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2,015
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2016 Personalrecht 259 [...] 42 Beginn der Sperrfrist bei vorzeitiger Kündigung Die Sperrfrist nach Art. 336 Abs. 1 lit. b OR beginnt mit Eintritt der Ar- beitsunfähigkeit zu laufen, unabhängig davon, ob die (vom Kündigungs- termin zurückzurechnende) Kündigungsfrist zu diesem Zeitpunkt bereits läuft oder nicht. Bei vorzeitiger Kündigung kann die Sperrfrist somit konsumiert werden, bevor die Kündigungsfrist überhaupt zu laufen be- ginnt. Das gilt jedenfalls insoweit, als Art. 336c Abs. 1 lit. b und Abs. 2 OR (gestützt auf § 7 GAL) als kantonales öffentliches (Personal-)Recht (für Lehrpersonen) anwendbar sind. In diesem Anwendungsbereich erhei- schen Gründe des Arbeitnehmerschutzes keine Verlängerung der Kündi- gungsfrist infolge Arbeitsunfähigkeit. Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 22. April 2015 in Sachen A. gegen Gemeindeverband B. (WKL.2015.9). 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 260 Aus den Erwägungen II. 1. 1.1. Die Klägerin wurde per 1. Februar 2011 als Lehrperson beim Beklagten unbefristet angestellt. Am 28. Oktober 2013 kündigte die Kreisschulpflege das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin im Rahmen der Umstellung von 5/4 (5 Jahre Primarstufe, 4 Jahre Oberstufe) auf 6/3 aus organisatorischen Gründen per 31. Juli 2014. Die Klägerin war, wie aus den eingereichten Arztzeugnissen er- sichtlich, vom 28. November 2013 - 20. Dezember 2013, vom 6. Januar 2014 - 20. Januar 2014 sowie vom 8. Februar 2014 - 5. Juli 2014 vollumfänglich (100% arbeitsunfähig) sowie vom 5. Juli 2014 - 18. Juli 2014 teilweise krankgeschrieben (60% arbeitsun- fähig). Seit dem 19. Juli 2014 ist die Klägerin wieder voll arbeitsfä- hig. 1.2. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet die Frage, wie lange die Lohnzahlungspflicht des Beklagten dauerte. Dies hängt letztlich davon ab, ob das Anstellungsverhältnis der Klägerin per 31. Juli 2014 endete oder ob sich ihre Anstellung infolge Krankheit bis zum nächstmöglichen Kündigungstermin verlängerte. Die Recht- mässigkeit der am 28. Oktober 2013 erfolgten Kündigung wird von der Klägerin nicht in Frage gestellt. 2. 2.1. Die Beurteilung, wann das Anstellungsverhältnis der Klägerin endete, richtet sich nach § 7 GAL in Verbindung mit Art. 336c OR. Gemäss dieser Bestimmung darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhält- nis im ersten Dienstjahr während 30 Tagen, ab zweitem bis und mit fünftem Dienstjahr während 90 Tagen und ab sechstem Dienstjahr während 180 Tagen nicht kündigen, sofern die Arbeitnehmerin ohne eigenes Verschulden durch Krankheit ganz oder teilweise an der Ar- beitsleistung verhindert ist (Art. 336c Abs. 1 lit. b OR). Eine wäh- rend einer solchen Sperrfrist erklärte Kündigung ist nichtig; ist die 2016 Personalrecht 261 Kündigung dagegen vor Beginn einer solchen Frist erfolgt, aber die Kündigungsfrist bis dahin noch nicht abgelaufen, so wird deren Ab- lauf unterbrochen und erst nach Beendigung der Sperrfrist fortgesetzt (Art. 336c Abs. 2 OR). 2.2. Die Sperrfrist für die Klägerin, welche seit dem 1. Februar 2011 als Lehrperson bei der Beklagten tätig war, betrug gemäss Art. 336c Abs. 1 lit. b OR 90 Tage. 2.3. In concreto betrug die Kündigungsfrist gemäss Vertrag und Ge- setz drei Monate. Gestützt auf die bundesgerichtliche Rechtspre- chung beginnt die Kündigungsfrist nicht mit dem Zugang der Kündi- gung zu laufen, sondern ist durch Rückrechnung vom Endtermin aus zu bestimmen (BGE 134 III 354, Erw. 2 f. mit Hinweisen). Der Be- klagte kündigte der Klägerin mit Schreiben vom 28. Oktober 2013 auf den 31. Juli 2014. Somit begann die dreimonatige Kündigungs- frist am 1. Mai 2014 zu laufen. 3. 3.1. Die Klägerin stellt sich auf den Standpunkt, sie sei in der mass- gebenden dreimonatigen Kündigungsfrist vom 1. Mai bis zum 31. Juli 2014 krank gewesen, und zwar vom Beginn weg bis und mit dem 19. (recte: 18.) Juli 2014. Die Kündigungsfrist sei dementspre- chend unterbrochen worden bzw. habe erst am 19. Juli 2014 zu lau- fen begonnen und Anfang Oktober 2014 geendet. Da gemäss Anstel- lungsvertrag vom 21. Mai 2013 und gemäss § 10 Abs. 4 GAL eine Kündigung ab dem 2. Anstellungsjahr nur auf das Ende eines Schul- halbjahrs möglich sei, sei gestützt auf Art. 336c Abs. 3 OR die Kün- digung erst per 31. Januar 2015 wirksam geworden. Damit habe auch die Lohnfortzahlung bis zu diesem Zeitpunkt zu erfolgen. Die Krank- heitstage vor Beginn der Kündigungsfrist würden "keine Rechtswir- kung" entfalten. 3.2. Der Beklagte argumentiert demgegenüber, dass das Anstel- lungsverhältnis zwischen der Klägerin und ihm per 31. Juli 2014 be- endet worden sei. Die durch die Krankheit der Klägerin ausgelöste 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 262 Sperrfrist von 90 Tagen habe spätestens am 28. November 2013 zu laufen begonnen und damit spätestens am 25. Februar 2014 geendet. Folglich sei zu Beginn der Kündigungsfrist, laufend ab 30. April 2014, die Sperrfrist bereits abgelaufen gewesen und habe keine Aus- wirkungen mehr zeitigen können. Ein Aufschub des Kündigungster- mins sei nur möglich, wenn im Zeitpunkt der Kündigungsfrist über- haupt noch eine Sperrfrist laufe, was im vorliegenden Fall nicht zu- treffe. 