsplan vermeidet. Zur Abgrenzung der gewidmeten Flächen verwendet diese Widmungsverfügung aber zusätzlich die Ausdrücke</p>
<span class="absatzRechts">130</span><p class="absatzLinks">"Teilfläche aus Flurstück              in Größe von 4.438 m2", "Teilfläche</p>
<span class="absatzRechts">131</span><p class="absatzLinks">aus Flurstück              in Größe von 717 m2" und "Teilfläche aus Flur</p>
<span class="absatzRechts">132</span><p class="absatzLinks">stück              in Größe von 103 m2". Mit der Verwendung dieser Aus</p>
<span class="absatzRechts">133</span><p class="absatzLinks">drücke wird eine hinreichende Umschreibung der gewidmeten Teilflächen nicht erreicht. Der Leser der amtlichen Bekanntmachungen kann nämlich an diesen Ausdrücken nicht "ablesen", welchen Zu¬schnitt die jeweilige Teilfläche der angeführten Flurstücke hat und wo in der Örtlichkeit sie gelegen ist. Dabei kann offenbleiben, ob die Anführung der "Teilflächen" einen Verstoß gegen das Gebot darstellt, daß ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein muß (§ 37 Abs. 1 VwVfG NW). Sollte nämlich der Zuschnitt und die Lage dieser Teilflächen hinreichend bestimmbar sein mit Hilfe der Abgrenzung "die innerhalb des Bebauungsplanes Nr. 7 ... ver¬laufendenden Erschließungsanlagen", die im Eingang der</p>
<span class="absatzRechts">134</span><p class="absatzLinks">Widmungsverfügung</p>
<span class="absatzRechts">135</span><p class="absatzLinks">-   10 -</p>
<span class="absatzRechts">136</span><p class="absatzLinks">Widmungsverfügung verwendet wird, so werden dadurch die oben zur Widmungsverfügung vom 4. Februar 1983 dargelegten Bedenken, die sich aus dem Gebot zur Veröffentlichung des ganzen Inhalts der Widmungsverfügung ergeben, nicht ausgeräumt. Denn der Leser der amtlichen Bekanntmachungen vom 6. Dezember 1989 ist in jedem Falle darauf angewiesen, den Bebauungsplan Nr. 7 einzusehen, um Lage und Umfang der ge¬widmeten Flächen vollständig erfassen zu können. Deshalb genügen auch die öffentlichen Bekanntmachungen der Widmung vom 4. Dezember 1989 nicht den Anforderungen, die sich aus der Hauptsatzung für die öffentliche Bekanntmachung einer Straßenwidmung ergeben.</p>
<span class="absatzRechts">137</span><p class="absatzLinks">Das festgestellte "Defizit" der öffentlichen Bekanntmachungen der Widmungsverfügungen vom 4. Februar 1983 und vom 4. Dezember 1989 führt demnach zur Unwirksamkeit der Widmungen der abgerechneten Erschließungsanlage mit der weiteren Konsequenz, daß diese noch keine öffentliche Anbaustraße i.S. des § 127 Abs. 2 Nr. 1 BBauG/BauGB ist.</p>
<span class="absatzRechts">138</span><p class="absatzLinks">4</p>
<span class="absatzRechts">139</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 154 Abs.r2 VwGO, § 167 VwG() i.V.m. 55 708 Nr. 10, 711 ZPO, § 132 Abs. 2 VwG0.</p>
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315,162 | olgham-1989-12-18-32-u-8389 | {
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} | 32 U 83/89 | 1989-12-18T00:00:00 | 2019-03-13T14:48:00 | 2022-10-18T15:08:56 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1989:1218.32U83.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 27. Januar 1989 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p>Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 4.000,-- DM abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Klägerin kann die Sicherheit durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer Großbank oder öffentlichen Sparkasse erbringen.</p>
<p></p>
<p>Die Beschwer der Beklagten beträgt 50.000,-- DM.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Tatbestand:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Sie kam am Vormittag des 20. Oktober 1984 in die Trinkhalle, die die Beklagte zu 2) in xxx betreibt, um sich mit ihr privat zu unterhalten. Die Beklagte zu 2) erklärte, sie müsse zum Milchhof fahren, um Getränke zu holen. Die Klägerin begleitete die Beklagte zu 2), die für die Fahrt den bei der Beklagten haftpflichtversicherten Pkw xxx, amtliches Kennzeichen xxx, benutzte. Im Milchhof kaufte die Beklagte zu 2) zwei Kartons mit je acht Liter-Flaschen Milch, von denen die Klägerin einen in den Pkw trug.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Auf der Rückfahrt geriet der Pkw durch Verschulden der Beklagten zu 20 in einer Kurve auf der xxx nach rechts von der Fahrbahn ab und prallte gegen einen Baum. Die Klägerin wurde erheblich verletzt. Insoweit wird auf S. 4 der Klageschrift vom 26. Mai 1988 (4 GA) Bezug genommen. Von der Berufsgenossenschaft für den Einzelhandel wurde der Unfall als Arbeitsunfall anerkannt. Die Klägerin erhält eine Dauerrente, basierend auf einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 %. Auf die Kopien der Bescheide vom 19. Februar und 19. August 1986 (24, 25 GA) wird Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat behauptet, sie habe die Beklagte zu 2) begleitet, um mit ihr weiter über private Themen sprechen zu können.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Sie hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">1.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ein angemessenes, der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen aus 10.000,-- DM vom 31.12.1984 bis zum 15.08.1984, aus 20.000,-- DM vom 16.08.1984 bis Rechtshängigkeit (03.06.1988/ 19.08.1988), im übrigen ab Rechtshängigkeit zu zahlen;</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">2.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">festzustellen, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr sämtlichen materiellen und zukünftig immateriellen Schaden aufgrund des Verkehrsunfalles vom 20.10.1984 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf öffentliche Sozialversicherungs- oder Sozialleistungsträger übergegangen sind.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten haben beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Sie haben behauptet, die Klägerin habe die Beklagte zu 2) begleitet, um beim Wareneinkauf behilflich zu sein. Deshalb haben sie gemeint, Schadensersatzansprüche der Klägerin seien gemäß § 636 Abs. 1 RVO ausgeschlossen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat die Beklagte zu 2) gemäß § 141 ZPO angehört, sowie Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens und Verwertung der Bußgeldakten 393-0.471 513.6 der Stadt xxx. Auf das Gutachten des Sachverständigen xxx vom 5. Dezember 1988 (101 ff. GA) sowie die genannten Beiakten wird Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Durch das angefochtene Grundurteil, auf dessen Begründung Bezug genommen wird, hat es die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten mit dem Antrag,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">die Berufung zurückzuweisen, </p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">hilfsweise</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 405,-- DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu verurteilen und im übrigen festzustellen, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtlichen weiteren materiellen Schaden aufgrund des Verkehrsunfalles vom 20.10.1984 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf öffentliche Sozialversicherungs- oder Sozialleistungsträger übergegangen sind.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Parteien wiederholen und ergänzen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Hierzu wird auf den Inhalt der in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Der Senat hat die Klägerin und die Beklagte zu 2) gemäß § 141 ZPO angehört. Auf das Ergebnis, niedergelegt im Berichterstattervermerk vom 18. Dezember 1989, wird verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 2) dem Grunde nach einen Schmerzensgeldanspruch nach §§ 823, 847 BGB. Die Beklagte zu 1) haftet als Pflichtversicherer nach § 3 Nr. 1 PflVersG. Die Voraussetzungen des Schmerzensgeldanspruches sind dem Grunde nach unstreitig. Die Haftung der Beklagten ist nicht nach § 636 Abs. 1 S. 1 2. Alternative RVO ausgeschlossen. Denn die Klägerin hat ihre Verletzungen bei einem Arbeitsunfall erlitten, der bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr eingetreten ist.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Berufsgenossenschaft für den Einzelhandel hat den Verkehrsunfall vom 20. Oktober 1984 endgültig als Arbeitsunfall der Klägerin (§§ 548, 539 Abs. 2 RVO) anerkannt. An diese Entscheidung ist das angerufene Gericht nach § 638 Abs. 1 RVO gebunden (BGH NJW 1983, 2021 ff). Die Bescheide der Berufsgenossenschaft vom 19. Februar und 19. August 1986 beinhalten notwendigerweise die Entscheidung, daß die Klägerin während des Unfalles "Versicherte" im Sinne der Unfallversicherungsbestimmungen war. Die Frage, ob der Klägerin gleichwohl Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu 2) als Unternehmerin zustehen, weil der Unfall bei der "Teilnahme am allgemeinen Verkehr" geschah (§ 636 Abs. 1 S. 1 2. Alternative RVO) ist vom ordentlichen Gericht unabhängig davon, nach selbständiger Prüfung und Würdigung des Sachverhaltes, zu beantworten (vgl. OLG Düsseldorf VersR 1972, 389; OLG Bamberg, DAR 1977, 326, 327). Dabei ist maßgebend, ob die Klägerin den Unfall als normaler Verkehrsteilnehmer oder als Betriebsangehöriger erlitten hat; ob das eine oder andere vorliegt oder überwiegt, ist nach der besonderen Lage des Einzelfalles zu beurteilen (BGH VersR 1956, 388, 389; 1976, 539, NJW 1983, 2021, 2022; OLG Düsseldorf VersR 1972, 389, 390).</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Aus Sicht der Beklagten zu 2) war die Fahrt betrieblich veranlaßt, denn der Einkauf der Milch diente der Versorgung ihres Trinkhallenbetriebes. Nach der Anhörung der Klägerin und der Beklagten zu 2) vor dem Senat sowie aufgrund der weiteren Umstände steht jedoch fest, daß die Klägerin an der Fahrt teilgenommen hat, um ein privates Gespräch mit der Beklagten zu 2) fortsetzen zu können, insbesondere um über ihre familiären Probleme zu reden. Ein anderer Zweck oder eine Notwendigkeit, mitzufahren, bestand nicht. Denn die Klägerin war weder bei der Beklagten zu 2) angestellt noch erforderte der Umfang der Besorgungen ihre Hilfe. Die Klägerin hätte die Beklagte zu 2) jederzeit um Unterbrechung der Fahrt bitten und den Pkw verlassen können. Daß die Beklagte zu 2) möglicherweise auch an eine Mithilfe der Klägerin gedacht hat, ist von untergeordneter Bedeutung. Grund für die Mitfahrt der Klägerin war, daß beide von Dritten ungestört, während der Fahrt das Gespräch über private Dinge fortsetzen wollten. Anlaß und Zweck der Mitfahrt der Klägerin hatten somit eindeutig privaten Charakter. Eine Zweckbindung zu dem Geschäftsbetrieb der Beklagten zu 2) war nicht gegeben. Zu diesem bestand allenfalls ein loser Zusammenhang, der sich daraus ergab, daß die Beklagte zu.2) zum Milchhof mußte. Auf die Fahrt als solche kam es nicht an. Die Klägerin war von der Beklagten zu 2) ohne geschäftliche Zwecke mitgenommen worden, so daß ihre Situation die eines normalen Verkehrsteilnehmers war und ihre Rechtsstellung als Teilnehmer am allgemeinen Straßenverkehr nicht aufgehoben war (vgl. OLG Bamberg a.a.O.; OLG Düsseldorf a.a.O. S. 390).</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Daß die Klägerin sich bereitgefunden hat, beim Einladen der beiden Kartons mit Milchflaschen zu helfen, ändert die rechtliche Beurteilung nicht. Dieser kurzfristige betriebliche Vorgang brachte sie nicht in so engen Zusammenhang mit dem Trinkhallenbetrieb der Beklagten zu 2), daß die während der gesamten Fahrt bestehende Eigenschaft der Klägerin als Verkehrsteilnehmerin in den Hintergrund träte. Die Klägerin hat die Verletzungen erlitten, als die Parteien sich auf der Rückfahrt befanden und der Vorgang des Einladens längst abgeschlossen war. Es wäre unbillig und entspräche nicht der Zielsetzung des § 636 Abs. 1 S. 1 2. Alt. RVO, wenn ihr Entschluß zu einer nur ganz kurze Zeit währenden Hilfeleistung, zu der sie nicht verpflichtet war, eine vermögensrechtliche Schlechterstellung zur Folge hätte (vgl. auch BGH VersR 1956, 389).</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Über den Feststellungsantrag war nicht zu entscheiden. Dieser ist dem Berufungsgericht nicht zur Entscheidung angefallen, § 537 ZPO, denn es kann nicht festgestellt werden, daß das Landgericht über diesen Antrag in seinem Urteil entscheiden wollte. Der Urteilstenor enthält lediglich die Formulierung, daß die Klage dem Grunde nach gerechtfertigt ist. Eine Auslegung des Urteilstenors dahingehend, daß das Landgericht auch zum Feststellungsantrag betreffend den materiellen und immateriellen Zukunftsschaden entscheiden wollte, ist zwar grundsätzlich möglich (BGHZ 7, 331, 333 f.; VersR 1959, 904, 905; VersR 1975, 253, 254; OLG Frankfurt VersR 1985, 168). Eine solche Auslegung kommt vorliegend nicht in Betracht. Denn ein entsprechender Wille des Landgerichts ergibt sich weder aus den Entscheidungsgründen, noch ist der vom Landgericht festgestellte und gewürdigte Sachverhalt insoweit zur Entscheidung reif. Insbesondere der Umfang des Schmerzensgeldanspruches ist streitig und nicht aufgeklärt. Es bedarf der Beweiserhebung. Soweit Feststellung hinsichtlich zukünftiger immaterieller Schäden begehrt wird, ist der sich aus Tenor und Entscheidungsgründen ergebende Umfang der Rechtskraft (vgl. Zöller, 15. Aufl., vor § 322 Rn. 31 m. w. N.) deshalb zur Zeit auch nicht eindeutig bestimmbar.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97, 708 Ziff. 10, 711 ZPO.</p>
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315,163 | olgk-1989-12-18-27-u-12389 | {
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} | 27 U 123/89 | 1989-12-18T00:00:00 | 2019-03-13T14:48:03 | 2022-10-18T15:08:56 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1989:1218.27U123.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung des Beklagten wird das am 13. April 1989 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 25 O 410/86 - abgeändert: </p>
<p></p>
<p>Die Klage wird abgewiesen. </p>
<p></p>
<p>Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, an den Beklagten 24.112,51 (i.W. vierundzwanzigtausendeinhundertundzwölf 51/100 Deutsche Mark) nebst 4 % Zinsen von 10.000,-- DM seit dem 22. September 1986 und von weiteren 14.112,51 DM seit dem 27. November 1989 zu zahlen. </p>
<p></p>
<p>Es wird festgestellt, daß der Kläger verpflichtet ist, dem Beklagten sämtliche künftigen materiellen Schäden aus der Operation vom 4. September 1985 zu ersetzen, soweit der Anspruch nicht auf Träger der gesetzlichen Sozialversi-cherung oder sonstige Dritte übergegangen ist. </p>
<p></p>
<p>Die Kosten des ersten Rechtszuges werden wie folgt verteilt: </p>
<p></p>
<p>Die Gerichtskosten tragen der Kläger und der Beklagte je zur Hälfte. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Widerbeklagten zu 2. voll, der Kläger die des Beklagten zur Hälfte. Im übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst. </p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Berufungsrechtszuges trägt der Kläger. </p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. </p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>T a t b e s t a n d</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der am 11. August 1919 geborene Beklagte wurde am 21. Mai 1982 in der Urologie der klinik operiert. Es wurde eine Uretrozystokopie (Harnröhrenspiegelung) und eine transuretrale Resektion der Prostata vorgenommen. Bei der Besichtigung der Harnröhre zeigten sich keine pathologischen Veränderungen. Es wurden sowohl vom inneren als auch vom äußeren Sphincter (Schließmuskel) Adenomgewebe abgetragen. Die im Anschluß an die Operation vorgenommene Kontinenzprobe verlief positiv. Vor der Operation war der Beklagte darüber aufgeklärt worden, daß Inkontinenz und eine Harnröhrenstriktur (Verengung der Harnröhre) auftreten könnten. </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">In der Folgezeit traten aufgrund von Narbenbildung Strikturen (Verengungen) auf, die vom Hausarzt des Beklagten bougiert wurden (Aufdehnung der Harnröhre mittels stabförmiger Instrumente verschiedener Dicke). </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Am 19. November 1982 wurde der Beklagte erneut in der Urologie der klinik operiert. Es wurden mit dem Urethrotom nach Sachse (von außen in die Harnröhre eingeführtes Gerät zum Schneiden unter endoskopischer Sicht) Strikturen aufgeschlitzt. </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Danach traten wiederum Strikturen auf, die bis 1985 hausärztlich ambulant durch Aufbaugieren behandelt wurden. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Am 4. September 1985 unterzog sich der Beklagte wegen der Strikturen einer erneuten Operation, die diesmal der Kläger, Chefarzt der Urologie des hospitals in durchführte, wobei sich der Beklagte als Privatpatient behandeln ließ. Nach dem Operationsbericht war das "UC" (damit ist offenbar das Urethroszystoskop gemeint) nicht einführbar. Der Kläger spaltete "mit dem Sachse-Instrument sichtbare Strikturen im Logenbereich" (das ist die Höhle, aus der seinerzeit die Prostatawucherung entfernt wurde). </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Für die Operation stellte der Kläger dem Beklagten ein Honorar von 877,49 DM in Rechnung, das jener nicht bezahlte. Deswegen hat der Kläger Klage erhoben. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat im Wege der Widerklage Zahlung vom Schmerzensgeld mit der Behauptung verlangt, die Operation sei mißglückt, er leide seither unter Harninkontinenz. </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat ein schriftliches Gutachten des Chefarzt der Urologie des Krankenhauses eingeholt. Der Sachverständige hat in Kenntnis der Vorgeschichte und sämtlicher bei den Akten befindlichen Krankenunterlagen sowie nach Untersuchung des Beklagten folgende "Beurteilung" abgegeben: </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">" 1. Herr F. leidet in erster Linie an einer hochgradigen Harnhalteschwäche, die nach der Narbendurchtrennung am 4.9.1985 aufgetreten ist. Daneben leidet der Patient an einer narbigen Harnröhrenverengung, die seit der Prostataresektion am 21.5.1982 ständig wiederkehrt.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">2. Die geklagte Harnhalteschwäche wurde offensichtlich durch den vom Kläger am 4.9.1985 vorgenommenen (Eingriff verursacht. </p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Aus dem OP-Bericht geht hervor, daß die ausgeprägte Striktur im Logenbereich bestand. Dies ist die Höhle, aus der die Prostatawucherung entfernt wurde. Sie wird zur Harnröhre durch einen willkürlich arbeitenden Schließmuskel abgeschlossen. Wenn der Logenbereich von einem ausgeprägten Narbengewebe eingenommen wird, dann kann der Harnröhrenschließmuskel entweder mitbetroffen oder nicht erkennbar sein. Bei der Durchtrennung des Narbengewebes besteht daher die Gefahr, daß Anteile des Schließmuskels mit durchschnitten werden. Die bei Herrn F. eingetretene Harnhalteschwäche läßt daher nicht zwangsläufig auf eine fehlerhafte Ausführung des Eingriffs schließen. Sie beruht vielmehr auf einer ungünstigen Lokalisation des Narbengewebes. Über die hiermit verbundenen Risiken müßte der Patient aufgeklärt worden sein." </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat daraufhin gerügt, er sei nicht über das Risiko einer Schließmuskelverletzung aufgeklärt worden. In Kenntnis dieses Risikos hätte er nicht in die Operation eingewilligt. </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Er hat 10.000,-- DM Schmerzensgeld sowie eine Schmerzensgeldrente von 150.-- DM monatlich für die Zeit vom 1.9.1988 bis 31.8.1992 und Feststellung begehrt, daß der Kläger verpflichtet sei, alle materiellen und immateriellen Schäden, die nach dem 31. August 1992 auftreten, zu erstatten. </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Einen Behandlungsfehler hat es nicht für erwiesen erachtet. Der behauptete Aufklärungsmangel sei nicht relevant, weil der Beklagte nicht plausibel gemacht habe, daß er in Kenntnis des Risikos die Operation nicht hätte durchführen lassen. </p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Gegen die Abweisung der Widerklage wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung. Er hat den Antrag auf Zahlung einer Schmerzensgeldrente fallengelassen und verlangt stattdessen ein angemessenes Schmerzensgeld von mindestens 20.000,-- DM, </p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">das er in Höhe der Klageforderung zur Aufrechnung stellt. Außerdem begehrt er die Feststellung, daß der Kläger verpflichtet ist, alle materiellen Schäden wegen der Operation zu ersetzen. </p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und behauptet, der Beklagte sei schon vor der Operation vom 4.9.1985 inkontinent gewesen, eine Schließmuskelverletzung sei also schon durch die Voroperateure verursacht worden, nicht erst durch ihn. Ein Aufklärungsmangel liege schon deshalb nicht vor, weil der Beklagte früher in der klinik über die möglichen Folgen eines derartigen Eingriffs aufgeklärt worden sei. </p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Wegen aller Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils und die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen. Wegen der Anträge wird auf das Protokoll der Senatssitzung vom 27. November 1989 verwiesen. </p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks"><b><u>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e</u></b></p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die nach §§ 511, 511 a ZPO statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 516, 518, 519 ZPO) und damit insgesamt zulässig. Sie ist auch sachlich gerechtfertigt. </p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">I. Der Beklagte hat gegen den Kläger gemäß § 823 Abs. 1, 847 BGB Anspruch auf eine billige Entschädigung in Geld wegen des immateriellen Schadens, der ihm aus der Operation vom 4.9.1985 entstanden ist. Die Operation stellt sich mangels wirksamer Einwilligung als rechtswidriger Eingriff in seine körperliche Integrität dar. Die von ihm erteilte Einwilligung ist unwirksam, weil sie auf einer unzureichenden Aufklärung über die mit dem Eingriff verbundenen Risiken beruhte. </p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">1. Die mittels Aufschlitzens des Narbengewebes durchgeführte Spaltung der im Logenbereich vorhandenen ausgeprägten Striktur barg die Gefahr, daß Anteile des willkürlichen Schließmuskels, der sich unterhalb der Prostata befindet und dazu dient, die Harnröhre zu verschließen, durchschnitten wurden. Das hat der Sachverständige überzeugend dargelegt. Der Logenbereich, also die Höhle, aus der am 21. Mai 1982 die Prostatawucherung entfernt worden war, war von einem ausgeprägten Narbengewebe eingenommen. Das hat der Kläger selbst in seinem Operationsbericht festgestellt. Damit befand sich die Striktur bezogen auf den vorzunehmenden Eingriff insoweit in ungünstiger Lage, weil der Harnröhrenschließmuskel von dem Narbengewebe entweder direkt mitbetroffen oder nicht erkennbar war. Bei dieser Sachlage liegt es auf der Hand, daß bei Durchtrennen des Narbengewebes der Schließmuskel derart beschädigt werden konnte, daß er seine Funktionsfähigkeit einbüßte, was Harninkontinenz zur Folge haben mußte. </p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Richtigkeit dieser Feststellungen des Sachverständigen hat der Kläger erstin-stanzlich nicht in Abrede gestellt. Er hat im Gegenteil nach Vorlage des Sachverständigengutachtens seine Rechtsverteidigung mit Schriftsatz vom 26. August 1988 an diesen Feststellungen ausgerichtet. Auch zweitinstanzlich führt er insoweit keine Angriffe. Er behauptet lediglich, er habe das Sachseinstrument durch die Harnröhre eingeführt, die Aufschlitzung der Narben aber lediglich in der Loge selbst vorgenommen und den Schließmuskel dabei nicht verletzt. Damit bestreitet er zwar, daß ihm ein vorwerfbarer Behandlungsfehler wegen Durchtrennens des Schließmuskels anzulasten sei, nicht aber, daß die vom Sachverständigen festgestellte objektive Gefahrenlage bestanden hat. </p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">2. Über das mit dem Eingriff verbundene Risiko einer dauerhaften Harninkontinenz hätte der Kläger den Beklagten aufklären müssen. Es handelt sich um eine nachhaltige Belastung für die künftige Lebensführung des Patienten (vgl. auch die Beispiele bei Steffen, Neue Entwicklungslinien der BGH-Rechtsprechung zum Arzthaftungsrecht, 3. Aufl., Seite 78, der die Inkontinenz ausdrücklich als aufklärungspflichtiges Risiko nennt). </p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Es handelt sich hier auch nicht etwa um ein Risiko, das nur durch eine fehlerhafte Behandlung entsteht, und das deshalb nicht aufklärungspflichtig war (vgl. BGH VersR 1985, 736). Den Feststellungen des Sachverständigen ist zu entnehmen, daß gerade wegen der ungünstigen Lokalisation des Narbengewebes eine Inkontinenz nicht zwangsläufig auf eine fehlerhafte Ausführung des Eingriffs schließen läßt, also auch infolge einer lege artis erfolgten Spaltung eintreten konnte. Davon geht im übrigen der Kläger selbst aus (vgl. Schriftsatz vom 26. August 1988, BI. 72 d.A.). </p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">3. Die nach allem erforderliche Aufklärung ist nicht bewiesen. Die Behauptung des Klägers, er habe den Beklagten vor der Operation über "das Risiko aufgeklärt, was erfahrungsgemäß mit derartigen Operationen verbunden ist", ist im entscheidenden Punkt unsubstantiiert, und darüber hinaus nicht unter Beweis gestellt. Aus den schriftlichen Einverständniserklärungen ergibt sich die erforderliche Aufklärung nicht. </p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Der Nachteil der Beweislosigkeit trifft den Kläger, denn er hat nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung zu beweisen, daß er den Patienten über die Risiken aufgeklärt hat (vgl. z. B. BGH VersR 1984, 538, 539). </p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beruft sich zu Unrecht darauf, dem Beklagten seien die Risiken aufgrund der ihm anläßlich der Operationen vom 21. Mai 1982 und 19. November 1982 zuteil gewordenen Aufklärungen ohnehin bekannt gewesen. Die Operation vom 21. Mai 1982 war ungleich schwerer als die des Klägers. Der Beklagte mußte also nicht damit rechnen, der verhältnismäßig kleine Eingriff des Klägers berge ebenso hohe Risiken wie die Prostatawucherungsentfernung. Die Operation vom 19. November 1982 betraf zwar auch die Schlitzung von Strikturen, aber nicht von solchen, die im Bereich des hier in Rede stehenden Schließmuskels lagen. Überdies ergibt sich aus der Einverständniserklärung des Beklagten vom 18. November 1982 keine Aufklärung über das Risiko einer Inkontinenz. </p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">4. Dem Aufklärungsmangel fehlt es auch nicht an der nötigen haftungsrechtlichen Relevanz. Der Kläger hat nicht den ihm obliegenden (vgl. BGH NJW 1985, 1399) Beweis erbracht, daß der Beklagte auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung eingewilligt haben würde. Er behauptet nicht, daß der von ihm vorgenommene Eingriff vital indiziert war oder ein Verzicht darauf gegen die medizinische Vernunft verstoßen haben würde, wobei dies allein nicht einmal als Nachweis genügen würde. Der Vortrag des Beklagten, er hätte bei Kenntnis des Risikos einer dauerhaften Inkontinenz den Eingriff zumindest um Jahre hinausgeschoben und sich zunächst mit - wenn auch schmerzhaften - Bougierbehandlungen begnügt, erscheint jedenfalls plausibel und ist vom Kläger nicht widerlegt worden. </p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">5. Schließlich wendet er ohne Erfolg ein, das aufklärungspflichtige Risiko habe sich nicht verwirklicht. Der Beklagte ist unstreitig jedenfalls seit der Operation vom 4. September 1985 inkontinent, wobei lediglich streitig ist, ab wann genau sich dies bemerkbar gemacht hat. Ausgehend von der Annahme, daß der Beklagte vorher den Harn halten konnte, hat der Sachverständige festgestellt, daß die Inkontinenz Folge des Eingriffs ist. Das überzeugt, weil eben dieses Risiko bestand und andere, etwa postoperativ aufgetretene Ursachen nicht in Betracht kommen. Der Sachverständige hat andere Ursachen nicht einmal in Erwägung gezogen. Auch der insoweit selbst sachverständige Kläger trägt keine derartigen Ursachen vor, die eine Inkontinenz bewirkt haben könnten. </p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Allerdings ist sein Vortrag in der Berufungserwiderung wohl so zu verstehen, daß er behauptet, der Beklagte sei schon vorher inkontinent gewesen, was auf die Operationen in der sklinik zurückzuführen sei. Dabei handelt es sich indessen um eine unbeachtliche, weil ersichtlich "ins Blaue hinein" aufgestellte Behauptung. Nach den Behandlungsunterlagen der Urologie der ist nach der Operation vom 21. Mai 1982 keine Inkontinenz vorhanden gewesen. Es ist ausdrücklich vermerkt, daß die Kontinenzprobe positiv ausgefallen ist. Auch nach der Operation vom 19. November 1982 war nie von Inkontinenz die Rede. Der Beklagte ist auch nicht etwa wegen Inkontinenz in hausärztlicher Behandlung gewesen. </p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Schließlich ergibt sich eine präoperative Inkontinenz auch nicht aus der im Zuge der Aufnahme im Hospital durchgeführten Anamnese. Der Kläger hat erstinstanzlich selbst vorgetragen, der Beklagte sei wegen Beschwerden beim Urinieren aufgenommen worden. Eine Inkontinenz ist nicht erwähnt. </p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Ansicht des Klägers ergibt sich aus den vorprozessualen Schreiben des Beklagten vom 10. März 1986 und 9. April 1986 nicht, daß der Beklagte eine vorprozessuale Inkontinenz eingeräumt hat. Die Formulierung "bedauerlicherweise sei festzustellen, daß mein Mandant nach wie vor nässe", was nach seiner Auffassung auf einen Kunstfehler anläßlich der Operation zurückzuführen sei, läßt sich zwanglos dahin interpretieren, daß er eben seit der Operation nässe und dieser Zustand nach wie vor, nämlich auch am 10. März 1986 noch bestanden habe. Aus dem Schreiben vom 9. April 1986 ergibt sich lediglich der Vorwurf, der Kläger habe die Operation nicht so durchgeführt, daß sich ein Nässen nach der Operation verhindern ließe. </p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">II. Der Höhe nach erscheint ein Schmerzensgeld von 25.000,-- DM angemessen. Die Inkontinenz beeinträchtigt die Lebensführung beträchtlich. Die soziale Kontaktfähigkeit des Beklagten ist dadurch stark eingeschränkt. Diese Folgen wiegen ungeachtet des Umstands, daß sich der Beklagte bereits im Rentenalter befindet, schwer. Das OLG München (VersR 1988, 525) hat einer 52-jährigen Frau für die nach einer infolge eines Aufklärungsmangels rechtswidrigen Operation aufgetretene Harninkontinenz im Jahre 1986 Schmerzensgeld in einer Größenordnung von 20.000,-- DM zuerkannt. </p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">III. Die Klageforderung ist durch Aufrechnung erloschen, so daß dem Beklagten nach allem ein Betrag von 24.112,51 DM nebst 4 % Prozeßzinsen zuzusprechen ist. </p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">IV. Der Feststellungsausspruch ist gemäß § 823 Abs. 1 BGB und auch als vertraglicher Schadensersatzanspruch gerechtfertigt. Das Feststellungsinteresse ist offensichtlich gegeben. Es liegt auf der Hand, daß infolge der Inkontinenz künftig erhöhte Aufwendungen anfallen können. </p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 708 Nr. 10, 713 ZPO. </p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Streitwert und Wert der Beschwer: 27.500,-- DM (25.000,-- DM + 2.500,-- DM) </p>
|
315,164 | olgk-1989-12-15-20-u-9689 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 20 U 96/89 | 1989-12-15T00:00:00 | 2019-03-13T14:48:04 | 2022-10-18T15:08:57 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1989:1215.20U96.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung des Beklagten gegen das am 20.Närz 1989 verkündete Urteil der 32.Zivilkammer des Landgerichts Köln (32 0 4/89) wird kostenpflichtig zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p>Von der Darstellung des TATBESTANDES wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong>ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE</strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist nicht begründet, das Landgericht hat den Beklagten mit Recht zur Bezahlung der Druckarbeiten nebst Zinsen verurteilt. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung und nötigt auch nicht zur Erhebung von Beweisen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Verzögerung in der Auslieferung der Auftrags- und der Computerformulare berechtigte den Beklagten - wie das Landgericht mit Recht entschieden hat - nicht zum Rücktritt. Ein relatives Fixgeschäft iSv g 361 BGB bzw. § 376 HGB lag hier nicht vor. Aus den im zweiten Rechtszug vorgelegten Aufträgen für die Endlosformulare und die Trennsätze (BB 4 und 5) läßt sich nicht ersehen, daß eine bestimmte Lieferfrist vereinbart worden ist; die dafür vorgesehene Spalte "gewünschter Liefertermin" ist nicht ausgefüllt, während sich bei den anderen mit Rücksicht auf den Streit der Parteien allerdings nicht ausgeführten - Aufträgen (BB 6, 8, 10, 11, 13 und 15) Eintragungen finden wie "sofort", "Ende Juni 88", "Mitte Nov.88" oder "Nov.88". Schon dies läßt Zweifel daran aufkommen, daß überhaupt ein fester Liefertermin für die hier streitige Teillieferung festgelegt worden ist. Selbst wenn man aber dem nicht näher substantiierten Vortrag des Beklagten folgen wollte, daß bis spätestens zum 1.April 1988 die Druckarbeiten erledigt sein sollten, führt dies nicht zur Annahme eines Fixgeschäftes. Denn es reicht hierfür nicht aus, daß die Leistungszeit genau bestimmt ist, vielmehr ist erforderlich, "daß die getroffene Erfüllungszeit ein so wesentlicher Bestandteil des Geschäftes sein soll, daß mit ihrer Innehaltung und Verabsäumung das Geschäft stehen und fallen, eine nachträgliche Erfüllung nicht mehr als Vertragserfüllung angesehen werden soll" (RGZ 51,347, 348).  Hierzu fehlt jeder Vortrag der Beklagtenseite, wobei sie sich schon fragen lassen muß, warum sie nicht bei der Klägerin vorstellig geworden ist, als der 1.April 1988 verstrichen war, sondern bis zur Anlieferung der Formulare am 6.Mai 1988 zugewartet hat, ehe sie den Rücktritt erklärte.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Aus dem letztgenannten Grund scheitert auch ein auf § 636 BGB zu stützender Rücktritt.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Auch im übrigen kann die Berufung nicht durchdringen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Was die Frage der Mangelhaftigkeit anbetrifft, ist der Ausgangspunkt des Beklagten zwar zutreffend, daß grundsätzlich die Beweislast für die Vertragsgerechtigkeit der Leistung die Klägerin trifft, weil der Beklagte unstreitig die Formulare nicht abgenommen, sondern sie schon bei der Anlieferung zurückgewiesen hat. Anders als er meint, hat dies das Landgericht allerdings nicht verkannt. Es hat vielmehr angenommen, daß mit der schriftlich erteilten Druckgenehmigung die genaue Gestaltung der Verkleistung festgelegt worden ist und es deswegen Sache des Beklagten ist, den Beweis zu führen, daß die Erklärung nicht so zu verstehen ist, wie sie sich dem unbefangenen Leser darstellt. Dieser Ausgangspunkt ist zutreffend. Denn im Verhältnis zur Klägerin, die die Erklärungen der Ehefrau des Beklagten nicht selbst entgegengenommen hat, sondern von dem Zeugen B. vertreten worden ist, können irgendwelche geheimen Vorbehalte keine Bedeutung haben. Insbesondere ist dem Beklagten der Einwand verwehrt, die Druckgenehmigung sei nicht ernst gemeint gewesen, man habe sie allein deswegen erteilt, damit der Zeuge B. einen Provisionsanspruch gegen die Klägerin erwerbe. Daß von diesen oder anderen Vorbehalten die Klägerin als  die Vertretene Kenntnis erhalten hätte, was im Hinblick auf § 116 S 2 BGB Voraussetzung der Unwirksamkeit der Erklärung wäre, hat der Beklagte nicht in der gehörigen Form dargelegt, geschweige denn bewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Für die Klägerin, die nach ihren Vertragsinhalt gewordenen AGB (Nr.32) mündliche Abreden ausdrücklich nur bei von ihr vorgenommener schriftlicher Bestätigung gelten lassen wollte, war die erteilte Genehmigung eindeutig. Der Beklagte kann nicht damit gehört werden, hinsichtlich der Schnelltrennsätze (Auftragsformulare) habe sich die Genehmigung allein auf die Druckfarben bezogen. Diese Druckfarben waren einerseits nämlich schon zwei Wochen zuvor, am 4.März 1988 genehmigt worden (BB 3 a und b), andererseits bezieht sich das Wort "genehmigt" offensichtlich auf den Entwurf insgesamt. Die Ehefrau des Beklagten hat sich nicht an die vorgesehenen Spalten - "Druckfarben", "ohne Änderungen druckreif", "nach Änderung druckreif" und "nochmalige Entwurfsvorlage" - gehalten, sondern insgesamt ihre Zustimmung zum Ausdruck gebracht. Dies folgt auch aus dem Vergleich mit der am selben Tag erteilten Druckgenehmigung für die Computerformulare, in der ebenfalls ohne Beachtung der dafür vorgesehenen Spalten Korrekturen - etwa: "Zeilensetzung stimmt nicht" oder "kein Warnpunkt" angebracht und dann an derselben Stelle wie bei der anderen Druckgenehmigung vermerkt ist: "Mit genannten Änderungen genehmigt".</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Diese Genehmigungen hatten für den Empfänger der Erklärung, die Klägerin, die Bedeutung, daß entsprechend diesen Vorlagen mit den angebrachten Änderungen ohne weiteres, insbesondere ohne Vorlage eines Korrekturabzuges gedruckt werden konnte, weil die Spalte "nochmalige Entwurfsvorlage" nicht angekreuzt war und in Rotschrift auffällig vermerkt <em>war: </em>"..denn wir drucken unmittelbar nach dieser von ihnen druckreif genehmigten Druckvorlage". Daß entgegen dem eindeutigen Wortlaut der Urkunde abweichende mündliche, die Klägerin - wie bereits bemerkt - nicht ohne weiteres bindende, Vereinbarungen getroffen worden sind, ist nicht bewiesen, wie das Landgericht mit Recht ausgeführt hat.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Entsprechend diesen genehmigten Vorlagen hat die Klägerin drucken lassen. Das ergibt sich aus einem Vergleich mit den Durckstücken. Bei dem Entwurf für die Auftragsformulare war neben einer Berichtigung der Telefonvorwahlnummer als einzige Änderung der Versatz des Geschäftsführervermerks aus der linken in die äußerst rechte Spalte aufgegeben worden; seine Streichung ist hingegen nicht angeordnet worden. Dagegen waren bei den Computerformalien neben diesen beiden weitere Änderungen -Versetzung der Absenderzeile nach unten, Streichung des Warnpunktes in Zeile 60, Verzicht auf Raster und Fensterfeld -vonnöten, die sämtlich ausgeführt worden sind.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr 10, 711, 713 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Streitwert und Beschwer für den Beklagten; 6.571,15 DM</p>
|
315,165 | ovgnrw-1989-12-14-9-a-171888 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
"slug": "ovgnrw",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 9 A 1718/88 | 1989-12-14T00:00:00 | 2019-03-13T14:48:06 | 2022-10-18T15:08:57 | Urteil | ECLI:DE:OVGNRW:1989:1214.9A1718.88.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Das angefochtene Urteil wird unter Zurückweisung der Berufung im
übrigen geändert, soweit der Bescheid des Beklagten vom 29. Januar 1987 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 1987 hinsichtlich der
Straßenreinigungsgebühr für das Garagengrundstück der Kläger am Mehringweg
(7,56 DM) aufgehoben worden ist; insoweit wird die Klage abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge tragen der Beklagte zu neun
Zehnteln und die Kläger (als Gesamtschuldner) zu einem Zehntel.</p>
<p></p>
<p>Die Revision wird nicht zugelassen.</p>
<p></p>
<p></p>
<p></p>
<p>
</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Kläger sind Eigentümer des Reihenhausgrundstückes ... weg 41, M.
(Gemarkung ... Flur 91 Flurstück 219) und des zugehörigen Garagengrundstückes
Gemarkung ... Flur 91 Flurstück 412. Das Hausgrundstück grenzt mit seiner Frontseite
an einen vom Hauptzug des ... weges (einer Sackstraße) etwa rechtwinklig
abzweigenden Stichweg, der insgesamt 78,45 m lang, davon im ersten von der Straße
abzweigenden Teil auf einer Länge von 24,10 m 7,80 m und im übrigen Teil 3,30 m
breit ist. Er ist mit Verbundstein gepflastert, zum Hauptzug des ... weges hin
abgesenkt, kanalisiert und mit einer Laterne ausgestattet. Auf der Rückseite grenzt
das Grundstück an einen Fußweg, der mit dem Hauptzug des ... weges in Verbindung
steht. Stichweg und Fußweg sind zusammen mit dem Hauptzug des ... weges und
weiteren davon abzweigenden sieben Stichwegen sowie einem weiteren Fußweg
durch Widmung der Stadt ... vom 11. Dezember 1974 dem öffentlichen Verkehr
gewidmet worden. Das Garagengrundstück grenzt an einen Garagenhof, der in einen
anderen Stichweg als der, an dem das Hausgrundstück liegt, einmündet; mit der
Rückseite liegt es unmittelbar am Hauptzug des ... weges. Der Hauptzug des weges
ist eine Stichstraße von insgesamt 204 m Länge mit einer 5,25 m breiten Fahrbahn
und einem 2 m breiten Gehweg auf einer Straßenseite, Im Rahmen der
Straßenreinigung durch die Stadt ... werden von der Stadt nur die Fahrbahn des
Hauptzuges des ... weges, nicht aber der Gehweg am Hauptzug der Straße und die
vom Hauptzug abzweigenden Stichwege gereinigt.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Mit Bescheid vom 29. Januar 1987 zog der Beklagte die klagenden Eheleute nach
einem Gebührensatz von 2,52 DM/m für das Hausgrundstück in Höhe von 75,60 DM
und für das Garagengrundstück in Höhe von 7,56 DM zu Straßenreinigungsgebühren
für das Jahr 1987 heran. Bei der Gebührenbemessung ging er für das
Hausgrundstück von der Lange der in etwa parallel zum Hauptzug des ... weges
verlaufenden Längsseite des Grundstückes (30 m) als Bemessungsgrundlage aus. Bei
der Garage legte er entsprechend der Regelung des §4 Abs. 6 der einschlägigen
Gebührensatzung eine Frontlänge von 3 m als Bemessungsgröße zugrunde.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Nach erfolglosem Vorverfahren haben die Kläger Klage erhoben mit der sie im
wesentlichen vorgetragen haben, nach der Straßenreinigungssatzung der Stadt ...
obliege ihnen hinsichtlich des Stichweges, an dem ihr Grundstück liege, die
Reinigungspflicht. Im Hinblick darauf dürften Straßenreinigungsgebühren von ihnen
nicht erhoben werden, da es bei ihnen sonst zu einer unzulässige Doppelbelastung
betreffend die Straßenreinigung des Mehringweges komme. Bei den vom Hauptzug
des ... weges abzweigenden Wegen handele es sich der Funktion nach um vollwertige
Straßen, weil die Wege ohne Einschränkung befahrbar und somit keine Gehwege
seien.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Kläger haben beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">den Bescheid des Beklagten vom 29. Januar 1987 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 1987 aufzuheben, soweit er eine
Straßenreinigungsgebühr für die Straße "Mehringweg" betrifft.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Er ist der Auffassung, bei den vom Hauptzug des ... weges abzweigenden
Stichwegen handele es sich um Verkehrsanlagen, die im Rahmen der
Straßenreinigung und Veranlagung zu Straßenreinigungsgebühren wie Gehwege zu
behandeln seien. Die Stichwege ließen nach ihren Abmessungen keinen
Begegnungsverkehr zu, böten keine Wendemöglichkeiten und wiesen auch im übrigen
nicht Merkmale einer selbständigen, vollwertigen Erschließungsstraße auf. Da die
Stichwege wie Gehwege zu behandeln seien, Straßenreinigungsgebühren für den ...
weg indessen nur bezogen auf eine Fahrbahnreinigung erhoben würden, scheide eine
Doppelbelastung bei den Eigentümern aus, deren Grundstücke an die Stichwege
angrenzten und die für diese Wege reinigungspflichtig seien.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit dem angefochtenen Urteil stattgegeben
und dabei im wesentlichen darauf abgestellt, daß der Stichweg, an den das
Grundstück der Kläger angrenzt, nicht als Gehweg sondern als Straße zu qualifizieren
sei; das entspreche auch der Widmungsverfügung, in der nicht von Stichwegen,
sondern von Stichstraßen die Rede sei. Da die Kläger für die Stichstraße
reinigungspflichtig seien, dürften von ihnen nicht zusätzlich noch
Straßenreinigungsgebühren erhoben werden.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er sein
Vorbringen wiederholt und vertieft, bei dem umstrittenen Stichweg handele es sich
nicht um eine Straße bzw. einen Straßenteil des ... weges mit voller
Erschließungsfunktion, sondern um einen Wohn-/Gehweg ohne Straßencharakter.
Dieser Bewertung stehe der Umstand, daß der Weg tatsächlich mit Fahrzeugen
befahren werden könne und die Widmung des Stichweges zum öffentlichen Verkehr
nicht auf Fußgängerverkehr beschränkt worden sei, nicht entgegen. Die
Gebührenerhebung knüpfe nur an die Reinigung des Hauptzuges der
Erschließungsstraße an. Für die Abgrenzung der zu reinigenden Straße als
Verkehrsanlage mit vollwertiger Erschließungsfunktion von den dem Hauptzug der
Straße untergeorndeten bzw. nebengeordneten Straßenteilen ohne (vollwertige)
Erschließungsfunktion, die wie Gehwege behandelt werden könnten, komme es auf
den Gesamteindruck der zu beurteilenden Verkehrsanlage an. Ob in der Widmung von
Stichweg oder Stichstraße die Rede sei, sei für eine solche Abgrenzung ebensowenig
von Bedeutung wie die Frage, ob die Widmung des Stichweges zum öffentlichen
Verkehr in bestimmter Weise eingeschränkt sei oder nicht. Würde es für die
Beurteilung, ob ein Stichweg eine zu reinigende Straße oder nur ein unselbständiger
Straßenteil im Sinne eines Gehweges sei, darauf ankommen, ob die Widmung die
Nutzung des Stichweges auf eine fußläufige Benutzung beschränke oder nicht, würde
der Zweck des Straßenreinigungsgesetzes, auch die sogenannten Hinterlieger, deren
Grundstücke nicht unmittelbar an die Straßen angrenzten, an den
Straßenreinigungsgebühren zu beteiligen, nicht mehr erreicht. Im Stadtgebiet ...
entfielen etwa 10 v.H. der für die Gebührenkalkulation maßgeblichen
Berechnungsmeter auf sogenannte Hinterlieger. Nach überschlägiger Berechnung
wären indessen bis zu 65 v.H. dieser Grundstückseigentümer keine Hinterlieger mehr,
wenn entscheidend auf den Inhalt der Widmung abgestellt werde.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Kläger beantragten,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Sie treten dem Vorbringen des Beklagten entgegen und wiederholen und vertiefen
ihren Rechtsstandpunkt, daß es sich bei dem Stichweg, an den ihr Grundstück
angrenzt, auch unter Berücksichtigung einer Gesamtbetrachtung aller
Ausstattungsmerkmale und sonstigen Umstände um eine Verkehrsanlage mit
vollwertiger Erschließungsfunktion handele.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Wegen des Sachverhalts im übrigen und des weiteren Vorbringens der Beteiligten
wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, einschließlich der dabei befindlichen Lichtbilder
und Flurkarten sowie auf die vom Beklagten (gesondert) eingereichten
Verwaltungsvorgänge, Karten und einschlägigen Satzungsunterlagen Bezug
genommen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung ist nicht begründet, soweit es um die
Straßenreinigungsgebühr für das Hausgrundstück der Kläger geht. Insoweit hat das
Verwaltungsgericht der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Die Erhebung von
Straßenreinigungsgebühren für das Grundstück ist rechtswidrig und verletzt die Kläger
in ihren Rechten.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Satzungsrechtliche Grundlage der Erhebung von Straßenreinigungsgebühren in ...
ist die allgemeine Regelung des §5 der Satzung über die Straßenreinigung und die
Erhebung von Straßenreinigungsgebühren der Stadt ... (Straßenreinigungsgesetz -
SRS -) vom 17. Dezember 1984, ABl. Mstr. 1984 S. 258, geändert durch Satzung
vom 1. Dezember 1986, ABl. Mstr. 1986 S. 181, i.V.m. §6 Abs. 1 Nr. 5 und §5 Abs. 1
Nr. 6 der Gebührensatzung für die Abwasserbeseitigung, die Abfallbeseitigung und die
Straßenreinigung in der Stadt ... (Gebührensatzung - GS -) vom 31. Oktober 1978,
Abl. Mstr. 1978 S. 196, mit Wirkung für den hier maßgeblichen Veranlagungszeitraum
1987 zuletzt geändert durch Satzung vom 1. Dezember 1986, Abl. Mstr. S. 171,
erhebt. Nach §6 Abs. 1 Nr. 5 GS sind die Eigentümer der Grundstücke, die von
Straßen erschlossen werden, deren regelmäßige Reinigung die Stadt nach der
Straßenreinigungssatzung der Stadt in der jeweils gültigen Fassung durchführt, nach
Maßgabe des §5 Abs. 1 "Ziffer 7" (muß heißen: Ziffer 6) GS gebührenpflichtig. Nach
§5 Abs. 1 Nr. 6 GS werden Gebühren erhoben für eine regelmäßige (wöchentliche)
Reinigung, die auf die Fahrbahn der Straße beschränkt ist (§5 Abs. 1 Nr. 6.1 -
Fahrbahnreinigung) und für eine Reinigung von Fahrbahnen und Gehwegen der Straße
(§5 Abs. 1 Nr. 6.2 - Vollreinigung).</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Nach den genannten Vorschriften können die Kläger für ihr Hausgrundstück nicht
zu Gebühren herangezogen werden, weil es nicht von Straßen im Sinne des §6 Abs. 1
Nr. 5 GS erschlossen wird, deren regelmäßige Reinigung die Stadt nach der
Straßenreinigungssatzung durchführt. Der Gebührentatbestand ist a) weder für den
Hauptzug des ... weges, b) noch für den Stichweg an den das Grundstück mit der
Frontseite angrenzt, c) noch für den an der Rückseite des Grundstückes verlaufenden
Fußweg erfüllt.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Beim Hauptzug des ... weges handelt es sich um eine öffentliche Straße, die
entsprechend der Eintragung in Spalte F. des Straßenverzeichnisses der
Straßenreinigungssatzung der regelmäßigen Fehrbahnreinigung der Stadt unterliegt
(vgl. §1 Abs. 1, §2 Abs. 3, §6 Abs. 3 SRS). Eine Gebührenpflicht der Kläger für diese
Reinigung scheidet in Bezug auf das Hausgrundstück aus, weil dieses vom Hauptzug
des ... weges nicht im Sinne von §6 Abs. 1 Nr. 5 GS erschlossen wird. Eine
Erschließung des Grundstückes im streßenreinigungsrechtlichen Sinn erfolgt
ausschließlich durch den an die Frontseite angrenzenden Stichweg und - sofern auch
dorthin rechtlich eine Zugangsmöglichkeit besteht - durch den an der Rückseite des
Grundstückes angrenzenden Fußweg.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Für die Beurteilung was nach §6 Abs. 1 Nr. 5 GS, unter den die Grundstücke
erschließenden Straßen, für die Straßenreinigungsgebühr erhoben werden sollen und
dürfen, zu verstehen ist, ist maßgeblich auf §3 Abs. 1 des Gesetzes über die
Reinigung öffentlicher Straßen (Straßenreinigungsgesetz - StrReinG -) vom 18.
Dezember 1975, GV NW S. 706, zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. Dezember
1979, GV NW S. 914, abzustellen, in dem ebenfalls von den durch die Straße(n)
erschlossenen Grundstücken die Rede und auf die die Regelung über die
Gebührenpflicht nach §6 Abs. 1 Nr. 5 GS gestützt ist.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Nach §3 Abs. 1 StrReinG wird von den Eigentümern der durch die Straße
erschlossenen Grundstücke als Gegenleistung für die Kosten der Straßenreinigung
eine Benutzungsgebühr nach den Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes NW
(KAG) erhoben. Die die Grundstücke erschließende Straße, für die nach dieser
Vorschrift Straßenreinigungsgebühren erhoben werden dürfen, ist eine räumlich
begrenzte Teilstrecke (Teilfläche) des öffentlichen Straßen- und Wegenetzes innerhalb
der geschlossenen Ortslagen der Gemeinde, das nach §1 Abs. 1 StrReinG der
Reinigungspflicht der Gemeinde unterliegt und für das sie ihre Reinigungspflicht
hinsichtlich der betreffenden Verkehrsfläche nicht in vollem Umfang auf die Anlieger
übertragen hat. Die Funktion als erschließende Straße erfüllt die Verkehrsfläche
dadurch, daß sie die Grundstücke an das öffentliche Straßen- und Wegenetz im Sinne
der Verschaffung einer Zugangsmöglichkeit anbindet und dadurch eine wirtschaftliche
Nutzung des Grundstückes schlechthin ermöglicht. Für die räumliche Abgrenzung der
Teilstrecke als Straße im Sinne von §3 Abs. 1 StrReinG kommt es auf den
Gesamteindruck an, wie er durch die tatsächlichen Verhältnisse vermittelt wird, wobei
insbesondere darauf abzustellen ist, daß sich die Teilstrecke nach ihrer
Verkehrsfunktion und Ausstattung, ihren Abmessungen und dem Ausbauzustand sowie
der räumlichen Gliederung des Straßen- und Wegenetzes (in Sonderheit nach der
Gliederung durch Kreuzungen und Abzweigungen) von den nächstgelegenen Straßen-
und Wegestrecken als eigenständiger Teil des Straßen- und Wegenetzes von
gewissem Gewicht abhebt. Diese Definition ergibt sich aus dem Verständnis, an
welche Leistung die Gebührenpflicht nach §3 Abs. 1 StrReinG anknüpft, welche
Bedeutung insoweit dem Straßen- und dem Erschließungsbegriff im Sinne der
Vorschrift zukommt, und daraus, welche Folgerungen sich aus diesen
Zusammenhängen für die räumliche Abgrenzung der erschließenden Straße
ergeben.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Mit dem Begriff "die Straße" knüpft §3 Abs. 1 StrReinG zunächst an den
Gegenstand der Reinigungstätigkeit der Gemeinde an, die diese nach dem
Straßenreinigungsgesetz wahrnimmt und die die Rechtfertigung für die Erhebung von
Gebühren ist.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Gegenstand dieser Tätigkeit sind die öffentlichen Straßen im Sinne des §1 Abs. 1
StrReinG, durch den festgelegt wird, welche Verkehrsflächen (grundsätzlich) von der
Gemeinde zu reinigen sind. Das sind die dem öffentlichen Verkehr gewidmeten oder
vorhandenen öffentlichen Straßen, Wege und Plätze innerhalb der geschlossenen
Ortslagen der Gemeinde im Sinne der straßenrechtlichen Vorschriften (vgl. zum
diesbezüglichen Straßenbegriff §2 Abs. 1 und §60 Abs. 2 des Straßen- und
Wegegesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen - StrWG - und §§1, 2 des
Bundesfernstraßengesetzes - FStrG -), Bundesfernstraßen, Landstraßen und
Kreisstraßen jedoch nur, soweit es sich um Ortsdurchfahrten handelt. Für die
Auslegung des §1 Abs. 1 (und §3 Abs. 1) StrReinG kommt es allein auf die
straßenrechtlichen Begriffskategorien an.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks"> Vgl. Urteil des Senats vom 28. September 1989 - 9 A 1974/87 - zum Begriff der
geschlossenen Ortslage.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Hiernach ist unter dem Gesichtspunkt der Reinigungstätigkeit der Gemeinde für
den Straßenbegriff des §3 Abs. 1 StrReinG ohne Bedeutung, welcher Verkehrsart die
betreffende Verkehrsfläche dient. Es können Straßen für den Kraftfahrzeugverkehr,
d.h. solche die sich (u.a. oder nur) durch eine Fahrbahn für diesen Verkehr
auszeichnen (Straßen i.e.S., vgl. §2 Abs. 2 StrWG), aber auch solche Verkehrsflächen
sein, die ausschließlich dem Fußgänger- oder Radfahrverkehr vorbehalten und nicht
nur unselbständiger Teil einer Straße i.e.S. sind.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Für die Abgrenzung des Gegenstands der Reinigungstätigkeit der Gemeinde ist
neben §1 Abs. 1 des Gesetzes §4 Abs. 1 StrReinG von Bedeutung. Nach der
letztgenannten Vorschrift können die Gemeinden die Reinigung der (selbständigen und
unselbständigen) Gehwege durch Satzung den Eigentümern der an die Gehwege
angrenzenden und durch sie erschlossenen Grundstücke, d.h. den Anliegern der
Gehwege, auferlegen (S. 1) und die Reinigung der Fahrbahnen den Anliegern der
Straßen übertragen, soweit letzteres unter Berücksichtigung der Verkehrsverhältnisse
zumutbar ist (S. 2). Für die Winterwartung können gesonderte Regelungen getroffen
werden (S. 3). Entsprechend dieser Befugnis der Gemeinde, ihre Reinigungspflicht
hinsichtlich der nach dem Gesetz unterschiedenen Reinigungsarten auf die Anlieger zu
übertragen, fehlt es an einer die Gebührenerhebung rechtfertigenden
Reinigungstätigkeit, wenn und soweit die Gemeinde die Reinigung der Straße auf die
Anlieger übertragen hat. Danach kann erschließende Straße, auf die sich die
Gebührenpflicht nach §3 Abs. 1 StrReinG bezieht, nur eine solche sein, die nach
Flache und Reinigungsart zumindest teilweise der Reinigung durch die Gemeinde
unterliegt. Die Gebührenpflicht entfällt für die Eigentümer der von der Straße
erschlossenen Grundstücke, wenn und soweit die Gemeinde die Reinigung der ganzen
Straße den Anliegern übertragen hat. Der Abhängigkeit der Gebührenpflicht von der
Reinigungstätigkeit der Gemeinde entsprechen ersichtlich auch die Vorschriften der
§§6 Abs. 1 Nr. 5, 5 Abs. 1 Nr. 6 GS über eine Gebührenpflicht für Straßen, deren (im
Sinne von §1 Abs. 2 lit. a SRS) regelmäßige Fahrbahn- oder Vollreinigung die Stadt
wahrnimmt.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Mit dem Begriff der die Grundstück e erschließenden Straße selbst wird genauer
umschrieben, auf welchen Teil des öffentlichen Straßen- und Wegenetzes innerhalb
der geschlossenen Ortslagen der Gemeinde sich deren Reinigungstätigkeit erstrecken
muß, wenn von bestimmten Grundstückseigentümern Straßenreinigungsgebühren
erhoben werden. Dabei wird mit der Formulierung, daß von den Eigentümern der
durch "die Straße erschlossenen Grundstücke" Benutzungsgebühren erhoben werden,
zunächst zum Ausdruck gebracht, daß Anknüpfungspunkt für die Gebührenpflicht der
Grundstückseigentümer nicht die Reinigung des gesamten Straßen- und Wegenetzes,
die die Gemeinde nach §1 Abs. 1, §4 Abs. 1 StrReinG wahrnimmt, sondern nur die
Reinigung einer Teilstrecke dieses Netzes ist. Anderenfalls hätte sich das Gesetz mit
einer Vorschrift begnügen können, wonach von den Eigentümern der Grundstücke, die
innerhalb der geschlossenen Ortslagen der Gemeinde an das gereinigte öffentliche
Straßen- und Wegenetz angeschlossen sind, Straßenreinigungsgebühren erhoben
werden. Aus dem zitierten Wortlaut der Vorschrift folgt andererseits aber auch, daß
es sich bei der Straße im Sinne von §3 Abs. 1 StrReinG nicht nur um den räumlich
abgesetzten Abschnitt des öffentlichen Straßen- und Wegenetzes handelt, der
unmittelbar im Bereich des einzelnen Grundstückes für dessen Anbindung an das
öffentliche Straßen- und Wegenetz im Sinne der Verschaffung einer
Zugangsmöglichkeit von Bedeutung ist. Da "die Straße" nach der Formulierung des
Gesetzes mehrere Grundstücke erschließt, handelt es sich bei ihr nach dem
Regelungsgehalt der Vorschrift vielmehr um eine Teilstrecke (Teilfläche) des
öffentlichen Straßen- und Wegenetzes, die nach der Typik ihrer räumlichen
Ausdehnung (Länge bzw. Fläche) mehrere Grundstücke des ortslageüblichen
Zuschnitts erschließt oder erschließen könnte.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Ist hiernach die erschließende Straße eine bestimmte Teilstrecke des Straßen-
und Wegenetzes innerhalb der geschlossenen Ortslagen der Gemeinde, wird durch
den Begriff der Erschließung näher bestimmt, welche Funktion die betreffende Straße
als Erschließungsstraße in bezug auf die erschlossenen Grundstücke erfüllen und
welche Eigenschaften sie haben muß, um diesen Funktionen gerecht zu werden.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Danach kann auch unter dem Gesichtspunkt der Erschließungsfunktion
grundsätzlich jede öffentliche Straße i.e.S., jeder öffentliche Weg oder Platz im Sinne
von §1 Abs. 1 StrReinG die erschließende Straße nach §3 Abs. 1 StrReinG sein,
sofern es sich um eine öffentliche Verkehrsfläche mit der notwendigen Ausdehnung
handelt. Für die Eigenschaft der Straße als grundstückserschließende Fläche kommt
es nämlich nur darauf an, daß sie diejenige öffentliche Verkehrsfläche ist, über die das
Grundstück verkehrsmäßig an das öffentliche Straßen- und Wegenetz innerhalb der
geschlossenen Ortslagen der Gemeinde angebunden wird, indem seinem Eigentümer
- für Fußgänger oder auch Fahrzeuge - die Zugangsmöglichkeit zu diesem Straßen-
und Wegenetz eröffnet wird. Das folgt aus dem weiten Erschließungsbegriff des
Straßenreinigungsgesetzes.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Für diesen Erschließungsbegriff kommt es nicht auf die für das
Erschließungsbeitrags- und Straßenbaubeitragsrecht maßgeblichen
Abgrenzungskriterien der §§127, 131 und 133 BBauG/BauGB an, sondern auf das
besondere Verständnis der Erschließung nach dem Regelungsgehalt und
Regelungszusammenhang der Vorschriften des Straßenreinigungsgesetzes. Danach
wird ein Grundstück von der zu reinigenden Straße (i.w.S.) erschlossen, wenn
rechtlich und tatsächlich eine Zugangsmöglichkeit zur Straße besteht und dadurch die
Möglichkeit einer innerhalb geschlossener Ortslagen üblichen und sinnvollen
wirtschaftlichen Nutzung des Grundstückes schlechthin eröffnet wird.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks"> Vgl. dazu im einzelnen und grundsätzlich des schon zitierte Urteil des Senats
vom 28. September 1989 - 9 A 1974/87 -.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Für die Beurteilung, über welche besonderen Eigenschaften die erschließende
Straße im Hinblick auf eine solche Erschließungsfunktion verfügen muß, sind die
zusätzlichen und besonderen Merkmale ohne Bedeutung, die eine Straße haben muß,
um dem Grundstückseigentümer die Möglichkeit einer baulichen oder gewerblichen
Nutzung des Grundstückes zu vermitteln. Das gilt in Sonderheit für die Kriterien, die
von der Rechtsprechung zu dem Umfang, der Ausstattung, der Verkehrsfunktion und
der Zahl der - im Sinne des Bauplanungs- und Bauordnungsrechts - von der Straße
erschlossenen Grundstücke entwickelt worden sind, um von einer selbständigen
Erschließungsstraße sprechen zu können.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks"> Vgl. zu den insoweit maßgeblichen Abgrenzungsmerkmalen BVerwG, Urteile
vom 2. Juli 1982 - 8 C 28, 30 und 33.81 -, BVerwGE 66 S. 69 (73) = DVBl 1982 S.
1056, vom 25. Januar 1985 - 8 C 106.83 -, NVwZ 1985 S. 753, und vom 9.
November 1984 - 8 C 77.83 -, BVerwGE 70 S. 274 = DVBl 1985 S. 297; vgl. zum
Straßenbeitragsrecht nach §8 KAG NW, OVG NW, Urteil vom 25. Februar 1988 - 2
A 1429/85 -.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Ferner ist nicht entscheidend, ob die betreffende Verkehrsfläche aufgrund
spezieller Begriffsbestimmungen des BBauG/BauGB oder der Festsetzungen von
Bebauungsplänen auch ungeachtet solcher Merkmale eine selbständige, Zwecken des
Verkehrs dienende Erschließungsanlage im Sinne des BBauG/BauGB ist. Ihre
Erschließungsfunktion im Sinne von §3 Abs. 1 StrReinG erfüllt die Straße auch
unabhängig davon stets allein deswegen, weil sie als öffentliche Verkehrsfläche
geeignet ist, bestimmten Grundstücken eine irgendwie geartete Zugangsmöglichkeit
zum öffentlichen Straßen- und Wegenetz der Gemeinde zu vermitteln.
Dementsprechend ist für die Auslegung des §3 Abs. 1 StrReinG auch nicht von
Bedeutung, daß (im Hinblick auf die Auslegung des Begriffs der zum Anbau
bestimmten Straße in §127 Abs. 2 Nr. 1 BBauG in der Rechtsprechung) durch §127
Abs. 2 Nr. 2 BauGB eine Vorschrift eingeführt worden ist, wonach
Erschließungsanlagen im Sinne des 2. Abschnitts dieses Gesetzes die öffentlichen aus
rechtlichen oder tatsächlichen Gründen mit Kraftfahrzeugen nicht befahrbaren
Verkehrsanlagen innerhalb der Baugebiete (z.B. Fußwege, Wohnwege) sind. Daß mit
den erschließenden Straßen im Sinne von §3 Abs. 1 StrReinG unabhängig von §127
Abs. 2 Nr. 2 BauGB auch selbständige Fußwege gemeint sind, folgt auch aus der vor
Erlaß des BauGB erfolgten Neufassung des §4 Abs. 1 des Gesetzes durch das
Änderungsgesetz vom 11. Dezember 1979. Durch die Neufassung hat Satz 1 der
Vorschrift, in dem davon die Rede war, daß die Gemeinden die Reinigung der
Gehwege durch Satzung den Eigentümern der an die Straße angrenzenden und durch
sie erschlossenen Grundstücke auferlegen können, seinen jetzigen Inhalt erhalten.
Damit wurde ausweislich der Beschlußempfehlung zur Gesetzesänderung (vgl. LT-
Drucksache 8/5133 S. 16) das Ziel verfolgt, den Gemeinden die Möglichkeit zu
eröffnen, ihre Reinigungspflicht auch hinsichtlich selbständiger Gehwege auf die
Eigentümer der angrenzenden und durch sie erschlossenen Grundstücke zu
übertragen. Dafür, daß der Erschließungsbegriff in §3 Abs. 1 und der in §4 Abs. 1
StReinG einen jeweils anderen Inhalt hätte, gibt es keinen Anhaltspunkt.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Soweit es über die erörterten Eigenschaften der erschließenden Straße im Sinne
des §3 Abs. 1 StrReinG hinaus auch um die Merkmale geht, nach denen eine
bestimmte Teilstrecke des öffentlichen Straßen- und Wegenetzes als eigenständige
erschließende Straße von den angrenzenden weiteren öffentlichen Straßenflächen
abzugrenzen ist, geben das Verständnis der von der Gemeinde zu erbringenden
Leistung der Erschließungs- und Straßenbegriff und der sonstige Wortsinn der
Vorschrift allerdings bis auf die Feststellung, daß eine bestimmte Straßenstrecke
keine eigenständige Straße im Sinne von §3 Abs. 1 StrReinG ist, wenn sie nicht nach
ihrer Ausdehnung (Länge bzw. Fläche) das im dargestellten Sinne notwendige
Gewicht hat, nichts her. Wenn hiernach der Gesetzgeber in §3 Abs. 1 StrReinG zur
genaueren räumlichen Abgrenzung der eigenständigen erschließenden Straße auf
weitere Merkmale verzichtet hat, so ist das erkennbar geschehen, weil sie durch das
äußere Erscheinungsbild der öffentlichen Straßen (i.e.S.), Wege und Plätze und die
tatsächliche räumliche Gliederung des Straßen- und Wegenetzes vorgegeben sind und
sich danach ohne weiteres ergibt, wo die eine Straße (i.w.S.) anfängt und die andere
aufhört. Dementsprechend kommt es für die räumliche Abgrenzung der eigenständigen
erschließenden Straße im Sinne des §3 Abs. 1 StrReinG auf den Gesamteindruck an,
wie er durch die tatsächlichen Verhältnisse vermittelt wird, wobei (wiederum
weitergehend als nach dem Verständnis einer verkehrsmäßigen Erschließung im
bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Sinne möglich) auf Unterschiede nach der
Verkehrsfunktion und Ausstattung der Straßen- und Wegeflächen, ihren Abmessungen
und dem Ausbauzustand sowie einer räumlichen Trennung nach Kreuzungen und
Abzweigungen im Straßen- und Wegenetz abzustellen ist. Soweit es sich hiernach um
eine öffentliche Verkehrsfläche handelt, die äußerlich erkennbar von den
nächstgelegenen Verkehrsflächen abgesetzt und nach Verkehrsfunktion, Ausstattung,
räumlichem Umfang und Ausbau von einigem Gewicht ist, handelt es sich im Zweifel
um eine eigenständige erschließende Straße im Sinne von §3 Abs. 1 StrReinG.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Nach den dargestellten Grundsätzen kann unter Berücksichtigung der vom
Beklagten vorgelegten Karten und seiner Angaben zur Ausstattung und dem
Ausbauzustand des Hauptzuges des weges nicht zweifelhaft sein, daß die Fläche des
Hauptzuges - mit den abzweigenden Stichwegen und dem hinter dem Grundstück der
Kläger verlaufenden Fußweg oder ohne sie - eine eigenständige erschließende Straße
als räumlich begrenzter Gegenstand der Reinigungstätigkeit der Gemeinde im Sinne
von §3 Abs. 1 StrReinG und §§6 Abs. 1 Nr. 5, 5 Abs. 1 Nr. 6 GS ist.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Eigenständige Straßen, die eine Erschließung der von ihnen erschlossenen
Grundstücke durch benachbarte andere öffentliche Verkehrsflächen, d.h. auch durch
den Hauptzug des ... weges, im Sinne der genannten Vorschriften ausschließen -
sofern zu den benachbarten Verkehrsflächen nicht anderweitige Zugangsmöglichkeiten
als über die nachgenannten Straßen bestehen - sind aber auch die Stichwege und der
Fußweg selbst. Auch das ergibt sich aus dem vom Beklagten vorgelegten
Kartenmaterial, seinen ergänzenden Angaben und ferner speziell für den hier
interessierenden Stichweg auch aus den von ihm eingereichten Fotos.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Entsprechend den danach zu treffenden Feststellungen sind die Stichwege als
vom Hauptzug in etwa rechtwinklig abzweigende Verkehrsflächen erkennbar von
dieser Straße abgesetzt und unterscheiden sich von ihr nach Ausbauzustand und
Ausstattung deutlich. Der Hauptzug des ... weges weist eine 5,25 m breite
asphaltierte Fahrbahn mit Rinneneinlauf sowie einen von der Fahrbahn abgegrenzten 2
m breiten Gehweg mit Basaltplatten auf. Demgegenüber sind die Stichwege durch
andere Merkmale gekennzeichnet. Das gilt zwar nicht hinsichtlich ihrer
Verkehrsfunktion, da sie durch die Widmungsverfügung vom 11. Dezember 1974
uneingeschränkt dem öffentlichen Verkehr gewidmet worden sind, ebenso - wie an
anderer Stelle noch genauer auszuführen ist - über eine Fahrbahn u.a. für
Kraftfahrzeuge verfügen und damit ebenso wie der Hauptzug des ... weges Straße im
engeren Sinne von §1 Abs. 1 StrReinG i.V.m. §2 Abs. 2 StrWG sind. Sie
unterscheiden sich vom Hauptzug maßgeblich aber dadurch, daß sie nicht in gleicher
Weise für eine Verkehrsbelastung wie der Hauptzug eingerichtet, nur mit
Verbundpflaster gepflastert und abgesehen von den Einmündungsbereichen und dort,
wo sie Garagenhöfe erschließen, nur etwa über 3 m breit sind; außerdem weisen sie
keinen (von der Fahrbahn getrennten) Gehweg auf. Andererseits stellen sich die
Stichwege nach den geschilderten Merkmalen - zumal die Befahrbarkeit mit
Kraftfahrzeugen - als eigenständige Verkehrsflächen von einigem Gewicht dar, das es
rechtfertigt sie als eigenständige Straßen anzusprechen, da sie ausweislich des
vorliegenden Kartenmaterials jeweils mehrere Grundstücke erschließen und etwa
zwischen 55 und 85 m lang sind.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Auch der hinter dem Grundstück der Kläger verlaufende Fußweg ist im Verhältnis
zum Hauptzug des ... weges (und anderen Verkehrsflächen) als eigenständige Straße
(von einigem Gewicht), anzusehen. Er dient ausschließlich dem Fußgängerverkehr,
wie sich aus seiner Benennung als Fußweg in der Widmungsverfügung vom 11.
Dezember 1974 ergibt, grenzt im Süden - ausweislich der vom Beklagten vorgelegten
Kataster-Flurkarte und Stadt-Grundkarte 04627 - den Grundstücksbereich ab, der
über den Mehringweg mit Kraftfahrzeugen erreicht werden kann, trennt damit zugleich
diesen Grundstücksbereich von den südlich des Weges liegenden Grundstücken am
... weg und ... stellt ferner mit einer Länge von etwa 260 m in ost-westlicher Richtung
eine fußläufige Verbindung zwischen dem ... weg und dem K. bach her. Danach stellt
auch dieser Fußweg eine öffentliche Verkehrsfläche dar, die von den angrenzenden
anderen öffentlichen Verkehrsflächen deutlich abgesetzt und von einem Gewicht ist,
das es rechtfertigt, von einer eigenständigen Straße im Sinne des
Straßenreinigungsrechtes zu sprechen. Für diese Feststellung bedarf es keiner
abschließenden Klärung, ob und inwieweit der Fußweg bestimmte Grundstücke im
Sinne des Gesetzes erschließt oder ob es sich bei ihm nur um einen (fußläufigen)
Verbindungsweg handelt. Er ist jedenfalls kein Teil einer aus dem Hauptzug des ...
weges (oder bzw. und aus anderen Verkehrsflächen) und dem Weg selbst
bestehenden Straße im Sinne des §3 Abs. 1 StrReinG, sondern eine im Sinne der
Vorschrift eigenständige Verkehrsfläche, die Erschließungsfunktionen erfüllen könnte
und deshalb den Erschließungszusammenhang zu anderen Straßen unterbricht.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Eine Heranziehung der Kläger zu Straßenreinigungsgebühren für die Reinigung des
Hauptzuges des ... weges durch die Stadt scheidet somit aus.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Nach den dargelegten Grundsätzen gilt entsprechendes für den Stichweg, an den
das Hausgrundstück der Kläger mit seiner Frontseite angrenzt. Zwar handelt es sich
bei dem Stichweg - wie dargelegt - um eine (eigenständige) Straße, die das
Hausgrundstück der Kläger erschließt. Die Reinigungstätigkeit der Stadt (regelmäßige
Fahrbahn- oder Vollreinigung), für die im Sinne von §3 Abs. 1 StrReinG nach den §§6
Abs. 1 Nr. 5, 5 Abs. 1 Nr. 6 GS Gebühren erhoben werden, bezieht sich auf ihn aber
nicht. Die insoweit interessierende Reinigung ist nämlich hinsichtlich des gesamten
Stichweges auf die Anlieger übertragen worden. Das folgt aus §1 Abs. 1 i.V.m. §2
Abs. 1-3 und 5 sowie §6 Abs. 3 SRS und dem zur Straßenreinigungssatzung
gehörenden Straßenverzeichnis, das selbst Teil dieser Satzung ist (§6 Abs. 1).</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Gemäß §1 Abs. 1 SRS reinigt die Stadt die nach §1 Abs. 1 StrReinG zu
reinigenden Straßen, soweit sie die Reinigung nicht nach §2 den Anliegern übertragen
hat. Nach §2 Abs. 1-3 SRS werden den Eigentümern der Grundstücke, die an die der
Straßenreinigungspflicht unterliegenden Straße angrenzen und durch diese
erschlossen werden (Anlieger), hinsichtlich der Straßen, die im Straßenverzeichnis in
der Spalte F gekennzeichnet sind, die (Voll-)Reinigung der Gehwege und Wohnwege,
d.h. die regelmäßige Reinigung, die außergewöhnliche Reinigung und die
Winterwartung der Wege - vgl. §1 Abs. 2 SRS - auferlegt; die Fahrbahnreinigung
dieser Straßen führt die Stadt durch. Nach der Begriffsbestimmung der Satzung sind
Gehwege alle Straßenteile, die erkennbar von der Fahrbahn abgesetzt sind und deren
Benutzung durch Fußgänger vorgesehen oder geboten ist (§1 Abs. 6 Satz 2).
Wohnwege im Sinne der Satzung sind die öffentlichen Zuwegungen (Stichwege,
Verbindungswege) zu Wohngrundstücken, die unselbständige Bestandteile des
Hauptzuges der Erschließungsstraße sind, von diesem Hauptzug abzweigen und
insoweit das an der Zuwegung liegende Grundstück nicht voll erschließen (§1 Abs. 6
Satz 3); Wohnwege gelten als Gehwege im Sinne der Straßenreinigungssatzung (§1
Abs. 6 Satz 4).</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Hiernach hat der Satzungsgeber die regelmäßige Reinigung der vom Hauptzug des
Mehringweges abzweigenden Stichwege insgesamt den Anliegern auferlegt.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Der ... weg ist in der Spalte F des Straßenverzeichnisses gekennzeichnet, wobei
mit der Bezeichnung ... weg in diesem Verzeichnis entsprechend der sowohl für den
Hauptzug wie auch die Stichwege des ... weges geltenden selben Straßenbezeichnung
die zu reinigenden Verkehrsflächen des Hauptzuges und der Stichwege des
Mehringweges gemeint sind. Die Reinigung der Stichwege ist den Anliegern
übertragen, weil die Wege Wohnwege im Sinne des Satzungsrechts sind. Bei der
Definition des Wohnweges in §1 Abs. 6 Satz 3 SRS bedient sich die Satzung in
Abweichung von den Begriffskategorien des Straßenreinigungsgesetzes erkennbar der
Abgrenzungskriterien, wie sie im Erschließungsbeitragsrecht für die Beurteilung von
Bedeutung sind, ob die betreffende Verkehrsfläche eine (selbständige) zum Anbau
bestimmte öffentliche Straße im Sinne von §127 Abs. 2 Nr. 1 BBauG/BauGB ist und
ob sie eine vollwertige (verkehrsmäßige) Erschließung der zur Bebauung anstehenden
Grundstücke an der Straße als Voraussetzung für eine bauliche oder gewerbliche
Nutzung des Grundstückes gewährleistet. Nach diesen satzungsmäßigen, dem
bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Erschließungsbegriff entlehnten Merkmalen
sind die Stichwege unter Berücksichtigung ihrer Abmessungen, ihres Ausbauzustandes
und ihrer Funktion ungeachtet ihrer Bezeichnung als Stichstraßen in der
Widmungsverfügung vom 11. Dezember 1974 nur unselbständige und untergeordnete
Bestandteile des Hauptzuges der Erschließungsstraße Mehringweg und damit
Wohnwege im Sinne von §1 Abs. 6 Satz 3 SRS.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Letztlich wäre den Anliegern der Stichwege die Reinigung der Wege aber auch
übertragen, wenn letztere keine Wohnwege wären. In diesem Fall wären sie als
Fußgängerstraßen im Sinne von §2 Abs. 5 Satz 1 SRS anzusehen, weil es sich bei
ihnen - entsprechend der satzungsmäßigen Begriffsbestimmung in §3 Abs. 4 Satz 3
SRS - um Straßen oder Straßenteile handelt, in denen Fahrbahn und Gehweg nicht
voneinander getrennt sind. §2 Abs. 5 Satz 1 SRS ist unter Berücksichtigung der
Vorschrift des §2 Abs. 3 SRS dahingehend auszulegen, daß die (Voll-)Reinigung der
Teile der im Straßenverzeichnis in der Spalte F gekennzeichneten Straßen, die nach
dem satzungsrechtlichen Verständnis Fußgängerstraßen sind, den Anliegern dieser
Straßenteile übertragen ist.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Bei der Stichwegreinigung am ... weg handelt es sich ungeachtet der Tatsache,
daß diese Reinigung nach der Straßenreinigungssatzung einer Gehwegreinigung
gleichgestellt wird, (ausschließlich) um Fahrbahnreinigung im Sinne von §4 Abs. 1 Satz
2 StrReinG. Ein Ermessen zu bestimmen, was im Sinne des Gesetzes Fahrbahn- und
was Gehwegreinigung ist, steht dem Satzungsgeber nicht zu, weil er an die Vorschrift
des §4 Abs. 1 StrReinG gebunden und danach Fahrbahnreinigung qualitativ etwas
anderes ist als Gehwegreinigung.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Was im Sinne des Gesetzes Gehweg und was Fahrbahn ist, richtet sich nach der
(rechtlichen und tatsächlichen) Funktion der betreffenden Verkehrsanlage bzw. ihrer
verschiedenen Teilflächen. Danach sind Gehwege neben selbständigen
Fußgängerwegen und Bürgersteigen diejenigen Straßenteile, die erkennbar von der
(den) Fahrbahn(en) der Straße abgesetzt sind und deren Benutzung (nur) durch
Fußgänger vorgesehen oder geboten ist.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks"> Vgl. OVG NW, Urteil vom 29. Mai 1979 - 2 A 482/74 -; Walprecht-Brinkmann,
Straßenreinigungsgesetz, 3. Auflage 1985, §4 Nr. 126.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Fahrbahn im Sinne von §4 Abs. 1 StrReinG sind dagegen alle Verkehrsflächen, die
entweder ausschließlich oder neben der Eröffnung einer Benutzung durch Fußgänger
rechtlich dem Fahrzeugverkehr, insbesondere dem (fließenden und ruhenden)
Kraftfahrzeugverkehr, zur Verfügung stehen, tatsächlich für Zwecke des
Fahrzeugverkehrs genutzt werden können und bei denen im Falle einer Nutzung durch
Fußgänger und Fahrzeuge der Fahrzeugverkehr von nicht nur untergeordneter
Bedeutung ist.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks"> Vgl. zur Abgrenzung allgemein auch Walprecht-Brinkmann a.a.O., Nr. 126-
131.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Verkehrsflächen, die ohne äußerliche Trennung eines Fußgängerbereichs oder
eines Bereichs für den Fahrzeugverkehr im Sinne einer Mehrzwecknutzung der Fläche
rechtlich und tatsächlich gleichermaßen dem Fußgänger- wie auch dem
Fahrzeugverkehr zur Verfügung stehen, sind keine Gehwege, sondern Fahrbann(en)
im Sinne von §4 Abs. 1 StrReinG.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Nach dieser Abgrenzung sind die Stichwege am ... weg Fahrbahn im Sinne des
Gesetzes, weil sie uneingeschränkt dem öffentlichen Verkehr gewidmet, damit für
sämtliche Verkehrsarten, einschließlich des Fußgänger- und Kraftfahrzeugverkehrs
zugelassen worden, nicht äußerlich erkennbar in Fahrbahn und Gehweg getrennt und
nach ihrer Breite von 3 m bzw. über 3 m und dem sonstigen Ausbauzustand für
Lieferwagen und sogar Lastwagen (vgl. die Empfehlungen für die Anlage von
Erschließungsstraßen Ausgabe 1985 - EAE 85 - S. 27 zum notwendigen
Verkehrsraum für Lastkraftwagen) befahrbar und sie auch nicht nach den Vorschriften
der Straßenverkehrsordnung nur eingeschränkt für bestimmte Verkehrsarten
benutzbar sind.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Die die Anlieger treffende Auferlegung der Fahrbahnreinigung der Stichwege ist
wirksam. Sie ist ihnen unter Berücksichtigung der Verkehrsverhältnisse auf diesen
Wegen ohne weiteres im Sinne des §4 Abs. 1 Satz 2 StrReinG zumutbar, weil es sich
bei den Wegen um Sackgassen handelt, die ausschließlich die Funktion haben, dem
Anliegerverkehr der angrenzenden Hausgrundstücke bzw. Garagenhöfe zu dienen. Für
die Wirksamkeit der Übertragung ist ohne Bedeutung, daß die Reinigung der
Stichwege nach der Straßenreinigungssatzung einer Gehwegreinigung gleichgestellt
ist. Die Bindung des Satzungsgebers an die Vorschrift des §4 Abs. 1 StrReinG
bedeutet nicht, daß er im Rahmen der Satzungsbestimmungen für die Übertragung der
Reinigungspflicht auch an die Terminologie der Vorschrift betreffend Gehweg- und
Fahrbahnreinigung gebunden wäre.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">c)</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Eine Gebührenpflicht der Kläger für den hinter ihrem Hausgrundstück verlaufenden
Fußweg scheidet ungeachtet der Frage aus, ob das Grundstück durch diesen Weg im
Sinne des Straßenreinigungsrechts erschlossen wird. Das gilt deshalb, weil es sich bei
dem Weg um eine eigenständige Straße ohne Fahrbahn im Sinne des Gesetzes und
der Gebührensatzung der Stadt handelt und nach dem Satzungsrecht der Stadt ein
Tatbestand für die Erhebung von Straßrenreinigungsgebühren für die Reinigung von
selbständigen Fußwegen (Gehwegen) fehlt, die - wie hier - keine nach der Satzung
und dem Straßenverzeichnis in der Reinigung der Stadt stehenden Fußgängerstraßen
(vgl. §1 Abs. 7, §2 Abs. 5 Satz 2 SRS, §4 Abs. 5 GS) sind.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Die Kläger könnten im übrigen für ihr Hausgrundstück auch dann nicht zu
Gebühren für Fahrbahnreinigung herangezogen werden, wenn - wovon der Beklagte
ausgeht - die Stichwege in Sonderheit auch der, an den das Hausgrundstück angrenzt,
der hinter dem Grundstück verlaufende Fußweg und der Hauptzug des Mehringweges
Teile ein und derselben erschließenden Straße ( ... weg) im Sinne von §3 Abs. 1
StrReinG wären. In diesem Fall wurde die Stadt zwar in bezug auf die Straße, die das
Grundstück der Kläger erschließt, Reinigungsleistungen in Form der regelmäßigen
Fahrbahnreinigung erbringen. Eine Gebührenpflicht der Kläger nach §6 Abs. 1 Nr. 5,
§5 Abs. 1 Nr. 6.1 GS würde bei der gebotenen gesetzeskonformen Auslegung der
Vorschriften aber gleichwohl ausscheiden.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Den Klägern wäre in diesem Fall nach den erörterten Bestimmungen der
Straßenreinigungssatzung als Anliegern eines der Stichwege ein Teil der Reinigung der
denselben Verkehrsarten dienenden Fahrbahnen des Mehringweges auferlegt (a).
Danach wäre eine Gebührenerhebung für die städtische Teilreinigung dieser
Fahrbahnen zwar nicht generell ausgeschlossen (b). Die Kläger wären für ihr
Hausgrundstück aber nicht gebührenpflichtig, weil gemäß §3 Abs. 1 StrReinG von
dem, der an der Fahrbahnreinigung der betreffenden Straße beteiligt ist, Gebühren für
eine solche Reinigung zumindest hinsichtlich des anliegenden Grundstückes, vor dem
die Fahrbahn zu reinigen ist, nicht erhoben werden dürfen (c).</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Die Einbeziehung des Fußweges als Teil der zu reinigenden, erschließenden
Straße hatte für die rechtliche Bewertung der vorliegenden Alternative keine
entscheidungserhebliche Bedeutung. Zwar wäre danach (möglicherweise) das
Grundstück auch über diesen Fußweg von der durch die Stadt gereinigten Straße
erschlossen; da aber nur für Fahrbahnreinigung Gebühren erhoben werden, der
Fußweg indessen nicht Fahrbahn ist, ist seine Reinigung durch die Anlieger oder durch
die Stadt für die Beurteilung, wie sich die Übertragung der Reinigungspflicht betreffend
Fahrbahnen für nur einen Teil der erschließenden Straße auf die Gebührenpflicht nach
§3 Abs. 1 StrReinG und der Satzung auswirkt, nicht von Interesse.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Die Übertragung der regelmäßigen (Fahrbahn-)Reinigung der Stichwege am ...
weg auf die Anlieger ist auch dann wirksam, wenn die eingangs genannten
Verkehrsflächen insgesamt die erschließende Straße im Sinne von §3 Abs. 1 StrReinG
sind. Nach §4 Abs. 1 des Gesetzes ist die Übertragung der Reinigung von Teilen der
die Grundstücke erschließenden Straße nicht ausgeschlossen. Die nach der Vorschrift
bestehende Befugnis der Gemeinde bezieht sich auf das gesamte zu reinigende
öffentliche Straßen- und Wegenetz und dementsprechend auch auf jeden Teil dieses
Netzes. Der Begriff der die Grundstücke erschließenden Gehwege bzw. Straßen hat
in §4 Abs. 1 nur die Bedeutung, den Kreis der Personen abzugrenzen, denen die
Reinigung für einen bestimmten Teil des Straßen- und Wegenetzes übertragen
werden darf.</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Durch die Aufteilung der Reinigung von Fahrbahnen derselben Straße für
denselben Straßenverkehr in Teile, die von den Anliegern, und solche, die von der
Gemeinde gereinigt werden, wird eine Gebührenerhebung für die diesbezügliche
Reinigung nicht generell ausgeschlossen, zumindest wenn - wie hier - die betreffende
Fahrbahnreinigung im wesentlichen in der Hand der Gemeinde bleibt. Zwar knüpft die
Vorschrift des §3 Abs. 1 StrReinG grundsätzlich an die Reinigung der die Grundstücke
erschließenden ganzen Straße an. Die Reinigung der ganzen Straße stellt den
besonderen Vorteil dar, den die Grundstückseigentümer von der Straßenreinigung
haben und der die Erhebung von Benutzungsgebühren gerade nur von den
Grundstückseigentümern rechtfertigt, für die nach dem Straßenreinigungsgesetz die
(tatsächliche) Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung "Straßenreinigung"
(Straßenreinigungsanstalt) im Sinne des §4 Abs. 2 KAG durch die
Grundstückseigentümer nur fingiert wird.</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks"> Vgl. zur Bedeutung der Beschränkung der Gebührenpflicht auf die Eigentümer
der durch die Straße erschlossenen Grundstücke BVerwG, Urteil vom 25. Mai 1984 -
8 C 55 u. 58.82 -, BVerwGE 69 S. 242 = DVBl 1985 S. 123 = KStZ 1984 S. 171.</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Dieser Ansatz für die Gebührenpflicht schließt bei der Aufteilung einer bestimmten
Reinigung zwischen Gemeinde und Anliegern die Gebührenerhebung aber nicht aus,
soweit die Grundstückseigentümer betroffen sind, die selbst keine
Reinigungsleistungen der betreffenden Art erbringen. Nur die Eigentümer (Anlieger),
die nach der Übertragung der Reinigungspflicht an der betreffenden Reinigung beteiligt
sind, dürfen für sie nicht (wie unter c) darzulegen ist), zusätzlich noch zu Gebühren
herangezogen werden. Ist der betreffende Anlieger Eigentümer mehrerer von der
Straße erschlossener Grundstücke, gilt letzteres jedenfalls hinsichtlich des
Grundstückes, dessentwegen ihm als Anlieger die Reinigungspflicht auferlegt ist.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Der Grundsatz, daß die Erhebung der Gebühr an die Reinigung der ganzen das
Grundstück erschließenden Straße anknüpft, hat nach den bisherigen Ausführungen
die Bedeutung, den speziellen Gegenstand der Reinigungstätigkeit der Gemeinde und
den Sondervorteil zu beschreiben, auf den es für die Gebührenpflicht der
Grundstückseigentümer im Verhältnis zu den Vorteilen der Allgemeinheit von der
Straßenreinigung ankommt; letztere werden in bezug auf die Reinigungsleistungen der
Gemeinde dadurch berücksichtigt daß das Gebührenaufkommen 75 v.H. der
Gesamtkosten der Straßenreinigung im Gemeindegebiet nicht übersteigen darf (§3
Abs. 1 Satz 2 StrReinG) und demgemäß die Gemeinde mindestens 25 v.H. der
Gesamtreinigungskosten selbst zu tragen hat. Ferner ist der vorgenannte Grundsatz
für den Bereich der Leistungsstörungen bei der Straßenreinigung von Interesse, weil
die gebührenpflichtigen Eigentümer nach §3 Abs. 1 StrReinG Anspruch auf eine
Reinigung aller öffentlichen Verkehrsflächen der erschließenden Straße haben, wobei
eine nur unwesentliche Leistungsstörung allerdings nicht zu einem Wegfall oder einer
Minderung der Gebühr führt.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks"> Vgl. OVG NW, Urteile vom 26. Mai 1989 - 9 A 135/87 - und vom 28.
September 1989 - 9 A 242/88 -.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Soweit nach früherer Rechtsprechung des erkennenden Gerichts für die
Gebührenpflicht darauf abgestellt worden ist, es komme nur auf die Reinigung des
Straßenteils an, der "Hauptzug" einer zum Anbau bestimmten Straße nach §127 Abs.
2 Nr. 1 BBauG/BauGB ist, weil die Straße nur mit Rücksicht auf ihre Funktion als
erschließende Straße im baurechtlichen Sinne gereinigt werde,</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks"> vgl. z.B. OVG NW, Urteile vom 7. Januar 1982 - 2 A 2228/81 -, KStZ 1982 S.
111, und vom 26. April 1983 - 2 A 2113/82 -, GemHT 1983 S. 231,</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">schließt sich der erkennende, für das Straßenreinigungsrecht nunmehr allein
zuständige Senat dieser Rechtsprechung im Hinblick auf den im
Straßenreinigungsrecht geltenden Erschließungsbegriff aber nicht an.</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Der Grundsatz, daß die Gebühr an die Reinigung der ganzen Straße (durch die
Gemeinde) anknüpft, hat indessen Grenzen, wenn die Reinigungsleistung gemeinsam
von Gemeinde und Anliegern erbracht wird. In diesem Fall stellen die gesamten
Reinigungsleistungen im Verhältnis zu den nicht reinigungspflichtigen Eigentümern der
von der Straße erschlossenen Grundstücke eine die Gebührenerhebung
rechtfertigende Einheit, d.h. die Reinigung der ganzen Straße dar, für die Gebühren
erhoben werden dürfen. Das gilt jedenfalls, wenn die betreffende Reinigung im
wesentlichen, möglicherweise nur hinsichtlich wesentlicher Teile in der Hand der
Gemeinde geblieben ist. Unter Berücksichtigung der nach dem Gesetz bei der
Gebührenerhebung ohnehin schon erfolgten Vereinfachungen, weiter der sich nach
dem Grundsatz der Gebührengerechtigkeit (Artikel 3 Abs. 1 GG) im Verhältnis zur
Gesamtheit der gebührenpflichtigen Eigentümer danach ergebenden Grenzen weiterer
Vereinfachungen bei der Gebührenerhebung, der mit §4 Abs. 1 StrReinG erfolgten
Ziele und schließlich der Ausgestaltung der Straßenreinigungsgebühren als
Benutzungsgebühr entspricht es nicht Sinn und Zweck des §3 Abs. 1 StrReinG, alle
Eigentümer der von der Straße erschlossenen Grundstücke von
Straßenreinigungsgebühren freizustellen, wenn nur ein Teil dieser Eigentümer (als
reinigungspflichtige Anlieger) einschlägige Reinigungsleistungen erbringt.</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Durch §3 Abs. 1 StrReinG wird hinsichtlich der Gebührenpflicht und des
abzugeltenden Vorteils schon insoweit typisiert, als es für die Gebührenerhebung nur
auf eine Reinigung der die Grundstücke erschließenden Straße ankommt, obwohl die
Eigentümer dieser Grundstücke auch von der Reinigung der anderen Straßen Vorteile
haben, die allerdings mit zunehmender Entfernung von der erschließenden Straße
abnehmen. Die Gebührenerhebung wird weitergehend dadurch vereinfacht, daß im
Falle einer Übertragung der Reinigung für die ganze Straße nicht nur die
reinigungspflichtigen Anlieger, sondern auch die nicht reinigungspflichtigen Eigentümer
der übrigen von der Straße erschlossenen Grundstücke (Hinterlieger) von Gebühren
frei werden, obwohl sie für die Allgemeinheit und Gesamtheit der gebührenpflichtigen
Grundstückseigentümer keine die Gebührenfreiheit rechtfertigenden
Reinigungsleistungen erbringen. Ungerechtigkeiten der letztgenannten Art - im
besonderen auch gerade im Verhältnis der Eigentümer der von derselben Straße
erschlossenen Grundstücke untereinander - ergeben sich auch, wenn (wie bei der
vorliegenden Alternative) Gehweg- und Fahrbahnreinigung derselben Straße nur für
Teilabschnitte auf die Anlieger übertragen worden sind. Wegen des nach §4 Abs. 1
StrReinG qualitativen Unterschiedes zwischen Gehweg- und Fahrbahnreinigung
(jedenfalls soweit es um Fahrbahnen für Kraftfahrzeugverkehr geht) dürfen die
hiernach zu unterscheidenden Reinigungsarten bei der Gebührenerhebung nicht
gleichgestellt werden. Soweit nach früherer Rechtsprechung des Gerichts in bezug auf
Stichwege bzw. Stichstraßen, die keine selbständigen Erschließungsstraßen im Sinne
von §127 Abs. 2 Nr. 1 BBauG/BauGB und auch keine - nach der Erschließungsfunktion
im baurechtlichen Sinne - vollwertigen Teile des "Hauptzuges" der das Grundstück
erschließenden Straße sind, bei der Gebührenerhebung von einer Vergleichbarkeit der
Fahrbahnreinigung mit einer Gehwegreinigung ausgegangen worden sein sollte,</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks"> vgl. OVG NW, Urteil vom 21. März 1985 - 2 A 1197/84 - (betreffend
Satzungsrecht der Stadt ...), wonach das Gericht die Erhebung von Gebühren für
Fahrbahnreinigung deshalb für zulässig hielt, weil in der Satzung (auch mit
Kraftfahrzeugen befahrbare) Stichstraßen und Stichwege zu Wohngrundstücken, die
keine Aufteilung in Fahrbahn und Gehweg aufwiesen, im Sinne des Satzungsrechts
Gehwegen gleichgestellt wurden; vgl. andererseits den vom Verwaltungsgericht
zitierten Beschluß OVG NW vom 14. März 1986 - 2 B 280/86 -, KStZ 1986 S. 175,
wonach bei der Übertragung der Reinigung von - dem Kraftfahrzeugverkehr
offenstehenden Flächen Gebühren für Fahrbahnreinigung nicht erhoben werden
dürfen,</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">schließt sich der erkennende Senat diesem Rechtsstandpunkt nicht an. Schließlich
muß es die Gesamtheit der Gebührenpflichtigen bei der nach §3 StrReinG, §6 KAG
erfolgenden Umlage der Kosten der Straßenreinigung hinnehmen, daß sich wegen der
Gebührenfreiheit der reinigungspflichtigen Anlieger - soweit sie besteht - die
Gebührensätze erhöhen, obwohl der Wert der Reinigungsleistungen als solcher im
Einzelfall die Freistellung nicht rechtfertigen könnte. Eine zusätzliche, über die
dargestellten "Ungerechtigkeiten", die im Rahmen des Gestaltungsermessens des
Gesetzgebers als Vereinfachungen aus Gründen einer praktikablen
Gebührenerhebung mit Artikel 3 Abs. 1 GG vereinbar und deshalb hinzunehmen sind,
hinausgehende Freistellung nicht reinigungspflichtiger Eigentümer von Gebühren, die
sich durch eine räumliche Aufteilung derselben Reinigung der Straße zwischen
Anliegern und Gemeinde ergeben würde, ist nach dem Gesetz aber schon deshalb
nicht gewollt, weil sich sonst die Gefahr zu weitgehender Typisierung ergeben würde.
Im übrigen ergäben sich sonst auch im Zusammenhang mit §4 StrReinG
Unzuträglichkeiten. Das Recht, die Reinigung auch nur in bezug auf Teilabschnitte der
zu reinigenden Straße zu übertragen, gehört zum wesentlichen Regelungsgehalt des
§4 Abs. 1 StrReinG, wonach die Gemeinden möglichst frei sein sollen, von den
gebotenen Möglichkeiten einer Übertragung der Reinigungspflicht Gebrauch zu
machen. Es kann je nach Interesse der Gemeinde häufig ausgeübt werden und führt
dementsprechend zu einem Sachverhalt, der keinen atypischen Ausnahme- sondern
einen Regelfall darstellt, der in größerer Zahl vorkommen kann. Tritt dieser Fall ein,
würde das die Gefahr mit sich bringen, daß die gebührenpflichtigen Eigentümer durch
eine zu weitgehende Gebührenfreistellung nicht reinigungsplflichtiger Eigentümer
unvertretbar hoch mit den Kosten der Straßenreinigung belastet werden, wenn auch
noch bei der Aufteilung der Reinigung zwischen Gemeinde und Anliegern nach
Teilabschnitten der Straße alle Eigentümer der von ihr erschlossenen Grundstücke
gebührenfrei würden. Diese Folge sollte im Interesse des weiten
Ermessensspielraums bei der Übertragung der Reinigungspflichten der Gemeinde
aber nicht in Kauf genommen werden, da durch §4 StrReinG (insoweit) keine
Einschränkungen der Gebührenpflicht nach §3 Abs. 1 StrReinG beabsichtigt waren.
Dementsprechend sind die nicht reinigungspflichtigen Eigentümer zu Gebühren
heranzuziehen, wenn den Anliegern die Reinigung nur eines Teilabschnitts der Straße
übertragen ist.</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Dieses Ergebnis folgt zusätzlich daraus, daß die Straßenreinigungsgebühr nach
dem Gesetz als Benutzungsgebühr für eine Inanspruchnahme der
Straßenreinigungsanstalt der Gemeinde durch die einzelnen Grundstückseigentümer
ausgestaltet ist. Nach der vom Gesetz gewählten Abgabeart ist bezogen auf die durch
die Straßenreinigung begünstigten Eigentümer eine Gesamtbetrachtung der
Straßenreinigung der Gemeinde gerechtfertigt, in die die Reinigungsleistungen der
Anlieger mit einbezogen sind. Es liegt in der Hand der Gemeinde, inwieweit sie auch
im Interesse der nicht reinigungspflichtigen Eigentümer die ihr selbst obliegende, die
Gebührenerhebung rechtfertigende Reinigung auf die Anlieger überträgt. Auch durch
diese Übertragung vermittelt sie dem nicht reinigungspflichtigen Eigentümer den Vorteil
der Reinigung der sein Grundstück erschließenden Straße und entlastet ihn zugleich
von den dafür sonst entstandenen Kosten. Hiernach ist bei verständiger Auslegung
des Gesetzes nicht einzusehen, weshalb der nicht reinigungspflichte Eigentümer keine
Gebühren zahlen sollte, wenn die Strecke der Straße teilweise von der Gemeinde und
teilweise von Anliegern gereinigt wird. Letztlich stellt die Gebührenfreiheit der
reinigungspflichtigen Anlieger bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der
Straßenreinigung wirtschaftlich die Vergütung dar, die die Gemeinde dafür zu
erbringen hat, daß ihr die reinigungspflichtigen Anlieger (teilweise) die Erfüllung der
nach §1 Abs. 1 StrReinG grundsätzlich nur ihr obliegenden und im Interesse der
Allgemeinheit bzw. - unter dem Gesichtspunkt von Sondervorteilen - der Gesamtheit
der Grundstückseigentümer in den geschlossenen Ortslagen bestehenden
Reinigungspflichten abnehmen. Es liegt auf der Hand, daß den nicht
reinigungspflichtigen Eigentümern eine solche "Vergütung" nicht zusteht.</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">Die Frage, ob etwas anderes gilt, wenn die betreffende Reinigung der Straße
nach teilweiser Übertragung auf die Anlieger nicht mehr im wesentlichen bei der
Gemeinde liegt, bedarf bei der vorliegenden Alternative keiner Klärung, weil die
Fanrbahnreinigung des ... weges im wesentlichen durch die Stadt durchgeführt wird.
Für diese Beurteilung kommt es nicht nur auf den Vergleich der Gesamtlänge und -
fläche aller Stichwege mit der Länge und der Fläche der Fahrbahn des Hauptzuges,
sondern ausschlaggebend auf die hier gegebene Verkehrsbedeutung des Hauptzuges
als "Zubringer" für die Stichwege an.</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">c)</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">Ist nach den vorstehenden Ausführungen eine Gebührenerhebung für die (Teil-
)Fahrbahnreinigung des Mehringweges nicht generell ausgeschlossen, besteht aber
Gebührenfreiheit für die Anlieger dieses Weges, denen die (Fahrbahn-)Reinigung der
Stichwege auferlegt ist. Das ergibt sich im Ansatz schon aus den Überlegungen zur
Bedeutung der Anliegerreinigung als Teil der gesamten gemeindeeigenen
Straßenreinigung und den Vorteilen, die sowohl die Allgemeinheit als auch die
Gesamtheit der gebührenpflichtigen Grundstückseigentümer von der Anliegerreinigung
haben. Da die reinigungspflichtigen Anlieger gerade die gebührenpflichtigen
Grundstückseigentümer von Kosten der Straßenreinigung entlasten, muß im Verhältnis
zu den nichtreinigungspflichtigen Eigentümer vermieden werden, daß die
reinigungspflichtigen Anlieger durch ihre Beteiligung an den Gesamtkosten der
Straßenreinigung doppelt belastet werden, nämlich einerseits mit der Pflicht zur
Reinigung als auch mit Kosten für eine Leistung, an deren Erbringung sie selbst
beteiligt sind. Aber auch die Vorteile, die die Allgemeinheit von ihren
Reinigungsleistungen hat, müssen bei der Gebührenbemessung berücksichtigt
werden. Eine Nichtbeachtung dieser Grundsätze wäre mit Artikel 3 Abs. 1 GG nicht
vereinbar.</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks"> Vgl. zur Problematik der Vereinbarkeit einer Vernachlässigung von
Anliegerleistungen mit Artikel 3 Abs. 1 GG, BVerwG, Urteile vom 25. Mai 1984 - 8 C
55 und 58.82 -, a.a.O., und vom 7. April 1989 - 8 C 90.87 -, sowie Beschluß vom 8.
Dezember 1986 - 8 B 74.86 -.</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Das Straßenreinigungsgesetz sieht für die Berücksichtigung der Anliegerleistungen
im Verhältnis zu den nicht reinigungspflichtigen Eigentümern und der Allgemeinheit
keine weitergehende Differenzierung bei der Umlage der Straßenreinigungskosten vor
als eine Unterscheidung nach den Leistungen verschiedener Reinigungsarten, wie sie
sich insbesondere aus §4 Abs. 1 StrReinG ergeben. Die Möglichkeit einer
Gebührenstaffelung danach, in welchem Umfang Teilabschnitte einer Straße (bezogen
auf dieselbe Reinigungsart) von den Anliegern und von der Gemeinde gereinigt
werden, besteht nicht. Dementsprechend entfällt bei verfassungskonformer Auslegung
des Gesetzes die Gebührenpflicht des reinigungspflichtigen Anliegers insgesamt,
sobald es um die Kosten für diejenige Reinigung geht, an der er selbst beteiligt ist.
Dabei könnte wegen des unterschiedlichen Gegenstandes (Grundstücks), auf den sich
die Gebührenpflicht nach §3 Abs. 1 StrReinG bezieht, eine Einschränkung für den Fall
gelten, daß der betreffende Anlieger Eigentümer mehrerer von der zu reinigenden
Straße erschlossenen Grundstücke ist, ihm Reinigungspflichten aber nicht als Anlieger
aller, sondern nur eines Teils dieser Grundstücke auferlegt sind. In diesem Fall könnte
er nur insoweit von Gebühren frei werden, als es um die Grundstücke an solchen
Straßenabschnitten geht, für die ihm Reinigungspflichten übertragen sind. Der Senat
läßt diese Frage offen, weil es im vorliegenden Fall auf ihre Beantwortung nicht
ankommt, obwohl einiges für die dargestellte Folgerung spricht.</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">Hiernach können von den Klägern für ihr Hausgrundstück auch dann, wenn der ...
weg einschließlich der Stichwege und des Fußweges die erschließende Straße im
Sinne von §3 Abs. 1 StrReinG ist, Straßenreinigungsgebühren nicht erhoben werden,
weil ihnen wegen des Hausgrundstückes die Reinigung des angrenzenden Teils des
Stichweges als Teil der Fahrbahnreinigung des ... weges übertragen worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">Die Berufung hat Erfolg, soweit es um die Erhebung der Straßenreinigungsgebühr
(von 7,56 DM) für das Garagengrundstück der Kläger am ... weg geht. Insoweit hat
das Verwaltungsgericht der Klage zu Unrecht (ohne Begründung) stattgegeben. Die
Gebühr für das genannte Grundstück begegnet keinen Bedenken.</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">Es ist (selbständiger) Veranlagungsgegenstand nach §6 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. §7
GS. Nach §7 GS ist Grundstück im Sinne der Satzung unabhängig von der Eintragung
und Bezeichnung im Liegenschaftskataster und im Grundbuch jeder
zusammenhängende Grundbesitz, der eine wirtschaftliche Einheit bildet. Danach ist
das Garagengrundstück selbständiges Veranlagungsobjekt, weil es mit dem
Hausgrundstück der Kläger nicht "zusammenhängt". Die nach dem Satzungsrecht
gebotene (selbständige) Veranlagung beider Grundstücke, ist im Ergebnis, worauf es
maßgeblich ankommt, auch mit dem Grundstücksbegriff des §3 Abs. 1 StrReinG
vereinbar. Nach dieser Bestimmung kommt es für die Gebührenerhebung nicht auf den
sogenannten wirtschaftlichen Grundstücksbegriff, sondern auf das Buchgrundstück
an.</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks"> Vgl. dazu grundsätzlich das Urteil des Senats vom 31. August 1989 - 9 A 79/89
-.</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">Die Voraussetzungen für eine Gebührenpflicht der Kläger nach §6 Abs. 1 Nr. 5
und auch §5 Abs. 1 Nr. 6.1 GS liegen auch im übrigen vor. Der Hauptzug des ...
weges ist eine das Grundstück erschließende öffentliche (eigenständige) Straße im
Sinne von §3 Abs. 1 StrReinG, für die die Stadt durch die Fahrbahnreinigung die
Reinigungsleistung erbringt, für die nach §5 Abs. 1 Nr. 6.1 GS Gebühren erhoben
werden. Das Grundstück wird einerseits wegen der dorthin bestehenden
Zufahrtmöglichkeit durch den vom Hauptzug des ... weges abzweigenden Stichweg
erschlossen, von dem aus der Garagenhof, zu dem die Garage gehört, befahren
werden kann. Es wird aber auch vom Hauptzug des ... weges selbst erschlossen und
kann deshalb insoweit Gegenstand einer Gebührenveranlagung sein, weil die
Eigentümer eines Grundstückes, das von mehreren Straßen erschlossen wird, für die
Reinigung jeder dieser Straßen gebührenpflichtig sind. Das Grundstück grenzt mit
seiner Rückseite an den Hauptzug an, hat von hier aus zumindest - unbeschadet der
Bebauung des Grundstückes mit der Garage - eine fußläufige Zugangsmöglichkeit und
dementsprechend von der Fahrbahnreinigung des Hauptzuges des weges auch
(uneingeschränkt) die für die Gebührenpflicht maßgeblichen Vorteile. Hinsichtlich der
Fahrbahn des Hauptzuges des ... weges sind den Anliegern und damit auch den
Klägern Reinigungspflichten nicht übertragen.</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">Die Gebühr ist auch zutreffend ermittelt worden. Sie weist bei ihrer Berechnung
nach einem Gebührensatz von 2,52 DM (§5 Abs. 1 Nr. 6.1 GS) für Fahrbahnreinigung
und der nach §4 Abs. 6 GS zugrundegelegten Bemessungslänge von 3 m und auch
sonst keine Fehler auf. Nach §4 Absätze 1 und 2 GS ist die Gebühr zwar
grundstäzlich nach der Frontlänge bzw. der Länge der der Straße zugewandten
Grundstücksseite zu berechnen, was hier nicht geschehen ist. Für Garagen und
Stellplätze, die auf besonderen, zur Errichtung von Garagen und Stellplätzen
gebildeten Grundstücken liegen, wird die Gebühr nach §4 Abs. 6 GS aber
abweichend von §4 Absätze 1 und 2 pauschal nach einem Gebührensatz berechnet,
der dem Satz für eine Grundstücksfrontlänge von 3 m entspricht. Die insoweit
vorliegende Modifizierung des "Frontlängemaßstabes" enthält eine im Ermessen des
Satzungsgebers zulässige Vereinfachung und Typisierung. Fehler, die sich zum
Nachteil der Kläger auswirken könnten, sind auch beim Gebührensatz nicht
festzustellen. Zwar spricht nach dem, auf die frühere Rechtsprechung des Gerichts
gestützten Rechtsstandpunkt des Beklagten, daß die Eigentümer von Grundstücken,
die von Wohnwegen im Sinne des Satzungsrechts erschlossen werden, auch dann zu
Gebühren für Fahrbahnreinigung herangezogen werden könnten, wenn die Wege mit
Kraftfahrzeugen befahrbar sind, weil es nur auf die Reinigung des "Hauptzuges" der
Erschließungsstraße und auf den baurechtlichen Erschließungsbegriff ankomme,
dafür, daß bei der Gebührenkalkulation die "gebührenrelevanten Veranlagungsmeter"
zu hoch angesetzt worden sind. Es dürften dabei nämlich auch die dem Hauptzug der
Erschließungsstraße im baurechtlichen Sinne zugewandten Seiten der Grundstücke an
Wohnwegen, für die nach den dargelegten Grundsätzen Gebühren nicht erhoben
werden dürfen, als Bemessungslängen berücksichtigt worden sein. Dieser Fehler führt
aber zu keinem Nachteil für die Gebührenpflichtigen. Wären die diesbezüglichen
Längen der Grundstücke als zu berücksichtigende "Veranlagungsmeter" außer
Betracht geblieben, hatte sich der Gebührensatz nicht ermäßigt, sondern erhöht. Der
Gebührenausfall, der in Ansehung der Gebührenfreiheit von Grundstücken an
Wohnwegen, deren Reinigung Fahrbahnreinigung ist, eintritt, geht ausschließlich zu
Lasten der Stadt, nicht der Gebührenschuldner. Gründe, den Gebührensatz wegen
einer fehlerhaften Willensbildung des Satzungsgebers bzw. des Rates der Stadt als
Beschlußorgan für nichtig bzw. nicht anwendbar zu halten, bestehen nicht.</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks"> Vgl. dazu im einzelnen Urteil des Senats vom 12. April 1989 - 9 A 254/87 -
.</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus §155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Revision war
nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §132 VwGO für die Zulassung der
Revision nicht vorliegen.</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
315,166 | ag-dusseldorf-1989-12-08-28-c-56888 | {
"id": 653,
"name": "Amtsgericht Düsseldorf",
"slug": "ag-dusseldorf",
"city": 413,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 28 C 568/88 | 1989-12-08T00:00:00 | 2019-03-13T14:48:07 | 2022-10-18T15:08:57 | Urteil | ECLI:DE:AGD:1989:1208.28C568.88.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>hat das Amtsgericht Düsseldorf</p>
<p>auf die mündliche Verhandlung vom 17.11.1989</p>
<p>durch die Richterin am Amtsgericht X</p>
<p></p>
<p>für R e c h t erkannt :</p>
<p></p>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern</p>
<p>als Gesamtschuldner auferlegt.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Tatbestand</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte ist Mieterin einer Wohnung der Kläger aufgrund eines</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">schriftlichen Mietvertrages vom 01.10.1968. Unter § 8 des</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Mietvertrages ist vereinbart, daß der Mieter alle Schönheits-</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">reparaturen in bestimmten turnusmäßigen Abständen auf seine</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Kosten durchzuführen hat.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 07.07.1988 forderten die Kläger die Beklagte</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">auf, ihrer Verpflichtung zur Durchführung von Schönheits-</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">reparaturen nachzukommen. Der Kläger zu 1) beauftragte einen</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Malermeister, zunächst Diele, Küche und Bad in der Wohnung</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">der Beklagten fachmännisch zu renovieren. Die Beklagte lehnte</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">die Durchführung der Arbeiten ab.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 08.08.1988 kündigten die Kläger das Mietver-</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">hältnis fristlos, hilfsweise fristgemäß.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Kläger behaupten, die Beklagte sei ihrer Verpflichtung</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">die Wohnung ordnungsgemäß instandzuhalten und innerhalb der</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">vertraglich vereinbarten Fristen Schönheitsreparaturen aus-</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">zuführen, nicht nachgekommen. Die Wohnung sei restlos verkommen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Es sei ein Substanzverlust zu befürchten.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Kläger beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:78px">die Beklagte zu verurteilen, die von ihr inne-</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:78px">gehaltene, im Untergeschoß des Hauses X</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:78px">in Y gelegene Wohnung, be-</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:78px">stehend aus einer Küche, einer Diele, einem Bad</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:78px">und einem Wohnschlafzimmer, sowie einem Freisitz</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:78px">zu räumen und an die Kläger herausgzugeben,</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:78px">hilfsweise,</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:78px">die Beklagte zu verurteilen, die vorstehend be-</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:78px">schriebene Wohnung zum 31. Oktober 1989 zu räumen</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:78px">und an die Kläger herauszugeben.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">die Klage abzuweisen, hilfsweise, ihr eine ange-</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">messene Räumungsfrist zu gewähren.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Sie behauptet, die Wohnung befinde sich in einem guten Zustand.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Sie sei ganztätig berufstätig und halte sich in der Wohnung</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">nur sehr selten auf, da sie auch häufig bei einem Bekannten sei,</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">der eine große Wohnung besitze. vor ca. 5 Jahren hätte sie in</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">der ganzen Wohnung Schönheitsreparaturen durchführen lassen.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die Wohnung befinde sich in einem ordnungsgemäßen Zustand.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Sie habe sogar Wasserschäden im Bad beseitigen lassen, obwohl</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">dies Sache der Kläger gewesen wäre.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Das Gericht hat Beweis erhoben.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Insoweit wird Bezug genommen auf das Gutachten Blatt 112 bis</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">115.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks"><u>Entscheidungsgründe</u></p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Die Kläger können von der Beklagten nicht Räumung</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">und Herausgabe der Wohnung verlangen, weil sowohl die frist-</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">lose als auch die fristgemäße Kündigung unbegründet sind.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Die Voraussetzungen der §§ 553, 554 a BGB, die allein eine</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">fristlose Kündigung begründen könnten, liegen nicht vor.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Unstreitig hat die Beklagte zwar die vertraglich vereinbarten</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Fristen für die Durchführung von Schönheitsreparaturen nicht</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">eingehalten. Hierin ist jedenfalls dann keine erhebliche Ver-</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">tragsverletzung, die eine fristlose Kündigung begründen könnte,</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">zu sehen, wenn die Wohnung sich gleichwohl in einem normalen</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Zustand befindet und ein Substanzverlust nicht zu befürchten</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">ist. Durch das eingeholte Sachverständigengutachten ist bewiesen,</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">daß die Wohnung zwar nicht neu renoviert ist, sich jedoch in</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">einem normalen ordentlichen Zustand befindet und von einem</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Substanzverlust nicht ausgegangen werden kann. Gebrauchs-</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">spuren wie z. B. leichte Flecken an Tapeten sind normal und</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">begründen keine Verpflichtung, sofort eine Renovierung durch-</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">führen zu lassen.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Aber auch die fristgerechte Kündigung gemäß § 564 b Abs. 2</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Ziffer 1 BGB ist unwirksam. Aufgrund der durchgeführten</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Beweisaufnahme kann nicht festgestellt werden, daß die</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Klägerin ihre vertraglichen Verpflichtungen nicht unerheblich </p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">verletzt. Dem Gutachten ist zu entnehmen, daß sich die</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Wohnung in einem ordentlichen und nicht verwohnten Zustand</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">befindet. Wenn die Beklagte die Fristen zur Durchführung von</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Schönheitsreparaturen nicht einhält, so handelt es sich dabei </p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">nur um eine unerhebliche Vertragsverletzung, soweit der Zustand</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">der Wohnung Schönheitsreparaturen nicht dringlich macht.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Die vereinbarten Fristen können auch nicht als starre Regel</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">gelten. Insoweit wird immer zu berücksichtigen sein, wer die</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Wohnung bewohnt und wie er sie bewohnt. So macht es einen</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Unterschied, ob sich viele Personen häufig in der Wohnung</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">aufhalten oder ob, wie im vorliegenden Fall, die Beklagte die</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Wohnung allein bewohnt und darüber hinaus infolge ihrer Berufs-</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">tätigkeit sich nicht ganztägig in der Wohnung aufhält. Eine</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">solche Wohnung wird in einem erheblich geringeren Maße abge-</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">nutzt, so daß es keine erhebliche Vertragsverletzung dar-</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">stellt, wenn die vorgeschriebenen Fristen überschritten werden.</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">§ 708 Ziffer 11 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">Streitwert: 3.068,88 DM.</p>
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315,167 | olgham-1989-12-04-32-u-22388 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 32 U 223/88 | 1989-12-04T00:00:00 | 2019-03-13T14:48:09 | 2022-10-18T15:08:57 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1989:1204.32U223.88.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Bochum 20. September 1988 abgeändert.</p>
<p></p>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Anschlußberufung des Klägers wird zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p>Die Beschwer des Klägers liegt unter 40.000,-- DM.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b> Entscheidungsgründe </b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Kläger kann von dem Beklagten Zahlung von 7.920,-- DM als Entgelt für die Überlassung von 22 Hotelbetten in seinem Hotel in xxx in der Zeit vom 14. bis 31. Mai 1988 nicht verlangen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Vertrag der Parteien vom 22. November 1987 enthält keine Anspruchsgrundlage. Der Beklagte hat bei dem Kläger nicht 22 Hotelbetten fest bestellt. Verträge sind nach § 157 BGB so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Für die Auslegung kommt es nach § 133 BGB nicht auf den buchstäblichen Sinn eines einzelnen Ausdruckes an; maßgebend ist vielmehr der Gesamtzusammenhang des Vertragstextes sowie der Zweck des Vertrages und die Interessen der Parteien. Der Beklagte betreibt ein Reisebüro; er befördert Busreisegesellschaften und bringt sie in Ferienorten in Hotelzimmern unter. Es kann nicht ernsthaft angenommen werden, daß der Beklagte bei Vertragsunterzeichnung im November 1987 die Entwicklung des Reisegeschäfts nach xxx im Jahre 1988 so sicher voraussehen konnte, daß er für die gesamte Reisesaison 22 Betten fest bestellen und damit eine Verbindlichkeit in Höhe von mehr als 100.000,-- DM übernehmen konnte und wollte. Dies war auch dem Kläger bei objektiver und verständiger Würdigung des Geschäfts klar. Aus der Verwendung des Wortes "Fixbuchung" in Ziffer 2 des Vertrages kann eine feste Bestellung nicht entnommen werden. Der Ausdruck kann nur im Zusammenhang des gesamten Vertrages richtig verstanden werden. In Ziffer 1 des Vertrages verpflichtete sich der Beklagte, das Hotel des Klägers in sein (Busreise-)"Programm aufzunehmen". Der Beklagte verpflichtete sich also, seinen Kunden im Jahre 1988 Reisen in das Hotel des Klägers in xxx anzubieten und hierfür, insbesondere in einem Katalog, zu werben. In Ziffer 2 verpflichtete sich der Kläger, dem Beklagten in seinem Hotel in der Vor- und Hauptsaison zu den im einzelnen genannten Zeiten ein ständiges Kontingent von 22 Betten bereitzuhalten. Der Ausdruck "Fixbuchung" bezieht sich auf das Bettenkontingent und legt dieses zahlenmäßig fest. Ziffer 3 und 4 des Vertrages regeln die Preise der Hotelbetten, für den Fall,: daß die Zimmer in Anspruch genommen werden, und die Abrechnung. Es handelt sich damit um einen in der Reisebranche verbreiteten typischen Hotelreservierungsvertrag (BGH NJW 1977, 385 ff; OLG Frankfurt NJW RR 86, 911 ff; Bartl, Der Hotelreservierungsvertrag, Transportrecht 1982, 57 ff). Dieser Vertrag dient dem Ausgleich der Interessen eines Hoteliers und eines Reiseveranstalters. Der Hotelier hat ein Interesse daran, seine Leistungen mit Hilfe eines Reiseveranstalters zu vertreiben. Der Reiseveranstalter andererseits will seinen Kunden bestimmte Hotelleistungen anbieten und hierfür auf ein Kontingent von Betten in einem bestimmten Hotel zurückgreifen können. Ein Beherbergungsvertrag, der den Reiseveranstalter zur Bezahlung der Hotelzimmer verpflichtet, wird damit noch nicht geschlossen. Der Reiseveranstalter ist lediglich verpflichtet, mit dem Hotelier Beherbergungsverträge abzuschließen, wenn er eine ausreichende Zahl von Bestellungen vorliegen hat. Insoweit ist der Hotelreservierungsvertrag ein Vorvertrag. Als Nebenpflicht ergibt sich für den Reiseveranstalter die Verpflichtung, den Hotelier darüber zu informieren, daß er das Bettenkontingent in Anspruch nimmt. Diese Informationspflicht wird im allgemeinen in einem Hotelreservierungsvertrag im einzelnen ausgestaltet sein, was jedoch bei dem Vertrag der Parteien nicht der Fall ist. Da der Beklagte die Betten für die Zeit vom 14. bis zum 31. Mai 1988 nicht fest bestellt hat, ist er zur Bezahlung des Zimmerpreises von 7.920,-- DM nicht verpflichtet.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Auch ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung des Hotelreservierungsvertrages ist nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Kläger macht insoweit geltend, der Beklagte habe das Hotel entgegen Ziffer 1 des Vertrages nicht in sein Programm aufgenommen. Ein Schadensersatzanspruch aus § 326 BGB ist insoweit nicht gegeben, weil der Kläger es unterlassen hat, dem Beklagten eine Frist mit Ablehnungsandrohung zu setzen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Fristsetzung war nicht entbehrlich. Der Kläger mußte und konnte sich zu Beginn des Jahres 1988, als die Werbung der Reiseveranstalter für das Jahr 1988 begann, davon überzeugen, ob der Beklagte das Hotel in sein Programm aufgenommen hatte; er konnte dem Beklagten eine Frist zur Erfüllung des Vertrages setzen. Sein Interesse an der Vertragserfüllung war in diesem Zeitpunkt noch nicht entfallen. Ob der Beklagte zwei Kunden abgewiesen hat, wie der Kläger behauptet, ist unerheblich, weil der Beklagte nicht verpflichtet war, zwei Kunden nach xxx zu befördern und in dem Hotel des Klägers unterzubringen. Eine Abschlußverpflichtung bestand für den Beklagten nur, wenn er eine größere Zahl von Reisenden zur Verfügung hatte, die eine Busreise rentabel machte. Daß der Beklagte ein solche größere Zahl von Reisenden hatte, die er nicht in dem Hotel des Klägers untergebracht hat, hat der Kläger nicht behauptet.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Auch ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der dem Beklagten obliegenden Informationspflicht besteht nicht. Der Beklagte hat seine Verpflichtung, den Kläger darüber zu informieren, daß er eine ausreichende Zahl von Reisenden für die Zeit vom 14. bis zum 31. Mai 1988 nicht hatte gewinnen können, und daß er deshalb das Bettenkontingent in dieser Zeit nicht in Anspruch nehmen werde, nicht verletzt. Der Beklagte brauchte den Kläger hierüber nicht zu informieren, weil dem Kläger klar war, daß er mit Reisenden im Mai 1988 nicht rechnen konnte. Die Parteien arbeiteten erst seit Herbst 1987 zusammen. Der Kläger ist mit den deutschen Verhältnissen bekannt und wußte, daß im Mai 1988 im Lande Nordrhein-Westfalen keine Schulferien waren und daß keine Reisezeit mit besonderem Interesse für xxx war. Er wußte, daß der Beklagte ihm in der Osterreisezeit im März und April 1988 Kunden nicht hatte schicken können. Da dem Kläger auch bekannt war, daß der Beklagte nur ein kleineres Busreiseunternehmen betreibt, konnte er bei vernünftiger Würdigung der Umstände nicht davon ausgehen, der Beklagte werde in seinem Hotel in der Zeit vom 14. bis 31. Mai 1988 durchgehend 22 Betten belegen. Daß der Kläger damit auch tatsächlich nicht gerechnet hat, ergibt sich daraus, daß er nach seiner eigenen Darstellung für den hier streitigen Zeitraum nur ein einziges Mal durch seinen Sohn hat bei der Beklagten nachfragen lassen. Hätte er mit Reisenden gerechnet, hätte er spätestens einige Tage vor dem 14. Mai bei dem Beklagten nachgefragt. Stattdessen hat er sich mit einem Telefonanruf seines Sohnes, bei dem er keine positive Antwort des Beklagten erhalten hat, begnügt und sich um die Angelegenheit nicht weiter gekümmert. Unter diesen Umständen konnte auch der Beklagte davon, ausgehen, daß es einer genaueren Information des Klägers über den Stand der Buchungen nicht bedurfte. Da der Kläger nach seinem eigenen Vortrag die Hotelbetten in der Zeit vom 14. bis 31. Mai 1988 nicht anderweitig vermieten konnte, ist ihm auch kein Schaden entstanden. Die Vorhaltekosten kann er als Schaden nicht ersetzt verlangen, weil die Bereithaltung der Hotelbetten nach dem Vertrage seine Verpflichtung und damit grundsätzlich sein wirtschaftliches Risiko ist.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Ziffer 10 ZPO.</p>
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315,168 | olgk-1989-12-02-16-w-11589 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 16 W 115/89 | 1989-12-02T00:00:00 | 2019-03-13T14:48:10 | 2022-10-18T15:08:57 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1989:1202.16W115.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluß der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 15.08.1989 - 3 0 301/89 - wird zurückgewiesen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Gründe:</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat die Erfolgsaussichten für eine Klage, die auf Zahlung von mehr als 5.000,-- DM gerichtet ist, zu Recht verneint.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Es erscheint äußerst unwahrscheinlich, daß der Kläger dem Beklagten zu 1) ein Verschulden an dem Verkehrsunfall wird nachweisen können, das nur dann gegeben wäre, wenn dieser bei Rotlicht in den Kreuzungsbereich eingefahren wäre. Unmittelbare Unfallzeugen stehen nicht zur Verfügung. Zwar behauptet der Kläger, ein hinter ihm Fahrender C-Fahrer habe erklärt, die alleinige Schuld an dem Unfall treffe den Beklagten zu 1), weil er, der Kläger, noch bei Gelblicht in die Kreuzung gefahren sei. Der C-Fahrer war nach Eintreffen der Polizei verschwunden; der Kläger will aber dessen Äußerung gegenüber der Polizei wiederholt und der Beklagte zu 1) soll im Gespräch bestätigt haben, daß der Zeuge die behauptete Äußerung abgegeben habe. Hierfür hat der Kläger die beiden Polizeibeamten als Zeugen benannt. Zwar ist dieser Vortrag entgegen der Ansicht des Landgerichts an sich schlüssig. Daß er sich auch wird beweisen lassen, erscheint aber höchst unwahrscheinlich. Der Beklagte zu 1) ist dem Vortrag des Klägers von Anfang an entgegengetreten, indem er behauptet hat, der Kläger sei an der <span style="text-decoration:underline">vorhergehenden</span> Ampel bei Gelblicht weitergefahren, während der C-Fahrer dort angehalten habe; die Ampelschaltung sei so, daß der Kläger an der Unfallkreuzung "Rot" gehabt haben müsse. Hätte er tatsächlich gegenüber den Polizeibeamten eingeräumt, daß der unbeteiligte Zeuge ihn als Rotfahrer bezeichnet hatte, hätte nichts näher gelegen, als daß der den Unfall aufnehmende Polizeibeamte dies in seiner Anzeige vermerkt hätte, weil dieses Zugeständnis einen bedeutsamen Hinweis auf sein Verschulden enthalten hätte. Die angebotene Vernehmung der Polizeibeamten verspricht aus heutiger Sicht kaum Erfolg. Erfahrungsgemäß vermögen sich Polizeibeamte, die ständig mit Verkehrsunfallsachen befaßt sind, nach so langer Zeit</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">an einzelne Äußerungen, die bei der Aufnahme eines Unfalls mit verhältnismäßig geringen Folgen gefallen sind, nicht mehr <em>zu</em> erinnern, zumal wenn diese nicht einmal in die Anzeige Eingang gefunden haben. So wird es aller Voraussicht nach auch hier sein. Im Prozeßkostenhilfeprüfungsverfahren ist eine Abschätzung des voraussichtlichen Ergebnisses einer Beweisaufnahme zulässig.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Falls sich ein Verschulden des Beklagten zu 1) nicht beweisen läßt, bleibt es bei einer hälftigen Schadensteilung, da die Betriebsgefahr beider Fahrzeuge gleich hoch zu bewerten ist. Der hälftige Schaden beträgt nach dem Vortrag des Klägers weniger als 5.000,-- DM.</p>
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315,169 | olgham-1989-12-01-20-u-11389 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 20 U 113/89 | 1989-12-01T00:00:00 | 2019-03-13T14:48:12 | 2022-10-18T15:08:55 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1989:1201.20U113.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung der Beklagten wird das am 26. Januar 1989 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund abgeändert.</p>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger war bei dem Metzger ... im Rahmen einer Umschulungsmaßnahme als Auszubildender tätig. Am 15.04.1986 schloß er bei der Beklagten eine Unfallversicherung mit einer Invaliditätssumme von 60.000,- DM ab, die er am 15.05.1986 auf 120.000,- DM aufstockte.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Am 30.05.1986 war der Kläger im Betrieb seines Arbeitgebers damit beschäftigt, nach Darstellung der Beklagten ohne dienstlichen Auftrag, an der vorhandenen schnell laufenden Bandsägemaschine vom Fabrikat Reich Rinderhinterbeine zu durchsägen. Die Sicherheitsvorrichtung des Sägeblattes fehlte schon geraume Zeit. Der Kläger sägte ein ca. 50 cm langes Hinterbein ca. 15 cm vom rechten Ende her an. Nach Darstellung des Klägers geriet er dabei aus unbekannter Ursache mit der rechten Hand vor die laufende Säge. Jedenfalls wurden ihm Mittel- und Zeigefinger und zwei Drittel des Daumens der rechten Hand abgetrennt, wobei jedoch eine Hautbrücke beugeseitig am Mittelfinger stehenblieb. Jeweils das Endglied von Zeige- und Mittelfinger hatte der Kläger sich allerdings schon im Jahre 1982 bei einer ähnlichen Beschäftigung (Zerkleinerung von Fleisch) abgetrennt. Das Rinderbein, bei dessen Durchtrennung nach Darstellung des Klägers der Unfall passiert ist, wurde sichergestellt und zusammen mit der Maschine sachverständig untersucht. Dem Privatgutachter der Beklagten Prof. Dr. ... den diese zusammen mit der Fleischereiberufsgenossenschaft mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt hatte, schilderte der Kläger an der Originalsäge und an dem Originalwerkstück, wie es seiner Meinung nach zu dem Unfall gekommen war. Der Gutachter kam zu dem Ergebnis, daß die dabei demonstierten Handhaltungen den tatsächlich eingetretenen Verletzungserfolg nicht hätten verursachen können. Die denkbaren Handhaltungen seien so ungewöhnlich und atypisch, daß Unfreiwilligkeit ausscheide.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Daraufhin lehnte die Berufsgenossenschaft die Zahlung der beantragten Rente und die Beklagte die Zahlung der ... der Höhe nach unstreitigen Entschädigung von 27.984,- DM, die zuletzt noch mit der Klage geltend gemacht worden waren, ab.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat ein Gutachten des Medizinaldirektors Dr. ... eingeholt, das es sich im Termin hat erläutern lassen. Der Sachverständige hat für möglich gehalten, daß die rechte Hand von der vielleicht glitschigen Beinscheibe abgerutscht und dann in die Säge hineingezogen worden ist und daß ein solcher Vorgang geeignet war, die tatsächlichen Verletzungen herbeizuführen. Das Landgericht hat den Nachweis der Selbstverstümmelung nicht als geführt angesehen und hat deshalb der Klage entsprochen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die rügt die Berufung, mit der die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">abändernd die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat weiteren Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Prof. Dr. ... und Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. ..., das dessen Oberarzt Dr. ... im Termin erläutert hat.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks"><u>Zeuge Prof. Dr. ...</u></p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Es war wohl im November 1986, als mir Herr ... an der Säge mit dem Originalwerkstück seine damalige Arbeit demonstrierte. Ebenfalls anwesend waren noch Herr ... von der Versicherung und Herr .... Herr ... hat zunächst erzählt, wie es damals gewesen war. Er schilderte letztlich, daß alles sehr schnell gegangen sei und daß er genaue Einzelheiten gar nicht berichten könne. Genaueres habe ich damals in meinem Gutachten niedergelegt. Es folgte dann die Rekonstruktion mit dem Originalrinderbein. Dieses lag an drei Punkten auf, nicht an vier Punkten. Es konnte deshalb, wenn auch nur geringfügig, gekippt werden. Das Rinderbein ist genau untersucht worden. Der Knochen war bereits angesägt worden. Weiter rechs war noch ein kleinerer Sägeschnitt. Es waren insgesamt zwei Riefen vorhanden für die beiden möglichen Lagen des Rinderbeins, für jede Lage also eine Riefe. Herr ... zeigte dann seine damalige Handhaltung. Es war ein Klammergriff mit angelegtem Daumen. Er gab an, abgerutscht zu sein. Jedenfalls versuchte er es, den Vorgang in einer solchen Weise zu rekonstruieren.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Auf Fragen:</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die von mir erwähnte Riefe hatte ein vergleichsweise großes Spiel. Der Winkel der beiden Riefen zueinander war gering.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks"><u>Sachverständiger Dr. ...</u></p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Es handelt sich um eine sehr schnell laufende Säge. Das Durchsägen eines Rinderbeines mit seinem starken Knochen dauert nach Auskunft des Arbeitgebers von Herrn ..., was Herr ... ja auch bestätigt, allenfalls drei Sekunden. Finger setzen einen wesentlich geringeren Widerstand entgegen, so daß diese sehr schnell, ja extrem schnell durchgesägt werden können. Wenn Finger in die Säge geraten, hat man also keine Zeit mehr, diese etwa wegen auftretender Schmerzen oder des Erkennens der Gefahr noch zurückzuziehen. Finger werden deshalb sehr schnell durchtrennt, wenn sie in die Säge geschoben werden. Hineingezogen werden sie allerdings nicht. Feststellungen zur Freiwilligkeit oder Unfreiwilligkeit ließen sich deshalb kaum treffen, wenn nicht die beugeseitige Hautbrücke am Mittelfinger feststünde. Wir haben in ... noch einmal Versuche durchgeführt, wie es überhaupt denkbar sein könnte, daß es zu dem tatsächlich eingetretenen Verletzungsbild gekommen ist. Arbeitstypische Handhaltungen scheiden dafür von vornherein aus, weil sonst auch der Mittelfinger, der als erstes angesägt wird, voll durchtrennt worden wäre. Aus den darüber gefertigten Lichtbildern in der Lichtbildmappe des schriftlichen Gutachtens kommen allein die Bilder 11 bis 13 als denkbare Handpositionen für den eingetretenen Verletzungserfolg in Betracht. Die Hand müßte also voll vor dem Werkstück gelegen haben, was eigentlich nur erklärlich ist, wenn sie schon vor Beginn des Sägevorganges da gelegen hat.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Auf Frage von Rechtsanwalt ...:</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Der Knochen war angesägt, wie Prof. ... damals festgestellt hat. Das Fleischstück, das ja auch fotografiert worden ist, ist nicht durchgehend rund, und es ist durchaus denkbar, daß eine Höhlung vorgelegen hat, die einen teilweisen Schutz des Mittefingers ermöglicht haben könnte.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Akten des Sozialgerichts Dortmund s 17 U 117/87 nebst Beiakten lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Sachdarstellung wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Die Beklagte hat nach dem Ergebnis der weiteren Beweisaufnahme vor dem Senat den ihr obliegenden Beweis (§180 a VVG) der Unfreiwilligkeit der Gesundheitsbeschädigung erbracht. Dafür ist nicht der Nachweis einer absoluten oder unumstößlichen Gewißheit für eine Selbstverstümmelung und auch keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich, sondern nur der Nachweis eines für das praktische Leben brauchbaren Grades von Gewißheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne diese völlig auszuschließen (BGH VersR 89, 758, 759).</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat die Überzeugung gewonnen, daß der Kläger sich seine Verletzungen bewußt beigebracht hat. Ein solcher Nachweis ist zwar im allgemeinen sehr schwer zu führen, hier aber deshalb erbracht, weil denkbare Unfallursachen (im Sinne eines unfreiwilligen Geschehens) mit dem tatsächlichen Verletzungserfolg nicht in Übereinstimmung zu bringen sind. So steht zunächst fest, daß der Kläger nicht etwa versehentlich das Rinderbein zusammen mit Fingern und Daumen durch das Sägeblatt geschoben hat, denn sonst müßte ganz ungeachtet, der Tatsache, daß der beim Kläger im Verhältnis zum Mittelfinger längere Ringfinger unverletzt und deshalb weit abgespreizt gewesen sein müsste, jedenfalls auch der vorne liegende Mittelfinger <u>völlig</u> durchtrennt worden sein.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Denkbar ist ferner, daß Sägegut sich beim Sägevorgang dreht und dabei die Hand oder Teile davon gegen das Sägeblatt geraten. Allerdings zieht entgegen den Ausführungen des Sachverständigen Dr. ... das Blatt einer Bandsäge kein Sägegut in sich hinein, es muß vielmehr hindurchgeschoben werden, wie dem Senat auch aus einer Vielzahl anderer Gutachten bekannt ist. Das ändert aber nichts daran, daß beim Umkippen von Sägegut die Finger bereits durch den Kippvorgang gegen das Sägeblatt gedrückt und - bei der sehr schnell laufenden Säge - in Sekundenbruchteilen abgetrennt werden können. Ein solcher Unfallhergang scheidet hier aber aus. Nach den Untersuchungen am Originalwerkstück lag dieses nahezu fest auf, es konnte nur in einem sehr geringen Winkel gekippt werden. Ein solch geringfügiger Kippvorgang ist aber ungeeignet, die Hand zunächst vor das Sägeblatt und dann auch noch durch dieses hindurchzuführen. Damit in Übereinstimmung steht, daß an dem Werkstück neben dem eigentlichen Sägeschnitt, der bis in den Knochen hineingeführt worden war, nur eine im Winkel geringfügig verschobene Riefe festgestellt worden ist. Bei Kippvorgängen erheblichen Ausmaßes, die als Unfallursache insofern allein in Betracht kommen könnten, hätten sich diese auch durch entsprechende Riefen und Spuren am Werkstück bemerkbar machen müssen. Solche liegen aber unstreitig nicht vor. Der Hinweis des Sachverständigen Dr. ..., dem sich das Landgericht angeschlossen hat, daß aus dem Originalwerkstück keine Schlüsse gezogen werden könnten, weil nicht feststehe, daß dieser Schnitt im Zusammenhang mit dem Absägen der Finger erfolgte, ist für den Senat nicht nachvollziehbar, Wenn - dies wäre die Konsequenz - entgegen den eindeutigen Angaben des Klägers das Werkstück mit dem Unfall gar nichts zu tun haben sollte, bleibt nur die Erklärung, daß der Kläger den Finger unmittelbar durch die Säge geschoben hat, er mithin unzweifelhaft vorsätzlich gehandelt hat. Die der Begründung des Landgerichts offenbar zugrundeliegende Auffassung, der Unfall könne beim Sägen eines ganz anderen Rinderbeines oder auch beim Sägen ohne ein Werkstück erfolgt sein, entfernt sich im übrigen vom Sachvortrag der Parteien soweit, daß dies einer Entscheidung nicht zugrundegelegt werden kann.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Denkbar wäre grundsätzich auch, daß der Kläger, wie er gegenüber dem Zeugen Prof. Dr. ... rekonstruiiert hat, beim Sägen des Rinderbeinstückes abgerutscht und dabei in das laufende Sägeblatt geraten ist. Auch eine solche Unfallversion scheidet im konkreten Fall aber aus. Sie ist schon deshalb sehr unwahrscheinlich, weil die rechte Hand dann entgegen der Richtung, in der mit Druck das Werkstück durch das Sägeblatt getrieben wird, nach links vor das Sägeblatt hätte abrutschen müssen, was arbeitsphysiologisch zwar nicht ausgeschlossen sein mag, aber nur schwer vorstellbar ist. Ausgeschlossen ist ein solcher Unfallhergang aber deshalb, weil die einzige Handhaltung, die den tatsächlich eingetretenen Verletzungserfolg, insbesondere die beugeseitige Hautbrücke am Mittelfinger zu erklären geeignet ist, die ist, daß die Hand <u>vor</u> dem Sägegut gelegen hat. Sonst hätte entweder nur der Mittelfinger oder zumindest auch der Mittelfinger vollständig durchtrennt werden müssen, was unstreitig jedoch nicht der Fall war. Ein Abrutschen in eine solche extrem abgewinkelte Lage nach schräg links voll vor das Rinderbein ist aber mit dem vom Kläger behaupteten normalen Sägevorgang kaum zu vereinbaren und praktisch auszuschließen. Denkbar ist eine solche Haltung nur, wenn sie vor Beginn des Sägevorganges eingenommen worden ist. Dabei handelt es sich dann aber um eine typische "Exekutionshaltung", die der Unfreiwilligkeit des Vorgangs widerspricht.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Sonstige Umstände, die einem freiwilligen Geschehen entgegenstehen könnten, sind nicht dargetan. Darauf, daß, was bei Selbstschädigung häufig ist, auch der Kläger wenige Wochen vor dem Unfall eine Unfallversicherung abgeschlossen und diese noch einmal erhöht hatte, kommt es danach ebensowenig an, wie auf die Behauptung der Beklagten, der Kläger habe geäußert, er wolle sich nach Bewilligung einer Rente durch die Berufsgenossenschaft und Zahlung der Invaliditätsentschädigung in die Türkei absetzen.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§91, 708 Nr. 10 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Beschwer des Klägers beträgt 27.984,- DM.</p>
|
315,170 | olgk-1989-11-30-5-u-7189 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 5 U 71/89 | 1989-11-30T00:00:00 | 2019-03-13T14:48:14 | 2022-10-18T15:08:55 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1989:1130.5U71.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung der Beklagten wird das am 22. Februar 1989 verkündete Urteil der</p>
<p></p>
<p>24. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 24 0 548/85 - geändert.</p>
<p></p>
<p>Die Klage wird abgewiesen:</p>
<p></p>
<p>Die Klägerinnen tragen die Kosten des Rechtsstreits.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">der Beklagten ist auch in der Sache selbst begründet.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung des Landgerichts stehen den Klägerinnen aus der bei der Beklagten abgeschlossenen Unfallversicherung aus Anlaß des Todes ihres Ehemannes und Vaters am 11.12.1982 Ansprüche nicht zu. Die Klägerinnen haben den Nachweis des Eintritts des Versicherungsfalles, nämlich eines Unfalles im Sinne der dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (AUB), nicht zu führen vermocht.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">1.) Zwar ist dem Landgericht entgegen der Ansicht der Beklagten darin zu folgen, daß die Klägerinnen die Frist zur gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs (§ 12 Abs. 3 VVG) eingehalten haben.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Frist zur gerichtlichen Geltendmachung des An­spruchs beginnt nach § 12 Abs. 3 Satz 2 VVG erst, nachdem der Versicherer dem Versicherungsnehmer gegenüber den erhobenen Anspruch unter Angabe der mit dem Ablauf der Frist verbundenen Rechtsfolge schriftlich abgelehnt hat. Durch das Ablehnungsschreiben der Beklagten vom 7.2.1984 ist die Frist jedoch nicht wirksam in Lauf gesetzt worden.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Belehrung in dem Ablehnungsschreiben begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, als die Klägerinnen mir darauf verwiesen worden sind, "innerhalb von 6 Monaten nach Zugang dieses Schreibens bei einem ordentlichen Gericht Klage zu erheben". Der Begriff der gerichtlichen Geltend­machung im Sinne von § 12 Abs. 3 Satz 1 VVG geht jedoch weiter als der der Klageerhebung und um­faßt auch die Geltendmachung durch Mahnbescheid, wie dies vorliegend bei einem Anspruch auf Zahlung der Todesfallentschädigung zur Einhaltung der Frist ebenfalls möglich gewesen wäre (vgl. dazu Prölss-Martin, VVG, 24. Aufl. Anm. 6 A, 9 zu §.12 m.w.N.).</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Im übrigen nimmt der Senat wegen der von der Be­klagten im Schreiben vom 11.7.1984 gewährten Fristverlängerung zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug (§ 543 Abs. 1 ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">2.) Nach § 2 Abs. 1 AUB liegt ein Unfall vor, wenn der Versicherte durch ein plötzlich von außen auf seinen Körperwirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsbeschädigung erleidet.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Ein solches Ereignis läßt sich mit der für eine <strong>Verurteilung der Beklagten hinreichenden Sicherheit jedoch </strong>nicht feststellen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks"><strong>a) Nach dem von der Beklagten bestrittenen Vorbringen </strong>der Klägerinnen hat der Versicherte <strong>am Abend des 10.12.1982 ein Tauchtraining absolviert, nach der sechsten Wiederholung einen Kreis­laufzusammenbruch mit Herzrhythmusstörungen erlitten </strong>und ist daran am nächsten Morgen verstorben. Das von außen wirkende Ereignis im Sinne von § 2 Abs. 1 AUB sei darin zusehen, daß der Sauerstoff­mangel und der hydrostatische Druck des Wassers von außen auf den Körper des Versicherten einge­wirkt hätten.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Daran ist richtig, daß das äußere Ereignis im Sinne von § 2 Abs. 1 AUB kein mechanisches zu sein braucht, sondern auch ein chemisches, thermisches oder elektrisches sein kann (Prölss­Martin a.a.O. Anm. 3 a zu § 182). Soweit es die Geltendmachung des Sauerstoffmangels angeht, ist dem Zuführen einer lebensfeindlichen Substanz der Entzug eines lebensnotwendigen Stoffes gleichzu­setzen (vgl. auch OLG München, VersR 1983, 127; Segelflieger in sauerstoffarmer Höhenluft).</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Das Vorliegen eines von außen wirkenden Ereignisses entfällt auch nicht dadurch, daß sich der Ver­sicherte selbst in die betreffende Lage begeben hat. Durch Eigenbewegungen des Versicherten wird das Vorliegen eines Unfalles nicht ausgeschlossen. Auch vom Willen des Versicherten getragene Be­wegungen können zu plötzlichen Einwirkungen von außen führen. Bei einem Unfall im Sinne von § 2 Abs. 1 AUB muß es sich aber um ein äußeres Ereignis handeln, das —nicht willensgesteuert - auch im Ablauf einer willentlich in Gang gesetzten Eigenbewegung des Versicherten auftreten kann und dann zumindest mitursächlich für die Gesundheits­beschädigung wird (BGH r+ s 89, 166 = VersR 1989, 73). Plötzlichkeit des Ereignisses kann nicht deshalb verneint werden, weil der Versicherte nicht unmittelbar nach dem Tauchtraining, sondern erst am nächsten Morgen verstorben ist. Wann aus einem Geschehen im Sinne von § 2 Abs. 1 AUB ein Schaden entsteht, spielt keine Rolle. Unerheblich ist schließlich auch, ob der Versicherte das auf ihn einwirkende äußere Ereignis bei Anwendung der verkehrserforderlichen Sorgfalt hätte vorhersehen können oder müssen (BGH r + s 88, 383 = VersR 1988, 951),</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">b) Die Klägerinnen haben für ihre Behauptung, der Versicherte habe beim Tauchtraining Herzrhythmus­störungen erlitten und danach einen unregelmäßigen Puls aufgewiesen, Beweis angetreten. Der Senat hat davon abgesehen, diesen Beweis zu erheben, weil die Richtigkeit des Vorbringens der Klägerinnen für die Entscheidung unterstellt werden kann.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Selbst wenn man von Herzrhythmusstörungen beim Tauchtraining ausgeht, läßt sich der Nachweis eines Unfalles im Sinne von § 2 Abs. 1 AUB nicht mit der erforderlichen Sicherheit führen, auch nicht nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises. Zwar würden solche Herzrhythmusstörungen im Regelfall den Schluß zulassen, daß sie <em>auf </em>den beim Tauchen ein­wirkenden hydrostatischen Druck und/oder den Sauerstoffmangel zurückzuführen seien. Von einem solchen Regelfall kann angesichts der gesundheit­lichen Besonderheiten des Versicherten jedoch nicht ausgegangen werden.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Der Anscheinsbeweis ist erschüttert, wenn die ernst­hafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs in Betracht kommt. Das ist vorliegend der Fall.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Der Versicherte litt an dem sog. Wolff-Parkinson­White-Syndrom (WPW-Syndrom). Nach dem im ersten Rechtszug erstatteten Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. T existiert bei diesem Krankheits‑bild außer der regulären Verbindung zwischen Herz­vorhöfen und Herzkammern, bestehend aus AV-Knoten und HIS-Bündel, eine zweite Verbindung, über die eine Herzerregung in die Herzkammern geleitet werden kann. Dies kommt beim WPW-Syndrom dann zum Tragen, wenn die beiden Verbindungen mit sehr unter­schiedlichen Geschwindigkeiten leiten. In diesem Fall kann die Erregung vom Sinusknoten über die Muskulatur der Herzvorhöfe laufen und vom AV-Knoten in die Kammern übergeleitet werden und von dort über die zusätzliche Verbindung rückwärts wieder in die Vorhöfe gelangen. Dies kann zu einem ständigen Kreisen der Erregungswelle führen, was sich als Herzrhythmusstörung mit schnellem und/oder unregel­mäßigem Pulsschlag äußert (paroxysmale Tachykardie). Viele Patienten mit WPW-Syndrom haben niemals solche Attacken, andere erleben sie so oft, daß sie therapiebedürftig werden. Die Tachykardien können harmlos sein und nach einigen Sekunden wieder auf­hören, in anderen Fällen sind sie langanhaltend und können sogar zum Tod führen. Gefährdet sind Patienten mit WPW-Syndrom vor allem, wenn sich die Überleitungszeiten in den beiden Verbindungssträngen zwischen Vorhöfen und Kammern ändern oder in einer der beiden Leitungsbahnen ein sog. unidirektionaler Block auftritt, d.h. eine Blockierung der Über­leitung nur in einer Richtung. Die Vagusreizung verlangsamt die Leitung im AV-Knoten, hat aber auf das zusätzliche Bündel im allgemeinen keinen Ein­fluß. Gilt eine Verlängerung der AV-Überleitungs­zeit in der Regel als günstig für einen Patienten mit WPW-Syndrom, so ist es doch vorstellbar, daß im Falle einer schnellen Verkürzung der Leitungszeit, z.B. beim Auftauchen, oder aber durch die Aktivierung zusätzlicher Schrittmacherzentren im Herzen eine kreisende Erregung in Gang kommt, die zu einer langanhaltenden Tachykardien führt.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Ausgehend von dem Vorbringen der Klägerinnen, beim Tauchtraining sei eine Herzrhythmusstörung bei dem Versicherten aufgetreten, hält der Sach­verständige Prof. Dr. T es für sehr wahrscheinlich, wenn auch nicht mit letzter Sicherheit beweisbar, daß diese Herzrhythmusstörung bei vorbestehendem WPW-Syndrom durch die Kreislauf­reaktionen auf Eintauchen und evtl. Temperatur­änderung sowie außerdem durch die spezielle Art des Trainings hervorgerufen worden ist. Im übrigen hat der Sachverständige Prof. Dr. T aufgrund der bei der Leichenöffnung erhobenen Befunde die Todesursache durch akute Herzinsuffizienz bestätigt.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Nach dem im ersten Rechtszug zusätzlich eingeholten Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. L zeigen herzgesunde Patienten jedoch keine letal verlaufenden Herzrhythmusstörungen. Diese lebens­bedrohlichen Herzrhythmusstörungen treten bei Patienten im chronischen Stadium nach Myokard­infarkt, bei Kardiomyopathien, Vitien, bei QT-Syndrom, bei Stoffwechselentgleisungen, bei akutem Myokardinfarkt und bei angeborenen Er­krankungen des Erregungsleitungssystems auf. Da aufgrund der anamnestischen Angaben und des pathologisch-anatomischen Befundes die erwähnten Ursachen überwiegend ausgeschlossen werden können, muß als Ursache der letalen Herzrhythmusstörung nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. I das WPW-Syndrom diskutiert werden.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Unter Berücksichtigung der von den medizinischen Sachverständigen getroffenen Feststellungen hält es der Senat für jedenfalls durchaus möglich, keinesfalls jedoch für ausgeschlossen, daß das bei dem Versicherten vorliegende WPW-Syndrom die Herzrhythmusstörung ausgelöst hat. Das aber ist ein ausschließlich innerer Vorgang und kein von außen auf den Körper des Versicherten wirkendes Ereignis, so daß der Unfallbegriff des § 2 Abs. 1 AUB nicht erfüllt ist. Da die unter § 2 Abs. 2 AUB aufgeführten Erweiterungen des Versicherungs­schutzes ersichtlich nicht in Betracht kommen, ist die Klage somit abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">3.) Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 100 Abs.1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreck­barkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Streitwert für das Berufungsverfahren- und Wert der Beschwer der Klägerinnen: 20.000,-- DM.</p>
|
315,171 | olgham-1989-11-29-10-uf-8088 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 10 UF 80/88 | 1989-11-29T00:00:00 | 2019-03-13T14:48:15 | 2022-10-18T15:08:56 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1989:1129.10UF80.88.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung der Antragstellerin wird das am 12. Januar 1988 verkündete Urteil des Amtsgerichts Recklinghausen teilweise abgeändert.</p>
<p></p>
<p>Der Antrag des Antragsgegners, die Antragstellerin zur Zahlung von Unterhalt für die Zeit nach Rechtskraft der Scheidung zu verurteilen, wird zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Anschlußberufung des Antragsgegners wird ebenfalls zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits bleiben gegeneinander aufgehoben.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten der Berufungsinstanz werden dem Antragsgegner auferlegt.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Von der Darstellung des <b>Tatbestandes</b> wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe</b></p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Berufung der Antragstellerin, mit der sie sich gegen die Verurteilung zur Zahlung von Unterhalt für die Zeit nach Rechtskraft der Scheidung wendet, ist begründet, während die Anschlußberufung des Beklagten, mit der er eine Erhöhung des ausgeurteilten Unterhalts begehrt, unbegründet ist.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Ein Unterhaltsanspruch des Antragsgegners aus §§ 1569, 1572 Nr. 1, 1578 BGB ist nach § 1579 Abs. 1 Nr. 2 BGB ausgeschlossen, weil eine Inanspruchnahme der Antragstellerin grob unbillig wäre, weil der Antragsgegner sich eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen eine nahe Angehörige der Antragstellerin schuldig gemacht hat.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die grundsätzliche Unterhaltspflicht der Antragstellerin ergibt sich aus §§ 1569, 1572 Nr. 2 BGB, wobei sich das Maß des zu leistenden Unterhaltes nach den ehelichen Verhältnissen richtet (§ 1578 BGB). Der Antragsgegner ist nämlich wegen seiner Erkrankung, die schon zum Zeitpunkt der Scheidung (20.05.1988) bestand, nicht in der Lage, durch eigene Erwerbstätigkeit seinen Unterhaltsbedarf voll abzudecken.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die ehelichen Lebensverhältnisse der Parteien wurden durch Erwerbseinkünfte der Antragstellerin in Höhe von monatlich 2.893,- DM und Einkünfte des Antragsgegners, an deren Stelle in den letzten Jahren eine Erwerbsunfähigkeitsrente getreten ist, bestimmt. Die Rente ist am 01.07.1987 von monatlich 1.096,18 DM auf 1.129,48 DM und am 01.07.1988 auf monatlich 1.163,36 DM erhöht worden. Einkünfte, die der Antragsgegner zusätzlich aus dem zwischen den Parteien durchgeführten Versorgungsausgleich zu erwarten hat sind nicht als eheprägend anzusehen ..., denn sie sind erst als Folge der Scheidung der Ehe entstanden.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Unter den gegebenen Verhältnissen wäre wie bei einer Doppelverdienerehe ein Unterhaltsanspruch in der Weise zu bestimmen, daß eine Quote von 3/7 des Unterschiedsbetrages der anrechenbaren Einkommen beider Ehegatte gebildet wird. Ohne Berücksichtigung der von der Antragsgegnerin geltend gemachten Aufwendungen, die ihr anrechenbares Einkommen verringern könnten, errechnete sich auf diese Weise ein Unterhaltsanspruch von rd. 755,- DM bzw. (ab 01.07.1988) von rd. 741,- DM.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Ein Anspruch in dieser Höhe ist jedoch nach § 1579 Nr. 2 BGB ausgeschossen. Der Antragsgegner hat sich nämlich in den Jahren 1981 bis 1983 schwerer vorsätzlicher Vergehen und versuchter Vergehen gemäß § 176 Abs. 1, Abs. 6 StGB gegenüber der am 10. Juli 1969 geborenen Tochter der Antragstellerin, die im Haushalt der Parteien lebte, schuldig gemacht. Unstreitig hat er in der Zeit von Januar 1981 bis Ostern 1982 sexuelle Handlungen von dem 11/12 jährigen Mädchen an sich vornehmen lassen, indem er sich von ihm fast täglich mit der Hand und dem Mund sexuell befriedigen ließ. Im Januar 1983 hat er erneut versucht, das Mädchen zu solchen Handlungen zu veranlassen, was dieses aber ablehnte.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung des Amtsgericht setzt allerdings die Verwirklichung des Tatbestandes des § 1579 Nr. 2 BGB ein schuldhaftes Handeln und damit die Schuldfähigkeit des Täters voraus (vgl. BGH in NJW 1982, 100; OLG Bamberg FamRZ 1979, 505; Palandt-Diederichsen, BGB, 48. Aufl., § 1579 Anm. 3 b). Aufgrund des dazu vom erkennenden Senat eingeholten schriftlichen Gutachtens des Direktors der Klinik für Psychiatrie der Universität ... vom 16. März 1989 ist der Senat aber davon überzeugt, daß der Antragsgegner jedenfalls im Zustand der verminderten Schuldfähigkeit gehandelt hat und deshalb unter Berücksichtigung aller Begleitumstände auch eine nur beschränkte unterhaltsrechtliche Inanspruchnahme der Antragstellerin grob unbillig wäre. Der Sachverständige äußert sich dahin, daß der Antragsgegner im fraglichen Zeitraum zwar nicht in vollem Umfang in der Lage war, das Unrecht der ihm zur Last gelegten Straftaten einzusehen und dieser Einsicht gemäß zu handeln. Zugleich wird aber festgestellt, daß damals eine akute psychiotische Sympthomatik nicht bestand und somit das Einsichts- und Steuerungsvermögen des Antragsgegners nicht völlig aufgehoben war. Der Sachverständige hat einen Zusammenhang zwischen Krankheitsverlauf und Lebenslauf ermittelt, in der Weise, daß der Erkrankung phasenweise aufgetreten ist und in ihrer Entwicklung in engem Zusammenhang mit dem Fortgang der partnerschaftlichen Beziehung stand. ... Während der Ehezeit mußte der Antragsgegner nur im Jahre 1979 für 5 Wochen stationär behandelt werden. Eine deutliche Verschlechterung des Krankheitsbildes mit längeren stationären Krankenhausaufenthalten trat erst nach der Trennung der Parteien Anfang 1983 ein. Die Entwicklung endete schließlich mit der Entmündigung des Antragsgegners wegen Geistesschwäche. Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang ... ein Brief des Antragsgegners an die Antragstellerin vom 4. April 1982, den er nach seinem erneuten Fehlverhalten gegenüber der Stieftochter der Antragstellerin und nachdem Bekanntwerden dieser Tat geschrieben hat. In diesem Brief setzt sich der Antragsteller in vernünftiger und nicht beschönigender Weise mit seinem Verhalten auseinander und bekennt uneingeschränkt sein Versagen. Berücksichtigt man weiterhin, daß er in dem fraglichen Zeitraum noch voll im Berufsleben stand, können keine vernünftigen Zweifel bestehen, daß er ... jedenfalls mit den oben genannten Einschränkungen fähig war, das Unrecht seiner Tat einzusehen und entsprechend zu handeln.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Unter Abwägung aller Umstände ist eine unterhaltsrechtliche Inanspruchnahme der Antragstellerin unter diesen Voraussetzungen grob unbillig, auch wenn der Antragsteller im Zustand der verminderten Zurechnungsfähigkeit gehandelt hat (vgl. BGH in NJW 1982, 100; Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, 2. Aufl., IV Rdn. 314). Dabei ist es unerheblich, daß gegen den Antragsgegner wegen der genannten Taten kein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden ist (vgl. Rolland, EheRG, 2. Aufl., § 1579 Rdn. 9).</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Im Rahmen der Billigkeitsabwägung ist ... zu berücksichtigen, daß sich die Verfehlungen über einen längeren Zeitraum erstreckten 9 sich gegen eine nahe Familienangehörige der Antragstellerin richteten und ... letztlich dazu geführt haben, daß die Ehe gescheitert ist. Als besonders verwerflich ist in diesem Zusammenhang auch anzusehen, daß die Taten unter Ausnutzung der besonderen familiären Situation während Zeiten der Berufstätigkeit der Antragstellerin ... geschehen sind, wobei der Antragsgegner seine Stieftochter stark unter Druck gesetzt hat. Schließlich hat er trotz gegenteiliger Beteuerung nach Aufdeckung der Straftaten seine Versuche zu einem späteren Zeitraum wiederholt und damit zum endgültigen Scheitern der Ehe beigetragen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Gegen die Annahme einer groben Unbilligkeit spricht auch nicht das Verhalten der Antragstellerin nach Bekanntwerden der Handlungen an ihrer Tochter. Wenn sie zunächst versucht hat, die Ehe aufrechtzuerhalten, sogar nach den weiteren Verfehlungen des Antragsgegners Anfang 1983 einen kurzen Urlaub mit ihm verbracht hat und erst sodann zu einer endgültigen Trennung entschlossen war, geschah das offenbar aus Rücksichtnahme gegen den Antragsgegner und kann ihr unterhaltsrechtlich nicht zum Nachteil angelastet werden.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Von besonderer Bedeutung ist schließlich, ... daß der Antragsgegner eine eigene Rente bezieht und somit durch den Unterhaltsausschluß nicht völlig mittellos gestellt wird.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Der Antrag des Antragsgegners auf Zuerkennung von Scheidungsunterhalt war deshalb auf die Berufung der Antragstellerin in vollem Umfang zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 93 a, 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10 ZPO.</p>
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315,172 | olgk-1989-11-29-27-u-11189 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 27 U 111/89 | 1989-11-29T00:00:00 | 2019-03-13T14:48:17 | 2022-10-18T15:08:56 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1989:1129.27U111.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird das am 23. Februar 1989 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 25 O 226/85 - teilweise geändert und wie folgt neu gefasst: </p>
<p>Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin 112.243,25 DM nebst 4% Zinsen aus 90.000,00 DM seit dem 3. September 1985, 4% aus 15.371,85 DM seit dem 23. Juli 1986 sowie 4 % Zinsen aus 6.871,40 DM seit dem 12. Januar 1989 zu zahlen. </p>
<p>Es wird festgestellt, dass der Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der Klägerin alle materiellen Schäden zu ersetzen, die ihr aus der Röntgenkontrastmitteluntersuchung vom 21. Juli 1983 noch entstehen werden, vorbehaltlich des übergangs der Ansprüche auf Sozialversicherungsträger sowie die Rheinische Zusatzversorgungskasse. </p>
<p>Die Berufung des Beklagten zu 1) wird zurückgewiesen. </p>
<p>Hinsichtlich der Kosten der ersten Instanz verbleibt es bei der Entscheidung im angefochtenen Urteil. </p>
<p>Die Kosten des Berufungsverfahrens werden wie folgt verteilt: </p>
<p>Die Klägerin trägt die außergerichtichen Kosten des Beklagten zu 2). </p>
<p>Der Beklagte zu 1) trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 99 %; im übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst. </p>
<p>Die Gerichtskosten tragen die Klägerin zu 1% und der Beklagte zu 1) zu 99 %. </p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. </p>
<p></p>
<p>Dem Beklagten zu 1) bleibt vorbehalten, die Zwangsvollstreckung gegen Si-cherheitsleistung von 125.000,00 DM, die auch durch Bürgschaft der Spar- und Darlehenskasse K. erbracht werden kann, abzuwenden, wenn nicht die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet. </p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Tatbestand</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin suchte im Juli 1983 wegen Schmerzen in der Leiste ihren Hausarzt auf, der sie an ihren Frauenarzt verwies. Dieser überwies die Klägerin seinerseits an den Beklagten zu 2), einen niedergelassenen Arzt für Chirurgie. Der Beklagte zu 2) hielt eine Rektoskopie sowie eine Irrigoskopie (Darm- Röntgenkontrastmitteluntersuchung) für erforderlich. Beide Eingriffe wurden am 21. Juli 1983 durchgeführt. Zunächst nahm der Beklagte zu 2) in seiner Praxis die Rektoskopie vor. Er führte das Gerät 18 cm tief in den Darm ein, dann stellte er eine starke Abwehrreaktion der Klägerin fest und brach die Untersuchung ab. Sie ergab keinen krankhaften Befund. </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Etwa eine Stunde später gegen 13.30 Uhr nahm der Beklagte zu 1), ein im selben Haus praktizierender Radiologe, die Irrigoskopie vor. Zwischenzeitlich hatte die Klägerin in einer nahegelegenen Apotheke ein Medikament abgeholt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Eine langjährig bei dem Beklagten zu 1) tätige Krankenschwester führte bei der Klägerin zunächst das Darmrohr ein. Erst danach kam der Beklagte zu 1) hinzu und begann unter Verwendung eines sogenannten Ballonkatheters mit der Applikation des Kontrastmittels. Alsbald äußerte die Klägerin starke Schmerzen. Der Beklagte zu 1) brach seine Untersuchung daraufhin ab, wobei streitig ist, ob dies schon nach der ersten Schmerzäußerung geschah. Auf dem Röntgenbild stellte der Beklagte zu 1) den Austritt von Kontrastmittel in die Umgebung des Dickdarms fest, worauf er den Beklagten zu 2) hinzuzog. Die Klägerin wurde sodann von einem Bekannten in ein Krankenhaus verbracht, wo sie noch am selben Tag operiert wurde. Dabei wurde eine größere Menge Kontrastmittel sowie Gewebsflüssigkeit aus dem umliegenden Gewebe abgesaugt und ein künstlicher Darmausgang angelegt. Die Klägerin verblieb zunächst bis zum 7. Oktober 1983 möglicherweise auch bis zum 23. Dezember 1983 in stationärer Behandlung. Als Folge der aufgetretenen Entzündung durch den Kontrastmittelaustritt wurden die Nieren der Klägerin in Mitleidenschaft gezogen. In den Jahren 1984 und 1985 befand sie sich mit Unterbrechungen immer wieder in stationärer Behandlung. Am 10. Juni 1985 musste die rechte Niere entfernt werden. Der Klägerin wurde eine Harnleiterhautfistel angelegt. Die noch vorhandene linke Niere ist in ihrer Funktion schwer geschädigt und häufig entzündet, weswegen die Klägerin dauernd auf die Behandlung durch einen Urologen angewiesen ist, den sie mehrmals wöchentlich aufsuchen muss. </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die von der Klägerin angerufene Gutachterkommission bei der Ärztekammer Nordrhein konnte keinen vorwerfbaren Fehler des Beklagten zu 2) feststellen. Dagegen hielt sie einen Behandlungsfehler des Beklagten zu 1) für gegeben, weil er den Ballon des Katheters zu prall aufgeblasen und nicht bei der ersten Schmerzäußerung der Klägerin die Untersuchung abgebrochen habe. Nach den Berechnungen der Kommission soll der Beklagte zu 1) etwa 600 ml Kon-trastmittel einlaufen gelassen haben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid der Gutachterkommission vom 26. Februar 1985 verwiesen (Bl. 40 - 50 d. A.). </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat von den Beklagten als Gesamtschuldnern Ersatz ihrer materiellen Schäden von unstreitig 22.243,25 DM, ein angemessenes Schmerzens- geld, dessen Mindestbetrag sie mit 40.000,00 DM angegeben hat, sowie die Feststellung der Pflicht zum Ersatz künftiger Schäden begehrt. </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Sie hat behauptet, der Beklagte zu 1) habe die Irrigoskopie trotz ihrer erheblichen Schmerzäußerungen nicht sofort abgebrochen, sondern weiter Kon- trastmittel einlaufen lassen, insgesamt mehr als 300 ml, da bei der anschließenden Operation ca. 1 L abgesaugt worden sei. Der Beklagte zu 1) habe sie auch nicht in das nächstgelegene Krankenhaus überwiesen und nicht für den Einsatz eines Rettungswagens gesorgt. Durch die so entstandene Zeitverzögerung seien die Schadensfolgen vergrößert worden. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Schon bei der Durchführung der Rektoskopie durch den Beklagten zu 2) sei es zu einer Darmperforation gekommen. In Anbetracht ihrer Schmerzen bei der Rektoskopie habe der Beklagte zu 2) sie nicht mehr am gleichen Tag zur Röntgenuntersuchung schicken dürfen. </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten. Der Beklagte zu 1) hat behauptet, bei Einführung des Darmrohres habe die Klägerin keine Schmerzen artikuliert. Nach der ersten Schmerzäußerung beim Einlauf des Kontrastmittels habe er seine Untersuchung sofort abgebrochen; bis zu diesem Zeitpunkt seien allenfalls 300 ml Bariumlösung eingelaufen gewesen. Im übrigen könne durch den Ballonkatheter die Hinterwand des Mastdarmes gar nicht verletzt worden sein. Die Klägerin habe aber schon bei der Darmspiegelung durch den Beklagten zu 2) starke schmerzen geäußert, so dass dieser seine Untersuchung sofort beendet habe. Weder der Beklagte zu 2) noch die Klägerin hätten ihn auf die Komplikationen bei der Rektoskopie hingewiesen, anderenfalls hätte er seine Untersuchung nicht an diesem Tag durchgeführt. Schließlich sei es auch der Beklagte zu 2) gewesen, der die Einweisung der Klägerin ins Krankenhaus übernommen habe. </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte zu 2) hat bestritten, die Klägerin bei seiner Untersuchung verletzt zu haben. Die von ihm festgestellte Abwehrreaktion sei normal und lasse nicht auf eine Perforation schließen. Auch habe er nach der Darmspiegelung kein Blut am Rektoskop festgestellt. Er habe der Klägerin auch seinen Befundbericht vom 21. Juli 1983 für den Beklagten zu 2) mitgegeben. </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat - sachverständig beraten - den Beklagten zu 1) zum Ersatz des materiellen Schadens und zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 50.000,00 DM verurteilt sowie dem Feststellungsantrag der Klägerin stattgegeben. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, nach dem Sachverständigengutachten habe der Beklagte zu 1) einen Behandlungsfehler begangen, weil er nicht die bei Verwendung eines als problematisch angesehenen Ballonkatheters größte Vorsicht und Zurückhaltung beobachtet habe. Wegen dessen Verwendung und der vorangegangenen Rektoskopie hätte er nur eine geringe Menge des Kontrastmittels einlaufen lassen dürfen. Tatsächlich habe er 600 ml Kontrastmittel einlaufen lassen. Dies habe wegen der Darmperforation zu einer großflächigen Entzündung im Retroperitoneum geführt; eine kleinere Menge hätte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit geringere Schäden verursacht. Die Klage gegen den Beklagten zu 2) hat das Landgericht mangels eines Behandlungsfehlers abgewiesen. </p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Das Urteil, auf das im übrigen Bezug genommen wird, ist der Klägerin am 10. März 1989 und dem Beklagten zu 1) am 14. März 1989 zugestellt worden. Die Klägerin hat am 10. April 1989, der Beklagte zu 1) am 14. April 1989 gegen das Urteil Berufung eingelegt. Die Klägerin hat ihre Berufung gegen den Beklagten zu 2) in der mündlichen Verhandlung vom 25. Oktober 1989 zurückgenommen. Der Beklagte zu 1) hat nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 28. Juni 1989 seine Berufung am 19. Juni 1989 begründet. </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte zu 1) beanstandet, dass das Landgericht die angebotenen Zeugenbeweise nicht erhoben habe und statt eines Radiologen einen Chirurgen mit dem Gutachten beauftragt habe. Nur ein Radiologe sei ein hinreichend fachkundiger Gutachter und könne aus seiner eigenen Praxis und seinem Erfahrungswissen Stellung nehmen, ohne - wie der Sachverständige Dr. S - hinsichtlich der Verwendung des Katheters auf Literaturangaben angewiesen zu sein. Entgegen der Annahme des Gutachters und des Landgerichts habe er der Klägerin keine 600 ml Kontrastmittellösung eingeführt. Er habe noch nie mehr als 300 ml Kontrastmittel benutzt. Die Klägerin habe ihm auch weder den Untersuchungsbericht des Beklagten zu 2) übergeben noch ihn über die Einzelheiten der Untersuchung unterrichtet. Hätte er hiervon Kenntnis gehabt, insbesondere von den Schmerzempfindungen der Klägerin, hätte er die Untersuchung nicht durchgeführt. Zu Unrecht, so meint er weiter, habe der Sachverständige die Benutzung des verwandten Katheters beanstandet. Er behauptet, es sei un- möglich, mit einem Ballonkatheter den Darm zu perforieren. Er habe die Untersuchung auch sofort nach der ersten förmlichen Schmerzäußerung der Klägerin abgebrochen. Er ist weiter der Auffassung, die Klägerin treffe jedenfalls wegen der unterlassenen Information über die Voruntersuchung bei dem Beklagten zu 2) ein Mitverschulden. Zudem hätte ein sofortiger fachgerechter Transport der Klägerin ins Krankenhaus und eine sofortige Behandlung ihre Beschwerden wesentlich verringert und das jetzige Krankheitsbild vermieden. Für deren Unterlassung treffe die Verantwortung den Beklagten zu 2) . </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Er beantragt, </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">unter Abänderung des angefochtenen Urteils die gegen ihn gerichtete Klage abzuweisen, </p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">hilfsweise </p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Vollstreckungsnachlass zu bewilligen, wobei Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft erbracht werden könne. </p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt, </p>
<span class="absatzRechts">19</span><ol class="absatzLinks"><li>die Berufung zurückzuweisen, </li></ol>
<span class="absatzRechts">20</span><ol class="absatzLinks" start="2"><li>im Wege der Anschlussberufung den Beklagten zu 1) </li></ol>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">zu verurteilen, statt eines Schmerzensgeldes von 50.000,00 DM ein solches in Höhe von mindestens 55.000,00 DM nebst 4% Zinsen seit Klage- zustellung zu zahlen, dessen Höhe jedoch im übrigen in das Ermessen des Gerichts gestellt werde. </p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Sie verteidigt das angefochtene Urteil, soweit das Landgericht den Beklagten zu 1) dem Grunde nach verurteilt hat. Sie meint, er hafte schon wegen mangelnder Aufklärung über die unnötig gefährliche Untersuchungsmethode. Er habe mit ihr kein Wort gewechselt. Wegen des bei der Verwendung eines Ballonkatheters zwar seltenen, jedoch typischen Risikos einer Darmperforation habe aber eine Aufklärungspflicht bestanden. Der Beklagte zu 1) habe auch pflichtwidrig nicht über Behandlungsalternativen aufgeklärt. Bei entsprechender Aufklärung hätte sie der Kontrastmitteluntersuchung nicht zugestimmt. </p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte zu 1) habe auch mehrere Behandlungsfehler begangen. Er habe die bei der Verwendung eines Ballonkatheters besonders gebotene Vorsicht nicht beachtet. Er habe nämlich die Einführung des Darmrohrs seine Hilfskraft vornehmen lassen und den Kontrastmitteleinlauf nicht ständig kontrolliert. </p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Sie ist der Meinung, bei Würdigung aller Umstände sei ihr ein Schmerzensgeld von mindestens 55.000,09 DM zuzubilligen. </p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte zu 1) beantragt, </p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Anschlussberufung der Klägerin zurückzuweisen. </p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Wegen aller übrigen Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst den überreichten Unterlagen, die Krankenunterlagen, auf das Sachverständigengutachten und auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen. </p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe</u></b></p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Nachdem die Klägerin ihre Berufung gegen den Beklagten zu 2) zurückgenommen hat, ist nur noch über die Berufung des Beklagten zu 1) und über die Anschlussberufung der Klägerin zu befinden. </p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung des Beklagten zu 1) ist unbegründet; die zulässige Anschlussberufung der Klägerin hat dagegen in der Sache Erfolg. </p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">1. </p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Dem Beklagten zu 1) sind nach dem überzeugenden Sachverständigengutachten zwei Behandlungsfehler vorzuwerfen. </p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">a) </p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Zwar ist die Verwendung eines Ballonkatheters noch kein Behandlungsfehler. Doch wird in der medizinischen Literatur allgemein von dessen Verwendung abgeraten bzw. seine Anwendung eingeschränkt. Der Sachverständige zitiert hierzu Altaras, den er - vom Beklagten zu 1) unbeanstandet - als hervorragenden Kenner der Radiologie des Dickdarms bezeichnet. Dieser schreibt in seinem im Jahre 1982, also vor der Behandlung der Klägerin, erschienenen Radiologischen Atlas über das zur Kontrastmitteluntersuchung des Darms zu verwendende Darmrohr (Radiologischer Atlas Seite 5) : </p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">"Im Handel finden sich zahlreiche Typen zur Einführung von Barium und zur Luftinsufflation. Einige sind schlecht zu handhaben, wie die aus Gummi her- gestellten; andere sind zweifelsohne auch gefährlich, wie die spitz zulaufenden und die mit einem Sperrballon ausgerüsteten Formen." </p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Auf Seite 28 schreibt dieser Autor in dem Kapitel "Vorsichtsmaßnahme" folgendes: </p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">"Um eine Perforation des Colons zu vermeiden, empfehlen sich folgende Vorsichtsmaßnahmen: Anwendung eines Darmrohres mit einer Doppelkugel, das vom Radiologen und nicht vom Hilfspersonal eingeführt wird; bei diesem Vorgehen wird dieses notwendige Manöver durch den entsprechend ausgebildeten Untersucher nach vorangegangener Inspektion der Perinealgegend durchgeführt. Keine Durchführung eines Kontrasteinlaufs vor Ablauf einer Woche nach vorausgegangener endoskopischer Biopsie. Bei einer schweren Inkontinenz kann man gezwungen sein, eine Sonde mit Sperrballon zu benutzen. Es ist dann jedoch notwendig, das Legen der Darmsonde und die folgende Doppelkontrastuntersuchung mit der größten Sorgfalt und Aufmerksamkeit durchzuführen: </p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">1.) Zunächst muss das Rektum inspiziert werden. </p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">2.) Die Sonde muss mit äußerster Vorsicht platziert werden. </p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">3.) Das Kontrastmittel wird mit größter Vorsicht eingeführt, immer bereit, mögliche Stenosen mit äußerster Zartheit und entsprechend den Drehbewegungen des Patienten zu überbrücken." </p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Altaras beschränkt danach die Verwendung eines Darmrohres mit Ballonsonde wegen seiner Gefährlichkeit auf Patienten mit schwerer Inkontinenz. Eine solche bestand bei der Klägerin nicht. </p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Die Herausgeber Donschke und Koch schreiben in ihrer Publikation: "Diagnostik in der Gastroenterologie", Teil 1, Georg Thieme-Verlag 1979, auf Seite 32 folgendes (zitiert nach dem Sachverständigengutachten): </p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">"Als Darmrohr benutzen wir ausschließlich sterilisierbare weiche Plastik- oder Gummikatheter. Auf die Anwendung aufblasbarer Ballonkatheter verzichten wir auch bei alten und hinfälligen Patienten wegen der erhöhten Perforationsgefahr grundsätzlich." </p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Weiter schreiben die Autoren auf Seite 33 und 34: </p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">"Das Darmrohr wird unter Aufsicht des Arztes soweit eingeführt, dass seine Spitze nur wenig oberhalb des Analkanales liegt." </p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">In einer Abhandlung der Autoren Stark, Henrich und Nutz heißt es u. a. (Aktuelle Chirurgie 21 (1986) Seite 4, zitiert nach dem Sachverständigengutachten): </p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">"Das Risiko einer Perforation beim Colonkonstrasteinlauf lässt sich durch Einhaltung bestimmter Regeln sicher vermindern, jedoch ist es nicht völlig auszuschließen." </p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Weiter unten: </p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">"Vier der fünf Perforationen bei Darstellung des aboralen Schenkels einer Colostomie in unserem Kollektiv erfolgten bei Kontrastmittelapplikation über einen Ballonkatheter, von dessen Verwendung grundsätzlich abzuraten ist, weil es hierbei zu unkontrollierbar hohen Drücken kommen kann." </p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Diese Arbeit ist zwar nach der Behandlung der Klägerin veröffentlicht worden, sie bestätigt jedoch die Auffassung von Altaras sowie von Donschke und Koch, die die Verwendung eines Ballonkatheters als mit einem erhöhten Risiko behaftet ansehen. </p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Wegen seiner Problematik ist das Darmrohr mit Ballonsonde nach den Ausführungen von Altaras von dem entsprechend ausgebildeten Untersucher, also dem Radiologen, nicht aber von dem Hilfspersonal einzuführen. Im Streitfall hat aber unstreitig nicht der Beklagte zu 1), sondern seine Hilfskraft, die Zeugin K , die Einführung vorgenommen. Nach den Ausführungen der Autoren Donschke und Koch ist das Darmrohr unter Aufsicht des Arztes einzuführen. Auch dies ist aber nicht geschehen. Die Einführung geschah auch nicht unter Anleitung oder Beobachtung des Beklagten zu 1) . Wie er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingeräumt hat, kam er vielmehr hinzu, als das Darmrohr bereits lag. </p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Es ist aber als Behandlungsfehler anzusehen, wenn eine nach ihrem Ausbildungs- und Erfahrungsstand zur Vornahme bestimmter Eingriffe in die körperliche Integrität eines Patienten nicht qualifizierte Person solche Eingriffe dennoch übertragen und von ihr ausgeführt werden (BGHZ 88, 248; Steffen, Neue Entwicklungslinien der BGH-Rechtsprechung zum Arzthaftungsrecht, 3. Aufl., Seite 47), insbesondere, wenn dies ohne unmittelbare Überwachung durch den Facharzt geschieht. </p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Ferner war wegen der Problematik des verwendeten Ballonkatheters das Kontrastmittel mit größter Vorsicht einzuführen und außerdem nur in ganz geringer Menge. Dazu bestand um so mehr Veranlassung, als eine Rektoskopie vorangegangen war. Letzteres war dem Beklagten zu 1), wie er im Schriftsatz vom 25. September 1989 einräumt, bekannt. Nach dem Sachverständigengutachten war bei der Rektoskopie eine Perforation mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten, doch können bei einer derartigen Untersuchung kleinste Verletzungen der Darmschleimhaut nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden. Der Beklagte zu 1) musste also mit - wenn auch kleinsten -Verletzungen der Darmwand rechnen, an denen dann bei unvorsichtiger Durchführung der Kontrastmittelröntgenuntersuchung Perforationen auftreten konnten. </p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Dass der Beklagte zu 1) nicht mit größtmöglicher Vorsicht vorgegangen ist, folgt aus der Menge des eingeführten Kontrastmittels. Der Senat hat keine Zweifel, dass die Feststellungen des Sachverständigen zur Menge des eingeführten Kontrastmittels zutreffen. Der Sachverständige hat nicht, wie der Beklagte zu 1) meint, die Berechnung der Kontrastmittelmenge der Gutachterkommission bei der Ärztekammer Nordrhein unkritisch übernommen. Er hat vielmehr nach seinen Angaben anhand der vorliegenden Röntgenaufnahmen die Berechnung noch einmal angestellt und ist zu dem selben Ergebnis wie die Gutachterkommission gekommen. Der Senat hat keinen Anlass, die Angabe des Sachverständigen über die Vornahme einer eigenen Berechnung in Zweifel zu ziehen. Die Berechnungsweise zur Ermittlung der Kontrastmittelmenge ist auf Bl. 9 des Bescheids der Gutachterkommission mitgeteilt. Zwar ist es richtig, dass sich nach der Formel r² x Pi x h und Mindestmaßen von 21 cm bzw. 2,2 cm und Höchstmaßen von 26 cm und 2,2 cm ein Rauminhalt von rund 319 cm³ und rund 510 cm³ errechnet. Der Beklagte zu 1) übersieht aber, dass nach den Röntgenaufnahmen, auf die die Gutachterkommission und der Sachverständige Bezug nehmen, sowohl der aufsteigende Dickdarm in einer Ausdehnung von 21 cm x 5 cm als auch der absteigende Dickdarm in einer Ausdehnung von 26 cm und 4,5 cm <u>prall </u>mit Kontrastmittel gefüllt waren. Kotreste befanden sich nach dem Bescheid der Gutachterkommission nur im aufsteigenden Dickdarm. Setzt man diese Maße in die Formel ein, errechnet sich ein Volumen von rund 412 cm³ und 395 cm³, zusammen von 807 cm³. Rechnet man hiervon 30% ab, verbleiben rund 565 cm³. Da außerdem Kontrastmittel aus dem Darm ausgelaufen ist, hat der Senat keine Zweifel, dass die Berechnungen der Gutachterkommission und des Sachverständigen zutreffen. Nicht nur die Menge des eingeführten Kontrastmittels spricht gegen die Beobachtung der vom Sachverständigen geforderten größtmöglichen Vorsicht, sondern auch die Tatsache, dass nach den Feststellungen der Gutachterkommission, die der Beklagte zu 1) insoweit nicht angreift, der auf- und der absteigende Dickdarm <u>prall </u>mit Kontrastmittel gefüllt war und sich das Darmrohr mit <u>stark </u>aufgeblasenem Ballon im Rektum befand. </p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Unabhängig hiervon kommt es aber nicht einmal darauf an, ob der Beklagte zu 1) 600 ml Kontrastmittelflüssigkeit oder - wie er behauptet - nicht mehr als 300 ml hat einlaufen lassen. Entscheidend ist, dass eine große Kontrastmittelmenge retroperitoneal (hinter dem Bauchfell gelegen) ausgetreten ist, wodurch eine großräumige und breitflächige Entzündung im Retroperitoneum entstehen musste. Der Beklagte zu 1) hätte aber nach den Ausführungen des Sachver- ständigen als Vorsichtsmaßnahme zunächst eine kleine, eher unbedeutende Menge Kontrastmittel verwenden müssen. Bei rechtzeitigem Bemerken des Austritts, wozu der Beklagte zu 1) nach dem Gutachter die Möglichkeit hatte, wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der eingetretene Schaden nicht entstanden. </p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Zu Unrecht meint der Beklagte zu 1), das Gutachten der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein vom 26. Februar 1985 und vom 11. September 1985 dürfe zu Beweiszwecken nicht herangezogen werden. Gutachten der Gutachter- und Schlichtungsstellen können durchaus im Wege des Urkundenbeweises gewürdigt werden (BGH VersR 1987, 1091; Steffen, a. a. 0. , S. 136). </p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Der Behauptung des Beklagten zu 1), er habe auf keinen Fall mehr als 300 ml Kontrastmittel einlaufen lassen, braucht der Senat mangels hinreichender Substantiierung nicht nachzugehen. Angesichts der auf den Röntgenaufnahmen zu sehenden und der daraus zu errechnenden Kontrastmittelmenge, gegen die der Beklagte zu 1) außer dem unzutreffenden Vorwurf einer unrichtigen Berechnung nichts vorbringt, hätte es der näheren Darlegung bedurft, woher er die Gewissheit nimmt, nicht mehr als 300 ml Kontrastmittel eingeführt zu haben. Die bloße Behauptung, er habe noch nie eine Kontrastmittelmenge über ca. 300 ml, jedenfalls nie 600 ml benutzt, reicht zur Stützung seiner Behauptung nicht aus.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">2. </p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Zur Überzeugung des Senats steht auch hinreichend sicher fest, dass die Einführung des Ballonkatheters und des Kontrastmittels für den Gesundheitsschaden der Klägerin ursächlich war. Eine Perforation der Darmwand bei der Rektoskopie scheidet aus, weil die Klägerin nach der Untersuchung zur Apotheke gegangen ist, um ein Medikament zu holen. Bei einer Perforation der Darmwand wäre sie dazu nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht in der Lage gewesen. Auch der Umstand, dass sich bei dem Ausscheiden des Kontrastmittels einige Tropfen Blut darunter mischten, während sich nach der Untersuchung des Beklagten zu 2) kein Blut zeigte, spricht für die Ursächlichkeit. Der Beklagte zu 1) stellt zwar das Ausscheiden von Blut in der Berufungsbegründung in Abrede. In seinem Schreiben an die Gutachterkommission vom 15. Dezember 1983 teilte er aber mit, die Klägerin habe bei der Entleerung des Kontrastmittels über den Abgang von einigen Tropfen Blut berichtet. Diesem Bericht der Klägerin kommt hoher Beweiswert zu, weil sie die Äußerung unmittelbar nach dem Eingriff gemacht hat und ein Irrtum der Klägerin wegen der weißen Farbe des Kontrastmittels ausgeschlossen erscheint. Auch dürfte die Klägerin damals kaum die Bedeutung dieser Beobachtung erkannt haben, weil sie die Folgen des Zwischenfalls noch nicht absehen konnte. Der Senat ist deshalb von der Richtigkeit dieser Mitteilung überzeugt. Ferner ist zu beachten, dass das Kontrastmittel in den retroperitonealen Raum geflossen ist. Wäre die Perforation bei der Abwehrreaktion der Klägerin anlässlich der Rektoskopie eingetreten - wie der Beklagte zu 1) vermutet -, hätte sich das Kontrastmittel dagegen in die Bauchhöhle ergießen müssen. Denn die Abwehrreaktion der Klägerin erfolgte nach Einführung des Rektoskops in den Darm über eine Länge von 18 cm (Bl. 39 d. A.) .Die Perforation des Darms in dieser Tiefe hätte - wie der Sachverständige ausführt - eine Öffnung zur Bauchhöhle geschaffen. Da diese von dem retroperitonealen Raum durch das Bauchfell getrennt wird, konnte sich ausbreitendes Kontrastmittel nicht aus der Bauchhöhle in den retroperitonealen Raum gelangen. </p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Bei der Frage nach der Ursache der Perforation kann schließlich nicht außer Betracht bleiben, dass der Beklagte zu 1) ein nach den Ausführungen des Sachverständigen ohne Notwendigkeit nicht ungefährliches Verfahren angewandt hat, das Darmrohr nicht selbst, sondern durch seine - nicht ärztlich ausgebildete - Hilfskraft ohne seine Aufsicht hat ein führen lassen, den Ballon stark aufgeblasen hat und mehr als die zunächst unbedingt erforderliche Menge Kontrastmittel hat einlaufen lassen. Alle diese vermeidbar gefährdenden Umstände der Kontrastmitteluntersuchung haben nach der Überzeugung des Se- nats den Gesundheitsschaden der Klägerin verursacht. </p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte zu 1) kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die gesundheitliche Schädigung der Klägerin wäre auch eingetreten, wenn eine geringere Menge Barium ausgelaufen wäre. Insoweit trägt der Beklagte zu 1) die Darlegungs- und Beweislast. Seine Behauptung hat er aber nicht bewiesen. Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, eine kleine, eher unbedeutende Kontrastmittelmenge hätte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch geringere Schäden verursacht. Diese Feststellungen stimmen überein mit den in dem Verfahren 7 U 246/86 (Urteil des OLG Köln vom 18. Januar 1988) gewonnenen Erkenntnissen. </p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">3. </p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Dem Beklagten zu 1) ist ein Verschulden anzulasten. Zwar soll sich nach den vom Sachverständigen zitierten Autoren Stark, Henrich und Nutz das Risiko einer Perforation beim Colon-Kontrast-Einlauf durch Einhaltung bestimmter Regeln vermindern, aber nicht völlig ausschließen lassen. Im Hinblick auf die schwerwiegenden Folgen einer Perforation müssen jedenfalls alle Vorsichtsmaßregeln eingehalten wer den, beispielsweise, dass der ausgebildete Arzt und nicht seine Hilfskraft den Katheter einführt oder aber diese wenigstens bei der Einführung vom Arzt überwacht wird. Die Gefährlichkeit seines Vorgehens musste dem Beklagten zu 1) als Radiologen bekannt sein. Er mag aufgrund seiner Ausbildung und seiner Erfahrung der Meinung gewesen sein, die Verwendung eines Ballonkatheters sei nicht problematischer; als die Verwendung eines anderen Darmrohres. Die vom Sachverständigen mitgeteilten neueren Forschungs- und Behandlungsergebnisse, die in dem zitierten Schrifttum, das im wesentlichen schon vor dem Zwischenfall, nämlich in den Jahren 1979 und 1982, veröffentlicht war, ihren Niederschlag gefunden haben, lassen jedenfalls diese nicht unumgängliche Art der Diagnostik als gefährlicher und mit einem höheren Risiko behaftet erscheinen als man früher angenommen hat. Auf seine Unkenntnis von diesen neueren Ergebnissen kann sich der Beklagte zu 1) nicht mit Erfolg berufen, da er mit der Behandlung der Klägerin die Verantwortung zur Wahrung des medizinischen Standards übernommen hat. </p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">4. </p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Zu Unrecht meint der Beklagte zu 1), der Sachverständige Dr. S sei als Chirurg zur Beurteilung eines Behandlungsfehlers dieser Art nicht kompetent, es hätte der Hinzuziehung eines Radiologen bedurft. Der Sachverständige stützt sich bei seinen Ausführungen über die Gefährlichkeit der<b> </b>Verwendung eines Ballonkatheters auf die wiedergegebenen<b> </b>Schrifttumsstellen, die sämtlich von Radiologen stammen, wobei die Auffassungen der zitierten Autoren im Kern übereinstimmen. Der Beklagte zu 1) vermag auch nichts Erhebliches gegen die Feststellungen des Sachverständigen vorzutragen. Es ist nach den vom Sachverständigen zitierten Autoren schlicht unzutreffend, die Benutzung eines Ballonkatheters als Standard des Spezialisten zu bezeichnen. Ob<b> </b>das für die Vergangenheit zutrifft, kann dahinstehen. Jedenfalls für den Zeitpunkt der Behandlung der Klägerin trifft diese Behauptung nicht zu. Der Beklagte zu 1) vermag auch nicht anhand anderer Schrifttumsnachweise seine Behauptung zu stützen. Es kommt auch nicht entscheidend darauf an, dass der Beklagte zu 1) die Art der Untersuchung in etwa 3000 Fällen ohne Komplikationen durchgeführt hat. Das mag auf seine Erfahrung, sein Geschick oder auch einfach auf Glück zurückzuführen sein, beweist aber nicht die Ungefährlichkeit der Untersuchungsmethode. Im übrigen wird ihm auch nicht schon die Verwendung des Ballonkatheters als solchem als Behandlungsfehler angelastet, sondern die Kombination dieser von mehreren Forschern für den Regelfall verworfenen Methode mit dem Einsatz einer nicht überwachten Hilfskraft und der nicht hinreichend sorgfältigen Dosierung des Kontrastmitteleinlaufs. </p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Der Senat hält die vom Beklagten zu 1) beantragte Einholung eines weiteren Gutachtens nicht für erforderlich, zumal der Beklagte zu 1) außer der Tatsache, dass er selbst über lange Jahre die Methode ohne Zwischenfall angewendet hat, keine sachlichen Einwände gegen die Ausführungen der Forscher vorzu- bringen vermag. </p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Der erstmals in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag des Beklagten zu 1), den Sachverständigen Dr. S zur Erläuterung seines Gutachtens zu laden, ist gemäß §§ 527, 296 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Die Zulassung des Beweisantritts würde die Erledigung des entscheidungsreifen Rechtsstreits verzögern. Auch hat der Beklagte zu 1) die verspätete Stellung des Beweisantritts nicht genügend entschuldigt. </p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">5. Ob der Beklagte zu 1) wegen der in den vom Sachverständigen aufgeführten medizinischen Schrifttumsnachweisen wiedergegebenen Zwischenfallhäufigkeit von zwei bis vier Perforationen auf 10.000 Bariumeinläufe und einer Letalitätsrate, die in der Literatur allgemein mit 50% und mehr angegeben wird, bzw. der schweren Schäden, die sich verwirklichen können, verpflichtet war, die Klägerin entsprechend aufzuklären, braucht nach den vorstehenden Ausführungen nicht entschieden zu werden. </p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">6. </p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte zu 1) meint, die Klägerin habe ihre gesundheitliche Schädigung mitverschuldet, weil sie ihm über ihre Schmerzen bei der Rektoskopie nichts mitgeteilt habe. In der Berufungsbegründung trägt er vor, sie habe ihm auch nicht den Untersuchungsbericht des Beklagten zu 2) überreicht. Der Bericht spreche von starken Schmerzen. Wäre ihm das bekannt gewesen, hätte er von der Untersuchung Abstand genommen. </p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Der Vortrag ist nicht geeignet, ein Mitverschulden der Klägerin zu begründen. Die Klägerin durfte als medizinischer Laie davon ausgehen, der Beklagte zu 1) werde Fragen, soweit wie notwendig, an sie stellen, insbesondere soweit sie für seine Untersuchung erheblich waren. Erheblich war aber zu wissen, ob eine Rektoskopie - wie nicht selten - vorangegangen war, ob dabei Komplikationen aufgetreten waren und ob die Klägerin Schmerzen empfunden hatte. Für die Klägerin war die Erheblichkeit dagegen nicht zu erkennen. Das gilt vor allem dann, wenn sie bei der Rektoskopie infolge der tiefen Einführung des Darm- rohrs lediglich einen kurzen vorübergehenden Schmerz empfunden hat, der mit dem Herausziehen des Rektoskops gleich wieder abklang. Dass die Klägerin unter anhaltenden Schmerzen gelitten hat, trägt der Beklagte zu 1) nicht vor. Dagegen spricht auch die Tatsache, dass sie sich wenig später zur Apotheke begeben hat. </p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Im übrigen ist die Behauptung des Beklagten zu 1) unrichtig, der Untersuchungsbericht des Beklagten zu 2) spreche von starken Schmerzen. Vielmehr ist dort lediglich von einer starken Abwehr die Rede, nachdem das Rektoskop 18 cm hoch eingeführt worden war. </p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">7.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Den Beklagten zu 1) entlastet auch nicht eine etwaige vom Beklagten zu 2) zu vertretende Verzögerung beim Transport der Klägerin ins Krankenhaus. Er haftet für den dadurch entstandenen Schaden ggf. neben dem Beklagten zu 2), mit dem er sich insoweit auseinandersetzen muss.</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">8.</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes stehen die schweren Gesundheitsschäden, die die Klägerin erlitten hat, im Vordergrund. Ihr musste infolge des Behandlungsfehler eine Niere entfernt werden. Die andere Niere ist in ihrer Funktion schwer beeinträchtigt und zusammen mit dem Nierenhohlsystem häufig entzündet. Die Entzündungen sind schwierig zu behandeln. Die Klägerin muss deshalb ernsthaft befürchten, auch die zweite Niere zu verlieren. Als weitere Folge der fehlerhaften Untersuchung musste ein künstlicher Darmausgang angelegt werden, dessen Rückverlegung nicht möglich ist. Der linke Harnleiter musste ausgepflanzt und in die vordere Bauchwand als sogenanntes Urostoma eingenäht werden. Damit ist die Notwendigkeit verbunden, dauernd einen Harnleiterbeutel zu tragen. Der Harnleiterkatheter muss in regelmäßigen Abständen von einem Urologen gewechselt werden. Mit der Anlegung eines künstlichen Darmausgangs und der Harnleiterfistel ging einher der Verlust der Stuhl- und Harnkontinenz. Infolge der Operation haben sich am Bauch der Klägerin Narben gebildet. Als weitere Folge hat die Klägerin am Mittelbauch im Bereich des künstlichen Darmausgangs einen Narbenbruch in der Größe einer dreifachen Männerfaust erlitten. Ihre Beine schwellen infolge der eingeschränkten Nierenfunktion häufiger an. Diese Folgen führten zu einer Erwerbsunfähigkeit der damals 55-jährigen Klägerin und zu einem hochgradigen Verlust jeglicher Leistungsfähigkeit auch im privaten Bereich und zu einer dauernden irreversiblen Behandlungsbedürftigkeit durch einen Urologen. Der Behandlungsfehler erforderte eine Notoperation und einen längeren Krankenhausaufenthalt der Klägerin. In den folgenden zwei Jahren musste sie sich insgesamt 13 mal über insgesamt rund 12 Monate in stationäre Krankenhausbehandlung begeben, das letzte mal vom 22. Mai 1985 bis zum 11. Juli 1985. Seitdem wird sie ständig von ihrem Arzt ambulant behandelt, den sie fast täglich aufsuchen muss. Außerdem kann die Klägerin kaum Freizeitangebote wahrnehmen, keine Urlaubsreisen mehr unternehmen und ist sowohl in der Haushaltsführung als auch in nahezu allen Bereichen gesellschaftlichen Lebens behindert. In nicht all zu ferner Zukunft muss damit gerechnet werden, dass sie in verstärktem Maß als bisher auf fremde Hilfe angewiesen ist. </p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Es kann auch nicht außer acht bleiben, dass die Klägerin seit langem vergebens auf die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes wartet, obwohl schon die Gutachterkommission bei der Ärztekammer Nordrhein mit Bescheid vom 26. Februar 1985 einen Behandlungsfehler des Beklagten zu 1) bejaht und der Sachverständige das Ergebnis in seinem Gutachten vom 25. Mai 1988 bestätigt hat. Die Behauptung des Beklagten zu 1) zu der Menge des eingelaufenen Kontrastmittels zeugt angesichts der Röntgenbilder und der darauf fußenden Berechnung der Kontrastmittelmenge durch die Gutachterkommission und den Sachverständigen von einer gewissen Uneinsichtigkeit des Beklagten zu 1), die es rechtfertigt, diese Einstellung bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen. Der Senat hält danach ein Schmerzensgeld von 90.000,00 DM für gerechtfertigt. </p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">9. </p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Wegen des vom Landgericht zuerkannten materiellen Schadensersatzes und des Feststellungsantrages nimmt der Senat auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug, § 543 ZPO. </p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">Der Zinsanspruch folgt aus §§ 284 Abs. 1, 288 Abs. 1, 291 BGB. </p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97, 515 Abs. 3 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. </p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">Streitwert für das Berufungsverfahren: <b>122.243,25 DM. </b></p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Beschwer für den Beklagten zu 1) : über 40.000,00 DM </p>
|
315,173 | vg-munster-1989-11-29-6-k-97388 | {
"id": 846,
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} | 6 K 973/88 | 1989-11-29T00:00:00 | 2019-03-13T14:48:19 | 2022-10-18T15:08:56 | Urteil | ECLI:DE:VGMS:1989:1129.6K973.88.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="h2 absatzLinks"> T a t b e s t a n d:
Der Kläger erwarb für die Beisetzung seiner im Januar 1987 verstorbenen Ehefrau
das Nutzungsrecht an einer Stelle eines Wahlgrabes auf dem Friedhof B. Mit
Heranziehungsbescheid vom 4. Februar 1987 setzte der Beklagte - u.a.- für diese
Grabstätte eine Gebühr in Höhe von 2.130,-- DM fest. Für das vom Kläger etwas
später erworbene Nutzungsrecht an der zweiten GrabsteIle des Doppelgrabes
setzte der Beklagte mit Heranziehungsbescheid vom 24. Februar 1987 wiederum
eine Grabnutzungsgebühr in gleicher Höhe fest. Gegen die Festsetzung der
Grabnutzungsgebühren in beiden Bescheiden hat der Kläger nach erfolglosem
Vorverfahren Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus, dass die
Gebührenkalkulation nicht ordnungsgemäß erfolgt sei. Unstimmigkeiten bestünden
beispielsweise hinsichtlich der eingestellten Personalkosten. Bei der Abschreibung
gehe der Beklagte vermutlich vom zeitlichen Wiederbeschaffungswert aus,
obgleich die Stadt diese Flächen nicht jeweils erneut erwerben müsse. Zudem sei
nicht nachvollziehbar, wie die Nutzungsdauer angenommen worden sei, zumal die
Nutzungsrechte auf 30 Jahre reduziert worden seien. Diese Frage habe
gleichzeitig Auswirkungen auf die Verzinsungen. Der Zinssatz für Eigenkapital sei
vermutlich niedriger als der für Fremdkapital. Weiter sei nicht nachvollziehbar, wie
die Aufschläge die auf Personal- und Sachkosten und der Grünflächenanteil
ermittelt worden seien. Vor allem aber seien die Kosten für ein Wahlgrab im
Verhältnis zu denen für ein Reihengrab zu hoch. Soweit der Beklagte insoweit den
größeren Verwaltungsaufwand, den höheren Wasserverbrauch, den erhöhten
Flächenbedarf und die
- 3 -
unterschiedliche Ausstattung - unter anderem - geschätzt habe, habe er die
Grenzen zulässiger Schätzung überschritten. Dabei sei zu berücksichtigen, dass
es sich bei dem heutigen "Wahlgrab" um nichts anderes handele als um die
Halbierung des früheren "Doppelgrabes". Auf dem Friedhof B. würden die Gräber
der Reihe nach angelegt. Dabei zeige sich, dass der Unterschied zwischen
Wahlgrab und Reihengrab hinsichtlich des Flächen- und sonstigen Bedarfes nicht
gravierend sei. Gleichwohl müsse heute für ein Wahlgrab mit zwei Stellen das
Doppelte der Gebühr bezahlt werden, die noch im Jahre 1985 für ein Doppelgrab
zu entrichten gewesen sei. Die Flächenzuordnung für die einzelnen Grabformen
sei willkürlich und diene der Subvention der Reihengräber. Es sei nicht
nachweisbar, dass der Flächenbedarf bei einem Wahlgrab, das zudem noch in den
häufigsten Fällen gleich als Doppelgrab vergeben werde, mehr als doppelt so groß
wie bei einem Reihengrab sei. Schließlich sei die Bewertung der Flächen
fragwürdig.