4. 4.1. Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut der Bestim- mung. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Interpretati- onen möglich, so muss nach seiner wahren Tragweite gesucht wer- den unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente. Abzustellen ist dabei namentlich auf die Entstehungsgeschichte der Norm und ihren Zweck, auf die dem Text zu Grunde liegenden Wertungen so- wie auf die Bedeutung, die der Norm im Kontext mit anderen Bestimmungen zukommt. Die Gesetzesmaterialien sind zwar nicht unmittelbar entscheidend, dienen aber als Hilfsmittel, um den Sinn der Norm zu erkennen. Namentlich bei neueren Texten kommt den Materialien eine besondere Stellung zu, weil veränderte Umstände oder ein gewandeltes Rechtsverständnis eine andere Lösung weniger nahelegen. Das Bundesgericht hat sich bei der Auslegung von Erlas- sen stets von einem Methodenpluralismus leiten lassen und nur dann allein auf das grammatische Element abgestellt, wenn sich daraus zweifelsfrei die sachlich richtige Lösung ergab (BGE 133 V 9, Erw. 3.1 mit Hinweisen; vgl. auch AGVE 2003, S. 191 f. mit Hinweisen). 4.2. Gemäss Art. 336c Abs. 2 OR wird der Ablauf der Kündigungs- frist unterbrochen und nach Beendigung der Sperrfrist fortgesetzt, wenn die Kündigung vor Beginn einer Sperrfrist erfolgt ist, aber die Kündigungsfrist bis dahin noch nicht abgelaufen ist. Wie der Beklag- te zu Recht festhält, lässt dieser Wortlaut darauf schliessen, dass die Sperrfrist grundsätzlich durch Eintritt der (durch Krankheit oder Un- fall verursachten) Arbeitsunfähigkeit ausgelöst wird. 2016 Personalrecht 263 Die so verstandene Bedeutung von Art. 336c Abs. 2 OR er- scheint in all jenen Konstellationen unproblematisch, in denen der Arbeitnehmer (erst) innerhalb der Kündigungsfrist erkrankt oder ver- unfallt. Demgegenüber lässt sich mit Fug die Frage stellen, ob der Wortlaut der Bestimmung auch jene Fälle erfasst, wo die Kündigung bereits erfolgt ist, die Arbeitsunfähigkeit jedoch vor Beginn der Kün- digungsfrist eintritt. Allerdings hätte eine Auslegung, wonach dieser Sachverhalt nicht von Art. 336c Abs. 2 OR erfasst wird, den Makel, dass je nach Zeitpunkt der Kündigung der Beginn der Arbeitsunfä- higkeit einmal die Sperrfrist auslöst (wenn er in die Kündigungsfrist fällt; dasselbe im Übrigen auch, wenn er vor der Kündigung erfolgt) und einmal nicht (wenn er in die Zeit zwischen Kündigung und Be- ginn der Kündigungsfrist fällt). Für eine derartige unterschiedliche Behandlung bietet der Wortlaut von Art. 336c Abs. 2 OR nicht den geringsten Anhaltspunkt. 4.3. Aus der systematischen Stellung von Art. 336c Abs. 2 OR und der historischen Auslegung ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, ob bei einer vorzeitigen Kündigung die Sperrfrist mit Eintritt der Ar- beitsunfähigkeit oder erst später (mit Beginn der Kündigungsfrist) zu laufen beginnt. Insbesondere die Gesetzesmaterialien enthalten keine hilfreichen Hinweise zur Beantwortung der vorliegenden Streitfrage. 4.4. Art. 336c Abs. 1 und 2 OR wollen den Arbeitnehmer in einer Periode, in der er in aller Regel keine Chance bei der Stellensuche hat und von einem Arbeitgeber in Kenntnis der Arbeitsverhinderung nicht angestellt würde, vor dem Verlust seiner Arbeit schützen (siehe statt vieler U LLIN S TREIFF /A DRIAN VON K AENEL /R OGER R UDOLPH , Arbeitsvertrag, 7. Auflage, Art. 336c N 2). Sinn und Zweck von Art. 336c OR liegen somit darin, dass dem Arbeitnehmer eine besse- re Chance geboten wird, die neue Stelle gesund anzutreten, und dass sich zwischen dem alten und neuen Arbeitsverhältnis nach Möglich- keit kein Unterbruch ergeben soll. Im Zusammenhang mit der Frage, ob die Kündigungsfrist bei einer vorzeitigen Kündigung mit Zugang der Kündigung zu laufen beginnt oder ob der Anfang der Kündigungsfrist durch Rückrech- 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 264 nung vom Kündigungsendtermin aus festlegt wird, hielt das Bundes- gericht Folgendes fest (BGE 115 V 437, Erw. 3b f.): (Wiedergabe von BGE 115 V 437, Erw. 3b und c) Gestützt auf diese Erwägungen könnte der Schluss gezogen werden, Art. 336c Abs. 2 OR sei so auszulegen, dass bei einer vorzei- tigen Kündigung eine Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit bzw. Un- fall nur dann eine Sperrfrist auszulösen vermag, wenn die Kündi- gungsfrist bereits zu laufen begonnen hat; andernfalls beginnt die Sperrfrist erst, wenn und soweit die Arbeitsunfähigkeit in die Kündi- gungsfrist fällt. Gleichzeitig gilt es indessen darauf hinzuweisen, dass eine Re- gelung, wonach die Sperrfrist stets mit Eintritt der Arbeitsunfähigkeit zu laufen beginnt (also unabhängig davon, ob die Kündigungsfrist bereits läuft oder nicht), für den Arbeitgeber einen gewissen Anreiz darstellen kann, eine Kündigung möglichst früh zu kommunizieren. Dies dürfte aber auch im Interesse der betroffenen Arbeitnehmer lie- gen, damit sie frühzeitig die Stellensuche organisieren können. 