Der Kläger beantragt,
die Bescheide des Beklagten vom 4. und 24. Februar 1987
sowie den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom
23. Juni 1988 insoweit aufzuheben, als darin
Grabnutzungsgebühren in Höhe von jeweils 2.130,-- DM
festgesetzt worden sind.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die Gebührenkalkulation für rechtmäßig und tritt den Ausführungen des
Klägers unter Erläuterung der Einnahmen- und Ausgabenpositionen sowie der
Berechnungsfaktoren im einzelnen entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten
(Beiakten Hefte 1 und 2) sowie des im Termin zusätzlich vorgelegten
Verwaltungsvorganges Bezug genommen.
- 4-
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
Die zulässige Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung
- VwGO -) ist unbegründet. Die Heranziehungsbescheide des Beklagten vom 4. und
vom 24. Februar 1987 - soweit sie angefochten sind - und der hierauf bezogene
Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 23. Juni 1988 sind rechtmäßig und
verletzen deshalb den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Bescheide des Beklagten finden ihre Rechtsgrundlage in den §§ 4 und 6 des
Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (KAG NW) in
Verbindung mit den Bestimmungen der Satzung für die Benutzung der Friedhöfe der
Stadt N. (Friedhofssatzung - BFS -) vom 17. Dezember 1986 (Amtsblatt der Stadt N. -
ABI. -, S. 214) und der Gebührensatzung für die Friedhofseinrichtungen der Stadt N.
(FGS) vom 17. Dezember 1975 (ABI., S. 241) sowie dem zugehörigen Gebührentarif in
der Fassung vom 18. Dezember 1986 (ABI., S. 223). Gemäß § 36 der
Friedhofssatzung erhebt der Beklagte für die Benutzung der Friedhofseinrichtungen
der Stadt N. und für die Inanspruchnahme damit zusammenhängender Leistungen der
Friedhofsverwaltung Gebühren nach Maßgabe der jeweils geltenden
Gebührensatzung. Dabei werden nach laufender Nummer 2 des Gebührentarifs vom
18. Dezember 1986 für ein Wahlgrab je GrabsteIle 2.130,-- DM an Gebühren erhoben.
Anhaltspunkte dafür, die Satzung und insbesondere den Gebührentarif in der in Rede
stehenden Fassung hinsichtlich ihres formellen Zustandekommens in Frage zu stellen,
bestehen nicht. Dem Rat der Stadt N. hat bei Beschlussfassung über die Satzung und
den zugehörigen Gebührentarif eine Gebührenkalkulation
("Gebührenbedarfsberechnung") vorgelegen. Sie ist von ihm - soweit dies überhaupt
für erforderlich gehalten wird (vgl. OVG NW, Urteil vom 12. April 1989 - 9 A 254/87 -) -
billigend zur Kenntnis genommen worden.
- 5 -
Auch in materieller Hinsicht ist die Gebührensatzung in der hier maßgeblichen
Fassung, soweit der vorliegende Rechtsstreit eine Überprüfung gebietet,
beanstandungsfrei.
Hinsichtlich des vom Beklagten in die Gebührenbedarfsermittlung eingestellten
Kostenvolumens ist nicht ersichtlich, dass Positionen, die aus rechtlichen Gründen
nicht hätten eingestellt werden dürfen, eingeflossen sind. Was die vom Kläger
angeführten Personalkosten für den Arbeiter G. betrifft, sind die vom Kläger
gerügten "Unstimmigkeiten" vom Beklagten nachvollziehbar und glaubhaft geklärt
worden. Der Beklagten hat hierzu erläutert, dass die Kostenaufstellung insoweit
bereits vor Erlass der Satzungen bereinigt worden sind. Dies wird bestätigt durch
ein in den Verwaltungsvorgängen des Beklagten befindliches verwaltungsinternes
Schreiben vom 30. Juli 1986, in welchem ausgeführt wird, dass sich die
Kostenseite der Gebührenbedarfsberechnung durch die Verlagerung der
Personalkosten des Herrn G. zu einem anderen Unterabschnitt entsprechend
verringert habe.
Hinsichtlich der Berechnung der kalkulatorischen Abschreibungen der Anlagenteile
durfte der Beklagte nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung vom sogen.
Wiederbeschaffungszeitwert ausgehen. Dies ergibt sich aus den in § 6 Abs.2
Sätze 1 und 2 KAG NW getroffenen - an betriebswirtschaftliche Grundsätze der
Kostenermittlung anknüpfenden - Regelungen.
Vgl. OVG NW, Urteile vom 21. Juni 1979 - 2 A 1628/77 -,
vom 26. Februar 1982 - 2 A 1667/79 - und vom 22. Januar
1988 - 15 A 2874/84 -; VG N., Urteil vom 13. September
1989 - 6 K 433/87 -.
Diese Rechtsauffassung, die den Gemeinden hinsichtlich der Art der Abschreibung
(nach Anschaffungs- und Herstellungswert oder nach
Wiederbeschaffung(Zeit-)wert) einen gerichtlich nicht überprüfbaren
Entscheidungsspielraum einräumt, entspricht auch der herrschenden,
abgabenrechtlichen Literaturmeinung
vgl. etwa: Driehaus, Kommentar zum KAG, § 6 Rdnrn. 153 f.
(181); Bauernfeind/Zimmermann, KAG NW, 2.Aufl., § 6
Rdnr. 22
- 6 -
und ist vom Bundesverwaltungsgericht (vgl. Beschluss vom 25. März 1985 - VIII B
11.54 -, KStZ 1985, s. 129) mit ausführlicher Begründung ebenfalls gebilligt
worden. Von der kalkulatorischen Abschreibung ausgenommen sind die
Bodenflächen, weil insoweit, was auch der Beklagte berücksichtigt hat, keine
Wertminderung durch Alter und Abnutzung eintritt. Die hierauf bezogene Rüge des
Klägers greift schon deshalb nicht durch. Soweit in die Gebührenkalkulation die -
vom Kläger ebenfalls gerügten - kalkulatorischen Zinsen auf der Grundlage - hier -
des Restwertes des betriebsnotwendigen Anlagevermögens eingeflossen sind,
entspricht auch dies der gesetzlichen Regelung des § 6 Abs. 2 Satz 2 KAG NW.
Gegen den angesetzten Zinssatz von 6 % ist nichts zu erinnern; rechnerische
Fehler sind nicht ersichtlich. Soweit der Kläger schließlich einen Ansatz von
413.650,-- DM für die Erstattung von Ausgaben des Verwaltungshaushaltes
angegriffen hat, muss dem ein Missverständnis zugrunde gelegen haben. Denn die
von ihm genannte Summe findet sich nicht unter den Ausgaben des
Betriebsabrechnungsbogens für das Jahr 1985, sondern unter den Einnahmen. Bei
der Erstattung von Ausgaben des Verwaltungshaushaltes handelt es sich um eine
verwaltungsinterne Verrechnung, bei der jeweils - rechnerisch - berücksichtigt wird,
in welchem Umfang andere Ämter für die betreffende Leistung tätig werden. Eine
solche Berücksichtigung ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Vgl. hierzu auch Bauernfeind/Zimmermann, a.a.O., § 6
Rdnr. 21; Dahmen-Driehaus und andere, Kommentar zum
KAG NW, § 6 Rdnr. 27.
Eine entsprechende Position ist auch auf der Ausgabenseite bei der Berechnung
für das Jahr 1985 in Höhe von 66.080,-- DM enthalten. Bei der vom Kläger
aufgeführten, als Einnahme eingestellten Summe handelt es sich demgegenüber
um eine - rechnerisch ermittelte - Position, die dadurch zu erklären ist, dass das
zuständige Amt, nämlich das Gartenbauamt, seinerseits wiederum für andere
Verwaltungseinheiten tätig wird und dies rechnerisch ebenfalls berücksichtigt
werden muss. Die Höhe der einzelnen eingestellten Positionen ist aus dem
Haushaltsplan für die Stadt N. übernommen worden. Dabei sind ausweis-
- 7 -
lich des im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegten Haushaltsplanes
keine Übertragungsfehler unterlaufen.
Auch im Übrigen sind die auf der Ausgabenseite der Gebührenkalkulation
angesetzten Berechnungsposten nicht zu beanstanden. Sie lassen eine
Einbeziehung von aus Rechtsgründen nicht ansatzfähigen Kosten nicht erkennen.
Der Kläger hat auch weiter nichts von Substanz vorgetragen, was die
Angemessenheit der einzelnen Berechnungsposten zweifelhaft erscheinen lassen
könnte.
Gegen die Bewertung der Flächen ist nichts zu erinnern. Land- bzw.
forstwirtschaftliche Flächen werden im Wert - neben Heideland - mit am niedrigsten
eingestuft; darunter liegt allenfalls noch Brach- oder Ödland. Es ist allerdings kein
Grund ersichtlich, warum der Beklagte die Friedhofsgrundflächen als derartig
wertlos einstufen sollte.
Nicht zu beanstanden ist, dass und in welcher Weise der Beklagte die -
voraussichtlich entstehenden - Kosten für das Jahr 1987, die der
Gebührenbedarfsermittlung zugrunde liegen, auf der Grundlage der tatsächlich
entstandenen Kosten aus dem Jahre 1985 geschätzt (hochgerechnet) hat. Eine
solche Schätzung ist grundsätzlich schon deshalb erforderlich, weil die Satzung
Geltung für die Zukunft haben soll und die zukünftig entstehenden Kosten vorab
nicht genau festgestellt werden können.
Vgl. hierzu auch Bauernfeind/Zimmermann, a.a.O., § 6
Rdnr.11.
Die Steigerungsrate von etwa - errechnet - 5,6 % pro Jahr ist als
Prognoseentscheidung jedenfalls nicht zu hoch.
Schließlich ist auch gegen die Höhe des für den sogenannten Grünflächenanteil
vorgenommenen Kostenabzuges nichts zu erinnern. Mit dieser kostenmäßigen
Berücksichtigung eines Grünflächenanteils trägt der Beklagte dem Umstand
Rechnung, dass Friedhöfe generell nicht nur von den Hinterbliebenen als
- 8 -
den eigentlichen Friedhofsbenutzern aufgesucht werden, sondern auch von
anderen Besuchern (Spaziergängern), so dass die Friedhöfe auch wie
Grünanlagen genutzt werden und ihnen damit ein Erholungswert für die
Allgemeinheit beizumessen ist. Konkrete Anknüpfungspunkte dafür, wie hoch
dieser Wert für die Allgemeinheit zu veranschlagen ist, liegen naturgemäß nicht
vor, so dass dieser Anteil geschätzt werden muss. Die Kammer geht davon aus,
dass dem Erholungswert der Friedhöfe im Gebiet der Stadt N. im Schnitt mit einem
Anteil von mindestens 10 % ausreichend Genüge getan ist. Dabei ist insbesondere
die Tatsache zu berücksichtigen, dass gerade dem städtischen Hauptfriedhof mit
dem größten Einzugsgebiet, nämlich dem Waldfriedhof M., trotz seiner
parkähnlichen Gestaltung ein vergleichsweise geringer Erholungswert für die
Allgemeinheit zukommt, weil er sich so sehr weit außerhalb des Stadtgebietes
befindet, dass er von eventuellen Spaziergängern fußläufig gar nicht und mit
öffentlichen Verkehrsmitteln nur mit einer langen Anfahrt zu erreichen ist. Deshalb
ist er als Grünanlage für das Stadtgebiet nicht von Bedeutung. Die
Berücksichtigung von 19 % der zuvor um die kalkulatorischen Kosten bereinigten
Kosten, wie sie der Beklagte eingestellt hat, bedeutet im Ergebnis einen Abzug in
Höhe von 12,5 % der Gesamtkosten. Dieser Anteil ist jedenfalls nicht zu niedrig.
Weist das zugrunde gelegte Kostenvolumen somit keine Fehler auf, so gibt auch
die Zuordnung der Kosten zu den einzelnen Grabarten und damit die Höhe der für
diese Grabarten jeweils vorgesehenen Gebühren keinen Anlass zu
Beanstandungen. Die Rüge des Klägers, die Kosten für ein Wahlgrab seien im
Verhältnis zu denen für ein Reihengrab zu hoch, dringt nicht durch. Die
Gebührenverteilung verstößt nicht gegen das Äquivalenzprinzip oder den
Gleichheitsgrundsatz. Zwar ist die Gebühr für ein Wahlgrab 2,7 mal so hoch wie
die für ein Reihengrab. Dies ist aber nicht rechtswidrig, weil zum einen der für ein
Wahlgrab zu leistende Aufwand den für ein Reihengrab ganz erheblich übersteigt
und zum anderen auch ein Wahlgrab im Verhältnis zu einem Reihengrab dem
Nutzungsberechtigten ganz erhebliche Vorteile bietet. Höherer Aufwand und
größerer Nutzen rechtfertigen die Gebührendifferenz.
- 9 -
Dabei hat der Beklagte in die Gebührenverteilung zunächst zu Recht den größeren
Flächenbedarf für Wahlgräber eingestellt. Der unmittelbare Flächenbedarf für ein
Reihengrab (eine GrabsteIle) beträgt auf den Friedhöfen der Stadt N. ohne
Berücksichtigung der Zwischenabstände (Wegeflächen) gemäß § 14 Abs. 2 Lit. a)
FGS (0,90 m x 2,10 m =) 1,89 qm, unter Berücksichtigung der Zwischenabstände von
umlaufend 0,25 m je GrabsteIle (1,15 m x 2,35 m =) 2,70 qm. Demgegenüber liegt der
unmittelbare Flächenbedarf für ein Wahlgrab ohne Berücksichtigung der zugehörigen
Wegeflächen ca. 25 % darüber; er beträgt gemäß § 15 Abs. 4 FGS (1,20 m x 2,00 m
=) 2,40 qm; unter Berücksichtigung der zwischenliegenden Wegeflächen ist er sogar
fast doppelt so hoch, nämlich (zwischen 3,33 qm und 5,70 qm, also) im Durchschnitt
knapp 5 qm. Der höhere Aufwand für die WahlgrabsteIlen erschöpft sich indes nicht in
dem höheren Flächenbedarf. Weitere Faktoren, die insoweit ins Gewicht fallen, sind
zunächst eine bessere wegemäßige Erschließung der Grabfelder, in welchen sich die
Wahlgräber befinden, und ihre bessere Ausstattung mit Abfallbehältern und
Wasserzapfstellen, vor allem aber die aufwendigere Begrünung des unmittelbaren
Umfeldes dieser Grabfelder. Diese Faktoren führen insgesamt gesehen nicht nur zu
einer weiteren Steigerung des (Gesamt-) Flächenbedarfs für die Wahlgräber, sondern
bringen darüber hinaus auch, bedingt durch den erforderlichen Arbeitsaufwand, einen
höheren Personalbedarf mit sich, weil diese Grünflächen nicht von den
Nutzungsberechtigten, sondern von den Friedhofsarbeitern gepflegt werden. Hinzu
kommt schließlich ein größerer Aufwand bei der Anlage und Verwaltung der
Wahlgräber, der daraus resultiert, dass die Wahlgräber in aller Regel nicht der Reihe
nach vergeben werden können. Auf Grund der (nur) bei ihnen bestehenden
Möglichkeit zur Verlängerung der Nutzungsrechte sowie zur Einflussnahme auf die
Auswahl eines Grabes im Feld werden die einzelnen Wahlgräber zu unterschiedlichen
Zeiten eingeebnet und wieder neu vergeben. Das führt dazu, dass keine einheitliche
Einebnung und Neubelegung eines Wahlgrabfeldes erfolgen kann. Es liegt auf der
Hand, dass dieser Umstand ebenfalls einen größeren Pflege- und
Verwaltungsaufwand zur Folge hat als bei den Reihengräbern. Die Berücksichtigung
dieser Faktoren bei der Gebührenbemessung ist nicht zu beanstanden.
- 10 -
Mit diesem erhöhten Aufwand korrespondieren erhebliche Vorteile für die
Nutzungsberechtigten der Wahlgräber. Sie finden zunächst ein aufwendiger
gestaltetes Umfeld und bequemere Versorgungsmöglichkeiten vor. Hinzu kommen
im Unterschied zu den Reihengräbern die Möglichkeit, in gewissem Umfang auf die
Lage des Wahlgrabes Einfluss zu nehmen (vgl. § 15 Abs. 1 FGS, während das
Reihengrab den Nutzungsberechtigten zugewiesen sind, vgl. § 13 Abs. 5 FGS),
die Gräber im Rahmen der Friedhofssatzung frei zu gestalten und insbesondere,
die Nutzungsrechte nach Ablauf der ersten Ruhefrist zu verlängern. Diese
größeren Vorteile für die Nutzungsberechtigten dürfen ebenfalls bei der
Gebührenbemessung berücksichtigt werden.
Allerdings lassen sich die aufgeführten Faktoren sowohl hinsichtlich des
Aufwandes als auch hinsichtlich der Vorteile nicht ziffernmäßig ermitteln. Bei der
Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Gebührensätze kann deshalb nur darauf
abgestellt werden, ob die Differenz angesichts der geschilderten Faktoren in einem
offensichtlichen Missverhältnis zu der jeweiligen Inanspruchnahme steht und damit
rechtswidrig ist (vgl. § 6 Abs. 3 Satz 2 KAG NW). Das ist nach Auffassung der
Kammer aus den vorstehenden Gründen zu verneinen. Das gilt insbesondere
angesichts des Umstandes, dass es in den letzten Jahren auf den Friedhöfen zu
einem erheblichen Platzmangel gekommen ist, so dass vor allem dem
flächenmäßigen Aufwand ein ganz erhebliches Gewicht beizumessen ist. Auch die
Tatsache, dass die Gebühren für alle Friedhöfe gleich bemessen sind, führt nicht
zu ihrer Rechtswidrigkeit, weil die Friedhöfe der Stadt N. insgesamt als eine Anlage
anzusehen sind.
Die Höhe der Gebühr für eine WahlgrabsteIle ist schließlich - entgegen der
Auffassung des Klägers - auch nicht deshalb rechtswidrig, weil damit etwa der
flächenmäßige und sonstige Aufwand für die Gemeinschaftsgrabstätten für
anonyme Beisetzungen mit abgedeckt würde. Hierzu hat der Beklagte - ohne dass
Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit dieser Aussage besteht - erläutert, dass es
sich dabei nicht im eigentlichen Sinne um Grabgelder handelt, sondern dass die
anonymen Beisetzungen an solchen Stellen erfolgen, die zur Bereitstellung von
GrabsteIlen im herkömmlichen Sinne nicht geeignet sind. Auch erfolge keinerlei
Kenntlichmachung dieser Stellen, die deshalb als Gräber nicht
- 11 -
erkennbar seien. Demgemäss gebe es auch keine Nutzung an diesen Gräbern, weil nämlich
die Hinterbliebenen die Stätten der Beerdigung gar nicht erkennen könnten. Hinzu kommt,
dass im Jahre 1987 nach Angaben des Beklagten keine Beisetzung in einer solchen
Gemeinschaftsgrabstätte stattgefunden hat. Von einer Subventionierung der
Gemeinschaftsgrabstätten durch die von den Nutzungsberechtigten der WahlgrabsteIlen zu
entrichteten Gebühren kann deshalb nicht die Rede sein.
Nach alledem ist die vom Beklagten vorgesehene Gebühr für die Wahlgrabsteilen nicht zu
beanstanden. Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO
abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO.
</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
315,174 | olgham-1989-11-23-2-ws-62689 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
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} | 2 Ws 626/89 | 1989-11-23T00:00:00 | 2019-03-13T14:48:23 | 2022-10-18T15:08:56 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1989:1123.2WS626.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beschwerde wird auf Kosten des Angeklagten verworfen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Dem aus ... stammenden Angeklagten war mit der Anklage vom 18. April 1989 - ... - ein am ... begangenes Vergehen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis vorgeworfen worden. Weiterhin war ihm mit Anklage vom 3. April 1989 - ... - ein Vergehen gegen das Ausländergesetz (Zuwiderhandlung gegen die räumliche Beschränkung der Aufenthaltserlaubnis) vorgeworfen worden.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Durch Beschluß vom 14. Juni 1989 hat das Amtsgericht bzgl. des letztgenannten Verfahrens das Hauptverfahren eröffnet, die Verbindung mit dem bereits zuvor eröffneten weiteren Verfahren angeordnet und - antragsgemäß - Rechtsanwalt ... aus ... als Pflichtverteidiger beigeordnet.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">In der Hauptverhandlung vom 3. Juli 1989 wurde das Verfahren wegen des Vorwurfs des Vergehens gegen das Ausländergesetz gemäß § 154 StPO vorläufig eingestellt und der Angeklagte im übrigen wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 10,- DM verurteilt. Hiergegen hat er Berufung eingelegt, über die noch nicht entschieden ist.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Durch den angefochtenen Beschluß hat der Vorsitzende der - kleinen - Strafkammer gleichzeitig mit der Terminsbestimmung auf den 30. November 1989 "den Beschluß des Amtsgerichts ... vom 14. Juni 1989, wonach Rechtsanwalt ... dem Angeklagten als Pflichtverteidiger beigeordnet wurde, aufgehoben". Zur Begründung hat er darauf hingewiesen, daß bei dem einfach gelagerten Sachverhalt, der jetzt noch allein Gegenstand des Verfahrens sei, bei Mitwirkung eines Dolmetschers in der Berufungshauptverhandlung der Angeklagte in der Lage sei, sich selbst zu verteidigen und auch im übrigen ein Fall der notwendigen Verteidigung im Sinne von § 140 StPO nicht vorliege.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Angeklagten, der der Vorsitzende der Strafkammer nicht abgeholfen hat, kann keinen Erfolg haben.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Das Rechtsmittel ist zulässig; der Zulässigkeit steht nicht die Vorschrift des § 305 StPO entgegen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Zwar haben früher der hiesige 3. Strafsenat (Beschlüsse vom 9. Mai 1985 - 3 Ws 277/85 - = NStZ 1985, 518 und vom 2. März 1987 - 3 Ws 100/87 -) sowie bislang noch ihm folgend der 4. Strafsenat (vgl. Beschlüsse vom 21. Mai 1987 - 4 Ws 271/87 und vom 10. Juni 1987 - 4 Ws 288/87 - = NStZ 1987, 476) die Auffassung vertreten, daß die vom Vorsitzenden des erkennenden Gerichts außerhalb der Hauptverhandlung getroffene Entscheidung im Zusammenhang mit der Bestellung oder Abberufung eines Pflichtverteidigers gemäß § 305 Satz 1 StPO nicht der Beschwerde unterliegt. Der 3. Strafsenat hat diese Ansicht im Beschluß vom 14. Februar 1989 - 3 Ws 68 u. 70/89 - jedoch aufgegeben und sich im Interesse einer einheitlichen Rechtsprechung der herrschenden Auffassung sowie der ständigen Rechtsprechung des hiesigen 1. Strafsenats (vgl. Beschlüsse vom 16. Juni 1987 - 1 Ws 197/87 - und 13. August 1987 - 1 Ws 235/87 - = StV 1987, 478) angeschlossen, nach der Beschwerden gegen solche Entscheidungen zulässig sind (vgl. auch OLG Hamm, NStZ 1986, 328 - Beschl. des. früheren 6. Strafsenats vom 30. Januar 1986; Kleinknecht/Meyer, StPO, 39. Aufl., § 141 Rdn. 10; KK-Laufhütte, StPO, 2. Aufl., § 141 Rdn. 12; KK-Engelhardt, StPO, 2. Aufl., § 305 Rdn. 8 jeweils m.w. Hinw.).</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Senat tritt dieser die Zulässigkeit der Beschwerde gegen eine solche jedenfalls außerhalb der Hauptverhandlung getroffene Entscheidung des Vorsitzenden bejahenden Ansicht nicht zuletzt auch im Interesse einer einheitlichen Rechtsprechung der hiesigen Strafsenate bei, zumal auch der 4. Strafsenat auf Anfrage mitgeteilt hat, daß er dazu neige, an seiner gegenteiligen Rechtsansicht nicht mehr festzuhalten.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die somit zulässige Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Dabei geht der Senat zunächst aufgrund des Gesamtzusammenhangs der Gründe des angefochtenen Beschlusses davon aus, daß trotz der Formulierung im Tenor die Pflichtverteidigerbestellung nur für die Zukunft aufgehoben werden sollte, zumal weder eine rückwirkende Bestellung (vgl. OLG Düsseldorf, NStZ 1984, 43) noch eine rückwirkende Aufhebung der Bestellung zulässig oder gesetzlich vorgesehen ist (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 16. Juni 1987 - 1 Ws 197/87 -).</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Wie der Beschwerdeführer zutreffend ausführt, ist anerkanntermaßen die Aufhebung einer Pflichtverteidigerbestellung dann möglich und zulässig, wenn infolge einer wesentlichen Veränderung der Umstände ein Fall notwendiger Verteidigung nicht mehr vorliegt.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Das ist hier der Fall. Jedenfalls nach Wegfall des Vorwurfs eines Verstoßes gegen das Ausländergesetz geht es nur noch um den Vorwurf eines einmaligen Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Insoweit hat sich der Angeklagte nach den Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils weitgehend geständig gezeigt. Danach soll dem Angeklagten aufgrund einer Reihe von Eintragungen im Verkehrszentralregister mit Verfügung der Stadt ... vom 7. Februar 1989 ..., die er nicht verstanden haben will, die Fahrerlaubnis entzogen worden sein. Um die Sache zu klären, soll er sich am 6. März 1989 zum Straßenverkehrsamt der Stadt ... begeben haben, wo ihm mit Hilfe eines Dolmetschers die Verfügung erläutert ... und ... ihm klargemacht worden sein soll, daß er im Straßenverkehr kein Kraftfahrzeug mehr fahren dürfe, er sich trotz Aufforderung jedoch geweigert haben soll, seinen Führerschein herauszugeben und sich statt dessen in einen Pkw gesetzt und davongefahren sein soll. Trotz dieser festgestellten Umstände habe sich der Angeklagte zum Führen eines Kraftfahrzeugs berechtigt gefühlt, weil er die Verfügung der Stadt für rechtswidrig gehalten habe. Dieser Einlassung folgend ist das Amtsgericht dann auch von einem - wenn auch vermeidbaren - Verbotsirrtum ausgegangen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Demzufolge hat auch der Verteidiger in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung nicht Freispruch, sondern eine mildere als vom Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft beantragte Strafe beantragt, was jedenfalls hinsichtlich der Höhe eines Tagessatzes auch geschehen ist.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Mit dem angefochtenen Beschluß ist der Senat der Ansicht, daß die Sache tatsächlich und rechtlich einfach gelagert ist und daß der Angeklagte in der Lage ist, sich selbst zu verteidigen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß er der deutschen Sprache nicht mächtig ist, ... ein Recht auf ein faires Verfahren hat und nicht zu einem unverstandenen Objekt des Verfahrens herabgewürdigt werden darf (vgl. BVerfG NRW 1983, 2762).</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Der Angeklagte hat nach seinen eigenen Angaben in seinem Heimatland 10 Jahre lang die Schule besucht, bezeichnet sich als Elektriker und hält sich nunmehr seit mehr als vier Jahren als inzwischen abgewiesener Asylbewerber in der Bundesrepublik Deutschland auf. Er war seit Ende 1986 im Besitz einer deutschen Fahrerlaubnis und verstand es, sich hier und im benachbarten Ausland mit einem Pkw am Straßenverkehr zu beteiligen. Da der Angeklagte bislang mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, ist er auch mit dem deutschen Rechtssystem zumindest in groben Zügen vertraut. So ist er im Jahre 1986 - wenn auch möglicherweise jeweils durch Strafbefehl - zweimal wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu Geldstrafen von jeweils 15 Tagessätzen verurteilt worden. Ferner wurde er im Mai 1987 - möglicherweise ebenfalls durch Strafbefehl - wegen Verstoßes gegen das Asylverfahrensgesetz zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen und durch Urteil des Amtsgerichts ... vom 5. Februar 1988 wegen eines weiteren Verstoßes gegen das Asylverfahrensgesetz zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten mit dreijähriger Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. In den beiden letztgenannten Verfahren wurde er bereits von Rechtsanwalt ... verteidigt. Darüber hinaus sind gegen den Angeklagten mehrfach Bußgeldbescheide wegen Verkehrsverstößen ergangen. Dadurch, daß der Angeklagte zwar aus einem fremden Kulturkreis entstammt, sich jedoch bereits längere Zeit in der Bundesrepublik Deutschland aufhält und durch zahlreiche Kontakte zumindest in groben Zügen mit dem hiesigen Rechtssystem vertraut ist, unterscheidet sich der Fall von den von der Verteidigung zahlreich zitierten ähnlich, letztlich jedoch anders gelagerten Fällen und auch von der Entscheidung des OLG Hamm, abgedruckt im AnwBl 1980, 31.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Der Senat vermag auch nicht der u.a. vom OLG Zweibrücken (StrafVert. 1988, 378) vertretenen Ansicht zu folgen, einem mittellosen, der deutschen Sprache nicht mächtigen Angeklagten sei unabhängig vom Gewicht des Verfahrensgegenstandes und der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage stets ein Pflichtverteidiger beizuordnen. Diese Ansicht kann weder auf den Grundsatz des fairen Verfahrens gestützt werden noch ist sie durch § 140 Abs. 1 und 2 StPO gedeckt. Andernfalls wäre damit, wollte man dieser Ansicht folgen, praktisch eine vom Gesetzgeber nicht vorgesehene Erweiterung des in § 140 Abs. 1 StPO aufgestellten Katalogs vorzunehmen (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 22. Nov. 1988 - 1 Ws 313/88) und ein in gleicher Weise intelligenter Angeklagter, der der deutschen. Sprache mächtig ist, schlechter gestellt als derjenige, der bei sonst gleichen Voraussetzungen der deutschen Sprache nicht mächtig ist. Dem allein sprachlichen Defizit wird bereits dadurch hinreichend Rechnung getragen, daß in der Hauptverhandlung ein Dolmetscher tätig ist.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Konvention zum Schütze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (MRK). Sie gewährt nämlich in Art. 6 Abs. 3 Buchst. e ein Recht auf unentgeltliche Beiziehung eines Dolmetschers ohne jede Einschränkung, dagegen in Buchstabe c ein Recht auf Bestellung eines Verteidigers nur für den Fall, daß der Beistand eines Verteidigers im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist. Insoweit sind die entsprechenden Kriterien in § 140 StPO aufgeführt, (vgl. zutreffend LG Koblenz MDR 1987, 431). Wenn unter den dort aufgestellten Kriterien die Mitwirkung eines Verteidigers nicht erforderlich ist, kann dies nicht dadurch möglich gemacht und erforderlich werden, daß die hiervon unabhängige Notwendigkeit der Mitwirkung eines Dolmetschers an der Verhandlung die Notwendigkeit einer Verteidigung durch einen Rechtsanwalt nach sich zieht. Es ist nämlich ein Unterschied, ob einerseits jemand der Aufgabe der Verteidigung in eigener Sache gewachsen ist oder ob andererseits er diejenige Sprache versteht oder sich darin ausdrücken kann, in der seine Sache vor Gericht zu verhandeln und die Verteidigung zu führen ist. Die Verständigung des Angeklagten mit einem Verteidiger ist nur dann von Bedeutung, wenn der Angeklagte einen Verteidiger braucht. Daher ist es auch nicht von Belang, ob ein Angeklagter mittellos ist und einen Dolmetscher nicht bezahlen kann (vgl. LG Koblenz a.a.O.).</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Letztlich liegt auch darin, daß der Vorsitzende der Strafkammer vor seiner Entscheidung dem Angeklagten bzw. seinem Verteidiger keine Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu gegeben hat, kein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs ..., da ... die Voraussetzungen für eine Anhörung des Angeklagten nach § 33 Abs. 3 StPO nicht gegeben sind, weil die die Rechtslage verändernden Tatsachen sämtlich dem Angeklagten bekannt waren und er zudem in der Beschwerdeinstanz hinreichend gehört worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Nach alledem war die Beschwerde, wie von der Generalstaatsanwaltschaft beantragt, mit der sich aus § 473 Abs. 1 StPO ergebenden Kostenfolge zu verwerfen.</p>
|
315,175 | olgk-1989-11-23-2-w-19189 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 2 W 191/89 | 1989-11-23T00:00:00 | 2019-03-13T14:48:25 | 2022-10-18T15:08:56 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1989:1123.2W191.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>I. Die sofortige weitere Beschwerde wird auf Kosten der Gläubigerin zurückgewiesen.</p>
<p>II. Der Beschwerdewert wird auf 1.499,23 DM festgesetzt.</p>
<p></p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">G r ü n d e</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">I .</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Gläubigerin, Tochter der 78jährigen Schuldnerin, hat zur Vollstreckung aus zwei Kostenfestsetzungsbeschlüssen den Erlaß eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses beantragt. Die Kostenfestsetzungsbeschlüsse sind nach erfolgloser Unterhaltsklage der Schuldnerin zugunsten der Gläubigerin ergangen. Die Unterhaltsklage</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">war erfolglos, weil vom Blindengeld in Höhe von 812,-- DM, das die Schuldnerin bezieht, ein Teilbetrag von 302,-- DM dem Einkommen zugerechnet worden ist, weil Amts- und Landgericht von einem blindheitsbedingten Mehrbedarf in Höhe von nur 510,-- DM monatlich ausgegangen sind. Außerdem ist dem Einkommen der Schuldnerin im Unterhaltsverfahren eine Zahlung der Unterstützungseinrichtung der Rennställe und Trainingsanstalten des Bundesgebietes in Höhe von 270,-- DM monatlich zugerechnet worden. Insoweit handelt es sich um eine freiwillige aus Spenden finanzierte Leistung dieser Unterstützungseinrichtung, die als anrechenbares Einkommen angesehen worden ist, weil nach langjähriger Zahlung durch die Unterstützungseinrichtung von einer</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">dauerhaften Leistung auszugehen sei.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Gläubigerin hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die von der Landesversicherungsanstalt Rheinland gezahlte Witwenrente in Höhe von jetzt 490,45 DM monatlich zu pfänden und zur Feststellung des pfändbaren Einkommens dieser Rente hinzuzurechnen</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">a) Mehrbetrag der Rente für Kindererziehungszeiten 170,-- DM;</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">b) Unterhaltsleistungen des Sohnes V. 65,-- DM;</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">c) Wohngeld 155,-- DM;</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">d) Zahlung der Unterstützungseinrichtung der Rennställe und Trainingsanstalten 270,-- DM.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Antrag auf Hinzurechnung des Blindengeldes ist mit Schriftsatz vom 7. November 1988 zurückgenommen worden.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Schuldnerin bezieht gemäß Bescheid der Gemeinde Waldfeucht vom 11. April 1989 laufende Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 468,88 DM monatlich. Dabei ist das Sozialamt von einem Regelsatzbedarf (einschließlich der Wohn- und Heizungskosten sowie des Mehrbedarfs nach Vollendung des 60. Lebensjahres) in Höhe von 949,33 DM</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">ausgegangen, von dem es aus den Einkünften der Schuldnerin nur die Witwenrente in Höhe von 490,45 DM abgezogen hat.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Unterstützungseinrichtung der Rennställe hat mit Schreiben vom 4. Juli 1989 mitgeteilt, daß die Leistungen im Falle einer Pfändung eingestellt werden.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Am 31. Mai 1989 hat das Amtsgericht den Pfändungs- und Überweisungsbeschluß bei Gewährung eines unpfändbaren Betrages von 900,-- DM erlassen, weil die Schuldnerin</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">auch ohne das Blindengeld monatliche Einkünfte von über 1.200,-- DM habe und die gegen diese Entscheidung gerichtete Erinnerung zurückgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Auf die sofortige Beschwerde hat das Landgericht den Pfändungs- und Überweisungsbeschluß unter Zurückweisung des Antrages der Gläubigerin aufgehoben.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 568 Abs. 2 ZPO statthaft und auch im übrigen zulässig. In der Sache ist sie aber nicht begründet. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß auch nach Zusammenrechnung der Einkünfte gemäß § 850 e Nr. 2 bzw. 2 a ZPO die Ansprüche nicht pfändbar sind.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">1 .</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Wohngeld ist schon deshalb nicht zu berücksichtigen, weil die Schuldnerin laufende Hilfe zum Lebensunterhalt jedenfalls seit Dezember 1988 bezieht und Wohngeld daher nicht mehr gezahlt wird bzw. gewährte Leistungen gemäß §§ 104 ff. SGB X zu erstatten sind.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">2 .</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Zahlung der Unterstützungseinrichtung der Rennställe erfolgt freigiebig und aus Fürsorge, die Schuldnerin hat keinen entsprechenden Rechtsanspruch. Mit Recht hat</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">das Landgericht daher die Pfändbarkeit nach § 850 Beklagte Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 ZPO beurteilt. Die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Gläubigerin (vgl. Stöber, Forderungspfändung, 8. Auflage, Rdn. 1027 m.w.N.) hat nicht dargetan, daß die Pfändung nach den Umständen der Billigkeit entspricht. Dagegen spricht schon, daß nach der schriftlichen Mitteilung der Unterstützungseinrichtung für den Fall der Pfändung eine Zahlungseinstellung erfolgen wird. Auf die pfändungsrechtliche Billigkeitsprüfung</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">bleibt insoweit ohne Einfluß, daß die freiwillige Leistung der Unterstützungseinrichtung im Unterhaltsprozeß als Einkommen der Schuldnerin angerechnet worden ist. Die pfändungsrechtliche Billigkeitsbeurteilung muß selbständig erfolgen, wie sich schon daraus ergibt, daß der freiwillig Leistende im Unterhaltsprozeß nicht gehört worden ist und erst bei der Inanspruchnahme als Drittschuldner deutlich wird, ob er eine Pfändung zum Anlaß der Einstellung der Leistungen nehmen wird.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Auch bei der Zusammenrechnung nach § 850 e ZPO ist die Leistung nicht zu berücksichtigen, denn außer im Ausnahmefall des § 850 b Abs. 2 ZPO sind die Leistungen</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">voll unpfändbar, so daß sie den unpfändbaren Leistungen nach § 850 a ZPO gleichzustellen sind, die nach § 850 e ZPO bei der Zusammenrechnung nicht berücksichtigt</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">werden dürfen (vgl. Stein/Jonas/Münzberg, 20. Auflage, § 850 e Nr. 2; Zöller/Stöber, 15. Auflage, § 850 e Rdn. 11).</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat mit Recht ausgeführt, daß Unterhaltsleistungen des Sohnes Udo gemäß § 850 b Nr. 2 ZPO unpfändbar sind und daher bei der Zusammenrechnung gemäß § 850 e ZPO nur zu berücksichtigen wären, wenn sie gemäß § 850 b Abs. 2 ZPO für pfändbar erklärt werden könnten. Ob das Landgericht dies mit Recht verneint hat, kann dahinstehen, da nach der eidesstattlichen Versicherung des Sohnes vom 10. Juni 1989 Barunterhaltsleistungen des Sohnes an die Mutter nicht mehr erbracht werden.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Insoweit ist schon nicht dargetan, daß die Schuldnerin Barunterhaltsansprüche gegen ihren Sohn hat, zumal die Gläubigerin selbst Unterhaltsansprüche der Mutter unter Hinweis auf deren mangelnde Bedürftigkeit abgewehrt hat. Bloße tatsächliche Hilfeleistungen für die Schuldnerin, die im selben Haus in einer eigenen Wohnung lebt, sind keine pfändbaren Leistungen.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">4.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die Pfändbarkeit der Rentenansprüche der Schuldnerin richtet sich nach § 54 SGB I.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Dies gilt auch für den Teil der Rente, der auf dem Kindererziehungsleistungsgesetz (KLG vom 12. Juli 1987 BGBI 1987, I, 1585) beruht. Nach Art. 2 dieses Gesetzes ist das Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz (ArVNG) in § 66 dahin geändert worden, daß die Leistung für Kindererziehung als Einkommen unberücksichtigt bleibt, wenn bei Sozialleistungen aufgrund von Rechtsvorschriften die Gewährung oder die Höhe dieser Leistung von anderem Einkommen abhängig ist. Daher hat das Sozialamt bei der Berechnung der Sozialhilfe diesen Teil der Rente mit Recht außer Betracht gelassen. Anders als für das Erziehungsgeld nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) in § 54 Abs. 5 SGB I ist für Kindererziehungsleistungen aber nicht ausdrücklich bestimmt,</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">daß sie unpfändbar sind. Daraus folgt, daß sich ihre Pfändbarkeit nach den allgemeinen Vorschriften in § 54 SGB I richtet.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Die Pfändbarkeitsvoraussetzungen nach § 54 Abs. 2, Abs. 3 SGB I sind jedoch für den Gesamtbetrag der Rente nicht erfüllt. Bei der Billigkeitsprüfung gemäß § 54 Abs. 2, Abs. 3 SGB I können nur die Teile des Einkommens berücksichtigt werden, die nicht aufgrund anderer Vorschriften unpfändbar sind. Auch wenn hier unterhaltsrechtlich ein Teil des Blindengeldes (das nach § 4 Abs. 1 Landesblindengesetz unpfändbar ist) und die freiwillige Leistung der Unterstützungseinrichtung als Einkommen der Schuldnerin berücksichtigt worden sind, bleibt es pfändungsrechtlich dabei, daß diese Teile wegen ihrer Unpfändbarkeit nicht bei der Zusammenrechnung nach § 850 e Nr. 2, Nr. 2 a ZPO berücksichtigt werden dürfen. Gleiches gilt für die nach § 4 Abs. 1 BSHG unpfändbare Sozialhilfe.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Da für die Billigkeitsprüfung somit nur auf das Renteneinkommen in Höhe von insgesamt 660,45 DM abzustellen ist, ergibt sich die Unbilligkeit schon daraus, daß die Mindestbeträge des § 850 c ZPO nicht erreicht werden (vgl. dazu Senatsentscheidung in OLGZ 1987, 92).</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Angesichts dieser Rechtslage kommt es nicht darauf an, ob der Pfändbarkeit außerdem entgegensteht, daß gemäß § 54 Abs. 3 SGB I dadurch Hilfsbedürftigkeit im Sinne der Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt eintreten würde.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.</p>
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315,176 | olgk-1989-11-21-ss-57289 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | Ss 572/89 | 1989-11-21T00:00:00 | 2019-03-13T14:48:26 | 2022-10-18T15:08:56 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1989:1121.SS572.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Das angefochtene Urteil wird mit seinen Feststellungen aufgehoben.</p>
<p></p>
<p>Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Köln zurückverwiesen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Generalstaatsanwaltschaft hat ihren Aufhebungsantrag wie folgt begründet:</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks"><i>"Der Pflichtverteidiger des Angeklagten hat mit Schriftsatz vom 31. Juli 1989 beim Amtsgericht Köln
die Beiordnung als Pflichtverteidiger beantragt. Im Eröffnungsbeschluß vom 28. August 1989 hat das
Amtsgericht den Antrag abgelehnt (Bl. 77 d.A.). Der mit Schriftsatz vom 5. September 1989 eingelegten Beschwerde
hat das Amtsgericht nicht abgeholfen, das Landgericht Köln hat durch Beschluß vom 8. Oktober 1989 den
Beschluß des Amtsgerichts Köln vom 28. August 1989 aufgehoben und Rechtsanwalt J. S. zum Pflichtverteidiger
bestellt.</i></p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks"><i>Zwischenzeitlich ist der Angeklagte durch Urteil des Jugendschöffengerichts Köln wegen Diebstahls
in Tateinheit mit vorsätzlicher Fahren ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen unter Einbeziehung des Urteils
des Amtsgerichts Siegburg vom 25. Januar 1989 - 28 Ls 71/88 HW - zu einer Einheitsjugendstrafe von 2 Jahren
kostenpflichtig verurteilt worden. Ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls war der Angeklagte anwaltlich
nicht vertreten. Gegen das Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen
und materiellen Rechts rügt. Das - zulässige - Rechtsmittel hat (vorläufigen) Erfolg. Bereits die
Verfahrensrüge führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.</i></p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks"><i>Im vorliegenden Fall ist der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO gegeben, weil gegen einen
unverteidigten Angeklagten verhandelt worden ist, obwohl die Mitwirkung eines Verteidigers wegen der Schwere
der Tat gemäß § 140 Abs. 2 StPO geboten ist (BGHSt 15, 306; BGH GA 59, 187; MDR 56, 11; OLG
Köln - Ss 830/85 -; OLG Köln StrVert 86, 238; OLG Köln - Ss 223/86 -; Kleinknecht/Meyer, StPO,
39. Aufl., § 338 Rdn. 41). Ein Fall der notwendigen Verteidigung war hier gegeben.</i></p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks"><i>Nach § 140 Abs. 2 StPO kann die Mitwirkung eines Verteidigers, wegen der Schwere der Tat oder wegen
der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage geboten sein. § 140 Abs. 2 StPO enthält eine Generalklausel
mit unbestimmten Rechtsbegriffen (Kleinknecht/Meyer, StPO, 39. Aufl., § 140 Rdn. 2; OLG Köln - Ss 168/86 -),
deren Anwendung zwar nur einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegt. Bei der
wertenden Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe ist die revisionsrechtliche Nachprüfung auf die Frage
beschränkt, ob der Tatrichter, den Rechtsbegriff verkannt, ob er den richtigen Wertmaßstab angewandt
hat (OLG Köln - Ss 376/85 -; - Ss 628/85 -; - Ss 223/86 -; BayObLG NJW 1978, 1337).</i></p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks"><i>Hier liegt ein Verstoß gegen § 140 Abs. 2 StPO vor, da nach den von der Rechtsprechung
entwickelten Grundsätzen in der gegebenen Situation die Mitwirkung eines Verteidigers zweifelsfrei geboten
war und rechtsfehlerfrei nicht verneint werden konnte. Für die Beurteilung der "Schwere" der Tat
sind hauptsächlich die zu erwartenden Rechtsfolgen maßgebend (vgl. BGHSt 6, 199, 201 = NJW 54, 1415; KG
StrVert 82, 412; 83, 186; OLG Frankfurt StrVert 83, 497; 84, 370; OLG Hamburg NStZ 84, 281; OLG Stuttgart NStZ 81,
490; OLG Hamm MDR 67, 600; OLG Köln NJW 72, 1432; OLG Köln - Ss 223/86 -; Kleinknecht/Meyer, StPO, 39.
Aufl., § 140 Rdn. 23). Die Rechtsprechung bejaht eine "schwere" Tat im Sinne des § 140 StGB
zum Teil bereits bei einer zu erwarteten Freiheitsstrafe von 1 Jahr (vgl. KG StrVert 83, 136; LG Oldenburg StrVert
83, 236; Kleinknecht/Meyer, StPO, 39. Aufl., § 140, Rdn. 21), teilweise wird eine wesentlich höhere
Straferwartung gefordert (vgl. OLG Hamburg NJW 78, 1172; BayObLG DAR 83, 251; OLG Stuttgart NStZ 81, 490; OLG
Frankfurt StrVert 84, 370).</i></p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks"><i>Die Bewertung der "Schwere" der Tat im Sinne des § 140 Abs. 2 StPO richtet sich auch in
Jugendstrafverfahren hauptsächlich nach der zu erwartenden Strafe, wobei es unerheblich ist, daß die
Höhe der Jugendstrafe durch die Einbeziehung weiterer Jugendstrafe beeinflußt wird (OLG Hamm, StrVert
1986/475). Nach der gesetzlichen Regelung der Verhängung einer Einheitsjugendstrafe gemäß §
31 JGG war demnach im Hinblick auf die Vorverurteilung zu einer Jugendstrafe von 1 1/2 Jahren mit Bewährung
im vorliegenden Verfahren demnach mit einer Jugendstrafe von 2 Jahren oder mehr zu rechnen, so daß aus diesem
Grunde schon die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erschien, zumal darüber hinaus auch der Wegfall der
Strafaussetzung zur Bewährung, letztlich auch die Frage der Anwendung des Erwachsenen- oder Jugendstrafrechts
im. Raum stand.</i></p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks"><i>Zusätzlich ist im Rahmen der Straferwartung auch die konkrete Verteidigungsmöglichkeit entscheidend
(OLG Hamm, NStZ 1982, S. 298). Im vorliegenden Fall drängten die Umstände dazu, dem Angeklagten einen
Verteidiger zu bestellen. Der Angeklagte war zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung knapp unter 21 Jahre alt. Aus den
Urteilsgründen ist zu entnehmen, daß der Angeklagte während des Besuchs der Grundschule auf eine
Sonderschule umgeschult worden ist, da er angeblich Legastheniker sein "sollte". Der weitere Schulverlauf
ergab indes, daß der Angeklagte nicht nur eine Lese-Rechtschreibschwäche hatte, sondern insgesamt den
Anforderungen einer normalen Schulausbildung nicht gewachsen gewesen ist. Er verließ die Sonderschule nach
der 10 Klasse lediglich mit einem Abgangszeugnis. Eine ordentliche Berufsausbildung hat der Angeklagte nicht
erhalten, hat vielmehr bei der Firma F. ein Anlernverhältnis durchgeführt. Insgesamt kommt das Urteil
zu einer intelektuellen Minderbegabung des Angeklagten. Diese Umstände und die Straferwartung mit der besonderen
Berücksichtigung des Wegfalls der Strafaussetzung zur Bewährung hätten das Gericht zu der Erwägung
drängen müssen, daß der Angeklagte aufgrund seiner Persönlichkeit möglicherweise nicht in
der Lage gewesen sei, seine Verteidigung auf die zu erwartende völlige Änderung seiner Lebensumstände
durch die einschneidenden Rechtsfolgen einzustellen.</i></p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks"><i>Unter den besonderen Voraussetzungen des vorliegenden Falles war demnach die Mitwirkung eines Verteidigers
geboten. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß das angefochtene Urteil von diesem Fehler berührt wird.
Da es sich um einen absoluten Revisionsgrund handelt, ist für die Prüfung der Beruhensfrage kein
Raum."</i></p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Dem stimmt der Senat zu.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Für die neue Hauptverhandlung wird darauf hingewiesen, daß bei Bildung einer Einheitsjugendstrafe
die den früheren Urteilen zugrunde liegenden Straftaten sämtlich darzustellen sind (BGH NStZ 1982,
466)."</p>
|
315,177 | sg-duisburg-1989-11-20-s-21-kr-14489 | {
"id": 834,
"name": "Sozialgericht Duisburg",
"slug": "sg-duisburg",
"city": 408,
"state": 12,
"jurisdiction": "Sozialgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | S 21 KR 144/89 | 1989-11-20T00:00:00 | 2019-03-13T14:48:28 | 2022-10-18T15:08:54 | Urteil | ECLI:DE:SGDU:1989:1120.S21KR144.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten des stationären Krankenhausaufenthaltes der Beigeladenen in der Zeit vom 14.08.1987 bis 15.08.1987 zu übernehmen. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin werden dem Grunde nach der Beklagten auferlegt. Im übrigen sind keine Kosten zu erstatten.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Streitig ist die Übernahme stationärer Behandlungskosten.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Beigeladene wurde am 14.08.1987 gegen 14.50 Uhr unter Alkoholeinfluß bei der Klägerin eingeliefert. Am 15. August 1987 entfernte er sich heimlich von dort. Zum Zeitpunkt der Aufnahme war er nicht gehfähig und zeitlich und örtlich nicht orientiert. Er äußerte suicidale Gedanken, weshalb eine kontrollierte Ausnüchterung erfolgte.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin forderte eine Kostengarantie bei der Beklagten an, die den Vorgang dem Vertrauensärztlichen Dienst zuleitete. Dieser vertrat die Ansicht, im Vordergrund habe eine Ausnüchterung gestanden.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Mit Bescheid vom 25.05.1988 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme gegenüber dem Versicherten ab. Zur Begründung führte sie aus, es sei keine stationäre Behandlung, sondern eine Ausnüchterung erfolgt. Eine Durchschrift dieses Bescheides wurde der Klägerin zur Kenntnis zugeleitet.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Am 23.05.1989 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie trägt vor, es sei eine stationäre Behandlung erfolgt und auch nötig gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Das Gericht hat durch Beschluss vom 16.06.1989 den Versicherten beigeladen, der sich am Verfahren nicht beteiligt hat.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, die Kosten des stationären Krankenhausaufenthaltes des Beigeladenen in der Zeit vom 14.08.1987 bis 15.08.1987 zu übernehmen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Beigeladene stellte keinen eigenen Sachantrag.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Zufolge der Angaben des Beigeladenen im Termin zur mündlichen Verhandlung trank er am 14.08.1987 sehr viel Alkohol aus Kummer, weil sich seine Freundin von ihm getrennt hatte. Diese habe ihn ins Krankenhaus gebracht, weil er Selbstmordabsichten geäußert und schon einige Jahre vorher einen Selbstmordversuch unternommen habe, der der Freundin bekannt gewesen sei. Er – der Beigeladene – habe keine Erinnerung an die Vorgänge, die ihm nur aus den Erzählungen seiner Freundin bekannt seien.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Der Inhalt dieser Akten ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die form- und fristgerecht erhobene Klage, mit der die Klägerin die Übernahme der stationären Behandlungskosten des Beigeladenen in der Zeit vom 14.08.1987 bis 15.08.1987 begehrt, ist als reine Leistungsklage zulässig nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG)</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Klage ist auch begründet, da der Krankenhausaufenthalt des Beigeladenen in der Zeit vom 14.08.1987 bis 15.08.1987 notwendig gewesen ist. Folglich ist die Beklagte verpflichtet, diese Kosten zu übernehmen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Nach § 184 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) in der bis 31.12.2988 gültigen Fassung (a.F.) wird Krankenhauspflege zeitlich unbegrenzt gewährt, wenn die Aufnahme in ein Krankenhaus erforderlich ist, um die Krankheit zu erkennen oder zu behandeln oder um Krankheitsbeschwerden zu lindern.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Diese Behandlungsziele sind nach Auffassung der Kammer beim Beigeladenen in der Zeit vom 14.08.1987 bis 15.08.1987 verfolgt worden, weshalb sie den Krankenhausaufenthalt als notwendig ansieht.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Es mag dahinstehen, ob schon ein Alkoholrausch, der zu Geh- und Stehunfähigkeit und zeitlicher und örtlicher Desorientiertheit führt, eine Krankenheit ist, die die Notwendigkeit stationärer Krankenhauspflege bedingt. Gegen diese Einschätzung spricht die Tatsache, dass in E bei der vorhandenen Gaststättenzahl jeden Abend ungefähr 250 Personen dem Alkohol so sehr zusprechen, daß sie nicht nur leicht angetrunken und nicht mehr ganz sicher auf den Beinen sind, sondern einen Zustand erreichen, der dem des Beigeladenen am Abend des 14.08.1987 entspricht. Die Mehrzahl dieser Personen wird aber nicht in ein Krankenhaus eingeliefert, sie gelangt vielmehr ins eigene Bett, wo der Rauschzustand ohne jede ärztliche Hilfe nach einigen Stunden Schlaf von selbst abzuklingen pflegt (sogenannter normaler Alkoholabbau nach Zeitablauf). Dies spricht zumindest nicht besonders stark für die Notwendigkeit stationärer Krankenhauspflege. Auch der Beigeladene vermochte am 15.08.1987 keine Gründe für seine Anwesenheit im Krankenhaus zu erkennen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Auf der anderen Seite sind der Kammer aber aus der persönlichen Erfahrung Fälle bekannt, in denen ein hilfloser Zustand auf getrunkenen Alkohol zurückgeführt worden ist, während tatsächlich eine ganz andere – lebensbedrohliche – Erkrankung – bei einer Fallgestaltung ein Schlaganfall – vorgelegen hat. Im Hinblick auf diese Erfahrungen hält es die Kammer für notwendig, zunächst sicher ärztlich abzuklären, ob eine desorientierte Person wirklich nur betrunken ist. Da insoweit vielfach eine ambulante ärztliche Untersuchung nicht ausreicht, um jedes Risiko und jeden Verdacht auszuräumen, neigt die Kammer dazu, in allen Fällen stärkerer Alkoholgenusses die Notwendigkeit einer stationären Überwachung zu bejahen, ohne diese Frage hier aber abschließend klären zu müssen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Nach der Überzeugung der Kammer ist es im vorliegenden Fall erwiesen, daß der Beigeladene einer stationären Krankenhausbehandlung bedurfte. Denn der Beigeladene hatte nach seinen Angaben vor Jahren schon einmal einen Selbstmordversuch begangen, wobei Alkohol keine Rolle gespielt habe. Ein versuchter Selbstmord ist in aller Regel ein Hinweis auf eine depressive Symptomatik, die jederzeit wieder aufflackern bzw. wieder in ein akutes Stadium übergehen kann, wobei die Trennung von einem Partner durchaus ein geeigneter Auslöser ist, wie dem Gericht aus beruflicher und außerberuflicher Erfahrung bekannt ist.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Geäußerte Selbstmordabsichten unter Alkoholeinfluß, die durch das vorliegende Krankenblatt belegt sind, treten zwar im Zusammenhang mit Alkoholabusus über einen längeren Zeitraum nicht gerade selten auf, weil bei einigen Personen Alkohol nicht zu einem Stimmungshoch, sondern zu einem Stimmungstief führt (sogenannte weinerliche-depressive Verhaltensweise). Zumindest im Regelfall klingt diese Stimmung jedoch mit Absinken des Alkoholspiegels wieder ab, ist also nicht als echt krankhaft zu bezeichnen, so daß nervenärztliche Hilfe notwendig wäre. Genau dieser Verlauf ist auch beim Beigeladenen im Krankenhaus beobachtet worden.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Auf der anderen Seite ist aber zu berücksichtigen, daß ein bereits einmal durchgeführter Selbstmordversuch für jeden Arzt ein Alarmzeichen ist, das ihn dazu veranlassen muß und veranlasst, erneut geäußerte Selbstmordabsichten sehr ernst zu nehmen, insbesondere in einer privaten Problemsituation. Insoweit kann allenfalls ein Arzt, der den Patienten sehr genau kennt, einigermaßen sicher abschätzen, ob die Drohungen ernst zu nehmen sind oder nicht. In dieser Situation ist ein Krankenhausarzt in aller Regel nicht. Denn die Mehrzahl der Patienten – wie auch der Beigeladene – sind im Krankenhaus nicht bereits aus früheren Aufenthalten bekannt.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Muß der Krankenhausarzt auf Grund eines Selbstmordversuches in der Anamnese aber auch die Möglichkeit ernsthaft in Betracht ziehen, daß unter Alkoholeinfluß geäußerte Selbstmordgedanken bei familiärer Problemsituation nicht nur auf die übliche weinerlich-depressive Stimmung zurückgeführen sind, sondern vielmehr Anzeichen für eine wieder akut gewordene echte depressive Symptomatik sind, so ist er gehalten, seine Diagnose auf eine Verlaufsbeobachtung zu stützen. Die Überstellung des Patienten an die Polizei zum Zwecke der Verwahrung in einer sogenannten Ausnüchterungszelle ist in diesem Fall kein gangbarer Weg. Denn die Symptome eines depressiven Beschwerdebildes vermag ein Laie nicht zu erkennen, zumal gerade Personen, die selbstmordgefährdet sind, vielfach über beträchtliche Fähigkeiten zum Dissimulieren verfügen, wie dem Gericht aus eigener Erfahrung genau bekannt ist.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Erwägung, daß hier möglicherweise eine sehr ernsthafte – psychische – Erkrankung im Raum stehen konnte, hat nach Ansicht der Kammer erkennbar das Handeln der Krankenhausärzte motiviert. Zwar ist kein Beweis darüber erhoben worden, ob der Beigeladene in der Vergangenheit bereits einen Selbstmordversuch unternommen hatte und ob seine Freundin entsprechende Angaben gemacht hat, als sie ihn ins Krankenhaus brachte. Auch in den Krankenunterlagen taucht dieser Umstand als Fremdangabe nicht auf. Allerdings widerspricht das Vorbringen der Klägerin den Angaben des Beigeladenen auch nicht direkt. Denn von geäußerten Selbstmordabsichten ist auch in den Krankenhausberichten die Rede.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Kammer ist aber der Überzeugung, daß die Angaben des Beigeladenen im Termin zur mündlichen Verhandlung wahr sein müssen. Denn er wäre nach Ansicht der Kammer intellektuell gar nicht in der Lage, sich einen solchen Sachverhalt auszudenken. Von daher hält die Kammer eine förmliche Beweiserhebung für unnötig, da aus ihr ohnehin keine wesentlichen neuen Erkenntnisse mehr folgen können und die in Rede stehenden Kosten – stationäre Krankenhausbehandlung für lediglich zwei Tage – in auffälligem Mißverhältnis zu den durch eine Vertagung und weitere Beweisaufnahme entstehenden Kosten für die Allgemeinheit ständen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">In bezug auf die Berufung gilt § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG, da hier um wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum von unter dreizehn Wochen gestritten wird.</p>
|
315,178 | lg-essen-1989-11-16-8-o-35189 | {
"id": 809,
"name": "Landgericht Essen",
"slug": "lg-essen",
"city": 417,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 8 O 351/89 | 1989-11-16T00:00:00 | 2019-03-13T14:48:29 | 2022-10-18T15:08:54 | Urteil | ECLI:DE:LGE:1989:1116.8O351.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>hat die 8. Zivilkammer des Landgerichts Essen durch </p>
<p>den Vorsitzenden Richter am Landgericht T., </p>
<p>den Richter am Landgericht T. und </p>
<p>die Richterin am Landgericht T. </p>
<p>auf die mündliche Verhandlung vom 16. November 1989 </p>
<p>für R e c h t erkannt: </p>
<p></p>
<p>Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.970,-- DM (i.W.: eintausend-neunhundertsiebzig Deutsche Mark) nebst 4 % Zinsen seit dem 16. Okto-ber 1989 zu zahlen. </p>
<p></p>
<p>Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. </p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe </p>
<p>von 2.700,-- DM vorläufig vollstreckbar. </p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Tatbestand:</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger, jugoslawischer Staatsbürger, nimmt den Beklagten aufgrund Amtspflichtverletzung auf Schadenersatz in Anspruch. </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Kläger und seine Ehefrau hatten mit Pachtvertrag vom 11.03.1982 von der Erbengemeinschaft M. im Hause Xstraße in Essen die Gaststätte "T." zusammen mit der zugehörigen Pächterwohnung gepachtet. Wegen rückständiger Pachtzinsen kündigte die Erbengemeinschaft das Pachtverhältnis fristlos und erwirkte am 11.12.1985 beim Landgericht Essen ein Versäumnisurteil auf Räumung des Pachtobjekts und Zahlung rückständiger Pachtzinsen in Höhe von 8.420,-- DM<b> </b>nebst Zinsen. Mit der Vollstreckung aus diesem Urteil beauftragten die Gläubiger den Beklagten, der am 26.02.1986 die noch im Pachtobjekt vorhandene Kücheneinrichtung, einen BBC-Zwei-Türenkühlschrank sowie Stühle, Eßtische, Lampen etc. pfändete. Er bestimmte den Termin zur Versteigerung auf den 18.03.1986, 11.00 Uhr, am Ort der Pfändung. Auf einen entsprechenden Vollstreckungsschutzantrag setzte das Amtsgericht Essen-Steele mit Beschluß vom 10.03.1986 die Verwertung der am 26.02.1986 gepfändeten Gegenstände einstweilen gegen Zahlung monatlicher Raten in Höhe von 1.000,-- DM aus. Am 23.05.1986 ließ der Beklagte die Räumung des Pachtobjektes durchführen. Nach Durchführung der Räumung brachte er wegen der Kosten der Zwangsvollstreckung eine weitere Pfändung an den zuvor bereits gepfändeten Einrichtungsgegenständen der Gaststätte aus. In dem zum Räumungsprotokoll gehörenden Verzeichnis nahm er die gepfändeten Gegenstände unter Angabe des gewöhnlichen Verkaufswertes und des voraussichtlichen Erlöses auf. Den gewöhnlichen Verkaufswert ermittelte er mit insgesamt 9.180,-- DM, den voraussichtlichen Erlös mit insgesamt 4.590,-- DM, nämlich für die Kücheneinrichtung 3.500,-- DM, für den Großkühlschrank mit Rostschäden 200,-- DM, für 50 Polsterstühle defekt 250,-- DM, für 12 Holzstühle 150,-- DM, 10 Eßtische alt 100,-- DM, 13 Korblampen alt 65,-- DM, zwei Messinggarderobenständer 125,-- DM einen Bierstempeltisch 150,-- DM, eine Holzeckbank 50,-- DM. Gleichzeitig wurde Termin zur Versteigerung der Pfandstücke auf den 01.07.1986 1200 Uhr bestimmt. Im Versteigerungstermin erteilte der Beklagte bei den gepfändeten Gegenständen den Zuschlag, obwohl das Mindestgebot (= Hälfte des gewöhnlichen Verkaufswertes) nicht erreicht war. Die Dunstabzugshaube mit Gebläse wurde für 500,-- DM zugeschlagen, der Ofen mit Friteusen ebenfalls für 500,-- DM, der Vorwärmofen für 300,-- DM der Zwei-Türenkühlschrank für 150,-- DM, der Hauptofen für 1000,-- DM, die zwei Garderobenstände für 20,-- DM und die Stühle und Tische für insgesamt 150,-- DM. Die Einzelteile der Kücheneinrichtung gingen an verschiedene Bieter.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger forderte den Beklagten mit Schreiben vom 19.08.1986 zur Zahlung des Differenzbetrages zwischen Mindestgebot und tatsächlichem Erlös wegen Amtspflichtverletzung auf. Er hat zunächst das Land Nordrhein-Westfalen auf Schadenersatz verklagt. In letzter Instanz ist die Klage abgewiesen worden, weil der Kläger als Ausländer nur einen Amtshaftungsanspruch gegen das Land geltend machen könne, wenn Gegenseitigkeit verbürgt sei, was bei Jugoslawien nicht der Fall sei.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Kläger, an den seine Ehefrau ihre Ansprüche abgetreten hat, verlangt nunmehr vom Beklagten selbst Schadensersatz, weil er gegen die Vorschrift des § 817 a ZPO verstoßen und den Zuschlag für die gepfändeten Gegenstände auf ein Gebot erteilt habe, das unter dem Mindestgebot gelegen habe. Den Schaden beziffert er mit 1.970,-- DM, die Differenz zwischen der Hälfte des gewöhnlichen Verkaufswertes der Gegenstände von 4.590,-- DM und dem bei der Versteigerung erzielten Erlös von 2.620,-- DM.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Er behauptet: Die Kücheneinrichtung sei vollständig und gebrauchsfähig gewesen, es hätten weder Friteusen noch Einsatzbecken gefehlt. Ein Fehlen hätte schon beim Abbau auffallen und bei der anschließenden im Verzeichnis der gepfändeten Gegenstände vorgenommenen Schätzung berücksichtigt werden müssen. Die gesamte Einrichtung sei noch vorhanden; es sei nicht erforderlich gewesen, die Kücheneinrichtung in Einzelteilen gesondert zu versteigern.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.970,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 16.10.1986 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Er behauptet: Im Versteigerungslokal in T. – die Versteigerung habe nicht in der Gaststätte der Gläubiger stattgefunden – habe er auf den Einwand von Bietern festgestellt, daß die Kücheneinrichtung nicht vollständig gewesen sei; es hätten sämtliche Friteusen und Einsatzbecken aus Nirostastahl gefehlt, die Kochstellen seien stark verkrustet und angerostet gewesen, einige Einsätze des Wärmeofens hätten gefehlt, die Dunstabzugshaube sei nicht betriebsfähig gewesen, da der Motor defekt gewesen sei (Beweis: Zeugnis M.). Die Herstellerfirma sei in Konkurs gefallen, so daß Ersatzteile nicht mehr hätten beschafft werden können. Samt Zubehör und Kühlschrank seien die Teile der versteigerten Kücheneinrichtung nicht mehr als die erzielten 2.450,-- DM, jedenfalls nicht mehr als 4.900,-- DM wert gewesen. Er habe sich an Ort und Stelle schnell entscheiden müssen und habe die wirtschaftlich sinnvollste Entscheidung getroffen. Ein neuer Versteigerungstermin hätte Kosten von insgesamt 866,08 DM verursacht, nämlich für eine neue Anzeige 224,08 DM, den Transport vom Lagerort zur Versteigerungshalle 250,-- DM, Kosten für 3 Arbeitskräfte 172,-- DM, Lagerkosten für eine weitere Woche 220,-- DM. Es sei kein um diesen Betrag höherer Versteigerungserlös zu erwarten gewesen, geschweige denn ein um 1.970,-- DM höherer Erlös; jedenfalls wäre der Mehrerlös um die zusätzlichen Kosten geschmälert worden.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks"><u>Entscheidungsgründe:</u></p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist begründet.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Dem Kläger steht gegen den Beklagten gem. § 839 BGB ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.970,-- DM zu, wenn auch dieser Betrag letztlich dem Vollstreckungsgläubiger gebührt, dessen Forderung durch den Versteigerungserlös befriedigt werden sollte. Der Beklagte hat sich bei der Versteigerung der gepfändeten Gegenstände über die zwingenden Vorschriften der §§ 816,817 a ZPO hinweggesetzt und damit seine gegenüber dem Kläger als Schuldner bestehende Amtspflicht verletzt, dessen Vermögen durch einen Zuschlag unterhalb des festgesetzten Mindestgebotes nicht verschleudert werden soll. Der Beklagte hat bei der Versteigerung vom 01.07.1986 für die einzelnen Gegenstände den Zuschlag zu einem Preis unterhalb des Mindestgebotes von 4.590,-- DM erteilt und damit gegen § 817 a Abs. 1 ZPO verstoßen. Er hat dafür nicht das Einverständnis von Schuldner und Gläubiger eingeholt, so daß der Zuschlag unterhalb der Hälfte des bei der Nachpfändung geschätzten gewöhnlichen Verkaufswertes nicht hätte erteilt werden dürfen; vielmehr hätte auf Antrag des Gläubigers ein neuer Verwertungs- versuch unternommen werden müssen. Dies gilt auch soweit der Beklagte vorträgt, er habe vor der Versteigerung an Ort und Stelle eine Nachschätzung mit niedrigeren Werten vorgenommen, weil sich herausgestellt habe, daß die Kücheneinrichtung in schlechterem Zustand gewesen sei, als sie sich bei der Pfändung gezeigt habe, als sie noch eingebaut gewesen sei. Zwar wären diese Umstände ein Grund für eine Nachschätzung gewesen (vg1. Zö11er-Stöber ZPO, Rdnr. 8 zu § 813) aber in diesem Falle hätte Schuldner und Gläubiger Gelegenheit zur Äußerung geben müssen, gerade auch weil sich neue Umstände herausgestellt haben sollen. Der Kläger war bei der Versteigerung nicht anwesend. Ein Ausnahmetatbestand des § 816 Abs. 1 ZPO lag nicht vor. da weder die Gefahr einer beträchtlichen Wertverringerung der zu versteigernden. Sachen bestand noch unverhältnismäßige Kosten einer längeren Aufbewahrung zu befürchten waren. Gerade wenn die Einrichtungsgegenstände in schlechtem ungepflegtem Zustand waren, war nicht zu erwarten. daß sich Zustand und Wert bis zum nächsten Versteigerungstermin merklich verschlechtert hätten. Auch die durch einen neuen Termin in einer Woche zu erwartenden Kosten waren nicht unverhältnismäßig zum Wert der gepfändeten Gegenstände, den der Beklagte immerhin nach dem Abbau auf 9.080,-- DM geschätzt hatte, selbst wenn Anzeigenkosten von 224,08 DM, Transport- kosten von 250,-- DM, Kosten für drei Arbeitskräfte von 172,-- DM sowie Lagerkosten in geringem Umfang - vom 23.05. bis 01.07.1986 hatten diese lediglich 200,-- DM betragen - entstanden wären. </p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Als Schaden ist die Differenz zwischen dem erzielten Erlös und dem Mindestgebot zu ersetzen. Dieser Schaden beträgt 1.970,-- DM, da bei einem Zuschlag zu dem vorher geschätzten Mindestgebot der Kläger in dieser Höhe gegenüber seinen Gläubigern von seinen Schulden befreit worden wäre. Soweit der Beklagte behauptet, es hätten in der von ihm für vollständig gehaltenen Kücheneinrichtung einige Gegenstände gefehlt, so daß deren Wert nicht mehr als 4.900,-- DM betragen habe, könnte dies nur dann erheblich sein, wenn er auch vorgetragen hätte, daß die fehlenden Gegenstände und die Beeinträchtigungen den gewöhnlichen Verkaufswert um 2.400,-- DM gemindert hätten, so daß das Mindestgebot 1.200.,-- DM niedriger hätte ausfallen müssen. Ein Anteil von 2.400,-- DM für die Mängel und die fehlenden Teile bei einem geschätzten Verkaufswert von 7.000,-- DM erscheint etwas unwahrscheinlich. Unerheblich ist auch, ob später ein um 1.970,-- DM höherer Erlös hätte erzielt werden können und ob dieser um die zusätzlichen Kosten von 866,08 DM geschmälert worden wäre, da gerade durch das Verhalten des Beklagten nicht mehr festgestellt werden kann, welcher Erlös in einer neuen Versteigerung hätte erzielt werden können und in Höhe welchen Betrages der Kläger gegenüber seinen Gläubigern von seinen Verbindlichkeiten befreit worden wäre.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Der geltend gemachte Zinsanspruch ist gem. den §§ 284.288 BGB gerechtfertigt. </p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 709 ZPO.</p>
|
315,179 | olgham-1989-11-16-18-u-2089 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 18 U 20/89 | 1989-11-16T00:00:00 | 2019-03-13T14:48:31 | 2022-10-18T15:08:55 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1989:1116.18U20.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung des Klägers gegen das am 8. November 1988 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn wird zurückgewiesen.</p>
<p>Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p>Es beschwert den Kläger um weniger als 40.000,- DM.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Urteil ohne Tatbestand gem. § 543 Abs. 1 ZPO</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch ohne Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist sowohl hinsichtlich des Hauptantrages, mit dem der Kläger Zahlung an sich selbst verlangt, als auch hinsichtlich des zuletzt hilfsweise gestellten Antrags, den Beklagten zur Zahlung an die Oldenburgische Landesbank zu verurteilen, unbegründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von Maklerlohn gemäß § 652 Abs. 1 BGB.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks"><b>I.</b></p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Für den Nachweis oder die Vermittlung der Gelegenheit zum Abschluß des Kaufvertrages mit <u>Herrn</u> ... steht dem Kläger ein Courtageanspruch gegen den Beklagten nicht zu. Nach dem Inhalt des geschlossenen Maklervertrages sollte der Kläger einen Honoraranspruch nur im Falle der Durchführung des Kaufvertrages erlangen. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, denn der Beklagte und Herr ... haben den von ihnen geschlossenen Kaufvertrag wieder aufgehoben.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Vereinbarungsgemäß sollte dem Kläger die Differenz zwischen ... vom Beklagten verlangten Verkaufserlös von 296.000,- DM und ... tatsächlich erzielten Verkaufspreis zustehen. Eine solche Abrede stellt eine sogenannte Übererlösklausel dar, die von der Rechtsprechung grundsätzlich als zulässig erachtet wird (BGH WM 1969, 886). Ein Übererlös tritt aber erst dann ein, wenn der Kaufpreis tatsächlich (ganz oder teilweise, mindestens aber in einerden vom Verkäufer verlangten Erlös übersteigenden Höhe) gezahlt wird. Der Senat neigt deshalb zu der Auffassung, daß bei Vereinbarung einer Übererlösklausel der Makler generell das Risiko der Erfüllung der Kaufpreisforderung mitträgt, jedenfalls aber dann, wenn Makler und Verkäufer vereinbaren, daß im Kaufvertrag die Abtretung des Übererlöses an den Makler geregelt werden soll. Die Frage braucht indessen nicht allgemein entschieden zu werden.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Jedenfalls sind die im Streitfall zwischen den Parteien getroffenen Abreden dahin auszulegen, daß Bedingung für das Entstehen des Honoraranspruchs des Klägers die Durchführung des Kaufvertrages sein sollte. Der Beklagte hat bei seiner persönlichen Anhörung vor dem Landgericht erklärt, er habe mit dem Kläger an sich keinen Vertrag schließen wollen; nur weil dieser so sehr darauf bestanden habe, habe er ihm zugesagt, daß er, der Beklagte, nur 296.000,- DM haben wollte und alles andere dann seine Sache wäre. Der Kläger habe ihn gefragt: "Und wenn ich mehr kriege, ist das dann für mich?" Das habe er bejaht. Diese Erklärung des Beklagten zeigt, daß es ihm allein darauf ankam, 296.000,- DM zu erzielen. Er war einerseits nicht daran interessiert, einen höheren Preis zu erzielen und versprach deshalb einen etwaigen Mehrerlös in voller Höhe dem Kläger. Andererseits wollte er aber den Betrag von 296.000,- DM auch tatsächlich vereinnahmen, mit anderen Worten, er wollte keinesfalls "draufzahlen". Das folgt aus seiner - unwiderlegten - Erklärung, er habe mit dem Kläger ansich gar keinen Maklervertrag abschließen wollen und auf Drängen des Klägers diesem dann erklärt, er wolle nur 296.000,- DM haben, ... alles andere wäre dann seine (des Klägers) Sache. Der Beklagte selbst wollte mithin dem Kläger keine Provision bezahlen, sondern ihm lediglich den etwaigen Mehrerlös zukommen lassen. Folgerichtig hat er den mit Herrn ... vereinbarten Kaufpreis in Höhe eines Teilbetrages von 14.000,- DM, also genau in Höhe des erzielten Übererlöses, an den Kläger abgetreten. Da der Kaufvertrag später aufgehoben, mithin kein Erlös, auch kein Übererlös erzielt worden ist, fehlt es an dem Eintritt der aufschiebenden Bedingung, unter der der Courtageanspruch vereinbarungsgemäß entstehen sollte.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks"><b>II.</b></p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat gegen den Beklagten auch keinen Anspruch auf Zahlung von Maklerlohn im Hinblick darauf, daß der Beklagte das Hausgrundstück später an <u>Frau</u> ... verkauft hat.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Durch den Abschluß des ersten Kaufvertrages mit Herrn ... ist der von dem Kläger erbrachte Nachweis verbraucht worden. Der ihm erteilte Maklerauftrag war damit beendet (vgl. Staudinger/Reuter, 12. Aufl., §§ 652, 653 Rdnr. 104 und Münchener Kommentar-Schwerdtner, 2. Aufl., § 652 Rdnr. 152). Im Hinblick auf den zweiten, mit Frau ... geschlossenen Kaufvertrag hätte der Kläger einen Maklerlohnanspruch nur erlangen können, wenn der Beklagte ihm einen neuen Auftrag erteilt hätte. Das ist nicht der Fall.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks"><b>III.</b></p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Ziffer 10, 713 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks"><b>IV.</b></p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Dem Antrag des Klägers, gegen dieses Urteil die Revision zuzulassen, ist nicht zu entsprechen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 546 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Die Verneinung des Provisionsanspruchs beruht nicht auf allgemeinen rechtlichen Erwägungen, sondern ist das Ergebnis der Auslegung der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung. Das Urteil weicht auch nicht von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs oder des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes ab (§ 546 Abs. 1 Ziffer 2 ZPO). Zwar hat der Bundesgerichtshof schon mehrfach entschieden, daß der Provisionsanspruch des Maklers nicht entfällt, wenn der geschlossene Hauptvertrag nachträglich aufgehoben wird (BGH WM 1970, 1273; 1974, 257 und DB 1976, 2252). Diesen Entscheidungen lagen jeweils übliche Provisionsvereinbarungen zugrunde, wonach der Provisionsanspruch jeweils bereits mit Abschluß des Hauptvertrages entstand. Die Frage, welchen Einfluß die nachträgliche Aufhebung des Hauptvertrages auf den Honoraranspruch des Maklers hat, wenn der Auftraggeber ihm als Lohn den sogenannten Übererlös versprochen hat, hat der Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Verkündet 16. November 1989</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts</p>
|
315,180 | lg-bonn-1989-11-16-6-s-34489 | {
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"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 6 S 344/89 | 1989-11-16T00:00:00 | 2019-03-13T14:48:32 | 2022-10-18T15:08:55 | Urteil | ECLI:DE:LGBN:1989:1116.6S344.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung der Klägerin wird das am 20. Juni 1989 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bonn - 6 C 246/89 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst: </p>
<p></p>
<p>Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt. an die Klägerin 1.401,08 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 03. April 1989 zu zahlen. </p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden den Beklagten auferlegt. </p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline;">Entscheidungsgründe:</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die formell unbedenkliche Berufung hat in der Sache Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten sind gemäß § 535 Satz 2 BGB in Verbindung mit den Regelungen des Mietvertrages der Parteien vom ##. August 19## verpflichtet, die von der Klägerin im zweiten Rechtszug weiterverfolgten Beträge nachzuzahlen, um die sie die vertraglich geschuldeten Mieten seit September 19## gemindert haben. Es handelt sich um einen Betrag von 1.401,08 DM abzüglich der vom Amtsgericht ausgeurteilten 11,08 DM, d. h. 1.389,92 DM betreffend die Zeit vom ##. September 19## bis ##. April 19##.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Aufgrund des der Kammer unterbreiteten Sachverhaltes hat nicht festgestellt werden können, dass die Mietwohnung der Beklagten in dem fraglichen Zeitraum mit Fehlern behaftet war, die ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch minderten (§ 537 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Beklagten haben deshalb die geschuldeten Mieten zu Unrecht gemindert, weil sie auch nicht teilweise gemäß § 537 Abs. 1 BGB von ihrer Mietzinszahlungspflicht befreit waren.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Anders als das Amtsgericht erachtet die Kammer den Sachvortrag der Beklagten nicht als ausreichend, um konkrete Feststellungen darüber treffen zu können, in welchem Maße der Lichthof der Wohnanlage A in C, an dem ihre Wohnung liegt, laufend durch Unrat verschmutzt wurde. Die Beklagten haben ihren erstinstanzlichen Vortrag, seit Sommer 19## würden die Bewohner der oberen Stockwerke ständig und regelmäßig Müll und sonstige Gegenstände von ihren Balkonen in den Lichthof hinabwerfen, auch im zweiten Rechtszug nicht hinreichend präzisiert. Der Verlauf der Berufungsverhandlung hat gezeigt, dass die Beklagten hierzu offenkundig auch nicht in der Lage sind, weil sie die von ihnen beanstandeten Verschmutzungen in dem hier interessierenden Zeitraum von September 19## bis April 19## nicht im einzelnen festgehalten haben: Weder die beklagte Ehefrau noch ihr Prozessbevollmächtigter vermochten hierzu konkrete Angaben zu machen. Soweit auf einigen der bei den Akten befindlichen und im Termin erörterten Fotos die Ansammlung von Unrat in dem Lichthof zu sehen ist, lässt sich aus diesen fotografischen Darstellungen ebensowenig entnehmen, ob überhaupt, wenn ja, wann und welcher Unrat und gegebenenfalls mit welcher Häufigkeit er in den Lichthof geworfen wurde. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass eine zur Mietminderung berechtigende Gebrauchsbeeinträchtigung durch derartigen Unrat ohnehin nur dann in Betracht kommt, wenn der Lichthof durch Mitbewohner der Wohnanlage so übermäßig verschmutzt würde, dass es den Beklagten nicht mehr zumutbar wäre, selbst für die Reinhaltung des Lichthofes zu sorgen, wozu sie - was von ihnen grundsätzlich auch nicht in Abrede gestellt wird - mietvertraglich (Hausordnung) an sich verpflichtet sind, da der Lichthof allein ihnen zur Nutzung überlassen ist; mag er nun mitvermietet worden sein oder nicht. Ob und wann solche übermäßigen Verschmutzungen, die allein als erhebliche Gebrauchsbeeinträchtigung im Sinne von § 537 Abs. 1 Satz 1 BGB angesehen werden könnte, bestanden haben, haben die Beklagten schließlich auch nicht durch die Vorlage der schriftlichen Erklärungen von Mitbewohnern schlüssig vorzutragen vermocht: Weder das von anderen Mietern mitunterzeichnete Schreiben der Beklagten an die Klägerin vom ##. Juli 19## noch die drei Schreiben vom ##. August 19## enthalten die - oben im einzelnen aufgeführten - erforderlichen konkreten Angaben über Ort und Zeit sowie Häufigkeit der angeblichen Verschmutzung. Allerdings dürften insbesondere die Schreiben vom ##. August 19##, sollte ihr Inhalt zutreffen für die Klägerin Anlass sein. die Einhaltung eines Mindestmaßes von Ordnung und Reinlichkeit in der Wohnanlage zu überprüfen. um gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Als solche Maßnahmen kommen - wie in der Berufungsverhandlung erörtert - in Betracht, die Bewohner durch Rundschreiben, Anschläge. Kontrollen u. ä. <em>zu </em>veranlassen, keine Gegenstände aus den Fenstern und von Balkonen hinabzuwerfen bzw. dafür zu sorgen, dass auch bei stärkerem Wind keine auf den Balkonen oder Fensterbänken befindlichen Gegenstände wie Blumentöpfe u. ä. hinabgeweht werden. Ferner sollte überprüft werden, wie es durch entsprechende bauliche Vorrichtungen verhindert werden kann, dass auf dem Flachdach trotz aller Vorsicht der Hausbewohner und trotz regelmäßiger Reinigung der Dachfläche durch die Klägerin im Einzelfall herumliegende Gegenstände durch Windeinwirkung o. ä. in die Lichthöfe der Erdgeschoßwohnungen geweht werden.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten leiten ihren Mietminderungsanspruch zu Unrecht schließlich aus dem bedauerlichen Vorfall vom ##. August 19## ab, denn es gehört nicht zu den generellen Vermieterpflichten, seine Mieter vor gezielt geworfenen Gegenständen zu bewahren; bei einem solchen - ans Kriminelle grenzenden - Tun einzelner handelt es sich um die Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos eines jeden Menschen, sei er Hauseigentümer oder Mieter, dem grundsätzlich nur mit strafrechtlichen Mitteln beizukommen ist. Allerdings empfiehlt es sich. dass die Klägerin in ihren vorstehend angeregten Rundschreiben auch auf die Gefährlichkeit und das Verbotswidrige derartiger Handlungsweisen eindringlich hinweist.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Da die Beklagten <em>nach </em>allem den Mietzins zu Unrecht gemindert haben, sind sie gemäß dem Klageantrag auf die Berufung zur Zahlung des Mietrückstandes zu verurteilen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1BGB.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline;">Wert des Berufungsverfahren: </span>1.389,92 DM.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks"> </p>
|
315,181 | lagk-1989-11-14-11-sa-84589 | {
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"name": "Landesarbeitsgericht Köln",
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"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Arbeitsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 11 Sa 845/89 | 1989-11-14T00:00:00 | 2019-03-13T14:48:34 | 2022-10-18T15:08:55 | Urteil | ECLI:DE:LAGK:1989:1114.11SA845.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung des beklagten Landes gegen das am 8. Juni 1989 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg</p>
<p>1 Ca 547/89   wird kostenpflichtig zurückgewiesen.</p>
<p>Streitwert: unverändert.</p>
<p>Die Revision wird zugelassen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Tatbestand</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Parteien streiten über die tarifrichtige Eingruppierung des Klägers.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der am    .1937 geborene Kläger ist bei dem beklagten Land aufgrund des Arbeitsvertrages vom 24.05.1971 seit dem 01.12.1970 als Angestellter tätig.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Bundesangestelltentarif-</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">vertrag (BAT) Anwendung.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Kläger war zunächst unter Eingruppierung in die Vergütungsgruppe VII BAT bei der Kreispolizeibehörde S   , Abteilung Kriminalpolizei, im Erkennungsdienst beschäftigt. Mit Wirkung vom 01.12.1972 wurde ihm eine Stelle der Vergütungsgruppe VI b BAT in technischen Berufen zugewiesen. Dem lag das Schreiben des beklagten Landes vom 11.01.1973 (Bl. 28 d. Beiakte) zugrunde.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 29.08.1985 (Bl. 29 d. Beiakte) wurde der Kläger nunmehr mit Wirkung zum 02.09.1985 zum Regionalkommissariat in T   umgesetzt. Im einzelnen wurden ihm dabei folgende Aufgaben zugewiesen:</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">1.         Tatortarbeit - Fotografie, Spurensuche u. –sicherung - (45 <em>%</em> der Gesamttätigkeit)</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">2.         Durchführung von ED-Behandlungen,   35 <em>%</em></p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">3.         Sichtung von Tatort   u. Vergleichsfingerspuren,Präparierung von Diebesfallen, Wartung destechnischen Gerätes - 5 % -</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">4.         Abverfügung einfacher Ermittlungsvorgänge ohneermittelte Täter an die StA, Fertigung der pol.Kriminalstatistik,   15 <em>%</em></p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">5.         Vertretung des Angestellten W   (Abt. – K – S   )</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">im Urlaubs- oder Krankheitsfall.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Unte<em>r</em> dem 28.05.1989 beantragte der Kläger die Höhergrupperung in die Vergütungsgruppe V c BAT (Fallgruppe 1b)</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Danach erstellte die Beschäftigungsbehörde unter dem 25.08. 1986 eine Tätigkeitsdarstellung und -bewertung. Wegen der unstreitigen Einzelheiten wird auf Bl. 36 bis 40 der Beiakte Bezug genommen. Für die Tatortarbeit ist dort ein Anteil an der gesamten Arbeitszeit von 57,5 <em>%</em> festgestellt, für erkennungsdienstliche Behandlung ein Anteil von 25 <em>%,</em> für Fotografie 7,5 <em>%</em> und für sonstige Tätigkeiten 10 <em>%.</em></p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Nach Ablehnung der beantragten Höhergruppierung begehrte der Kläger in einem Vorprozeß die Feststellung der Verpflichtung des beklagten Landes, an ihn ab dem 01.12.1985 Vergütung nach Vergütungsgruppe V c BAT zu zahlen sowie nachzuzahlende Beträge ab der monatlichen Fälligkeit des Gehaltes mit 4 <em>%</em> zu verzinsen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Diesen Klageanträgen entsprach das Arbeitsgericht Siegburg - 3 Ca 393/87 - mit rechtskräftigem Urteil vom 27.08.1987 (Bl. 63 ff. d. Beiakte). In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, daß sich die Tätigkeit des Klägers im wesentlichen in drei Arbeitsvorgänge aufgliedere, nämlich den Arbeitsvorgang Tatortarbeit, den Arbeitsvorgang erkennungsdienstliche Behandlung und den Arbeitsvorgang Fotografie. Bezüglich sämtlicher genannten Arbeitsvorgänge seien die Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 1 a erfüllt, weil die Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und selbständige Leistungen erfordere, und zwar für einen Zeitanteil, der mindestens über der Hälfte der Tätigkeiten des einzelnen Arbeitsvorganges liege.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 18.01.1988 (Kopie Bl. 5 d. A.) wurde dem Kläger mitgeteilt, daß er mit Wirkung vom 01.12.1985 in der Vergütungsgruppe <em>V</em> c Fallqruppe 1 b eingruppiert sei. Mehrere schriftliche Aufforderungen des Klägers, ihn in die Fallgruppe 1 a der Vergütungsgruppe V <em>c</em> einzustufen, weil ihm aus der Fallgruppe 1 b kein Bewährungsaufstieg möglich sei, blieben erfolglos.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Mit seiner beim Arbeitsgericht am 30.03.1989 eingegangenen Klage hat der Kläger sein Höhergruppierungsbegehren nach Vergütungsgruppe <em>l</em> b BAT mit Wirkung ab dem 01.12.1988 verfolgt.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat vorgetragen, er habe mit Wirkung vom 01.12.1985 vertragsgemäß eine Tätigkeit der Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 1 a BAT auszuüben, so daß er nach dreijähriger Bewährungszeit, die ab dem 01.12.1988 erfüllt sei, in der Vergütungsgruppe V b BAT Fallgruppe 1 c eingruppiert sei. In den Entscheidungsgründen des Urteils im Vorprozeß sei ausdrücklich festgestellt worden, daß seine Tätigkeit die Voraussetzungen der Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 1 a erfülle, weil seine selbständigen Leistungen im jeweiligen Arbeitsvorgang mehr als die Hälfte der dort aufgewendeten Zeit umfaßten. Daran sei das beklagte Land heute gebunden. Er, der Kläger, habe sich auch während der dreijährigen Bewährungszeit bewährt. Beanstandungen seiner Tätigkeit seien nicht erfolgt. Darüber hinaus hätten sich die Tätigkeitsmerkmale in den letzten drei Jahren nicht geändert. Hierzu verweist der Kläger auf eine Bescheinigung der Beschäftigungsbehörde vom 12.04.1989 (Kopie Bl. 15 d. A.).</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">1 . festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, an den Kläger ab dem 01.12.1988 eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe V b BAT zu zahlen,</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">2. festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, die von ihm nachzuzahlenden Beträge ab dem 23.03.1989 sowie die nach Klageerhebung fällig werdenden Differenzbeträge ab der jeweiligen monatlichen Fälligkeit mit 4 <em>%</em> zu verzinsen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Es hat die Ansicht vertreten, das Urteil im Vorprozeß stehe einer erneuten Überprüfung hinsichtlich der Erfüllung der Tätigkeitsmerkmale durch den Kläger nicht entgegen, weil die Fallgruppenbeurteilung nicht in Rechtskraft erwachsen sei. Der Kläger sei richtig in der Vergütungsgruppe V c BAT Fallgruppe 1 b eingruppiert. Die nach der Arbeitsplatzbeschreibung vom 25.08.1986 zu erledigende Tatortarbeit könne nicht als einheitlicher Arbeitsvorgang gewertet werden, weil die Arbeit zahlreiche gesondert bewertbare Aufgaben enthalte. Bei der erkennungsdienstlichen Behandlung handele es sich um Arbeitsvorgänge, die zwar eine gründliche und zuverlässige Arbeitsweise voraussetzten, jedoch anhand von Formularen überwiegend schematisch erledigt würden und keine eigene geistige Initiative erforderten. Auch die sonstigen dem Kläger übertragenen Arbeiten könnten nicht als selbständige Tätigkeiten im Sinne der Fallgruppe 1 a der Vergütungsgruppe V c BAT bewertet werden.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Entscheidungsgründe seines am 08.06.1989 verkündeten und dem beklagten Land am 27.07.1989 zugestellten Urteils wird Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Das beklagte Land hat am 25.08.1989 Berufung eingelegt, die es am 22.09.1989 begründet hat.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Das beklagte Land meint, entgegen den Feststellungen im angefochtenen Urteil, das sich in tatsächlicher Hinsicht auf die Feststellungen des Urteils im Vorprozeß stütze, fielen "selbständige Arbeiten" lediglich bei der "Tatortarbeit" an, nicht aber bei den übrigen, dem Kläger übertragenen Aufgaben. Ferner könne die Tatortarbeit nicht als ein einheitlicher Arbeitsvorgang begriffen werden. Vielmehr ergebe sich der zu bewertende Arbeitsvorgang aus dem jeweils erteilten Auftrag. Es seien vom Angestellten sowohl Aufträge zu verrichten, für die gründliche und vielseitige Fachkenntnisse ausreichten, als auch solche, die zusätzlich selbständige Leistungen erforderten.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Das beklagte Land behauptet, nicht jede Spurensuche gestalte sich schwierig. Vielfach seien nur einfache <em>Routinetätigkeiten</em> zu verrichten. Die Anforderungen entsprächen insoweit allenfalls einer leichten geistigen Arbeit. (Beweis: Sachverständigengutachten).</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Das beklagte Land wendet ferner ein, daß Teile der Arbeiten am Tatort in den Tarifmerkmalen für die entsprechenden Spezialisten nach Vergütungsgruppe VI b bewertet würden. Eine andere gualifiziertere Bewertung solcher Arbeiten sei mit der Vergütungsordnung nicht zu vereinbaren, wenn der Arbeitsplatz insgesamt unter die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale falle.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Wie das beklagte Land weiter vorträgt, erforderten weder der Aufgabenkomplex der erkennungsdienstlichen Behandlung noch die Arbeit als Fotograf selbständige Leistungen im Sinne der Fallgruppe 1 a der Vergütungsgruppe V c BAT. Demgegenüber sei im Hinblick auf die Tatortarbeit davon</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">auszugehen, daß der Kläger das Tätigkeitsmerkmal der Fallgru<em>p</em>pe 1 b der Vergütungsgruppe <em>V c</em> BAT erfülle, nämlich zu einem Drittel selbständige Leistungen verrichte.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Das beklagte Land beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">die Berufung des beklagten Landes zurückzuweisen .</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Er wiederholt und ergänzt sein erstinstanzliches Vorbringen und nimmt Bezug auf die seiner Ansicht nach zutreffenden Gründe des arbeitsgerichtlichen Urteils. Er behauptet, bei jeder Tatortarbeit sei eine selbständige Leistung des Klägers erforderlich unabhängig davon, ob es sich dabei um einen Kellereinbruch oder um einen großangelegten Raub handele. Die Spurensicherung müsse an jedem Tatort erneut vorgenommen werden. Auch sei die Entscheidung, wie etwa welche Spuren im einzelnen zu sichern seien, an jedem Tatort zu treffen. Es gebe also keineswegs Aufträge, in denen selbständige Leistungen nicht gefordert würden. (Beweis: Sachverständigengutachten). Bei der Tatortarbeit werde der Kläger völlig selbständig ohne Vorgesetzten tätig. Daß es sich nicht lediglich um leichte geistige Arbeit in diesem Bereich handele, werde auch deutlich durch die Tatsache, daß in den Hauptstellen des beklagten Landes etwa in K   oder B   fast ausschließlich Beamte des gehobenen Dienstes die Tätigkeit ausführten, die der Kläger verrichte.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Auch bei dem Arbeitsvorgang der erkennungsdienstlichen Behandlung handele es sich keineswegs um Routinearbeiten. Auch hier habe der Kläger eigene Beurteilungen und eigene Entscheidungen zu treffen, die dem Merkmal "selbständige Leistungen" entsprächen.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Gleiches gelte auch für den Arbeitsvorgang "Fotografie". Denn der Kläger führe die Aufgaben als Fotograf nicht auf Anweisung eines Ermittlungsbeamten durch. Er erhalte von niemandem eine Anweisung und entscheide völlig selbständig und in eigener Verantwortung, ob und welche Art von Fotografien gefertigt würden. Entscheidend berücksichtigt werden müsse hier, daß das entsprechende Beweisstück auf dem Foto einwandfrei erkennbar sei. Die verschiedenen Arten des Fotografierens müsse der Kläger hier gegeneinander abwägen und im Einzelfall entscheiden, wie er ein Beweisstück zu fotografieren habe, damit es zweifelsfrei erkennbar werde.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Die Akten des Vorprozesses beim Arbeitsgericht Siegburg - 3 Ca 393/87 - sind beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Entscheidungsgründe</span></p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">l .     Die Berufung ist zwar zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1 Satz 1 , 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 518, 519 ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen für eine Eingruppierung in die Vergütungsgruppe V b BAT ab dem 01.12.1988. Nach der Fallqruppe 1 c diese<em>r Vergütungsgruppe</em> sind Angestellte im Büro-, Buchhalterei - und sonstige im Innendienst und im Außendienst zu vergüten, deren Tätigkeit c) rundliche und vielseitige Fachkenntnisse und selbständige Leistungen erfordert, nach dreijähriger Bewährung in Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 1 a BAT. Das Arbeitsgericht ist insoweit zurecht zu dem Ergebnis gelangt, daß der Kläger ab dem 01.12.1985 in der Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 1 a eingruppiert war und sich für die Dauer von drei Jahren, also bis zum 01.12.1988, auch bewährt hat.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Dies folgt allerdings nicht ohne weiteres aus dem rechtskräftigen Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 27.08.1987   <em>3</em> Ca 393/87   im Vorprozeß, in dem festgestellt wurde, daß das beklagte Land verpflichtet ist, an den Kläger ab dem 01.12.1985 eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe V c BAT zu zahlen. Zwar ist in den dortigen Entscheidungsgründen ausführlich dargelegt worden, daß der Kläger die Voraussetzungen der Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 1 a BAT erfüllt. Diese Fallgruppenbeurteilung konnte jedoch nicht in materielle Rechtskraft erwachsen. Das ist vom Arbeitsgericht zutreffend erkannt und im einzelnen auch unter Hinweis auf das Urteil des BAG vom 09.07.1980   4 AZR 579/78   (EzA §§ 22   23 BAT Nr. 24) begründet worden. Dem ist seitens der Berufungskammer nichts hinzuzufügen.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Im Hinblick auf den hier streitbefangenen Fallgruppenbewährungsaufstieg ist bei erneuter Sachprüfung festzustellen, daß der Kläger seit dem 01.12.1985 vertragsgemäß eine Tätigkeit entsprechend der Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 1 a BAT ausübt.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Gemäß § 22 Abs. 2 Unterabsatz 1 BAT ist ein Angestellter in der Vergütungsgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmale die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Das ist der Fall, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmales oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Vergütungsgruppe erfüllen ( § 22 Abs. 2 Unterabsatz 2 BAT). Als Arbeitsvorgang ist dabei nach der Protokollnotiz Nr. 1 zu § 22 Abs. 2 BAT und der dazu vorliegenden Rechtsprechung eine unter Hinzuziehung der Zusammenhangstätigkeiten und bei Berücksichtigung einer vernünftigen, sinnvollen und praktischen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und tarifrechtlich selbständig bewertbare Arbeitseinheit zu verstehen, die zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führt (vgl. BAG, Urteil vom 29.01.1986 - 4 AZR 465/84 -, AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975, Bl . 1535 R m.w.N.; Neumann, NZA 1986, 729 f.). Bei diesem Begriff des Arbeitsvorganges handelt es sich um einen feststehenden, abstrakten und von den Tarifvertragsparteien vorgegebenen Rechtsbegriff, der vom Gericht unabhängig vom Vortrag der Parteien festzustellen bzw. zu überprüfen ist. Damit das Gericht die erforderlichen Arbeitsvorgänge bestimmen kann, bedarf es eines ausreichenden Tatsachenvortrages. Dabei ist es aber nicht erforderlich, daß der Kläger selbst seine Tätigkeit nach Arbeitsvorgängen aufgliedert oder gar genaue tagebuchartige Aufzeichnungen über die Tätigkeit macht. Vielmehr ergibt sich aus § 331 ZPO, daß der Anspruch schon dann immer schlüssig dargetan ist, wenn das tatsächliche Vorbringen den Klageantrag begründet erscheinen läßt (vgl. BAG, Urteil vom 24.10.1984   4 AZR 518/82 -, AP Nr. 97 zu §§ 22, 23 BAT 1975, Bl. 676 m.w.N.). Es muß vor allem dargelegt werden, welche Arbeitsergebnisse zu erarbeiten sind, da die Bestimmung des Arbeitsvorganges maßgeblich vom Arbeitsergebnis her zu erfolgen hat. Darzu-</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">stellen ist auch, wie weit die Aufgaben tatsächlich voneinander abgegrenzt werden können und ob sie auch jeweils für sich selbständig <em>zu</em> bewerten sind Schließlich muß auch die jeweils benötigte Zeit angegeben werden, da nur so festgestellt werden kann, ob zum Schluß die Arbeitsvorgänge die Hälfte der gesamten Arbeitszeit ausmachen. Nur wenn eine solche ausreichende Darlegung der Tätigkeit im Hinblick auf die Arbeitsvorgänge vorliegt, kann eine Eingruppierungsfeststellungsklage Erfolg haben (vgl. Neumann, NZA 1986, 729, 730). Für deren Schlüssigkeit sowie für die Darlegungs- und Beweislast gelten die allgemeinen Grundsätze des Zivilprozeßrecht s (vgl. BAG, Urteil vom 24.10.1984   4 AZR 518/82 -, AP Nr. 97 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Diesen Anforderungen wird das weitgehend unstreitige klägerische Vorbringen gerecht.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Bereits im Hinblick auf den Arbeitsvorgang "Tatortarbeit", der allein mehr als die Hälfte der Gesamtarbeitszeit des Klägers einnimmt, ist festzustellen, daß die Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 1 a BAT ab dem 01.12.1985 erfüllt waren. Soweit der Kläger zu den einzelnen Arbeitsaufgaben Zeitanteile von seiner gesamten Arbeitszeit vorträgt, war dies als tatsächlich unstreitiger Vortrag zu werten, weil das beklagte Land diesem Vortrag nicht entgegengetreten ist und die Zeitaufteilung in der Berufungsbegründung selbst zugrundelegt. Der Vortrag des Klägers gründet sich auf die inhaltlich unstreitigen Tätigkeitsbeschreibungen der Beschäftigungsbehörde vom 25.08.1986 und vom 29.01.1987 (Kopie Bl. 36 bis 43 d. Beiakte). Damit steht hinsichtlich des Aufgabenkomplexes "Tatortarbeit" fest, daß er einen Anteil von 57,5 % an der gesamten Arbeitszeit des Klägers einnimmt.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Zu Unrecht wendet sich das beklagte Land dagegen, daß das Arbeitsgericht die  Tatortarbeit. als einen einheitlichen Arbeitsvorgang bewertet hat. Die in der Tätigkeitsdarstellung vom 25.08.1986 im einzelnen aufgeführten Teiltätigkeiten sind unter dem Begriff Tatortarbeit nach der praktischen, vernünftigen Verwaltungsübung abgrenzbar und führen alle <em>zu</em> einem einheitlichen Arbeitsergebnis, wobei der Spurensuche und -sicherung am Tatort als wesentlichem Merkmal eine kennzeichnende Wirkung zukommt. Eine Grenzziehung unterhalb dieser ergebnisorientierten Einheit würde zu einer unpraktischen dienstfremden Aufspaltung eines einheitlichen abgrenzbaren Arbeitsvorganges in kleinste und nicht tariflich selbständig bewertbare Teilarbeitstätigkeiten führen. Soweit das beklagte Land hiergegen mit der Berufung eingewandt hat, bei der Tatortarbeit ergebe sich der zu bewertende Arbeitsvorgang aus dem jeweils erteilten Auftrag, so kann dem nicht gefolgt werden. Dabei wird übersehen, daß es für die Bestimmung des Arbeitsvorganges wesentlich auf das Arbeitsergebnis ankommt. Das Arbeitsziel besteht aber auftragsunabhängig in der Spurensuche und Spurensicherung. Dadurch wird der Arbeitsvorgang insgesamt gekennzeichnet. Im Hinblick auf diesen gleichbleibenden Arbeitszweck verbietet es sich, etwa jeden einzelnen Untersuchungsauftrag oder die Verfolgung einzelner Spuren und ihre Erfassung jeweils als separaten Arbeitsvorgang anzusehen. Dies würde zu einer "Atomisierung" menschlicher Arbeitsleistungen führen, die vom Begriff des Arbeitsvorganges nicht gefordert ist (vgl. BAG, Urteil vom 01.09.1982 - 4 AZR 1134/79 -, AP Nr. 60 zu §§ 22, 23 BAT 1975, Bl. 569 <em>R)</em></p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Soweit das beklagte Land darüber hinaus erstinstanzlich eingewandt hat, die vom Kläger zu erledigende Tatortarbeit könne nicht als einheitlicher Arbeitsvorgang bewertet werden, weil sie zahlreiche gesondert bewertbare Aufgaben enthalte, nämlich die Aufgaben als Fotograf und einige</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Aufgaben in der Spurensicherung, so ist. dies zutreffend bereits vom Arbeitsgericht widerlegt worden (Seihe 12 u n d 13 <em>des Urteil</em>s ) . Da diese Ausführungen des Arbeitsgerichts mit der Berufung nicht konkret angegriffen worden sind, bedarf es hierzu auch keiner weiteren Stellungn<em>ahme</em>.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Für den Arbeitsvorgang "Tatortarbeit" benötigt der Kläger auch gründliche und vielseitige Fachkenntnisse für einen Zeitanteil, der mindestens über der Hälfte der Tätigkeit in diesem Arbeitsvorgang liegt. Dies ergibt sich aus seinem umfangreichen und insoweit schlüssigen Sachvortrag und wird auch vom beklagten Land nicht in Frage gestellt. Insoweit kann ergänzend auf die Darlegung des Urteils im Vorprozeß (Seite 17 ff.) verwiesen werden.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Der Kläger erbringt bei der Tatortarbeit ferner selbständige Leistungen in dem notwendigen Umfang. Selbständige Leistungen im Sinne der Vergütungsgruppen <em>V c</em> Fallgruppe 1 a BAT bzw. V b Fallgruppe 1 c BAT erfordern eine Gedankenarbeit, die im Rahmen der vorausgesetzten Fachkenntnisse hinsichtlich des einzuschlagenden Weges wie der zu findenden Ergebnisse eine eigene Beurteilung und eine eigene Entscheidung enthalten, wobei eine nur leichte geistige Arbeit nicht genügt (vgl. Klammersatz zu Vergütungsgruppe <em>V</em> c Fallgruppe 1 a und Vergütungsgruppe V b Fallqruppe 1 c BAT sowie BAG, AP Nr. 53, 62 und 109 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Hier ist bezüglich der Tatortarbeit festzustellen, daß nach dem Vortrag beider Parteien alle dort anfallenden Einzeltätigkeiten vom Kläger auf sich gestellt allein in eigener Verantwortung erledigt werden. Er hat das Ergebnis seiner Arbeit aufgrund eigener Entscheidungen und Initiative zu erreichen. Die Spurensicherung hat eine entscheidende Bedeutung für die Verbrechensaufklärung. Insoweit besteht auch ein Ermessens- oder Beur-</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">teilungsspielraum, wie er für die geforderte " Selbstständigkeit" kennzeichnend ist (vgl. BAG AP Nr. 109 zu § S 22, 23 BAT 1975). Der Vorgesetzte des Klägers hat in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer auf eine entsprechende Frage ausdrücklich bestätigt, daß der Kläger z. B. selbständig beurteilen muß, ob eine bestimmte Spur verwertbar ist oder nicht und welche konkreten Sicherungsmaßnahmen getroffen werden. Schon die Komplexität der Tatortsituation und die Verschiedenartigkeit der Spuren belegen, daß es sich nicht um einfache geistige Tätigkeit handelt. Fehler beim Ablauf dieses komplizierten Arbeitsvorganges sind im Nachhinein kaum noch zu beheben. Schließlich muß der Kläger auch bei den Tatortberichten, die die Arbeitsergebnisse festhalten, eigene geistige Initiative entwickeln. Nach alledem kann nicht zweifelhaft sein, daß die Tatortarbeit nach Aufgabenstellung und Praxis jedenfalls weit überwiegend selbständige Leistungen erfordert.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Wenn das beklagte Land demgegenüber darauf hinweist, nicht jede Spurensuche gestalte sich schwierig, vielfach seien nur einfache Routinetätigkeiten zu verrichten, die allenfalls mit einer leichten geistigen Arbeit verbunden seien, so kann dahinstehen, ob dies tatsächlich zutrifft. Es bedurfte insbesondere nicht der Beweisaufnahme durch Sachverständigengutachten, weil diese Einwände aus Rechtsgründen unerheblich sind. Denn "selbständige Leistungen" müssen innerhalb der Arbeitsvorgänge wenigstens zur Hälfte erbracht werden, um die Tätigkeitsmerkmale der begehrten Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 c zu erfüllen. Dieser Zeitanteil ist dann aber auch bezogen auf den jeweiligen Arbeitsvorgang ausreichend. Zwar wird in Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 c ebenso wie in Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 1 a BAT ein besonderes Maß der selbständigen Leistungen nicht ausdrücklich gefordert. Aus § 22 Abs. 2 Unterabsatz 3 BAT ergibt sich jedoch, daß grundsätzlich</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">jede Anforderung (hier die selbständigen Leistungen) zeitlich mindestens zur Hälfte anfallen müssen. <em>Das</em> folgt zwingend aus dein Hinweis auf § 22 Abs. 2 Unterabsatz 2 Sät/ 1 BAT in § 22 Abs. 2 Unterabsatz 3 (vgl. BAG, Urteil vom 28.03.1979   4 AZR 446/77 -, AP Nr. 19 zu §§ 22, 23 BAT 1975).</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Mit Rücksicht darauf gewinnt es vorliegend besondere Bedeutung, daß auch nach dem eigenen Vorbringen des beklagten Landes "die Tätigkeit" des Klägers zu einem Drittel selbständige Leistungen erfordert. Da weiterhin selbständige Arbeiten des Klägers auch nur bei der "Tatortarbeit", nicht aber bei den übrigen Aufgaben anfallen sollen, ergibt sich aus der Kombination der Zeitanteile des Arbeitsvorganges "Tatortarbeit" einerseits und der selbständigen Leistungen bezogen auf die Gesamtarbeitszeit andererseits, daß bei der Tatortarbeit zeitlich mehr als die Hälfte selbständige Leistungen anfallen. Damit ist auch nach dem Vorbringen des beklagten Landes das qualifizierende Tätigkeitsmerkmal der selbständigen Leistungen für den Arbeitsvorgang "Tatortarbeit", der seinerseits mehr als die Hälfte der Gesamtarbeitszeit des Klägers in Anspruch nimmt, erfüllt.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">War der Kläger somit ab dem 01.12.1985 in der Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 1 a BAT eingruppiert, dann hat er nach dreijähriger Bewährung seit dem 01.12.1988 Anspruch auf Vergütung nach der Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 c BAT. Der Kläger hat auch die weiteren Voraussetzungen des Bewährungsaufstieges hinreichend dargetan. Unbestritten hat er seit seiner Eingruppierung in die Vergütungsgruppe V c BAT bestandungsfrei drei Jahre gearbeitet, ohne daß sich während dieses Zeitraumes seine Tätigkeit geändert hat.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">III.              Da das beklagt Land das Rechtsmittel ohne Erfolgeingelegt hat, muß es nach §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG,</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung tragen.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks"><em>Zur Neufestsetzung</em> des Str<em>ei</em>twertes bestand keine Veranlassung (§ 69 Abs. 2 ArbGG).</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">IV.              Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2Nr. 1 ArbGG.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Rechtsmittelbelehrung</span></p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil kann von dem beklagten Land Revision eingelegt werden. Die Revision muß innerhalb einer Notfrist (eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden) von einem Monat nach der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim Bundesarbeitsgericht, Graf-Bernadotte-Platz 3, 3500 Kassel-Wilhelmshöhe, eingelegt werden. Die Revision ist gleichzeitig oder innerhalb eines Monats nach ihrer Einlegung schriftlich zu begründen. Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.</p>
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315,182 | olgham-1989-11-09-10-wf-38489 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 10 WF 384/89 | 1989-11-09T00:00:00 | 2019-03-13T14:48:35 | 2022-10-18T15:08:53 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1989:1109.10WF384.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>wird das Prozeßkostenhilfegesuch der Antragstellerin zurückgewiesen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Gründe:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Antragstellerin kann Prozeßkostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung nicht bewilligt werden. Die Antragsteller in wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen den Beschluß des Amtsgerichts Ibbenbüren vom 09.08.1989, durch welchen der Erlaß einer einstweiligen Anordnung wegen des Umgangsrechts abgelehnt worden ist. Mit ihrer Beschwerde wird die Antragstellerin nicht durchdringen können, weil es an einem Regelungsbedürfnis für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung fehlt.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">In Familiensachen der Freiwilligen Gerichtsbarkeit können entsprechend ihrer verfahrensrechtlichen Einordnung einstweilige Anordnungen ergehen. Dabei richten sich die Voraussetzungen derartiger einstweiliger Anordnungen in Familiensachen nach der Bestimmung des § 621 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, welche die Regelung des Umgangs eines Elternteiles mit dem ehelichen Kinde zum Gegenstand hat, nach den allgemeinen Grundsätzen des Verfahrens der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 12. Aufl. ,§ 64k, Rz. 59). Nach den allgemeinen Grundsätzen des. <u>Verfahrens der Freiwilligen Gerichtsbarkeit sind einstweilige Anordnungen zulässig, wenn ein dringendes Bedürfnis für ein unverzügliches Einschreiten besteht, das ein Abwarten bis zur endgültigen Entscheidung nicht gestattet, weil diese zu spät kommen und Kindesinteressen nicht mehr genügend wahren würde </u>(Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O., § 19, Rz. 30). Die <u>Prüfung</u> der Frage, <u>ob</u> die <u>Voraussetzungen</u> für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung vorliegen, ist, wenn sich die Sache im Beschwerdeverfahren befindet, <u>in vollem Umfang vom Beschwerdegericht</u> anzustellen und dieses tritt sachlich in den Grenzen des Rechtsmittels vollständig an die Stelle der ersten Instanz und hat in der zur Entscheidung stehenden Angelegenheit die gleichen Befugnisse wie diese, so daß es nicht allein die Entscheidungsgründe des Gerichts erster Instanz nachprüft, sondern das ganze Sach- und Rechtsverhältnis, wie es sich zur Zeit seiner Entscheidung darstellt, einer Beurteilung unterzieht (Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O., § 25, Rz. 2). Zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber wird sich ein <u>dringendes Bedürfnis</u> für den Erlaß' einer einstweiligen Anordnung wegen des Umgangsrechts <u>nicht</u> feststellen lassen. Das vom <u>Amtsgericht</u> in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten liegt vor. Das Amtsgericht kann nunmehr <u>alsbald</u> seine <u>abschließende</u> <u>Hauptsachenentscheidung treffen</u>. Bis dahin werden allenfalls noch wenige Wochen verstreichen, angesichts derer davon, daß die Kindesinteressen nicht mehr gewahrt würden, wenn ein Umgangsrecht nicht stattfindet, keine Rede sein kann. Es steht sogar zu erwarten, daß der Vormund des Kindes bei den Ergebnisses des Sachverständigengutachtens und seiner bisherigen Haltung, vor Gewährung eines Besuchsrechts zunächst eine Begutachtung abzuwarten, ein Umgangsrecht zur Überbrückung der Zeit bis zur abschließenden Entscheidung durch das Amtsgericht einräumt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Nach alledem ist, wie geschehen, zu entscheiden.</p>
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315,183 | olgk-1989-11-08-27-u-4589 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 27 U 45/89 | 1989-11-08T00:00:00 | 2019-03-13T14:48:37 | 2022-10-18T15:08:53 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1989:1108.27U45.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufungen der Beklagten zu 1), 3), 4) und 5) gegen das am 8. Dezember 1988 verkündete Urteil der 25.</p>
<p>Zivilkammer des Landgerichts Köln -25 0 539/86 - werden zurückgewiesen.</p>
<p>Die Kosten des Berufungsrechtszuges tragen die Berufungskläger als Gesamtschuldner.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p>Den Berufungsklägern wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 81.500,--DM abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Den Parteien wird gestattet, die Sicherheitsleistung durch selbstschuldnerische Bürgschaften einer Westdeutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse zu erbringen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">TATBESTAND:</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist die Witwe des am 00.00.1930 geborenen Chemiefacharbeiters H, der am 25. August 1983 im HNO-Klinikum der Beklagten zu 1) verstorben ist. Sie verlangt Zahlung einer Schadensrente nach § 844 Abs. 2 BGB, weil der Tod nach ihrer Behauptung auf vorwerfbare fehlerhafte ärztliche Behandlung zurückzuführen ist.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">H litt an beidseitiger Nebennierenrindeninsuffizienz (Morbus Addison), die im Jahre 1982 im Ev. Krankenhaus in L festgestellt worden war. Das Fehlen der NNR-Hormone wurde durch die Einnahme des Cortisols Ultracorten (5 mg morgens und 2,5 mg abends) sowie Astomin H (0,1 mg morgens) substituiert.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Am 20. August 1983 stellte sich H als Kassenpatient wegen Nasenblutens (Epistaxis) in der HNOKlinik der Beklagten zu 1) vor. Ihm wurde ambulant eine Streifentamponade gelegt. Am 22. August 1983 erschien er erneut aufgrund Überweisung seines Hausarztes wegen wieder aufgetretenen Nasenblutens in der Klinik. Er legte seinen Notfall-Ausweis vor, in dein sein Leiden (Morbus Addison) angegeben und außerdem u.a. vermerkt ist, daß ihm "im Falle einer Erkrankung oder eines Unfalls rel. Corticoid-Mangel auszugleichen sei. Er wurde nunmehr stationär aufgenommen. Nachdem am 23. August 1983 die Blutungen zum Stillstand kamen, wurde die Entlassung für den 24. oder 25. August 1983 erwogen. Als am 24. August jedoch erneut Schmierblutungen auftraten, wurden am Nachmittag dieses Tages vorsorglich Vorbereitungen für eine eventuelle Bellocq-Tamponade getroffen. Dabei handelt es sich um einen operativen Eingriff unter Vollnarkose, bei dem der Durchgang zwischen Nasen- und Rachenraum verschlossen wird, um die Blutungen zu stillen. Da sich die Blutungen am Abend verstärkten, führte der Beklagte zu 4), der sich damals in der Facharztausbildung befand und bis dahin noch keine Bellocq-Tamponade gelegt hatte, die Operation durch. Dabei war jedenfalls während des Entfernens der vorderen Nasentamponade und des Legens der Bellocq-Tamponade der dienstältere Beklagte zu 3) anwesend, der sich ebenfalls in der Fachausbildung befand. Als Anaesthesistin wurde die im zweiten Jahr der Fachausbildung stehende Beklagte zu 5) hinzugezogen, die eintraf, als sich H bereits im Operationssaal befand. Die Narkose dauerte 75 Minuten, der Eingriff selbst 35 Minuten. Intraoperativ trat starker Blutverlust auf (etwa 800 ml). Nach der Operation wurde H wieder auf die Station zurückverlegt. Da eine von der Beklagten zu 5) angeregte Sitzwache nicht vorhanden war, wurde er mit einem anderen Patienten, der ständiger Überwachung bedurfte, zusammengelegt. Um 22.00 Uhr wurde eine Blutbildkontrolle durchgeführt. Der Blutverlust wurde ab 22.00 Uhr durch ständige Infusion von insgesamt 1000 ml Infusionen ausgeglichen. Um 22.30, 23.00, 24.00, 1.30 und 2.00 Uhr wurden Blutdruck und Puls gemessen. Die Werte ergaben stabile Kreislaufverhältnisse. Cortisol wurde dem Patienten weder während noch nach der Operation verabreicht. Um 2.50 Uhr wurde H vom Pfleger ohne Atmung und pulslos aufgefunden. Reanimationsversuche blieben erfolglos.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat behauptet, ihr Ehemann sei an akutem Herz- Kreislaufversagen, verursacht durch einen Mangel an Cortisol, gestorben. Wegen des den Ärzten bekannten Morbus Addison sei es erforderlich gewesen, während und nach der Operation eine Behandlung mit Cortisol durchzuführen. Das Unterlassen hätten der Beklagte zu 2) als dienstältester Stationsarzt, die Beklagten zu 3) und 4) als Operateure, die Beklagte zu 5) als Anaesthesistin und die Beklagte zu 6) als diejenige Anaesthesistin zu verantworten, die H am Nachmittag des 24. August auf die Operation vorbereitet habe. Außerdem sei die postoperative Überwachung unzureichend gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Schließlich hat sie behauptet, ihr Ehemann sei über die Risiken des Eingriffs nicht hinreichend aufgeklärt worden. Ein Hinweis auf die Möglichkeit einer Addison-Krise und deren Folge sei unterblieben.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die geforderte Schadensersatzrente hat sie wie folgt berechnet:</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">durchschnittl. Monatsnetto‑</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">einkommen von August 1982</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">bis Juli 1983:              2.892,10 DM</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">abzüglich fixe Kosten</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">für die Haushaltsführung:              800,-- DM</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">frei verfügbares Einkommen</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">mithin:              2.092,10 DM.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><table class="absatzLinks" cellspacing="0" cellpadding="0"><tbody><tr><td><p>Hiervon die Hälfte zuzüglich Fixkosten:</p>
<p>abzgl. Witwenrente, die in</p>
<p>den Jahre 1983 bis 1986 durchschnittlich 905,80 DM betragen habe</p>
</td>
<td><p>1.846,05 DM</p>
<p>940,25 DM.</p>
</td>
</tr>
</tbody>
</table>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Sie hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">die Beklagten als Gesamtschuldner</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">zu verurteilen, an sie zu zahlen</p>
<span class="absatzRechts">19</span><ul class="absatzLinks"><li><span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">1.              eine monatliche Rente in Höhe von 940,25 DM jeweils im Voraus bis zum 3. Werktag eines Monats seit dem 1.9.1986 bis zum 30.6.1995 nebst 4 % Zinsen für den jeweils fällig werdenden Betrag,</p>
</li>
<li><span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">2.            für die Zeit vom 1.9.1983 bis 31.8.1986 einen Betrag von 33.849,-- DM nebst 4 % Rechtshängigkeitszinsen,</p>
</li>
<li><span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">3.            für die Zeit vom 1. Juli 1995 bis 30.6.2002 eine monatliche Schadensersatzrente in der Höhe nach dem Ermessen des Gerichts, hilfsweise festzustellen, daß die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet seien, ihr für die Zeit vom 1.7.1995 bis 30.6.2002 eine monatliche Schadensersatzrente zu zahlen,</p>
</li>
</ul>
<span class="absatzRechts">23</span><ul class="absatzLinks"><li><span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">4.            für die Zeit vom 1.7.2002 bis aan ihr Lebensende eine Schadensersatzrente in der Höhe nach dem Ermessen des Gerichts, hilfsweise</p>
</li>
</ul>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">festzustellen, daß die Beklagten ge-samtschuldnerisch verpflichtet seien,</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">ihr für die Zeit vom 1.7.2002 bis an ihr Lebensende eine monatliche Schadensersatzrente zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Sie haben die Notwendigkeit bestritten, die Cortisolsubstitution intra- und/oder postoperativ zu erhöhen. Ferner haben sie die Ursächlichkeit des Unterlassens für den Tod in Abrede gestellt. Die Beklagten zu 2), 3) und 4) haben darüber hinaus geltend gemacht, ihnen sei das Unterlassen ohnehin nicht anzulasten, weil es Sache des Anaesthesisten gewesen sei, erforderlichenfalls für die Zuführung von Cortisol zu sorgen.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat die Beklagten zu 1), 3), 4) und 5) verurteilt, an die Klägerin für die Zeit vom 1.9.1986 bis 30.6.1995 als Gesamtschuldner eine Rente von monatlich 783,34 DM und einen Rentenrückstand von 28.200,24 DM nebst Zinsen zu zahlen und festgestellt, daß sie verpflichtet sind, ab dem 1.7.1995 bis zum Tod der Klägerin ihr eine monatliche Schadensersatzrente zu zahlen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Es hat, gestützt auf die im Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Köln -34 Js 128/83- eingeholten Gutachten der Professoren Dr. S und Dr. C vom 14. November 1984, 16. November 1985 und 3. Februar 1988 sowie des Direktors des Instituts für Rechtsmedizin der Beklagten zu 1), Prof. Dr. T, vom 14. März 1984, 12. Juli 1984 und 22. Juni 1987 den Beklagten zu 3) bis 5) wegen Nichtzuführung von Cortisol einen groben Behandlungsfehler angelastet, der zumindest geeignet war, den Tod des H herbeizuführen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das am 8. Dezember 1988 verkündete Urteil verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Gegen das Urteil haben die Beklagten zu 1), 3), 4) und 5) rechtzeitig und formgerecht Berufung eingelegt, die sie ebenfalls in rechter Frist und Form begründet haben. Sie wiederholen, vertiefen und ergänzen ihr erstinstanzliches Vorbringen.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte zu 3) behauptet darüber hinaus, er sei nicht Operateur gewesen, er habe mit dem Legen der Bellocq-Tamponade nichts zu tun gehabt. Er habe H überhaupt erstmals im Operationssaal gesehen. Gegenüber dem Beklagten zu 4) sei er nicht weisungsbefugt gewesen. Im übrigen hafte er entsprechend den Grundsätzen der sogenannten horizontalen Arbeitsteilung nicht.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte zu 4) beruft sich ebenfalls auf die Grundsätze der horizontalen Arbeitsteilung und behauptet im übrigen, es habe für ihn kein Anhaltspunkt bestanden, daß eine etwa gebotene Zuführung von Cortisol unterblieben sein könne.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte zu 5) behauptet, sie habe vor der Operation die diensthabende Oberärztin Dr. X darauf angesprochen, ob bei H etwas Besonderes zu veranlassen sei. Dies sei verneint worden. Nach der Operation habe sie die Oberärztin vom Verlauf und den getroffenen Maßnahmen unterrichtet. Diese habe keine Einwände erhoben.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Die Berufungskläger beanstanden schließlich auch die zugesprochene Rente der Höhe nach.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Sie beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen, hilfs‑</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">weise ihnen zu gestatten, erforderliche Sicherheiten durch Bankbürgschaften zu leisten.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">die Berufungen zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Sie tritt den Berufungen entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil. Im übrigen wiederholt, vertieft und ergänzt sie ihr erstinstanzliches Vorbringen.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Wegen aller Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, die von den Parteien im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll der Senatssitzung vom 20. September 1989 Bezug genommen. Die oben angeführten Gutachten der Professoren Dres. S, C und T waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Entscheidungsgründe:</span></p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Die nach §§ 511, 511 a ZPO statthaften Berufungen sind form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 516, 518, 519 ZPO) und damit insgesamt zulässig. Sie sind sachlich jedoch nicht gerechtfertigt.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten zu 3), 4) und 5) haften der Klägerin wegen des Todes ihres Ehemannes gemäß §§ 844 Abs. 2, 840 BGB als Gesamtschuldner auf Schadensersatz. Die Einstandspflicht der Beklagten zu 1) folgt aus §§ 831, 840 BGB. Auf § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB hat sie sich nicht berufen.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat es mit Recht als Behandlungsfehler gewertet, daß dem an Morbus Addison leidenden H weder während noch nach der Operation Cortisol zugeführt worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Die Sachverständigen Prof. Dr. S und Prof. Dr. C haben es in ihrem Gutachten vom 14. November 1984 als unbestrittene medizinische Praxis bezeichnet, Patienten mit Nebennierenrindeninsuffizienz bereits bei kleineren Belastungen wie z.B. fieberhaften Infekten, erst recht aber bei kleineren und größeren chirurgischen Eingriffen mit und ohne Narkose höhere Mengen von Cortisol oder Cortisol-Aequivalenten zu verabreichen, wobei diese Therapie üblicherweise als Dauerinfusion durchgeführt wird und über die Operation hinaus mindestens noch den ersten postoperativen Tag umfassen muß. Die dafür gegebene Begründung überzeugt. Bei der primären Nebennierenrindeninsuffizienz ist nämlich die Fähigkeit des Organismus, den Wasser- und Elektrolythaushalt zu regulieren, erheblich eingeschränkt. Außerdem ist der Organismus nicht mehr in der Lage, durch erhöhte Ausschüttung von Nebennierenrindenhormonen auf Streß mit Abwehr- und Anpassungsmaßnahmen zu reagieren, wie es bei einem Gesunden der Fall ist. Bei intakter Nebennierenrindenfunktion führt schon die bloße Anaesthesie zu vermehrter Cortisolproduktion, eine Operation löst nach Schätzung eine bis zu 10-fach höhere Produktion aus, als im Normalzustand anfällt, wobei es intraoperativ innerhalb von 15 Minuten zum Anstieg von Cortisol mit einem Maximum nach 5-6 Stunden und einer Normalisierung nach 8-10 Stunden kommt. Es liegt auf der Hand, daß die mangelnde Fähigkeit des an Morbus Addison leidenden, dem Streß durch vermehrte Cortisolproduktion entgegenzusteuern, durch Zuführung von entsprechenden Substituten ausgeglichen werden muß.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Die gegen diese Feststellungen geführten Angriffe der Beklagten vermögen die Überzeugungskraft des Gutachtens nicht erschüttern. Sie geben auch keinen Anlaß, eine weitere gutachtliche Stellungnahme einzuholen.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Das im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren eingeholte Gutachten ist im vorliegenen Verfahren als Beweismittel ohne weiteres verwertbar. Das bezweifeln die Beklagten auch nicht, so daß sich der Senat eine Begründung insoweit ersparen kann. Entgegen der Ansicht der Beklagten weist die Begutachtung auch keine Lücken in dem Sinne auf, daß Einwände unberücksichtigt geblieben sind. Die Beklagten übersehen offenbar, daß die Gutachter wiederholt, und zwar zuletzt unter dem 3. Februar 1988 zu der anstehenden Problematik Stellung genommen und dabei die jeweils vorgebrachten Einwände beachtet haben.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Zunächst ist festzuhalten, daß die Beklagen die Richtigkeit der von S und C gegebenen Darstellung über die Funktion der Nebennierenrindenhormone und die Abläufe bei Streß ausdrücklich nicht bestreiten. Die Beklagte zu 1) gesteht sogar zu, daß es nach der bisherigen medizinischen Praxis und der Lehrmeinung als erforderlich galt, jedenfalls bei größeren medizinischen Eingriffen die Dauermedikation zu erhöhen. Auch die Beklagten zu 3) bis 5) sehen dies im Kern nicht anders, denn sie behaupten im wesentlichen lediglich, die Auffassungen der Sachverständigen entspräche nicht dem neuesten Stand.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Das trifft indessen nach den Stellungnahmen der Sachverständigen vom 16. November 1985, 17. Januar 1986 und 3. Februar 1988 nicht zu. Danach ist bei Operationsstreß nach wie vor "nach den Regeln der Kunst" eine Behandlung mit höheren Cortisoldosen erforderlich. Den Sachverständigen ist niemand bekannt, der diese Notwendigkeit in Zweifel zieht. Da auch die Beklagten, unter denen die Beklagte zu 1) in ihren Kliniken und Instituten Mitarbeiter beschäftigt, die über besondere Sachkunde verfügen,in dieser Beziehung niemanden zu benennen vermögen, sieht sich der Senat nicht gehalten, ein Gutachten dazu einzuholen, ob der Standpunkt der Sachverständigen überholt ist.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Zu den Ergebnissen der im August 1985 veröffentlichten Studie des NIH Bethesda Maryland über an Menschenaffen vorgenommene Tests haben die Sachverständigen Stellung genommen. Sie haben die von den Beklagten gezogenen  Schlußfolgerungen nicht geteilt. Ob ihre Auseinandersetzung mit der Studie erschöpfend ist, mag dahinstehen. Es ist nicht ersichtlich, daß die medizinische Praxis und Wissenschaft wegen der Ergebnisse der Studie die bisherige Behandlungsmethode bei an Morbus Addison leidenden Menschen geändert oder gar aufgegeben haben.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Schließlich mag es sein, daß es Narkoseverfahren gibt, bei denen der Cortisolanstieg während eines operativen Eingriffs an Patienten mit funktionstüchtigen Nebennierenrinden zeitweise blockiert wird, ohne daß Kreislaufinstabilitäten zu beobachten waren, wie die Beklagte zu 1) behauptet. Das ist für die Beurteilung des Streitfalles unerheblich. Mangels Vergleichbarkeit der Fallgestaltung läßt sich daraus nicht folgern, daß die Standardbehandlung bei Morbus Addison Patienten damit obsolet geworden sei. Das behauptet die Beklagte zu 1) im übrigen auch nicht.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten wenden ferner ohne Erfolg ein, eine Erhöhung der Cortisolsubstitution sei jedenfalls deshalb entbehrlich gewesen, weil es sich lediglich um einen Bagatelleingriff gehandelt hätte. Letzteres trifft offensichtlich nicht zu. Die Narkose hat insgesamt 75 Minuten gedauert, der Eingriff selbst 35 Minuten, wobei ein Blutverlust von etwa 800 ml eingetreten ist. Der Senat folgt den Sachverständigen darin, daß unter diesen Umständen keine Rede davon sein kann, es habe sich um eine Bagatelle gehandelt. Es ist vielmehr ein Operationsstreß aufgetreten, dem durch erhöhte Medikation von Cortisol zu begegnen war.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Es mag sein, daß das Legen einer Bellocq-Tamponade allgemein nur als kleiner Eingriff zu werten ist. Darauf kommt es jedoch nicht an. Entscheidend sind die konkret aufgetretenen Umstände, denn danach hat sich die Behandlung im Einzelfall auszurichten.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Es kommt hinzu, daß sowohl der Operationsstreß als auch vor allem der nachoperative Streß (Ausschaltung der Nasenatmung durch die Tamponade, Dauerinfusion zur Substitution des Blutverlustes in eine Phase fiel, in der die Wirkung des aufgrund Dauermedikation eingenommenen Ultracortens zunehmend nachließ, der Organismus also zunehmend die Fähigkeit verlor, auf Streß mit Abwehr- und Anpassungsmaßnahmen zu reagieren. Die Dauermedikation mit 5 mg Ultracorten morgens und 2,5 mg abends war darauf eingerichtet, dem im normalen Lebensrythmus tagsüber erhöht auftretenden Streß durch eine höhere Dosis zu begegnen, während für die nächtliche Ruhephase eine geringe Dosis genügte. Dieser Zyklus wurde durch die Operation umgekehrt. Es mußte sich deshalb geradezu aufdrängen, diesem Umstand durch entsprechende Medikation Rechnung zu tragen.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Der sonach festgestellte Behandlungsfehler ist der Beklagten zu 5) als Anasthesistin anzulasten. Es fällt in den Verantwortungsbereich des Anästhesisten, dafür zu sorgen, daß die durch das operative Vorgehen und die Narkose selbst beeinträchtigten Vitalfunktionen überwacht, aufrechterhalten und wieder hergestellt werden (vgl. auch die Vereinbarung zwischen den Berufsverbänden Deutscher Anasthesisten und Deutscher Chirurgen über die Zusammenarbeit bei operativer Patientenversorgung, MedR 1983, 21, 22). Dabei sind insbesondere die Risiken des Einzelfalles zu beachten, d.h. sowohl die Wahl der Narkose als auch die Medikation im übrigen ist an den Erfordernissen des Einzelfalles auszurichten. Dazu gehörte hier -wie dargelegt- die erhöhte Gabe von Cortisol, weil eine Nebennierenrindeninsuffizienz vorlag, die sich ohne die erforderliche Gegensteuerung wegen des zu erwartenden und tatsächlich aufgetretenen Stresses nachteilig auf den Organismus auswirken konnte.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Aber auch die Beklagten zu 3) und 4)haben die Behandlungsfehler zu verantworten.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Nach der oben zitierten Vereinbarung (Ziffer V 1) ist grundsätzlich auch der Operateur für die Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen fachlich zuständig, soweit es sich um Gefahren speziell aus dem operativen Vorgehen handelt. Das entspricht auch am besten dem Normzweck der Berufshaftung, nämlich der Abgrenzung der Haftungsbereiche nach den medizinischen Einflußbereichen und den medizinischen Kontrollmöglichkeiten (vgl. Steffen, Neue Entwicklungslinien der BGH-Rechtsprechung zum Arzthaftungsrecht, 3. Aufl., Seite 63). Hier ergaben sich aus den Umständen der Operation wegen des relativ hohen Blutverlustes und der Folgen des Eingriffs erhöhte Risiken für den an Morbus Addison leidenden Patienten, die im Verantwortungsbereich des Operateurs wurzelten und von ihm auch ohne weiteres gesteuert werden konnte, eben durch Zuführung von Cortisol-Äquivalenten. Das bedeutet im Ergebnis keinen Eingriff in das Fachgebiet des Anasthesisten, sondern lediglich eine konkret notwendige wechselseitige Abstimmung beider Fachgebiete im Interesse des Patienten. Die Operateure durften sich bei dieser Sachlage nicht darauf verlassen, der Anasthesist werde schon für die gebotene Zuführung von Cortisol sorgen, wie der Beklagte zu 4)meint. Es war eben nicht nur das Fachgebiet des Anasthesisten betroffen. Insoweit gehen die Überlegungen der Beklagten zu 3) und 4) zum Vertrauensgrundsatz und zur horizontalen Arbeitsteilung fehl.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte zu 3) versucht sich schließlich seiner Haftung ohne Erfolg mit der Behauptung zu entziehen, er habe mit dem Legen der Belocq-Tamponade nichts zu tun gehabt, Operateur sei ausschließlich der Beklagte zu 4) gewesen. Abgesehen davon, daß diese Einlassung mit seinen Angaben, die er persönlich vor der Staatsanwaltschaft gemacht hat, wonach er und der Beklagte zu 4) beschlossen hätten, die Tamponade durchzuführen, kaum in Einklang zu bringen ist, kommt es nicht darauf an, ob er sich aktiv an dem Eingriff beteiligt hat. Er verkennt, daß der Beklagte zu 4) als Anfänger überhaupt erstmals einen derartigen Eingriff durchgeführt hat, während er selbst der insoweit erfahrenere Arzt war. Damit hat er durch seine Beteiligung an der Operation selbstverständlich dieselbe Garantenstellung erlangt, wie der unmittelbar operierende Beklagte zu 4). Jede andere Betrachtungsweise würde zu gänzlich unvertretbaren Ergebnissen führen.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">An der Vorwerfbarkeit des Fehlverhaltens besteht bezüglich aller drei Beklagten kein Zweifel. Allen war die addisonsche Krankheit des Patienten bekannt. Auch wenn die Krankheit selten ist, so gehört die Behandlung mit höheren Cortisoldosen bei Operationen zum prüfbaren Wissen beim medizinischen Staatsexamen und ist auch in der einschlägigen Fachliteratur nachzulesen, wie die Sachverständigen dargelegt haben. Das haben die Beklagten auch nicht in Abrede gestellt. Hinzu kommt, daß der Patient auf seine Erkrankung hingewiesen und den Notlallausweis vorgelegt hatte, in dem das Erfordernis zusätzlicher Hormonsubstitution aufgeführt worden war.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat den Beklagten mit Recht als Folge des Behandlungsfehlers den Tod des Patienten angelastet. Den Beklagten zu 3)-5) trifft nämlich der Vorwurf eines groben Behandlungsfehlers. Zweifel an der Ursächlichkeit der versäumten erhöhten Cortisolzuführung für den Tod gehen deshalb zu ihren Lasten.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Ob ein Behandlungsfehler als grob zu qualifizieren ist, hängt im wesentlichen vom Einzelfall ab, insbesondere davon, ob er die Aufklärung des Behandlungsverlaufs besonders erschwert. Zwar sind generelle Definitionen nur bedingt tauglich (vgl. Steffen a.a.O., Seite 118), in Frage kommen aber vor -allem Verstöße gegen elementare Behandlungsregeln, gegen elementare Erkenntnisse der Medizin (vgl. etwa BGH VersR 1986, 366), therapeutisch insbesondere grundloses Nichtanwenden einer Standardmethode zur Bekämpfung bekannter Risiken (vgl. die Rechtsprechungsnachweise bei Steffen a.a.O., Seite 121/122).</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Hier haben die Beklagten zu 3)-5) die Standardmethode, nämlich Zuführen höherer Cortisoldosen bei Operationsstreß zur Bekämpfung der sich aufgrund der addisonschen Krankheit für die Vitalfunktionen ergebenden Risiken, grundlos nicht angewendet. Es sind keine Gründe ersichtlich, die vorliegend vernünftigerweise ein Abweichen von der Standardbehandlung rechtfertigen könnten. Die Beklagten behaupten auch nicht einmal, sie hätten nach Abwägung von konkret für und gegen die Behandlung sprechenden Gesichtspunkten von der Zuführung von Cortisol abgesehen.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Das danach schwerwiegende Fehlverhalten wird bezüglich der Beklagten zu 5) nicht deshalb verständlich und zu einem einfachen Behandlungsfehler (vgl. hierzu BGH NJW 1989, 2319), weil sie sich erst im zweiten Facharztausbildungsjahr befand und erst kurz vor der Operation hinzugezogen worden ist. Unabhängig von ihrem Ausbildungsstand als Fachärztin mußte sie wissen, welche Standardbehandlung bei Morbus Addison anzuwenden war. Erforderlichenfalls hätte sie sich danach erkundigen müssen und auch ohne weiteres können. Einem zeitweiligen, den Umständen nach kurz zu bemessenden Aufschub der Operation hätte ersichtlich nichts entgegengestanden.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Auch ihre Behauptung, die für sie zuständige Oberärztin habe ihre Frage, ob irgendwelche Besonderheiten zu beachten seien, verneint, entlastet sie nicht. Sie behauptet nicht, daß sich diese Frage auf die durch Morbus Addison gegebene Situation bezog. Möglicherweise hat die Oberärztin diesem Gesichtspunkt keine Beachtung geschenkt, weil er von der Beklagten zu 5) nicht angesprochen worden ist. Gleiches gilt für die Behauptung, sie habe den Operationsverlauf mit der Oberärztin später durchgesprochen, ohne daß diese Beanstandungen erhoben hätte.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Daß die Beklagten zu 2) und 6) am Nachmittag des Operationstages nicht die Zuführung von Cortisol für den Fall einer Operation angeordnet hatten, entlastet die Beklagte zu 5) ebenfalls nicht. Es war ihre Aufgabe, diesen Gesichtspunkt selbständig zu überprüfen und selbst eine Entscheidung gemäß dem medizinischen Standard zu treffen.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Das schwerwiegende Versäumnis des Beklagten zu 4) wird nicht deshalb entschuldigt, weil er, im zweiten Jahr der Facharztausbildung stehend, erstmals eine Bellocq-Tamponade gelegt und sich deshalb in erster Linie hierauf konzentriert hat. Die in Rede stehende Elementare, allgemein bekannte Standardbehandlungsmethode hätte er in jedem Fall beachten müssen. Das gilt auch für den Beklagten zu 3). Beide hätten sich nicht einfach darauf verlassen dürfen, Anaesthesistin werde schon das Nötige veranlassen.</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BGH VersR 1986, 366, 367; NJW 1988, 2949) reicht es im Falle eines groben Behandlungsfehlers für die Haftung aus, daß der Fehler generell zur Verursachung des eingetretenen Schadens geeignet ist; wahrscheinlich braucht der Eintritt eines solchen Erfolges nicht zu sein. Die Kausalitätsvermutung greift allerdings dann nicht ein, wenn feststeht, daß der grobe Fehler nicht ursächlich geworden sein kann (vgl. BGH MV 1988, 2949).</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Das den Beklagten zu 3)-5) vorzuwerfende Versäumnis, dem Patienten intra- und postoperativ Cortisol zuzuführen, ist generell geeignet, den Tod herbeizuführen.</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Cortisolmangel kann zu Störungen im Elektrolythaushalt und im Stoffwechsel führen und als Folge davon kritische Kreislaufsituationen nach sich ziehen (Morbus Addison - Krise), die schließlich in ein Kreislaufversagen münden können. Das steht nach den Ausführungen der Sachverständigen S und C gemäß Zusatzgutachten vom 16.November 1985 fest. Die Sachverständigen haben ferner ausgeführt und wissenschaftlich belegt, daß die addisonsche Krankheit vor der Einführung von Nebennierenextrakten in der Therapie absolut tödlich war. Die Kranken starben in der Addison-Krise, welche durch starke körperliche Belastungen, wie z.B. eine Operation, provoziert wurde. Seitdem Addison-Kranke mit synthetischen Nebennierenrindenhormonen behandelt werden, kommen Addison-Krisen nach Operationen praktisch nicht mehr vor, wenn die Krankheit bekannt ist und ordnungsgemäß behandelt wird.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Daß diese Zusammenhänge von den Sachverständigen richtig dargestellt worden sind, bestreiten die Beklagten nicht. Ihre Meinung, es fehle aber dann an der generellen Eignung, wenn der Patient präoperativ auf die addisonsche Krankheit medikamentös richtig eingestellt ist, vermag der Senat nicht zu folgen. Die präoperativ richtige Einstellung allein kann nicht bewirken, daß in der entscheidenden Phase, in welcher der Organismus wegen der aufgetretenen Belastungen zum Zwecke der Abwehr und Anpassung der Steuerung durch Cortisol bedarf, genug Cortisol zur Verfügung steht, also kein Mangel besteht. Anders als der Gesunde kann der Addison-Kranke einen Mangel, der naturgemäß nicht an einer festen Größe zu messen ist, sondern an dem jeweiligen Bedarf, nicht selbst ausgleichen.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Die Sachverständigen haben sich mit den Einwänden der Beklagten, die im wesentlichen schon Gegenstand des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens waren, auseinandergesetzt und daran festgehalten, daß der Tod im konkreten Fall sogar mit hoher, wenn auch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf Cortisolmangel zurückzuführen ist.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Die Ergebnisse der oben bereits erwähnten Studie an Menschenaffen vermögen an der generellen Eignung des gegebenen Behandlungsfehlers für den Tod des H nichts zu ändern. Es geht nicht um Vor- und Nachteile einer überdosierung mit Cortisol, sondern um die richtige Dosierung, um die Sicherstellung, daß kein Cortisolmangel auftritt. Cortisolmangel wiederum birgt die aufgezeigten Gefahren.</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">Der Senat kann schließlich nicht feststellen, daß der Behandlungsfehler für den Tod des H nicht ursächlich gewesen sein kann. Der Tod ist unstreitig infolge eines akuten Herz- Kreislaufversagens eingetreten. Worauf dieses Versagen beruht, ist nicht sicher festzustellen. Ein Erstickungstod durch Einatmen von Blut oder Verlegen des Luftröhreneingangs durch die Bellocq-Tamponade scheidet aus (Gutachten Prof. Dr. T vom 22.6.1987). Auch ein sogenannter Reflextod als Folge einer mechanischen, thermischen oder chemischen Reizung des Nervus Laryngeus superior im oberen Kehlkopfbereich kann nicht festgestellt werden (Gutachten Prof. T vom 22.6.1987). Ferner bestehen keine Anhaltspunkte für eine koronare Herzerkrankung.</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Danach bleiben als Ursache für das Kreislaufversagen einerseits Cortisolmangel und andererseits ein "plötzlicher natürlicher Tod durch unerklärlichen Herzstillstand oder auch durch Kammerflimmern“ (Gutachten Prof. S und C vom 16. November 1985). Die letztgenannte Ursache ist nach den Sachverständigen zwar extrem unwahrscheinlich, aber immerhin nicht auszuschließen, weil andererseits die typischen Anzeichen einer Addison-Krise (Blutdruckabfall und Pulsanstieg) nicht festgestellt worden sind, so daß die Todesursache nicht zwingend in Cortisolmangel gelegen haben muß. Gerade diese Zweifel gehen aber zu Lasten der Beklagten.</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">IV.</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Auch die Angriffe der Beklagten gegen die Höhe der der Klägerin vom Landgericht zuerkannten Schadensersatzrente bleiben ohne Erfolg. Die Rente ist nicht zum Nachteil der Beklagten zu hoch ausgefallen. Maßgebend für die Höhe des Unterhaltsausfalls ist der Umfang des gesetzlich geschuldeten Unterhalts. Nach § 1360 a BGB wird der angemessene Unterhalt geschuldet. Dieser bestimmt sich nach der Lebensstellung des Bedürftigen, die sich in erster Linie nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Ehegatten während intakter Ehe richtet. Danach ist im Regelfall das Nettoeinkommen Ausgangspunkt für die Berechnung der Höhe des Unterhalts und damit des Unterhaltsschadens. Da die Klägerin mit dem Verstorbenen in einer sogenannten Hausfrauenehe lebte, also kein eigenes Erwerbseinkommen erzielte, ist allein dessen Nettoeinkommen maßgebend gewesen. Dieses betrug im Schadenszeitpunkt nach den vorgelegten Verdienstbescheinigungen des Arbeitgebers monatlich 2.892,10 DM. Davon sind entgegen der Ansicht der Beklagten das Essensgeld, daß der Arbeitgeber augenscheinlich aus Vereinfachungsgründen unmittelbar vom Lohn einbehalten hat, nicht abzuziehen. Es handelt sich dabei nämlich nicht um sogenannte fixe Kosten oder Werbungskosten, sondern um Kosten der allgemeinen Lebensführung.</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Von dem Nettoeinkommen sind die Kosten abzuziehen, die für Familie und Haushalt insgesamt angefallen sind (fixe Kosten). Dazu zählen die Kosten für Miete, Heizung, Strom, Gas und sonstige Mietnebenkosten, Telefonanschluß Radio und Fernsehen sowie Zeitungen und Zeitschriften und Anschaffung und Unterhalt der Wohnungseinrichtung und Reparaturen daran.</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">Diese Kosten hat die Klägerin im Berufungsrechtszug mit insgesamt 850,- DM monatsdurchschnittlich beziffert (Miete 450,- DM, Hausrat- und Haftpflichtversicherung: 30,- DM; Strom 40,- DM; Gas 100,- DM; sonstige Nebenkosten 60,- DM; Telefon 40,- DM; Zeitungen 30,- DM; Unterhalt Wohnung 100,-DM). Das ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Höhe des Mietzinses ist nicht bestritten. Die Versicherungsprämien sind belegt, desgleichen die sonstigen Nebenkosten (Schornsteinfeger, Straßenreinigung, Treppenflurbeleuchtung, Wasser, Müll und Kanalgebühren). Die Kosten für Strom und Gas von insgesamt 140,- DM für einen Zweipersonenhaushalt sind eher niedrig angesetzt, für Telefon und Zeitungen fallen erfahrungsgemäß (§ 287 ZPO) die angesetzten Beträge an. Gleiches gilt im Ergebnis für die Kosten für Anschaffungen und Unterhaltung der Wohnungseinrichtung (vgl. auch die Schätzung von Eckelmann/Schäfer <em>NJW</em> 1984, 945, 946; BGH NJW 1984, 980).</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Danach beläuft sich der verteilbare Teil des Einkommens auf 2.042,10 DM, der allerdings noch um Kosten zu bereinigen ist, die der verstorbene Unterhaltspflichtige aufzuwenden hatte, um überhaupt Erwerbseinkommen erzielen zu können (Werbungskosten). Hierzu gehören etwa Kosten für die Fahrt zur Arbeitsstelle und Berufskleidung. Der Senat schätzt diese Kosten vorliegend aufgrund seiner Erfahrung mit Familiensachen, in denen sich in Fällen des Streits um Trennungs- oder nachehelichen Unterhalt nicht selten vergleichbare Fallgestaltungen in ähnlichen sozialen Verhältnissen ergeben, auf rund 100,- DM.</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">An dem verbleibenden Betrag von 1.942,10 DM nimmt die Klägerin zur Hälfte teil. Es gibt keinen Grund, der die Annahme rechfertigt, daß der erwerbstätige Ehegatte in einer intakten Ehe abgesehen von berufsbedingten, bezifferbaren Aufwendungen einen höheren Bedarf hat als der andere Teil. Eine andere Handhabung widerspräche auch im übrigen dem gesetzlichen Leitbild der Ehe und des Unterhaltsrechts, wie es in §§ 1361, 1578 BGB seinen Ausdruck gefunden hat. Daß dem getrenntlebenden oder geschiedenen Ehegatten in der Praxis mit Rücksicht auf seine Erwerbstätigkeit 4/7 seines Einkommens verbleiben, er also nur 3/7 Unterhalt schuldet, beruht zum einen darauf, daß ein Anreiz zur Berufsausübung gegeben sein soll, und zum anderen auf der Erfahrung, daß im Falle getrennter Haushaltsführung dem Erwerbstätigen in der Tat kaum bezifferbare Mehrkosten entstehen. Diese Gründe sind aber im Streitfall nicht gegeben. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß auch der BGH vom Halbteilungsgrundsatz auszugehen</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">scheint, wie dem Rechenbeispiel in NJW 1984, 980 zu entnehmen ist.</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">Der danach anzunehmende Bedarf von 971,05 DM ist wieder um die fixen Kosten zu erhöhen, soweit sie auch nach Wegfall der unterhaltspflichtigen Person anfallen.</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">Die Miete fällt vorliegend in unveränderter Höhe an. Die Ehewohnung bestand und besteht aus bescheidenen zwei Zimmern, Küche, Diele, Bad. Der Klägerin kann nicht angesonnen werden, sich mit noch bescheideneren Verhältnissen zufrieden zu geben. Auch die Kosten für Zeitungen, Versicherungen und Unterhalt der Wohnung bleiben im wesentlichen unverändert. Lediglich bei den verbrauchsabhängigen Kosten sind Abzüge zu machen, die allerdings maßvoll ausfallen müssen, weil der Verbrauch im wesentlichen unabhängig davon anfällt, ob in der Wohnung eine oder zwei Personen leben, wie es am Stromverbrauch besonders deutlich wird. Der Senat hält einen Abschlag von 1/5 für gerechtfertigt. Damit ergibt sich folgende Rente:</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Bedarf:              971,05 DM</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">zuzüglich fixe Kosten nämlich</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">Miete              450,00 DM</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">Unterhalt Wohnung:              100,00 DM</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">Zeitungen/Versicherungen:              60,00 DM</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">Strom, Gas, sonstige Neben‑</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">kosten, Telefon: 240,- DM</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">abzüglich 1/5 :              <span style="text-decoration:underline">192,00 DM</span></p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">es verbleiben              1.773,05 DM.</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">Davon ist die Witwenrente von unstreitig durchschnittlich 905,80 DM monatlich abzuziehen, so daß 867,25 DM zu zahlen wären, wobei nicht einmal anfallende Steuern berücksichtigt sind, die ebenfalls vom Schädiger zu tragen sind (vgl. BGHR BGB § 844 II, Einkommenssteuer 2). Mangels Anschlußberufung ist der Senat gehindert, der Klägerin mehr zuzusprechen als vom Landgericht zuerkannt. Einer Erwerbstätigkeit braucht die Klägerin nicht nachzugehen. Das wird von den Beklagten auch nicht geltend gemacht.</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1, 100 Abs. 4, 708 Nr. 10, 711 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks">Wert der Beschwer der Beklagten: über 40.000,- DM.</p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks">Berufungsstreitwert: 75.200,64 DM (47.000,40 + 28.200,24, vgl. § 17 II, IV GKG).</p>
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315,184 | lg-dusseldorf-1989-10-31-4-o-4089 | {
"id": 808,
"name": "Landgericht Düsseldorf",
"slug": "lg-dusseldorf",
"city": 413,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 4 O 40/89 | 1989-10-31T00:00:00 | 2019-03-13T14:48:38 | 2022-10-18T15:08:53 | Urteil | ECLI:DE:LGD:1989:1031.4O40.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>für R e c h t erkannt:</p>
<p></p>
<p> I.</p>
<p> Die Beklagte wird verurteilt,</p>
<p> </p>
<p>1. dem Kläger unter Angabe der nach </p>
<p>Artikeln aufgeschlüsselten Verkaufs-</p>
<p>Mengen, Verkaufszeiten, Verkaufspreise</p>
<p>Und der Lieferanten Auskunft darüber zu</p>
<p>Erteilen, in welchem Umfang sie in der </p>
<p>Zeit vom 1. Januar 1992 bis zum 28. </p>
<p>November 1988 in der Bundesrepublik</p>
<p>Deutschland einschließlich Berlin </p>
<p></p>
<p></p>
<p></p>
<p> </p>
<p>- 3 -</p>
<p></p>
<p>land einschließlich Berlin (West) Strick- und Wirkwaren, wie Pul¬lover, Jacken oder dergleichen, feilgehalten und in den Verkehr gebracht hat, die in der Weise hergestellt worden sind, daß eine maschinengestrickte Abschlußblende, bei der gegen Ende alle Maschen umgehängt und daran anschließend eine oder mehrere Rechts-Links-Maschenreihen gestrickt sind, die zu einer Seite unter Bildung eines kan-tengenauen, kettelstichgleichen Warenbruches umgelegt sind, mit den Endmaschen der Strick- oder , Wirkware durch Abbinden beim Nähen-verbunden worden ist,</p>
<p>wobei von der Auskunftsverpflich¬tung Strick- und Wifkwaren ausge¬nommen worden sind, die von einem Dritten hergestellt worden sind, der hierzu aufgrund eines mit dem Kläger abgeschlossenen Lizenzver¬trages berechtigt gewesen ist;</p>
<p>2. dem Kläger unter Angabe der nach Artikeln aufgeschlüsselten Ver-kaufsmengen, Verkaufszeiten, Ver-kaufspreise und Lieferanten, der Art und des Umfangs der betriebenen Werbung sowie unter Vorlage eines Verzeichnisses, das - aufgeschlüs¬selt nach Artikeln und einzelnen</p>
<p> </p>
<p>- 4 -</p>
<p>Kostenfaktoren - die Gestehungs¬kosten und den er-zielten Gewinn ausweist, darüber Rechnung zu le-gen, in welchem Umfange sie die zu 1. bezeichneten Handlungen in der Zeit vom 29. November 1988 bis zum 18. Februar 1989 im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein¬schließlich Berlin (West) begangen hat,</p>
<p>wobei von der Verpflichtung zur Rechnungslegung Strick- und Wirkwaren ausgenommen sind, die von einem Dritten hergestellt worden sind, der hierzu aufgrund eines mit" dem Kläger abgeschlossenen Lizenz¬vertrages berechtig gewesen ist.</p>
<p>II. </p>
<p>Es wird festgestellt, daß die Beklagte rpflichtet ist,</p>
<p>an den Kläger für die zu I. 1. bezeichneten, in der Zeit vom 1. Januar1982 bis zum 28. November. 1988 begangenen Handlungen eine angemessene Lizenzgebühr zu zahlen;</p>
<p>dem Kläger allen Schaden zu ersetzen, der ihm durch die zu I. 1. bezeichneten, in der Zeit vom 29. November 1988 bis zum 18. Februar 198 9 be-gangenen Handlungen entstanden ist.</p>
<p></p>
<p></p>
<p></p>
<p></p>
<p></p>
<p></p>
<p></p>
<p></p>
<p></p>
<p></p>
<p></p>
<p></p>
<p></p>
<p>- 5 -</p>
<p></p>
<p></p>
<p>III.</p>
<p>Die weitergehende Klage wird abge¬wiesen.</p>
<p>IV.</p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 1/4 dem Kläger und zu 3/4 der Beklag¬ten auferlegt.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreck-bar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 75.000,-- DM. Die Sicherheit kann auch durch selbstschuldnerische-Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse erbracht werden.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Tatbestand</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger war eingetragener Inhaber des am 18. Februar 1989 durch Zeitablauf erloschenen deutschen Patents X (Anlage 1). Er nimmt die Beklagte wegen Verletzung dieses Patents auf Bereicherungsausgleich, Schadensersatz, Auskunft und Rechnungslegung in Anspruch.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Das Klagepatent beruht auf einer Anmeldung vom 18. Februar 1971, die am 8. Februar 1973 bekannt gemacht worden ist. Auf eine von dritter Seite erhobene Nichtigkeitsklage hat das Bundespatentgericht das</p>
<span class="absatzRechts">4</span><ul class="absatzLinks"><li>6 -</li></ul>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Klagepatent mit Urteil vom 19. Februar 1986 für nichtig erklärt. Der Bundesgerichtshof hat diese Entscheidung mit Urteil vom 17. September 1987 (Anlage 1 a = GRUR 1988, 287 - Abschlußblende) teilweise abgeändert und das Klagepatent mit folgendem Patentanspruch 1 aufrechterhalten:</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:58px">Verwendung einer maschinengestrickten Abschlußblende, bei der gegen Ende alle Maschen umgehängt und daran anschließend eine oder mehrere Rechts-Links-Maschenreihen gestrickt sind, die zu einer Seite unter Bildung eines kantengenauen, kettelstich-gleichen Warenbruches umgelegt sind, zum Verbinden mit den Endmaschen von Strickwaren und Wirkwaren, wie Pullovern, Jacken oder-dergleichen, durch Abbinden beim Nähen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte ist ein großes Warenhausunternehmen, das in bedeutendem Umfang Textilwaren vertreibt. Sie hat in den Jahren 1988/89 unter verschiedenen Marken Pullover vertrieben, von denen der Kläger Exemplare als Anlagen 7 und 11 bis 21 überreicht hat. Der Kläger sieht hierin eine Verletzung des Klagepatents .</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:26px">Er hat beantragt, </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:26px">I. die Beklagte zu verurteilen,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:59px">1. ihm Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie in der Zeit vom 9. Februar 1973 bis zum 28. November 1988 in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin (West)</p>
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315,185 | olgk-1989-10-26-5-u-3389 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 5 U 33/89 | 1989-10-26T00:00:00 | 2019-03-13T14:48:42 | 2022-10-18T15:08:54 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1989:1026.5U33.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung der Klägerin gegen das am 28.12.1988 verkündete Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 24 0 230/88 - wird zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Klägerin trägt die Kosten des. Berufungsverfahrens.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p>Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong><u>Entscheidungsgründe </u></strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Klägerin ist wegen der Versäumung der Beru­fungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vori­gen Stand zu gewähren, weil sie ohne ihr Verschul­den verhindert war, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten, §§ 233, 234, 236 ZPO. Die im übrigen in formeller Hinsicht bedenkenfreie Beru­fung ist jedoch in der Sache selbst nicht begrün­det.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Klägerin stehen aus der abgeschlossenen Rechts­schutzversicherung wegen der in den Verfahren 15 0. 690/85 LG Köln und 1 U 60/87 OLG Köln entstandenen Kosten Erstattungsansprüche gegen die Beklagte nicht zu.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Zwar unterliegt es keinem Zweifel, daß der Versi­cherungsfall innerhalb des versicherten Zeitraumes (18.9.1977 bis 11.4.1983) eingetreten ist und eine Erstattungspflicht der Beklagten nicht aus diesem Gesichtspunkt verneint werden kann.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Nach § 14 Abs. 3 Satz 1 ARB gilt der Versicherungs­fall in dem Zeitpunkt als eingetreten, in dem der Versicherungsnehmer, der Gegner oder ein Dritter begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu ver­stoßen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">In übereinstimmung mit den Erklärungen der Klägerin im Verhandlungstermin vor dem Senat ist der für den Eintritt des Versicherungsfalles maßgebliche Rechtsverstoß in dem von der Klägerin beanstandeten Verhalten der Eheleute T, Ende des Jahres 1982, Anfang 1983 in der Wegerechtsangelegenheit zu sehen. Wie die Klägerin in ihrem Schreiben vom 27.1.1983 an ihren damaligen Anwalt selbst ausge­führt hat, ist diese Angelegenheit zu trennen von dem einstweiligen Verfügungsverfahren 118 C 18/83 AG Köln, das sich außer gegen die Eheleute T., auch gegen den Bauunternehmer I. gerichtet hat.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Das von der Klägerin beanstandete Verhalten der Eheleute T. in der Wegerechtsangelegenheit war konfliktauslösend und hat schließlich zu dem Rechtsstreit 15 0 690/85 LG Köln geführt.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Zutreffend verneint das Landgericht jedoch eine Eintrittspflicht der Beklagten wegen der Regelung des § 4 Abs. 4 ARB.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Danach besteht für Versicherungsfälle, die dem Ver­sicherer später als zwei Jahre nach Beendigung des Versicherungsvertrages für das betroffene Wagnis gemeldet werden, kein Versicherungsschutz.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat die in § 4 Abs. 4 ARB festgelegte Zweijahresfrist versäumt. Der Rechtsschutzversiche­rungsvertrag endete am 11.4.1983. Der vorliegende Versicherungsfall ist der Beklagten am 14.1.1986, nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin jedenfalls erst nach Zustellung der Klageschrift der Eheleute T. vom 5.11.1985 gemeldet worden.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin darauf, sie habe frühestens mit der Zustellung der Klage Kennt­nis vom Versicherungsfall erhalten und die Zweijah­resfrist deshalb ohne ihr Verschulden versäumt.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">§ 4 Abs. 4 ARB enthält keine Obliegenheit, sondern eine Ausschlußfrist. Auf eine Kenntnis des Versi­cherungsnehmers vom Versicherungsfall kommt es dem­gemäß nicht an (Harbauer, Rechtsschutzversicherung, 3. Aufl., Rdnr. 217 zu § 4). Das entspricht dem Zweck der Bestimmung, verspätet gemeldete Versiche­rungsfälle von der Risikogemeinschaft fern zu hal­ten. Die Zweijahresfrist begrenzt die an sich gege­bene Eintrittspflicht des Versicherers für Versi­cherungsfälle innerhalb des versicherten Zeitraums nach Ablauf dieser Frist und soll die nach Fri­stablauf schwerer aufklärbaren und übersehbaren Schadensfälle im Interesse einer Geringhaltung des Verwaltungsaufwandes von der Deckung ausnehmen. Die Regelung wirkt sich in erster Linie in Fällen wie dem vorliegenden aus, die aufgrund eines verstoßab­hängigen Versicherungsfalles im Sinne des § 14 Abs. 3 ARB erst längere Zeit nach dem Verstoß zu einer konkreten Auseinandersetzung führen oder gemeldet werden und die bei zeitlich unbegrenzter Ein­trittspflicht den Versicherer zur Bildung erhebli­cher Spätschadenreserven zwingen würden (Harbauer a.a.O. Rdnr. 216 zu § 4).</p><span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Obwohl es sich bei der Frist in § 4 Abs. 4 ARB um eine Ausschlußfrist handelt, auf die die Verjäh­rungsvorschriften nicht anwendbar sind, läßt die Rechtsprechung in den Fällen, in denen der Versi­cherunesnehmer erst nach Ablauf der Zweijahresfrist Kenntnis vom Versicherungsfall erlangt, ebenso wie bei einer Fristversäumnis nach § 12 Abs. 3 VVG ei­nen Entschuldigungsbeweis durch den Versicherungs­nehmer zu (Harbauer a.a.O., Rdnr. 217 zu § 4; Prölss-Martin VVG, 24. Aufl., Anm. 8 b zu § 12; BGH VersR 1982, 567).</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist im Streitfall wegen der Fristver­säumnis jedoch nicht entschuldigt.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Ohne Erfolg macht sie geltend, die Regelung des § 4 Abs. 4 ARB könne nicht so weit zu Lasten des Versi­cherungsnehmers ausgedehnt werden, daß dieser ver­pflichtet wäre, sämtliche Streitigkeiten, die zu einem späteren Zeitpunkt möglicherweise einmal in ein gerichtliches Verfahren einmünden könnten, prä­ventiv bei seinem Rechtsschutzversicherer anzumel­den. Eine solche Verhaltensweise gegenüber dem Rechtsschutzversicherer wird dem Versicherungsneh­mer aber weder allgemein noch im besonderen durch § 4 Abs. 4 ARB auferlegt. Die Klägerin geht von dem -falschen- Ansatzpunkt aus, sie sei durch die Kla­geerhebung im Jahre 1985 überrascht und völlig un­erwartet getroffen worden.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Dieses Vorbringen der Klägerin wird bereits wider­legt durch ihre eigene und die in der Wegerechtsan­gelegenheit seit dem Jahre 1983 von den Anwälten geführte Korrespondenz.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hatte die Brisanz der Angelegenheit bereits Anfang des Jahres 1983 erkannt, wie sich aus dem bereits zitierten Schreiben vom 27.1.1983 an ihren Anwalt ergibt. Diesem hat sie unter ande­rem mitgeteilt: "... daß die  B. nur dann die An­gelegenheit Wegerechtsangelegenheit übernahm, wenn davon getrennt das "Einstweilige Verfügungsverfah­ren" behandelt werden würde, für das die B.<strong> </strong>keine Haftung übernehmen braucht.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Daraus wird deutlich, daß die Klägerin die Wege­rechtsangelegenheit bereits im damaligen Zeitpunkt als Rechtsschutzsache angesehen und versucht hat, bei einem (anderen) Rechtsschutzversicherer für diese Angelegenheit Rechtsschutz zu erlangen. Schon Anfang 1983 zeichnete sich für sie die Notwendig­keit einer Interessenwahrnehmung in dieser Angele­genheit so konkret ab, daß sie mit der Entstehung von Rechtskosten rechnete.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Wie aus dem Berufungsurteil des Landgerichts Köln vom 13.9.1983 - 11 S 90/83 - in der einstweiligen Verfügungssache hervorgeht, waren die Klinkersteine am Mittelstreifen des streitigen Weges ausgebrochen worden und lagen als Bauschutt herum. Dieser Zu­stand konnte nicht von Dauer sein und mußte geändert werden. Bereits mit Schreiben vom 15.4.1983 haben die Anwälte der Eheleute T. den Anwalt der Klägerin darauf hingewiesen, ... "daß wir jedwede Verzögerung ihrer Partei zum Anlaß nehmen wer­den, die nun in vielfältiger Weise gerichtlich festgestellten Rechte unserer Mandanten streitig durchzusetzen."</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Auch dies war ein nicht zu übersehender Hinweis, daß eine weitere rechtliche Auseinandersetzung drohte.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Unter den gegebenen Umständen kann die verspätete Meldung des Versicherungsfalles Anfang 1986 oder Ende 1985 jedenfalls nicht als unverschuldet ange­sehen werden. Spätestens nach Erhalt des vorbe­zeichneten Schreibens vom 15.4.1983 hätte die Klä­gerin eine Meldung an die Beklagte erstatten müs­sen. Die Wegerechtsangelegenheit war entgegen der im Schreiben der Beklagten vom 18.3.1983 geäußerten Auffassung nicht erledigt. Da diese Umstände nur der Klägerin, nicht aber der Beklagten bekannt wa­ren, bestand umsomehr Anlaß, die Beklagte darauf hinzuweisen, daß eine Einigung noch nicht erfolgt war, sondern unter Einschaltung von Anwälten in der Wegerechtsangelegenheit Verhandlungen gepflogen wurden. Offensichtlich hat die Beklagte auch von dem Berufungsverfahren in der einstweiligen Verfü­gungssache keine Kenntnis gehabt.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Im übrigen wären auch bei einer außergerichtlichen Einigung der Wegerechtsangelegenheit Rechtskosten entstanden, so daß auch von daher eine fristgerech­te Meldung des Versicherungsfalles an die Beklagte geboten war (vgl. dazu Senat VersR 1986, 805; an­ders bei Geltendmachung von Schadensersatzansprü­chen aus unerlaubter Handlung LG Augsburg r + s 88, 301).</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Schließlich hat die Klägerin auch noch nach Schei­tern der Verhandlung vom 24.4.1985 im Büro ihres Anwalts -schuldhaft- keinen Anlaß gesehen, den Ver­sicherungsfall der Beklagten zu melden. Der Um­stand, daß auch bei dieser Besprechung keine Eini­gung mit der Gegenseite erzielt werden konnte, wi­derlegt andererseits das Vorbringen der Klägerin, sie sei von der Klageerhebung durch die Eheleute Schneider überrascht worden. Die Klage vom 5.11.1985 war im Gegenteil die zu erwartende Folge der sich über 2 Jahre hinziehenden, erfolglosen Verhandlungen.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbar­keit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.</p> <span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Streitwert für das Berufungsverfahren und Wert der Beschwer der Klägerin: 8.911,16 DM.</p>
|
315,186 | ag-dusseldorf-1989-10-25-24-c-1096189 | {
"id": 653,
"name": "Amtsgericht Düsseldorf",
"slug": "ag-dusseldorf",
"city": 413,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 24 C 10961/89 | 1989-10-25T00:00:00 | 2019-03-13T14:48:43 | 2022-10-18T15:08:54 | Urteil | ECLI:DE:AGD:1989:1025.24C10961.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>hat das Amtsgericht Düsseldorf</p>
<p>auf die mündliche Verhandlung vom 4. Oktober 1989</p>
<p>durch die Richterin am Amtsgericht X</p>
<p></p>
<p>für R e c h t erkannt:</p>
<p></p>
<p> Die Beklagte wird verurteilt, an den </p>
<p> Kläger 511,60 DM nebst 8 % Zinsen seit </p>
<p> dem 6.3.1989 zu zahlen.</p>
<p></p>
<p> Im übrigen wird die Klage abgewiesen.</p>
<p></p>
<p> Von den Kosten des Rechtsstreits tragen</p>
<p> der Kläger 63 %, die Beklagte 37 %.</p>
<p></p>
<p> Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p> Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangs-</p>
<p> vollstreckung gegen Sicherheitsleistung</p>
<p> von 200,-- DM abzuwenden, es sei denn,</p>
<p> die Beklagte leistet vor der Vollstreckung </p>
<p> Sicherheit in gleicher Höhe.</p>
<p></p>
<p> Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangs-</p>
<p> vollstreckung gegen Sicherheitsleistung </p>
<p> von 800,-- DM abzuwenden, es sei denn,</p>
<p> der Kläger leistet vor der Vollstreckung </p>
<p> Sicherheit in gleicher Höhe.</p>
<p></p>
<p> Sämtliche Sicherheitsleistungen können auch</p>
<p> durch Bürgschaft einer bundesdeutschen Groß-</p>
<p> bank oder öffentlichen Sparkasse erbracht</p>
<p> werden.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>T a t b e s t a n d</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger buchte bei der Beklagten am 30.12.87 das Motorhome PC 25 für die Zeit vom 12.9. bis 22.10.88 die Fahrt von X nach Y zum Gesamtpreis von 4.580,-- DM inklusiv 100 Freimeilen pro Tag. Bei Beginn der Reise beanstandete er fehlendes Motoröl sowie fehlende Bremsflüssigkeit und ein abgebrochenes Nummerschild. Diese Mängel wurden vor Antritt der Reise beseitigt. Eine vorhandene beschädigte Matratze wurde gegen bessere Matratze ausgetauscht, die jedoch auch Löcher aufwies. Seine Reklamation bezüglich eines zerbrochenen Scheinwerferglases sowie Verschmutzung des Motorhome insbesondere Verfleckung des Teppichs wurde nicht berücksichtigt. Seiner Bitte nach einem anderen Motorhome konnte nicht entsprochen werden. Obwohl der Kläger zusätzlich bei der amerikanischen Vertragsgesellschaft XX drei sogenannte Convenience Kits verlangt und bezahlt hat, befand sich im Motorhome kein Geschirr. Bei Abschluss der Reise wurden dem Kläger zwei Kits, d.h. 60 Dollar gutgeschrieben.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Am Abend des 1. Tages stellte der Kläger fest, dass der vorhandene Tisch abgebrochen war, weshalb er diesen nicht benutzen konnte. Deshalb fuhr er am nächsten Tag wieder zur Vermietstation in X zurück, wo die Tischreparatur gegen 14.30 Uhr abgeschlossen war. Wegen dieser Unzulänglichkeit schrieb die XX dem Kläger 100 Meilen gut.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Weiter war der Dumpschlauch verdreckt und beschädigt und musste erneuert werden, der Abwassertank war bei Abfahrt voll. Das sogenannte Cruise Kontroll sowie das Radio funktionierten ebenso wenig wie die Innenbeleuchtung im Führerhaus. Der Sicherheitsgurt am Beifahrersitz klemmte, bei der Armlehne am Beifahrersitz guckten Nägel heraus. </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Kläger behauptet:</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Er hätte sämtliche Mängel bei seiner Ankunft in Y reklamiert. Unterwegs hätte er keine Gelegenheit gehabt zur Reparatur, ganz abgesehen, dass er unstreitig Reparaturen ohne Rücksprache mit der Veranstalterin nur bis zum Gegenwert von 50 Dollar hätte durchführen können.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Er verlangt den Tagesspreis von 102,-- DM für die ersten drei Tage, und zwar wegen zwei Tage, die er wegen der Tischreparatur verloren hätte, und die übrige Zeit, die er mit dem Kauf von Ausstattungsgegenständen verbraucht hätte. Hierbei hätte er 300 Meilen verfahren. Außerdem ist er der Auffassung, dass wegen der verminderten Ausstattung sowie der Mängel ihm der Differenzbetrag zwischen dem Touristprogramm, das er gebucht hatte und dem Basisprogramm von täglich 12,-- DM zustünden. Ferner beansprucht er als Pauschalbetrag für den Verlust von Urlaubsfreude 400,-- DM.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Er beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an ihn</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">1.386,-- DM nebst 8 % Zinsen seit dem</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">6.7.89 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Sie ist der Auffassung, dass der Kläger nicht mit einem fabrikneuen Fahrzeug hätte rechnen dürfen und die Mängel die Gebrauchsfähigkeit des Motorhomes nicht beeinträchtigt hätten. Ferner ist sie der Auffassung, dass der Kläger sich wegen der Mängel an die Vermietstation hätte wenden und die Reparatur hätte veranlassen müssen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Schließlich vertritt sie die Auffassung, dass durch die seitens der Vermietstation gewährten Gutschriften etwaigen Minderungsansprüchen des Klägers ausreichend Rechnung getragen sei noch dazu der Kläger durch die erfolgte Zusatzzahlung ihr jede Möglichkeit de Verrechnung genommen hätte.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze und Unterlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks"><b><u>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e </u></b></p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist teilweise begründet.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Als Minderung des Reisepreises stehen dem Kläger für zwei Tage 124,-- DM sowie für die übrigen 38 Tage 10 % des Reisepreises = 387,60 DM zu.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Wegen der erforderlichen Mängelbeseitigung und der Tischreparatur hat der Kläger die behaupteten zwei Reisetage verloren. Es mag zwar sein, dass die eigentliche Reparatur nur, wie die Beklagte von ihrer Vertragspartnerin erfahren hat, eine Stunde betragen hat. Tatsächlich musste der Kläger aber die bereits gefahrene Strecke wieder zurückfahren und dann auf die Durchführung dieser Reparatur warten. In diesem Zusammenhang ist plausibel, dass die Durchführung der Reparatur erst organisiert werden musste und sich die Wartezeit bis in die Nachmittagsstunden hinzog. Zwei Tage entsprechen einem Gegenwert von 204,-- DM. Der Kläger konnte während dieser Zeit aber die ihm zustehenden 100 Freimeilen nicht nutzen, die tatsächlich gefahrene Strecke ist ihm mit 100 Meilen seitens der Vermietstation bereits gutgeschrieben worden. Daher waren ihm der Gegenwert von 2 x 100 Freimeilen = 80,-- DM abzuziehen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Was das fehlende Geschirr angeht, kann der Kläger weder Anspruch wegen vertaner Reisezeit noch wegen diesbezüglich verfahrener Kilometer gegenüber der Beklagten geltend machen. Zum einen hat er von den zunächst gezahlten drei Convenience Kits zwei rückvergütet erhalten, obwohl er für drei Personen Bettwäsche und Handtücher, die ebenfalls zu dieser Grundausstattung gehören, erhalten hatte. Zum anderen stand ihm während der Wartezeit auf die Tischreparatur etwa vier Stunden zur Verfügung, um diese gängigen Artikel wie Geschirr und Bügel einzukaufen, was in einer Millionenstadt wie X kaum schwierig gewesen sein dürfte. Schließlich hatte er einen großen Teil dieser Gegenstände auch am ersten Tag bereits erworben, der ihm sowieso, wie oben ausgeführt, bereits gutgeschrieben worden ist. </p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Bei dem zerbrochenen Scheinwerferglas handelt es sich um einen nicht zur Minderung berechtigten Bagatellmangel. Die übrigen Mängel, insbesondere das Nichtfunktionieren des zur Fahrzeugausstattung gehörenden Cruise Kontroll, des Radios und der Führerhausinnenbeleuchtung, des klemmenden Sicherheitsgurtes am Beifahrersitz und der nagelbespickten Armlehne am Beifahrersitz stellen jedoch eine Beeinträchtigung dar. Diese hat allerdings nichts damit zu tun, dass der Standard des gemieteten Fahrzeugs auf den der niedrigen Klasse des Basisprogramms absinkt. Maßstab ist vielmehr der Tagesreisepreis und der Wertunterschied zwischen einem einwandfreien Fahrzeug der gemieteten Gruppe und dem zur Verfügung gestellten mangelhaften. Insofern ist nachvollziehbar, dass das Fehlen eines an sich vorhandenen Standgases sowie Radios bei einer Urlaubsreise von fast 7 Wochen und einer Reisestrecke von ca. 10.000 Kilometern wertmindernde Fehler sind. Das Gericht bewertet die aufgrund der Mängel vorliegende Minderung der Reiseleistung mit 10 % des Reisepreises für die restlichen 38 Tage = 511,60 DM.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist mit seinem Minderungsverlangen auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil er sich während der Reise nicht bemüht hat, die Schäden beheben zu lassen. Tatsächlich stand ihm so etwas wie eine Reiseleitung während der im übrigen individuell geplanten Reise nicht zur Verfügung. Er hatte demnach auch keinen direkten Ansprechpartner wegen der Mängel. Die Beklagte kann den Kläger auch nicht darauf verweisen, dass der Kläger hätte Kontakt zu einer der Vermietstationen aufnehmen müssen, um die Reparatur in die Wege zu leiten. Eine derartige Mitwirkungsverpflichtung des Klägers ergibt sich weder aus dem Reisevertragsrecht, noch etwa aus dem zwischen den Parteien geltenden Reisebedingungen. Insbesondere bei derart relativ kleinen Mängel konnte der Kläger davon Abstand nehmen, für die Reparaturen einen größeren Umstand und Zeitverlust in Kauf zu nehmen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Auch durch sein Verhalten gegenüber Veranstalterin ging der Kläger seiner Minderungsansprüche nicht verlustig. Denn die Beklagte kann den Kläger nicht darauf verweisen, dass er durch das Akzeptieren von Gutschriften sein Minderungsrecht ihr gegenüber verloren hat. Vielmehr muss sich der Kläger die erteilten Gutschriften, wie berücksichtigt worden ist, lediglich im Verhältnis zur Beklagten anrechnen lassen, was aber nicht bedeutet, dass er sich letztlich nicht (auch) an seine Vertragspartnerin halten kann. Unerheblich ist schließlich auch, ob eine Reklamation in Y erfolgte. Denn jedenfalls war diese Mängelanzeige nicht Voraussetzung des Minderungsanspruchs im Sinne von § 651 d Abs. 2 BGB. Abhilfemaßnahmen in Y, dem Ziel seiner Reise, waren für den Kläger nutzlos.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Ihm stehen Schadensersatzansprüche im Sinne von § 651 f Abs. 2 BGB nicht zu. Voraussetzung hierfür ist nämlich eine vereitelte oder zumindest wesentlich beeinträchtigte Reise. Hiervon ist jedoch bei dem Kläger nicht auszugehen. Das ergibt sich auch aus dem vom Kläger selbst vorgenommenen Bewertung. Darüber hinaus ist nicht nachvollziehbar, woran er die geforderte Pauschale überhaupt orientiert hat.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Zinsentscheidung ergibt sich aus §§ 284, 286 BGB.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, der Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckung liegen §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO zugrunde.</p>
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315,187 | lagk-1989-10-24-4-tabv-3589 | {
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"name": "Landesarbeitsgericht Köln",
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} | 4 TaBV 35/89 | 1989-10-24T00:00:00 | 2019-03-13T14:48:45 | 2022-10-18T15:08:54 | Beschluss | ECLI:DE:LAGK:1989:1024.4TABV35.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Köln vom 26.4.1989 - 3 BV 52/89 - wird zurückge­wiesen . Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Gründe</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Arbeitgeber verkauft und vermietet Kopierge­räte, Schreibmaschinen, elektronische Laserdrucker und</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Kommunikationssysteme. In der Kölner Niederlassung des Arbeitgebers sind ca. 22o Mitarbeiter beschäftigt. Antragsteller im vorliegenden Verfahren ist der für die Geschäftsstelle Köln gewählte Betriebsrat. Die Beteiligten streiten darüber, ob bei den Mitarbeitern der Geschäftsstelle, die im Verkauf tätig sind, die Zuweisung eines neuen Verkaufsgebietes der Mitbe­stimmung des Betriebsrates unterliegt. Der Betriebsrat verlangt vom Arbeitgeber, die zum 1.4.1989 erfolgte Zu­weisung eines neuen Verkaufsgebiets an die Mitarbeiterin V       aufzuheften.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Vertrieb des Arbeitgebers ist nach Art der Kunden bzw. potentiellen Kunden in 5 Vertriebssegmente aufgeteilt, nämlich</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Segment              1:              Nationale Großkunden</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Segment              2:              Behörden</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Segment              3:              Lokale Großkunden</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Segment              4:              Breitenmarkt in Ballungsräumen</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Segment              5:              Land</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Segmente sind wiederum in einzelne Verkaufsgebiete</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">aufgeteilt, die den jeweiligen Verkaufsmitarbeitern zugewiesen werden. Im Segment 4 sind die Verkaufsge­biete im wesentlichen flächenmäßig nach der Landkarte abgrenzbar und abgegrenzt.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Mitarbeiterin V       wohnt in Frechen. Sie ist seit dem 15.1.1982 beim Arbeitgeber beschäftigt und als Verkäuferin im Segment 4 tätig. Dabei betreute</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">sie bisher das Gebiet Nr. 146, das 9 rechtsrheinische Vororte der Stadt Köln und die Städte Bergisch-Gladbach und Leverkusen umfaßt (vgl. im einzelnen Bl. 42 d.A.). Mit Wirkung zum .1.4.1989 wies der Arbeitgeber der Mit­arbeiterin V       ein anderes der 11 Verkaufsgebiete des Segmentes 4 zu, nämlich das Verkaufsgebiet 156, das sich von Erftstadt über Aachen, Düren, Merzenich, Langerwehe, Nörvenich, Eschweiler bis Stolberg er­streckt (vgl. im einzelnen Bl. 43 d.A.). Der Arbeit­geber ging selbst davon aus, daß das Verkaufsgebiet 152 bisher teilweise unzureichend betreut worden war und wollte mit der Mitarbeiterin V       eine lang­jährige erfahrene Verkaufskraft in dieses Gebiet setzen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Vergütung der Verkaufsmitarbeiter ist teil­weise erfolgsabhängig. Nach dem Dienst vertrag der Frau V       kann der Arbeitgeber entsprechend der Eignung des Mitarbeiters bzw. den geschäftlichen Erfordernissen im zumutbaren Rahmen jederzeit eine Änderung des zuge­wiesenen Tätigkeitsbereichs vornehmen. Zulässig ist hierbei jede Änderung, durch die die Bezüge des Mit­arbeiters und/oder der örtliche Bereich seiner Tätig­keit nicht wesentlich beeinträchtigt werden. Ob die Gebietsänderung einzelvertraglich wirksam war, ist Gegenstand eines Arbeitsgerichtsverfahrens zwischen dem Arbeitgeber und Frau V       (1 Ca 6677/88, Arbeitsgericht Düsseldorf). In diesem noch nicht rechtskräftig erledigten Verfahren hat das Arbeitsge­richt durch Urteil vom 1.8.1989 festgestellt, daß die Gebietszuweisung der Arbeitgeberin vom 6.12.1988 un­wirksam ist. Auf das Urteil des Arbeitsgerichts (Bl. 1o5 ff d.A.) wird im übrigen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Der Arbeitgeber nimmt Gebietsänderungen grund­sätzlich nur mit einer Ankündigungsfrist vor, die der gesetzlichen Kündigungsfrist entspricht. Diese Regelung, die auch Gegenstand des Dienstvertrages mit der Ar­beitnehmerin V       ist (vgl. im einzelnen Bl. 5 d.A.) fußt auf einem Einigungsstellenbeschluß, durch den, soweit das Mitbestimmungsrecht, des Gesamtbetriebsrats reicht, Einzelheiten der Dienstverträge der Mitarbeiter des Arbeitgebers geregelt worden sind (vgl. Bl. 134 d.A. ) .</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Der Betriebsrat sieht in der Änderung des Ver­kaufsgebiets der Mitarbeiterin V       eine mitbestimmungspflichtge Versetzung. Er hat geltend gemacht, sowohl der Arbeitsort als auch der Arbeitstätigkeit der Frau V       ändere sich. Der Anfahrtsweg sei weiter. Außerdem würden sich ihre Verdienstschancen erheblich verschlechtern, weil die Umsatzmöglichkeiten in dem neuen Verkaufsgebiet wesentlich schlechter seien als in dem bisher von Frau V       bearbeiteten Gebiet. Da das neue Gebiet in den letzten Jahren brachgelegen habe, seien dort weniger Folgeaufträge von Kunden zu erwarten. Für die Kauf- bzw. Mietentscheidung des Kunden sei auch die Entfernung vom Servicestandort maßgeblich, der bei dem neuen Verkaufsgebiet wesentlich entfernter liege, so daß die Gefahr bestehe, daß sich die Kunden häufiger für den schnelleren und einfacheren Service beim Händler vor Ort entschieden.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Der Betriebsrat hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">dem Arbeitgeber aufzugeben, die in der Ver­-setzung der Frau              V       liegendepersonelle Maßnahme aufzuheben.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Der Arbeitgeber hat beantragt, den Antrag zurückzuwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Er hat die Ansicht vertreten, Frau V       sei kein anderer Arbeitsbereich zugewiesen worden. Der Dienstsitz sei Köln geblieben und sie auch im Ver­triebssegment Breitenmarkt geblieben. Auch die hierarchische Zuordnung im Verkäuferteam und die Palette der zu ver­treibenden Produkte habe sich nicht geändert. Daß Trau V.      keinen Anspruch auf ein gleichbleibendes Ver­kaufsgebiet gehabt habe, ergebe sich aus der Eigenart des Beschäftigungsverhältnisses. Nachteile für sie seien im Zusammenhang mit der Zuweisung eines neuen Verkaufsgebietes nicht zu erwarten.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Das Arbeitsgericht hat der Arbeitgeberin aufge­geben, die in der Versetzung der Frau V       liegende personelle Maßnahme aufzuheben. Auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses wird Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Arbeit­gebers. Er meint, die vorgenommene Zuweisung eines anderen Verkaufsgebietes an die Mitarbeiterin V stelle keine mitbestimmungspflichtige Versetzung dar. Als Arbeitsort des Verkaufsmitarbeiters sei die Ge­schäftsstelle anzusehen, die jeder Verkaufsmitarbeiter mindestens einmal pro Woche aufsuchen müsse. Der ständig wechselnde Ort der Verkaufsgespräche könne nicht als Arbeitsplatz angesehen werden. Auf ein festes Verkaufsgebiet habe keiner der Außendienstmitarbeiter</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">einen Anspruch. Ebenso wie nach Gebieten hätte sie, wie dies teilweise in anderen Segmenten der Fall sei, die Kunden nach einer Liste ohne Zuweisung eines kon­kreten Gebietes auf die Verkaufsmitarbeiter aufteilen können.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die Umstände, unter denen Frau <em>V       </em>ihre Ar­beit zu leisten habe, blieben in nahezu sämtlichen Punkten unverändert. Sie sei weiterhin in die Geschäfts­stelle Köln als ihren Arbeitsplatz eingegliedert. Die Hierarchie und die Teamzugehörigkeit bleibe unverändert. Auch die arbeitsvertraglichen Grundlagen, auf denen sie ihre Tätigkeit leisten müsse, ändere sich nicht. Sie betreue diesselben Produkte und einen vergleich­baren Kundenkreis. Die Anfahrten zu dem Kunden würden zwar, soweit sich diese im westlicheren Teil befänden, rein räumlich weiter werden, die Anfahrtswege führten aber über gut befahrbare Verkehrswege, so daß ein höherer zeitlicher Aufwand zum Besuch der Kunden nicht gegeben sei. Auch das Kundenpotential des neuen Gebiets sei nicht schlechter und bei Frau V       seien keine Ein­kommensverluste zu erwarten.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Der Arbeitgeber beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">den angefochtenen Beschluß abzu­ändern und den Antrag des Betriebs­rats zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Der Betriebsrat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Er meint, eine Versetzung sei deshalb anzunehmen, weil Frau V       ihre Arbeitsleistung nunmehr in einem</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">geographisch völlig anderen Gebiet erbringen müsse. Bis zu ihrem alten Verkaufsgebiet habe sie täglich ca. 3o km Fahrtstrecke zurücklegen müssen, bei dem neuen Verkaufsgebiet betrage die einfache Entfernung mindestens 7o Fahrtkilometer. In dem alten Gebiet sei im wesent­lichen ein bereits bestehender Kundenstamm zu betreuen gewesen mit dem Ziel, Folgeaufträge zu akquirieren, während Frau V      sich in dem neuen Gebiet in starkem Maße auf potentielle Neukunden konzentrieren müsse.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Gegenstand der Anhörung vor dem Beschwerdegericht war vor allem der konkrete Vergleich der Tätigkeit der Frau V       in beiden Verkaufsgebieten. Auf die Sitzungsniederschrift vom 24.1o.1989 und das dort vor­gelegte Zahlenmaterial (Bl. 142-146 d.A.) wird eben­falls Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist an sich statthaft, sie ist auch in der gesetzlichen Frist und Form eingelegt und begründet worden und unterliegt damit keinen formalen Bedenken.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">In der Sache hatte sie keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Zu Recht hat das Arbeitsgericht dem Arbeitgeber nach § 1o1 BetrVG aufgegeben, die in der Zuweisung eines neuen Verkaufsgebietes an die Mitarbeiterin V liegende personelle Maßnahme aufzuheben. Diese Maß­nahme stellt eine Versetzung im Sinne des § 95 Abs. 3 BetrVG dar und war deshalb nach § 99 Abs. 1 BetrVG</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">mitbestimmungspflichtig. Da der Arbeitgeber unstreitig den Betriebsrat an der fraglichen Maßnahme nicht be­teiligt hat, war diese auf Antrag des Betriebsrats nach § 1o1 Satz 1 BetrVG aufzuheben.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Versetzung im Sinne des Betriebsverfassungsge­setzes ist nach der Legaldefinition  des § 95 Abs. 3 BetrVG die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat über­schreitet, oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Durch das BetrVG 1972 ist der Begriff der Versetzung wesentlich erweitert worden, auch die Um­setzung innerhalb eines Betriebes wird nunmehr grund­sätzlich vom Begriff der Versetzung erfaßt. Wenn der Versetzungsbegriff an die Zuweisung eines anderen Ar­beitsbereichs anknüpft, so ist mit Arbeitsbereich der konkrete Arbeitsplatz und seine Beziehung zur betrieb­lichen Umgebung in räumlicher, technischer und organi­satorischer Hinsicht gemeint (BAG AP Nr. 4 u. 8 zu § 95 BetrVG 1972). Entscheidende Anknüpfungspunkte sind die Art der ausgeübten Tätigkeit und der Arbeitsort. Eine Versetzung liegt vor, wenn dem Arbeitnehmer eine andere Position innerhalb der betrieblichen Organisation durch eine Änderung seines Tätigkeitsbereichs oder durch einen Ortswechsel zugewiesen wird (so Dietz-Richardi BetrVG 6. Aufl., § 99 Rdnr. 73).</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Eine Änderung des Tätigkeitsbereichs des Arbeit­nehmers liegt vor, wenn der Inhalt der Arbeitsaufgabe ein anderer wird und sich deshalb das Tätigkeitsbild des Arbeitnehmers ändert. Diese Voraussetzung ist nicht gegeben, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nur einen Teil seiner bisherigen Aufgaben entzieht (BAG AP Nr. 26</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">zu § 611 BGB - Direktionsrecht -) oder weitere  Aufgaben neben den bisher erledigten Arbeiten zuweist. Änderungen innerhalb der bisher dem Arbeitnehmer zugewiesenen Ar­beitsaufgaben werden dabei regelmäßig als mitbestimmungs­frei angesehen (so z.B. die Einschränkung des Verkaufs­gebiets eines Außendienstmitarbeiters, vgl. dazu BAG AP Nr. 5 zu § 62o BGB - Teilkündigung -), lediglich der Wechsel der Arbeitsaufgaben wird als mitbestimmungspflichtig angesehen.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">§ 95 Abs. 3 BetrVG, der nur bei der Zuweisung eines Arbeitsbereichs unter einem Monat auf die er­hebliche Änderung der äußeren Umstände abstellt, unter denen die Arbeit, zu leisten ist, läßt erkennen, daß es Änderungen der Arbeitsbedingungen gibt, die keine Versetzung darstellen, weil sie nicht mit einer Änderung des Arbeitsbereichs verbunden sind. Die Versetzungen innerhalb der gleichen Abteilung bei vergleichbarer Aufgabenstellung bzw. der Austausch der bisherigen Maschine durch eine neue zählen hierher. Die Aus­nahme des § 95 Abs. 3 BetrVG zeigt jedoch gleichzeitig, daß die Umstände, unter denen die Arbeit zu leisten ist, auch für die Abgrenzung des Arbeitsbereichs eine Rolle spielen und daß sich die Umstände so einschneidend ändern können, daß auch eine Änderung des Arbeitsbe­reichs anzunehmen ist.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Ein Wechsel des Arbeitsbereichs wird zumeist anzunehmen sein bei einem Ortswechsel (vgl. z.B. BAG AP Nr. 33 zu § 99 BetrVG 1972 zu einer Abordnung von Arbeitnehmern nach Japan). Wird der Arbeitnehmer aus einem in sich geschlossenen Betriebsbereich in eine andere Betriebseinheit umgesetzt, so wird regelmäßig eine Versetzung vorliegen (Gnade u.a. BetrVG § 99 Rdnr.32;</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Fitting u.a. BetrVG, 15. Aufl., § 99 Rdnr. 22 a). Auch bei einem Wechsel des Arbeitsortes ist entscheidend da­rauf abzustellen, ob die Eingliederung in die betrieb­liche Organisation geändert wird, allein die räumliche Entfernung stellt nur ein Indiz dar für die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs. Regelmäßig wird jedoch eine Änderung des Arbeitsbereichs vorliegen, wenn die Umsetzung mit einem Wechsel des Ortes verbunden ist, an dem die bisher für den Arbeitnehmer maßgebliche Arbeitsstätte sich befindet.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Die von Rechtsprechung und Literatur entwickelten Kriterien zur Abgrenzung der mitbestimmungspflichtigen Versetzung von mitbestimmungsfreien Maßnahmen sind auf die Änderung der Verkaufsbezirke von Außendienstmit­arbeitern nur mit Vorsicht zu übertragen. Ein fester Arbeitsort ist regelmäßig nicht gegeben, da der Außen­dienstler innerhalb seines Bezirks seine Arbeit ständig an anderen Orten verrichtet. Auch Art und Umfang der Tätigkeit sind kaum hinreichend konkretisiert, wenn man nur darauf abstellt, daß eine bestimmte Produktpalette bei jeweils unterschiedliche Kunden zu vertreten ist, ohne daß es auf die näheren Einzelheiten der Tätigkeiten noch ankäme.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Anknüpfungspunkte für die Abgrenzung muß § 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG 1972 sein. Danach gilt die Be­stimmung des jeweiligen Arbeitsplatzes nicht als Ver­setzung, soweit Arbeitnehmer nach der Eigenart ihres Arbeitsverhältnisses üblicherweise nicht ständig an einem bestimmten Arbeitsplatz beschäftigt werden. Ent­scheidend ist, ob nach der Eigenart des Arbeitsver­hältnisses ein Einsatz auf wechselnden Arbeitsplätzen üblich ist. Ein Musterbeispiel für die Anwendung des</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">§ 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG ist ein Arbeitnehmer im Bauge­werbe oder z.B. ein Springer, der im Betrieb an den verschiedensten Arbeitsplätzen eingesetzt wird. Für die Anwendung des § 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG muß aber stets konkret gefragt werden, welcher Wechseleinsatz bei dem betreffenden Arbeitnehmer üblich war. Wird der wechselnde Einsatz des Arbeitnehmers, so wie er üblicherweise ge­handhabt wurde, aufgehoben oder durchbrochen, so liegt ebenso eine mitbestimmungspflichtige Versetzung vor wie bei jeder anderen Änderung des Arbeitbereichs Dietz-Richardi BetrVG G. Aufl., § 99 Rdnr. 89). Die Änderung des Verkaufsgebietes eines Außendienstmitar­beiters ist deshalb nicht von vornherein im Hinblick auf § 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als mitbestimmungsfrei anzusehen. Ist z.B. ein Außendienstler jahrelang regel­mäßig nur in einem bestimmten Verkaufsgebiet eingesetzt worden, so zählt zur Eigenart dieses Arbeitsverhält­nisses nur der ständige Wechsel des Arbeitsortes inner­halb des bisherigen Verkaufsgebietes. Alle Anweisungen des Arbeitgebers, wie, wann und wo innerhalb dieses Verkaufsgebietes Akquisition zu betreiben ist, unter­fallen § 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG und können keine Ver­setzung darstellen. Weist aber der Arbeitgeber dem Ar­beitnehmer ein völlig neues Verkaufsgebiet zu, so kann dies eine Versetzung darstellen, weil dieser Wechsel des Arbeitsortes durch die Eigenart des Beschäftigungs­verhältnisses nicht gedeckt und die Zuweisung des neuen Verkaufsgebietes als Zuweisung eines anderen Arbeitsbe­reiches anzusehen ist.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Wann die Veränderung des Verkaufsgebietes bei einem Außendienstler eine mitbestimmungspflichtige Ver­setzung darstellt, kann nur die Abgrenzung im Einzel­fall ergeben. Bei weniger einschneidenden Maßnahmen in</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">diesem Bereich hat die Rechtsprechung bislang soweit ersichtlich ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats verneint. So hat das Bundesarbeitsgericht z.B. bei einer bloßen Gebietseinschränkung ohne einschneidende Auswirkungen im Einkommensbereich eine Versetzung abge­lehnt, ohne dies näher zu begründen (BAG AP Nr. 5 zu § 62o BGB - Teilkündigung -). Das LAG Frankfurt hat demgegenüber ein Mitbestimmungsrecht bejaht in dem Fall, daß einem Vertriebsbeauftragten die gesamte Be­treuung des Altkundenstamms entzogen wird (DB 83, 2144). Gnade u.a. (BetrVG § 99, Rdnr. 33) nehmen eine mitbestimmungspflichtige Versetzung an, wenn einem Außen­dienstler bei gleichbleibendem Verkaufsbezirk anstatt der Betriebsstätten einer kleineren Größenordnung nun­mehr Großkunden zugewiesen werden, Dietz-Richardi (BetrVG 6. Aufl., § 99 Rdnr. 91) stellen gerade bei Außendienstangestellten auf die vertraglichen Abreden ab, was im Hinblick darauf problematisch erscheint, daß das Betriebsverfassungsrecht gerade nicht danach abgrenzt, welche Maßnahmen des Arbeitgebers einzelver­traglich zulässig sind, sondern einen eigenständigen Versetzungsbegriff entwickelt.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Wie bei einem Arbeitnehmer mit einem festen Ar­beitsplatz wird man deshalb immer Einzelfall nach­prüfen müssen, ob sich durch die Maßnahme des Arbeit­gebers der Arbeitsbereich des Arbeitnehmers geändert hat. Der Arbeitsort kann dabei auch bei einem angestellten Außendienstmitarbeiter in der Weise festgelegt sein, daß die Arbeit innerhalb eines bestimmten Gebietes ab­zuleisten ist. Für den Tätigkeitsbereich ist nicht allein entscheidend, daß eine bestimmte Produktpalette bei stets wechselnden Kunden angeboten wird. Die Tätig­keit des Außendienstlers wird stark bestimmt durch die</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Verdienstmöglichkeiten in dem zugewiesenen Gebiet, den vorhandenen und den potentiellen Kundenstamm, die zu­rückzulegenden Fahrtwege und damit die übrigbleibende effekte Verkaufszeit. Auch die Trage, um welche Art von Kundschaft es sich handelt (Großkunden oder Klein­betriebe) spielt eine Rolle ebenso wie die Frage, ob das Schwergewicht auf dem Hereinholen von Folgeaufträgen bei einer vorhandenen Stammkundschaft oder auf der Akquisition von Neukunden liegt.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Grenzt man nach diesen Kriterien ab, so stellte die Zuweisung des neuen Verkaufsgebietes an die Mit­arbeiterin <em>V       </em>nach der Überzeugung der Kammer</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">eine mitbestimmungspflichtige Versetzung dar.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Das Verkaufsgebiet, in dem die Mitarbeiterin V       immerhin schon jahrelang tätig war, muß als wesentlicher, prägender Bestandteil des Arbeitsver­hältnisses angesehen werden. Beim Handelsvertreter, dem ein bestimmter Verkaufsbezirk zugewiesen worden ist, ist von dieser herausgehobenen Bedeutung der Zu­weisung des Verkaufsgebietes grundsätzlich auszugehen, denn die Verdienstmöglichkeiten im Verkaufsbezirk stellen die Existenzgrundlage des Handelsvertreters dar. Beim angestellten Außendienstler ist dies nicht stets der Fall, die umsatzabhängigen Vergütungsbe­standteile können so gering sein, daß sich eine Ge­bietsänderung nicht als sonderlich einschneidende Ver­änderung des vertraglichen Gleichgewichts darstellt (BAG AP Nr. 5 zu § 2o BGB - Teilkündigung -). Im vor­liegenden Fall ist zwar nicht zu verkennen, daß das mit der Arbeitnehmerin V       vereinbarte Festgehalt grundsätzlich geeignet ist, deren Existenzgrundlage abzusichern. Trotzdem liegt der Provisionsanteil am</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Einkommen der Arbeitnehmerin V       so hoch, daß die Verdienstmöglichkeiten in dem zugewiesenen Verkaufsge­biet die Tätigkeit entscheidend mitprägen. Nach dem erstinstanzlichen Urteil in dem Arbeitsgerichtsver­fahren betrug nach dem dort unstreitigen Parteivor­bringen der Provisionsanteil am Einkommen der Arbeit­nehmerin V.       in den letzten Jahren immerhin 37 %. Die Bedeutung des Verkaufsgebietes für die Ar­beitnehmerin V       hat damit erhebliches Gewicht. Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, daß sich zumindest in den ersten Monaten die Änderung des Verkaufsgebiets im Einkommen der Frau V       nieder­schlagen wird. Diese Änderungen können gewichtig sein.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Das Arbeitsverhältnis der Frau V       hatte sich auch schon längere Zeit auf den bisherigen Ver­kaufsbezirk konkretisiert. Die Arbeitgeberin hatte mit Frau V       zwar die Möglichkeit der Gebiets­änderung vertraglich vereinbart, sie hatte jedoch Frau V       jahrelang die Betreuung des bisherigen Ver­kaufsgebiets zugewiesen und diese hatte auch in diesem Gebiet unstreitig gute Erfolge erzielt. Es wird ohnehin nicht einer vernünftigen Verkaufspolitik entsprechen, fortlaufend Gebietsveränderungen etwa im Sinne eines Rotationsprinzips vorzunehmen und damit eine kontinuier­liche Kundenbetreuung in Frage zu stellen. Es war des­halb auch bei der Vertragsgestaltung der Frau V kein ungewöhnlicher Vorgang, daß die einmal getroffene Gebietszuweisung lange Zeit Gültigkeit behielt. Zu der Gebietsveränderung kam es erst aufgrund besonderer Um­stände, als der Arbeitgeber - pointiert gesprochen - zu der Erkenntnis gelangte, das Gebiet 152 sei bisher verhältnismäßig schlecht bearbeitet worden, deshalb sei Frau V       besonders geeignet, dieses Gebiet zu</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">übernehmen, weil sie ihr Gebiet 146 bisher besonders gut bearbeitet hatte.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Die Zuweisung des neuen Verkaufsgebietes ist mit einer erheblichen Änderung des Arbeitsortes verbunden. Bisher hatte Frau V      ein Verkaufsgebiet, das ver­hältnismäßig nahe bei der Geschäftsstelle lag und eine geringe flächenmäßige Ausdehnung hatte. Demgegenüber ist Frau V       jetzt ein Gebiet zugewiesen worden, das eine verhältnismäßig große Fläche abdeckt und in dem unstreitig erhebliche Wege zurückzulegen sind. Der äußerste Punkt des neuen Gebiets liegt um ein Mehrfaches weiter von der Geschäftsstelle des Arbeit­gebers in Köln entfernt - als der äußerste Punkt des bis­herigen Gebiets. Dabei handelt es sich bei dem Gebiet 142 im wesentlichen um ein großstädtisches Ballungs­gebiet mit einer entsprechenden Dichte der Ansiedlung von potentiellen Kunden, während das Gebiet 152 nur mehrere kleinere Städte enthält mit entsprechenden dazwischenliegenden ländlichen Gebieten. Was den Ar­beitsort anbelangt, so hat sich die gesamte Tätigkeit der Frau V      nach der Gebietsänderung völlig ver­ändert. Man kann nicht wie der Arbeitgeber dies tut, darauf abstellen, Arbeitsort sei die Geschäftsstelle in Köln. Die Geschäftsstelle wird nur sporadisch aufge­sucht, der Besuch ist mindestens einmal pro Woche er­forderlich, darüber hinaus erwünscht, die eigentliche Verkaufstätigkeit findet aber stets vor Ort beim Kunden statt. Gerade durch die Gebietsveränderung liegt der größere Teil der Kundschaft der Frau V   nunmehr so weit von der Geschäftsstelle in Köln entfernt, daß die Möglichkeiten der Frau V      , zwischen den einzelnen Verkaufsgesprächen schnell einmal die Geschäftsstelle in Köln aufzusuchen, allein durch die dafür erforder-</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">liehe Fahrtzeit erheblich eingeschränkt sind.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Auch die Tätigkeit der Frau V      hat sich durch die Umsetzung in das neue Verkaufsgebiet stark verändert. Schon die Umsetzung in ein räumlich ent­ferntes, anders strukturiertes Verkaufsgebiet als solche bringt normalerweise eine Änderung des Tätigkeitsbereichs mit sich. Der Außendienstler kann nicht mehr auf den in langjähriger Tätigkeit im alten Gebiet ge­schaffenen Kontakten aufbauen und teilweise Folgeauf­träge akquirieren, er muß sich vielmehr in dem neuen Gebiet zurechtfinden, neue Kontakte aufbauen und ver­suchen, die üblicherweise schwierige Anfangsphase ohne allzu große Einkommensverluste zu überbrücken. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, daß nach dem bei der An­hörung vorgelegten Zahlenmaterial das bisherige Gebiet der Frau V      einen besonders hohen Bestand an Kunden und potentiellen Kunden hatte, während das Ge­biet 152 in der Statistik in dieser Hinsicht erheb­lich schlechter abschneidet. Im Gebiet 146 hat der Ar­beitgeber 219 Kunden, im Gebiet 152 demgegenüber nur 154 Kunden bei einem Verhältnis von 2392 zu 1865 bei den potentiellen Kunden. Was die Anzahl der vorhandenen Kunden anbelangt, handelt es sich bei dem der Arbeit­nehmerin V      neu zugewiesenen Gebiet um das zweit schlechteste Gebiet überhaupt. Damit mußte sich bei Frau V     , wollte sie nicht erhebliche Einkommens­verluste hinnehmen, die Tätigkeit in dem neuen Gebiet von vornherein auf die Akquisition neuer Kunden kon­zentrieren. Daß sich dabei wegen der erheblich größeren räumlichen Ausdehnung des neuen Verkaufsgebiets durch die großen Fahrtwege auch die effektive Verkaufszeit beim Kunden pro Arbeitstag nachteilig verändern konnte, ist im einzelnen schwer abzuschätzen, aber naheliegend.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Insgesamt betrachtet hat sich der Tätigkeitsbereich</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">der Mitarbeiterin V      erheblich geändert: In einem völlig neuen, anders strukturierten und flächenmäßig erheblich größeren Gebiet ist eine völlig neue Kund­schaft zu bearbeiten, die bisherigen Kontakte gehen verloren, neue müssen geknüpft werden, die erheblich geringere Zahl der Kunden und potentiellen Kunden läßt auch eine Einkommensminderung befürchten.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Demgegenüber scheint es der Kammer unerheblich, daß sich insbesondere die Eingliederung in die betrieb­liche Organisation nicht geändert hat. Zwar ist Frau V     nach wie vor in die gleiche Hierarchie einge­ordnet und der Geschäftsstelle Köln zugeordnet, in der sie auch einen Teil ihrer Arbeit erledigen muß. Auch die Produktpalette und die Einzelheiten des Arbeitsver­trages haben sich nicht geändert. Es ist aber zu be­rücksichtigen, daß der Arbeitsbereich eines Außen­dienstlers wesentlich geprägt wird dadurch, daß die eigentliche Verkaufstätigkeit vor Ort beim Kunden stattfindet. Die Beibehaltung der organisatorischen Eingliederung in die Kölner Geschäftsstelle ist des­halb von untergeordneter Bedeutung gegenüber den ein­schneidenden Änderungen im Arbeitsbereich der Mitar­beiterin V        die tatsächlich durch die Zuweisung des neuen Gebietes vollzogen worden sind.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache hat die Kammer die Rechtsbeschwerde zugelassen.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks"><u>Rechtsmittelbelehrunq:</u> Gegen diesen Beschluß kann von der Antragsgegnerin Rechtsbeschwerde eingelegt werden; für die weiteren Beteiligten ist gegen diesen Beschluß kein Rechtsmittel gegeben. Die Rechtsbeschwerde muß innerhalb einer "Notfrist (eine Notfrist ist unabänder­lich und kann nicht verlängert werden) von einem Monat nach der Zustellung dieses Beschlusses schriftlich beim Bundesarbeitsgericht, Graf-Bernadotte-Platz 3, 3500 Kassel-Wilhelmshöhe, eingelegt werden. Die Rechts­beschwerde ist gleichzeitig oder innerhalb eines Monats nach ihrer Einlegung schriftlich zu begründen. Die Rechtsbeschwerdeschrift und die Rechtsbeschwerdebe­gründung müssen von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">  </p>
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315,188 | olgk-1989-10-18-2-u-3089 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
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"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 2 U 30/89 | 1989-10-18T00:00:00 | 2019-03-13T14:48:47 | 2022-10-18T15:08:54 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1989:1018.2U30.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung des Klägers gegen das am 20. Dezember 1988 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 18 0 195/88 - wird zurückgewiesen.</p><p>Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.</p><p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p><p>Der Wert der Beschwer des Klägers durch dieses Urteil übersteigt DM 40.000,-- nicht.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">Entscheidungsgründe</span></strong></p><span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist von Beruf Bauingenieur. Er ist Mit-glied des beklagten Sportvereins. Im Jahre 1983 richtete der Beklagte, der damals noch nicht über Tennisplätze verfügte, eine Tennisabteilung ein. Diese wählte in der Gründungsversammlung vom 13.04.1983 einen Abteilungsvorstand. Dabei wurde der Kläger in das satzungsmäßig nicht ausdrücklich vorgesehene "Amt eines Sachverständigen" gewählt, das in den Folgejahren, in denen der Kläger jeweils wiedergewählt wurde, die Bezeichnung "Baubeauftragter" führte.</p><span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Am 09.05.1983 richtete der beklagte Verein, Abteilung Tennis, eine Bauvoranfrage an die Gemeindeverwaltung, wobei unter anderem der Kläger für den Verein unterschrieb. In der Folgezeit führte der Kläger die zur Errichtung einer Tennisanlage erforderlichen Planungsarbeiten durch. Im Juni 1985 wurde eine "Mitteilung über den Beginn der Ausführung" erstellt, .die der Kläger zum einen – neben einer weiteren Unterschrift - für den Beklagten als Bauherr und die er zum anderen als Bauleiter unterzeichnete. Während der Ausführung der Arbeiten übte der Kläger die Tätigkeit eines Bauleiters aus. Die Arbeiten wurden noch im Jahre 1985 im wesentlichen fertiggestellt, so daß die Tennisanlage in diesem Jahr noch für einige Zeit bespielt werden konnte.</p><span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Unter dem 25.11.1985 erteilte der Kläger dem Be-klagten einer auf der Grundlage der GOI 56 erstell-te Rechnung über DM 11.343,--, deren Bezahlung er mit der Klage verlangt. Während des Rechtsstreits hat er eine neue Rechnung auf der Grundlage der HOAI erstellt, die mit demselben Betrag abschließt.</p><span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Parteien streiten darüber, ob die Arbeiten des Klägers ehrenamtlich und unentgeltlich zu erbringen. waren. Der Kläger hat behauptet, er habe bei allen Sitzungen des Abteilungsvorstandes, an denen er teilgenommen habe, erklärt, er werde die Arbeiten "nicht umsonst machen."</p><span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat die Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Urteil vom 20.12.1968 abgewiesen. Es hat, ausgeführt, der Kläger könne sich nicht darauf berufen, daß nach § 632 Abs. 1 eine Vergütung als stillschweigend vereinbart gelte. Denn hier ergebe sich aus den Umständen des Falles etwas anders.</p><span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses ihm am 28.12.1988 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der am Montag, dem 30.01.1989 bei Gericht eingegangenen Berufung, mit der er sein Zahlungsbegehren weiterverfolgt.</p><span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">II.</p><span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berüfung des Klägers ist nicht begründet. Dem Kläger steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Zahlung des beanspruchten Honorars zu.</p><span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">1</p><span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Ein solcher Anspruch ergibt sich hier nicht aus §§ 631, 632 BGB - in Verbindung mit der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) - . Voraussetzung eines solchen Anspruchs ist der Abschluß eines Werkvertrages (Architektenvertrages) zwischen den Parteien. Auch die Anwendung der Vorschrift des § 632 Abs. 1 BGB, nach der eine Vergütung als stillschweigend vereinbart gilt, wenn die Herstellung des Werkes nach den Umständen nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist, setzt voraus, daß ein Werkvertrag geschlossen worden ist. Die Darlegungsund Beweislast für den Abschluß eines solchen Werkvertrages trägt derjenige, der sich auf die ihm günstigen Rechtsfolgen des behaupteten Werkvertrages beruft (vgl. Baumgärtel, Handbuch der Beweislast, Band 1, 1981, § 632 BGB , Rdnr. 1; Soergel in Münchener Kommentar zum BGB, 2. Aufl., 1986,§ 632, Rdnr. 20), im Streitfall also der Kläger; der eine Vergütung auf der Grundlage eines behaupteten Ver- tragsschlusses beansprucht:</p><span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Diesen ihm obliegenden Nachweis des Abschlusses eines Werkvertrages (Architektenvertrages) mit dem Beklagten hat der Kläger nicht geführt. Zwar kann dann, wenn für die Erbringung von Architektenleistungen durch einen Architekten oder Bauingenieur ein anderer Rechtsgrund als der eines entsprechenden Werkvertrages nicht in Betracht kommt, der stillschweigende Abschluß eines solchen Vertrages allein in der einvernehmlichen Übertragung dieser Leistungen auf den Architekten zu sehen sein. Der Streitfall liegt indes anders. Der Kläger war und, ist sowohl Mitglied des beklagten Vereins als auch Mitglied in seiner Tennisabteilung. Er war vor Aufnahme seiner Tätigkeit zudem in das "Amt eines Sachverständigen" - später eines "Baubeauftragten" - gewählt worden. Bei dieser Sachlage kann die Tätigkeit des Klägers für den Beklagten ihren Rechtsgrund nicht nur in einem Werkvertrag zwischen den Parteien finden. Vielmehr kommt als Grundlage der Tätigkeit des Klägers auch das Mitgliedschaftsverhältnis zum Beklagten und die Tätigkeit im Rahmen des ihm, dem Kläger, vom Verein übertragenen Ehrenamtes in Betracht. Daß der Kläger - auch in erheblichen Umfange - auf Bitten des beklagten Vereins tätig geworden ist, läßt daher für sich allein nicht den Rückschluß auf den Abschluß eines entsprechenden Werkvertrages zwischen den Parteien zu. Sonstige Umstände, die ausreichen, um diesen Rückschluß zu rechtfertigen, lassen sich nach dem Ergebnis der von dem Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme nicht feststellen.</p><span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Behauptung des Klägers, er habe "von Anfang immer" erklärt, er werde nicht umsonst arbeiten, allerdings einen Nachlaß auf die übliche Vergütung gewähren, ist nicht belegt. Der von ihm benannte Zeuge Dr. S hat diese Behauptung nicht bestätigt. Auch die von Beklagtenseite benannten Zeugen Dr. N und F haben dies nicht bekundet. Die Berufung macht geltend, der Zeuge Dr. S habe bestätigt, daß der Kläger in mehreren Sitzungen des Vorstandes der Tennisabteilung geäußert habe, er werde die Arbeiten nicht unentgeltlich ausführen. Dieser Hinweis geht fehl. Denn der Kläger hat diese Äußerungen nach der Bekundung des Zeugen Dr. S nicht vor Aufnahme seiner Tätigkeit, sondern erst gegen Ende der Arbeiten am Tennisplatz getan. Dies steht im Einklang mit den Bekundungen des Zeugen F nach denen der Kläger im Herbst 1985 erklärt hat, er fordere eine Bezahlung seiner Arbeiten. Ein solches Zahlungsverlangen nach Aufnähme und Durchführung des wesentlichen Teils der im Zusammenhang mit der Errichtung der Tennnisplätze vom Kläger entfalteten Tätigkeit belegt indes keinen stillschweigenden Vertragsschluß zwischen den Parteien. Nach § 2, Abs. 2 der Satzung der Beklagten üben die Inhaber von Vereinsämtern ihre Tätigkeit ehrenamtlich aus. Eine Vergütung steht ihnen nicht zu. Im Hinblick hierauf könnte es für den Abschluß eines Werkvertrages sprechen, wenn der Kläger <span style="text-decoration:underline">vor</span> Aufnahme seiner Tätigkeit eine Vergütung beansprucht und der Beklagte ihm in Kenntnis dieses Verlangens die Planung der Tennisplätze und/oder die Bauleitung übertragen hätte. Dies ist indes - wie dargestellt - nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht belegt.</p><span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Auch sonstige Anhaltspunkte für den Abschluß eines Werkvertrages zwischen den Parteien sind nicht feststellbar. Vielmehr spricht es gegen eine Tätigkeit des Klägers auf vertraglicher Grundlage, daß er die an den Oberkreisdirektor des Rhein-SiegKreises gerichtete Mitteillung über den Beginn der Ausführung des Bauvorhabens vom 14.07.1985 (Kopie Bl. 111 d. A.) unstreitig nicht nur als Bauleiter, sondern auch - neben einem anderen - als Vertreter des Bauherren unterzeichnet hat. Bauherr war der beklagte Verein. Daß der Kläger gegenüber der Baubehörde als dessen Vertreter aufgetreten ist, spricht dafür, daß er seine Tätigkeit im Zusammenhang mit der Planung und Errichtung der Tennisplätze in seiner Eigenschaft als Inhaber eines Vereinsamtes entfaltet hat. Hieran ändert es nichts, daß dieses Amt nicht ausdrücklich in der Satzung vorgesehen war. Dies gilt umsomehr, als - wie der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat am 13.09.1989 unwidersprochen dargelegt hat - die Abteilungen des beklagten Vereins durch die Vereinssatzung nicht gehindert sind, ihren Abteilungsbetrieb eigenverantwortlich zu organisieren und zu diesem Zwecke weitere ehrenamtlich wahrzunehmende Vereinsämter zu schaffen.</p><span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Auch der Hinweis des Klägers auf die Berechnungs- grundlagen der Zuschüsse, die dem Beklagten anläßlich der Errichtung der hier in Rede stehenden Tennisplätze von der öffentlichen Hand gewährt worden sind, veranlaßt keine andere Beurteilung:</p><span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Daß in dem gegenüber dem Regierungspräsidenten in Köln geführten Verwendungsnachweis vom 29.11.1985 von den für Eigenleistungen des Vereins angeführten Betrag auch der Wert der Leistungen des Klägers umfaßt sein mag, besagt gerade nicht, daß es sich bei diesen Leistungen nach den Angaben des beklagten Vereins gegenüber der öffentlichen Hand um eine Kraft entgeltlichen Werkvertrages erbrachte Tätigkeit gehandelt hätte. Vielmehr stellen gerade die unentgeltlichen Leistungen der Vereinsmitglieder Eigenleistungen des Vereins dar.</p><span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">2</p><span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Vergütung ergibt sich auch nicht aus seinem Mitgliedschaftsverhältnis zum beklagten Verein. Insbesondere läßt sich ein solcher Anspruch nicht auf die Satzung des Beklagten stützen. Nach § 2 Abs. 2 der Satzung üben die Inhaber von Vereinsämtern ihre Tätigkeit ehrenamtlich aus. Eine Vergütung steht ihnen - wie oben bereits erwähnt - nach dieser Satzung nicht zu.</p><span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Nach §§ 27 Abs. 3, 670 BGB haben Vorstandsmitglieder des Vereins einen Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen. Es kann dahinstehen, ob diese Regelung auf die vom- Kläger ausgeübte Tätigkeit entsprechend anzuwenden. Denn ihm sind seine Aufwendungen im Zusammenhang mit der Planung und Errichtung der Tennisplätze unstreitig erstattet worden. Einen Anspruch auf Vergütung gewährt die Regelung der §§ 27 Abs. 3, 670 BGB nicht.</p><span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">3.</p><span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Dem Kläger steht schließlich gegen den Beklagten auch kein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 BGB) zu.</p><span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">a)  </p><span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Wertersatz nach § 812 Abs. 1 Satz 1, 818 Abs. 2 BGB wegen der von ihm zugunsten des Beklagten erbrachten Leistungen kann der Kläger bereits deshalb nicht fordern, weil er den ihm obliegenden Nachweis nicht geführt hat, daß diese Leistungen ohne Rechtsgrund erbracht worden sind. Das Fehlen des rechtlichen Grundes für die von ihm erbrachte Leistung muß derjenige beweisen, der den auf diese Rechtsgrundlosigkeit gestützen Anspruch auf Bereicherungsausgleich geltend macht (vgl. BGH NJW 1983, 626; OLG Schleswig, MDR 1982, 317,  318, Lieb in Münchener Kommentar a.a.0., 2. Aufl. 1986, § 812, Rdnr. 330, Palandt/Thomas, 48. Aufl. 1989, § 812, Anm. 8 c). Diesen Nachweis hat der Kläger nicht geführt. Die Behauptung der Beklagten, daß seine Leistungen ihren Rechtsgrund in der Tätigkeit aufgrund des ihm übertragenen Vereinsamtes finden, ist nach dem vorstehend Gesagten unwiderlegt.</p><span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">b)          </p><span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Fehl geht die im ersten Rechtszug vom Kläger vertretene Auffassung, der-Beklagte sei gegenüber dem Kläger unter dem Gesichtspunkt rechtsgrundloser Bereicherung zur Erstattung eines Anteils der von dem Regierungspräsidenten an ihn, den Beklagten, im Zusammenhang mit der Erstellung der Tennisplätze gewährten Zuschüsse verpflichtet. Dabei bedarf es hier keiner Prüfung der Frage, unter welchen Voraussetzungen diese Zuschüsse beansprucht werden konnten. Denn selbst wenn die Zuschüsse ganz oder teilweise' zu Unrecht gewährt worden sein sollten -wofür nach dem von den Parteien vorgetragenen Sachverhalt nichts spricht - stände ein etwaiger Rückforderungsanspruch lediglich der öffentlichen Hand zu. Der Kläger kann hieraus nichts herleiten.</p><span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Da sich die. Klage somit im Ergebnis als unbegründet erweist, kommt es auf die Berechtigung der von der Beklagten gegenüber der Klageforderung hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Gegenansprüche wegen behaupteter Planungsfehler nicht an.</p><span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">4.</p><span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1 ZPO (Kosten), §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO (vorläufige Vollstreckbarkeit) und § 546 Abs. 2 ZPO (Festsetzung des Wertes der Beschwer).</p><span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Berufungsstreitwert:</span> DM 11.343,--</p>
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315,189 | olgham-1989-10-17-20-u-2589 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 20 U 25/89 | 1989-10-17T00:00:00 | 2019-03-13T14:48:48 | 2022-10-18T15:08:52 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1989:1017.20U25.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Das Ablehnungsgesuch wird zurückgewiesen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Gemäß §406 Abs. 1 S. 1 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Gründe, die geeignet sind, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen (§42 Abs. 2 ZPO), hat der Kläger indes nicht glaubhaft gemacht.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Sachverständige hat kurz vor der schriftlichen Zusammenfassung des auf Verfügung des Vorsitzenden des Senats mündlich zu erstattenden Gutachtens in dem weiteren Rechtsstreit 20 U 176/89 zur Vorbereitung der Berufungsbegründung des Versicherers ein schriftliches Gutachten verfaßt, dessen Kernproblem deckungsgleich mit einer der im vorliegenden Fall aufgeworfenen Beweisfrage ist; hier wie dort geht es u.a. um die Frage, ob ein Sturz des VN Folge einer Bewußtseinsstörung i.S.v. §3 Abs. 4 AUB sein kann, wobei der zugrunde liegende Sachverhalt deutliche Parallelen aufweist. In beiden schriftlichen Äußerungen kommt der Sachverständige nach konkret fallbezogenem Ausschluß anderer Ursachen und ausführlicher wissenschaftlicher Diskussion der Ursachen und Erscheinungsformen von Bewußtseinsstörungen zu dem Ergebnis, daß eine solche vorgelegen haben müsse. Dies allein rechtfertigt bei objektiver und vernünftiger Betrachtungsweise vom Standpunkt des Klägers aus gesehen nicht die Annahme, der Sachverständige habe die Grundlagen seines demnächst zu erstattenden Gutachtens nicht unparteiisch sachlich erarbeitet und schriftlich zusammengefaßt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Es ist anerkannt, daß etwa die Erstattung eines entgeltlichen Privatgutachtens in derselben Sache, die regelmäßige Tätigkeit für den Gegner des Ablehnenden oder eine Tätigkeit für den Haftpflichtversicherer einer Partei regelmäßig die Ablehnung eines Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen (Baumbach/Lauterbach-Hartmann, ZPO, 47. Aufl. 1989, §406 Anm. 2 B m.w.N.). Diesen und anderen Konstellationen ist jedoch eine - sich möglicherweise auch aus der sachwidrigen Behandlung des Gutachtenauftrags ergebende - Verbindung zwischen dem Prozeßgegner und dem Sachverständigen gemein, die Ansatzpunkt einer Voreingenommenhait des Sachverständigen sein kann (OLG Koblenz MDR 84, 675), wie ja §42 ZPO unter Befangenheit die parteiische Einflußnahme auf das Streitverhältnis versteht.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">So liegt es hier ersichtlich nicht. Der Kläger befürchtet vielmehr, daß der Sachverständige sich durch das kurz zuvor im Auftrage eines (anderen) Versicherers erstattete Gutachten zu seinen Lasten in der Sache festgelegt habe.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Dieses Problem stellt sich dem Sachverständigen in mannigfaltigen Situationen, etwa wenn er bereits in erster Instanz (die Befangenheit verneinend BGH LM §209 BEG 1956 Nr. 37) oder in einem parallelen Strafverfahren (die Befangenheit verneinend OLG Stuttgart MDR 64, 63) ein dem Ablehnenden ungünstiges Gutachten erstattet hat. In jeder dieser Situationen steht der Sachverständige, der sich zu einer Frage bereits gutachtlich geäußert hat, vor der Aufgabe, auch zu erwägen, zu beurteilen und sich ggf. dazu zu äußern, ob sein früheres Gutachten zutreffend war oder nicht (OLG Koblenz a.a.O.).</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Daß der abgelehnte Sachverständige sich dieser selbstverständlichen Verpflichtung des Wissenschaftlers bei der angegriffenen schriftlichen Zusammenfassung seines Gutachtens nicht bewußt gewesen ist, kann der Kläger angesichts der jeweils konkret fallbezogenenen und sorgfältig differenzierenden Ausführungen vernünftigerweise nicht befürchten; soweit der Sachverständige die wissenschaftlichen Erkenntnisse über Grundlagen und Erscheinungsformen der Bewußtseinsstörung in beiden Gutachten übereinstimmend darstellt, beruht das notwendigerweise auf der weitgehend gleichartigen Fragestellung, die befürchtete "Festlegung" des Sachverständigen mithin auf dem derzeitigen - einheitlichen - Stand seiner wissenschaftlichen Erkenntnis.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Es ist auch darauf hinzuweisen, daß der Sachverständige sein endgültiges Gutachten erst im Senatstermin erstatten wird; seine inzwischen vorgelegten schriftlichen Ausführungen stellen eine vorläufige Zusammenfassung seiner bei der Vorbereitung des Gutachtens gewonnenen Erkenntnisse dar. Beide Parteien werden Gelegenheit haben, den Sachverständigen zu einer Auseinandersetzung mir ihren Fragen und ggf. abweichenden wissenschaftlichen Erkenntnissen zu veranlassen, der Kläger insbesondere auch zu den Auswirkungen der von ihm behaupteten erheblichen Kopfschmerzen zwischen August 1985 und Februar 1986.</p>
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315,190 | ag-dusseldorf-1989-10-17-51-c-867189 | {
"id": 653,
"name": "Amtsgericht Düsseldorf",
"slug": "ag-dusseldorf",
"city": 413,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 51 C 8671/89 | 1989-10-17T00:00:00 | 2019-03-13T14:48:50 | 2022-10-18T15:08:52 | Urteil | ECLI:DE:AGD:1989:1017.51C8671.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>hat das Amtsgericht Düsseldorf</p>
<p>auf die mündliche Verhandlung vom 12. September 1989</p>
<p>durch den Richter am Amtsgericht X</p>
<p>für Recht erkannt:</p>
<p></p>
<p></p>
<p> Die Beklagte wird verurteilt, an die </p>
<p> Klägerin 1.495,-- DM nebst 4 % Zinsen seit</p>
<p> dem 20.7.1988 zu zahlen.</p>
<p></p>
<p> Im übrigen wird die Klage abgewiesen.</p>
<p> Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die</p>
<p> Klägerin 28/100, die Beklagte 72/100.</p>
<p></p>
<p> Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>T a t b e s t a n d </u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte ist ein Reiseveranstalter. Die Klägerin hat bei der Beklagten eine Transamerika-Flugrundreise gebucht. Hinsichtlich der Einzelheiten des Reiseprospektes wird auf Blatt 30, 31 d.A. Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Mit der Klage macht die Klägerin Minderung des Reisepreises von 4.038,-- DM sowie Schadensersatz geltend.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin rügt, dass in dem Reiseprospekt keine Rede davon sei, dass die Fahrt von Düsseldorf, dem Ausgangspunkt der Reise, nach Frankfurt mit dem XXexpress erfolgte. Der Flug führte nicht, wie ursprünglich vorgesehen, von Frankfurt nach New York, sondern zunächst über Washington nach New York.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Rückflug führte von San Franzisko über London nach Frankfurt und dann nach Düsseldorf.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Reise dauerte vom 19.5. bis 12.6.1988.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Bei ihrer Ankunft in New York wurde festgestellt, dass der Koffer der Klägerin verschwunden war. Am 27.5. teilte die Reiseleitung der Klägerin mit, dass man den Koffer in New York gefunden habe. Übergeben wurde der Koffer jedoch erst am 5.6.1988.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Bei ihrer Ankunft auf dem Fughafen in New York wurde die Klägerin nicht von Bediensteten der Beklagten in Empfang genommen. Sie musste selbst mit dem Taxi zu dem vorgesehenen Hotel fahren. Dort teilte man ihr zunächst mit, ein Zimmer sei nicht reserviert. Es gelang der Klägerin jedoch, die Bediensteten des Hotels zu veranlassen, ihr ein Zimmer zu überlassen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin macht darüber hinaus geltend, dass die Hotels, in denen sie untergebracht wurde, nicht mit denen des Prospekts übereinstimmten. So sei sie z.B. nicht direkt an den Niagara Fällen sondern 40 Minuten entfernt untergebracht worden. </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Darüber hinaus sei die Reiseleitung schlecht gewesen. Oft habe man die Reiseleiterin, die nur über wenig Landeskunde verfügt hätte, nicht erreichen können.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin, die die Beklagte mehrfach auch unter Fristsetzung aufgefordert hat, Ersatz zu leisten, hatte im Hinblick auf diese Aufforderungen Kosten von 45,-- DM.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 18.6.1988 forderte die Klägerin die Beklagte erstmalig zur Zahlung auf. </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">2.064,-- DM nebst 6 % Zinsen seit dem </p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">20.7.1988 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Sie räumt ein, dass der Klägerin ein Minderungsrecht zusteht, meint jedoch, dass dieser Anspruch nicht so hoch anzusetzen sei, wie die Klägerin glaubt.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich des übrigen Parteivorbringens wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks"><u>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e </u></p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch in Höhe von 1.495,-- zu. Im übrigen hat sie keine Ansprüche.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Ansprüche der Klägerin gemäß §§ 651 d, 651 f BGB können aufgrund des unstreitigen Sachverhaltes von der Klägerin geltend gemacht werden.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin kann den Reisepreis in Höhe von 350,-- DM mindern, weil sie von Düsseldorf aus mit dem Zug nach Frankfurt fahren musste und sie darüber hinaus von Frankfurt aus nicht direkt nach New York befördert wurde sondern ein Zwischenstop in Washington notwendig war. Auch der Rückflug hatte zwei Zwischenstops (in London und Frankfurt).</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin brauchte nicht zu rechnen, dass der Transport von Düsseldorf nach Frankfurt mit dem XXexpress vorgenommen würde. Davon ist in dem Prospekt, soweit er dem Gericht vorliegt, nicht die Rede. Selbst wenn die Beklagte der Klägerin wenige Tage vor Reiseantritt mitgeteilt hätte, dass der Transport von Düsseldorf nach Frankfurt mit dem Zug und nicht mit dem Flugzeug vorgenommen würde, würde dies an dem Inhalt des abgeschlossenen Reisevertrags nichts ändern. Außerdem ist der von der Beklagten vorgelegte Flugplan der XX (Blatt 29 d.A.) unübersichtlich. Diesem Plan kann nur mit Mühe entnommen werden, dass die Fahrt von Düsseldorf nach Frankfurt mit dem Zug erfolgen sollte. </p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Darüber hinaus wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, die Klägerin darauf hinzuweisen, dass bei den Flügen nach und von Amerika mehrere Zwischenstops vorgenommen würden. Denn dies ist mit erheblichen Nachteilen für die Reisenden verbunden. Ein Transatlantikflug ist im Hinblick auf die damit verbundene Zeitverschiebung für die Reisenden anstrengend. Es ist daher von besonderer Bedeutung, ob zeitaufwendige Zwischenlandungen notwendig sind oder nicht.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Andererseits kann nicht übersehen werden, dass Transatlantikflüge häufig mit Zwischenstops verbunden sind. Der Reisende kann daher nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass es sich um einen Non-Stop-Flug handelt. Der Reiseveranstalter ist jedoch verpflichtet, in seinen Prospekt eine entsprechende Mitteilung zu machen, wenn mehr als ein Zwischenstop vorgenommen wird. Dies ist hier sowohl auf der Hin- als auch auf der Rückreise der Fall. Für die so festgestellten Unannehmlichkeiten kann die Klägerin den Reisepreis um 350,-- DM mindern.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Unstreitig ist die Klägerin am Flughafen in New York nicht abgeholt worden. Dies stellt ebenfalls einen Mangel der Reise dar, den das Gericht mit 100,-- DM bewertet. In gleicher Höhe bewertet das Gericht auch den Mangel der Reise, der darin besteht, dass die Klägerin auch im Hotel nicht erwartet wurde und nach ihrem unstreitigen Vortrag das Hotelpersonal erst überreden musste, ihr ein Zimmer zu überlassen.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Soweit die Klägerin Ansprüche daraus herleitet, dass sie in anderen Hotels untergebracht worden ist, als dies im Prospekt angegeben ist, stehen ihr Ansprüche nicht zu. Im Prospekt wird nämlich darauf hingewiesen, dass die Übernachtungen in den angegebenen oder gleichwertigen Hotels erfolgen können.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hatte auch keinen Anspruch darauf, in unmittelbarer Nähe der Niagara Fälle untergebracht zu werden. Darüber enthält der Reiseprospekt nichts.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Für die Tatsache, dass der Koffer der Klägerin zunächst einige Tage verschwunden war und sie die Reise ohne Koffer antreten musste, steht der Klägerin ein Minderungsbetrag von 200,-- DM zu.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Ein weiterer Schadensersatzbetrag gemäß § 651 f BGB steht der Klägerin für die letzten sieben Tage zu, in denen sie ohne Koffer reisen musste. Denn das Gericht geht davon aus, dass die Beklagte unter den gegebenen Umständen verpflichtet war, dafür zu sorgen, dass der Klägerin ihr Koffer spätestens am 29.5. übergeben wurde. Unstreitig wurde der Koffer am 27.5.1988 aufgefunden. Es war der Beklagten zuzumuten, dafür zu sorgen, dass der Klägerin ihr Koffer innerhalb von 2 Tagen zugeleitet würde. Dies hat sie nicht getan. </p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Der Schadensersatzbetrag für diese Zeit muss daher deutlich höher ausfallen, da die Beklagte diesen Mangel der Reise zu vertreten hat. </p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin kann auch 45,-- DM Auslagen als Schadensersatz gemäß § 651 f BGB geltend machen, da jedenfalls ein Teil der Reisemängel von der Beklagten zu vertreten sind. Der Gesamtminderungsbetrag einschließlich Schadensersatz beträgt daher 1495,-- DM.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Da die Beklagte am 20.7.1988 in Verzug war, stehen der Klägerin von diesem Zeitpunkt an gemäß §§ 284 Abs. 1, 288 BGB 4 % Zinsen auf die zugesprochene Summe zu. Der weitergehende Zinsanspruch mußte abgewiesen werden, da dazu ein Vortrag der Klägerin fehlt.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO; diejenige über die Vollstreckbarkeit auf </p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">§ 708 Nr. 11 ZPO.</p>
|
315,191 | ag-neuss-1989-10-13-36-c-33789 | {
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"name": "Amtsgericht Neuss",
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"city": 473,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 36 C 337/89 | 1989-10-13T00:00:00 | 2019-03-13T14:48:52 | 2022-10-18T15:08:53 | Urteil | ECLI:DE:AGNE:1989:1013.36C337.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p>Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 600,00 DM abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vorab in gleicher Höhe Sicherheit leisten.</p>
<p></p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Das Grundstück der beklagten Ehefrau stößt im Gartenbereich an das Grundstück des Klägers. Auf der Grundstücksseite des Klägers sind an die Grenze Garagen, ein I und ein Hundehaus gebaut.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Mit der vorliegenden Klage nimmt der Kläger die Beklagten entsprechend dem nachstehend aufgeführten Antrag auf Unterlassung in Anspruch. </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger behauptet, am 23.02.1989 habe der Beklagte zu 2) unter Anleitung der Beklagten zu 1) eine Schubkarre mit stinkendem Pferdemist in ca. 6 Metern Entfernung vor den Wohnzimmernfenstern des Klägers ausgeleert. Hierdurch seien er und seine Familie in unzumutbarer Weise belästigt worden. Am 20.03.1989 habe der Schwiegersohn der Beklagten weitere drei Schubkarren voll stinkendem Pferdemistes an der Grundstücksgrenze der Beklagten in ca. 6 Metern Entfernung zu den Wohnungsfenstern der Kläger ausgeleert. Am 22.03.1989 habe der Beklagte sechs weitere Schubkarren voll Pferdemist in seinem Garten ausgeleert. Weitere sechs Schubkarren mit schwarzem, übelriechendem Pferdemist seien am 29.03.1989 von dem Beklagten zu 2) und dessen Schwiegersohn in gleicher Weise ausgeleert worden. Da die Misthaufen immer mindestens 4 Tage liegen geblieben seien, sei es zu einer unzumutbaren Geruchsbelästigung des Klägers gekommen. Am 03.03.1989 seien vom Grundstück der Beklagten Steine auf sein Grundstück geflogen. Am 26.03., 02.04. und 30.05.1989 habe der 12jährige Enkel der Beklagten Steine, Erdklumpen und Tannenzapfen auf das Grundstück des Klägers geworfen. Wegen der weiteren Einzelheiten seines Vorbringens wird auf die Klageschrift vom 14.06.1989 (Bl. 1 f. d.A.) verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">die Beklagten zu verurteilen, es bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes bis 500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft oder der Ordnungshaft bis zu 2 Jahren zu unterlassen,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">1.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">Küchenabfälle und Pferdemist auf dem Gemüsebeet des Grundstücks der Beklagten zu 1), entlang der Grenze zum Grundstück des Klägers, auszuleeren und die Haufen dort länger als einen Tag liegen zu lassen;</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">2.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">Steine, Tannenzapfen und sonstige Gegenstände von ihrem Grundstück auf das Grundstück des Klägers zu werfen oder andere Personen zum Werfen zu veranlassen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten bestreiten die geschilderten Vorfälle. Am 23.02.1989 habe der Beklagte lediglich eine Mistgabel voll mit Stroh vermischtem Kaninchenmist in einem Abstand von ca. 12 Metern vom Wohnzimmerfenster des Klägers gelagert. Der am 20.03.1989 abgelagerte Pferdemist sei praktisch als Kompost anzusehen, weil er bereits drei bis vier Jahre lang vom Beklagten auf einem anderen Grundstück gelagert worden sei. Der "Pferdemist" sei im übrigen noch am gleichen Tage eingegraben worden. Dies sei auch an allen übrigen Tagen geschehen, an denen Pferdemist abgelagert worden sei. Wenn eine Geruchsbelästigung auf den Kläger eingewirkt habe, so rühre diese von dem Kuhmist her, den der Nachbar ..... auf seinem Grundstück gelagert habe. Wegen ihres Vorbringens im übrigen wird auf den Schriftsatz vom 21.07.1989 (Bl. 15 ff d.A.) verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Soweit der Kläger von den Beklagten verlangt, es zu unterlassen, Küchenabfälle auszuleeren und länger als einen Tag liegen zu lassen, ist die vorbeugende Unterlassungsklage nicht begründet. Nach dem Vorbringen des Klägers kann nicht davon ausgegangen werden, dass die von § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB geforderte Wiederholungsgefahr gegeben ist. Wiederholungsgefahr als materielle Anspruchsvoraussetzung ist die objektive, auf Tatsachen gegründete ernstliche Besorgnis, dass weitere gleichartige Störungen zu befürchten sind. Konkrete Tatsachen, die die Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen rechtfertigen, hat der Kläger nicht dargetan. Zwar kommt dem klagenden Eigentümer im Rahmen der vorbeugenden Unterlassungsklage im Regelfall der Erfahrungssatz zugute, dass die Wiederholungsgefahr nach vorangegangener Störung zu vermuten ist. Diese Vermutung kommt vorliegend jedoch nicht zum Tragen, weil es sich bei der Ablagerung der Küchenabfälle offensichtlich um einen abgeschlossenen Vorgang handelt, denn nach dem Vorbringen des Klägers hat der Beklagte die Küchenabfälle nach Einschreiten der Ordnungsbehörde beseitigt und in der Folge ersichtlich keine weiteren Küchenabfälle abgelagert, jedenfalls behauptet der Kläger dies selbst nicht. Berücksichtigt man zudem, dass zwischen der Beseitigung der Küchenabfälle und der Klage mehr als drei Monate liegen, so oblag es dem Kläger, die Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen nachvollziehbar darzulegen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Ein Unterlassungsanspruch gem. § 1004 Abs. 1 BGB, es den Beklagten zu untersagen, entlang der Grundstücksgrenze Pferdemist auszuleeren und länger als einen Tag liegen zu lassen, steht dem Kläger nicht zu. Bereits nach dem eigenen Vorbringen des Klägers ist davon auszugehen, dass es sich bei der vorübergehenden und jahreszeitlich beschränkten Ablagerung des Pferdemistes nur um eine unwesentliche Beeinträchtigung handelt, § 1004 Abs. 2, 906 Abs. 1 BGB.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Wesentlichkeit einer Beeinträchtigung beurteilt sich nach allgemeiner Ansicht unter Zugrundelegung eines objektiven Maßstabes nach dem Empfinden eines Durchschnittsbürgers, dem Natur und Zweckbestimmung des von der Einwirkung betroffenen Grundstücks bekannt sind. Dies vorausgeschickt können die von dem Pferdemist ausgehenden Geruchsimmissionen nur als unwesentlich betrachtet werden. Wie sich aus den vorgelegten Lichtbildern ergibt und im übrigen auch gerichtsbekannt ist, liegen die Grundstücke der Parteien nicht in einem Villenviertel sondern in ländlicher Umgebung mit vorwiegend gärtnerischer Nutzung. Diese schließt naturgemäß auch die jahreszeitlich bedingte Düngung mit natürlichen Dungstoffen ein, zu denen insbesondere auch Pferdemist zu rechnen ist, ohne dass hierin bereits eine belästigende Einwirkung liegt. Wenn in diesem Zusammenhang der Pferdemist in der beschriebenen Weise für einige Tage vor dem Umgraben gelagert wird, so ist hierin noch keine Immission zu sehen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet ist, eine Gefahr, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für das Grundstück des Klägers herbeizuführen, mag auch zeitweilig von dem Pferdemist wie es der Kläger vorträgt, ein "übler und widerwärtiger Gestank" ausgehen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Der Kläger kann von den Beklagten schließlich auch nicht gemäß § 1004 Abs. 1 BGB verlangen, es zu unterlassen, Steine, Tannenzapfen oder sonstige Gegenstände von ihrem Grundstück auf sein Grundstück zu werfen oder andere Personen zum Werfen zu veranlassen. Der Kläger hat nicht dargetan, dass die Beklagten sein Grundstück zumindest einmal in der beschriebenen Weise beeinträchtigt haben. Dem Vorbringen des Klägers ist nicht zu entnehmen, wann und bei welcher Gelegenheit die Beklagten selbst Steine, Tannenzapfen oder sonstige Gegenstände auf sein Grundstück geworfen haben sollen. Der Vorfall vom 03.03.1989 kann insoweit nicht als ausreichende Darlegung angesehen werden, weil der Kläger selbst nicht behauptet, dass die Steine von den Beklagten auf sein Grundstück geworfen worden sind.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Das Vorbringen des Klägers enthält auch keinerlei Anhaltspunkte, die die Annahme rechtfertigen, die Beklagten würden andere Personen zu dem geschilderten Verhalten veranlassen. Es mag dahinstehen, ob der Enkel der Beklagten wiederholt Steine, Erdklumpen und Tannenzapfen auf das Grundstück des Klägers geworfen hat, jedenfalls ist nicht erkennbar, dass dies auf Veranlassung und Mitwissen oder Duldung der Beklagten geschehen ist.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Streitwert: 4.000,00 DM</p>
|
315,192 | ag-gummersbach-1989-10-12-2-c-43089 | {
"id": 668,
"name": "Amtsgericht Gummersbach",
"slug": "ag-gummersbach",
"city": 428,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 2 C 430/89 | 1989-10-12T00:00:00 | 2019-03-13T14:48:53 | 2022-10-18T15:08:53 | Urteil | ECLI:DE:AGGM1:1989:1012.2C430.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p></p>
<p> Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt. </p>
<p></p>
<p> Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. </p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Tatbestand</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger verlangt von der Beklagten weiteren Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 00.00.0000 in N. Die Parteien streiten um restliche Anwaltskosten, denn der Kläger verlangt Bezahlung einer Besprechungsgebühr gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO. Er meint, diese sei angefallen, weil sein Anwalt zu Beginn des Auftrags über den Zentralruf in Köln den Namen, die Anschrift und die Versicherungsnummer des Unfallgegners erfragt und in der Folgezeit ein Telefongespräch mit einem Mitarbeiter der Beklagten geführt habe, das seinem Inhalt nach eine Besprechungsgebühr ausgelöst habe. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens des Klägers wird auf die klagebegründenden Schriftsätze verwiesen. </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt, </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an ihn 416,44 DM nebst 4 % Zinsen seit dem</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">01.09.1988 zu zahlen. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt, </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Sie vertritt die Ansicht, dass weder durch die Anfrage beim Zentralruf noch durch das spätere Telefongespräch mit ihrem Mitarbeiter eine Besprechungsgebühr angefallen sei. Hinsichtlich ihrer Einwendungen im einzelnen wird Bezug genommen auf den Klageerwiderungsschriftsatz. </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe</u></b></p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist unbegründet. </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Dem Kläger steht ein Anspruch auf Ersatz der eingeklagten 416,44 DM nicht zu, weil keine Besprechungsgebühr iSd. § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO angefallen und dem Kläger somit in Höhe einer solchen Gebühr auch kein Schaden entstanden ist, den die Beklagte ausgleichen müsste. </p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Anruf des Anwalts beim Zentralruf der Autoversicherer hat keine Besprechungsgebühr ausgelöst. </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Gebühr gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO erfordert schon dem Wortlaut des Gesetzes nach eine Besprechung über tatsächliche oder rechtliche Fragen mit dem Gegner oder einem Dritten, nicht bloßes Nachfragen. Das Gesetz nennt also selbst gesteigerte inhaltliche Anforderungen, die durch einen bloßen Anruf mit dem Ziel der Erfragung von sofort ermittelbaren Daten nicht erreicht werden. Folgerichtig fällt auch keine Besprechungsgebühr an, wenn der Anwalt bei der Staatsanwaltschaft oder beim Gericht bloße Daten erfragt. Dass für eine solche Tätigkeit keine Besprechung iSd. § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO erforderlich ist, zeigt sich auch in der Möglichkeit, solche Informationen schriftlich einzuholen. Es ist nicht begründbar, dass bei ein und derselben Tätigkeit eine Gebühr nur deshalb anfallen soll, weil durch einen Anwalt telefoniert oder mündlich nachgefragt wird. </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Auch durch das Telefongespräch des Anwalts mit einem Sachbearbeiter der beklagten Versicherung ist keine Besprechungsgebühr entstanden. </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Inhalt des Gesprächs waren die Forderung des Anwalts nach einer Vorschusszahlung sowie die Erklärung des Sachbearbeiters, dass eine Schadensanzeige des Versicherungsnehmers und die Ermittlungsakten noch nicht vorlägen. Der Anwalt erbot sich sodann, einen Aktenauszug zu übersenden und wies darauf hin, dass Zeugen die Unfallversion seines Mandanten bestätigen könnten. Mit dem Tätigwerden des Anwalts insoweit wurde der Umfang einer bloßen Nachfrage nur unwesentlich überschritten. Der Sachbearbeiter der Beklagten konnte die Angelegenheit nämlich überhaupt nicht besprechen und hat dies auch nicht getan. Da ihm weder eine Schadensanzeige noch die Ermittlungsakten vorlagen, konnte er tatsächliche und rechtliche Fragen mit dem Anwalt des Klägers nicht erörtern. Es hat auch keine die Angelegenheit fördernde Besprechung der Art und Weise der Regulierung stattgefunden. Auf die Bitte des Anwalts nach Vorschusszahlung ist der Sachbearbeiter nicht eingegangen, und die Mitteilung, Unterlagen lägen noch nicht vor, sowie das Versprechen, die Ermittlungsakten anzufordern, stellten keine Besprechung tatsächlicher oder rechtlicher Fragen, d.h. zumindest die ansatzweise Erörterung gegenseitiger Positionen dar. Dazu reicht nämlich nicht das Entgegennehmen von Mitteilungen, sondern erforderlich ist ein Eingehen auf die Position des jeweils anderen Gesprächspartners. Die Antwort auf bloßes Nachfragen bzw. die Mitteilung selbstverständlicher Dinge rechtfertigen keine Gebühr gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 und 713 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks"><u><b>Streitwert:</b></u> 416,44 DM</p>
|
315,193 | ag-dortmund-1989-10-09-136-c-11889 | {
"id": 647,
"name": "Amtsgericht Dortmund",
"slug": "ag-dortmund",
"city": 407,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 136 C 118/89 | 1989-10-09T00:00:00 | 2019-03-13T14:48:55 | 2022-10-18T15:08:53 | Urteil | ECLI:DE:AGDO:1989:1009.136C118.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Klage wird abgewiesen. </p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 25/26 und die Beklagten zu 1/26; die Teil-Vergleichs-Gebühr trägt jede Partei selbst. </p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. </p>
<p></p>
<p>Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 700,- DM abwenden, sofern nicht die Beklagten zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leisten. </p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="h2 absatzLinks">T a t b e s t a n d : </p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger war Mieter einer Wohnung im Hause der Beklagten B C in E-L. Der Monatsgrundmietzins betrug 812,84 DM zuzüglich Nebenkosten. Im Mietvertrag ist die Wohnungsgröße mit 116,12 qm angegeben. Weiterhin zahlte der Kläger eine Mietkaution von 300,- DM. </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Mit der Klage begehrt der Kläger die teilweise Rückzahlung des in der Vergangenheit gezahlten Mietzinses. Soweit er auch die Rückzahlung der geleisteten Kaution verlangt hat, haben sich die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 09. 10. 1989 durch Teilvergleich geeinigt. </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger behauptet, die Wohnung sei kleiner als im Mietvertrag angegeben. Bei der Angabe der Wohnungsgröße seien die Dachschrägen nicht berücksichtigt worden. Die Wohnung hat tatsächlich nur eine Größe von 104,74 qm. Demgemäß hätten die Beklagten von ihm eine zu hohe Miete kassiert, die sie zurückzuzahlen hätten. </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt, </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 3584,70 DM </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">nebst 4 % Zinsen ab Rechtshängigkeit zu zahlen. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten beantragen, </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen. </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Sie bestreiten das Vorbringen des Klägers und sind im übrigen der Ansicht, daß selbst für den Fall, daß die Wohnung kleiner sein sollte, dem Kläger ein Recht auf teilweise Rückzahlung des Mietzinses nicht zustehe. </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks"><u>Entscheidungsgründe</u>: </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist unbegründet. </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Der Kläger kann von den Beklagten nicht die teilweise Rückzahlung des an diese gezahlten Mietzinses verlangen. Ein Anspruch aus § 812 BGB, an den hier allein zu denken wäre, besteht nicht. </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Unstreitig ist in dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Mietvertrag die Wohnungsgröße bis zwei Stellen hinter dem Komma angegeben. Unter Berücksichtigung des eingesetzten Grundmietzinses ergibt das sicherlich einen runden Betrag von 7,- DM je qm. Allerdings führt das selbst in dem Fall, daß die Wohnung tatsächlich kleiner ist als die angegebene Größe, nicht zu einer teilweisen Rückzahlungspflicht des Vermieters. Soweit tatsächlich auch unverkennbar eine gewisse Beziehung zwischen der Wohnungsgröße und dem ausgehandelten Mietpreis besteht, hat dies nach Lage der Dinge zunächst einmal kalkulatorische Bedeutung. Eine strikte Bindung der Mietzinshöhe an die Wohnungsgröße soll damit sicherlich nicht vereinbart sein. </p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Zu prüfen war allerdings im vorliegenden Fall, ob der Kläger den Mietzins gemäß § 537 BGB mindern kann. Ein Minderungsrecht nach § 537 Abs. 1 BGB scheidet im vorliegenden Fall schon deswegen aus, weil die Mindergröße sicherlich nicht als Fehler im Sinne von § 537 Abs. 1 BGB angesehen werden kann. Selbst wenn man davon ausgeht, daß die Wohnung etwa um 11,38 qm kleiner war als im Mietvertrag ausgewiesen, liegt hierin sicherlich keine erhebliche Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit. Hinzu kommt weiterhin, daß der Kläger bei Abschluß des Mietvertrags die Wohnung gesehen hat. Sie war ihm also den vereinbarten Mietzins wert. </p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Zu prüfen war allerdings im vorliegenden Fall, ob die Wohnungsgröße im Sinne von 3537 Abs. 2 BGB zugesichert war. Danach gilt die Zusicherung einer bestimmten Größe als Zusicherung einer Eigenschaft im Sinne von § 537 Abs. 2, so daß das Fehlen dieser Zusicherung durchaus zur Minderung des Mietzinses berechtigt. In diesem Falle wäre tatsächlich zur Durchführung der Mietzinsminderung der zuviel gezahlte Mietzins zurückzuzahlen. Gleichwohl liegt im vorliegenden Fall die Zusicherung einer Eigenschaft nicht vor. Das wäre nur dann der Fall, wenn tatsächlich von Vermieterseite für die Größe eine besondere Gewähr übernommen worden wäre. Das ist hier nicht der Fall. Die Fassung in § 1 des Mietvertrags läßt mehr den Schluß darauf zu, daß es sich hier lediglich um ein sogenanntes deskriptives Merkmal, nicht aber um eine Zusicherung handelt. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß bei Teilung des vereinbarten Mietzinses durch die vereinbarten Quadratmeter hier eine glatte Zahl herauskommt (vgl. Landgericht Berlin, WM 1987 S. 49). Soweit das Landgericht München in WM 1987 S. 217 hierzu eine andere Meinung vertritt, liegt der Sachverhalt letztlich erkennbar anders, denn in diesem Falle wurde offensichtlich wohl Wert auf eine bestimmte Größe der Wohnung gelegt und die Vertragsparteien haben diese Größe wohl nach Aufmaß selbst festgesetzt. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Allein die Erwähnung de qm-Größe begründet demgemäß keine Zusicherung, so daß eine Mietzinsminderung im vorliegenden Fall ausscheidet. </p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 98, 708 Ziffer 11, 711 ZPO. </p>
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315,194 | olgham-1989-09-29-13-uf-12389 | {
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} | 13 UF 123/89 | 1989-09-29T00:00:00 | 2019-03-13T14:48:57 | 2022-10-18T15:08:53 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1989:0929.13UF123.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Unter Zurückweisung ihres weitergehenden Antrages und Rechtsmittels wird auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 10.4.1989 der am 22.3.1989 verkündete Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Siegen abgeändert.</p>
<p></p>
<p>Der Antragstellerin werden über den Teilvergleich vom 23.01.1989 hinaus folgende Hausratsgegenstände zugewiesen:</p>
<p></p>
<p>1.</p>
<p>aus dem Wohnzimmer,</p>
<p></p>
<p>a)</p>
<p>1 Vitrinenschrank,</p>
<p>b)</p>
<p>1 Couchtisch und von der Couchgarnitur das zweisitzige Sofa und 1 Sessel,</p>
<p>c)</p>
<p>1 Stehlampe,</p>
<p></p>
<p>2. </p>
<p>aus dem Badezimmer,</p>
<p></p>
<p>a)</p>
<p>1 kleines Regal,</p>
<p>b)</p>
<p>1 Waschmaschine,</p>
<p></p>
<p>3.</p>
<p>eine Einbauküche mit eingebautem Kühlschrank und Herd.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des gesamten Hausratsteilungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Gründe</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"><b>I.</b></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Parteien streiten im Rahmen des Ehescheidungsverfahrens um Hausrat. Die Scheidung und die übrigen Folgensachen sind seit dem 10.12.1988 rechtskräftig, während das vorliegende Hausratsverfahren abgetrennt worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin, der das Sorgerecht über dem am 25.11.1985 geborenen gemeinsamen Sohn übertragen worden ist, begehrt die Zuweisung der Wohnzimmereinrichtung einschließlich des Farbfernsehgeräts, der Einbauküche mit Herd und Kühlschrank sowie der Waschmaschine und eines Badezimmerregals, während sie dem Antragsgegner die Schlafzimmereinrichtung, Gefrierbox, Stereoanlage, Video- und Schwarzweiß-Fernsehgerät, das Aquarium sowie einige einzelne Kleinmöbel belassen will. Über das Kinderzimmer, die Wäsche sowie die Haushaltswaren einschließlich elektrischer Kleingeräte haben die Parteien am 23.1.1989 vor dem Amtsgericht einen Tellvergleich geschlossen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Unstreitig sind die Möbel und Einrichtungsgegenstände, um die die Parteien noch streiten, von den Eltern des Antragsgegners bezahlt worden.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin hat behauptet, sie seien dem Antragsgegner und ihr geschenkt worden.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Antragsgegner hat behauptet, seine Eltern hätten sie ihm und der Antragstellerin nur geliehen mit der Absicht, sie ihnen später zu vermachen. Er hat deshalb gemeint, sie könnten nicht Gegenstand der Hausratsverteilung sein.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat den Antrag der Antragstellerin in dem angefochtenen Beschluß zurückgewiesen, nachdem es zuvor zu der Frage, ob die streitigen Gegenstände dem Antragsgegner von den Eltern geschenkt worden sind, Beweis erhoben hat durch Vernehmung der Eltern des Antragsgegners, der Mutter der Antragstellerin sowie einer Bekannten der Familie als Zeugen. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß die Antragstellerin die behauptete Schenkung nicht bewiesen habe.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Antragstellerin die ursprünglich beabsichtigte Aufteilung weiter, hilfsweise eine Verteilung der nach ihrem Vorschlag dem Antragsgegner zugedachten Gegenstände. Sie meint, das Amtsgericht habe eine Überraschungsentscheidung erlassen, indem es letztendlich den Eltern des Antragsgegners geglaubt habe, und beantragt die Neuvernehmung der Zeugen zu ihrer Behauptung, die Möbel seien ihr und dem Antragsgegner von den Eltern geschenkt worden.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der Antragsgegner verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks"><b>II.</b></p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist gemäß §§ 621e, 621 Abs. 1 Nr. 7 ZPO zulässig und auch überwiegend begründet.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die gemäß § 8 Abs. 1 Hausratsverordnung durchzuführende Hausratsteilung erfaßt auch die von der Antragstellerin beanspruchten Gegenstände, die die Eltern des Antragsgegners bezahlt haben. Dabei mag dahinstehen, ob diese die Einrichtung den Parteien geschenkt oder ihnen lediglich mit der Aussicht, sie ihnen im Fall ihres Todes zu vermachen, geliehen haben. Denn auch dann, wenn die Parteien kein gemeinsames Eigentum, sondern nur Mitbesitz an dem Hausrat haben sollten, ist dieser verteilungsfähig. Aus § 10 Abs. 2 Hausratsverordnung, in dem die Zuteilung von unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Gegenständen geregelt ist, ergibt sich, daß gemeinsames Eigentum der Eheleute oder Alleineigentum eines Ehepartners für die Hausratsverteilung nicht vorausgesetzt wird. Die Rechtsbeziehungen bei der Leihe (und der Miete) sind denen zwischen Verkäufer und Eigentumsvorbehaltskäufer vergleichbar (vgl. Palandt-Diederichsen, BGB, 48. Aufl., Anhang II zum Ehegesetz § 10 Anm. 2); Müller-Gindullis in Münchner Kommentar, BGB, 2. Aufl., § 10 HausRVO Rdnz. 6). In beiden Fällen besteht ein Rechtsverhältnis, das die Ehepartner zum unmittelbaren Besitz gegenüber dem Eigentümer berechtigt. Es erscheint deshalb angemessen, die Interessen des Eigentümers, für den die Eheleute den Besitz mitteln, in gleicher Weise wie es die Hausratsverordnung beim Anwartschaftsrecht vorsieht, zu berücksichtigen. Danach kann eine Zuteilung bei Mitbesitz der Ehepartner ohne Zustimmung des Dritten erfolgen, wie sich daraus ergibt, daß § 10 Abs. 2 Hausratsverordnung das Einverständnis des Gläubigers nur für den Fall vorsieht, daß der Gegenstand <u>einem</u> der Ehegatten unter Eigentumsvorbehalt geliefert worden ist, der dem <u>anderen</u> zugeteilt werden soll (vgl. Müller- Gindullis a. a. O., Rdnz. 3). Die richterliche Zuteilung stellt in diesem Fall keinen Eingriff in die von dem mittelbaren Besitzer vereinbarten Besitzverhältnisse dar, da dieser dem Ehegatten, dem der Gegenstand zugewiesen wird, bereits vorher durch die entsprechende Absprache - hier durch die behauptete Leihe - den unmittelbaren Besitz eingeräumt hat. Daß sich der ursprüngliche Mitbesitz beider Ehepartner in den Alleinbesitz des einen wandelt, beruht nicht auf der gerichtlichen Entscheidung, sondern allein darauf, daß die Ehepartner sich getrennt haben und dadurch einer der beiden zwangsläufig den unmittelbaren Besitz hat aufgeben müssen. Dieses Risiko ist der Dritte durch das Einräumen von Mitbesitz an Eheleute eingegangen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Das bedeutet: Weil die Eltern des Antragsgegners die streitigen Möbel sowohl ihrem Sohn als auch der Antragstellerin zumindest zum Besitz überlassen haben, müssen sie es hinnehmen, daß im Rahmen der Hausratsteilung der Konflikt gelöst wird, wem der beiden jetzt der Alleinbesitz zustehen soll. Damit bleiben die Eigentumsverhältnisse offen, d.h. ob die Antragstellerin letztlich verpflichtet sein wird, die Gegenstände an die Eltern herauszugeben, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens und muß zwischen ihr und den Eltern geklärt werden.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Es ist im Sinn von § 8 Abs. 1 Hausratsverordnung gerecht und zweckmäßig, daß die Antragstellerin die in dem Beschlußtenor aufgeführten Gegenstände erhält. Im Hinblick auf die Versorgung des Sohnes xxx ist es angemessen, daß sie die Einbauküche mit Herd und Kühlschrank sowie die Waschmaschine mit dem Badezimmerregal erhält. Die Wohnzimmereinrichtung hingegen benötigt sie nicht komplett, so daß im Interesse einer gleichmäßigen Verteilung ihr entgegen ihren Vorstellungen das dreisitzige Sofa sowie das Farbfernsehgerät nicht zugeteilt werden konnten.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Über den Hilfsantrag war nicht zu befinden, da die Hausratsverteilung bereits aufgrund des Hauptantrags der Antragstellerin zu erfolgen hatte.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 93a ZPO.</p>
|
315,195 | ovgnrw-1989-09-22-15-a-217785 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
"slug": "ovgnrw",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 15 A 2177/85 | 1989-09-22T00:00:00 | 2019-03-13T14:48:59 | 2022-10-18T15:08:51 | Urteil | ECLI:DE:OVGNRW:1989:0922.15A2177.85.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Das angefochtene Urteil wird geändert.</p>
<p></p>
<p>Der Ablehnungsbescheid des Beklagten zu 2.) vom 2. März 1984 und der
Widerspruchsbescheid vom 11. Mai 1984 werden aufgehoben.</p>
<p></p>
<p>Der Beklagte zu 1.) wird verurteilt, an den Kläger 2.130,87 DM zu zahlen.</p>
<p></p>
<p>Der Beklagte zu 1.) trägt 3/4, der Beklagte zu 2.) 1/4 der Gerichtskosten und der
außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen. Die Beklagten tragen
ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.</p>
<p></p>
<p>Das Leistungsurteil und die Kostenentscheidung sind vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p>Die Revision wird nicht zugelassen.</p>
<p></p>
<p></p>
<p></p>
<p>
</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Auf Weisung des Beklagten zu 2.) hob der Oberkreisdirektor des Klägers mit
Verfügung vom 3. November 1980 im Wege der Kommunalaufsicht drei Beschlüsse
des Rates der Stadt xxx zur Schaffung und Besetzung einer vierten
Beigeordnetenstelle auf. Hiergegen erhob die Stadt xxx mit Erfolg Klage vor dem
Verwaltungsgericht; der Oberkreisdirektor nahm die zunächst eingelegte Berufung
zurück. Daraufhin wurden gegen ihn Gerichtskosten und außergerichtliche Kosten in
Höhe von insgesamt 2.130,87 DM festgesetzt, die der Kläger aus seinen
Haushaltsmitteln zahlte. Mit Schreiben vom 5. April 1983 bat der Kläger den
Beklagten zu 2.), ihm diese Kosten zu erstatten. Der Beklagte zu 2.) lehnte das
Begehren durch ein - mit Rechtsmittelbelehrung versehenes - Schreiben vom 2. März
1984 ab.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren hat der Kläger Klage
erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt: Ihm stehe ein öffentlich-rechtlicher
Erstattungsanspruch gegen den Beklagten zu 1.) zu, da er die eigentlich von diesem
zu tragenden Prozeßkosten ohne Rechtsgrund gezahlt habe. Die Kommunalaufsicht,
in deren Ausübung die Prozeßkosten angefallen seien, sei eine staatliche Aufgabe,
für die er lediglich seinen Hauptverwaltungsbeamten zur Verfügung gestellt habe.
Die analog anzuwendende Lastenverteilungsregelung des Art. 104a Abs. 1 GG,
wonach die Finanzierungsverantwortung an die jeweilige Verwaltungszuständigkeit
geknüpft sei, bestätige die Kostentragungspflicht des Landes. Es gebe keine
gesetzliche Bestimmung, nach der die Kreise für derartige Aufwendungen
einzustehen hätten. § 50 Satz 1 KrO zähle als Finanzbeitrag des Kreises nur
Dienstkräfte und Einrichtungen auf. Selbst wenn der Begriff der Einrichtung mit dem
des sächlichen Verwaltungsaufwandes gleichgesetzt werden könne, seien die
Prozeßkosten damit nicht erfaßt, da sie nur als mittelbare Folgen der
aufsichtsrechtlichen Maßnahmen entstanden seien.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">den Beklagten zu 2.) zu verurteilen, an ihn 2.130,87 DM zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte zu 2.) hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Er hat geltend gemacht, aus § 50 KrO folge, daß der Kläger die Kosten für den
ordnungsgemäßen Betrieb und die Erhaltung des Verwaltungsapparates der unteren
staatlichen Verwaltungsbehörde zu tragen habe. Diese Kostenregelung umfasse
auch die bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung über das Verwaltungshandeln
anfallenden Kosten. Eine Kostentragungspflicht des Klägers ergebe sich ferner aus §
1 des Gemeindefinanzierungsgesetzes. Dabei sei unerheblich, in welchem Umfang
die Kosten letztlich vom Land erstattet würden. Art. 78 Abs. 3 der Landesverfassung
lasse die Abgeltung der bei der Ausführung staatlicher Aufgaben durch kommunale
Gebietskörperschaften entstehenden Kosten auch pauschal im Rahmen eines
allgemeinen Finanzausgleichs zu. Daneben sei ein gesonderter Erstattungsanspruch
nicht vorgesehen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat durch das angefochtene Urteil, auf dessen Gründe
Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Mit der Berufung vertieft der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Er beantragt sinngemäß,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">das angefochtene Urteil zu ändern, die Bescheide des Beklagten zu 2.) vom 2.
März und 11. Mai 1984 aufzuheben und den Beklagten zu 1.) zu verurteilen, an ihn
2.130,87 DM zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten halten das angefochtene Urteil für zutreffend; sie
beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der
Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge
des Beklagten zu 2.) sowie auf die Akte des Verfahrens der Stadt xxx gegen den
Oberkreisdirektor des xxx - VG Köln 3 (4) K 4762/80 - OVG NW 15 A 1775/82 -
Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Berufung, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne
mündliche Verhandlung befindet (§ 101 Abs. 2, § 125 Abs. 1 VwGO), hat
Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Klage gegen den Beklagten zu 1.) ist als Leistungsklage zulässig. Sie ist
unmittelbar auf die Verurteilung zur Zahlung der verauslagten Prozeßkosten
gerichtet; eine förmliche Prüfung des Begehrens durch den Beklagten zu 1.) oder
den zu seiner Vertretung berufenen (vgl. § 8 i.V.m. §§ 3 und 5 Abs. 1 LOG NW)
Beklagten zu 2.) mit anschließender Bescheidung durch einen Verwaltungsakt ist
weder gesetzlich vorgesehen noch erforderlich, so daß eine Verpflichtungsklage
nicht in Betracht kommt. Eine Leistungsklage ist unmittelbar gegen den Träger der
Leistungspflicht zu richten. Der Senat hat deshalb - mit Zustimmung der Beteiligten -
das Passivrubrum dahin berichtigt, daß sich die Klage auf Erstattung der
Prozeßkosten gegen den Beklagten zu 1.) richtet.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Klage gegen den Beklagten zu 2.) ist als isolierte Anfechtungsklage gemäß
§ 42 VwGO zulässig, da die Ablehnung des Antrages in die Gestalt eines
Verwaltungsaktes gekleidet worden ist und nur dessen Aufhebung, nicht jedoch eine
Verpflichtung des Beklagten zu 2.) verlangt werden kann.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist in vollem Umfang begründet.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Dem Kläger steht ein Anspruch auf Erstattung der von ihm gezahlten
Prozeßkosten gegen das beklagte Land zu. Anspruchsgrundlage hierfür ist - da
weder die Kreisordnung (KrO) noch andere kommunalrechtliche Vorschriften eine
einschlägige spezialgesetzliche Kostenausgleichsregelung vorsehen - der als
eigenständiges Rechtsinstitut anerkannte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch.
Er eröffnet die Möglichkeit, Leistungen ohne Rechtsgrund und sonstige
ungerechtfertigte Vermögensverschiebungen auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts
entsprechend der Rechtslage auszugleichen. Der Anspruch kann auch Trägern
Öffentlicher Verwaltung untereinander zustehen,</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">vgl. OVG NW, Urteil vom 22. Juli 1986 - 12 A 373/85 -, NVwZ-RR 1988, 46,
47.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Voraussetzungen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs liegen vor.
Der Kläger hat den Oberkreisdirektor von seinen erst- und zweitinstanzlichen
Kostentragungspflichten im Verfahren der Stadt xxx befreit und damit eine Leistung
erbracht, die dem Beklagten zu 1.) oblegen hätte. Dieser hätte nämlich für den
Oberkreisdirektor die Prozeßkosten begleichen müssen, weil sie in Ausführung einer
zu seinem Zuständigkeitsbereich gehörenden Aufgabe angefallen waren.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Prozeßführung war eine Folge der zuvor getroffenen
Kommunalaufsichtsmaßnahme. Die Kommunalaufsicht ist nach Art. 78 Abs. 4 Satz 1
Verf NW und §§ 9, 106 Abs. 1 G0 eine "Aufsicht des Landes". Sie gehört daher zu
den Aufgaben, die der Oberkreisdirektor als untere staatliche Verwaltungsbehörde
(§ 47 Abs. 1 KrO) wahrzunehmen hat (§ 48 Abs. 1 Satz 1 KrO). Zu diesem
Wirkungsbereich, der zu unterscheiden ist von den Zuständigkeiten des
Oberkreisdirektors "in Angelegenheiten der Kreisverwaltung" (§ 37 KrO), wird der
Oberkreisdirektor für den Beklagten zu 1.) tätig. Insoweit ist er "Träger echt
staatlicher Verwaltungsaufgaben",</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">vgl. Begründung des Entwurfs einer Landkreisordnung für das Land Nordrhein-
Westfalen, Landtags-Drucksache 2/1062, zu § 47.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Handlungen, die der Oberkreisdirektor als untere staatliche Verwaltungsbehörde
vornimmt, begründen daher unmittelbar Rechte und Pflichten des Landes. Das gilt
auch für die Prozeßführung. Die durch § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, § 5 Abs. 2 VwGOAG
NW bestimmte passive Prozeßstandschaft des Oberkreisdirektors wird von diesem in
seiner Eigenschaft als untere staatliche Verwaltungsbehörde, also für das Land als
Rechtsträger wahrgenommen.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Der Auslagenersatz erfolgte ohne Rechtsgrund. Es gibt keine gesetzliche
Bestimmung, die dem Kläger hinsichtlich der Prozeßkosten eine von dem
dargestellten Grundsatz abweichende Kostenlast auferlegt.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Nach § 1 Abs. 1 der hier einschlägigen Gemeindefinanzierungsgesetze vom 2.