5. In der bundesgerichtlichen Rechtsprechung lassen sich keine Aussagen in Bezug auf den Beginn der Sperrfrist finden, wenn die Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit oder Unfall nach der Kündi- gung und vor Beginn der Kündigungsfrist eintritt. In der Lehre wird überwiegend die Auffassung vertreten, auch bei dieser Konstellation löse der Eintritt der Arbeitsunfähigkeit die Sperrfrist aus; die Kündi- gungsfrist werde aber bloss unterbrochen, wenn und soweit die Ar- beitsunfähigkeit in die Kündigungsfrist falle: "Die Kündigungserklärung geht dem Arbeitnehmer vor Beginn der Sperrfrist zu; die Kündigungsfrist reicht aber in die Sperrfrist hinein, d.h., die Sperrfrist beginnt erst nach erfolgtem Zugang der Kündigung, dauert aber während der noch laufenden Kündigungsfrist. In die- sem Fall ist die Kündigung als solche gültig. Jedoch verlängert sich die Kündigungsfrist mindestens um die Dauer der hineinragenden Sperrfrist" (A DRIAN S TÄHE - LIN , in: Zürcher Kommentar, Teilband V 2c, 4. Auflage, Zürich 2013, Art. 336c OR N 19). 2016 Personalrecht 265 C HRISTIANE B RUNNER /J EAN -M ICHEL B ÜHLER /J EAN - B ERNARD W AEBER /C HRISTIAN B RUCHEZ , Kommentar zum Arbeitsvertragsrecht, 3. Auflage, Basel 2005, S. 253, Fall 2. "Fällt (...) die Sperrfrist teilweise in die Kündigungs- frist, so verlängert sich diese entsprechend (...)" (J ÜRG B RÜHWILER , Kommentar zum Einzelarbeitsvertrag, 3. Auflage, Basel 2014, Art. 336c OR N 7c). "Damit Art. 336c zur Anwendung kommt, muss sich ein in Absatz 1 genannter Tatbestand zum Zeitpunkt der Kündigung oder während der Kündigungsfrist verwirk- licht haben" (S TREIFF / VON K AENEL /R UDOLPH , a.a.O., Art. 336c OR N 2 sowie N 3/Beispiel C. Wesentlich ist jedoch auch das Beispiel B, wonach die Arbeitsunfähig- keit nach der Kündigung eintritt und vor Beginn der Kündigungsfrist beendet ist. In diesem Zusammenhang wird ausgeführt: "[...] Sperrfrist tangiert Kündigungs- frist nicht [...]." Diese Aussage belegt, dass nach Mei- nung der Autoren eine Sperrfrist tatsächlich lief bzw. diese nicht erst zu laufen beginnt, wenn sie mit der Kündigungsfrist zusammenfällt). "Auszugehen ist stets vom 'ursprünglichen' Endtermin, d.h. vom Zeitpunkt, auf den das Arbeitsverhältnis geen- det hätte, wenn kein Sperrtatbestand eingetreten wäre. Von diesem Zeitpunkt aus ist durch 'Zurückrechnen' zu ermitteln, wieviele Tage der Kündigungsfrist beim Ein- tritt des Sperrtatbestandes noch nicht abgelaufen wa- ren" (A NDREA T ARNUTZER -M ÜNCH , in: P ETER M ÜNCH /M ARKUS M ERZ [Hrsg.], Stellenwechsel und Entlassung, 2. Auflage, Basel 2012, N 2.52). "Die Kündigungsfrist wird unterbrochen, solange sie sich mit der Sperrfrist überschneidet" (R OLF A. T OB - LER /C HRISTIAN F AVRE /C HARLES M UNOZ /D ANIELA G ULLO E HM , Arbeitsrecht, Lausanne 2006, Art. 336c OR N 2.5). 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 266 Explizit zur Frage, ob die Sperrfrist vor Beginn der Kündi- gungsfrist nicht nur zu laufen anfangen, sondern unter Umständen auch ablaufen kann, äussert sich (soweit ersichtlich) nur eine Litera- turstelle: "War die Arbeitnehmerin wegen einer Diskushernie 65 Tage im Spital, so wäre sie bei einem Rückfall und einer Sperr- frist von 90 Tagen noch während 25 Tagen gegen eine Kündigung geschützt bzw. würde eine bereits laufende Kündigungsfrist um wei- tere 25 Tage unterbrochen. Damit ist auch gesagt, dass der Schutz durch die Sperrfrist bereits vor der Kündigung konsumiert wer- den kann (...)" (S TREIFF / VON K AENEL /R UDOLPH , a.a.O., Art. 336c OR N 4; Hervorhebung im vorliegenden Urteil). Eine gegenteilige Lehrmeinung zum Beginn der Sperrfrist ver- tritt F RANK E MMEL (Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, Vertragsverhältnisse 2. Teil, 2. Auflage, Zürich 2012, Art. 336c OR N 2): "Auf diese Weise lösen insbesondere Arbeitsunfähigkeiten, die nach Zugang der Kündigung, aber vor Beginn dieser Kündigungsfrist eintreten, bis zu diesem Beginn noch keine Sperrfristen aus (gegen- teilig jedoch BGE 131 III 467, Erw. 2.1)." 6. Für den vorliegenden Fall ist zusätzlich zu den vorstehenden Erwägungen Folgendes von entscheidender Bedeutung: Gemäss § 7 GAL gelten die subsidiär anwendbaren Normen des Obligationen- rechts als kantonales öffentliches Recht. Dies entspricht dem allge- meinen Grundsatz, dass dort, wo durch Verweis im kantonalen öf- fentlichen Recht ergänzend die Bestimmungen des Obligationen- rechts zur Anwendung gelangen, diese Bestimmungen zum öffentli- chen Recht des betreffenden Gemeinwesens werden. Entsprechend ist in diesen Fällen das Privatrecht nach den Regeln des kantonalen öffentlichen Rechts anzuwenden und auszulegen (Urteil des Bundesgerichts vom 29. Dezember 2011 [8C_294/2011], Erw. 3.4 mit zahlreichen Hinweisen). In diesem Zusammenhang fällt auf, dass das kantonale öffentli- che Recht im Gegensatz zum Obligationenrecht (vgl. Art. 324a OR bzw. die hierzu entwickelte Berner, Zürcher und Basler Skala) eine bedeutend grosszügigere Lohnfortzahlungspflicht bei Krankheit und Unfall des Arbeitnehmers kennt (Lohnfortzahlung von 6 Monaten so- 2016 Personalrecht 267 wie Krankentaggeldversicherung für weitere 18 Monate; § 19 f. LDLP). Diese Besserstellung zeigt sich auch am Ende eines Anstel- lungsverhältnisses. So ist es nach der OR-Regelung ohne weiteres denkbar, dass infolge einer verlängerten Kündigungsfrist das Arbeits- verhältnis noch andauert, dem arbeitsunfähigen Arbeitnehmer jedoch kein Lohnanspruch mehr zusteht; gemäss dem kantonalen öffentli- chen Recht ist eine derartige Konstellation jedoch weitgehend ausge- schlossen. Diese grundsätzlich deutliche finanzielle Besserstellung des erkrankten bzw. verunfallten öffentlich-rechtlichen Arbeitneh- mers spricht dagegen, in der vorliegenden Streitfrage bzw. bei der Auslegung von Art. 336c OR als kantonales öffentliches Recht dem Arbeitnehmerschutz ein zusätzliches Gewicht einzuräumen; diesem Gedanken wurde schon mit der grosszügigen Lohnfortzahlungs- pflicht Rechnung getragen. Hinzu kommt, dass eine teleologische Auslegung, welche sich primär nach dem Gedanken des Arbeitnehmerschutzes richtet, bei kantonalen Lehrpersonen auch deshalb kaum gerechtfertigt ist, weil ihnen bereits ab dem zweiten Anstellungsjahr bloss auf Ende eines Schulhalbjahres gekündigt werden darf (§ 10 Abs. 4 GAL). Jede Ver- längerung der Kündigungsfrist ist daher für den Arbeitgeber mit mas- siven Konsequenzen verbunden, weshalb auch seine Interessen adä- quat zu berücksichtigen sind. 7. Insgesamt ergibt sich Folgendes: Der Wortlaut von Art. 336c Abs. 2 OR spricht grundsätzlich dafür, dass die Sperrfrist auch dann mit Eintritt der Arbeitsunfähigkeit zu laufen beginnt (und unter Um- ständen auch bereits ablaufen kann), wenn die Kündigung zwar be- reits ausgesprochen wurde, die Kündigungsfrist jedoch noch gar nicht läuft. Eine teleologische Auslegung von Art. 336c Abs. 2 OR spricht, soweit die Norm allein als privatrechtliche Bestimmung ver- standen wird, tendenziell eher dagegen, dass die Sperrfrist schon vor der Kündigungsfrist zu laufen beginnen kann. Allerdings orientiert sich diese Auslegung nach Sinn und Zweck der Norm an der Über- zeugung, aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes dürfe die Sperrfrist weder ganz noch teilweise vor Beginn der Kündigungsfrist konsu- miert werden. Genau diese Überlegung spielt indessen eine unterge- 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 268 ordnete Rolle, soweit Art. 336c Abs. 2 OR als öffentliches Recht des Kantons Aargau zur Anwendung gelangt, steht doch hier dem er- krankten bzw. verunfallten Arbeitnehmer ein deutlich besserer Lohn- fortzahlungsanspruch zu als nach dem Obligationenrecht (vgl. Erw. II/6). Zudem bewirkt in Fällen wie dem vorliegenden jede Ver- längerung der Kündigungsfrist eine erhebliche Beeinträchtigung der Interessen des Arbeitgebers, da eine Kündigung nur per Ende Schul- halbjahr zulässig ist. Der teleologischen Auslegung zugunsten des Arbeitnehmers kommt insofern ein deutlich geringeres Gewicht zu, als ihr allenfalls im Privatrecht zuzubilligen ist. Daraus folgt, dass Art. 336c Abs. 2 OR jedenfalls insofern, als die Norm als öffentliches kantonales Recht zur Anwendung gelangt, primär anhand des Wortlauts auszulegen ist. Dieser legt es nahe, dass die Sperrfrist einheitlich stets mit Eintritt der Arbeitsunfähigkeit zu laufen beginnt, und zwar unabhängig davon, ob die Kündigungsfrist bereits läuft oder nicht. Dies entspricht im Übrigen der herrschenden Lehre zu Art. 336c Abs. 2 OR. Konsequenterweise kann, sofern die Kündigung entsprechend vorzeitig erfolgt, unter Umständen die Sperrfrist bereits abgelaufen sein, bevor die Kündigungsfrist über- haupt zu laufen anfängt.
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2010 Verwaltungsgericht 122 [...] 24 Streitgegenstand im steuerrechtlichen Rechtsmittelverfahren. - Streitgegenstand im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren im Steuerrecht (Erw. 6.3). - Das kantonale Recht enthält keine Bestimmung, wonach im Verlauf des Verfahrens nur Tatsachen und Beweismittel geltend gemacht werden können, die im Schriftenwechsel nicht vorgebracht werden konnten (Erw. 6.4). Urteil des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 22. September 2010, in Sachen E. (WBE.2009.370). Aus den Erwägungen 6. 6.1. Abweichend vom in der Rekursschrift vom 15. August 2007 gestellten Antrag auf Festsetzung des steuerbaren Eigenkapitals auf Fr. 1'032'394.00 beantragt die Beschwerdeführerin im Beschwerde- verfahren (wie bereits in ihrer Eingabe ans Steuerrekursgericht vom 7. Februar 2008), unter Berufung auf den ausgewiesenen Verlust von Fr. 1'907'471.00, das steuerbare Eigenkapital auf Fr. 100'000.00 fest- zusetzen. Die Vorinstanz kam diesbezüglich zum Schluss, auf diesen erst im Rahmen des Untersuchungsverfahrens abgeänderten Antrag auf Reduktion des steuerbaren Eigenkapitals auf Fr. 100'000.00 sei nicht einzutreten, da dieser nicht durch den Gang des Rekursver- fahrens verursacht worden sei. 6.2. Dagegen wendet die Beschwerdeführerin ein, die von der Vor- instanz zitierte Praxis beziehe sich auf die Erweiterung des Rekurs- begehrens. Hier werde aber das Rekursbegehren nicht erweitert, 2010 KantonaleSteuern 123 sondern lediglich mit Blick auf die korrekte Rechtsanwendung, wel- che von Amtes wegen hätte erfolgen sollen, betragsmässig angepasst. Die Vorinstanz hätte - nach Auffassung der Beschwerdeführerin - ohne Weiteres zu Gunsten des Steuerpflichtigen vom gestellten An- trag abweichen können. 6.3. 