Februar 1982 (GVBl. 42) und vom 25. Januar 1983 (GVBl. 31) - GFG - tragen die
Gemeindeverbände die Kosten der ihnen übertragenen Aufgaben, soweit durch
Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen
nicht vor. Die Zahlung der Prozeßkosten stellte keine dem Kläger übertragene
Aufgabe dar.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Eine dem Kreis übertragene Aufgabe ist nicht schon in der Inanspruchnahme
des Oberkreisdirektors zur Durchführung der Kommunalaufsicht gemäß § 47 Abs. 1,
§ 48 Abs. 1 Satz 1 KrO zu erblicken. Der Kläger stellt insoweit dem Land lediglich im
Wege der Organ- oder Institutionsleihe seinen Hauptverwaltungsbeamten als
Funktionssubjekt zur Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben auf der unteren
staatlichen Ebene zur Verfügung, ohne selbst in irgendeiner Form bei der
Durchführung der Aufgabe beteiligt zu sein,</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">vgl. Erichsen, Kommunalrecht des Landes Nordrhein-Westfalen, 1988, S. 117;
Dehmel, übertragener Wirkungskreis, Auftragsangelegenheiten und Pflichtaufgaben
nach Weisung, 1970, S. 56 ff.; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 6. Dezember 1988 -
7 A 28/88 -, DVBl 1989, 945.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Inhaltlich-sachlich bleibt die Kommunalaufsicht auch bei der Übertragung der
Erledigungszuständigkeit auf den Oberkreisdirektor eine Aufgabe des Landes,</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">vgl. Petz, BayVBl 1989, 353, 355.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Das zeigt sich zum Beispiel darin, daß der Oberkreisdirektor der Dienstaufsicht
des Regierungspräsidenten unterliegt (§ 49 Abs. 2 KrO), die Richtlinien der
Landesregierung zu beachten und dieser über alle Vorgänge von Bedeutung zu
berichten hat (§ 49 Abs. 1 Satz 1 und 2 KrO).</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Auch § 50 Satz 1 KrO enthält hinsichtlich der Prozeßführung und der damit
gegebenenfalls verbundenen Kostentragung keinen Übertragungstatbestand im
Sinne des § 1 Abs. 1 GFG. Nach dieser Vorschrift sind die für die Erfüllung der
Aufgaben der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde erforderlichen Dienstkräfte
und Einrichtungen von den Kreisen zur Verfügung zu stellen. Entgegen der dem
Erlaß des Innenministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 14. Februar 1984 -
III B 2 - 6/018 - 976 II/83 - offenbar zugrunde liegenden Auffassung dürfen die
Begriffe Aufgaben und Einrichtungen inhaltlich nicht gleichgesetzt werden. § 50 KrO
betrifft allein den Beitrag, den der Kreis für die Erfüllung der in §§ 47 und 48 KrO
dem Oberkreisdirektor zugewiesenen Aufgaben leistet. Die Kosten der
Prozeßführung lassen sich nicht unter den allenfalls in Betracht zu ziehenden Begriff
der Einrichtungen fassen. Dieser Begriff hat schon vom Wortlaut her einen
technisch-organisatorischen Inhalt. Er bezeichnet die materielle Ausstattung der
Dienstkräfte mit den erforderlichen Hilfsmitteln (Räumlichkeiten, Büromitteln,
Fahrzeugen usw.). Demgegenüber sind die Kosten der Prozeßführung solche, die
außerhalb einer organisatorischen Einbindung und ohne Zusammenhang mit einer
Verwaltungsausstattung anfallen.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Angesichts dessen ist auszuschließen, daß der Gesetzgeber mit der Anordnung
an die Kreise, Einrichtungen zur Verfügung zu stellen, eine umfassende
Kostenregelung hat treffen wollen, bei der die Einrichtung als Hauptanwendungsfall
stellvertretend für alle denkbaren Kosten genannt werden sollte. Anderenfalls hätte
der Gesetzgeber sich für eine Formulierung entschieden, die er in ähnlichen Fällen
zu verwenden pflegt, um den umfassenden Inhalt der Regelung unzweifelhaft zum
Ausdruck bringen. So erlegt etwa § 18 Abs. 8 SchVG dem Land die
"Personalausgaben" für den Schulaufsichtsbeamten und den kreisfreien Städten und
Kreisen "die übrigen Kosten" der Schulämter auf.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Dafür, daß der Gesetzgeber die in § 50 KrO geregelten Pflichten der Kreise nur
in engem, wörtlichem Sinne verstanden wissen wollte, spricht auch der
Sachzusammenhang dieser Vorschrift mit den Bestimmungen über die
Gemeindefinanzierung. Die Gemeindefinanzierungsgesetze sehen einen
pauschalierten Finanz- und Lastenausgleich der Aufwendungen vor, die den Kreisen
durch die ihnen übertragenen Aufgaben entstehen. Dieser Ausgleich orientiert sich
auch am Pflichtenkatalog des § 50 KrO. Von daher können von § 50 KrO
grundsätzlich nur solche Kosten umfaßt sein, die ebenfalls einer gewissen
Pauschalierung zugänglich, d.h. nach Erfahrungssätzen in etwa voraussehbar und
haushaltsmäßig berechenbar sind,</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">vgl. (zu § 48 Abs. 2 Satz 2 LKO Rh-Pf) OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. Juli
1980 - 7 A 9/80 -, AS RP-SL Band 16, 25, 30.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Dies trifft für Personalausgaben und Einrichtungen im technisch-
organisatorischen Sinne, nicht jedoch ohne weiteres für die nach Häufigkeit und
Höhe schwer kalkulierbaren Kosten der Prozeßführung zu. Insoweit muß deshalb bei
der gegenwärtigen Gesetzeslage eine Einzelabrechnung erfolgen.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die Klage gegen den Beklagten zu 2.) ist ebenfalls begründet. Die Bescheide
vom 2. März und 11. Mai 1984 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen
Rechten; denn eine gesetzliche Grundlage für ein Handeln durch Verwaltungsakt lag
nicht vor. Im übrigen sind sie, wie sich aus dem zuvor Gesagten ergibt, auch
inhaltlich rechtswidrig.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. 100
Abs. 2 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 1 Satz 1
VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711, § 713 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 132 Abs. 2, § 137
Abs. 1 VwGO).</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
315,196 | olgk-1989-09-22-19-u-1989 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
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} | 19 U 19/89 | 1989-09-22T00:00:00 | 2019-03-13T14:49:03 | 2022-10-18T15:08:52 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1989:0922.19U19.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Landgerichts Köln - 28 0 629/87 - vom 14. Dezember 1988 wie folgt abgeändert:</p>
<p></p>
<p>Die Beklagte wird verurteilt, die Transfor­matorenstation (Transformatoren einschließlich der Installationen) aus dem Anbau auf dem Grundstück der Kläger in der O 2, L, zu entfernen.</p>
<p></p>
<p>Im übrigen werden die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.</p>
<p></p>
<p>Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 98.000,-- DM abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Voll‑</p>
<p></p>
<p>streckung Sicherheit in derselben Höhe leisten. Beiden Parteien wird gestattet, Sicherheit auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer westdeutschen Großbank oder öffentlich-recht­lichen Sparkasse zu erbringen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Kläger sind Eigentümer des Hausgrundstücks O 2 in L. Sie haben dieses Anwesen unter dem 13.08.1986 (UR-Nr. 000/1986 des Notars Dr. L2 in Köln) von einer Privatperson (Ärztin L3) zu einem Kaufpreis von 260.000,-- DM erworben; ihre Eintragung in das Grundbuch ist am 15.01.1989 erfolgt.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Bebauung des 214 qm großen Grundstücks ist in den 20er oder 30er Jahren dieses Jahrhunderts im Rahmen einer größeren, von dem Städteplaner S geplanten Siedlung erfolgt. Das (an einer Seite zur O2 hin gelegene) Eckgrundstück ist an der O mit einem Wohnhaus bebaut. Dieses Wohnhaus ist mit dem über Eck gelegenen Wohnhaus des Anwesens O2 248 mit einem niedri­gen Anbau verbunden. Dieses Nebengebäude steht zu ca. 2/3 auf dem Grundstück der Kläger und ca. 1/3 auf dem Grundstück der Nachbarin und weist insgesamt 3 Räume auf. In einem - dem größeren, vom Außenmaß her ca. 22 qm umfassenden - der beiden Räume des auf dem Grundstück der Kläger gelegenen Gebäudeteils ist eine aus 2 Trans­formatoren zusammengesetzte Transformatorenstation der Beklagten untergebracht, durch welche 175 Anschlußneh­mer der Umgebung versorgt werden. Der andere, kleinere Raum wird von den Klägern als Abstellraum genutzt. Bei Erstellung der Siedlung wurden auf der anderen Seite der O die Eckgrundstücke O 1 und O2 250 gleichfalls mit einem - optisch ein symmetrisches Bild abgebenden - Anbau verbunden, der keine Transformatorenstation ent­hält. Wegen der Einzelheiten der Lage der Gebäude wird auf die vorgelegten Pläne und Skizzen, insbesondere Bl. 186 R d.A. und 1 R, 57, 58 Anlagenheft verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Im Grundbuch und im Baulastenverzeichnis - in welche die Kläger vor Erwerb und nach Besichtigung des Grund­stücks Einsicht nahmen - sind keine Rechte der Beklagten hinsichtlich der Transformatorenstation eingetragen. Die Beklagte geht heute davon aus, daß der Standort der Trafostation zwischen dem Siedlungsträger und der Rechts­vorgängerin der Beklagten abgesprochen worden ist; sie vermag dies aber nicht mehr durch Unterlagen nachzu­vollziehen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 26.01.1987 wandten sich die Kläger an die Beklagte mit dem Anliegen, das Nebengebäude in vollem Umfang in Anspruch nehmen zu wollen, wozu die Räumung der mit der Transformationsanlage belegten Räumlichkeiten erforderlich sei. Nachdem zunächst die Beklagte die Prüfung einer einvernehmlichen Regelung angekündigt hat, sind die Kläger schließlich durch Schreiben der Stadtwerke L GmbH vom 27.03.1987 "beschieden" worden, sie hätten die Transformatorenstation "unentgeltlich zuzulassen". Am 27.04.1987 stellten die Kläger für die Nutzung auch des Nebengebäudes zu Wohnzwecken einen Bauantrag, dem die Stadt L mit Baugenehmigung vom Juni 1987 entsprach. Der Umbau des Anbaus konnte wegen der Transformatorenanlage bisher nicht erfolgen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Mit der Klage begehren die Kläger die Entfernung der Transformatorenstation (im ersten und zweiten Rechtszug mit z.T. geänderten Haupt- und Hilfsanträgen); ferner machen sie Nutzungsentschädigung für 3 Monate geltend.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Kläger berufen sich darauf, Eigentümer auch des Gebäudeteils zu sein, in dem sich die Trafostation be­findet, und meinen, für dessen Nutzung durch die Be­klagte sei wegen fehlender Eintragung im Grundbuch kei­ne Rechtsgrundlage ersichtlich.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Vor dem Landgericht haben die Kläger die Auffassung vertreten, ihr Anspruch ergebe sich aus § 8 Abs.1 Satz 3 der Allgemeinen Bedingungen für die Elektrizitätsversor­gung von Tarifkunden (AVBEltV, im folgenden: AVB), hilfs­weise aus § 8 Abs.3 AVB (zumindest Verlegung an eine an­dere Stelle ihres Grundstücks), weil für sie das weitere Verbleiben der Trafostation nicht zumutbar sei. Hierzu haben sie vorgetragen, daß nach einem von ihm vorpro­zessual eingeholten Gutachten des Sachverständigen C (gegenüber den Schätzungen des gleichen Sachverständigen zu dem für den Grundstückserwerb maßgeblichen Kaufpreis) durch die Nutzung des Anbaus als Trafostation statt als Wohnraum (-erweiterung) eine Wertminderung des Grundstücks um 81.500,-- DM gegeben sei (Minderung Bodenwert 18.000,-- DM, feh­lender Bauwert 41.700,-- DM und merkantiler Minder­wert 21.800,-- DM). Die Beeinträchtigung ihres Grund­stücks sei auch schon wegen des Umstands nicht hinzu­nehmen, daß der von der Beklagten genutzte Anteil mehr als 10 % der gesamten - kleinen - Grundstücks­fläche ausmache. Das Haus sei mit seinen bis jetzt knapp 100 qm Wohnfläche zu klein für das klägerische Ehepaar mit zwei Kindern, weswegen schon bei Kauf des Grundstücks - unstreitig - die Erweiterung auf das Nebengebäude zu Wohnzwecken geplant gewesen sei.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Kläger haben beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">1. die Transformatorenstation (Transformatoren einschließlich der Installation) auf dem Haus­grundstück der Kläger in der O 2, L - eingetragen im Grundbuch von O3 (Amtsgerichtsbezirk Köln), B1. X0X0 -, zu entfer­nen, und zwar ohne das sie umschließende Gebäude;</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">hilfsweise, die Transformatorenstation einschließ‑</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">lich der Installationen aus dem bestehenden Ge­bäude auf dem Grundstück der Kläger zu entfernen und an eine andere geeignete Stelle des bezeich­neten Grundstücks zu verlegen;</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">2. an die Kläger 900,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Februar 1988 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks"> die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Kläger könnten schon deshalb nicht Entfernung der Trafostation verlangen, weil sie - da es sich insoweit um einen Scheinbestandteil im Sinne des § 95 BGB handele ‑ gar nicht Eigentümer des sie umschließenden Gebäu­deteils seien. Im übrigen hätten die Kläger den Ver­bleib der Station an Ort und Stelle gemäß § 8 Abs.3 AVB - nicht nach § 8 Abs.1, der auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar sei - zu dulden. Sie hat behaup­tet, eine Verlegung der Trafostation - die unstreitig zur O2 hin sowohl auf dem Grundstück der Kläger als auch außerhalb der Grundstücksgrenze auf städtischem Gelände technisch möglich wäre ‑ würde Kosten nicht unter 127.000,-- DM verursachen. Ferner hat die Beklagte auf den Umstand verwiesen, daß die Kläger das Grundstück in Kenntnis des Vorhan­denseins der Trafostation erworben haben.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat die Örtlichkeit in Augenschein genommen (91. 87 ff. d.A.) sowie gemäß Beweisbeschluß vom 27.07.1988 (81. 81 d.A.) den Zeugen C2 ver­nommen; auf die Sitzungsniederschrift vom 23.11.1988 (81. 87 ff. d.A.) wird verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Durch das angefochtene Urteil ist die Klage abgewiesen worden.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat § 8 Abs.1 Satz 3 AVB für nicht an­wendbar gehalten, weil es nicht um die Anbringung neuer, sondern um die Beseitigung schon vorhandener Anlagen gehe. Einen Anspruch auf Verlegung nach § 8 Abs.3 AVB hat das Landgericht verneint, weil die Kläger eine Unzumutbarkeit des Verbleibens der Transformatoren am jetzigen Platz nicht hätten nachweisen können; hierfür seien sowohl die von dem Zeugen C2 bestätigten Beseitigungskosten von 127.000,-- DM maßgebend als auch der Umstand, daß die Kläger vor Grundstückserwerb hinreichend Erkundigungen hätten einziehen können und somit nicht mit einem langjährigen Grundstückseigen­tümer vergleichbar seien, dessen Raumbedürfnisse sich vergrößerten.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Gegen das ihnen am 21.12.1988 zugestellte Urteil des Landgerichts haben die Kläger Berufung eingelegt, die am 23.01.1989, einem Montag, eingegangen ist. Nach Fristverlängerung bis zum 23.03.1989 ist die Berufungs­begründung am 13.03.1989 eingegangen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Kläger wiederholen und vertiefen ihr erstinstanz­liches Vorbringen, wobei die Anträge neu gefaßt werden und hilfsweise auch ein bürgerlich-rechtlicher Auf­opferungsanspruch auf Zahlung von 40.000,-- DM zuzüg­lich monatlicher Rente geltend gemacht wird.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Ergänzend behaupten die Kläger, daß die Transformatoren­anlage in der vorhandenen Form mit zwei Transformatoren und zudem mit Mittelspannungsteil statt eines Kompakt­transformators nicht notwendig sei. Zu ihrem Bedürfnis auf Umbau des Nebengebäudes zu Wohnzwecken behaupten sie, daß 1988 der Vater der Klägerin verstorben sei und nun­mehr deren pflegebedürftige Mutter mit in den Haushalt aufgenommen werden müsse. In rechtlicher Hinsicht stüt­zen sich die Kläger - nach einem Hinweis des Senats - auch auf 5 11 AVB neben § 8 AVB. Sie sind der Ansicht, es würde eine von der gesetzlichen Ermächtigungsnorm für die AVB nicht mehr gedeckte Enteignung darstellen, wenn sie die Transformatorenanlage dulden müßten.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Kläger beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">1. die Beklagte zu verurteilen, die Transforma­torenstation (Transformatoren einschließlich der Installation) aus dem Anbau auf dem Grund­stück der Kläger in der O 2, L, zu entfernen.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">hilfsweise,</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, die Transforma­torenstation aus dem oben bezeichneten Gebäude zu entfernen und auf die gepflasterte Fläche des Grundstücks der Kläger gemäß Anlage K 1 (Anlagenhefter Seite 1 R), und zwar auf die Grundstücksgrenze zum benachbarten öffent­lichen Grünstreifen einerseits und die Grund­stücksgrenze zu der 3,65 m breiten Seiten­fläche des mit PD gekennzeichneten Gebäude­teils andererseits, oder an eine der beschrie­benen entsprechend geeignete Stelle, zu ver­legen,</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">hilfsweise,</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 40.000,-- DM nebst 4 % Zinsen seit Zustellung (30.3.1989) und eine Rente in Höhe von 300,--DM monatlich, beginnend mit dem 1.01.1987,</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">zu zahlen,</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">2. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 900,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 10.12.1987 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">3. ihnen nachzulassen, eventuell erforderliche Sicherheiten auch im Wege der selbstschuld­nerischen Bürgschaft einer deutschen Bank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse erbringen zu dürfen.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen und bei Anordnung der Sicherheitsleistung der Beklagten zu gestatten, die Sicherheit auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer westdeutschen Großbank oder öffent­lichen Sparkasse zu leisten.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Auch die Beklagte hält § 11 AVB für einschlägig; sie meint, daß sich auch aus dieser Vorschrift ein Duldungsanspruch gegenüber den Klägern ableiten läßt. Im übrigen stützt sich die Beklagte unter Vorlage von Plänen auf die Behauptung, daß die Transformatoren­station nicht nachträglich, sondern gleichzeitig mit der gesamten Siedlung gebaut worden sei. Das Zahlungs­begehren der Kläger hält die Beklagte für willkürlich und überhöht. Ansonsten wiederholt die Beklagte ihr Vorbringen dazu, daß ein Verbleiben der Transforma­torenstation für die Kläger - auch in Ansehung der Kosten für die Beklagte - nicht unzumutbar sei.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Wegen aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien nebst Beweisantritten und der von ihnen vor­gelegten Schriftstücke und Pläne wird auf den Inhalt der Akten (einschließlich Anlagenheft) Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks"><u>Entscheidungsgründe: </u></p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Die - zulässige - Berufung hat ganz überwiegend Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist hinsichtlich des Beseitigungsverlangens schon nach dem Hauptantrag der Berufung begründet, lediglich der auf Zahlung von 900,-- DM gerichtete Berufungsantrag zu 2) ist nicht gerechtfertigt.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Das Klageabweisende Urteil des Landgerichts bedarf der Abänderung. Den Klägern steht wegen Beeinträchtigung ihres Eigentums ein Abwehranspruch auf Entfernung der Transformatorenstation aus dem Anbau zu.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">1. Als maßgebliche Anspruchsgrundlage kommt nicht etwa - wie den landgerichtlichen Entscheidungsgründen zu entnehmen sein könnte - erst ein vertraglich/schuld­rechtliches Recht der Kläger in Ansehung von §§ 8 und 11, jeweils Absatz 1 oder 3, AVB in Frage (was auch von der Zufälligkeit abhinge, ob und wann der Erwerber eines Grundstücks dieses selbst bewohnt und daher einen Strombezugsvertrag abschließt; vgl. hierzu BGHZ 66, 37, 41). Dem Absatz 1 sowohl des § 8 als auch des § 11 AVB läßt sich ohnehin keine Anspruchsgrundlage entnehmen, sondern nur eine Regelung der Duldungspflichten von Grund­stückseigentümern und der solchen Duldungspflich­ten wieder entgegenstehenden Einschränkungen für Versorgungsunternehmen. Die Absätze 3 der beiden Vorschriften sind als Anspruchsgrundlage nachran­gig für solche Fälle bestimmt, in denen zuvor die Einrichtung von Versorgungs- und Transformatoren-anlagen wirksam aufgrund des jeweiligen Absatzes 1 erfolgt war.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Anspruchsgrundlage für das Klagebegehren ist viel­mehr § 1004 Abs.1 Satz 1 BGB (vgl. BGHZ 66, 37, 39 = BGH JZ 76, 369 mit Anm. Pickert S. 370; BGH WM 81, 250).</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">a) Die Kläger sind Eigentümer nicht nur des Grund­stücks O 2, sondern speziell auch des Teils des Nebengebäudes, welcher auf ihrem Grundstück gelegen ist und in dessen einem von zwei Räumen die streitgegenständliche Transformationsan­lage untergebracht ist. Der gegenteiligen Ansicht des Landgerichts vermag der Senat schon auf Grund der unstreitigen Tatsachen nicht zu folgen.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung BGH NJW 62, 1817 (nicht: 1847) - welche das Landgericht dazu veranlaßt hat, auch den die Transformatoren umgebenden Gebäudeteil als Scheinbestandteil des Grundstücks anzusehen - betraf die Eigentumsverhältnisse an in der Erde liegenden Versorgungsleitungen. Vorliegend hingegen stehen die Transformatoren in einem Gebäude, das ohnehin nur teilweise (nämlich nur einer von mehreren Räumen) zu ihrer Unterbringung dient. Das steht der Annahme entgegen, daß der immerhin schon seit mindestens 60, wenn nicht 70 Jahren stehende Anbau nur zu einem vor­übergehenden Zwecke mit dem Grund und Boden verbun­den ist (§ 95 Abs.1 Satz 1 BGB). Die Beherbergung der Trafostation war seit Errichtung der Siedlung nur einer von mehreren Zwecken des einheitlichen, sich über zwei Grundstücke erstreckenden Nebenge­bäudes; mit einem typischen - allein für die Auf­nahme von Transformatoren bestimmten - "Trafohäus­chen" ist dies nicht vergleichbar. Für das Eigentum der jeweiligen Grundstückseigentümer und damit der Kläger an dem auf ihrem Grundstück gelegenen Anbau spricht auch zusätzlich, daß der Architekt auf der anderen Seite der O einen gleich­artigen Anbau zwischen den Wohnhäusern der beiden Eckgrundstücke plante und errichten ließ - ein Um­stand, der gerade auch aus dem von der Beklagten zweitinstanzlich eingereichten alten Plan (B1.186 R d.A.) anschaulich hervorgeht und im übrigen den Mit­gliedern des Senats auch aus eigener Ortskenntnis bekannt ist. Dies läßt erkennen, daß auch der Anbau des Grundstücks O 2 ohnehin errich­tet werden sollte und nicht speziell und schon gar nicht ausschließlich zur Aufnahme der Transformato­renstation bestimmt gewesen ist.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Für alles Vorstehende und somit für die Verneinung der Voraussetzungen des § 95 Abs.1 Satz 1 BGB kommt es auch nicht darauf an, ob die Transformatorenstation nachträglich oder gleichzeitig mit der gesamten Sied­lung (so der zweitinstanzliche Beklagtenvortraq) er­richtet worden ist, und ob dies in den 30er Jahren dieses Jahrhunderts (so die Kläger zur Errichtung der Siedlung) oder bereits 1921 (so die Beklagte zur Errichtung der Schaltstelle) geschah. Selbst wenn die Arbeiten an der Schaltstelle als erste ausgeführt worden wären, würde dies nichts daran ändern, daß zum damaligen Zeitpunkt zwar die Siedlungsgesell­schaft und der Architekt die Aufnahme der Trafo­station (möglicherweise aus ästhetischen Gründen) in das ohnehin vorgesehene Nebengebäude geplant ha­ben mögen, daß aber das Nebengebäude mit seinen ins­gesamt 3 Räumen nicht nur zu dem vorübergehenden Zweck der Aufnahme der Trafostation mit dem Grund und Boden verbunden worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Auch Satz 2 von § 95 Abs.1 BGB ist nicht einschlägig.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Der Anbau ist nicht in Auswirkung eines Rechts (der Rechtsvorgängerin der Beklagten) mit dem Grundstück verbunden worden. Rechte im Sinne dieser Vorschrift sind nur dingliche Rechte (Palandt-Heinrichs,BGB, 48. Aufl., § 95 Anm3). Eine dingliche Belastung des Grundstücks der Kläger durch Bewilligung und Eintra­gung einer Grunddienstbarkeit ist aber gerade unter­blieben.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">b) Dem Beseitigungsanspruch der Kläger steht keine Pflicht zur Duldung der Transformatorenstation gemäß § 1004 Abs.2 BGB entgegen.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">aa) Die Kläger sind nicht schon einer generellen Duldungs­pflicht aus Gründen des mit der Stromversorgung ver­bundenen Allgemeininteresses unterworfen (hierzu ab­lehnend schon BGHZ 66, 37, 41/42; RGRK-Pikart, 12. Aufl., § 1004 Rdnr. 135; insoweit in sich wohl nicht widerspruchsfrei BGH WM 73,237). Den Versorgungsunter­nehmen steht grundsätzlich nicht das Recht zu, fremde Grundstücke - ohne Enteignung - für: ihre Anlagen zu benutzen (RGRK-Pikart a.a.O.). Soweit der Gedanke der Sozialbindung zum Tragen kommt, findet er seinen Niederschlag in den - soweit Strombezugsverträge bestehen - speziellen Regelungen der §§ 8 oder 11 AVB (vgl. Recknagel in: Hermann/Recknagel/Schmidt‑Salzer, Kommentar zu den Allgemeinen Versorgungs­bedingungen, 1981, § 8 Rdnr. 9 ff und § 11 Rdnr.2 ff); hierzu nachstehend zu bb).</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">bb) Vorliegend bestimmen sich Inhalt und Umfang einer etwaigen Duldungspflicht, die einen Anspruch der Kläger nach § 1004 Abs.2 BGB auszuschließen geeig­net wäre, nach § 11 und nicht nach § 8 AVB. Allerdings wäre das - zum Erfolg der Klage führende -Ergebnis auch bei Anwendung des § 8 AVB kein ande­res.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">§ 11 AVB ist deswegen einschlägig, weil es sich hierbei in Ergänzung des § 8 AVB um die speziellere Norm für den Fall handelt, daß zur Versorgung eines Grundstücks allein oder mit anderen die Aufstellung eines Transformators erforderlich wird (Decker-Grün­berg, Recht und Pflichten der Stromkunden nach den neuen Allgemeinen Versorgungsbedingungen, 1979, Anm. zu § 11 AVBElt).</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Darum geht es vorliegend. Der vom Landgericht im Hinblick auf § 8 AVB herangezogenen Entscheidung BGH WM 81, 250 lag hingegen der besondere Fall eines Transformators zugrunde, der in 6 Meter Höhe an einem Strommast hing und der gar nicht auf dem Grundstück des Klägers aufgestellt werden sollte, sondern unbe­absichtigt in dieses hineinragte.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">cc) Ob demzufolge eine Duldungspflicht der Kläger des vorligenden Rechtsstreits nach § 11 AVB gegeben ist, bestimmt sich entgegen der Ansicht des Landgerichts schon nach Absatz 1 und erst in zweiter Linie nach Absatz 3 dieser Bestimmung (was für § 8 AVB in glei­cher Weise zu gelten hätte).</p><span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Zutreffend ist zwar, daß es vorliegend nicht um die Anbringung einer neuen, bisher nicht vorhan­denen Anlage geht, sondern um die Beseitigung einer bereits vorhandenen. Doch läßt die Argumen­tation des Landgerichts zu I 1 der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils und die Bezugnahme auf die Kommentierung bei Recknagel § 8 Rdnr.64 außer acht, daß die streitgegenständliche Trans­formatorenstation zu einer Zeit errichtet wurde, als es die AVB vom 21.06.1979 noch nicht gab und als auch die Vorgängerregelung (Musterbedingungen mit Allgemeinverbindlichkeitserklärung vom 27.01. 1942) noch nicht in Kraft war. Wenn also für den Fall der nachträglichen Unzumutbarkeit einer An­lage, die "ursprünglich zu dulden war", dem Eigen­tümer lediglich der Verlegungsanspruch nach § 11 Abs.3 (oder § 8 Abs.3) AVB zusteht (Recknagel § 8 Rdnr.64, § 11 Rdnr.10), dann bleibt zwecks Vermeidung eines Zirkelschlusses die Frage vor­rangig, ob für die vor Geltung der AVB errichtete Anlage die sachlichen Voraussetzungen des § 11 Abs.1 (oder § 8 Abs.1) AVB zugunsten des Versorgungsunter­nehmens gegeben sind und somit eine Duldungspflicht besteht.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Dem erstmaligen Verlangen eines Elektroversorgungs­unternehmens auf Duldung einer neu zu bauenden Ein­richtung ist für die nach § 1004 Abs.2 BGB anzu­stellende Beurteilung der Fall gleichzusetzen, in dem - wie hier - das Versorgungsunternehmen nach einem jahrzehntelang ungewiß gebliebenen Rechtszu­stand dem erstmals geäußerten Beseitigungsanspruch des Eigentümers seinerseits erstmals die Bestimmung des Absatzes 1 von § 11 (oder § 8) AVB entgegen­hält (und sich somit auf § 1004 Abs.2 BGB beruft, hierzu: Palandt-Bassenge, § 1004 Anm. 7 c dd; Reck­nagel § 8 Rdnr. 104). Wollte man den Klägerin auch bei einer erstmaligen Berufung der Beklagten auf § 1004 Abs.2 BGB nicht die Prüfung der Voraussetzun­gen von § 11 Abs.1 (oder § 8 Abs.1) AVB zugestehen, ihnen also allenfalls einen Verlegungsanspruch unter den engeren Voraussetzungen des Absatzes 3 gewähren, dann würde hiermit ein maßgeblicher Grund für die in Absatz 3 beider Vorschriften enthaltene Einschrän­kung verkannt: Absatz 3 läßt nur die Geltendmachung solcher Unzumutbarkeitsgründe zu, die nachträglich eingetreten sind; der Anschlußnehmer ist gehindert, sich auf solche Umstände zu berufen, denen er schon bei der Errichtung der Anlage zugestimmt hatte(Reck­nagel § 11 Rdnr.10). Die Kläger dieses Rechtsstreits aber haben vor ihrem Beseitigungsverlangen dem Bestand der der Anlage nie zugestimmt; sie hatten - naturgemäß -auch mit deren Errichtung nichts zu tun. Es kann ihnen also - solange die Prüfung der Voraussetzun­gen der §§ 11 oder 8 AVB erstmals ansteht - nicht verwehrt sein, geltend zu machen, daß die Anlage an der fraglichen Stelle wegen Fehlens der Voraus­setzungen nach Absatz 1 dieser Vorschriften nicht bestehen darf.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Dem steht auch nicht entgegen, daß die Kläger das Grundstück in Kenntnis des Vorhandenseins der Trans­formatorenstation erworben haben. Da das Elektrover­sorgungsunternehmen fremdes Eigentum nur in Anspruch nehmen darf, wenn die Eigentümer dies gestatten oder die Grundlagen für die Zulässigkeit dieser Maßnahme in einem Enteignungsverfahren gemäß § 11 des Energie­wirtschaftsgesetzes geschaffen worden sind (BGHZ 60, 119, 122 = BGH WM 73, 235, 237; zu ergänzen wäre seit Inkrafttreten der AVB zum 1.04.1980: oder wenn eine Duldungspflicht nach AVB besteht), kommt es vornehm­lich auf die - nicht erteilte - Einwilligung der Klä­ger an. Diese Einwilligung kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch nicht allein darin gefunden werden, daß die Kläger das Eigentum an dem Grundstück in Kenntnis der vorhandenen Anlage erwor­ben, deren Vorhandensein also hingenommen haben (BGHZ 60, 119, 122). Auch ob der Rechtsvorgänger der Kläger die Anlage gestattet hat, ist nicht von entscheidender Bedeutung; eine Bindung der Kläger tritt, selbst wenn das der Fall gewesen sein sollte - was vorliegend ohnehin nicht einmal dem Vortrag der Beklagten zu entnehmen ist - nicht ohne weite­res ein (BGHZ 60, 119, 122; BGHZ 66, 37, 39; Stau­dinger-Berg, BGB, 11. Aufl., § 1004 Rdnr.47).</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">dd) Die Anwendung dieser - von der Entscheidung des Landgerichts abweichenden - Grundsätze führt dazu, daß eine Duldungspflicht der Kläger auf ein Verblei­ben der Trafostation in dem ihnen gehörenden Nebengebäude nach § 11 Abs.1 (wie auch nach § 8 Abs.1) AVB zu verneinen ist. Die Beeinträchtigung der Kläger im Sinne des § 1004 BGB durch tatsächliche Inanspruchnahme fremden Eigentums seitens der Beklagten ist folglich nicht nach § 1004 Abs.2 BGB gerechtfertigt.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Die Inanspruchnahme eines Raumes des Nebengebäudes, welches die Kläger hei schon erteilter Baugenehmi­gung in Wohnraum umwandeln wollen (dies ist unstreitig; der Beklagte bestreitet lediglich - worauf es nicht ankommt - die beabsichtigte Aufnahme der Mutter der Klägerin als pflegebedürftig in den Haushalt), verstößt gegen § 11 Abs.1 Satz 1 und Satz 2 AVB. (Nicht anders ist die Beurteilung nach § 8 Abs.1 Satz 3 AVB, falls man die Transformatoren - wie das LG ‑ als sonstige Einrichtung im Sinne des § 8 AVB ansehen wollte). Es besteht kein Anspruch des Beklagten, die Trafostation gerade in dem geschlossenen Raum zu be­lassen, der zudem ca. 1/10 der Gesamtgrundstücksflä­che ausmacht.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Inwieweit generell schon eine Unterbringung der Trafos in einem umschlossenem Raum vorliegend nicht erfoderlich ist, also schon die Vorausset­zungen des § 11 Abs.1 Satz 1 AVB fehlen, ist nicht allein entscheidend. Jedenfalls ist auch auf die Zumutbarkeitsklausel des § 11 Abs.1 Satz 2 AVB (die der des § 8 Abs.1 Satz 3 AVB entspricht) abzustellen; dies deswegen, weil die Transforma­toren nicht ausschließlich der Versorgung des Grundstücks der Kläger (§ 11 Abs.1 Satz 1 AVB) dienen, sondern - sogar ganz überwiegend - auch für andere Zwecke, nämlich für die Versorgung wei­terer 174 Anschlußnehmer. Die Zumutbarkeit ent­fällt aber in Ansehung des Verhältnismäßigkeits­grundsatzes dann, wenn Rechtspositionen beein­trächtigt werdne, die mit von der Verfassungsgaran­tie des Art. 14 GG erfaßt sind; hierzu zählt eine bereits erteilte Baugenehmigung, wenn der Grundstückseigentümer mit dem Bau beginnen will(Recknagel § 8 Rdnr.72; nichts anderes kann für § 11 AVB gel­ten, aber mit § 8 in engem Zusammenhang steht, Recknagel § 11 Rdnr.1). So liegt es hier.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Steht somit die Zumutbarkeitsklausel einem Verblei­ben der Transformatorenstation an ihrem jetzigen Standort entgegen, so ist ein Entfernungsanspruch auch mit den technischen Möglichkeiten des Beklag­ten vereinbar. Zwar könnte ohne Beweisaufnahme nicht beurteilt werden, ob zwei Transformatoren erforder­lich sind oder ob einer genügen würde. Hierauf kommt es aber nicht an. Nach dem Beklagtenvorbringen wie auch nach der Aussage des Zeugen C2 ist näm­lich auch eine (nach Beklagtenvortrag:doppelte)Kom­paktanlage für die Versorgung des selben Abnehmer­kreises geeignet und könnte eine solche Kompaktanlage sowohl außerhalb des Nebengebäudes auf dem Grund­stück der Kläger an der Grenze zur O2 hin als auch außerhalb des Grundstücks auf einem Gelände der Stadt L (Grünfläche) aufge­stellt werden. Streitig ist insoweit lediglich, wie groß die Kompaktstation ausfällt (Kläger: 4,2 qm Grundfläche; Beklagte: 12 gm). Letzteres ist aber deswegen unerheblich, weil sich jeden­falls an einem nichts ändert: daß eine solche Kom­paktstation und damit eine Transformatorenstation nach dem heutigen Stand der Technik nicht in einem gemauerten Gebäude untergebracht werden muß. Eine Anlage gerade in dem Anbau ist nicht erforderlich.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Die Frage der Zumutbarkeit ist schließlich auch nicht wegen der von der Beklagten vorgetragenen und von dem Zeugen C2 mit 128.000,-- DM an­gegebenen Verlegungskosten anders zu beurteilen. Zum einen ist schon zu berücksichtigen, daß jeden­falls die von der Beklagten mit angesetzten Kosten für den Abbruch des Gebäudes nicht anfallen(da die­ses ja im Eigentum der Kläger steht, dazu oben zu I 1 a) und daß die Anschaffung einer neuen Kompakt­station anstellte der Jahrzehnte alten Anlage auch eine Wertverbesserung für die Beklagte darstellt. Zum anderen kommt es aber auch nicht darauf an, ob die Verlegung (wegen der Kosten) für die Beklag­te unzumutbar ist, sondern darauf, ob ein Verblei­ben für die Kläger zumutbar ist. Hierfür sind die der Beklagten entstehenden Kosten nachrangig. Es ist der Beklagten nämlich, wenn sie den Aufwand einer Ver­legung für unzumutbar hält, unbenommen, ihre Inter­essen in einem (auf Bewilligung einer Dienstbarkeit gerichteten) Enteignungsverfahren nach 5, 11 EnWG zu verfolgen (3GHZ ß6, 37, 42 vorletzter Absatz). Die Verlegungs- und Neuerrichtungskosten könnten allen­falls dann erheblich sein, wenn das Beseitigungs­interesse der Kläger derart gering zu bewerten wäre, daß ihr Begehren ganz unverhältnismäßig niedriger ist und nach Treu und Glauben gegen § 242 BGB verstößt. Davon kann aber vorliegend angesichts des Interes­ses der Kläger an der Schaffung von Wohnraum auf­grund schon erteilter Baugenehmigung selbst dann nicht ausgegangen werden, wenn der derzeitige Ver­lust an Bau- und Grundstückswert unter den Angaben der Kläger von 81.500,-- DM laut Klageschrift liegen sollte.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">c) Sind nach alledem die Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 (oder § 8 Abs.1) AVB für eine Pflicht der Kläger zur Duldung der Transformatorenstation nicht gegeben, so stehen weiterhin auch spezielle Umstände des vor­liegenden Falles dem Klagebegehren nicht entgegen.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">aa) Das Zeitmoment des Bestehens der Anlage schon seit mindestens den 30er Jahren, wenn nicht schon seit 1921, kommt der Beklagten nicht zugute.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Zu Unrecht verweist die Beklagte auf die Entscheidung BGHZ GO, 119(123) , wonach der Grundstückseigentümer vorhandene Energieversorgungsanlagen hinzunehmen habe und ihm insoweit ein Abwehr- oder Beseitigungsanspruch aus § 1004 BGB versagt sei. Dieses Zitat ist unvollständig, weil gerade der nachfolgende Satz nicht erwähnt wird: daß nämlich wegen rechtskräftiger Abweisung der Klage auf Beseitigung (einer Hochspannungsleitung)  dahinstehen könne - also an‑sonsten doch beachtlich sein könnte -, ob die Leitung in einer anderen, weniger beeinträchtigenden Weise hätte angelegt werden können. Im übrigen stünde die von dem Beklagten vertretene Interpreta­tion in Widerspruch dazu, daß der Grundstückseigen­tümer eben nicht generell einer Duldungspflicht we­gen des mit der Stromversorgung vorhandenen Allge­meininteresses unterworfen ist (BGHZ 66, 37, 41/42; dazu oben zu 1 1 b aa) und daß nicht einmal eine Ge­stattung des Voreigentümers ohne dingliche Belastung binden würde (3GHZ GO, 119, 122; S6, 37, 39).</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Auch ansonsten gilt zum Zeitablauf seit Errich­tung der Transformatorenstation, daß es auf die­sen nicht ankommen kann. Das Bürgerliche Gesetz­buch kennt zwar die Ersitzung von Eigentum, nicht aber die Eisitzung eines Rechts zum Besitz.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">bb) Daß die Kläger "sehenden Auges" (so das LG) das Grundstück mit der die Benutzbarkeit beeinträch­tigenden Anlage erworben haben, gereicht ihnen ebensowenig zum Nachteil wie eine etwaige Gestat­tung seitens der Voreigentümer.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Die vom Landgericht getroffene Unterscheidung gegenüber einem langjährigen Grundstückseigentümer, dessen Raumbedürfnisse sich vergrößert haben, ist mit dem schon oben dargelegten, auf Art.14 GG be­ruhender Grundsatz nicht vereinbar, wonach mangels einer dinglichen Belastung des Grundstücks Eigentumsabwehransprüche auch dem Erwerber von Grund­stücken zustehen, die mit Versorgungsanlagen versehen sind, und wonach auch eine Gestattung des Rechtsvorgängers nicht ohne weiteres zu einer Bin­dung des Erwerbers führt (BGHZ 60, 119, 122; 3GHZ SS, 37, 39).</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Aus diesem Grund vermag sich der Senat auch nicht der Entscheidung des OLG Schleswig - 5 U 41/83 -vom 27.10.1983 anzuschließen, die die Beklagte während der Spruchfrist zu den Akten gereicht hat.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Im übrigen unterscheidet sich aber der dort ent­schiedene Fall ohnehin wesentlich von dem vorlie­genden: Während in dem Fall des OLG Schleswig der Voreigentümer bereits die Bewilligung einer - dann nicht mehr eingetragenen - beschränkt persönlichen Dienstbarkeit erteilt hatte (eine Gestattung also vorlag) , ist vorliegend nicht einmal dem Vorbringen des Beklagten zu entnehmen, daß überhaupt jemals die Verkäuferin oder ein anderer Voreigentümer des Grundstücks O 2 die Einrichtung und den Verbleib der Transformatorenanlage ausdrücklich gestattet hatten (statt sie nur in Unkenntnis eigener Rechte stillschweigend zu dulden). Die Beklagte ist sich selbst über die früheren Verhältnisse etwas im unklaren wie über die Gründe für das Unterlassen der Eintragung einer dinglichen Belastung. Soweit sie da­von ausgeht, daß bei Errichtung der Siedlung eine Ab­sprache mit der Gemeinnützigen Aktiengesellschaft für Wohnungsbau erfolgt sei, dürfte dies zwar eine lebens­nahe Erklärung für die jetzige Sachlage sein; es ist jedoch - wenngleich aus den vorstehenden Gründen ohne­hin nicht erheblich - schon nicht vorgetragen, ob die GAG ihrerseits vor dem ersten Siedler selbst Grund­stückseigentümerin in den 20er oder 30er Jahren war.</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">cc) Der Klage könnte allenfalls dann der Erfolg zu ver­sagen sein, wenn feststünde, daß den Klägern schon in dem Grundstücks-Kaufvertrag vom 13.08.1986 ein deut­lich niedrigerer Kaufpreis als es ansonsten dem Ver­kehrswert entspräche eingeräumt worden ist. Für eine solche - von den Klägern unter Berufung auf das Wert­gutachten vom 31.10.1986 und den Nachtrag vom 18.08. 1987 bestrittene - Annahme und damit für ein rechts­mißbräuchliches Verhalten der Kläger sind aber auch dem Vortrag der Beklagten keine hinreichenden Anhalts­punkte zu entnehmen. Soweit nach ihrer Meinung "davon auszugehen" ist, daß die teilweise Unbenutzbarkeit des Nebengebäudes im Kaufpreis ihren Niederschlag gefunden hat, stellt dies eine Vermutung dar, für die es auch an einem Beweisantritt fehlt.</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">2. Durch das Berufungsurteil ist der Klage nach dem zweitinstanzlichen Hauptantrag zu 1) stattzugeben.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Mit diesem Antrag begehren die Kläger (in abweichender Formulierung gegenüber ihrem erstinstanzlichen Hauptantrag) lediglich die Entfernung der Transformatorenstation "aus dem Anbau auf dem Grundstück". Die entsprechende Tenorierung enthält somit keine Festlegung des Senats dazu, ob eine neue (Kompakt-) Anlage noch innerhalb des Grundstücks der Kläger oder außerhalb zu errichten ist; indem dem Haupt­antrag und nicht nur dem ersten Hilfsantrag statt­gegeben wird, ist lediglich eine Entscheidung dazu getroffen, daß den Klägern nicht <u>nur</u> ein Anspruch auf Verlegung innerhalb ihres Grundstücks nach 5, 11 Abs.3 (oder § 8 Abs.3) AVB zusteht. Die Parteien werden sich darüber ins Benehmen zu setzen haben, ob noch innerhalb des Grundstücks der Kläger eine neue Duldungspflicht nach .5 11 Abs.1 AVB zu begründen ist oder ob wegen Gleichwertigkeit der angrenzende Geländestreifen der Stadt Köln (die dem nach der Be­kundung des Zeugen C2 für eine Kompaktstation bereits einmal zugestimmt hat) in Anspruch zu nehmen ist.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Der weiter hilfsweise gestellte Antrag auf Zahlung von 40.000,-- DM zuzüglich Rente aus Aufopferung ist nur für den Fall gestellt, daß der Senat die Klage mit dem Haupt- und dem ersten Hilfsantrag für unbe­gründet erachtet hätte. Er ist somit gegenstandslos.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Nicht begründet ist die Klage wegen des Anspruchs auf Nutzungsentschädigung, den die Kläger - im Berufungs­rechtszug für November 198S bis Januar 1987 - mit 900,-- DM zuzüglich Rechtshängigkeitszinsen geltend machen. </p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">I. In erster Instanz ist zwar ein Betrag von 300,--DM monatlich für die Monate November 1907 bis Januar 1988 verlangt worden, für die ersten drei Monate nach Bezug des Hauses also. Wenn demgegenüber mit der Berufung der gleiche Betrag für einen 1 Jahr früher liegenden Zeitraum verlangt wird, so kann es sich hierbei nicht etwa um einen Schreibfehler der Berufungsbegründung handeln. Die Kläger haben nämlich auch den Antrag auf Verzinsung auf den 10.12.1987 vorgezogen, was mit dem erstinstanz­lichen Begehren teilweise unvereinbar wäre.</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">2. Soweit hierin eine Klageänderung zu sehen ist, ist sie als sachdienlich zuzulassen (§§ 263, 523 ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Die Forderung für die Monate November 1986 bis Januar 1987 ist aber selbst davon nicht gerecht­fertigt, wenn den Klägern ansonsten grundsätzlich eine Nutzungsentschädigung für die Vergangenheit zustehen sollte. Erstmals unter dem 25.01.1987 näm­lich haben die Kläger gegenüber der Beklagten Zwei­fel an der Rechtmäßigkeit des Bestands der Trafo­station angemeldet und Räumung verlangt. Bis zu die­sem Zeitpunkt konnte die Beklagte davon ausgehen, daß wie auch in den Jahren zuvor Einwendungen gegen die Unterbringung ihrer Anlage in dem Nebengebäude nicht bestehen.</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Ungeachtet dieses zeitlichen Umstandes ist die Klage auf Nutzungsentgelt aber auch deswegen abzu­weisen, weil es an hinreichenden Tatsachenvorbrin­gen dazu fehlt, weshalb der moantliche Betrag mit 300,-- DM anzusetzen ist. Daß der Betrag von 300,-- DM monatlich "angemessen' sei, stellt keine Tatsachen­behauptung dar, die dem beantragten Sachverständigen­beweis zugänglich wäre. Eines richterlichen Hinweises hierauf hat es nicht bedurft, nachdem schon die Berufungserwiderung den von den Klägern geforder­ten Betrag als offensichtlich aus der Luft gegrif­fen bezeichnet hat.</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 92 Abs.2 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbar­keit folgt aus § 708 Nr.10, 711 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Der <u>Streitwert</u> wird in Abänderung der in dem land­gerichtlichen Urteil enthaltenen Wertfestsetzung (§ 25 Abs.1 Satz 3 GKG) und des Senatsbeschlusses vom 3.04.1989 für den ersten Rechtszug und für die Berufungsinstanz auf <u>82.400,-- DM</u> festgesetzt (81.500,-- DM für den Antrag zu 1) und 900,-- DM für den Antrag zu 2). Entgegen dem Landgericht sind die Kosten der Beseitigung für den Beseiti­gungsanspruch unmaßgeblich (die zitierte Entschei­dung OLG Köln AnwBl. 68, 336 und bei Schneider, Streitwert-Kommentar, jetzt 8. Aufl. 1989 "Besei­tigung" Rdnr. 815 betrag einen besonders gelager­ten Fall). Vielmehr kommt es (nur) auf das Inter­esse des Klägers an der Beseitigung des Zustandes an (vgl. KG JurBüro 56, 348; Zöller-Schneider, ZPO, 15. Aufl., § 3 Rdnr. 16 "Beseitigungsklage"; Hillach‑Rohs, Handbuch des Streitwerts in bürgerlichen Rechts­streitigkeiten, 6. Aufl. 1986, S. 176). Maßgebend ist demnach die nach dem Klägervorbringen drohende Wert­minderung des beeinträchtigten Grundstücks (Schmidt-Schmidt, Der Gegenstandswert in bürgerlichen Rechts­streitigkeiten, 2. Aufl. 1978, Rdnr.113 "Eigentums­störung"; Hillach-Rohr a.a.O.); ohne Bedeutung sind die Nachteile, die dem Beklagten aus der Befolgung des Anspruchs des Klägers - z.B. Maßnahmen, die die Beeinträchtigung beseitigen - entstehen (Hillach­Rohs a.a.O. mit weiteren Nachweisen zu Fn. 252).</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">Demgemäß:</p>
<span class="absatzRechts">84</span><table class="absatzLinks">
<tbody>
<tr>
<td><p>Beschwer der Beklagten:</p></td>
<td><p>81.500,-- DM 900,-- DM</p></td>
</tr>
<tr>
<td><p>Beschwer der Kläger:</p></td>
</tr>
</tbody>
</table>
|
315,197 | ovgnrw-1989-09-20-2-a-40288 | {
"id": 823,
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} | 2 A 402/88 | 1989-09-20T00:00:00 | 2019-03-13T14:49:06 | 2022-10-18T15:08:52 | Urteil | ECLI:DE:OVGNRW:1989:0920.2A402.88.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Das angefochtene Urteil wird geändert.</p>
<p></p>
<p>Der Beklagte wird unter Aufhebung seiner Bescheide vom 16. August 1985 und 6.
Februar 1987 verpflichtet, der Klägerin die mit Bescheiden vom 1. Februar 1985 und
8. März 1985 festgesetzte Abwasserabgabe für die Einleitungsstelle der
Elektrochemischen Fabrik ... GmbH für die Veranlagungsjahre 1982 und 1983 zu
erlassen.</p>
<p></p>
<p>Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.</p>
<p></p>
<p>Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in
Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor
Sicherheit in derselben Höhe leistet.</p>
<p></p>
<p>Die Revision wird nicht zugelassen.</p>
<p></p>
<p></p>
<p></p>
<p>
</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin begehrt vom Beklagten den Erlaß der Abwasserabgabe, die die
Klägerin für die Einleitung von Schmutzwasser durch die Elektrochemische Fabrik ...
GmbH (ECF) in den S. für die Veranlagungsjahre 1982 und 1983 an den Beklagten
entrichten soll.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Bis zum Jahre 1984 leitete die ECF leicht erwärmtes, geringfügig verunreinigtes
Betriebsabwasser und Oberflächenwasser in den S. ein. Bereits mit Schreiben vom
27. Februar 1981 an den Regierungspräsidenten ... hatte die Klägerin beantragt,
hinsichtlich dieser Einleitung von ihrer Abwasserbeseitigungspflicht gemäß §53 Abs. 4
des Landeswassergesetzes - LWG - befreit zu werden. In einer Stellungnahme vom 8.
März 1983 zu diesem Antrag führte das Staatliche Amt für Wasser- und
Abfallwirtschaft ... aus, daß die Abwässer wegen der Menge und der niedrigen
Verschmutzung für eine direkte Vorfluteinleitung vorzusehen seien. Da über das
Vermögen der EFC am 6. November 1984 das Vergleichsverfahren eröffnet wurde
und am 28. Januar 1985 die Eröffnung des Anschlußkonkurses folgte, wurde über den
Antrag der Klägerin nicht abschließend entschieden.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Durch Bescheid vom 1. Februar 1985 zog der Beklagte die Klägerin zu einer
Abwasserabgabe für das Jahr 1982 in Höhe von 376,20 DM für die Einleitung der
ECF heran. Durch Bescheid vom 8. März 1985 setzte der Beklagte die
Abwasserabgabe für das Jahr 1983 für diese Einleitung auf 5.649,60 DM fest. Gegen
beide Bescheide legte die Klägerin Widersprüche ein, über die der Beklagte noch
nicht entschieden hat.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Am 6. Mai 1985 beantragte die Klägerin beim Beklagten den Erlaß der
Abwasserabgabe für die Einleitung durch die ECF in den Jahren 1982 und 1983. Sie
führte zur Begründung aus, daß mit Sicherheit nicht damit zu rechnen sei, daß sie die
Abwasserabgabe auf die ECF abwälzen könne. Es sei deshalb unbillig, diesen Betrag
von ihr einzuziehen. Durch Bescheid vom 16. August 1985 lehnte der Beklagte den
beantragten Erlaß ab. Zur Begründung führte er aus, daß eine Unbilligkeit nicht
vorliege, da grundsätzlich die Gemeinde abgabepflichtig sei. Diese Abgabepflichtigkeit
werde durch den Konkurs des Einleiters nicht berührt. Im übrigen seien der Klägerin
seit 1981 die Grundlagen der Abgabenfestsetzung hinsichtlich der Einleitung bekannt.
Für die Klägerin habe deshalb die Möglichkeit bestanden, die Abwälzung der
Abwasserabgabe auf den Einleiter durch Vorauszahlungen sicherzustellen. Der
Widerspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung Ihrer beim Verwaltungsgericht erhobenen Klage hat die Klägerin
sich auf ihr bisheriges Vorbringen berufen und darüber hinaus ausgeführt: Sie hätte
gegenüber der ECF keine Vorausleistungen geltend machen können, da der Beklagte
ihr gegenüber keine Vorausleistungen erhoben habe. Es habe deshalb keine
Abgabepflicht bestanden, die sie hätte abwälzen können.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 16. August 1985
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 1987 zu verpflichten, die
mit Bescheiden vom 1. Februar und 8. März 1985 festgesetzte Abwasserabgabe zu
erlassen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Er hat vorgetragen, daß für das Jahr 1981 die Abwasserabgabe mit Bescheid
vom 23. November 1982 erhoben worden sei. Aus diesem Bescheid hätte die Klägerin
die ungefähre Höhe der Abgabe für die Folgejahre errechnen können. Sie wäre also in
der Lage gewesen, Vorausleistungen für die Jahre 1982 und 1983 zu erheben. Oa sie
dies unterlassen habe, habe sie es selbst zu vertreten, daß sie die Abwasserabgabe
wegen Konkurses des Einleiters nicht mehr abwälzen könne.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Durch das angefochtene Urteil, auf dessen Bezug genommen wird, hat das
Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung ihrer dagegen eingelegten Berufung trägt die Klägerin im
wesentlichen vor: Das Abwasserabgabengesetz gehe davon aus, daß allein der
Verursacher die Abwasserabgabe zu entrichten habe. Das Verursacherprinzip gelte
auch für das Landeswassergesetz. So verpflichte §65 LWG die Gemeinden, die von
ihnen erhobenen Abgaben auf die Einleiter abzuwälzen. Mit dieser Pflicht stehe im
Einklang, daß in den Gesetzesmaterialien zu den Kosten der Regelung ausgeführt sei,
daß bei den Gemeinden lediglich der Verwaltungsaufwand verbleibe, der darin
bestehe, die zunächst vorzuleistene Abwasserabgabe auf die Einleiter umzulegen.
Damit trage auch das Landeswassergesetz dem Verursacherprinzip in vollem Umfang
Rechnung. Hinzu komme, daß der Gemeinde gegenüber dem Einleiter keinerlei
Kontroll- oder Einflußmöglichkeit zustehe. Es sei ihr nicht möglich, die Schadstofffracht
in den Einleitungen zu mindern. Zu berücksichtigen sei auch die derzeitige
Veranlagungspraxis des Beklagten. Da die Veranlagungsbescheide erst zwei oder drei
Jahre nach Ablauf des Veranlagungszeitraumes erlassen würden, trage die Gemeinde
das Risiko für die fortbestehende Leistungskraft des Einleiters, ohne daß ihr
irgendwelcher Einfluß auf die zeitliche Durchführung der Veranlagung zustehe. All dies
müsse dazu führen, daß bei Wegfall des Verursachers und daraus folgender fehlender
Abwälzungsmöglichkeit die Einziehung der Abwasserabgabe als sachlich unbillig
anzusehen sei.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt - sinngemäß -,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">das angefochtene Urteil zu ändern und nach ihrem erstinstanzlichen Klageantrag
zu erkennen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Er weist darauf hin, daß auch bei fehlender Abwälzungsmöglichkeit die Erhebung
der Abwasserabgabe gegenüber der Gemeinde nicht unbillig sei. Durch die
Möglichkeit, die Gemeinden anstelle der Einleiter heranzuziehen, habe der
Landesgesetzgeber eine selbständige Pflicht der Gemeinden zur Zahlung der
Abwasserabgabe geschaffen. Dies sei auch sachgerecht, weil die Höhe der Abgabe
nicht zuletzt davon abhänge, in welcher Weise die Gemeinden ihrer
Abwasserbeseitigungspflicht nachkämen. Die Abwasserabgabe diene als starker
Anreiz, auch hinsichtlich der Direkteinleiter die Reinhaltemaßnahmen zu verbessern. Es
könne keinesfalls festgestellt werden, daß durch die fehlende Möglichkeit der Klägerin,
die von ihr geleistete Abgabe beim Einleiter beizutreiben, der Zweck des
Abwasserabgabengesetzes verfehlt werde.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der
Beteiligten im übrigen wird auf den Inhalt der Verfahrensakten und der vom Beklagten
und der Klägerin vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung, über die der Senat gemäß §101 Abs. 2 der
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - im Einverständnis der Beteiligten ohne
mündliche Verhandlung entscheiden kann, hat Erfolg. Das angefochtene Urteil ist zu
ändern. Der Beklagte ist unter Aufhebung seiner Bescheide vom 16. August 1985 und
6. Februar 1987 zu verpflichten, der Klägerin die Abwasserabgabe für die Jahre 1982
und 1983 für die Einleitung der ECF zu erlassen. Denn die Klägerin wird durch die
Ablehnung des beantragten Erlasses in ihren Rechten verletzt (§113 Abs. 4 Satz 1
VwGO).</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Verpflichtung des Beklagten zum Erlaß ergibt sich aus §80 Abs. 3 LWG. Nach
dieser Vorschrift kann die Festsetzungsbehörde die Abgabe ganz oder teilweise
erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Diese
Regelung ist im wesentlichen wortgleich mit §227 der Abgabenordnung 1977 - AO 77
-. Deshalb sind die von der Rechtsprechung zu dieser Vorschrift bzw. der
Vorgängervorschrift des §131 der Reichsabgabenordnung entwickelten Grundsätze
auch auf §80 Abs. 3 LWG anzuwenden. Danach kann die Unbilligkeit der Einziehung
sich aus sachlichen oder persönlichen Gründen ergeben. Eine Unbilligkeit der
Einziehung aus persönlichen Gründen, die unter anderem eine Erlaßbedürftigkeit
wegen mangelnder Leistungsfähigkeit voraussetzt, kommt bei der Klägerin nicht in
Betracht.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Einziehung der Abwasserabgabe für die Jahre 1982 und 1983 ist jedoch aus
sachlichen Gründen unbillig. Eine sachliche Unbilligkeit ist gegeben, wenn die
Erhebung der Abgabe im Einzelfall mit dem Sinn und Zweck des Abgabengesetzes
nicht vereinbar ist, wenn also ein Überhang des gesetzlichen Tatbestandes über die
Wertungen des Gesetzgebers feststellbar ist und der gegebene Sachverhalt zwar den
gesetzlichen Tatbestand erfüllt, die Abgabenerhebung aber dennoch den Wertungen
des Gesetzgebers zuwiderläuft.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks"> Vgl. Hübschmann - Hepp - Spitaler, Abgabenordnung 1977, Kommentar, §227
Rdn. 15; Tipke - Kruse, Abgabenordnung 1977, Kommentar, §227 Rdn. 19, beide
mit weiteren Nachweisen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Eine solche Situation ist im vorliegenden Verfahren gegeben. Der Senat ist der
Auffassung, daß es nicht dem Sinn und Zweck des Abwasserabgabengesetzes und
des Landeswassergesetzes und den darin niedergelegten Wertungen des
Gesetzgebers entspricht, wenn die Klägerin die Abwasserabgabe für die Einleitung
der ECF entrichten muß, obwohl sie diesen Betrag wegen des Konkurses des
Einleiters nicht mehr auf den Einleiter abwälzen kann.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Auszugehen ist bei dieser Beurteilung von §9 Abs. 1 des
Abwasserabgabengesetzes - AbwAG -, wonach der Einleiter abgabepflichtig ist. In
dieser Regelung kommt das Verursacherprinzip, auf dem das
Abwasserabgabengesetz beruht,</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks"> vgl. zuletzt Urteil des Senats vom 23. August 1989 - 2 A 1943/88 - unter
Bezugnahme auf Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 12. Februar
1988 - 4 C 24.85 -, ZfW 1988, 409 ff,</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">deutlich zum Ausdruck. Dieses Verursacherprinzip wird durch die Regelung des §9
Abs. 2 Satz 1 und 2 AbwAG zwar durchbrochen, aber nicht beseitigt. Denn nach Satz
1 des zweiten Absatzes können die Länder bestimmen, daß öffentlich-rechtliche
Körperschaften anstelle der Einleiter abgabepflichtig sind. Satz 2 sieht hinsichtlich der
Kleineinleiter eine solche Übertragung verbindlich vor. In diesen Bestimmungen liegt
aber keine endgültige Belastung der öffentlich-rechtlichen Körperschaften und eine
entsprechende Freistellung der Einleiter. Vielmehr dient die Heranziehung der
öffentlich-rechtlichen Körperschaften nur der Verwaltungsvereinfachung. Dies ergibt
sich aus §9 Abs. 2 Satz 3 AbwAG, wonach die Länder die Abwälzung der Abgabe
regeln. Daraus folgt, daß im Ergebnis die Abgabepflicht beim Verursacher verbleiben
soll.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Der Landesgesetzgeber hat in §64 Abs. 1 LÜG von der Ermächtigung des §9 Abs.
2 AbwAG Gebrauch gemacht. Er hat den Gemeinden auch für die Einleitungen die
Abgabepflicht auferlegt, für die sie gemäß §53 LWG abwasserbeseitigungspflichtig
sind. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, daß der
Landesgesetzgeber mit der Bezugnahme auf die Abwasserbeseitigungspflicht für die
Abgabepflicht nicht nur einen formalen, sondern einen materiellrechtlichen
Anknüpfungspunkt gewählt hat. Deswegen könnte es gerechtfertigt sein, die
Abwasserbeseitigungspflicht auch als Kostentragungspflicht zu verstehen, so daß die
Gemeinden die Abgabepflicht zumindest in Einzelfällen endgültig selbst tragen
müssen. Es kann aber nicht außer Betracht bleiben, daß §65 Abs. 1 LWG auch für die
Fälle des §64 Abs. 1 Satz 1 LUG eine Abwälzungspflicht der Gemeinden vorsieht.
Durch diese Bestimmung, die von einer vollständigen und umfassenden Abwälzung
ausgeht, wird die vom Verwaltungsgericht angenommene materiellrechtliche
Bedeutung des §64 Abs. 1 Satz 1 LWG praktisch aufgehoben. Auch für die Fälle der
Erhebung der Abgaben von den Gemeinden soll das Verursacherprinzip bestehen
bleiben. Trotz der Anküpfung an die Abwasserbeseitigungspflicht soll letztlich nicht die
Gemeinde, sondern der Einleiter als alleiniger Verursacher die Abgabe tragen. Ob
dies nicht ohnehin bundesrechtlich geboten ist, weil das Verursacherprinzip des
Abwasserabgabenrechts nicht verdrängt werden darf und der
Abwasserbeseitigungspflichtige hinsichtlich der von ihm nicht betriebenen Einleitungen
nicht als Verursacher angesehen werden kann, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls
widerspricht es der Zielsetzung der landesrechtlichen Regelung, die Abwasserabgabe
auch dann von der Gemeinde einzuziehen, wenn sie wegen Zahlungsunfähigkeit des
Einleiters bei diesem nicht Rückgriff nehmen kann.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Dagegen kann nicht eingewandt werden, daß die Gemeinde gemäß §53 LWG das
Recht und die Pflicht habe, auf die qualitative und quantitative Reduzierung der
Einleitung einzuwirken und dadurch in der Lage sei, ihre Abgabenlast zu reduzieren.
Solange eine Einleitung besteht, hat die Gemeinde keine rechtlichen Möglichkeiten, die
Einleitung zu kontrollieren oder gar auf die Abwasserqualität Einfluß zu nehmen. Ihr
steht ausschließlich die Möglichkeit zur Verfügung, durch den Bau von
Entwässerungsanlagen und die Ausübung des Anschluß- und Benutzungszwanges
gegenüber dem Einleiter dessen Einleitung die Grundlage zu entziehen. Solange die
dafür erforderlichen Voraussetzungen aber nicht geschaffen sind, fehlt der Gemeinde
jede Einwirkungsmöglichkeit. Hinzu kommt, daß zahlreiche Einleitungen von firmen gar
nicht für die Beseitigung in kommunalen Kläranlagen geeignet sind, so daß eine
Übernahme der Abwässer durch die Gemeinde nicht sinnvoll ist. Dies dürfte auch für
die hier zu beurteilende Einleitung gelten. Nach der Stellungnahme des Staatlichen
Amtes für Wasser- und Abfallwirtschaft war das Abwasser der ECF so gering
verschmutzt, daß es sich nicht zur Reinigung in einer biologischen Kläranlage
eignete.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Diese Auslegung der Regelungen des §64 Abs. 1 Satz 1 und §65 Abs. 1 LWG
wird durch die Gesetzesmaterialien bestätigt. In der Begründung des
Gesetzentwurfes der Landesregierung (Landtagsdrucksache 8/2388) zu §64 wird
ausgeführt, daß von der Möglichkeit des §9 Abs. 2 AbwAG Gebrauch gemacht
werde, weil die Gemeinden abgabepflichtig seien müßten, soweit sie
abwasserbeseitigungspflichtig seien. Zu §65 heißt es dann aber, daß die Gemeinden
verpflichtet seien, die Abwasserabgabe abzuwälzen. Damit werde dem
Verursacherprinzip Rechnung getragen. Dabei wird von einer vollständigen Abwälzung
ausgegangen, wie sich aus den Ausführungen zu den zu erwartenden Kosten ergibt.
Insoweit ist nur von einem zusätzlichen Verwaltungsaufwand der Gemeinden die Rede,
nicht dagegen von Abgaben, die die Gemeinden im Ergebnis selbst zu tragen
hätten.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Grundsätzlich ist es daher unbillig, eine Gemeinde anstelle des Abwassereinleiters
zur Abwasserabgabe heranzuziehen, wenn feststeht, daß die Gemeinde diese nicht
mehr auf den Abwassereinleiter abwälzen kann. Etwas anderes kann nur dann gelten,
wenn die Gemeinde es in vorwerfbarer Weise unterlassen hätte, die Abgabe beim
Einleiter beizutreiben. Für ein solches vorwerfbares Verhalten der Klägerin bestehen
keine Anhaltspunkte. Denn die Klägerin ist selbst erst durch Bescheide vom 1. Februar
und 8. März 1985 vom Beklagten zur Abwasserabgabe herangezogen worden. Bereits
am 26. Januar 1985 war jedoch der Anschlußkonkurs über das Vermögen der ECF
eröffnet worden. Entgegen der Ansicht des Beklagten hatte die Klägerin auch nicht die
Möglichkeit, den Einleiter heranzuziehen, bevor sie selbst einen Abgabenbescheid vom
Beklagten erhalten hatte.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die Möglichkeit von Vorauszahlungen, auf die der Beklagte sich beruft, bestand für
die Klägerin nicht. Denn Vorausleistungen auf eine künftige Abgabenschuld sah §6
KAG in der in den Jahren 1982 und 1983 geltenden Fassung nicht vor.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks"> Vgl. Urteil des Senats vom 6. Februar 1986 - 2 A 3373/83 -, KStZ 1986, 192 -
HStGZ 1986, 262 ff = Gemht 1986, 209 ff.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hätte allenfalls nach Ablauf des jeweiligen Veranlagungsjahres gegen
den Einleiter eine vorläufige Festsetzung der abzuwälzenden Abwasserabgabe gemäß
§12 Abs. 1 Nr. 4 b) KAG i.V.m. §165 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 vornehmen können. Dies
war der Klägerin aber nach den gegebenen Verhältnissen nicht zumutbar. Zum einen
mußte die Klägerin nicht damit rechnen, daß der Beklagte erst mehr als zwei Jahre
bzw. mehr als ein Jahr nach Ablauf des jeweiligen Veranlagungszeitraumes seine
Bescheide erlassen werde. Denn den Heranziehungsbescheid für das Jahr 1981, für
das erstmals eine Abgabenpflicht bestand, hatte die Klägerin im November 1982, also
vor Ablauf von 11 Monaten, erhalten. Sie mußte nicht damit rechnen, daß die späteren
Heranziehungen länger dauern würden. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß
entgegen dem Vortrag des Beklagten die Grundlagen für die Heranziehung nicht
festlagen. Denn die zu berücksichtigenden Schadeinheiten wurden vom Beklagten
zumindest in den Jahren 1982 und 1983 aufgrund durchgeführter Messungen gemäß
§6 Abs. 1 AbwAG geschätzt. Dabei ergaben sich für das Jahr 1982 41.8
Schadeinheiten während für das Jahr 1983 235,4 Schadeinheiten geschätzt worden
sind. Hinzu kommt, daß im Jahre 1982 der Abgabesatz gemäß §9 Abs. 5 AbwAG
halbiert worden ist, während diese Ermäßigung im Jahre 1983 nicht gewährt worden
ist. Bei so wechselnden Festsetzungsgrundlagen war die Klägerin nicht verpflichtet,
von der Möglichkeit des §165 Abs. 1 AO 1977 Gebrauch zu machen.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat die Verpflichtung des Beklagten zum Erlaß auszusprechen und nicht
lediglich den Beklagten zu verpflichten, die Klägerin erneut unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden (§113 Abs. 4 Satz 2 VwGO). Zwar
steht der Erlaß gemäß §80 Abs. 3 LWG im Ermessen der Behörde. Ist jedoch die
Heranziehung zu einer Abgabe unbillig, so kommt als ermessensfehlerfreie
Entscheidung allein der Erlaß der Abgabe in Betracht. Es liegt eine
Ermessensreduzierung auf Null vor.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks"> Vgl. Beschluß des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des
Bundes vom 19. Oktober 1971 - GmS-OGB 3/70 -, DÖV 1972, 712 (713 f) = BStBl II
1972, 603 f.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus §154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §167 Abs. 2, §173 VwGO i.V.m. §708 Nr.
10, §711 der Zivilprozeßordnung.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des §132 Abs. 2 VwGO
nicht gegeben sind.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
315,198 | olgham-1989-09-19-9-uf-24089 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 9 UF 240/89 | 1989-09-19T00:00:00 | 2019-03-13T14:49:07 | 2022-10-18T15:08:52 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1989:0919.9UF240.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Beschwerde der ... wird der Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Münster vom 10.04.1989 unter Ziffer 2 des Beschlußtenors abgeändert und wie folgt neu gefaßt:</p>
<p></p>
<p>Zu Lasten der für den Antragsteller unter der Nummer ... bei dem Landesamt für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf bestehenden Anwartschaften werden auf dem Versicherungskonto Nr. ... bei der für die Antragsgegnerin Rentenanwartschaften in Höhe von 218,75 DM, bezogen auf die Ehezeit vom 01.05.1968 bis zum 30.09.1979, begründet.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden unter den beteiligten Eheleuten gegeneinander aufgehoben; jedoch werden Gerichtskosten soweit nicht erhoben.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist zulässig (§ 621 ZPO) und hat auch in der Sache Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Nachdem das Amtsgericht (durch Ziff. 1 des insoweit nicht angefochtenen Beschlusses) die notarielle Vereinbarung der Parteien vom 23. Januar 1984 familiengerichtlich genehmigt hat, in der die Parteien auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs verzichtet haben, soweit Anwartschaften oder Aussichten auf spätere Versorgung betroffen sind, die von Oktober 1979 an entstanden sind, ist für die Berechnung des Versorgungsausgleichs von einem Ende der Ehezeit am 30.09.1979 auszugehen, was das Amtsgericht im Grundsatz auch nicht verkannt, aber hinsichtlich der von der Antragsgegnerin erworbenen gesetzlichen Rentenanwartschaften nicht beachtet hat.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat im Rahmen des vorliegenden Beschwerdeverfahrens von Amts wegen zu prüfen, ob die Vereinbarung nichtig ist. Eine nichtige Vereinbarung wird nämlich trotz familiengerichtlicher Genehmigung nicht wirksam (OLG Celle FamRZ 1981, 563). Die Vereinbarung verstößt indessen gegen kein gesetzliches Verbot. § 1587 o Abs. 1 Satz 2 BGB, wonach durch Vereinbarung Anwartschaftsrechte in eine gesetzliche Rentenversicherung nicht begründet oder übertragen werden können, ist nicht verletzt. Es handelt sich vorliegend nicht um eine Manipulation zu Lasten von Versicherungs- oder Versorgungsträgern (vgl. AG Düsseldorf, NJW 1978, 647 m.w.N.). Die Parteien haben vielmehr von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Versorgungsausgleich durch Verkürzung der Ehezeit teilweise auszuschließen. Eine entsprechende (nicht eine Absprache der Außerachtlassung bestimmter Versorgungsanrechte beinhaltende, sondern im Ergebnis sämtliche Versorgungsanrechte der Parteien verringernde und sich deshalb nicht zu Lasten Dritter auswirkende) Vereinbarung ist im Rahmen des § 1408 Abs. 2 zulässig und verstößt nicht gegen die auch insoweit beachtliche Schranke des § 1587 o Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. AG Berlin-Charlottenburg, FamRZ 1983, 76, 77; BGH FamRZ 1986, 890, 892; BGH FamRZ 1988, 153, 154). Als - allerdings genehmigungsbedürftige - Scheidungsvereinbarung liegt sie ebenfalls im Rahmen der Dispositionsbefugnis der Parteien (vgl. BGH NJW 1987, 1768, 1769; Palandt-Diederichsen, BGB, 48. Aufl., § 1587 o Anm. 2).</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die erwähnte Vereinbarung verstößt auch nicht gegen § 138 BGB. Sie ist nämlich nicht sittenwidrig, da sie keine Manipulation zu Lasten der Solidargemeinschaft der in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherten enthält (vgl. Palandt-Diederichsen, a.a.O., § 1587 o Anm. 5) und auch nicht festgestellt werden kann, daß die Vereinbarung dadurch zustandegekommen ist, daß etwa der Antragsteller als wirtschaftlich Stärkerer die schwächere Lage der Antragsgegnerin bewußt zu seinem Vorteil ausgenutzt hätte. Soweit sich nämlich durch die Verkürzung der Ehezeit im Ergebnis die zugunsten der Antragsgegnerin zu begründenden Anwartschaften (insgesamt) verringern, stellt sich das ausweislich der notariellen Vereinbarung im Ergebnis als Gegenleistung dafür da, daß der Antragsteller seit Oktober 1979 ein Studium der Antragsgegnerin finanziert und ihren sowie den Unterhalt der gemeinsamen Tochter allein getragen hat. Ein grobes Mißverhältnis der beiderseitigen "Leistungen" kann nicht festgestellt werden.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Gilt danach der 30.09.1979 als Ende der Ehezeit, durfte das Amtsgericht auch hinsichtlich der von der Antragsgegnerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte erworbenen Rentenanwartschaften nicht von einer Ehezeit bis zum 30.04.1983 ausgehen und dementsprechend nicht die auf dieser Voraussetzung beruhende Auskunft der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 12.01.1987 heranziehen. Bei einer Ehezeit vom 01.05.1968 bis zum 30.09.1979 ist vielmehr entsprechend der Auskunft der ... vom 30.05.1986 von ehezeitbezogenen Rentenanwartschaften der Antragsgegnerin von 168,40 DM auszugehen. Im Hinblick auf die entsprechend höhere Differenz der beiderseitigen Rentenanwartschaften erhöhen sich die für die Antragsgegnerin gemäß § 1587 b Abs. 2 zu begründenden Anwartschaften um ((191,50 DM - 168,40 DM): 2 =) 11,55 DM auf (207,20 DM + 11,55 DM =) 218,75 DM.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 8 GKG, 93 a ZPO.</p>
|
315,199 | lg-dusseldorf-1989-09-12-10-o-5289 | {
"id": 808,
"name": "Landgericht Düsseldorf",
"slug": "lg-dusseldorf",
"city": 413,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 10 O 52/89 | 1989-09-12T00:00:00 | 2019-03-13T14:49:09 | 2022-10-18T15:08:52 | Urteil | ECLI:DE:LGD:1989:0912.10O52.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 11.243,70 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 16. November 1988 zu zahlen; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.</p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 5/6, die Beklagte zu 1/6.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 12.500,-- DM, für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000,-- DM.</p>
<p>Den Parteien wird gestattet, die Sicherheitsleistung auch in Form einer selbstschuldnerischen Bürgschaft einer westdeutschen Großbank oder Sparkasse zu erbringen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Tatbestand</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hatte von der Beklagten vom 15.12.198o bis 31.12.1985 Räumlichkeiten angemietet. Zum o1.o1.1986
veräußerte die Beklagte das Grundstück an einen Dritten, der das Mietverhältnis mit der Klägerin
fortsetzte.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Zur Zeit des Vertragsschlusses befand das Gebäude sich noch im Bau, die Mieträume sind in § 1 Ziffer 2
des Mietvertrages (Bl. 8-21 GA) bezeichnet als "die im Baukörper BA II im 2. OG gelegenen Flächen von ca.
1.000 qm gemäß beigefügten Grundrissplan (Anlage 1). Die Ausstattung der Räume ergibt sich aus der
beiliegenden Baubeschreibung (Anlage 2)." In § 4 Ziffer 1 a des Mietvertrages wurde der monatliche Mietzins in
der Zeit vom 15.12.198o bis 31.12.1981 mit 14,5o DM/qm, in der Zeit vom 01.01.1982 <u>bis 31.12.1982 mit
15,-- DM/qm und ab dem 01.01.1982</u> <u>mit 15,5o DM/qm vereinbart. In § 4 Ziffer 1 b wurde die monatliche
Nebenkostenvorauszahlung auf 3,4o DM/qm festgelegt. § 1 Ziffer 3 des Vertrages enthält folgende Bestimmung:</u></p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">"Eine etwaige Abweichung der angegebenen Nutzfläche von den tatsächlichen Verhältnissen, soweit
sie 2 <i>% </i>nicht übersteigt, begründet weder für den Vermieter noch für den Mieter Ansprüche
auf Abänderung des Mietzinses".</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Nebenkostenabrechnungen wurden im Juli des auf den Abrechnungszeitraum folgenden Jahres erstellt; für die
Klägerin ergab sich jeweils ein Guthaben von ca. 2.000,-- DM, das die Beklagte ihr auszahlte.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Aufgrund eines bei der Verlegung von neuem Teppichboden in den Räumen der Klägerin genommenen Aufmaßes
wurde im Spätsommer 1988 festgestellt, dass die effektive Nutzfläche nicht 1.000 qm, sondern nur 939,55 qm
beträgt, also um etwas über 6 <i>% </i>unter der im Mietvertrag angegebenen Fläche liegt. Daraufhin forderte
die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung zum 15.11.1988 zur Zahlung von 68.003,22 DM auf.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist der Ansicht, dieser Betrag stehe ihr nach § 812 Abs. 1 S. 1 BGB bzw. § 538 BGB zu, denn
sie habe während der gesamten Mietzeit sowohl zu viel Miete als auch zu hohe Nebenkosten gezahlt.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat ursprünglich beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 68.oo3,22 DM nebst 4 <i>% </i>
Zinsen seit dem 16.11.1988 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich der Rückforderung von gezahlten Nebenkosten hat die Klägerin ihre Forderung neu berechnet. Sie
beantragt nunmehr,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an sie 66.1o5,69 DM nebst 4 <i>% </i>Zinsen seit dem 16.11.1988 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Sie ist der Ansicht, die Angabe der Fläche von ca. l.ooo qm in dem Mietvertrag stelle nicht die Zusicherung einer
Eigenschaft dar, eine Mietminderung sei nicht erfolgt, da dies nach dem Vertrag ein Abänderungsverlangen voraussetze,
das unstreitig nicht erfolgte. Im Übrigen sei eine Mietminderung nach § 539 BGB wegen grober Fahrlässigkeit
der Klägerin, Bereicherungsansprüche nach § 814 BGB ausgeschlossen. Etwaige Ansprüche der Klägerin
seien jedenfalls verjährt und verwirkt. Zudem komme allenfalls eine Rückzahlung wegen der 980 qm unterscheitenden
Fläche in Betracht, denn nach § 1 Ziffer 3 des Mietvertrages seien Abweichungen der tatsächlichen Fläche
von der angegebenen Fläche in Höhe von 2 <i>% </i>hinzunehmen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen
Schriftsätze Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks"><u>Entscheidungsgründe</u></p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist in Höhe von 11.243,70 DM nach § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alternative BGB begründet. Im </p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Übrigen stehen der Klägerin gegen die Beklagte </p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Vertragliche Schadenersatzansprüche nicht zu und</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Sind Rückforderungsansprüche wegen ungerechtfertigter Bereicherung verjährt bzw. verwirkt.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">1.Die Beklagte ist nach § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alternative BGB verpflichtet, der Klägerin den im Jahre 1985
zu viel gezahlten Mietzins in Höhe von 11.243,7o DM zu zahlen, denn die Beklagte hat diesen Betrag durch Leistung
der Klägerin ohne Rechtsgrund erlangt.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">2.An einem Rechtsgrund fehlt es, weil die Klägerin nach dem Mietvertrag verpflichtet war, im Jahre 1985 pro
Quadratmeter einen monatlichen Mietzins in Höhe von 15,5o DM zu zahlen, sie diese Zahlungen auf der Basis von 1.ooo
qm erbrachte, die Grundfläche der Mietsache aber tatsächlich nur 939,55 qm beträgt. Im Jahre 1985 zahlte
die Klägerin Mietzins für 12 Monate x 6o,45 qm = 725,4o qm - also in Höhe von 725,4o qm x 15,5o DM =
11.243,7o DM -, ohne dass sie dazu nach dem Mietvertrag verpflichtet war.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">a)Dem Rückforderungsanspruch der Klägerin steht die in § 1 Ziffer 3 des Mietvertrages getroffene
Regelung nicht entgegen. Eine Auslegung dieser Regelung nach §§ 133, 157 BGB ergibt nämlich, dass hierdurch
nur Ansprüche ausgeschlossen sind, die auf einer Abweichung der tatsächlichen Mietfläche von den vertraglich
angenommenen 1.000 qm von höchstens 2 %, also 20 qm, beruhen; Ansprüche, die auf einer höheren Abweichung
der tatsächlichen Mietfläche beruhen, bleiben unberührt.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Der Wortlaut der Klausel ergibt direkt keine Anhaltspunkte für einen bestimmten Regelungsgehalt bei - hier
vorliegenden - Flächenabweichungen von über 2 <i>%. </i>Zieht man den Umkehrschluss, so ergibt sich, dass bei
Abweichungen über 2 <i>% </i>für beide Vertragsparteien Ansprüche auf Abänderung des Mietzinses
begründet sind. Aus den Formulierungen "Ansprüche <u>auf</u> Abänderung" und
"begründet" lässt sich der Schluss ziehen, der Anspruchsteller müsse seinen Anspruch zunächst
anmelden, für die Vergangenheit seien daher Forderungen ausgeschlossen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Das Gericht ist der Auffassung, dass die Umformulierung der Klausel im Wege des Umkehrschlusses der Interessenlage der
Parteien und insbesondere dem Sinn und Zweck der Regelung nicht gerecht wird. Die Klausel regelt den Fall, dass die
tatsächliche von der angegebenen Fläche um bis zu 2 % abweicht. In diesen Fällen soll eine Angleichung des
Mietzinses unterbleiben. Die Formulierungen "Ansprüche auf Abänderung" und "begründet"
ist juristisch nicht zutreffend, denn streng genommen hätte formuliert werden müssen, dass wegen einer
Flächenabweichung von bis zu 2 % Ansprüche ausgeschlossen sind bzw. nicht geltend gemacht werden; solche
Ansprüche sind nämlich bereits per Gesetz (§ 812 BGB) entstanden. Aus dem unglücklich gewählten
aber eindeutigen Wortlaut der positiven Formulierung erwächst nicht im Wege des Umkehrschlusses ein Anspruchsausschluss
für in der Vergangenheit entstandene Ansprüche.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Gemäß §§ 133, 157 BGB ist entscheidend der objektive Erklärungswert der Klausel, wie sie die
Parteien nach Treu und Glauben und nach der Verkehrsanschauung verstehen mussten. Vor dem wirtschaftlichen Hintergrund,
dass die Räumlichkeiten sich bei Vertragsabschluss noch im Bau befanden und die Fläche sich nicht exakt bestimmen
ließ, ist nur die Auslegung sachgerecht, wonach § 1 Ziffer 3 des Mietvertrages für geringfügige
Abweichungen bis zu 2 % Auswirkungen auf die Höhe des Mietzinses ausschließt, jedoch für den Fall der
darüber hinausgehenden Abweichungen keine Regelung trifft, insoweit gelten die gesetzlichen Bestimmungen. Dies
entspricht der Interessenlage der Parteien, denn es sind keine Gründe ersichtlich, warum Mieter und Vermieter sich
für den Fall der erheblichen Abweichung bereits entstandener Ansprüche wieder begeben wollten; die von der
Beklagten vertretene andere Auslegung läuft letztlich darauf hinaus, dass Ansprüche für die Vergangenheit
gänzlich ausgeschlossen sind, jedoch unklar ist, ab wann und in welcher Höhe sie nach einer Anmeldung des
Anspruchsgrundes geltend gemacht werden können. Damit würde die Regelung im Ergebnis Fragen aufwerfen und
Unklarheiten schaffen und damit ihrer Funktion, die Parteien zu befrieden, nicht gerecht.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">c) Der Anspruch der Klägerin ist nicht nach § 814 BGB ausgeschlossen. Die Beklagte behauptet selbst nicht
ernstlich, die Klägerin habe in Kenntnis einer fehlenden Verpflichtung einen Teil des Mietzinses bezahlt. Selbst
"Kennen müssen" genügt aber zum Ausschluss des Rückforderungsrechtes nicht, selbst wenn die
Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruht. Bloße Zweifel am Bestehen der Nichtschuld stehen gleichfalls der
positiven Kenntnis nicht gleich; sie genügen nur dann zum Ausschluss des Rückforderungsrechts nach § 814
BGB, wenn die Leistung in der erkennbaren Absicht erfolgt ist, sie auch für den Fall der Nichtschuld zu bewirken
(vgl. Palandt-Thomas, 48. Aufl. 1989, § 814 BGB Anm. 2 a). Eine solche erkennbare Absicht der Klägerin lag
nicht vor.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat ihr Rückforderungsrecht auch nicht verwirkt, denn im Gegensatz zu der Rückforderung zu
viel gezahlter Nebenkosten (vgl. unten <i>3-) </i>liegen keine Umstände vor, die die Geltendmachung dieses Anspruchs
als gegen Treu und Glauben verstoßend erscheinen lassen. Insbesondere berührt die Rückforderung des
Mietzinses nicht das Verhältnis der Beklagten zu ihren anderen ehemaligen Vertragspartnern.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Dem Rückzahlungsanspruch hinsichtlich des von Dezember 1980 bis Dezember 1984 ohne Rechtsgrund gezahlten Mietzinses
steht die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen. Sie ist nach § 222 Abs. 1 BGB berechtigt,
die Leistung zu verweigern. Der Anspruch der Klägerin verjährt nämlich nach §§ 197, 2o1 BGB in
vier Jahren, wobei die Verjährung der im Jahre 1984 entstandenen Rückforderungsansprüche am <u>o1.o1.1989</u>
eintrat, die Verjährung der übrigen Ansprüche entsprechend jeweils ein Jahr früher.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Obgleich hinsichtlich der Verjährung von Bereicherungsansprüchen regelmäßig die 3ojährige
Verjährungsfrist des § 195 BGB Anwendung findet, hält die Kammer bei der vorliegenden Konstellation die
Anwendung des § 197 BGB für gerechtfertigt. Dabei können die vom Bundesgerichtshof (vgl. BGH NJW 1986, 2654)
zur Verjährungsfrist für Rückerstattungsansprüche aus sittenwidrigen Ratenkreditverträgen
entwickelten Gedanken entsprechende Anwendung finden, denn die Fallgestaltungen entsprechen sich. Auch der nicht durch
eine vertragliche Verpflichtung gedeckte Teil des gezahlten Mietzinses ist eine rechtsgrundlose Leistung. Der Anspruch
auf Rückzahlung entsteht wie bei den einzelnen Leistungen aus einem Ratenkreditvertrag mit jeder einzelnen Zahlung und
wird jeweils sofort fällig. Der Anspruch ist von vornherein auf eine in regelmäßiger zeitlicher Wiederkehr
zu erbringende Zahlung gerichtet; dies ist das bestimmende Merkmal eines Anspruchs auf regelmäßig wiederkehrende
Leistungen im Sinne des § 197 BGB. Auch der Umstand, dass der Rückzahlungsanspruch erst durch ein Handeln des
Mieters, nämlich die Zahlung des monatlichen Mietzinses entsteht, steht der Anwendung des § 197 BGB nicht
entgegen. Die Kammer teilt die Auffassung des BGH, daß eine Beschränkung der kurzen Verjährung auf
vertragliche Ansprüche oder auf Leistungen, die auf einem Stammrecht beruhen, mit § 197 BGB nicht zu vereinbaren
ist. Vielmehr rechtfertigt die sukzessive Entstehung dieses Bereicherungsanspruchs die Anwendbarkeit des § 197 BGB
schon seinem Wortlaut nach. Auch die Zweckanalyse des § 197 BGB spricht dafür, die Vorschrift auf
Rückerstattungsansprüche der vorliegenden Art anzuwenden. Wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt, liegt der
gesetzgeberische Grund für die Schaffung des § 197 BGB darin, dass "die Ansammlung derartiger
Rückstände keine Begünstigung verdient" (Mot. I, 3o5). Die Vorschrift soll verhindern, dass die
Forderungen des Gläubigers sich mehr und mehr ansammeln und schließlich einen Betrag erreichen, dessen Aufbringung
in einer Summe dem anderen immer schwerer fällt (vgl. BGH a.a.O.). Diese Gefahr besteht auch bei den hier in Rede
stehenden Ansprüchen auf Rückzahlung eines Teils des Mietzinses.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Vertragliche Schadensersatzansprüche nach § 538 BGB stehen der Klägerin nicht zu.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Selbst wenn man die geringere Größe der Mietsache als Mangel ansieht, so war jedenfalls die Tauglichkeit zum
vertragsgemäßen Gebrauch unstreitig nicht erheblich eingeschränkt (§ 537 Abs. 1 S. 2 BGB).</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die Angabe der Fläche von "ca. I.ooo qm gemäß beigefügtem Grundrissplan" stellt nicht die
Zusicherung einer bestimmten Größe der Mietsache gemäß §§ 537 Abs. 2 S. 2., 580 BGB dar. Die
Flächenangabe hat - wie sich aus dem tatsächlichen Geschehen ergibt - keinen Bezug zur Benutzbarkeit der
Mietsache, auch die Ca.-Angabe im Zusammenhang mit dem Verweis auf den Grundrissplan und der in § 1 Ziffer 3 des
Mietvertrages getroffenen Regelung spricht eindeutig gegen eine Zusicherung. Es handelt sich lediglich um eine
Objektbeschreibung.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die Ansprüche der Klägerin auf Rückzahlung zu viel gezahlter Nebenkosten sind verwirkt. Die Klägerin
hat ihre diesbezüglichen Ansprüche gegenüber der Beklagten erst mehr als zwei Jahre nach der Erteilung der
letzten Nebenkostenabrechnung für das Jahr 1985, nämlich im Oktober 1988, geltend gemacht. In diesem Zeitpunkt
konnte die Beklagte bereits darauf vertrauen, dass die Klägerin einen Rückforderungsanspruch nicht mehr geltend
machen würde, § 242 BGB.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Verwirkung setzt kein Verschulden des Berechtigten voraus, auch Kenntnis des Berechtigten von seinem Recht ist nicht
erforderlich. Es genügt, dass der Berechtigte bei objektiver Beurteilung Kenntnis hätte haben können (vgl.
Palandt-Heinrichs § 242 Anm. 9 d, cc). Die Voraussetzungen für die Verwirkung können auch bereits zu einem
Zeitpunkt vorliegen, in dem die Forderung noch nicht verjährt ist (vgl. BGH NJW 1959, 1629).</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Aufgrund des bloßen Zeitablaufs ist die Annahme, dass für den Verpflichteten ein Vertrauenstatbestand
geschaffen worden ist, grundsätzlich nicht möglich. Über den Zeitablauf hinaus müssen noch besondere
Gründe vorliegen, die die Feststellung rechtfertigen, der Schuldner habe bereits darauf vertrauen können,
daß der Gläubiger die Forderung nicht mehr geltend macht (vgl. BGH NJW 1984; 1685). Dieses Umstandsmoment ist
hier darin begründet, dass die Klägerin auf die Abrechnung der Beklagten im Juli 1986 die Auszahlung des sich
ergebenden Guthabens entgegennahm und keine weitere Überprüfung der Abrechnung bzw. der Abrechungsgrundlagen
unternahm, obwohl mittlerweile die Beklagte nicht mehr Vermieterin der Mietsache war. Es ist zu berücksichtigen,
dass berechtigte Einwände der Klägerin gegen die Nebenkostenabrechnungen für alle Mieter neu zu erstellen
bzw. zu ergänzen, wenn sie nicht selbst Aufwendungen tragen will, die nach dem Vertrag von den Mietern zu zahlen
sind. Dies ist dem Vermieter jedenfalls bei einer ihm selbst nicht bekannten falschen Wohnflächenangabe mehr als
zwei Jahre nach der Veräußerung des Gebäudes nicht zumutbar. Bei objektiver Würdigung konnte die
Beklagte annehmen, die Klägerin verzichte auf die Rückforderung möglicherweise ohne Rechtsgrund gezahlter
Nebenkosten.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">4. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1 S. 1 BGB, denn die Beklagte geriet durch das Mahnschreiben mit
Fristsetzung zur Zahlung bis zum 15.11.1988 am 16.11.1988 in Verzug.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit auf § 7o9 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Der Streitwert wird festgesetzt auf 68.003,22 DM bis 26.06.1989, danach auf 66.105,69 DM.</p>
|
315,200 | olgk-1989-09-11-7-va-389 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 7 VA 3/89 | 1989-09-11T00:00:00 | 2019-03-13T14:49:10 | 2022-10-18T15:08:52 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1989:0911.7VA3.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 23 ff EGGVG wird als unzulässig verworfen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 23 ff EGGVG wird als unzulässig verworfen.</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">
G r ü n d e:</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Vom Amtsgericht Aachen war am 1. Juni 1984 über das Ver­mögen des Architekten E.M. das Vergleichsverfahren er­öffnet worden (19 VN 2/84). Zu diesem Verfahren meldete der Antragsteller eine Forderung in Höhe von 250.000,- DM an. Durch Beschluß vom 18.'Dezember 1987 wurde das Ver­gleichsverfahren aufgehoben.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Mit Schriftsatz vom 23. Februar 1989 beantragte der Antragsteller, der gegen M. weitere, teilweise titu­lierte Forderungen geltend macht, beim Vergleichsgericht, ihm die gesamten Vergleichsakten zum Zwecke der Einsicht­nahme für angemessene Zeit zu überlassen, hilfsweise</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">die Einsichtnahme auf der Geschäftsstelle des Gerichts zu gewähren. Nach Anhörung des Schuldners, des früheren Vergleichsverwalters sowie eines ehemaligen Beirats­mitglieds und ergänzender Stellungnahme des Antrag­stellers wies das Amtsgericht Aachen mit Beschluß vom 10. Mai 1989 - 19 VN 2/84 - die Anträge des Antrags­stellers zurück, weil die begehrte Einsicht in die gesamten Akten aus Gründen des Datenschutzes ausscheide.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Antragsteller vertritt die Auffassung, bei der Entscheidung des Vergleichsgerichts handele es sich um eine Maßnahme der Justizverwaltung, weil zur Zeit seines Antrags das Vergleichsverfahren aufgehoben bzw. abgeschlossen gewesen sei. Die Entscheidung des Amts­gerichts sei in der Sache unrichtig.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Er beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">das Amtsgericht Aachen zu verpflichten, dem Antragsteller die gesamten Vergleichs­akten E.M. - AG Aachen 19 VN 2/84 - zum Zwecke der Einsichtnahme im Büro des Ver­fahrensbevollmächtigten des Antragstellers für eine angemessene Zeit zu überlassen,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">hilfsweise, dem Antragsteller die Einsicht­nahme in die gesamten Vergleichsakten M. auf der Geschäftsstelle des Vergleichsge­richtes zu gewähren,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">hilfsweise, das Amtsgericht Aachen unter Aufhebung des Beschlusses vom 10.05.1989 zu verpflichten, den Antragsteller wegen der Einsichtnahme in die Vergleichsakten M. unter Beachtung der Rechtsauffassung des OLG neu zu bescheiden.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat dem Direktor des Amtsgerichts Aachen Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf sein Schreiben vom 12. Juli 1989 ebenso Bezug genommen wie auf die Schriftsätze des Antragstellers vom 15. Juni 1989 und 17. August 1989 nebst ihren Anlagen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks"> II.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Der Antrag ist unzulässig und muß deshalb verworfen werden.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Nach § 23 EGGVG entscheiden über die Rechtmäßigkeit der Anordnungen, Verfügungen oder sonstigen Maßnahmen, die von Justizbehörden zur Regelung einzelner Angelegenheiten unter anderem auf dem Gebiet des bürgerlicnen Rechts ein­schließlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit getroffen werden, die ordentlichen Gerichte.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">So kann nach allgemeiner Meinung die Versagung der Akten­einsicht an dritte Personen durch den Vorstand des Gerichts nach § 299 Abs. 2 ZPO gemäß § 23 EGGVG angefochten werden. Entsprechendes gilt für § 120 Abs. 3 ,der bestimmt, daß der Vorstand des Gerichts anderen Personen als dem Schuldner, dem vorläufigen Verwalter, dem Vergleichsver­walter und jedem Gläubiger die Einsicht der Akte unter bestimmten Voraussetzungen gestatten kann. Eine solche Maßnahme einer Justizbehörde liegt indessen hier nicht vor.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Der Vorstand des Gerichts, d.h. der Direktor des Amts­gerichts Aachen, hat, was unstreitig ist, eine Maßnahme im Sinne des § 23 EGGVG nicht getroffen. Der Antragstel­ler hat bei ihm nicht um Akteneinsicht nachgesucht.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Der Direktor des Amtsgerichts Aachen hat, wie er in seiner Stellungnahme vom 12. Juli 1989 klargestellt hat, eine Entscheidung jedenfalls bisher auch nicht getroffen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Das Vergleichsgericht ist keine Justizbehörde im Sinne des § 23 EGGVG. Seine ablehnende Entscheidung vom 10. Mai 1989 ist im Rahmen der dem Vergleichsgericht zugewiesenen Aufgaben der Rechtspflege ergangen. Das Gericht hat den Antrag des Antragstellers nicht nach § 120 Abs. 3, sondern nach 120 Abs. 2 zurückgewiesen; es hat mithin den Antragsteller nicht als Dritten, sondern als Gläubiger im Sinne des § 120 Abs. 1 angesehen und dabei auch nicht zwischen der angemeldeten und den nicht angemeldeten Forderungen des Antragstellers unterschieden. Eine solche Unterscheidung hätte dem Gesetz auch nicht entsprochen, das als Gläubiger ausdrücklich "jeden Gläubiger" ansieht (vgl. Bley-Mohrbutter, 4. Aufl.,§ 120 Rdnr. 4; Uhlenbruck, AnwB1. 1971, 333).</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Eine derartige bei der gebotenen funktionalen Betrach­tungsweise (vgl. zuletzt BGH NJW 1989, 588) eindeutig dem Bereich der Rechtspflege zuzuordnende Entscheidung des Vergleichsgerichts unterliegt aber nicht der An­fechtung als Justizverwaltungsakt nach § 23 EGGVG</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">(vgl. für den vergleichbaren Fall des § 299 ZPO OLG Frankfurt, Rpfleger 1976, 399; Stein-Jonas/Leipold, ZPO, 20. Aufl., § 299 Rdnr. 31 am Ende). Aus Art. 19 Abs. 4 GG, der den Rechtsweg bei Verletzung von Rechten durch die öffentliche Gewalt eröffnet, folgt nichts anderes. Denn es ist allgemein anerkannt, daß Art. 19 Abs. 4 GG keinen Rechtschutz gegen gerichtliche Entschei­dungen gibt (vgl. Kissel, GVG, § 23 EGGVG, Rdnr. 9).</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Ob die Entscheidung des Vergleichsgerichts im Hinblick auf § 121 Abs. 1 einer Anfechtung, etwa im Wege der sofortigen Beschwerde überhaupt zugänglich ist (ver­neinend Bley-Mohrbutter, a.a.O. Rdn. 5 unter a), steht nicht zur Entscheidung des Senats.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung des Antragstellers wird die Entscheidung des Vergleichsgerichts nicht dadurch zum Justizverwaltungsakt, daß das Vergleichsverfahren mit Beschluß vom 18. Dezember 1987 aufgehoben worden ist. Der Beschluß des Gerichts vom 10. Mai 1989 ist als Recntspflegeentscneidung ergangen und bleibt dies auch, ungeachtet der Frage, ob nach Abschluß des Vergleichs­verfahrens weiterhin das Vergleichsgericht über Anträge der Beteiligten auf Akteneinsicht zu entscheiden hat (so Schrader-Uhlenbruck, Konkurs- und Vergleichsver­fahren, 4. Aufl., S. 336, Rdn. 1017 a am Ende; Uhlen­bruck, Anw8l. 1971, 334 unter II) oder ob in diesem Falle der Vorstand des Gerichts zur Entscheidung be­rufen ist, was für den vergleichbaren Fall des § 299 ZPO vereinzelt vertreten wird (vgl. OLG </p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Colmar, OLG Rsp. 25, 96; Egon Schneider, MDR 1984, 109; anderer Ansicht aber mit wohl zutreffender Begründung Stein-Jonas/ Leipold a.a.O. Rdnr. 17; AK-ZPO­Deppe-Hilgenberg, § 299 Rdn. 3). Selbst wenn man da­von ausgehen wollte, was der Antragsteller selbst nicht vorträgt, daß das Vergleichsgericht unzulässigerweise in der Sache selbst entschieden hätte, würde dies, weil es sich nach wie vor um eine Entscheidung des Gerichts im Bereich der Rechtspflege handeln würde, den Rechts­weg nach §§ 23 ff EGGVG nicht eröffnen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Der Antrag erweist sich nach alledem unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt als zulässig. Er muß daher verworfen werden.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Geschäftswert: 5.000,-- DM (§§ 30 Abs. 3 EGGVG, 30 Abs. 2 KO</p>
|
315,201 | ovgnrw-1989-09-01-15-a-258486 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
"slug": "ovgnrw",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 15 A 2584/86 | 1989-09-01T00:00:00 | 2019-03-13T14:49:12 | 2022-10-18T15:08:52 | Urteil | ECLI:DE:OVGNRW:1989:0901.15A2584.86.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Das angefochtene Urteil wird geändert.</p>
<p>Es wird festgestellt, daß der als Verwaltungsakt ergangene Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 20. Mai 1985 und der Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 1985 rechtswidrig waren.</p>
<p>Im übrigen mird die Klage abgewiesen.</p>
<p>Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.</p>
<p>Der Kläger trägt 5/6, der Beklagte 1/6 der Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.</p>
<p>Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p>Die Revision wird nicht zugelassen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist ein von der Industrie- und Handelskammer zu</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">gebildeter Prüfungsausschuß für den Ausbildungsberuf Lacklaborant. Durch Beschluß vom 26. April 1985 forderte er die Industrie- und Handelskammer auf, ihm zur Vorbereitung der für den 20./21. Mai 1985 vorgesehenen schriftlichen Abschlußprüfung 1985 die Prüfungsaufgaben zur Einsichtnahme und Beschlußfassung vorzulegen. Der Beklagte lehnte diesen Antrag durch ein - mit Rechtsmittelbelehrung versehenes - Schreiben vom 20. Mai 1985 ab und wies den Widerspruch des Klägers durch ein weiteres Schreiben vom 18. Oktober 1985 zurück.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Mit der Klage hat der Kläger geltend gemacht: Nach dem Berufsbildungsgesetz seien die Prüfungsausschüsse als Organe der Industrie- und Handelskammern zuständig für die Abnahme der Abschlußprüfungen. Ihre Kompetenz in diesem Bereich sei umfassend. Dazu gehöre auch die Meinungsbildung über die schriftlichen Aufgaben. Daher stehe ihm vor Durchführung des Prüfungsverfahrens das Recht zu, Einsicht in die entsprechenden Unterlagen zu nehmen. Weder Text noch Entstehungsgeschichte des Berufsbildungsgesetzes gäben einen Hinweis darauf, daß nur der Beklagte für die Erstellung der schriftlichen Prüfungsaufgaben zuständig sei. Aus der paritätischen Besetzung der Prüfungsausschüsse mit Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Lehrern sei vielmehr zu entnehmen, daß der Gesetzgeber dem Prüfungsausschuß eine autonome Funktion im Prüfungswesen der Kammern eingeräumt habe. Er, der Kläger, verfüge über spezielle Kenntnisse des jeweiligen Ausbildungsinhaltes und könne deshalb für den Fall, daß die überregional formulierten Aufgaben ungeeignet seien, regionale Besonderheiten berücksichtigen und gegebenenfalls sachgerechte Änderungen vornehmen, wenn ihm vor der jeweiligen Prüfung die Möglichkeit gegeben werde, die Prüfungsaufgaben einzusehen. Eine derartige Handhabung führe weder zu einer übermäßigen organisatorischen Belastung noch zu einer Gefährdung der Geheimhaltung des Prüfungsstoffes.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat beantragt</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">festzustellen, daß ihm zur Vorbereitung schriftlicher Abschlußprüfungen die Prüfungsaufgaben zur Einsichtnahme und Beschlußfassung vorgelegt werden müssen und daß der ablehnende Bescheid vom 20. Mai 1985 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 1985 rechtswidrig ist.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Er hat vorgetragen, § 36 des Berufsbildungsgesetzes beschränke den Aufgabenbereich der Prüfungsausschüsse auf die Abnahme der Prüfung. Zur Abnahme gehöre nicht das Stellen der schriftlichen Prüfungsaufgaben, sondern nur die Bewertung der eingereichten Arbeiten. Soweit die Prüfungsordnung vorsehe, daß der Kläger die Prüfungsaufgaben beschließe, müsse diese Vorschrift restriktiv ausgelegt werden, da die Prüfungsordnung nicht die Kompetenzverteilurig des Berufsbildungsgesetzes ändern dürfe. Das gesamte Prüfungsverfahren sei in die Hand der Kammerleitung gelegt. In deren Verantwortungsbereich werde unzulässig eingegriffen, wenn der Kläger die Möglichkeit erhalte, über die Frage einer zentralen oder örtlichen Aufgabenstellung selbst zu entscheiden oder über den Umweg einer Vorabinformation und Begutachtung auf die Aufgabenstellung Einfluß zu nehmen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat der Klage durch das angefochtene Urteil, auf dessen Gründe Bezug genommen wird, stattgegeben.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der dieser erneut seine Zuständigkeit für das gesamte Prüfungsverfahren, abgesehen von der Abnahme der Prüfung, hervorhebt. Angesichts dieser umfassenden Zuständigkeit tendiere der Begriff "Abnahme" zu einem engen Anwendungsbereich, der auch durch die Prüfungsordnung nicht ausgeweitet werden könne. § 14 Abs. 2 der Prüfungsordnung sehe ausdrücklich vor, daß der Kläger gehalten sei, überregional erstellte Prüfungsaufgaben zu übernehmen. Da diese Aufgaben bereits von paritätisch besetzten Gremien ausgewählt worden seien, sei für einen gesonderten Beschluß des Klägers kein Raum mehr, so daß auch eine Einsichtsbefugnis nicht bestehe. Die gesetzliche Kompetenzverteilung habe auch nicht etwa durch den Berufsbildungsausschuß, der als Organ der Industrie- und Handelskammer die Prüfungsordnung erlassen habe, zu Lasten der Geschäftsleitung und zugunsten des Klägers verändert werden dürfen. Sollten der Kläger und andere Prüfungsausschüsse Gelegenheit erhalten, vor der jeweiligen Prüfung Einsicht in die Prüfungsaufgaben zu nehmen, so würde dies schon wegen der Vielzahl der zu beteiligenden Prüfungsausschußmitglieder das Ende des bisherigen zentralen Prüfungssystems bedeuten.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und wiederholt seine Auffassung, er könne die ihm übertragene Aufgabe, Prüfungen abzunehmen, sachgerecht nur wahrnehmen, wenn er hinsichtlich der schriftlichen Prüfungsaufgaben ein Recht auf Einsichtnahme und Beschlußfassung habe.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration: underline;">Entscheidungsgründe:</span></p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Berufung des Beklagten hat überwiegend Erfolg. Das angefochtene Urteil ist zu ändern; denn die Klage ist nur insoweit begründet, als die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Bescheide vom 20. Mai und 18. Oktober 1985 begehrt wird; in der Sache selbst ist sie unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist hinsichtlich der erstrebten Feststellung von Kompetenzen des Klägers als Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGo zulässig. Die Beteiligten streiten über das Bestehen eines Rechtsverhältnisses im Sinne dieser Vorschrift, das sich auch aus der Anwendung von Normen des Innenrechts ergeben kann, </p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">vgl. Urteil des Senats vom 30. August 1985 - 15 A 706/82, NVwZ 1986, 851, 852.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Der Kläger nimmt organschaftliche Befugnisse in Anspruch, die er aus seiner Stellung als Ausschuß der Industrie- und Handelskammer herleitet; der Beklagte stellt das Bestehen solcher Befugnisse in Abrede und hat sich in der Vergangenheit - über den hier streitigen Vorgang hinaus - mehrfach geweigert, dem Verlangen des Klägers auf Einsichtnahme in die Prüfungsaufgaben zum Zwecke der Beschlußfassung vor der Prüfung nachzukommen. Der Streit bezieht sich folglich - ungeachtet gelegentlich generalisierender schriftsätzlicher Ausführungen der Beteiligten - auf einen konkreten Sachverhalt und nicht nur auf eine abstrakte Rechtsfrage. Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an einer baldigen Feststellung, da erneute rechtliche Auseinandersetzungen zu befürchten sind. Er kann seine Rechte auch nicht ebenso gut mit einer Leistungsklage verfolgen (.5 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO); denn hierbei würde sein Begehren jeweils auf Einzelfälle beschränkt sein und alsbald eine Erledigung der Hauptsache durch Zeitablauf eintreten.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Soweit es um die Ablehnungsbescheide geht, ist die Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ebenfalls zulässig, weil sich die Bescheide erledigt haben und der Kläger im Hinblick auf eine ihm drohende Wiederholung der Ablehnung ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat. Der Senat entnimmt der Formulierung im Tenor des angefochtenen Urteils "entgegen der im ablehnenden Bescheid vertretenen Rechtsauffassung", daß das Verwaltungsgericht auch diesen Teil der Klage beschieden hat. Er ist demgemäß auch Gegenstand der vom Beklagten uneingeschränkt eingelegten Berufung.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist jedoch nur in dem eingangs genannten Umfang begründet.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Zugunsten des Klägers ist festzustellen, daß die Bescheide vom 20. Mai und 18. Oktober 1985 rechtswidrig waren. Denn der Beklagte hatte die Ablehnung der Anträge - wie die Rechtsmittelbelehrung zeigt - in die Gestalt von Verwaltungsakten gekleidet, die die Rechtsfolge einer möglichen Bestandskraft in Anspruch nahmen. Dafür ist beim Streit zwischen Organen um Kompetenzen im innerorganisatorischen Bereich schon mangels einer unmittelbaren Rechtswirkung nach außen (vgl. § 35 VwVfG) kein Raum.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Weitergehende Feststellungen kann der Kläger nicht beanspruchen, denn eine Befugnis zur Einsichtnahme in überregional erstellte Prüfungsaufgaben und zur Beschlußfassung darüber steht ihm nach geltendem Recht nicht zu. Weder das Berufsbildungsgesetz noch die Prüfungsordnung der vom Beklagten vertretenen Industrie- und Handelskammer enthalten eine entsprechende, im innerorganisatorischen Bereich unverzichtbare Kompetenzzuweisung.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Das Berufsbildungsgesetz institutionalisiert zwar im Vierten Abschnitt die Prüfungsausschüsse, regelt aber - mit einer hier nicht interessierenden Ausnahme in § 39 Abs. 2 Satz 2 BBiG - nicht deren Kompetenzen. Das gilt auch für § 36 Satz 1 BBiG. Danach errichtet die zuständige Stelle für die Abnahme der Abschlußprüfung Prüfungsausschüsse. Die neutrale Bezeichnung "Abnahme" besagt lediglich, daß, nicht jedoch in welchem Umfang die Prüfungsausschüsse tätig werden sollen. Ein Unterschied zu dem an anderer Stelle verwandten Begriff "durchzuführen" (vgl. § 34 Abs. 1 Satz 1 BBiG) ist nicht zu erkennen. Die Fassung des § 36 BBiG stützt daher weder die vom Beklagten vertretene Auffassung, bereits das Berufsbildungsgesetz beschränke die Zuständigkeit der Prüfungsausschüsse auf die Prüfungsabschnitte "Bewerten der Prüfungsleistung und Feststellung des Prüfungsergebnisses" und schon deshalb sei deren Mitwirkung an den Prüfungsaufgaben ausgeschlossen</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">  vgl. Knopp/Kraegeloh, Berufsbildungsgesetz, Komm., 2. Aufl. 1982, Erl. 3 zu § 36; Hurlebaus, Gewerkschaftliche Bildungspolitik 1984, 44 ff; Herkert, Berufsbildungsgesetz, Komm., Stand März 1989, Rdn. 9 und 10 zu § 36 -,</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">noch die Annahme des Klägers, der Prüfungsausschuß sei als allein zur Abnahme der Prüfung berufenes Gremium für alle die Abschlußprüfung betreffenden Fragen zuständig,</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">  vgl. Walter/Hausmann, Gewerkschaftliche Bildungspolitik 1984, 40, 43; Düring/Wohlgemuth, DB 1986, Beil. 28, S. 10; Hamb. OVG, Urteil vom 22. Dezember 1977- Bf II 93/76 -, Hamb JVB1 1978, 37.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Der zuletzt genannten Auslegung stünde im übrigen die Systematik des Berufsbildungsgesetzes entgegen.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Das Prüfungswesen in den anerkannten Ausbildungsberufen gehört zu den Selbstverwaltungsangelegenheiten der Industrie- und Handelskammer (vgl. § 1 Abs. 2 IHKG). Demgemäß führt sie die Prüfungen als eigene Angelegenheit aus,</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">  vgl. BVerwG, Urt. vom 20. Juli 1984 - 7 C 28.83 -, BVerwGE 70, 4, 7 = DVB1. 1985, 57, 58,</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">hat dabei aber die bindenden Vorgaben des Vierten Abschnitts des Berufsbildungsgesetzes zu beachten. Danach ist ihr die Verpflichtung auferlegt, einen Prüfungsausschuß zu errichten und diesen am Prüfungsverfahren zu beteiligen. Ferner hat sie die Zusammensetzung und die Berufung des Ausschusses sowie Fragen des Vorsitzes, der Beschlußfähigkeit und der Abstimmung in Übereinstimmung mit §§ 37 und 38 BBiG zu regeln und muß dem Ausschuß gemäß § 39 Abs.2 Satz 2 BBiG die abschließende Entscheidung über die Prüfungszulassung einräumen. Ober diese Mindestregelung hinaus überläßt jedoch das Berufsbildungsgesetz die Ausgestaltung des Einsatzes des Prüfungsausschusses und damit auch die Abgrenzung seiner Kompetenzen der Regelung durch die Industrie- und Handelskammer in der Prüfungsordnung. Die weitreichende Gestaltungsermächtigung zugunsten der Industrie- und Handelskammer kommt etwa darin zum Ausdruck, daß ihr sogar die Festlegung der Bewertungsmaßstäbe in der Prüfungsordnung übertragen ist (vgl. § 41 Satz 2 BBiG).</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Vor diesem Hintergrund kann dem Hamburgischen Oberverwaltungsgericht (aa0) auch nicht darin gefolgt werden, daß die Prüfungsausschüsse die einzigen im Prüfungswesen zu bildenden Institutionen seien. Denn die Industrie- und Handelskammer kann, soweit sie nicht dem Prüfungsausschuß Funktionen zuweist, Aufgaben des Prüfungswesens auch durch ihren Hauptgeschäftsführer erfüllen lassen.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Aufgrund der Ermächtigung hat der Berufsbildungsausschuß der vom Beklagten vertretenen Industrie- und Handelskammer die "Prüfungsordnung für die Durchführung von Abschlußprüfungen in anerkannten Ausbildungsberufen" (PrO) beschlossen. Diesem Ausschuß obliegt es als mit umfassender Regelungskompetenz ausgestattetem Organ der Kammer</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">  vgl. BVerfG, Beschluß vom 14. Mai 1986 2 BO_ 19/84 -, BVerfGE 72, 278, 291 f; Düring/Wohlgemuth, aa0, S. 3 ff -</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">nach § 58 Abs. 2 BBiG, die aufgrund des Berufsbildungsgesetzes von der Kammer zu erlassenden Rechtsvorschriften für die Durchführung der Berufsbildung zu beschließen. Dazu zählen auch die Prüfungsordnungen</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">  vgl. Knopp/Kraegeloh, aa0, Erl. 2 zu § 58.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Die hier maßgebliche Vorschrift der Prüfungsordnung lautet - in Obereinstimmung mit der Musterprüfungsordnung des Bundesausschusses für Berufsbildung,</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">  abgedruckt bei Knopp/Kraegeloh, aa0, Anh. III, Nr. 2, Anl. 1 a -</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">wie folgt:</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">§ 14 Prüfungsaufgaben</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">(1) Der Prüfungsausschuß beschließt auf der Grundlage der Ausbildungsordnung die Prüfungsaufgaben.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">(2) Der Prüfungsausschuß ist gehalten, überregional erstellte Prüfungsaufgaben zu übernehmen, soweit diese von Gremien erstellt oder ausgewählt worden sind, die im Einvernehmen mit der beteiligten Stelle entsprechend § 37 Abs. 2 BBiG zusammengesetzt worden sind.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Danach kann nur in den Fällen, in denen der Prüfungsausschuß selbst die Prüfungsaufgaben formuliert und "beschließt", dem Anliegen des Klägers Rechnung getragen werden; denn die Beschlußfassung erfordert, wenn sie sinnvoll sein soll, die Möglichkeit einer vorhergehenden umfassenden Beschäftigung des Ausschusses mit dem Prüfungsstoff. Die - im vorliegenden Falle allein streitige -Behandlung überregional erstellter oder ausgewählter Prüfungsaufgaben ist dagegen ausdrücklich (nur) in § 14 Abs. 2 PrO geregelt, der eine Beschlußfassung durch den Prüfungsausschuß nicht vorsieht. Damit entfällt auch das daran anknüpfende, die Beschlußfassung vorbereitende Einsichtsrecht.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Die strikte Bindung des Prüfungsausschusses an überregional erstellte oder ausgewählte Aufgaben kommt in den Formulierungen "ist gehalten" und "übernehmen" zum Ausdruck. Beide Wendungen verdeutlichen, daß dem Prüfungsausschuß kein eigener Spielraum für die Entscheidung verbleibt, inwieweit die von der Prüfungsordnung intendierte Rechtsfolge, die Abnahme der Abschlußprüfung auf der Grundlage überregional erstellter Prüfungsaufgaben, eintreten soll. Das Wort "gehalten" bedeutet in diesem Zusammenhang dasselbe wie "verpflichtet",</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">  ebenso Hurlebaus, aa0, S. 46; a.A. ("Soll-Vorschrift") Eule, Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis 1982, 1, 4, und Walter/Hausmann, aa0, S. 41.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Es handelt sich um die Partizipialform des heute nur noch wenig geläufigen Tätigkeitswortes "halten" im Sinne von "zu etwas anhalten". Allgemein wird es in der Verbindung "zu etwas gehalten sein" gleichgesetzt mit den Formulierungen "auferlegt bekommen haben; verpflichtet, gebunden oder verbunden sein",</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">  vgl. Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Band 3, 1977; Grimm, Deutsches Wörterbuch, Nachdr. 1984, Band 5, S. 2319.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Das Wort "übernehmen" verstärkt - gerade im Vergleich zu der in § 14 Abs. 1 PrO verwandten Wendung "beschließt" - die beabsichtigte Bindung des Prüfungsausschusses. Bei einer Verpflichtung zur Übernahme von Prüfungsaufgaben bleibt kein Raum für die Untersuchung, ob etwa ein atypischer Fall vorliegt, der abweichende Rechtsfolgen rechtfertigen könnte. Hätte der Berufsbildungsausschuß mit § 14 Abs. 2 PrO lediglich eine Richtlinie für typische Fälle geben wollen, von der "aus wichtigen Gründen" zur Fehlerkorrektur oder zum Ausgleich regionaler Besonderheiten abgewichen werden dürfte, so hätte er auf Formulierungen wie "soll" oder "in der Regel" zurückgreifen müssen, die in der Rechtssprache seit jeher für eine differenzierte Gebundenheit der Rechtsanwendung stehen,</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">  vgl. Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl. 1974, § 31 II b.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Im übrigen bedarf es zur Fehlerkorrektur keines Einsichtsrechts; denn der Prüfungsausschuß kann von ihm für fehlerhaft erachtete Aufgaben im Rahmen der allein ihm obliegenden Bewertung der Prüfungsleistungen berücksichtigen und ausgleichen.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 14 Abs. 2 PrO können Zweckmäßigkeitserwägungen,</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">  vgl Düring/Wohlgemuth, aaO, S. 11: Beachtung regionaler Besonderheiten, Beseitigung möglicher Anfechtungsgründe im Vorfeld der Prüfung; vgl. ferner Berufsbildungspolitischer Ausschuß des DGB, Thesen zur Arbeit der Aufgabenerstellungsausschüsse, Gewerkschaftliche Bildungspolitik 1984, 44, </p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">entsprechende Befugnisse des Prüfungsausschusses nicht begründen,</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">  vgl. BVerwG, aaü, (DVB1. 1985, S. 58).</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Die von der Prüfungsordnung in übereinstimmuna mit dem Berufsbildungsgesetz versagte Kompetenz läßt sich auch nicht aus sonstigen Rechtsvorschriften herleiten.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Es gibt insbesondere keinen allgemein anerkannten Grundsatz des Prüfungsrechts, nach dem ein Prüfungsausschuß neben der Leistungsbewertung auch die Aufgabenerstellung durchführen muß. Vielmehr ist das Prüfungswesen geprägt durch eine Vielzahl nebeneinander bestehender Prüfungssysteme, die sowohl eine eingeschränkte wie eine umfassende Mitwirkung des Prüfungsausschusses kennen. Im schriftlichen Prüfungsverfahren überwiegen jedoch die Fallgestaltungen, in denen die Erarbeitung der Prüfungsfragen und die Bewertung der Lösung - wie hier - durch verschiedene Personen erfolgt.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Auch der Grundsatz der Chancengleichheit im Prüfungswesen gebietet eine Einsichtnahme und eine Beschlußfassung durch den Prüfungsausschuß nicht. Es dient vielmehr in besonderem Maße der Chancengleichheit, wenn die Aufgaben und damit der Schwierigkeitsgrad der Prüfungsanforderungen für alle Prüflinge möglichst gleich sind. Denn die Abschlußprüfung ist nach dem System des Berufsbildungsgesetzes überregional ausgestaltet. Nach § 35 BBiG ist ihr die jeweilige Ausbildungsordnung zugrundezulegen. Diese wiederum wird nach § 25 BBiG bundesweit erlassen. Dem liegt die Zielsetzung zugrunde, den Auszubildenden eine möglichst breite Berufsausbildung zu ermöglichen und ihnen zur Förderung ihrer beruflichen Mobilität eine Qualifikation unabhängig von den Bedürfnissen des Einzelbetriebes zu vermitteln,</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">  vgl. Walter/Hausmann, aaO, S. 42.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Der Chancengleichheit der Prüflinge dient die Bindung des Prüfungsausschusses an überörtlich gestellte Prüfungsaufgaben im übrigen auch unter dem Gesichtspunkt der Geheimhaltung der Aufgaben vor der Prüfung. Es liegt - auch bei Würdigung der Verschwiegenheitspflicht der Ausschußmitglieder gemäß § 6 PrO - auf der Hand, daß der Prüfungsstoff bei der ausschließlichen Befassung eines überörtlichen Gremiums besser gegen eine vorzeitige Bekanntgabe geschützt werden kann, als dies bei der Einsichtnahme durch eine Vielzahl örtlicher Prüfungsausschüsse möglich wäre.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, deren vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO iVm § 708 Nr. 10, § 711, § 713 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 132 Abs. 2, § 137 Abs. 1 VwGO).</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks"> </p>
|
315,202 | ag-duren-1989-08-30-8-c-72488 | {
"id": 652,
"name": "Amtsgericht Düren",
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"city": 412,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 8 C 724/88 | 1989-08-30T00:00:00 | 2019-03-13T14:49:13 | 2022-10-18T15:08:51 | Urteil | ECLI:DE:AGDN:1989:0830.8C724.88.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p>Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 500,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten sind Mieter einer Wohnung der Klägerin und mindern seit Juli 1988 die von ihnen zu zahlende Miete. Die Klägerin hält diese Minderung für unberechtigt und begehrt von den Beklagten – nachdem sie die Klage teilweise zurückgenommen hat – die Zahlung der rückständigen Miete von unstreitig noch 731,95 DM.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 731,95 DM nebst 4 % </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Zinsen aus 264,45 DM seit dem 05.08.88 sowie aus 137,50 DM seit dem </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">11.01.89 und aus 330,00 DM seit dem 05.05.89 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Sie halten sich für berechtigt, die Miete zu mindern, und behaupten, das die im Hause der Klägerin wohnenden Mitmieter und Zeugen in ihrer Wohnung zwei Hunde hielten, die ständig jaulten und bellten. Außerdem dringe aus der Wohnung der Mitmieter ständig ruhestörender Lärm.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Das Gericht hat über das Vorbringen der Parteien Beweis erhoben durch Vernehmung von zahlreichen Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften vom 31.05.1989 (Bl. 69-75 d. A.) sowie vom 23.08.1989 (Bl. 94-95 d. A.) verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die auf § 535 BGB gestützte Zahlungsklage ist nicht begründet, denn die Beklagten sind zur geltend gemachten Mietzinsminderung berechtigt.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass aus der Wohnung der Mitmieter sehr häufig ruhestörendes Hundegebell dringt. Nahezu alle vernommenen Zeugen haben übereinstimmend bekundet, dass die Hunde der Mitmieter fast ständig bellten, wenn jemand an der Wohnungstür vorbeigehe oder wenn der Fahrstuhl die Etage passiere. Durch diesen ruhestörenden Lärm werden die Beklagten im ungestörten Gebrauch ihrer Wohnung beeinträchtigt und sind deshalb berechtigt, entsprechend dieser Beeinträchtigung die Miete zu mindern. Das Gericht hält die von den Beklagten vorgenommene Mietzinsminderung für gerechtfertigt, so dass nach allem die Klage abzuweisen war.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 269 Abs. 3, 708 Ziff. 11, 711 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Streitwert:</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">bis zur Verhandlung vom 11.01.89 877,67 DM</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">seit der Verhandlung vom 11.01.89 – 27.06.89 401,95 DM</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">seit dem 28.06.1989 731,95 DM</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">X</p>
|
315,203 | olgk-1989-08-25-2-wx-2189 | {
"id": 822,
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"jurisdiction": null,
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} | 2 Wx 21/89 | 1989-08-25T00:00:00 | 2019-03-13T14:49:14 | 2022-10-18T15:08:51 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1989:0825.2WX21.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1. wird der Beschluß der 11. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 03.05.1989 (11 T 18/89) aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Köln zurückverwiesen, das auch über die Kosten der weiteren Beschwerde zu entscheiden hat.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>G r ü n d e:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">I. Die am 06.06.1988 verstorbene Erblasserin und ihr am 07.05.1982 vorverstorbener Ehemann hatten am 22.03.1967 und ergänzend am 18.01.1972 notarielle Erbverträge geschlossen, in denen sie sich gegenseitig zu alleinigen Erben einsetzten und bestimmten, daß der Letztversterbende die drei gemeinschaftlichen Kinder, M., R. und I. zu gleichen Teilen zu seinen Erben einsetzt. Unter I. des Erbvertrages vom 18.01.1972 heißt es weiter: "Ersatzerben sind jeweils die leiblichen Abkömmlinge unserer Kinder..." </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Unter V. des Erbvertrages vom 22.03.1967 war geregelt: "Ist eines unserer Kinder mit diesem unserem letzten Willen nicht einverstanden und verlangt es beim Tode des Zuerstversterbenden den Pflichtteil, so erhält es auch nach dem Längstlebenden nur den Pflichtteil". </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Unter II. des Erbvertrages vom 18.01.1972 ist bestimmt, dass die Auseinandersetzung über das Hausgrundstück U.Straße 10 in H.-B. für die Dauer von 30 Jahren nach dem Tode des Zuletzverstorbenden ausgeschlossen sein soll, falls nicht alle Erben über den Verkauf einig sind. Unter Ziffer III. ist weiter </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">geregelt, das die Wohnungen in diesem Haus zur ortsüblichen Miete vermietet werden sollen und jedes Jahr der Überschuss an die Kinder zu gleichen Teilen ausgezahlt werden soll, wobei auch ein im Hause lebendes Kind die ortsübliche Miete zu zahlen hat. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Sohn M. der Erblasserin, der Vater des Beteiligten zu 2., schloss am 20.01.1987 mit der Erblasserin einen notariellen Erbverzichtsvertrag, in dem es heißt: "Frau F.M. zahlt an ihren Sohn, Herrn M. M., unmittelbar nach Beurkundung einen Betrag in Höhe von 50.000,00 DM. Herr M. M. erklärt hierauf, dass er nunmehr seiner Mutter gegenüber nach Erhalt des vorgenannten Betrages auf sein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht verzichtet. Er erklärt sich seiner Mutter gegenüber dieserhalb nach Zahlung des oben angeführten Betrages als endgültig abgefunden für sich und seine Abkömmlinge. Frau F.M. nimmt diese Erklärung hiermit an." </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">M. M. verstarb am 07.04.1987. Als Erbe setzte er seine zweite Ehefrau ein. Sein einziges Kind (Sohn aus erster Ehe) ist der Beteiligte zu 2..</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligte zu 1. hat die Erteilung eines Erbscheins nach der Erblasserin mit dem Inhalt, dass sie und die Beteiligte zu 1. zu je 1/2 Anteil Erbinnen sind, beantragt. </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat durch Beschluß vom 15.11.1988 den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1. zurückgewiesen, da der Beteiligte zu 2. Ersatzerbe kraft ausdrücklicher Bestimmung sei, woran der Erbverzichts seines Vaters nichts geändert habe. </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Einer nachträglichen Einschränkung durch den Notarvertrag vom 20.01.1987 stehe die Bindung der Erblasserin an das gemeinschaftliche Testament entgegen. </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Der Sohn M. der Erblasserin habe durch den Erbverzichtsvertrag nicht nur auf sein Erb- und Pflichtteilsrecht, sondern auch auf die erbvertragliche Zuwendung verzichtet. Die Wirkung eines Verzichts auf ein vertragliches Erbrecht gem. § 2352 BGB erstreckten sich aber nicht auf die Abkömmlinge, da § 2352 BGB nicht auf § 2349 BGB verweise, weil lediglich der Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht auch die Abkömmlinge erfasse. </p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Es handele sich um eine ausdrückliche Ersatzerbenbestellung und nicht nur um eine Ersatzerbenberufung aufgrund der gesetzlichen Vermutung des § 2069 BGB. Aus dem Erbvertrag gehe auch nicht hervor, daß die Ersatzberufung bei einem Erbverzicht gegen Abfindung nicht gelten solle. Schließlich könne der Erbverzichtsvertrag nicht in eine Verfügung von Todes wegen der Erblasserin umgedeutet werden, da dies der Verbindlichkeit des Erbvertrages für den überlebenden Teil widerspreche (§§ 2290 Abs. 1 Satz 2, 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB). </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1. Das Landgericht habe nicht erkannt, daß eine ergänzende Erbvertragsauslegung geboten sei. Die Erbverträge enthielten keine Regelung für den Fall, daß eines der Kinder nicht durch Tod, sondern durch Erbverzicht nach Abfindung aus dem Erbenkreis ausscheide. Es sei jedoch der Wille der Erbvertragschließenden gewesen, daß kein Kind und kein Stamm mehr als 1/3 des Erbes erhalten solle. </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Zu Unrecht habe das Landgericht auch eine Umdeutung des Erbverzichtsvertrages in eine wirksame letztwillige Verfügung der Erblasserin verneint, denn für den Fall des Erbverzichts nach Abfindung sei die Ersatzerbeneinsetzung nicht als wechselbezügliche Verfügung anzusehen. </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">II. Die an keine Frist gebundene weitere Beschwerde ist statthaft (§ 27 FGG) und formgerecht eingelegt ( 29 Abs. 1 FGG). Die Beschwerdeberechtigung der Beteiligten zu 1. folgt aus § 29 Abs. 4, 20 FGG. Das sonach zulässige Rechtsmittel führt in der Sache zur Aufhebung und Zurückverweisung an das Landgericht, da die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§§ 27 FGG, 550 ZPO). </p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Ob der Beteiligten zu 1. zusammen mit ihrer Schwester, der Beteiligten zu 3. ein Erbschein zu je 1/2 Anteil zu erteilen ist, hängt von weiteren tatsächlichen Feststellungen ab. </p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat den Erbverzichtsvertrag vom 20.01.1987 so ausgelegt, daß der Vater des Beteiligten zu 2. nicht nur auf sein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht, sondern auch auf die erbvertragliche Zuwendung verzichtet hat. An diese Auslegung des Tatrichters ist das Rechtsbeschwerdegericht gebunden, denn Fehler dieser Auslegung sind nicht erkennbar (vgl. BayObLG Z 1958, 248 (250); Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 12. Aufl., § 27 Rn. 48 m.w.N.).</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Ob der Verzicht auf die erbvertragliche Zuwendung auch zu Lasten des Beteiligten zu 2. als Ersatzerben wirkt, ist dagegen eine Rechtsfrage, die das Rechtsbeschwerdegericht in vollem Umfang zu überprüfen hat. Das Landgericht hat sich insoweit mit Recht auf den Standpunkt gestellt, daß sich die Wirkungen eines Verzichts auf ein vertragliches Erbrecht auch dann nicht auf die Ersatzerben des Verzichtenden erstrecken, wenn diese Abkömmlinge des Verzichtenden sind. In § 2352 BGB, in dem der Verzicht auf erbvertragliche Zuwendungen geregelt ist, sind nur die Vorschriften der §§ 2347, 2348 BGB für entsprechend anwendbar erklärt worden, nicht </p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">aber die Vorschrift des § 2349 BGB, die beim Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht die Verzichtswirkungen auch auf den Abkömmling erstreckt. </p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Wie das Landgericht folgt der Senat der Überwiegenden Auffassung, daß der Gesetzgeber damit die entsprechende Anwendung des § 2349 BGB auf die Fälle des Verzichts auf erbvertragliche Zuwendungen absichtlich ausgeschlossen hat (BGR Beschluß vom 08.11.1965 III ZB9/65 nach Münchener Kommentar/Strobel, 2. Aufl.,(1989) § 2352 Randnr. 14 Fußnote 31; BayObLG Rechtspfleger 1984,65 und Rechtspfleger 1988, 97; OLG Hamm, OLGZ 1982, 1272 (1279);<i> </i>OLG Düsseldorf DNotZ 1974, 367 ff. ; Palandt/Kommentar Edenhofer , 48. Auflage, § 2352 Anm. 2; Münchener Kommentar/Strobel, 2. Aufl., (1989) § 2352 Randnr. 14; Staudinger/Fered/Eistar, § 2352, Randnr. 26; Baumgärtel DNotZ 1959, 63 (66); Jackschath MittRhNotK 1977, 117 (121).</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hätte bei dieser Sachlage aber prüfen müssen, ob die Erbverträge so auszulegen sind, dass sich die Ersatzerbeberufung des Beteiligten zu 2. als Abkömmling des Sohnes M. auf alle Fälle des Wegfalls des Sohnes als Erben erstreckt oder ob die Vertragsauslegung ergibt, daß die Ersatzerbenbestellung nicht für die Fälle des Erbverzichts gegen volle Abfindung eines Erbberechtigten gewollt war. Das Landgericht hat dazu die Auffassung vertreten, es bestehe keine Möglichkeit, den Erbvertrag so auszulegen, daß die Ersatzberufung bei einem Erbverzicht gegen Abfindung nicht gelten sollte. In der Verneinung der Auslegungsfähigkeit und Unterlassung einer gebotenen Auslegung einer Erklärung liegt ein vom Rechtbeschwerdegericht überprüfbarer Auslegefehler (vgl. BGHZ 32, 60 (63); BayObLGZ 1982, 474 (477); Hamm OLGZ 1984, 323; Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O., § 27 Rn. 48), und das Rechtsbeschwerdegericht kann dann die von der Vorinstanz unterlassene Auslegung selbst nachholen (vgl. Schneider MDR 1981, 885 m.w.N.; Keidel/Kuntze/Winkler, O., § 27 Rn. 59).<i> </i>Der Senat vermag nicht der Auffassung des Landgericht zu folgen, nur bei einer ausdrücklichen gegenteiligen Bestimmung im Erbvertrag könne davon ausgegangen werden, daß bei einem Erbverzicht gegen volle Abfindung die Ersatzberufung nicht gelten solle. Die Entscheidungen des OLG Stuttgart (NJW 1958, 347, 348) und des OLG Düsseldorf (DNotZ 1974, 367, 370), auf die das Landgericht sich beruft, haben eine ausdrückliche gegenteilige Bestimmung im Erbvertrag nur für Fälle gefordert, in denen sich aus dem Wortlaut ergab, daß bei Wegfall der berufenen Erben "aus irgendeinem Grunde" dessen Abkömmlinge Ersatzerben werden sollten. Es kann dahinstehen, ob bei diesen Fallgestaltungen von dem allgemeinen Grundsatz, dass letztwillige Verfügungen auch über ihren Wortlaut hinaus unter Berücksichtigung aller zugänglichen Umstände auch außerhalb der Urkunde, die zur Aufdeckung des Erblasserwillens dienlich sind, ausgelegt werden müssen (BGHZ 94, 36 (38); OLG Zweibrücken Rechtspfleger 1986, 479) und dass auch eine ergänzende Auslegung stattfinden kann, eine Ausnahme zu machen ist. Im Streitfall ergibt sich aus dem Wortlaut des Erbvertrages nicht, daß die Eltern den Willen hatten, die leiblichen Abkömmlinge ihrer Kinder für alle denkbaren Fälle als Ersatzerben einzusetzen. Daraus folgt, daß im Wege der Auslegung und gegebenenfalls ergänzenden Auslegung zu ermitteln ist, ob es dem Willen der Erbvertragsschließenden entsprach, auch nach voller Abfindung eines Kindes dessen Abkömmlinge Ersatzerben werden zu lassen. </p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Auslegung der Erbverträge ergibt, daß die Eltern den Willen hatten, alle drei Kinder strikt gleichzubehandeln. Die Kinder sind ausdrücklich "zu gleichen Teilen" zu Erben berufen worden. Darüber hinaus ist die Auseinandersetzung für das Hausgrundstück, das das wesentliche Vermögen der Erblasser darstellte, auf die Dauer von 30 Jahren ausgeschlossen worden und es ist ausdrücklich geregelt worden, daß jedes Jahr der Überschuss der Erträge aus der Vermietung des Hauses an die Kinder "zu gleichen Teilen" ausgezahlt werden sollte, wobei auch ein Haus wohnendes Kind die ortsübliche Miete zu zahlen hatte. Es entsprach also dem Willen der Eltern, eine Begünstigung eines der drei Kinder noch nicht einmal in der Form zuzulassen, daß es kostenfrei oder zu einem besonders günstigem Mietzins im Haus sollte wohnen können. Schon daraus ergibt sich, daß die Vertragsschließenden nicht daran gedacht haben, einer der drei Stämme könne über diese Beteiligung hinaus eine volle Abfindung eines Erbteils beanspruchen . Ferner ergibt sich aus Ziffer V. des Erbvertrages vom 22.03.1907, daß es der Wille der Eltern<i> </i>war, ein Kind, das beim Tode des Erstversterbenden den Pflichtteil verlangte, auch nach dem Letztversterbenden auf den Pflichtteil zu setzen. Daraus ergibt sich, daß ein vorzeitiges Auszahlungsverlangen eines Abkömmlings dazu führen sollte, daß es aus dem Kreis der Erben ausschied und auf den Pflichtteil beschränkt wurde. Auch diese Regelung zeigt, daß es nicht dem Willen der Erblasser entsprach, einem Stamm sowohl einen vorzeitigen Ausgleich als auch das Erbteil zukommen zu lassen. </p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Da die Eltern somit im Zeitpunkt der Errichtung der Erbverträge nicht vorausgesehen haben, daß es zu einem Erbverzicht ihres Kindes gegen volle Abfindung kommen könnte , muß diese Lücke im Erbvertrag durch ergänzende Auslegung geschlossen werden. Wie schon ausgeführt, entsprach es ihrer Willensrichtung im Zeitpunkt der Erbvertragserrichtung, alle drei Stämme gleichmäßig zu bedenken. </p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Bei dieser Zielsetzung führt die ergänzende Auslegung zum Ergebnis, daß die Ersatzerbenberufung nach einem gegen volle Abfindung ausgeschiedenen Erben nicht gewollt war, daß aber anderseits die Benachteiligung eines Stammes durch Verzicht ohne oder gegen unzureichende Abfindung ebenfalls nicht dem Willen der Erbvertragsschließenden entsprach. </p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Diese Auslegung des Erbvertrags entspricht der Nichtanwendung der Auslegungsregel des § 2069 BGB für die Fälle, in denen der Verzichtende vollständig abgefunden worden ist. Nach der Rechtsprechung spricht in diesen Fällen eine tatsächliche Vermutung dafür, daß der Erblasser die Abkömmlinge des Verzichtenden nicht zu Ersatzerben berufen wollte, da davon ausgegangen werden kann, daß ein Erblasser den gleichen Stamm nicht doppelt bedenken will (vgl. BGH NJW 1974, 43, 44; OLG Hamm OLGZ 982, 272 (278(; MK-Leipold, 2. Aufl. (1989), § 2069 Rn. 11). Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann daher nicht dahinstehen, ob eine vollständige Abfindung des Verzichtenden erfolgt ist, sondern es muß aufgeklärt werden, ob mit der Zahlung des Betrages von 50000,00 DM eine Leistung erbracht worden ist, die im wesentlichen dem Wert des Erbteils des Verzichtenden entsprach. Davon wird ausgegangen werden können, wenn der wirkliche Wert des Erbteils im Zeitpunkt des Verzichtsvertrages mit der Gegenleistung um nicht mehr als 10 % unterschritten wird. Aus der erbvertraglichen Bindung der Überlebenden Erblasserin ergab sich nämlich, daß sie nicht einseitig durch eine Verfügung von Todes wegen die Ersatzerbeneinsetzung des Beteiligten zu 2. ändern konnte. Das Landgericht hat insoweit mit Recht eine Umdeutung des Verzichtsvertrags in einer Verfügung von Todes wegen abgelehnt. Bei einem Erbvertrag kann es nicht allein vom Willen des Überlebenden abhängen, ob die von beiden Ehegatten geschaffene Erbanwartschaft des Ersatzerben wieder beseitigt wird, denn dies würde der Verbindlichkeit des Erbvertrages für den Überlebenden widersprechen (§§ 2090 Abs. 1 Satz 2, 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB). Entgegen der Auffassung der weiteren Beschwerde wird diese wechselseitige Verfügung nicht dadurch zu einer einseitigen Verfügung, daß ein Kind gegen volle Abfindung aus dem Kreis der Erben ausscheidet. Wie schon ausgeführt, ist der gemeinsame Wille der Erbvertragschließenden für diesen Fall im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung mit der Folge zu berücksichtigen, daß für diesen Fall eine Ersatzerbenberufung von beiden Vertragsschließenden nicht gewollt war. Bei dieser Sachlage ist es weder erforderlich noch gerechtfertigt, die Rechtsnatur der wechselbezüglichen Verfügung wegen der später eingetretenen nicht vorhergesehenen Ereignisse nachträglich anders zu beurteilen. Im übrigen ist der Senat insoweit an die Auslegung des Testaments, die auch für die Wechselbezüglichkeit gilt (vgl. BayObLG; FamRZ 1985, 1287 (1289); FamRZ<i> </i>1988,879) gebunden, denn insoweit ist ein Auslegungsfehler des Landgericht nicht erkennbar. </p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Für den Fall, daß die weitere Tatsachenfeststellung ergibt, daß die für den Erbverzicht gezahlte Abfindung wesentlich unter dem Wert des Erbteils lag, ist somit der Beteiligte zu 2. Ersatzerbe geworden. Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß dieses Verständnis nicht dem Willen der Erbvertragschließenden entspreche, weil einem der drei Kinder (Stämme) an ein um 50000,00 DM zu hoher Erbteil zufiele, denn insoweit ist an eine Ausgleichungspflicht gern. §§ 2050, 2052 BGB zu denken. </p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die Kosten der weiteren Beschwerde war dem Landgericht zu übertragen, da die Kostenverteilung vom Ergebnis der Entscheidung nach den weiteren Tatsachenfeststellungen abhängt. </p>
|
315,204 | olgk-1989-08-21-10-uf-10989 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
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"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 10 UF 109/89 | 1989-08-21T00:00:00 | 2019-03-13T14:49:16 | 2022-10-18T15:08:51 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1989:0821.10UF109.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>1.</p>
<p></p>
<p>Das Verfahren wird zur Feriensache erklärt.</p>
<p></p>
<p>2.</p>
<p></p>
<p>Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - der Beschluß des Amtsgerichts -Familiengericht- Aachen vom 21. April 1989 (22 F 346/79) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:</p>
<p></p>
<p>Der Beschluß (Schlußentscheid) des Amtsgerichts -Familiengericht-Aachen vom 6. Januar 1984 (22 F 346/79) wird mit Wirkung vom 1. Juli 1988 dahin geändert, daß</p>
<p>a) für den Beteiligten zu 2) auf dessen Rentenkonto Nr. 13 o6oxxx K 155 bei der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz in Düsseldorf statt der begründeten gesetzlichen Rentenanwartschaften von monatlich 79,35 DM zu Lasten des Rentenkontos der Beteiligten zu 1) Nr. 13 27oxxx S. 533 bei der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz in Düsseldorf gesetzliche Rentenanwartschaften in Höhe von 77,45 DM, bezogen auf den 31.10.1979, übertragen werden und</p>
<p></p>
<p>b) über die bereits begründeten gesetzlichen Rentenanwartschaften von monatlich 13,26 DM hinaus für den Beteiligten zu 2) auf dessen Ren­tenkonto Nr. 13 o6oxxx K 155 bei der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz in Düsseldorf weitere Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 201,10 DM, bezogen auf den 31.1o.1979, zu Lasten der Versorgung der Beteiligten zu 1) bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder in Karlsruhe (Vers.Nr. L-Nr. 1 186 xxx/VL xxx) begründet werden.</p>
<p></p>
<p>3.</p>
<p></p>
<p>Hinsichtlich des erstinstanzlichen Verfahrens verbleibt es bei der Kostenentscheidung des Amtsgerichts. Die im Beschwerdeverfahren ent­standenen Kosten werden der Beteiligten zu 1) zu 9/10 und dem Beteilig­ten zu 2) zu 1/10 auferlegt.</p>
<p></p>
<p>4.</p>
<p></p>
<p>Beschwerdewert: 2.390,40 DM.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Gründe </u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">1.             </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Senat erklärt das Beschwerdeverfahren gemäß § 2oo Abs. 4 GVG auf Antrag der Beteiligten zu 1) (dem die Beteiligte zu 4) zugestimmt hat) zur Feriensache; da bei den Beteiligten zu 1) und 2) der Versorgungs­fall bereits eingetreten ist, wirkt sich die Entscheidung unmittelbar auf ihr laufendes Einkommen aus und ist deshalb als ebenso beschleuni­gungsbedürftig anzusehen wie die in § 2oo Abs. 1 Nr. 5a GVG aufgeführ­ten Unterhaltssachen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">2.           </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die formell unbedenkliche Beschwerde hat in der Sache nur in geringem Umfang Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die in § l0 a Abs. 2 VAHRG aufgestellten Voraussetzungen für eine Ab­änderung der Erstentscheidung des Familiengerichts sind gegeben.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat in dem angefochtenen Beschluß zutreffend berechnet, daß zugunsten des Beteiligten zu 2) in der gesetzlichen Rentenversiche­rung Rentenanwartschaften von 2ol,lo DM zu begründen sind, statt - wie in der Erstentscheidung ausgesprochen - nur 13,26 DM. Auch unter Berück­sichtigung des Umstandes, daß gleichzeitig beim Splitting gemäß § 1587 b Abs. 1 BGB eine Ermäßigung des Ausgleichsbetrages um 1,90 DM vorzunehmen ist, überschreiten die Änderungen insgesamt die in § l0 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 VAHRG aufgestellte Wesentlichkeitsgrenze ganz erheblich. Diese Abänderung erfüllt auch den Tatbestand des § l0 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VAHRG, denn sie wirkt sich zugunsten des Beteiligten zu 2) aus.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Beschwerde, die eine solche Begünstigung verneinen will mit dem Hin­weis, der Beklagte zu 2) könne eine Verbesserung seiner Versorgungs­situation auch im Wege des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs er­reichen, kann nicht gefolgt werden.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die von der Beteiligten zu 4) beantragte Änderung wirkt - wie unter c) noch näher dargelegt wird - auf den 1. Juli 1988 zurück. Ein vom Beteiligten zu 2) noch einzuleitendes Verfahren auf schuldrechtlichen Ausgleich könnte jedoch im Hinblick auf die Regelung in § 1587 k in Verbindung mit § 1585 b Abs. 2 BGB erst für die Zeit ab Rechtshängig­keit zu einer Ausgleichsrente gemäß § 1587 g BGB führen, so daß die Durchführung des Abänderungsverfahrens gemäß § lo a VAHRG sich offenkundig zu seinen Gunsten auswirkt. Die Verweisung des Beteiligten zu 2) auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich begegnet zudem grund­sätzlichen Bedenken. Der schuldrechtliche Versorgungsausgleich käme vorliegend in Betracht gemäß § 1587 f Nr. 4 BGB, weil bei Erlaß der Erstentscheidung die Anwartschaft der Beteiligten zu 1) bei der Be­teiligten zu 4) auf Versorgungsrente noch nicht unverfallbar war. Er verbietet sich jedoch wegen des zwingenden Rangverhältnisses zwischen öffentlich-rechtlichem und schuldrechtlichem Versorgungsausgleich. Der schuldrechtliche Versorgungsausgleich ist subsidiär und scheidet immer dann aus, wenn und soweit ein Anrecht öffentlich-rechtlich ausgeglichen werden kann (vgl. z.B. Maier in Münchener Kommentar, 2.Aufl., § 1587 f Rdn. 5; Maier/Michaelis, Versorgungsausgleich in der Rentenversicherung, 3. Aufl., § 1587 f Anm. 2.1.4). Zu den öffentlich-rechtlichen Ausgleichs­möglichkeiten zählt aber auch das Abänderungsverfahren gemäß § l0 a VAHRG, so daß der schuldrechtliche Versorgungsausgleich gemäß § 1587 f Nr. 4 BGB dann nicht in Betracht kommt, wenn der öffentlich-rechtliche Ausgleich möglich ist (ähnlich Soergel/Vorwerk, BGB, 12. Aufl., § 1587 Rdnr. 5).</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die von der Beschwerde vertretene Auffassung würde dieses Rangverhält­nis zwischen öffentliche-rechtlichem und schuldrechtlichem Versorgungs­ausgleich auf den Kopf stellen und widerspricht zudem den Intentionen des Gesetzes über weitere Maßnahmen auf dem Gebiet des Versorgungsaus­gleichs, dessen erklärtes Ziel es u.a. ist, den Anwendungsbereich des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs zugunsten des öffentlich-rechtlichen Ausgleichs weiter einzuschränken (vgl. BT-Drucksache l0/5447 S. 1,8 und BT-Drucksache l0/6369 S. 2, 17). Damit wollte der Gesetzgebereden verfassungsrechtlichen Bedenken Sorge tragen, die sich daraus ergeben, daß "der schuldrechtliche Versorgungsausgleich die erwünschte eigenstän.- dige Sicherung des wirtschaftlich schwächeren Ehegatten verfehlt" (so BVerfG NJW 1986, 1321, 1322).</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Umstand, daß sich die Durchführung des Abänderungsverfahrens mög­licherweise, nämlich im Falle des Vorversterbens der Beteiligten zu 1), für die Beteiligte zu 4) günstig auswirkt, spricht nicht gegen die Durchführung des Abänderungsverfahrens. Den Versorgungsträgern ist ein eigenes Antragsrecht durch § l0 a Abs. 4 VAHRG vielmehr gerade im Hin­blick darauf zugebilligt worden, daß eine Abänderung auch ihren wirt­schaftlichen Interessen entgegenkommen kann.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist des weiteren der Auffassung, die von der Beteilig­ten zu 1) in der Ehezeit bei der Beteiligten zu 4) erworbene Anwart­schaft auf Versorgungsrente könne gemäß § l0 a Abs. 3 VAHRG nur mit einem Anteil von 70 % in den Ausgleich einbezogen werden, weil die Ehe­gatten während der Ehezeit im Sinne des § 1587 Abs. 2 BGB zeitweise ge­trennt gelebt haben. Dem kann nicht beigetreten werden. Dabei kann es dahinstehen, ob in tatsächlicher Hinsicht die Voraussetzungen gegeben sind, die nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. z.B. NJW 1985, 1283, 1284) eine Herabsetzung oder einen Ausschluß des Versorgungsausgleichs gemäß § 1587 c BGB zu rechtfertigen vermögen. Mit diesem Vorbringen kann die Beteiligte zu 1) im vorliegenden Verfahren aus Rechtsgründen nicht gehört werden. Gemäß § l0 a Abs. 1 VAHRG ändert das Familiengericht die früher zum Versorgungsausgleich getroffene Entscheidung nur "entsprechend" ab. Zur Bedeutung dieser Formulierung ist im Bericht des Rechtsausschus­ses des Deutschen Bundestages vom 6.11.1986 (BT-Drucksache l0/6369 S.21) ausgeführt: "Die 'entsprechende' Abänderung enthält zugleich aber auch eine Beschränkung: Umstände im Sinne des § 1587 c BGB oder des Art. 12</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Nr. 3 Abs. 3 Satz 3 und 4 1. EheRG, also z.B. Unterhaltspflichtverletzun­gen während der Ehe oder lange Trennungszeiten, die zu einem Ausschluß oder einer Herabsetzung des Versorgungsausgleichs geführt haben, unterliegen keiner erneuten Prüfung. Die Entscheidung wird vielmehr unter Beibehaltung der früheren Herabsetzungsquote nur entsprechend deM veränderten Wertunterschied abgeändert. Denn es besteht kein Anlaß, die Rechtskraft der früheren Entscheidung auch insoweit zu durchbre­chen und den alten Verfahrensstoff mit den dann bestehenden erhebli­chen Beweisschwierigkeiten wieder aufzurollen. Soweit Billigkeitser­wägungen anzustellen sind, geschieht dies nur noch in den von Absatz 3 gezogenen Grenzen." Zur Billigkeitskontrolle nach der zuletzt genann­ten Bestimmung heißt es a.a.O. S. 22: "Gegenstand der Prüfung ist 'insbesondere der Versorgungserwerb nach der Ehe. Dadurch wird ein Wiederaufleben alten Streits um die Anwendung des § 1587 c Nr. 1 BGB vermieden und die Billigkeitsabwägung auf die nacheheliche Entwicklung der Versorgungssituation der Ehegatten konzentriert'" (vgl. hierzu auch Hahne FamRZ 1987, 217, 222; Dörr NJW 1988, 97,99; Meyer a.a.O. l0 a VAHRG Rdnr. 53).</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Hieraus folgt zwingend, daß dann, wenn im Erstverfahren eine Kürzung des Ausgleichsbetrages gemäß § 1587 c BGB nicht erfolgt ist, weil da­mals bereits vorhandene Billigkeitsgründe vom Ausgleichsverpflichteten nicht geltend gemacht (zur Darlegungslast vgl. BGH NJW 1988, 1839) oder vom Familiengericht nicht für durchgreifend erachtet worden sind, auch im Abänderungsverfahren eine Kürzung auf diese Umstände nicht mehr gestützt werden kann. Denn mit der Rechtskraft der Erstentscheidung steht verbindlich fest, daß eine Kürzung aufgrund der seinerzeit ob­jektiv gegebenen Umstände nicht zu erfolgen hat.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Gründe, die nach Erlaß der Erstentscheidung eingetreten und zu einer Billigkeitsabwägung gemäß § l0 a Abs. 3 VAHRG Anlaß geben könnten, hat die Beteiligte zu 1) nicht geltend gemacht.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">c)</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde hat insoweit Erfolg, als sie sich dagegen wendet; daß das Amtsgericht die Wirkung der Abänderung gemäß § lo a Abs. 7 Satz 1 VAHRG auf den 1. Mai 1988 zurückbezogen hat. Zwar hatte die Beteiligte zu 4) am 22.4.1988 beim Amtsgericht einen Abänderungsantrag eingereicht.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Auf eine Rückfrage des Familienrichters vom 19.5.1988 hat die Be­teiligte zu 4) dann jedoch am 29.6.1988 einen neuen Abänderungs­antrag eingereicht und mitgeteilt: "Unser Schreiben vom 18. April 1988 ist als gegenstandslos zu betrachten". Der frühere Antrag ver­lor mit dieser Erklärung seine Rechtswirksamkeit und kommt deshalb als Anknüpfungspunkt für eine Rückwirkung gemäß § l0 a Abs. 7 VAHRG nicht mehr in Betracht.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Neufassung des Tenors des angefochtenen Beschlusses ist im übri­gen erfolgt, um Mißverständnissen vorzubeugen. Denn auch die Abände­rungsentscheidung nimmt auf das Ende der Ehezeit Bezug, so daß dann, wenn bisher im Tenor einer Versorgungsausgleichsentscheidung bei der Übertragung oder Begründung von Rentenanwartschaften auf ein bestimmtes Ehezeitende Bezug genommen worden ist, dies auch für die Abänderungs­entscheidung gilt (Dörr a.a.O. S. 98), was mit der vom Senat. gewählten Tenorierung klargestellt wird (vgl. im übrigen auch die Tenorierungs­beispiele BT-Drucksache l0/5447 S. 18 und Johannsen/Henrich/Hahne, Eherecht, § lo a VAHRG Rdn. 62).</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 FGG, die Wertfest­setzung auf § 99 i.V.m. § 30 KostO.</p>
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315,205 | ovgnrw-1989-08-18-15-a-147387 | {
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"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
"slug": "ovgnrw",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 15 A 1473/87 | 1989-08-18T00:00:00 | 2019-03-13T14:49:18 | 2022-10-18T15:08:51 | Urteil | ECLI:DE:OVGNRW:1989:0818.15A1473.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung wird zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.</p>
<p></p>
<p>Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p>Die Revision wird nicht zugelassen.</p>
<p></p>
<p></p>
<p></p>
<p>
</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> Tatbestand</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist Mitglied des Rates der beklagten Stadt. Für dessen Sitzung am 10.
Dezember 1986 war eine Fragestunde für Einwohner angesetzt. Der Kläger reichte
hierzu beim Oberbürgermeister mit Schreiben vom 1. Dezember 1986 eine Frage an
das Ratsmitglied xxx ein, die dessen Verhalten anläßlich des Abschlusses eines
Vertrages zwischen der Beklagten und einem Dritten zum Gegenstand hatte. Der
Oberbürgermeister wies die Frage als nicht fristgerecht eingereicht zurück. Mit
Schreiben vom 10. Dezember 1986 gab der Oberstadtdirektor der Beklagten dem
Kläger außerdem seine Auffassung bekannt, daß das Einwohnerfragerecht einem
Ratsmitglied nicht zur Verfügung stehe.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">In der Ratssitzung am 28. Januar 1987, in deren Tagesordnung eine weitere
Einwohnerfragestunde aufgenommen war, weigerte sich das Ratsmitglied xxx, die
vom Kläger zwischenzeitlich erneuerte Frage mündlich zu beantworten. Der in der
Sitzung anwesende Vertreter des Oberstadtdirektors bekräftigte die Auffassung der
Verwaltung, daß die Frage unzulässig sei. Der Oberbürgermeister ließ daraufhin eine
weitere Behandlung der Angelegenheit einschließlich einer zusätzlichen Frage des
Klägers nicht zu.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat am 18. Februar 1987 Klage erhoben mit der Begründung, es
gebe keine Rechtsgrundlage dafür, einem Einwohner der beklagten Stadt die
Ausübung des Einwohnerfragerechts allein deswegen vorzuenthalten, weil er
zugleich Ratsmitglied sei. Anderenfalls sei ein Ratsmitglied, das in dieser Funktion
nur Fragen an die Verwaltung stellen könne, schlechter gestellt als jeder andere
Einwohner, der ein Fragerecht auch dem Oberbürgermeister, einzelnen
Ratsmitgliedern und den Fraktionen gegenüber habe.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat beantragt</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">festzustellen, daß er als Einwohner der Beklagten berechtigt ist, in der
Einwohnerfragestunde des Rates gemäß § 10 der Geschäftsordnung des Rates
Fragen zu stellen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Sie hat im wesentlichen geltend gemacht, das Einwohnerfragerecht habe den
Zweck, den Kontakt zwischen Rat und Einwohnern zu verbessern, und stehe deshalb
nur demjenigen zu, der sich nicht auf andere Weise über die Arbeit von Rat und
Verwaltung informieren könne. Den Mitgliedern des Rates stünden aber die
spezialgesetzlichen Befugnisse aus § 40 GO und § 12 der Geschäftsordnung des
Rates zur Verfügung. Eine zusätzliche Ausübung auch des Einwohnerfragerechts sei
damit nur für den Sonderfall zu vereinbaren, daß ein Ratsmitglied Fragen zu seinen
ausschließlich persönlichen Angelegenheiten stellen wolle. Dieses Recht werde dem
Kläger nicht abgesprochen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Durch das angefochtene Urteil, auf das Bezug genommen wird, hat das
Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Mit der Berufung bekräftigt der Kläger seinen erstinstanzlichen Vortrag.
Ergänzend weist er auf eine weitere, mit Schreiben vom 8. Januar 1988 eingereichte
Frage an den Oberbürgermeister nach dessen Praxis bei der Einladung von Vereinen
zum Neujahrsempfang hin, deren Beantwortung der Oberbürgermeister mit
Schreiben vom 14. Januar 1988 gleichfalls abgelehnt habe.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">das angefochtene Urteil zu ändern und festzustellen, daß er berechtigt ist, in
der Einwohnerfragestunde des Rates der Beklagten an den Oberbürgermeister, ein
anderes Ratsmitglied und eine Fraktion auch solche Fragen zu stellen, die über seine
persönlichen Angelegenheiten hinausgehen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte, die das angefochtene Urteil für zutreffend hält, beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der
Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist erfolglos.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist als Feststellungsklage zulässig.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligten streiten über das Bestehen eines Rechtsverhältnisses i.S.v. § 43
Abs. 1 VwGO, weil der Kläger das Recht beansprucht, in der Einwohnerfragestunde
des Rates wie jeder andere Einwohner der Beklagten uneingeschränkt Fragen an
den Oberbürgermeister, ein anderes Ratsmitglied und eine Fraktion stellen zu
dürfen, und die für die Beklagte handelnden Organe dieses Recht in Abrede stellen.
Da ein solches Recht im Außenrechtsbereich angesiedelt wäre, kann es - anders als
die innenrechtlichen Mitwirkungsbefugnisse des Klägers als Mandatsträger - mit der
Feststellungsklage nur gegenüber der als Rechtsträger allein in Betracht
kommenden Gemeinde selbst verfolgt werden (arg. § 78 Abs. 1 VwGO).</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Vgl. z.B. Ehlers, Der Beklagte im Verwaltungsprozeß, in: Festschrift für Menger,
1985, S. 379 (392 f).</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat deswegen das Passivrubrum dahin berichtigt (§§ 88, 86 Abs. 3
VwGO), daß die Klage gegen die Stadt xxx gerichtet ist, die durch den
Oberstadtdirektor (§ 55 Abs. 1 Satz 1 GO) vertreten wird.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an einer baldigen Feststellung:</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Er muß angesichts der vom Oberbürgermeister und vom Oberstadtdirektor der
Beklagten vertretenen Rechtsauffassung damit rechnen auch bei künftigen
Einwohnerfragestunden das beanspruchte Fragerecht nicht verwirklichen zu können.
Unstreitig zwischen der Beteiligten - und infolgedessen nicht feststellungsbedürftig -
ist lediglich, daß der Kläger Einwohnerfragestunden zum Anlaß für Fragen nehmen
darf, die ausschließlich seine persönlichen Angelegenheiten betreffen. Dem trägt der
in der Berufungsverhandlung formulierte Antrag Rechnung, durch den klargestellt
wird, daß die beantragte Feststellung nur über die persönlichen Angelegenheiten
des Klägers hinausreichende Fragen betreffen soll.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Dem Kläger kann nicht zugemutet werden, künftige Einwohnerfragestunden
abzuwarten, um den geltend gemachten Anspruch sodann mit einer Klage auf
Zulassung der im Einzelfall beabsichtigten Fragen durchzusetzen. Wegen der Kürze
der in einer solchen Situation verbleibenden Zeit wäre eine rechtzeitig vor
Durchführung der jeweiligen Einwohnerfragestunde ergehende Entscheidung zur
Hauptsache kaum zu erwarten; ein etwaiger Antrag auf Erlaß einer einstweiligen
Anordnung liefe zumindest Gefahr, an dem Verbot der Vorwegnahme der
Hauptsache zu scheitern. Angesichts dessen ist auch das für die Inanspruchnahme
gerade vorbeugenden Rechtsschutzes zu fordernde qualifizierte
Feststellungsinteresse</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">- vgl. dazu etwa BVerwG, Urteile vom 8. September 1972 - IV C 17.71 -,
BVerwGE 40, 323 (326 f), vom 26. Juni 1981 - 4 C 5.78 -, DVBl. 1981, 936 (939),
und vom 7. Mai 1987 - 3 C 53.85 -, NVwZ 1988, 430 (431) -</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">gegeben.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Schließlich steht auch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage, mit der der Kläger
seine Rechte ebensogut verfolgen könnte oder hätte verfolgen können (§ 43 Abs. 2
Satz 1 VwGO), nicht zur Verfügung. Eine künftige Klage auf Zulassung bestimmter
Einzelfragen hätte die bereits dargelegten, den Rechtsschutz des Klägers
einschränkenden Nachteile. Eine Klage, die in der Vergangenheit liegende Einzelfälle
zum Gegenstand hätte, könnte nur zu einer - möglicherweise auf Vorfragen
beschränkten - rechtlichen Klärung dieser Einzelfälle führen und bliebe deswegen
hinter dem Rechtsschutz zurück, der mit der Feststellungsklage erreichbar ist.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Vgl. insoweit etwa BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 1982 - 5 C 103.81 -, NJW
1983, 2208, und Beschluß vom 25. Mai 1988 - 3 B 5.88 -, Buchholz 310 § 43 VwGO
Nr. 98.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Die Klage kann in der Sache keinen Erfolg haben. Das Verwaltungsgericht hat
eine Feststellung im Sinne des Klageantrags mit zutreffender Begründung
abgelehnt.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 3 GO können "Fragestunden für Einwohner ... in die
Tagesordnung (einer Ratssitzung) aufgenommen werden, wenn Einzelheiten
hierüber in der Geschäftsordnung geregelt sind". Der Rat der Beklagten hat in § 10
der Geschäftsordnung für den Rat und die Bezirksvertretungen der Stadt xxx und die
Ratsausschüsse vom 23. Januar 1985 (GeschäftsO) von dieser Möglichkeit Gebrauch
gemacht. In Abs. 2 Sätzen 1 und 2 dieser Vorschrift ist geregelt, daß "jeder
Einwohner" Fragen stellen kann "an den Oberbürgermeister, ein anderes
Ratsmitglied, eine Fraktion oder an den Oberstadtdirektor". Der Inhalt der Fragen
darf - von den weiteren, hier nicht interessierenden Erfordernissen in § 10 Abs. 5
Satz 2 GeschäftsO abgesehen - den Aufgabenbereich der Stadt xxx nicht
überschreiten (§ 10 Abs. 2 Satz 3 GeschäftsO).</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist Einwohner der Stadt xxx (§ 6 Abs. 1 GO). Die Fragen, welche er
als solcher stellen will bewegen sich innerhalb der dargelegten Grenzen des
Einwohnerfragerechts. Der Wortlaut der hier einschlägigen Vorschriften scheint
daher das vom Kläger beanspruchte Fragerecht zu rechtfertigen. Dessen ungeachtet
steht dem Kläger dieses Recht nicht zu. Das ergibt sich aus einer an Sinn und
Zweck, den Motiven des Gesetzgebers sowie dem systematischen Zusammenhang
orientierten Norminterpretation, die eine restriktive, hinter dem Wortlaut
zurückbleibende Handhabung der hier einschlägigen Vorschriften gebietet.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die gesetzliche Grundlage für die Durchführung von Einwohnerfragestunden in §
33 Abs. 1 Satz 3 GO ist durch das Zweite Gesetz zur Änderung der
Gemeindeordnung, der Kreisordnung und anderer kommunalverfassungsrechtlicher
Vorschriften vom 15. Mai 1979, GV NW 408, geschaffen worden. Der Sinn der
damaligen Gesetzesänderung bestand erklärtermaßen darin, die Möglichkeiten der
Bürger zur Mitwirkung an der Gemeindeverwaltung zu verbessern, das Interesse der
Öffentlichkeit an der Tätigkeit des Rates zu beleben und der Gefahr einer
Entfremdung zwischen Einwohnerschaft und Gemeindeverwaltung
entgegenzuwirken.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung vom 6. April 1978, Landtags-
Drucksache 8/3152, S. 1, 55 u. 62, sowie die Äußerungen des Abgeordneten xxx in
der 1. Lesung am 26. April 1978, Plenarprotokoll 8/73, S. 5185 (5187 f).</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Adressaten dieser Zielvorstellungen waren mithin nicht die an der
Gemeindeverwaltung bereits beteiligten Funktionsträger, sondern allein die
außerhalb der Verwaltung stehenden Gemeindeeinwohner. Zur Verwirklichung der
gesetzgeberischen Ziele war demgemäß die Verbesserung der Rechtsstellung nur
dieses Personenkreises erforderlich. Das spricht für eine Gesetzesauslegung, die
vom Anwendungsbereich des § 33 Abs. 1 Satz 3 GO (und der darauf beruhenden
Regelung in der Geschäftsordnung) jedenfalls solche Funktionsträger ausnimmt, die
- wie das vor allem bei einem Ratsmitglied der Fall ist - bereits in der
Gemeindeverwaltung an verantwortlicher Stelle mitwirken.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Eine solche einschränkende Interpretation erscheint zwingend, wenn zusätzlich
der systematische und entstehungszeitliche Zusammenhang der Vorschrift mit § 31
Abs. 2 Satz 2 GO in den Blick genommen wird. Auch diese Bestimmung, nach der
Inhalt und Umfang des Fragerechts der Ratsmitglieder in der Geschäftsordnung zu
regeln sind, ist durch das Änderungsgesetz vom 15. Mai 1979, a.a.O., in die
Gemeindeordnung eingefügt worden. Ausgangspunkt für diese Gesetzesänderung
war eine Entscheidung des erkennenden Gerichts</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">- vgl. Beschluß vom 7. März 1975 - III B 925/74 -, OVGE 31, 10 ff. -,</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">durch die ein allgemeines, allein aus dem Gesetz herzuleitendes Frage- und
Informationsrecht des einzelnen Ratsmitgliedes gegenüber dem Gemeindedirektor
auf der Grundlage der damaligen Gesetzeslage abgelehnt worden war. Daß die
Begründung eines solchen Rechts infolgedessen der Geschäftsordnungsautonomie
des jeweiligen Rates überlassen blieb, hielten einige Mitglieder des mit der
federführenden Beratung des Gesetzentwurfs vom 6. April 1978 beauftragten
Ausschusses für Kommunalpolitik, Wohnungs- und Städtebau für rechtspolitisch
unerwünscht. In der Ausschußsitzung am 25. April 1979 wurde deshalb
vorgeschlagen, im Anschluß an die Regelung des Einwohnerfragerechts eine
gesetzliche Grundlage für ein jedem Ratsmitglied unentziehbar zustehendes
Fragerecht zu schaffen.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Vgl. die Äußerungen insbesondere der Abgeordneten xxx, xxx und xxx sowie
des Ministers Dr. xxx in der Sitzung am 25. April 1979, Ausschußprotokoll 8/1418, S.
2 ff. (S. 280 ff. der Gesetzesdokumentation des Landtages zu dem Änderungsgesetz
vom 15. Mai 1979).</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Aufgrund der in der Diskussion dagegen erhobenen Einwände, die sich
insbesondere auf die Möglichkeit mißbräuchlicher Ausnutzung eines gesetzlichen
Fragerechts gründeten,</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">vgl. die Äußerungen insbesondere der Abgeordneten Dr. xxx und Dr. xxx,
a.a.O.,</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">wurde auf eine solche Regelung letztlich verzichtet, als Kompromißlösung aber
eine Ergänzung des § 31 Abs. 2 GO um Satz 2 heutiger Fassung beschlossen.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Vgl. den Vorschlag des Ministers Dr. xxx in der Ausschußsitzung, a.a.O., S. 11,
sowie die Beschlußempfehlung und den Bericht des Ausschusses vom 25. April 1979,
Landtags-Drucksache 8/4352, S. 15 und S. 81; ferner die Ausführungen der
Abgeordneten xxx und xxx in der 2. Lesung des Gesetzentwurfs im Landtag am 2.
Mai 1979, Plenarprotokoll 8/103, S. 6961 (6964 und 6972).</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Die dargestellten Erwägungen der Gesetzgebungsorgane wären ohne inneren
Sinn, wenn bereits das Einwohnerfragerecht nach § 33 Abs. 1 Satz 3 GO Grundlage
für das Fragerecht auch der Ratsmitglieder sein könnte. Daran muß sich die
Auslegung der als Ergebnis dieser Erwägungen zustande gekommenen Regelungen
in § 31 Abs. 2 Satz 2 GO einerseits und § 33 Abs. 1 Satz 3 GO andererseits
orientieren: Sinnvoll ist allein ein Gesetzesverständnis, das den Kreis der durch das
Einwohnerfragerecht Begünstigten so begrenzt, daß davon die Mitglieder des Rates,
denen ein eigenes Fragerecht vorbehalten ist, jedenfalls im Grundsatz
ausgenommen bleiben.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Abweichendes kann allenfalls für den Sonderfall gelten, daß ein Ratsmitglied
seine persönlichen Angelegenheiten in der Einwohnerfragestunde zur Geltung
bringen will.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">So insbesondere Kottenberg/Rehn/Cronauge, Gemeindeordnung für das Land
Nordrhein-Westfalen, 10. Aufl., § 33 Erl. I 3.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Denn das Fragerecht nach § 31 Abs. 2 Satz 2 GO dürfte dem Ratsmitglied nur in
seiner Eigenschaft als Mandatsträger, also als eine innerorganisatorische
Wahrnehmungszuständigkeit eingeräumt sein, die nicht zur Verfolgung persönlicher
Angelegenheiten ausgeübt werden darf. Das indes bedarf keiner weiteren
Vertiefung, weil dem Kläger ein auf seine persönlichen Angelegenheiten
beschränktes Einwohnerfragerecht nicht streitig gemacht wird.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Der vom Kläger erhobene Einwand, daß er bei dieser Beurteilung schlechter
gestellt werde als jeder andere Einwohner, geht fehl.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beruft sich insoweit auf die Unterschiede in der ortsrechtlichen
Ausgestaltung des Einwohnerfragerechts einerseits und des Fragerechts der
Ratsmitglieder andererseits. Während der Einwohner Fragen richten kann an den
Oberbürgermeister, ein Ratsmitglied, eine Fraktion und an den Oberstadtdirektor (§
10 Abs. 2 Satz 2 GeschäftsO), steht dem Ratsmitglied ein Fragerecht nur gegenüber
der Verwaltung zu (§ 12 Abs. 1 Satz 1 GeschäftsO). Abgesehen davon, daß die
Gesetzesauslegung nicht von den Besonderheiten des jeweiligen, dem Range nach
unter dem Gesetz stehenden Ortsrechts abhängen kann, läßt sich aus diesen
Unterschieden eine ernstliche Benachteiligung der Ratsmitglieder nicht herleiten.