6.3.1. Eine ausdrückliche Regelung des Streitgegenstands fehlt im kantonalen Recht. Streitgegenstand im Beschwerdeverfahren ist, was im ursprünglichen Verwaltungsverfahren - und allenfalls zusätzlich in einem vorangehenden Beschwerde- (oder Rekurs)verfahren - ver- bindlich geregelt wurde (AGVE 1999, S. 368; zur Praxisverschär- fung in Bezug auf den Ausschluss von Feststellungsverfügungen: AGVE 2009, S. 137). Der Begriff des Streitgegenstands im verwal- tungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren in Steuersachen stimmt da- mit im Wesentlichen mit demjenigen der bundesgerichtlichen Recht- sprechung überein. Danach gilt als Streitgegenstand das Rechtsver- hältnis, das Gegenstand der angefochtenen Verfügung bildet, in dem Umfang, in dem es im Streit liegt. Beschwerdebegehren, die neue, in der angefochtenen Verfügung nicht geregelte Fragen aufwerfen, überschreiten den Streitgegenstand und sind deshalb unzulässig. In einem Rechtsmittelverfahren kann der Streitgegenstand grundsätz- lich nur eingeschränkt, aber nicht ausgeweitet werden (BGE 131 II 203). Was Streitgegenstand ist, bestimmt sich nach dem angefochte- nen Entscheid und den Parteibegehren. Auch wenn zum Verständnis der Anträge auf die Begründung zurückgegriffen werden muss, ergibt sich der Streitgegenstand stets aus der beantragten Rechtsfolge und nicht aus deren Begründung, die sich regelmässig aus verschiedenen rechtlichen und tatsächlichen Aspekten zusammensetzt. Der Recht- sprechung liegt damit eine "objektmässige" und nicht eine "aspekt- mässige" Umschreibung des Streitgegenstands zugrunde (Urteil des Bundesgerichts vom 22. Januar 2008 [2C_446/2007], Erw. 2.2, m.w.H., publ. in StE 2008 B 96.11 Nr. 8). 6.3.2. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung wäre es jedoch nicht ausgeschlossen, dass der Streitgegenstand, der normalerweise 2010 Verwaltungsgericht 124 das gesamte Rechtsverhältnis erfasst, auf Teilaspekte desselben beschränkt wird. So könnten die Behörden vorab über einzelne Elemente eines bestimmten Rechtsverhältnisses rechtskräftig verfü- gen (erwähntes Urteil des Bundesgerichts in: StE 2008 B 96.11 Nr. 8, Erw. 3.1). Eine derartige Teilrechtskraft wird nach der konstanten Praxis des Verwaltungsgerichts indes nicht anerkannt, wenn sich die Beschwerde auf den materiellen Punkt des Entscheids bezieht und diesen ganz oder teilweise anficht (AGVE 1987, S. 342 ff. und 1988, S. 199; M ICHAEL M ERKER , Rechtsmittel, Klage und Normenkon- trollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungs- rechtspflege [Kommentar zu den §§ 38-72 VRPG], Zürich 1998, § 38 N 50). Daran ist festzuhalten. 6.3.3. Eine Verengung des Streitgegenstands kann indes auch durch Parteierklärung erfolgen. Anerkennt eine Partei ausdrücklich, dass sich ihr Begehren nicht auf einen bestimmten Rechtsgrund stützt, kann sie später nicht mehr darauf zurückkommen. Eine nachträgliche Geltendmachung eines zuvor ausdrücklich verworfenen Standpunkts liefe schliesslich auf ein widersprüchliches Verhalten ("venire contra factum proprium") hinaus. 6.4. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz handelte es sich beim "Begehren" um Berücksichtigung des Verlustvortrags - da die Vorin- stanz den Rekurs gegen die Aufrechnung des Aktionärsdarlehens ab- gewiesen hat - um keine Rekurserweiterung. Die Frage, ob es sich bei der Geltendmachung des Verlustvortrags um eine allenfalls unzu- lässige Rekurserweiterung gehandelt hätte, hätte sich einzig dann gestellt, wenn das Steuerrekursgericht selbst die Aufrechnung derart reduziert hätte, dass das steuerbare Eigenkapital unter Fr. 1'032'394.00 gesunken wäre. So wie das Steuerrekursgericht ent- schied bzw. wie es seinen Entscheid sachlich begründete, hätte indes selbst eine Berücksichtigung des Verlustvortrags in der von der Rekurrentin geltend gemachten Höhe lediglich zu einer Herabset- zung des steuerbaren Eigenkapitals von Fr. 8'123'645.00 um Fr. 1'907'471.00 auf Fr. 6'216'174.00 geführt und wäre somit betrags- mässig ohne weiteres im Rahmen des ursprünglichen Antrags gele- 2010 KantonaleSteuern 125 gen. Eine ausdrückliche Anerkennung des Ausschlusses der Ver- lustverrechnung seitens der Beschwerdeführerin liegt zudem nicht vor. Demzufolge ist das Steuerrekursgericht zu Unrecht nicht auf das "Begehren" eingetreten. Daran vermag auch die Berufung auf das Urteil des Bundesge- richts vom 8. September 2009 [2C_514/2008] durch das KStA nichts zu ändern. Darin schützte das Bundesgericht das Vorgehen der Vor- instanz, welche neue Vorbringen und Dokumente unberücksichtigt liess, weil das Behauptungs- und Beweisverfahren in diesem Zeit- punkt bereits abgeschlossen war. Dabei ist zu bedenken, dass das in jenem Fall massgebende freiburgische Verfahrensrecht (Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege des Kantons Freiburg vom 23. Mai 1991 [VRG-FR; SGF 150.1]) - im Gegensatz zum aargauischen VRPG - eine ausdrückliche Bestimmung enthält, wonach im Verlauf des Ver- fahrens nur Tatsachen und Beweismittel geltend gemacht werden können, die im Schriftenwechsel im Sinne von Art. 89 VRG-FR nicht vorgebracht werden konnten (Art. 93 VRG-FR). Soweit sich die Beschwerde gegen den Nichteintretensentscheid der Vorinstanz richtet, ist sie somit gutzuheissen.