Die hier allein interessierende Möglichkeit, den Oberbürgermeister, andere
Ratsmitglieder oder eine Fraktion in bestimmten Angelegenheiten zu
Stellungnahmen zu veranlassen, ist jedem Ratsmitglied in ungleich besserer Weise
eröffnet als sonstigen Einwohnern; denn ein Ratsmitglied kann seine Auffassung
einschließlich etwaiger Sachfragen im Rahmen der Erörterung der Angelegenheiten
grundsätzlich uneingeschränkt zur Geltung bringen, die auf der Tagesordnung der
Ratssitzung stehen. Das schließt auch die Möglichkeit zur Replik, zur Anbringung
weiterer Fragen und zur Abgabe eigener wertender Stellungnahmen ein. All das
bleibt einem Fragesteller in der Einwohnerfragestunde nahezu vollständig versagt
(vgl. § 10 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2, Abs. 7 Sätze 2 und 5 GeschäftsO). Die
Befugnisse des Ratsmitglieds bleiben nur insoweit hinter den Rechten des
Einwohners zurück, als es sich bei Fragen an den Oberbürgermeister, andere
Ratsmitglieder und eine Fraktion auf die Gegenstände der Tagesordnung
beschränken muß. Das aber ist eine zwingende Folge der Regelung in § 33 Abs. 1
Satz 2 GO, wonach die Initiativkompetenz zur Mitgestaltung der Tagesordnung nur
den Fraktionen und einem Fünftel der Ratsmitglieder, nicht hingegen einem
einzelnen Ratsmitglied zugewiesen ist. Diese Eingrenzung und die mit ihr verfolgten
Zwecke würden unterlaufen, wenn dem einzelnen Ratsmitglied die vom Kläger
beanspruchte Befugnis zuerkannt würde.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">So auch der zutreffende Hinweis des Innenministers in der im Zuge der
Ausschußberatungen abgegebenen schriftlichen Stellungnahme vom 19. April 1979,
Gesetzesdokumentation des Landtages zu dem Änderungsgesetz vom 15. Mai 1979,
S. 1163 (1169).</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Dessen Möglichkeit, Fragen außerhalb der Tagesordnung zu stellen, muß
deshalb auf die ausdrücklich zugelassenen Fragen an den Gemeindedirektor (§ 31
Abs. 2 Satz 2 GO, § 10 Abs. 1 GeschäftsO) beschränkt bleiben.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, deren Vollstreckbarkeit
aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 132 Abs. 2, § 137
Abs. 1 VwGO).</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
315,206 | ag-duisburg-1989-08-16-49-c-64088 | {
"id": 648,
"name": "Amtsgericht Duisburg",
"slug": "ag-duisburg",
"city": 408,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 49 C 640/88 | 1989-08-16T00:00:00 | 2019-03-13T14:49:20 | 2022-10-18T15:08:51 | Urteil | ECLI:DE:AGDU1:1989:0816.49C640.88.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>hat das Amtsgericht Duisburg</p>
<p>auf die mündliche Verhandlung vom 28. Juni 1989</p>
<p>durch die Richerin am Amtsgericht</p>
<p>für R e c h t erkannt:</p>
<p></p>
<p>I. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 316,90 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 22.12.1988 sowie ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.000,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 22.12.1988 zu zahlen.</p>
<p>Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>II. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten 11/16 und die Klägerin 5/16.</p>
<p></p>
<p>III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 4.500,-- DM vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p>Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 800,-- DM abzuwenden, wenn nicht zuvor die Beklagten Sicherheit in gleicher Höhe leisten.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte zu 1. betreibt in Duisburg ein Friseurgeschäft, in dem die Beklagte zu 2. als Angestellte beschäftigt ist. Die Klägerin begab sich am 14.10.1988 in den Betrieb des Beklagten zu 1. Sie gab eine Dauerwellenbehandlung in Auftrag.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Nach Durchführung der Behandlung stellte sich heraus, dass das Kopfhaar der Klägerin verfilzt und strohig war und nicht mehr zu frisieren. Im nassen Zustand war die Haarstruktur gummiartig. Die Klägerin hat danach ihr Kopfhaar vollständig abschneiden lassen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin betreibt eine eigene Gaststätte in der Kammerstraße. Sie ließ Mitte Oktober 1988 eine Kunsthaarperücke zum Preise von 271,90 DM und Ende November 1988 eine zum Preise von 198,-- DM anfertigen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin trägt vor, sie habe vor der Dauerwellenbehandlung die Beklagte zu 2. darauf hingewiesen, dass sie ihr Haar gefärbt habe und daher eine Spezialdauerwelle erforderlich sei. Sie habe 17 Wochen eine Perücke tragen müssen. An dem Wochenende 14./15./16. Oktober 1988 habe sie eine Aushilfe einstellen müssen. Dafür habe sie Lohn in Höhe von 315,-- DM gezahlt.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Von der hinter dem Beklagten zu 1. stehenden Haftpflichtversicherung habe sie 300,-- DM erhalten.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Sie habe bis zum Nachwachsen der eigenen Kopfhaare ständig eine Perücke tragen müssen. Dies sei eine erhebliche Beeinträchtigung ihrer Persönlichkeit und ihres Wohlbefindens. Ein Schmerzensgeld von mindestens 4.000,-- DM sei somit angemessen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">1. DM 784,90 nebst 4% Zinsen seit dem 22.12.1988 sowie</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">2. ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">jedoch 4.000,-- DM, nebst 4 % Zinsen seit dem 22.12.1988 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten bestreiten nicht, dass es bei der Dauerwellenbehandlung im Betrieb des Beklagten zu 1. am 14.10.1988 der Beklagten zu 2. ein Behandlungsfehler unterlaufen ist.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten sind jedoch der Auffassung, dass durch das Tragen einer Perücke die Klägerin in ihrem körperlichen Wohlbefinden nicht beeinträchtigt worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Im Übrigen könne sich der Beklagte zu 1. für die Beklagte zu 2. exkulpieren. Die Beklagte zu 2. habe die Gesellenprüfung bestanden und danach seien Fehlleistungen nicht aufgetreten.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß dem Beweisbeschluss vom 19. April 1989 durch Vernehmung von Zeugen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 28. Juni 1989 Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich des Parteivorbringens im Übrigen wird auf die wechselseitig zu den Akten gereichten Schriftsätze und Unterlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Akte 48 H 12/88 hat vorgelegen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Klage ist teilweise begründet.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Der Klägerin steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Schadenersatz gemäß §§ 823, 831 BGB und ein Anspruch auf Schmerzensgeld gemäß § 847 BGB zu.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Unstreitig ist bei der Dauerwellenbehandlung der Klägerin im Betrieb des Beklagten zu 1. am 14.10.1988 der Beklagten zu 2. ein Behandlungsfehler unterlaufen. Unstreitig ist danach das Kopfhaar der Klägerin verfilzt und nicht frisierbar gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere der Aussage der Zeugin C steht fest, dass die Klägerin vom 14.10.1988 bis Karneval 1989 eine Perücke getragen hat. Auch Anfang März waren die Haare noch nicht vollständig nachgewachsen.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Somit steht fest, dass die Klägerin gezwungen war, 16 Wochen lang eine Perücke zu tragen, um ordnungsgemäß ihre Gaststätte führen zu können.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Dies stellt unzweifelhaft einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit gemäß § 823 BGB dar, für die die Beklagten einstehen müssen. Der Beklagte zu 1. kann sich für das Verschulden der Beklagten zu 2. nicht gemäß § 831 BGB exkulpieren. Zwar hat der Beklagte zu 1. vorgetragen, dass die Beklagte zu 2. ihre Gesellenprüfung abgeschlossen hat und dass es sich bei der Dauerwellenbehandlung der Klägerin um eine Routinemaßnahme handelt. Er hat aber im Einzelnen nicht vorgetragen, wann die Beklagte zu 2. die Gesellenprüfung abgeschlossen hat und wie lange sie schon im Geschäft des Beklagten zu 1. beschäftigt ist und ob sie eine solche Dauerwellenbehandlung schon einmal alleine durchgeführt hat.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die Klägering hat einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 316,90 DM.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Sie kann 271,90 DM und 198,-- DM als Kosten für die Anfertigung von zwei Perücken von den Beklagten verlangen.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Sie hat bei der Bestellung der zweiten Perücke auch nicht gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen. Wenn man über einen solch langen Zeitraum eine Perücke den ganzen Tag tragen muss, ist es unumgänglich, dass man diese Perücken wechseln muss, um sie waschen und trocknen zu lassen. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass die Klägerin selbstständig einen Geschäftsbetrieb führt.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Desweiteren kann sie für die Aushilfe am Wochenende 14. bis 16. Oktober 1988 einen Betrag von 147,-- DM fordern. Die Zeugin C. hat insoweit bekundet, dass sie ohnehin für die Klägerin an diesem Wochenende gearbeitet hätte. Aufgrund der beschädigten Frisur sei sie jedoch auch länger geblieben, und zwar ab 16.00 Uhr bis 23.00 Uhr an drei Tagen. Sie habe pro Stunde 7,-- DM erhalten. Schadensbedingt sind somit nur die Aufwendungen für die Zeiten ab 16.00 Uhr. Die Klägerin kann somit 147,-- DM von den Beklagten verlangen. Insgesamt hat die Klägerin einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 616,90 DM. Unstreitig hat die hinter dem Beklagten zu 1. stehende Haftpflichtversicherung einen Betrag von 300,-- DM gezahlt. Insoweit hat die Klägerin versäumt, die Hauptsache für erledigt zu erklären. Die Klage in Höhe von 300,-- DM musste somit abgewiesen werden.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Desweiteren steht der Klägerin ein Schmerzensgeldanspruch zu gemäß § 847 BGB.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Ein Schmerzensgeld von 3.000,-- DM erscheint angemessen aber auch ausreichend, um die Beeinträchtigungen der Klägerin durch die fehlerhaftet Dauerwellenbehandlung auszugleichen. Die Klägerin musste als selbstständige Gewerbetreibende über vier Monate eine Perücke ständig tragen. Dies stellt eine erhebliche Beeinträchtigung dar.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Nach Auffassung des Gerichts erscheint ein Betrag von 3.000,-- DM aber ausreichend auch im Hinblick auf die Vermögensverhältnisse des Beklagten zu 1.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 709 ZPO.</p>
|
315,207 | olgham-1989-08-11-26-u-5489 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 26 U 54/89 | 1989-08-11T00:00:00 | 2019-03-13T14:49:21 | 2022-10-18T15:08:51 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1989:0811.26U54.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung des Beklagten wird das am 13. Januar 1989 verkündete Urteil der Zivilkammer I des Landgerichts Detmold abgeändert.</p>
<p></p>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Der Klägerin werden die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Tatbestand:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Zahlung der Kosten für seinen Heimaufenthalt in der Zeit vom 21.08.1985 bis zum 30.09.1986.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin unterhielt bis zum Sommer 1987 ein Kinderheim.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Am 10.04.1981 wurde der Beklagte von ihr aufgenommen. Mit Schreiben vom 22.04.1981 sagte die Stadt xxx, die zum damaligen Zeitpunkt Vormund oder Pfleger des Beklagten war, die Übernahme der entstehenden Heimpflegekosten gemäß §§ 5, 6 Jugendwohlfahrtsgesetz (JWG) zu. Der Beklagte blieb auch nach Volljährigkeit (05.04.1985) im Heim. Mit Schreiben vom 28.02.1985 sagte die Stadt xxx gegenüber der Klägerin die Übernahme der Kosten für den Heimaufenthalt des Beklagten bis zum 31.08.1985 zu. Die Kostenzusage stützte sich auf § 6 Abs. 3 JWG, sie fand ihre Rechtfertigung darin, daß der Beklagte an einem Lehrgang des Berufsfortbildungswerkes des Deutschen Gewerkschaftsbundes teilnahm. Mit Schreiben vom 18.09.1985, das mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, zog die Stadt xxx das Kostenanerkenntnis mit Wirkung ab 26.08.1985 zurück, da der Beklagte den Lehrgang am 08.03.1985 abgebrochen hatte. Auch nach dem 18.09.1985 blieb der Beklagte im Heim. Er wurde am 06.12.1985 wegen Geistesschwäche entmündigt. Zum Vormund wurde zunächst der Kreis xxx, später ein Mitglied des Vereins "Lebenshilfe", xxx bestellt. 1987 erhielt der Kreis wiederum die Vormundschaft. Der Antrag des Beklagten auf Eingliederungshilfe gemäß § 39 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) vom 26.08.1985 wurde vom Landschaftsverbund xxx abgelehnt; diese Ablehnung wurde auch nach Widerspruch des Beklagten aufrechterhalten.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin kündigte am 11.08.1986 gegenüber dem damaligen Vormund des Beklagten, Herrn xxx, zum 30.09.1986 die Heimunterbringung des Beklagten. Dieser verließ am 01.10.1986 das Heim der Klägerin.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin verlangt mit der Klage die Kosten für den Heimaufenthalt des Beklagten abzüglich einer Leistung des Sozialamtes des Kreises xxx, die sich als Hilfe zum Lebensunterhalt bezeichnet, in Höhe von 10.271,29 DM.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, daß zwischen den Parteien für die Zeit vom 21.08.1985 bis zum 30.09.1986 zumindest konkludent ein Vertrag über den Heimaufenthalt abgeschlossen worden und der Beklagte daher zur Zahlung der Kosten verpflichtet sei. Hilfsweise hat sich die Klägerin auf ungerechtfertigte Bereicherung berufen. Hierzu hat sie vorgetragen, daß der Beklagte Kosten in der eingeklagten Höhe, zumindest aber in Höhe von 1.500,-- DM monatlich, durch den Heimaufenthalt erspart habe.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:57px">den Beklagten zu verurteilen, an sie 32.388,85 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 12.11.1987 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:57px">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Er hat die Auffassung vertreten, daß zwischen ihm und der Klägerin ein Vertrag nicht zustande gekommen sei. Es fehle bereits an einer Einigung. Darüber hinaus sei eine solche als nichtig zu betrachten, da er in der Zeit nach dem Eintritt der Volljährigkeit geschäftsunfähig gewesen sei. Im übrigen verstoße ein Vertrag gegen § 138 BGB.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht Detmold hat der Klage durch Urteil vom 13.01.1989 stattgegeben. Es hat die Auffassung vertreten, daß bereits 1981 ein Heimpflegevertrag zwischen den Parteien abgeschlossen worden sei, der durch das Jugendamt xxx am 28.02.1985 verlängert worden sei. Eine Kündigung sei, auch durch den Widerruf der Kostenzusage durch das Jugendamt, nicht erfolgt. Der Vertrag sei nicht gemäß § 138 BGB nichtig.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Mit der form- und fristgerecht eingelegten Berufung greift der Beklagte das Urteil an. Er wiederholt seine bereits erstinstanzlich vertretene Rechtsauffassung, daß eine vertragliche Beziehung zwischen ihm und der Klägerin zu keinem Zeitpunkt bestanden habe. Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung stünden der Klägerin nicht zu. Der Beklagte bestreitet die Höhe der geltend gemachten Kosten.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin vertritt die Auffassung, nach Volljährigkeit des Beklagten sei zwischen den Parteien konkludent ein Heimpflegevertrag zustande gekommen. Zu dessen wirksamen Abschluß sei der Beklagte, da er geschäftsfähig gewesen sei, in der Lage gewesen. Die Kündigung dieses Vertrages sei vor dem 11.08.1986 nicht erfolgt. Jedenfalls ständen ihr Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung zu. Die Höhe der geltend gemachten Kosten sei angemessen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat Frau xxx und Herrn xxx über die in ihr Wissen gestellten Tatsachen als Zeugen vernommen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Berufung des Beklagten hat Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von Heimunterbringungskosten weder aus Vertrag noch aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis zu.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks"><b>A.</b></p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Ein Vertragsverhältnis, auf das sich der geltend gemachte Anspruch stützen könnte, ist zwischen den Parteien nicht zustande gekommen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Insbesondere ist ein Vertrag zwischen den Parteien nicht bereits 1981 bei Aufnahme des Beklagten in das Heim der Klägerin abgeschlossen worden. Das Landgericht hat eine solche Einigung zwischen den Parteien auch nicht festgestellt. Es begründet seine Rechtsauffassung hinsichtlich eines Vertragsschlusses zwischen den Parteien mit einer Auslegung der Vorschriften des Jugendwohlfahrtsgesetzes. Diese Auffassung geht jedoch fehl: Die Vorschriften des Jugendwohlfahrtsgesetzes regeln die Zuständigkeit und die Aufgaben des Jugendamtes, d.h. die öffentlich-rechtlichen Beziehungen des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe zu Minderjährigen etwa im Rahmen der Erziehungshilfe gemäß § 6 JWG bzw. anderen Behörden. Aus diesen öffentlich-rechtlichen Beziehungen lassen sich nicht Rückschlüsse auf die Beurteilung der zivilrechtlichen Frage, zwischen welchen Parteien ein Vertrag zustande gekommen ist, ziehen. Betrachtet man die Art und Weise der Aufnahme des Beklagten durch die Klägerin, so spricht weitaus mehr dafür, daß ein Vertrag zwischen der Stadt xxx und der Klägerin zustande kam. Die Stadt xxx richtete an die Klägerin das Schreiben vom 22.04.1981, daß sie die im Falle des Beklagten entstehenden Heimpflegekosten übernehme. Aus diesem Schreiben konnte die Klägerin allein schließen, daß sich die Stadt xxx selbst, nicht im Namen des Beklagten, verpflichten wollte. Alle Umstände sprechen für ein Eigengeschäft der Stadt, da eine Andeutung des Vertretungsverhältnisses, etwa ein Auftreten als Vormund, fehlt, vgl. § 164 Abs. 2 BGB. Das Auftreten der Stadt entspricht der üblichen Handhabe: Wie der Zeuge xxx vor dem Einzelrichter des Senats bekundet hat, hat er es in seiner Praxis als Vormundsvertreter für die Stadt noch nicht erlebt, daß der Pflegervertrag im Namen des Jugendlichen mit dem Heim geschlossen wird. Das hätte auch nicht dem wohlverstandenen Interesse der Klägerin entsprochen: Sie wäre wohl kaum mit einem vermögenslosen Jugendlichen als Vertragspartner einverstanden gewesen. Der einzig zwischen der Stadt xxx und der Klägerin in Betracht kommende Vertrag beurteilt sich seiner Rechtsnatur nach zivilrechtlich. Daß die Stadt öffentlich-rechtlich zur Sorge für den Beklagten verpflichtet war, bedingt nicht, daß sie diese Hilfe im Verhältnis zur Klägerin öffentlich-rechtlich ausgestaltete (sog. Zweistufentheorie vgl. Wolff-Bachof, Verwaltungsrecht, I, 9. Aufl., § 22 III f.). Vielmehr hat sich die Stadt gegenüber der Klägerin derselben Rechtssätze - eines bürgerlich-rechtlichen Heimpflegevertrages: Mietvertrag verbunden mit Dienstvertrag (OLG Köln NJW 1980, 1395; Palandt-Putzo, BGB, 48. Aufl., Einführung vor § 535 Anm. 3a, ff.) - bedient wie jede beliebige Rechtspersönlichkeit auch. Für diesen Bereich ist öffentlich-rechtliches Sonderrecht nicht geschaffen worden (vgl. KG MDR 1978, 413; OVG Münster NJW RR 1986, 1012 zum vergleichbaren Fall des Familienpflegevertrages).</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">In dem einzig in Betracht kommenden Vertragsverhältnis Klägerin - Stadt xxx ist bis zum Schreiben der Stadt xxx vom 18.09.1985 eine Veränderung nicht eingetreten. Denn bis zu diesem Zeitpunkt setzten die Vertragsparteien das Vertragsverhältnis einverständlich fort: Die Stadt xxx hatte noch am 28.02.1985 den Heimpflegevertrag bis 31.08.1985, wiederum im eigenen Namen handelnd, befristet. Die Klägerin war hiermit offensichtlich einverstanden. Auch der Eintritt der Volljährigkeit des Beklagten brachte keine Änderung, da dieser nicht Vertragspartner geworden war, der Vertrag zwischen Klägerin und Stadt weiterhin praktiziert wurde.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Auch das Schreiben vom 18.09.1985 zog nicht einen Vertragsschluß zwischen den Prozeßparteien nach sich.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Zwar mag dieses als Verwaltungsakt konzipierte Schreiben eine Kündigung des bisherigen Vertrages darstellen, deren Wirksamkeit nach Miet- und Dienstvertragsrecht zu beurteilen ist (vgl. Wolff-Bachof a.a.O. § 51 II d "Nichtakt"). Dann käme auf den Vertrag die - der Klägerin günstigere, weil längere - Kündigungsvorschrift des Mietvertrages zur Anwendung, § 565 Abs. 1 Ziff. 3 BGB. Das Vertragsverhältnis endete dann nicht vor dem 31.12.1985.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Anhaltspunkte für eine Einigung der Parteien nach dem Zugang des Schreibens vom 18.09.1985 liegen jedoch nicht vor. Für eine ausdrückliche Einigung fehlen sie ohnedies. Solche sind auch für die Annahme einer konkludenten Vereinbarung nicht zu bejahen. Daß die Klägerin den Beklagten einen Antrag auf Eingliederungshilfe stellen ließ, konnte von diesem nicht als Willenserklärung der Klägerin verstanden werden, bei Fehlschlagen einer Kostenübernahme durch den Landschaftsverband ihn persönlich in Anspruch zu nehmen. Ab dem Auslaufen des Vertrages zwischen der Stadt xxx und der Klägerin (31.12.1985) ist ohnedies zu beachten, daß der Beklagte bereits wegen Geistesschwäche entmündigt war. Ein rechtsgeschäftliche erhebliches Verhalten des Beklagten kommt somit als Anknüpfungspunkt für eine vertragliche Bindung ab diesem Zeitpunkt nicht mehr in Betracht. Angesichts der fehlenden Geschäftsfähigkeit des Beklagten kommen auch die eine Vertragsverlängerung bewirkenden §§ 568, 625 BGB nicht in Betracht, die im übrigen auf die Fortsetzung des Gebrauchs bzw. der Dienste zwischen dem bisherigen Vertragsparteien, nicht auf eine Neubegründung des Vertragsverhältnisses zugeschnitten sind.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Vertragliche Ansprüche scheiden deshalb aus.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">B. Gesetzliche Schuldverhältnisse</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Ein Aufwendungsersatzanspruch aus (berechtigter) Geschäftsführung ohne Auftrag, § 683 S. 1 BGB, ist nicht zu bejahen. Denn es fehlt an einem Interesse des Geschäftsherrn an der Übernahme des Geschäftes. Das Merkmal ist objektiv zu beurteilen. Es ist gegeben, wenn die Übernahme dem Beklagten nützlich war. Bei der Beurteilung sind die Kosten des Geschäftes mitzuberücksichtigen (Palandt-Thomas a.a.O. § 683 Anm. 2). Die Gewährung von Unterkunft, Verpflegung und Betreuung für einen Volljährigen im Gegenwert von 3.000,-- DM monatlich ist jedoch unverhältnismäßig teuer; eine Pflegefamilie wäre für den Beklagten billiger gewesen; erst recht ist dieses für die Höhe von Sozialleistungen anzunehmen, die dem Beklagten gewährt worden wären, wenn er aus dem Heim entlassen worden wäre.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Auch ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß den §§ 684, 812 BGB kommt nicht in Betracht. Der Beklagte hat durch die Leistung der Klägerin nichts erspart. Er hatte nämlich im Falle seiner Entlassung bereits zum 01.01.1986 einen Anspruch auf Sozialhilfe nach den § 4, 5, 68 Abs. 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG), so daß die Gewährung von Unterkunft, Verpflegung und etwaigen weiteren Pflegeleistungen allenfalls den Sozialhilfeträger entlastet hat (vgl. BGH VI ZR 288/86, Urteil vom 27.10.1987, abgedruckt auf Bl. 31 ff d.A.). Darüber hinaus widerspräche eine Zahlungsverpflichtung des Beklagten dem in den §§ 106 ff. BGB zum Ausdruck kommenden sog. Minderjährigenschutz. Auf diesen kann sich der Beklagte ab dem Zeitpunkt seiner Entmündigung berufen.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Die Klage war deshalb abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Ziff. 10 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist in Höhe von 32.388,85 DM durch dieses Urteil beschwert.</p>
|
315,208 | olgham-1989-08-09-20-u-29288 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
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} | 20 U 292/88 | 1989-08-09T00:00:00 | 2019-03-13T14:49:22 | 2022-10-18T15:08:50 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1989:0809.20U292.88.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung des Klägers wird das am 26.08.1988 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg abgeändert.</p>
<p>Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.985,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 27.11.1987 zu zahlen.</p>
<p>Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p>Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 7.600,00 DM abwenden, sofern der Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Der Beklagten wird gestattet, die Sicherheit durch unbedingte und unbefristete Bürgschaft einer deutschen Bank, Sparkasse oder Genossenschaftsbank zu erbringen.</p>
<p>Die Revision wird zugelassen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung, der die Musterbedingungen 1976 des Verbandes der Privaten Krankenversicherung (MB/KK 76) zugrundeliegen. Nach §1 dieser Bedingungen gewährt der Versicherer im Versicherungsfall, in der Krankenhaustagegeldversicherung "bei stationärer Behandlung" ein Krankenhaustagegeld. Dieses war zwischen den Parteien in Höhe von 95,00 DM pro Tag vereinbart.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Als der Kläger 1986 im Anschluß an verschiedene organische Leiden an reaktiven Depressionen litt, begab er sich ab 11.12.1986 bis einschließlich 15.06.1987 in stationäre Behandlung des ... in ... und zwar in die Abteilung für klinische Psychiatrie. Für diesen Zeitraum zahlt die Beklagte das vereinbarte Krankenhaustagegeld. Im Anschluß an diese stationäre Behandlung wurde der Kläger in die Tagesklinik dieses Krankenhauses verlegt, wo er bis einschließlich 11.09.1987 behandelt wurde. Diese Behandlung erfolgte in der Weise, daß der Kläger täglich - mit Ausnahme der Wochenenden und der Feiertage - morgens von seinem etwa 80 km entfernten Wohnort zu der Klinik fuhr, dort tagsüber an den verschiedenen Therapiemaßnahmen teilnahm, in die zeitweise auch seine Ehefrau einbezogen wurde, und abends wieder mit seinem Wagen nach Hause fuhr, wo er die Nacht verbrachte. Für diese Behandlung, für die der Kläger nach Abzug der Wochenenden und Feiertage ein rechnerisch unstreitiges Krankenhaustagegeld in Höhe von insgesamt 5.985,00 DM (63 Tage) verlangt, lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 26.11.1987 die Deckung mit der Begründung ab, es habe sich nicht um eine stationäre Behandlung im Sinne der Versicherungsbedingungen gehandelt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Mit seiner Klage hat der Kläger, gestützt auf eine Entscheidung des erkennenden Senats (NJW 86, 2888), die Auffassung vertreten, auch für eine teilstationäre Behandlung werde das vereinbarte Krankenhaustagegeld geschuldet. Außerdem hat er mit näherer Begründung die Notwendigkeit dieser Behandlung dargelegt und beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.985,00 DM nebst 9,5 % Zinsen seit dem 27.11.1987 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Sie hat die Notwendigkeit der Behandlung in der Tagesklinik bestritten und unter Hinweis auf verschiedene Urteile anderer Gerichte mit näherer Begründung die Auffassung vertreten, daß eine teilstationäre Behandlung nicht unter den Versicherungsschutz falle. Dieser Rechtsansicht der Beklagten ist das Landgericht gefolgt und hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Versicherungsbedingungen seien eindeutig und ließen eine Auslegung dahin, daß auch teilstationäre Behandlung versichert sein solle, nicht zu.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Mit der Berufung verfolgt der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens seinen Anspruch unverändert weiter und beantragt, unter teilweiser Zurücknahme des geltendgemachten Zinsanspruchs, zuletzt,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.985,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 27.11.1987 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<br /><span class="absatzRechts">12</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="1">
<tr>
<td> </td>
<td>1.</td>
<td>die Berufung zurückzuweisen;</td>
</tr>
<tr>
<td> </td>
<td>2.</td>
<td>für den Fall der Zwangsvollstreckung ihr zu gestatten, Sicherheit durch Bankbürgschaft leisten zu dürfen.</td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte verteidigt mit eingehender rechtlicher Begründung das angefochtene Urteil.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Sie hat zunächst weiterhin die medizinische Notwendigkeit der Behandlung des Klägers in der Tagesklinik bestritten. Aus diesem Grund hat der Senat gemäß Beweisbeschluß vom 17.02.1987 (Bl. 133) ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt, auf welches verwiesen wird (Bl. 155-Bl. 172 GA). Die Beklagte hat danach die medizinische Notwendigkeit der Behandlung unstreitig gestellt.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Wegen der Einzelheiten des beiderseitigen Sachvortrags wird auf den Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe</b></p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Berufung des Klägers hat Erfolg. Die rechnerisch richtige und der Höhe nach unstreitige Klageforderung ist begründet. Sie ist antragsgemäß mit 4 % ab dem 27.11.1987 zu verzinsen, weil die Beklagte mit Ablehnung der Deckung im Schreiben vom 26.11.1987 in Verzug gekommen ist.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Nachdem die medizinische Notwendigkeit der Behandlung des Klägers in der Tagesklinik in dem Zeitraum vom 16.06. bis zum 11.09.1987 unstreitig gestellt worden ist, hängt die Entscheidung allein davon ab, ob diese Behandlungsform als stationäre Behandlung im Sinne der Versicherungsbedingungen anzusehen ist.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks"><b>I.</b></p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Diese Rechtsfrage hat der Senat in seinem Urteil vom 23.05.1986 (NJW 86, 2888), welches einen vergleichbaren Sachverhalt einer Behandlung in derselben Klinik betraf, bejaht und zur Begründung folgendes ausgeführt:</p>
<br /><span class="absatzRechts">21</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>"1.</i>
<i>Eine Definition des Begriffs "stationäre Behandlung" enthalten die Versicherungsbedingungen nicht. Eine gesetzliche Definition, die den Inhalt des Begriffs umschreibt und gegen andere Behandlungsformen abgrenzt, existiert ebenfalls nicht.</i>
<i>2.</i>
<i>Im allgemeinen Sprachgebrauch werden die Begriffe "stationäre" und "ambulante" Behandlung als Gegensatz verstanden und verwendet. Der eine Begriff schließt den anderen aus. Für den Inhalt des jeweiligen Begriffs ergibt sich daraus jedoch nichts, weil zwar als "stationär" alles das verstanden werden kann, was nicht als "ambulant" anzusehen ist; doch gilt auch die entgegengesetzte Überlegung, daß alles das als "ambulant" angesehen werden kann, was nicht "stationär" ist.</i>
<i>3.</i>
<i>Eine Behandlung ist zweifellos dann eine stationäre, wenn der Patient ununterbrochen Tag und Nacht im Krankenhaus "bleibt". Das entspricht dem lateinischen Ursprung des Wortes stationär, das sich von stare (stillstehen, bleiben) bzw. von statio (Stillstand, Aufenthaltsort) ableitet. Der Lebensmittelpunkt des Patienten verlagert sich für die Dauer der Behandlung aus seiner gewohnten privaten Umgebung in das Krankenhaus, das er nicht verläßt. Er wird dort "festgehalten", seine gewohnten Aktivitäten kommen weitgehend zum Stillstand.</i>
<i>Die typische ambulante Behandlung (lateinisch ambulare = gehen, umhergehen, wandern) läßt den gewohnten Lebensrhythmus hingegen weitgehend unberührt; der Patient verläßt seinen üblichen Lebensmittelpunkt nicht, er kann seiner Arbeit und seinen sonstigen Verrichtungen anchgehen. Er "geht" zum Arzt bzw. zur Behandlung.</i>
<i>4.</i>
<i>In den letzten 15-20 Jahren haben sich jedoch Behandlungsformen herausgebildet, die weder der einen noch der anderen typischen Behandlungsform eindeutig zuzuordnen sind, weil sie Elemente von beiden enthalten.</i>
<i>Hierzu gehört die Behandlung in sog. Tageskliniken (der Patient schläft nachts zuhause und ist nur tasüber in der Klinik) bzw. sog. Nachtkliniken (der Patient verbringt nur die Nacht in der Klinik und geht tagsüber seinen gewohnten Verrichtungen nach), die zum Teil auch als teilstationäre oder halbstationäre Behandlung bezeichnet werden.</i>
<i>Die Verordnung zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Bundespflegesatzverordnung) vom 25.04.1973 (Bundesgesetzblatt I Seite 333 ff) bezeichnet in §2 Ziffer 5 Krankenhausleistungen als "ärztliche Leistungen, Pflege, Verpflegung, Unterkunft, Nebenleistungen und sonstige stationäre und halbstationäre Leistungen des Krankenhauses". In §4 Abs. 1 Ziffer 3 sieht sie die Festsetzung besonderer Pflegesätze für allgemeine Krankenhausleistungen in Sondereinrichtungen vor, die ausschließlich oder überwiegend unter anderem "halbstationären Leitungen dienen".</i>
<i>Der Verordnungsgeber hat damit, ohne den Begriff "halbstationär" näher zu definieren, diese Sonderformen der Krankenhausbehandlung erfassen wollen, bei denen der Patient nicht rund um die Uhr im Krankenhaus zu bleiben braucht.</i>
<i>Er hat den hierfür gebildeteten Begriff von dem Wort "stationär" abgeleitet. Das deutet darauf hin, daß diese besondere Behandlungsform als Unterfall einer stationären Behandlung und nicht als Sonderform einer ambulanten Behandlung gesehen worden ist. Das Motiv für diese Betrachtungsweise mag zwar in der besonderen Problematik der Krankenhausfinanzierung zu suchen sein. Gleichwohl bleibt festzustellen, daß es Formen der nur stundenweisen Behandlung im Krankenhaus gibt, die den Patienten in ähnlicher Weise an der Entfaltung seiner üblichen Lebensgewohnheiten hindern wie ein ununterbrochener (vollstationärer) Krankenhausaufenthalt und die daher eher der "klassischen" stationären Behandlung als der ambulanten Behandlung vergleichbar sind.</i>
<i>Wer wie der Kläger täglich acht Stunden ärztlich bzw. therapeutisch betreut und auch im Krankenhaus beköstigt wird, kann beispielsweise seinen Beruf nicht mehr ausüben. Sein Lebensryhthmus wird weitgehend von dem Aufenthalt in der Klinik bestimmt. Es kommt hinzu, daß es bei Behandlungen, wie der Kläger sie erfahren hat, Teil der Therapie ist, den Patienten für einen Teil des Tages und für die Nacht in seinem gewohnten sozialen Milieu zu belassen. Das hat der vom Landgericht zugezogene Sachverständige hier ausdrücklich hervorgehoben.</i>
<i>Der Patient muß das tagsüber in der Klinik erlernte Verhalten in der klinikfreien Zeit anzuwenden versuchen. Schlägt dieser Versuch fehl, kann die teilstationäre Behandlung in eine vollstationäre, übergehen ....</i>
<i>5.</i>
<i>Behandlungsformen, die Elemente der ambulanten und der stationären Behandlung enthalten, aber in ihren Auswirkungen auf den Alltag des Patienten eher der "klassischen" stationären Behandlung vergleichbar sind, können unter den Begriff der stationären Behandlung im Sinne von §1 Abs. 1 b MB/KK 76 gefaßt werden. Die Auslegung des nirgendwo eindeutig definierten Begriffs "stationär" läßt dies zu.</i>
<i>a)</i>
<i>Es steht nicht entgegen, daß der Krankenhausaufenthalt nicht jeweils einen vollen Tag (24 Stunden) dauert. Aus dem Wort Krankenhaustagegeld läßt sich das Gegenteil nicht herleiten. Denn der Begriff "Tag" ist mehrdeutig und bedeutet im Sprachgebrauch nicht notwendig den Zeitraum von 24 Stunden. Die Sprache läßt es vielmehr zu, den Zeitabschnitt von 24 Stunden mit "Tag" und "Nacht" zu umschreiben. Begriffe wie "Arbeitstag" oder "8-Stunden-Tag" machen dies deutlich.</i>
<i>Daß der Begriff des Krankenhaustagegeldes nicht notwendig den Zeitabschnitt von 24 Stunden voraussetzt, folgt auch aus den beiden Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (VersR 84, 675 ff, 677 ff), die - für den Fall der sog. Beurlaubung aus (unstreitig) stationärer Behandlung - die Auslegung für möglich halten, daß auch bei nur stundenweisem Aufenthalt in einer Klinik der volle Anspruch auf Krankenhaustagegeld begründet ist.</i>
<i>b)</i>
<i>Der Zweck der Krankenhaustagegeldversicherung steht ebenfalls nicht entgegen.</i>
<i>Die Krankenhaustagegeldversicherung ist keine Schadensversicherung, sondern eine Summenversicherung.</i>
<i>Sie dient nicht einer konkreten, sondern einer abstrakten Bedarfsdeckung. Sie soll den Versicherungsnehmer für die Zeit, in der er im Krankenhaus gewissen Einschränkungen unterliegt, über die eigentlichen Behandlungs- und Krankenhauskosten hinaus gewisse Annehmlichkeiten ermöglichen und ggf. die zusätzlichen Kosten, abdecken, die stets mit einem Krankenhausaufenthalt verbunden sind (BGH a.a.O.).</i>
<i>Solche zusätzlichen Aufwendungen - z.B. für die Beschäftigung einer Haushaltshilfe für Kinderbetreuung oder auch für Gegenstände, mit denen der Aufenthalt im Krankenhaus angenehmer gestaltet werden kann - können auch bei einem nur mehrere Stunden täglich dauernden Klinikaufenthalt entstehen, so daß auch insoweit ein berechtigtes Interesse des Versicherungsnehmers an Versicherungsschutz besteht.</i>
<i>6.</i>
<i>Die Regelung in §1 Abs. 1 b MB/KK 76 stellt sich danach als auslegungsbedürftig dar, soweit sie nur den nicht näher bestimmten Begriff der stationären Behandlung verwendet. Gem. §5 AGBG ist zugunsten des Versicherungsnehmers von der ihm günstigeren Auslegungsmöglichkeit auszugehen, so daß darunter auch die sog. halbstationäre Behandlung fällt. Eine klarere Abgrenzung wäre schon bei Formulierung dieser Versicherungsbedingungen möglich und geboten gewesen. Denn die sog. Tages- bzw. Nachtkliniken und das Problem der "teilstationären" Behandlung waren schon bei der Neufassung dieser Musterbedingungen im Jahre 1976 bekannt, wie die Bundespflegesatzverordnung aus dem Jahre 1973 zeigt, die bereits den Begriff der halbstationären Behandlung verwendet.</i>
<i>Die Versicherungswirtschaft hätte es daher längst in der Hand gehabt, Bedingungen zu formulieren, die diese Behandlungsform, die Elemente der ambulanten und der stationären Behandlung enthält, erfassen und klar bestimmen, ob für einen Krankenhausaufenthalt von jeweils weniger als 24 Stunden pro Tag kein oder möglicherweise ein gekürztes Krankenhaustagegeld gezahlt wird.</i>
<i>Dem Grundsatz der für den Versicherungsnehmer günstigsten Auslegungsmöglichkeit steht nicht entgegen, daß nach der Darstellung der Beklagten im Einzelfall bei Gleichstellung der halbstationären mit der stationären Behandlung der Versicherungsnehmer ungünstiger stehe, nämlich dann, wenn die Krankheitskostenversicherung nicht die vollen Kosten des Krankenhausaufenthalts deckt, während sie alle Kosten einer ambulanten Behandlung decken würde. Solche auf den Einzelfall abgestellten Erwägungen sind im Rahmen von §5 AGBG nicht statthaft. Sie treffen beispielsweise in all den Fällen nicht zu, in denen der Versicherungsnehmer gesetzlich krankenversichert ist und die Krankenhaustagegeldversicherung nur als private Zusatzversicherung abschließt."</i></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks"><b>II.</b></p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">An diesen Ausführungen hält der Senat auch nach erneuter Prüfung fest.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Der Begriff der stationären Behandlung ist keineswegs mehr eindeutig seit es Zwischenformen der Behandlung gibt, die weder als ausschließlich ambulant noch als ausschließlich stationär bezeichnet werden können, deren Bezeichnung aber von dem Wort "stationär" abgeleitet werden (teilstationär). Es ist daher sehr wohl die Frage, ob dies noch unter den in den Versicherungsbedingungen gebrauchten Begriff der stationären Behandlung subsumiert werden kann. Wenn dies möglich ist, gilt nach §5 AGBG die für den Versicherungsnehmer günstigere Auslegungsmöglichkeit. Der Senat bejaht diese Frage jedenfalls für Fälle der vorliegenden Art, bei denen über einen längeren zusammenhängenden Zeitabschnitt eine Behandlung stattfindet, die den Tagesablauf des Versicherungsnehmers so nachhaltig bestimmt, daß er wie bei einer stationären Behandlung im klassischen Sinn z.B. und vor allem seinem Beruf nicht mehr nachgehen kann. Der von der Beklagten hervorgehobene Gesichtspunkt, daß der Kläger täglich mit seinem eigenen Pkw etwa 80 km zu der Klinik und dieselbe Strecke zurück nach Hause ist, steht dem nicht entgegen. Er macht vielmehr zusätzlich deutlich, in welch hohem Maß der Tagesablauf auch zeitlich durch die Behandlung in der Tagesklinik bestimmt wurde.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">In anderen Fällen, wie etwa dem der vom Landgericht als Beispiel erwähnten Dialysebehandlung mag es anders sein, weil diese wegen der jeweils dazwischen liegenden zeitlichen Intervalle und wegen der Möglichkeit, den gesamten Lebensryhtmus auf Dauer auf diese regelmäßige medizinische Maßnahme einzustellen, einer ambulanten Behandlung näher kommen könnte. Diese Frage steht hier jedoch nicht zur Entscheidung.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte entnimmt der in VersR 83, 677 veröffentlichen Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Auslegung des Begriffs der Rehabilitationsmaßnahme, daß es darauf ankomme, wie im Zeitpunkt der Formulierung der Versicherungsbedingungen (hier 1976) ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer den Begriff der stationären Behandlung habe verstehen können. 1976 aber sei die Möglichkeit einer teilstationären Behandlung noch nicht in das Bewußtsein eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers gedrungen gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Einen so allgemeinen Grundsatz vermag der Senat der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs aber nicht zu entnehmen. Grundsätzlich ist für die Auslegung von allgemeinen Geschäftsbedingungen, zu denen auch die allgemeinen Versicherungsbedingungen gehören, der Zeitpunkt ihrer Verwendung maßgebend. Daher gilt auch die Inhaltskontrolle des AGBG auch für Versicherungsbedingungen, die schon vor Inkrafttreten des Gesetzes formuliert, aber erst danach in Verträge einbezogen wurden (§28 AGBG). Es kann aber vorkommen, daß bestimmte Begriffe zur Zeit der Formulierung der allgemeinen Geschäftsbedingungen einen anderen, und zwar einen weitergehenden Sinngehalt hatten, als zum Zeitpunkt ihrer Verwendung. So lag der vom Bundesgerichtshof entschiedene Fall. Dann ist nach der Regel des §5 AGBG selbstverständlich auch diese Auslegungsmöglichkeit zu berücksichtigen und im Zweifel, wenn sie für den Versicherungsnehmer günstiger ist, maßgebend.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Der vorliegende Fall unterscheidet sich hiervon jedoch aus zwei Gründen:</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Einmal war der Begriff der teilstationären Behandlung schon vor Formulierung der MB/KK 76 bekannt, wie die Bundespflegesatzverordnung aus dem Jahre 1973 belegt. Zum anderen hat sich der Begriff der stationären Behandlung durch die teilstationären Behandlungsformen nicht geändert, sondern allenfalls erweitert. Die aus dieser Erweiterung folgende Auslegung zugunsten des Versicherungsnehmers kann aber nicht entgegen §5 AGBG unberücksichtigt bleiben.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks"><b>III.</b></p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus §91 ZPO, die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§708 Ziff. 10, 711, 108 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die Beschwer der Beklagten liegt unter 40.000,00 DM. Der Senat hat jedoch die Revision gemäß §546 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO zugelassen, weil die streitigen Versicherungsbedingungen bundesweit und nicht nur im Bezirk des Oberlandesgerichts Hamm Verwendung finden.</p>
|
315,209 | ag-konigswinter-1989-08-09-9-c-13189 | {
"id": 687,
"name": "Amtsgericht Königswinter",
"slug": "ag-konigswinter",
"city": 447,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": null
} | 9 C 131/89 | 1989-08-09T00:00:00 | 2019-03-13T14:49:23 | 2022-10-18T15:08:50 | Urteil | ECLI:DE:AGSU2:1989:0809.9C131.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>1.</p>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>2. </p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.</p>
<p></p>
<p>3.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte übergab dem Kläger am 17.12.1988 einen auf die Sparkasse x gezogenen Verrechnungsscheck über 500,00 DM. Dieser versuchte, den Scheck einzulösen. Er erhielt diesen mit dem handschriftlichen Vermerk "Schecksperre" und dem Stempel der Stadtsparkasse y "vom bezogenen Kreditinstitut am 27.12.1988 nicht bezahlt" nebst Retourenhülle der Stadtsparkasse y zurück und wurde gleichzeitig mit 20,00 DM Bearbeitungsgebühr belastet.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt im Scheckverfahren,</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:7px">die Beklagte zu verurteilen, an ihn 500,00 DM zu zahlen zzgl. Scheckunkosten von 20,00 DM nebst 2 % Zinsen über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank, mindestens aber 6 % seit dem 27.12.1988.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:7px">Klageabweisung, hilfsweise Vorbehalt der Rechte im Nachverfahren.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Sie behauptet, die bezogene Bank – die Sparkasse x – habe keinen Vorlagevermerk auf dem Scheck vorgenommen. Die Stadtsparkasse y sei keine Abrechnungsstelle im Sinne des Scheckgesetzes.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Dazu wendet der Kläger ein, der Scheck sei dem bezogenen Institut im beleglosen Scheckeinzugsverfahren gemäß dem gleichlautenden Abkommen vom 28.03.1985 vorgelegt worden. Danach würde die erste Inkassostelle nach einem entsprechenden "Hinweis" der bezogenen Bank auf dem Scheck vermerken, dass das bezogene Institut die Einlösung verweigert habe. </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Durch Beschluss vom 10.05.1989 hat das Gericht im Einverständnis der Parteien das schriftliche Verfahren nach § 128 II ZPO angeordnet.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die <u>Scheckklage </u>hat keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Durch die spezielle Bezeichnung "Scheck-Mahnbescheid" im Mahnbescheidsantrag des Klägers vom 02.03.1989 und den Bezug des Klägers in der Klageschrift auf den vorhergehenden Mahnbescheid liegt eine Erklärung gemäß § 605 a iVm § 604 I ZPO vor, dass im Scheckprozess geklagt werden soll. Den entsprechenden Hinweis in der Ladungsverfügung vom 15.04.1989 hat der Kläger nicht widersprochen. Die Scheckklage ist aber unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat gegen die Beklagte weder einen Anspruch auf Zahlung der Schecksumme und Ersatz der Scheckkosten aus den scheckrechtlichen Sondervorschriften noch aus den Regelungen des BGB.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Aus Art. 12 SchG. ergibt sich kein Anspruch auf Zahlung des Scheckbetrages, da die Rückgriffsvoraussetzungen des Art. 40 SchG. nicht vorliegen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">aa)</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat keine Protesturkunde iSd. Nr. 1 vorgelegt, da diese allein durch Ausstellung einer öffentlichen Urkunde durch einen Notar, Gerichtsbeamten oder Postbediensteten zulässig ist (Baumbach-Hefermehl, 11. Aufl., 1973, Art. 79 WG, Rdnr. 1 und 2).</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">bb)</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Es ist auch keine Vorlegungserklärung der Bezogenen gemäß Nr. 2 auf dem Verrechnungsscheck des Klägers vermerkt. Denn bezogene Bank ist gemäß Art. 1 Nr. 3 iVm. Art. 3 SchG die Sparkasse x. Der Vorlegungsvermerk "vom bezogenen Kreditinstitut am 27.12.1988 nicht bezahlt" wurde dagegen – was im Laufe des Verfahrens unstreitig geworden ist – im Rahmen des Abkommens über das beleglose Scheckeinzugsverfahren <u>ohne</u> körperliche Weiterleitung und ohne <u>Vorlage</u> bei der bezogenen Bank von der Stadtsparkasse y vorgenommen. Die Einzugsbank leitet bei diesem Vermerk lediglich die Angaben auf dem zum Einzug eingereichten Scheck der bezogenen Bank auf Datenträgern zu, während der Originalscheck bei ihr verbleibt. </p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Der sich daraus ergebenden rechtlichen Problematik waren sich die Geldinstitute bei Abschluss dieses Abkommens bewusst, als sie eine Begrenzung des beleglosen Einzugsverfahrens auf Schecks bis zur Höhe von einschließlich 1.000,00 DM festlegten (Abkommen über das beleglose Scheckeinzugsverfahren vom 28.03.1985, Abschnitt I, Nr. 1; Baumbach-Hefermehl, 15. Aufl., 1986, Art. 28 SchG. Rdnr. 11): Entgegen dem – eindeutigen – Wortlaut fehlt es sowohl an der – körperlichen – <u>Vorlage</u> als auch an dem <u>Vermerk</u> der bezogenen Bank. Die Erfordernisse des modernen Zahlungsverkehrs von Schecks; schon 1986 ca. 600 Millionen jährlich – geben dem Gericht keine Handhabe, über die eindeutigen und klaren Gesetzesvorschriften hinwegzusehen. Damit wären die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschritten. </p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Vielmehr wäre es Sache des <u>Gesetzesgebers,</u> entsprechende Neuregelungen zu treffen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Abgesehen von dieser rechtlichen Problematik entspricht der Vorlegevermerk der Stadtsparkasse y auch nicht den Erfordernissen des Art. 40 Nr. 2 SchG. Denn dafür sind zwei Datumsangaben nötig: Eine datierte Angabe sowohl über den Tag der Vorlegung des Schecks als auch über den Tag der Anbringung des Vorlegungsvermerks (Baumbach-Hefermehl, 15. Aufl. 1986, Art. 40 SchG, Rdnr. 4).</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">cc)</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Der Verrechnungsscheck enthält auch nicht die Erklärung einer Abrechnungsstelle nach Art. 40 Nr. 3 SchG. Im Gegenteil hat die Beklagte unwidersprochen vorgetragen (Schriftsatz vom 07.06.1989 am Ende), dass die Stadtsparkasse y <u>keine</u> Abrechnungsstelle iSd. Scheckgesetzes ist.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Der Kläger kann auch keinen Anspruch auf Zahlung der Schecksumme aus einem Schuldversprechen gemäß § 780 BGB geltend machen, weil nach Verlust des Rückgriffs eine Umdeutung des Schecks nicht zulässig ist (Baumbach-Hefermehl, 15. Aufl., 1986, Art. 40 SchG, Rdnr. 1). Denn sonst wären die Voraussetzungen des Art. 40 SchG gegenüber dem Aussteller praktisch ohne Bedeutung. Ob der Kläger im Urkundenprozess aus dem zugrundeliegenden <u>Kaufvertrag</u> klagen kann, kann offen bleiben, da mit der vorliegenden Klage (nur) die <u>Scheck</u>klage erhoben ist. </p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">c)</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Im vorliegenden Fall, dass die Scheckklage zugleich nach § 597 Abs. 1 ZPO unbegründet und nach § 597 Absatz 2 ZPO unzulässig ist, ist die Klage insgesamt als unbegründet abzuweisen (siehe zu diesem Fall der "Abweisungskonkurrenz" Schneider in: Zöller, ZPO, 15. Aufl. Köln 1987, § 597 Rdnr. 6). </p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">d)</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.</p>
|
315,210 | lg-aachen-1989-07-31-7-s-26488 | {
"id": 800,
"name": "Landgericht Aachen",
"slug": "lg-aachen",
"city": 380,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 7 S 264/88 | 1989-07-31T00:00:00 | 2019-03-13T14:49:25 | 2022-10-18T15:08:50 | Urteil | ECLI:DE:LGAC:1989:0731.7S264.88.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung des Klägers wird das am 6. April 1988 verkündete Urteil des Amtsgerichts
Jülich .................. unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert u
nd wie folgt neu gefasst:</p>
<p></p>
<p>Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 22,75 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 22.02.1988 zu zahlen.</p>
<p></p>
<p>Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreites tragen der Kläger zu 97,5 % und die Beklagte zu 2,5 %.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"><u>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:</u></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist zulässig; sie ist ansich statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet
worden. Sie hat jedoch in der Sache nur zu einem geringen Teil Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Dem Kläger steht gegen die Beklagte aus § 971 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Finderlohn in der zuerkannten
Höhe zu. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts hat der Kläger eine verlorene Sache gefunden und an sich
genommen im Sinne des § 965 Abs. 1 BGB.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hatte den Radlader verloren. Insoweit geht das Amtsgericht zutreffend davon aus, dass verloren gegangen
bewegliche Sachen dann sind, wenn sie besitz-, </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">aber nicht herrenlos sind (vgl. Quack in: Münchener Kommentar, 2. Auf. § 965 Rdnr. 3; Pickart in BGB - RGRK,
12. Aufl., § 965 Rdnr. 2; Soergel-Mühl, BGB, 11. Aufl., § 965 Rdnr. 1). Im vorliegenden Fall hat die
Beklagte keinen Besitz mehr an dem von einer Baustelle entwendeten, von einem Dieb über eine Strecke von ca. 2 km
gefahrenen und schließlich umgekippt in der Rur zurückgelassenen Radlader. Die Beklagte war nämlich nicht
mehr in der Lage, über diesen Radlader Sachherrschaft auszuüben. Dies war ihr deshalb unmöglich, weil es
ihr und ihren Bediensteten unbekannt war, wo sich der Radlader befand. Wer aber nicht weiß, wo sich eine bewegliche
Sache befindet, kann über diese keine Sachherrschaft ausüben (vgl. Quack, a.a.O., Rdnr. 10; Soergel-Mühl
a.a.O., Rdnr. 3). Die Dauer des Besitzverlustes spielt dabei keine entscheidende Rolle, sie ist allenfalls ein Indiz
dafür, dass möglicherweise nur eine Lockerung des Besitzes vorliegt (vgl. Pickart, a.a.O., Rdnr. 4). Eine
bloße Lockerung des Besitzes kann jedoch vorliegend nicht angenommen werden, weil die Beklagte nicht wusste, wo der
Radlader sich befand, und auch nicht in der Lage war, diesen aufzuspüren</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Dass die Beklagte nicht in der Lage war, den Radlader aufzuspüren, ergibt sich daraus, dass der Dieb mit dem
Radlader über öffentliche Straßen gefahren sein muss. Dabei muss davon ausgegangen werden, dass der Radlader,
der nicht mit Ketten, sondern mit Reifen ausgestattet war, keinerlei Spuren hinterlassen hat. Unter diesen Umständen
ist aber nicht ersichtlich, inwiefern es der Beklagten möglich gewesen sein sollte, den Radlader ausfindig zu
machen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Soweit die Beklagte demgegenüber geltend macht, zur Fundstelle des Radladers in der Rur habe eine Spur geführt,
ist ihr Vorbringen unsubstantiiert. Die Beklagte hat nämlich nicht dazu Stellung genommen, inwiefern Spuren auf
öffentlichen Straßen vorhanden gewesen sein sollen. Die von ihr vorgelegten Lichtbilder zeigen Spuren lediglich
in einer Wiesenlandschaft.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass die Polizei die Fahrtstrecke, die der Dieb mit dem Radlader
zurückgelegt hat, rekonstruiert hat, wie sich aus der beigezogenen Ermittlungsakte ergibt. Insoweit erscheint bereits
fraglich, wie zuverlässig diese </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Rekonstruktion durch die Polizei überhaupt sein kann, da der Radlader auch nach dieser Rekonstruktion
öffentliche Straßen benutzt hat und lediglich an einer Eisenbahnbrücke Glasscherben gefunden worden sind,
die auf einen Zusammenstoß </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">des Radladers mit der Brücke schließen lassen. Selbst wenn man aber davon ausgeht, dass die Polizei die
Fahrstrecken richtig rekonstruiert hat, so muss bedacht werden, dass die Polizei nicht nur den Ausgangsort dieser Strecke,
nämlich den Ort des Diebstahles kannte, sondern auch den Fundort in der Rur und demgemäß nur eine Strecke
rekonstruieren musste, die der Radlader von seinem Standort zu dem Fundort in der Rur zurückgelegt hat. </p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Für die Beklagte stellte sich die Situation jedoch anders dar, weil sie nur vom Standort ausgehen konnte, den Fundort
jedoch nicht kannte. Vom Standort des Radladers aus konnte der Dieb jedoch in verschiedene Richtungen über
öffentliche Straßen gefahren sein. </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat den Radlader auch gefunden und an sich genommen, als er ihn in der Rur entdeckte und der Polizei den
Fundort mitteilte. Die Kammer schließt sich insoweit der Auffassung des Oberlandesgerichtes Hamm im Urteil vom
05.10.1978 (NJW 1979, 725, 726) an, wonach dann, wenn ein Ansichnehmen im eigentlichen Wortsinn der Natur der Sache oder
den Umständen nach nicht möglich ist (bei dem vom OLG entschiedenen Fall handelte es sich um einen Bus),
genügt, wenn der Finder die Sicherstellung des entwendeten Kraftfahrzeuges veranlasst (ebenso Pickart a.a.O., Rdnr. 9;
Soergel-Mühl, a.a.O., Rdnr. 3). Soweit demgegenüber von Quack (a.a.O., Rdnr. 14) eine abweichende Auffassung
vertreten wird, insbesondere die Begründung des Besitzes durch den Finder, wobei das Element der Dauer erforderlich
sei, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Diese Auffassung ist nicht praxisgerecht, weil sie die Möglichkeit des
Findens und Ansichnehmens im Sinne des § 965 Abs. 1 BGB auf derartige Sachen beschränkt, die ein Mensch ergreifen
und von dem Fundort wegtragen kann, ohne fremde Hilfe in Anspruch zu nehmen. Eine Beschränkung der Vorschriften
über den Fund in diesem Sinne ist dem Gesetz jedoch nicht zu entnehmen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Einem Ansichnehmen durch den Kläger steht auch nicht die Tatsache entgegen, dass nicht die Polizei den Radlader aus
der Rur geborgen hat, sondern die Beklagte selbst. </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Dies lag ausweislich des Ermittlungsberichtes in der beigezogenen Ermittlungsakte daran, dass die Polizei eine
Gefährdung durch Auslaufen von Öl oder Diesel ausschloss, die Beklagte verständige und es dieser
überließ, wann sie den Radlader bergen wollte. Anders als in dem vom OLG Hamm entschiedenen Fall war vorliegend
auch eine Bewachung des Radladers nicht erforderlich, da eine Entwendung des Radladers durch Dritte aus der Rur nicht zu
erwarten stand. Der Kläger hatte mithin dadurch, das er der Polizei den Fundort mitteilte und diese die Beklagte
informierte, der Beklagten wieder den Besitz verschafft, weil die Beklagte nunmehr in der Lage war, den Radlader selbst
zu bergen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Der Finderlohn, welcher dem Kläger zusteht, bemisst sich nach § 971 Abs. 1 S. 2 BGB nach dem Wert der Sache und
beträgt bei einem Wert bis zu 1.000,-- DM 5 % dieses Wertes. Der Radlader hatte ausweislich des Gutachtens des
Sachverständigen Sturm bei Auffindung lediglich noch den Schrottwert, weil das Fahrzeug infolge des Umkippens in
der Rur und des dadurch bedingten Wassereindringens so stark beschädigt war, dass die zu erwartenden Reparaturkosten
den Zeitwert von 30.000,-- DM überstiegen. Die Kammer hat keine Bedenken, sich den ausführlichen und
nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen anzuschließen, die auch von den Parteien nicht
angegriffen worden sind. Der Kläger kann daher 5 % von 455,-- DM, also 22,75 DM verlangen. Weitergehende Ansprüche
stehen ihm dagegen nicht zu.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Der Zinsanspruch ergibt aus § 291 BGB.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 192 Abs. 1 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks"><u>Berufungsstreitwert:</u> 920, - - DM</p>
|
315,211 | ovgnrw-1989-07-24-20-a-249787 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
"slug": "ovgnrw",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 20 A 2497/87 | 1989-07-24T00:00:00 | 2019-03-13T14:49:26 | 2022-10-18T15:08:50 | Urteil | ECLI:DE:OVGNRW:1989:0724.20A2497.87.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung wird zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird
nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
des beizutreibenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte zuvor in gleicher
Höhe Sicherheit leistet.</p>
<p></p>
<p>Die Revision wird nicht zugelassen.</p>
<p></p>
<p></p>
<p></p>
<p>
</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> Tatbestand</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Gemarkung xxx, Flur 68, Flurstück 6,
das an den xxxbach, ein Gewässer zweiter Ordnung, grenzt. Der Kläger beantragte
im Jahre 1971 die Genehmigung zur Bebauung des Grundstücks. Er reichte im
Genehmigungsverfahren Pläne mit eingetragenen Querprofilen ein, die einen
horizontalen Abstand zwischen dem Bachbett und der Böschungsoberkante von bis
zu 3,4 m, eine Böschungsneigung von 30 bis 35 Grad und einen Spriegelzaun von
0,8 m Höhe auf der Böschungsoberkante darstellen. Die Pläne wurden bei Erteilung
der Baugenehmigung als deren Bestandteil gekennzeichnet. Im Jahre 1976 teilte der
Oberkreisdirektor des Kreises xxx dem Kläger auf eine Beschwerde über
Beeinträchtigungen seines Grundstücks durch den xxxbach hin mit, daß ihm vom
Bauamt der Beklagten fernmündlich versichert worden sei, es bestehe die Absicht,
die Uferböschung an seinem Grundstück im folgenden Jahr im Rahmen der
Gewässerunterhaltung zu befestigen. Zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt
gestaltete der Kläger die Uferböschung des xxxbaches entlang seinem Grundstück
durch eine stufenförmige Erdaufschüttung und Anlage einer Befestigung aus Holz
um. Im Jahre 1980 machte der Kläger gegenüber der Beklagten geltend, daß Teile
des Erdreichs seines Grundstücks abgeschwemmt worden seien. Aufgrund dieses
Sachverhalts verurteilte das Amtsgericht xxx die Beklagte zum Schadenersatz. Im
Jahre 1980 versah die Beklagte die Uferböschung des xxxbaches entlang des
klägerischen Grundstück mit einer Steinstickung. Im Jahre 1986 forderte der Kläger
die Beklagte auf, zum Schutz seines Grundstücks vor Abspülungen an der
Grundstücksgrenze eine Mauer o.a. zu errichten. Der Versuch der Beteiligten, eine
einvernehmliche Lösung hinsichtlich der Gestaltung einer Uferbefestigung und der
Kostentragung zu finden, scheiterte.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Am 22. Mai 1987 hat der Kläger beim Amtsgericht xxx Klage eingereicht. Dieses
hat die Sache an das Verwaltungsgericht abgegeben. Der Kläger hat vorgetragen:
Der xxxbach fresse sich mehr und mehr in sein Grundstück hinein, so daß die
Grundstücksgrenze nunmehr im Bachbett verlaufe. Dies sei darauf zurückzuführen,
daß die Beklagte ihrer Unterhaltungspflicht für das Gewässer nicht nachkomme. Sie
müsse entlang seinem Grundstück eine ordnungsgemäße Uferbefestigung herstellen.
Dies sei ihm bereits schriftlich zugesagt worden.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, die Uferbefestigung im Bereich seines Grundstücks
in xxx in der Art und Weise herzurichten, daß die Einhaltung der Grundstücksgrenze
gewährleistet und ein weiteres Abschwemmen seines Grundstücks ausgeschlossen
sei.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Sie hat vorgetragen: Für den geltend gemachten Anspruch gebe es keine
Grundlage. Die Pflicht zur Unterhaltung eines Gewässers obliege dem
Unterhaltungspflichtigen als allgemeine öffentliche Aufgabe. Ansprüche Dritter auf
die Erfüllung der Unterhaltungspflicht oder auf Vornahme bestimmter Maßnahmen
bestünden nicht. Eine Verletzung der Unterhaltungspflicht liege zudem nicht vor.
Durch den xxxbach würden allenfalls die vom Kläger entgegen der ihm erteilten
Baugenehmigung vorgenommenen Aufschüttungen und Anlagen beeinträchtigt, die
ihrerseits zu den behaupteten Beeinträchtigungen beigetragen hätten.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil, auf das
Bezug genommen wird, abgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Gegen das ihm am 9. Oktober 1987 und erneut am 6. November 1987
zugestellte Urteil hat der Kläger am 6. November 1987 Berufung eingelegt. Er macht
geltend: Eine Verpflichtung der Beklagten zur Befestigung der Uferböschung folge
schon aus dem eine entsprechende Zusicherung beinhaltenden Schreiben des
Oberkreisdirektors des Kreises xxx vom 30. Juli 1976. Erst nach Nichteinhaltung
dieser Zusage habe er die Uferböschung verändert, um eine weitere Ab- und
Unterspülung seines Grundstücks zu verhindern. Er habe dabei in keiner Weise
Einfluß auf den xxxbach oder gar die Fließgeschwindigkeit genommen. Letztere sei
vielmehr durch eine Vorrichtung im Bereich des Zusammenflusses von xxxbach und
xxx verändert worden; darin dürfe eine entscheidende Ursache für die Schäden an
seinem Grundstück liegen. Vor diesem Hintergrund sei es der Beklagten verwehrt,
sich auf eine Abweichung der Gestaltung der Uferböschung von der
Baugenehmigung zu berufen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag
zu erkennen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Sie vertieft ihr bisheriges Vorbringen und macht ergänzend geltend: Der
ordnungsgemäße Wasserabfluß werde - wenn überhaupt - durch die vom Kläger im
Uferbereich vorgenommenen Veränderungen gefährdet, nicht aber durch das
Unterlassen der begehrten Uferbefestigung oder eine von Dritten angelegte Bahle in
der xxx unterhalb der Einmündung des xxxbaches. Eine sie bindende Erklärung, nach
der sie zur Herstellung einer Uferbefestigung im Bereich des klägerischen
Grundstücks verpflichtet sei, liege nicht vor.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen
Verwaltungsvorgänge der Beklagten und des Oberkreisdirektors des Kreises xxx
sowie die Akten des Amtsgerichts xxx - Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung ist nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist zulässig. Dem Begehren, das darauf gerichtet ist, "... die
Uferbefestigung ... herzurichten ...", fehlt es nicht an der erforderlichen
Bestimmtheit (§ 82 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO). Es ist
unter Berücksichtigung der vorprozessualen Auseinandersetzungen der Parteien und
des Vorbringens des Klägers im vorliegenden Verfahren bestimmbar. Die Klage zielt
auf die Verurteilung der Beklagten zur Errichtung einer Schutzmauer, die der vom
Kläger selbst vorgenommenen Befestigung der Uferböschung im Abstand von einem
Meter vorgelagert ist. Dies folgt daraus, daß der Kläger einerseits den
gegenwärtigen Zustand (Steinschüttungen, stufenförmige Gestaltung der
Uferböschung, Befestigung mit Holzelementen) für die Ufersicherung als nicht
ausreichend erachtet und andererseits eine Inanspruchnahme des von ihm
hergerichteten Teils des Ufers für Sicherungsmaßnahmen abgelehnt hat. Eine
Alternative zum Bau einer Schutzmauer ist unter Berücksichtigung des Anliegens des
Klägers nicht ersichtlich. Eine allenfalls noch in Betracht zu ziehende Verbesserung
der vorhandenen Steinschüttung ist zwischen den Parteien nicht streitig.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist auch nicht unzulässig, weil eine gegenüber dem Klagebegehren
vorgreifliche Entscheidung des Oberkreisdirektors des Kreises xxx
(Oberkreisdirektor) als zuständige allgemeine Wasserbehörde (§§ 98 Satz 1, 136,
137 Nr. 2 des Landeswassergesetzes - LWG -) gemäß § 98 Satz 2 LWG über den
Umfang der Unterhaltungspflicht der Beklagten (§ 91 Abs. 1 Nr. 2, § 3 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 LWG) erforderlich wäre. Im Streitfall hat vor einer gerichtlichen
Auseinandersetzung die allgemeine Wasserbehörde durch Verwaltungsakt den
Umfang der Pflicht verbindlich zu regeln; dieses besondere Verwaltungsverfahren ist
eine vorrangige Möglichkeit der Streitentscheidung, die einer unmittelbaren
Klageerhebung entgegensteht.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Vgl. Urteil des Senats vom 22. Juli 1988 - 20 A 793/87 -, NuR 1989, 93.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Voraussetzung für das Erfordernis einer vorgreiflichen wasserbehördlichen
Entscheidung, daß sich eine Maßnahme der Gewässerunterhaltung i.S. von § 90 LWG
oder eine Pflicht im Interesse der Gewässerunterhaltung i.S. von § 97 LWG im Streit
befindet, ist hier nicht erfüllt. Die vom Kläger begehrte Errichtung einer Ufermauer
ist nicht der Unterhaltungspflicht der Beklagten zuzuordnen; es handelt sich
vielmehr um einen Gewässer- bzw. Uferausbau i.S. von §§ 31 des
Wasserhaushaltsgesetzes (WHG), 89, 100 LWG. Zur Gewässerunterhaltung gehört
zwar grundsätzlich auch die Sicherung der Ufer (vgl. § 47 Abs. 1 der Urfassung des
Landeswassergesetzes - LWG a.F. -) durch Schutzmaßnahmen, wie z.B.
Steinschüttungen oder Befestigungen. Der Umfang der Unterhaltung ist aber darauf
begrenzt, den seit langem gegebenen Zustand des Gewässers bzw. des Ufers zu
erhalten und - unter bestimmten Voraussetzungen - erforderlichenfalls auch
wiederherzustellen.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Vgl. Sieder-Zeitler, Wasserhaushaltsgesetz, Stand: Januar 1988, Rdnrn. 9, 13,
16, 20 und 25 zu § 28 WHG; Gieseke-Wiedemann-Czychowski,
Wasserhaushaltsgesetz, 4. Aufl., Rdnrn. 4 f. zu § 28 WHG; Knopp, Bay.VBl. 1983,
524.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Demgegenüber liegt ein Ausbau vor, wenn die Maßnahme - unabhängig von
ihrem Zweck - eine wesentliche Umgestaltung des Gewässers und/oder des Ufers
zur Folge hat, d.h. den Zustand des Gewässers einschließlich seiner Ufer in einer für
den Wasserhaushalt (Wasserstand, Wasserabfluß, Selbstreinigungsvermögen) oder
in sonstiger Hinsicht (z.B. für das äußere Bild) bedeutsamen Weise ändert.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Vgl. Urteile des Senats vom 23. April 1986 - 20 A 24/84 -, ZfW 1987, 188, vom
24. September 1986 - 20 A 454/85 -, ZfW 1987, 122 und vom 22. Juli 1988 - 20 A
793/37 - a.a.O.; Knopp a.a.O..</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Errichtung der vom Kläger begehrten Schutzmauer entlang der von ihm
angenommenen Grundstücksgrenze ginge erheblich über die Erhaltung oder
Wiederherstellung des gegebenen Zustandes hinaus. Sie würde auf einer Strecke
von etwa 32 m zu einer Verengung des Bachbettes führen und damit den
Wasserstand und die Fließgeschwindigkeit erhöhen; dies kann sich insbesondere bei
Hochwasser auf andere Grundstücke auswirken. Durch die erforderliche Auffüllung
von Hohlräumen hinter der Mauer würde zudem die bisherige Uferböschung
vollständig umgestaltet. Insgesamt würde die bauliche Anlage das äußere Bild des
Ufers in dem fraglichen Bereich erheblich verändern. Eine solche Maßnahme bedarf
näherer Prüfung in einem Planfeststellungs- (§ 31 Abs. 1 Satz 1 WHG) oder
zumindest Genehmigungsverfahren (§ 31 Abs. 1 Satz 3 WHG) und unterliegt damit
nicht der Entscheidungsbefugnis der allgemeinen Wasserbehörde nach § 98 Satz 2
LWG. Die die Gemeinde unter bestimmten Voraussetzungen treffende Pflicht zum
Ausbau eines Gewässers (§ 89 LWG) ist nicht vorrangig nach § 98 Satz 2 LWG
feststellungsfähig, so daß diese Vorschrift der Zulässigkeit der Klage nicht
entgegensteht.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Durchführung
der begehrten Maßnahme durch die Beklagte.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">§ 89 Abs. 1 Satz 1 LWG "bietet keine Anspruchsgrundlage. Die
Gewässerausbaupflicht besteht allein im Interesse des Allgemeinwohls. Subjektive
Rechte Privater lassen sich daraus nicht herleiten.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Vgl. Honert-Rüittgers, Landeswassergesetz, Erläuterungen zu § 89 LWG,
Burghartz, Wasserhaushaltsgesetz und Wassergesetz für das Land Nordrhein-
Westfalen, Rdnr. 1 zu § 63 LWG a.F. und Gieseke-Wiedemann-Czychowski, a.a.O.,
Rdnr. 19 zu § 31 WHG m.w.N. (zur Ausbaupflicht); ebenso zur Unterhaltungspflicht:
Bundesverwaltungsgericht (BverwG), Urteil von 14. Dezember 1973 - IV C 50.71 -,
BVerwGE 44, 235; Beschluß des Senats von 25. August 1986 - 20 B 217/86 -.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Ein Folgenbeseitigungsanspruch scheidet schon deswegen aus, weil dieser sich
seinen Inhalt nach auf die Wiederherstellung des Zustandes richtet, der vor einem
rechtswidrigen Eingriff durch eine hoheitliche Tätigkeit bestand,</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">vgl. BVerwG. Urteil vom 6. September 1988 - - C 26.88 -, NJW 1989, 118,</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">der Kläger dagegen eine darüber hinausgehende Maßnahme begehrt, durch die
angeblich zu befürchtende künftige Schäden an seinen Grundstück vermieden
werden. Dies gilt insbesondere für die behauptete, seinen Grundstück abträgliche
Änderung der Fiießgeschwindigkeit durch eine Vorrichtung in der xxx.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Ein Eingriff in das gemäß Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) gewährleistete
Eigentum durch Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, z.B. die wasserrechtliche
Unterhaltungspflicht, kann allerdings ein Abwehrrecht des Betroffenen
begründen.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1973 - IV C 50.71 -, a.a.O..</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Hier läßt sich aber nicht feststellen, daß die vom Kläger behaupteten Schäden
an seinem Grundstück durch eine Ausbaumaßnahmen erforderlich machende
Pflichtverletzung der Beklagten verursacht wurden und/oder künftig verursacht
werden könnten. Eine Verletzung in Zusammenhang mit der Ausbaupflicht nach § 89
Abs. 1 Satz 1 LWG liegt nicht vor, auch wenn man unterstellt, daß tatsächlich Teile
des Grundstücks des Klägers weggeschwemmt wurden und dies nicht auf die vom
Kläger selbst vorgenommenen Veränderungen des Ufers zurückzuführen ist. Eine
rechtswidrige Ausbaumaßnahme, die durch die Beklagte selbst durchgeführt oder
veranlaßt worden ist und den Kläger beeinträchtigen könnte, ist nicht gegeben. Ein
pflichtwidriges Unterlassen des vom Kläger begehrten oder eines sonstigen Ausbaus
liegt auch nicht vor. Das wäre nur der Fall, wenn das Wohl der Allgemeinheit i.S. von
§ 89 Abs. 1 Satz 1 LWG den Ausbau erfordern würde. Dafür besteht kein
Anhaltspunkt. Die mögliche Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks durch
den xxxbach ist Folge der konkreten Grundstückssituation, die durch die Lage an
einem Gewässer geprägt ist. Der Schutz des Grundstücks liegt allein im privaten
Interesse. Eine Schadensverursachung durch eine Verletzung der Pflicht zur
Ufersicherung im Rahmen der Unterhaltung der Beklagten scheidet ebenfalls aus.
Schutzmaßnahmen, die noch der Unterhaltung des Gewässers und des Ufers
zuzurechnen sind, hat die Beklagte durch Anlage einer Steinschüttung getroffen.
Daß andere Unterhaltungsmaßnahmen am Grundstück des Klägers als erforderlich
und ausreichend in Betracht kämen und rechtswidrig unterlassen wurden, ist nicht
ersichtlich; die Erzwingung solcher Maßnahmen entspräche zudem nicht dem Ziel
der Klage, die - wie bereits ausgeführt - auf einen Ausbau gerichtet ist.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Ein Anspruch des Klägers läßt sich nicht aus einer Zusage der Beklagten
herleiten. Eine konkrete Zusicherung, eine Maßnahme in der vom Kläger begehrten
Art und Weise durchzuführen, liegt nicht vor. Insgesamt läßt sich aus dem
vorprozessualen Verhalten und den Erklärungen der Beklagten lediglich die
grundsätzliche Bereitschaft ableiten, eine Uferbefestigung unter Inanspruchnahme
des klägerischen Grundstücks vorzunehmen. Die im Schreiben des
Oberkreisdirektors vom 30. Juli 1976 wiedergegebene Erklärung eines Bediensteten
der Beklagten, auf die sich der Kläger vor allem beruft, ist zudem nicht gegenüber
dem Kläger abgegeben worden und nur als behördeninterne Äußerung zu
verstehen.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der
Zivilprozessordnung.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen der §§ 132 Abs. 2,
137 Abs. 1 VwGO nicht vorliegen.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
315,212 | lg-munster-1989-07-14-10-s-6389 | {
"id": 815,
"name": "Landgericht Münster",
"slug": "lg-munster",
"city": 471,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 10 S 63/89 | 1989-07-14T00:00:00 | 2019-03-13T14:49:27 | 2022-10-18T15:08:50 | Urteil | ECLI:DE:LGMS:1989:0714.10S63.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung des Klägers wird das angefochtene</p><p>Urteil des Amtsgerichts Borken</p><p>vom 23.2 .1989 - 3 C 394/88 - abgeändert:</p><p>Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger</p><p>als Gesamtschuldner über den diesen durch Urteil</p><p>des Amtsgerichts Borken vom 23.2.1989 zuerkannten</p><p>Betrag von 3.075,79 DM nebst 4%</p><p>Zinsen seit dem 16 .11.1987 weitere 1.766,98 DM</p><p>nebst 4 % Zinsen seit dem 16.11.1987 zu zahlen.</p><p>Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.</p><p>Von den Kosten der ersten Instanz tragen der</p><p>Kläger 11 %, die Beklagten 89 %, von den Kosten</p><p>der Berufungsinstanz tragen der Kläger 27 %,</p><p>die Beklagten 73 %.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="h2 absatzLinks">E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e</p><span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">(gemäß § 543 Abs. 1 ZPO ohne Tatbestand)</p><span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Berufung des Klägers ist teilweise begründet.</p><span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger kann die Zahlung weiterer 228,49 DM für die</p><span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Anschaffung eines neuen Teppichfußbodens im Schlaf- und Kinderzimmer</p><span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">begehren. Gemäß den §§ 823 Abs . 1; 823 Abs. 2 BG8 in</p><span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Verbindung mit §~303 StGB; 249 Abs . 1 Satz 2 BGB steht dem</p><span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Kläger wegen der Verschmutzung des Teppichfußbodens im Kinderzimmer</p><span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">und der Beschädigung des Teppichfußbodens im Schlafzimmer</p><span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">ein Anspruch auf Ersatz des Wiederbeschaffungswertes für entsprechende Böden zu.</p><span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Verlegt der Geschädigte einen neuen Teppichfußboden, so muß</p><span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">er sich einen Abzug neu für alt anrechnen lassen, da der Wiederbeschaffungswert</p><span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">von dem Verkehrswert des beschädigten Teppichfußbodens</p><span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">abhängt. Bei der Bewertung des Verkehrswertes entspricht</p><span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">die Wertung des Vorderrichters, daß ein Teppichfußboden regelmäßig</p><span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">eine Lebensdauer von 15 Jahren hat, der allgemeinen</p><span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Rechtsprechung. Da der Teppichfußboden von den Beklagten 10</p><span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Jahre benutzt wurde, ist ein Abzug von 2/3 berechtigt. Dieser</p><span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Abzug kann jedoch nur von den Kosten für den Teppichfußboden</p><span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">selber erfolgen, nicht auch von den Verlegekosten. Die Kosten</p><span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">für den Teppichboden betragen laut Angebot vom 31.8 .1987</p><span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">(Bl. 27 d . A.) inclusive Mehrwertsteuer 824,62 DM. Es ist</p><span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">insoweit ein Abzug von 549 ,75 DM vorzunehmen. Zu dem Rest</p><span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">von 274,87 DM sind Verlegekosten von 342 ,74 DM hinzuzurechnen</p><span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">(vgl . Angebot vom 31.8.87, Blatt 27 d . A.), nämlich 69,93 DM</p><span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">+ 38 , 11 DM + 90 ,41 DM + 102 , 20 DM zuzüglich 14 % für alle</p><span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">4 Positionen. Dem Kläger steht demnach insgesamt ein Anspruch</p><span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">in Höhe von 617, 61 DM zu. Erstinstanzlich wurden ihm bereits</p><span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">389,12 DM zuerkannt, so daß die Berufung in Höhe von</p><span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">228,49 DM begründet ist.</p><span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Der Kläger kann auch die Zahlung weiterer 515,75 DM wegen</p><span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">der Entfernung der Tapeten verlangen. Ihm steht gemäß § 14,</p><span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Ziffer 1 in Verbindung mit § 20 Satz 2 des Mietvertrages ein</p><span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Entfernung der Tapeten</p><span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">in Höhe von 815,75 DM entsprechend dem Angebot des Malermeisters</p><span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">S vom 31 . 8 . 1987 (81. 27 d. A. ) zu . Der Kläger durfte</p><span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">die Tapeten entfernen, da er die Beklagten mit Schreiben vom 31 .8 . 87 zur</p><span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Entfernung der Tapeten aufgefordert hat (81. 89, 90 d. A. ). Die darin</p><span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">gesetzte Frist haben die Beklagten nicht eingehalten.</p><span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Von dem Anspruch in Höhe von 815 ,75 DM waren 300, -- DM,</p><span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">die das Amtsgericht dem Kläger bereits wegen Entzug der Nutzungsmöglichkeit</p><span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">zuerkannt hat, abzuziehen.</p><span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Weiterhin kann der Kläger Zahlung von 1.022,74 DM wegen der</p><span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Nichtrückgabe zweier Hausschlüssel verlangen. Ihm steht insoweit</p><span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">ein Anspruch auf Ersatz der Kosten für eine neue Schließanlage</p><span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">gemäß §§ 823 Abs. 1; 249 Abs. 1 Satz 2 BGB zu.</p><span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Durch die Nichtrückgabe der zwei Schlüssel haben die Beklagten</p><span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">nicht nur das Eigentum des Klägers an diesen beiden Schlüsseln</p><span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">verletzt, sondern auch die Sachgesamtheit "Sicherheitsschließanlage"</p><span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">beschädigt. Durch die Nichtrückgabe bzw. den ungeklärten</p><span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Verlust der zwei Schlüssel hat die Anlage ihre Funktion verloren.</p><span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Bei dem Einbau einer Sicherheitsschließanlage hat der Eigentümer</p><span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">die Gewißheit, daß Schlüssel auf legale Weise nur mit seinem</p><span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Einverständnis nachgemacht werden können. So kann er darauf</p><span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">vertrauen, daß kein Unbefugter mit Hilfe eines Schlüssels</p><span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">in sein Haus eindringen kann. Gehen Schlüssel verloren, ent -</p><span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">fällt dieses Vertrauen; der Eigentümer muß zusätzliche Sicherungsmaßnahmen</p><span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">treffen. Die Anlage entspricht in ihrem Wert nur</p><span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">noch der Summe einer Mehrzahl von Schlössern und Schlüsseln.</p><span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Diese Summe ist regelmäßig niedriger als der Wert einer funktionsfähigen</p><span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Sicherheitsschließanlage, so daß der Kläger durch</p><span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">die nicht erfolgte Rückgabe der zwei Schlüssel einen Schaden</p><span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">erlitten hat.</p><span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Ein Schaden könnte nur dann verneint werden, wenn die Beklagten</p><span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">genau angeben könnten, wo sie ihre Schlüssel verloren</p><span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">haben und wenn sich zu diesem Zeitpunkt an den Schlüsseln</p><span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">kein Hinweis auf ihre Besitzer befunden hat.</p><span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten behaupten zwar, sie hätten alle ihnen ausgehändigten</p><span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Schlüssel zurückgegeben , denn sie hätten gemäß §</p><span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">1 Ziffer 3 des Mietvertrages nur fünf Schlüssel erhalten</p><span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">(81. 53 d . A. ). Doch haben sie gerade durch ihre Unterschrift</p><span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">unter dem Mietvertrag bestätigt, daß ihnen neben fünf Hausschlüsseln</p><span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">auch noch drei Kellerschlüssel zur Verfügung gestellt</p><span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">wurden. Diese drei Kellerschlüssel gehören laut Schließplan</p><span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">der Firma X (Bl. 137 d . A. ) auch zu der Sicherheitsschließanlage. Folglich haben die Beklagten acht Schlüssel erhalten, aber entsprechend der Bestätigung vom 28. 8.1987 (Bl . 63 d. A.) nur sechs Schlüssel zurückgegeben .</p><span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">Bei der Höhe des geltend gemachten Schadens ist wiederum zu</p><span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">beachten, daß ein Abzug neu für alt vorzunehmen ist. Auch</p><span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">eine Schließanlage unterliegt der Abnutzung. Die Schlüssel</p><span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">können verbiegen oder abbrechen, die Schlösser ausleiern.</p><span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Insgesamt ist aber von einer hohen Lebendauer einer Schließanlage</p><span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">auszugehen, so daß ein Abzug von Materialkosten</p><span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">(lt. Angebot vom 1.9.87, Bl. 22 d. A.), 910,18 DM plus</p><span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">57,75 DM Teuerungszuschlag nach Ankündigung der Firma W</p><span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">in Höhe von 15 %, das heißt von 145 ,19 DM, gerechtfertigt</p><span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">ist. Damit verbleiben 822,73 DM Materialkosten zuzüglich</p><span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">200 ,-- DM Montagekosten .</p><span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 a, 92 , 97 ZPO.</p>
|
315,213 | olgham-1989-07-12-20-u-8189 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 20 U 81/89 | 1989-07-12T00:00:00 | 2019-03-13T14:49:29 | 2022-10-18T15:08:50 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1989:0712.20U81.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung des Klägers gegen das am 13. Januar 1989 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.</p>
<p>Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat bei der Beklagten eine Einzelunfallversicherung mit Freizeit-Plus-Versicherung abgeschlossen; die Versicherungssumme beträgt für Invalidität durch einen Freizeitunfall 100.000,- DM. Er nimmt die Beklagte aus einem am 3. September 1983 erlittenen Freizeitunfall in Anspruch.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Damals stürzte der Kläger in eine Glastür und schnitt sich den rechten Arm auf. Dabei wurde ein Nerv dauerhaft beschädigt. Seitdem ist sein Handmuskel verschmälert, der 4. und der 5. Finger sind in Krallenstellung, der 5. Finger ist auch an der Außenseite taub, der ganze Arm hat wenig Kraft.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Nach dem Unfall war der Kläger bei dem Chirurgen ... in Behandlung. Von diesem holte die Beklagte eine ärztliche Stellungnahme vom 31. Juli 1984 ein, in der es heißt, die Gebrauchsfähigkeit des rechten Armes sei zur Zeit um die Hälfte und auf Dauer um 1/2 bis 1/3 beeinträchtigt; eine Besserung sei noch möglich. Der Dauerschaden werde nach zwei bis drei Jahren abschließend zu beurteilen sein. Daraufhin schrieb die Beklagte dem Kläger zunächst am 10. Oktober 1984, eine abschließende Feststellung des Invaliditätsgrades sei noch nicht möglich; eine neue Begutachtung sei im September 1985 erforderlich; sie wolle aber einen Vorschuß von 10.000,- DM zahlen. Anschließend schrieb sie ihm am 25. Oktober 1984 folgendes:</p>
<br /><span class="absatzRechts">5</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>"Nach den uns vorliegen ärztlichen Angaben in dem Gutachten vom Juli dieses Jahres ist der Dauerschaden erst in zwei bis drei Jahren zu beurteilen. Wir haben daher die Angelegenheit zunächst bis zum September 1985 (2 Jahre nach dem Unfall) zurückgestellt, um dann eine neue Begutachtung zu veranlassen.</i>
<i>Sollte, entgegen diesen Angaben, eine endgültige Beurteilung des dauernden Schadens ärztlicherseits schon früher möglich sein, reichen Sie uns bitte eine kurze ärztliche Bescheinigung der entsprechenden Ärzte ein, woraus hervorgeht, wann endgültig zum Umfang des Dauerschadens Stellung genommen werden kann.</i>
<i>Wir werden dann auf die Sache zurückkommen."</i></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Am 15. November 1984 erhielt die Beklagte von ... Nachricht, daß sich der Kläger bei ihm noch einmal vorgestellt habe; die anfängliche Regeneration des geschädigten Nervs sei zum Stillstand gekommen, so daß man von einem Endzustand sprechen könne und der verbliebene Dauerschaden endgültig beurteilt werden könne. Auf diese Nachricht hin holte die Beklagte einen endgültigen Bericht des ... vom 18. Februar 1985 ein, von dem der Kläger keine Kenntnis erhielt. In diesem Bericht wird der eingetretene Dauerschaden beschrieben. Es heißt, die Behandlung sei seit dem 13. November 1984 abgeschlossen, der rechte Arm sei zur Zeit und auf Dauer in seiner Gebrauchsfähigkeit zu 2/5 beeinträchtigt. Daraufhin schrieb die Beklagte dem Kläger am 13. März 1985, daß sie aufgrund der ihr vorliegenden Unterlagen die Invaliditätsabrechnung abrechnen könne; sie kam nach der Gliedertaxe für den geschädigten Arm (70 % der Vollinvalidität) und einem Entschädigungsgrad von 2/5 auf 28.000,- DM zuzüglich des vereinbarten Gewinnanteils. Den errechneten Betrag abzüglich des bereits zuvor ausgezahlten Vorschusses hat der Kläger unstreitig erhalten.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Erstmals am 4. Mai 1988 meldete sich der Kläger anwaltlich vertreten wieder bei der Beklagten. Er hatte in der Zwischenzeit, wie aus den vom Senat antragsgemäß beigezogenen Akten des Arbeitsamtes Coesfeld (I 121-5393.1) und des Versorgungsamtes ( ...) hervorgeht, verschiedene Eingliederungsmaßnahmen durchlaufen und seine Anerkennung als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 60 % erreicht. Bei Letzterem spielen aber andere Behinderungen des Klägers mit; der Arm allein bedingt einen Grad der Behinderung von 50 %. In seinem Schreiben an die Beklagte gab der Kläger an, es sei "nunmehr" zu einer Verschlechterung seines Zustandes gekommen. Die Beklagte lehnt Nachzahlungen ab.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat vorgetragen, seine Armverletzung sei schon seit dem Unfall, zumindest aber noch innerhalb von drei Jahren ab dem Unfall mit 3/5 Armwert als Dauerbeeinträchtigung zu beurteilen gewesen. Er verweist auf eine kurze Bescheinigung des Neurologen ... vom 7. September 1988, in der es heißt, die MdE betrage neurologischerseits wegen einer defekt ausgeheilten Ulnarisparese der Gebrauchshand 1/5 der Gliedertaxe; das addiere sich zu der chirurgischen MdE von 2/5. Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte hätte einen Facharzt für Neurologie und für Neurochirurgie mit der endgültigen Beurteilung beauftragen müssen; ein solcher Arzt hätte eine Beurteilung erst nach zwei bis drei Jahren vorgenommen und nach Behauptung des Klägers eine Beeinträchtigung zu 3/5 festgestellt. Die Beurteilung ... sei falsch.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat sich bei einer Beeinträchtigung von 3/5 Armwert eine Invaliditätssumme von 42.000,- DM zuzüglich 4.200,- DM Gewinnbeteiligung errechnet. Den noch nicht gezahlten Unterschiedsbetrag hat er geltend gemacht.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat sich demgegenüber auf Verjährung berufen sowie auf den Ablauf der 3-Jahres-Frist des §13 Nr. 3 a AUB. Sie hat vorgetragen, die Beurteilung durch den den Kläger behandelnden Oberarzt des Unfallkrankenhauses ... sei ausreichend gewesen; es wäre Sache des Klägers gewesen, etwaige andere Beurteilungen beizubringen. Sie hat ferner eine höhere Beeinträchtigung des Armes als zu 2/5 bestritten.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat die Berufung auf Verjährung für treuwidrig erachtet, weil die Beklagte ohne ein ausreichendes Gutachten den Schaden des Klägers zu früh beurteilt habe.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Entschädigungsanspruch des Klägers sei mit dem Schreiben vom März 1985 festgestellt worden. Eine Neufeststellung innerhalb der 3-Jahres-Frist habe der Kläger nicht beantragt. Leistungsansprüche seien im übrigen verjährt. Selbst wenn die Beklagte sich auf eine unzureichende Begutachtung verlassen hätte, wäre ein daraus herzuleitender etwaiger Schadensersatzanspruch ebenfalls verjährt.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Diese Auffassung stellt der Kläger mit seiner Berufung zur Überprüfung. Er wiederholt seinen Sachvortrag aus erster Instanz und behauptet, er habe das Schreiben der Beklagten vom 13. März 1985 als ein weiteres vorläufiges Abrechnungsschreiben aufgefaßt, dem die endgültige Beurteilung erst noch habe folgen sollen, habe es doch im Schreiben vom 25. Oktober 1984 geheißen, die endgültige Beurteilung könne erst in zwei bis drei Jahren erfolgen. Für seine Auslegung habe auch gesprochen, daß ... ihn weiterhin behandelt habe.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die 3-Jahres-Frist nach §13 Abs. 3 a AUB sei mit §9 AGBG unvereinbar und zumindest dann unwirksam, wenn der Versicherer über sie nicht belehre. Schließlich könne ein Schadensersatzanspruch wegen unterlassener Hinzuziehung eines Neurologen nicht verjährt sein, weil die Verjährung erst mit Ablauf der 3-Jahres-Frist am 3. September 1986 beginne.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">die angefochtene Entscheidung abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 15.400,- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 20. Oktober 1988 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Sie verteidigt das Urteil und bestreitet, daß noch während der 3-Jahres-Frist eine Beeinträchtigung um 3/5 Armwert festzustellen gewesen sei, ferner, daß der Kläger im Falle der Belehrung eine Neubeurteilung verlangt hätte. Er habe sich ja erst im Mai 1988 wieder gemeldet. Eine etwaige Verschlimmerung seines Zustandes sei erst 1988 eingetreten.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat im Termin den Kläger informatorisch angehört, der folgendes erklärt hat:</p>
<br /><span class="absatzRechts">21</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>Als die Versicherung nicht, wie er gedacht habe, 1986 auf die Sache zurückgekommen sei, sei er zum Rechtsanwalt gegangen. An die Versicherung habe er sich damals nicht gewandt. Er sei von sich aus auf die Idee gekommen, daß er noch Geld zu kriegen habe. Er sei bei ... gewesen und habe zu seiner Überraschung gehört, daß dieser schon einen Abschlußbericht gemacht habe. Der Arztbesuch sei wenige Tage, bevor er zum Rechtsanwalt gegangen sei, gewesen. Zum Arzt sei er wegen seiner Schmerzen im Arm gegangen. Das sei erst 1988 gewesen. Weshalb er das nicht schon 1986 gemacht habe, könne er auch nicht sagen.</i></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze und die überreichten Unterlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat die Klage mit Recht abgewiesen. Ansprüche des Klägers sind, soweit sie bestehen, verjährt.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks"><b>I.</b></p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Der Kläger kann die Feststellung der Entschädigung mit Schreiben vom 13. März 1985 auch nach Ablauf der 3-Jahres-Frist des §13 Abs. 3 a AUB insoweit angreifen, als er geltend macht, die damalige Feststellung sei falsch gewesen, tatsächlich sei sein Arm seit damals zu 3/5 beeinträchtigt.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Hält ein Versicherungsnehmer die Feststellung der Entschädigung, die die Erklärung des Versicherers über die Leistungspflicht im Sinne des §11 AUB enthält, für unrichtig, so gilt für die darüber entstehenden Meinungsverschiedenheiten das Verfahren nach §12 AUB; der Versicherungsnehmer kann wahlweise den Ärzteausschuß oder das Gericht anrufen. Der Kläger hat letzteres getan. Grundsätzlich ist die Anrufung nur binnen sechs Monaten ab Zugang der Erklärung gemäß §11 AUB möglich; nach Ablauf dieser Frist sind weitere als die vom Versicherer anerkannten Ansprüche ausgeschlossen (§12 Abs. 2 und 3 AUB). Das gilt aber nur, wenn der Versicherer in seiner Erklärung über diese Rechtsfolge vorschriftsmäßig belehrt hat. Fehlt die Belehrung, so tritt die Ausschlußwirkung nicht ein (Prölss-Martin, VVG, 24. Aufl., §12 AUB Anm. 2). Die 3-Jahres-Frist nach §13 Abs. 3 a AUB betrifft hingegen den Fall der Neufestsetzung des Invaliditätsgrades; sie setzt eine bereits vorangegangene (vorläufige) Festsetzung voraus und schränkt daher Angriffe auf die vorangegangene Festsetzung nicht ein. Sie ist lediglich materiell-rechtlich in der Weise zu berücksichtigen, daß sie den Zeitpunkt für die Prognose, welchen Umfang ein Dauerschaden hat, verbindlich festlegt.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist daher nicht gehindert, einen Invaliditätsgrad von 3/5 Armwert geltend zu machen. Die Beklagte hat ihn nämlich im Schreiben vom 13. März 1984 nicht gemäß §12 I Abs. 3 Satz 2 AUB belehrt. Ob die Beeinträchtigung des Klägers vor Ablauf der 3-Jahres-Frist auf Dauer mehr als die anerkannten 2/5 Armwert betrug, muß jedoch offenbleiben, da die Beklagte sich zu Recht auf die Verjährung dieses Anspruchs beruft.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Gemäß §12 Abs. 1 VVG verjähren Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag in zwei Jahren, beginnend mit dem Schluß des Jahres, in dem die Leistung nach §11 VVG fällig wird. Der Anspruch des Klägers wurde mit der Feststellung der Leistung am 13. März 1985 fällig. Das gilt jedenfalls, soweit der Kläger geltend macht, bereits zu diesem Zeitpunkt sei seine Beeinträchtigung mit 3/5 Armwert zu beurteilen gewesen. Die Beklagte hatte ihre Feststellungen zu diesem Zeitpunkt tatsächlich abgeschlossen, wobei dahinstehen kann, ob das pflichtwidrig war, weil sie einen Neurologen hätte zuziehen müssen. Damit mußte sie die geschuldete Leistung erbringen. Ihr Schreiben vom 13. März 1985 enthielt die schriftliche Entscheidung über den Leistungsanspruch des Klägers, so daß danach keine Hemmung der Verjährung mehr möglich war (§12 Abs. 2 VVG).</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Der Wortlaut des Schreiben läßt, auch wenn man ihn in Verbindung mit den vorangegangenen Schreiben vom 10. und 25. Oktober 1984 sieht, deutlich erkennen, daß die Beklagte den Invaliditätsschaden des Klägers endgültig abrechnete. Es ist von keinem Vorschuß die Rede, vielmehr wird der bereits gezahlte Vorschuß von 10.000,- DM von der errechneten Summe abgezogen. Die Abrechnung wird auch nicht als vorläufig bezeichnet. Mit den vorangegangenen Schreiben hatte die Beklagte zwar eine Zurückstellung der Angelegenheit bis zu einer neuen Begutachtung im September 1985 (zwei Jahre nach dem Unfall) angekündigt; die im Gutachten ... genannte Frist von zwei bis drei Jahren hatte sie in dieser Weise auf zwei Jahre ab Unfall konkretisiert. Als dann aber eine Abrechnung im März 1986 kam, konnte der Kläger diese nur für die endgültige Abrechnung halten. Denn wenn die Beklagte zunächst angekündigt hatte, erst auf eine neue Begutachtung im September 1985 hin handeln zu wollen, so blieb als Erklärung für die Abrechnung im Mai 1986 aus der Sicht eines durchschnittlichen Empfängers nur die, daß eine Begutachtung schon vorzeitig durchgeführt worden war. Etwas ähnliches hatte die Beklagte auch in dem Schreiben vom 25. Oktober 1985 für den - hier nicht eingetreteten - Fall in Aussicht gestellt, daß der Kläger eine ärztliche Bescheinigung zur endgültigen Beurteilung des Dauerschadens einreichen werde. Hingegen bestand zu einer vorläufigen Abrechnung erkennbar keinerlei Anlaß. Wenn die Beklagte keine neue Begutachtung vorliegen gehabt hätte, so gab es erkennbar keinerlei Grund, abzurechnen und eine weitere Zahlung zu leisten.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Nach alledem begann die Verjährungsfrist am 31. Dezember 1985 und lief am 31. Dezember 1987 ab. Die erst am 12. Oktober 1988 eingegangene Klage hat sie nicht mehr unterbrechen können.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Die Berufung der Beklagten auf Verjährung ist auch nicht treuwidrig. Die Beklagte hat mit ihren Schreiben vom 10. und 25. Oktober 1984 den Kläger nicht von der rechtzeitigen Erhebung der Klage abgehalten und ihn auch nicht über die Abrechnung bereits am 13. März 1986 im Unklaren gelassen. Wie bereits ausgeführt, mußte der Kläger dieses Schreiben als endgültige Abrechnung verstehen. Dem Kläger ist auch nicht abzunehmen, daß er die Abrechnung für bloß vorläufig hielt. Denn dann hätte er sich konsequenterweise im September 1985 oder kurz danach - für diesen Monat war ja eine neue Begutachtung in Aussicht gestellt worden - an die Beklagte wenden müssen. Das tat er nicht, und zwar auch nicht im September 1986. Zu dem letztgenannten Zeitpunkt lief die 3-Jahres-Frist ab. Nicht einmal im Oktober 1987 wandte er sich an die Beklagte, als seit dem Schreiben vom 25. Oktober 1984 drei volle Jahre vergangen waren. Der Kläger gibt zwar an, bereits 1986 daran gedacht zu haben, Ansprüche geltend zu machen, weil sich die Beklagte zu diesem Zeitpunkt nicht gemeldet habe. Weshalb er dann aber erst im Jahre 1988 zum Rechtsanwalt ging und Ansprüche bei der Beklagten anmeldete, kann er selbst nicht erklären. Der Senat nimmt an, daß der Kläger erst im Jahre 1988, als er auch wegen einer Verschlimmerung seines Leidens bei der Berufsgenossenschaft einen Abänderungsantrag stellte, auf die Idee kam, bei der Beklagten eine Neufestsetzung zu beantragen; darauf weist das Anspruchsschreiben vom 4. Mai 1988 hin, in dem es heißt, nunmehr sei eine Verschlechterung eingetreten und eine Neubewertung erforderlich.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks"><b>II.</b></p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Eine Neufestsetzung nach §13 Abs. 3 a AUB ist nicht mehr möglich. Für diese gilt die in der Klausel enthaltene 3-Jahres-Frist, die am 3. September 1986 ablief. Vor Ablauf der Frist hat der Kläger keine Neufestsetzung beantragt.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Die genannte Klausel widerspricht nicht §9 AGBG, denn sie benachteiligt den Versicherungsnehmer nicht unangemessen entgegen den Geboten von Treu und Glauben. Gegen eine solche Benachteiligung spricht schon, daß die Klausel auch dem Versicherer nach Ablauf der Frist das Recht auf eine Neufestsetzung abschneidet. Er bleibt an den während dieses Zeitraumes festgestellten Invaliditätsgrad gebunden, selbst wenn der Versicherungsnehmer später wieder völlig gesund wird. Die Klausel enthält aber auch deshalb keine unangemessene Benachteiligung, weil beide Vertragsparteien ein schützenswertes Interesse daran haben, den Versicherungsfall innerhalb angemessener Zeit endgültig abzuschließen, ohne daß der Versicherer auf unabsehbare Zeit mit Nachforderungen oder der Versicherungsnehmer mit der Rückforderung bereits ausgezahlter Versicherungssummen zu rechnen hat.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die in der Klausel enthaltene Höchstfrist für Neufeststellungen gilt nicht nur dann, wenn der Versicherer den Versicherungsnehmer über sie oder über die Möglichkeit der Neufestsetzung überhaupt belehrt hat. Die Klausel sieht eine solche Belehrung nicht vor, anders als etwa die Klausel des §12 I Abs. 2 und 3 AUB. Der Senat hält sie auch nicht für erforderlich, um die Frist in Kraft zu setzen. Belehrungen durch den Versicherer sind dann geboten, wenn überraschende kurze Ausschlußfristen dem Versicherungsnehmer alle Rechte abschneiden, wie es etwa die Frist des §12 Abs. 3 VVG und die bereits angeführte in §12 I Abs. 2 und 3 AUB gesetzte Frist tun. Die Fristen in §13 Abs. 3 a AUB sind aber zum einen länger und nehmen zum anderen dem Versicherungsnehmer nicht alle Rechte, sondern belassen es lediglich bei einer einmal getroffenen Entschädigungsfeststellung. Es kann daher insoweit bei der allgemeinen Regel verbleiben, daß einem Versicherungsnehmer aus Anlaß eines Versicherungsfalles zuzumuten ist, sich von den Versicherungsbedingungen selbst Kenntnis zu verschaffen, so daß es einer Belehrung durch den Versicherer regelmäßig nicht bedarf.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks"><b>III.</b></p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte schuldet dem Kläger auch keinen Schadensersatz aus der Verletzung vertraglicher Nebenpflichten.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Soweit der Kläger eine solche Pflichtverletzung in der unterlassenen Belehrung über §13 Abs. 3 a AUB sieht, gilt das oben Gesagte. Die Beklagte war zur Belehrung nicht verpflichtet.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Soweit der Kläger die unterlassene Zuziehung eines Facharztes für Neurologie und Neurochirurgie zur Beurteilung seines Invaliditätsgrades rügt, gilt zum einen, daß eine solche Pflicht nicht besteht, und zum anderen, daß ein etwaiger Schadensersatzanspruch verjährt wäre.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat vor der Abrechnung vom 13. März 1985 ein ärztliches Kurzgutachten des Oberarztes ... eingeholt, der den Kläger behandelt hatte. Dieser Arzt war derjenige, der aus der laufenden Behandlung des Klägers am besten mit dem Heilungsverlauf und mit der verbliebenen Behinderung des Klägers vertraut war und über die notwendige Sachkunde für eine Prognose des Dauerschadens verfügte. Es gibt keine Regel, daß ein Versicherer zur Beurteilung eines Nervenschadens in jedem Fall einen Facharzt für Neurologie und Neurochirurgie zuziehen müßte. Der Kläger selbst hatte einen solchen Arzt nicht einmal zu seiner Behandlung zugezogen; deshalb hatte die Beklagte als Versicherer keinerlei Anlaß, den vom Kläger für seine Behandlung ausgesuchten Arzt für nicht sachkundig genug zur Begutachtung zu halten.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Im übrigen wäre der Schadensersatzanspruch verjährt. Auch Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung sind solche aus dem Versicherungsvertrag, sie verjähren daher in zwei Jahren (Prölss-Martin, a.a.O., §12 AUB Anm. 2 m.w.N.). Die Beklagte hätte, folgt man der Ansicht des Klägers, einen Neurologen statt ... einschalten müssen, ihn also vor ihrer Abrechnung vom 13. März 1985 beauftragen müssen. Ihre Pflichtverletzung lag also im Jahre 1985, nämlich in der Abrechnung trotz unzureichender Grundlage. Auch der Schaden des Klägers, der darin besteht, daß er eine Entschädigung von nur 2/5 Armwert erhalten hat, trat schon durch die Abrechnung der Beklagten ein. Das gilt selbst dann, wenn - wie der Kläger behauptet - ein Neurologe die endgültige Abrechnung bis zum Ablauf der 3-Jahres-Frist aufgeschoben hätte. Der Schaden des Klägers besteht eben in der verfrühten und dadurch zu niedrigen Abrechnung und trat daher schon im März 1985 ein. Auch ein Schadensersatzanspruch des Klägers verjährte daher am 31. Dezember 1987.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks"><b>IV.</b></p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Nach alledem ist die Klage zu Recht abgewiesen worden. Die Berufung hat keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§97, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Das Urteil beschwert den Kläger mit weniger als 40.000,- DM.</p>
|
315,214 | lg-dusseldorf-1989-07-07-32-o-3989 | {
"id": 808,
"name": "Landgericht Düsseldorf",
"slug": "lg-dusseldorf",
"city": 413,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 32 O 39/89 | 1989-07-07T00:00:00 | 2019-03-13T14:49:30 | 2022-10-18T15:08:51 | Urteil | ECLI:DE:LGD:1989:0707.32O39.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicher-heitsleistung von 45.000,-- DM, die auch durch die </p>
<p>selbstschuldnerische Bürgschaft einer Großbank oder eines öffentlich-rechtlichen Kreditinstituts mit dem Sitz in der Bundesrepublik Deutschland oder West-Berlin erbracht werden kann.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:132px">Tatbestand :</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Über das Vermögen der H AG wurde nach erfolglosem Vergleichsantrag am 28. Februar 1989 das Anschlußkonkursverfahren eröffnet.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Das Unternehmen hatte in den vergangenen Jahren bereits durch erhebliche Umsatzverluste in verschiedenen Sparten seines Tätigkeitsbereiches negative Bilanzergebnisse gehabt. Betriebswirtschaftliche Sanierungsmaßnahmen waren seit längerem angelaufen, hatten aber noch keinen durchgreifenden Erfolg gezeitigt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:1px">Ein besonderes Problem für die Eigenkapitalbasis des Unternehmens ergab sich zusätzlich aus einer Unterdeckung der Unterstützungskasse, die in früheren Jahren für die von ihr übernommenen Pensionsverpflichtungen nicht ausreichend dotiert worden war. Diese Situation war bekannt; es war darüber schon in den Geschäftsberichten 1986 und 1987 informiert worden. Für die Unterdeckung haftete die H AG als Träger-Unternehmen; diese Eventualverbindlichkeit war aber noch nicht bilanziert worden. In der Bilanz 1988 mußte der erforderliche Deckungsaufwand aufgrund des Bilanzrichtlinien-Änderungsgesetzes berücksichtigt werden, und zwar in einer Höhe von DM 58 .Mio.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:2px">Ende 1988 zeichnete sich die finanzwirtschaftliche Lage des Unternehmens bei den Eigenmitteln dadurch aus, daß von dem Nominalkapital von DM 49,9 Mio (Bilanzwert 31.12.1987: DM 44 Mio) Verluste von DM 13 Mio und weitere Sanierungsaufwendungen von DM 1.1 Mio abzusetzen waren, so daß sich bereits ohne den außerordentlichen Aufwand für die Pensionsverpflichtungen das Nominalkapital auf rund 20 Mio DM vermindert hatte, ein Fall, der gemäß § 92 Abs. 1 AktG der Hauptversammlung des Unternehmens durch den Vorstand anzuzeigen ist.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:5px"><b>In Wirklichkeit war das gesamte Kapital und darüberhinaus ein weiterer Betrag von per Saldo DM 38 Mio verloren.</b></p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:5px"><b>Der Vorstand des Unternehmens hatte sich in langen Verhandlungen mit den beteiligten Gläubigern und sonstigen Betroffenen um einen gründlichen Wechsel der finanzwirtschaftlichen Lage bemüht und einen Sanierungsplan ausgehandelt, der im wesentlichen wie folgt aussah:</b></p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks"><b>Der Q Verein (künftig: Q) war bereit, 50 <i>% </i>der Verpflichtungen der G AG aus den Altersversorgungszusagen zu übernehmen wegen wirtschaftlicher Notlage des Unternehmens. Der Sanierungsgewinn hieraus hätte sich auf insgesamt ca. 44 Mio DM belaufen.</b></p>
<span class="absatzRechts">9</span><ol class="absatzLinks"><li><b>Die Arbeitsverwaltung war bereit, auf die Erstattung von Ausgleichszahlungen für vorzeitig pensionierte Mitarbeiter (ein Teil des Sanie-</b></li></ol>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:6px"><b> rungsplans sah Entlassungen und vorgezogenen Ruhestand vor) zu verzichten. Auf diese Weise wäre das Unternehmen um ca. 16 Mio DM entlastet worden.</b></p>
<span class="absatzRechts">11</span><ol class="absatzLinks" start="3"><li><b>Die Gläubiger-Banken hatten zugesagt, auf einen Teilbetrag der ausgelegten Kredite in Höhe von rund 10 Mio DM zu verzichten.</b></li>
<li><b>Die Belegschaft des Unternehmens wollte für das Jahr 1989 auf das Urlaubsgeld und die Jahressonderzahlung verzichten. Das bedeutete einen um ca. 5 Mio DM verminderten Aufwand.</b></li>
<li><b>Lieferanten und Kreditversicherer hatten ebenfalls einen Sanierungsbeitrag von rund 3 Mio DM in Aussicht gestellt.</b></li>
<li><b>Die Aktionäre ihrerseits sollten- dergestalt an </b>der <b>Sanierung mitwirken, daß sie einer Kapitalherabsetzung </b>im <b>Verhältnis 5:2 zustimmten. Dies hatten der Q </b>und <b>die </b>Gläubiger-Banken ausdrücklich zur Bedingung <b>für ihre Sanierung-sbeiträge </b>gemacht.</li></ol>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:8px"><b>Der Vorstand </b>der <b>H AG </b>hatte in diesem Zusammenhang für den 3. Februar 1989 zu einer außerordentlichen Hauptversammlung eingeladen. Gegenstand der Tagesordnung (Anlage WK 2) sollten folgende Punkte sein:</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:44px">1. Anzeige gemäß § 92 Abs. 1 AktG über den Verlust von mehr als der Hälfte des Grundkapitals. Bericht des Vorstands über die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft, über das Sanierungskonzept und dessen Realisierung.</p>
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315,215 | lg-dusseldorf-1989-06-30-11-o-59088 | {
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"name": "Landgericht Düsseldorf",
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"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
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} | 11 O 590/88 | 1989-06-30T00:00:00 | 2019-03-13T14:49:31 | 2022-10-18T15:08:49 | Urteil | ECLI:DE:LGD:1989:0630.11O590.88.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>für Recht erkannt:</p>
<p>1. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger 1.000,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 9.6.1989 zu zahlen.</p>
<p>2. Es wird festgestellt, daß die Beklag-ten zu 1) und 2) als Gesamt¬schuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche materiellen Schäden, die aus dem Vorfall vom 19.12.1985 in der Verkaufsstätte Düsseldorf der Beklagten zu 1), X, künftig entstehen, zu ersetzen.</p>
<p>3. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte zu 1) vorab 150,-- DM. Die üb-rigen Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner auferlegt. </p>
<p></p>
<p>4. Das Urteil ist gegen die Beklagte zu 1) gegen Sicherheitsleistung von 2.000,-- DM, gegen die Beklagte zu 2) ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte zu 2) darf die Voll¬streckung des Klägers durch Sicherheitsleistung von 950,-- DM abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Tatbestand ;</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Am 19.12.1985 befand sich der Kläger mit seiner Mutter und der Beklagten zu 2) in der Teppichabteilung der Beklagten zu 1) in der X in Düsseldorf. Dort ist ein sogenannter "Teppich-Paternoster" installiert, mit dem die Teppiche umgelagert werden, und der sich auf Knopfdruck nach oben oder unten bewegt. Der Kläger stand mit der Beklagten zu 2) bei dem Teppich-Aufzug, während die Mutter Kaufgespräche führte. In dem Moment, als der Kläger unbemerkt seine linke Hand in den Mechanismus des Paternoster steckte, betätigte die Beklagte zu 2) einen Knopf des Aufzuges, worauf sich der Aufzug nach unten in Bewegung setzte. Als der Kläger anfing zu schreien, betätigte die Beklagte zu 2) den Knopf des Aufzuges noch mal. Dabei wurde die linke Hand des Klägers gequetscht. Das Endglied des vierten Fingers der linken Hand mußte amputiert werden, das</p>
|
315,216 | lagk-1989-06-28-2-tabv-989 | {
"id": 795,
"name": "Landesarbeitsgericht Köln",
"slug": "lagk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Arbeitsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 2 TaBV 9/89 | 1989-06-28T00:00:00 | 2019-03-13T14:49:32 | 2022-10-18T15:08:49 | Beschluss | ECLI:DE:LAGK:1989:0628.2TABV9.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Beschwerde des Antragstellers werden die am 8.11.1988 und 5.1.1989</p>
<p>verkündeten Beschlüsse des Arbeitsgerichts Köln</p>
<p>- 16 BV 143/88-, - 16 BV 109/88 - und</p>
<p>- 5 BV 166/88 - teilweise abgeändert:</p>
<p>Die vom Antragsgegner verweigerte Zustimmung zur Einstellung der Mitarbeiter/innen S  , R   , Re , B   , F   , Ri   , Ro   , Sch   , St   , T   und Ste   wird ersetzt.</p>
<p>Es wird festgestellt, daß die Durchführung</p>
<p>der vorläufigen Maßnahme im Fall des Mitarbeiters Ste  nicht dringend erforderlich</p>
<p>war.</p>
<p>Die weitergehende Beschwerde des Antragstellers wird zurückgewiesen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">G r ü n d e</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Antragsteller unterhält in K   ein Berufsbildungszentrum mit Außen- und Nebenstellen. Im Rahmen von Förderungsmaßnahmen, die von der Arbeitsverwaltung finanziert werden, veranstaltet</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">er Sprachkurse für Spätaussiedler im Fach Deutsch als Fremdsprache. Wegen des sprunghaft angestiegenen Bedarfs an solchen Veranstaltungen mußte der Antragsteller Deutschlehrer neu einstellen. Dabei ging es zunächst um insgesamt 22 Personen,</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">von denen 21 als Berufsausbildungsabschluß die erste oder die</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">erste und zweite Staatsprüfung für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen, Primarstufe, Sekundarstufe I bzw. 11, Realschule</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">oder Sonderpädagogik absolviert haben. Eine Person hat als Ausbildungsabschluß den "Magister Artium<sup>“</sup></p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Über die beabsichtigten Einstellungen per 16.5., 1.6., 1.7., 15.8. und 1.9.1988 unterrichtete der Antragsteller den Antragsgegner jeweils mit Formularbögen, in denen unter anderem die Personalien, der Berufsausbildungsabschluß, der vorgesehene Dienstort, die beabsichtigte Art der Tätigkeit, die Gehaltsgruppe und die beabsichtigte Laufzeit des Vertrages vermerkt waren. Die Einstellungen sollten mit Rücksicht auf die begrenzte Dauer der Kurse befristet erfolgen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Antragsgegner verweigerte jeweils innerhalb der vorgesehenen Frist von einer Woche nach Unterrichtung seine Zustimmung zu den geplanten Einstellungen, und zwar, soweit</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">es nun noch von Interesse ist, im wesentlichen mit der Begründung, es sei zu befürchten, daß der Bestand des Arbeitsverhältnisses zwischen dem Antragsteller und dem Arbeitnehmer Gartzen gefährdet sei, wenn weitere Deutschlehrer eingestellt würden.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 18.11.1988 beantragte der Antragsteller beim Betriebsrat sodann die Zustimmung zur Einstellung eines weiteren Deutschlehrers, nämlich des Herrn    Ste   , für die Zeit ab 1.12.1988 befristet bis zum 30.9.1989.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Auch dieser geplanten Einstellung widersprach der Betriebsrat mit der Begründung, <em>die</em> Beschäftigung eines weiteren Deutschlehrers bringe für das Arbeitsverhältnis des Herrn G   Nachteile.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der vorläufigen Durchführung der Einstellung und Beschäftigung der betreffenden Lehrer widersprach der Betriebsrat lediglich im Falle des Herrn    Ste   . Den Antrag nach § 100 BetrVG hatte die Antragstellerin am 28.11.1988 gestellt. Der Betriebsrat hat der Dringlichkeit mit Schreiben vom 29.11.1988 und auf einen wiederholten Antrag des Antragstellers erneut mit Schreiben vom 6.12.1988 widersprochen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Herr G   , dessen Benachteiligung der beteiligte Betriebs-</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">rat befürchtet, war befristet in .der Zeit vom 1.10.1986 bis <em>30.4.1988 bei</em> dem Antragsteller beschäftigt. Er ist gelernter Fernmeldehandwerker. Nach Erlangung der Hochschulreife studierte er an der Technischen Hochschule A   mit dem Ziel</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">der Befähigung für ein Lehramt an beruflichen Schulen. Er</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">hat jedoch die Ausbildung ohne Abschluß abgebrochen und arbeitete anschließend als Büroangestellter, Aushilfskraft bei einem Zeitungsverlag und kaufmännischer Leiter eines Imbißunternehmens. Bei dem Antragsteller war er für sogenannte</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">"J-G" Grundausbildungslehrgänge mit der Fachrichtung "Verkaufshilfen" eingestellt worden. Die vorgesehene Aufgabe bestand darin, Berufsvorbereitungsgruppen "Verkaufshilfen" zu</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">trainieren, insbesondere die Kursteilnehmer in Lagerarbeiten</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">und Lagerverwaltungsarbeiten zu unterweisen. Ob und in welchem Umfang er bei der Antragstellerin auch als Lehrer für das Fach Deutsch für Spätaussiedler eingesetzt wurde, ist streitig.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Herr G   hat nach dem Auslaufen seines Vertrages Klage auf Feststellung erhoben, daß er sich in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zum Antragsteller befinde, und insoweit am 16.8.1988 ein obsiegendes Urteil erzielt (Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 16.8.1988 - 16 Ca 3750/88).</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Über die Berufung des Antragstellers gegen dieses Urteil ist noch nicht entschieden. Vorsorglich hat der Antragsteller</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">am 2.9.1988 Herrn G   gegenüber eine Änderungskündigung zum 31.12.1988 ausgesprochen und ihm die Weiterbeschäftigung als Lagerverwalter angeboten. Die neue Tätigkeit hat Herr G   unter Vorbehalt angenommen.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Mit ihren am 7., 27.9. und 8.12.1988 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragschriften hat der Antragsteller jeweils um Ersetzung der vom Antragsgegner verweigerten Zustimmung zur Einstellung der betreffenden Arbeitnehmer beantragt. Im</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Falle des Herrn ste   hat der Antragsteller mit dem am 8.12.1988 eingegangenen Antragsschriftsatz außerdem den Antrag auf Feststellung gestellt, daß die vorläufige Durchführung der Maßnahme dringend erforderlich sei.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Er hat vorgetragen, das Beschäftigungsverhältnis mit Herrn G   sei aufgrund wirksamer Befristung mit dem 30.4.1988 beendet gewesen. Auf eine etwaige Benachteiligung dieses Arbeitnehmers könne sich der Betriebsrat schon deshalb nicht berufen. Im übrigen könne Herr G   nicht als Lehrer im Bereich "Deutsch als Fremdsprache" eingesetzt werden, weil ihm die entsprechende Befähigung fehle. Selbst wenn aber</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">von einem drohenden Nachteil für Herrn G   ausgegangen werde, sei der Betriebsrat nicht befugt, der Einstellung von</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">22 Personen zu widersprechen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Der Antragsteller hat in seinen insgesamt 3 Verfahren folgende Anträge gestellt:</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die Zustimmung des Antragsgegners zur Einstellung folgender Mitarbeiter nach § 99 Abs. 4 BetrVG zu ersetzen</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">4.         Fel   ,</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">5.         P   ,</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">6.         S ,</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">7.         Fl ,</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">8.         Fe ,</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">9.         R ,</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">10.      Pa,</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">11.      G ,</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">12.      L ,</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">13. Re ,</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">14. Schu ,</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">15. W ,</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">16. S ,</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">17. E,</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">18. G</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Im Verfahren 16 BV 143/88 hat er beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks"><em>die</em> Zustimmung des Antragsgegners zur Einstellung folgender Mitarbeiter nach § 99 Abs. 4 BetrVG zu ersetzen:</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">1.         B ,</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">2.         F ,</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">3.         Ri ,</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">4.         Ro ,</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">5.         Sch ,</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">6.         St ,</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">7.         s T n.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Im Verfahren 5 BV 166/88 hat dar Antragsteller beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">1.         die Zustimmung des Antragsgegners zur Einstellung des Mitarbeiters Ste   ab 1.12.1988 nach § 99 Abs. 4 BetrVG zu ersetzen.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">2.          festzustellen, daß die vorläufige Durchführung der Maßnahme dringend erforderlich ist.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Der Antragsgegner hat die Zurückweisung der Anträge beantragt und vorgetragen, durch die Einstellungen werde Herr G   im Sinne des § 99 Abs. 2 Ziffer 3 BetrVG benachteiligt. Die ihm gegenüber ausgesprochene Änderungskündigung habe das klar gezeigt. Herr G   sei bereits in der Vergangenheit als Deutschlehrer eingesetzt worden und habe nach Auffassung des Betriebsrats einen Anspruch auf Fortsetzung dieser Tätigkeit. Wenn alle verfügbaren Lehrerstellen beim Antragsteller besetzt würden, wirke sich das als Nachteil für Herrn G    aus. Die Entscheidung darüber, welcher Arbeitsplatz für ihn freizuhalten sei, obliege allein dem Antragsteller. Dem Antragsgegner stehe ein Auswahlrecht</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">nicht zu, weshalb er keine andere Möglichkeit habe, als allen geplanten Einstellungen zu widersprechen.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Der Antrag nach § 100 BetrVG im Falle des Herrn Ste   sei verspätet gestellt. Die 3-Tages-Frist habe mit dem ersten Widerspruch des Betriebsrats gegen die vorläufige Durchführung der Maßnahme zu laufen begonnen.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Das Arbeitsgericht hat die Anträge in allen drei Verfahren zurückgewiesen. Auf die entsprechenden Beschlüsse vom 8.11.1988 (BI. 34 ff d.A. 16 BV 143/88 und BI. 69 d.A.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">16 BV 109/88 sowie vom 5.1.1989, BI. 38 ff d.A. 5 BV 166/88), wird Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Der Antragsteller hat gegen alle Beschlüsse form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt, die er nunmehr aufgrund der innerbetrieblichen Zuständigkeitsänderung <em>in</em> allen drei Verfahren gegen den Betriebsrat des Berufsbildungszentrums Köln, vertreten durch den Vorsitzenden, Herrn Bo, richtet.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Er hält an seiner erstinstanzlich vertretenen Auffassung</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">fest und meint weiterhin, seine Anträge seien schon deshalb begründet, weil der Betriebsrat nicht 22 Stellen blockieren könne mit der Begründung, es müsse für den Mitarbeiter</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">G   ein Arbeitsplatz freigehalten werden. Im übrigen</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">gehe der Antragsteller davon aus, daß im Berufungsverfahren</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">die Wirksamkeit der Befristung des Arbeitsverhältnisses mit Herrn G   festgestellt werde. Der Antragsteller könne Herrn G   nicht als Deutschlehrer beschäftigen, weil die Arbeitsverwaltung, von der die Sprachkurse finanziert würden,</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">eine entsprechende Qualifikation der einzusetzenden Lehrer verlange. Es dürften nur solche eingesetzt werden, die</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">neben der fachlichen und pädagogischen Eignung in der Regel mindestens eine zweijährige Erfahrung in der beruflichen Bildung vorweisen könnten. Das bedeute, daß die Lehrkraft das erste Staatsexamen abgelegt und eine mindestens zweijährige Berufserfahrung vorweisen oder daß der Lehrer das zweite Staatsexamen abgelegt haben müsse.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Für den Fall, daß der Widerspruch des Antragsgegners dem Grunde nach beachtlich sei, akzeptiere er ihn in bezug auf den Arbeitnehmer Ste   .</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Die Angelegenheit habe sich überdies erledigt bei den im Ver-</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">fahren 16 BV 143/88 aufgeführten Mitarbeiter zu 1), 2),</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">4) bis 9) und 11) bis 15). Der Antragsteller habe nämlich</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">am 22.2. und 10.5.1989 beim Antragsgegner um Zustimmung zur Verlängerung der Arbeitsverhältnisse der betreffenden Mitarbeiter geb Der Antragsgegner habe dazu keine Stellung genommen, weshalb</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">die Zustimmung als erteilt gelte.</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">Der Antragsteller beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">die angefochtenen Beschlüsse abzuändern und</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">1.         die vom Antragsgegner verweigerte Zustimmung zur Einstellung der in den drei Verfahren namentlich aufgeführten Mitarbeiter zu ersetzen,</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">2.          festzustellen, daß die vorläufige Durchführung der personellen Maßnahme im Falle des Mitarbeiters Stern dringend erforderlich ist.</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Der Antragsgegner beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">die Beschwerde zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Auch er hält seinen Rechtsstandpunkt aufrecht und bestreitet, daß die Arbeitsverwaltung besondere Qualifikationsnachweise beim Einsatz von Deutschlehrern verlange. Er meint weiterhin, es sei Sache des Antragstellers zu entscheiden, welche Stelle er für Herrn G   freihalte. Zur behaupteten teilweisen Erledigung der streitigen Einstellungen durch Vertragsver-</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">längerungen nimmt der Antragsgegner nicht Stellung.</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Der Betriebsrat meint weiterhin, der Antrag nach § 100 BetrVG im Falle des Mitarbeiters Ste   sei unzulässig, weil</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">der Antragsteller den im Gesetz vorgesehenen Antrag nicht binnen 3 Tagen nach Erhalt des Widerspruchs des Betriebsrats ge-</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">stellt habe. Durch die Wiederholung der Antragsteilung beim Betriebsrat und dessen wiederholten Widerspruch habe die</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Frist nicht erneut zu laufen begonnen.</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">der drei verbundenen Verfahren verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerden des Antragstellers sind statthaft. Sie wurden in der gesetzlichen Frist und Form eingelegt und auch fristgerecht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">Sie hatten, was das Zustimmungsersetzungsverfahren anbelangt, in der Sache teilweise Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">Der jetzige Antragsgegner ist mit Recht am Beschlußverfahren beteiligt. Er ist mit Rücksicht auf die von den Beteiligten übereinstimmend vorgetragene Zuständigkeitsänderung nunmehr derjenige, der durch die beantragte Entscheidung in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung betroffen würde. Seine Beteiligungsfähigkeit ergibt sich dann aus dem</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">materiellen Recht. Er war deshalb nunmehr allein am Verfahren zu beteiligen (dazu BAG, Beschluß vom 28.9.1988 - 1 ABR</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">37/87 -, EzA, BetrVG 1972, § 95 Nr. 14).</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">Dem haben die Beteiligten durch entsprechende Erklärungen zu Protokoll in der Beschwerdeinstanz Rechnung getragen.</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">Allerdings sind die Anträge auf Ersetzung der vom Betriebs- rat verweigerten Zustimmung zur Einstellung der genannten Lehrer teilweise inzwischen unzulässig.</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">Der Antragsteller hat im letzten Anhörungstermin vorgetragen, bei den Mitarbeitern Fel   , P   , S   , Fe  , P   , W  , Fl  , E  , G   , L   , Sch   , G   und R   seien die ursprünglich vorgesehenen Befristungen abgelaufen; er habe beim Betriebsrat</p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks">um Zustimmung zur Verlängerung der genannten Arbeitsverträge um weitere 11 Monate gebeten; dem habe der Betriebsrat nicht widersprochen. Die Antragsschriften hat der Antragsteller</p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks">in Fotokopie zu den Akten gereicht. Der Antragsgegner hat zur Sache keine Erklärung abgegeben, sondern lediglich gerügt, der Vortrag sei verspätet.</p>
<span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks">Bei dieser Sachlage muß davon ausgegangen werden, daß der Antragsgegner die Zustimmung zur Verlängerung der genannten Verträge erteilt oder daß die Zustimmung als erteilt zu gelten hat. Der beteiligte Betriebsrat wäre nach der auch</p>
<span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks">im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren geltenden beiderseitigen Darlegungslast gehalten gewesen, sich zum Sachvortrag des Antragstellers zu äußern. Er hat nicht behauptet, daß ihm das an Ort und Stelle nicht möglich sei. Nur dann hätte sich die Frage gestellt, ob eine Zurückweisung des Vortrages des Antragstellers geboten wäre, etwa weil wegen</p>
<span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks">der Notwendigkeit einer Vertagung ein Verzögerungseffekt eingetreten wäre.</p>
<span class="absatzRechts">103</span><p class="absatzLinks">Ist aber entsprechend den obigen Darlegungen davon auszugehen, daß der beteiligte Betriebsrat der befristeten Weiterbeschäftigung der 13 Mitarbeiter nicht widersprochen hat,</p>
<span class="absatzRechts">104</span><p class="absatzLinks">so hat sich damit der ursprüngliche Antrag auf Zustimmung</p>
<span class="absatzRechts">105</span><p class="absatzLinks">der vom Betriebsrat verweigerten Ersetzung zur ersten befristeten Einstellung erledigt.</p>
<span class="absatzRechts">106</span><p class="absatzLinks">Der Antragsteller hätte der eingetretenen Erledigung durch seine AntragsteIlung Rechnung tragen müssen. Das hat er nicht getan. Er hat vielmehr die ursprünglichen Zustimmungsersetzungsanträge aufrechterhalten, an denen nun ein Rechtsschutzinteresse nicht mehr besteht mit der Folge, daß sie</p>
<span class="absatzRechts">107</span><p class="absatzLinks">als unzulässig abzuweisen waren. Die nachträglich eingetretene Unzulässigkeit ist noch in der Beschwerdeinstanz zu berücksichtigen.</p>
<span class="absatzRechts">108</span><p class="absatzLinks">Im übrigen sind die Zustimmungsersetzungsanträge begründet, weil der Betriebsrat zu Unrecht seine Zustimmung zu den geplanten Einstellungen verweigert hat.</p>
<span class="absatzRechts">109</span><p class="absatzLinks">Zwar entsprechen die Zustimmungsverweigerungen in allen</p>
<span class="absatzRechts">110</span><p class="absatzLinks">Fällen formal den Anforderungen des § 99 11 BetrVG. Der Betriebsrat hat sich darauf berufen, daß durch die Einstellungen zu befürchten sei, der Mitarbeiter G   werde durch die Besetzung aller Lehrerstellen benachteiligt. Damit ist deutlich auf den Widerspruchsgrund in Ziffer 3 des § 99 11</p>
<span class="absatzRechts">111</span><p class="absatzLinks">BetrVG Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">112</span><p class="absatzLinks">Materiellrechtlich waren die Zustimmungsverweigerungen jedoch unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">113</span><p class="absatzLinks">Sie verstießen gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit, bei dem es sich um einen wesentlichen Grundsatz des Betriebsverfassungsrechts handelt. Der Betriebsrat hätte bei Beachtung dieses dem Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebes dienenden Gebotes bei Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung einer der geplanten Einstellungen widersprechen können und</p>
<span class="absatzRechts">114</span><p class="absatzLinks">im übrigen von einer Verweigerung der Zustimmung absehen müssen. Infolge des Massenwiderspruchs des Betriebsrats mußte der Antragsteller in mehreren Verfahren insgesamt in</p>
<span class="absatzRechts">115</span><p class="absatzLinks">22 Fällen den Antrag auf Zustimmungsersetzung nach § 99 BetrVG gerichtlich anhängig machen. Es widerspricht dem</p>
<span class="absatzRechts">116</span><p class="absatzLinks">Geist der vertrauensvollen Zusammenarbeit, den Arbeitgeber der Notwendigkeit auszusetzen, eine Vielzahl von Verfahren anhängig zu machen, in denen es jeweils um ein und dieselbe Frage geht.</p>
<span class="absatzRechts">117</span><p class="absatzLinks">Dem kann der Antragsgegner nicht entgegenhalten, es sei ihm materiellrechtlich im Rahmen von geplanten Einstellungen verwehrt, bestimmte Bewerber auszusuchen oder - durch Zustimmungsverweigerung - eine negative Auswahl zu treffen. Das ist im Ansatz sicher richtig. Insoweit ist jedoch zu berücksichtigen, daß § 74 BetrVG die Betriebspartner verpflichtet, über strittige Fragen mit dem ernsten Willen</p>
<span class="absatzRechts">118</span><p class="absatzLinks">zur Einigung zu verhandeln und Vorschläge für die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zu machen. Wäre dem Antragsteller im Falle einer konkreten Zustimmungsverweigerung</p>
<span class="absatzRechts">119</span><p class="absatzLinks">des Betriebsrats daran gelegen gewesen, in dem vom Betriebsrat herausgegriffenen Fall die Einstellung ohne Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen, so hätte er sich an den Betriebsrat wenden und mit ihm darüber verhandeln können mit dem Ziel, den betreffenden Widerspruch fallenzulassen und die Zustimmung zur Einstellung eines anderen Mitarbeiters zu verweigern.</p>
<span class="absatzRechts">120</span><p class="absatzLinks">Es hätte auch ein einziges Verfahren zur Klärung der den Betriabsrat interessierenden Rechtsfrage ausgereicht. Selbst wenn in einem solchen Verfahren eine Erledigung durch Zeitablauf eingetreten wäre, hätte bei Fortbestand des Problems durch Umstellung des Antrags eine generelle Klärung der Frage herbeigeführt werden können (BAG, Beschluß vom 29.7.1982 - 6 ABR 51/79 <strong>-,</strong> EzA, ArbGG 1979, § 81 Nr. 2).</p>
<span class="absatzRechts">121</span><p class="absatzLinks">Das Vorgehen des Antragsgegners, allen 22 geplanten Einstellungen mit der Begründung zu widersprechen, das Arbeitsverhältnis des Herrn G   werde durch die Besetzung der Lehrerstellen gefährdet, war rechtsmißbräuchlich und führt da- her zur Unwirksamkeit der Zustimmungsverweigerungen.</p>
<span class="absatzRechts">122</span><p class="absatzLinks">Bei der gegebenen Sachlage konnte unentschieden bleiben,</p>
<span class="absatzRechts">123</span><p class="absatzLinks">ob die vom Betriebsrat für Herrn G   befürchteten Nachteile möglicherweise materiell berechtigt waren. Wenn nämlich Herr G   wegen Beendigung seines Vertragsverhältnisses durch Fristablauf oder aber wegen fehlender Qualifikation auch</p>
<span class="absatzRechts">124</span><p class="absatzLinks"><em>im</em> Falle des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses keinen Anspruch gegen den Antragsteller auf Beschäftigung als</p>
<span class="absatzRechts">125</span><p class="absatzLinks">Lehrer im Fach Deutsch für Aussiedler hätte, müßte der Betriebsrat den durch die Besetzung aller Lehrerstellen</p>
<span class="absatzRechts">126</span><p class="absatzLinks">formal entstehenden Nachteil hinnehmen. Auf diese Fragen</p>
<span class="absatzRechts">127</span><p class="absatzLinks">kam es jedoch bei der gegebenen Sachlage nicht mehr an.</p>
<span class="absatzRechts">128</span><p class="absatzLinks">Der Antrag, festzustellen, daß die vorläufige Durchführung der Maßnahme im Falle des Mitarbeiters Stern dringend erforderlich ist, wurde verspätet gestellt und ist folglich unzulässig.</p>
<span class="absatzRechts">129</span><p class="absatzLinks">Der Betriebsrat hat bereits am 29.11.1988 der vorläufigen Durchführung der Maßnahme widersprochen. Diesen Widerspruch erhielt der Antragsteller spätestens am 1.12.1988. Zwar hat er dies in der Anhörung vor dem Beschwerdegericht nicht ausdrücklich bestätigt, sondern erklärt, daß er <em>sich</em> zu dieser Frage nicht äußern wolle. Er hätte jedoch konkrete Erklärungen abgeben müssen, wenn er <em>die</em> Datenangaben des Betriebsrats hätte in Zweifel ziehen wollen. Von der Richtigkeit der Angaben des Betriebsrats <em>ist</em> deshalb auszugehen.</p>
<span class="absatzRechts">130</span><p class="absatzLinks">Rechtlich folgt daraus, daß der Antragsteller nach § 99 Abs. 2 BetrVG nach Erhalt des Widerspruchs innerhalb von</p>
<span class="absatzRechts">131</span><p class="absatzLinks">3 Tagen beim Arbeitsgericht den Antrag auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats und die Feststellung hätte beantragen müssen, daß die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war, wenn er die Maßnahme aufrechterhalten wollte. <em>Diese</em> Frist hat der Antragsteller nicht eingehalten, weil seine Anträge erst am 8.12.1988 beim Arbeitsgericht eingegangen sind.</p>
<span class="absatzRechts">132</span><p class="absatzLinks">Entgegen seiner Annahme konnte der Antragsteller den Beginn der Ausschlußfrist des § 100 II BetrVG nicht dadurch hinausschieben, daß er den Betriebsrat erneut nach § 100 unterrichtete. Wäre ein solches Vorgehen statthaft, so hätte die Fristenregelung in § 100 II BetrVG keinen Sinn mehr. Der Arbeitgeber hätte es dann in der Hand, durch immer wieder erneut gestellte Anträge auf Zustimmung die lediglich vorläufig zulässige Maßnahme beliebig lange hinauszuzögern (ebenso LAG Hamm, Beschluß vom 29.3.1976 - 3 TaBV 1/76 - EzA, BetrVG 1972, § 99 Nr. 10).</p>
<span class="absatzRechts">133</span><p class="absatzLinks"><em>Die</em> Folge der Verspätung ist gemäß § 100 11 BetrVG, daß der Antragsteller die vorläufige personelle Maßnahme nicht aufrechterhalten darf.</p>
<span class="absatzRechts">134</span><p class="absatzLinks">Aus Gründen der Klarstellung war deshalb im Tenor festzustellen, daß die Durchführung der vorläufigen Maßnahme offensichtlich nicht dringend erforderlich war, auch wenn damit vom Antrag abgewichen wird (dazu BAG, Beschluß vom 18.10.1988 - 1 ABR 36/87 -).</p>
<span class="absatzRechts">135</span><p class="absatzLinks">Diese Feststellung erübrigte sich nicht dadurch, daß im Falle des Herrn Ste die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmungs-</p>
<span class="absatzRechts">136</span><p class="absatzLinks">              erklärung               ersetzt wurde. Zwar endet nach der genannten Ent-</p>
<span class="absatzRechts">137</span><p class="absatzLinks">scheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 18.10.1988 dieRechtshängigkeit des Feststellungsantrages des Arbeitgebers nach § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG, wenn rechtskräftig über den Zustimmungsersetzungsantrag entschieden ist. Rechtskraft ist jedoch mit der Verkündung der vorliegenden Entscheidung noch nicht eingetreten. Rechtskräftig werden Beschlüsse erst nach der Entscheidung über eine etwa zugelassene Rechtsbeschwerde oder nach Ablauf der Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde bzw. nach einer Entscheidung über diese Beschwerde, § 92a in Verbindung mit § 72 a V ArbGG.</p>
<span class="absatzRechts">138</span><p class="absatzLinks">Da das Verfahren nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist, wurde die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72 a ArbGG wird hingewiesen.</p>
|
315,217 | vg-gelsenkirchen-1989-06-23-3-k-162188 | {
"id": 843,
"name": "Verwaltungsgericht Gelsenkirchen",
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"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
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} | 3 K 1621/88 | 1989-06-23T00:00:00 | 2019-03-13T14:49:35 | 2022-10-18T15:08:49 | Urteil | ECLI:DE:VGGE:1989:0623.3K1621.88.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p>Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.</p>
<p>Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar; der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.</p>
<p>Die Berufung wird zugelassen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Tatbestand:</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist Steueroberamtsrat im Dienst des beklagtenLandes. Am 23. Juni 1987 beantragte er eine Beihilfe u. a. füreine Rechnung des Facharztes für Radiologie Dr.vom 05. Juni 1987, in der für eine Computertomographie desKörpers nach Gebührenziffer 5344 der Gebührenordnung für Ärzte- GOÄ - ein Faktor von 2,2 angegeben war. In der Liquidationdes Arztes heißt es dazu: "Sehr schwierige Differentialdiagnoseweit über das normale Maß hinausgehend Untersuchung. Tumorlei-den.“</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Mit Bescheid vom 26. Juni 1987 lehnte die                   den Beihilfeantrag des Klägers bezüglich dieses Punktes der Rechnung vom 05. Juni 1987 teilweise ab und führte zur Begründung aus, die Arztrechnung vom 05. Juni 1987 habe nur im Rahmen der Regelspanne gem. § 5 Abs. 2 u. 3 GOÄ abgerechnet werden können, da für das Überschreiten der Regelspanne eine ausreichende schriftliche Begründung i. S. d. § 12 Abs. 2 Satz 2 GOÄ fehle. Aus den allgemeinen Hinweisen in der Rechnung seien auf den Einzelfall bezogene Besonderheiten nicht ersichtlich, im übrigen dürfe bei den Leistungen aus den Abschnitten A, E, M, und D des Gebührenverzeichnisses das Überschreiten der Regelspanne nicht mit den Schwierigkeiten des Krankheitsfalles begründet werden (§ 5 Abs. 2 Satz 2 letzter Halbsatz (GOÄ).</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Es handele sich vorliegend um eine Leistung i. S. d. § 5 Abs. 3GOÄ, die Regelspanne für diese Leistung liege zwischen demeinfachen und dem l,8fachen Gebührensatz. Entsprechend wurdedie geltend gemachte Leistung des Arztes              unter</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Anwendung des Faktors 1,8 um 128,— DM niedriger bewertet und die Beihilfe nach den so ermittelten Aufwendungen festgesetzt.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 14. Juli 1987 legte der Kläger gegen diesenBescheid Widerspruch ein. Er reichte als Anlage die beanstan-dete Rechnung erneut ein und fügte hinzu, nach der ausführli-chen schriftlichen Begründung des Arztes vom 14. Juli 1987dürfte das Überschreiten der Regelspanne anzuerkennen sein. Indieser ärztlichen Bescheinigung heißt es: "Bei der am20.05.1987 bei Herrn              durchgeführten Computertomo-</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">graphie des Abdomens handelte es sich wie schon aus der ausführlichen Begründung in der Rechnung vom 5.6.87 erkennbar und bei der bekannten Diagnose um eine sehr schwierige und bis heute letztlich nicht klare Diagnose eines entzündlichen oder tumorösen Leberprozesses. Es war hierbei ein außerordentlich hoher Aufwand ärztlicherseits und technischerseits erforderlich. Da es sich hierbei um eine technische Leistung handelt, ist der technische Anteil im Vordergrund zu sehen. Es waren zeitintensive Rohdatenberechnungen erforderlich."</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 28. Juli 1987 wies die Festsetzungsstelle der</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">den Kläger darauf hin, der</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen habe durch Erlaß vom 20. Juni 1985 mitgeteilt, er vertrete zur Frage des Überschreitens des Schwellenwertes bei der Gebührenziffer 5344 die Auffassung, daß ein deutlich über dem Durchschnitt liegender Zeitaufwand bei der Auswertung mit einem innerhalb des Schwellenwertes oberhalb des Mittelwertes von 1,4 liegenden Multiplikator ausreichend gewürdigt werden könne. Im übrigen könne eine berechtigte Überschreitung des Schwellenwertes bei den Leistungen nach Gebührenziffer 5344 nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht kommen. Bei der Bewertung der Angemessenheit</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">              -</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">von Gebühren sei in diesem Zusammenhang zu beachten, daß die</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">vorstehenden Leistungen wegen des außerordentlichen technischen Aufwandes mit vergleichsweise hohen Punktzahlen bewertet seien. Die Überschreitung um 1/10 Punkt führe daher schon gemessen an den ärztlichen Leistungen z.B. nach den Gebührenziffern l und 65 zu einer nicht angemessenen erheblichen Mehrgebühr. Da die von Dr.       geschilderten Umstände eine ausreichende Berücksichtigung im Rahmen der Regelspanne finden würden, liege eine begründete Überschreitung der Regelspanne nicht vor. Infolgedessen seien die Mehrbeträge beihilferechtlich nicht zu berücksichtigen. Der Kläger wurde gebeten, mitzuteilen, ob auf einen förmlichen Widerspruchsbescheid bestanden werde.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Ergänzend wies die                            mit Schreiben</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">vom 31. August 1987 noch darauf hin, daß der streitige Betrag von 128,— DM etwa das dreifache der Gebühr mache, die einem Arzt nach der Gebührenziffer 1b für eine eingehende, das gewöhnliche Maß übersteigende Beratung - ggf. einschließlich Untersuchung - als einzige Leistung von mindestens 15 Minuten Dauer zustehe und mehr als das 5-fache der Untersuchungsgebühr nach der Gebührennummer 65. Eine berechtigte Überschreitung des Schwellenwertes bei den Leistungen nach der Gebührennummer 5344 sei daher nur in seltenen Ausnahmefällen anzunehmen. Es müsse davon ausgegangen werden, daß der Verordnungsgeber bei der Erstellung des Gebührenverzeichnisses die einzelnen Leistungen sachgerecht honoriert habe.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Im übrigen sei noch darauf aufmerksam zu machen, daß nach der amtlichen Begründung zu § 12 GOÄ das Anführen der in § 5 Abs. 2 GOÄ genannten Bemessungskriterien (hier: Zeitaufwand der Leistung) allein nicht ausreiche, ein Überschreiten der Regelspanne zu rechtfertigen. Vielmehr müsse die Art der gegebenen Besonderheiten näher dargelegt werden, da nur so beurteilt werden könne, ob Umstände vorgelegen hätten, die über den Umfang der einzelnen Leistungsbeschreibungen der verwendeten Gebührennummern hinausgingen. Dies sei mit dem zusätzlichen allgemeinen Hinweis auf zeitintensive Rohdatenberechnungen nicht geschehen. Es sei nicht zu erkennen, daß im Fall des Klägers Umstände vorgelegen hätten, für deren Berücksichtigung die Regelspanne nicht genug Raum biete.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Nachdem der Kläger auf einem förmlichen Widerspruchsbescheid</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">bestanden hatte, wies die              mit</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Widerspruchsbescheid vom 21. April 1988, dem Kläger zugestelltam 26. April 1988, den Widerspruch des Klägers als unbegründetunter Wiederholung der Rechtsauffassung aus dem vorangegangenenSchriftverkehr zurück.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Hiergegen hat der Kläger am 16. Mai 1988 Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Er führt aus, er sei im Jahr 1986 wegen eines Karzinoms des Dickdarms operiert worden und befinde sich seither unter ärztlicher Kontrolle. Im April 1987 habe er Schmerzen in der rechten Flanke mit Fieberanfällen verspürt. Die entscheidende und für ihn lebenswichtige Frage sei gewesen, ob es sich um einen metastatischen oder um einen entzündlichen Prozeß gehandelt habe. Eine solche Differenzierung sei durch moderne Methoden heutzutage in den meisten Fällen möglich. Außerordentliche Probleme ergäben sich jedoch bei der exakten Differenzierung von lokalen gutartigen und bösartigen Prozessen in der Leber bei Tumorpatienten. Beim Kläger handele es sich um einen solchen Fall. Deshalb sei der Kläger von seinem Hausarzt zum Radiologen Dr.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">überwiesen worden, der beim Kläger am 25. Mai 1987 eine Computertomographie durchgeführt habe. Bei seiner Rechnung vom 05. Juni 1987 habe er gem. der Gebührennummer 5344 einen Betrag von 704,— DM in Rechnung gestellt, was einem Faktor von 2,2 entspreche. Für eine solche Überschreitung der Schwelle von 1,8 seien vorliegend Besonderheiten i. S. d. § 5 Abs. 2 Satz l GOÄ gegeben. Es habe sich um eine Flüssigkeitsansammlung außerhalb der Leber sowie einem Fokus rechts unterhalb des Zwerchfells und einem weiteren Fokus im linken Leberläppen gehandelt. Erst eine Doppeluntersuchung des Abdomens unter erhöhtem Zeit- und technischem Aufwand und eine zusätzliche Sonographie habe das Krankheitsgeschehen weiter einengen können, wobei nach aufwendigen Dichte- und Vergleichsmessungen außerhalb der Patienten-routine sich erst ergeben habe, daß es sich um einen kleinen Abszeß außerhalb der Leber sowie einen zusätzlichen kleinen Blutschwamm, im linken Leberlappen gehandelt habe. Dieses Krankheitsbild des Klägers sei außerordentlich selten und schwierig. Dr.          habe zur Diagnosestellung ein umfangreiches Literaturstudium benötigt und weiterhin einen deutlich über der Norm liegenden technischen Aufwand gehabt. Damit seien die Kriterien des § 5 Abs. 2 Satz l GOÄ erfüllt, wonach die Schwierigkeiten der Leistung und der Zeitaufwand für die Leistung berücksichtigt werden könnten. Die Besonderheiten ergäben sich im vorliegenden Fall daraus, daß ein besonderer technischer Aufwand erforderlich und die Auswertung der Ergebnisse schwierig und zeitaufwendig gewesen sei. Diese Umstände würden nicht bereits durch die Leistungslegende der Ziffern 5343 - 5345 des Gebührenverzeichnisses erfaßt und begründeten daher die Überschreitung des l,8fachen Satzes. Die Regelsatzüberschreitung des l,8fachen Satzes sei gerechtfertigt, da der l,8fache Satz als Mittelwert für normale Leistungen zutreffenderweise zur Berechnung heranzuziehen sei. Daß der l,8fache Satz der Mittelwert sei, ergebe sich bereits aus der Entstehungsgeschichte der Gebührenordnung für Ärzte. Der Satz entspreche dem früheren 3,5fachen Satz als Mittelwert der Gebührenordnung für Ärzte von 1965. Zu der letztgenannten Gebührenordnung sei die Mittelwerttheorie vertreten worden, wonach der Arzt im Streitfall die Höhe eines Honorars nur begründen müsse, wenn er den 3,5fachen Satz überschritten habe. Eine Begründung sei heute dagegen für die GOÄ 1982 in jedem Fall vorgeschrieben. Ebenso wie der Arzt früher nach der GOÄ 1965 einen Normalfall zum Mittelwert von 3,5 habe abrechnen können, könne er nach der Gebührenordnung für Ärzte von 1982 einen entsprechenden Fall mit dem mittleren Schwierigkeits- und Zeitaufwandswert mit dem 2,3fachen bzw. l,8fachen Satz für technische Leistungen berechnen. Bei überdurchschnittlichen Leistungen hänge der anzusetzende Faktor in dem zur Verfügung stehenden Rahmen von 1,9 bis 2,5 vom Grad der Abweichung vom Normalen ab. Es gelte auch für Leistungen mit hohen Einfachsätzen wie z. B. den  Ziffern 5343 bis 5345 wie die Computertomographie.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">den Bescheid der</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">                   vom 26. Juni 1987 in der</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Fassung des Widerspruchsbescheidesvom 21. April 1988 aufzuheben und die  Beklagte zu verpflichten, an den Klägereine weitere Beihilfe in Höhe von76,— DM zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Das beklagte Land beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung verweist es auf die Angaben in <em>den</em> angefochtenenBescheiden.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Entscheidungsgründe:</span></p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Klage ist nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung der begehrten(weiteren) Beihilfe. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Nach den Bestimmungen der §§ l Abs. l Nr. 1, 3 Abs. 1,4 Nr. lder Verordnung über die Gewährung von Beihilfen, in Krankheits-Geburts- und Todesfällen - BVO - hat der Kläger Anspruch aufBeihilfe zu notwendigen Aufwendungen in angemessenem Umfang.Vorliegend ist zwischen den Beteiligten die Notwendigkeit derärztlichen Untersuchung nicht streitig, es geht lediglichdarum, ob die geltend gemachten Aufwendungen den angemessenenUmfang überschreiten.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Als angemessen im Sinne des § 3 Abs. l BVO ist dabei regelmäßig eine ärztliche Liquidation anzusehen, die bei der Bemessung des ärztlichen Honorars den Regelungen der Gebührenordnung für Arzte - vorliegend in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Dezember 1984 - entspricht. Gemessen an diesen Voraussetzungen erweist sich die vom Kläger eingereichte Rechnung als überhöht, soweit mit der Anwendung des Faktors 2,2 der Schwellenwert von 1,8 gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 GOÄ überschritten worden ist. Die entsprechende Kürzung der beihilfefähigen Aufwendungen in den angefochtenen Bescheiden ist demgemäß nicht zu beanstanden.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Dabei geht die Kammer zunächst nicht davon aus, daß dem geltend gemachten Anspruch bereits entgegensteht, die beanstandeten Aufwendungen seien gemäß § 12 Abs. l GOÄ nicht fällig, weil die unter dem 05. Juni 1987 erstellte Rechnung den angewendeten Bemessungsfaktor nicht hinreichend gemäß § 12 Abs. 3 GOÄ begründet und diese Begründung auch bisher noch nicht den Vorschriften entsprechend nachgeholt worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Es kann allerdings kein Zweifel daran bestehen, daß die der Rechnung vom 05.06.1987 beigefügten stichwortartigen Kürzel dem Begründungserfordernis des § 12 Abs. 3 GOÄ nicht genügen. Denn auch wenn man zugunsten des Arztes davon ausgeht, daß die Begründung eines den Schwellenwert überschreitenden Bemessungsfaktors in Stichworten vorgenommen werden kann, müssen sich die Besonderheiten im Sinne des § 5 Abs. 3 Satz 2, Abs. 2 Satz 4 GOÄ hieraus zumindest entnehmen lassen, wenn man zusätzlich die Angaben, in der - notwendig mitzuteilenden - Diagnose berücksichtigt. Davon kann vorliegend nicht die Rede sein. Die Angabe "sehr schwierige Differentialdiagnose" läßt gerade, wollte man darin den Versuch, eine besondere Schwierigkeit der Leistung geltend zu machen, sehen, die auf den Gebührentatbestand bezogenen Besonderheiten bei der Diagnose nicht erkennen. Dabei ist zu beachten, daß nach den Allgemeinen Bestimmungen zu Abschnitt 0 des Gebührenverzeichnisses die Beurteilung von Röntgenaufnahmen und Szintigrammen einschließlich des Befund-</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">berichts als selbständige Leistung nicht abgerechnet werden darf, sondern Teil der ärztlichen Regelverrichtung im Zusammenhang mit der jeweiligen Gebührenziffer ist. Daß eine solche Tätigkeit nicht, undifferenziert erfolgen darf, ist ebenso offenkundig wie es auch auf der Hand liegt, daß die erläuternd beigefügten Wörter "sehr schwierig" für sich allein keinen Aussagewert bezüglich der geltend gemachten Besonderheit der ärztlichen Tätigkeit haben. Es handelt sich hier vielmehr ebenso um eine - möglicherweise weit verbreitete, unabhängig davon aber nichtssagende - Leerformel, die das vom Regeltatbestand abweichende Handeln des Arztes bei der konkreten ärztlichen Verrichtung ebensowenig erkennen läßt, wie dies den zusätzlich mitgeteilten Erläuterungen zu entnehmen ist, wonach, eine "weit über das normale Maß hinausgehende Untersuchung" stattgefunden hat. Auch hier wird in keiner Weise erkennbar, welcher Untersuchungsaufwand noch als "normal" anzusehen sein soll und worauf die Abweichung von dieser Normalität beruhen, soll. Gerade solche, auf den konkreten Einzelfall der ärztlichen Verrichtung individuell abstellende Hinweise sind es aber, die für eine den materiellen Anforderungen des § 5 Abs. 2, 3 GOÄ gerecht werdende Begründung verlangt werden müssen. Das gilt für den letzten Begründungsteil umso mehr, als hier im Bereich der interpretatorischen Beliebigkeit die Entscheidung getroffen werden müßte, ob diese Angabe, nun eine besondere Schwierigkeit der Leistung oder ob er einen besonders hohen Zeitaufwand oder gar beides begründen soll. Im übrigen, hat die</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">              zutreffend darauf hingewiesen,</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">daß bei medizinisch-technischen Leistungen die Schwierigkeit des Krankheitsfalles als die Überschreitung des Schwellenwertes begründende Element nicht berücksichtigt werden darf. Schon unter diesem Gesichtspunkt verbietet es sich, die weitere Angabe „Tumorleiden" als hinreichende Begründung für die geltend gemachten Gebühren zu akzeptieren. Daß die Angabe im übrigen keinerlei Aussage zur konkreten ärztlichen Tätigkeit, deren erhöhte Abrechnung.in Rede steht, enthält, führt darüber hinaus ebenso zur Feststellung, daß die Angabe unzureichend ist, wie auch der weitere Umstand, daß ausweislich der Diagnose</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">gerade ein entzündlicher Prozeß vorliegt und die bloße Angabe "Tumorleiden" vor diesen Hintergrund eher widersprüchlich ist.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Im Ergebnis nichts anderes gilt von der Bescheinigung, die demKläger von seinem Arzt unter dem 14. Juli 1987 ausgehändigtworden ist. Abgesehen von Äußerungen, die nichts andereswiedergeben als den Unmut erneut um eine Begründung ange-gangen worden zu sein ("wie schon aus der ausführlichen Begründung in der Rechnung vom 5.6.87 erkennbar"), wiederholt dieseBescheinigung allein den Schwierigkeitsgrad des Krankheits-falles, der, wie oben dargelegt, nicht berücksichtigungsfähigist und erschöpft sich in einer Aneinanderreihung von Leer-formeln, deren konkrete, auf die Verrichtung des Arztes abstellende Ausfüllung gerade nicht vorgenommen wird. Von welchen</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Bezugsgrößen bei einem "außerordentlich hohen Aufwand ärztlicherseits und technischerseits" auszugehen ist, bleibt, ebenso unklar wie es zur Erläuterung der getätigten Besonderheiten unzureichend ist, sich auf "zeitintensive Rohdatenberechnungen" zu berufen, ohne auch nur andeutungsweise klarzustellen, was nun mit dem Begriff der "Rohdaten" gemeint ist, wie weit deren Ermittlung Teil der von der Gebührenziffer umfaßten Regelverrichtung ist und woraus sich im einzelnen ergeben hat, daß</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">diese vorliegend besonders zeitintensiv waren. Daß Besonderheiten, die das Abweichen vom Regeltatbestand in diesem Sinne begründen können, von einem wissenschaftlich ausgebildeten  Facharzt für Radiologie knapp, aber präzise dargestellt werden können, liegt nach Überzeugung, der Kammer auf der Hand. Den Anforderungen an eine nachvollziehbare Begründung genügen die Angaben in der Bescheinigung vom 14. Juli 1987 aber auch deshalb nicht, weil sie in einem nicht ohne weiteres aufklärbaren Widerspruch zu den Angaben in der Rechnung vom 5.6.87 stehen. Die in der Bescheinigung als besondere Schwierigkeit in den Vordergrund gestellten, zeitintensiven Rohdatenberechnungen lassen sich den in der Rechnung genannten Begriffen nämlich nur schwerlich zuordnen; es kann allenfalls davon ausgegangen werden, es habe sich hier um einen Teil der "weit über das normale Maß hinausgehenden Untersuchung" gehandelt.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Die Angaben des Klägers in der Vergangenheit führen dagegen erstmals in die Nähe dessen, was vom Arzt zur Begründung der Überschreitung des Schwellenwertes nach den oben dargestellten Maßstäben verlangt werden muß. Zwar bleibt die breiten Raum innehabende Schwierigkeit des Krankheitsfalles wegen der Regelungen in § 5 Abs. 2 Satz 2 letzter Halbsatz GOÄ weiterhin unbeachtlich, und auch die ohne weitere konkrete Substantiierung vorgetragene Behauptung erhöhten zeitlichen und technischen Aufwands allein genügt den dargelegten Anforderungen nicht. Das gilt bezüglich der geltend gemachten "aufwendigen Dichte- und Vergleichsmessungen" im übrigen auch deshalb, weil ohne Angabe näherer Einzelheiten, nicht ersichtlich ist, daß die Tätigkeit des Arztes, über das hinausgegangen ist, was bereits von den Bemessungskriterien der Leistungsbeschreibung der Gebührenziffer 5344 umfaßt ist, und deshalb einen Einfluß auf die Gebührenermittlung über den Tatbestand der Gebührenziffer hinaus nach § 5 Abs. 2 Satz 3 GOÄ nicht haben darf. Berücksichtigt man aber, daß Nummer 5344 des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ <span style="text-decoration:underline">mehrere</span> Untersuchungsgänge <span style="text-decoration:underline">ggf. mit Spezialeinstellungen</span> umfaßt, so ist ohne nähere konkretisierende Angaben überhaupt nicht ersichtlich, was insoweit die Anwendung eines höheren Bemessungsfaktors rechtfertigen könnte. Das gilt erst recht vor dem Hintergrund, daß beim Kläger lediglich eine Computertomo- graphie des Brustkorbs und des Unterleibs durchgeführt wurde, wogegen die einschlägige Gebührenziffer diese ärztliche Verrichtung bezogen auf den ganzen Körper mit Ausnahme des Kopfes umfaßt.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Die Kammer vermag aber aufgrund des weiteren Klagevortrages, wonach die Diagnose außergewöhnliche Schwierigkeiten, bereitet haben soll, nicht auszuschließen, daß bei einer - wie vom Kläger angebotenen – Vernehmung des behandelnden Arztes als Zeugen- sowohl Besonderheiten bei der Verrichtung als auch der Bewertung der Untersuchungsergebnisse dargestellt werden könnten, bei denen erwogen werden könnte, die Überschreitung des Schwellenwertes für gerechtfertigt zu erachten. Dabei geht die Kammer davon aus, daß das Beweisangebot nicht daran schei-</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">tert, daß die unter Beweis zu stellenden Tatsachen nicht hinreichend genau bezeichnet sind. Im Verhältnis des Patienten zur Beihilfestelle kann mehr als eine Umschreibung der Umstände, die die Erhöhung des Bemessungsfaktors begründen sollen, schwerlich verlangt werden, wenn gleichzeitig die Einvernahme  des behandelnden Arztes als Zeuge angeboten werden. Der Einvernahme als Zeuge stehen auch nicht Unstimmigkeiten in den bisherigen Begründungen entgegen oder Zweifel an der Beachtlichkeit der Zeugenaussage, die sich auch deshalb aufdrängen, weil der Kläger gleich am ersten Behandlungstag einer Computertomographie unterzogen wurde, über  ihm auffällige besondere Schwierigkeiten zu keiner Zeit berichtet hat und damit objektive Anhaltspunkte für eine komplizierte und außergewöhnlich schwierige und aufwendige Einzeluntersuchung fehlen. Dies steht der beantragten Beweisaufnahme ebensowenig entgegen wie der Umstand, daß die unter dem 5.6.1989 erteilte Rechnung deshalb widersprüchlich ist, weil der Schwellenwert <span style="text-decoration:underline">nur</span> bei der Computertomographie überschritten ist, obwohl gerade, die Diagnose ganz besonders zeitaufwendig gewesen sein soll und nicht ohne weiteres erklärlich ist, warum bei den anderen diagnostischen Tätigkeiten eine Abrechnung mit dem Schwellenwert möglich war. Die hiermit zusammenhängenden sich aufdrängenden Fragestellungen waren zunächst bezüglich der tatsächlichen Grundlagen im Rahmen einer Beweisaufnahme abzuklären, eine dem vorhergehende Würdigung wäre mit dem Untersuchungsgrundsatz deshalb unvereinbar und damit unzulässig.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Der Beweisaufnahme, steht auch nicht entgegen, daß im Verlauf des Verwaltungsverfahrens - wie dargelegt - eine den materiellen Anforderungen des § 5 Abs. 2, 3 GOÄ gerecht werdende  Begründung der Beschreibung des Schwellenwertes nicht dargelegt worden ist. Dies führt nach der Überzeugung der Kammer nicht dazu, daß der Streitgegenstand auf diese Rechnung mit den dazu während des Verwaltungsverfahrens gegebenen Begründungen beschränkt wäre mit der Folge, daß während des Klagebegehrens weitere Erläuterungen oder Begründungen ausgeschlossen sind. Für eine solche mit dem Untersuchungsgrundsatz und der Ver-</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">pflichtung des Gerichts, die Spruchreife einer Entscheidung soweit möglich herbeizuführen, schwerlich zu vereinbarende Interpretation des § 12 Abs. l GOÄ, fehlt es schon, an einer eindeutigen gesetzlichen Grundlage. Im übrigen ist es mit allgemeinen Grundsätzen unvereinbar, die Richtigkeit einer Begründung zur Voraussetzung der Rechtmäßigkeit der geltend, gemachten Forderung zu erklären. Wie im Verwaltungsverfahrensrecht kommt es bei der Begründung lediglich darauf an, daß sich aus ihr das ergibt, was ihr Verfasser für wesentlich hält, um die jeweilige Maßnahme zu erklären. Ob dies den materiellen gesetzlichen Anforderungen entspricht, ist allein Gegenstand der — wenn notwendig - gerichtlichen Überprüfung, kann aber der Geltendmachung einer entsprechenden Forderung nicht mehr entgegengehalten werden mit der Folge, daß eine gerichtliche Durchsetzung der Forderung ausgeschlossen wäre. Nur diese Sicht der Begründungspflicht des § 12 Abs. 3 GOÄ gibt auch hinreichend, Raum für das Verständnis der dort niedergelegten Pflicht des Arztes, die begründete Rechnung auf Verlangen zu erläutern. Daß diese Erläuterung auf die Fälligkeit keinen Einfluß mehr haben soll, erscheint offenkundig. Letztlich sprechen für das gefundene Ergebnis auch Gesichtspunkte der Verfahrens- bzw. Prozeßökonomie. Wollte man die materielle Richtigkeit der Begründung zur Voraussetzung für die Fälligkeit des ärztlichen Honorars erklären, hätte das zur Folge, daß die Beihilfestellen im Zweifel bis zur Verjährung der Arztforderungen immer wieder erneut mit der Abrechnung derselben Behandlung konfrontiert werden könnten, ohne sich bezüglich nachgereichter Begründungen auf bestandskräftige Festsetzungen oder gar rechtskräftige Entscheidungen berufen zu können.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Die Vernehmung des behandelnden Arztes als Zeuge erweist sich aber vorliegend deshalb als überflüssig, weil die unter Beweis gestellten Tatsachen für das vorliegende Verfahren unerheblich sind. Die Überschreitung des Schwellenwertes beruht nämlich, wie sich aus der Klagebegründung eindeutig ergibt und vom Vertreter des Klägers in der mündlichen Verhandlung bestätigt worden ist, auf der Auffassung, der Schwellenwert sei der</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Bemessungsfaktor für eine ärztliche Leistung, die dem jeweiligen Gebührentatbestand bei mittlerer Schwierigkeit und durchschnittlichem Zeitaufwand angemessen sei, anders gesprochen, es handele sich hier um den regelmäßig anzuwendenden Wert für eine in jeder Hinsicht dem Durchschnitt entsprechende ärztliche Verrichtung, die einer Gebührenziffer des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ entspreche. Dieser Auffassung, die -nebenher - auch vom Oberlandesgericht Hamburg,</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Urteil vom 25. Juni 1987 - 3 V 221/86 -NJW 1987, 2937,</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">und ausdrücklich vom Oberlandesgericht Koblenz,</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Urteil vom 19. Mai 1988 - 6 V 286/87 NJW 1988, 2309,</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">vertreten worden ist, folgt die Kammer nicht.Die dort vorgenommene Interpretation der Worte "in der Regel" in § 5 Abs. 2 Satz 4 GOÄ, die eine weitere Einschränkung, der Ermessensausübung danach nicht enthalten soll, sondern lediglich "Sinn" mache, wenn man davon ausgehe, daß „in der Regel" die zu erbringenden ärztlichen Leistungen einen Fall von mittlerer Schwierigkeit, durchschnittlichem Zeitaufwand und normalen Umständen der Ausführung entsprächen, bei dem die Gebühr in der Mitte des Gebührenrahmens des § 5 Abs. l Satz l bzw. Abs. 3 Satz l GOÄ anzusetzen seien, überzeugt die Kammer nicht. Sie folgt vielmehr der vom Oberlandesgericht verworfenen Auffassung, daß in einem solchen Fall nur die Gebührenbemessung <span style="text-decoration:underline">innerhalb</span> der von § 5 Abs. 2 Satz 4. GOÄ eröffneten Regelspanne zulässig ist, wobei bei technischen Leistungen ein Mittelwert bei 1,4 anzusetzen sei. Ausgehend von dieser Auffassung führt die Gebührenbemessung mit einem um 0,4 höheren Bewertungsfaktor vorliegend günstigstenfalls dazu, daß dem Kläger angemessene Aufwendungen in Höhe des l,8fachen Gebührensatzes entstanden sind. Da die angefochtenen Bescheide von dieser - allenfalls -zulässigen Gebührenbemessung ausgehen, kann der Kläger eine hierüber hinausgehende Beihilfe nicht verlangen.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Dabei ist zunächst klarzustellen, daß die vom Oberlandesgericht Koblenz vertretene Auffassung insoweit nicht von der Kammer in Frage gestellt wird, als in der angeführten Entscheidung dargelegt worden ist, es sei den Ärzten verwehrt, für die  ärztlichen Verrichtungen unabhängig vom Einzelfall schematisch den höchsten Satz der Regelspanne anzusetzen. Diese Kritik an der allgemein üblichen, allerdings auch unbestritten rechtswidrigen Praxis der Ärzteschaft, wird von der Kammer geteilt. Es</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">kann auch nach der hier vertretenen Auffassung keinem Zweifel unterliegen, daß die Festsetzung der Gebühr eine Ermessensbetätigung, des Arztes - entsprechend den Regelungen der §§ 315 f BGB  - voraussetzt, die zumindest die schematische Festlegung auf den Höchstsatz der Regelspanne, wie sie auch im übrigen wieder bei der dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Liguidation zu entnehmen ist, verbietet. Fraglich kann daher nur sein, ob sich das Ermessen im Regelfall auf den Gebührenrahmen der § 5 Abs. l Satz l, Abs. 3. Satz l GOÄ bezieht, wie dies, nach dem Verständnis der Kammer der Rechtsauffassung des Oberlandes- gerichts Koblenz entspricht, oder ob § 5 GOÄ mehrere Ermessensbereiche eröffnet, <span style="text-decoration:underline">innerhalb</span> derer der Arzt jeweils nach den Gegebenheiten des Einzelfalles unter unterschiedlichen Voraussetzungen die Gebührenberechnung vorzunehmen hat.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Hierzu ist zunächst festzuhalten, daß dem — zutreffend als mißverständlich gekennzeichneten - Wortlaut des § 5 GOÄ ein "Mittelwert" der Art, wie dies vom Oberlandesgericht Koblenz  dargelegt ist, nicht zu entnehmen ist. Erst recht vermag die Kammer nicht zu erkennen, warum die Worte "in der Regel" allein auf die Gebührenbemessung bei Fallgestaltungen bezogen sein sollen, die ihren Schwierigkeitsgrad, Zeitaufwand und der Umstände der Ausführung nach <span style="text-decoration:underline">unterhalb</span> des Mittelfalls angesiedelt sind. Wäre das wirklich die Intention der Regelung, hätte es der gesetzlichen Fixierung einer Gebührenspanne, die als Regelspanne ausdrücklich bezeichnet worden ist, ganz sicher nicht bedurft. Denn es liegt auf der Hand, daß eine Ermessensausübung fehlerhaft ist, die unter Vernachlässigung der in § 5 Abs. 2 Satz I GOÄ benannten Bemessungskriterien, für eine</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">einfache ärztliche Verrichtung den Höchstwert des Gebührenrahmens ausnutzt. Daß leichte Tätigkeiten im Gebührenrahmen weniger hoch bewertet werden dürfen als schwierigste und komplikationsbehaftete Verrichtungen, bedarf keiner rechts- satzmäßig fixierten Regelung.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Der Wortlaut des § 5 Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 Satz 2 GOÄ setzt vielmehr nach Überzeugung der Kammer innerhalb des Gebührenrahmens des § 5 Abs. l Satz l, Abs. 3 Satz l GOÄ für die Gebührenrechnung des Regelfalles einen besonderen Rahmen, fest, wobei den Worten in der Regel zum einen die Bedeutung zukommt, daß <span style="text-decoration:underline">innerhalb,</span> und zwar <span style="text-decoration:underline">nur zwischen</span> den Grenzwerten, die Gebühr festgesetzt werden darf, und weiter, daß als Regelfall die Tätigkeit anzusehen ist, die Gegenstand der Leistungsbeschreibung der einzelnen Gebührenziffer des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ ist. Diese von § 5 Abs. 2 Satz 4, Abs. 3, Satz 2 GOÄ vorgenommene Einführung eines Bereichs innerhalb des Gebührenrahmens macht nur Sinn, wenn damit, ein diesbezügliches gesondertes ärztliches Ermessen eröffnet wird, das im Regelfall die Grenze der ärztlichen Gebührenbemessung umfaßt. Um über diese Spanne hinauszugehen, bedarf es dagegen des Vorliegens von Besonderheiten, das heißt, es müssen besondere Schwierig-keiten der Leistung, ein besonderer Zeitaufwand oder besondere Umstände bei der Ausführung der Leistung geltend gemacht werden. Das heißt mit anderen Worten, es müssen im Einzelfall Umstände hinzutreten, die die Verrichtung der von der jeweiligen Gebührenziffer umschriebenen Tätigkeit besonders prägen, so daß allein aus der dort gegebenen Umschreibung das konkrete ärztliche Tun nicht mehr erfaßt wird. Anders gewendet bedeutet das, daß eine - auch schwierige und zeitaufwendige - ärztliche Verrichtung nur <span style="text-decoration:underline">innerhalb</span> der Regelspanne abgerechnet werden darf, solange im Einzelfall diese Tätigkeit von den Leistungen des Gebührenverzeichnisses umfassend beschrieben wird. Eine in diesem Sinne schwierige Leistung darf höchstens mit dem <span style="text-decoration:underline">obersten</span> Wert der Regelspanne berechnet werden.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Vgl. dazu: Amtsgericht Braunschweig, Urteil vom 01, Oktober 1984 - 119 C 2119/84 - NJW 85, 689</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">mit Anmerkung Dedie. Landgericht Düsseldorf, Urteil vom. 10. Juni 1986.- 5 S 96/86 -NJW 86, - 2887 (2888); Amtsgericht Essen, Urteil vom 19. November 1987 - 20 C 5/87 - NJW 88, 1525; Amtsgericht Lüdenscheid, Urteil vom 24. November 1987 - 8 C 892/87 - NJW 88, 1526; Nar, Rechtsprechung, NJW 84, 2624; Dörner, keine ärztlichen Honorarvereinbarungen im AGB, NJW 87, 699; Schwabe, Zur ärztlichen; Privatliquidation, ZRP 87, 270<sup>!</sup>; wohl auch Hess.      ZRP: 1989, 274, Mayer, Nochmals: Der Gebührenrahmen des § 5 GOA, ZRP 1988, 142.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Mit dieser Interpretation kommt den Worten "in der Regel" in§ 5 Abs. 2 Satz 4 GOÄ auch eine mit dem Wortsinn zu vereinba-rende Bedeutung zu. Wenn nämlich die Leistungsbeschreibung derGebührennummer des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ als Regeltatbestand, angesehen wird, läßt sich die Bedeutung der Regelspannezwanglos darin erkennen, daß sie einen Rahmen für die jeweils-geschilderte ärztliche Verrichtung von der leichtesten bis zurschwierigsten Fallgestaltung für die Gebührenberechnung eröff-net. Demgegenüber vermag die Kammer bei Zugrundelegung derAuffassung des Oberlandesgerichts Koblenz nicht zu erkennen,welche "Regelhaftigkeit" in einer Tätigkeit unterhalb des"Mittelfalls" den Arzt, verpflichten soll, den Bereich derRegelspanne auszunutzen, wenn gleichzeitig die mit durchschnitt-licher Leistung und durchschnittlichem Zeitaufwand erbrachteTätigkeit, also geradezu der typische oder regelmäßige Gesche-hensablauf, als "Mittelfall" dem Bereich der "Regel" entzogenwird.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Die von der Kammer vertretene Auffassung hat zudem den Vorteil, daß der Gebührenbereich oberhalb des Schwellenwertes gerade für solche - und <span style="text-decoration:underline">nur</span> für diese - Umstände zur Verfügung steht, die in den Regelbeschreibungen der - Nummern des Gebührenverzeichnisses - wegen der Vielfältigkeit der denkbaren Komplikationen nicht erwähnt werden und auch nicht benannt werden können. Das gilt insbesondere für die erheblichen Schwierigkeiten, die im Verlauf chirurgischer oder sonstiger operativer Eingriffe auftreten können, kann aber auch durch sonstige Schwierigkeiten bei der Ausführung oder der Leistung begründet sein, wie dies</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">zum Beispiel in einem Rechtsstreit der Fall war</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">vgl. Urteil vom 24. Juni 1988 - 3 K 759/87 -,</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">in dem die intensivmedizinische Betreuung eines extrem untergewichtigen Neugeborenen abgerechnet worden war. Wollte man der Auffassung folgen, der gesamte Gebührenrahmen des § 5 Abs. 1 Satz l, Abs. 3 Satz l GOÄ stehe für jede Verrichtung des Gebührenverzeichnisses zur Verfügung, bliebe für solche den Tatbestand des Gebührenverzeichnisses überschreitende Komplikationen keine korrekte Möglichkeit der ärztlichen Rechnungs- legung, obwohl sich gerade hier die Überzeugung aufdrängt, daß die erhöhten Anforderungen an die ärztliche Tätigkeit ein leistungsgerecht erhöhtes. Entgelt erfordern.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Dieses Verständnis des § 5 GOÄ wird auch durch die Entstehungsgeschichte der Bestimmung gestützt. In der amtlichen Begründung (BR-Drcks. 295/82} ist stets und eindeutig von einer Regel-<span style="text-decoration:underline">spanne</span> in dem Sinne die Rede, daß der Schwellenwert gerade nicht der Regelwert sein sollte. Die Überschreitung des Schwellenwerts setzt vielmehr "begründete, besonders gelagerte Fälle voraus, wogegen "bei mittlerer Schwierigkeit und durchschnittlichem Zeitaufwand eine Gebühr <span style="text-decoration:underline">innerhalb</span> der Spanne des l -2,3fachen (für Leistungen i. S. d. § 5 Abs. 2 GOÄ) zu bemessen" sei. Auch werden die Besonderheiten im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 4 GOÄ dahin konkretisiert, daß sie sich im Einzelfall von "üblicherweise vorliegenden Umständen" unterscheiden müßten und diesen besonderen Umständen "nicht bereits in der Leistungsbeschreibung Rechnung getragen" worden sein dürfte. Insbesondere der letztgenannten Voraussetzung kommt dabei Gewicht zu, weil hier qualitativ ein die Regelverrichtung überschreitendes Begründungselement verlangt wird, soll der Schwellenwert übersehritten werden. Nach dem Begründungstext ist damit der Schwellenwert gerade nicht der Regelwert für eine Leistung mittlerer Schwierigkeit und durchschnittlichen Zeitaufwands, es wird vielmehr das, aus dem Wortlaut der Norm gewonnene Ergebnis bestätigt, daß die Spanne des § 5 Abs. 2 Satz 4 GOÄ auch</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">schwierige und aufaufwendige Regelverrichtungen umfaßt und der Schwellenwert hierfür der Höchstwert ist.</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Diese Sicht wird im übrigen durch - sozusagen authentische -Äußerungen der Bundesregierung belebt. Diese hat nicht nur in ihrem Bericht über die praktischen Erfahrungen bei der Anwendung der GOÄ (BR-Drcks. 625/85) nochmals entschieden klargestellt, daß die regelmäßig festzustellende Anwendung des Schwellenwertes unzulässig ist. Insbesondere im Rahmen der Einführung der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ), die erklärtermaßen den Grundsätzen der GOÄ nachgestellt ist, ist nochmals die Ünzulässigkeit eines Regelwertes betont sowie ausdrücklich klargestellt worden, daß für einen "in Schwierigkeit und Zeitaufwand durchschnittlichen Normalfall die Gebühren nur zwischen dem Einfachen und dem 2,3fachen Gebührensatz bemessen werden dürfen".</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Die von der Kammer vertretene Auffassung führt auch nicht zu unvertretbaren Ergebnissen. Ziel der Neufassung der Gebührenordnung für Ärzte war es, die Vergütungsberechnung der wirtschaftlichen Entwicklung anzupassen. Dem wurde zum einen dadurch Rechnung getragen, daß dem medizinisch-technischen Fortschritt entsprechend die Gebührenpositionen ausgeweitet wurden, zum anderen dadurch, daß Maßstäb für die Bemessung der <span style="text-decoration:underline">einfachen</span> Gebühr der Durchschnittsbetrag aus der gesetzlichen Krankenversicherung ist, wie er zwischen den Krankenkassen und den ärztlichen Standesorganisationen ausgehandelt worden ist. Dabei heißt es von diesem Durchschnittsbetrag in der Normbe-gründung ausdrücklich, durch ihn würden "sowohl leichtere als auch schwierigere Leistungen vergütet". Diese hier offen angesprochene Bezugsgröße macht deutlich, daß der geringste Steigerungssatz der Regelspanne den Ärzten - gegenüber den Privatpatienten für sämtliche Verrichtungen in der Praxis -<span style="text-decoration:underline">mindestens</span> soviel zugesteht, wie sie dies im Rahmen der kassen-ärztlichen Abrechnung erwarten dürfen. Dabei ist noch zu beachten, daß bei Privatpatienten keinerlei Begrenzungen der Forderungshöhe durch die Regelungen der kassenärztlichen</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Abrechnung (§ 368 f der Reichversicherungsordnung) zu erwarten sind. Das angesichts dieser Berechnungsgrundlagen den Ärzten die Möglichkeit eingeräumt werden sollte, bei privater Abrechnung stets das Doppelte (und mehr) des bei Kassenpatienten von den ärztlichen Standesorgänisationen als angemessen akzeptierten Betrags zu liquidieren, läßt sich - auch unter Berücksichtigung eines höheren Verwaltungsaufwands und geringerer Sicherheit der Forderungsdurchsetzung - schwerlich rechtfertigen.</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Schließlich wird das Ergebnis bestätigt durch die Begründungspflicht in § 12 Abs. 3 GOÄ. Der Verordnungsgeber geht davon aus, daß eine besondere Begründung des Inhalts erforderlich, ist, weil der Patient hier mit den Begründungsanforderungen des § 12 Abs. 2 GOÄ keine hinreichende Kontrollmöglichkeit bei Überschreiten des Schwellenwertes eingeräumt erhält, kann er nämlich bei Ausnutzung der Regelspanne anhand des Gebührenverzeichnisses und seiner persönlichen Erfahrung regelmäßig sehr wohl beurteilen, ob die Gebührenbemessung angemessen vorgenommen wurde (insoweit instruktiv die Fallgestaltung, die dem Urteil des Amtsgerichts Braunschweig, a. a. O. zugrundelag), so ist dies bei Überschreiten des Schwellenwertes gerade deshalb nicht möglich, weil das Gebührenverzeichnis zur G0Ä als objektiver Maßstab für die Angemessenheit der ärztlichen Ermessensbetätigung bei der Festsetzung der Gebühr nicht ausreicht. Es müssen deshalb aus der Rechnung die gebührenerhöhenden Umstände zu entnehmen sein, die zu den Leistungsbeschreibungen des Gebührenverzeichnisses hinzutreten. Ob dagegen die Regellei-stung im Einzelfall aus vom Arzt nicht zu vertretenden Umständen besonders zeitaufwendig war oder sich als besonders schwierig darstellte, kann der Patient aus eigener Erfahrung beurteilen, ohne daß dies in der Rechnung noch gesondert begründet werden muß.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. l der Verwaltungsgerichtsordnung, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 der Verwaltungsgerichtsordnung in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozeßordnung.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Die Berufung wird zugelassen, da der Auslegung des § 5 GOÄgrundsätzliche Bedeutung zukommt und obergerichtliche Recht-sprechung hierzu nicht vorliegt.</p>
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315,218 | lg-munster-1989-06-22-5-t-56989 | {
"id": 815,
"name": "Landgericht Münster",
"slug": "lg-munster",
"city": 471,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 5 T 569/89 | 1989-06-22T00:00:00 | 2019-03-13T14:49:36 | 2022-10-18T15:08:49 | Beschluss | ECLI:DE:LGMS:1989:0622.5T569.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers zurückgewiesen.</p>
<p>Wert: 560,00 DM.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">G r ü n d e</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Beschwerdeführer ist seit dem 2.3.1989 Vormund der Betroffenen . Am 24.4.1989 eröffnete er bei der Stadtsparkasse N. für die Betroffene ein Konto mit Sperrvermerk. Er hat die Sparkasse, ein bei der Sparkasse C. bestehendes Konto einzuziehen und dabei ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß das Geld auf ein ebenfalls mit einem Sperrvermerk versehenes Konto gelangen werde. Die Sparkasse C. verweigerte die Umbuchung unter Hinweis darauf, daß keine vormundschaftsgerichtliche Freigabe vorliege. Daraufhin beantragte der Beschwerdeführer beim Amtsgericht Münster am 5.6.1989 die Ausstellung einer Negativbescheinigung des Inhalts, daß für den Einzug des Kontos bei der Sparkasse C. keine vormundschaftsgerichtliche Freigabe erforderlich sei. Durch die angefochtene Verfügung lehnte das Amtsgericht die Ausstellunq einer solchen Negativbescheinigung ab mit der Beqründung, ein Geldinstitut könne eine vormundschaftsgerichtliche Freigabe verlangen. Dagegen wendet sich der Beteiligte mit seiner Beschwerde vom 9.6.1989 mit der Begründung, die beabsichtigte Umbuchung stelle keine Verfügung im Sinne des § 1812 BGB dar. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerde Bezug genommen. </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist gem. §§ 19, 20 FGG zulässig, sie hat jedoch keinen Erfolg. </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Dem Beschwerdeführer ist zwar darin beizupflichten, das § 1812 BGB zum Schutze des Mündelvermögens dienen soll und daß hier ein gesetzlicher Schutz des Mündelvermögens nicht erforderlich wäre, weil das Geld von einem Sperrkonto auf ein anderes Sperrkonto umgebucht werden soll, an Sicherheit also nichts verloren ginge; doch stellt das beabsichtigte Rechtsgeschäft – Einziehung des Kontos bei der Sparkasse C.- gleichwohl eine Verfügung im Sinne des Gesetzes dar, weil dadurch die Forderung des Mündels abgeändert wird, in dem an die Stelle des bisherigen Schuldners ein neuer Schuldner tritt . Nach Auffassunq der Kammer besteht im vorliegenden Fall kein Anlaß den Begriff Verfügung" in § 1812 BGB abweichend und einschränkend vom grundsätzlichen Begriff des Verfügungsgeschäftes auszulegen, da eine vormundschaftsgerichtliche Freigabe ohne weiteres zu erlangen ist und nicht mehr Aufwand erfordern würde, als eine vom Beschwerdeführer verlangte Negativbescheinigung. </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde war daher, wie geschehen, zurückzuweisen. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 131 KostO .</p>
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315,219 | lg-bochum-1989-06-21-10-s-6189 | {
"id": 803,
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"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 10 S 61/89 | 1989-06-21T00:00:00 | 2019-03-13T14:49:38 | 2022-10-18T15:08:49 | Urteil | ECLI:DE:LGBO:1989:0621.10S61.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Witten vom 13:03.1989 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:</p>
<p></p>
<p>Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 1.205,24 DM nebst 8 % Zinsen seit dem 26.10.1988 zu zahlen.</p>
<p></p>
<p>Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Entscheidungsgründe</u>:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist teilweise begründet.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat Ansprüche gegen die Beklagten aufgrund des Unfalls vom 14.09.1988 gem. §§ 7 Abs. 1 StVG, 3 Nr. 1 PflVG nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Nach dem schlüssigen Vortrag der Klägerin, dem die Beklagten insoweit nicht entgegengetreten sind, haben die Beklagten der Klägerin sämtlichen Schaden aus dem Unfall vom 14.09.1988 zu ersetzen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Hierzu gehören die Reparaturkosten in Höhe von insgesamt 2.381,16 DM. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des amtgerichtlichen Urteils verwiesen. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Dabei geht auch die Kammer im Anschluss an die Entscheidung des BGH vom 26.05.1970 (Versicherungsrecht 1970, S. 832 ff.) davon aus, dass der Geschädigte grundsätzlich eine "besonders vorteilhafte Herstellungsweise" zugunsten des Schädigers nutzen muss.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Andererseits ist in der Rechtsprechung seit langem anerkannt, dass Vorteile aus überpflichtgemäßen Anstrengungen des Geschädigten den Schädiger nicht entlasten.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Dementsprechend ist für die Beantwortung der Frage, ob der selbst reparierende Geschädigte Ersatz des ihm entstandenen Schadens auf der Basis einer Berechnung der üblicherweise anfallenden Kosten bei Vornahme einer (Fremd-) Reparatur in einer Reparaturwerkstätte verlangen kann, folgende Abgrenzung vorzunehmen:</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Betreibt der Geschädigte eine Werkstatt gerade für die Reparatur eigener Kraftfahrzeuge, unternimmt er keine außergewöhnlichen, überpflichtgemäßen Anstrengungen, wenn er sein unfallgeschädigtes Fahrzeug repariert.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Ist die Werkstatt aber vorrangig zur gewerbsmäßigen Reparatur fremder Fahrzeuge eingerichtet, so ist zunächst davon auszugehen, dass die Reparatur eines eigenen Fahrzeuges den Werkstattbetrieb beeinträchtigt, so dass insoweit tatsächlich von überpflichtgemäßen Anstrengungen des Geschädigten auszugehen ist, die die Abrechnung auf der Basis der üblicherweise anfallenden Reparaturkosten nicht hindern.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Unter diesen Umständen ist es Sache des Schädigers, vorzutragen und zu beweisen, dass der Geschädigte "infolge einer besonderen Beschäftigungslage in der fraglichen Zeit nicht in der Lage gewesen wäre, die Instandsetzungskapazität seines Betriebs anderweit und bestimmungsgemäß gewinnbringend einzusetzen" (vgl. BGH, Versicherungsrecht 1970, 832, 834).</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Insoweit sind die Beklagten jedenfalls beweisfällig geblieben.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Auch die veranschlagte Wertminderung in Höhe von 700,-- DM haben die Beklagten der Klägerin gern. §§ 7 Abs.. 1 StVG, 3 Nr. 1 PflVG zu ersetzen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Dabei geht die Kammer wie das Amtsgericht von den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen S aus, der dargelegt hat, warum gerade dieses Fahrzeug eine Wertminderung auch bei Aufnahme nur leichterer Unfallschäden erfährt. Die Ausführungen des Sachverständigen stehen dabei im Einklang mit der gerichtsbekannten Erfahrung, dass die Offenbarung eines Unfallschadens auch bei völlig beseitigten Schäden eine Herabsetzung des Kaufpreises zur Folge hat.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Dabei ist auch nicht entscheidend darauf abzustellen, ob die Klägerin den aufgenommenen Unfallschaden bei einem Verkauf des Fahrzeugs von sich aus zu offenbaren verpflichtet ist oder nicht. Jedenfalls auf Nachfragen wäre die Klägerin gehalten, den potentiellen Käufer auf den aufgenommenen Unfallschaden hinzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Auch die Kostenpauschale haben die Beklagten in Höhe von 30,-- DM zu zahlen. Die Kammer sieht - ebenso wie das Amtsgericht - keinen Anlass, von der üblichen Pauschale abzuweichen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Soweit die Klägerin die Begleichung von Leihwagenkosten in Höhe von 1.700,84 DM begehrt, steht ihr insoweit allerdings ein Anspruch nur in Höhe von 324,-- DM wegen des erlittenen Nutzungsausfalls für 4 Tage zu.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Allerdings hat grundsätzlich der Schädiger dem Geschädigten auch die Kosten für die Inanspruchnahme eines Mietfahrzeuges, abzüglich eines bestimmten Betrages für ersparte Aufwendungen, zu ersetzen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Voraussetzung ist aber, dass Mietwagenkosten tatsächlich anfallen bzw. angefallen sind.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Hiervon kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden, da die Klägerin sich darauf beschränkt hat, einen ihr gehörenden Mietwagen in Anspruch zu nehmen. Da die Klägerin deshalb keine Mietwagenkosten an einen Dritten zu leisten hat, kann sie auch nicht Ersatz von Mietwagenkosten von den Beklagten verlangen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Allerdings kann die Klägerin von den Beklagten insoweit Nutzungsausfall in Höhe von 4 x 81,-- DM = 324,-- DM verlangen. Dem steht nicht entgegen, dass der Nutzungsausfall nicht ausdrücklich geltend gemacht worden ist. Da die Klägerin für die 4 Tage, während derer sie das geschädigte Fahrzeug nicht nutzen konnte, den Ersatz von Mietwagenkosten - unberechtigterweise - geltend machte, ist hinreichend deutlich ersichtlich, dass die Klägerin für die entgangene Nutzung ihres Fahrzeugs Ersatz von den Beklagten verlangt.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Dabei kann die Klägerin den Nutzungsausfall auch abstrakt berechnen.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die teilweise gewerbliche Nutzung des Fahrzeugs steht dem nicht entgegen, da die Klägerin - mag sie dieses Fahrzeug auch als Vorführwagen teilweise genutzt haben -den PKW nicht unmittelbar gewinnbringend eingesetzt hat (vgl. hierzu BGH, NJW 1985, S. 2471 m.w.N.).</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten war nach allem gegenüber dem amtgerichtlichen Urteil um die Position Mietwagenkosten - abzüglich Nutzungsausfall -, also (1700,84 DM - 324,00 DM = ) 1.376,84 DM, zu kürzen auf (2.582,08 DM - 1.376,84 DM = ) 1.205,24 DM.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Weitere Ansprüche stehen der Klägerin nicht zu.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Insbesondere kann sie nicht - hilfsweise - einen Minderwert von weiteren 200,00 DM geltend machen. Da der Sachverständige die Ansetzung eines Minderwertes von 900,00 DM nur als "vertretbar", selbst aber einen Minderwert in Höhe von 700,00 DM als gerechtfertigt bezeichnet hat, kann auch die Kammer von einem 700,00 DM übersteigenden Minderwert nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgehen.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.</p>
|
315,220 | olgk-1989-06-21-2-u-21788 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
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"state": 12,
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"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 2 U 217/88 | 1989-06-21T00:00:00 | 2019-03-13T14:49:39 | 2022-10-18T15:08:50 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1989:0621.2U217.88.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung der Beklagten gegen das Zwischenurteil des Landgerichts Bonn vom 11.11.1988 (18 0 118/88) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.</p>
<p>Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.</p>
<p>Den Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 5.500,00 DM , die auch durch Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse erbracht werden kann abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.</p>
<p>Der Wert der Urteilsbeschwer wird auf 189.905,76 DM festgesetzt.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Tatbestand</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit 122 Mitgliedern, zu denen auch die Beklagten zählen. Die Klägerin ist zu 60 % Miteigentümerin des Seniorenwohnheims Parkresidenz C, und der Miteigentumsanteil ist verbunden mit dem Sondereigentum an 120 Wohnungen in diesem Seniorenwohnheim. Den genannten Anteil erwarb die Klägerin von der "Grundstücksgesellschaft C", einer BGB-Gesellschaft, deren Gesellschafter die Beklagten sind.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer war nach § 6 Nr. 1 a des Gesellschaftsvertrages der Klägerin zunächst der Beklagte zu 1).</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Parteien streiten darum, ob in der Folgezeit Herr H wirksam zum Geschäftsführer der Klägerin bestellt worden ist und als Geschäftsführer der Klägerin Prozeßvollmacht der Gesellschafter hat und seinerseits wirksam Prozeßvollmacht an den die Klägerin vertretenden Rechtsanwalt erteilen konnte.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">In der Sache streiten die Parteien darum, ob durch eine nachträgliche Änderung der Nutzung des Objektes im Bereich des bei der "Grundstücksgesellschaft C GBR" verbliebenen Miteigentumsanteils die Geschäftsgrundlage für die in einer Anlage 4 zur Teilungserklärung vom 30.11.1983 enthaltene Kostenverteilung entfallen ist und ob die Beklagten wegen dieser Nutzungsänderung verpflichtet sind, von den auf die Gemeinschaftsanlagen entfallenden Baukosten nunmehr einen höheren Anteil zu übernehmen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat durch das angefochtene Zwischenurteil zunächst nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">In § 6 des Gesellschaftsvertrages ist zu Geschäfts‑führung und Vertretung weiter geregelt: "§ 6 Ziff.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">3. Die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis ist unabhängig von der Stellung der Geschäftsführer als Mitgesellschafter der Gesellschaft. Diese Befugnis bleibt auch dann aufrechterhalten, wenn sie an der Gesellschaft nicht oder nicht mehr beteiligt sind.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">4.Die Geschäftsführungsbefugnis erstreckt sich auf alle Handlungen, die das Investitionsvorhaben der Gesellschaft und der gewöhnliche Geschäftsbetrieb mit sich bringen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">6. Die Geschäftsführer sind von der Beschränkung des § 181 BGB befreit.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">7. Die Geschäftsführer bedürfen für die nachstehenden Geschäfte der Zustimmung des Treuhänders (§ 7:</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">a) Abschluß von Verträgen, die in dem Investitionsplan gemäß Anlage 1 nicht enthalten oder nach den Bestimmungen dieses Gesellschaftsvertrages nicht vorgesehen sind.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">b) Rechtsgeschäfte die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft hinausgehen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">9. Die Geschäftsführer haben gegenüber jedem der Gesellschaft beitretenden Gesellschafter Anspruch auf Erteilung einer notariell beglaubigten Vollmacht zur Vertretung des Gesellschafters in allen Angelegenheiten der Gesellschaft. Jeder der Gesellschaft beitretende Gesellschafter ist verpflichtet, den Geschäftsführern diese Vollmacht unverzüglich, spätestens innerhalb von 14 Tagen nach Annahme der Beitrittserklärung, zu erteilen."</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Der in § 7 des Vertrages vorgesehene Treuhänder, die V mbH beendete gemäß § 5 Satz 1 des Treuhandvertrages ihre Tätigkeit am 31.12.1985.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Zur Gesellschafterversammlung ist in § 10 des Gesellschaftsvertrages geregelt: "1. Gesellschafterversammlungen werden von den Geschäftsführern einberufen, wenn ein wichtiger Grund hierzu besteht oder wenn es von den Treuhänder oder Gesellschaftern verlangt wird, die zusammen mindestens 25 % des Gesellschaftskapitals auf sich vereinigen. Die Einberufung hat schriftlich mit einer Frist von 2 Wochen unter Angaben von Tagungsort, Tagungszeit und Tagungsordnung zu erfolgen,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">2. Die Ladungen gelten als ordnungsgemäß bewirkt, wenn sie schriftlich an die letzte dem Gesellschafter der Gesellschaft mitgeteilte Adresse erfolgen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">3. Die Gesellschafterversammlung wird durch den Treuhänder und bei dessen Verhinderung durch die Geschäftsführer der Gesellschaft geleitet.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">4. Eine ordnungsgemäß einberufene Gesellschafterversammlung ist beschlußfähig, wenn mindestens die Hälfte des Gesellschaftskapitals vertreten ist".</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">In § 11 ist zu Stimmrecht und Gesellschafterbeschlüssen geregelt: "1. Abgestimmt wird nach der Höhe der Kapitalanteile... 3. Für jede Beschlußfassung ist eine Mehrheit von 2/3 der in der Gesellschafterversammlung vertretenen Stimmen erforderlich..."</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">In der Gesellschafterversammlung der Klägerin vom 22.11.1986 traten die bisherigen Geschäftsführer der Klägerin, der Beklagte zu 1) und die F GmbH, nach Feststellung der Beschlußfähigkeit der Gesellschafterversammlung zurück. Zuvor wurde eine Präsenz von 80,1 % der Kapitalanteile festgestellt, wovon 65,88233 % durch Dritte nicht durch den Treuhänder - aufgrund erteilter Vollmachten vertreten waren. Sodann wurde Herr H kommissarisch zum Geschäftsführer bestellt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Beschlußprotokoll Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">In einer weiteren Gesellschafterversammlung vom 14.03.1987 wurde Herr T, ein früherer Direktor der Stadtsparkasse C, zum neuen Geschäftsführer der Klägerin gewählt. Gleichzeitig wurde ein im Gesellschaftsvertrag noch nicht vorgesehener Beirat zur Beratung und Unterstützung der Geschäftsleitung kommissarisch eingesetzt. Faktisch war ein solcher Beirat ungeachtet der fehlenden Regelung im Gesellschaftsvertrag schon vorher tätig geworden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll der Gesellschafterversammlung Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Der Geschäftsführer T verstarb am 25.04.1987.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 18. Mai 1987 lud der Beirat bestehend aus den Gesellschaftern F2, H und K die Gesellschafter zu einer Gesellschafterversammlung für Samstag, den 13.06.1987 ein. Im Einladungsschreiben ist ausdrücklich ausgeführt, daß wegen des Todes von Herrn T ein neuer Geschäftsführer gewählt werden muß, und die Neuwahl des Geschäftsführers ist unter Ziff. 3 als Tagesordnungspunkt aufgeführt.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Nach dem Protokoll über die Gesellschafterversammlung vom 13.06.1987 waren in dieser Versammlung Anteile in Höhe von insgesamt 72,841880 % vertreten, davon 3,942730 % persönlich und 68,899150 % durch bevollmächtigte Vertreter.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Auf die dazu im einzelnen vorgelegten Vollmachtsurkunden wird Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">In der Versammlung wurde Herr H zum neuen Geschäftsführer gewählt. In Ziff. 4 des Protokolls heißt es dazu "In offener Abstimmung stimmte Herr U namens des von ihm vertretenen Gesellschafter N mit 0,99606 % gegen diesen Vorschlag, Herr H enthielt sich seiner eigenen Stimme; alle übrigen Erschienenen stimmten für Herrn H als neuen Geschäftsführer."</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, Herr H sei ordnungsgemäß zum Geschäftsführer gewählt worden und damit auch befugt, die Gesellschaft in diesem Rechtsstreit zu vertreten und Prozeßvollmacht zu erteilen.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 187.360,71 DM nebst 9 % Zinsen seit dem 01.03.1988 sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 2.545,05 DM nebst 9 % Zinsen seit dem 22.04.1988 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten haben beantragt,die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Da Herr H nicht wirksam zum Geschäftsführer bestellt worden sei, habe er den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin keine Prozeßvollmacht erteilen können. Die Wahl sei schon wegen eines Einberufungsmangels nichtig, weil der Beirat für die Einberufung der Gesellschafterversammlung nicht zuständig gewesen sei. Die Neuwahl des Geschäftsführers habe nur einstimmig erfolgen können. Die Herrn H erteilten Vollmachten seien teilweise unwirksam, ferner habe er mit den ihm erteilen Vollmachten anderer Gesellschafter nicht sich selbst zum Geschäftsführer wählen können.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die Geschäftsführungsbefugnis decke im übrigen nicht die Führung des Rechtsstreits, da es sich nicht um ein gewöhnliches Geschäft handele. Da der für die Zustimmung zur Prozeßführung zuständige Treuhänder nicht mehr vorhanden sei, könne die Zustimmung nur durch alle Gesellschafter vor Klageerhebung erteilt werden, eine nachträgliche Genehmigung sei nicht möglich.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Durch das angefochtene Zwischenurteil hat das Landgericht entschieden, daß die Klage zulässig ist. Wegen aller Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidung des Landgerichts Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten, die zunächst rügen, daß nicht alle Gesellschafter die heute noch Mitglied der Gesellschaft seien, im landgerichtlichen Rubrum benannt seien.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Sie wiederholen und vertiefen ihr Vorbringen zur Unzulässigkeit der Klage. Insbesondere sei der Beirat, da er nur auf schuldrechtlicher Grundlage bestellt worden sei, kein Gesellschaftsorgan gewesen, das die Gesellschafterversammlung vom 13.06.1987 habe einberufen dürfen. Selbst wenn der Beirat an die Stelle des Treuhänders getreten wäre, habe er lediglich die Einberufung der Gesellschafterversammlung verlangen können, nicht aber diese selber einberufen dürfen. Die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung vom 13.06.1987 seien daher nichtig.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Im Schreiben vom 18.05.1987 könne auch nicht die Einberufung durch eine qualifizierte Gesellschafterminderheit gesehen werden. Nicht diese, sondern der "Beirat" habe eingeladen. Zwar sei nach dem Tod des Geschäftsführers T das zur Einberufung der Gesellschafterversammlung allein zuständige Organ weggefallen, insoweit habe aber zur wirksamen Einberufung ein Notgeschäftsführer entsprechend §§ 29 BGB und 85 Abs. 1 Aktiengesetz bestellt werden müssen.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, daßder Einberufungsmangel keinen Einfluß auf die Wahl des Geschäftsführers gehabt habe, denn insoweit genüge die Möglichkeit einer Kausalität.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Auch die Beschlußfassung selbst am 13.06.1987 sei mangelhaft mit der Folge der Nichtigkeit der Wahl Herrn Hs gewesen. Der Minderheitenschutz habe für die Neuwahl Einstimmigkeit erfordert.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Abgesehen davon habe Herr H die ihm erteilten Stimmrechtsvollmachten entsprechend § 181 BGB nicht dazu benutzen dürfen, für seine eigene Wahl zu stimmen. Dieses Verbot habe auch nicht durch eine Unterbevollmächtigung umgangen werden dürfen.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Ferner seien nicht alle Stimmrechtsvollmachten wirksam für die Versammlung vom 13.06.1987 erteilt worden. Wegen aller Einzelheiten des Vorbringens dazu wird auf die Berufungsbegründung Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Schließlich sei die Prozeßführung durch die Bevollmächtigung als Geschäftsführer jedenfalls deshalb nicht gedeckt, weil es sich hier um Verpflichtungen bzw. Berechtigungen handele, die die Kläger nicht insgesamt träfen, sondern immer nur den einzelnen zum Bruchteil seiner Quote. Die Geltendmachung solcher Ansprüche falle nicht unter die aus dem Gesellschaftsvertrag hergeleitete Vollmacht.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Wegen aller weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den gesamten vorgetragenen Akteninhalt ergänzend Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Entscheidungsgründe</span></p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung ist in der Sache unbegründet. Das Landgericht hat die Klage mit Recht als zulässig angesehen.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Da die BGB-Gesellschaft als solche nicht parteifähig ist, sind Partei sämtliche Mitglieder der Gesellschaft. Die Beklagten haben nicht bestritten, daß zur Zeit der Rechtshängigkeit die aufgeführten Gesellschafter mit dem damaligen Gesellschafterbestand identisch waren. Der Vortrag, der heutige Gesellschafterbestand sei mit dem Klagerubrum nicht mehr identisch, ist unerheblich, denn später ausscheidende Gesellschafter bleiben gemäß § 265 Abs. 2 ZPO Partei (vgl. BGH WPM 1963, 729).</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Als Geschäftsführer ist Herr H gemäß dem Gesellschaftsvertrag bevollmächtigt, für die Gesellschafter den Rechtsstreit zu führen und somit auch in der Lage, dem die Gesellschafter vertretenden Anwalt wirksam Prozeßvollmacht zu erteilen.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Die Gesellschafterversammlung vom 13.06.1987 ist wirksam einberufen worden. Nach § 10 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages gilt die Ladung als ordnungsgemäß erfolgt, wenn sie schriftlich an die letzte der Gesellschaft mitgeteilte Adresse erfolgt. Es genügt daher die Postabsendung an alle Personen, die zum Zeitpunkt der Einladung Gesellschafter sind. Die Beklagten, die dafür die Darlegungslast tragen (BGH NJW 1987, 1262), haben nicht konkret vorgetragen, welche Gesellschafter in diesem Sinne nicht ordnungsgemäß zur Gesellschafterversammlung vom 13.06.1987 eingeladen worden sind.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Das Einladungsschreiben enthielt auch den Tagesordnungspunkt "Neuwahl des Geschäftsführers"; im Vorspann der Tagesordnung ist außerdem erläutert worden, daß die kurzfristige Einberufung der Gesellschafterversammlung erforderlich sei, um wegen des Todes des bisherigen Geschäftsführers kurzfristig einen neuen Geschäftsführer zu wählen. Es ist unzweifelhaft, daß der Tod des bisherigen Geschäftsführers ein wichtiger Grund für die Einberufung einer Gesellschafterversammlung im Sinne des § 10 des Gesellschaftsvertrages ist.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Ein Einberufungsmangel liegt auch nicht darin, daßder "Beirat" die Einladung ausgesprochen hat. Nach10 des Gesellschaftsvertrages ist eine Einberufung der Gesellschafterversammlungen durch den Ge‑schäftsführer vorgesehen. Eine Regelung für den Fall, daß der Geschäftsführer durch Tod wegfällt, enthält der Gesellschaftervertrag nicht. Der nach § 7 des Gesellschaftsvertrages vorgesehene Treuhänder war nach dem 31.12.1985 weggefallen.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Bei dieser Sachlage war der in der Gesellschafterversammlung vom 14.03.1987 eingerichtete Beirat zur Einberufung der Gesellschafterversammlung befugt. Zwar ist der Beirat in der Gesellschafterversammlung vom 14.03.1987 noch nicht im Gesellschaftsvertrag als Organ verankert worden, er ist aber wirksam schuldrechtlich zur Unterstützung der Geschäftsführung eingesetzt worden. Da nach dem Tode des Geschäftsführers T die Geschäftsführungsbefugnis gemäß § 709 BGB wieder den Gesellschaftern gemeinschaftlich zustand, konnte auch der schuldrechtlich einberufene Beirat die Geschäftsführungsfunktion der Einberufung einer Gesellschafterversammlung wahrnehmen.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Jedenfalls ergibt die Auslegung des Gesellschaftsvertrages, daß bei Fortfall des zur Einberufung zuständigen Geschäftsführers das Einberufungsquorum von 25 % des Gesellschaftskapitals die Einberufung selbst vornehmen kann. Hinter den Einberufenden stand jedenfalls dieser Anteil des Gesellschaftskapitals. Nur so ist eine Funktionsfähigkeit der Gesellschaft für den unvorhergesehenen Fall des Wegfalls des Geschäftsführers sicherzustellen. Solange die Möglichkeit besteht, über Beirat oder Einberufungsquorum eine Gesellschafterversammlung einzuberufen und sodann die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft durch entsprechende Beschlüsse wiederherzustellen, besteht kein Bedarf einer entsprechenden Anwendung der §§ 29 BGB, 85 Abs. 1 Aktiengesetz, denn die Gesellschaft ist nicht funktionsunfähig im Sinne der in diesen Vorschriften geregelten Fälle. Eine entsprechende Anwendung dieser Vorschriften auf die BGB-Gesellschaft, für die § 709 BGB gilt, wird auch allgemein abgelehnt (MK-Reuter, 2. Aufl., § 29 BGB, Rn. 3; Palandt/Heinrichs, 48. Aufl., § 29 Anm. 1).</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Der Geschäftsführer H ist in der Versammlung vom 13.06.1987 wirksam zum Geschäftsführer gewählt worden. Die Gesellschafterversammlung war gemäß § 10 Ziff. 4 des Gesellschaftsvertrages beschlußfähig, da mehr als die Hälfte des Gesellschaftskapitals vertreten war. Nach § 11 Nr. 4 des Gesellschaftsvertrages genügt für "jede Beschlußfassung" eine Mehrheit von 2/3 der in der Gesellschafterversammlung vertretenen Stimmen. Dieses Erfordernis ist ebenfalls erfüllt. Aus dem Gesellschaftsvertrag läßt sich nichts dafür herleiten, daß eine Neubestellung des Geschäftsführers nur einstimmig solle erfolgen können. Schon bei der Bestellung des verstorbenen Geschäftfsführers T sind die Gesellschafter nicht davon ausgegangen, daß der Vertrag so verstanden werden könnte. Im übrigen verstieße eine solche Auslegung des Vertrages gegen die berechtigten Interessen der Anlagegesellschafter an der Funktionsfähigkeit der Gesellschaft (vgl. auch BGH NJW 1988 669 zum Einstimmigkeitserfordernis bei der Abberufung eines Treuhänders). Mit der Neuwahl eines Geschäftsführers werden nicht die Gesellschaftsgrundlagen geändert (vgl. BGH NJW 1985, 2830), sondern es geht um die Herbeiführung der praktischen Handlungsfähigkeit.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Es bestehen keine Bedenken dagegen, daß die Gesellschafter an einzelne Mitgesellschafter Stimmrechtsvollmachten erteilten.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Diese Stimmrechtsvollmachten bezogen sich, was die aus 1986 stammenden Vollmachten angeht, auch auf die Versammlung vom 13.06.1987. Gegen eine Beschränkung dieser Vollmachten auf die Versammlung vom 22.11.1986 spricht schon, daß dieses Datum in der Vollmacht nicht erwähnt ist und daß sich die Vollmacht auf drei Arten von Versammlungen bezieht sowie daß im letzten Satz in unbestimmter Weise von "einer" Gesellschafterversammlung die Rede ist, was erkennbar nicht als Zahlwort aufzufassen ist.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten haben auch nichts dafür dargetan, daß die vollmachtgebenden Gesellschafter bei der Beschlußfassung der Gesellschaft nicht mehr angehört hätten. Nach § 5 Ziff. 2 des Gesellschaftsvertrages konnte die Gesellschaft erstmals zum 31.12.1994 gekündigt werden, schon aus diesem Grunde hätten die Beklagten darlegen müssen, wieso ausnahmsweise einzelne Gesellschafter doch vorher ausgeschieden sind.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">In der Gesellschafterversammlung vom 13.06.1987 war die erforderliche Mehrheit von 50 % des Gesellschaftskapitals persönlich oder mit wirksamen Vollmachten vertreten. Der Senat nimmt insoweit auf die Begründung des Landgerichts Bezug. Die mit der Berufungsbegründung weiter vorgetragenen Bedenken gegen die Mängel von Einzelvollmachten führen jedenfalls nicht dazu, daß weniger als 50 % des Kapitals in der Gesellschafterversammlung vertreten war. Für K2 liegt eine wirksame 2. Vollmachtsurkunde vor. Die beanstandete Vollmacht C2 war wirksam, da die Benennung von zwei Vertretern nicht unzulässig ist. Die Bedenken gegen die Vollmachten Erb, H2 und Herz sind unbegründet, da der Bevollmächtigte für den Anteilseigner aufgetreten ist, der ihn bevollmächtigt hatte, mag das Protokoll auch insoweit ungenau sein. Unbegründet sind die Bedenken ebenso in den Fällen S (jedenfalls Duldungsvollmacht der verreisten Ehefrau) und O (nur bei Anwesenden gezählt). Ob die anderen Einwände gegen die Wirksamkeit von Vollmachten berechtigt sind, kann dahinstehen, denn die wirksamen und unbeanstandeten Vollmachten ergeben mit den Stimmrechten der Anwesenden 56,94685 %. Soweit Bevollmächtigungen für den gewählten Geschäftsführer H erteilt worden waren, war nach der Vollmachtsurkunde eine Unterbevollmächtigung ausdrücklich zulässig. Aus § 181 BGB ergeben sich keine Bedenken dagegen, daß H mit den Stimmen der Gesellschafter, die ihn bevollmächtigt hatten, selbst oder im Wege der Unterbevollmächtigung für seine Wahl zum Geschäftsführer stimmen konnte. 181 BGB ist auf die Regelung einer internen Gesellschaftsangelegenheit nicht anwendbar (BGH BB 1975, 1452). Das gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, weil bei internen Gesellschaftsangelegenheiten häufig nur die Wahl eines Mitgesellschafters sinnvoll ist und in Frage kommt, so daß die Anwendung des § 181 BGB zu einer Blockierung der internen Willensbildung führen könnte (BGHZ 51, 209, 216 m.w.11.). Bei einer körperschaftlich organisierten Publikumsgesellschaft muß das auch gelten, wenn einem Gesellschafter Stimmrechtsvollmachten übertragen worden sind und dieser mit diesen Vollmachten für seine eigene Wahl stimmt (vgl. auch MK-Ulmer, 2. Aufl., § 709 Rn. 45 ff., 63). Bei weit verstreut wohnenden Gesellschaftern, die im wesentlichen nur als Kapitalgeber an der Gesellschaft interessiert sind, ist eine persönliche Teilnahme an den Gesellschafterversammlungen aus praktischen Gründen häufig ausgeschlossen. Wenn sie Vollmachten erteilt haben und wissen, daß mit dieser erteilten Vollmacht ein Geschäftsführer bestimmt werden soll, so ist in der Bevollmächtigung im übrigen auch eine Befreiung von § 181 BGB zu sehen, weil nach der Sachlage davon auszugehen ist, daß den vollmachtgebenden Gesellschaftern bekannt war, daß eine Kandidatur des Herrn H, der schon früher kommissarischer Geschäftsführer war und auch am 14.03.1987 zum Geschäftsführer kandidiert hatte, in Betracht kam.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">c)</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Die Geschäftsführungsbefugnis erstreckt sich nach § 6 Nr. 4 des Gesellschaftsvertrages "auf alle Handlungen die das Investitionsvorhaben der Gesellschaft und der gewöhnliche Geschäftsbetrieb mit sich bringen". Diese Formulierung spricht schon dafür, auch die Prozeßführung betreffend die Rückforderung von Investitionsanlagen unter die Geschäftsführungsbefugnis zu fassen. Darüber hinaus hatte der erste Geschäftsführer der Gesellschaft nach der Vollmacht für die ursprünglichen Geschäftsführer Ziff. 11 ausdrücklich die Befugnis zur Führung von Rechtsstreitigkeiten im Namen sämtlicher Gesellschafter der Gesellschaft im Zusammenhang mit der Errichtung des Bauvorhabens der Gesellschaft und der späteren Verwaltung und Vermietung. Es bestehen keine Bedenken, diesen Vertretungsumfang auch für den neugewählten Geschäftsführer H anzunehmen. Im übrigen betrifft die Einschränkung der Vertretungsbefugnis das Innenverhältnis, da sich die Außenvertretungsbefugnis aus § 6 Abs.1 des Gesellschaftsvertrages ergibt. Ebenso wie der Widerspruch nach § 711 BGB keine Außenwirkung hat (vgl. Palandt-Thomas, 48. Aufl., § 711, Anm. 1) kann auch die Überschreitung der Vollmacht Dritten gegenüber nur unter Mißbrauchsgesichtspunkten maßgebend sein. Es handelt sich nicht um ein Geschäft, das außerhalb des Gesellschaftszwecks liegt.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">d)</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Einer besonderen Bevollmächtigung bedurfte es auch nicht deshalb, weil nach dem Gesellschaftsvertrag (§ 6 Hr. 5) die Geschäftsführung und Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers derart beschränkt, daß bei Verbindlichkeiten, die im Zusammenhang mit der Durchführung des Bauvorhabens entstehen, anstelle der gesamtschuldnerischen Haftung nur eine Haftung der Gesellschafter nach Beteiligungsquoten zu vereinbaren ist. Bei den hier geltend gemachten Ansprüchen handelt es sich nicht um Verbindlichkeiten, die in Zusammenhang mit der Durchführung des Bauvorhabens entstehen, sondern um Rückforderungen von aus dem Gesellschaftsvermögen erbrachten Leistungen. Der Schutzzweck, der mit § 6 Hr. 5 für den einzelnen Gesellschafter verfolgt wird, trifft hier nicht zu. Die Tatsache allein, daß letztlich die einzelnen Gesellschafter an Gewinn oder Verlust prozentual beteiligt sind, hindert nicht die Geltendmachung für das Gesellschaftsvermögen durch den Geschäftsführer.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Letztlich ist auch davon auszugehen, daß etwaige Mängel der Bevollmächtigung des Geschäftsführer Hs zur Prozeßführung durch konkludente Bestätigung seitens der Gesellschafter inzwischen beseitigt sind (vgl. Münchener Kommentar-Ulmer, 2. Aufl., § 709 BGB Rdnr. 92), Die Wahl des Herrn H ist allen Gesellschaftern mitgeteilt worden und von ihnen - aus welchen Gründen auch immer - wider‑ spruchslos hingenommen worden. Das galt zunächst auch für den Beklagten zu 1), der die Gesellschaft in dem Rechtsstreit 2 0 415/47 LG Bonn, vertreten durch Herrn H verklagt hat. Mit Rücksicht auf die Treupflicht sind die Gesellschafter aber gehalten, sich in angemessener Zeit auf den Mangel zu berufen, wenn sie sich nicht dem Verwirkungseinwand aussetzen wollen (vgl. MK Ulmer a.a.O. Fm 172 m.w.N.).</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">4.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Auf die weitere Frage, ob nicht inzwischen auch eine wirksame Bevollmächtigung gemäß § 11 Nr. 4 des Gesellschaftervertrags erfolgt ist, kommt es nicht an, so daß der Senat nicht genötigt war, den Behauptungen der Klägerin über die inzwischen erfolgte schriftliche Zustimmung zur Prozeßführung, die von den Beklagten bestritten wird, nachzugehen.</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">5.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Streitwert für die Berufungsinstanz: 189.905,76 DM (voller Wert, da bei Unzulässigkeit der Klage die Klage insgsamt abzuweisen wäre (vgl. Zöller/Stephan, 15. Aufl., § 280 Rdnr. 11).</p>
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315,221 | olgham-1989-06-20-20-w-3189 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 20 W 31/89 | 1989-06-20T00:00:00 | 2019-03-13T14:49:40 | 2022-10-18T15:08:48 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1989:0620.20W31.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluß der Zivilkammer IV des Landgerichts Detmold vom 20. April 1989 abgeändert.</p>
<p>Dem Antragsteller wird für den Klageantrag vom 14. März 1989 Prozeßkostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt ... in ... beigeordnet. Raten braucht der Antragsteller nicht zu zahlen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Beschwerde ist in der Sache begründet, weil der Antragsteller prozeßkostenhilfebedürftig ist und die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, §114 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Antragsteller hat bei der Antragsgegnerin eine Familienschutzversicherung geschlossen, die eine dymnamische Hausratsversicherung zum Neuwert nach den VHB 84 mit einer Versicherungssumme von 110.000,- DM enthält. Er macht Ansprüche aus einem Brand am 9.1.1989 in der von ihm gemieteten Wohnung in ... geltend. Der Brand brach in Abwesenheit des Antragstellers und seiner Familie im Schlafzimmer aus und wurde gegen 9.20 Uhr von einem anderen Hausbewohner entdeckt. Er richtete in der Wohnung einen sich unstreitig auf 38.156,- DM belaufenden Schaden an. Nach den Ermittlungen der Polizei brach das Feuer im oberen Bereich der linken Hälfte des Doppelbettes vor oder am Bett aus, entweder auf der dortigen Nachtkonsole oder davor. Die Polizei vermutet Rauchen im Bett als Brandursache; einen Defekt elektrischer Geräte hält sie für ausgeschlossen, weil der Fehlerstromschutzschalter nicht abgeschaltet hatte (Ermittlungsakte 3 Js 77/89 StA Detmold Bl. 7). Der Antragsteller und seine Frau sind starke Raucher; sie rauchen auch im Bett. Die Ehefrau, die in der linken Hälfte des Bettes schläft, gab in dem gegen sie gerichteten Ermittlungsverfahren an, daß sie möglicherweise an diesem Morgen im Bett geraucht habe; sie könne sich aber nicht erinnern. Sie habe immer einen Aschenbecher auf der Nachtkonsole stehen. Es könne vorkommen, daß sie sich eine Zigarette anstecke und sie nicht zu Ende rauche; den Rest drücke sie dann im Aschenbecher aus. An diesem Morgen sei sie gegen 8.00 Uhr aufgestanden; danach hätten sie und ihr Mann das Schlafzimmer nicht mehr betreten, gegen 8.45 Uhr hätten sie das Haus verlassen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Antragsgegnerin hat mit Schreiben vom 9.3.1989 Versicherungsschutz versagt. Sie beruft sich auf Leistungsfreiheit nach §9 Nr. 1 a VHB 84 und §61 VVG. Die Ehefrau des Antragstellers habe den Schaden durch Rauchen im Bett herbeigeführt, wobei es keine Rolle spiele, wie der Brand im einzelnen entstanden sei. Jedenfalls habe sie die Zigarette glimmend weggelegt und unbeobachtet gelassen. Der Antragsteller verweist demgegenüber darauf, daß seine Ehefrau die Glut der von ihr gerauchten Zigaretten regelmäßig im Aschenbecher ausdrücke und daß sie darauf achte, brennende Zigaretten mit dem Filter auf den Rand des Aschenbechers und mit der brennenden Spitze auf den Aschenbecherboden zu legen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat dem Antragsteller Prozeßkostenhilfe verweigert, weil der Brand von der Ehefrau ausgelöst worden sein müsse. Ihr müsse beim Aufstehen oder Bettenmachen die Zigarette oder glühende Asche entfallen sein, so daß ein zunächst unbemerkt gebliebender Schwelbrand entstanden sei. Denkbar sei auch, daß die Zigarette unachtsam auf die Konsolplatte gelegt worden sei und daß die dreijährige Tochter des Antragstellers die Zigarette aus dem Aschenbecher genommen und verloren habe. In jedem Fall habe die Ehefrau Sorgfaltspflichten verletzt.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde hat Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Es dahinstehen, ob dem Kläger, der alleiniger Versicherungsnehmer der Hausratsversicherung ist, überhaupt ein Fehlverhalten seiner Ehefrau zuzurechnen ist. Die Klausel des §9 Nr. 1 a VHB 84 bestimmt allerdings Leistungsfreiheit des Versicherers, wenn eine mit dem Versicherungsnehmer in häuslicher Gemeinschaft lebende volljährige Person den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeiführt. Zu diesen Personen können regelmäßig außer dem Ehegatten oder Lebensgefährten auch erwachsene Kinder und die Eltern des Versicherungsnehmers zählen. Damit weitet die Klausel den Haftungsbereich des Versicherungsnehmers weit über den Kreis der Repräsentanten, der für den gesetzlichen Leistungsausschluß nach §61 VVG in Betracht kommt, aus. Ob diese Ausdehnung mit der Vorschrift des §9 AGB-Gesetz vereinbar ist (verneinend Prölss-Martin, VVG 24. Aufl., §9 VHB Anm. 2 A), hat der Senat noch nicht entschieden, ebensowenig die Frage, ob die mit dem Versicherungsnehmer in häuslicher Gemeinschaft lebende Ehefrau in der Hausratsversicherung generell dessen Repräsentantin ist. Beide Fragen bedürfen auch im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, weil eine grob fahrlässige Herbeiführung des Schadens durch die Ehefrau - Vorsatz ist ihr ohnehin nicht zu unterstellen - nach dem vorgetragenen Sachverhalt nicht feststellbar ist.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Senat geht allerdings mit dem Landgericht davon aus, daß das Rauchen der Ehefrau im Bett den Brand ausgelöst hat. Andere Ursachen kommen nicht ernsthaft in Betracht. Insoweit wird auf die Ausführungen des Landgerichts zustimmend Bezug genommen. Hingegen ist kein grob fahrlässiges Verhalten der Ehefrau beweisbar.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Grob fahrlässig ist ein Verhalten, wenn der Versicherungsnehmer oder sein Repräsentant die im Verkehr erforderliche Sorgfalt gröblich außer Acht läßt und das nicht beachtet, was unter den gegebenen Umständen jedem einleuchten müßte; sein Verhalten muß auch subjektiv unentschuldbar sein.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Nach diesen Kriterien kann nicht schon das Rauchen der Ehefrau im Bett, das die Ursachenkette in Gang setzte, als im konkreten Fall grob fahrlässig angesehen werden. Denn zwar wird es regelmäßig grob fahrlässig zu nennen sein, wenn jemand im Zustand der Übermüdung im Bett raucht, dabei einschläft und so einen Brand auslöst. Die Ehefrau des Antragstellers hingegen rauchte am Morgen kurz vor dem Aufstehen, als sie wach war und die mit dem Rauchen verbundene Gefahr beherrschen konnte.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Da die Einzelheiten der Brandentstehung nicht feststellbar sind, ist davon auszugehen, daß die Ehefrau die möglicherweise nicht ausgerauchte Zigarette in den auf der Konsole neben dem Bett stehenden Aschenbecher getan hat. Daß sie sie etwa bewußt direkt auf die Konsole gelegt hätte, ist nicht beweisbar und liegt auch fern, weil sich im Brandschutt im Bereich der Konsole ein Porzellanaschenbecher fand. Wenn dann durch eine ungeschickte Bewegung beim Aufstehen oder beim Aufschütteln des Bettes oder gar durch Luftzug der hoch glühende - nicht ausreichend ausgedrückte - Zigarettenstummel oder glühende Asche ins Bett gelangte, so kann das auf einer kleinen, auch von sorgfältigen Versicherungsnehmern nicht stets zu vermeidenden Unaufmerksamkeit beruhen, wie sie im täglichen Leben immer wieder vorkommt; eine auffallende Sorglosigkeit liegt darin nicht. Als bloß augenblickliches Versagen sind solche Unaufmerksamkeiten regelmäßig nicht grob fahrlässig. Der Antragsteller hat insoweit unwidersprochen vorgetragen, daß seine Ehefrau ihre Zigarettenreste im Aschenbecher auszudrücken pflege. Wenn sie das aus nicht mehr aufklärbaren Gründen im Einzelfall nicht ausreichend getan hat, so ist der darin liegende Fehler schon objektiv kein grobes Fehlverhalten und jedenfalls subjektiv nicht unentschuldbar.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Erst recht gilt dies, wenn - wie das Landgericht für möglich erachtet - die dreijährige Tochter die Zigarette aus dem Aschenbecher genommen und verloren haben sollte. Daß die Ehefrau die Tochter bei diesem Vorgang beobachtet haben könnte, dafür ist nichts ersichtlich. Bemerkte sie ihn aber nicht, so ist schon zweifelhaft, ob man die unterlassene Beobachtung der Tochter überhaupt als leicht fahrlässig bewerten kann, keinesfalls kann man darin eine auffallende Sorglosigkeit sehen, da ein derartiges Verhalten der Tochter nicht nahelag.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Nach alledem wird die Antragsgegnerin mit dem Einwand der Leistungsfreiheit nach §9 Nr. 1 a VHB 84 oder §61 VVG voraussichtlich nicht durchdringen. Der Versicherungsfall selbst und die Höhe des Schadens ist unstreitig. Die Entschädigung ist fällig. Gemäß §24 Nr. 2 VHB 84 schuldet die Antragsgegnerin auch Zinsen in der beantragten Höhe ab Anzeige des Schadens.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die beabsichtigte Klage hat daher in vollem Umfang Aussicht auf Erfolg.</p>
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315,222 | ag-aachen-1989-06-20-7-c-13989 | {
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"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 7 C 139/89 | 1989-06-20T00:00:00 | 2019-03-13T14:49:42 | 2022-10-18T15:08:48 | Urteil | ECLI:DE:AGAC1:1989:0620.7C139.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p>Der Kläger kann jedoch die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 800,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.</p>
<p></p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Tatbestand</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">In der Nacht vom 29. auf den 30. Oktober 1987 wurde in das Einfamilienhaus des Klägers eingebrochen. Dabei wurde verschiedene hochwertige Gegenstände entwendet. Auf den Schaden leistete die Beklagte im Januar 1988 unter Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers durch den Kläger an diesen eine Abschlagszahlung von 10.000,00 DM. Gemäß Abrechnungsschreiben vom 20.5.1988 zahlte sie dann anschließend noch weitere 45.796,54 DM an den Kläger. Die Parteien streiten darüber, ob der entwendete Persianermantel im Hause des Klägers einen Wiederbeschaffungswert von 11.900,00 DM hatte. 10.000,00 DM hat die Beklagte insoweit an den Kläger gezahlt. Diesen Persianermantel hatte der Kläger im Rahmen eines Räumungsverkaufs für 6.000,00 DM oder 6.500,00 DM 1986 erworben. Mit Schreiben vom 30.11.1987 hatte der Kläger seinerzeit die Schadensunterlagen an die Beklagte übersandt. Mit Schreiben vom 15.12.1987 hatte er die Beklagte erinnert und mit Schreiben vom 5.1.1987 erneut erinnert. Mit Schreiben vom 15.1.1988 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß noch weitere Feststellungen erforderlich seien und daß sie sich an die Staatsanwaltschaft gewandt habe zwecks Akteneinsicht. Mit Schreiben vom 22.1.1988 meldeten sich die zwischenzeitlich vom Kläger beauftragten Prozeßbevollmächtigten und forderten die Beklagte erneut zur Regulierung auf. Vor dem 15.1.1988 war der Beklagten bekannt geworden, dass das ursprüngliche Aktenzeichen der Staatsanwaltschaft "UJs" nunmehr in ein "Js-Aktenzeichen" umgewandelt worden war, so dass für die Beklagte nunmehr erkennbar war, dass gegen einen bestimmten Täter ermittelt wurde. Mit Schreiben vom 3.2.1988 teilte die Beklagte daher den Prozessbevollmächtigten des Klägers mit, dass vor einer endgültigen Regulierung eine Akteneinsicht unumgänglich sei. Hinzu kam, dass der Kläger bei seinen Angaben über eine entwendete Patek Philippe Uhr unrichtige Angaben gemacht hatte. Er hatte seinerzeit erklärt, dass er diese Uhr für 15.000,00 DM in der Schweiz gekauft hatte. Am 18.1.1988 gewann die Beklagte jedoch die Erkenntnis, dass diese Angaben nicht richtig sein konnten, sondern dass diese Uhr bereits 1974 von der Juwelierfirma V& L ausgeliefert worden war.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Daraufhin wurde der Kläger zwecks Aufklärung dieses Sachverhalts von der Kriminalpolizei vorgeladen. Vorherige Termine konnte er nicht wahrnehmen, so dass im Vernehmungstermin vom 26.02.1988 der Kläger klarstellen konnte, dass er die Uhr nicht in der Schweiz gekauft hatte, sondern zu einem Preis von 10.000,00 DM gebraucht erworben hatte. Erst am 3.3.1988 konnte die Beklagte über ihre Anwälte Akteneinsicht nehmen nach ihrem Vortrag.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger behauptet, der Pelzmantel habe einen Wiederbeschaffungswert von 11.900,00 DM. Er ist der Auffassung, dass die Beklagte verpflichtet war, bereits vorher zumindest angemessene Abschlagszahlungen zu leisten.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.900,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1.1.1987 zu zahlen und den Kläger von der gegenüber seinem Prozessbevollmächtigten bestehenden Verpflichtung zur Zahlung von 1.724,25 DM freizustellen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Sie behauptet, der Pelzmantel habe allenfalls einen Wiederbeschaffungswert von 8.000,-- bis 9.000,-- DM nach den Angaben eines von ihr befragten Sachverständigen. Im übrigen ist sie der Auffassung, dass wegen der laufenden Ermittlungen sie sich nicht in Verzug befand und zu weiteren Abschlagszahlungen nicht verpflichtet gewesen sei.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die vorgetragenen Schriftsätze und Unterlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Ermittlungsakten ## Js #####/####STA Aachen lagen dem Gericht nach Schluß der letzten mündlichen Verhandlung vor. Die Parteien haben sich mit der Verwertung dieser Akten ohne Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung einverstanden erklärt.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe</u></b></p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Soweit der Kläger hinsichtlich des entwendeten Persianermantels noch einen Restbetrag von 1.900,00 DM verlangt, ist der Anspruch nicht begründet. Der Kläger hat nicht dargetan, dass der Wiederbeschaffungswert dieses Mantels über 10.000,00 DM liegt. Diesen Betrag hat er bereits erhalten. Zwar hat der Kläger eine Bescheinigung des Geschäfts vorgelegt, in dem er diesen Mantel damals gekauft hat. Danach beträgt der Wiederbeschaffungswert 11.900,00 DM. Es steht aber weiterhin fest aufgrund des eigenen Vortrages des Klägers, dass er diesen Mantel seinerzeit im Rahmen eines Räumungsverkaufs für 6.000,00 DM bzw. 6.500,00 DM gekauft hat. Dies zeigt, dass das Geschäft diesen Mantel weit unter dem angeblichen Wiederbeschaffungswert, nämlich fast 50 % billiger verkauft hat. Da im übrigen der Mantel nicht vorliegt und offensichtlich auch ein Foto nicht vorliegt, kann auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens hier keine weitere Klärung schaffen. Gerade bei derartigen Pelzmänteln kommt es sehr stark auf die individuelle Preisgestaltung des jeweiligen Geschäftes an. Schwankungen im Bereich von 10 bis 20 % je nach dem wann und von wem das Geschäft einen solchen Pelzmantel bezieht, sind daher durchaus möglich. Im Nachhinein läßt sich daher nicht mehr feststellen, ob ein solcher Mantel heute nicht für 10.000,00 DM erworben werden kann in einem regulären Geschäft außerhalb eines Sonderverkaufs. Jedenfalls hat der Kläger nicht dargetan, dass für 10.000,00 DM ein solcher Mantel im Normalfall nicht erworben werden kann. Allein die vorgelegte Bescheinigung reicht insoweit nicht aus. Angesichts der aufgezeigten Umstände reicht nach der Überzeugung des Gerichts die Zahlung von 10.000,00 DM aus, um einen Mantel gleicher Art und Güte heute erwerben zu können.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Soweit der Kläger Freistellung hinsichtlich der Zahlung der von ihm geschuldeten Gebühren seines Prozessbevollmächtigten im Rahmen der vorgerichtlichen Auseinandersetzung verlangt, ist der Anspruch ebenfalls nicht begründet. Die Voraussetzung hierfür wäre, dass sich die Beklagte in Verzug befand, als der Kläger seinen Prozessbevollmächtigten beauftragte. Im Hinblick auf § 11 VVG ist dies jedoch nicht der Fall. Die Beklagte hatte dem Kläger bereits mit Schreiben vom 15.1.1988 mitgeteilt, daß sie nunmehr Akteneinsicht benötige. Zwischenzeitlich hatte sich auch, wie unstreitig ist, das UJs-Aktenzeichen in ein Js-Aktenzeichen umgewandelt, so dass für die Beklagte nunmehr erkennbar war, dass sich ein Verdacht gegen einen konkreten Täter oder Täterkreis richtete. Da es nicht ungewöhnlich ist, dass auch Geschädigte im Rahmen der Sachversicherungen Betrügereien versuchen, war es ein sachgemäßes Anliegen der Beklagten, vorher vor weiteren Regulierungen, 10.000,00 DM waren ja bereits gezahlt, Akteneinsicht zu nehmen. Hinzu kam, wie sich auch kurz danach herausstellte, dass der Kläger unrichtige Angaben hinsichtlich des Schadens gemacht hatte, jedenfalls soweit es um die hochwertige Patek Philippe-Uhr ging. Auch in diesem Zusammenhang gab es Ermittlungen der Kriminalpolizei. Schließlich stellte sich heraus, dass der Kläger den Mantel nicht für 11.900,00 DM, sondern nur für 6.000,00 oder 6.500,00 DM gekauft hatte. Im Hinblick auf all dies aufgetauchten Zweifelsfragen war die Beklagte daher berechtigt, erstmal weitere Zahlungen zurückzuhalten und weiter zu ermitteln, da unter Umständen wegen entsprechenden Obliegenheitsverletzungen des Klägers überhaupt nichts mehr geschuldet war. Jedenfalls aber war sie berechtigt, vorher Akteneinsicht zu nehmen, um die weiteren Umstände zu klären. Da dies den gesamten Anspruch betrag, war sie auch nicht zu weiteren Zahlungen verpflichtet. Nach ihren Angaben hat sie am 3.3.1988 erst Akteneinsicht nehmen können. Ausweislich der Strafakten erscheint dies jedoch noch später gewesen zu sein, da die Beklagte noch am 30.3.1988 um Akteneinsicht gebeten hat, wie sich aus den Strafakten ergibt und wie sie auch selbst vorgetragen hat. Darauf kommt es jedoch nicht entscheidend an. Entscheidend ist, dass jedenfalls zum 3.3.1988 der Schaden des Klägers durch die Beauftragung eines Anwalts bereits eingetreten war, so dass diesen Verzugsschaden die Beklagte nicht verursacht hat. Danach ist sie aber nicht einmal zusätzlich in Verzug gesetzt worden und ein weiterer Schaden des Klägers entstanden. Demgemäß war die Klage insgesamt abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Ziffer 11, 711 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Scheffels</p>
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315,223 | lg-bielefeld-1989-06-16-stvk-h-10989 | {
"id": 802,
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"slug": "lg-bielefeld",
"city": 390,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | StVK H 109/89 | 1989-06-16T00:00:00 | 2019-03-13T14:49:43 | 2022-10-18T15:08:48 | Beschluss | ECLI:DE:LGBI:1989:0616.STVK.H109.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>I. Es ist folgende Strafzeitberechnung vorzunehmen:</p>
<p>1. Auf die Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten aus dem Urteil des Landgerichts Bochum vom 17.11.1986 sind folgende Haftzeiten anzurechnen:</p>
<p>a)         die Zeit der Untersuchungshaft vom 29.4.1986 TB bis zum 16.11.1986 TE;</p>
<p>b)         die Zeit ab Rechtskraft des o. g. Urteils (17.11.1986) bis zur Aufnahme des Verurteilten im Maßregelvollzug (2.12.1986).</p>
<p>- 2 -</p>
<p>2. Nicht anzurechnen sind:</p>
<p>a)         die Zeiten der "Beurlaubung" des Verurteilten zu Zeugenterminen am 25. und 26.3.1987, am 06. und 7.4.1987 sowie am 27. und 28.4.1987;</p>
<p>b)         die Zeit zwischen Erlaß und Eintritt der Rechtskraft (30.9.1988) des Beschlusses des Landgerichts Paderborn vom 3.8.1988.</p>
<p>II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens (Beschluß des Oberlandesgerichts Hamm vom 8.5.1989) hat der Verurteilte zu tragen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Gründe</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht Paderborn hat in seinem vom Oberlandesgericht Hamm wegen örtlicher Unzuständigkeit aufgehobenen Beschluß vom 20.2.1989 ausgeführt:</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">"Durch das im Tenor unter Ziffer 1. näher bezeichnete Urteil wurde der Betroffene wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringen Mengen und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten sowie gem. § 64 StGB zur Unterbringung in einer Entziehungsanstalt verurteilt. Nach den Urteilsfeststellungen hatte er einen Hang zu Heroin und anderen Betäubungsmitteln. Dieses Urteil des LG Bochum ist seit dem 17. November 1986 rechtskräftig.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Festnahme des Betroffenen erfolgte am 29.04.1986. Er befand sich sodann ununterbrochen bis zur Rechtskraft des Urteils (17.11.1986) in Untersuchungshaft. Die Aufnahme in den Maßregelvollzug im WZFP Lippstadt-Eickelborn erfolgte am 02.12.1986. Mit Beschluß der Strafvollstreckungskammer des LG Paderborn vom 03. August 1988, auf den zur Vermeidung von</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Wiederholungen Bezug genommen wird, wurde schließlich gem. § 67 d Abs. 5 Satz 1 StGB angeordnet, daß.die Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht weiter zu vollziehen sei, weil sich der Betroffene aus Gründen, die in seiner Persönlichkeit liegen, als therapieresistent erwiesen hatte. Die sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluß hat das OLG Hamm am 30. September 1988 als unbegründet verworfen. Ebenso hat es die später erhobenen Gegenvorstellungen zurückgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">In der Zwischenzeit hat der Betroffene Verfassungsbeschwerde eingelegt, mit der er rügt, die Regelung des § 67 Abs. 4 Satz 2 StGB, wonach die Zeit der Unterbringung entsprechend § 67 d Abs. 5 StGB nicht auf die Strafe angerechnet wird, sei verfassungswidrig.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Den gleichen Einwand macht der Betroffene auch in dem hier gegenständlichen Verfahren der Strafzeitberechnung geltend, denn nach einer Strafzeitberechnung der Vollstreckungsbehörde hätte der Verurteilte die Haftstrafe am 08.09.1992 verbüßt. Er macht nun geltend</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">-die bereits im Maßregelvollzug verbrachte Zeit sei von der Strafvollstreckungskammer im Rahmen ihrer gerichtlichen Entscheidung gem. § 458 StPO auf die zu verbüßende Strafe anzurechnen;</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">-weiter seien die 16 Tage auf die noch zu verbüßende Strafe anzurechnen, die der Verurteilte zwischen der Rechtskraft des Urteils und der überstellung in das WZFP in einer Haftanstalt verbracht habe;</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">-weiter sei er 3 x für jeweils 2 Tage zur Wahrnehmung von Zeugenterminen aus dem Maßregelvollzug beurlaubt worden und habe sich in dieser Zeit in Justizvollzugsanstalten befunden.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Darüberhinaus beantragt die Staatsanwaltschaft Bochum am03.02.1989, auch die Zeit zwischen Erlaß des Beschlusses<sub>.</sub>dieser Kammer vom 03. August 1988 und dem Eintritt dessen</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Rechtskraft (30. September 1988) auf die insgesamt zu verbüßende Strafe anzurechnen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Diesen Anträgen konnte nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang entsprochen werden.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Gegen die Verfassungsmäßigkeit der Nichtanrechnung der bisherigen Dauer des Maßregelvollzuges auf die zu vollstreckende Strafe hat die Kammer keine Bedenken. Diese Folge ist ihr bei Erlaß des Beschlusses vom 03. August 1988 durchaus bewußt gewesen und diese grundsätzliche Entscheidung des Gesetzgebers wird von der Kammer auch geteilt. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung ergeben sich aus hiesiger Sicht deshalb nicht, weil das Urteil des LG Bocnum ausVücklich eine Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten ausspricht und <span style="text-decoration:underline">daneben</span> als <span style="text-decoration:underline">zusätzliche</span> Folge seiner Tat als Maßregel der Sicherung und Besserung die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet hat. Die Kammer vermag nun kein Verfassungsverbot zu erkennen, wonach solche zusätzlichen Maßnahmen qua Grundgesetz auf die in erster Linie erkannte Strafe anzurechnen wären. Daß das in der Praxis regelmäßig so geschieht, beruht allein auf dem Willen des einfachen Gesetz‑</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">gebers, der diese Anrechnung in § 67 Abs. 4 StGB so angeordnet hat. Aus dieser Regelung jedoch einen derartigen Verfassungsgrundsatz herzuleiten, wonach dann letztendlich sämtliche Therapiezeiten in Krankenhäusern, Entzugsanstalten und sonstigen Einrichtungen auf eine Strafe anzurechnen wären, vermag die Kammer nicht zu erkennen, so daß der Gesetzgeber nach hiesiger Auffassung durchaus berechtigt war, die Ausnahmeregelung des § 67 Abs. 4 Satz 2 StGB zu treffen. Im Ergebnis ist also die von dem Betroffenen angegriffene Regelung nicht verfassungswidrig, so daß die Kammer die</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Zeiten, die der Betroffene_im Maßregelvollzug verbracht hat, für ihre Strafzeitberechnung außer Ansatz läßt.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Zeit zwischen Rechtskraft des Urteils und Aufnahme in den Maßregelvollzug sind auf die zu verbüßende Strafe anzurechnen, denn mit Rechtskraft des Urteils wurde die bis dahin vollzogene Untersuchungshaft gegenstandslos und der Betroffene wurde automatisch Strafgefangener. Er hat daher die Zeit bis zur Aufnahme in den Maßregelvollzug als Strafhaft verbüßt.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Daß dem Betroffenen darüber hinaus die erlittene Untersuchungshaft voll anzurechnen ist, folgt schon aus § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">3.)</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Eine Anrechnung der von dem Betroffenen so bezeichneten drei "Beurlaubungen" kommt nicht in Betracht, denn in dieser Zeit war der Betroffene nicht aus dem Maßregelvollzug entlassen, um in dessen Unterbrechung Strafhaft zu verbüßen, sondern es handelt sich bei dieser "Beurlaubung" um eine Verschubung oder Ausführung zu den Zeugenterminen, jedenfalls aber nicht um Strafhaft. Er befand sich in dieser Zeit weiterhin formell und materiell im Maßregelvollzug. Demgemäß sind diese Zeiten ‑</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">auch wenn der Betroffene in Justizvollzugsanstalten übernachtet hat - nicht anrechenbar, weil in dieser Zeit die Maßregel und keine Strafhaft vollstreckt wurde.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">4.)</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Anrechnung der Zeit zwischen Erlaß und Rechtskraft des Beschlusses der Strafvollstreckungskammer Paderborn vom 3. August 1988 konnte die Kammer nicht entsprechen, denn bis zur Rechtskraft des genannten Beschlusses befand sich der Betroffene im Maßregelvollzug und eben nicht in Strafhaft. Erst mit Rechtskraft dieses Beschlusses konnte er überhaupt aus dem Maßregelvollzug in die Strafhaft überführt werden, so daß es für eine Anrechnung der Zwiscnenzeit keinen Anlaß und erst recht keine gsetzliche Grundlage gibt. Denn § 67 Abs. 4 Satz 2 StGB gibt keine Handhabe für eine mögliche Teilanrechnung sondern sie bestimmt, daß die (gesamte) Zeit der Maßregel bei Fällen wie</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">dem vorliegenden nicht auf die Strafe anzurechnen ist. Hier Parallelen zwischen Untersuchungshaft und Maßregelvollzug zu ziehen, geht nicht an, denn Untersuchungshaft und Maßregelvollzug unterscheiden sich nach Sinn und Zweck, aber auch nach der Art der Durchführung (der Maßregelvollzug gibt beispielsweise die Möglichkeit zu teilweise jahrelangen Beurlaubungen) derart gravierend, daß Analogien hier nicht durchgreifen könner<sup>-</sup>r."</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Dem schließt sich die Kammer vollinhaltlich an.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Verurteilte zu tragen, da sein Begehren in der Sache letztlich erfolglos geblieben ist, § 473 Abs. 1 StPO.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Vors. Richter am              Richter am              Richter am</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Landgericht              Landgericht              Landgericht</p>
<span class="absatzRechts">30</span><table class="absatzLinks" cellpadding="0" cellspacing="0"><tbody><tr><td><p>Beglaubigt</p>
<p><em>46</em></p>
<p>, Justizangestellte als Urkundsbeamter</p>
<p>der Geschäftsstelle</p>
<p>des Landgerichts</p>
<p>6/Su.</p>
</td>
<td><p><img src="StVK_H_109_89_Beschluss_19890616_0.jpeg" height="139" width="140" alt="_Pic3" /></p>
</td>
</tr>
</tbody>
</table>
|
315,224 | olgham-1989-06-12-2-ss-owi-46689 | {
"id": 821,
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"slug": "olgham",
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"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 2 Ss OWi 466/89 | 1989-06-12T00:00:00 | 2019-03-13T14:49:44 | 2022-10-18T15:08:49 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1989:0612.2SS.OWI466.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.</p>
<p>Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Dortmund zurückverwiesen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht den Betroffenen wegen "fahrlässigen Verstoßes gemäß § 24 a StVG" mit einer Geldbuße von 500,- DM belegt und gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Nach den getroffenen Feststellungen hatte der Betroffene am Abend des ... in ... an einem Geschäftsessen teilgenommen; Feststellungen über den Genuß alkoholischer Getränke bei dieser Gelegenheit sind nicht getroffen. Anschließend kehrte er zu seiner Wohnung in ... zurück und brach von dort gegen 24.00 Uhr zu dem Lokal ... in der ... auf, wo er Alkohol trank. Am ... gegen ... Uhr wurde der Betroffene beim Führen seines Kraftfahrzeuges von Polizeibeamten kontrolliert, die seine alkoholische Beeinflussung feststellten und die um 4.10 Uhr durchgeführte Entnahme einer Blutprobe veranlaßten, deren Untersuchung einen Blutalkoholgehalt von 0,79 %o ergab. Da das Amtsgericht aufgrund der Angaben des Betroffenen über Ausmaß und Zeitpunkt seines Alkoholgenusses gegenüber den Polizeibeamten von der Zulässigkeit einer Rückrechnung ausging, stellte es - dem verlesenen Gutachten des ... folgend - eine Blutalkoholkonzentration von 0,83 %o für den Tatzeitpunkt fest.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 OWiG statthafte und form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die tatrichterlichen Feststellungen sind lückenhaft und unvollständig; deshalb hält die der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegende Annahme der Voraussetzungen für eine Bestimmung der Tatzeitblutalkoholkonzentration im Wege der Rückrechnung rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Ermittlung der Tatzeitblutalkoholkonzentration durch Hochrechnung der Blutalkoholkonzentration einer später entnommenen Blutprobe (Rückrechnung) setzt die Kenntnis des Endes der Anflutungsphase voraus; nach einhelliger Ansicht der Rechtsprechung (vgl. die Nachweise bei Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 30. Aufl., § 316 StGB Rdnr. 59) darf nur dann ... mit stündlich ... 0,1 %o hochgerechnet werden, wenn zwischen Trinkende und Tat mindestens 120 Minuten liegen. Für die beiden ersten Stunden nach Trinkende darf grundsätzlich nicht ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen hochgerechnet werden, weil allenfalls er das Ende der Alkoholaufnahme ins Blut verläßlich ermitteln kann (OLG Hamm, NJW 1975, 702). Das angefochtene Urteil stellt fest, daß der Betroffene etwa 3 Stunden 45 Minuten vor der Tat eine Gaststätte aufgesucht und dort Alkohol getrunken hat, ohne nähere Feststellungen über Art, Menge und Zeitpunkt des genossenen Alkohols zu treffen. Unter diesen Umständen kann nicht ausgeschlossen werden, daß eine Alkoholaufnahme auch in den letzten 120 Minuten vor der Blutentnahme stattgefunden hat. Dann wäre eine Rückrechnung jedoch unzulässig.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Im übrigen sind die Feststellungen des angefochtenen Urteils und die Ausführungen zur Beweiswürdigung widersprüchlich. Der Richter beim Amtsgericht hält die Einlassung des Betroffenen in der Hauptverhandlung, er habe nach Mitternacht in der Gaststätte "..." alkoholische Getränke zu sich genommen, für widerlegt, stellt jedoch zur gleichen Zeit fest, daß der Betroffene diese Gaststätte circa 3 Stunden 45 Minuten vor dem Vorfall aufgesucht und dort Alkohol getrunken hatte. Nach der Lebenserfahrung liegt die Annahme nahe, daß der Betroffene bei einem solchen Gaststättenbesuch tatsächlich alkoholische Getränke zu sich genommen hat; deshalb kann der Senat nicht von einem durch den Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe offenkundig gewordenen Diktat- oder Formulierungsfehler ausgehen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Daher kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Im vorliegenden Fall ist nicht auszuschließen, daß das Amtsgericht weitergehende Feststellungen hinsichtlich der Art und der Menge des genossenen Alkohols sowie zum Trinkende in einer neuen Hauptverhandlung noch treffen kann. Danach wird es unter Berücksichtigung des vom Betroffenen eingeräumten Alkoholgenusses am 3. August 1988, ggfls. unter Hinzuziehung eines Sachverständigen, erneut zu prüfen haben, ob sich der Betroffene aufgrund des insgesamt genossenen, teilweise bereits wieder abgebauten Alkohols einer Zuwiderhandlung gegen § 24 a StVG schuldig gemacht hat.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Zu der Frage, inwieweit die Messung des Atemalkoholgehalts zur Feststellung der Blutalkoholkonzentration geeignet sein kann, wird auf die Ausführungen des Bayrischen Obersten Landgerichts (VRS 75, 211 = VM 1988, 89 = Blutalkohol 1988, 337) hingewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die von der Verteidigung aufgeworfene Rechtsfrage der Notwendigkeit eines Sicherheitszuschlages ist in der Rechtsprechung geklärt (vgl. OLG Hamm VRS 52, 55, 56 m.w.N. aus der obergerichtlichen Rechtsprechung).</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Nach allem war das angefochtene Urteil mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückzuverweisen.</p>
|
315,225 | olgham-1989-06-12-4-uf-22188 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 4 UF 221/88 | 1989-06-12T00:00:00 | 2019-03-13T14:49:46 | 2022-10-18T15:08:49 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1989:0612.4UF221.88.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung der Antragstellerin wird das am 17. März 1988 verkündete Urteil des Amtsgerichts -Familiengericht - Dortmund aufgehoben.</p>
<p></p>
<p>Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - an das Amtsgericht - Familiengericht - Dortmund zurückverwiesen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Tatbestand:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die am 23. August 1924 geborene Antragstellerin und der am 4. Juni 1909 geborene Antragsgegner haben einander am 25. Oktober 1968 geheiratet. Im Juli 1983 kam es zur Trennung, als die Antragstellerin die in xxx gelegene Ehewohnung verließ. Der Antragsgegner lebt zwischenzeitlich seit einigen Jahren in einem Alten-/Pflegeheim in xxx. Mit Antragsschrift vom 19. Oktober 1983 beantragte sodann die Antragstellerin die Scheidung der Ehe. Auch der Antragsgegner beantragte mit Antragsschrift vom 31. Oktober die Scheidung. Die Antragsstellerin hat ihren Scheidungsantrag mit Schriftsatz vom 15. Februar 1985 zurückgenommen. Sie ließ dazu vortragen, sie habe sich mit dem Antragsgegner versöhnt und wolle nicht mehr geschieden werden. Mit Schriftsatz vom 18. März 1985 ließ der Antragsgegner erklären, sein Scheidungsantrag bleibe aufrechterhalten. Nachdem das Amtsgericht das Amtsgericht Bedenken wegen der Prozeßfähigkeit des Antragsgegners hatte, wurde nach Eingang des unter dem 19. Januar 1984 erstatteten schriftlichen Gutachtens des Amtsarztes des Kreises dem Antragsgegner sein Sohn zum Prozeßpfleger bestellt. Dieser teilte mit, daß der Scheidungsantrag aufrechterhalten werde. Zwischenzeitlich war im Jahre 1984 das Entmündigungsverfahren betreffend den Antragsgegner eingeleitet worden. Durch Urteil vom 12. Dezember 1985 wurde die Ehe der Parteien geschieden und eine Entscheidung zum Versorgungsausgleich getroffen. Der Antragsgegner war persönlich in dem Verfahren nicht angehört oder vernommen worden. Bezüglich des Scheidungsausspruchs wurde in diesem Urteil, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, unter anderem ausgeführt: Der inzwischen wieder bestehenden Bereitschaft der Antragstellerin, die eheliche Gemeinschaft mit dem Antragsgegner wieder aufzunehmen, stehe dessen Wille entgegen. Dieser sei dazu nicht mehr bereit, dies ergebe sich zur Überzeugung des Richters daraus, daß der Gebrechtlichkeitspfleger, der den Scheidungsantrag des Antragsgegners weiterhin aufrecht erhalte, anlässlich seiner Anhörung erklärt habe, auch der gebrechliche Vater wolle weiterhin geschieden werden. Auf die Erklärungen des Gebrechlichkeitspflegers komme es entscheidend an, weil möglicherweise die Vorstellungen des altersschwachen Pflegebefohlenen wandelbar seien. Dies habe zur Folge, daß auch nicht der Versuch unternommen worden sei, durch Anhörung des Antragsgegners selbst möglichst dessen Vorstellungen zu erfahren. Auch die Vernehmung der von der Antragstellerin benannten Zeugen zu der Frage, ob der Antragsgegner erklärt habe, die Scheidung nicht mehr zu wollen, erübrigen sich deshalb.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Mit Beschluß vom 17. Januar 1986 (3 C 1/85 AG Hamm) wurde der Antragsgegner wegen Geisteskrankheit entmündigt. In diesem Beschluß, auf den wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, heißt es unter anderem: Die hirnorganische Demenz mit Störungen der Emotion, des Denkens und der Kritikfähigkeit stelle eine so schwerwiegende geistig-seelische Behinderung dar, daß der Antragsgegner nicht mehr in der Lage sei, seine Angelegenheiten selbst zu besorgen oder auch nur dabei mitzuwirken. Er bedürfe vielmehr in vollem Umfang eines Vormundes, der für ihn plane und handele. Durch Verfügung des Rechtspflegers vom 29. Januar 1986 wurde der Sohn xxx des Antragsgegners zum Vormund bestellt (VII S 5541 AG Hamm = 9 T 188/89 xxx).</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Mit ihrer Berufung erstrebte die Antragstellerin unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Zurückweisung des Scheidungsantrages des Antragsgegners. Sie rügte, daß das Amtsgericht den Antragsgegner nicht persönlich am Verfahren beteiligt habe und behauptete, dieser wolle zwischenzeitlich ebenfalls die Scheidung nicht mehr. Der Senat hat durch Urteil vom 19. Juni 1986 auf die Berufung der Antragstellerin das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - zurückverwiesen. In diesem Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe wegen der Einzelheiten der Begründung Bezug genommen wird, heißt es unter anderem: Das Amtsgericht sei hinsichtlich der Prozeßfähigkeit des Antragsgegners fehlerhaft vorgegangen, weil es die Sonderregelung des § 607 ZPO übersehen habe. Feststellungen zur Geschäftsunfähigkeit habe das Amtsgericht nicht getroffen. Es habe den Antragsgegner aber im Ergebnis so behandelt, als ob er geschäftsunfähig sei und den Ehescheidungsprozeß nicht selbst führen könne. Ohne eine entsprechende Erkenntnisgrundlage sei somit das Verfahren, daß zur Ehescheidung geführt habe, fehlerhaft, so daß das Urteil aufgehoben werden müsse. Bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung werde das Amtsgericht berücksichtigen müssen, daß der Antragsgegner inzwischen entmündigt worden sei, wobei bisher nicht geklärt sei, ob die Entmündigung wegen Geistesschwäche oder Geisteskrankheit erfolgt sei. Dieser Frage werde das Amtsgericht nachzugehen haben. Denn nur im Falle der Entmündigung wegen Geisteskrankheit würde die Tatsache der Entmündigung schon allein den Schluß rechtfertigen, daß dem Antragsgegner die Prozeßfähigkeit für das Scheidungsverfahren fehle. Sollte sich herausstellen, daß der Antragsgegner geschäftsunfähig sei, werde auch zu prüfen sein, seit wann das der Fall sei, weil sich die Frage stelle, ob der Antragsgegner den Scheidungsantrag vom 31. Oktober 1983 selbst noch wirksam habe erheben können.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Durch Verfügung vom 12. September 1986 (Bl. 240 d.A.) hat sodann das Amtsgericht die Anordnung getroffen, der Antragsgegner solle darauf amtsärztlich untersucht werden, ob er angesichts der unstreitig bestehenden altersbedingten Hinfälligkeit noch in der Lage sei, seine Angelegenheiten zu besorgen. Nach Kenntniserlangung vom Entmündigungsverfahren hat sodann das Amtsgericht mit Verfügung vom 28. Dezember 1987 (Bl. 251 d.A.) von der Einholung eines Gutachtens abgesehen. In dieser Verfügung wird die Auffassung niedergelegt, daß wegen der aufgrund Geisteskrankheit erfolgten Entmündigung der gesetzliche Vertreter, der Vormund xxx zur Erhebung des Scheidungsantrags befugt sei. Das in den Vormundschaftsakten befindliche Gutachten des Gesundheitsamtes des Kreises vom 19. Januar 1984 lasse, erkennen, daß der Antragsgegner im Zeitpunkt der Erhebung seines Scheidungsantrags schon nicht mehr geschäftsfähig gewesen sein dürfte. Deshalb gelte § 607 Abs. 2 ZPO. Für den damaligen Scheidungsantrag bedürfe es jetzt noch der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts. Dieses genehmigte durch Beschluß vom 11. Februar 1988 die Einleitung und Durchführung des Scheidungsverfahrens gegenüber dem Vormund (Bl. 34 VIII S 5541). Am 18. Juli 1988 (Bl. 59 VII S 5541) erließ das Vormundschaftsgericht einen weiteren Beschluß dahingehend, daß zum Zwecke der Klarstellung festgestellt werde, daß der Genehmigungsbeschluß vom 11.02.1988 die Genehmigung der bisherigen Prozeßführung des Vormundes in dem Ehescheidungsverfahren mit umfasse. Sodann beantragte die Antragsgegnerin mit Antrag vom 8. August 1988, den Vormund gemäß § 1886 BGB zu entlassen, hilfsweise, ihm gemäß § 1796 BGB die Vertretungsmacht für das Scheidungsverfahren zu entziehen. Diese Anträge wurden durch Beschluß des Vormundschaftsgerichts vom 23. September 1988 zurückgewiesen. Auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 3. Oktober 1988 wurde der Beschluß durch Beschluß des Landgerichts Dortmund vom 08. November 1988 aufgehoben mit der Begründung, die gemäß § 50 b FGG vorgeschriebene persönliche Anhörung des Mündels, die grundsätzlich nach dem Gesetz geboten sei, sei unterlassen worden. Daraufhin wurde der Antragsgegner am 3. Januar 1989 persönlich angehört (Bl. 109 VII S 5541). Auf die Niederschrift betreffend die Anhörung wird Bezug genommen. Sodann wurden die Anträge der Antragstellerin durch Beschluß vom 3. Februar 1989 zurückgewiesen. Ihre gegen diesen Beschluß gerichtete Beschwerde wurde durch Beschluß des Landgerichts Dortmund vom 4. April 1989 als unzulässig verworfen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht wiederum die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Hinsichtlich der Betriebsrente des Antragsgegners hat es angeordnet, daß dieser an die Antragstellerin zum Ausgleich seiner Betriebsrenten-Anwartschaften gegenüber der Zeitung xxx in xxx eine monatliche Rente von 35,80 DM abzutreten habe. Zur Begründung ist in diesem Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird unter anderem ausgeführt: Der Scheidungsantrag des Antragsgegners habe Erfolg; die besonderen Prozeßvoraussetzungen gemäß § 607 Abs. 2 ZPO lägen vor. Der wegen Geisteskrankheit seit dem 17.01.1986 entmündigte Antragsgegner werde durch seinen Sohn xxx als Vormund vertreten. Diesem sei durch Beschluß des Amtsgerichts vom 11. Februar 1988 die Genehmigung zur Einleitung und Durchführung des Scheidungsverfahrens erteilt worden. Es sei zu formalistisch anzunehmen, daß der Vormund das "alte" Scheidungsverfahren nicht mehr weiter betreiben dürfe, sondern stattdessen ein neues einzuleiten habe. Da nicht auszuschließen sei, daß der Antragsgegner bereits im Zeitpunkt der Stellung seines Scheidungsantrages wegen Geisteskrankheit geschäftsunfähig gewesen und somit fraglich sei, ob er den Scheidungsantrag selbst überhaupt noch habe erheben können, solle der Vormund als gesetzlicher Vertreter nunmehr in die Lage versetzt werden, diese Einleitung des Scheidungsverfahrens nachträglich kraft seiner Befugnisse zu genehmigen. Dies sei konkludent dadurch geschehen, daß der Vormund dieses Verfahren weitergeführt habe. In dieser Weiterführung des Verfahrens läge zugleich die Erklärung, daß er die Vertretungsmängel genehmige, die bei der Erhebung des Scheidungsantrags vorgelegen haben könnten. Die Ehe selbst sei nach den Vermutungsregeln der §§ 1565 Abs. 1, 1566 Abs. 2 BGB zu scheiden, weil die Parteien inzwischen mehr als drei Jahre voneinander getrennt lebten.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Auch in dem diesem Urteil zugrundeliegenden Verfahren ist der Antragsgegner nicht persönlich angehört worden.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil wenden sich beide Parteien. Die Antragstellerin erstrebt unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Abweisung des Scheidungsantrags des Antragsgegners. Dieser erstrebt mit seiner Beschwerde eine Regelung hinsichtlich des Versorgungsausgleichs bezüglich der Betriebsrentenanwartschaften gemäß § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG. Zur Begründung ihres Rechtsmittels trägt die Antragstellerin vor: Der Antragsgegner sei nicht geisteskrank, jedenfalls seien seine Geisteskräfte zurückgekehrt. Diesen Eindruck habe sie bei persönlichen Besuchen bei dem Antragsgegner gewonnen. Wie sie bereits im ersten Berufungsverfahren vorgetragen habe, wolle auch der Antragsgegner nicht mehr geschieden werden. Er habe seinerzeit nur unter dem Einfluß seiner Kinder den Scheidungsantrag gestellt. Verfahrensfehlerhaft habe das Amtsgericht es unterlassen, ein Gutachten zur Prozeßfähigkeit des Antragsgegners einzuholen entsprechend den Ausführungen im Senatsurteil vom 19.06.1986. Das Verfahren werde nicht wirksam durch den Vormund geführt, da die Genehmigung vom 11.02.1988 nicht ausreichend sei. Sei der Antragsgegner in der Geistestätigkeit nicht beeinträchtigt oder läge nur eine Geistesschwäche vor, habe es das Amtsgericht fehlerhaft unterlassen, den wahren Willen des Antragsgegners zu erforschen. Aber auch sonst sei die Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht nicht ausreichend. Da der Antragsgegner selbst die Scheidung eingeleitet habe, habe diese Prozeßhandlung durch den Vormund genehmigt werden müssen. Dessen Genehmigung hätte dann das Vormundschaftsgericht genehmigen müssen. Dieses sei aber davon ausgegangen, der Vormund selbst leite das Verfahren erst ein und führe es dann fort. Eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung dürfe auch nicht mehr erfolgen, da das Scheidungsverfahren nicht mehr im Interesse des Antragsgegners betrieben werde, der ebenfalls nicht mehr geschieden werden wolle.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Scheidungsantrag des Antragsgegners abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Antragsgegner beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen;</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">den Ausgleich der Betriebsrente neu zu regeln.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich des Scheidungsausspruchs verteidigt der Antragsgegner das angefochtene Urteil und trägt zur Rechtsverteidigung vor: Das Amtsgericht habe zutreffend wegen der erfolgten Entmündigung von der Einholung eines Gutachtens abgesehen, der Antragsgegner sei bei Einleitung des Verfahrens geschäftsfähig gewesen. Geschäftsunfähigkeit sei erst im Laufe des Verfahrens eingetreten, deshalb sei das Verfahren durch den gesetzlichen Vertreter zu führen. Die Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht sei eindeutig. Eine gegebenenfalls zunächst fehlende Genehmigung sei nachgeholt worden und führe zu einer rückwirkenden Heilung einer fehlenden Genehmigung. Die Abgabe einer rechtswirksamen Erklärung durch den Antragsgegner komme nicht in Betracht. Dieser könne sich wegen seines Geisteszustands auch nicht äußern, ob er die Ehe für gescheitert halte. Dem Vormund sei bei klarem Bewußtsein des Antragsgegners der Auftrag erteilt worden, die Scheidung zu betreiben. Das Vorbringen der Antragstellerin, es bestünden zwischen den Parteien noch Kontakte und Zuneigungen, erfolge wahrheitswidrig. Hinsichtlich des Versorgungsausgleichs bezüglich seiner Betriebsrente komme allein § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG in Betracht. Es sei auch zu prüfen, welche Anwartschaften die Antragstellerin bei Vollendung ihres 65. Lebensjahres habe.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich der Beschwerde des Antragsgegners beantragt die Antragstellerin,</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">zu erkennen,</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">was rechtens sei.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den im zweiten Rechtszug vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Akten 3 C 1/85 Amtsgericht und VII S 5541 Amtsgericht haben dem Senat zur Information vorgelegen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Im Senatstermin am 12. Juni 1988 sind die Antragstellerin und der Vormund des Antragsgegners persönlich angehört worden. Wegen ihrer Erklärungen wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Berufung der Antragstellerin hatte den sich aus der Urteilsformel ergebenden Erfolg. Sie führt nicht zu einer Entscheidung in der Sache, sondern zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht zur erneuten Verhandlung, und Entscheidung, da auch das erneute Verfahren des ersten Rechtszuges, das zum angefochtenen Verbundurteil geführt hat, an einem wesentlichen Mangel leidet, §§ 539, 540 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat erneut ohne persönliche Anhörung des Antragsgegners die Ehe geschieden und angenommen, die Scheidung erfolge nach den Vermutungsregeln der §§ 1565 Abs. 1, 1566 Abs. 2 BGB, weil die Parteien inzwischen mehr als drei Jahre voneinander getrenntleben.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Diese Feststellungen tragen das Urteil mit dem Scheidungsausspruch nicht, weil gegen den Grundsatz der erforderlichen richterlichen Aufklärung verstoßen worden ist, und dieser Verstoß zu einer unzureichenden Tatsachenfeststellung geführt hat, weil gegebenenfalls entscheidungserhebliche Tatsachen, die von der Antragstellerin unter Beweis gestellt worden sind, nicht festgestellt worden sind.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung der Antragstellerin weist das Verfahren des ersten Rechtszuges einen Fehler allerdings nicht deshalb auf, weil das Amtsgericht nicht festgestellt hat, ob der Antragsgegner bereits bei Stellung seines Scheidungsantrags mit Antragsschrift vom 31. Oktober 1983 geschäftsunfähig gewesen ist. Denn ist der Antragsgegner erst im Laufe des Verfahrens, somit nach dem von ihm gestellten Scheidungsantrag geschäftsunfähig geworden, bedarf es lediglich der Aufnahme des Verfahrens durch den Vormund als gesetzlichen Vertreter mit der Folge der Heilung früherer Verfahrensmängel. In einem solchen Fall bedarf es nicht der Genehmigung (auch) des Vormundschaftsgerichts gemäß § 607 Abs. 2 S. 2 ZPO (vgl. Johannsen/Henrich/Seemund-Treiber Eherecht, 1987, § 607 ZPO Rdn.7; Zöller-Philippi, ZPO, 15. Aufl., § 607 Rdn. 8). An einer solchen Aufnahme des Verfahre durch den Vormund xxx und damit seiner Genehmigung mit der Wirkung der Heilung gegebenenfalls früherer Verfahrensmängel kann kein Zweifel bestehen. Der Vormund ist wirksam bestellt. Diese Bestellung hat, nachdem die gegen den Vormund gerichteten Anträge der Antragstellerin letztlich als unzulässig abgelehnt worden sind, auch Bestandskraft erlangt.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Aber auch wenn bereits im Zeitpunkt der Stellung des Scheidungsantrags durch den Antragsgegner dieser geschäftsunfähig gewesen sein sollte, ist diese deshalb zunächst unwirksame Prozeßhandlung durch die Genehmigung des Vormunds und die hierauf bezogene Genehmigung des Vormundschaftsgerichts wirksam geworden. Der Senat ist mit dem Amtsgericht der Auffassung, daß in einem solchen Fall einer ursprünglichen, bereits bei Antragstellung vorliegenden Prozeßunfähigkeit des die Scheidung begehrenden Ehegatten der Vormund keinen neuen Scheidungsantrag in seiner Eigenschaft als gesetzlicher Vertreter mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts stellen muß, sondern daß es ausreicht, daß der Vormund die Antragstellung des prozeßunfähigen Ehegatten genehmigt, wenn er seinerseits die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erhält. Auch die Aufnahme des Rechtsstreits durch den Vormund als gesetzlichen Vertreter heilt Mängel der Klageerhebung, wenn die Geschäftsunfähigkeit des Vertretenen schon damals bestand, (vgl. RGZ 86. Band, S. 16; Zöller-Philippi a.a.O., § 607 Rdn. 5 m.w.N.; § 51 Rdn. 6; § 56 Rdn. 11 m.w.N.; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 47. Aufl., § 51 Anm. 2 A; Wieczorek, ZPO, 2. Aufl., § 607 Anm. B II). Daß der Vormund xxx des Antragsgegners den entsprechenden Genehmigungswillen hatte und die Genehmigung erklärt hat, kann nicht zweifelhaft sein. Der Umstand, daß der Vormund die Genehmigung zunächst ohne Vorliegen der entsprechenden Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erteilt hat, ist unschädlich. Denn durch die Beschlüsse des Vormundschaftsgerichts vom 11. Februar 1988/18. Juli 1988 hat dieses die Genehmigung nachträglich jedenfalls erteilt. Diese Genehmigung hat sich auch darauf erstreckt zu genehmigen, daß zuvor bereits seinerseits der Vormund die bei ursprünglich bereits vorhandener Geschäftsunfähigkeit unwirksame Antragstellung genehmigt hatte. Eine solche, auch nachträgliche, Genehmigung gemäß § 607 Abs. 2 S. 2 zweiter Halbsatz ZPO heilt den Mangel der Vertretungsbefugnis des Vormunds (vgl. Zöller-Philippi, a.a.O., § 607 Rdn.8; Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, a.a.O., § 607 Anm. 2 B; Wieczorek, a.a.O., § 607 Anm. C I).</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Verfahrensfehlerhaft hat das Amtsgericht jedoch davon abgesehen, den Antragsgegner persönlich zu seinem Scheidungswillen anzuhören. Auf diesem Verfahrensfehler beruht auch das angefochtene Urteil. Gemäß § 616 ZPO hat das Gericht von Amts wegen insbesondere ehefreundliche Tatsachen zu berücksichtigen. Das Unterlassen einer hieraus folgenden Anhörung bzw. Beweisaufnahme stellt einen erheblichen Verfahrensfehler dar (vgl. Zöller-Schneider, a.a.O., § 539 Rdn.18 m.w.N.). Das Amtsgericht hat die Voraussetzungen für die Scheidung offensichtlich lediglich deshalb mit der Begründung angenommen, die Parteien lebten zwischenzeitlich mehr als drei Jahre getrennt. Mit dieser Begründung kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben, weil es aufgrund fehlender Sachaufklärung die Scheidungsvoraussetzungen angenommen hat. Hierfür sind folgende Feststellungen und Erwägungen des Senats maßgebend:</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Nach § 1567 Abs. 1 S. 1 BGB leben Ehegatten getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Die Auslegung der Vorschrift des § 1567 Abs. 1 S. 1 BGB hat deren Funktion für das gesamte Scheidungsrecht zu beachten, da die Bestimmung grundlegend für die Zerrüttungsvermutung des § 1566 BGB ist. Deshalb muß der Sachverhalt "getrennt lebend" so beschaffen sein, daß er - bei entsprechender Dauer - nach der Lebenserfahrung das Scheitern der Ehe verläßlich anzeigt (vgl. BGH FamRZ 1989, 479 ff.; Johannsen/Henrich-Jäger, Eherecht, a.a.O., § 1567 Rn. 2 u. 3). Daher ist im vorliegenden Fall dem Umstand, daß der Antragsgegner, wie es auch die Anhörung des Vormunds im Senatstermin ergeben hat, auf Dauer pflegebedürftig und deshalb in einem Pflegeheim untergebracht ist, kein Nachweis für ein Scheitern der Ehe zu entnehmen. Damit leben die Ehegatten noch nicht ohne weiteres getrennt im Sinne des § 1567 Abs. 1 Satz 1 BGB. Das gilt auch bei einer dauernden Unterbringung. So kann der Restbestand der Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft auch dann gegeben sein, wenn sich bei einer solchen unfreiwilligen Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft die allein noch mögliche Kontaktpflege auf Besuche oder sonstige Kontakte beschränkt.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Für die Beurteilung, ob eine solche räumliche Trennung in Getrenntleben umschlägt, gewinnt damit das in § 1567 Abs. 1 S. 1 BGB genannte <u>subjektive</u> Element besondere Bedeutung. Dabei verlangt das Gesetz, daß der Trennungswille erkennbar ist. Zum Getrenntleben in diesem Sinne kommt es daher, wenn der trennungswillige Ehegatte diese Verhaltensabsicht unmißverständlich zu erkennen gibt. Dabei handelt es sich aber nicht um eine Willenserklärung. Deshalb kann auch ein Geschäftsunfähiger diesen Willen äußern (vgl. BGH a.a.O. <u>Seite 480 linke Spalte m.w.N.</u>). Auf den Willen des gesetzlichen Vertreters kommt es dabei nicht an. Folgt einer danach relevanten Äußerung des Willens, fortan getrennt zu leben, später ein Bekenntnis zur ehelichen Lebensgemeinschaft, so ist das Tatbestandsmerkmal des Getrenntlebens nicht mehr verwirklicht. Die Ehegatten leben dann nicht mehr getrennt, obwohl die äußeren Verhältnisse keine Änderung erfahren. Auf das Fehlen ehelicher Gesinnung kommt es indessen für die Feststellung des Getrenntlebens nicht an (vgl. Johannsen/Henrich-Jäger, a.a.O., § 1567 Rn. 4). Seitens der Antragsstellerin lässt sich nach den bisherigen Feststellungen, insbesondere ihren Äußerungen im Senatstermin der entscheidende Trennungswille nicht mehr feststellen. Die Antragstellerin bezieht Sozialhilfe und ist deshalb schon an häufigen Besuchen des in einem von ihrem Wohnort entfernten Pflegeheims lebenden Antragsgegners gehindert. Sie hat erklärt, sie wünsche, daß der Antragsgegner in einem Heim in der Nähe ihrer Wohnung gepflegt werde. Zwar hat die Antragstellerin in der Vergangenheit schon durch ihren Scheidungsantrag zu erkennen gegeben, daß es damals an einem von ehelicher Gesinnung geprägten Verhalten gefehlt hat. Jedoch lassen sich diese Feststellungen nur für die Vergangenheit treffen. Maßgebend dafür, ob die Ehe gescheitert ist, sind jedoch die Verhältnisse zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatrichter. Nachdem die Antragstellerin bereits vor längerer Zeit ihren Antrag auf Scheidung der Ehe zurückgenommen hat, wird jedenfalls derzeit ihr früherer gegen den Fortbestand der Ehe sprechender Wille nicht mehr ohne weiteres angenommen werden können. (Hierzu wird das Amtsgericht weitere Feststellungen zu treffen haben.)</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Dann kommt es aber ganz entscheidend auf den Willen des Antragsgegners an. Das Amtsgericht hat das von der Antragstellerin unter Beweis gestellte Vorbringen, auch der Antragsgegner wolle an der Ehe festhalten, bereits im Verfahren, das zum ersten Scheidungsurteil geführt hat, verfahrensfehlerhaft übergangen (vgl. Schriftsätze der Antragstellerin vom 28. Mai 1985, Bl. 73 d.A., vom 28. August 1985, Bl. 83 d.A. Das Amtsgericht hat in dem zu dem jetzt aufzuhebenden Urteil führenden Verfahren auch das Vorbringen in der Berufungsgründungsschrift vom 19. März 1986 übergangen (vgl. Bl. 175, 179 d.A.). Hat der Antragsgegner noch das Bewusstsein, in einer Ehe zu leben, hat er also noch jedenfalls ein Restverständnis für die Ehe und somit auch ein eheliches Empfinden, so kommt es auf die Erforschung seines Willens an (vgl. BGH a.a.O, Seite 481 linke Spalte m.w.N.). Das Amtsgericht hat keinerlei Feststellungen dazu getroffen, ob der Antragsgegner sich bereits in diesem Sinne soweit von der Ehe entfernt hat, daß sein völlig fehlendes Bewußtsein aufgrund seines Geisteszustandes einem bewußten Verlust der ehelichen Gesinnung gleichzusetzen ist. Die Annahme einer solchen "Eheferne" des Antragsgegners erscheint auch angesichts der Erklärung seines Vormunds im Senatstermin zu den "lichten Augenblicken" des Antragsgegners nicht gerechtfertigt zu sein.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Bei der danach erforderlichen Erforschung des "natürlichen Willens" des Antragsgegners wird sich das Amtsgericht gegebenenfalls fachkundiger Hilfe eines Sachverständigen bedienen müssen. Je nach dem Ergebnis der Anhörung des Antragsgegners werden Erwägungen anzustellen sein, ob die angebotenen Zeugenbeweise zu erheben sein werden. Wie vorstehend ausgeführt kommt es für den Willen der Ehepartner auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung an.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Die dargelegten Verfahrensmängel sind auch wesentlich, da sie für die Entscheidung ursächlich geworden sind. Denn zur Zeit kann die Ehe der Parteien auch nicht mit anderer Begründung geschieden werden. Dies könnte nur dann erfolgen, wenn der Antragsgegner nicht mehr das Bewußtsein besitzt, in einer Ehe zu leben, jedes Verständnis für die Ehe verloren hat und damit kein eheliches Empfinden mehr aufweist. Diese Feststellungen können aber derzeit gerade nicht getroffen werden.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Der Senat hält es nicht für sachdienlich, von der Zurückverweisung abzusehen und in der Sache selbst zu entscheiden. Denn angesichts der gänzlich fehlenden Sachverhaltsaufklärung, die in erster Instanz zu erfolgen hat, kann der Verlust einer Tatsacheninstanz nicht hingenommen werden, auch wenn sich durch die (erneute) Zurückverweisung die Erledigung des Rechtsstreits weiter verzögert.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Bei der erneuten Entscheidung wird das Amtsgericht ggfls. - auch das Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich vom 21. Februar 1983 in der Fassung des Gesetzes über weitere Maßnahmen auf dem Gebiet des Versorgungsausgleichs vom 08.12.1986 zu beachten haben. Danach sieht § 3b VAHRG für die Betriebsrentenanwartschaften des Antragsgegners den öffentlich-rechtlichen Ausgleich in Form des Supersplittings vor.</p>
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315,226 | lg-bonn-1989-06-12-6-s-10289 | {
"id": 804,
"name": "Landgericht Bonn",
"slug": "lg-bonn",
"city": 394,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 6 S 102/89 | 1989-06-12T00:00:00 | 2019-03-13T14:49:47 | 2022-10-18T15:08:47 | Urteil | ECLI:DE:LGBN:1989:0612.6S102.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Siegburg vom 10.01.1989 – 7 C 457/88 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:</p>
<p>Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.823,94 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 14. Juli 1988 zu zahlen.</p>
<p>Im übrigen wird die Klage abgewiesen.</p>
<p>Die weitergehende Berufung und die weitergehende Anschlussberufung werden zurückgewiesen.</p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits tragen zu 36 % die Klägerin und zu 64 % der Beklagte.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> - Ohne Tatbestand gemäß § 543 Abs. 1 ZPO –</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Entscheidungsgründe:</span></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Berufung der Klägerin ist wegen eines Teilbetrages von 443,56 DM unzulässig, im übrigen zulässig und begründet.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die unselbständige Anschlussberufung des Beklagten ist teilweise begründet.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Klägerin steht der geltend gemachte Rückzahlungsanspruch zu, und zwar in Höhe von 2.823,94 DM.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Dieser Betrag errechnet sich wie folgt:</p>
<span class="absatzRechts">7</span><ul class="absatzLinks"><li><span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">1. Nebenkostengutachten</p>
</li>
</ul>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">für Wasser und Abwasser               616,26 DM</p>
<span class="absatzRechts">10</span><ul class="absatzLinks"><li><span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">2. Nachzahlung aus Nebenkosten</p>
</li>
</ul>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">für Strom              440,00 DM</p>
<span class="absatzRechts">13</span><ul class="absatzLinks"><li><span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">3. a.) Heizkostenvorauszahlungen</p>
</li>
</ul>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">(Juni 85 bis Mai 87)              12.000,00 DM</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">b. Heizkosten (Juni 85 bis Mai 87)</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">ohne Tankmiete:              - 5.630,77 DM</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">              6.369,23 DM</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Zwischensumme: (Guthaben der Klägerin)              6.545,49 DM</p>
<span class="absatzRechts">20</span><ul class="absatzLinks"><li><span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">4. abzüglich Miete April und Mai 87:              -2.600,00 DM</p>
</li>
<li><span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">5. abzüglich Restmieten aus 1984:              -1.121,55 DM</p>
</li>
</ul>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Endsumme:               2.823,94 DM</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Der Ansatz der Beträge zu 1) und 2) ist zwischen den Parteien nicht im Streit.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich der 24 monatlichen Heizkostenvorauszahlungen im Zeitraum Juni 1985 bis Mai 1987 ist davon auszugehen, dass diese seitens der Klägerin in Höhe von monatlich 500,00 DM geleistet worden sind. Dies ergibt sich aus den von der Klägerin vorgelegten Lastschriftzetteln, die sämtlich diesbezügliche Zahlungen aufweisen. Diese Zahlungen unter Angabe der konkreten Leistungsbestimmung sind vom Beklagten nicht substantiiert bestritten worden. Der Beklagte kann sich insoweit nicht auf ein „Bestreiten mit Nichtwissen“ zurückziehen. Er hätte nach Vorlage der ganz konkret ausgefüllten Lastschriftzettel der Klägerin seinerseits substantiiert darlegen müssen, wie die entsprechenden Empfängerabschnitte ausgefüllt gewesen sein sollen, um die Verrechnungs- und Leistungsbestimmungen der Klägerin prozessual ordnungsgemäß zu bestreiten.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich der in Ansatz zu bringenden abrechnungsfähigen Heizkosten ist zwischen den Parteien alleine im Streit die Frage, ob die Miete des Gastanks vom Beklagten als Vermieter abgerechnet werden kann oder nicht. Unabhängig von der Frage der konkreten Vereinbarungen der Parteien können die Kosten der Miete des Flüssiggastanks beim Mietobjekt nicht als umlagefähige Betriebskosten vereinbart werden. Dies ergibt sich daraus, dass § 4 Abs. 1 Miethöhenregelungsgesetz vorschreibt, dass nur solche Betriebskosten mietvertraglich variabel gestaltet und dementsprechend umgelegt werden können, die ausdrücklich als Betriebskosten in § 27 der zweiten Berechnungsverordnung genannt sind. In der maßgeblichen Anlage 3) zu § 27 Abs. 1 der zweiten Berechnungsverordnung sind Mietkosten für einen Tank nicht genannt. Die Kosten des Tanks sind nämlich weder Kosten des Brennstoffs als solchem, noch seiner Lieferung, noch Kosten einer messtechnischen Ausstattung zur Verbrauchserfassung. Sind die laufenden Mietkosten für den Gastank nicht bei den Nebenkosten einer Wohnraummiete umlagefähig, so müssen diese in dem Grundmietzins einkalkuliert werden und unterliegen damit im Falle ihrer Veränderung den besonderen Bestimmungen des Miethöhenregelungsgesetzes. Darauf, ob den Parteien bei Abschluss des Mietvertrages die vorstehende Problematik bekannt war oder nicht, kommt es für die Zulässigkeit der Betriebskostenvereinbarung nicht an. Auch die bereits einmal erfolgte Zahlung dieser Abrechnungspositionen führt nicht dazu, dass die nach §§ 4, 10 MHG unzulässige Vereinbarung zulässig werden könnte.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Bei der Berechnung der Heizkosten im übrigen folgt die Kammer der unstreitigen Abrechnung der Klageschrift; die Berechnungen sind weitgehend rechnerisch richtig; soweit ein einzelner Rechenfehler zu Lasten der Klägerin hierin enthalten ist, kann die Kammer diesen nicht zu Gunsten der Klägerin berücksichtigen, weil sie damit über das prozessuale Klagebegehren hinausgehen würde.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Soweit die Mieten April und Mai 1987 in voller Höhe von jeweils 1.300,00 DM vom Amtsgericht in Abzug gebracht worden sind, ist der diesbezügliche Angriff der Berufung bereits aus formalen Gründen unzulässig. Die Berufung ist nämlich insoweit nicht begründet worden (§ 519 ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Gegenüber der Klageforderung hat der Beklagte wirksam die Aufrechnung erklärt mit Mietrückständen aus dem Jahre 1984 in Höhe von 1.121,55 DM. Wegen des Mietrückstandes in dieser Höhe wird auf die unwidersprochen gebliebene Ausführung in der Anschlussberufung vom 20.03.1989 (Seite 3) Bezug genommen. Bei dieser Aufstellung sind bereits für alle von der Klägerin geltend gemachten Minderungsbeträge berücksichtigt worden (Juli: 336,64 DM; August: 127,24 DM, ab September monatlich 99,34 DM). Weitergehende Zahlungen für diesen Zeitraum sind von der Klägerin ebenfalls nicht dargelegt worden. Mit dem dem Beklagten insoweit zustehenden Restmietzinsanspruch hat er somit wirksam die Aufrechnung erklärt.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Soweit der Beklagte sich gegen die Klageforderung damit verteidigt, die Klägerin und ihre Mitmieter hätten auch während der weiteren Dauer des Mietverhältnisses insgesamt zu wenig Zahlungen erbracht, greift dieser Einwand nicht durch. Wie bereits oben ausgeführt, hat die Klägerseite die Nebenkostenvorauszahlungen ganz ausdrücklich als solche geleistet und es nicht ins Belieben des Beklagten als Vermieter gestellt, eine monatliche Pauschalzahlungen zu verrechnen. Der Beklagte hätte daher konkrete Zahlungsansprüche aus anderem Rechtsgrund geltend machen und hiermit konkret die Aufrechnung gegenüber der Klageforderung erklären müssen. Dies hat er für den Zeitraum ab Anfang 1985 nicht getan. Er hat nicht einmal die vom Amtsgericht bereits als unsubstantiiert abgewiesene Aufrechnung mit angeblichen Mietrückständen ordnungsgemäß mit der Anschlussberufung angefochten. In der Anschlussberufung sind vielmehr nur die geschuldeten Mieten und hierauf erfolgte Zahlungen bis Ende 1984 im einzelnen aufgeschlüsselt worden. Zahlungsrückstände aus dem Zeitraum danach können daher nicht konkret festgestellt werden. Im Gegenteil heißt es in der Anschlussberufung vom 20.03.1989 (Seite 3 = Bl. 125 d. A.),  dass „in den folgenden Jahren weitere Mietrückstände nicht angefallen“ seien, mit Ausnahme der bereits oben berücksichtigten Mieten für April und Mai 1987.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Streitwert: 4.389,05 DM (Berufung + Anschlussberufung).</p>
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315,227 | olgham-1989-06-08-18-u-18688 | {
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"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 18 U 186/88 | 1989-06-08T00:00:00 | 2019-03-13T14:49:48 | 2022-10-18T15:08:47 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1989:0608.18U186.88.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung der Beklagten gegen das am 28. April 1988 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p>Es beschwert die Beklagte um weniger als 40.000,-- DM.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Tatbestand:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte betreibt eine Partnerschaftsvermittlung.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Am 29.07.1987 schlossen die Parteien einen formularmäßigen schriftlichen "Repräsentantenvertrag" (Bl. 7 - 16). In ihm verpflichtete sich der Kläger, als Handelsvertreter für die Beklagte tätig zu werden und ihr durch Werbung in dem Stadtkurier xxx und xxx und nach Absprache in den Anzeigenblättern xxx Kunden als zu vermittelnde Partner zuzuführen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Als der Kläger den Vertrag unterschrieb, wohnte er noch in xxx. Den von ihm gewünschten Werbeträger, den Stadtanzeiger von xxx überließ die Beklagte ihm nicht, weil sie für dieses Blatt bereits einen Repräsentanten hatte. Da der Kläger schon bei Vertragsschluß beabsichtigte, seinen Wohnsitz in den Bezirk xxx zu verlegen, wurden die Anzeigenblätter xxx in den Vertrag aufgenommen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">In § 1 des Vertrages heißt es, daß der Repräsentant mit Wirkung vom 29.07.1987 für die Beklagte tätig werde und Handelsvertreter im Sinne des HGB mit Abschluß- und Inkassovollmacht sei.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Nach § 4 des Vertrages ist der Repräsentant verpflichtet, wöchentlich auf eigene Rechnung in dem genannten Werbeträger mit ihm für diese Werbung von der Beklagten zur Auswahl vorgelegten Texten zu werben und dabei deutlich zu machen, daß er als Vermittler werbe.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Nach § 6 des Vertrages schließt der Repräsentant die Kundenverträge im Namen der Beklagten ab. Die Beklagte ist berechtigt, Kundenverträge abzulehnen, die nicht in ihre Kundenstruktur passen. Die Vermittlungsgebühr, die der Repräsentant mit dem Kunden vereinbart, soll 3.000,-- DM zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer betragen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Nach § 8 des Vertrages erhält der Repräsentant von der Aufnahmegebühr der von ihm zustandegebrachten Kundenverträge den Anteil von 35 % mit entsprechendem Anteil an der Mehrwertsteuer. Der Berechnung sollen nur Verträge zugrundegelegt werden, für die tatsächlich die Zahlung des jeweiligen Kunden in der festgelegten Höhe eingegangen ist.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">In § 9 wurde die Vertragsdauer für den Zeitraum von 6 Monaten mit Verlängerungsklausel festgelegt.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">In § 3 des Vertrages heißt es:</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">"xxx erbringt für den Repräsentanten folgende Leistungen:</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">1. <u>Einräumung und Bereitstellung</u> eines bestimmten Verkaufsgebietes, das durch das Belegungsgebiet einer bestimmten Zeitung oder Zeitungsausgabe, Zeitschrift oder Zeitschriftenausgabe festgelegt wird. Als "Verkaufsgebiet" wird hier eben diese Ausgabe des jeweiligen Werbeträgers verstanden, bestimmt und vereinbart.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">2. <u>Schulung des Repräsentanten</u>. In diesem Zusammenhang sich für den Repräsentanten ergebene Reisekosten trägt xxx nicht.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">3. <u>Kostenlose Bereitstellung</u> folgender Formulare nach Abruf durch den Repräsentanten:</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:28px">Vertragsvordrucke</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:28px">Personalbögen</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:28px">Überweisungsträger, soweit diese auf xxx lauten sollen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">4. <u>Erstellung und Bereitstellung</u> von Werbetexten.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">5. <u>Vermittlung</u> der durch den Repräsentanten unter Vertrag genommenen Partnersuchenden."</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">§ 7 des Vertrages lautet:</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">"Bei Abschluß dieses Vertrages zahlt der Repräsentant an xxx als einmalige Zahlung den Betrag von DM 6.000,-- zzgl. der Mehrwertsteuer in Höhe von DM 840,--, gleich insgesamt DM 6.840,-- (in Worten: Deutsche Mark Sechstausendachthundertvierzig 0/00).</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Mit dieser Zahlung werden die Vorausleistungen, die diese Vereinbarung beinhalten, abgegolten. Insbesondere beinhaltet dies die Grundausbildung und Schulung des Repräsentanten sowie die sofortige Bereitstellung des vereinbarten Werbeträgers für den Repräsentanten. Mit der Bereitstellung dieses Werbeträgers für den Repräsentanten ist der vereinbarte Werbeträger für andere infrage kommende Repräsentanten der xxx gesperrt.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Im Zuge des Abschlusses dieses Vertrages übermittelt xxx noch vor Schulung und Grundausbildung des Repräsentanten diesem einen wesentlichen Teil des für seine künftige Tätigkeit notwendigen Wissens."</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Den in § 7 des Vertrages erwähnten Betrag sollte der Kläger nach einem gesondert unterschriebenen "Besprechungsprotokoll" (Bl. 17) bar bezahlen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die Zahlung ist erfolgt. In dem Besprechungsprotokoll heißt es unter anderem:</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">"Wir haben heute den Vertrag über die Repräsentanz für das Zeitungsgebiet Stadtkurier xxx und xxx, Anzeigenblätter für xxx nach Absprache abgeschlossen.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Wie vereinbart, wird dieses Zeitungsgebiet damit zu Gunsten des hier unterzeichnenden Repräsentanten gesperrt.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Xxx Gesellschaft für Partnerschaft, Freizeit und Dienstleistungen wird daher alle anderen Gespräche und Verhandlungen mit anderen Bewerbern für dieses Zeitungsgebiet abbrechen und dieses Zeitungsgebiet nicht mehr anderweitig an einen anderen Repräsentanten vergeben."</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Mit Anwaltsschreiben vom 13.11.1987 (Bl. 5, 6) ließ der Kläger den Repräsentantenvertrag anfechten und fristlos kündigen. Der Aufforderung, den Betrag von 6.840,-- DM bis zum 25.11.1987 an ihn zurückzuzahlen, kam die Beklagte nicht nach.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte habe mehrfach und in grober Weise gegen die Ausschließlichkeitsabsprache verstoßen. </p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Am 29.09,1987 habe sie einen Repräsentantenvertrag mit der Vertreterin xxx geschlossen. Der vereinbarte Standort der Repräsentanz, xxx, liege im Belegungsgebiet der ihm, dem Kläger, zugewiesenen Anzeigenblätter. Frau xxx sei vertraglich verpflichtet worden, nur unter der Bezeichnung "Partnervermittlung xxx" und nicht unter dem Namen xxx zu werben. Die Beklagte habe xxx auch für den Bereich xxx Ausschließlichkeit zugesagt.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Später habe die Beklagte noch einen Vertrag mit xxx abgeschlossen und ihr das Gebiet von xxx an der xxx reserviert. Auch ihr sei Ausschließlichkeit zugesagt und aufgegeben worden, nur unter der Bezeichnung "Partnervermittlung xxx" zu werben.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Darüber hinaus habe die Beklagte einen weiteren Vertrag mit Herrn xxx geschlossen. Der ihm ausschließlich zugesagte Bereich liege ebenfalls im Verbreitungsgebiet der Anzeigenblätter. Xxx habe nur unter der Bezeichnung "Partnervermittlung xxx" werben sollen.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte habe ihn von vornherein unter falschen Voraussetzungen geworben und den versprochenen Gebietsschutz nicht einhalten wollen. Sie habe ihm vielmehr Konkurrenz aus dem eigenen Hause verschafft und versucht, dies bewußt vor ihm zu verheimlichen.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:57px">die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.840,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 26.11.1987 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat um Klageabweisung gebeten.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Sie hat vorgetragen, für eine Anfechtung fehle es schon nach dem Vorbringen des Klägers an einer Täuschungshandlung. Denkbare Vertragsverletzungen würden eine Kündigung nicht rechtfertigen, sondern allenfalls Schadensersatzansprüche des Klägers begründen. Sie, die Beklagte, habe jedoch nicht gegen den Vertrag verstoßen, sondern der Kläger, der nicht wöchentlich auf eigene Rechnung geworben habe. Der Repräsentantenvertrag verbiete ihr nicht; Repräsentanten unter anderer Firmenbezeichnung als Vermittler einzusetzen.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Durch Urteil vom 28.04.1988 hat das Landgericht Dortmund der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe ein bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Rückzahlung der 6.840,-- DM zu. § 7 des Vertrages sei gemäß § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam, da er den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Mit der Berufung macht die Beklagte geltend, § 7 des Vertrages sei wirksam. Es handele sich um eine individuelle Preisvereinbarung, die dem Regelungsbereich des § 9 AGBG entzogen sei.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Dem geltenden Recht des Handelsvertreters sei es zudem nicht fremd, daß sich der Handelsvertreter bei einem Unternehmer gleichsam einkaufe. § 7 weiche nicht vom gesetzlichen Leitbild des Handelsvertretervertrages ab. Keinesfalls werde der Kläger entgegen dem Gebot von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Der Zahlung von 6.840,-- DM stünden erhebliche Leistungen von bedeutendem wirtschaftlichen Wert gegenüber.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">So habe sie mit erheblichem Kostenaufwand die Personendatenerfassungsbögen, die Vertragstexte und die Formularschreiben entwerfen lassen und marktgängig gemacht. Da die Vertragstexte und Formulare den Erwartungen der Rechtsprechung angepaßt werden müßten, seien dafür in betriebswirtschaftlicher Hinsicht Kosten von 10 -20 % der Partnervermittlungsgebühren anzusetzen (Sachverständigengutachten).</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Die Schulungsveranstaltungen stellten eine außerordentlich bedeutende Gegenleistung dar. Sie, die Beklagte, trage die Kosten der Grund- und Nachschulung. Die Vermittlung des Wissens belaste sie monatlich mit über 15.000,-- DM (Zeugnis xxx). Würden die Repräsentanten eine vergleichbare Schulung bei der Firma xxx in xxx absolvieren, entstünden ihnen Kosten von jeweils mehr als 2.000.-- DM.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Da für den Repräsentanten im Falle der ordnungsgemäßen Beendigung des Vertragsverhältnisses kein Wettbewerbsverbot bestehe, könne dieser sogleich eine selbständige Repräsentantentätigkeit ausüben und die im Rahmen der Schulungen erworbenen Kenntnisse für sich nutzbar machen und zu ihr, der Beklagten, unter Ausnutzung der Kenntnisse ihrer Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse in direkten Wettbewerb treten.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Aber nicht nur darin liege ein Vorteil, der über die gesetzliche Regelung der §§ 84 ff. HGB hinausgehe. Zu berücksichtigen sei auch die Regelung in § 4 des Vertrages, nach der es dem Repräsentanten erlaubt sei, über das ihm zu seinem Schutz eingeräumte Gebiet hinaus mit vertraglich festgelegten Werbeträgern - allerdings ohne den Zusatz "xxx Partner" - zu werben.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Darüber hinaus gewähre sie dem Repräsentanten ungewöhnlich hohe Provisionen nach §§ 8 und 10 des Vertrages. Dadurch verschiebe sich das gesetzliche Leitbild zu Lasten des Unternehmers.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Der von dem Repräsentanten gemäß § 7 des Vertrages zu zahlende Betrag sei bei entsprechendem Einsatz nach relativ kurzer Vertragszeit zurückzuverdienen. Die guten Erwerbsmöglichkeiten seien insbesondere auf die unter verkaufspsychologischen Aspekten erarbeitete und aufwendig gestaltete Kundenkarte zurückzuführen, deren Entwicklung etwa 80.000,-- DM gekostet habe (Zeugnis xxx) und die dem Repräsentanten xxx beim Verkaufsgespräch wesentlich helfe.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Die Regelung in § 7 des Vertrages sei branchenüblich. Auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche sei aber angemessen Rücksicht zu nehmen. Auch sechs von ihr namentlich genannte Firmen (B1. 92, 93) würden Repräsentanzen verkaufen.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Ferner wehrt sich die Beklagte dagegen, daß das Landgericht den Repräsentantenvertrag der Parteien als Handelsvertretervertrag qualifiziert hat. Ihrer Meinung nach ist der Vertrag einem Franchise-Vertrag angenähert, für den die Entrichtung eines Entgelts durch den Franchise-Nehmer typisch sei. Ihre Vertragsgestaltung sei branchenüblich geworden (Sachverständigengutachten).</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:57px">das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 28. April 1988 abzuändern und die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:57px">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Er wiederholt sein Vorbringen erster Instanz und verteidigt das angefochtene Urteil. Ergänzend führt er aus:</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">§ 7 des Vertrages sei nicht zwischen den Parteien im Einzelfall ausgehandelt worden. Vielmehr sei der Betrag in dem vorformulierten Vertragstext enthalten. Unstreitig verlange die Beklagte von allen ihren Vertretern die gleichhohe Vertragssumme.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Die Zahlungsverpflichtung belaste ihn unangemessen im Hinblick auf die Vertragsdauer, die nach § 9 des Repräsentantenvertrages schon nach einem halben Jahr beendet sein könne. Dann stünde die Höhe des Eintrittsgeldes selbst mit den von der Beklagten behaupteten Gewinnchancen in keinem Verhältnis, zumal die Beklagte nach dem Vertrag selbst dann nicht zur Rückzahlung verpflichtet sei, wenn sie das Vertragsverhältnis nach Ablauf von nur 6 Monaten gekündigt habe.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Der Kläger bestreitet, daß das Schulungsprogramm vertragsgemäß durchgeführt werde. Es habe lediglich eine Zusammenkunft an einem Samstagvormittag gegeben. Nach Art und Umfang sei diese Veranstaltung nicht geeignet, den anwesenden Vertretern auch nur rudimentäre Grundkenntnisse zu verschaffen.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Das Schulungsprogramm stelle keine ausreichende Gegenleistung der Beklagten dar. Darüber hinaus könne die Beklagte auch nichts daraus herleiten, daß ein Wettbewerbsverbot nicht vereinbart worden sei, denn das entspreche dem § 90 a HGB.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Das Vertragswerk der Beklagten sei auch nicht einem Franchise-Vertrag angenähert. § 1 betone den Charakter des Handelsvertretervertrages, und der Repräsentant müsse unterschreiben, daß er von den §§ 84 und 86 HGB Kenntnis genommen habe.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Der Kläger bestreitet zudem, daß die Vertragsgestaltung in der Branche der Beklagten handelsüblich sei (Sachverständigengutachten).</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Er meint, § 7 des Repräsentantenvertrages sei auch sittenwidrig und daher nichtig. Zudem sei der Vertrag wirksam fristlos gekündigt und vorsorglich wegen arglistiger Täuschung angefochten worden. Insoweit wiederholt und ergänzt er unter Beweisantritt sein Vorbringen erster Instanz.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Die Berufung der Beklagten ist sachlich nicht gerechtfertigt.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Dem Kläger steht gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alternative BGB ein Anspruch auf Rückzahlung von 6.840,-- DM gegen die Beklagte zu.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">§ 7 des Repräsentantenvertrages ist gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG nichtig. Der Senat teilt die Entscheidung des hiesigen 7. Zivilsenats im Urteil vom 09.12.1988 - 7 U 90/88 - und gibt die in seinem Beschluß vom 27.10.1988 - 18 W 25/88 - vertretene Rechtsauffassung auf.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">§ 7 des Repräsentantenvertrages unterliegt den Bestimmungen des AGBG. Die Beklagte hat den Wortlaut des Vertrages vorformuliert. Sie hat den Vertragstext für eine Vielzahl von Verträgen entworfen und auch verwendet. Dies gilt auch für § 7. Der dort genannte Betrag ist vorgedruckt. Über ihn hat die Beklagte nicht mit den einzelnen Handelsvertretern, auch nicht mit dem Kläger, verhandelt. Sie fordert von jedem ihrer Vertragspartner exakt 6.840,-- DM. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 AGBG sind damit erfüllt.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Eines Rückgriffs auf die vom Kläger herangezogene Entscheidung des OLG Frankfurt (NJW - RR 1987, 548) bedarf es nicht. In dem vom OLG Frankfurt entschiedenen Fall waren die Beträge von 6.000,-- DM und 6.840,-- DM sogar handschriftlich eingetragen worden, und gleichwohl hatte sich das OLG für eine allgemeine Geschäftsbedingung und nicht für eine Individualvereinbarung ausgesprochen.</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">§ 7 des Repräsentantenvertrages ist nicht gemäß § 8 AGBG von der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz ausgeschlossen.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Nach § 8 AGBG gelten die §§ 9 - 11 AGBG nur für Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Von der Inhaltskontrolle ausgenommen sind danach Inhalte, die ihrer Art nach nicht der Regelung durch Gesetz oder andere Rechtsvorschriften unterliegen, sondern im marktwirtschaftlichen System von den Parteien festgelegt werden müssen und bei deren Fehlen der Vertrag mangels Bestimmtheit und Bestimmbarkeit des Hauptgegenstandes nicht durchgeführt werden kann, vgl. Wolf in Wolf/Horn/Lindacher, Rn. 8 zu § 8. Wolf spricht insoweit von den essentialia negotii. Brandtner stellt insoweit in erster Linie auf die Abreden über den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistungen, also insbesondere über Art und Qualität des von einem Teil zu leistenden Wirtschaftsgutes und die vom anderen Teil zu erbringende Gegenleistung ab, vgl. Ulmer-Brandtner-Hensen, AGB-Gesetz, 5. Aufl., Rn. 6 zu § 8. Damit scheiden Preisvereinbarungen und sonstige Festlegungen des Aequivalenzverhältnisses aus dem Anwendungsbereich der §§ 9-11 AGBG aus.</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Hauptleistungspflichten prägen die Eigenart des jeweiligen Schuldverhältnisses. Sie sind für die Einordnung in die verschiedenen Typen der Schuldverhältnisse entscheidend, vgl. Palandt-Heinrichs, 48. Aufl., Einleitung vor § 241 Anm. 1e. Betrachtet man das gesamte Vertragswerk der Parteien, läßt sich die Zahlungsverpflichtung nach § 7 nicht als Hauptleistungspflicht einstufen. Der Vertrag ist als Handelsvertretervertrag zu qualifizieren. § 1 S. 2 stellt ausdrücklich klar, daß der Repräsentant Handelsvertreter im Sinne des HGB ist. Nach § 1 S. 3 bestätigt der Repräsentant, insbesondere von den §§ 84 und 86 HGB Kenntnis genommen zu haben. Diese Normen sind von den Parteien zusätzlich noch unterschrieben worden und, wie es § 1 S. 4 des Vertrages vorsah, zum Inhalt des Vertrages gemacht worden. § 86 HGB beschreibt die Pflichten des Handelsvertreters. Der Handelsvertreter hat unter Wahrnehmung der Interessen des Unternehmers auf die Vermittlung oder den Abschluß von Geschäften gerichtete Dienste zu leisten. Diese Hauptleistungspflicht des Handelsvertreters ist in § 4 des Repräsentantenvertrages im einzelnen geregelt. Dazu steht im Aequivalenzverhältnis die Pflicht der Beklagten zur Provisionszahlung, die in den §§ 8 und 10 des Vertrages normiert worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Weisen die im Vertrag verwendeten Begriffe und die angegebenen gesetzlichen Normen ebenso eindeutig auf einen Handelsvertretervertrag hin, wie die Regelungen der für einen Handelsvertretervertrag typischen Hauptleistungspflichten der Vertragsparteien, so vermögen die dagegen gerichteten Argumente der Beklagten, der Vertrag sei dem Franchise-Vertrag angenähert, aus den vom hiesigen 7. Zivilsenat im Urteil vom 09.12.1988 - 7 U 90/88 - dargelegten Gründen nicht zu greifen. In dem Urteil heißt es:</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">"Die Auffassung der Klägerin, es handele sich hierbei um eine falsa demonstratio, weil tatsächlich ein Franchise-Vertrag vorgelegen habe, geht fehlt. Ein Franchise-Vertrag scheidet eindeutig aus, weil die charakteristischen Merkmale dieses Vertragstypus fehlen. Eine obligatorische Voraussetzung des Franchise-Vertrages ist es, daß die einzelnen Vertriebsstellen rechtlich selbständig sind. Während ein Handelsvertreter gelegentlich Geschäfte für den Unternehmer vermittelt oder diese im Namen des Unternehmers abschließt, bleibt der Franchise-Nehmer unabhängig (EUGH NJW 1986, 1417) und schließt seine Verträge im eigenen Namen und für eigene Rechnung (vgl. Skaupy, BB 1969, S. 113 ff.). Das ist hier jedoch nicht der Fall, weil der Beklagte nach § 6 des Vertrages die Kundenverträge im Namen der Klägerin abzuschließen hatte, was typisch für die Befugnisse eines Handelsvertreters ist. Nach § 6 Abs. 2 des Vertrages war die Klägerin sogar berechtigt, Kundenverträge abzulehnen. Der Beklagte war im Zweifelsfall verpflichtet, vor Abschluß eines Kundenvertrages mit der Klägerin Rücksprache zu nehmen. Spezifisches Merkmal für das Franchise-System ist außerdem das einheitliche Auftreten von Franchise-Geber und Nehmer (Skaupy, Franchising, S. 6). Auch davon kann hier nicht die Rede sein. In seiner Werbung hatte der Beklagte deutlich kenntlich zu machen, daß er lediglich als Vermittler tätig werde. Er mußte seinen eigenen Anzeigenfuß verwenden und durfte lediglich den Zusatz " xxx Partner" verwenden. Außerhalb des festgelegten Werbeträgers durfte der Beklagte nicht einmal diesen Zusatz verwenden. Schon diese tiefgreifenden Unterschiede zeigen, daß der Vertrag ... keinen Franchise-Vertrag darstellte, sondern dem Beklagten die typische Stellung eines Handelsvertreters gemäß § 84 Abs. 1 HGB einräumte."</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Die in § 7 des Repräsentantenvertrages normierte Zahlungsverpflichtung des Handelsvertreters ändert an der rechtlichen Einordnung des Vertrages nichts. In einem Handelsvertretervertrag stellen die Leistungen des Unternehmers, die der Repräsentant nach § 7 Abs. 2 mit der Zahlung abgelten soll, keine Hauptleistungspflichten dar. Das gilt, ohne daß es weiterer Vertiefung bedarf, auch für die besonders hervorgehobenen "Vorausleistungen" wie die Grundausbildung und Schulung des Repräsentanten sowie die sofortige Bereitstellung des vereinbarten Werbeträgers und die Vermittlung eines wesentlichen Teils des für die künftige Tätigkeit des Repräsentanten notwendigen Wissens "im Zuge des Abschlusses" des Vertrages. Derartige Leistungen werden ebenso wie die zur Verfügungstellung von Formularen und anderen zur Ausübung der Handelsvertretertätigkeit, erforderlichen Unterlagen nach der gesetzlichen Regelung des Handelsvertreterrechts vom Unternehmer grundsätzlich nicht gegen Entgelt erbracht, vgl. § 86a Abs. 1 HGB. Sie stellen lediglich Nebenleistungen dar. Das gilt auch, soweit die Beklagte sich in der Verhandlung vor dem Senat darauf berufen hat, sie habe dem Kläger ihren Kundenstamm zur Mitnutzung überlassen, weil nur über sie den vom Kläger geworbenen Partnersuchenden geeignete Partner hätten benannt werden können. Diese Leistung der Beklagten ist im Ergebnis nicht anders zu werten als die Leistung eines Unternehmers, der zum Vertrieb durch Handelsvertreter Waren beschafft und bereithält und dafür bei der erstrebten Veräußerung Entgelt erhält. Demzufolge kann die in § 7 normierte Zahlungs-Verpflichtung des Repräsentanten nicht als Gegenleistung einer vom Unternehmer zu erbringenden Hauptleistungspflicht eingestuft werden.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Der Senat verkennt nicht, daß es den Parteien im Rahmen der Parteiautonomie freisteht, vom üblichen Vertragstypus abzuweichen und typische Nebenpflichten als Hauptpflichten zu vereinbaren. Eine solche Vereinbarung haben die Parteien im Repräsentantenvertrag aber nicht getroffen.</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">Versteht man unter der Hauptpflicht die den Vertragstyp kennzeichnende Pflicht, müßte das Fehlen der Pflicht den Vertrag zu einem anderen Typ gehören lassen. Würde hier jedoch die Zahlungspflicht nach § 7 fehlen, läge ebenfalls ein Handelsvertretervertrag vor.</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Will man die Einteilung in Haupt- und Nebenpflichten auf den gegenseitigen Vertrag beschränken, dann sind Hauptpflichten im Gegensatz zu Nebenpflichten synallagmatisch.</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Der Handelsvertretervertrag als besondere Ausprägung des Dienstvertrages sieht aber in synallagmatischer Verknüpfung die werbende Tätigkeit des Handelsvertreters und die Provisionszahlungspflicht des Unternehmers.</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Nun zeigt zwar die Regelung in § 7 Abs. 2 des Repräsentantenvertrages, daß die einmalige Zahlung von 6.840,-- DM mit den von der Beklagten erbrachten Vorausleistungen gekoppelt ist. Dadurch wird aber § 7 Abs. 1 nicht zu einer "Leistungsbeschreibung" oder "Hauptkondition", die der Inhaltskontrolle entzogen wäre. Es darf nicht übersehen werden, daß nur die vertragsgemäße Festlegung des unmittelbaren Hauptleistungsgegenstandes, den der andere Teil erwerben will, nicht kontrollfähig ist. Alle im weiteren Sinne leistungsbeschreibenden, nämlich das Hauptleistungsversprechen ausgestaltenden bzw. modifizierenden Regelungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen können nach den §§ 9 - 11 AGBG überprüft werden. Läßt sich der Verwender allgemeiner Geschäftsbedingungen eine nach dem Gesetz unentgeltlich zu erbringende Nebenleistung vergüten, kann darin nicht die vertragsgemäße Festlegung des unmittelbaren Hauptleistungsgegenstandes gesehen werden.</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Eine andere Beurteilung ist hier auch nicht unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (NJW 1985, 58 ff. BB 68, 927, VersR 59, 692 ff.) unter dem Stichwort eines "Kaufs" einer Bezirksvertretung bei Abschluß eines Bezirksvertretervertrages angezeigt. Die genannten Entscheidungen betreffen nicht vergleichbare Fallgestaltungen. In ihnen geht es um die Frage, ob der Unternehmer den gegen ihn gerichteten Ausgleichsanspruch eins höheren Handelsvertreters auf den Nachfolger abwälzen kann und unter welchen Voraussetzungen die Zahlung des Ausgleichs durch den Nachfolger bei der Berechnung seines späteren Ausgleichsanspruchs zu berücksichtigen ist. Ob der Unternehmer beim Wechsel des Vertreters den Ausgleich des ausscheidenden Vertreters auf dessen Nachfolger im Wege der Vereinbarung abwälzen kann oder ob dies nach §§ 87, 89b HGB unzulässig oder sittenwidrig ist, hat der BGH im Urteil vom 29.06.1959 noch offengelassen. In den Entscheidungen vom 10.06.1968 und 10.05.1984 hat er dann ausgesprochen, daß sich der Handelsvertreter verpflichten kann, dem Unternehmer den Ausgleichsbetrag (§ 89b HGB) zu erstatten, den dieser einem für ihn tätig gewesenen Handelsvertreter zu zahlen hat und daß sich der Handelsvertreter auch zu direkten Zahlungen des Ausgleichs an seinen Vorgänger verpflichten kann, weil der Unternehmer den Ausgleichsanspruch wirtschaftlich und auch rechtlich auf den Nachfolger des ausscheidenden Handelsvertreters abwälzen könne.</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">Es ist schon zweifelhaft, ob bei einem Dauerschuldverhältnis wie dem Handelsvertreterverhältnis die Pflicht zur einmaligen Zahlung infolge der Abwälzung des Ausgleichsanspruchs und die damit für den einsteigenden Handelsvertreter verbundene Nutzungsmöglichkeit des übernommenen Kundenstammes sich als eigenständiges Rechtsgeschäft mit eigenen Hauptleistungspflichten darstellt. Diese Frage kann jedoch dahinstehen, denn der Repräsentantenvertrag stellt jedenfalls kein derartiges Rechtsgeschäft dar. Es kann nach dem Vertragswerk der Beklagten ausgeschlossen werden, daß sie einen gegen sie gerichteten Ausgleichsanspruch auf den Kläger abwälzen wollte. Zum einen trägt sie nicht vor, daß sie Ausgleichsansprüchen früherer Handelsvertreter ausgesetzt ist, zum anderen verlangt sie von sämtlichen Handelsvertretern exakt 6.840,-- DM. Es ist aber nicht anzunehmen, daß Ausgleichsansprüche früherer Handelsvertreter der Beklagten der Höhe nach identisch sind.</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Ferner besagt § 7 Abs. 2 des Vertrages, welche Leistungen der Beklagten abgegolten werden sollen. Soweit Grundausbildung, Schulung, Formulare und andere Unterlagen gemeint sind, verbietet sich eine Parallele zu den genannten Fällen, die der Bundesgerichtshof entschieden hat, ohne nähere Begründung. Aber auch soweit die sofortige Bereitstellung des vereinbarten Werbeträgers für den Repräsentanten in § 7 Abs. 2 S. 2 des Repräsentantenvertrages angesprochen wird, geht es nicht um die Nutzungsmöglichkeit eines übernommenen Kundenstammes. Es wird im Vertrag nicht deutlich, daß der Repräsentant einen Kundenstamm übernehmen kann und soll. Er soll vielmehr selbst werben und neue Kunden für die Partnerschaftsvermittlung gewinnen. Gegen die Übernahme des Kundenstammes spricht nicht zuletzt die spezifische Eigenart des Marktes, auf dem die Repräsentanten tätig werden sollen. Kann beim klassischen Fall der Handelsvertretung, der Vermittlung von Kaufverträgen über Konsumgüter, von einem Kundenstamm gesprochen werden, von dem man Nachfolgeaufträge erwarten darf, so ist dies in dieser Form bei der Partnerschaftsvermittlung (nahezu) ausgeschlossen. Es wäre nur denkbar, daß der Repräsentant laufende Vermittlungsbemühungen seines Vorgängers übernimmt und er insofern potentielle Kunden vorfindet. Dann ist aber immer noch sehr zweifelhaft, ob darin die Nutzung eines Kundenstammes liegt. Jedenfalls gibt der Vertrag nichts dafür her, daß der Repräsentant die Chance erhalten sollte, in laufende, von seinem Vorgänger begonnene Vermittlungsbemühungen mit potentiellen Kunden einzusteigen.</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">Gegen die Qualifizierung der Zahlungspflicht in § 7 des Vertrages als Hauptleistungspflicht spricht zudem, daß durch den Handelsvertretervertrag ein Dauerschuldverhältnis begründet wird. Der Vertrag ist zwar nach § 9 Abs. 1 S. 1 zunächst für den Zeitraum von 6 Monaten fest abgeschlossen worden. Die Vertragsparteien halten eine Verlängerung des Vertrages nach § 9 Abs. 1 S. 2 aber für wünschenswert und haben eine Verlängerungsklausel vereinbart. Berücksichtigt man neben dem Aspekt der Vertragsdauer, daß die Beklagte als Verwenderin der AGB unter Hinweis auf die erheblichen Provisionssätze von guten Erwerbsmöglichkeiten der Handelsvertreter ausgeht, dann tritt die einmalige Zahlung des Repräsentanten in den Hintergrund.</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Ohne Erfolg bezieht sich die Beklagte für ihre Ansicht, § 7 des Repräsentantenvertrages sei durch § 8 AGBG von der Inhaltskontrolle ausgenommen, auf Literatur und Rechtsprechung.</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">Die von ihr genannte Kommentierung von Wolf (Rdn. 13 zu § 8) hebt darauf ab, daß Preisvereinbarungen und sonstige Festlegungen des Aequivalenzverhältnisses aus dem Anwendungsbereich der §§ 9 - 11 AGBG ausscheiden. Vorausgeschickt ist aber die den Grundsatz des § 6 AGBG erläuternde Rdn. 9, in der gerade zum Ausdruck kommt, daß die gemeinten vertraglichen Regelungen (also auch Preisvereinbarungen und sonstige Festlegung des Aequivalenzverhältnisses) die essentialia negotii betreffen müssen. Darum handelt es sich bei der Zahlungsverpflichtung in § 7 des Repräsentantenvertrages aber nicht.</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">Die von der Beklagten zitierte Entscheidung des BGH (NJW 84, 171, 172) bezieht sich auf einen nicht vergleichbaren Sachverhalt. Dort ging es um einen Formularvertrag über den Erwerb eines noch zu errichtenden Hauses. Für das gesamte Objekt war ein Pauschalpreis vereinbart worden. In einen Katalog zusätzlich anfallender "Aufschließungskosten", die mit der eigentlichen Errichtung des Hauses nichts zu tun hatten, waren vertragliche Bauleistungen (Aushub und Verfüllung der Baugrube) einbezogen worden. Der Bundesgerichtshof sah darin eine Preisnebenabrede über zusätzlich zu vergütende Leistungen, auf die er § 9 AGBG angewendet hat. Preisnebenabreden, die eine Erhöhung der Gesamtvergütung von bestimmten Voraussetzungen abhängig machen, sollen der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz unterliegen.</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Wenn der Bundesgerichtshof schon bei einer Verschärfung der bei dem Austauschvertrag als klassische Hauptleistungspflicht zu wertenden Zahlungspflicht die Inhaltskontrolle zuläßt, muß diese erst recht eingreifen, wenn sich der Unternehmer eine gegenüber dem Handelsvertreter bestehende Nebenpflicht vergüten läßt.</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">Die weiterhin von der Beklagten genannte Entscheidung des Bundesgerichtshofs (NJW 1987, 1828, 1829) bezieht sich auf die Inhaltskontrolle einer pauschalen Berechnung von Baukostenzuschüssen und Hausanschlußkosten durch ein städtisches Versorgungsunternehmen mit Monopolstellung. Wenn Wohnhäuser zum Betrieb der Heizung und der Warmwasserzubereitung an die städtische Gasversorgung angeschlossen werden, liegt es auf der Hand, daß die Gegenleistung in der Geldzahlung besteht. Die Hauptleistungspflichten sind synallagmatisch verknüpft. Deshalb hat der Bundesgerichtshof die Pauschalen als "reine Preisgestaltung" qualifiziert und ausgeführt, daß sie damit gemäß § 8 AGB-Gesetz grundsätzlich nicht der Überprüfung nach §§ 9 - 11 AGBG unterliegen.</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">Für die Meinung der Beklagten gibt die Entscheidung nichts her. Sie läßt vielmehr erkennen, daß der Bundesgerichtshof zu einer restriktiven Auslegung des § 8 AGBG neigt, da er andernfalls nicht betont hätte, daß es sich um <u>reine</u> Preisgestaltungen handelt und diese auch nur <u>grundsätzlich</u> der Inhaltskontrolle nach dem AGBG nicht unterliegen.</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">Die Rechtsfrage, ob § 7 des Repräsentantenvertrages der Inhaltskontrolle nach dem AGBG zugänglich ist, muß nicht zuletzt aus dem Sinn und Zweck des AGBG entschieden werden. Die Inhaltskontrolle soll den Vertragspartner des Verwenders von allgemeinen Geschäftsbedingungen vor einer einseitig vorgeschriebenen, unangemessenen Verkürzung der vollwertigen Leistung, die er nach dem Gegenstand und Zweck des Vertrages erwarten kann, schützen. Der Klauselverwender darf der Inhaltskontrolle einer Regelung nicht entgehen, wenn er sich durch diese Regelung eine von ihm grundsätzlich unentgeltlich geschuldete Nebenleistung honorieren läßt und so die Rechte des Vertragspartners wesentlich einschränkt.</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">Mit der hier vertretenen Meinung knüpft der Senat an seine Rechtsprechung im Urteil vom 10. Dezember 1987 - 18 U 10/87 - an. Dort hat er die Risikoverteilung nach dem gesetzlichen Leitbild der §§ 84 ff. HGB dargestellt und einer allgemeinen Geschäftsbedingung die Geltung abgesprochen, nach der sich der Handelsvertreter mit einem wesentlichen Beitrag an den Vorhaltekosten beteiligen mußte.</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">Der Senat sieht sich nicht zuletzt bestätigt durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 02.10.1981 (NJW 1982, 181, 182). Der Bundesgerichtshof hat eine Klausel, nach der bei Vertragsabschluß eine sogenannte Vertragsanschlußgebühr von 6.000,-- DM gezahlt werden sollte, nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGB-Gesetz für unwirksam gehalten, ohne sich mit § 8 AGBG auseinanderzusetzen, obwohl in der Entscheidung die Frage einer gegenüber der Vertragsanschlußgebühr von 6.000,-- DM ins Gewicht fallenden Gegenleistung angesprochen wird.</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">Der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz hält § 7 des Repräsentantenvertrages nicht stand. Hinsichtlich der anzuwendenden Maßstäbe ist auf das Urteil des Senats vom 10. Dezember 1987 - 18 U 10/87 -, die bereits zitierte Entscheidung des hiesigen 7. Zivilsenats vom 9. Dezember 1988 - 7 U 90/88 - sowie auf die Entscheidung des OLG Frankfurt (NJW - RR 87, 548) zu verweisen.</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">§ 7 des Repräsentantenvertrages entspricht danach nicht dem gesetzlichen Leitbild und bewirkt eine unangemessene Risikoverteilung. Die Unangemessenheit wird deutlich durch die Höhe des Entgelts im Verhältnis </p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">zu den höchst zweifelhaften Erwerbschancen und Risiken auf dem hart umkämpften Gebiet der Partnerschaftsvermittlung, worauf im Vertrag nicht hingewiesen worden ist,</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">zur Verpflichtung zur Werbung auf eigene Kosten,</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">zur möglicherweise nur 6-monatigen Vertragsdauer und</p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks">zur Möglichkeit der Beklagten, Verträge abzulehnen und damit die Entstehung von Provisionsansprüchen zu verhindern.</p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks">Demgegenüber vermögen die Gegenargumente der Beklagten nicht zu überzeugen. Schulung, Wissensvermittlung sowie die behauptete kostspielig entwickelte Kundenkarte kommen auch ihr zu Gute. Daß sich ein Handelsvertreter selbständig macht und als Konkurrent auftritt, stellt keine Besonderheit dar. Es gilt § 90 a HGB. Bei einer Wettbewerbsabrede hätte die Beklagte eine angemessene Entschädigung zahlen müssen.</p>
<span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks">Die Ausschließlichkeitzusage hat keinen Wert. Andere Handelsvertreter der Beklagten können ohne xxx-Zusatz in demselben Bereich werbend tätig werden.</p>
<span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks">Die Höhe der Provision ist nur von Gewicht, wenn die Handelsvertreter auch entsprechend zahlreiche Geschäfte abschließen. Das aber ist gerade wegen des besonderen Marktes und der Möglichkeit der Beklagten, Vertragsabschlüsse abzulehnen, völlig offen.</p>
<span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks">Eine andere Beurteilung ist auch nicht aufgrund des von der Beklagten behaupteten Handelsbrauchs angezeigt. Dazu hat bereits der 7. Zivilsenat in seiner Entscheidung vom 9. Dezember 1988 - 7 U 90/88 - ausgeführt:</p>
<span class="absatzRechts">103</span><p class="absatzLinks">"Auch der erneute Hinweis der Klägerin auf eine Handelsüblichkeit derartiger Klauseln über die Zahlung einer Vertragsabschlußgebühr greift nicht durch und kann eine Angemessenheit der Regelung nicht darlegen. Zu dieser Frage hat der Senat bereits in dem genannten Urteil vom 11. Oktober 1988 (7 U 59/88) Stellung genommen. Zwar kann die Üblichkeit einer Vertragsgestaltung darauf hindeuten, daß die Regelung zweckmäßig ist und die Belastung der Kunden weiter als angemessen anzusehen ist (Ulmer-Brandher-Hensen; § 9 Rdn. 87). Insoweit ist gemäß § 24 Satz 2 AGBG in angemessenen Grenzen auf Handelsgewohnheiten und Gebräuche Rücksicht zu nehmen. Das setzt aber voraus, daß diese Rücksichtnahme den besonderen Bedürfnissen und Interessen der Vertragspartner entspricht (BGH NJW 1985, 2693, 2695). Das ist hier jedoch nicht der Fall, weil die geworbenen Repräsentanten noch häufig, wie auch der Beklagte im vorliegenden Fall, keine Erfahrungen im wirtschaftlichen Sektor haben. Verkehrssitte und ihre Sonderform, der Handelsbrauch, sind nur zu berücksichtigen, soweit dies mit Treu und Glauben und der gerechten Bewertung der im Spiel befindlichen Interessen zu vereinbaren ist. Eine tatsächliche Verkehrsübung ohne Rücksicht auf Treu und Glauben, insbesondere eine mißbräuchliche und ungerechte Verkehrssitte ist unbeachtlich (Wolf-Horn-Lindacher, AGBG 1984, § 9 Rdn. 119; Ulmer-Brandner-Hehsen, § 9 Rdn. 87 jeweils mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung). Die Verkehrssitte muß von allen Gruppen der beteiligten Verkehrskreise und nicht nur von einer Seite anerkannt sein (Wolf-Horn-Lindacher a. a. O.). Wenn mithin von Seiten ähnlicher Unternehmen wie der Klägerin solche Vertragsabschlußgebühren vereinbart und eingezogen werden, besagt dies allein für die Handelsüblichkeit noch nichts. Zu berücksichtigender Verkehrskreis ist nämlich auch der Verkehrskreis der geworbenen Repräsentanten. Ob aus der Sicht dieses Verkehrskreises eine Handelsüblichkeit besteht, ist aber erheblich zu bezweifeln und ist schon nicht hinreichend dargelegt. Selbst wenn eine solche Handelsüblichkeit bestehen sollte, wäre diese aber jedenfalls mit Treu und Glauben nicht vereinbar, da der geworbene Repräsentant, der - wie bereits ausgeführt - häufig auf wirtschaftlichem Sektor keine Erfahrung hat und über Anzeigen in Tageszeitungen geworben wird, nicht ohne weiteres in der Lage ist, das von ihm eingegangene Risiko der Vorausleistung abzuschätzen. Ob der Repräsentant überhaupt für eine derartige spezielle Tätigkeit geeignet ist, stellt sich zudem erst nach Zahlung des Abgeltungsbetrages heraus."</p>
<span class="absatzRechts">104</span><p class="absatzLinks">Da § 7 des Repräsentantenvertrags der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz nicht standhält, mag dahinstehen, ob das Vertragswerk der Beklagten wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig ist, wofür der Sachverhalt Anhaltspunkte bietet.</p>
<span class="absatzRechts">105</span><p class="absatzLinks">Der von dem Kläger geltend gemachte Zinsanspruch ist aus dem Gesichtspunkt des Verzuges begründet.</p>
<span class="absatzRechts">106</span><p class="absatzLinks">Die prozessuale Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">107</span><p class="absatzLinks">Die Zulassung der Revision ist weder nach § 546 Abs. 1 Nr. 1 ZPO noch nach § 546 Abs. 1 Nr. 2 ZPO geboten. Die vorliegende Sache hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung. Die Auswirkungen dieser Entscheidung betreffen einen überschaubaren Kreis gleichgelagerter Fälle. Die Beklagte hat selbst angegeben, ihr Vertragswerk nunmehr geändert zu haben. § 546 Abs. 1 Nr. 1 ZPO erfordert jedoch, daß eine unbestimmte Vielzahl von Fällen betroffen wird.</p>
|
315,228 | ag-aachen-1989-06-08-80-c-22089 | {
"id": 620,
"name": "Amtsgericht Aachen",
"slug": "ag-aachen",
"city": 380,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 80 C 220/89 | 1989-06-08T00:00:00 | 2019-03-13T14:49:51 | 2022-10-18T15:08:47 | Urteil | ECLI:DE:AGAC1:1989:0608.80C220.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Tatbestand</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin und ihr geschiedener Ehemann haben der Beklagten seit dem 1.4.1985 eine Wohnung im Haus M-Str. 48 vermietet. In der Wohnung, welche im 4. Geschoss liegt, ist eine Gegensprechanlage installiert, welche mit der Haustür Verbindung schaffen soll. Diese Gegensprechanlage funktioniert nicht.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Seit Oktober 1986 hat die Beklagte wegen dieses Umstandes die Miete um 5 % gemindert und darüber hinaus wegen der Nichterteilung von Nebenkostenabrechnungen hinsichtlich eines weiteren Teils des zu zahlenden Mietzinses von einem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch gemacht. Zwischenzeitlich ist die Abrechnung erteilt. Der Beklagten steht insoweit in Guthaben in Höhe von 691,42 DM zu.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung der seit Oktober 1986 eingehaltenen Mietzinsbeträge und behauptet, dass der Beklagten bei Einzug in die Wohnung der Umstand, dass die Gegensprechanlage nicht funktionstüchtig ist, bekannt gewesen sei.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Im Übrigen ist die KIägerin der Auffassung, hierin liege kein Mangel der Mietsache.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Nachdem die Klägerin zunächst die Zahlung von 1.387,20 DM begehrt hatte, nahm sie in der mündlichen Verhandlung die Klage in Höhe von 691,42 DM zurück, da sie in Höhe des Guthabens der Beklagten aus den Nebenkostenabrechnungen in Höhe von 691,42 DM vor Klageerhebung mit der nach ihrer Ansicht doch bestehenden Mietzinsforderung die Aufrechnung erklärt hatte.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:106px">die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.387,20 DM nebst 4 % Zinsen aus jeweils monatlich 25,80 DM beginnend mit dem 1.10.1986 bis 31.12.1987, sowie aus jeweils monatlich 68,40 DM, beginnend ab 1.1.88 bis 31.3.89, jeweils fällig gewesen am 3. Werktage des jeweiligen Monats, sowie 4 $ Zinsen aus 1.387,20 DM ab 1.4.1989 zu zahlen, abzüglich des mit Schreiben vom 30.11.1988 anerkannten Betrages von 691,42 DM.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Sie trägt vor, zu einer 5%igen Mietzinsminderung berechtigt gewesen zu sein. Im übrigen erklärt die Beklagte die Aufrechnung mit ihrer Forderung aus der Nebenkostenabrechnung in Höhe von 691,42 DM.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks"><u>Entscheidungsgründe</u></p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Der Klägerin steht gegen die Beklagte der geltend gemachte Mietzinsanspruch nach § 535 Satz 2 BGB nicht zu.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte schuldet seit Oktober 1986 nach § 537 Abs. 1 BGB einen um 5 % gekürzten monatlichen Nettomietzins.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die vermietete Wohnung ist mit einem Fehler im Sinne des § 537 ABs. 1 BGB behaftet, der die Tauglichkeit der Wohnung zum vertragsgemäßen Gebrauch nicht unerheblich beeinträchtigt.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Unstreitig ist die in der Wohnung vorhandene Gegensprechanlage zur Haustür hin ohne Funktion. Dies stellt einen Mangel im Sinne der genannten Vorschrift dar. Die Wohnung ist im 4. Geschoss gelegen. Die Gegensprechanlage dient dazu, ungebetene Besucher erst gar nicht ins Haus einzulassen. Der Mieter kann sich über die Gegensprechanlage Kontrolle darüber verschaffen, wer zu ihm in die Wohnung will. Die Gegensprechanlage ist daher als nicht unwesentliches Element zu Gewährleistung der Sicherheit eines Mieters der Wohnung anzusehen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Durch den genannten Mangel ist die Wohnung in ihrer Tauglichkeit zum vertragsmäßigen Gebrauch nicht unerheblich gemindert.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Will die Beklagte ihrem Sicherheitsbedürfnis genauso genüge tun wie im Falle der Funktionstüchtigkeit der Gegensprechanlage, ist die Beklagte gehalten, bei jedem Besuch von ihrer Wohnung im 4. Stock aus zur Haustür zu gehen, um eventuelle miesliebige Besucher erst gar nicht in die Wohnung einlassen zu müssen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Das Recht der Beklagten zur Zahlung eines geminderten Mietzinses ist nicht nach § 539 BGB ausgeschlossen. Nur dann, wenn der Mieter beim Abschluss des Vertrages den Mangel der gemieteten Sache kennt, steht ihm das Minderungsrecht nicht zu.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Voraussetzungen dieser Vorschrift hat die Klägerin nicht ordnungsgemäß dargelegt und zu Beweis gestellt. Selbst wenn die Beklagte in früheren Jahren bereits einmal in dem Haus gewohnt hat und die Gegensprechanlage – wie die Klägerin behauptet – zu keinem Zeitpunkt funktioniert hat, kann hieraus keine Kenntnis der Beklagten von diesem Mangel zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages am 24.3.85 hergeleitet werden: Die Beklagte könne schließlich selbst dann, wenn die Behauptung der Klägerin zutrifft, davon ausgehen, dass der Mangel zwischenzeitlich beseitigt war.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Gegenteiliges kann die Klägerin auch nicht aus dem Übergabeprotokoll herleiten. Unstreitig hat die Beklagte die Gegensprechanlage nicht ausprobiert, so dass es sich um einen verborgenen Mangel handelt.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die technischen Einrichtungen waren zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Protokolls unstreitig vorhanden. Die elektronische Funktionsuntüchtigkeit war nicht ohne weiteres erkennbar.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Der Höhe nach steht der Beklagten wegen des Mangels ein Minderungsrecht in Höhe von 5 % des Nettomietzinses zu.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Beeinträchtigung des Sicherheitsbedürfnisses durch den Ausfall der Gegensprechanlage ist nicht unerheblich.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">In den 15 Monaten von Oktober 1986 bis Dezember 1987, in denen ein monatlicher Nettomietzins in Höhe von 425,80 DM zu zahlen war, ergibt sich somit ein monatlicher Minderungsbetrag von 21,29 DM und insgesamt 319,35 DM. In den weiteren 15 Monaten von Januar 1988 bis März 1989 ergibt sich bei einem monatlichen Nettomietzins von 468,40 DM ein monatlicher Minderungsbetrag von 23,42 DM, das sind insgesamt 351,30 DM.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Insgesamt schuldete die Beklagte in dem genannten Zeitpunkt Zeitraum gegenüber dem vertraglich vereinbarten Mietzins einen um 670,65 DM reduzierten Betrag.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die Differenz zur Klageforderung von 695,78 DM in Höhe von 25,13 DM schuldet die Beklagte ebenfalls nicht mehr. Insoweit ist die Forderung der Klägerin erloschen. Unstreitig steht der Beklagten aus den Nebenkostenabrechnungen bis 1987 ein Guthabensbetrag in Höhe von 691,42 DM zu. Die Beklagte hat mit dieser Forderung gegenüber der Klageforderung die Aufrechnung erklärt, so daß auch der restliche Mietzins in Höhe von 25,13 DM nicht mehr zu zahlen ist.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Streitwert: a) bis 4.6.89 1.387,20 DM</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">b) ab 5.6.89 695,78 DM</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Schaffer</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Richter am Amtsgericht</p>
|
315,229 | olgk-1989-06-08-10-uf-4089 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 10 UF 40/89 | 1989-06-08T00:00:00 | 2019-03-13T14:49:54 | 2022-10-18T15:08:48 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1989:0608.10UF40.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts -</p>
<p>Familiengericht - Aachen vom 13. Januar 1989 - 24 F 1/88 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:</p>
<p></p>
<p>Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin folgenden monatlichen Unterhalt</p>