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2012 Verwaltungsgericht 102 [...] 16 Abzug behinderungsbedingte Kosten - Definition der Behinderung im Rechtssinn (Erw. 3) - Die Kosten einer In-vitro-Fertilisation sind nicht als behinderungs- bedingte Kosten steuerlich abzugsfähig (Erw. 4.2.3). Urteil des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 2. Mai 2012 in Sachen P.K. (WBE.2011.339). 2012 Kantonale Steuern 103 Aus den Erwägungen 3. 3.1. Art. 2 Abs. 1 BehiG definiert Menschen mit Behinderungen (Behinderte, Behinderter) als Personen, denen es eine voraussichtlich dauernde körperliche, geistige oder psychische Beeinträchtigung erschwert oder verunmöglicht, alltägliche Verrichtungen vorzuneh- men, soziale Kontakte zu pflegen, sich fortzubewegen, sich aus- und fortzubilden oder eine Erwerbstätigkeit auszuüben. 3.2. Diese Definition enthält zunächst ein anthropologisch-medizini- sches Element, indem sie für das Vorliegen einer Behinderung eine körperliche, geistige oder psychische Beeinträchtigung verlangt. Diese darf nicht nur vorübergehend, sondern muss voraussichtlich dauernd sein. Als Beeinträchtigung ist dabei jedes erhebliche Defizit gegenüber einem als normal (bzw. nicht behindert empfundenen) körperlichen, geistigen oder psychischen Zustand einer Person zu verstehen. "Normalität" in diesem Sinn weist eine erhebliche Band- breite auf, d.h. sie reicht von der normal bzw. sogar der leicht unter- durchschnittlich begabten bis zur hochbegabten Person, vom Leis- tungssportler bis zur unsportlichen, aber grundsätzlich bewegungs- fähigen Person, vom ausgeglichenen bis zum launischen Menschen mit einer akzentuierten Persönlichkeit. 3.3. Für die Definition einer behinderten Person zentral ist indessen das zweite Begriffselement, nämlich die funktionale Komponente. Auch wenn eine Person gegenüber einem als Bandbreite vorgestell- ten Normalfall in ihrem körperlichen, geistigen oder psychischen Zustand erheblich beeinträchtigt ist, liegt eine Behinderung im Rechtssinn erst dann vor, wenn sich aus dieser Beeinträchtigung ein Funktionsverlust ergibt (vgl. Botschaft zum Entwurf des BehiG vom 11. Dezember 2000, BBl 2001, S. 1777). Dabei betrachtet das Gesetz nicht jeden Funktionsverlust als Behinderung, sondern nur (aber immerhin) Funktionsverluste, die es erschweren oder verunmögli- chen, alltägliche Verrichtungen vorzunehmen, soziale Kontakte zu 2012 Verwaltungsgericht 104 pflegen, sich fortzubewegen, sich aus- und fortzubilden oder eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Diese gesetzliche Definition umschreibt die Behinderung zum einen bewusst weiter als etwa der deutsche Gesetzgeber, welcher alterstypische Funktionsverluste bei betagten Menschen nicht als Behinderung auffasst. Die Definition umfasst insbesondere auch eine grössere Menschengruppe als die Invalidenversicherung, indem sie auch Personen umfasst, die noch nicht oder nicht mehr erwerbsfähig sind (vgl. Botschaft zum BehiG, BBl 2001, S. 1777). Andererseits stellt aber nicht jeder erhebliche Funktionsverlust infolge einer kör- perlichen, geistigen oder psychischen Beeinträchtigung eine Behin- derung im Rechtssinn dar. Eine Behinderung muss vielmehr zu einer Erschwerung bzw. Verunmöglichung in bestimmten Bereichen menschlichen Verhaltens führen, nämlich bei der Vornahme alltägli- cher Verrichtungen, der Pflege sozialer Kontakte, bei der Fortbewe- gung sowie bei der Aus- und Fortbildung und bei der Fähigkeit zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit. 4. 4.1. Zutreffend hat das Steuerrekursgericht festgestellt, dass Infer- tilität, soweit sie denn beim Beschwerdeführer besteht, eine körper- liche Beeinträchtigung darstellt. Es ist darüber hinaus notorisch, dass die Unmöglichkeit, infolge Infertilität einen bestehenden Kinder- wunsch zu erfüllen, bei den davon betroffenen Personen auch zu weiteren Beeinträchtigungen vor allem psychischer Natur (insbeson- dere Depressionen) führen kann. So hat denn auch der Supreme Court der USA anerkannt, dass die Möglichkeit, Nachwuchs zu zeugen ("reproduction and child bearing"), eine "major life activity" im Sinne des "Americans with Disability Act" von 1990 (ADA; United States Codes Annotated [U.S.C.A.], Band 42, Kapitel 126, § 12101 ff.) darstellt. Dementspre- chend ist Infertilität eine "disability" im Sinne von Section 3 des ADA, definiert diese Bestimmung "disability" doch unter anderem als "a physical or mental impairment that substantially limits one or more of the major life activities of such individual" (zitiert in der Botschaft zum BehiG, BBl 2001, S. 1777; vgl. dazu den Entscheid 2012 Kantonale Steuern 105 des Supreme Court vom 25. Juni 1998; Bragdon vs. Abbott et. al., 524 United States Reports [U.S.] 624 ff. [1998]; siehe dort aber auch die teilweise abweichende Meinung von Chief Justice William H. Rehnquist, der insbesondere den Charakter der Entscheidung für eigene Kinder als "major life acitivity" anzweifelte [524 U.S. 660]). Bereits in diesem Zusammenhang gilt es darauf hinzuweisen, dass der Begriff der "disability" gemäss ADA nicht mit jenem des Men- schen mit Behinderung gemäss Art. 2 Abs. 1 BehiG gleichgesetzt werden kann. Section 3 des ADA enthält nämlich anders als Art. 2 Abs. 1 BehiG keinen (geschlossenen) Katalog der Verhaltensweisen, bei welchen die körperliche, geistige oder psychische Beeinträchti- gung zu einem Funktionsverlust führt, sondern definiert generell alle erheblichen Funktionsverluste (bzw. "substantial limitations"), welche eine "major life acitivity" betreffen als "disability". 4.2. 4.2.1. Art. 2 Abs. 1 BehiG verlangt über das Vorliegen einer voraus- sichtlich dauernden körperlichen, geistigen oder psychischen Beein- trächtigung hinaus, dass es der bzw. dem davon Betroffenen dadurch erschwert oder verunmöglicht ist, alltägliche Verrichtungen vorzu- nehmen, soziale Kontakte zu pflegen, sich fortzubewegen, sich aus- und fortzubilden oder einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Hier ist zu Recht nicht streitig, dass der Beschwerdeführer durch die behaup- tete bei ihm bestehende Infertilität weder bei der Pflege seiner sozia- len Kontakte noch bei der Ausübung seiner Erwerbstätigkeit noch gar in seiner Fortbewegung oder bei einer allfälligen Aus- bzw. Weiterbildung betroffen ist. Es stellt sich somit nur noch die Frage, ob die behauptete Infertilität dem Beschwerdeführer die Vornahme alltäglicher Verrichtungen erschwert bzw. sogar verunmöglicht. 4.2.2. (...) 4.2.3. Zu Recht hat es das Steuerrekursgericht abgelehnt, die Zeugung von Kindern unter den Begriff der alltäglichen Verrichtung gemäss Art. 2 Abs. 1 BehiG zu subsumieren. Dabei hat es zu Recht offen gelassen, ob dieser Begriff mit jenem der alltäglichen Lebensverrich- tung gemäss Art. 9 ATSG identisch ist, der die Hilflosigkeit als das 2012 Verwaltungsgericht 106 Bedürfnis umschreibt, wegen der Beeinträchtigung der Gesundheit für alltägliche Lebensverrichtungen dauernd der Hilfe Dritter oder der persönlichen Überwachung zu bedürfen. Selbst wenn der Begriff der alltäglichen Verrichtung gemäss Art. 2 Abs. 1 BehiG weiter sein sollte als jener der alltäglichen Lebensverrichtung gemäss Art. 9 ATSG, ergibt sich bereits aus dem Wortsinn, dass das Zeugen von Kindern keine alltägliche Verrichtung ist. Das Zeugen eines Kindes ist eine erfolgsbezogene Handlung. Der Beschwerdeführer selbst behauptet nicht, er sei durch die bei ihm behauptetermassen bestehende Infertilität im Vollzug des Geschlechtsaktes oder sonst in seinem sexuellen Leben behindert. Es kommt bei ihm gemäss seiner Darstellung lediglich bei seiner Partnerin infolge seiner Infertilität zu keiner Schwangerschaft. An das Fehlen des Erfolges einer bestimm- ten Handlung bzw. Lebensverrichtung knüpft Art. 2 Abs. 1 BehiG aber nach seinem Wortsinn gerade nicht an. Dafür, dass der Erfolg bestimmter Handlungen als Teil der Fähigkeit zu deren Ausführung in Art. 2 Abs. 1 BehiG mitzuverstehen wäre, müssten, da eine solche Bedeutung weit ausserhalb des Wortsinns liegt, Hinweise in den Gesetzesmaterialien vorhanden sein. An solchen fehlt es aber, wird doch die Infertilitätsproblematik in der gesamten Botschaft zum Be- hindertengesetz nirgends angesprochen. Es ist daher davon auszuge- hen, dass der Gesetzgeber Infertilität nicht als Behinderung im Rechtssinn verstanden haben wollte. Kosten im Zusammenhang mit der Erfüllung eines Kinderwunsches infertiler Paare können daher nicht unter den Begriff der behinderungsbedingten Kosten gemäss § 40 lit. i bis StG bzw. Art. 9 Abs. 2 lit. h bis StHG subsumiert werden.
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2019 Enteignungsrecht 153 VI. Enteignungsrecht 21 Formelle Enteignung; Behandlung der Einwendungen (§§ 152 ff. BauG) Grundsätzlich hat das Spezialverwaltungsgericht alle unerledigten Ein- wendungen gegen die Enteignung an den Regierungsrat zu überweisen; auf unzulässige Einwendungen i.S.v. § 152 Abs. 1 lit. a BauG ist nicht ein- zutreten. Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 27. März 2019, in Sachen A. und Mitbeteiligte gegen Einwohnergemeinde B. (WBE.2018.227). Aus den Erwägungen: 2. Innerhalb der Auflagefrist der Enteignungsunterlagen sind beim Gemeinderat zuhanden des SKE Einwendungen gegen die Enteig- nung anzumelden. Anträge die bereits mit Einwendungen gegen den Nutzungsplan oder das Bauprojekt hätten gestellt werden können, sind unzulässig (§ 152 Abs. 1 lit. a BauG). Das SKE oder der Abtei- lungspräsident versucht, eine Einigung zwischen Enteigner und Ent- eigneten über die Einwendungen gegen die Enteignung herbeizufüh- ren (§ 153 Abs. 1 BauG). Gelingt keine Einigung hat der Regierungsrat über die unerledigten Einwendungen zu entscheiden (§ 154 Abs. 1 BauG). 3. 3.1. (...) 3.2. (...) 3.3. Das SKE verzichtete auf eine Überweisung an den Regierungs- rat und wies die Einwendung ab. Sowohl im angefochtenen Ent- scheid als auch in seiner Beschwerdeantwort verweist es auf seine 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 154 langjährige Praxis, wonach es die Verpflichtung, eine Einigungsver- handlung auch über die Einwendungen gegen die Enteignung durch- zuführen (§ 153 BauG), stets als Kompetenz verstanden habe, die be- treffenden Begehren mit aller Zurückhaltung einer rechtlichen Grundprüfung zu unterziehen und ein klares Ergebnis ausnahms- weise direkt in einem Entscheid festzuhalten ([...] AGVE 2013, S. 441; AGVE 1996, S. 447 f.). 