<p>zu zahlen:</p>
<p></p>
<p>Für die Zeit vom 17.04. bis 30.06.1988 367,-- DM,</p>
<p></p>
<p>für die Zeit vom 01.07. bis 31.12.1988 426,77 DM,</p>
<p></p>
<p>für die Zeit ab 01.01.1989 367,-- DM.</p>
<p></p>
<p>Die Zahlungen sind bis zum 5. Kalendertag eines jeden Monats im Voraus</p>
<p>zu erbringen.</p>
<p></p>
<p>II. Von den Kosten des ersten Rechtszuges tragen die Klägerin 45 %</p>
<p>und der Beklagte 55 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der</p>
<p>Klägerin zu 70 % und dem Beklagten zu 30 % auferlegt.</p>
<p></p>
<p></p>
<p>III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p></p>
<p>Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.</p>
<p></p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Berufung des Beklagten hat in dem aufrechterhaltenen Umfang Erfolg. Der Beklagte kann sich mit Erfolg auf die Vorschrift des § 1608 Satz 2 BGB berufen und dadurch erreichen, daß ihm nicht nur der notwendige, sondern der angemessene Selbstbehalt verbleibt und die Unterhaltsansprüche der Klägerin gegen ihn entsprechend gekürzt werden.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">1 .</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Einwand des Beklagten, der Klage fehle für den Zeitraum vom 17.04. bis 17.10.1988 das Rechtsschutzbedürfnis, weil die Ansprüche der Klägerin insoweit durch die einstweilige Verfügung vom 18.04.1988 - 24 F 50/88 AG Aachen - tituliert sind, greift nicht durch. Das Vorhandensein eines Titels in Form einer einstweiligen Verfügung oder einstweiligen Anordnung ist generell nicht geeignet, das Rechtsschutzbedürfnis für die Hauptsacheklage zu verneinen. Sinn und Zweck des Hauptsacheverfahrens bestehen vielmehr gerade darin, abschließend darüber zu befinden, ob die lediglich im summarischen Verfahren festgestellten Ansprüche tatsächlich bestehen. Auch der Hinweis darauf, daß der Beklagte Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung nicht eingelegt hat, ist für sich bedeutungslos, zumal der Widerspruch nicht fristgebunden ist. Wenn der Beklagte sich der einstweiligen Verfügung hätte bedingungslos unterwerfen wollen, hätte er dies früher durch eindeutige Erklärung und umfassenden Verzicht auf jeglichen Rechtsbehelf (Widerspruch, Aufhebungsantrag) tun müssen. Eine eindeutige Äußerung des Beklagten dieser Art liegt jedoch nicht vor.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der für den vorgenannten Zeitraum des weiteren erhobene Einwand der Erfüllung greift ebenfalls nicht durch. Der Beklagte hat nach seinem eigenen Vortrag nicht freiwillig gezahlt, vielmehr hat die Klägerin Unterhaltsbeträge durch einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß bei dem Rentenversicherungsträger des Beklagten (Bundesknappschaft) zwangsweise beigetrieben. Der Erlaß eines ordentlichen Titels</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">ist erforderlich, um die Klägerin vor der Rückforderung durch den Beklagten zu schützen. Der Beklagte mag, wenn er die im Wege der Pfändung von der Klägerin eingezogenen Beträge als Leistung erfüllungshalber gelten lassen will, sich dementsprechend gegenüber der Klägerin erklären und auf die Rückforderung verzichten.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Das Verteidigungsvorbringen des Beklagten hat jedoch Erfolg, soweit es sich auf die Vorschrift des § 1608 Satz 2 BGB stützt. Dies hat zur Folge, daß sich seine Unterhaltspflicht auf die aus dem Tenor ersichtlichen Beträge beschränkt. </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der in § 1608 Satz 1 BGB aufgestellte Grundsatz, daß der Ehegatte des Bedürftigen vor dessen Verwandten auf Unterhalt haftet, erfährt durch Satz 2 der Vorschrift eine bedeutende Einschränkung. Die vorrangige Haftung besteht nämlich nicht, so lange</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">und so weit der Ehegatte bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen durch die Unterhaltsleistung seinen eigenen angemessenen Unterhalt gefährden</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">würde und leistungsfähige Verwandte vorhanden sind, die den ungedeckten Bedarfsteil des Berechtigten befriedigen könnten (vgl. dazu BGB-RG RK-Mutschler, 12. AufI., § 1608 Rn. 3; MK-Köhler, 2. AufI., § 1608 Rn. 1). Nur dann, wenn Verwandte</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">des Unterhaltsberechtigten nicht vorhanden sind oder diese unter Wahrung des eigenen angemessenen Bedarfs als leistungsunfähig einzustufen sind, tritt hinsichtlich des restlichen Bedarfs die verschärfte Haftung des Ehegatten ein, die ihm äußerstenfalls nur den notwendigen eigenen Bedarf beläßt (vgl. die vorg. KommentarsteIlen sowie StaudingerGotthardt, 11. AufI., § 1608 Rn. 5).</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Zwischen den Parteien steht außer Streit, daß Verwandte der Klägerin vorhanden sind, die zum Kreis der Unterhaltspflichtigen gern. § 1601 BGB gehören, nämlich die Zeuginnen C. und O., der Zeuge S. sowie bis zum 12. März 1989 der Zeuge L. Ist dies aber der Fall, so obliegt es nach einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Literatur dem unterhaltsberechtigten Ehegatten darzutun und zu beweisen, daß seine Verwandten leistungsunfähig sind (RGZ 57, 69, 76; 67, 56, 60; Soergel-Häberle,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">BGB, 12. Aufi., § 1608 Rn. 4; BGB-RG RK-Mutschler, a.a.O. Rn. 7). Diesen Beweis hat die Klägerin nicht geführt.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Dabei kann es dahinstehen, ob die Aussagen der Zeuginnen C. und O. ausreichen, um der Beweislast zu genügen, was die Berufung des Beklagten in Zweifel zieht. Denn im Hinblick darauf, daß die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Zeugen L. von der Klägerin in keiner Weise dargetan worden sind, kann sie Unterhalt für die Zeit bis März 1989 einschließlich bereits aus diesem Grund nur in eingeschränktem Umfang vom Beklagten verlangen. Soweit die Klägerin in ihrer Berufungserwiderung vortragen läßt, es könne nicht zu ihren Lasten gehen, daß sie die erforderliche Aufklärung hinsichtlich der wirtschaftlichen Verhältnisse des Zeugen L. nicht mehr führen könne, irrt sie; die Klägerin ist beweisbelastet und hat damit</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">zwangsläufig und typischerweise die aus dem Verlust eines Beweismittels resultierenden Folgen zu tragen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht ist darüber hinaus unzutreffend davon ausgegangen, der Zeuge S. könne seine Mutter nicht unterstützen. Bei seiner Vernehmung hat der Zeuge sein Nettoeinkommen auf 2.100,-- DM bis 2.200,-- DM ohne Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld beziffert. Es ist deshalb gerechtfertigt, sein laufendes Monatseinkommen auf durchschnittlich 2.150,-- DM zu beziffern und unter Hinzurechnung des Weihnachts- und Urlaubsgeldes einen Betrag von 2.320,-- DM monatlich anzusetzen. Zwar sind von diesem Einkommen die von dem Zeugen auf 500,-- DM bezifferte Rate zur Abtragung des zum Erwerb der Eigentumswohnung aufgenommenen Darlehens abzuziehen. Andererseits zieht der Zeuge aus der Eigentumswohnung jedoch Nutzungen im Sinne des § 100 BGB, indem er und seine Ehefrau dort wohnen. Der</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">hierdurch ersparte Mietzins kann auf mindestens 500,-- DM veranschlagt werden, so daß es insoweit bei dem Nettoeinkommen von 2.320,-- DM verbleibt. Nach Abzug der Autokreditrate in Höhe von 300,-- DM sowie der Beiträge zur Lebens- und Unfallversicherung, die der Zeuge auf 100,-- DM veranschlagt, ergibt sich ein bereinigtes Einkommen von 1.920,-- DM.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Eine vorrangige Unterhaltspflicht des Zeugen gegenüber seiner Tochter besteht nicht, weil diese volljährig ist. Außerdem verfügt diese als ausgebildete Altenpflegerin über ausreichendes eigenes Einkommen von ca. 1.400,-- DM netto (wahrscheinlich ohne Weihnachts- und Urlaubsgeld) und kann deshalb nicht mehr als unterhaltsbedürftig angesehen werden. Auch kann nicht von einer Unterhaltspflicht des Zeugen</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">gegenüber seiner Ehefrau ausgegangen werden, denn diese hat nach seinen Angaben eigenes Erwerbseinkommen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Differenz zwischen der Unterhaltsforderung der Klägerin und dem Betrag, den der Beklagte an die Klägerin zu zahlen verpflichtet ist (bzw. zu zahlen bereit ist) vermag der Zeuge S. aus seinem bereinigten Einkommen ohne Gefährdung seines angemessenen Selbstbehalts von 1.300,-- DM bis 31.12.1988 und 1.400,-- DM ab 01.01.1989 aufzubringen.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die vom Beklagten geschuldeten Unterhaltsbeträge berechnen sich wie folgt:</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Bis 30.06.1988 verfügte der Beklagte über Einkünfte in Form von Rente und Deputat in Höhe von zusammen 2.111,-- DM. Nach Abzug der unstreitigen Rate aus gemeinsamen Schulden von 444,-- DM verblieben somit noch 1.667,-- DM und folglich 367,-- DM über dem angemessenen Selbstbehalt.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Ab 01.07.1988 haben sich die Einnahmen des Beklagten ausweislich der vorliegenden Rentenbescheide erhöht auf 2.170,77 DM abzüglich 444,-- DM = 1.726,77 DM, so daß über dem angemessenen Selbstbehalt noch 426,77 DM verblieben.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Ab 01.01.1989 besteht das Einkommen des Beklagten in unveränderter Höhe weiter, jedoch ist sein angemessener Selbstbehalt nunmehr auf 1.400,-- DM zu veranschlagen, so daß er nur noch zur Zahlung von 326,77 DM verpflichtet wäre. Der Beklagte hat jedoch eine Zahlungsverpflichtung in Höhe von 367,-- DM monatlich anerkannt.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Der Zeuge S. muß somit zur Aufstockung des Unterhalts der Klägerin monatlich maximal 306,-- DM aufwenden, so daß ihm für seinen eigenen Bedarf mehr als 1.600,-- DM monatlich verbleiben.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 515 Abs. 3, 92 Abs. 1 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 8, 713 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Die Streitwertfestsetzung im Senatsbeschluß vom 8. Mai 1989 wird dahingehend ergänzt, daß der Streitwert für die Berufung ab 17. Mai 1989 nur noch 12 x 306 = 3.672,-- DM beträgt.</p>
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315,230 | olgk-1989-06-08-1-u-1089 | {
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"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 1 U 10/89 | 1989-06-08T00:00:00 | 2019-03-13T14:50:01 | 2022-10-18T15:08:48 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1989:0608.1U10.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung des Beklagten gegen das am 22. Dezember 1988 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 15 0 697/87 - wird zurückgewiesen.</p><p>Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.</p><p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">Tatbestand:</span></strong></p><span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger erstrebt vom Beklagten Schadensersatz wegen schuldhafter Schlechterfüllung eines anwaltlichen Mandatsvertrages.</p><span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Kläger war früher mit Frau T (im folgenden E genannt) verheiratet. Inzwischen ist er geschieden.</p><span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger, der mit beamtengleichen Bezügen und Versorgungsansprüchen bei einem Ortskrankenkassen-verband arbeitet, trennte sich am 15.12.1982 von E und zog in eine eigene Wohnung.</p><span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Unter dem 15.04.1983 erteilte er dem Beklagten Vollmacht, ihn in den anstehenden Unterhaltsfragen und der Ehescheidung zu vertreten (B1. 15 GA).</p><span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Dem Beklagten wurde im August 1983 bekannt, daß er am 07.10.1983 im Zuge einer Beförderung aus der Besoldungsgruppe A 11 in die Gruppe A 12 gelangen würde. Auch stand schon fest, daß er im Zuge eines Stellenwechsels vom 01.01.1984 an Bezüge und Versorgungsansprüche nach Besoldungsgruppe A 13 haben werde. Darauf machte er den Beklagten auch sogleich aufmerksam. Es war den Parteien klar, daß es dem Kläger darum ging, durch zweckentsprechende Gestaltung des Scheidungsverfahrens möglichst geringe Einbußen bei dem im Rahmen der Ehescheidung erforderlichen Versorgungsausgleich mit E zu erzielen. Der Beklagte klärte in diesem Punkt die Angelegenheit noch durch Nachfrage bei einem anderen Rechtsanwalt ab und schrieb dem Kläger unter dem 20.09.1983 (B1. 43 GA):</p><span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">In der Kernfrage, wann ein Scheidungsantrag bei Gericht zu stellen ist, um Ihre spätere Altersversorgung so wenig wie möglich zu belasten, halten wir es nach Rücksprachen mit dem genannten Kollegen für erforderlich, vor dem 07.10.1983 Antrag auf Scheidung der Ehe zu stellen.</p><span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Anders laufen Sie Gefahr, daß das A 12 Endgehalt bzw. das A 13 Endgehalt zugrunde gelegt wird.</p><span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Wir bitten um kurzen Rückruf, da wir zur Vorbereitung der Antragsschrift weitere Informationen benötigen.</p><span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Es kam dann am 06.10.1983 zu einer Besprechung zwischen den Parteien, aufgrund derer der Kläger unter dem 07.10.1983 einen "Kostenvorschuß gemäß Absprache von 06.10.1983" von 650,00 DM überwies (Bl. 44 GA).</p><span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte reichte unter dem 10.10.1983 bei dem Amtsgericht Köln - Familiengericht - Antrag auf einverständliche Scheidung der Ehe mit E ein (B1. 18 ff.). Gegen Ende der Antragsschrift hieß es (B1. 20 GA):</p><span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Abschließend beantragen wir, dem Antragsteller unter Beiordnung des Unterfertigers Prozeßkostenhilfe zu bewilligen.</p><span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Schon durch Beschluß vom 12.10.1983 wies das Amtsgericht Köln im Verfahren 319 F 321/83 den Antrag auf Prozeßkostenhilfe zurück, da die wirtschaftlichen Voraussetzungen für ihre Gewährung nicht dargetan seien, im übrigen das Trennungsjahr noch nicht abgelaufen sei und auch nach Ablauf dieser Frist die Ehe nur geschieden werden könne, wenn deren Zerrüttung konkret festzustellen sei oder nach § 1566 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 630 ZPO eine von beiden Parteien getragene Scheidungsfolgenvereinbarung eingereicht werde. - Der Beklagte übersandte dem Kläger mit Schreiben vom 19.10.1983 diesen Beschluß und forderte ihn auf, gemäß dem gerichtlichen Hinweis eine Scheidungsfolgenvereinbarung zur Vorlage zu beschaffen, da dies Voraussetzung sei, erneut die Prozeßkostenhilfeberechtigung überprüfen zu lassen. Vorsorglich legte der Beklagte noch Beschwerde ein, deren Begründung er ankündigte, zunächst aber nicht vornahm. Das Amtsgericht stellte die Entscheidung über die Nichtabhilfe und die Vorlage beim Oberlandesgericht bis zum Eingehen der Beschwerdebegründung mit Schreiben vom 25.11.1983 zurück (Bl. 25 GA), wovon der Beklagte dem Kläger durch Schreiben vom 15.12.1983 (B1. 26 GA) wiederum Mitteilung machte und um Information über die Einigungsbemühungen bat.</p><span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Unter dem 24.02.1984 hat - unstreitig - der Beklagte auf der Gerichtsmitteilung vom 25.11.1983 schriftlich den Vermerk angebracht (B. 25 GA):</p><span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Zugestellt an A-Gegnerin? Nicht zugestellt.</p><span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Unter dem 27.02.1984 schrieb der Beklagte an dasFamiliengericht und bat um "Mitteilung, welche Hinderungsgründe bestehen, die Klageschrift der Antragsgegnerin zuzustellen" (B1. 27 GA). Ergänzend wurde ausgeführt, es lägen jetzt die Scheidungsvoraussetzungen gemäß § 1565 Abs. 1 BGB vor, weil der Antragsgegner seit dem 16.12.1983 mit seiner Freundin in eheähnlicher Gemeinschaft lebe.</p><span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Unter dem 14.05.1984 teilte der Beklagte schließlich dem Gericht mit, er bitte, umgehend den Antrag der E zuzustellen. Die Gewährung von Prozeßkostenhilfe sei nicht Bedingung für die Durchführung des Ehescheidungsverfahrens (B1. 29 GA). Der Antrag war bislang der E vom Gericht weder zugestellt, noch sonst, etwa zur Stellungnahme im Prozeßkostenhilfeverfahren, übersandt gewesen.</p><span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Im weiteren Scheidungsverfahren, in dem der Beklagte durch Beschluß vom 21. Mai 1984 schließlich doch noch Prozeßkostenhilfe erhielt (B1. 30 GA), ist das Eheende gemäß § 1587 Abs. 2 BGB schließlich auf den 31.05.1984 festgesetzt worden, nachdem der Antrag von 10.10.1983 am 08.06.1984 zugestellt worden war (vgl. Bl. 15, 16 in 319 F 321/83 - Scheidung -). Aufgrund dessen sind die zuvor erwartungsgemäß eingetretenen Beförderungen und damit verbundenen Erhöhungen der Versorgungsansprüche des Klägers in die Regelung des Versorgungsausgleiches unstreitig eingeflossen.</p><span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Der Kläger wandte sich in dieser Sache an den Verband der Unterhaltsverpflichteten und wurde von diesem durch Rechtsanwälte W und Partner unter dem 19.09.1985 (BI. 49 GA) darauf hingewiesen, der Beklagte habe einen Fehler begangen, da er es versäumt habe, die Zustellung des Antrages noch im Oktober 1983 zu bewirken und so die Festlegung des Eheendes gemäß § 1587 Abs. 2 BGB auf den 30.09.1983 zu erreichen. Der Beklagte schulde dem Kläger Schadenersatz.</p><span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Nachdem vorprozessuale Bemühungen erfolglos geblieben sind, begehrt der Kläger im vorliegenden Verfahren die Feststellung, daß der Beklagte ihm verpflichtet ist, die Nachteile auszugleichen, welche durch Festlegung des Eheendes auf den 31. Mai 1984 anstelle des 30. September 1983 für den Versorgungsausgleich eingetreten sind.</p><span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat behauptet, man habe bei der Besprechung am 6. Oktober 1983 verabredet, den Ehescheidungsantrag umgehend im Oktober 1983 zustellen zu lassen, um so das Eheende auf den 30.09.1983 gemäß § 1587 Abs. 2 BGB zu erwirken. Um dies bewerkstelligen lassen zu können, habe der Kläger auch einen vom Beklagten dafür angeforderten Kostenvorschuß in Höhe von 650,00 DM bezahlt, worüber sich die Überweisung vom 07.10.1983 verhalte und dies durch ihren Wortlaut auch zum Ausdruck bringe. Dieser Vorschuß habe allein die Kosten, nicht aber das Honorar des Beklagten abdecken sollen.</p><span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte habe aber keinen Vorschuß für die Zustellung eingezahlt, sondern lediglich den Prozeßkostenhilfeantrag gestellt. Er habe den Kläger auch niemals darauf aufmerksam gemacht, daß die erforderliche Zustellung des Antrages von der Beantragung von Prozeßkostenhilfe berührt werden könne. Dem Beklagten selbst sei dieser Zusammenhang auch gar nicht klar gewesen, was sich allein daraus ergebe, daß er noch im Schreiben vom 27.02.1984 bei Gericht nachgefragt habe, wieso der Antrag bislang nicht zugestellt worden sei.</p><span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte habe mit Schreiben vom 20.01.1987 im übrigen das Pflichtwidrige seines Verhaltens auch eingeräumt.</p><span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Bei absprachegemäßem Verhalten wäre die Zustellung des Antrages noch im Oktober 1983 erfolgt, das Eheende dann auf September 1983 festgestellt und die Einbeziehung beider Beförderungen nebst Erhöhungen der Versorgungsberechtigung In den Versorgungsausgleich mit E vermieden worden.</p><span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Der Anspruch des Klägers sei auch nicht verjährt. Der Beklagte habe die Entscheidung über den Versorgungsausgleich dem Kläger erst am 08.01.1987 zu Kenntnis gebracht.</p><span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Um gegenüber seiner Haftpflichtversicherung argu‑mentieren zu können, habe der Beklagte den Klägeraufgefordert, sich an den Verband der Unterhaltsverpflichteten zu wenden, woraufhin er die Antwort vom 19.09.1985 erhalten habe.</p><span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte, der Klageabweisung begehrt hat, war der Auffassung, keinen Ersatz zu schulden.</p><span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Nachdem zunächst nur die unterhaltsrechtliche Seite Schwergewicht der Tätigkeit des Beklagten gewesen sei, sei das Erfordernis, die Beeinträchtigung der Versorgungsansprüche durch den Ausgleich möglichst gering zu halten, den Parteien völlig bewußt gewesen. Dem Kläger sei verdeutlicht worden, daß nur durch sofortige Zustellung des Antrags eine Ausscheidung der anstehenden Beförderungen möglich sei. Der Kläger habe gewußt, daß ohne Vorschuß nicht zugestellt werden könne. Er sei pflichtgemäß darauf hingewiesen worden, daß er bei sofortiger Zustellung im Unterliegensfalle die gesamten Kosten zu tragen habe und sich Bedenken aus dem fehlenden Ablauf des Trennungsjahres und dem nicht Vorhandensein von Gründen für dessen Unterschreitung ergeben hätten. In Kenntnis aller Zusammenhänge habe der Kläger gewünscht, das Verfahren ausschließlich nach vorheriger Gewährung von Prozeßkostenhilfe in die Wege zu leiten, da er die andernfalls eintretende Kostenbelastung gescheut habe. Dementsprechend habe der Beklagte sich verhalten.</p><span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die Anforderung des Vorschusses von 650,00 DM habeausschließlich einen Honorarvorschuß für das Tätig‑werden des Beklagten verabredungsgemäß abdecken sollen. Allein für die schon von ihm geleitete Tätigkeit in den Unterhaltsangelegenheiten des Klägers sei der betreffende Betrag vom Beklagten verdient gewesen, zumal der Kläger zuvor nur 50,00 DM - insoweit unbestritten - an Vorschuß erbracht gehabt habe.</p><span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Auch nach Ablehnung der Prozeßkostenhilfe habe der Kläger weiterhin deren Erlangung gewünscht. Erst bei einer Besprechung am 23.02.1984 habe der Kläger auf die Prozeßkostenhilfe als Voraussetzung für die Zustellung des Antrages verzichtet, sie im übrigen aber weiterhin angestrebt. Als die Zustellung schließlich geschehen sei, seien beide Beförderungen schon erfolgt gewesen.</p><span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Im übrigen sei eine Zustellung des Antrages noch im Oktober 1983 für den Kläger nicht günstiger gewesen, da ein solcher Antrag mangels Vorliegen der Scheidungsvoraussetzungen für diesen Zeitpunkt als unzulässig zurückgewiesen, jedenfalls aber kostenpflichtig als unbegründet abgewiesen worden wäre.</p><span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Der Anspruch sei im übrigen verjährt. Das schadenstiftende Ereignis der vermißten Zustellung von September 1983 könne nach Ablauf von 3 Jahren gemäß § 51 BRAO, spätestens seit Ende 1986, nicht mehr geltend gemacht werden. Dem Beklagten sei auch jedenfalls seit der mündlichen Verhandlung vor dem Familiengerichtbekannt gewesen, daß das Eheende auf den 31.05.1984 festgesetzt werde.</p><span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfange stattgegeben. Hiergegen hat der Beklagte frist- und formgerecht Berufung eingelegt, zu deren Begründung er sein früheres Vorbringen wiederholt.</p><span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte ist der Auffassung, er habe nicht pflichtwidrig gehandelt, da ihm als Anwalt nicht die Einreichung eines im Oktober 1983 unschlüssigen Ehescheidungsantrages als vertragliche Pflicht aus dem Mandantsverhältnis habe obliegen können. Bei ordnungsgemäßer Behandlung durch das Gericht wäre dann noch vor Ablauf des Trennungsjahres der Antrag mündlich verhandelt und zurückgewiesen worden. Im übrigen hätte das ihm jetzt angesonnene Verhalten eine unzulässige Manipulation durch treuwidrige Ausnützung prozessualer Möglichkeiten zur Erzielung materiell nicht zustehender Vorteile dargestellt. Dies könne er als Anwalt nicht schulden.</p><span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Auch hinsichtlich der zweiten Beförderung habe der Beklagte nichts versäumt, da im Dezember 1983 der Kläger den Versuch einer Einigung mit E geführt habe und deren Sachstand erst im Februar 1984 dem Beklagten zur Kenntnis gebracht worden sei.</p><span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht verneine zu Unrecht Verjährung. Der sogenannte Primäranspruch sei aus Sicht des Klägers im September 1983 klar gegeben gewesen.</p><span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich des sogenannten Sekundäranspruches ha‑be es dem Beklagten nicht oblegen, dem Kläger gegenüber eine Pflichtwidrigkeit einzuräumen. Er müsse nur einen Mandanten auf die Möglichkeit eines Schadenseintritts, die ihm als Anwalt besser vor Augen stehe, hinweisen. Wenn der Mandant das Geschehen aber kenne, wie der Kläger, bestehe keine solche Verpflichtung. Insbesondere dürfe der Beklagte ein eigenes Verhalten durchaus als ordnungsgemäß darstellen. Der Kläger habe gewußt, daß nur mit einem manipulierten Antrag der gewünschte Vorteil im Versorgungsausgleich zu verschaffen gewesen sei und daß dies gescheitert sei. Nunmehr habe er selbst sich, notfalls durch Nachfrage beim Beklagten um die Angelegenheit kümmern müssen, was er versäumt habe.</p><span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p><span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.</p><span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p><span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p><span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung seines früheren Vorbringens.</p><span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, den vorgetragenen Inhalt der ausgetauschten Schriftsätze und den Inhalt der zu Informationszwecken beigezogenen Akten 319 F 321/83 AG Köln nebst Beiakten.</p><span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks"><strong><span style="text-decoration:underline">Entscheidungsgründe</span></strong></p><span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Die Berufung des Beklagten bleibt in der Sache erfolglos, da das Landgericht ihn mit zutreffender Begründung für verpflichtet angesehen hat, dem Kläger Schadenersatz zu leisten. Der Beklagte hat den zum Kläger bestehenden Mandatsvertrag schuldhaft verletzt, da er nicht hinlänglich Sorge für eine rechtzeitige Zustellung der Antragsschrift mit dem Scheidungsbegehren getragen hat. Hieraus ergibt sich nach den Grundsätzen der positiven Forderungsverletzung ein sogenannter Primäranspruch auf Schadenersatz. Dieser mag verjährt sein. Der Beklagte darf sich auf Verjährung aber nicht berufen, da er eine ebenfalls aus dem Mandatsvertrag rührende Verpflichtung zur Aufklärung des Klägers über den primären Schadenersatzanspruch und dessen Verjährung versäumt hat. Der daraus herrührende sogenannte Sekundäranspruch verbietet dem Beklagten die Geltendmachung der Verjährungseinrede.</p><span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Im einzelnen:</p><span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Es ist zwischen den Parteien unstreitig und durch Vollmacht und Schriftwechsel belegt, daß der Beklagte jedenfalls von April 1983 an beauftragt war, die Interessen des Klägers zur Durchführung des beabsichtigten Scheidungsverfahrens wahrzunehmen (vgl. Bl. 15, 164 GA). Dabei ist unstreitig, daß der Kläger seit August 1983 von der im Oktober bevorstehenden Beförderung aus Bezügen entsprechend der Gehaltsgruppe A 11 in solche nach der Gehaltsgruppe A 12 wußte, ebenso von derjenigen in die Gehaltsgruppe A 13 Anfang Januar 1984. Die Parteien sind auch einig darüber, daß der Kläger dem Beklagten dies alsbald mitgeteilt hat und entscheidenden Wert darauf legte, im Rahmen der von ihm gewünschten Scheidung möglichst geringe Einbußen finanzieller Art beim Versorgungsausgleich zu erleiden. Dies wird im übrigen dadurch belegt, daß der Beklagte sich über diesen Punkt noch von einem anderen Anwalt beraten ließ und die dabei gewonnenen Ergebnisse dem Kläger unter dem 20.09.1983 (vgl. B1 43 GA) auch mitteilte.</p><span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Nach der gegebenen Sachlage hätte der Beklagte eine Einbeziehung der aus den anstehenden Beförderungen des Klägers zu erwartenden Verbesserungen von dessen Versorgungsansprüchen durch zweckmäßige und erlaubte Gestaltung des Verfahrens vermeiden können und auch vermeiden müssen. Dies versäumt zu haben, macht ihn ersatzpflichtig.</p><span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Der Anwalt ist dem Mandanten zu einer allgemeinen, umfassenden und erschöpfenden Beratung verpflichtet. Denkbare Schädigungen hat er zu vermeiden, auch wenn deren Möglichkeiten nur von einem Rechtskundigen vorausgesehen werden können. Bei der Bearbeitung hat er jeweils den sichersten Weg einzuschlagen (vgl. z. B. BGH in NJW 1984, 792 und in MDR 1975, 480; Palandt-Heinrichs, Anm. 4 C d zu 276 BGB unter Stichwort "Rechtsanwalt"; Rinsche, Haftung des Rechtsanwalts und des Notars, 2. Aufl., Anm. 1 60 ff. m. w. N.). - Der Anwalt hat den ihm vorgelegten Fall rechtlich eingehend zu untersuchen und über das Ergebnis dieser Prüfung den Mandanten zu belehren. Diese Belehrung muß eindeutig den besonderen Risiken des Falles Rechnung tragen.</p><span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Das Verhalten des Beklagten hat gegen diese Verpflichtung, die Vermögensinteressen des Mandanten durch zutreffende Beratung und zweckmäßige Verfahrensgestaltung zu bewahren, verstoßen.</p><span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Aufgrund der Tatsache, daß die Zustellung des Scheidungsantrages erst am 8. Juni 1984 erfolgt ist (vgl. Bl. 15 in 319 F 321/83 AG Köln - Scheidung -), sind für die Berechnung des Versorgungsausgleiches gemäß § 1587 Abs. 2 BGB die Versorgungsansprüche des Klägers per 31.05.1984 berücksichtigt worden (vgl. Auskunft des Verbandes der Ortskrankenkasse S vom 30.01.1986, Bl. 42 in 319 F 321/83 - Versorgungsausgleich - und Beschluß des Amtsgerichts vom 12.12.1986, Bl. 55 ebenda). Diese Entscheidung des Amtsgerichts war zutreffend und hat - für den Kläger somit unanfechtbar - auf den 31.05.1984 als das für den Versorgungsausgleich maßgebende Ende der Ehezeit abgestellt (vgl. auch Bl. 16 in 319 F 321/83 - Scheidung -). Denn gemäß § 1587 Abs. 2 BGB ist als Ehezeit im Sinne der Vorschriften über den Versorgungsausgleich die Zeit bis zum Ende des Monats, der dem Eintritt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages vorausgeht, zu berücksichtigen. Rechtshängig wurde der Scheidungsantrag aber erst durch die Zustellung im Juni 1984. - Die frühere Einreichung dieses Antrages bereits im Oktober 1983 war hingegen ohne Bedeutung. § 622 Abs. 1 ZPO spricht zwar davon, daß das Verfahren auf Scheidung durch Einreichung einer Antragsschrift anhängig wird. Damit ist aber nur eine sprachliche Harmonisierung der Prozeßvorschriften dahin angestrebt, daß im Ehescheidungsverfahren von Antragsschriften, nicht aber von Klagen gesprochen werden soll. § 622 Abs. 1 ZPO hat hingegen nicht zum Ziel, die allgemeinen Vorschriften der §§ 253, 263 ZPO, wonach Zustellung Voraussetzung der Rechtshängigkeit ist, abzuändern. § 622 Abs. 3 ZPO zeigt dies, indem er davon spricht, bei der Anwendung der allgemeinen Vorschriften träten an die Stelle der Bezeichnungen Kläger und Beklagter die Bezeichnungen Antragsteller und Antragsgegner (allgemeine Meinung, vgl. BGH in NJW 1985, 315, 316 rechte Spalte; MK-Meier, Rdnr. 14 zu § 1587 BGB; Baumbach-Lauterbach, Anm. 2 zu § 622 ZPO). - Die Frage, ob die Übersendung oder Zustellung einer Antragsschrift im Prozeßkostenhilfeverfahren bei fehlender ausdrücklicher Einschränkung eine die Rechtshängigkeit erzeugende Wirkung hat oder nicht (vgl. BGH in FamRZ 1987, 362, 364 einerseits und OLG Düsseldorf in FamRZ 1981, 564 andererseits) spielt vorliegend keine Rolle, da der Antrag vor seiner förmlichen Zustellung im Juni 1984 der E in keiner Form vom Gericht zugegangen ist. - Es gibt auch keine Vorschrift, die für den hier interessierenden Bereich des Versorgungsausgleiches die Wirkung der Rechtshängigkeit auf die Einreichung der Antragsschrift vorverlegte. § 270 Abs. 3 ZPO sieht solches nur für die Wahrung von Fristen und die Unterbrechung der Verjährung vor. Eine analoge Heranziehung dieser Vorschrift für den Versorgungsausgleich kommt nicht in Betracht. Zum einen sind die geregelten Belange verschieden. Zum anderen hat der Gesetzgeber auch bei der Schöpfung von § 1587 Abs. 2 ZPO eine eindeutige Regelung geschaffen, die keine planwidrige Lücke enthält.</p><span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Die Einbeziehung der im Oktober 1983 und im Januar 1984 durch Beförderung erlangten Erhöhungen der Versorgungsansprüche wäre aber außer Betracht geblieben, wenn die Antragsschrift noch im Oktober 1983 zugestellt worden wäre. Dann nämlich wäre das Eheende gemäß § 1587 Abs. 2 BGB auf den 30. September 1983 für den Versorgungsausgleich anzunehmen gewesen und die später liegenden Beförderungen und daraus herrührenden Verbesserungen der Versorgungsansprüche folglich außer Ansatz geblieben.</p><span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Hiergegen macht der Beklagte nach Auffassung desSenates ohne Erfolg geltend, eine Zustellung derAntragsschrift noch im Oktober 1983 würde nicht zu einer Ausscheidung der Verbesserungen der Versorgungsansprüche des Klägers nach dem 30.09.1983 aus dem Versorgungsausgleich geführt, sondern nur die Abweisung des Scheidungsantrages als unzulässig oder unbegründet zur Folge gehabt haben. Wie das Landgericht bereits überzeugend ausgeführt hat, kann davon ausgegangen werden, daß bei einer Einreichung des Scheidungsantrages im Oktober 1983 daraufhin schließlich die Scheidung erfolgt und das Eheende für den Versorgungsausgleich mit dem 30. September 1983 zugrunde gelegt worden wäre.</p><span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Hierfür ist es unschädlich, daß im Oktober 1983 das sogenannte Trennungsjahr noch nicht abgelaufen war und zudem die E zunächst auch nicht in die Scheidung einwilligen wollte.</p><span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Gemäß § 1565 Abs. 1 BGB kann eine Ehe nur geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Dies liegt vor, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, daß sie wieder hergestellt wird. Gemäß § 1565 Abs. 2 BGB kann eine Ehe, sofern die Ehegatten noch nicht ein Jahr lang getrennt leben, nur geschieden werden, wenn die Fortsetzung der Ehe für den Antragsteller aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde. Dieses Trennungsjahr lief zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau erst am 15.12.1983 - unstreitig - ab. Umstände in der Person seiner Ehefrau, die das Abwarten des Trennungsjahres für ihn unzumutbar gemacht hätten, sind nicht behauptet und auch nicht ersichtlich. Somit konnte die Scheidung nur gemäß § 1566 Abs. 1 BGB nach Ablauf des "Trennungsjahres" angestrebt werden. Gemäß § 1566 Abs. 1 und 2 BGB war sie nach Ablauf des Trennungsjahres möglich, wenn beide Ehegatten sie beantragt oder die Ehefrau des Klägers zugestimmt hätte. Erst drei Jahre nach Trennung der Ehegatten wäre gemäß 1566 Abs. 2 BGB unwiderlegbar vermutet worden, daß die Ehe gescheitert sei, so daß dann eine Scheidung auch ohne Zustimmung der Ehefrau auf einseitigen Antrag hin grundsätzlich ohne weiteres erfolgt wäre.</p><span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Da Gründe für eine Scheidung innerhalb des "Trennungsjahres" aufgrund von Unzumutbarkeit des Abwartens nicht ersichtlich sind, konnte somit im Oktober 1983 nur eine Scheidung gemäß § 1566 Abs. 1 BGB nach Ablauf des Trennungsjahres angestrebt werden. Davon geht die vom Beklagten erarbeitete Antragsschrift vom 10.10.1983 auch zutreffend aus, da sie auf § 1566 Abs. 1 BGB abstellt und zum Ausdruck gebracht wird, mit einer Terminierung vor dem 15.12.1983 (dem Ablauf des Trennungsjahres) werde nicht gerechnet (vgl. Bl. 1, 2 in 319 F 321/83 - Scheidungsakte -). - Mit dem landgerichtlichen Urteil ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht anzunehmen, daß der Antrag wegen fehlenden Ablaufs des Trennungsjahres, wäre er noch im Oktober 1983 zugestellt worden, als unzulässig oder unbegründet zurückgewiesen worden wäre. Anders als die Bearbeitung des gestellten Prozeßkostenhilfeantrages, der angesichts der Abweisung des Prozeßkostenhilfeantrages der Ehefrau des Klägers nicht einmal zur Stellungnahme übersandt werden mußte, wäre bei erfolgter Zustellung des Antrags im Oktober 1983 der E als Antragsgegnerin Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben gewesen. Eine mündliche Verhandlung hätte sodann stattfinden müssen. Ebenso wie das Landgericht darf man davon ausgehen, daß diese mündliche Verhandlung nicht vor Ablauf des Trennungsjahres erfolgt wäre. Einmal entspricht dies der üblichen, dem Senat bekannten Terminierungssituation in Köln. Zum anderen ist nicht davon auszugehen, daß das Amtsgericht bei zweckentsprechender Bearbeitung durch schnellere Terminierung eine Abweisung des Antrages wegen fehlenden Ablaufs des Trennungsjahres zu Lasten der kostenpflichtigen Klägerpartei hätte herbeiführen wollen, nur um alsbald einen erneuten Antrag nach Ablauf des Trennungsjahres vorgelegt zu erhalten. - Die Richtigkeit dieser Einschätzung wird durch den zeitlichen Ablauf bestätigt, den das Ehescheidungsverfahren nach Bewilligung der Prozeßkostenhilfe im Mai 1984 genommen hat (vgl. Bl. 12 ff. in 319 F 321/83 - Scheidung -). Nach Zustellung des Antrages am 8. Juni 1984 ist Termin zur mündlichen Verhandlung erst am 03.12.1984 auf den 10.12.1984 bestimmt worden, nachdem vorbereitende Tätigkeiten durch das Gericht durchgeführt worden waren. Es ist nichts dafür ersichtlich, weshalb ein vergleichbarer Ablauf sich nicht an eine Zustellung im Oktober 1983 angeschlossen haben sollte. - Im übrigen weist der Kläger zu Recht darauf hin, daß er, sollte das Amtsgericht wider Erwarten doch sofort terminiert und den Antrag zurückgewiesen haben, durch Einlegung einer Berufung den Ablauf des Trennungsjahres ohne weiteres hätte herbeiführen können. Denn der Ablauf der Jahresfrist der Trennung innerhalb des Gerichtsverfahrens ist wirksam, sofern dies nur bis zum Termin. der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz geschieht (vgl. BGH in NJW 1981, 449, Abgrenzung zum Ablauf innerhalb der Revisionsinstanz; Palandt-Diederichs, Anm. 1 zu 1566 BGB; MK-Wolf, Rdnr. 8 zu § 1566 BGB). - Auch die Tatsache, daß im späteren Verfahren die Ehefrau des Klägers zunächst gegen die Scheidung war, steht der Einschätzung des Landgerichts über den zu erwartenden Ablauf bei einer Zustellung im Oktober 1983 nicht entgegen. Denn schließlich ist von Seiten der E nach anfänglichen Gegenanträgen im Dezember 1984 doch eine Scheidung auf beiderseitigen Antrag erfolgt, (vgl. Bl. 27 in 319 F 321/83.- Scheidungsakte -). Der Senat hat keine Zweifel, daß ein gleicher Ablauf bei Zustellung des Antrages schon im Oktober 1983 erfolgt wäre.</p><span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Der Senat ist auch der Auffassung, daß das Amtsgericht bei Zustellung des Antrags schon im Oktober 1983 und der nach obigen Ausführungen dann daraufhin zu erwartenden Scheidung nicht etwa das Eheende entgegen § 1587 Abs. 2 BGB anders als auf September 1983 festgelegt hätte. Die Regelung von § 1587 Abs. 2 BGB ist eindeutig und sieht keine Ausnahmen vor. Zu einer Abweichung wäre auch keine Veranlassung gewesen, weil sich der im Oktober 1983 zugestellte Antrag zunächst gemäß § 630 ZPO als unzulässig oder als unbegründet (vgl. dazu Baumbach-Lauterbach, Anm. 2 B zu § 630 ZPO) hätte betrachten lassen. § 1587 Abs. 2 BGB stellt auf den Eintritt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages ab. Er setzt hingegen nicht, was gesetzgeberisch ohne weiteres hätte geschehen können, den Zeitpunkt als maßgeblich an, von dem an begründet auf Scheidung geklagt werden kann. Entscheidend ist damit die Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages, auf den hin schließlich die Scheidung erfolgt. Es wäre auch vom inneren Zusammenhang des Scheidungsrechtes her nicht gerechtfertigt, andere Zeitpunkte als die Zustellung des Scheidungsantrages zugrunde zu legen. Seit der Neufassung des Scheidungsrechtes gibt es lediglich einen einzigen Scheidungsgrund, nämlich das Scheitern der zerrütteten Ehe (§ 1565 Abs. 1 BGB, vgl. Palandt; Anm. 3 zu § 1564 BGB). Die §§ 1565 Abs. 2 (Scheidung innerhalb des Trennungsjahres bei unzumutbarer Härte), § 1566 Abs. 1 BGB (Scheidung nach Ablauf des Trennungsjahres auf beiderseitigen Antrag oder mit Zustimmung) und des § 1566 Abs. 2 BGB (Scheidung nach dreijähriger Trennung) stellen keine verschiedenen Ehescheidungsgründe dar, sondern lediglich unterschiedliche Nachweisformen für den einheitlichen Scheidungsgrund der Zerrüttung (vgl. Palandt-Diederichsen, Anm. 3 zu § 1564 BGB). Der Übergang von einem zum anderen Beweisfall der Zerrüttung läßt daher die Identität und Einheitlichkeit des Scheidungsantrages unberührt, so daß auch der Übergang von einem zum anderen Nachweisgrund erfolgen kann. - Auch die Tatsache, daß jedenfalls zunächst nicht die Voraussetzungen von 630 Abs. 1 ZPO für den Antrag vorlagen, hätte das Amtsgericht nach Auffassung des Senates nicht dazu veranlaßt, das Eheende anders als auf das Ende des der Zustellung vorausgegangenen Monats, also September 1983, festzulegen. § 630 ZPO enthält keine Zulässigkeitsvoraussetzungen für ein besonderes Verfahren einverständlicher Scheidung, sondern materiell-rechtliche Scheidungsbedingungen für die erleichterte einverständliche Scheidung nach einem Jahr Getrenntleben. Kommt sie nicht zustande, muß der Nachweis, daß die Ehe gescheitert ist, in streitigem Verfahren erbracht und über Folgesachen im Rahmen von § 623 Abs. 3 ZPO von Amts wegen entschieden werden (vgl. Palandt-Diederichsen, Anm. 2 a zu § 1566; Zöller-Philippi, Anm. II zu § 630 ZPO, jeweils m. w. N.). Die Zustellung des Antrages im Oktober 1983 hätte somit keinen unzulässigen Versuch dargestellt, eine unerlaubte und zum damaligen Zeitpunkt nicht zulässige Scheidung ins Werk zu setzen, sondern lediglich die Anbringung eines Scheidungsbegehrens, dessen Erfolg noch unsicher gewesen wäre. Da, wie oben dargelegt, mit hinreichender Sicherheit aber von einer letztlich erfolgreichen Durchführung des Verfahrens auszugehen ist, hätte der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit daher zutreffenderweise den Stichtag für die Beendigung der versorgungsmäßigen Ehegemeinschaft ergeben.</p><span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Da aus Sicht des Klägers im Oktober 1983 weder das Anstreben der von ihm gewünschten Scheidung noch eine möglichst geringe Belastung im anstehenden Versorgungsausgleich unlautere Begehren waren, hatte der Beklagte diese Ziele mit den zur Verfügung stehenden prozessualen Mitteln anzustreben.</p><span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Hiergegen kann er nach Auffassung des Senates nicht mit Erfolg geltend machen, dies sinne ihm ein rechtswidriges, jedenfalls sittenwidriges oder standeswidriges Verhalten an.</p><span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Es ist freilich selbstverständlich, daß ein Anwalt die Vermögensinteressen seines Mandanten nur im Rahmen des geltenden Rechtes wahren darf. Unrechtmäßiges oder unrichtiges Verhalten hat er zu unterlassen. Dieses darf ihm auch nicht vom Mandanten angesonnen werden. Selbst bei ausdrücklich anderer Weisung des Mandanten muß er keine aussichtslosen oder unsinnigen Verfahren, erst recht keine vor dem Recht oder den geltenden Sittenvorstellungen bedenklichen Verfahren in Gang setzen (vgl. Rinsche, a.a.O., I 66 f.). Ein in dieser Weise beanstandenswertes Verhalten hätte in der Antragstellung noch im Oktober 1983 aber nicht gelegen. Hierfür sei auf die bereits oben gemachten Ausführungen zur Zulässigkeit der Antragstellung im Oktober 1983 und deren voraussichtlicher Behandlung durch das Amtsgericht Köln verwiesen. Nach Wertung des Senates hätte die Antragszustellung noch im Oktober 1983 die Ingangsetzung eines grundsätzlich erlaubten, lediglich von den Erfolgsaussichten nicht vollkommen sicher vorhersehbaren Verfahrens gehandelt. Damit hätte es sich um die erlaubte Benutzung gesetzlich vorhandener Verfahrensmöglichkeiten gehandelt, nicht aber um mißbräuchliche, zweckentfremdete Ausschöpfung von Verfahrensmöglichkeiten. - Hätte der Gesetzgeber die Antragseinreichung und Antragszustellung vor Ablauf des Trennungsjahres nicht für zulässig und als für den Versorgungsausgleich oder die Beendigung des Zugwinns unbeachtlich angesehen, so hätte er dies mit Sicherheit zum Ausdruck gebracht, da gerade bei der durch die Neugestaltung des Ehescheidungsrechtes vorhandenen Dreiteilung von Zerrüttungsnachweisgründen die Möglichkeit frühzeitiger, erst im Laufe des Verfahrens sich als begründet und erfolgreich herausstellender Ehescheidungsanträge auf der Hand liegt. Denn es ist nichts Bedenkliches, sondern übliches, daß Parteien ihre Anträge, auch wenn sie die Scheidung auf 1566 Abs. 1 BGB abstellen wollen, nicht erst nach Ablauf des Trennungsjahres einreichen, sondern schon gewisse Zeit vorher, um erforderliche Wartezeiten bis zur Terminierung pp. abzukürzen. Diese durchaus naheliegende Verhaltensweise wird auch dem Gesetzgeber vor Augen gestanden haben. Gleichwohl hat er für den Versorgungsausgleich die Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages hinsichtlich des Eheendes für maßgeblich erklärt und nicht etwa für Scheidungen nach § 1566 Abs. 1 BGB den Ablauf des Trennungsjahres.</p><span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Der Senat sieht auch keine Veranlassung, anzunehmen, das Amtsgericht würde unter Heranziehung von § 242 BGB das Eheende anders bestimmt haben, was grundsätzlich denkbar ist (vgl. Palandt-Diederichsen, Anm. 2 zu § 1566 BGB mit Verweisung auf die Gesetzesmaterialien). Auch hat der Senat folglich keinen Anlaß, selbst dem Beklagten im Verhältnis zum Kläger entgegenzuhalten, er erstrebe einen Vorteil entgegen Treu und Glauben. Eine Antragstellung im Oktober 1983 hätte kein treuwidriges Verhalten dargestellt, da unstreitig der Kläger die Scheidung bereits fest entschlossen anstrebte und daher sein Wunsch nach möglichst geringer Belastung im Versorgungsausgleich nicht als rechtlich bedenklich gewertet werden kann. Es mag sein, daß man im Bereich von § 242 BGB zu einer anderen Beurteilung kommen könnte, wenn eine auf § 1566 Abs. 1 BGB gestützte Scheidung unverhältnismäßig früh, etwa sofort bei Trennung oder kurz danach eingereicht würde oder die Einreichung allein dem Zweck diente, Vorteile beim Versorgungsausgleich zu erzielen. Beides ist vorliegend aber nicht der Fall. Die Antragstellung, nur gut 2 Monate vor Ablauf des Trennungsjahres stellt angesichts der Terminierungssituation eine durchaus naheliegende und - unbestritten vom Beklagten - auch ganz übliche Verhaltensweise der die Scheidungsverfahren durchführenden Rechtsanwälte dar. Auch hatte der Kläger nicht etwa das Ziel, die E beim Versorgungsausgleich zu benachteiligen. Er wollte vielmehr die von ihm fest gewollte Scheidung alsbald herbeiführen und in deren Rahmen möglichst geringe Einbußen beim Versorgungsausgleich erleiden. Dies kann als sittlich zu mißbilligen vom Senat nicht betrachtet werden.</p><span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Es ist auch nicht so, daß der Schutz der E eine andere Entscheidung nahelegte. Da der Antragsgegner im Ehescheidungsverfahren in aller Regel selbst anwaltlich vertreten, ihm jedenfalls nach § 625 ZPO ein Anwalt beigeordnet werden kann, ist nicht anzunehmen, daß er ohne sorgsame, von rechtkundiger Seite beratende Prüfung seine Zustimmung zum Scheidungsantrag erteilt und daher seine Vermögensinteressen nicht gewahrt würden. Der Senat ist auch in diesem Zusammenhang nicht der Auffassung, daß der Erfolg des Antrages von Oktober 1983 ausgeblieben wäre, hätte die E aufgrund einer Zustellung im Oktober 1983 nicht an dem Zuwachs des Klägers in seinen Versorgungsansprüchen von Oktober 1983 und Januar 1984 beim Versorgungsausgleich teilnehmen können. Das Verhalten des Klägers hätte sich für E nach Wertung des Senates nicht als der unlautere Versuch, sie von berechtigten Anschlüssen auszuschließen dargestellt, sondern lediglich als die Ingangsetzung der gewünschten, später auch von ihr für richtig angesehenen Scheidung wegen Zerrüttung der ehelichen Lebensgemeinschaft. Dann aber stellte sich die Ausgrenzung der Versorgungsansprüche von Oktober 1983 und Januar 1984 als logische, innerlich gerechtfertige Folge dar, nachdem die Trennung schon im Dezember 1982 erfolgt und die eheliche Lebensgemeinschaft von diesem Zeitpunkt an aufgehoben war.</p><span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte ist seiner Verpflichtung, die verfahrensmäßig mögliche Ausgrenzung der Erhöhungen in den Versorgungsansprüchen aus dem Versorgungsausgleich zu bewirken, nicht nachgekommen. Unstreitig ist die Zustellung des Antrages erst im Juni 1984 erfolgt, obwohl sie im Oktober 1983 erforderlich und auch möglich war. Dies hätte der Beklagte voraussehen und richtig in die Wege leiten müssen.</p><span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Hiergegen kann er sich nicht mit Erfolg darauf berufen, er habe den Kläger hinlänglich aufgeklärt und dieser habe ohne vorherige Zuerkennung von Prozeßkostenhilfe - jedenfalls bis Februar 1984 - keine Zustellung gewünscht, insbesondere den dafür erforderlichen Vorschuß trotz Anforderung nicht bezahlt.</p><span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Insoweit sieht der Senat durch das vorhandene Schriftgut, welches das Vorgehen und den Kenntnisstand des Beklagten eindeutig wiedergibt, für festgestellt an, daß er im Besitz eines hinlänglichen Vorschusses war, Auftrag zur sofortigen Rechtshängigmachung des Scheidungsantrages hatte und lediglich aus Unkenntnis der Zusammenhänge das Erforderliche, nämlich die Zahlung eines Vorschusses für die Zustellung und deren Bewirkung versäumt hat.</p><span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Die Darstellung des Beklagten, insbesondere die Behauptung, er habe den Vorschuß von 650,00 DM allein für seine eigenen Honorarforderungen verlangt und weiteren Vorschuß für die Verfahrenskosten nicht erhalten, wird durch seine eigenen Schreiben widerlegt.</p><span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Unter dem 27.02.1984 nämlich hat der Beklagte im Scheidungsverfahren bei Gericht angefragt, er bitte um Mitteilung, welche Hinderungsgründe bestünden, die Antragsschrift der E zuzustellen. Eine solche Frage wäre völlig unsinnig, wenn, wie es nach der jetzigen Darstellung des Beklagten der Fall sein soll, er bewußt keinen Vorschuß eingezahlt gehabt hätte, weil der Kläger zuvor Weisung erteilt gehabt hätte, keinesfalls ohne bewilligte Prozeßkostenhilfe das Verfahren in Gang zu setzen. Diese Zusammenhänge hätten dem Beklagten im Februar 1984 vor Augen stehen müssen, so daß seine Anfrage bei Gericht vom 27.02.1984 belegt, daß der Beklagte diese beiden Punkte (Zur-Verfügungstellung von Mitteln für die Zahlung des Gerichtskostenvorschusses und dessen Einzahlung) nicht als Hinderungsgründe für die fehlende Zustellung ansah. - Der Schriftsatz des Beklagten vom 07.02.1985 im Versorgungsausgleichs-verfahren (vgl. Bl. 15 in 319 F 321/83 - Versorgungsausgleich -) bestätigt dies. Dort begehrt der Beklagte, das Eheende auf den 30.09.1983 zu bestimmen und weist darauf hin, ihm sei keine Gerichtskostensrechnung übermittelt worden. Auch dies verträgt sich keinesfalls mit der Behauptung, ein Vorschuß sei bewußt nicht bezahlt worden, weil der Kläger solches nicht gewollt, den Vorschuß auch nicht geleistet habe.</p><span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Das Schreiben des Beklagten vom 20.01.1987 (vgl. Bl. 51, 52 GA) bestätigt dies nochmals. Dort nämlich wird eingeräumt, es könne ein Fehler begangen worden sein. Sodann wird der Verfahrensgang des Scheidungsverfahrens geschildert und wiederum darauf hingewiesen, es sei keine Gerichtskostenrechnung von der Geschäftsstelle übersandt worden. - An keiner Stelle wird die jetzige Darstellung angesprochen, der Mandant, der Kläger, habe es versäumt, einen angeforderten Vorschuß für das Verfahren zu zahlen oder etwa Weisung erteilt, vor Zubilligung von Prozeßkostenhilfe die Zustellung nicht zu bewirken. Dies wäre aber nach Überzeugung des Senates mit Sicherheit im Schreiben vom 20.01.1987 geltend gemacht worden, wenn die jetzige Behauptung des Beklagten zuträfe. Das Gegenteil wird durch die genannten Schreiben zur Überzeugung des Senates vielmehr mit Sicherheit bewiesen.</p><span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte durfte auch nicht etwa darauf vertrauen, das Amtsgericht werde den Antrag im Rahmen des Prozeßkostenhilfeantrages an E zustellen. Einmal hatte er nach den oben dargelegten Grundsätzen den sichersten Weg zu beschreiten (vgl. BGH in NJW 1984, 792 und in MDR 1975, 480). Die Übersendung eines Antrages ausschließlich zur Stellungnahme im Prozeßkostenhilfeverfahren hätte die Rechtshängigkeit nicht bewirkt (vgl. OLG Düsseldorf in FamRZ 1981, 564). Dies hätte allenfalls dann, vom Gericht ungewollt, geschehen können, wenn der Antrag ohne hinlängliche Einschränkung, daß dies nur zur Stellungnahme im Prozeßkostenhilfeverfahren geschehe, zugestellt worden wäre (vgl. BGH in FamRZ 1987, 342/34). Auf eine solche Fehlermöglichkeit als Bewirkung der Zustellung hätte der Beklagte aber nicht vertrauen dürfen. Im übrigen hätte er bei der Bedeutung dieses Punktes auch nicht auf Zustellungen im Prozeßkostenhilfeverfahren vertrauen dürfen sondern den sichersten Weg der Zustellung des Antrages selbst nach Zahlung des Prozeßkostenvorschusses einschlagen müssen. Jedenfalls aber hätte er sich wenigstens noch im Oktober 1983 davon überzeugen müssen, ob denn im Prozeßkostenhilfeverfahren überhaupt eine Übersendung des Antrages an die E erfolgt war, was tatsächlich ja nicht der Fall gewesen ist. Der Beklagte behauptet nicht einmal, eine solche Überprüfung vorgenommen zu haben. Sie hätte auch nur zur Feststellung geführt, daß die Zustellung nicht geschehen war.</p><span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Der dem Kläger gegenüber bestehende primäre Schadenersatzanspruch wegen positiver Forderungsverletzung ist wohl verjährt. Gemäß § 51 BRAO nämlich verjähren Ersatzansprüche 3 Jahre nach Entstehung des Anspruchs, spätestens 3 Jahre nach der Beendigung des Mandates. Als entstanden ist ein Anspruch dann anzusehen, wenn er wenigstens im Wege der Feststellungsklage geltend gemacht werden könnte.</p><span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Auf eine Kenntnis des Geschädigten von der Entstehung des Anspruchs kommt es hingegen nicht an (vgl. Palandt-Heinrichs, Anm. 1 b zu § 198 BGB und Rinsche a.a.O., I 123). Der Schaden war vorliegend jedenfalls teilweise mit Ablauf des Monats Oktober 1983 entstanden, da zu diesem Zeitpunkt bereits feststand, daß die Beförderung aus Oktober 1983 und die damit verbundene Erhöhung von Versorgungsansprüchen nunmehr in den Versorgungsausgleich einbezogen werden würde. Dann konnte frühester Ablauf für die 3-jährige Verjährungsfrist das Ende des Monats September 1986 sein. Dies ist allerdings zweifelhaft, da ein weiterer Schaden im Januar 1984 durch die zweite Beförderung hinzugetreten ist, der innerlich mit dem ersten Schadensereignis zusammenhängt. Es ließe sich auch die Auffassung vertreten, der Schaden habe erst festgestanden, nachdem später das für den Versorgungsausgleich maßgebliche Eheende durch das Amtsgericht festgelegt worden war. All dies kann aber offen bleiben. Denn auch bei Verjährung des Primäranspruches im Oktober 1986 darf der Beklagte sich nicht darauf berufen. Dem Kläger nämlich steht dagegen der sogenannte Sekundäranspruch zu, der darauf gerichtet ist, dem Beklagten die Erhebung der Verjährungseinrede verwehren zu dürfen.</p><span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt, entsteht ein weiterer, sogenannter sekundärer Ersatzanspruch, wenn ein Rechtsanwalt es schuldhaft unterläßt, den Mandanten vor Ablauf der Verjährung auf den gegen ihn bestehenden Primäranspruch <span style="text-decoration:underline">und</span> die drohende Verjährung hinzuweisen. Wird dieser Anspruch verletzt, macht sich der Rechtsanwalt erneut schadenersatzpflichtig und hat nach § 249 BGB den Mandanten so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er richtig belehrt worden wäre. Da in diesem Falle davon auszugehen ist, daß die Verjährungsfrist dann nicht versäumt worden wäre, geht der sekundäre Schadenersatzanspruch des Mandanten dahin, daß der Rechtsanwalt gegenüber dem primären Schadenersatzanspruch die Einrede der Verjährung nicht erheben darf (vgl. unter anderem BGH in NJW 1985, 1151; BGH in NJW 1982, 1285).</p><span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Auch dieser sogenannte Sekundäranspruch unterliegt der dreijährigen Verjährungsfrist des § § 51 BRAO. Diese beginnt spätestens im Moment der Verjährung des Primäranspruches, was vorliegend zu einer Verjährung des Sekundäranspruches im August 1989 geführt hätte, somit nach Klageerhebung im vorliegenden Verfahren gelegen hätte.</p><span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Diese Verpflichtung zu einer Beratung ist vom Beklagten auch verletzt worden, so daß eine entsprechender Sekundäranspruch entstanden ist.</p><span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Er macht selbst nicht geltend, den Kläger über Ersatzansprüche gegen ihn belehrt zu haben.</p><span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">Dies war auch nicht etwa entbehrlich, weil der Klä‑ger ohnehin die Angelegenheit aufgrund eigenerKenntnis hätte beurteilen können. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der "Verwaltungsrat" einer Ortskrankenkasse im Regelfalle nicht ohne weiteres in der Lage, die hier einschlägigen Rechtsfragen selbst zu durchschauen. Dafür, daß es ausnahmsweise beim Kläger anders wäre, ist nichts vorgetragen oder ersichtlich.</p><span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Eine Belehrungspflicht entfiele allerdings auch dann, wenn der Geschädigte hinreichend lang vor Ablauf der Verjährung des Primäranspruches anderweitig zutreffend über das Bestehen eines Anspruchs und den Ablauf der Verjährung aufgeklärt wird (vgl. BGH in NJW 1985, 1151, 1152, Rinsche, a.a.O., I 126, 127 m. w. N.). Die anderweitige Aufklärung über den Anspruch allein reicht aber nicht aus, wenn nicht zugleich über die Verjährungsfrage aufgeklärt wird (vgl. BGH in VersR 1984, 663 ff., Rinsche, a.a.O.). - Der Beklagte hat vorliegend von seiten des Rechtsanwalts W mit Schreiben vom 19.09.1985 Aufklärung erhalten, jedoch nur zum Anspruch selbst, nicht aber zur Verjährungsfrage (vgl. Bl. 49 GA). Damit bestand gegenüber dem Beklagten hinsichtlich der Verjährungsfrage der Sekundäranspruch weiter, ist nicht erfüllt worden und eine Verjährung hat erst bei Ablauf der Verjährungsfrist des Primäranspruches zu laufen begonnen, so daß der Sekundäranspruch bei Klageerhebung noch - ungehemmt von der Verjährungseinrede - bestand.</p><span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 97 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.</p><span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Streitwert dieses Urteils und Beschwer für den Beklagten:              10.000,00 DM.</p><span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Beschwer für den Kläger:              0,00 DM.</p>
|
315,231 | ag-neuss-1989-06-07-7530-c-16589 | {
"id": 713,
"name": "Amtsgericht Neuss",
"slug": "ag-neuss",
"city": 473,
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"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 75/30 C 165/89 | 1989-06-07T00:00:00 | 2019-03-13T14:50:04 | 2022-10-18T15:08:48 | Urteil | ECLI:DE:AGNE:1989:0607.75.30C165.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>I.</p>
<p>Es wird festgestellt, dass die von der Beklagten gegenüber den Klägerinnen am 13.01.1989 ausgesprochene fristlose Kündigung bezüglich der von den Klägerinnen angemieteten Räumlichkeiten im Hause.... unwirksam ist.</p>
<p></p>
<p>II.</p>
<p>Die Widerklage wird abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>III.</p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.</p>
<p></p>
<p>IV.</p>
<p>Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000,00 DM vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p>V.</p>
<p>Streitwert für Klage und Widerklage: 34.200,00 DM.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerinnen sind aufgrund schriftlichen Vertrages vom 08.08.87 Mieterinnen des Hauses....., welches der Beklagten gehört. Es handelt sich um einen Mietvertrag über gewerbliche Räume; die Klägerinnen betreiben im Mietobjekt eine krankengymnastische Praxis.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">§ 17 I des Mietvertrages lautet:</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">"Der Vermieter oder/und sein Beauftragter können die Mieträume während der Geschäftszeit zur Prüfung ihres Zustandes oder aus anderen wichtigen Gründen betreten. Bei Gefahr ist ihnen der Zutritt zu jeder Tages- und Nachtzeit gestattet."</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Unter der Geschäfts-Nr. 30 C 506/88 fand zwischen den Parteien bereits ein Rechtsstreit statt, wobei die Klägerinnen auf Feststellung klagten, dass die Beklagte nur unter bestimmten Voraussetzungen das Recht zum Betreten der Mieträumlichkeiten haben sollte; die Klage ist durch Urteil vom 14.11.88 rechtskräftig abgewiesen worden. Insoweit wird auf den Inhalt der Akte 30 C 506/88 Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat das Mietverhältnis durch Schreiben vom 13.01.1989 fristlos gekündigt. Dem lag zugrunde, dass Mitarbeiter der Klägerinnen den Ehemann der Beklagten mehrfach in der Zeit zwischen 08.00 und 09.00 Uhr morgens nicht in die Mieträumlichkeiten eingelassen hatten. Der Ehemann der Beklagten wollte jeweils nach Durchführung von Handwerkerarbeiten an der Wasseranlage des Hauses Wasserproben entnehmen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Eine schriftliche oder mündliche Anmeldung des Ehemannes der Beklagten zu seinen Besuchen war jeweils nicht erfolgt. Bei einem weiteren nicht angemeldeten Besuch in den Mieträumlichkeiten ist der Ehemann der Beklagten an einem Tage gegen 13.00 Uhr eingelassen worden.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Klägerinnen sind der Auffassung, dass die Beklagte bzw. ihr Beauftragter nicht berechtigt seien, ohne Voranmeldung die Mieträumlichkeiten zu betreten. Im übrigen seien Besuche in der Zeit zwischen 08.00 und 09.00 Uhr morgens ihnen nach ihrer Personallage ungünstig, wohingegen Besuche in der Mittagszeit zwischen 13.00 Uhr und 13.30 Uhr ohne weiteres stattfinden könnten.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Klägerinnen beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">wie erkannt zu entscheiden.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">und widerklagend,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">die Klägerinnen zu verurteilen, das Haus.... mit Stellplätzen auf dem</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Hof zu räumen und an sie herauszugeben.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Sie ist der Auffassung, dass die Klägerinnen nicht berechtigt seien, ihr Recht zum Betreten der Mieträumlichkeiten mit Auflagen zu versehen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Bezüglich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Klage war gemäß § 256 ZPO begründet, die Widerklage war mangels eines Anspruchs der Beklagten gegen die Klägerinnen abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Im Vorprozess 30 C 506/88 ist geklärt worden, bei welcher Sachlage bzw. aus welchen Gründen das Recht der Beklagten zum Betreten der Mietsache besteht. Die dort getroffene Entscheidung steht dem Grundsatz, dass das Recht des Vermieters – auch im gewerblichen Mietverhältnis – mit größtmöglicher Zurückhaltung auszuüben ist, keinesfalls entgegen. Dieser Grundsatz gebietet es, dass, außer in Fällen der Gefahr im Verzuge, Besuche des Vermieters oder eines Beauftragten vorher schriftlich oder fernmündlich anzukündigen sind (vgl. Palandt, 48. Aufl., § 535, Anm. 3 c, cc; Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., Abschn. II, Rd-Nr. 294 m.w.N.). Es sind im übrigen Anhaltspunkte dafür, dass dieser Grundsatz im gewerblichen Mietverhältnis nicht gelten sollte, nicht ersichtlich. Auch der Mieter im gewerblichen Mietverhältnis hat einen Anspruch darauf, dass er sich auf Besuche des Vermieters in seiner Terminplanung einstellen kann, zumal entgegenstehende Belange des Vermieters nicht ersichtlich sind; es bereitet üblicherweise allenfalls einen geringfügigen Aufwand, eine Terminsankündigung oder Terminsabsprache vorzunehmen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Da hier unstreitig Ankündigungen der Besuche des Ehemannes der Beklagten nicht erfolgt sind, waren die Klägerinnen bzw. ihre Mitarbeiter nicht verpflichtet, den Besuchswünschen Folge zu leisten. Die fristlose Kündigung der Beklagten war daher nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Zur Vermeidung weiterer unnötiger Streitigkeiten zwischen den Parteien erlaubt sich das Gericht die Ergänzung, dass die Klägerinnen keinesfalls gehalten sind, auf jede Terminsankündigung der Beklagten bzw. ihres Beauftragten einzugehen. Vielmehr sind Termine in gemeinsamer Absprache festzulegen, wobei die Belange beider Mietparteien in möglichst geringem Umfang beeinträchtigt werden dürfen. Lassen sich solche Termine nicht einvernehmlich festlegen, so gebietet es die mietvertragliche Treuepflicht, dass bei mehreren notwendigen Terminen einmal die Belange des Vermieters, einmal die Belange des Mieters den Vorrang haben. Das Gericht geht davon aus, dass bei etwas gutem Willen von beiden Seiten entsprechende Probleme nicht entstehen dürften.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Es war somit – wie erkannt – zu entscheiden.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Richter</p>
|
315,232 | olgham-1989-06-05-3-u-35188 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 3 U 351/88 | 1989-06-05T00:00:00 | 2019-03-13T14:50:05 | 2022-10-18T15:08:48 | Teilurteil | ECLI:DE:OLGHAM:1989:0605.3U351.88.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung der Beklagten gegen das am 7. Juli 1988 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hagen wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen den Grund der Schmerzensgeldzahlungsverurteilung und gegen den Feststellungsausspruch richtet.</p>
<p></p>
<p>Auf die Anschlußberufung der Klägerin wird das genannte Urteil ergänzend so abgeändert:</p>
<p></p>
<p>Der Antrag der Klägerin auf Ersatz ihres bezifferten materiellen Schadens ist dem Grunde nach gerechtfertigt.</p>
<p></p>
<p>Es wird festgestellt, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin auch allen zukünftigen materiellen Schaden aus der Operation vom xxx zu ersetzen, soweit der Anspruch nicht auf Sozialleistungsträger übergegangen ist.</p>
<p></p>
<p>Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Tatbestand</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Ersatz ihres materiellen und immateriellen Schadens wegen der Folgen einer Kniegelenksoperation in Anspruch.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die im Jahre xxx geborene Klägerin zog sich im März xxx beim Aussteigen aus dem Auto ein Verdrehtrauma des linken Beins zu und litt seither an Schmerzen im linken Kniegelenk, zu deren diagnostischer Abklärung sie sich im Mai xxx stationär in dem von dem Beklagten zu 2) getragenen Krankenhaus für Sportverletzte in xxx aufnehmen ließ. Eine dort am xxx wegen des Verdachts auf einen Innenmeniskusschaden durchgeführte arthroskopische Gelenkkontrolle ergab keinen Anhaltspunkt für eine Meniskusschädigung, zeigte jedoch eine kleine Knorpelerweichung an der medialen Facette der Patella (Kniescheibenrückfläche), deretwegen der am Krankenhaus für Sportverletzte als Oberarzt tätige Beklagte zu 1) der Klägerin zunächst eine konservative Behandlung empfahl, die von dem niedergelassenen Chirurgen xxx im xxx in Form einer dreimonatigen Spritzentherapie mit Dona,2oo S sowie begleitenden hyperämisierenden Maßnahmen durchgeführt wurde. Da diese Behandlung zu keiner Besserung der Beschwerden führte, rieten sowohl der Zeuge xxx als auch der Beklagte zu 1) im xxx zu operativen Intervention, zu deren Durchführung sich die Klägerin am xxx erneut im Krankenhaus für Sportverletzte stationär aufnehmen ließ. Dort unterzeichnete sie nach einem Aufklärungsgespräch mit dem Zeugen xxx am selben Tage eine schriftliche Einwilligungserklärung, in der die vorgesehene Maßnahme mit "Gelenkinspektion links, ggf. Knorpelglättung, Meniskusresektion od. Roux-Bandi" beschrieben ist und als mögliche Komplikationen "Gelenkinfektion, Wundheilungsstörungen, Nervenverletzung, Thrombose" genannt sind.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Am xxx führte der Beklagte zu 1) unter der Operationsdiagnose einer sog. Chondropathia patellae (degenerative Knorpelveränderung an der Kniescheibe) bei der Klägerin eine Arthrotomie nach Roux-Bandi-Viernstein durch, wobei nach Eröffnung des Kniegelenks eine Knorpelglättung, eine Verlagerung des Kniescheibenbandes zur Entlastung der angegriffenen Knorpelschicht sowie eine Fixierung der verlagerten Kniescheibe mit einer Schraube erfolgten. Am xxx wurde die Klägerin mit einem Kunststoffgips entlassen, in der Zeit vom xxx bis xxx erfolgte eine stationäre konservative Nachbehandlung und anläßlich eines weiteren stationären Aufenthaltes vom xxx bis xxx die operative Schraubenentfernung, ohne daß es nach Behauptung der Klägerin zu einer Besserung ihrer Beschwerden im linken Kniegelenk kam.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Im xxx ließ die Klägerin wegen zwischenzeitlich aufgetretener Schmerzen auch im rechten Kniegelenk, als deren Ursache ebenfalls eine Chondropathia patellae diagnostiziert wurde, von dem Chefarzt der Chirurgischen Abteilung des xxx Hospitals xxx eine Knorpelglättung am rechten Kniegelenk durchführen, die ihrer Darstellung nach zu einer völligen Beschwerdefreiheit führte, während sich die Beschwerden in dem von dem Beklagten zu 1) operierten linken Kniegelenk nach Behauptung der Klägerin deutlich verschlimmert haben und auch eine insoweit im xxx von xxx nach der arthroskopischen Methode erfolgte Nachhandlung keinen Erfolg gebracht hat.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Unter Hinweis darauf sieht die Klägerin die von dem Beklagten 1) durchgeführte Operation als mißlungen an und macht die Beklagten hierfür sowohl unter dem Gesichtspunkt von Aufklärungsversäumnissen als auch von Behandlungsfehlern verantwortlich, die Klägerin hat dazu in erster Instanz behauptet, daß sie von im Zeugen xxx zwar über die in der schriftlichen Einwilligungserklärung genannten allgemeinen Operationsrisiken unterrichtet worden, eine gezielte Aufklärung über Art, Zweck und Tragweite der durchgeführten Arthrotomie sowie deren Mißerfolgsrisiko aber ebenso unterblieben sei wie ein Hinweis auf die Alternative eines arthroskopischen Eingriffs, den die Klägerin mit der Begründung für erforderlich hält, daß es sich dabei um eine der Arthrotomie in ihrer Wirkung mindestens gleichwertige, aber erheblich schonendere und - wie die Behandlung ihres rechten Kniegelenks durch xxx zeige - erfolgreichere Operationsmethode handle.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat deshalb von den Beklagten die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes (Vorstellung 20.000,-- DM) und die Feststellung der Ersatzpflicht für allen zukünftigen Schaden aus der Operation vom xxx begehrt. Das Landgericht hat diesem Begehren nach Anhörung der Klägerin und des Beklagten zu 1) sowie Vernehmung des Zeugen xxx insoweit stattgegeben, als es der Klägerin ein Schmerzensgeld von 15.000,-- DM zuerkannt und die Ersatzpflicht der Beklagten für zukünftigen immateriellen Schaden der Klägerin festgestellt hat. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, daß die von der Klägerin erteilte Einwilligung in die Operation vom xxx unwirksam gewesen sei, weil sich nicht feststellen lasse, daß die Beklagten der Klägerin eine hinreichende Aufklärung über Art und Weise des Eingriffs, das damit verbundene Mißerfolgsrisiko sowie die alternative Möglichkeit eines arthroskopischen Eingriffs hätten zuteil werden lassen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil, auf das wegen der Einzelheiten gemäß § 543 ZPO Bezug genommen wird, richten sich die Berufung der Beklagten, die weiterhin die Abweisung der Klage begehren, und die unselbständige Anschlußberufung der Klägerin, mit der diese ein weiteres Schmerzensgeld (Vorstellung 10.000,-- DM), die Zahlung materiellen Schadensersatzes in Höhe von 4.601,50 DM sowie die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten auch für materiellen Zukunftsschaden begehrt.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung ihres Rechtsmittels machen die Beklagten geltend, daß die Klägerin entgegen der Annahme des Landgerichts über Art und Umfang des durchgeführten operativen Eingriffs nur im großen und ganzen und nicht in allen Einzelheiten habe aufgeklärt werden müssen, und daß es einer Erörterung alternativer Behandlungsmethoden nicht bedurft habe, weil es zu der durchgeführten Operation keine von der therapeutischen Funktion her vergleichbare Alternative gegeben habe. In dem so verstandenen Sinne sei die Klägerin - so behaupten die Beklagten - hinreichend aufgeklärt worden, weil ihr Art und Umfang des Eingriffs und die damit verbundenen Risiken nicht nur von dem Zeugen xxx, sondern bereits zuvor von dem Zeugen xxx eingehend erläutert worden seien und der Beklagte zu 1) persönlich der Klägerin erklärt habe, daß es sich bei der Operation nur um den Versuch einer Heilung handeln könne. Die Beklagten bestreiten zudem, daß die Klägerin bei weitergehender Aufklärung von einer Durchführung der ihrer Meinung noch unerläßlichen Operation Abstand genommen hätte und leugnen sowohl die in erster Instanz von der Klägerin behaupteten Behandlungsfehler als auch die behauptete Verschlimmerung der Beschwerden ihres linken Kniegelenks.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:57px">in Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:57px">die Berufung zurückzuweisen und in teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:57px">1. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an sie</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:57px">a) ein weiteres angemessenes Schmerzensgeld mit 4% Zinsen seit Klageerhebung,</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:57px">b) einen Betrag von 4.601,50 DM nebst 4% Zinsen seit Zustellung der Anschlußberufung</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:57px">zu zahlen,</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:57px">2. (Weiter) festzustellen, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr auch den zukünftigen materiellen Schaden aus der Operation vom xxx zu ersetzen, soweit der Anspruch nicht auf Sozialleistungsträger übergegangen ist.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:57px">die Anschlußberufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hält unter Verteidigung des angefochtenen Urteils daran fest, daß sie nur unzureichend aufgeklärt worden sei und legt näher dar, daß sie bei der gebotenen Aufklärung, insbesondere über die Alternative eines arthroskopischen Eingriffs und die hohe Mißerfolgsquote der durchgeführten Operation, dieser nicht zugestimmt hätte. i</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin behauptet mit näheren Ausführungen, daß sich der Zustand ihres linken Kniegelenks seit der Operation deutlich verschlechtert und inzwischen auch zu einer Schädigung der Lendenwirbelsäule geführt habe und macht geltend, daß sie infolgedessen in der Haushaltsführung erheblich beeinträchtigt sei und hierdurch bisher einen für die Zeit bis Ende 1988 auf 4.601,50 DM bezifferten Schaden erlitten habe.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen xxx, dem gemäß § 377 ZPO die schriftliche Beantwortung der ihm gestellten Beweisfragen gestattet worden ist, die uneidliche Vernehmung der Zeugen xxx und xxx sowie durch Einholung eines Gutachtens, das der Sachverständige Prof. xxx im Senatstermin am 17.4.1989 mündlich erstattet hat. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftliche Zeugenaussage xxx vom xxx und den Vermerk der Berichterstatterin zur Sitzungsniederschrift vom 17.4.1989 verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die die Klägerin betreffenden Krankenunterlagen des Krankenhauses für Sportverletzte xxx haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks"><u>Entscheidungsgründe</u></p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat es für zweckmäßig erachtet, über die beiderseitigen Rechtsmittel in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang durch Teilurteil zu entscheiden, weil der Rechtsstreit insoweit entscheidungsreif ist und lediglich zur Höhe des von der Klägerin begehrten Schmerzensgeldes sowie des von ihr verlangten materiellen Schadensersatzes noch weitere Feststellungen erforderlich sind.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Berufung der Beklagten hat - soweit sie sich gegen den Grund ihrer Schmerzensgeldzahlungsverurteilung und gegen den Feststellungsausspruch des angefochtenen Urteils richtet – keinen Erfolg, während die Anschlußberufung der Klägerin hinsichtlich der begehrten Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten auch für materiellen Zukunftsschaden und hinsichtlich des erstmals in dieser Instanz geltend gemachten bezifferten materiellen Schadens dem Grunde nach erfolgreich ist.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Allerdings ergibt sich die vom Landgericht zutreffend aus den §§ 823, 831, 847 BGB hergeleitete dahingehende Ersatzpflicht der Beklagten nicht aus dem Gesichtspunkt einer fehlerhaften Behandlung der Klägerin. Denn wie der Sachverständige Prof. Dr. xxx überzeugend - und ohne daß von der Klägerin insoweit noch Beanstandungen erhoben werden - ausgeführt hat, läßt sich weder anhand des von Dr. xxx bei der Nachoperation des linken Kniegelenks der Klägerin im xxx vorgefundenen und extrahierten frei schwebenden Gelenkkörpers noch aus dem von der Klägerin beklagten Taubheitsgefühl auf Fehler bei der Operation schließen. Auch steht aufgrund der weiteren Ausführungen des Sachverständigen zur Überzeugung des Senats fest, daß diese Operation zwar weder vital indiziert noch dringend, angesichts der Erfolgslosigkeit der vorausgegangenen konservativen Behandlung aber gerechtfertigt war und auch zumindest vorübergehend zu einem Heilerfolg geführt hätte, wenn es nicht nach der Operation zu einer Störung des weichen und knöchernen Gewebes der Klägerin, d.h. zu einer sog. Sudeck'schen Dystrophie gekommen wäre.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Die Haftung der Beklagten folgt jedoch daraus, daß die Operation von xxx mangels hinreichender Aufklärung der Klägerin ohne deren wirksame Einwilligung durchgeführt worden ist und sich deshalb als rechtswidrige Körperverletzung darstellt.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Zwar ist den Beklagten darin zu folgen, daß die Aufklärung der Klägerin insoweit ausreichend war als es um Art und Umfang des vorgesehenen Eingriffs ging, und daß der Klägerin insoweit weder die Länge der Schnittführung, noch die näheren Einzelheiten der Operationstechnik erläutert zu werden brauchten. Denn wie die Beklagten in diesem Zusammenhang zutreffend geltend machen, hatte die Klägerin nur einen Anspruch darauf, über die Natur des vorgesehenen Eingriffs "im großen und ganzen" aufgeklärt zu werden. (BGH VersR 83, 493 m. w. N.), was mit dem unstreitigen Hinweis darauf, daß das Knie von der Außenseite her geöffnet und dabei festgestellte etwaige Knorpelschäden geglättet werden sollten, sowie dem von dem Zeugen xxx weiter bekundeten Hinweis auf eine Erläuterung des in der schriftlichen Einwilligungserklärung genannten Begriffs "Roux-Bandi" als mögliche Verlagerung des Kniescheibenbandes zur Entlastung des Knorpels hinreichend geschehen ist. Nähere Einzelheiten der Operationstechnik hätten der Klägerin demgegenüber nur mitgeteilt zu werden brauchen, wenn sie danach gefragt hatte (BGH a.a.O.), was unstreitig nicht geschehen ist.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Eine Pflicht zu weitergehender Aufklärung bestand entgegen der Meinung der Klägerin auch nicht xxx im Hinblick auf etwaige Behandlungsalternativen. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. xxx geltend macht, daß sie nicht auf die Möglichkeit einer Rückbildung der Erkrankung ohne Operation hingewiesen worden sei, mißversteht sie die Ausführungen des Sachverständigen der auf die Möglichkeit derartiger Rückbildungen nicht für den hier zu beurteilenden Fall, sondern lediglich allgemein und zur Bekräftigung seiner Abneigung gegen zu frühzeitige operative Eingriffe hingewiesen hat. Daß der Sachverständige einen zu frühzeitigen Eingriff hier indes nicht für gegeben erachtet, ergibt sich sowohl daraus, daß er ohne Operation ein Fortschreiten des Leidens der Klägerin als sicher bezeichnet hat, als auch daraus, daß er den durchgeführten Eingriff für indiziert gehalten und erklärt hat, daß er selbst seinerzeit wahrscheinlich einen vergleichbaren Eingriff, wenn auch mit etwas geringerer Verlagerung des Streckzuges, vorgenommen hätte.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Entsprechendes gilt nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme für die von der Klägerin vermißte Aufklärung über die Möglichkeit eines arthroskopischen Eingriffs. Zutreffend weisen die Beklagten nämlich insoweit darauf hin, daß die Wahl der Behandlungsmethode primär Sache des Arztes ist und dieser deshalb auf andere Behandlungsmethoden regelmäßig nicht, sondern ausnahmsweise nur dann hinzuweisen braucht, wenn es mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden mit jedoch unterschiedlichen Risiken und Erfolgschancen gibt, mithin eine echte Wahlmöglichkeit für den Patienten besteht (BGH VersR 88, 190 m. w. N.). Das war hier unter Zugrundelegung der xxx - insoweit auch von der Klägerin nicht beanstandeten - Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. xxx schon deswegen nicht der Fall, weil der arthroskopische Eingriff - wie er am rechten Kniegelenk der Klägerin von xxx erfolgreich durchgeführt worden ist - gegenüber der von dem Beklagten zu 1) durchgeführten Arthrotomie nur einen Teilerfolg hätte haben können, weil der therapeutische Zweck der beiden Operationsmethoden nicht derselbe ist. Ob - wie der Sachverständige weiter ausgeführt hat, die Klägerin indes mit näheren Ausführungen in Zweifel zieht - über die arthroskopische Operationsmethode darüberhinaus auch 1984/85 noch keine gesicherten Erkenntnisse vorlagen und es sich mithin seinerzeit noch nicht um eine übliche Methode handelte, kann unter diesen Umständen ebenso auf sich beruhen, wie die zwischen den Parteien streitige Frage, ob der von xxx am rechten Kniegelenk der Klägerin durchgeführte Eingriff nur deswegen erfolgreich war, weil dieses Kniegelenk weniger stark geschädigt war als das von dem Beklagten zu 1) operierte linke Kniegelenk, so daß es auch einer Erhebung der hierzu von der Klägerin angebotenen Beweise nicht bedurfte.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Der Vorwurf der ungenügenden Aufklärung erweist sich im Ergebnis aber deswegen als gerechtfertigt, weil der Klägerin die Chancen des Eingriffs und die mit ihm verbundenen weiteren Risiken nicht hinreichend vor Augen geführt worden sind. Ist eine Operation nämlich - wie hier - weder vital indiziert noch dringlich und ist ihr Erfolg zudem - wie aufgrund der eigenen Angaben des Beklagten zu 1) feststeht - nicht nur zweifelhaft, sondern kann es sich dabei - wovon unter Zugrundelegung der Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. xxx auszugehen ist - auch günstigstenfalls nur um einen vorübergehenden Heilerfolg handeln, weil die Chondropathia patellae nicht heilbar ist, sondern immer einen schicksalhaften xxx und früher oder später in einer Arthrose endenden Verlauf nimmt, der durch Behandlungsmaßnahmen nur hinausgezögert werden kann, so sind an die Aufklärungspflicht strenge Anforderungen zu stellen und zu verlangen, daß dem Patienten über die allgemeinen Operationsrisiken hinaus verdeutlicht wird, daß durch die vorgesehene Operation nicht nur das Ziel einer mindestens vorübergehenden Schmerzfreiheit verfehlt werden, sondern daß es sogar zu einer Verschlechterung seiner Beschwerden kommen kann (BGH VersR 87, 667 und VersR 88, 493) f</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Dazu hätte es in dem hier zu beurteilenden Fall nicht nur des Hinweises darauf bedurft, daß mit der vorgesehenen Operation günstigstenfalls lediglich ein Fortschreiten des Leidens der Klägerin und damit lediglich ein vorübergehender Heilerfolg zu erreichen sein werde, auch dieser Erfolg aber verfehlt werden könne, sondern weiterhin auch des Hinweises darauf, daß es - wenn auch mit geringer Wahrscheinlichkeit - zu einer Störung im Sinne der bei der Klägerin eingetretenen Sudeck'schen Dystrophie und damit sogar zu einer Verschlechterung der Beschwerden kommen könne, weil der Klägerin nur so die eigenverantwortliche Entscheidung ermöglicht werden konnte, ob sie den Eingriff wagen oder lieber abwarten und mit ihren bisherigen Beschwerden einstweilen weiterleben wollte (BGH VersR 87, 667), zumal sie - wie der Sachverständige Prof. Dr. xxx ausgeführt hat - in diesem Fall sicher zunächst ein ihrem Handikap angepaßtes Verhalten gelernt hätte, bis es irgendwann, möglicherweise erst in den Wechseljahren, zu einer Verschlimmerung des Leidens gekommen wäre.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Daß eine dahingehende Aufklärung der Klägerin erfolgt ist, läßt sich nicht feststellen, weil diese auf eine mögliche Verschlechterung ihres Zustandes schon unstreitig nicht hingewiesen worden ist und die Beklagten gegenüber dem Bestreiten der Klägerin auch nicht bewiesen haben, daß zumindest ein Hinweis darauf erfolgt ist, daß das Ziel der Operation verfehlt werden könne. Soweit der Beklagte zu 1) dazu sowohl bei seiner Anhörung vor dem Landgericht als auch bei seiner Anhörung vor dem Senat erklärt hat, daß er generell darauf hinweise, daß es sich bei der xxx vorgesehenen Operation nur um den Versuch einer Heilung handeln könne und dies mit Sicherheit auch im Falle der Klägerin getan habe, hat die Klägerin dies nachdrücklich in Abrede gestellt und das Beweisergebnis für die Richtigkeit der Darstellung des Beklagten zu 1) keinen Anhaltspunkt geliefert. Vielmehr hat der Zeuge xxx in seiner schriftlichen Aussage vom xxx erklärt , daß er entgegen der Behauptung der Beklagten über den Eingriff mit der Klägerin nicht gesprochen habe, weil diese sich nach Verabredung des invasiven Vorgehens mit dem Beklagten zu 1) bis zu der Operation bei ihm gar nicht mehr vorgestellt habe. Auch den Bekundungen des Zeugen xxx läßt sich kein Hinweis darauf entnehmen, daß der Klägerin ein möglicher Mißerfolg der Operation vor Augen geführt worden ist, weil dieser sich nicht daran hat erinnern können, ob mit der Klägerin über die Heilungschancen gesprochen worden ist und eine Aufklärung in diesem Sinne auch nicht als zum Standard gehörend beschrieben, sondern in Gegenteil erklärt hat, daß üblicherweise über Erfolgsquoten nicht besonders gesprochen werde. Für die von den Beklagten beantragte Parteivernehmung des Beklagten zu 1) war mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 448 ZPO unter diesen Umständen kein Raum.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Soweit die Beklagten in Zweifel ziehen, daß die Klägerin im Falle einer entsprechenden Aufklärung von der Operation Abstand genommen hätte, sind die dafür von ihnen angeführten Argumente nicht geeignet, die Rechtswidrigkeit des Eingriffs in Frage zu stellen. Das gilt insbesondere für die Darstellung der Beklagten, daß sich die Klägerin erst nach Scheitern ihrer Behandlungsfehlervorwürfe auf die Aufklärungsrüge besonnen und diese zunächst auch nur mit einer unzureichenden Aufklärung über die Operationstechnik begründet habe, die sich sowohl nach dem Bescheid der Gutachterkommission als auch nach dem Inhalt der Klageschrift als unzutreffend erweist, weil die Klägerin den Vorwurf ihrer unzureichenden Aufklärung danach von Anfang an zumindest auch damit begründet hat, daß keine Rede davon xxx gewesen sei, daß es sich bei der vorgesehenen Operation nur um einen Versuch handeln könne, sie bei der von ihr erteilten Einwilligung vielmehr selbstverständlich davon ausgegangen sei, daß ihre Beschwerden nach der Operation behoben sein würden. Daß sich die Klägerin - wie in der Klageschrift vorgetragen - für einen solchen Versuch nicht hergegeben hätte, sondern - wie sie sowohl vor dem Landgericht als auch vor dem Senat erklärt hat - im Falle entsprechender Aufklärung vor einer Entscheidung für die Operation "bestimmt" noch weitere Überlegungen angestellt und "auf jeden Fall" noch weitere Arzte konsultiert hätte, erscheint unter den gegebenen Umständen naheliegend und vernünftig und macht entgegen der Meinung der Beklagten jedenfalls einen echten Entscheidungskonflikt ausreichend plausibel.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Ist hiernach davon auszugehen, daß sich die Klägerin bei ausreichender Aufklärung dem Eingriff vom xxx nicht oder jedenfalls nicht in dieser Form oder erst zu einem späteren Zeitpunkt unterzogen hätte, so haften ihr die Beklagten für die Folgen dieses Eingriffs ungeachtet der Frage, ob auch ein anderer oder später durchgeführter Eingriff ähnliche Folgen hätte haben können (BGH Urteil vom 6.12.1988 - VI ZR 132/88). Daß die Klägerin ohne den rechtswidrig durchgeführten Eingriff dieselben Beschwerden haben und gehabt haben, xxx weil sich ihr Grundleiden in mindestens ähnlicher Weise ausgewirkt haben würde, läßt sich - was zu Lasten der insoweit beweispflichtigen Beklagten geht (BGH VersR 85,60 m. w. N.) - nicht feststellen, weil nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. xxx zwar ohne Operation ein Fortschreiten des Leidens der Klägerin sicher gewesen wäre, sich aber nicht sagen läßt, wann und in welchem Umfang eine Verschlechterung ihrer Beschwerden zu erwarten gewesen wäre.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin kann deshalb von den Beklagten dem Grunde nach sowohl die Zahlung eines Schmerzensgeldes als auch Schadensersatz wegen Behinderung in der Haushaltsführung verlangen, wobei es lediglich zur Höhe ihrer dahingehenden Ansprüche noch weiterer Feststellungen bedarf. Da Zukunftsschäden nach dem Krankheitsbild nicht auszuschließen sind, ist auch das Feststellungsbegehren der Klägerin gerechtfertigt. Die gegenüber dem materiellen Schadensersatzbegehren der Klägerin erhobene Verjährungseinrede ist jedenfalls für die Zeit ab Klageerhebung unbegründet, weil das Feststellungsbegehren der Klägerin schon in erster Instanz auf Ersatz allen zukünftigen Schadens gerichtet war und daher vom Landgericht zu Unrecht nur auf den immateriellen Schaden bezogen worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung war dem Schlußurteil vorzubehalten.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Das Urteil beschwert die Beklagten mit mehr als 40.000 .-- DM.</p>
|
315,233 | olgk-1989-05-31-16-wx-2589 | {
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<p>Die sofortige, weitere Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluß der 30. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 20. Februar 1989 - 30 T 170/88 wird zurückgewiesen.</p><p>Die Kostenentscheidung bleibt dem Amtsgericht vorbehalten.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Gründe:</span></p><span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die zulässige sofortige weitere Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Der angefochtene Beschluß beruht nicht auf einer Gesetzesverletzung im Sinne von § 27 FGG.</p><span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Gegen die Zulässigkeit des Rechtsmittels ergeben sich keine Bedenken daraus, daß es nicht bei Einlegung sogleich begründet worden ist. Da eine sofortige weitere Beschwerde zu ihrer Zulässigkeit überhaupt keiner Begründung bedarf, schadet es nicht, wenn eine solche nachgereicht wird.</p><span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Das landgerichtliche Verfahren ist zwar insofern fehlerhaft, als es das Vorbringen der Antragstellerin im Schriftsatz vom 14.02.1989 nicht berücksichtigt hat. Das Landgericht ist nämlich, auch wenn es eine mündliche Verhandlung durchführt, gehalten, sämtliches Vorbringen der Beteiligten zu berücksichtigen, das ihm bis zum Erlaß seiner Entscheidung unterbreitet wird. Erlassen ist die Entscheidung erst mit ihrer Hinausgabe zur Post. Der Verfahrensfehler hat sich vorliegend aber nicht zum Nachteil der Antragstellerin ausgewirkt, da diese mit ihrem Anspruch dem Grunde nach obsiegt hat.</p><span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Annahme des Landgerichts, daß der Zahlungsantrag. der Antragstellerin zulässig und dem Grunde nach gerechtfertigt sei, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Mit Recht hat das Landgericht es als zulässig erachtet, daß die Antragstellerin nach Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer die Anfechtung der vorzeitigen Kündigung nicht weiterverfolgt und nur noch einen Zahlungsanspruch geltend gemacht hat. Dies stellte eine jederzeit zulässige Anpassung des Antrags an die durch Zeitablauf veränderten Umstände dar.</p><span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat auch den Zahlungsanspruch der Antragstellerin dem Grunde nach zu Recht bejaht, weil den Antragsgegnern ein wichtiger Grund zur vorzeitigen Kündigung des Verwaltervertrags nicht zur Seite stand. Einen triftigen Grund zur fristlosen Kündigung des Vertragsverhältnisses machen die Antragsgegner selbst nicht geltend. Es lag aber auch kein minder schwerwiegender Grund vor, der eine Fortsetzung des Vertrages über den 31.12.1987 hinaus auf ein weiteres Jahr unzumutbar machte.</p><span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Ein pflichtwidriges Verhalten der Antragstellerin bei der Kündigung des Arbeitsvertrages mit dem Hausmeister K läßt sich nicht feststellen. Daß die Antragstellerin zur Vornahme dieser Kündigung bevollmächtigt war, entnimmt der Senat dem Umstand, daß die Antragstellerin als Verwalterin gemäß Ziffer XVI 7 c) der Teilungserklärung zur Anstellung eines Hausmeisters befugt war. Diese Befugnis schließt auch das Recht zur Kündigung des zuvor abgeschlossenen Arbeitsvertrages ein. Die Einstellung eines Mitarbeiters ist gegenüber der Kündigung der wesentlich gravierendere Vorgang. Wer zur Einstellung selbständig berechtigt ist, ist auch zur Entlassung befugt. Dieser Auffassung steht die Entscheidung des BAG in NJW 1972, 1877 nicht entgegen. Dort ist nur ausgeführt, daß die Einstellungs- und Entlassungsbefugnis nicht zusammenfallen müssen und ein Personalleiter regelmäßig zur Kündigung befugt ist, auch wenn der Arbeitgeber sich die Einstellung selbst vorbehalten hat. Im vorliegenden Fall ist es aber so, daß schon die Einstellungsbefugnis auf die Antragstellerin übertragen war, so daß sie auch zur Kündigung berechtigt war.</p><span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die von ihr ausgesprochene Kündigung scheiterte auch nicht an § 174 Satz 1 BGB. Zwar hatte die Antragstellerin keine sie zur Kündigung legitimierende Vollmachtsurkunde der Antragsgegner vorgelegt. Der Hausmeister K durfte die Kündigung aber gemäß § 174 Satz 2 BGB gleichwohl nicht zurückweisen, weil die Antragsgegner ihn von der Bevollmächtigung auf andere Weise in Kenntnis gesetzt hatten. Der Hausmeister K hatte seinen Arbeitsvertrag mit derAntragstellerin als Vertreterin der Antragsgegner abgeschlossen und hatte während seiner gesamten Tätigkeit deren Arbeitsanweisungen entgegengenommen, woraus sich für ihn - auch ohne Kenntnis der Teilungserklärung - zweifelsfrei ergab, daß die Antragstellerin in ihrer Eigenschaft als Verwalterin zu einer derart umfassenden Vertretung der Antragsgegner befugt war. Dem steht nicht entgegen, daß die Antragstellerin Beiratsmitglieder zur Vorstellung des Hausmeisters hinzugezogen und den Vertragsschluß mit diesen besprochen haben soll. Aus der nach außen jedenfalls uneingeschränkten Vollmacht zur Einstellung mußte K auch auf die Vollmacht zur Entlassung schließen, ohne hierüber die Vorlage einer Urkunde verlangen zu können, die im übrigen nur dann einen Sinn gehabt hätte, wenn sie sich nicht nur auf den Nachweis der Verwalterstellung beschränkt, sondern darüber hinaus die damit verbundene Befugnis zur Kündigung ergeben hätte.</p><span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Soweit die Kündigung gegenüber dem Hausmeister K problematisch war, weil die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes fraglich war, kommt ein Pflichtenverstoß der Antragstellerin nicht in Betracht, weil sie hierauf keinen Einfluß hatte und die Antragsgegner insoweit selbst keinen Vorwurf erheben.</p><span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Dem Landgericht ist auch im Ergebnis darin zuzustimmen, daß die Antragstellerin sich nicht dadurch pflichtwidrig verhalten hat, daß sie es versäumt hat, Gewährleistungsansprüche der Wohnungseigentümer wegen der fehlerhaften Montage der Wärmemengenzähler in den einzelnen Wohnungen geltend zu machen. Dies kann zwar nicht damit begründet werden, daß der Verwalter zur Wahrnehmung dieser Ansprüche nicht verpflichtet gewesen sei, weil in der Beiratssitzung vom 11.09.1986 beschlossen worden sei, die Verfolgung dieser Ansprüche durch den Antragsgegner P über  Rechtsanwalt Dr. H zu betreiben. Diese landgerichtlicheFeststellung ist nicht verfahrensfehlerfrei zustande gekommen, denn das Landgericht hat sich mit der Behauptung der Antragsgegner, die Vereinbarung in der Beiratssitzung habe sich nicht auf die hier fraglichen Gewährleistungsansprüche bezogen, und dem Beweisantritt durch Vernehmung des Beteiligten P überhaupt nicht auseinandergesetzt. Hierauf kommt es indes nicht an. Eine Verpflichtung der Antragstellerin zur Verfolgung der Gewährleistungsansprüche bestand nämlich schon deshalb nicht, weil die Wärmemengenzähler im Sondereigentum jedes Wohnungseigentümers stehen und deren ordnungsgemäße Montage deshalb in dessen eigenen Verantwortungsbereich fällt. Die Verpflichtung des Verwalters erstreckt sich demgegenüber nur auf die Erhaltung des Gemeinschaftseigentums. In der Teilungserklärung ist in Ziffer II 2 i bestimmt, daß die Vor- und Rücklaufleitungen von der Anschlußstelle an die gemeinsame Steig- bzw. Falleitung an zum Sondereigentum gehören. Der in diese im Sondereigentum stehende Leitung eingebaute Wärmemengenzähler ist ebenfalls Teil des Sondereigentums, da sein Vorhandensein oder Nichtvorhandensein die Funktionsfähigkeit der zentralen Heizungsanlage nicht berührt. Es handelt sich auch nicht um eine Einrichtung, die dem gemeinschaftlichen Gebrauch aller Wohnungseigentümer dient. Der Wärmemengenzähler dient vielmehr dem Gebrauch des jeweiligen einzelnen Wohnungseigentümers, um dessen Wärmeverbrauch zu ermitteln, und alle Wohnungseigentümer sind lediglich aufgrund des Gemeinschaftsverhältnisses wechselseitig verpflichtet, an der Feststellung ihres Wärmeverbrauchs mitzuwirken. In diesem Sinne hat auch bereits das BayObLG für Heizkostenverteiler an den Heizkörper entschieden (vgl. WEM 1979, 85, zustimmend Bärmann/Pick/Merle, WEG, § 5, Rn. 63).</p><span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Zu Unrecht werfen die Antragsgegner der Antragstellerin auch vor, sie habe noch am 12.09.1987 keine fehlerfreie Nebenkostenabrechnung für 1986 erstellt gehabt. Der Verwalter ist verpflichtet, die Jahresabrechnung nach den Grundsätzen aufzustellen, die sich aus der Teilungserklärung und den Beschlüssen der Eigentümergemeinschaft ergeben. Was den Verteilungsschlüssel für die Bewirtschaftungskosten angeht, so ist in Ziffer XVII 3 a der Teilungserklärung festgelegt, daß diese mit Ausnahme der Heizungs- und Warmwasserkosten und der Verwaltungsgebühren nach den im Grundbuch eingetragenen Miteigentumsanteilen umgelegt werden. Eine unterschiedliche Beteiligung der Wohnungs- und Garageneigentümer an den Kosten, je nachdem ob diese die eine oder andere Gruppe von Sondereigentümern ausschließlich betreffen, ist nicht vorgesehen. Eine solche Regelung läßt sich insbesondere nicht aus dem Passus in Ziffer XVII 2 c der Teilungserklärung entnehmen, wonach Bewirtschaftungskosten u. a. die Kosten für die Instandhaltung und Instandsetzung sind, soweit diese den Eigentümern gemeinschaftlich obliegen. Damit sind die Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten für das gemeinschaftliche Eigentum gemeint im Gegensatz zu den Kosten für die Instandhaltung und Instandsetzung des Sondereigentums, die dem jeweiligen Sondereigentümer obliegen. Aus dem Wort "soweit" läßt sich dagegen keine Differenzierung innerhalb der Eigentümergemeinschaft herleiten. Hierfür fehlt es auch in der gesamten Ziffer XVII an irgendwelchen Anhaltspunkten. Auch der Umstand, daß nach Ziffer XV 1 der Teilungserklärung innerhalb der einen Eigentümergemeinschaft getrennt nach Wohnungs- und Garagenangelegenheiten abgestimmt werden soll, wobei jeweils nur die Wohnungs- oder Garageneigentümer Stimmberechtigt sein sollen, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Es liegt auf der Hand, daß diese Regelung sich nur auf solche Angelegenheiten erstrecken kann, die eindeutig nur dem einen oder anderen Bereich zugeordnet werden können. Die volle oder teilweise Auferlegung von Kosten auf die eine oder andere Gruppe kann naturgemäß nur von der Gesamtheit aller Eigentümer beschlossen werden. Die Instandhaltungskosten betreffen, gleichgültig ob sie sich auf gemeinschaftliche Teile der Wohnungen oder der Garagen beziehen, die Gemeinschaft aller Eigentümer. Wenn die Antragstellerin diese Kosten nach Miteigentumsanteilen auf alle Eigentümer verteilt hatte, war dies rechtlich nicht zu beanstanden. Die Eigentümer sind allerdings im Rahmen der Vertragsfreiheit darin frei, eine abweichende Regelung zu vereinbaren, was sich im vorliegenden fall durchaus als zweckmäßig erweisen könnte. Soweit die Antragsgegner in ihrer Versammlung vom 12.09.1987 eine "Berichtigung" der Abrechnung der Antragstellerin beschlossen haben, ohne daß der Beschluß angefochten worden ist, war dies für die Verwalterin verbindlich. Erst dieser Beschluß verpflichtete sie zu einer Änderung der Abrechnung, die sie auch vorgenommen hat.</p><span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Soweit die Antragstellerin auch die Kosten für das Mieterbetreuungsbüro allen Antragsgegnern angelastet hat, was das Landgericht nicht näher untersucht hat, so ergibt sich aus dem Akteninhalt zweifelsfrei, daß dieser Handhabung ein Beschluß der Eigentümergemeinschaft vom 18.12.1985 zugrunde lag, der erst am 12.09.1987 aufgehoben worden ist. Eine Pflichtwidrigkeit der Antragstellerin ist insoweit nicht erkennbar.</p><span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Soweit die Antragsgegner ihre vorzeitige Kündigung darauf stützen, die Antragstellerin habe die Heizkostenabrechnungen 1987 zunächst nur den Mietern übersandt, gegen die sich eine Nachforderung ergeben habe, während die Mieter, die eine Erstattung zu erwarten hatten, keine Abrechnung erhalten hätten, handelt es sich um neuen Vortrag, der im Verfahren der weiteren Beschwerde keine Berücksichtigung mehr finden kann. Darüber hinaus ist allerdings auch nicht ersichtlich, inwiefern das Verhalten der Antragstellerin gegenüber den Mietern des Objekts eine Pflichtwidrigkeit im Rahmen ihrer Tätigkeit als Verwalterin der Eigentümergemeinschaft darstellen soll, das von der Tätigkeit als Betreuerin von Sondereigentum streng zu trennen ist.</p><span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Der Senat pflichtet dem Landgericht darin bei, daß dem Vortrag der Antragsgegner nicht hinreichend zu entnehmen war, daß in den Aufwendungen für den Umbau des Hausmeisterbüros eine die vorzeitige Kündigung rechtfertigende Pflichtverletzung gelegen haben soll.</p><span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Ebensowenig hatte die Antragstellerin sich um die Installation der zum Sondereigentum gehörigen Antennensteckdosen in den einzelnen Wohnungen zu kümmern.</p><span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Soweit die Antragsgegner die von der Antragstellerin in Auftrag gegebene Auswechslung von 10 Vorhängeschlössern von Mieterkellern gegen Zylinderschlösser der Schließanlage, zum Preise von 769,50 DM und die teilweise zweimalige Ausführung von Straßenmarkierungsarbeiten mit einem Mehrpreis von 556,32 DM zum Anlaß für ihre außerordentliche Kündigung nehmen wollen, handelt es sich auch nach Auffassung des Senats um Bagatellfälle, die einen derart weitreichenden Schritt nicht rechtfertigen können.</p><span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Zu Unrecht haben die Antragsgegner auch vorgebracht, die Antragstellerin habe den Hausmeister K von einer ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Pflichten abgehalten, indem sie ihn zu zusätzlichen Arbeiten im Rahmen ihrer Sonderverwaltung herangezogen habe. Zutreffend hat das Landgericht es nach der Art einer Hausmeistertätigkeit grundsätzlich für zulässig erachtet, daß K noch eine Nebentätigkeit in dem Objekt entfaltete, indem er aus Anlaß von Mieterwechseln für die Antragstellerin tätig wurde, soweit er hierbei seine Hausmeisterpflichten nicht vernachlässigte. Jedenfalls haben die Antragsgegner keine konkreten Anhaltspunkte für eine abweichende Ausgestaltung des Hausmeistervertrages vorgetragen. Zu Recht ist das Landgericht auch zu dem Ergebnis gelangt, daß die Antragsgegner eine Vernachlässigung der Hausmeisterpflichten durch K nicht substantiiert dargelegt haben, sodaß auch zu näheren Ermittlungen von Amts wegen kein Anlaß bestand. Es ist nicht die Aufgabe des Gerichts, erst die tatsächlichen Grundlagen für einen etwaigen außerordentlichen Kündigungsgrund zu erforschen.</p><span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Soweit der Hausmeister K bei der Renovierung einzelner Wohnungen auf eigene Rechnung tätig geworden sein soll, fällt dies grundsätzlich in seinen eigenen Verantwortungsbereich, ohne daß die Antragstellerin dafür haftbar gemacht werden kann. Wenn die Antragsgegner behauptet haben, K habe mit Wissen und Wollen der Antragstellerin Schwarzarbeit geleistet, was diese bestritten hat, so fehlt es für die angebliche Kenntnis und Billigung der Antragstellerin an jedem konkreten Vortrag und Beweisantritt. Das Landgericht brauchte diesem pauschalem Vortrag nicht weiter nachzugehen.</p><span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Schließlich können die Antragsgegner der Antragstellerin auch nicht vorwerfen, sie habe eigenmächtig zusätzliche Gartenpflegekosten aufgewandt, indem sie Frau K mit der Pflege der Außenanlagen betraut habe, obwohl die Ausführung dieser Arbeiten bereits zum Pflichtenkreis des Hausmeisters <strong>K gehört habe. Die Antrag-stellerin,</strong> die die Notwendigkeit <strong>der zusätzlichen Kosten</strong> mit dem besonders schlechten Zustand <strong>der Außenanlage</strong> erklärt hat, hat durch Vorlage <strong>der Protokolle über die</strong> Beiratssitzungen vom 16.04. <strong>und 11.09.1986 belegt, daß</strong> sie den Pflegevertrag mit Frau <strong>K in vollem</strong>Einvernehmen mit dem Verwaltungsbeirat <strong>abgeschlossen</strong> hat. Selbst wenn der Beirat bei der Billigung des <strong>Vertragsschlusses</strong> seine Kompetenz überschritten <strong>haben</strong>sollte, ist dies unschädlich, weil die Eigentümergemeinschaft dem Beirat durch Beschluß vom 12.09.1987 ausdrücklich volle Entlastung erteilt hat und darin zugleich eine Genehmigung der von diesem abgegebenen Erklärungen liegt.</p><span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Soweit die Antragsgegner behauptet haben, Frau <strong>K</strong> habe von den ihr 1987 vergüteten 5 Pflegegängen nur einen tatsächlich ausgeführt, haben sie hierfür keinen Beweis angetreten. Schon von daher erübrigte sich eine Beweiserhebung des Landgerichts, das nicht gehalten war, ins Blaue Ermittlungen anzustellen. Die nunmehr aufgestellte Behauptung, der Antragstellerin sei dies auch bekannt gewesen, ist neu und kann schon deshalb keine Berücksichtigung finden.</p><span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Soweit die Antragsgegner der Antragstellerin vorwerfen, sie habe Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet, indem sie Vergütungen an die Eheleute K - außerhalb der Hausmeisterentlohnung - und an Urlaubsvertreter des Hausmeisters unkorrekt verbucht habe, handelt es sich nach Auffassung des Senats allerdings um eine genügend substantiierte, ernst zu nehmende Beanstandung der Antragsgegner, auf deren Abstellung diese Anspruch hatten. Dies gilt auch angesichts des Umstandes, daß die behauptete Verfahrensweise den Antragsgegnern keinen unmittelbaren Schaden zufügte und nicht zur Bereicherung der Antragstellerin diente. Die Antragsgegner konnten in jedem Fall verlangen, daß die Antragstellerin als von ihnen berufene Verwalterin die geltenden Steuergesetze beachtete. Andererseits ist der Senat der Auffassung, daß die gerügten Verstöße, die sich auf kleinere Einzelfälle beziehen, nicht ausreichen, um ohne vorherige Abmahnung der Antragstellerin eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. An einer solchen Abmahnung fehlt es.</p><span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Nach alledem hat das Landgericht den Zahlungsanspruch der Antragstellerin dem Grunde nach zu Recht bejaht und das Höheverfahren rechtsfehlerfrei an das Amtsgericht zurückverwiesen.</p><span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks"><img width="1" height="52" src="16_Wx_25_89_Beschluss_19890531_0.png" alt="Die Entscheidung enthält an dieser Stelle ein Bild oder eine Grafik." />Die Kostenentscheidung war dem Amtsgericht vorzubehalten.</p>
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315,234 | lagk-1989-05-31-21-sa-8389 | {
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} | 2/1 Sa 83/89 | 1989-05-31T00:00:00 | 2019-03-13T14:50:10 | 2022-10-18T15:08:46 | Urteil | ECLI:DE:LAGK:1989:0531.2.1SA83.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufungen beider Parteien gegen das am 19.2.1988</p><p>verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Köln - 2 Ca</p><p>5553/87 - werden zurückgewiesen.</p><p>Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Parteien je</p><p>zur Hälfte.</p><p>Streitwert unverändert.</p><p>Die Revision wird zugelassen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Tatbestand</p><span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Parteien streiten über die Möglichkeit der Kürzung einer Ruhegeldzusage durch Dienstvereinbarung.</p><span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der im Januar 1942 geborene Kläger trat Anfang Januar 1964 als Cellist des Synphonieorchesters in die Dienste des Beklagten. Nach § 8 des am 9.1.1964 geschlossenen schriftlichen Arbeitsvertrages sollte für die sich aus dem Arbeitsvertrag ergebenden Rechte und Pflichten der jeweils beim WDR gültige Tarifvertrag maßgeblich sein.</p><span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Im damals geltenden Manteltarifvertrag des Nordwestdeutschen Rundfunks vom 9.1o.l954 in der für den Geltungsbereich des Westdeutschen Rundfunks geänderten Fassung vom 6.1.1964 heißt es in § 21:</p><span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der WDR gibt seinen Arbeitnehmern eine Versorgungszusage nach den beim WDR geltenden Bestimmungen.</p><span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Eine gleichlautende Regelung war in § 21 des für Chor- und Orchestermitglieder gültigen Manteltarifvertrages des WDR vom 15.12.1969 und in der späteren Fassung des Tarifvertrages vom 18.9.1975 enthalten.</p><span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Zu Beginn des Beschäftigungsverhältnisses der Parteien  galten Versorgungsregelungen, die in sogenannten Versorgungszusage-Bestimmungen zusammengefaßt waren. Im Zusammenhang damit hatten der damalige Intendant des Beklagten, K v B , und die damalige Personalratsvorsitzende, Frau F H , am 5.6.1962 eine als "Dienstvereinbarung" bezeichnete Urkunde unterschrieben, in deren Ziffer l es wie folgt heißt:</p><span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">- 3 -</p><span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">- 3 -</p><span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die bisherigen Bestimmungen der Versorgungszusage des NWDR/WDR sind am 31.3.1962 außer Kraft getreten. Mit Wirkung vom 1.4.1962 wurden die in der Anlage beigefügten Versorgungszusage-Bestimmungen in kraft gesetzt.</p><span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Am 16.1.1969 gab der Beklagte dem Kläger schriftlich eine "nichtwiderrufliche Versorgungszusage", die am 1.1.1974 in kraft treten sollte. In der Urkunde waren Versorgungsgrundsätze in bezug genommen, bezeichnet als "Versorgungszusage des WDR in der Fassung vom 1.4.1962". Nach Art. l Ziffer 2 der beigefügten Grundsätze war ein Ruhegeld von 5o % des ruhegeldfähigen Einkommens vorgesehen, wobei sich das ruhegeldfähige Einkommen nach Art. 3 der Grundsätze errechnen sollte.</p><span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Art. 10 enthielt unter der Überschrift "Anrechnungen" folgende Regelungen:</p><span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Sind die Voraussetzungen für Zahlungen aus dieser Versorgungszusage gegeben und haben die Empfänger von Versorgungsbezügen anderweitiges Einkommen, so gilt folgendes:</p><span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">- 4 -</p><span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">- 4 -</p><span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Hat der WDR aufgrund der gesetztlichen Versicherungspflicht den Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Rentenversicherung für die überwiegende Zeit des Beschäftigungsverhältnisses getragen, darf das Einkommen aus dieser Versorgungszusage und der Hälfte der Rente aus der Sozialversicherung zusammen 75 v.H. des ruhegeldfähigen Einkommens nicht übersteigen. Dasselbe gilt, wenn der WDR nach Abschluß einer befreienden Lebensversicherung nach § l der Übergangsvorschriften zum Gesetz zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Angestellten den Arbeitgeberanteil weiter gezahlt hat.</p><span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Zur "Durchführung der Versorgungszusage" war in Art 13 folgendes geregelt:</p><span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die nach dieser Versorgungszusage erforderlichen Richtlinien und Entscheidungen, insbesondere über das Vorliegen der Voraussetzungen eines Versorgungsanspruchs und über seine Höhe, erläßt der WDR - soweit nach dieser Zusage oder nach Tarifvertrag oder Dienstvereinbarung erforderlich - zusammen mit dem Personalrat unter Beachtung der Bestimmungen der Versorgungszusage.</p><span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">- 5 -</p><span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die in Ausführung des Art. 13 zusammen mit dem Personalrat erlassenen "Richtlinien zur Durchführung der Versorgungszusage beim WDR" vom 27.4.1962 waren der dem Kläger erteilten Versorgungszusage ebenfalls beigefügt.</p><span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Mit Wirkung ab 1.1.1968 hatte der Kläger einen Vertrag über eine befreiende Lebensversicherung abgeschlossen. Die Prämien zu dieser Versicherung zahlten die Parteien je zur Hälfte. Diese Versicherung wird noch heute fortgeführt .</p><span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Mit Datum vom 22.4.1970 schlössen die Parteien einen neuen Arbeitsvertrag, der gemäß § 17 mit Wirkung ab 1.1.1970 an die Stelle des bisherigen Vertrages treten sollte. In § 12 des neuen Vertrages heißt es :</p><span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">"Der WDR gibt dem Arbeitnehmer eine Versorgungszusage nach den beim WDR geltenden Bestimmungen."</p><span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Im Jahre 1971 wurde der damalige Personalleiter der Beklagten auf einer Vollversammlung der Orchestermitglieder des WDR um Erläuterungen zu der betrieblichen Altersversorgung gebeten. Auf die Frage, wie sich eine abgeschlossene Lebensversicherung auf die betriebliche Altersversorgung auswirke und ob es sich überhaupt noch lohne, eine solche Lebensversicherung fortzuführen, erkärte der Personalleiter, daß alle Beteiligten davon ausgehen könnten, daß die bestehende Versorgungsordnung niemals zu Ungunsten der Anwesenden geändert werde.</p><span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Am 29.6.1979 schloß der Beklagte mit seinem Personalrat eine weitere Dienstvereinbarung ab, mit der die bisherigen Versorgungsbestimmungen dergestalt abgeändert wurden, daß nunmehr das vom Beklagten zu zahlende Ruhegeld und die</p><span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">- 6 -</p><span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">- 6 -</p><span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">vollen Rentenleistungen aus der Rentenversicherung bzw. aus einer befreienden Lebensversicherung das gesamte ruhegeldfähige Einkommen nicht übersteigen durften. Für Arbeitnehmer, die, wie der Kläger, bereits eine Urkunde über eine Versorgungszusage besaßen, enthielt § 9 Ziffer 3 der Dienstvereinbarung eine Übergangsregelung, die folgendermaßen lautete:</p><span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Inkrafttreten und Übergangsbestimmung</p><span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Für Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt des              Inkrafttretens dieser Dienstvereinbarung              eineUrkunde über die Versorgungszusage des              WDRaufgrund der Richtlinien vom 27.4.1962              bzw.vom 23.3.1970 besitzen oder gemäß Abs.              2Satz l Anspruch auf Aushändigung einersolchen Urkunde haben, gilt folgende Übergangsbestimmung :</p><span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">a)        Sie erhalten auch die nach der vorliegenden Dienstvereinbarung auszuhändigende Versorgungszusage.</p><span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">b)       Im Versorgungsfalls werden die Versorgungsbezüge sowohl nach der aufgrundder Richtlinien vom 27.4.1962 bzw.23.3.1070 gegebenen Versorgungszusage (alte Versorgungszusage) als</p><span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">auch nach der aufgrund der vorliegenden Dienstvereinbarung gegebenen Versorgungszusage (neue Versorgungszusage) berechnet und dem/der Berechtigten mitgeteilt.</p><span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">— 7 —</p><span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">- 7 -</p><span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">c) Der/die Berechtigte hat sich innerhalb einer Frist von 2 Monaten, gerechnet vom Tag des Zugangs der Mitteilung gemäß b), zu entscheiden, ob die Bestimmungen der neuen oder der alten Versorgungszusage anzuwenden sind. Entscheidet sich der/die Berechtigte für die Anwendung der Bestimmungen der alten Versorgungszusage, so dürfen die vom WDR zu zahlenden Versorgungsbezüge zusammen mit den vollen Rentenleistungen aus der Rentenversicherung das ruhegeldfähige Einkommen nicht übersteigen. Soweit dies der Fall ist, verringern sich die vom WDR zu zahlenden Versorgungsbezüge um den entsprechenden Betrag. Die Sätze 2 und 3 gelten nicht für Arbeitnehmer, die vor Ablauf des 31.12.1979 das 59. Lebensjahr vollendet haben. Das Wahlrecht gemäß Satz l ist durch schriftliche Erklärung gegenüber der Personalabteilung des WDR auszuüben Die Entscheidung des/der Berechtigten ist endgültig und unwiderruflich.</p><span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Anfang 1983 bezeichnete der Landesrechnungshof in einem von den SPD- und CDU-Fraktionen veranlaßten Gutachten zur beabsichtigen Erhöhung der Rundfunkgebühren das Versorgungsniveau des WDR als unangemessen hoch und forderte den Abbau der Überversorgung. Nach einer Entschließung des Landtages NRW vom 2o.6.1983 wurden die Aufsichtsgremien in den Rundfunk- und Fernsehanstalten aufgefordert, dafür</p><span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">- 8 -</p><span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">- 8 -</p><span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Sorge zu tragen, "die Überversorgung von Mitarbeitern von Rundfunk- und Fernsehanstalten abzubauen und sicherzustellen, daß für künftige Versorgungsfälle die Überversorgung ausgeschlossen bleibe. ..."</p><span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Daraufhin schloß der Beklagte mit seinem Personalrat am 7.3.1985 eine neue "Dienstvereinbarung über die Versorgungszusagen des W R K " ab. Danach durfte die betriebliche Altersversorgung zusammen mit den Leistungen aus der befreienden Lebensversicherung 93,5 v.H. des letzten ruhegeldfähigen Netto-Vergleichseinkommens nicht übersteigen, §§ 12, 14 und 25 der Dienstvereinbarung, Bl. 44 ff d.A.</p><span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Die Anwendung der Dienstvereinbarung unter Berücksichtigung der in § 25 enthaltenen Übergangsregelungen würde im Falle des Klägers zu einer deutlichen Kürzung der zu erwartenden Versorgungsbezüge führen. Nach den Versorgungszusage-Bestimmungen aus dem Jahre 1962 hätte der Kläger bei Eintritt des Versicherungsfalles mit Erreichen der Altersgrenze eine Versorgung in Höhe von DM 145,81 v.H. seines ruhegeldfähigen Einkommens zu erwarten gehabt, nach der Dienstvereinbarung aus dem Jahre 1979 wären es unter Berücksichtigung der Übergangsregelung sogar 148,48 % des letzten ruhegehaltsfähigen Einkommens gewesen.Im Falle der Kürzung nach Maßgabe der Dienstvereinbarung vom 7.3.1985 hätte der Kläger noch 1o4,o9 v.H. seines letzten Nettoeinkommens als Ruhegeld zu erwarten.</p><span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist mit der Kürzung seiner Versorgungsanwartschaft nicht einverstanden und hat die Ansicht vertreten, der Beklagte sei weiterhin verpflichtet, das an den Kläger zu zahlende betriebliche Ruhegeld nach Maßgabe der Versorgungsregelungen aus 1962/1969 zu berechnen.</p><span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">- 9 -</p><span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">- 9 -</p><span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Er hat die Ansicht vertreten, die ihm erteilte Versorungszusage beruhe auf einer Gesamtzusage und sei Bestandteil des individualrechtlichen Arbeitsvertrages geworden. Eine Verschlechterung des einzelvertraglichen Anspruchs durch eine kollektivrechtliche Dienstvereinbarung sei jedenfalls dann nicht möglich, wenn sich - wie im vorliegenden Fall - die Leistungen des Arbeitgebers insgesamt verringern sollten. Der Beklagte habe sich weder einen Widerruf der Versorgungszusage aus dem Jahre 1969 noch das Recht zur Kürzung der Leistungen vorbehalten. Auch sei die Gschäftsgrundlage für die ursprüngliche Zusage nicht entfallen, weil die Überversorgung schon in der ersten Versorgungszusage angelegt gewesen sei.</p><span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Die als "Dienstvereinbarung" bezeichnete Urkunde aus dem Jahre 1962 ändere nichts an dem einzelvertraglichen Charakter der dem Kläger im Jahre 1969 erteilten Versorgungszusage. Insoweit hat der Kläger behauptet, die damalige Vorsitzende des Personalrats habe bei der Unterzeichnung der Urkunde nicht in Ausführung eines entsprechenden Personalratsbeschlusses gehandelt. Außerdem sei die Dienstvereinbarung nicht ordnungsgemäß bekanntgemacht worden. Überdies habe sich die angebliche Dienstvereinbarung zwischen dem Personalrat und dem Beklagten nur auf die Richtlinien zur Durchführung der Versorgungszusage beim WDR vom 27.4.1962 und nicht auf die eigentlichen Versorgungszusage-Bestimmungen des WDR in der Fassung vom 1.4.1962 bezogen. Bei diesen Versorgungszusage-Bestimmungen habe es sich folglich um eine ohne Beteiligung des Personalrats erteilte Gesamtzusage des Beklagten gehandelt, die nur individualrechtliche Wirkungen habe entfalten können.</p><span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte könne die Versorgungsanwartschaft des Klägers aber auch dann nicht kürzen, wenn angenommen werde, die</p><span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">- 10 -</p><span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">- 10 -</p><span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Versorgungszusage aus dem Jahre 1969 beruhe auf einer Dienstvereinbarung. Denn jedenfalls sei dem Kläger ein kollektivrechtliche Charakter seiner Zusage nicht erkennbar gewesen. Deshalb könne sich der Beklagte nicht auf das Zeitkollissionsprinzip berufen.</p><span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Die vom Beklagten beabsichtigte Leistungskürzung halte auch einer Billigkeitskontrolle nicht stand. Im Rahmen der abstrakten Billigkeitskontrolle müsse berücksichtigt werden, daß eine Verkürzung der bereits erdienten Anwartschaftsteile nur in Frage komme, wenn die Überversorgung planwidrig eingetreten sei. Das sei hier jedoch gerade nicht der Fall. Bei der individuellen Billigkeitskontrolle dürfe nicht außer acht gelassen werden, daß den Mitarbeitern im Jahre 1971 zugesichert worden sei, die damals bestehende Versorgungsordnung werde niemals zu Ungunsten der Arbeitnehmer geändert, die seinerzeit beschäftigt gewesen seien und eine Versorgungszusage gehabt hätten.</p><span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat beantragt,</p><span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">festzustellen, daß seine Versorgungsanwartschaften durch die Dienstvereinbarung vom 7.3.1985 nicht beeinträchtigt werden.</p><span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Ansicht vertreten, die Klage sei unzulässig. Der Kläger habe kein Rechtsschutzbedürfnis an der beantragten Feststellung, weil noch nicht abzusehen sei, ob nicht bis zum Eintritt des Versorgungsfalles Umstände eintreten, die zu einem Wegfall oder einer Reduzierung der Ansprüche auf Versorgungsleistungen führen könnten.</p><span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">- 11 -</p><span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">- 11 -</p><span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Die Klage sei darüber hinaus unbegründet. Die dem Kläger im Jahre 1969 erteilte Versorgungszusage habe auf einer wirksamen Dienstvereinbarung aus dem Jahre 1962 beruht. Demgemäß sei es möglich gewesen, die frühere kollektivrechtliche Regelung durch eine spätere abzulösen, auch wenn damit Verschlechterungen für die Arbeitnehmer verbunden seien.</p><span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Die Neuregelung halte auch einer Billigkeitskontrolle stand. Wenn es um den Abbau einer Überversorgung gehe, könne sogar in die besonders geschützten Teile bereits erdienter Versorgungsanwartschaften eingegriffen werden. Das Vertrauen des Arbeitnehmers in eine Versorgungsregelung, die im Ruhestand einen höheren Lebensstandard ermögliche als in der aktiven Dienstzeit, sei nicht schützenswert. In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, daß der Beklagte eine durch Gesetz errichtete gemeinnützige Anstalt des öffentlichen Rechts sei, die sich aus öffentlich-rechtlichen Rundfunkgebühren finanziere, und daß der Beklagte dem Gebot sparsamer und wirtschaftlicher Haushaltsführung unterliege. Ein wichtiger Umstand im Rahmen der Billigkeitskontrolle sei auch die Tatsache, daß der Landesrechnungshof das Versorgungsniveau des Beklagten als unangemessen hoch bezeichnet und einen Abbau gefordert habe.</p><span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Selbst wenn aber die dem Kläger erteilte Versorgungszusage als individualrechtliches Versprechen einzuordnen sei, müsse die Klage abgewiesen werden, weil die ablösende Dienstvereinbarung jedenfalls eine geeignete und zulässige Methode gewesen sei, die vertraglichen Ansprüche des Klägers wegen der durch die Überversorgung weggefallenen Geschäftsgrundlage an die kraft Gesetzes bestehende Rechtslage anzupassen .</p><span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">- 12 -</p><span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">- 12 -</p><span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 19.2.1988 festgestellt, daß die Versorgungsanwartschaften des Klägers, soweit sie bis zum 6.3.1985 entstanden waren, durch die Dienstvereinbarung vom 7.3.1985 nicht beeinträchtigt werden. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen, die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben und den Streitwert auf DM 30.000,-- festgesetzt.</p><span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Auf die Entscheidungsgründe, Bl. 293 ff d.A., wird verwiesen .</p><span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses dem Kläger am 28.3.1988 und dem Beklagten am 25.3.1988 zugestellte Urteil haben beide Parteien durch Schriftsätze ihrer Prozeßbevollmächtigten Berufung eingelegt, und zwar der Beklagte am 11.4.1988, der Kläger am 27.4.1988. Die Berufungsbegründung des Klägers ist am lo.6.1988, die des Beklagten am 9.5.1988 beim Landesarbeitsgericht eingegangen.</p><span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist nach wie vor der Ansicht, die ihm im Jahre 1969 gegebene Versorgungszusage könne nicht durch Dienstvereinbarung aus dem Jahre 1985 zu seinem Nachteil abgeändert werden. Er macht erneut geltend, er habe eine einzelvertragliche Versorgungszusage erhalten, die auch nicht "betriebsvereinbarungsoffen" gewesen sei. Der Beklagte habe sich eine Änderung der Zusage weder ausdrücklich noch stillschweigend vorbehalten. Ein entsprechender Vorbehalt lasse sich auch nicht aus dem ablösenden Arbeitsvertrag der Parteien aus dem Jahre 1970 herleiten. Wenn der Beklagte einen entsprechenden Änderungswillen gehabt hätte, so hätte er den Kläger im Zusammenhang mit dem Abschluß des neuen Vertrages darauf hinweisen müssen. Einen solchen Hinweis habe der Beklagte jedoch nicht gegeben.</p><span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">- 13 -</p><span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">- 13 -</p><span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Die Dienstvereinbarung könne auch nicht als zulässiges Mittel zur Kürzung der Versorgungszusage wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage angesehen werden. Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage sei nämlich nur dann anzunehmen, wenn die Überversorgung planwidrig eingetreten und nach dem Sinn der Versorgungsordnung nicht beabsichtigt gewesen sei. Im vorliegenden Fall sei jedoch die Überversorgung schon in den Versorgungsregelungen des Jahres 1962 planmäßig angelegt gewesen. Bei der im Rahmen einer Vertragsanpassung nach § 242 BGB vorzunehmenden individuellen Billigkeitskontrolle müsse zudem das persönliche Vertrauen des Klägers in den Fortbestand der ursprünglichen Regelung geschützt werden, insbesondere mit Rücksicht darauf, daß der Beklagte noch 1971 in einer Personalversammlung habe erklären lassen, die bestehende Versorgungsordnung werde niemals zu Ungunsten der damaligen Mitarbeiter geändert werden. Einen weiteren individuellen Vertrauenstatbestand habe der Beklagte im Jahre 1979 dadurch geschaffen, daß nach der Versorgungsordnung des Jahre 1979 dem Kläger und vergleichbaren Mitarbeitern bezüglich der Anwendung der Versorgungsregelungen ein Wahlrecht eingeräumt worden sei. Die Anwendung der Regelungen aus dem Jahre 1979 hätte im Falle des Klägers sogar zu einer Verbesserung der Versorgungsanwartschaft geführt. Der Kläger habe daraus schließen müssen, daß der Beklagte die Überversorgung bewußt habe hinnehmen wollen.</p><span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Selbst wenn aber die Versorgungszusage aus dem Jahre 1969 auf kollektivrechtlicher Grundlage beruht habe, könne der Beklagte eine Abänderung zum Nachteil des Klägers nicht erreichen, weil die beabsichtigten Änderungen mit Rücksicht auf die von Anbeginn angelegte Überversorgung einer Billigkeitskontrolle nicht standhielten.</p><span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">- 14 -</p><span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">- 14 -Der Kläger beantragt nunmehr,</p><span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">das arbeitsgerichtliche Urteil abzuändern und festzustellen, daß die Versorgungsanwartschaften des Klägers durch die Dienstvereinbarung vom 7.3.1985 nicht beeinträchtigt werden.</p><span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p><span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">die Berufung des Klägers zurückzuweisen. Ferner stellt er den Antrag,</p><span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">das arbeitsgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.</p><span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p><span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.</p><span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte meint weiterhin, die dem Kläger erteilte Versorgungszusage sei durch Dienstvereinbarung im Jahre 1985 wirksam abgeändert worden. Es gelte das Zeitkollissionsprinzip, weil die dem Kläger erteilte Versorgungszusage auf einer kollektivrechtlichen Grundlage beruht habe. Jedenfalls sei eine etwaige indivldualrechtliche Zusage dienst-vereinbarungsoffen gewesen. Das folge aus dem Arbeitsvertrag der Parteien vom 22.4.1970, der den ursprünglichen Vertrag abgelöst habe. Es sei deshalb nur noch zu prüfen, ob die Dienstvereinbarung aus dem Jahre 1985 der Billigkeit entspreche. Das sei der Fall, weil das Interesse des Beklagten an einer Ablösung der bisherigen Versorgungsregelung das</p><span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">- 15 -</p><span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">- 15 -</p><span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Interesse des Klägers an der Beibehaltung der bestehenden Versorgungsordnung überwiege. Das besonders zu berücksichtigende Interesse des Beklagten, welches auch einen Eingriff in bereits erdiente Versorgungsanwartschaftsteile rechtfertige, sei in dem Abbau der bestehenden Überversorgung zu sehen. Zur Rückführung der Überversorgung sei der Beklagte als Anstalt des öffentlichen Rechts wegen des Grundsatzes des sparsamen Umgangs mit Haushaltsmitteln nach § 39 <em>II</em> WDR-Gesetz verpflichtet. Dem stünden keine auch nur annähernd vergleichbaren Interessen des Klägers gegenüber. Sein Vertrauen, es werde zu einer Überversorgung kommen, falle demgegenüber nicht ins Gewicht. Die Überversorgung sei entgegen der Ansicht des Klägers planwidrig eingetreten. Schließlich müsse berücksichtigt werden, daß § 2 des Betriebs-rentengesetzes für den Kläger als Mitarbeiter einer öffentlich-rechtlichen Anstalt ohnehin nicht gelte. Im Falle der Parteien sei die Sonderregelung des § 18 Abs. 6 des Betriebsrentengesetzes zu beachten, weshalb die erdienten Versorgungsanwartschaftsteile auch nicht nach den Grundsätzen des § 2 des Betriebsrentengesetzes zu errechnen seien. Von einer Kürzung erdienter Anwartschaftsteile durch die neue Versorgungsregelung könne bei Anwendung des Rechtsgedankens des § 18 des Betriebsrentengesetzes daher keine Rede sein.</p><span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">Eine Abänderung der dem Kläger im Jahre 1969 erteilten Versorgungszusage sei im übrigen rechtlich auch dann möglich, wenn es sich um ein einzelvertragliches Versorgungsversprechen gehandel hätte. Denn die Versorgungsregelung des Jahres 1985 sei bei kollektivrechtlicher Betrachtung für die Belegschaft günstiger als die vorherige. Es müßten bei einem entsprechenden Vergleich nämlich auch die finanziellen Belastungen des Beklagten berücksichtigt werden, die sich aus der Vorruhestandsrichtlinie vom 15.3.1985 ergeben und die in direktem Zusammenhang</p><span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">- 16 -</p><span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">- 16 -</p><span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">mit der Neuregelung der Versorgungsordnung 1985 zu sehen sei. Durch eine kollektive Regelung, die insgesamt für die Belegschaft günstiger sei als frühere Regelungen, könne auch in einzelvertragliche Positionen eingegriffen werden.</p><span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Die Berufung des Klägers sei unbegründet, weil jedenfalls die bei Inkrafttreten der Versorgungsregelung aus dem Jahre 1985 noch nicht erdienten Versorgungsanwartschaftsteile des Klägers nach der Neuregelung zu berechnen seien.</p><span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze verwiesen. Auf die zu den Akten gereichten Urkunden, insbesondere die Arbeitsverträge und Versorgungsregelungen (Bl. 13-57, 88, 149-151, 251-269, 444, 445 d.A.) wird ergänzend Bezug genommen.</p><span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Entscheidungsgründe</span></p><span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">Die Berufungen beider Parteien sind nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft. Beide Berufungen wurden form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Mithin sind sie zulässig.</p><span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">In der Sache waren die Berufungen beider Parteien erfolglos</p><span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">Mit Recht ist das Arbeitsgericht von der Zulässigkeit der Feststellungsklage gemäß § 256 I ZPO ausgegangen. Es geht</p><span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">- 17 -</p><span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">- 17 -</p><span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">um die Feststellung eines Rechtsverhältnisses, weil der Umfang des späteren Versorgungsanspruchs des Klägers zwischen den Parteien streitig ist. Gegenstand des Rechtsstreits ist die Feststellung der Berechnungsgrundlage der dem Kläger erteilten Versorgungszusage.</p><span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat auch ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Klärung der streitigen Frage. Zwar ist es richtig, daß der Kläger bei normalem Verlauf noch mehr als 15 Jahre bis zum Bezug von Altersruhegeld warten muß und daß infolge dessen bis zum Eintritt des Versorgungsfalles Umstände eintreten können, die den Anspruch des Klägers erneut auf eine andere Grundlage stellen oder entfallen lassen. Demgegenüber ist jedoch das Interesse des Klägers zu berücksichtigen, erforderlichenfalls anderweitige Vorkehrungen zur Sicherung seiner Altersversorgung zu treffen, falls ihm ein verminderter Versorgungsanspruch gegen den Beklagten unzureichend erscheinen sollte. Dem Arbeitnehmer muß das Recht eingeräumt werden, Gewißheit über seine Versorgungsansprüche zu erlangen, um seine Versorgungsplanung entsprechend einrichten zu können (BAG, Urteil vom 3o.ll.82 - 3 AZR 1266/79 -, AP Nr. 5 zu § 18 BetrAVG; LAG Köln, Urteil vom 28.lo.1988 - 5 Sa 494/88 -).</p><span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">Die danach zulässige Feststellungsklage ist jedoch, wie das Arbeitsgericht mit Recht entschieden hat, nicht in vollem Umfang begründet.</p><span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, daß seine Altersversorgung insgesamt auf der Grundlage der ihm am 16.1.1969 erteilten Zusage berechnet wird. Denn diese Zusage wurde durch Dienstvereinbarung vom 7.3.1985 abgelöst. Nur auf der Grundlage einer nach dem Regelungsgedanken des § 315 BGB anzustellenden Billigkeitskontrolle ist im Falle des Klägers</p><span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks">- 18 -</p><span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks">- 18 -</p><span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks">wegen mehrerer vom Beklagten gesetzter Vertrauenstatbestände davon auszugehen, daß für die Berechnung der bis zum 7.3.1985 (Inkrafttreten der Dienstvereinbarung 1985) bereits erdienten Teilanwartschaft die Bestimmungen der Versorgungszusage des WDR in der Fassung vom 1.4.1962 maßgeblich sind. Für die nachfolgende Zeit gelten hingegen die Bestimmungen der Dienstvereinbarung 1985.</p><span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks">Der Kläger kann sich zur Begründung seiner Berufung nicht auf die Grundsatzentscheidung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 16.9.1986 - EzA, BetrVG 1972, § 77 Nr. 17 - berufen. Allerdings hat der Große Senat in dieser Entscheidung den Grundsatz entwickelt, vertraglich begründete Ansprüche von Arbeitnehmern auf Sozialleistungen, die auf eine vom Arbeitgeber gesetzte Einheitsregelung oder eine Gesamtzusage zurückgehen, könnten durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung in den Grenzen von Recht und Billigkeit nur dann beschränkt werden, wenn die Neuregelung insgesamt bei kollektiver Betrachtung nicht ungünstiger sei als die bestehende vertragliche Einheitsregelung bzw. Gesamtzusage (Leitsatz l der Entscheidung). Wenn demgegenüber die nachfolgende Betriebsvereinbarung insgesamt ungünstiger sei, dann sei sie nur zulässig, soweit der Arbeitgeber wegen eines vorbehaltenen Widerrufs oder wegen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage die Kürzung oder Streichung der Sozialleistungen verlangen könne (Leitsatz 2).</p><span class="absatzRechts">103</span><p class="absatzLinks">Dabei kann zugunsten des Klägers in diesem Zusammenhang unterstellt werden, daß die ihm 1969 erteilte Versorgungszusage auf der Grundlage allgemeiner Einheitsarbeitsbedingungen oder einer Gesamtzusage des Beklagten beruhte und Bestandteil des Arbeitsvertrages geworden ist.</p><span class="absatzRechts">104</span><p class="absatzLinks">- 19 -</p><span class="absatzRechts">105</span><p class="absatzLinks">- 19 -</p><span class="absatzRechts">106</span><p class="absatzLinks">Es mag auch davon ausgegangen werden, daß entgegen dem Beruf ungsvortrag des Beklagten die Neuregelung nach Maßgabe der Dienstvereinbarung 1985 bei kollektiver Betrachtung zu einer Schlechterstellung der Arbeitnehmer geführt hat, weil es das Ziel der Neuregelung gewesen ist, Überversorgungen bei den Arbeitnehmern und damit den Versorgungsaufwand des Beklagten abzubauen. Gleichwohl war der Beklagte im Verhältnis zum Kläger nicht an die oben dargelegten engen Voraussetzungen nach Maßgabe der Entscheidung des Großen Senats gebunden, weil die dem Kläger erteilte Versorgungszusage, auch wenn sie als Vertragsbestandteil gewertet wird, jedenfalls "dienstvereinbarungsoffen" gewesen ist, was auch nach Ansicht der Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts zur Folge hat, daß eine ablösende Dienstvereinbarung unabhängig von der Frage ihrer kollektiven Günstigkeit in den Grenzen von Recht und Billigkeit möglich ist.</p><span class="absatzRechts">107</span><p class="absatzLinks">Auch der Große Senat geht in seiner Begründung nämlich davon aus, daß vertragliche Ansprüche, die auf einer Einheitsregelung beruhen, auf eine Gesamtzusage oder eine betriebliche Übung zurückgehen, inhaltliche Besonderheiten dadurch aufweisen können, daß sie einen kollektiven Bezug haben, und daß die Eigenart der geschützten Rechtsposition des einzelnen Arbeitnehmers durch diesen kollektiven Bezug gekennzeichnet ist. Deshalb ist es rechtlich unbedenklich möglich, einzelvertragliche Ansprüche mit kollektivrechtlichem Bezug "betriebsvereinbarungsoffen" auszugestalten und einer Änderung durch spätere Kollektivregelungen zu unterwerfen, wobei ein solcher Vorbehalt ausdrücklich und bei entsprechenden Begleitumständen auch stillschweigend gemacht werden kann (BAG, Urteil vom 17.3.1987, EzA, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, § l Nr. 48; ferner BAG, Urteil vom 3.11.1987 - 8 AZR 316/81 -, BB 1988, 966 f) .</p><span class="absatzRechts">108</span><p class="absatzLinks">- 20 -</p><span class="absatzRechts">109</span><p class="absatzLinks">- 20 -</p><span class="absatzRechts">110</span><p class="absatzLinks">Daß die dem Kläger im Jahre 1969 gegebene Versorgungszusage in diesem Sinne jedenfalls "dienstvereinbarungsoffen" ausgestaltet war, ergibt sich zunächst aus Art. 13 der dem Kläger seinerzeit übergebenen Bestimmungen der "Versorgungszusage in der Fassung vom 1.4.1962", wonach die erforderlichen Richtlinien und Entscheidungen, insbesondere über das Vorliegen der Voraussetzungen eines Versorgungsanspruchs und über seine Höhe, - soweit nach der Versorgungszusage oder nach Tarifvertrag oder Dienstsvereinbarung erforderlich - zusammen mit dem Personalrat, unter Beachtung der Bestimmungen der Versorgungszusage ergehen sollten.</p><span class="absatzRechts">111</span><p class="absatzLinks">Aus dieser Formulierung hätte der Kläger folgern können, daß die ihm gegebene Versorgungszusage den Vorbehalt einer nachträglichen Änderung unter Mitwirkung des Personalrats enthält. Die Formulierung zeigt nämlich, daß bestimmte Richtlinien und Entscheidungen, insbesondere über das Vorliegen der Voraussetzungen eines Versorgungsanspruchs und seine Höhe, der Abstimmung mit dem Personalrat unterlagen. Auch wenn dies nur dann der Fall sein sollte, wenn die Versorgungszusage selbst, der Tarifvertrag oder eine Dienstvereinbarung die Abstimmung mit dem Personalrat erforderten, darf nicht übersehen werden, daß der Beklagte tatsächlich unter Abstimmung mit dem Personalrat am 27.4.1962 bereits "Richtlinien zur Durchführung der Versorgungszusage beim WDR" erlassen hatte. Für den Kläger lag deshalb die Annahme nahe, daß auch die Versorgungsordnung selbst unter Mitwirkung des Personalrats umgestaltet werden könnte.</p><span class="absatzRechts">112</span><p class="absatzLinks">- 21 -</p><span class="absatzRechts">113</span><p class="absatzLinks">- 21 -</p><span class="absatzRechts">114</span><p class="absatzLinks">Diese Interpretation der dem Kläger erteilten Versorgungszusage ist vor allem deshalb geboten, weil nach der seinerzeit bestehenden Rechtsprechung die ablösende Dienstvereinbarung ganz allgemein und ohne die später vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts in der Entscheidung vom</p><span class="absatzRechts">115</span><p class="absatzLinks">16.9.1986              entwickelten Einschränkungen als zulässig angesehen wurde (SAG, Urteil vom 1.2.1957 - l AZR 195/55 -,</p><span class="absatzRechts">116</span><p class="absatzLinks">AP Nr. l zu § 32 Schwerbeschädigtengesetz; SAG, Urteil vom 26.10.1962 - l AZR 8/61 -, AP Nr. 87 zu § 242 BGB - Ruhegehalt -; BAG, Beschluß vom 8.12.1931 - 3 ABR 53/80 -, EZA, BGB, § 242 - Ruhegeld - Nr. 96) und für den Arbeitgeber infolgedessen keinerlei Veranlassung bestand, für eine entsprechende Verankerung der Ablösungsmöglichkeit durch einen ausdrücklichen Vorbehalt in der Versorgungszusage selbst zu sorgen.</p><span class="absatzRechts">117</span><p class="absatzLinks">Auch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aus jüngster Zeit hat sich mit entsprechenden Änderungsvorbehalten befaßt. In seinem Urteil vom 17.3.1987 - 3 AZR 64/84 -, EzA, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, § l Nr. 48 - hat der 3. Senat nämlich entschieden, daß die dort in Frage stehende Ruhegeldordnung als vertragliche Einheitsregelung einen stillschweigenden Änderungsvorbehalt enthalte, weil sie erkennbar dazu bestimmt gewesen sei, Blankettregelungen in Betriebsvereinbarungen auszufüllen. Noch aufschlußreicher ist in diesem Zusammenhang eine Entscheidung des 8. Senats vom</p><span class="absatzRechts">118</span><p class="absatzLinks">3.11.1987              - 8 AZR 316/81 -, BB 1988, 966 f. Nach einerVeränderung der Geschäftsverteilung hatte der 8. Senat nämlich über den Fall zu entscheiden, der den 5. Senat seinerzeit zur Anrufung des Großen Senats veranlaßt hatte. Abweichend vom 5. Senat ging der 8. Senat davon aus, daß dievertragliche Einheitsregelung, auf deren Grundlage Sonderzuwendungen gewährt wurden, einen stillschweigenden Änderungsvorbehalt enthalte. Das Gericht entnahm dies dem Um-</p><span class="absatzRechts">119</span><p class="absatzLinks">- 22 -</p><span class="absatzRechts">120</span><p class="absatzLinks">- 22 -</p><span class="absatzRechts">121</span><p class="absatzLinks">stand, daß der Arbeitnehmer bei seiner Einstellung durch Übergabe einer Broschüre davon unterrichtet worden war, daß Sonderzuwendungen aufgrund konzerneinheitlicher Richtlinien gezahlt würden, die mit dem Konzernbetriebsrat abgestimmt worden seien. Dies habe für den Arbeitnehmer die Folgerung nahegelegt, daß die vom Arbeitgeber zu erbringenden Leistungen ebenfalls durch Mitwirkung des Konzernbetriebsrats umgestaltet werden könnten (SAG, aaO). Die genannten Entscheidungen zeigen nach Auffassung der Kammer, daß mit der Annahme eines Änderungsvorbehalts tendenziell großzügig zu verfahren ist.</p><span class="absatzRechts">122</span><p class="absatzLinks">Unter Berücksichtigung der von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Gesichtspunkte ergibt sich zudem, daß der Vorbehalt einer späteren Änderung von Versorgungszusagen letztlich in dem zwischen den Parteien am 9.1.1964 geschlossenen Arbeitsvertrag selbst enthalten ist. In dessen § 8 heißt es nämlich, daß für alle sich aus dem Vertrag ergebenden Rechte und Pflichten der jeweils beim WDR gültige Tarifvertrag maßgeblich sein soll. Der damals geltende Manteltarifvertrag aus dem Jahre 1964 und auch der spätere für die Orchester- und Chormitglieder des Beklagten gültige Manteltarifvertrag vom 15.12.1969 in der Fassung vom 18.9.1975 sahen jeweils in § 21 vor, daß der Beklagte seinen Arbeitnehmern eine Versorgungszusage nach den beim Beklagten geltenden Bestimmungen gibt. Die damit durch Einzelvertraqg in Bezug genommene tarifliche Regelung ist - wie in entsprechenden Fällen üblich - so zu lesen, daß sich die Versorgungszusagen nach den beim Beklagten "jeweils" geltenden Bestimmungen richten sollten. Auch aus § 8 des Arbeitsvertrages in Verbindung mit § 21 des genannten Manteltarifvertrages war daher für den Kläger erkennbar, daß mit einer nachträglichen Änderung der Versorgungszusage durch</p><span class="absatzRechts">123</span><p class="absatzLinks">- 23 -</p><span class="absatzRechts">124</span><p class="absatzLinks">- 23 -Dienstvereinbarung gerechnet werden mußte.</p><span class="absatzRechts">125</span><p class="absatzLinks">Noch deutlicher wird dies, wenn man § 12 des zwischen den Parteien am 22.4.1970 geschlossenen Arbeitsvertrages zugrunde legt. Hier heißt es nämlich entsprechend der in § 21 Manteltarifvertrag verankerten Regelung, daß der WDR dem Arbeitnehmer eine Versorgungszusage nach den beim WDR geltenden Bestimmungen gibt. Auch hier kann die Klausel nur so verstanden werden, daß die jeweiligen Bestimmungen gültig sein sollten. Der Vertrag des Klägers selbst enthält mithin einen sogenannten "Jeweiligkeitsvorbehalt" .</p><span class="absatzRechts">126</span><p class="absatzLinks">Die Regelung im Arbeitsvertrag des Klägers vom 22.4.1970 ist auch nicht wegen eines fehlenden aufklärenden Hinweises des Beklagten unbeachtlich. Es ist schon zweifelhaft, ob eine so weitgehende Aufklärungspflicht des Arbeitgebers zu bejahen ist. Hier bestand sie schon deshalb nicht, weil der neue Vertrag insoweit keine Abweichung von der früheren Regelung enthielt, sondern nur eine Verdeutlichung dessen, was zuvor schon aufgrund des im Vertrag verankerten Tarifvorbehaltes galt.</p><span class="absatzRechts">127</span><p class="absatzLinks">Da die dem Kläger erteilte Versorgungszusage nach allem dienstvereinbarungsoffen war, konnte sie im Grundsatz durch eine nachfolgende kollektive Regelung abgelöst werden.</p><span class="absatzRechts">128</span><p class="absatzLinks">Allerdings ist aufgrund einer durchzuführenden Billigkeitskontrolle entsprechend dem arbeitsgerichtlichen Urteil festzustellen, daß für die Zeit bis zum Inkrafttreten der Dienstvereinbarung 85 am 7.3.1985 die Bestimmungen der "Versorgungszusage des WDR in der Fassung vom 1.4.1962</p><span class="absatzRechts">129</span><p class="absatzLinks">- 24 -</p><span class="absatzRechts">130</span><p class="absatzLinks">- 24 -</p><span class="absatzRechts">131</span><p class="absatzLinks">die für die Versorgungsanwartschaft des Klägers maßgebliche Berechnungsgrundlage darstellen.</p><span class="absatzRechts">132</span><p class="absatzLinks">Nach der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt es bei der Überprüfung ablösender Dienstvereinbarungen im Ausgangspunkt darauf an, ob das mit der Vereinbarung verbundene Regelungsziel und die Mittel, mit denen es erreicht werden soll, die Grundsätze der Billigkeit beachten. Dieser abstrakten Billigkeitskontrolle soll unter Umständen eine konkrete Billigkeitskontrolle folgen, wenn die Neuregelung zwar insgesamt nicht zu beanstanden ist, jedoch im Einzelfall Wirkungen entfaltet, die nach dem Regelungsplan nicht beabsichtigt sein können. Eine solche konkrete Billigkeitskontrolle soll am Inhalt und der Wirksamkeit der Dienstvereinbarung nichts ändern, sondern ihr nur gleichsam eine Härteklausel hinzufügen (BAG, Urteil vom 3.12.1981, aaO; ferner BAG, Urteil vom 17.3.1987 - 3 AZR 64/84 - aaO, m.w.N.; Urteil vom 17.4.85 - 3 AZR 72/83 -, EzA, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, § l - Unterstützungskasse - Nr. 2; Urteil vom 22.4.1986 - 3 AZR 496/83 -, EzA, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, § l - Unterstützungskasse - Nr. 3).</p><span class="absatzRechts">133</span><p class="absatzLinks">Der nach diesen Grundsätzen durchzuführenden abstrakten Billigkeitskontrolle hält die Dienstvereinbarung des Beklagten aus dem Jahre 1985 stand. Die Vereinbarung, die für eine Vielzahl von Arbeitnehmern des Beklagten zu einer Kürzung ihrer Versorgungsanwartschaften führen soll, genügt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie ist, gemessen am zweck der Maßnahme geeignet, erforderlich und verhältnismäßig.</p><span class="absatzRechts">134</span><p class="absatzLinks">Zweck der Dienstvereinbarung war es, die beim Beklagten eingetretene Überversorgung für die Zukunft abzubauen. Diesem Zweck wird die Dienstvereinbarung gerecht. Sie ist</p><span class="absatzRechts">135</span><p class="absatzLinks">- 25 -</p><span class="absatzRechts">136</span><p class="absatzLinks">- 25 -</p><span class="absatzRechts">137</span><p class="absatzLinks">folglich eine geeignete Maßnahme. Sie war auch erforderlich, weil andere, gleichermaßen geeignete, aber weniger einschneidende Maßnahmen zum Abbau der Überversorgung nicht ersichtlich sind.</p><span class="absatzRechts">138</span><p class="absatzLinks">Bejaht werden muß im Rahmen der abstrakten Billigkeitskontrolle schließlich auch die Verhältnismäßigkeit der Dienstvereinbarung .</p><span class="absatzRechts">139</span><p class="absatzLinks">Innerhalb der dabei gebotenen Abwägung der Änderungsgründe einerseits und der Bestandsschutzinteressen der betroffenen Arbeitnehmer andererseits ist bei Versorgungsanwartschaften vor allem zwischen dem erdienten und dem noch nicht erdienten Teil zu unterscheiden. Während bei dem erdienten Teil der Versorgungsanwartschaft, bei dem der Arbeitnehmer die Gegenleistung für die betriebliche Altersversorgung schon erbracht hat, ein Eingriff nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht kommt, reichen bei dem noch nicht erdienten Teil sachliche Gründe für eine Änderung aus (SAG, Urteil vom 17.3.1987 - 3 AZR 64/84 -, aaO; ähnlich schon BAG, Beschluß vom 8.12.1981 - 3 ABR 53/80 -) .</p><span class="absatzRechts">140</span><p class="absatzLinks">Die vorliegend auf seiten des Beklagten vorhandenen Änderungsgründe sind derartig gewichtig, daß ein Eingriff in noch nicht erdiente Teile von Versorgungsanwartschaften unbedenklich möglich ist. Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 17.3.1987 - 3 AZR 64/84 -, aaO), Bundesgerichtshof (Urteil vom 16.3.1988 - IVa ZR 142/87 -) und auch das Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 30.9.1987 - 2 BvR 983/82 -) sind sich einig, daß der Zielsetzung, etwa bestehende Überversorgungen abzubauen, eine überragend wichtige Bedeutung zukommt. Grund für diese übereinstimmende Annahme in der Rechtsprechung ist die Tatsache, daß es sozialpolitisch bedenklich ist, wenn die im Ruhestand</p><span class="absatzRechts">141</span><p class="absatzLinks">- 26 -</p><span class="absatzRechts">142</span><p class="absatzLinks">- 26 -</p><span class="absatzRechts">143</span><p class="absatzLinks">lebenden Arbeitnehmer höhere Bezüge erhalten als die aktiven Mitarbeiter. Einsatzbereitschaft und Leistungswille der aktiven Arbeitnehmer müssen unter solchen Regelungen auf Dauer zwangsläufig leiden. Darüber hinaus ist eine Überversorgung gemessen am Ziel der Altersversorgung systemwidrig. Zweck der Altersversorgung ist es, jedem Arbeitnehmer im Ruhestand die Aufrechterhaltung eines der Tendenz nach gleichbleibenden Lebensstandards zu ermöglichen. Ein gegenüber dem aktiven Berufsleben höherer Lebensstandard wird von dieser Zielsetzung nicht gedeckt. Einen weiteren sachlichen Grund für die Änderung der Versorgungsordnung durch die Dienstvereinbarung 1985 bildet der Umstand, daß der Beklagte eine Anstalt des öffentlichen Rechts ist, die aus öffentlichen Mitteln finanziert wird und nach § 39 Abs. 2 WDR-Gesetz zum sparsamen Umgang mit Haushaltsmitteln verpflichtet ist. Hinzu kommt, daß es vor diesem Hintergrund in der Vergangenheit wiederholt zu scharfer Kritik politischer Gremien und auch des Landesrechnungshofes NRW gekommen ist verbunden mit der Aufforderung, die Überversorgung in den Versorgungsregelungen abzubauen.</p><span class="absatzRechts">144</span><p class="absatzLinks">Gegenüber diesen gewichtigen Gründen kann nicht mit Erfolg eingewendet werden, das Bestandsschutzinteresse der betroffenen Arbeitnehmer müsse stärker bewertet werden, weil die Überversorgung bereits in den Versorgungszusage-Bestimmungen aus dem Jahre 1962 angelegt gewesen sei. Richtig ist zwar, daß die Tatsache der Überversorgung dann keinen sachlichen Grund für eine Änderung der bestehenden Versorgungsordnung darstellt, wenn eben diese Überversorgung von Anfang an dem Regelungsplan des Arbeitgebers entsprach. Ein Abbau der Überversorgung würde dann keine Anpassung, sondern eine Änderung des ursprünglichen Regelungskonzepts bedeuten (BAG, urteil vom 3o.lo.1984 - 3 AZR 236/82 -, EzA, 3GB, § 242 - Betriebliche Übung - Nr. 14).</p><span class="absatzRechts">145</span><p class="absatzLinks">- 27 -</p><span class="absatzRechts">146</span><p class="absatzLinks">- 27 -</p><span class="absatzRechts">147</span><p class="absatzLinks">Die beim Beklagten bestehende Überversorgung war jedoch nach Auffassung der Kammer nicht bereits generell als Regelungsplan in den Versorgungszusage-Bestimmungen aus dem Jahre 1962 angelegt. Nach Art. 10 der "Versorgungszusage des WDR in der Fassung vom 1.4.1962" war bestimmt, daß "das Einkommen aus dieser Versorgungszusage und der Hälfte der Rente aus der Sozialversicherung 75 v.H. des ruhegeldfähigen Einkommens nicht übersteigen "durfte. Dasselbe sollte gelten, wenn der WDR nach Abschluß einer befreienden Lebensversicherung nach § l der Übergangsvorschriften zum Gesetz zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Angestellten den Arbeitgeberanteil zu einer befreienden Lebensversicherung weiterzahlt.</p><span class="absatzRechts">148</span><p class="absatzLinks">Das Bundesarbeitsgericht hat allerdings bei einer identischen Anrechnungsklausel, die in einer Ruhegeldordnung aus dem Jahre 1970 enthalten war, die Ansicht vertreten, eine Überversorgung sei bereits in der Ruhegeldordnung angelegt gewesen (BAG, Urteil vom 3o.10.1984, aaO). Jedenfalls müsse eine solche Berechnung des Ruhegeldes in vielen Fällen zu einem Gesamtversorgungsgrad führen, der ganz erheblich über den Nettoeinkünften aktiver Arbeitnehmer liege (BAG, aaO) .</p><span class="absatzRechts">149</span><p class="absatzLinks">Die Auffassung des Bundesarbeitsgerichts zu der dabei maßgeblichen Ruhegeldordnung aus dem Jahre 1970 sind auf die Versorgungsregelungen des Beklagten aus dem Jahre 1962 jedoch nicht ohne weiteres übertragbar. Seinerzeit waren die gesetzlichen Renten gerichtsbekanntermaßen niedrig. Zu einer Überschreitung der vorgesehenen Gesamtversorgungsobergrenze von 75 v.H. der Bruttobezüge aktiver Arbeitnehmer durch nur hälftige Anrechnung der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung konnte es überhaupt nur kommen, wenn die Rente</p><span class="absatzRechts">150</span><p class="absatzLinks">- 28 -</p><span class="absatzRechts">151</span><p class="absatzLinks">- 28 -</p><span class="absatzRechts">152</span><p class="absatzLinks">höher als 25 % der letzten ruhegeldfähigen Bruttobezüge war. Hinzu kommt, daß die Entwicklung der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung ohnehin nicht auf lange Zeit im voraus absehbar ist. Deshalb war auch 1962 eine einigermaßen gesicherte Prognose nicht möglich. Entsprechendes galt für die zu erwartenden Leistungen aus befreienden Lebesnversicherungen. Bei ihnen kam als Unsicherheitsfaktor die nicht absehbare Währungsentwicklung hinzu. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Anrechnungsklausel aus der Ruhegeldregelung des Jahre 1962 im Versorgungsfall (möglicherweise 2o oder 3o Jahre später) tatsächlich im allgemeinen zu Überversorgungen führen werde, war deshalb nicht im voraus bestimmbar. Deshalb läßt sich auch nicht sagen, daß generell die Überversorgung in der Regelung aus dem Jahre 1962 bereits planmäßig angelegt gewesen sei.</p><span class="absatzRechts">153</span><p class="absatzLinks">Als Ergebnis läßt sich danach feststellen, daß die Dienstvereinbarung 1985 der abstrakten Billigkeitskontrolle standhält.</p><span class="absatzRechts">154</span><p class="absatzLinks">Angesichts der gewichtigen Gründe, die dem Beklagten für die Änderung der Versorgungsregelungen zur Seite stehen, erscheint danach sogar ein Eingriff in bereits erdiente Versorgungsanwartschaften von Arbeitnehmern möglich (ebenso LAG Köln, Urteil vom 28.10.1988 - 5 Sa 494/88 -, das beiden Parteien bekannt ist). Diese Frage brauchte jedoch nicht abschließend geklärt zu werden, weil im Falle des Klägers ein rückwirkender Eingriff aus Billigkeitsgründen nicht in Betracht kommt. Einer konkreten Billigkeitskontrolle hält die ablösende Versorgungsregelung des Beklagten aus dem Jahre 1985 nämlich nur teilweise stand. Unter Berücksichtigung der besonderen Interessen des Klägers führt die konkrete Billigkeitskontrolle dazu, daß der bereits erdiente Teil seiner unverfallbaren Versorgungsanwartschaft unangetastet bleiben muß.</p><span class="absatzRechts">155</span><p class="absatzLinks">- 29 -</p><span class="absatzRechts">156</span><p class="absatzLinks">- 29 -</p><span class="absatzRechts">157</span><p class="absatzLinks">In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, daß im Falle des Klägers bei Erteilung der Versorgungszusage im Jahre 19G9 nach dem damaligen Erkenntnisstand eine Überversorgung zu erwarten war, weil befreiende Lebensversicherungen zu höheren Versorgungsleistungen führten als die Beitragszahlung zur gesetzlichen Rentenversicherung. Zudem wurde den im Jahre 1971 tätigen Chor- und Orchestermitgliedern ausdrücklich zugesagt, die bestehende Versorgungsordnung werde niemals zu ihren Lasten geändert werden. Diese Zusage wurde letztlich dadurch bestätigt, daß die Dienstvereinbarung aus dem Jahre 1979 den betreffenden Arbeitnehmern ein Wahlrecht einräumte, ob im Versorgungsfall die Bestimmungen der Versorgungsordnung aus dem Jahre 1962 oder die der neuen Dienstvereinbarung gelten sollten. Nach den vom Beklagten im vorliegenden Verfahren vorgelegten Berechnungen führte die Anwendung der Versorgungsregelungen aus 1979 im Falle des Klägers bereits zu einer Versorgung in Höhe von 148,48 v.H. der ruhegeldfähigen Dienstbezüge. Aus der Sicht des Klägers war damit eine deutliche Überversorgung, auch wenn sie nicht bereits 1962 in den Versorgungsregelungen angelegt gewesen war, nach dem Willen des Beklagten manifestiert. Der Beklagte hat mithin in den Jahren 1971 und 1979 Vertrauenstatbestände gesetzt, aus denen der Kläger nach Treu und Glauben herleiten konnte, daß jedenfalls in der Vergangenheit bereits erdiente Teile einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft nicht mehr angetastet würden.</p><span class="absatzRechts">158</span><p class="absatzLinks">Im Fall des Klägers würde die Anwendung der Dienstvereinbarung 1985 auf bereits erdiente Anwartschaftsteile zu einer außergewöhnlich drastischen Kürzung des zu erwartenden Ruhegeldes führen. Nach den Berechnungen im Schriftsatz des Beklagten vom 15.lo.1987 würde der Ausfall im Jahre 2005, hochgerechnet auf der Grundlage einer angenommenen <em>3</em> %igen tariflichen Steigerung, mehr als DM 4.ooo,-- monatlich be-</p><span class="absatzRechts">159</span><p class="absatzLinks">- 30 -</p><span class="absatzRechts">160</span><p class="absatzLinks">-              30 -</p><span class="absatzRechts">161</span><p class="absatzLinks">tragen. Mit einer solchen Einschränkung brauchte der Kläger, der etwa die Hälfte seines Berufslebens beim Beklagten bereits absolviert hatte, bezogen auf die in den zurückliegenden Jahren erdienten Anwartschaftsteile nicht mehr zu rechnen. Bei der Abwägung ist das Interesse des Klägers am Bestand der alten Regelung höher zu bewerten als das des Beklagten an einer vollständigen Anpassung der Versorgungsanwartschaften, auch für die Vergangenheit.</p><span class="absatzRechts">162</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte kann dem nicht entgegenhalten, der Vertrauens-schutz des Klägers könne so hoch nicht bewertet werden, weil der Kläger im Falle des Ausscheidens aus den Diensten des Beklagten vor Eintritt des Versorgungsfalles keine Versorgungsanwartschaft auf der Grundlage des § 2 des Betriebsrentengesetzes mitnehme, sondern nur einen Anspruch auf Nachversicherung nach § 10 des Betriebsrentengesetzes habe. Das trifft zwar für eine Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ungeachtet der vorliegenden Entscheidung zu. Hier geht es jedoch nicht um eine Auflösung des Dienstverhältnisses. Eine solche brauchte der Kläger bei seinen Planungen im Zweifel seit geraumer Zeit nicht mehr in Betracht zu ziehen, weil er nach dem Tarifvertrag unkündbar sein dürfte. Im vorliegenden Fall geht es um die Frage, nach welche Grundsätzen der bereits erdiente Teil der Versorgungsanwartschaft des Klägers zu berechnen ist, der ihm als Teil der Gesamtversorgung bei Eintritt des Versorgungsfalles ausgezahlt wird. Diese Berechnung ist nach §21 des Betriebsrentengesetzes vorzunehmen, der insoweit allgemeine Regelungsgrundsätze enthält.</p><span class="absatzRechts">163</span><p class="absatzLinks">Zu dem damit besonders geschützten Teil der Versorgungsanwartschaft gehört im Falle des Klägers auch die erdiente Dynamik, die darin liegt, daß sich die Versorgungsleistungen nach den auf der Grundlage der Ruhegeldordnungen zu ermittelnden ruhegelfähigen Bezügen richten (dazu BAG, Urteil</p><span class="absatzRechts">164</span><p class="absatzLinks">-              31 -</p><span class="absatzRechts">165</span><p class="absatzLinks">- 31 -</p><span class="absatzRechts">166</span><p class="absatzLinks">vom 17.4.1985, EzA, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, § l - Unterstützungskasse - Nr. 2). Bei einer gehaltsabhängigen Dynamik soll nämlich nach den Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts der Wertzuwachs der Anwartschaft ohne Bindung an die Dienstzeit der Entwicklung eines Berechnungsfaktors folgen, der seinerseits variabel ist; der Zweck dieser dienstzeitunabhängigen Steigerung bestehe nicht darin, die fortdauernde Betriebstreue zu vergüten und zum Maßstab der Rentenberechnung zu machen, vielmehr gehe es darum, den Versorgungsbedarf flexibel zu erfassen; der Anwartschaftswert solle sich dem durch die Höhe des Arbeitsentgeltes geprägten Lebensstandard des begünstigten Arbeitnehmers bis zum Eintritt des Versorgungsfalles oder sogar im Ruhestand anpassen. Soweit für eine solche gehaltsabhängige Dynamik Betriebstreue bereits geleistet sei, sei sie im Gegensatz zu den dienstzeitabhängigen Steigerungsraten im Zeitpunkt der Ablösung durch eine neue Betriebsvereinbarung schon erdient und mithin besonders schützenswert (BAG, aaO).</p><span class="absatzRechts">167</span><p class="absatzLinks">Im Hinblick auf die noch nicht erdienten Versorgungsanwartschaftsteile führt die konkrete Billigkeitskontrolle im Falle des Klägers jedoch nicht zu einer Beibehaltung der früheren Versorgungsregelungen. Dem Interesse des Beklagten an einer Änderung der Versorgungsbestimmungen und an einem Abbau der Überversorgung für die Zukunft gebührt der Vorrang.</p><span class="absatzRechts">168</span><p class="absatzLinks">Danach waren die Berufungen beider Parteien zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 92, 37 ZPO.</p><span class="absatzRechts">169</span><p class="absatzLinks">Da der Rechtsstreit von grundsätzlicher Bedeutung ist, wurde für beide Parteien die Revision zugelassen.</p><span class="absatzRechts">170</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Rechtsmittelbelehrung:</span> Gegen dieses Urteil kann von beiden Parteien Revision eingelegt werden: Die Revision muß innerhalb einer Notfrist (eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden) von einem Monat nach der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim Bundesarbeitsgericht Graf-Bernadotte-Platz 3, 3500 Kassel-Wilhelmshöhe, eingelegt werden. Die Revision ist gleichzeitig oder innerhalb eines Monats nach ihrer Einlegung schriftlich zu begründen. Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.</p><span class="absatzRechts">171</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Hinweis der Geschäftsstelle:</span> Das BAG bittet sämtliche Schriftsätze in 5-facher Ausfertigung einzureichen.</p>
|
315,235 | ovgnrw-1989-05-26-9-a-28488 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
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} | 9 A 284/88 | 1989-05-26T00:00:00 | 2019-03-13T14:50:12 | 2022-10-18T15:08:47 | Urteil | ECLI:DE:OVGNRW:1989:0526.9A284.88.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Das angefochtene Urteil wird geändert; die Klage wird abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen trägt der Kläger.</p>
<p></p>
<p>Die Revision wird nicht zugelassen.</p>
<p></p>
<p></p>
<p></p>
<p>
</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> Durch Grundbesitzabgaben-Heranziehungsbescheid vom 10. April 1985 setzte der
Beklagte gegenüber dem Kläger als Eigentümer des Wohnhausgrundstücks ...straße
.../Ecke ...straße Gebühren für die Reinigung der bezeichneten Straßen im Jahre
1985 in Höhe von 280,- DM fest. Dabei ging er von Grundstücksseiten an der ...straße
von 34 m und an der ...straße von 22 m Länge, einmal wöchentlicher Reinigung und
einem Gebührensatz von 5,- DM je Meter Grundstücksseite aus. Grundlage der
Gebührenfestsetzung war die zum 1. Januar 1985 in Kraft gesetzte Satzung über die
Reinigung der öffentlichen Straßen in der Landeshauptstadt ... vom 11. Februar 1985
(... Amtsblatt Nr. 7 vom 16. Februar 1985). Durch diese Satzung war die Gewährung
von Ermäßigungen für Eckgrundstücke beseitigt worden; nach der bis dahin geltenden
Satzung vom 16. Dezember 1982 war der Kläger nur zur Hälfte der jetzt festgesetzten
Gebühren herangezogen worden.</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Den gegen die Gebührenfestsetzung vom 17. April 1985 eingelegten Widerspruch
wies der Beklagte durch Bescheid vom 6. Mai 1985 zurück.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung der dagegen erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen: Die
Gebührenfestsetzung sei rechtswidrig, soweit sie über 170,- DM hinausgehe. Dieser
Betrag entspreche der Länge der Grundstücksseite an der ...straße. Demgegenüber
dürfe die an die ...straße grenzende Grundstücksseite nicht berücksichtigt werden,
weil er von dieser Straße keinen Vorteil habe, wie das Kommunalabgabengesetz für
das Land Nordrhein-Westfalen (KAG) für die Erhebung von Benutzungsgebühren
voraussetze. Es bestehe kein Zugang zur ...straße; vielmehr sei diese Straßenfront
zugewachsen. Der Bürgersteig der ...straße sei nur 35 cm breit. Jedenfalls dürfe das
Grundstück nicht uneingeschränkt nach der Länge beider Straßenfronten veranlagt
werden. Die Satzung über die Straßenreinigung vom 11. Februar 1985 habe sich keine
Rückwirkung beilegen dürfen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">den Heranziehungsbescheid des Beklagten vom 10. April 1985, soweit darin
Straßenreinigungsgebühren in Höhe von mehr als 170,- DM festgesetzt worden sind,
und den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 6. Mai 1985 aufzuheben.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Er hat die Gebührenfestsetzung als rechtmäßig verteidigt. Der Wegfall der
Eckgrundstücksvergünstigung in der neuen Satzung sei erforderlich geworden, weil
das Verwaltungsgericht Düsseldorf durch Urteil vom 8. Februar 1984 - 16 K 785/83 -
die Regelung der Vergünstigungen wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz für
nichtig erklärt habe. Auf die Breite des Gehweges in der Straße komme es nicht an;
maßgeblich sei allein, daß er gereinigt werde.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Durch das angefochtene Urteil hat das Verwaltungsgericht der Klage
stattgegeben: Es fehle an einem gültigen Gebührensatz. In die Gesamtkosten der
Straßenreinigung seien zu Unrecht die Kosten für die Aufstellung und Leerung der
Papierkörbe an den Straßen aufgenommen worden. Die Zahl der Gebührenmeter sei
zu gering, weil nach Wegfall der Eckgrundstucksvergünstigung ab 1. Januar 1985 die
jetzt wieder erfaßten Gebührenmeter hätten hinzugenommen werden müssen. Diese
Fehler wirkten sich auf den Gebührensatz aus. Sie seien durch den Beschluß des
Rates der Stadt ... vom 6. Juni 1986 über eine geänderte
Gebührenbedarfsberechnung nicht geheilt worden, weil der Inhalt dieses Beschlusses
in einer Änderungssatzung hätte wirksam gemacht werden müssen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Gegen diese ihm am 18. Januar 1988 zugestellte Entscheidung richtet der
Beklagte die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung. Zu deren Begründung
trägt er im wesentlichen vor: Die Gebührensätze seien richtig ermittelt worden. Sie
seien unverändert aus der Gebührenbedarfsberechnung für das Jahr 1984
übernommen worden. Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht nicht berücksichtigt,
daß sich ein möglicherweise fehlerhafter Ansatz von Kosten für die Aufstellung und
Entleerung der Papierkörbe in Höhe von 637.000,- DM auf die Höhe des in der
Satzung festgesetzten Gebührensatzes nicht auswirke, weil die Spanne zwischen dem
möglichen und dem festgesetzten Gebührensatz besonders hoch gewesen sei.
Entsprechendes gelte für den Berechnungsfehler, der sich daraus ergebe, daß die
Frontlängen der Eckgrundstücke nur zu 1/2 berücksichtigt worden seien.
Dementsprechend habe der Rat der Stadt ... am 6. Juni 1986 zu Recht eine
klarstellende Gebührenbedarfsberechnung für 1985 beschließen können, durch die die
Berechnungsfehler ausgeräumt worden seien. Nach der ständigen Rechtsprechung
des erkennenden Berufungsgerichts habe es des Erlasses einer neuen Satzung nicht
bedurft.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Er tritt unter Hinweis auf die Gründe des angefochtenen Urteils der Berufung
entgegen und bestreitet die Erläuterungen des Beklagten zur Gebührenkalkulation mit
Nichtwissen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat auf Anforderung des Senats zu bestimmten Fragen der
Ermittlung der Gebührensätze Stellung genommen und zum Beleg seiner Erklärungen
verschiedene Unterlagen vorgelegt. Hiernach liegen dem Senat unter Beiziehung
verschiedener Aktenstücke aus anderen Berufungsverfahren im wesentlichen folgende
Unterlagen vor, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren:</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks"> 1. Satzungsordner mit den Unterlagen zu der bis zum 31. Dezember 1984
geltenden Straßenreinigungssatzung der Stadt ... vom 16. Dezember 1982
einschließlich der Anlagen zur Ratsvorlage (beigezogen aus dem Berufungsverfahren 9
A 254/87),</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks"> 2. Satzungsordner mit den Unterlagen zur Satzung vom 11. Februar 1985
einschließlich der Anlagen zur Ratsvorlage (beigezogen aus dem Berufungsverfahren 9
A 2898/86),</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks"> 3. ergänzender Ratsbeschluß zur Satzung vom 11. Februar 1985
betreffend die Gebührenbedarfsberechnung für das Jahr 1985 vom 6. Juni 1986
(Drucksache 70/007/86 einschließlich der zugehörigen Berechnungsunterlagen -
beigezogen aus dem Berufungsverfahren 9 A 2898/86, Blatt 28-35 dieser
Gerichtsakte),</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks"> 4. Texte der Straßenreinigungssatzungen der Stadt ... vom 19. Dezember
1985 und 19. Dezember 1986 (beigezogen aus dem Berufungsverfahren 9 A
254/87),</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks"> 5. Berechnungsauszüge aus der ADV-Anlage der Stadt ... zur Berechnung
der Front- und Kostenmeter und des Gebührenaufkommens nach dem Datenbestand
vom 13. April 1982 und dem Datenbestand vom 10. April 1984,</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks"> 6. Berechnungen für die Kosten der Unterhaltung und Leerung von
Papierbehältern bezogen auf die Gebührenkalkulation für das Jahr 1985, für die
Kosten der Straßenreinigung in den 1976 (muß heißen: 1975) in die Stadt ...
eingegliederten Stadtteilen und für die Kosten der Straßenreinigung in den übrigen
Stadtgebieten jeweils nach der Kostenlage 1984.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Wegen des Sachverhalts im übrigen und des weiteren Vorbringens der Beteiligten
wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der dazu eingereichten Verwaltungsvorgänge
des Beklagten sowie auf Lagepläne zur Belegenheit des veranlagten Grundstücks des
Klägers Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu
Unrecht stattgegeben. Die Erhebung der festgesetzten Gebühren ist dem Grunde und
in vollem Umfang der Höhe nach rechtmäßig.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Gegenstand der Anfechtungsklage ist ausschließlich die Erhebung von
Straßenreinigungsgebühren (in Höhe von 110,- DM) für das Jahr 1985 durch den
"Grundbesitzabgaben-Heranziehungsbescheid" des Beklagten vom 10. April 1985
i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 1985. Zwar enthält der erstgenannte
Bescheid die Erklärung, daß er auch für die Folgejahre gelte; die insoweit
angeordnete Rechtswirkung wird aber durch den Zusatz eingeschränkt, der Bescheid
gelte nur, bis ein neuer Bescheid ergehe. Ein solcher ist hinsichtlich der Erhebung von
Straßenreinigungsgebühren für die Zeit ab Januar 1986 unter dem 2. Januar 1986
erlassen worden. Im Hinblick darauf ist der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung
I. Instanz am 2. Dezember 1987 gestellte Klageantrag so auszulegen, daß er sich
ausschließlich auf die (teilweise) Aufhebung der Gebührenfestsetzung für das Jahr
1985 bezieht.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die angefochtene Gebührenerhebung beruht auf wirksamen Satzungsrecht. Hierzu
hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 12. April 1989 - 9 A 254/87 -
betreffend das hier umstrittene Satzungsrecht und die Veranlagung zu
Straßenreinigungsgebühren in der Stadt ... im Jahr 1985 wörtlich ausgeführt:</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks"> "Gemäß § 3 Abs. 1 des Straßenreinigungsgesetzes für das Land Nordrhein-
Westfalen (StrReinG) vom 18. Dezember 1975, GV NW S. 706, zuletzt geändert
durch Gesetz vom 11. Dezember 1979, GV NW S. 914, erheben die Gemeinden von
den Eigentümern der Grundstücke, die durch Straßen erschlossen werden, die nach
§ 1 des Gesetzes der Straßenreinigung unterliegen, als Gegenleistung für die
Kosten der Straßenreinigung eine Benutzungsgebühr nach den Vorschriften des
Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (KAG) vom 21.
Oktober 1969, GV NW S. 712, zur Zeit des Erlasses des Widerspruchsbescheides
zuletzt geändert durch Gesetz vom 6. November 1984, GV NW S. 663. Die
Gebührenerhebung erfolgt aufgrund einer Satzung (§ 2 Abs. 1 Satz 1 KAG) und
nach Maßgabe der Regelungen des § 3 StrReinG i.V.m. den Bestimmungen des
KAG, soweit letztere unter Berücksichtigung der Besonderheiten des
Straßenreinigungsgesetzes anzuwenden sind.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die der angefochtenen Gebührenerhebung zugrunde liegende, formell wirksam
und rechtlich unbedenklich mit Rückwirkung auf den 1. Januar 1985 beschlossene
Straßenreinigungssatzung vom 11. Februar 1985 (SRS) entspricht den sich nach
den genannten Bestimmungen, wie auch nach höherrangigem Recht (insbesondere
Artikel 3 Abs. 1 GG) zu beachtenden Anforderungen. Das gilt in Sonderheit für den
Gebührenmaßstab und den Gebührensatz.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Der vom Satzungsgeber in § 6 Abs. 1 SRS gewählte Gebührenmaßstab nach der
Frontlänge bzw. der Länge der der Straße zugewandten Grundstückseite, nach der
Straßenart (§ 6 Abs. 5 SRS) und der Zahl der wöchentlichen Reinigungen ist ein
zulässiger, an sachgerechten Unterscheidungsmerkmalen orientierter
Wahrscheinlichkeitsmaßstab (§ 6 Abs. 3 Satz 2 KAG). Der sogenannte
Frontmetermaßstab, wie er in der Satzung enthalten ist, ist an den Vorteilen, die dem
einzelnen Grundstück durch die Straßenreinigung vermittelt werden, ausgerichtet
(d.h. grundstücksbezogen) und entspricht als solcher nach ständiger
Rechtsprechung des erkennenden Gerichts den gesetzlichen
Maßstabsanforderungen und dem Gleichheitssatz.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Vgl. zur Zulässigkeit des Frontmetermaßstabes grundsätzlich OVG NW, Urteil
vom 17. Dezember 1980 - 2 A 2018/80 -, OVGE 35 S. 80 ff.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die Differenzierung nach der Straßenart, die nach § 6 Abs. 5 Sätzen 1 und 2
SRS in der Weise erfolgt, daß die Gebührensätze für die Reinigung von Straßen, die
dem innerörtlichen Verkehr dienen, nur auf 90 v.H. der Gebührensätze für Straßen
festgesetzt sind, die dem Anliegerverkehr dienen, entspricht der Regelung des § 3
Abs. 2 StrReinG; nach dieser Regelung können die Gemeinden bei der Festsetzung
der Benutzungsgebühr der Bedeutung der Straßen für den Anliegerverkehr sowie für
den inner- und überörtlichen Verkehr Rechnung tragen. Daß die Unterscheidung
nach der Zahl der wöchentlichen Reinigungen sachgerecht und nach
Vorteilgesichtspunkten und Artikel 3 Abs. 1 GG sogar geboten ist, bedarf keiner
weiteren Darlegung.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Der Veranlagung liegt ferner ein gültiger Gebührensatz zugrunde.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Einschlägig ist insoweit § 6 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 der SRS, wonach die
Benutzungsgebühr bei einmalig wöchentlicher Reinigung der Fahrbahn und des
Gehweges von Straßen, die überwiegend dem Anliegerverkehr dienen, jährlich 5,-
DM je m Grundstücksseite (§ 6 Abs. 1-4 SRS) beträgt. Dieser Gebührensatz ist - wie
auch die übrigen Gebührensätze des § 6 Abs. 5 SRS - wirksam. Das
Gesamtgebührenaufkommen, das nach den verschiedenen Gebührensätzen
kalkulationsgemäß in Anwendung des Gebührenmaßstabes der Satzung für 1985
erzielt wird, liegt nämlich innerhalb der nach dem Straßenreinigungsgesetz zu
beachtenden Grenzen. Zudem verstoßen die Bildung unterschiedlicher
Gebührensätze und ihre Berechnung im einzelnen auch sonst nicht gegen
Bestimmungen des Straßenreinigungsgesetzes und des KAG und auch nicht gegen
den Gleichheitssatz. Bestimmte - nur zum Teil in Betracht zu ziehende -
Berechnungsfehler führen nicht zu einem die Nichtigkeit der Satzungsregelung nach
sich ziehenden Gesetzesverstoß.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 StrReinG darf das Gesamtgebührenaufkommen 75
v.H. der Gesamtkosten der Straßenreinigung im Gemeindegebiet nicht übersteigen.
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StrReinG i.V.m. § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG sind hierbei
Gesamtkosten der Straßenreinigung im Gemeindegebiet die nach
betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten dieser Art. Die hiernach
zwischen der Stadt und den Eigentümern der Grundstücke, die durch die der
städtischen Straßenreinigung unterliegenden Straßen erschlossen werden, 1985
aufzuteilenden, umlagefähigen Kosten betragen zumindest 23.687.459,- DM
(24.383.674,- DM kalkulierte Kosten ./. 696.325,- DM aus der Auflösung der
Ausgleichsrücklage) abzüglich der Kosten für die Unterhaltung und Leerung von
Straßenpapierbehältern in Höhe von 637.000,- DM; diese Kosten können somit nach
§ 3 Abs. 1 Satz 2 StrReinG bis zu einem Betrag von 17.287.844,- DM (75 v.H. von
23.050.459,- DM) auf die Grundstückseigentümer umgelegt werden. Der genannte
Mindestbetrag der Gesamtkosten der Straßenreinigung im Gebiet der Stadt ... ergibt
sich aus den Berechnungen der Gebührenkalkulation zur Satzung vom 11. Februar
1985 (Anlagen 2-6 der Satzungsvorlage) sowie der auf Anforderung des Senats
erfolgten Nachberechnung der Kosten für die Unterhaltung und Leerung der
Straßenpapierkörbe in diesem Jahr. Bei der hiernach maßgeblichen Berechnung
wird zu Lasten des Beklagten unterstellt, daß es sich bei den Kosten für die
Unterhaltung und Leerung der Papierkörbe um solche handelt, die nicht zu den
Kosten der Straßenreinigung zu rechnen sind,</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">vgl. dazu Urteil des 2. Senats des erkennenden Gerichts vom 17. Oktober 1985 -
2 A 2689/84 -,</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">und daß diejenigen Kosten der Straßenreinigung, die nach der Anlage 6 der
Vorlage zur Satzung vom 11. Februar 1985 durch die sogenannte
Gebührenausgleichs-Rücklage (22.977,- DM Zinsen + 696.325,- DM Entnahme)
abgedeckt worden sind, als umlagefähige Kosten der Straßenreinigung im
Stadtgebiet nicht angesetzt werden dürfen. Der Senat hat keine Veranlassung, die
Ermittlung der Kosten der Straßenreinigung, wie sie sich aus der
Gebührenkalkulation (Anlagen 2, 3, 5 und 6 zur Satzungsvorlage) ergibt, und die
Berechnung der auf die Papierkörbe entfallenden Kosten in Frage zu stellen. Dies
gilt auch unter Berücksichtigung des Vortrages der Kläger, es sei nicht verständlich,
daß sich der Gebührensatz im Vergleich zu früherem Satzungsrecht nicht gesenkt
habe, nachdem die Eckgrundstücksvergünstigungen, die nach der Vorgängersatzung
vom 16. Dezember 1982 eingeräumt wurden, nach neuem Recht entfallen sei und
nachdem bei der Umlage der Kosten der Straßenreinigung zusätzlich alle
Hinterliegergrundstücke einbezogen worden sein sollen. Der Beklagte hat in seiner
Stellungnahme vom 9. März 1989 auf Aufforderung des Senats überzeugend
diejenigen Beträge der Straßenreinigungskosten erläutert, die nach dem
Verursacherprinzip ausschließlich bestimmten Stellen und Personen zuzurechnen
sind und nicht auf die Grundstückseigentümer der von den gereinigten Straßen
erschlossenen Grundstücke umgelegt werden dürfen. Hiernach gibt es keine
Anhaltspunkte für fehlerhafte oder überhöhte Kostenansätze. Die Kläger
berücksichtigen bei ihren Überlegungen nicht ausreichend, daß bestimmte
Senkungen der Durchschnittskosten, die sich durch die Einbeziehung von mehr
Grundstücken bzw. Grundstücksfronten in die Kostenverteilung ergeben, teilweise
durch die bis 1985 eingetretenen Kostensteigerungen ausgeglichen werden. Ferner
liegt es im System der nach § 3 Abs. 1 Satz 2 StrReinG zulässigen Umlage der
Kosten der Straßenreinigung, daß es die Stadt ungeachtet einer Änderung der der
Gebührenkalkulation zugrundeliegenden Berechnungsfaktoren bei den bisherigen
Gebührensätzen belassen kann, solange das Gesamtgebührenaufkommen 75 v.H.
der Gesamtkosten der Straßenreinigungskosten im Stadtgebiet nicht überschreitet.
Da der von der Stadt ... übernommene Anteil der Gesamtkosten der
Straßenreinigung im Stadtgebiet nach der Gebührenkalkulation sowohl zu der
Satzung vom 16. Dezember 1982 wie auch der hier umstrittenen Satzung vom 11.
Februar 1985 mit zwischen 35-40 v.H. ganz deutlich über dem vom
Straßenreinigungsgesetz geforderten Mindestanteil von 25 v.H. liegt, können aus
dem Umstand, daß die Gebührensätze in beiden Satzungen gleich hoch sind,
Rückschlüsse auf eine im Ergebnis gesetzwidrige Gebührenkalkulation nicht
gezogen werden.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Das Gesamtgebührenaufkommen für das Jahr 1985 überschreitet die nach § 3
Abs. 1 Satz 2 vorgeschriebene Grenze nicht, weil es ganz erheblich unter 75 v.H.
der nach der vorliegenden Berechnung angesetzten Gesamtkosten der
Straßenreinigung von 23.687.459,- DM liegt. Nach den von der Stadt
zulässigerweise im voraus für 1985 zu kalkulierenden Gebühreneinnahmen wird
nämlich ein Gebührenaufkommen von nicht mehr als 14.228.191,- DM (14.047.935,-
DM + 180.256,- DM) erzielt, d.h. nur 61,78 v.H. des für die Straßenreinigung
angesetzten Gesamtkostenbetrages. Das Gebührenaufkommen der Stadt für das
Jahr 1985 ergibt sich in der genannten Höhe ebenfalls aus den Berechnungen in der
Gebührenkalkulation zur Satzung vom 11. Februar 1985 (Anlage 3 zur
Satzungsvorlage) sowie aus den ergänzenden Berechnungen, die dem
Ratsbeschluß vom 6. Juni 1986, mit dem der Rat eine Nachkalkulation der
Gebührensätze der Satzung vom 11. Februar 1985 für das Jahr 1985 gebilligt hat,
zugrunde liegen. In Anlage 3 zur Gebührenkalkulation der Satzung vom 11. Februar
1985 ist das Gebührenaufkommen für die nach unterschiedlichen Gebührensätzen
abzurechnenden Straßen durch Multiplikation der sogenannten "Zahlmeter" mit den
jeweiligen Gebührensätzen ermittelt und ist aus den sich danach ergebenden
Einzelbeträgen das Gesamtgebührenaufkommen mit 14.047.935,- DM berechnet
worden. Bei den "Zahlmetern" handelt es sich ausweislich von Anlage 4 zur
Satzungsvorlage (betriebliche Datenmenge = gereinigte Frontmeter; Stand:
10.04.1984) um die nach dem Gebührenmaßstab des § 6 Abs. 1-4 SRS zu
berücksichtigenden ("einfachen") Frontmeter, multipliziert mit der Zahl der
Reinigungen der betreffenden Straße je Woche. Hiernach begegnet die Berechnung
des Gebührenaufkommens in Anlage 3 zur Satzungsvorlage - ohne daß das aber
Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Gebührensätze hätte - nur insoweit
Bedenken, als die einfachen Frontmeter und Zahl- bzw. Kostenmeter für
Eckgrundstücke nicht richtig ermittelt sind. Der Beklagte hat in seiner Stellungnahme
vom 9. März 1989 erläutert und durch entsprechende Auszüge aus der ADV-Anlage
der Stadt ... zur Berechnung der einfachen Front- und der Kostenmeter belegt, daß
bei der Ermittlung der einfachen Frontmeter zur Gebührenkalkulation der
Vorgängersatzung vom 16. Dezember 1982 nur 50 v.H. der Frontlängen der
Eckgrundstücke angesetzt worden sind, weil nach dem damaligen Satzungsrecht
eine entsprechende Vergünstigung für Eckgrundstücke vorgesehen war. Eine solche
Vergünstigung enthält die Satzung vom 11. Februar 1985 nicht mehr; bei der
Gebührenkalkulation, wie sie sich aus den Anlagen zur Satzungsvorlage ergibt, ist
dies indessen nicht berücksichtigt worden, sondern sind die Frontmeter der
Eckgrundstücke nach wie vor nur mit 50 v.H. angesetzt worden. Letzteres hat der
Beklagte unter Aufgabe seines zunächst gegenteiligen Vortrages inzwischen
eingeräumt. Der diesbezügliche Fehler in der Gebührenkalkulation wird auch
dadurch belegt, daß der genannte Ratsbeschluß vom 6. Juni 1986 vom Beklagten
unter anderem gerade mit der Begründung herbeigeführt worden ist, bei der
Berechnung der Kostenmeter seien 34.299 m, die zusätzlich auf Eckgrundstücke
entfielen, fehlerhaft unberücksichtigt geblieben; dementsprechend erhöhe sich das
Gebührenaufkommen um 180.255,24 DM. Diese Steigerung des
Gebührenaufkommens, die den in Anlage 3 zur Satzungsvorlage kalkulierten
Einnahmen von 14.047.935,- DM zuzuschlagen ist, führt indessen, wie eingangs
dargelegt, nicht zu einer gesetzwidrigen Überschreitung des nach § 3 Abs. 1 Satz 2
StrReinG einzuhaltenden Grenze.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Sonstige Berechnungsfehler, erst recht nicht solche, die sich rechtsbeachtlich
auswirken könnten, sind nicht ersichtlich.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Die Festsetzung der Gebührensätze unterschiedlicher Höhe, wie sie in § 6 Abs.
5 SRS erfolgt ist, steht mit den Bestimmungen des § 3 StrReinG, des § 6 KAG und
Artikel 3 Abs. 1 GG in Einklang, weil die Differenzierung nach diesen Sätzen und
deren Bemessung an kostengerechten Kriterien ausgerichtet ist. Die Bemessung des
nach § 6 Abs. 5 Satz 3 SRS für die Reinigung selbständiger Gehwege mit einer
Breite bis zu 3 m geltenden Satzes, der niedriger ist als die für Anliegerstraßen und
Straßen des innerörtlichen Verkehrs nach § 6 Abs. 5 Satz 1 SRS festgelegten Sätze,
trägt dem Umstand Rechnung, daß die Reinigungskosten für die genannten Straßen,
bei denen Fahrbahn und Gehwege gereinigt werden, höher sind als bei der
Reinigung selbständiger Gehwege der genannten Breite. Auch die vergleichsweise
niedrigeren Gebührensätze für die Reinigung der Straßen in den in die Stadt ... 1975
eingegliederten Stadtteilen (... und ...), in denen nur die Fahrbahn gereinigt wird und
die Reinigung ausschließlich maschinell erfolgt, sind durch sachgerechte
Unterscheidungen bei der Kostenkalkulation gerechtfertigt. Nach den Erläuterungen
des Beklagten sind die Gebühren für die Reinigung dieser Straßen 1978 erstmals
aufgrund gesonderter Kostenkalkulation ermittelt und danach entsprechend den
allgemeinen Kostensteigerungen der Straßenreinigung im Stadtgebiet
fortgeschrieben worden. Diese gesonderte Kostenkalkulation und Fortschreibung der
Gebührensätze für diese Straßen ist aufgrund der sich von der Straßenreinigung in
den sonstigen Stadtgebieten nach Art und Umfang unterscheidenden Reinigung
gerechtfertigt. Denn bei den sonstigen Anliegerstraßen und Straßen des
innerörtlichen Verkehrs werden Fahrbahn und Gehwege gereinigt und erfolgt die
Reinigung zudem kombiniert maschinell und manuell. Hiernach ist die Bildung
gesonderter Gebührensätze für die Straßenreinigung in den eingegliederten
Stadtteilen einerseits und im übrigen Stadtgebiet andererseits sowohl unter dem
Gesichtspunkt einer Gebührenkalkulation nach getrennten
Abrechnungsgebieten,</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">vgl. zur Zulässigkeit der Bildung gesonderter Abrechnungsgebiete aus
sachlichen Gründen Urteil des erkennenden Gerichts vom 29. Mai 1979 - 2 A
2249/78 -, KStZ 1979 S. 178,</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">als auch unter dem Gesichtspunkt einer kostengerechten Differenzierung der
Gebührensätze innerhalb eines einheitlichen Abrechnungsgebietes für die gesamte
Stadt ... gerechtfertigt. Der Beklagte hat in der vom Senat angeforderten Berechnung
auf der Grundlage der Gebührenkalkulation für die Satzung vom 11. Februar 1985
ohne erkennbaren Fehler vorgerechnet (Anlagen 6/1 und 6/2 zur Stellungnahme
vom 9. März 1989), daß die Kosten je Reinigungsmeter bei rein maschineller
Fahrbahnreinigung einerseits und bei der Reinigung von Fahrbahnen und Gehwegen
in manueller und maschineller Reinigung (nach einer Mischkalkulation) andererseits
im Verhältnis von etwa 2,09 DM zu 8,01 DM, d.h. im Verhältnis von etwa 1: 4
stehen. Diesem Verhältnis entspricht das Verhältnis, in dem die einschlägigen
Gebührensätze nach § 6 Abs. 5 Satz 1 zu denen nach § 6 Abs. 5 Satz 1 SRS
stehen. Im übrigen würde selbst dann, wenn sich das Verhältnis der Kosten je
Reinigungsmeter zueinander mit dem der Gebührensätze nicht decken würde, kein
Grund zur Beanstandung bestehen. Zwar werden entsprechend der Anlage 3 zur
Satzungsvorlage in den eingegliederten Stadtteilen insgesamt nur 28.766,- DM an
Gebühren erhoben und die in diesen Stadtgebieten gebührenpflichtigen Eigentümer,
bezogen auf den Gesamtkostenaufwand für die Straßenreinigung in diesen
Gebieten, der nach der vorgelegten Berechnung des Beklagten 1985 mit 51.032,80
DM zu veranschlagen war (BA 3 S. 13), nur mit 56 v.H. dieser Kosten belastet
(28.766,- DM: 51.032,80 DM); diese Belastung ist niedriger als die Kostenlast, die
den gebührenpflichtigen Eigentümern in den sonstigen Stadtgebieten zugemutet
wird. Das ist aber unschädlich. Denn bei der Bildung gesonderter
Abrechnungsgebiete ist die Stadt jedenfalls nicht streng daran gebunden, in jedem
dieser Gebiete einen Kostenanteil an den Gesamtkosten der Straßenreinigung in
gleicher Höhe als Eigenanteil zu übernehmen. Die Besonderheit der Bildung von
getrennten Abrechnungsgebieten - soweit sie zulässig ist -, liegt gerade darin, für
jedes dieser Gebiete eine kostenrechtlich unterschiedliche Betrachtung anzustellen,
obwohl die Straßenreinigung im Stadtgebiet als einheitliche städtische Anstalt
betrieben wird. Danach kann auch der von der Stadt im jeweiligen
Abrechnungsgebiet übernommene Eigenanteil unterschiedlich hoch sein. Durch § 3
Abs. 1 Satz 2 StrReinG ist nämlich nicht vorgeschrieben, daß der von der Gemeinde
übernommene Kostenanteil in bezug auf jede einzelne Straße (prozentual) gleich
hoch sein muß. Die Regelung über den von der Gemeinde zu übernehmenden Anteil
an den Gesamtkosten ist durch Gesetz vom 11. Dezember 1979 im Gegenteil
gerade dahingehend geändert bzw. klargestellt worden, daß nur die Übernahme von
mindestens 25 v.H. der "Gesamtkosten" der Straßenreinigung im Gemeindegebiet
vorgeschrieben wird, nicht aber die Übernahme eines entsprechenden Anteils der
Reinigungskosten bezüglich jeder einzelnen Straße. Mit dieser Regelung nimmt der
Gesetzgeber in Kauf, daß es in bezug auf die Reinigungskosten, die auf die einzelne
Straße entfallen, aufgrund einer pauschalierenden Kostenkalkulation zu ungleichen,
indessen rechtlich hinzunehmenden Kostenbelastungen kommt, die sich im Ergebnis
dahingehend auswirken, daß die Stadt für die einzelnen Straßen unterschiedlich
hohe Anteile der Straßenreinigungskosten übernimmt. Diesen Überlegungen des
Gesetzgebers ist auch bei der Kostenkalkulation nach verschiedenen
Abrechnungsgebieten und dem dabei anzustellenden Vergleich, in welcher Höhe die
Stadt jeweils anteilig die Kosten der Straßenreinigungen in den verschiedenen
Abrechnungsgebieten übernimmt, Rechnung zu tragen.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Durch die vorliegende, unterschiedlich hohe Übernahme der Kosten der
Straßenreinigung in den eingegliederten Stadtteilen einerseits und dem übrigen
Stadtgebiet andererseits wird auch Artikel 3 Abs. 1 GG nicht verletzt. Die Gründe,
die im vorliegenden Fall die Bildung gesonderter Abrechnungsgebiete rechtfertigen,
lassen jedenfalls bis zu dem hier feststellbaren Maß auch eine unterschiedliche
Kostenbelastung der Gebührenschuldner in den jeweiligen Abrechnungsgebieten zu.
Die feststellbare Abweichung der von der Stadt in den beiden Abrechnungsgebieten
jeweils übernommenen Anteile der Gesamtkosten der Straßenreinigung beträgt
bezogen auf die betreffenden Gesamtkosten nicht mehr als 10 v.H. (ca. 56 v.H. in
den eingegliederten Stadtteilen; ca. 62 v.H. im übrigen Stadtgebiet); eine solche
Abweichung ist im Hinblick auf die Unterschiedlichheiten der Straßenreinigung in
den jeweiligen Gebieten und der danach zulässigen Bildung von gesonderten
Abrechnungsgebieten hinnehmbar und nicht willkürlich."</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Die Erklärung des Klägers, er bestreite die Erklärungen und Berechnungen des
Beklagten zur Ermittlung der Gebührensätze mit Nichtwissen, erfordert keine weitere
Aufklärung hinsichtlich der Rechtmäßigkeit dieser Sätze. Der Beklagte hat seine
Angaben durch bestimmte Berechnungsunterlagen belegt und zunächst bestehende
Unstimmigkeiten in seinen Erklärungen durch Klarstellungen und Berichtigungen
ausgeräumt. Angesichts dieser Sachlage wäre es Sache des Klägers gewesen,
konkret darzulegen, in welchen Punkten der Berechnungen dem Beklagten nicht zu
folgen bzw. inwieweit dessen Angaben falsch oder zweifelhaft seien; eine solche
Substantiierung seines Bestreitens ist dem Kläger im Rahmen seiner
Mitwirkungspflicht bei der Aufklärung zuzumuten. Das von ihm geäußerte allgemeine
Mißtrauen gegenüber der Verläßlichkeit jeglicher Erklärungen von Behörden reicht
nach der vom Senat durchgeführten Aufklärung und den danach vom Beklagten
vorgelegten Unterlagen nicht aus, Zweifel an bestimmten Angaben und Unterlagen des
Beklagten zu begründen.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Bedenken gegen die Wirksamkeit der Gebührensätze des § 6 Abs. 5 SRS
bestehen nicht deshalb, weil bei der Kostenkalkulation und
Gebührenbedarfsberechnung, wie sie dem Rat als Anlage zum Entwurf der Satzung
vom 11. Februar 1985 vorgelegen haben, Aufwand berücksichtigt worden ist, der -
möglicherweise - nicht der Straßenreinigung zuzurechnen ist, und weil ferner die nach
dem Satzungsmaßstab zu berechnenden Frontmeter von Eckgrundstücken nicht richtig
ermittelt worden sind und die Gebührenbedarfsberechnung zudem hinsichtlich der
Kalkulation der einzelnen Gebührensätze selbst nicht aus sich heraus verständlich ist,
sondern einer Erläuterung und Ergänzungsberechnung durch den Beklagten bedurfte.
Hierzu hat der erkennende Senat in dem schon genannten Urteil vom 12. April 1989
wörtlich ausgeführt:</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks"> "Der vormals auch für das Straßenreinigungsrecht zuständige 2. Senat des
erkennenden Gerichts, vertritt allerdings in ständiger Rechtsprechung den
Standpunkt, der Rat müsse als Satzungsgeber beim Erlaß von Satzungen, die nach
Bestimmungen des KAG erlassen werden, die Verantwortung für den Abgabensatz
(hier: Gebührensatz) in der Weise übernehmen, daß die Ermittlung und Festsetzung
des Satzes auf einer Bedarfsberechnung beruht, die nach den in die Berechnung
eingestellten Kosten und sonstigen Berechnungsansätzen fehlerfrei und von ihm
beschlossen oder jedenfalls stillschweigend mit dem Erlaß der Satzung gebilligt
worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">vgl. Urteile des 2. Senats (OVG NW) vom 18. September 1978 - II A 572/76 -,
KStZ 1979 S. 108; 23. Oktober 1978 - II A 676/76 -, KStZ 1979, S. 109; 21. Juni
1979 - II A 849/77 -; 26. Februar 1980 - 2 A 1667/79 -, GemHT 1983 S. 113 = StGR
1982 S. 240 = HSGZ 1982 S. 267; 15. März 1988 - 2 A 1988/85 -; 15. März 1988 - 2
A 311/86 -, NWVBl 1988 S. 345.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Vgl. zur Übernahme dieser Rechtsprechung bzw. zur Empfehlung, sie zu
berücksichtigen, in Kommentierungen zum KAG und StrReinG; Dahmen, Driehaus,
Küffmann, KAG, 3. Auflage 1981, RN 35 zu § 2; Bauernfeind in Driehaus,
Kommunalabgabenrecht, 1989, RN 64 zu § 2 KAG; Walprecht/Brinkmann, a.a.O.,
RN 99 zu § 3; vgl. zur Frage einer die Gebührensätze rechtfertigenden
"Globalberechnung" als normativer Voraussetzung der Gebührenerhebung nach den
KAGen anderer Bundesländer bejahend: VGH Baden-Württ., Urteile vom 12.
Dezember 1985 - 2 S 2689/83 -, ESVGH 36 S. 121 ff, und vom 2. Oktober 1986 - 2
S 2272/85 -, ESVGH 37 S. 29 ff; verneinend: BayVGH, Urteil vom 10. Dezember
1982 - Nr. 23 N 81 A. 1479 -, BayVBl 1983 S. 755 ff; HessVGH Urteil vom 27. Mai
1987 - 5 KE 245/85 -, ESVGH 37 S. 241 ff.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Hat dem Rat oder dem verantwortlichen Ausschuß eine Kalkulation nicht
vorgelegen oder weist die vorgelegte Bedarfsberechnung Fehler auf, die sich
rechnerisch auf die Höhe des Abgabensatzes auswirken, führe das zur
Fehlerhaftigkeit des beschlossenen Abgabengesetzes selbst dann, wenn nach den
gesetzlichen Bestimmungen über die Bemessung der Abgabe gegen die Höhe des
Satzes im Ergebnis nichts einzuwenden sei. Eine nachträglich von der Verwaltung
aufgestellte (fehlerfreie) Gebührenberechnung, durch die belegt werde, daß der
kostenrechtlich einzuhaltende Rahmen im Ergebnis nicht überschritten werde,
genüge nicht zur Rechtfertigung des Gebührensatzes. In jedem Fall müsse eine
(erneute) Willensbildung des Rates hinsichtlich des Beschlusses über den
Abgabensatz erfolgen, die auf einer den Ansätzen nach fehlerfreien
Gebührenbedarfsberechnung beruhe, wobei ein einfacher Ratsbeschluß genüge,
wenn der Gebührensatz unverändert bleibe, dagegen eine (rückwirkende)
Satzungsänderung erforderlich sei, wenn sich der Gebührensatz ändere.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Vgl. das zitierte Urteil des 2. Senats (OVG NW) vom 26. Februar 1982 a.a.O.
und vom 5. September 1985 - 2 A 2499/83 -.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Soweit der 2. Senat diese Grundsätze auch bei den Straßenreinigungsgebühren
angewandt hat, schließt sich der erkennende Senat als nunmehr für das
Straßenreinigungsrecht ausschließlich zuständiger Spruchkörper des Gerichts dem
Rechtsstandpunkt des 2. Senats nicht an. Die dargestellte Rechtsprechung, die
erkennbar für Gebühren und Beiträge, entwickelt worden ist, für die ausschließlich
das KAG die gesetzliche Grundlage bildet, ist auf die Erhebung von Gebühren nach
§ 3 des Straßenreinigungsgesetzes, durch das das Regelungswerk des KAG nur in
dem für die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren erforderlichen Umfang in
Bezug genommen wird, nicht übertragbar. Bei Straßenreinigungsgebühren kommt es
für die richterliche Kontrolle des Gebührensatzes ausschließlich darauf an, daß der
Gebührensatz im Ergebnis mit den Bemessungsregelungen des § 3 StrReinG und §
6 Abs. 2 KAG in Einklang steht. Ist letzteres der Fall, sind Fehler in der zugrunde
liegenden Bedarfsberechnung bzw. Gebührenkalkulation, auch wenn sie sich
rechnerisch auf die Höhe des Gebührensatzes auswirken, solange unbeachtlich,
solange der Beschluß des Gebührensatzes selbst von der Willensbildung des Rates
als gedeckt angesehen werden kann. Für den Willen des Rates, trotz Fehlern in der
Kalkulation an den Gebühren festzuhalten, besteht bis zur (rückwirkenden) Änderung
des Gebührensatzes durch neues Satzungsrecht eine das Gericht bindende
Vermutung. Im einzelnen ist folgendes entscheidend:</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Einen allgemeinen Grundsatz, daß sich die richterliche Kontrolle und materielle
Rechtmäßigkeit untergesetzlicher Normen der Exekutive, zu denen neben
Rechtsverordnungen kommunale (Abgaben-)Satzungen zählen,</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">vgl. zur Qualität kommunaler Satzungen Badura, Das normative Ermessen bei
Erlaß von Rechtsnormen und Satzungen (in: Gedächtnisschrift für Wolfgang
Martens, 1987, S. 25 ff) S. 28; Schmidt-Aßmann in Maunz, Dürig, Herzog, GG
(Stand 1987), RN 217 zu Artikel 19 IV GG,</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">auch auf die Begründung und Motive des Normgebers erstrecken muß, gibt es
nicht. Für die materielle Rechtmäßigkeit von Normen der Exekutive kommt es
vielmehr - wie beim Gesetzesrecht auch - grundsätzlich nur auf das Ergebnis des
Rechtssetzungsverfahrens, also auf die erlassene Vorschrift in ihrer regelnden
Wirkung, nicht aber auf die die Rechtsnorm tragenden Motive dessen an, der an
ihrem Erlaß mitgewirkt hat.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteile vom 13. Dezember 1984 - 7 C 3 u.a./83 -
, BVerwGE 70 S. 318 (333, 335) zur KapazitätsVO NW = DVBl 1985 S. 580 = NVwZ
1985 S. 566, und vom 3. November 1988 - 7 C 115.86 - (zum Tarifvertragsrecht);
VGH Bad.-Württ., Urteil vom 1. September 1982 - NC 9 S 1696/81 -, NVwZ 1983 S.
369 (zur KapazitätsVO Bad-Würrt.); Bayr.VGH zum KAG-Bay., Urteil vom 10.
Dezember 1982 a.a.O.; OVG NW, Urteil vom 10. Januar 1985 - 3 A 366/84 - (zu
einer Vergnügungssteuersatzung) m.w.N., und vom 28. November 1986 - 22 A
1206/81 - (zu einer kommunalen Satzung über Anschlußzwang); HessVGH zum
KAGHess, Urteil vom 27. Mai 1988 a.a.O.; ferner Badura, a.a.O., S. 27;
Theuersbacher, Probleme der gerichtlichen Kontrolle im Kapazitätsrecht, NVwZ 1986
S. 978 (981).</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Dieser Grundsatz gilt auch für "zahlenförmige" Normen, denen umfassende
Feststellungen und Berechnungen zur Ermittlung der maßgeblichen Parameter
vorausgehen (müssen), da auch die rechtliche Geltung von Zahlennormen nicht
notwendig davon abhängt, daß die Norm aufgrund einer "richtigen" Ableitung
erlassen worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 13. Dezember 1984, a.a.O.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Das der Norm zugrundeliegende Zahlenmaterial hat zwar seine Bedeutung als
Erkenntnisquelle, ist aber nicht Gegenstand der Normenkontrolle selbst. Seine
Berücksichtigung darf nicht dazu führen, daß die Kontrolle des Rechtssatzes in eine
Begründungskontrolle umschlägt.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 13. Dezember 1984, a.a.O., und VGH
Bad.-Württ., Urteil vom 1. September 1982, a.a.O.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Hiernach unterscheidet sich die Überprüfung des Normsetzungsermessens bei
Abgabensatzungen wesentlich von der Überprüfung des Ermessens beim Erlaß von
Verwaltungsakten. Tendenziell ist die Gestaltungsfreiheit des Verordnungs- bzw.
Satzungsgebers nicht nur (quantitativ) größer als die der ausführenden
Verwaltung,</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">vgl. dazu Theuersbacher, a.a.O., S. 981,</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">sondern wegen der nach abstrakten und generellen Maßstäben mit
Allgemeinverbindlichkeit zu treffenden Festlegung auch qualitativ etwas anderes als
das Verwaltungsermessen bei der Rechtsanwendung. Dementsprechend ist auch die
Kontrolle jeweils anders ausgestaltet, worauf der VGH Bad.-Württ. in der zitierten
Entscheidung vom 1. September 1982 zu Recht hinweist. Dies druckt sich nicht
zuletzt in den gesetzlichen Regelungen über die notwendige Publizierung von
Satzungsrecht und Rechtsverordnungen auf der einen und Verwaltungsakten auf der
anderen Seite aus. Während Verwaltungsakte zu begründen sind, u.a. um die
tragenden Erwägungen von Ermessensentscheidungen überprüfen zu können (vgl. §
39 VwVfG), ist dem Satzungs- und Verordnungsgeber nicht etwa aufgegeben, dort,
wo er seine Gestaltungsspielräume ausnutzt, darzustellen, welche Überlegungen
oder Berechnungen letztendlich zur gesetzten Norm geführt haben. Insbesondere bei
Satzungen, die vom Rat der Gemeinde als kollektivem Rechtsetzungsorgan
beschlossen werden, wäre eine Kontrolle der wahren Motivation dieses Organs auch
gar nicht möglich.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Durch den Verzicht auf eine Kontrolle der Begründung von Abgabensatzungen
und der Motive des Satzungsgebers wird der Rechtsschutz des Bürgers nach
rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht unangemessen geschmälert. Die ihn durch die
Norm treffende Belastung erschöpft sich in dem der Norm Unterworfensein; daher
kommt es für seinen Rechtsschutz auch entscheidend nur auf die Beurteilung des
Eingriffs durch den Regelungsgehalt der Norm und nicht auf deren Begründung an.
Dementsprechend gibt es bei Abgabesatzungen keinen (verfassungsrechtlich
garantierten) Vertrauensschutz des Bürgers in den (unveränderten) Fortbestand der
der Satzung zugrundeliegenden Berechnungsgrundlagen.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27. Januar 1978 - 7 C 32.76 -, KStZ
1978 S. 149, im Zusammenhang mit der Frage des Vertrauensschutzes bei
rückwirkenden Satzungen.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Die rechtsstaatliche Kontrolle des Satzungsgebers bei dem Erlaß von
Gebührensatzungen und der Bemessung der Gebührensätze ist nicht maßgeblich
durch eine Kontrolle seiner Motive bzw. der Unterlagen, die zum Satzungserlaß
geführt haben, zu leisten, sondern durch die Bindung des Satzungsgebers an
hinreichend bestimmte - wie das auf § 3 StrReinG und die in Bezug genommenen
Regelungen des KAG zutrifft - gesetzliche Regelungen, durch die die
verfassungsrechtlichen Grenzen einer Gebührenerhebung berücksichtigt werden und
in denen festgelegt wird, inwieweit der Satzungsgeber bei der Gebührenerhebung
(objektiv) weitergehend als verfassungsrechtlich geboten gebunden werden soll.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Die somit auch bei Gebührensatzungen hinsichtlich ihres materiellen
Regelungsgehalts nicht selbstverständliche Überprüfung des
Normsetzungsvorganges ist allerdings dort geboten, wo der Gesetzgeber nicht nur
den Regelungsgehalt der Norm, sondern - wie zum Beispiel im Bereich
planungsrechtlicher Satzungen - auch den Vorgang der Willensbildung besonderen,
zu überprüfenden Anforderungen unterwirft. Solche Anforderungen werden an den
Erlaß von Straßenreinigungsgebührensatzungen und im besonderen an die
Bemessung und Festlegung der Gebührensätze weder nach den allgemeinen
Regeln der Gemeindeordnung über Satzungsrecht (vgl. §§ 4, 28 Abs. 1 Satz 1 und
Satz 2 Buchst. g) und i), 47 Satz 1), noch nach dem Straßenreinigungsgesetz und
den in Bezug genommenen Regelungen des KAG noch durch höherrangige
bundesrechtliche Regelungen gestellt.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Für die Beurteilung, was beim Erlaß von Satzungen über die Erhebung von
Straßenreinigungsgebühren zu beachten ist, ist § 3 StrReinG die maßgebliche und
vorrangige Regelung. Diese Bestimmung enthält indessen keinerlei Vorschrift, daß
der Satzungsgeber bei der Gebührenbemessung ein bestimmtes Verfahren zu
beachten habe. Insbesondere ist nicht festgelegt, daß Rat und Verwaltung der
Gemeinde bestimmte Rechnungsunterlagen in bestimmter Weise zu erstellen, dabei
in einem vorgeschriebenen Gang zusammenzuwirken und über eine
Gebührenbedarfsberechnung zu beschließen haben. § 3 richtet sich ausweislich
ihres Wortlauts allgemein an die "Gemeinden" als Satzungsgeber und nicht an
bestimmte, beim Erlaß der Satzung beteiligte Organe der Gemeinde und stellt für sie
keine besonderen Verfahrensbedingungen auf. Hiernach betreffen die in der
Bestimmung enthaltenen Regelungen, wonach als Gegenleistung für die Kosten der
Straßenreinigung eine Benutzungsgebühr nach den Vorschriften des
Kommunalabgabengesetzes erhoben werden, das Gesamtaufkommen 75 v.H. der
Gesamtkosten der Straßenreinigung im Gemeindegebiet nicht übersteigen darf und
die Gemeinden bei der Festsetzung der Benutzungsgebühr der Bedeutung der
Straßen für den Anliegerverkehr sowie für den inner- und überörtlichen Verkehr
Rechnung tragen können, ausschließlich Grundsätze, nach denen die Gebühren
(objektiv) zu bemessen und die Gebührensätze im Ergebnis zu überprüfen sind. § 3
StrReinG ist zu entnehmen, daß der Gesetzgeber besondere verfahrensrechtliche
Regelungen für den Erlaß der Satzungen und die Festlegung der Gebührensätze
nicht treffen wollte. Letzteres gilt auch unter Berücksichtigung der in Bezug
genommenen Bestimmungen des KAG. Insoweit kommt es wesentlich auf § 6 KAG
an, die nach jenem Gesetz maßgebliche Bestimmung für die Erhebung von
Benutzungsgebühren, denen die Straßenreinigungsgebühr nach dem
Straßenreinigungsgesetz gleichgestellt wird. Die für die Gebührenbemessung der
Straßenreinigungsgebühren ergänzend zu den besonderen Regelungen des § 3
StrReinG beachtlichen Absätze 2 und 3 von § 6 KAG enthalten ausschließlich -
zusätzliche - objektive Vorgaben dazu, welche Kosten bei der Gebührenerhebung
umgelegt werden und wie die Kosten auf die gebührenpflichtigen
Grundstückseigentümer verteilt werden dürfen, aber keine
Verfahrensbestimmungen. Jedenfalls werden eventuelle Rückschlüsse auf eine
bestimmte zu beachtende Verfahrensweise durch den insoweit entgegenstehenden
speziellen Regelungsgehalt des § 3 StrReinG ausgeschlossen. Soweit - was nach
Auffassung des Senats alleine in Betracht käme - aus § 6 Abs. 1 KAG, in Sonderheit
Satz 3 der Bestimmung, wonach das "veranschlagte" Gebührenaufkommen
bestimmte Kosten nicht übersteigen soll, entnommen werden könnte, daß auch der
Vorgang des "Veranschlagens" selbst für die Rechtmäßigkeit der
Gebührenbemessung und Gebührensätze von Bedeutung sein könnte, ist diese
Regelung schon nach dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 Satz 2 StrReinG nicht
anwendbar. In der letztgenannten Bestimmung ist nicht vom "veranschlagten",
sondern nur vom "Gebührenaufkommen" (als solchem) die Rede. Der Regelung des
§ 2 Abs. 1 Satz 2 KAG läßt sich für das Straßenreinigungsrecht ebenfalls nicht
entnehmen, daß die Willensbildung des Satzungsgebers in bezug auf die
Gebührenbedarfsberechnung und Gebührenkalkulation besonderen Anforderungen
unterworfen ist. Nach dieser Bestimmung ist zwar u.a. vorgeschrieben, daß die
Satzung den "Satz der Abgabe" enthalten, der Satzungsgeber somit über den
Abgabensatz (hier: Gebührensatz) beschließen muß. Mehr wird durch diese
Bestimmung aber nicht geregelt, insbesondere nicht vorgeschrieben, daß (und wie)
der Satzungsgeber bei der Festlegung des Gebührensatzes (verfahrensmäßig) in
bestimmter Weise vorgehen muß. Eine andere Auslegung des § 2 Abs. 1 Satz 2
KAG entspräche auch nicht dem mit der Regelung verfolgten Zweck, wie er sich aus
der Gesetzesbegründung der Landesregierung zu dieser Bestimmung (LT-
Drucksache 6/810 S. 22) ergibt. Nach der Begründung sollten mit der Regelung (nur)
die Mindestanforderungen an die Bestimmtheit des Inhalts von Abgabesatzungen
festgelegt werden, also nicht Anforderungen an den Entscheidungsvorgang
selbst.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Hiernach ist die Regelung des § 6 Abs. 5 SRS über die Gebührensätze auch
nicht deshalb als fehlerhaft und unverbindlich anzusehen, weil der Satzungsgeber
(Stadt ...) auf der Grundlage der (einer) - richtigen - Gebührenbedarfsberechnung
nach seinem normgeberischen Ermessen zum Ergebnis hätte kommen können, die
Gebührensätze niedriger als geschehen anzusetzen. Kommt es für die Kontrolle des
Gebührensatzes nicht auf die die Satzung tragenden Motive an, sind grundsätzlich
auch Irrtümer des Satzungsgebers bzw. der beim Satzungserlaß mitwirkenden
Organe im Motiv unbeachtlich. Gleichermaßen ohne Bedeutung ist, welchem Organ
der Berechnungsfehler zuzurechnen ist. Am Willen des Satzungsgebers, die
gebührenpflichtigen Eigentümer aufgrund der beschlossenen Satzung in der Höhe,
wie sie sich nach den einschlägigen Gebührensätzen ergibt, mit Gebühren belasten
zu wollen, kann jedenfalls kein Zweifel bestehen. Der diesbezüglich durch den
Beschluß bzw. Erlaß der Satzung geäußerte Wille bleibt auch dann verbindlich,
wenn nachträglich Fehler in der Gebührenkalkulation aufgedeckt werden. Insoweit
besteht eine Vermutung für den Fortbestand der Absicht des Satzungsgebers, an
den einmal beschlossenen Gebührensätzen festzuhalten, solange er sie nicht
rückwirkend zugunsten des Bürgers ändert. Das Gericht hat jedenfalls keine
Veranlassung, der Gemeinde eine möglicherweise nicht gewünschte erneute
Willensbildung aufzuzwingen, solange sich die Gebührenbemessung im gesetzlich
zulässigen Rahmen hält. Ob und inwieweit der Rat die ihm von der Verwaltung
vorgelegten Gebührenbedarfsberechnungen auf Richtigkeit kontrolliert und im
Hinblick auf mögliche Fehler weiter unter Kontrolle hält, betrifft allerdings seine
besondere Verantwortlichkeit als beim Satzungserlaß tätiges Gemeindeorgan. Aus
den dargelegten Gründen besteht diese Verantwortlichkeit in bezug auf den
Rechtsschutz des Bürgers aber nur insoweit, als es um den Eingriff in die
Rechtsphäre des Bürgers durch die Satzungsregelung selbst geht; darauf beschränkt
sich die gerichtliche Kontrolle. Soweit darüber hinaus in Frage steht, ob und
inwieweit der Rat sich bei der Wahrnehmung des normativen Ermessens der
Gemeinde von fehlerhaften Vorlagen und Informationen der Verwaltung hat leiten
lassen, betrifft das ausschließlich sein Vertrauensverhältnis zur Verwaltung und die
Frage, ob er in politischer Hinsicht gegenüber dem Bürger rechtfertigen kann, diesen
nach seinem, des Rates, beim Erlaß der Satzung ausgeübten Ermessen mit
Gebühren in bestimmter Höhe zu belasten."</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Die umstrittene Gebührenerhebung beruht nicht nur auf wirksamen Satzungsrecht,
sie ist auch sonst gerechtfertigt.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Der Kläger unterliegt mit seinem Grundstück der Gebührenpflicht sowohl für die
Reinigung der ...straße als auch für die der ...straße, weil nach dem
Straßenreinigungsgesetz und dem Satzungsrecht der Stadt ... Gebühren für die
Reinigung jeder der Straßen erhoben werden, die ein bestimmtes Grundstück
erschließen. Das als Eckgrundstück an die genannten Straßen angrenzende
Grundstück des Klägers wird ausweislich des vom Beklagten vorgelegten Lageplans
von beiden Straßen erschlossen. Der Kläger hat von seinem Grundstück aus rechtlich
und tatsächlich Zugang bzw. die Zugangsmöglichkeit zu diesen Straßen, da er mit
Kraftfahrzeugen bis zum Bürgersteig bzw. den Fahrbahnrand heranfahren und von dort
das Grundstück über den Gehweg der jeweiligen Straße fußläufig erreichen kann. Der
Umstand, daß eine der Straßen an der Seite, die an das Grundstück des Klägers
angrenzt, über einen nur verhältnismäßig schmalen Gehweg verfügt, hat für die
Erschließung des Grundstückes durch diese Straße keine rechtserhebliche
Bedeutung.</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Die hiernach für die Reinigung der beiden Straßen jeweils zu erhebende Gebühr
ist nach Frontlänge der angrenzenden Grundstücksseite, der Reinigungshäufigkeit und
der Straßenart satzungsgemäß mit 280,- DM auch der Höhe nach richtig berechnet
worden. Gründe für eine Gebührenreduzierung bestehen nicht.</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Eine Verpflichtung des Satzungsgebers, bei sogenannten Eckgrundstücken eine
Gebührenermäßigung zu gewähren, besteht nicht. Auch ist die Tatsache, daß für das
Grundstück des Klägers nach dem alten Satzungsrecht möglicherweise eine
Eckgrundstückermäßigung zu gewähren gewesen wäre, für die Gebührenerhebung für
1985 ohne Bedeutung. Die Gebührensatzung der Stadt ... vom 16. Dezember 1982,
die - formal - bis zum Erlaß der Gebührensatzung vom 11. Februar 1985 galt, sah in §
6 Abs. 7 u.a. für Grundstücke, die wie das Grundstück des Klägers an mehrere der
Straßenreinigung angeschlossene Straßen angrenzen, bei wöchentlich einmaliger und
zweimaliger Reinigung der Straßen eine Gebührenermäßigung auf die Hälfte vor, wenn
das betreffende Grundstück mit einem Einfamilienhaus bebaut war und dieses Haus
ausschließlich Wohnzwecken diente. Diese Regelung hätte - jedenfalls bis zum Erlaß
der neuen Gebührensatzung vom 11. Februar 1985 - grundsätzlich auch Wirkung für
das Jahr 1985 entfalten und dementsprechend Vertrauensschutz gegenüber einer
rückwirkenden Streichung dieser Vergünstigung zum 1. Januar 1985 durch die neue
Satzung entgegenstehen können, wenn sie wirksam gewesen wäre. Ungeachtet der
Wirksamkeit der Eckgrundstücksvergünstigung in der Satzung vom 16. Dezember
1982 steht diese Regelung einer rückwirkenden Änderung auf den 1. Januar 1985 zu
Lasten der Eigentümer von Eckgrundstücken allein deshalb nicht entgegen, weil das
Verwaltungsgericht ... durch Urteil vom 8. Februar 1984 - 16 K 785/83 - die
Eckgrundstücksvergünstigung der Satzung vom 16. Dezember 1982 und daran
anknüpfend den Gebührenmaßstab dieser Satzung insgesamt für nichtig und
rechtsunwirksam erklärt hat. Hiernach konnten die Gebührenpflichtigen mit einer
Fortgeltung des früheren Satzungsrechts nicht rechnen und war die Stadt ... auch
unter Berücksichtigung von Vertrauensschutz legitimiert, rückwirkend neues
Satzungsrecht zu erlassen, daß sich für bestimmte Gebührenpflichtige nachteiliger
auswirkte als die zuvor geltende Satzungsregelung. Rückwirkende
Satzungsänderungen, auch wenn sie zur Erhebung höherer Gebühren führen, sind
nicht nur dann zulässig, wenn die betreffende Vorgängerregelung objektiv unwirksam
ist, sondern schon dann, wenn diese Regelung gerichtlicherseits für nichtig erklärt
worden ist. Auch in solchen Fällen muß der Bürger mit dem Erlaß einer anderen,
ersatzweisen Abgabenregelung bzw. mit dem rückwirkenden Wegfall der
Begünstigung rechnen und ist sein Vertrauen in den Fortbestand der bisherigen
Regelung nicht geschützt.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28. November 1975 - IV C 45.74 -,
DVBl 1976 S. 942, und vom 15. Dezember 1978 - 7 C 3.78 -, KStZ 1979, S. 71.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Revision war nicht
zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
315,236 | olgham-1989-05-26-19-u-28988 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 19 U 289/88 | 1989-05-26T00:00:00 | 2019-03-13T14:50:13 | 2022-10-18T15:08:47 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1989:0526.19U289.88.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Tatbestand</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte ist Besitzer und seit dem 14.10.1983 eingetragener Halter des Pkw Mercedes 200 B mit dem polizeilichen Kennzeichen xxx. Dieses Fahrzeug war vor dem Beklagten auf den Schwager des Klägers zugelassen. Der Kläger, der mit seiner im April 1988 eingegangenen Klage die Herausgabe dieses Fahrzeugs an sich verlangt, hat behauptet, er habe den Wagen von seiner Schwester, die ihm ihre Ansprüche abgetreten habe, erhalten; die Schwester habe ihm damals erklärt: "Hier hast Du das Auto. Verkaufe es zu einem guten Preis."; er habe seiner Schwester 9.000,-- DM für den Wagen bezahlt. Etwa September bis November 1983 habe er im eigenen Namen auf dem Betriebsgelände der auf seine Ehefrau laufenden Firma xxx Transporte dieses Fahrzeug an den damals - unstreitig - bei diesem Unternehmen beschäftigten Beklagten für 9.000,-- DM unter Eigentumsvorbehalt mit schriftlichem Vertrag veräußert, wobei ein Zahlungsziel bis zum 30.6.1984 vereinbart gewesen sei. Den Kfz-Brief habe er als Sicherheit zurückbehalten; nach seiner, des Klägers, Verhaftung im Juli 1984 sei auch dieser Brief von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt worden; der Beklagte habe den Brief dann aber bei Staatsanwaltschaft ausgehändigt erhalten und dort erklärt, er werde den Kaufpreis in Raten zahlen. Der Wagen sei in der Folgezeit nicht bezahlt worden.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">den Beklagten zu verurteilen, an ihn den Pkw Daimler-Benz Typ 200 B mit dem Kennzeichen: xxx, Farbe braun, herauszugeben.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Er hat behauptet, der Wagen sei ihm von der Firma xxx Transporte verkauft worden; es sei kein Eigentumsvorbehalt vereinbart worden. Der Beklagte hat sich auf Verjährung berufen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat nach uneidlicher Vernehmung der Zeugen xxx, xxx und xxx den Beklagten zur Herausgabe des Fahrzeugs nach §§ 346, 347, 326 BGB verurteilt. Es hat zur Begründung ausgeführt, nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahmehabe der Beklagte den Wagen vom Kläger gekauft; der Kläger sei, weil der Wagen nicht bezahlt wurde, zum Rücktritt berechtigt gewesen; auf die durch die Beweisaufnahme nicht bestätigte Behauptung des Klägers, das Fahrzeug sei im Eigentumsvorbehalt veräußert worden, komme es nicht an.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">In der Berufungsinstanz ist zwischen den Parteien unstreitig geworden, daß der Wagen zur Zeit der Veräußerung an den Beklagten einen Heckschaden hatte, der auf Totalschadensbasis mit einer Versicherung abgerechnet worden war, sowie daß dem Beklagten zugesagt worden war, dieses Fahrzeug werde verkäuferseits repariert; ferner ist unstreitig geworden, daß eine solche Reparatur seitens des Verkäufers später nicht erfolgte.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte, der seinen erstinstanzlichen Vortrag wiederholt, behauptet mit seiner Berufung zusätzlich:</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Er habe bei dem Ankauf seinen Altwagen für 500,- DM in Zahlung gegeben. Es sei vereinbart worden, daß der Kaufpreis in Raten zu 500,-- DM vom Lohn einbehalten werden sollte; so seien insgesamt 2.500,-- DM abgezogen worden. Lediglich der verbleibende Kaufpreisrest habe durch einen später fällig werdenden Sparvertrag abgelöst werden sollen. Der Kläger habe den erheblichen Heckschaden für die Firma xxx Transporte mit der Versicherung abgerechnet. Der Kläger habe sich später geweigert, die Reparaturarbeiten durchzuführen. Der Beklagte meint, er habe durch seine geleisteten Zahlungen den begründeten und fälligen Kaufpreisanspruch erfüllt und befinde sich auch nicht in Verzug. Er behauptet, den Wagen selbst repariert zu haben.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Er bestreitet schließlich, daß der Kläger den Wagen von seiner, des Klägers, Schwester gekauft und dieser bezahlt habe. Zu seiner Verjährungseinrede behauptet er noch, der Kläger sei zur Zeit dieser Fahrzeugveräußerung als Kraftfahrzeughändler tätig gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Auch er wiederholt seinen erstinstanzlichen Vortrag. Er behauptet, das Fahrzeug "von seiner Schwester, respektive seinem Schwager" erworben und 9.000,-- DM an seine Schwester bezahlt zu haben. Er bestreitet, daß der Beklagte einen Altwagen für 500,-- DM in Zahlung gegeben habe und der weitere Kaufpreis durch Lohneinbehalten abgetragen werden sollte. Ferner behauptet er, der Heckschaden sei nicht erheblich gewesen, die Abrechnung mit der Versicherung sei zugunsten des Beklagten geschehen, der hiergegen auch keinerlei Einwände erhoben habe. Der Beklagte habe keine. Zahlungen auf den Kaufpreis erbracht. Er, der Kläger, habe den Beklagten mehrfach aufgefordert, das Fahrzeug zwecks Durchführung der Reparaturarbeiten vorzuführen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Der Kläger behauptet, im Jahre 1983 nicht mehr mit Gebrauchtfahrzeugen gehandelt zu haben. Er habe seinen früheren Gebrauchtwagenhandel bereits im Jahre 1979 aufgegeben. Er behauptet weiter, den Beklagten mit Schreiben vom 6., 16. und 23.5. sowie vom 9.9.1986 und vom 22.10.1987 zur Zahlung des Kaufpreises aufgefordert zu haben.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Der Kläger meint nach Hinweis durch den Senat, § 115 Abs. 2 Satz 1 GewO finde auf den Kaufvertrag der Parteien keine Anwendung; eine Aufrechnungsmöglichkeit mit Lohnansprüchen habe nicht entstehen können, weil der Kaufpreis nach der Vereinbarung der Parteien bar bezahlt werden sollte, sobald der Beklagte den Sparvertrag ausgezahlt erhielt; mit dieser Vereinbarung sei die Aufrechnung ausgeschlossen worden. Der Beklagte habe dieses Fahrzeug ferner zum Selbstkostenpreis des Klägers erhalten; der Beklagte habe diesen Wagen auch dringend benötigt.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe</u></b></p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung ist begründet.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Der Kläger kann den streitbefangenen Pkw nicht nach §§ 346, 327, 326, 433 BGB herausverlangen. Es liegen nämlich nicht die materiellen Voraussetzungen des § 326 Abs. 1 BGB vor. Nach dieser Vorschrift kann der Kläger nur dann vom Vertrag zurücktreten, wenn der Beklagte mit der Kaufpreiszahlungspflicht in Verzug gekommen ist. Am Verzug des Beklagten fehlt es aber. Denn gemäß §§ 118, 119, 115 Abs. 2 GewO stand dem Kläger der Kaufpreis für diesen Pkw nicht zu.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Für den Vertrag der Parteien gilt nämlich das sog. Truckverbot des § 115 Abs. 2 GewO, wonach ein Gewerbetreibender an seine Beschäftigten keine Waren auf Kredit veräußern soll; durch dieses Truckverbot wird in erster Linie sichergestellt, daß die Beschäftigten die vereinbarten Lohnauszahlungen erhalten. Zur Vermeidung von Umgehungsgeschäften dehnt § 119 GewO dieses Truckverbot auf Familienangehörige des Gewerbetreibenden aus.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte war zur Zeit der Veräußerung Beschäftigter im Betrieb der Ehefrau des Klägers. Nach dem Klägervortrag war das Fahrzeug auch auf Kredit veräußert worden; denn der Kaufpreis sollte hiernach mit dem 30.6.1984 als Zahlungsziel entrichtet werden.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die in § 115 Abs. 2 Satz 2 GewO ausdrücklich zugelassenen Ausnahmen vom Truckverbot liegen nicht vor, so daß ohne Bedeutung ist, ob der Kläger das Fahrzeug zum Selbstkostenpreis weiterverkauft hatte. Daß dieser Pkw "Werkzeug" des Beklagten i.S.d. § 115 Abs. 2 Satz 3 GewO war, behauptet der Kläger nicht.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Ein Fahrzeug kann aber auch nicht den in der Anordnung des Reichsarbeitsministers vom 16.1.1939 (RABL. I 57) vom Schutzbereich des § 115 Abs. 2 Satz 1 GewO ausgenommenen "Elektrogeräten, Rundfunksempfangsgeräten und Gasapparaten" gleichgestellt werden. Das BAG hat überzeugend dargelegt, daß ein Pkw nicht ohne weiteres zu den "anderen Gebrauchsgegenständen" i.S.d. Anordnung gehört (NJW 1984, 1887).</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Der Anwendung der genannten Vorschriften der GewO steht ferner nicht entgegen, dass der Kaufpreis nach der Behauptung des Klägers erst geleistet werden sollte, sobald der Sparvertrag des Beklagten ausgezahlt worden war. Zwar wäre bei einer Zahlung mit Mitteln des Sparvertrages der Lohnanspruch des Beklagten nicht berührt worden; indes soll das Kreditverbot des § 115 Abs. 2 Satz 1 GewO auch verhindern, daß ein Arbeitnehmer durch die Eingehung von Kreditgeschäften in eine weitere Abhängigkeit zum Arbeitgeber gerät (Schaub Arbeitsrechtshandbuch 6. A 1987 § 88 VIII).</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Dem Kläger steht der geltend gemachte Herausgabeanspruch auch nicht aus §§ 985, 455 BGB zu.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Es ist durch die erstinstanzliche Beweisaufnahme schon nicht bewiesen worden, daß ein Eigentumsvorbehalt vereinbart worden war. Zwar hat der Zeuge xxx eine Unterschrift des Beklagten unter eine Vertragsurkunde bekundet; diese Aussage und auch die Angaben der Ehefrau des Klägers, der Zeugin xxx, ihr Mann habe ihr erklärt, daß ein schriftlicher Vertrag zustande gekommen sei, ihr Mann habe immer nur unter Eigentumsvorbehalt verkauft, genügte zur sicheren Überzeugungsbildung bezüglich der Vereinbarungen des Klägers mit dem Beklagten nicht.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Hinzu kommt, daß bei einem Verstoß gegen § 115 GewO nach § 116 GewO der Kaufgegenstand, sofern dieser noch vorhanden ist, der "Krankenkasse" (vgl. auch hierzu BAG, Urteil vom 20.03.1984, NJW 1984, 301), zufällt, d.h. nur von dieser herausverlangt werden kann.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidurig folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Ziffer 10, 713 ZPO. Die nach § 546 Abs. 2 festzusetzende Beschwer des Klägers beträgt 5.500,-- DM.</p>
|
315,237 | olgk-1989-05-26-19-u-15988 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 19 U 159/88 | 1989-05-26T00:00:00 | 2019-03-13T14:50:14 | 2022-10-18T15:08:47 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1989:0526.19U159.88.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung der Beklagten gegen das am 17. Dezember 1986 verkündete Ur­teil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bonn - 14 0</p>
<p></p>
<p>162/86 - wird zurückgewiesen</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens trägt die Be­klagte.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreck­bar.</p>
<p></p>
<p>Die Beklagte kann die Zwangsvoll­streckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110.000,-- DM abwenden,</p>
<p></p>
<p>sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Beide Parteien können die Sicherheit durch selbstschuldne­rische Bürgschaft einer Deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse erbringen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong><u>TATBESTAND: </u></strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger macht mit der Klage das Entgelt für 1985 aufgrund eines Beratervertrages geltend, den er mit der Beklagten am 16. März 1977 geschlossen hat. We­gen des näheren Inhalts dieses Beratervertrages wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Ur­teils Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Vertrag sollte zunächst eine Laufzeit von 5 Jahren haben. Durch Nachtragsvereinbarung vom 5. Juni 1978 wurde die Laufzeit bis zur Vollendung des 68. Lebensjahres des Klägers verlägert. Außerdem wurde die Vergütung erhöht.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Am 3. August 1978 wurde der Kläger zum Aufsichts­ratmitglied und Vorsitzenden des Aufsichtsrats der Beklagten bestellt. Aus dieser Position schied er am 9. März 1984 wieder aus. Mit Schreiben ebenfalls vom 9. März 1984 kündigte die Beklagte den Berater­vertrag "aus wichtigem Grund bzw. wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage" fristlos. Ob die tatbe­standlichen Voraussetzungen für diese Kündigung vorlagen, ist zwischen den Parteien streitig.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Aufgrund der Kündigung konnte der Kläger im Jahre 1985 Leistungen aufgrund des Beratervertrages nicht mehr erbringen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Kläger macht den Anspruch auf Entgelt für das Jahr 1985 im Urkundenprozeß geltend. Hierzu hat er den Beratervertrag nebst Nachtragsvertrag sowie die</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Tarifvereinbarung für das private Versicherungsge­werbe in beglaubigter Ablichtung vorgelegt.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Er hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an ihn 77.982,00 DM nebst 14 % Mehrwertsteuer zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt, hilfsweise,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">ihr die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorzubehalten.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Sie hat gerügt, daß der Kläger keine Originalurkun­den, sondern nur beglaubigte Ablichtungen vorgelegt habe, und daß handschriftliche Anlagen zu den Ta­rifvereinbarungen keine zum Nachweis des Anspruchs des Klägers geeigneten Urkunden seien.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Ferner hat sie die Auffassung vertreten, der Bera­tervertrag verstoße gegen Bestimmungen des Aktien­gesetzes, insbesondere die §§ 113, 114 Aktienge­setz.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Im übrigen hat sie sich auf die fristlose Kündigung des Beratervertrages berufen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Durch das angefochtene Urkunden-Vorbehalts-Urteil, auf das Bezug genommen wird, hat das Landgericht der Klage stattgegeben und der Beklagten die Aus­führungen ihrer Rechte im Nachverfahren vorbehal­ten.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Auf die Berufung der Beklagten hat der Senat durch Urteil vom 26. Juni 1987 die Klage als in der ge­wählten Prozeßart unstatthaft abgewiesen. Auf die gegen dieses Urteil eingelegte Revision hat der Bundesgerichtshof durch Urteil vom 10. Mai 1988 das Urteil des Senats aufgehoben und die Sache zur an­derweiten Verhandlung und Entscheidung an den Senat zurückverwiesen. Auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Bundesgerichtshofes wird ebenfalls Be­zug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen,</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">hilfsweise,</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">ihr die Ausführungen ihrer Rechte im Nach­verfahren vorzubehalten.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Beide Parteien bitten, Sicherheit auch durch Bürg­schaft einer Deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse leisten zu dürfen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Beide Parteien ergänzen ihr frühers Vorbringen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Auf den vorgetragenen Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze nebst Anlagen. wird Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat auf Antrag der Beklagten durch Ver­nehmung des Klägers als Partei Beweis erhoben. We­gen des Ergebnisses dieer Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 21. April 1989 eben­falls Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks"><strong><u>Entscheidungsgründe:</u></strong></p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten konnte keinen Erfolg haben.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Wie sich aus dem früheren Urteil des Senats und auch aus dem Urteil des Bundegerichtshofes ergibt, steht dem Kläger ein Vergütungsanspruch nach § 615 BGB zu. Die Anspruchsvoraussetzungen sind entweder unstreitig oder mit den im Urkundenprozeß zulässi­gen Beweismitteln nachgewiesen worden. Insoweit</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">kann auf die beiden genannten Urteile Bezug genom­men werden.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Unter diesen Umständen hätte die Beklagte mit den Beweismitteln des Urkundenprozesses nachweisen müs­sen, daß der Beratervertrag, auf den sich der Klä­ger stützt, entweder nach den §§ 113, 114 Aktienge­setz nichtig ist oder daß er wirksam gekündigt oder auch seine Geschäftsgrundlage weggefallen ist. Die­ser Nachweis ist der Beklagten nicht gelungen.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks"><strong>a.</strong></p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte meint, der Beratungsvertrag sei un­wirksam, weil er dem Kläger in Wirklichkeit eine zusätzliche Vergütung für eine Tätigkeit habe ver­schaffen sollen, zu der er als Aufsichtsratmitglied ohnehin verpflichtet gewesen sei. Eine solche Ver­gütung müsse aber in der Satzung geregelt und von der Hauptversammlung gebilligt werden (§ 113 Abs. 1 Aktiengesetz), eine Zustimmung allein des Auf­sichtsrates genüge nicht. Aus dem erwähnten Grund sei § 114 Aktiengesetz nicht anzuwenden, weil diese Vorschrift nur Verträge über Tätigkeiten erfasse, die außerhalb der Aufsichtsrattätigkeit des Auf­sichtsratsmitgliedes lägen. In diesem Zusammenhang will die Beklagte einerseits die Nichtigkeit der Verträge wegen Umgehung des § 113 Abs. 1 Aktienge­setz geltend machen, andererseits auch, daß die nach § 113 Abs. 1 Aktiengesetz erforderliche Zu­stimmung der Hauptversammlung der Beklagten nicht vorliege.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die in diesem Zusammenhang notwendige Abgrenzung zwischen einer außerordentlichen Tätigkeit im Rah­men der Aufgaben als Mitglied des Aufsichtsrates einerseits und einer Tätigkeit, die ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied zusätzlich im Interesse der Gesellschaft übernimmt und die mit seiner Auf­sichtsratstätigkeit und seinen damit in Zusammen­hang stehenden Aufgaben nichts zu tun hat (vgl. Fi­scher, Sondervergütungen an Aufsichtsratsmitglie­der, BB 1967, 859) ist schwierig. Soll es sich um eine Tätigkeit handeln, die Gegenstand eines Ver­trages nach § 114 Aktiengesetz sein kann, so muß sie über die Aufgaben eines Auf sichtsratsmigliedes "ganz klar hinaus gehen" (BfH Bundessteuerblatt 1966 III, 688, 690). Der Bundesfinanzhof hat in diesem Urteil nicht nur darauf abgehoben, daß das Aufsichtsratmitglied aufgrund einer besonderen Ver­einbarung tätig wird, vielmehr muß die zuvor ge­nannte Voraussetzung hinzukommen. Insofern kann der Senat Meyer-Landrut (GK--AG 3. Aufl., Bd. 1/2 § 114 Anm. 2) nicht zustimmen, wenn er aus dem erwähnten Urteil des Bundesfinanzhofes herleiten will, daß das Vorliegen besonderer Verträge für besonders be­zeichnete Leistungen schon für eine Tätigkeit au­ßerhalb der Aufsichtsratstätigkeit spreche. Dabei wird die vom Bundesfinanzhof zunächst angeführte weitere Tätigkeit nicht hinreichend beachtet. Im vorliegenden Fall ist die Tätigkeit des Klägers im Beratungsvertrag durchweg recht allgemein umschrie­ben (zum Beispiel: Beratung in allen wesentlichen Fragen der Geschäftsführung, in wesentlichen Konzernangelegenheiten). Solche Formulierungen würden sicherlich nicht ausreichen, die vom Kläger auf­grund der Beratungsverträge erwartete Tätigkeit von der eines Aufsichtsratsmitglied abzugrenzen. Kon­kreter wird die Umschreibung, wenn von der Beratung in Sachen der Datenverarbeitung gesprochen wird, wobei allerdings zwischen den Parteien streitig ist, inwieweit der Kläger hier überhaupt tätig wer­den sollte. Darüberhinaus geht wohl auch die "Mit­wirkung" des Klägers insbesondere bei Auslandsge­schäften und bei der Betreuung von Tochtergesell­schaften über die übliche Tätigkeit eines Auf­sichtsratsmigliedes hinaus, zu dessen Pflichten nach dem Gesetz zunächst die Überwachung des Vor­standes gehört, wozu nach überwiegender Meinung aber auch eine entsprechende Beratung zählt (vgl. Gessler/Hefermehl/Eckardt-Kropf, Aktiengesetz, Bd. II, § 111 Rdnr. 36; Benn, Handbuch des Aktienrechts 3. Aufl. S. 215; Meier-Landrut a.a.O.; vgl. auch BfH a.a.O. S. 689). Wegen der Schwierigkeit der Ab­grenzung im einzelnen stellt Gessler (a.a.O. § 114 Rdnr. 9 ff.) darauf ab, wem die Dienste des Auf­sichtsratsmitgliedes, seine Beratung oder seine Un­tersuchung eines bestimmten Gegenstandes geleistet werden. Er meint, besondere Tätigkeiten innerhalb der Aufsichtsratstätigkeit könne allenfalls der Aufsichtsrat selbst oder einer seiner Ausschüsse von einem Aufsichtsratmitglied im Rahmen der Auf­sichtsratstätigkeit verlangen. Ein von ihnen ausge­hender Auftrag falle daher nicht unter § 114 Aktie­gengesetz. Wenn dagegen der Vorstand von sich aus den Auftrag erteilen, dann könne es sich nicht um eine Tätigkeit handeln, die innerhalb der des Auf­sichtsratsmitgliedes im Aufsichtsrat liegt. Denn der Vorstand habe nicht darüber zu befinden, ob der Aufsichtsrat in einer bestimmten Angelegenheit be­sonderer Beratung oder einer besonderen. Untersu­chung bedürfe und wer sie leisten solle. Wenn sich der Vorstand wegen eines von ihm mit einem Auf­sichtsratmiglied geschlossenen Vertrages nicht auf einen entsprechenden Auftrag und auf einen Beschluß des Aufsichtsrates berufen könne, gelte für den Vertrag § 114 Aktiengesetz. Die Tätigkeit des Auf­sichtsratsmitgliedes erfolge dann außerhalb seiner Aufsichtsratstätigkeit. Dem schließt der Senat sich wegen der Paktikabilität dieses Abgrenzungskrite­riums an. Im vorliegenden Fall ist daher § 114 Ak­tiengesetz und nicht § 113 Aktiengesetz anzuwenden. Diesem Ergebnis gibt der Senat auch angesichts des von der Beklagten vorgelegten Gutachtens von N. den Vorzug.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Der Beratungsvertrag vom 16. März 1977 und der Nachtrag vom 5. Juni 1978 fällt im übrigen auch deshalb nicht unter die Vorschriften des Aktienge­setzes, weil der Kläger zum damaligen Zeitpunkt noch nicht Mitglied des Aufsichtsrates war. Für diesen Fall nimmt der Senat den formellen Stand­punkt ein, daß die §§ 113, 114 Aktiengesetz nur auf Personen anwendbar sind, die zum Zeitpunkt der je­weiligen Vereinbarung bereits Mitglied des Auf­sichtsrates sind (so ausdrücklich auch Geßler u.a. a.a.0. § 114 Rdnr. 3). Insoweit sind die gesetzli­chen Bestimmungen nach Auffassung des Senats ein­deutig. von einer beabsichtigten Umgehung aktien­rechtlicher Vorschriften in diesem Fall kann nicht gesprochen werden, weil in anderen Fällen auch in zeitlich umgekehrter Reihenfolge vorgegangen worden ist. Das spricht dagegen, daß hier der Kläger ab­sichtlich erst nach Abschluß der Beratungsverträge in den Aufsichtsrat aufgenommen worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Hiernach scheitert die Wirksamkeit der Beratungs­verträge des Kläger nicht an einer Verletzung des § 113 und 114 Aktiengesetz.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Letzlich kommt es aber nach Ansicht des Senats nicht einmal darauf an, ob diese gesetzlichen Be­stimmungen im Falle des Klägers eingehalten worden sind oder nicht. Es wäre nämlich rechtsmißbräuch­lich, wenn die Beklagte sich dem Kläger gegenüber auf diese Vorschriften berufen könnte. Die Frage des Rechtsmißbrauches ist in solchen Fällen nach allgemeinen Grundsätzen zu beantworten (vgl. Geßler u.a. a.a.0, § 108 Rdnr. 73; Meier-Landrut, a.a.0, § 108 Anm. 8). Festzustellen ist zunächst, daß die ursprünglichen Beratungsverträge mit den drei Be­klagten bei Eintritt des Zerwürfnisses mit dem Klä­ger Anfang 1984 schon fast 7 Jahre beanstandun­gsfrei praktiziert worden waren. Auch die ersten Nachträge zu den Beratungsverträgen mit den Beklag­ten I.-Leben und I.-Allgemeine stammen schon aus dem Jahre 1978, die weiteren Ergänzungen mit der Beklagten I.-Leben aus dem Jahre 1982. Auch diese Nachträge waren bereits in den Verträgen von 1977 grundgelegt. Die Regelungen für den Kläger schlossen sich an diejenigen an, die vorher zwi­schen den I.-Gesellschaften und dem Vorgänger des Klägers als Aufsichtsratsvorsitzender, Dr. H., getroffen worden waren. Dem Kläger gegen­über wären die formellen Einwände nach dem Aktien­gesetz mit Sicherheit nicht erhoben worden, wenn sich nicht das Zerwürfnis ergeben hätte, das auf den Verlusten im Rückversicherungsgeschäft beruht. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, daß es sich bei den I.-Gesellschaften nicht um solche mit einer Vielzahl von Aktionären handelt, sondern daß die Anteilseigner nur aus wenigen Per­sonen bestehen. Gerade die Hauptaktionärin Frau H. (mit ihrer Tochter) und der Mitaktionär T., die zusammen über 50 % der Anteile bei der I.-Leben halten, kannten Tätigkeit und Verträge des Klägers genau und waren damit einverstanden. Hinzu kommt, daß die Familie H. schon vor dem Tode des Herrn Dr. H. und danach auf die Mit­wirkung des Klägers bei den I.-Gesellschaften großen Wert gelegt hatte. Unter diesen Umständen hält es der Senat für treuwidrig, wenn die Beklagte nunmehr den Beratungsvertrag mit dem Kläger unter Hinweis auf die §§ 113, 114 Aktiengesetz zu Fall bringen will.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Schließlich ist auch durch die Beratungsverträge nicht gegen § 111 Abs. 4 Satz 1 Aktiengesetz verstoßen worden, wonach Maßnahmen der Geschäftsfüh­rung dem Aufsichtsrat nicht übertragen werden kön­nen. Es ist zwar richtig, daß der Kläger nach den Beratungsverträgen in manchen Bereichen, die oben bereits erwähnt sind, "mitwirken" sollte. Das be­deutet aber noch nicht denknotwendig, daß ihm dabei zu Lasten des Vorstandes die Geschäftsführung über­tragen worden wäre. Auch in diesem Zusammenhang würde es im übrigen gegen Treu und Glauben verstoß­en, wenn die Beklagte, die die Tätigkeit des Klä­gers in dieser Form gewollt und jahrelang genutzt hat, diesen Punkt jetzt gegen ihn ins Feld führen könnte.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">b.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Es ist nicht erwiesen, daß die Beklagte den Bera­tervertrag mit dem Kläger wirksam fristlos gekün­digt hat.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Zur Problematik der §§ 113 und 114 Aktiengesetz ist oben bereits Stellung genommen worden. Im übrigen hat die Beweisaufnahme nicht ergeben, daß die ver­schiedenen Beraterverträge dergestalt mit der Auf­sichtsratstätigkeit des Klägers verbunden waren, daß deren Beendigung die Kündigung der Berater­verträge gerechtfertigt hätte oder daß etwa damit die Geschäftsgrundlage der Beraterverträge wegge­fallen wäre.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Wie bereits oben ausgeführt worden ist, sind teil­weise die Beraterverträge bereits zu einem Zeitpunkt abgeschlossen worden, als der Kläger noch nicht Aufsichtsratsmitglied bei den betreffenden Gesellschaften war. Auch die Entstehungsgeschichte der Tätigkeit des Klägers für die I.-Gesell­schaft, die der Kläger bei seiner Parteivernehmung jedenfalls kurz erwähnt hat, spricht dafür, daß es zunächst um die Beratertätigkeit des Klägers ging, und zwar schon etliche Jahre vor dem Tode von Dr. H., und daß der Kläger dann erst, und zwar nicht auf seinen Wunsch, in die Aufsichtsräte der einzelnen Gesellschaften gelangt ist. Jedenfalls ist dies im Urkundenprozeß nicht widerlegt worden. Im übrigen gingen auch die Beratungsverträge zeit­lich jedenfalls tendenziell über das Ende der Auf­sichtsratstätigkeit des Klägers hinaus und machten ihre Laufzeit nicht etwa von der Dauer der Auf­sichtsratstätigkeit abhängig. Mag auch im übrigen die Abgrenzung zwischen der Beratertätigkeit des Klägers und seiner Tätigkeit als Aufsichtsratsmit­glied im einzelnen schwierig sein (dazu siehe oben) so ergibt sich doch jedenfalls weder aus den vor­liegenden Urkunden noch aus der Parteivernehmung des Klägers mit einer zum Nachweis hinreichenden Sicherheit, daß das Ende der Aufsichtsratstätigkeit im Sinne der Vertragsschließenden das Ende der Be­ratertätigkeit notwendig bedeuten mußte.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Soweit die Beklagte sich in diesem Zusammenhang auf das angeblich schadenstiftende Wirken des Klägers im Rückversicherungsgeschäft der I.-Gesell­schaften berufen hat, ist die Begründetheit dieser Vorwürfe im Urkundenprozeß nicht zu klären. Sie ist vielmehr Gegenstand der Beweisaufnahme in Hauptpro­zeß 19 U 219/87.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Da somit die Berufung der Beklagten keinen Erfolg haben konnte, hat sie ihre Kosten nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Das Urteil ist nach den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO vorläufig vollstreckbar.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Wert der Beschwer der Beklagten: 77.382,00 DM.</p>
|
315,238 | ag-siegburg-1989-05-25-33-f-10589 | {
"id": 730,
"name": "Amtsgericht Siegburg",
"slug": "ag-siegburg",
"city": 490,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 33 F 105/89 | 1989-05-25T00:00:00 | 2019-03-13T14:50:16 | 2022-10-18T15:08:47 | Beschluss | ECLI:DE:AGSU1:1989:0525.33F105.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf Antrag des Klägers erklärt sich das Amtsgericht L für</p>
<p>örtlich unzuständig und verweist den Rechtsstreit an das ausschließlich zuständige Amtsgericht T.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Mit dem Hauptantrag aus Ziffer 1) seines Schriftsatzes vom xxxx (Bl. b d.A.) begehrt der Kläger die Feststellung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung durch den Beklagten aus Ziffer 2. des im Verfahren — yyyy AG L — am xxxx geschlossenen Prozeß—Vergleiches im Wege der Vollstreckungsgegenklage. Für diese Klage ist gemäß §§ 797 Abs. 5 — 2. Fall, 802 ZPO das Amtsgericht T ausschließlich zuständig.</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Nach ständiger Rechtsprechung sind Prozeß—Vergleiche des § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gerichtliche Urkunden im Sinne von § 797 ZPO (RGZ 21/345, 347 ff.; RGZ 35/395, 398; RG JW 1897/110 Nr. 18; RG JW 1899/97 Nr. 35; RG SeuffA 59 Nr. 168; OLG München NJW 1961/2265 f.). Die ganz überwiegende gegenteilige Auffassung der Literatur — die im Falle der Vollstreckungsgegenklage gegen einen Prozeß—Vergleich zur örtlichen Zuständigkeit nach §§ 795 S. 1, 767 Abs. 1 ZPO führt - ist ohne Begründung geblieben (vgl. z.B. Thomas — Putzo, ZPO, 14. Aufl. - § 797 Anm. 2.; Zöller — Stöber, ZPO, 15. Aufl. — § 797 RN 1; Stein — Jonas — Münzberg, ZPO, 20. Aufl. - § 797 RN 1 — für eine entsprechende Anwendung des § 797 ZPO indessen: Wieczorek, ZPO, 2. Aufl. - § 797 Anm. A); soweit Gaul (in: Rosenberg - Gaul — Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, 10. Aufl. S. 127) zur Begründung der gegenteiligen Meinung auf "den Zusammenhang mit dem vorausgegangenen Verfahren vor dem Prozeßgericht" abstellt, kommt dieser Erwägung im vorliegenden Fall bereits deshalb keine Bedeutung zu, da nach der Erklärung des Klägers im Rahmen der Ehesache - yyyy AG L — eine Folgesache — die den Kindesunterhalt des Beklagten zum Gegenstand gehabt hätte — nicht anhängig gewesen ist.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Da der Kläger Schuldner aus Ziffer 2. des im Verfahren - yyyy L - am xxxx geschlossenen Prozeß—Vergleiches ist und da er im Bezirk des Amtsgerichts T seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, ist für die Vollstreckungsgegenklage das Amtsgericht T ausschließlich zuständig.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Es ist auch keine Fortdauer der Zuständigkeit des Amtsgerichts ffff gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 2 — 2. Alt. ZPO auf der Grundlage des Hauptantrages des Klägers aus dessen Schriftsatz vom xxxx (Bl. a d.A. = Abänderungsklage) gegeben, da der Kläger mit dem Hauptantrag aus Ziffer 1) seines Schriftsatzes vom xxxx (Bl. v d.A.) den Klageantrag geändert hat (Vollstreckungsgegenklage), sodaß ein Fall der — durch § 261 Abs. 3 Nr. 2 — 2. Alt. ZPO nicht berührten (BGH NJW 1962/1819) - Klageänderung im Sinne von § 263 ZPO vorliegt (vgl. BGH FamRZ 1979/573, 575 mit Anm. Baumgärtel FamRZ 1979/791).</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Da der vom Kläger nunmehr geltend gemachte Hauptanspruch (Vollstreckungsgegen— klage) die Zuständigkeit insgesamt bestimmt (vgl. BGH NJN 1956/1357 f. LS), war auf den — hilfsweise gestellten — Antrag des Klägers unter Erklärung der örtlichen Unzuständigkeit des Amtsgerichts L der Rechtsstreit insgesamt nach § 281 Abs. 1 S. 1 ZPO an das Amtsgericht T zu verweisen.</p>
|
315,239 | olgham-1989-05-24-11-uf-47288 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
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"jurisdiction": null,
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} | 11 UF 472/88 | 1989-05-24T00:00:00 | 2019-03-13T14:50:18 | 2022-10-18T15:08:46 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1989:0524.11UF472.88.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung der Kläger und die Anschlußberufung des Beklagten wird das am 15. September 1988 verkündete Urteil des Amtsgericht Steinfurt abgeändert.</p>
<p></p>
<p>Der Beklagte wird verurteilt, folgende Unterhaltszahlungen zu leisten:</p>
<p></p>
<p>An die Klägerin Trennungsunterhalt</p>
<p>für die Zeit vom 1. Dezember 1986 bis zum 30. Juni 1987</p>
<p>in Höhe von monatlich jeweils 508, -- DM,</p>
<p>für die Zeit vom 1. Juli 1987 bis zum 31. Dezember 1987</p>
<p>in Höhe von monatlich jeweils 742,29 DM,</p>
<p>für die Zeit vom 1. Januar 1988 bis zum 25. August 1988</p>
<p>in Höhe von monatlich jeweils 309,94 DM,</p>
<p></p>
<p>zu Händen der Klägerin für die Kinder xxx und xxx Unterhalt</p>
<p>für Dezember 1986 und Januar 1987 monatlich jeweils 283,14 DM,</p>
<p>für die Zeit vom 1. Februar 1987 bis zum 30. Juni 1987</p>
<p>monatlich jeweils 240,-- DM und ab 1. Juli 1987 monatlich jeweils 322,50 DM.</p>
<p></p>
<p>Die weitergehenden Rechtsmittel werden zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die weitergehende Klage wird abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu 2/3 und der Beklagte zu 1/3.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p>Die Revision wird zugelassen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Tatbestand</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Parteien streiten um Trennungsunterhalt und Kindesunterhalt für die Zeit ab Dezember 1986.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Parteien haben am 2. August 1974 die Ehe geschlossen, die nunmehr durch Urteil des Amtsgerichts Steinfurt - 10 F 417/87 - vom 25.08.1988, seit diesem Tag auch rechtskräftig, geschieden ist. Aus der Ehe stammen die Kinder xxx, geboren am 16. März 1979, und xxx, geboren am 25. November 1980. Während der Ehe war die Klägerin Hausfrau. Sie versorgte und betreute die Kinder. Der Beklagte ist nach wie vor kaufmännischer Angestellter bei der Firma xxx und xxx in xxx und nebenberuflich Versicherungsvertreter. Die Parteien lebten in einem Einfamilienhaus, das ihnen jeweils zu 1/2 Miteigentum gehörte. Sie trennten sich etwa Ende November 1986. Die Klägerin verließ das Haus zusammen mit den Kindern. Der Beklagte bewohnte das Haus zunächst allein weiter. Seit dem 20. März 1987 ist es an einen Dritten veräußert. Dieser zahlte für die Zeit bis zur endgültigen Besitzübergabe zum 1. Juli 1987 an den Beklagten ein Nutzungsentgelt in Höhe von insgesamt 933,20 DM. Der Beklagte trug die Belastungen des Hauses bis zum 30. Juni 1987. Er zog bereits Mitte Mai 1987 aus.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte erhielt bis einschließlich Dezember 1986 das Kindergeld für die Parteien in Höhe von 150,-- DM monatlich. Seit dem 1. Januar 1987 bezieht es die Klägerin. Der Beklagte zahlte bis zum 31. Juli 1987 an die Klägerin für deren Unterhalt monatlich 385,-- DM sowie für den Unterhalt der Kinder jeweils 157,50 DM und seit dem 1. August 1987 für den Unterhalt der Klägerin monatlich 656,-- DM sowie den Unterhalt der Kinder jeweils 360,-- DM.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die. Klägerin hat mit Schreiben vom 22. September 1986 von dem Beklagten für sich Unterhalt in Höhe von monatlich 1.369,26 DM sowie für den Unterhalt des Kindes xxx monatlich 440,- DM und für den des Kindes xxx monatlich 365,-- DM verlangt. Sie hat mit der Klage für die Monate Dezember 1986 bis einschließlich Februar 1987 unter Berücksichtigung geleisteter Zahlungen Trennungsunterhalt in Höhe von insgesamt 1.917,- DM sowie Kindesunterhalt von jeweils 950,-- DM sowie ab März 1987 laufenden Trennungsunterhalt in Höhe von 1.083,-- DM abzüglich der freiwillig geleisteten Zahlungen und Kindesunterhalt je Kind in Höhe von 477,50 DM gleichfalls abzüglich der freiwilligen Zahlungen geltend gemacht. Das Amtsgericht hat mit dem am 15. September 1988 verkündeten Urteil den Beklagten verurteilt, an die Klägerin für Dezember 1986 Trennungsunterhalt in Höhe von 214,46 DM und Kindesunterhalt in Höhe von jeweils 320,-- DM, für die Zeit von Januar 1987 bis März 1987 Trennungsunterhalt von monatlich 128,86 DM sowie Kindesunterhalt in Höhe von jeweils 313,50 DM und schließlich für die Zeit ab April 1987 Trennungsunterhalt in Höhe von 536,52 DM monatlich und Kindesunterhalt für die Kinder in Höhe von jeweils 437,50 DM zu zahlen. Auf diese Beträge hat es die freiwillig erbrachten Unterhaltszahlungen zur Anrechnung gebracht. Auf die Gründe des Urteils wird verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin mit dem Ziel der Verurteilung des Beklagten zu näheren Unterhaltszahlungen sowohl für sich wie auch für die Kinder xxx und xxx.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">In der mündlichen Verhandlung vom 12. April 1988 haben die Parteien einen Teilvergleich dahin geschlossen, daß die auf den Trennungsunterhalt bis einschließlich August 1988 und auf den Kindesunterhalt ab Dezember 1986 fortlaufend gezahlten und vollstreckten Beträge auf die Urteilsbeträge anzurechnen sind.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Sie beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">das Urteil des Amtsgerichts Steinfurt teilweise abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie folgenden Unterhalt zu zahlen:</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">für die Zeit von Dezember 1986 bis März 1987 monatlichen Trennungsunterhalt in Höhe von 1.112,-- DM sowie monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 440,-- DM und 365,-- DM,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">ab April 1987 bis einschließlich August 1988 Trennungsunterhalt in Höhe von monatlich 1.369,26 DM sowie monatlichen Kindesunterhalt für die Zeit ab April 1987 bis Oktober 1988 von jeweils 477,50 DM und ab 1. November 1988 in Höhe von monatlich jeweils 510,-- DM.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Mit der Anschlußberufung erstrebt er die Reduzierung der im angefochtenen Urteil titulierten Unterhaltsbeträge sowohl hinsichtlich des Trennungsunterhalts als auch hinsichtlich des Kindesunterhalts.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Er beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">das angefochtene Urteil abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Kläger folgende Beträge zu zahlen:</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">a)</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">für die Klägerin zu 1)</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">für 12/86 134, 54 DM</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">01 - 03/87 mtl. 128,86 DM</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">04 - 12/87 mtl. 143,54 DM</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">01 - 25.08.88 147,47 DM</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">b)</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">für die Kläger zu 2) und 3)</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">für 12/86 und 01/87 jeweils 284,14 DM</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">02 bis 12/87 mtl. jeweils 228,50 DM</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">ab 01/88 mtl. jeweils 277,50 DM</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Kläger beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">die Anschlußberufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Wegen des Sachvortrages im einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst ihren Anlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die Akten 1 UF 417/87 AG Steinfurt waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin zu 1) hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, sie habe nur kurze Zeit die Arbeit in der Gaststätte xxx verrichtet. Angesichts des Zeitaufwandes und der Kinderbetreuungskosten sei die Tätigkeit unwirtschaftlich gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks"><u>Entscheidungsgründe:</u></p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Auf die Rechtsmittel der Parteien war das angefochtene Urteil in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang abzuändern.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin zu 1) kann von dem Beklagten während des Getrenntlebens gemäß § 1361 Abs. 1 BGB den eheangemessenen Unterhalt verlangen. Auf eine - auch teilschichtige - Erwerbstätigkeit braucht sie sich wegen des Alters der beiden noch grundschulpflichtigen Kinder jedenfalls im Anspruchszeitraum noch nicht verweisen zu lassen. Ebenso steht für die Verpflichtung zur Leistung des Barunterhaltes für die beiden ehelichen Kinder xxx und xxx gemäß §§ 1601, 1610 BGB zwischen den Parteien außer Streit.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin kann Trennungsunterhalt für die Zeit vom 1.Dezember 1986 bis zum 25. August 1988 beanspruchen; als Beginn der Unterhaltsverpflichtung nimmt sie selbst nach der Trennung im November 1986 die Zeit ab 1. Dezember 1986 an. Die Unterhaltsverpflichtung gemäß § 1361 Abs. 1 BGB endet mit dem Tag der Rechtskraft des Urteils, das war der 25. August 1988.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Zwischen den Parteien besteht kein Streit darüber, daß der Kindesunterhalt auch über diesen Zeitpunkt hinaus tituliert werden soll.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">III.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Der Anspruch der Klägerin zu 1) auf Zahlung von Trennungsunterhalt beläuft sich für die Zeit vom. 1. Dezember 1986 bis zum 30. Juni 1987 auf monatlich jeweils 508,-- DM.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Der Berechnung zugrunde liegt das Einkommen des Beklagten, das er durch seine Tätigkeit bei der Firma xxx und xxx und seine Nebentätigkeit als Versicherungsvertreter im Jahre 1987 erwirtschaftet hat. Die Parteien haben eine sogenannte Alleinverdienerehe geführt, in der allein der Beklagte durch seine Erwerbstätigkeit das Familieneinkommen sichergestellt hat, während die Klägerin den Haushalt geführt und die Kinder versorgt hat, ohne selbst berufstätig gewesen zu sein.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Angesichts des kurzen, auf das Jahr 1986 entfallenden Anspruchszeitraums erschien die Berechnung des Anspruchs auf der Grundlage der Einkommensverhältnisse des Jahres 1987 auch für den Monat Dezember 1986 vertretbar.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Das bei der Firma xxx und xxx erwirtschaftete monatliche Einkommen bemißt sich im Jahre 1987 auf 2.278,81 DM.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">In diesem Jahr hat der Beklagte nach der Jahresverdienstbescheinigung ein Gesamtbruttoeinkommen von 49.642,-- DM erwirtschaftet, das sich nach Abzug der gesetzlichen Abgaben inklusive der vermögenswirksamen Leistungen = 21.482,97 DM auf 28.159,03 DM verringert. Dieser Betrag ermäßigt sich ferner durch die Arbeitnehmersparzulage in Höhe von 144,-- DM sowie den Nettobetrag der vermögenswirksamen Leistungen, der sich bei einer Gesamtzahlung von 936,-- DM im Jahr und unter Berücksichtigung einer Steuerquote von 57 % auf 669,24 DM errechnet. Es verbleiben 27.345,79 DM. Dies entspricht einem monatlichen Nettoeinkommen von 2.278,81 DM.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Dieses Einkommen erhöht sich noch um einen jährlichen Betrag von 26,70 DM (= monatlich 2,22 DM) auf 2.281,03 DM. Der Beklagte hat insoweit einen geldwerten Vorteil im Rahmen der Erstattung der Kosten der Dienstreisen im Jahre 1987. Der Erstattungsbetrag macht zwar 779,30 DM aus, unterhaltsrechtlich können für die im Jahre 1987 angefallenen und vom Beklagten nur noch in die Abrechnung eingestellten Dienstreisen nach xxx und xxx als berufsbezogene Aufwendungen lediglich insgesamt 752,60 DM anerkannt werden. Die insoweit unstreitig gefahrenen Gesamtkilometer von 1.335 können nur mit einem Kilometersatz von 0,40 DM in die Abrechnung eingestellt werden, so daß sich ein Betrag von 534,-- DM ergibt. Verzehrkosten sind mit insgesamt 129,10 DM sowie die Kosten für die Unterkunft mit 89,50 DM zu berücksichtigen.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Im Jahr 1987 hat der Beklagte darüber hinaus Einkünfte aus seiner Nebentätigkeit als Versicherungsvertreter in Höhe von netto jährlich 7.424,60 DM erwirtschaftet, die sich mit monatlich 618,71 DM einkommenserhöhend auswirken. Unstreitig hat der Beklagte Betriebseinnahmen nach der Einnahmen-Ausgaben-Berechnung für 1987 in Höhe von 20.361,81 DM erwirtschaftet. Ihnen stehen Ausgaben in Höhe von 12.937,21 DM gegenüber. Dies sind zunächst Fahrtkosten, die der Beklagte für das Jahr 1987 im Umfang von 5.773 Kilometer belegt hat. Sie führen jedoch nicht zu einem Abzug von 2.424,66 DM, sondern nur zu einem Minderungsbetrag von 2.309,20 DM. Unterhaltsrechtlich können Fahrtkosten nur mit einem Kilometersatz von 0,40 DM Berücksichtigung finden. Der vom Beklagten in Ansatz gebrachte steuerliche Betrag von 0,42 DM pro gefahrenen Kilometer kommt dagegen nicht zum Tragen. Als weitere Abzüge sind nach Vorlage entsprechender Belege über den tatsächlichen Anfall dieser Kosten anzuerkennen die Kosten für xxx, die Vermittlungsprovision, der Telefongebührenanteil, die Kosten des neuen Telefonanschlusses, die Anrufbeantwortergebühr, Ausgaben für Werbemittel und Pokale, die anteiligen Mietaufwendungen, die Kosten des Schreibtisches, des Büromaterials, die Steuern sowie das Kilometergeld für Frau xxx. Insoweit handelt es sich um Aufwendungen, die der gewöhnliche Betrieb dieser Nebentätigkeit mit sich bringt. Sie sind konkret aufgeschlüsselt und belegt und verhalten sich in angemessenem Verhältnis zu den Einnahmen aus dieser Tätigkeit.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Nicht anzuerkennen ist lediglich die Position Strom und Heizung für das Büro in Höhe von 480,-- DM. Es ist nicht ersichtlich und vorgetragen, daß dieser Betrag außerhalb des Ansatzes für anteilige Mietaufwendungen entstanden und zusätzlich abzurechnen ist.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Das monatliche Nettoeinkommen beläuft sich demnach auf 2.899,74 DM.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte kann demgegenüber im Rahmen der Bemessung des Bedarfs einen monatlichen Betrag von jeweils 429,46 DM und bei der Feststellung der Leistungsfähigkeit einen solchen von 473,92 DM einkommensmindernd absetzen. In Höhe dieser Beträge übersteigen die Belastungen des Grundbesitzes in der Zeit bis zur endgültigen Besitzübergabe nach Verkauf an den neuen Eigentümer zum 1. Juli 1987 den beiden Eheleuten als Einkommen zuzurechnenden Gebrauchsvorteil in Gestalt mietfreien Wohnens (vgl. dazu BGH, Urt. v. 19., Februar 1986 - IV b ZR 16/85 = FamRZ 1986, 439, 440 m. w. N.). Ebenso wie ein den Wert der Belastungen übersteigender Gebrauchsvorteil in Gestalt mietfreien Wohnens bei der Bestimmung der ehelichen Lebensverhältnisse den Einkünften der Ehegatten hinzuzurechnen ist, mindert ein den Gebrauchsvorteil übersteigender Wert der Belastungen deren Einkünfte. Der Beklagte hat bis Juni 1987 einschließlich Hauslasten von monatlich 1.077,46 DM und 152,-- DM = 1.229,46 DM, halbjährlich also 7.376,76 DM gezahlt. In diesen Beträgen sind neben Zins- auch Tilgungsleistungen enthalten, deren Höhe sich den vorgetragenen Zahlen nicht entnehmen läßt. Dies schadet nicht. Auch Tilgungsleistungen sind in dieser Zeit zu berücksichtigen. Sie sind bereits vor der Trennung trotz des hälftigen Miteigentums der Klägerin allein von dem Beklagten bedient worden. Diese Handhabung entsprach auch nach der Trennung dem zumindest konkludent zum Ausdruck gebrachten Willen der Eheleute (§ 745 BGB). Durch den Verkauf der Immobilie sind sie als Werterhöhung der Klägerin schließlich auch wieder zugeflossen (vgl. in diesem Zusammenhang BGH, Urt. v. 11. Dezember 1985 - IV b ZR 83/84 = NJW 1986, 1339: Urt. v. 11. Dezember 1985 - IV b ZR 82/84 = NJW 1984, 1340).</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Diesen Belastungen steht der Gebrauchsvorteil mietfreien Wohnens <u>beider</u> Eheleute (vgl. BGH a.a.O.) im Sinne des § 100 BGB gegenüber, den der Senat auf monatlich 800,-- DM bemißt. In Höhe dieses Betrages haben die Eheleute Kosten erspart, die sie ansonsten als Miete nach ihren Wohn- und Einkommensverhältnissen aufzuwenden gehabt hätten.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Sind danach in die Bedarfsberechnung monatlich 429,46 DM einzustellen, ist für die Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen, daß das Haus auch von dem Beklagten nur bis Mitte Mai persönlich genutzt worden ist und er für die vorzeitige Nutzung durch den Erwerber in der Zeit von Mitte Mai bis zur vereinbarten Besitzübergabe unstreitig Nutzungsentschädigung in Höhe von 938,20 DM erhalten hat.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Gebrauchsvorteil in Höhe von 3.600,--DM und Nutzungsentschädigung von 933,20 DM summieren sich auf 4.533,20 DM, so daß eine überschießende Belastung von 2.843,56 DM verbleibt. Dies entspricht einem monatlichen Fehlbetrag von 473,92 DM.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Als berufsbezogene Aufwendungen sind ferner die Fahrtkosten zur Arbeitsstelle, die sich - unbestritten - auf jährlich 1.452,-- DM belaufen, abzusetzen.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Der monatsanteilige Betrag errechnet sich auf 121,-- DM. Für eine Steuernachzahlung im Jahre 1987 in Höhe von insgesamt 805,-- DM ist ein Abzug von monatlich 67,08 DM gerechtfertigt.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Schließlich können im Rahmen der Bedarfsberechnung für die Trennungszeit noch die bislang und derzeit ebenfalls noch vom Beklagten bedienten Versicherungen, das ist die Aussteuerversicherung für xxx und xxx, die Lebensversicherung der Eheleute, die Familienunfallversicherung sowie die Krankenhaustagegeldversicherung für die Klägerin mit insgesamt 259,65 DM als abzugsfähige Aufwendungen anerkannt werden.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Unberücksichtigt bleiben müssen die vom Beklagten in Ansatz gebrachten Kosten für die Versicherung des Pkw sowie die Bedienung der Darlehensraten. Die Nutzung des Pkw mag eheangelegt und bedarfsprägend gewesen sein, jedoch wird mit dem Ansatz einer Kostenpauschale von 0,40 DM pro gefahrenen Kilometer nach der Rechtsprechung des Senats auch der Kostenaufwand für den Erwerb und die Unterhaltung des Pkw im übrigen abgegolten. Insoweit ist dem bereits mit dem Ansatz der Pauschale bei den Fahrtkosten zur Arbeitsstelle und denen im Rahmen der Nebentätigkeit angemessen Rechnung getragen.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Für einen Abzug der Kosten von 211,-- DM pro Monat (Zahlung an die VEW) bietet der Sachvortrag des Beklagten keine hinreichende Grundlage. Er läßt nicht erkennen, in welchem Rahmen diese Kosten angefallen sind. Als allgemeine Kosten der Lebensführung für die Dauer der Nutzung des Hauses müßten sie ohnehin außer Betracht bleiben.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Das sich nach Abzug dieser Beträge auf 1.978,09 DM stellende monatliche Nettoeinkommen reduziert sich schließlich um den vom Beklagten zu leistenden Barunterhalt für die Kinder xxx und xxx. Der Tabellenunterhalt nach der maßgeblichen Einkommensgruppe 2 und der für beide Kinder geltenden Altersstufe 2 beläuft sich auf jeweils 290,-- DM. Es stehen sodann nur noch 1.398,09 DM zur Verfügung.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Der Bedarf der Klägerin macht indes einen Betrag von 618,23 DM. Dies ist die 3/7-Quote des im Rahmen der Bedarfsbemessung maßgeblichen Einkommens von 1.442,55 DM. Für die Bedarfsbemessung sind – wie dargelegt -Hauslasten von nur 429,46 DM monatlich einzustellen. Um die Differenz von 44,46 DM (473,92 DM - 429,46 DM) erhöht sich das monatliche Nettoeinkommen von 1.398,09 DM auf 1.442,55 DM.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte ist indes nicht in der Lage, in dem hier zunächst maßgeblichen Zeitraum bis Juni 1987 einschließlich den Unterhalt für die Kinder und für die Ehefrau ohne Beeinträchtigung des Selbstbehaltes von 990,-- DM sicherzustellen. Verfügbar für den Kindes- und den Ehegattenunterhalt, die insgesamt 1.198,23 DM ausmachen, sind bei dem Selbstbehalt von 990,-- DM noch 988,09 DM. Dies führt in Rahmen der Mangelverteilung zu einer Quote von 85%. Der Kindesunterhalt beläuft sich danach gerundet auf monatlich jeweils 240,-- DM, der Ehegattenunterhalt gerundet auf monatlich jeweils 508,-- DM.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Da der Beklagte im Dezember 1986 das Kindergeld bezogen hat, waren von ihm für den Unterhalt der Kinder in diesem Monat jeweils 277,50 DM (240,-- DM + 37,50 DM) zu zahlen, während es für die Zeit ab Januar 1987 - seit dieser Zeit erhält die Klägerin zu 1 ) das Kindergeld - bei der Zahlung von jeweils 240,-- DM verbleibt. Dieser Betrag liegt auch noch unter dem Zahlbetrag, der das anteilige Kindergeld berücksichtigt (290,-- DM - 37,50 DM = 252,50 DM). Wegen der Antragstellung sind jedoch für .die Monate Dezember 1986 und Januar 1987 monatlich jeweils 283,14 DM zuzusprechen.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">IV.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Für die Zeit ab 1. Juli 1987 sind die zuvor berücksichtigten überschießenden Hauslasten für die Bedarfsbemessung nicht mehr maßgeblich. Mit dem 1. Juli 1987 ist die endgültige Besitzübergabe an den Erwerber des Grundstücks erfolgt, jeglicher Vorteil wie auch jegliche Belastung damit für die Eheleute unstreitig in Fortfall geraten. Die Fortschreibung überschießender Hauslasten als eine das Einkommen des Beklagten hindernde Position läßt sich mit der Erwägung, die Verbindlichkeit habe die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt, nicht rechtfertigen.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Bei der Bemessung des Unterhalts ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Entscheidend ist der Lebensstandard, der nach den Einkommensverhältnissen vom Standpunkt eines vernünftigen Betrachters angemessen ist; eine nach den Verhältnissen zu dürftige Lebensführung bleibt ebenso außer Betracht wie ein übertriebener Aufwand (vgl. BGH, Urt. v. 4. November 1981 - lV b ZR 624/80 = FamRZ 1982, 151 = NJW 1982, 1645). Demzufolge kann ein Feschalten an zu hohen Wohnlasten ebensowenig verlangt werden wie die Bescheidung mit einem entbehrungsreichen Lebenszuschnitt infolge unverhältnismäßiger Aufwendungen für die Vermögensbildung zu Lasten des Konsums (vgl. Nonnenkamp, Das Eigenheim bei Unterhalt und Vermögensauseinandersetzung, in Brühler Schriften zum Familienrecht Bd. 5 S. 67, 72).</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Über den Ansatz der Hauslasten käme es zu einer nach den Verhältnissen der Eheleute unangemessenen Vermögensbildung allein auf Seiten des Ehemannes zu Lasten des Unterhaltsanspruchs der Klägerin zu 1). Vermögensbildung ist allein im Rahmen des Immobilienobjekts betrieben worden. Dies war einzig auch der hinreichende Grund auf die dem Konsum nicht mehr zur Verfügung stehenden Geldmittel - soweit vom Umfang auch in zeitlicher Hinsicht geboten - zu verzichten.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Verändert sich diese Sachlage wie im Streitfall nach der Trennung entscheidend, braucht sich die Klägerin zu 1) an ihrem geübten Konsumverzicht nicht mehr festhalten zu lassen. Die personalen Grundlagen sind nach dem Auseinandergehen der Eheleute für eine derartige eingeschränkte Lebensführung entfallen (vgl. in diesem Zusammenhang auch: Lohmann, Neue Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Familienrecht, 5. Aufl., S. 61; vgl. auch Graba, FamRZ 1985, 657, 660).</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Das monatliche Nettoeinkommen beträgt unter Fortschreibung der zu III ermittelten Bezugsgrößen 2.452,01 DM (1.978,09 DM + 473,92 DM).</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Bei der Höhe dieses Einkommens errechnet sich der Kindesunterhalt auf monatlich jeweils 360,-- DM. Die 3/7-Quote macht nach Abzug des Kindesunterhalts bei einem verbleibenden Einkommen von 1.732,01 DM einen Betrag von 742,29 DM.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Diesen Betrag als Trennungsunterhalt neben dem Kindesunterhalt in Höhe eines Zahlbetrages von jeweils 322,50 DM (360,-- DM - 37,50 DM) zu zahlen, ist der Beklagte ohne Einschränkung des Selbstbehalts in der Lage.</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">V.</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Für das Jahr 1983 bis zur Rechtskraft der Scheidung am 25. August 1988 führt die Fortschreibung der eheangelegten und bedarfsprägenden Lebensverhältnisse zu folgender Berechnung: v</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Nach der Verdienstbescheinigung für das Jahr 1988 erwirtschaftete der Beklagte bei der Firma xxx und xxx ein Gesamtbruttoeinkommen in Höhe von 51.130,-- DM, das sich nach Abzug der gesetzlichen Abgaben in Höhe von 21.512,11 DM auf 29.617,89 DM ermäßigt. Nach Abzug der Arbeitnehmersparzulage in Höhe von 144,-- DM sowie des Nettoanteils der vermögenswirksamen Leistungen (Steuerquote 58 %) von 664,24 DM verbleiben 28.809,65 DM. Dies entspricht einem monatlichen Nettoeinkommen von 2.400,80 DM.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">Die Einkünfte des Beklagten aus seiner Nebentätigkeit belaufen sich auf 5.368,63 DM, mithin monatlich 447,39 DM. Dies ist der Betrag, der sich unter Berücksichtigung der Einnahmen - unstreitig - von 18.697,18 DM und der anzuerkennenden Ausgaben in Höhe von insgesamt 13.328,50 DM ergibt. Auch insoweit führt - wie im Jahre 1987 - der Ansatz von 0,40 DM pro gefahrenen Kilometer zu einer Berücksichtigung der Fahrtkosten von nur 2.613,60 DM bei 6.534 gefahrenen Kilometern.</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Die anteiligen Mietaufwendungen, die der Beklagte in die Betriebsausgaben für das Jahr 1988 mit 1.317,15 DM eingesetzt hat, sind lediglich in Höhe von 1.033.12 DM zu berücksichtigen. Unter Zugrundelegung der Hausaufwendungen mit insgesamt 5.510,-- DM ergibt sich für das Büro mit einem prozentualen Anteil von 18,75 % lediglich ein Betrag in dieser Höhe. Die Kosten für Strom und Heizung des Büros mit 480,-- DM können Berücksichtigung finden, daß sie im Gegensatz zum Vorjahr in die Gesamtabrechnung für die Hausaufwendungen nicht eingeflossen sind. Im übrigen können auch die als Betriebsausgaben für das Jahr 1988 in Ansatz gebrachten Beträge abgezogen werden, wobei der Beklagte selbst bereits die Kosten für Botengänge und das Arbeitsessen außer Ansatz gelassen hat.</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Das Nettoeinkommen erhöht sich ferner um die Steuererstattung nach dem Steuerbescheid vom 25. November 1988 für das Jahr 1987 in Höhe von insgesamt 1.312,-- DM, mithin um monatlich 109,33 DM. Diese Steuererstattung berücksichtigt bereits das Realsplitting.</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Insgesamt ergibt sich hiernach ein Nettoeinkommen von 2.957,52 DM.</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">4.</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Dieses Einkommen vermindert sich um die monatsanteiligen Fahrtkosten von 88,-- DM sowie die Versicherungen in Höhe von insgesamt 259,65 DM auf 2.609,87 DM.</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">5.</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Der Kindesunterhalt ist bei diesem Einkommen auf jeweils 360,-- DM zu bemessen. Es ergibt sich unter Anrechnung des hälftigen Kindergeldanteils ein Zahlbetrag von monatlich jeweils 322,50 DM für jedes Kind.</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">Der Trennungsunterhalt beläuft sich auf monatlich 809,94 DM. Dies ist die 3/7-Quote des um den Kindesunterhalt geminderten Nettoeinkommens der Beklagten (2.609,87 DM - 720,-- DM = 1.889,87 DM).</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">Zur Zahlung von Kindesunterhalt und Trennungsunterhalt ist der Beklagte ohne Beeinträchtigung des Selbstbehalts in der Lage.</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">VI.</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">Die Anrechnung des von der Klägerin zu 1) nach der Trennung durch ihre Tätigkeit in einer Gaststätte erzielte eigene Einkommen ist nicht angezeigt.</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">Zum einen wäre das Einkommen als überobligationsmäßig erwirtschaftet zu behandeln, zum anderen hat sie nach ihrer unbestrittenen Erklärung in der mündlichen Verhandlung nur kurze Zeit gearbeitet, so daß das nach Abzug von Kinderbetreuungskosten verbleibende Einkommen bezogen auf den hier maßgeblichen Anspruchszeitraum nicht bedeutsam ist.</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">VII.</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">Sie trägt dem Umstand Rechnung, daß die bisherigen Zahlungen des Beklagten die nunmehr titulierten Ansprüche der Höhe nach überwiegend abdecken werden, der konkrete Umfang der Zahlungen indes nicht sicher in diesem Verfahren zu ermitteln war und schließlich, soweit die Verurteilung des Beklagten erfolgt ist, der Titel bezüglich des Kindesunterhalts auch für die Zukunft wirkt.</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">Die Zulassung der Revision beruht auf § 546 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.</p>
|
315,240 | lg-dortmund-1989-05-24-21-s-30488 | {
"id": 806,
"name": "Landgericht Dortmund",
"slug": "lg-dortmund",
"city": 407,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 21 S 304/88 | 1989-05-24T00:00:00 | 2019-03-13T14:50:19 | 2022-10-18T15:08:46 | Urteil | ECLI:DE:LGDO:1989:0524.21S304.88.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung des Klägers wird -unter Zurückweisung</p><p>des Rechtsmittels im übrigen- das am 8. November 1988</p><p>verkündete Urteil des Amtsgerichts Dortmund teilweise</p><p>abgeändert und neu gefaßt.</p><p>Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.943,20 DM</p><p>(i.W.: eintausendneunhundertdreiundvierzig <em>20/100</em></p><p>Deutsche Mark) nebst 4 %Zinsen seit dem 27. September</p><p>1988 zu zahlen.</p><p>Im übrigen bleibt die Klage abgewiesen.</p><p>Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Entscheidungsgründe</span></p><span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 ZPO abgesehen.</p><span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Berufung des Klägers ist zum Teil begründet.</p><span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte schuldet den ausgeurteilten Betrag aus §§ 688, 689 BGB.</p><span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Zwischen den Parteien ist ein entgeltlicher Verwahrungsvertrag</p><span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">und ein Werkvertrag über das Abschleppen des PKW des</p><span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Beklagten am 27.7.1986 zustande gekommen.</p><span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der PKW wurde im Auftrag des Beklagten vom Kläger abgeschleppt und</p><span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">bei dem Kläger für 6,50 DM am Tag zuzüglich Mehrwertsteuer untergestellt.</p><span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Er stand dort mindestens bis zum 29.2.1988.</p><span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Es verstößt nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), daß der</p><span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Kläger unter Berücksichtigung aller hier obwaltenden Umstände</p><span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">für 9 Monate die Vergütung für das Unterstellen des Fahrzeugs</p><span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">des Beklagten verlangen kann.</p><span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Der Kläger war dem Beklagten zur Aufbewahrung des PKW ohne</p><span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Rücksicht auf seinen Zustand verpflichtet, so daß er hierfür</p><span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">auch Vergütung verlangen kann._</p><span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat jedenfalls bis zum Ablauf der gesamten neun Monate</p><span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">so gröblich gegen die eigenen Vertragspflichten</p><span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">gegenüber dem Kläger verstoßen, indem er sich</p><span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">nicht um den Verbleib seines PKW kümmerte, daß er dem Kläger</p><span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">für diese Zeit keinerlei Treuwidrigkeit vorwerfen kann. Der</p><span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Beklagte hatte sich im September 1986 die Verschrottung mit</p><span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Rücksicht auf noch zu klärende Versicherungsfragen vorbehalten</p><span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">und sich in der Folgezeit trotz mehrfacher Aufforderungen</p><span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">des Klägers nicht über den weiteren Verbleib des</p><span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">PKW geäußert. Dagegen konnte sich der Kläger auf zumutbare</p><span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Weise nicht von der Hinterlegungspflicht befreien. Zwar mag</p><span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">der Beklagte im Gläubigerverzug mit der Rücknahme des PKW</p><span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">gewesen sein (vgl. §§ 696, 294 ff BGB) -wozu im übrigen aber</p><span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">nicht die Verpflichtung zur Rückschaffung zum Beklagten gehört,</p><span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">wie das Amtsgericht meint-. Angesichts des Zustandes</p><span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">des PKW war aber eine Hinterlegung oder eine Zwangsversteigerung</p><span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">des PKW und Hinterlegung des Versteigerungserlöses</p><span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">nicht zumutbar, da -aus der Sicht auch eines objektiven Verwahrers-</p><span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">ein eventueller Erlös bei der Versteigerung des PKW</p><span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">kaum die Kosten der Versteigerung gedeckt hätte. Erst nachdem</p><span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">am 16.2.1987 zwangsweise das Kraftfahrzeugzulassungszeichen</p><span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">entstempelt worden war und auch danach der Beklagte sich</p><span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">gewisse Zeit nicht um das Fahrzeug trotz Aufforderung</p><span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">kümmerte, mußte der Kläger (§ 242 BGB) davon ausgehen, daß</p><span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">der Beklagte auf die Rücknahme des Fahrzeuges verzichtete.</p><span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Diese Zeitspanne ist nach Auffassung des Gerichtes mit</p><span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">weiteren zwei Monaten anzusetzen.</p><span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Somit ergibt sich folgende Abrechnung:</p><span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte schuldet dem Kläger</p><span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">für 9 Monate a 30 Tage jeweils 6,50 =                1.755,00 DM</p><span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Verwahrungsgebühr.</p><span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Dazu kommen die Abschleppkosten</p><span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">in Höhe von                                                            125,00 DM</p><span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Das ergibt zusammen              1.880,00 DM</p><span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Hierauf schuldet der Beklagte</p><span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">die Mehrwertsteuer von 14 %.</p><span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Danach schuldete der Beklagte</p><span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">insgesamt              2.143,20 DM</p><span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Hiervon ist die Zahlung von                 200,00 DM</p><span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">abzusetzen.</p><span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Damit verbleibt es bei dem ausgeurteilten</p><span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Betrag in Höhe von              <strong>1.943,20 DM</strong></p><span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Der Zinsanspruch folgt aus § 291 BGB.</p><span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 97 ZPO.</p>
|
315,241 | olgham-1989-05-14-20-u-2689 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 20 U 26/89 | 1989-05-14T00:00:00 | 2019-03-13T14:50:22 | 2022-10-18T15:08:46 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1989:0514.20U26.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung der Beklagten gegen das am 8. November 1988 verkündete Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.</p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt. Hiervon ausgenommen sind die durch Anrufung des unzuständigen Landgerichts Hamburg verursachten Mehrkosten, die die Klägerin zu tragen hat.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin stellt Lederbekleidung her. Ihre Produkte zeigt sie auf Messen. Zur Abdeckung von Schäden durch Verlust oder Beschädigung der Ausstellungsstücke schloß sie bei der Beklagten eine Ausstellungsversicherung ab, der die die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für Ausstellungsversicherungen (AVB) zugrundelagen. Diese lauten auszugsweise:</p>
<br /><span class="absatzRechts">3</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>§1 Anfang und Ende der Gefahr</i>
<i>1.</i>
<i>Die Versicherung beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem das versicherte Ausstellungsgut am bisherigen Aufbewahrungsort zwecks Beförderung zur Ausstellung von der Stelle, an der es bisher aufbewahrt wurde, entfernt wird und endigt mit dem Zeitpunkt, in dem es nach Beendigung der Ausstellung an seinen vorherigen Aufbewahrungs- oder seinen sonstigen Bestimmungsort verbracht ist, und zwar an die Stelle, die der Empfänger zur endgültigen Aufbewahrung des Ausstellungsgutes bestimmt hat. Zwischen- und Nachlagerungen sind bis zur Dauer von 30 Tagen prämienfrei eingeschlossen. ...</i>
<i>§2 Versicherte Gefahren</i>
<i>1.</i>
<i>Während der Transporte und der mit ihnen im gewöhnlichen Reiseverlauf verbundenen Aufenthalte sowie während des Aufenthaltes in der Ausstellung erstreckt sich die Versicherung auf alle Gefahren, welchen das versicherte Ausstellungsgut ausgesetzt ist, soweit nachstehend nichts anderes bestimmt ist.</i>
<i>...</i>
<i>§3 Nichtversicherte Gefahren</i>
<i>1.</i>
<i>Ausgeschlossen von der Versicherung sind Schäden, Nachteile und Verluste, welche entstanden sind durch</i>
<i>...</i>
<i>(es werden dann verschiedene Gefahren aufgeführt, die im vorliegenden Fall unstreitig nicht einschlägig sind).</i></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Im Versicherungsschein heißt es ergänzend:</p>
<br /><span class="absatzRechts">5</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>Transporte zur Ausstellung und Rücktransporte von der Ausstellung sind mitversichert ... Versichert ist der zweimal jährliche Besuch der Ausstellungen ... und ... in ... sowie der Modewoche München ...</i></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Im September 1987 nahm die Klägerin an der ... in ... teil, die am 09.09.1987 endete. Während der Dauer der Messe verbrachte die Klägerin einen Teil ihrer Kollektion über. Nacht in den von ihr als Transportfahrzeug benutzten Kleinlastwagen (Kastenwagen), den sie ordnungsgemäß verschlossen vor dem von ihr für die Dauer der Messe angemieteten Appartement in ... auf der Straße abstellte. In der Nacht vom 08. zum 09.09.1987, also einen Tag vor Messeende, wurde das Fahrzeug dort von Unbekannten aufgebrochen, die Lederwaren im unstreitigen Wert von 25.346,49 DM entwendeten.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin nahm die Beklagte auf Regulierung des Schadens in Anspruch. Als sich die Schadensregulierung nach Ansicht der Klägerin unangemessen verzögerte, ließ diese der Beklagten durch ihren Rechtsanwalt Klage androhen. Danach - ob allein aus diesem Anlaß, mag offenbleiben - kam es am 05.11.1987 in den Räumen der Klägerin und im Beisein des Rechtsanwalts zu einer Verhandlung mit dem Mitarbeiter ... der Beklagten. Der Verlauf dieses Gesprächs ist in Einzelheiten streitig. Soweit es den hier zur Entscheidung stehenden Versicherungsfall betrifft, ist aber jedenfalls unstreitig, daß nach verhältnismäßig kurzer Erörterung der Zeuge ... die Zahlung der Entschädigung in Aussicht stellte.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 19.11.1987 lehnte die Beklagte die Schadensregulierung dann jedoch ab, und zwar mit der Begründung, sie habe erst jetzt festgestellt, daß der Diebstahl sich ja vor Ende der Messe ereignet habe. Die Ausstellungsware habe sich daher nicht auf einem vom Versicherungsschutz umfaßten Transport, sondern auf einem nichtversicherten "Zwischentransport" am Ausstellungsort ereignet.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Mit ihrer daraufhin erhobenen Klage hat die Klägerin die Auffassung vertreten, die Beklagte sei gehindert, sich noch auf Leistungsfreiheit zu berufen, weil der Zeuge ... den Entschädigungsanspruch ausdrücklich und für die Beklagte bindend anerkannt habe. Zudem sei nach der Regulierungszusage des Zeugen auch noch ausführlich über die technischen Möglichkeiten zur besseren Sicherung von Zwischentransporten am Ausstellungsort gesprochen worden.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an sie 25.346,49 DM nebst 9,75 % Zinsen seit dem 05.11.1987 sowie 10,- DM vorgerichtliche Kosten zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte ist der Ansicht, es liege ein bindendes Anerkenntnis vor, mit Rechtsausführungen entgegengetreten und hat behauptet:</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Dem Zeugen ... sei bei seiner Zahlungszusage nicht bekannt gewesen, daß der Diebstahl sich vor Messeende ereignet habe und daß daher ein nicht versicherter Zwischentransport anzunehmen sei. Außerdem habe der Zeuge aber auch keine Vollmacht gehabt, bei Schäden dieser Größenordnung rechtsverbindliche Erklärungen abzugeben.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Hilfsweise hat die Beklagte geltend gemacht, mit dem Schreiben vom 19.11.1987 sei ein mögliches Anerkenntnis jedenfalls wirksam angefochten worden. Außerdem hat sie sich - ebenfalls hilfsweise - auf die Einrede ungerechtfertigter Bereicherung berufen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme der Klage bis auf einen Teil der Nebenforderungen antragsgemäß stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, es liege ein Anerkenntnis vor, an welches die Beklagte gebunden sei. Ob der Zeuge ... Vollmacht für ein solches Anerkenntnis gehabt habe, sei unerheblich, weil er jedenfalls den Eindruck erweckt habe, er sei umfassend bevollmächtigt. Anfechtungsgründe könne die Beklagte nicht mit Erfolg einwenden.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Mit der hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Beklagte das Ziel der Klageabweisung weiter. Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Sachvortrag in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht und wendet sich insbesondere gegen die Annahme eines Anerkenntnisses. Zusätzlich wendet sie Leistungsfreiheit nach §12 ihrer AVB wegen arglistiger Täuschung bei den Regulierungsverhandlungen ein, weil die Klägerin nicht offengelegt habe, daß der Schadensfall sich vor Messeende auf einem Zwischentransport ereignet habe.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hält das angefochtene Urteil für richtig, vertritt aber jetzt in erster Linie die Auffassung, die Beklagte sei schon nach den Versicherungsbedingungen ohnehin verpflichtet, für den Schaden einzustehen. Die Auslegung der Bedingungen ergäbe nämlich, daß auch sog. Zwischentransporte versichert seien.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen und auf die in den nachstehenden Entscheidungsgründen ergänzend mitgeteilten Tatsachen verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Berufung der Beklagten ist im Ergebnis unbegründet und daher mit Ausnahme einer sich aus dem Gesetz zwingend ergebenden Korrektur bei der Kostenentscheidung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks"><b>I.</b></p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Der Berufung ist allerdings darin zuzustimmen, daß die Entscheidungsgründe das angefochtene Urteil nicht zu tragen vermögen. Ein die Beklagte bindendes Anerkenntnis ist aus mehreren Gründen nicht anzunehmen.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Zahlungszusagen eines Versicherers sind nur ausnahmsweise unter besonderen Voraussetzungen als Anerkenntnis auszulegen. Die von der Rechtsprechung (BGH NJW 76, 1259; 84, 799) hierzu entwickelten Kriterien sind sämtlich nicht erfüllt. Für ein konstitutives oder abstraktes Anerkenntnis, mit dem ein neuer und selbständiger Schuldgrund geschaffen wird, spricht nichts. Aber auch ein deklaratorisches Anerkenntnis, mit dem die bestehende Schuld bestätigt und auf bestimmte Einwendungen oder Einreden verzichtet wird, ist nicht anzunehmen. Die Beklagte, vertreten durch den Zeugen ... hatte keinen Anlaß, sich in dieser Weise zu binden. Das deklaratorische Anerkenntnis ist einem Vergleich ähnlich und setzt daher in der Regel voraus, daß ein Streit oder wenigstens subjektiv eine Ungewißheit über das Bestehen oder den Umfang des anzuerkennenden Anspruch bestanden hat. Dafür ist hier nichts ersichtlich. Auch nach der Darstellung der Klägerin ist das entscheidende Gespräch mit dem Zeugen ... recht kurz gewesen und nicht kontrovers geführt worden. Es beschränkte sich praktisch auf die Bezifferung des Schadens.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Der Umstand, daß die Klägerin bereits Klage hatte androhen lassen, konnte für die Beklagte kein hinreichender Anlaß sein, sich durch ein Anerkenntnis vertraglich zu binden. Eine bezifferte Zahlungszusage reichte völlig aus, um die Klägerin einstweilen von gerichtlichen Schritten abzuhalten.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Selbst wenn man ein Anerkenntnis annehmen wollte, wäre die Beklagte nicht gehindert, sich darauf zu berufen, daß ein nicht versicherter "Zwischentransport" vorliege. Denn diese Frage war nach Darstellung beider Parteien nicht Gegenstand der Erörterungen gewesen. Es handelt sich mithin nicht um einen Streitpunkt, auf dessen Geltendmachung die Beklagte verzichten wollte.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Ein Anerkenntnis scheidet letztlich aber auch daran, daß der Zeuge ... glaubhaft bekundet hat, daß er für Schäden dieser Größenordnung keine Regulierungsvollmacht hatte. Ob er den Eindruck erweckt hat, er sei umfassend bevollmächtigt, ist unerheblich. Denn für eine Haftung nach Rechtsscheinsgrundsätzen (Anscheinsvollmacht) kommt es nicht darauf an, ob der Vertreter, sondern ob der Vertretene - hier also die Beklagte - den zurechenbaren Rechtsschein gesetzt hat. Dafür ist nichts ersichtlich.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks"><b>II.</b></p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte ist jedoch gleichwohl zur Zahlung der ausgeurteilten unstreitigen Summe verpflichtet. Sie ist nämlich aus dem Versicherungsvertrag für den Diebstahlsschaden eintrittspflichtig.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks"><b>1.</b></p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Mit dem Begriff des - nach ihrer Auffassung nichtversicherten - "Zwischentransports" bedient die Beklagte sich eines Begriffs, der sich in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen nicht findet. Sie umschreibt damit vielmehr einen Sachverhalt, für den sich aus den Versicherungsbedingungen ergeben soll, daß er nicht versichert sei.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks"><b>2.</b></p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Der Umfang des Versicherungsschutzes ist, soweit er die Eintrittspflicht der Beklagten dem Grunde nach betrifft, in den §§1 bis 3 der Bedingungen geregelt. Diese sind, da es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, so auszulegen, wie sie - ausgehend von den Verständnismöglichkeiten eines Durchschnittskunden (Versicherungsnehmers) - von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden (Palandt-Heinrichs, BGB, §5 AGBG Anm. 3).</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">§1 Abs. 1 der Bedingungen enthält eine zeitliche Begrenzung des vom Versicherer zu übernehmenden Risikos. Der Versicherungsschutz beginnt, vereinfacht ausgedrückt, mit dem Transport zum Ausstellungsort und endet mit der Rückkehr des Ausstellungsgutes; eine Unterbrechung bis zu 30 Tagen durch eine "Zwischenlagerung" ist mitversichert. Damit besteht, wenn die 30-Tages-Frist nicht überschritten wird, zeitlich umfassender Versicherungsschutz. Eine Umschreibung des Versicherungsortes, also der Stelle, wo sich der Versicherungsfall ereignet haben muß, enthält diese Regelung nicht. Insbesondere ist ihr nicht zu entnehmen, daß während der Dauer der Ausstellung Versicherungsschutz nur auf dem Ausstellungsgelände bestehen soll.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Allenfalls §2 Abs. 1 der Bedingungen enthält Hinweise auf den Versicherungsort. Wenn "während der Transporte und der mit ihnen im gewöhnlichen Reiseverlauf verbundenen Aufenthalte" Versicherungsschutz besteht, ist damit der Aufenthalt des Ausstellungsgutes in den Transportfahrzeugen als Versicherungsort umschrieben. Entsprechendes gilt für die Formulierung "während des Aufenthaltes in der Ausstellung". Die Beklagte sieht hierin die Regelung, daß das Ausstellungsgut außerhalb der Transporte nur auf dem Messegelände selbst versichert sei.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">c)</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Das ist sprachlich richtig und daher eine mögliche Interpretation. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird das aber nicht erkennen.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Er wird es vielmehr so verstehen, als hieße es "während der Ausstellung". Dazu wird er durch den in §1 Abs. 1 vorgegebenen umfassenden und scheinbar lückenlosen zeitlichen Rahmen des Versicherungsschutzes veranlaßt. Er kann nicht ohne weiteres erkennen, daß in §2 Abs. 1 mit dem Wort "während" welches ebenfalls einen Zeitraum beschreibt, eine örtliche Begrenzung des Versicherungsschutzes ("in der Ausstellung") eingeleitet wird. Er wird vor allem nicht erfassen, daß durch die positive Umschreibung "in der Ausstellung" ein Teil des scheinbar umfassenden Versicherungsschutzes entfällt, nämlich alles das, was außerhalb eines Transportes und außerhalb des eigentlichen Ausstellungsgeländes vorfällt. Der Blick auf dieses Problem wird ihm zudem dadurch verstellt, daß durch den Nachsatz "Alle Gefahren ... soweit nachstehend nichts anderes bestimmt ist" und die dann in §3 folgende Aufzählung einzelner nicht versicherter Gefahren der Eindruck entsteht, diese einzeln aufgeführten Gefahren seien die einzigen Lücken im Versicherungsschutz.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">d)</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Der Versicherungsnehmer wird zudem annehmen, die vorübergehende Entfernung des Ausstellungsgutes vom Ausstellungsgelände sei entweder ein nach §2 Abs. 1 versicherter "Transport" oder eine nach §1 Abs. 1 versicherte "Zwischenlagerung" je nachdem, ob das Ausstellungsgut bewegt wird oder nicht. Daß es aus beiden Begriffen gebildeten "Zwischentransport" gibt, der unversichert ist, wird sich ihm nicht erschließen.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Der Versicherungsnehmer einer Ausstellungsversicherung hat zudem ein berechtigtes Interesse daran, daß auch die von der Beklagten als Zwischentransporte umschriebenen Sachverhalte versichert sind. Es sind zahlreiche Fälle denkbar, in denen der Versicherungsnehmer begründeten und berechtigten Anlaß hat, das Ausstellungsgut vom Ausstellungsgelände zu entfernen und gerade dann Versicherungsschutz zu genießen, etwa dann, wenn er Ausstellungsstücke außerhalb der Öffnungszeiten der Ausstellung bestimmten Interessenten außerhalb des Ausstellungsgeländes, z.B. in einem Hotel oder in einem Geschäft, vorführen will.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">e)</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Es bestehen zwar keine durchgreifenden Bedenken dagegen, daß der Versicherer außerhalb des Messegeländes und außerhalb des Hin- und Rücktransports zum Messegelände keinen Versicherungsschutz gewährt. Er muß dies dann aber in einer für den Versicherungsnehmer verständlichen und durchschaubaren Sprache formulieren. Die hier vorliegenden Bedingungen werden diesem Anspruch nicht gerecht. Sie sind daher so auszulegen, daß während der Ausstellung auch dann Versicherungsschutz besteht, wenn das Ausstellungsgut vorübergehend vom Ausstellungsgelände entfernt wird. Dies ist dann entweder als Transport oder als Zwischenlagerung versichert.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Auch aus dem Zusatz im Versicherungsschein "Transporte zur Ausstellung und Rücktransporte von der Ausstellung sind mitversichert" folgt nicht, daß ausschließlich Hin- und Rücktransport versichert sein sollte. Denn dies folgt bereits aus §1 Abs. 1 der Bedingungen. Der Zusatz hat vielmehr nur deklaratorische Bedeutung. Es wäre nämlich, wie der vorgedruckte Text belegt, möglich, Hin- und Rücktransport vom Versicherungsschutz auszunehmen; der Zusatz enthielte dann das hier gestrichene Wort "nicht". Der Zusatz enthält daher keine Einschränkung, sondern nur eine Bestätigung des in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen umschriebenen Versicherungsschutzes.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks"><b>III.</b></p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus §97 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin muß jedoch die durch die Anrufung des unzuständigen Landgerichts Hamburg entstandenen zusätzlichen Kosten gemäß §§696 Abs. 5 Satz 1 und 3, 281 Abs. 3 Satz 2 ZPO tragen.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Die Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus §§708 Ziff. 10, 711, 713 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte ist mit weniger als 40.000,- DM beschwert.</p>
|
315,242 | lg-essen-1989-05-11-4-o-7389 | {
"id": 809,
"name": "Landgericht Essen",
"slug": "lg-essen",
"city": 417,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 4 O 73/89 | 1989-05-11T00:00:00 | 2019-03-13T14:50:24 | 2022-10-18T15:08:46 | Urteil | ECLI:DE:LGE:1989:0511.4O73.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Essen </p>
<p>auf die mündliche Verhandlung vom 11. Mai 1989 </p>
<p>durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. C., </p>
<p>die Richterin am Landgericht C. und den </p>
<p>Richter am Landgericht Dr. W.</p>
<p>fur R e c h t erkannt:</p>
<p></p>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits fallen dem Kläger zur Last.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p>Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 1.200,-- DM abwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leisten.</p>
<p></p>
<p>Den Parteien wird nachgelassen, die Sicherheitsleistung durch selbst-schuldnerische Bürgschaft einer deutschen Grot3bank oder Sparkasse zu erbringen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">(<u>Tatbestand</u>:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten schulden der Klägerin unstreitig Schadensersatz aufgrund des Verkehrs-unfalles vom 20.10.1988.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Streit zwischen den Parteien geht ausschließlich um die Frage, ob die Klägerin auf Neuwagenbasis abrechnen kann.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Bei dem unfallbeschädigten Fahrzeug der Klägerin handelt es sich um einen zweitürigen Mazda mit Wankelmotor, der am 19.09.1988 zugelassen wurde und im Zeitpunkt des Unfalles einen Kilometerstand von 1672 hatte. Das Fahrzeug war im Betrieb der Klägerin als Vorführwagen eingesetzt, wie sich aus dem von ihr überreichten Gutachten des TÜV ergibt.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">An dem Fahrzeug waren im einzelnen beschädigt: Das Heckabschlußblech, das Seitenteil hinten, der Kofferboden einschließlich der Seitenteilinnenbleche. Weiterhin war der Längsträger bis ins Radhaus gestaucht und die Schweißkante teilweise aufgeplatzt. Auch das Radhaus war innen deformiert. Die Zwischenbleche unterhalb des </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Heckabschlußbleches waren eingefaltet und die Auspuffanlage teilweise aus der Halterung gerissen und in sich verformt.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die beklagte Versicherung hat zur Schadensregulierung folgende Zahlungen geleistet:</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Reparaturkosten 10.104,57 DM</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Wertminderung 3.000,-- DM</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Sachverständigen—Gebühren 907,—- DM</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Unkostenpauschale <u>30,-- DM</u></p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">14.041,57 DM</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin vertritt die Auffassung, sie könne auf Neuwagenbasis abrechnen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Sie beziffert ihren Schaden wie folgt:</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Fahrzeugpreis per 21.10.1988 </p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">ohne Mehrwertsteuer 37.264,56 DM</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">(laut Gutachten)</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">abzügl. Restwert ohne Mwst. </p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">(laut Gutachten) 18.421,05 DM</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">abzügl. Gebrauchsvorteil </p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">0,67 % des Neupreises pro </p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">gefahrene 1.000 km <u>544,05 DM</u></p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">18.299,46 DM</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">zuzügl. Neuzulassung 150,-- DM</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">zuzügl. Umbaukosten 400,-- DM</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">zuzügl. Gutachterkosten ohne Mwst. 907,-- DM</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">zuzügl. Auslagenpauschale <u>30,-- DM</u></p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">19.786,46 DM</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">abzügl. von der Beklagten</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">zu 2. gezahlter <u>14.041,57 DM</u></p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks"><u> 5.744,99 DM</u></p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 5.744,99 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 16.01.1989 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Sie halten an ihrer vorprozessual geäußerten Auffassung fest, daß die Klägerin nur die Erstattung der Reparaturkosten verlangen könne.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks"><u>Entschejdungsgründe</u>:</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist sachlich nicht gerechtfertigt.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin kann gem. §§ 249, 251 BGB nur die Kosten erstattet verlangen, die zur Wiederherstellung des Zustandes erforderlich sind, der vor dem Unfall bestanden hat.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Die Voraussetzung für eine Abrechnung auf Neuwagenbasis sind nicht gegeben, weil die Reparaturkosten einschließlich Mehrwertsteuer und Wertminderung deutlich geringer sind als der Fahrzeugschaden in Höhe von 18.849,46 DM.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Auch läßt sich dem Gutachten entnehmen, daß nach der durchgeführten Reparatur ein technischer Minderwert nicht verbleibt, sondern lediglich ein merkantiler Minderwert.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Ein Fall des sogenannten unechten Totalschadens liegt ebenfalls nicht vor. Dazu wäre Voraussetzung, daß es sich um ein praktisch neuwertiges Fahrzeug gehandelt hätte. Dies ist indessen nicht der Fall. Vielmehr kann nach der Rechtsprechung von einem neuwertigen Fahrzeug nur dann ausgegangen werden, wenn die Fahrleistung nicht deutlich mehr als 1.000 km und das Alter nicht mehr als einen Monat ist. Hier liegt die Fahrleistung jedoch bei 1.672 km. Darüberhinaus war das Fahrzeug auch als Vorführwagen eingesetzt, was bereits nach der Zulassung zu einer erheblichen Verminderung des Wiederverkaufswertes führt.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Da die beklagte Versicherung die Reparaturkosten, den Minderwert, die Gutachterkosten und die Auslagenpauschale bereits vorprozessual erstattet hat, war die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 91, 708 Ziff. 11, 711 ZPO.</p>
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315,243 | olgham-1989-05-02-2-sdb-zust-789 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 2 Sdb (Zust) 7/89 | 1989-05-02T00:00:00 | 2019-03-13T14:50:25 | 2022-10-18T15:08:46 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1989:0502.2SDB.ZUST7.89.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>ist die Abteilung für Familiensachen des Amtsgerichts Essen zuständig.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Gründe:</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Dem Zuständigkeitsstreit zwischen den Abteilungen für Zivilsachen und Familiensachen des Amtsgerichts Essen liegt eine Vollstreckungsgegenklage gem. § 767 ZPO zugrunde, mit der gegenüber einem durch Urteil des Amtsgerichts Essen - 23 C 74/88 - vom 16.09.1988 titulierten Zahlungsanspruch des Beklagten die Aufrechnung mit einen angeblichen Zugewinnausgleichsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten geltend gemacht wird.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Gem. § 767 Abs. 1 ZPO ist zur Entscheidung über eine Vollstreckungsgegenklage das Prozeßgericht erster Instanz zuständig. Sinn und Zweck dieser von der sonstigen Zuständigkeitsregelung im Vollstreckungsverfahren abweichenden Regelung ist die Absicht, über materiellrechtliche Einwendungen, die die Vollstreckbarkeit des Titels betreffen, das Prozeßgericht entscheiden zu lassen, weil es aufgrund seiner früheren Befassung mit dem Gegenstand des Verfahrens, in welchem der Vollstreckungstitel ergangen ist, über besondere Sachkunde verfügt. Von diesem Normzweck her hält der Senat eine Einschränkung der Zuständigkeitsregelung jedenfalls dann für erforderlich, wenn mit der Vollstreckungsgegenklage wie vorliegend gegenüber einem titulierten Anspruch nach allgemeinem bürgerlichen Recht die Aufrechnung mit einem familienrechtlichen Anspruch geltend gemacht wird. In diesem Fall würde nämlich eine allein auf dem Wortlaut des § 767 Abs. 1 ZPO abstellende Beurteilung der Zuständigkeit dazu führen, daß eine besondere Sachkunde des Prozeßgerichts erster Instanz für die allein entscheidungserhebliche Frage des Bestehens des behaupteten familienrechtlichen Anspruchs entgegen dem Gesetzeszweck gerade nicht gegeben wäre. Es erscheint daher allein sach- und interessengerecht, eine Zuständigkeit des Familiengerichts, die für den Fall der isolierten Geltendmachung des zur Aufrechnung gestellten Anspruchs gem. § 621 Abs. 1 ZPO ausschließlich gegeben wäre, auch für die Vollstreckungsgegenklage zu bejahen. Nur auf diese Weise kann der in der Bildung besonderer Familiengerichte erkennbaren gesetzgeberischen Absicht, familienrechtliche Sachverhalte ausschließlich durch fachlich besonders kompetente Gerichte entscheiden zu lassen, Rechnung getragen werden.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Aufgrund dieser Erwägungen ist nach Auffassung des Senats unabhängig von der in der Literatur und Rechtsprechung streitigen Frage, ob hinsichtlich der Zuständigkeitsbestimmung gem. § 767 Abs. 1 ZPO auf den Rechtscharakter des zugrundeliegenden Titels oder der hiergegen erhobenen Einwendungen abzustellen ist (für die Maßgeblichkeit des Rechtscharakters des Vollstreckungstitels: OLG Düsseldorf, FamRZ 1978, 52; OLG Hamm FamRZ 78, 523; Stein/Jonas/Münzberg, Zivilprozeßordnung, 20. Auflage, § 767 Rdn. 46; für die Maßgeblichkeit des Rechtscharakters der Einwendung: OLG München FamRZ 1978, 50, 51), zumindest in Fällen der vorliegenden Art eine Zuständigkeit des Familiengerichts gegeben.</p>
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315,244 | lg-essen-1989-04-28-12-o-54788 | {
"id": 809,
"name": "Landgericht Essen",
"slug": "lg-essen",
"city": 417,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 12 O 547/88 | 1989-04-28T00:00:00 | 2019-03-13T14:50:26 | 2022-10-18T15:08:46 | Urteil | ECLI:DE:LGE:1989:0428.12O547.88.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 2.148,-- DM (i.W: zweitausendeinhundertachtundvierzig Deutsche Mark) nebst 4 % Zinsen von 948,-- DM seit dem 8. Januar 1988 und von weiteren 1.200,-- DM seit dem 25.0ktober 1988 zu zahlen. </p>
<p></p>
<p>Im übrigen wird die Klage abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 3/5 dem Kläger, zu 2/5 den Beklagten auferlegt. </p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger gegen Sicherheitsleistung von 2.400,-- DM. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 300,-- DM abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagten Sicherheit in gleicher Höhe leisten.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Tatbestand:</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger macht Ansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 30.09.1987 im Einmündungsbereich der B-Straße in die I-straße ereignete. </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Kläger befuhr am Unfalltag gegen 21.00 Uhr mit seinem Leichtkraftrad Yamaha, amtliches Kennzeichen ... die B-Straße. Er wollte nach links in die bevorrechtigte I-straße einbiegen. </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte zu 1) befuhr mit seinem Pkw, ..., amtliches Kennzeichen ... die I-straße in Richtung W-Straße, also aus Sicht des Klägers von links kommend. Er hatte zuvor die C-Straße befahren und war von dieser nach rechts in die I-straße eingebogen. Diese Abbiegung ist ca. 14,5 Meter von der Einmündung der B-Straße, die der Kläger befuhr, entfernt. </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Wegen weiterer Einzelheiten der Örtlichkeiten wird auf die polizeiliche Unfallskizze (Bl. 4 der Beiakte) und die in der Beiakte befindlichen Lichtbilder (Bl. 49 und 50 der Beiakte) verwiesen. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Etwa auf der Mittellinie der I-straße kam es zum Zusammenstoß der Fahrzeuge. Der Kläger wurde dabei schwer verletzt. </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Gegen den Beklagten zu 1) wurde ein Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eingeleitet. Im Rahmen dieses Verfahrens ist der Sachverständige Dipl.-Ing. T der Erstattung eines Gutachtens beauftragt worden. Der Sachverständige hat folgende Feststellungen getroffen: </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Ausgehend von einer Bremsspur von 28,1 Meter ist von einer Ausgangs-geschwindigkeit des Pkw von 70 bis 75 km/h auszugehen. Bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h wäre der Unfall vermeidbar gewesen. </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Wegen weiterer Einzelheiten der Berechnung des Sachverständigen und der daraus gezogenen Feststellungen wird auf das Gutachten vom 07.04.1988 (Bl. 40 ff der Beiakte) verwiesen. </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Gestützt auf dieses Gutachten verlangt der Kläger von den Beklagten vollen Schadensersatz. </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Ergänzend behauptete der Kläger, der Unfall habe sich auf der Gegenfahrbahn des Beklagten zu 1) ereignet. Dieser sei beim Abbiegen infolge der hohen Geschwindigkeit dorthin geraten. Er, der Kläger, habe sich schon fast auf der Mitte der Fahrbahn befunden, als der Beklagte zu 1) ihn erfaßt habe. </p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Kläger macht folgenden Schaden geltend: </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Wiederbeschaffungswert für das Krad 2.150,-- DM</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Wiederbeschaffungswert für den </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">beim Unfall getragenen Helm 190,-- DM</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Kostenpauschale <u>30,-- DM</u></p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Gesamtschaden 2.370,-- DM</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Außerdem beansprucht er ein Schmerzensgeld von mindestens 3.000,-- DM und tragt vor, er habe sich, was unstreitig ist, vom 30.09. bis 05.10.87 in stationärer Behandlung befunden. Er habe eine Gehirnerschütterung und ein Schlüsselbeinbruch links erlitten. Außerdem seien multiple Schürfwunden am linken oberen Sprunggelenk entstanden. Die ambulante Behandlung des Klägers dauerte laut Bescheinigung des Q in F bis zum 09.11.87. Der Kläger konnte zwei Wochen die Schule nicht besuchen und sechs Wochen keinen Sport treiben. Bleibende Narben sind im Bereich der linken Achselhöhle und des linken Außenknöchels vorhanden, außerdem besteht eine Stufenbildung im Bruchbereich. </p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Ergänzend behauptet der Kläger, unter dem Rucksackverband habe sich eine schmerzhafte Entzündung gebildet, die ihn erheblich beeinträchtigt habe. Hierzu hat er eine Bescheinigung des Q vom 23.09.88 (B 1. 56 G A) vorgelegt.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Der Kläger forderte die Beklagte zu 1) unter Fristsetzung bis zum 07. Januar 88 vergeblich auf, den Sachschaden auszugleichen. </p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Er behauptet, er nehme Bankkredit zu einem Zinssatz von 8,75 % in Anspruch. </p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 5.370,-- DM nebst 8,75 % Zinsen aus 2.370,-- DM seit dem 08.01.1988 sowie 4 % Zinsen aus 3.000,-- DM seit dem 25.10.1988 zu zahlen. </p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten behaupten, der Kläger habe die Vorfahrt verletzt. Das Hineinrutschen in die Gegenfahrbahn sei allein durch die Vollbremsung des Beklagten zu 1) verursacht worden. Das im Rahmen des Strafverfahrens eingeholte Gutachten gehe von falschen Voraussetzungen aus. Die Blockierspur des klägerischen Fahrzeugs habe nämlich lediglich 19,7 Meter betragen. Die von dem Polizeibeamten zusätzlich eingezeichnete Spur von 8,4 Metern sei einem anderen Unfallgeschehen zuzuordnen. Eine überhohte Geschwindigkeit des Beklagten zu 1) habe demzufolge nicht vorgelegen. Eine eventuell erhöhte Geschwindigkeit sei auch nicht ursächlich für den Unfall geworden. Die vom Sachverständigen angenommene Reaktion des Beklagten zu 1) in einer Entfernung von 35 Metern von der Unfallstelle könne so nicht zutreffen, da der Beklagte zu 1) sich dann noch im Abbiegestreifen befunden haben müsse. Sicht auf die Einmündung der B- Straße bestehe an dieser Stelle nicht. </p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Zum Schmerzensgeld wenden die Beklagten ein, der Kläger habe, was unstreitig ist, einen zweiten Helm am rechten Arm mit sich geführt. Die Verletzungen des Klägers seien im wesentlichen auf diese Tatsache zurückzuführen. Außerdem sei das Fahrverhalten des Klägers dadurch beeinträchtigt gewesen. Die schmerzhafte Entzündung unter dem Rucksackverband sei nicht kausal, sie sei möglicherweise durch eine unzutreffende Behandlung hervorgerufen worden. </p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Akten 44 Js 111/88 der Staatsanwaltschaft Essen lagen vor und waren urkundenbeweislich Gegenstand der mündlichen Verhandlung. </p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die Kammer hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen F, S und C. Wegen Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 03.02.89 und 28.04.89 Bezug genommen. </p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks"><u>Entscheidungsgründe:</u></p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat aufgrund des Verkehrsunfalls gegen die Beklagten einen Anspruch auf Ersatz von 40 % des ihm entstandenen Schadens gem. §§ 7, 17 StVG, 823, 847 BGB, 3 PflichtversG. </p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Der Kläger kann von den Beklagten lediglich 40 % seines Schadens ersetzt verlangen, weil er den Unfall im wesentlichen selbst verursacht hat, weil er die Vorfahrt des Beklagten zu 1) nicht beachtete. </p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat den gegen ihn sprechenden Anschein einer Vorfahrtsverletzung und damit eines Verschuldens nicht ausraumen können, er hat insbesondere nicht dargelegt, daß es ihm nicht möglich war, den Beklagten zu 1) rechtzeitig zu sehen. Der Anscheinsbeweis im Rahmen von § 8 StVO ist aber nur dann ausgeräumt, wenn der Wartepflichtige Tatsachen beweist, aus denen sich der Schluß ziehen läßt, daß er auch bei größter Sorgfalt den Vorfahrtsberechtigten nicht sehen konnte. Dieser Beweis ist dem Kläger jedoch nicht gelungen. </p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Den Beklagten zu 1) trifft allerdings ein erhebliches Mitverschulden am Zustandekommen des Unfalls, denn er hat die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h urn 20 bis 25 km/h überschritten und dadurch den Unfall mitverursacht.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und dem Inhalt der Beiakte ist die Kammer davon überzeugt, daß der Beklagte zu 1) mindestens mit 70 km/h von der C-Straße in die I-straße eingebogen ist. Die Kammer folgt dabei den gutachterlichen Feststellungen des gerichtlich beauftragten Sachverständigen Dipl.-Ing. T. Die Angriffe der Beklagten gegen dieses Gutachten sind nämlich nicht erfolgreich. </p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Zutreffend ist der Gutachter bei seinen Berechnungen von einer Blockierspur von 28,1 Metern ausgegangen. Denn es spricht alles dafür, daß auch die zweite abgeknickte Blockierspur von 8,40 Meter dem vorliegenden Unfallgeschehen zuzuordnen ist. Ein Anschein dafür ergibt sich bereits daraus, daß diese Spur unmittelbar hinter den Reifen des stehenden Pkw des Beklagten zu 1) begann. Sollte sie einem anderen Unfallgeschehen zuzuordnen sein, so hätte sich der daran beteiligte Pkw mithin in der gleichen Stellung wie der Wagen des Beklagten zu 1) befinden müssen, was bereits äußerst unwahrscheinlich ist. Im übrigen hat sich auch der Gutachter von dem Vorhandensein dieser Spuren an Ort und Stelle nochmals überzeugt und sie in seinem Gutachten eindeutig dem rekonstruierten Unfallhergang zuordnen können. Er hat nämlich ausgeführt, das Abknicken der Spur sei im Zusammenhang mit der Kollision der Fahrzeuge erfolgt und mit der Fahrlinie des Krads in Einklang zu bringen. Dies alles bildet bereits eine starke Vermutung dafür, daß die zweite Blockierspur auch dem Fahrzeug des Beklagten zu 1) zuzuordnen ist. Hinzu kommen die Angaben der Polizeibeamten. Diese hatten zwar verständlicherweise an die konkret festgestellten Unfallspuren keine genaue Erinnerung mehr, der Zeuge S hat aber glaubhaft versichert, die Brems- und Blockierspur sei nur dann so eingezeichnet worden, wenn sie auch frisch gewesen sei und ihrer Auffassung nach zu dem verunfallten Pkw gehört habe. Der Zeuge C hat dies bestätigt. </p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Den Angaben des vom Beklagten zu 1) benannten Zeugen F vermochte die Kammer demgegenüber keinen Glauben zu schenken. Der Zeuge machte auf die Kammer einen recht unsicheren Eindruck und hat auch das Geschehen nicht einleuchtend und im Zusammenhang dargestellt. So erscheint es lebensfremd, daß der Beklagte zu 1) den Zeugen gebeten haben soll, die Bremsspur nachzumessen, ohne ihm dafür einen Grund mitzuteilen. </p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Soweit die Beklagten vortragen, eine eventuelle Geschwindigkeitserhöhung sei nicht kausal für den Unfall geworden, vermag die Kammer auch dem nicht zu folgen. Es kann zugunsten des Beklagten zu 1) unterstellt werden, daß dieser sich noch im Bereich der Abbiegespur befand, als er zu bremsen begann. Daß der Beklagte zu 1) in einer Entfernung von ca. 35 Metern von der späteren Unfallstelle reagierte, ist unstreitig. Mangels anderer Anhaltspunkte muß die Kammer davon ausgehen, daß der Beklagte zu 1) deshalb reagierte, weil er das Krad des Klägers in der B-Straße stehen sah und damit rechnete, daß der Kläger anfahren werde. Jedenfalls hat der Beklagte zu 1) keine anderen Gründe mitgeteilt, die ihm im Bereich der Abbiegespur zum Bremsen hätten veranlassen können. Dann muß aber unterstellt werden, daß der Beklagte zu 1) auch an dieser Stelle mit einer Reaktion begonnen hätte, wenn er nur 50 km/h gefahren wäre. Dann aber wäre er nach den Berechnungen des Sachverständigen ca. 10 Meter vor der Kollisionsstelle zum Stillstand gekommen. Damit steht nach Auffassung der Kammer eindeutig fest, daß die Geschwindigkeitsüberschreitung nach den zutreffenden Berechnungen des Sachverständigen auch kausal für den Unfall geworden ist. </p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Bei der im Rahmen des § 17 StVG vorzunehmenden Schadensquotelung hält die Kammer bei Berücksichtigung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge der Fahrzeugführer eine Quote von 60:40 zu Lasten des Klägers für angemessen. </p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Grundsätzlich nimmt die Rechtsprechung bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung im Bereich von 30 bis 50 % eine Mithaftungsquote des bevorrechtigten Fahrers von 1/3 an. Diese Quote wäre aber vorliegend zu niedrig angesetzt, weil zu berücksichtigen ist, daß die Sichtverhältnisse für den Kläger in die abbiegende Straße äußerst ungünstig waren. Dazu hat der Sachverständige auf Bl. 8 seines Gutachtens ausgeführt, bei höherer Fahrgeschwindigkeit von der C-Straße in die I-straße einbiegender Fahrzeuge könne das Abbiegen aus der B-Straße in die I-straße problematisch sein. Damit hat der Beklagte zu 1) vorliegend durch die erhöhte Geschwindigkeit einen größeren Verursachungsbeitrag geleistet als dies bei anderen Überschreitungen in der Regel der Fall ist. </p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Der Höhe nach kann der Kläger 40 % des unstreitigen Sachschadens ersetzt verlangen. Ferner steht ihm gem. §§ 823, 847 BGB ein Schmerzensgeld zu. </p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Die Kammer hält dabei aufgrund der Verletzungen, der Behandlungsdauer, der Beeinträchtigungen des Klägers und der Dauerschäden ein Schmerzensgeld von insgesamt 3.000,-- DM für angemessen. Auch die schmerzhafte Entzündung unter dem Rucksackverband war hierbei zu berücksichtigen. Denn das Bestreiten der Beklagten zu dieser Position ist unsubstantiiert und damit unerheblich, nachdem der Kläger eine Bescheinigung des Krankenhauses vorgelegt hat. Daß sich unter einem Rucksackverband eine schmerzhafte Entzündung bildet ist auch als typische Verletzungsfolge anzusehen. </p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Soweit die Beklagten vortragen, die schwere Verletzung sei nur deshalb eingetreten, weil der Kläger am rechten Arm einen weiteren Helm mitgeführt hatte, vermag die Kammer auch dem nicht zu folgen. Denn es ist nicht nachvollziehbar, warum das Mitführen des Helmes am rechten Arm zu einem Schlüsselbeinbruch des Klägers am linken Arm führen konnte. Hierzu hatten die Beklagten schon nähere Einzelheiten mitteilen müssen. </p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Zinsen stehen dem Kläger auf den Sachschaden aus dem Gesichtspunkt des Verzuges ab dem 08.01.88 zu. Er kann allerdings nur Zinsen in Höhe von 4 % beanspruchen, weil er die angekündigte Bankbescheinigung nicht vorgelegt hat. </p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO; die Vollstreckbarkeitsentscheidung auf §§ 709, 708 Nr. 11, 711 ZPO. </p>
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315,245 | olgham-1989-04-28-25-u-25388 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 25 U 253/88 | 1989-04-28T00:00:00 | 2019-03-13T14:50:28 | 2022-10-18T15:08:45 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1989:0428.25U253.88.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts ... vom 25. Oktober 1988 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte war als Steuerberater für die Klägerin tätig. In dieser Eigenschaft oblag es ihm, für die Klägerin Investitionszulageanträge zu stellen. Für das Jahr 1983 ist die Antragsfrist dabei durch ein Büroversehen des Beklagten versäumt worden, wodurch der Klägerin eine Investitionszulage von 44.301,92 DM entgangen ist. Die Haftung des Beklagten dem Grunde nach sowie die Höhe des Schadens der Klägerin sind unstreitig. Auf den Schaden hat die Haftpflichtversicherung des Beklagten 26.600,- DM gezahlt. Der Rest des Schadens ist Gegenstand der vorliegenden Klage. Der Beklagte meint, die Klägerin treffe deswegen ein Mitverschulden von mindestens zwei Fünfteln (womit über das von der Haftpflichtversicherung Gezahlte hinaus kein weitergehender Anspruch bestünde), weil er (der Beklagte) - was unstreitig ist - in Rundschreiben an seine Mandanten über aktuelle Fragen des Steuerrechts auf den Termin zur Stellung des Investitionshilfeantrags hingewiesen habe. Damit hätte die Klägerin sich ihrerseits darum kümmern müssen, daß der Termin eingehalten wird.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">In erster Instanz ist der Klage in voller Höhe stattgegeben worden. Mit der Berufung verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Wegen des Vorbringens der Parteien wird auf die Berufungsbegründung des Beklagten (Bl. 96 ff d.A.) sowie die Berufungsbeantwortung der Klägerin (Bl. 105 ff d.A.) Bezug genommen, wobei allein die Frage streitig ist, ob die Klägerin sich ein Mitverschulden zurechnen lassen muß.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe</b></p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Berufung des Beklagten ist zulässig aber nicht begründet. Die Klägerin hatte aufgrund des zwischen den Parteien bestehenden Vertrags Anspruch auf individuelle Bearbeitung ihrer konkreten Steuerfragen. Allgemein gehaltene Rundschreiben in denen generell auf aktuelle Entwicklungen im Steuerrecht hingewiesen wird, können den Beklagten nicht entlasten. Derartige Rundschreiben sind für den Mandanten keine fallspezifische Information. Die meisten Mandanten dürften derartige Mitteilungen ungelesen wegwerfen. Keinesfalls sind sie unter dem Aspekt eines eventuellen Mitverschuldens gehalten, derartige Rundschreiben daraufhin durchzulesen, ob sich daraus für ihren Fall etwas Konkretes ergibt. Überdies zeigt gerade das konkrete Rundschreiben, daß der Beklagte über den Antragstermin Bescheid wußte, womit die Klägerin darauf vertrauen durfte, er werde ihn einhalten. Alles andere liefe auf eine Pflicht der Klägerin hinaus, den Beklagten darauf hinzuweisen, sich an seinen eigenen Rat zu halten, was offenkundig nicht erwartet werden kann.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Damit war die Berufung des Beklagten zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf §91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §708 Nr. 10 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Beschwer des Beklagten liegt unter 40.000,00 DM.</p>
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