3.4. Der Wortlaut von § 154 Abs. 1 BauG deckt sich nicht mit der Praxis der Vorinstanz. Eine entsprechende Entscheidkompetenz fehlt im Gesetz. Allerdings bestimmt § 152 Abs. 1 lit. a BauG ausdrück- lich, dass Einwendungen, die bereits gegen den Nutzungsplan oder das Bauprojekt hätten gestellt werden können, unzulässig sind. Ob eine solche Einwendung vorliegt, muss das SKE im Hinblick auf die durchzuführende Einigungsverhandlung prüfen. Insofern liegt es nahe, dass das SKE in einem Prozessentscheid auf die unzulässige Einwendung nicht eintritt, anstatt die unter § 152 Abs. 1 lit. a BauG fallende unzulässige Einwendung an den Regierungsrat weiterzulei- ten. Sowohl der Prozessentscheid des SKE als auch derjenige des Regierungsrats sind vor Verwaltungsgericht anfechtbar, womit den Beschwerdeführern kein Nachteil zukommt. Der Verfahrensfehler wurde denn auch von den Beschwerdeführern nicht gerügt. Grund- sätzlich sind zwar alle unerledigten Einwendungen gegen die Ent- eignung an den Regierungsrat zu überweisen. Dass das SKE im vor- liegenden eindeutigen Fall die in § 152 Abs. 1 lit. a BauG klar um- schriebene Unzulässigkeit festgestellt und auf eine Weiterleitung der Einwendung verzichtet hat, ist im Ergebnis jedoch nicht zu bean- standen. Klar ist, dass das SKE einzig die Frage prüfen durfte, ob die Einwendung bereits mit Einwendungen gegen den Erschliessungs- plan hätte vorgebracht werden können. Mit anderen Worten durfte es einzig die Einwendung auf ihre Zulässigkeit i.S.v. § 152 Abs. 1 lit. a BauG hin beurteilen. Erweist sich die Einwendung als unzulässig, ist darauf nicht einzutreten. Die materielle Beurteilung bzw. die Abwei- sung der Einwendung lag jedoch nicht in seiner Zuständigkeit.
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2009 Grundbuchrecht 243 VIII. Grundbuchrecht 46 Ausweis über das Verfügungsrecht als Voraussetzung für einen Eintrag in das Grundbuch (Art. 965 Abs. 1 ZGB) - Anspruch auf Grundbucheintrag trotz fehlender Ausscheidung für unselbstständigen Miteigentumsanteil Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 17. September 2009 in Sachen G.M. gegen das Departement Volkswirtschaft und Inneres (WBE.2009.73). Aus den Erwägungen II. 1. Die Eintragung ins Grundbuch setzt eine Grundbuchanmeldung, einen Ausweis über das Verfügungsrecht und einen Rechtsgrund vor- aus (Art. 963 Abs. 1 ZGB, Art. 965 Abs. 1 ZGB). Nicht streitig ist hier, dass diese Voraussetzungen hinsichtlich der Abparzellierung vom Grundstück GB L Nr. X erfüllt sind. Der Streit dreht sich allein darum, ob die Beschwerdeführerin ihr Verfügungsrecht auch mit Be- zug auf die beiden Parzellen GB L Nrn. Y und Z (Weggrundstücke) ausreichend nachgewiesen hat, damit der Grundbuchverwalter dem Eintragungsgesuch hätte entsprechen müssen. 2. 2.1. Mit Bezug auf die beiden Grundstücke GB L Nrn. Y und Z ist klar, dass die Beschwerdeführerin an diesen als Eigentümerin nicht allein, sondern zusammen mit den Eigentümern anderer Grundstücke berechtigt ist. 2009 Verwaltungsgericht 244 2.2. Bei den beiden Grundstücken handelt es sich unbestrittener- massen um sog. "Anmerkungsgrundstücke" ("immeuble mentionné", vgl. zur Terminologie BGE 130 III 13, S. 16, Erw. 5.2.2., mit Hin- weisen = Pra 93/2004, S. 721 ff.). Das bedeutet, dass das Eigentum an diesen Grundstücken in der Weise mit dem Eigentum an anderen Grundstücken subjektiv-dinglich verknüpft ist, dass der jeweilige Ei- gentümer der anderen Grundstücke auch zu den gemeinschaftlichen Eigentümern an den beiden Grundstücken Nrn. Y und Z gehört. Grundbuchlich ist dies in der Weise zum Ausdruck gebracht, dass im Grundbuch bei den beiden "dienenden" Grundstücken als Eigentü- mer keine - natürlichen oder juristischen - Personen verzeichnet sind, sondern anstelle der Eigentümer die Grundbuchnummern der entsprechenden "herrschenden" Grundstücke erscheinen. 2.3. Der Grundbuchverwalter und die Vorinstanz sind zum Schluss gelangt, aus dem Grundbucheintrag der beiden Anmerkungsgrund- stücke ergebe sich ebenso wenig wie aus den Belegen, welche Art gemeinschaftlichen Eigentums (Miteigentum oder Gesamteigentum) vorliege und - sollte Miteigentum vorliegen - welcher prozentuale Miteigentumsanteil auf die von der Abparzellierung betroffene Par- zelle GB L Nr. X entfalle. Die Beschwerdeführerin ist dagegen der Auffassung, aus den Belegen zur Eintragung der beiden Anmerkungsgrundstücke ergebe sich entgegen der Auffassung des Grundbuchverwalters und der Vor- instanz keine Ungewissheit hinsichtlich der Form des gemein- schaftlichen Eigentums (Miteigentum oder Gesamteigentum) an den beiden Grundstücken. Vielmehr sei klar, dass diese im (selbstständi- gen) Miteigentum der jeweiligen Eigentümer der in der Eigentums- spalte der beiden Grundstücke figurierenden Grundstücke stünden. 2.4. 2.4.1. Auch der Grundbuchverwalter ist im Rahmen der ihm zuste- henden beschränkten Überprüfungsbefugnis (vgl. dazu H ENRI D ESCHENAUX , Das Grundbuch, in: Schweizerisches Privatrecht, Band V/3 I, Basel und Frankfurt a.M. 1988, S. 483 f. sowie S. 492 2009 Grundbuchrecht 245 ff.) dazu berechtigt und verpflichtet, ihm eingereichte und bereits beim Grundbuchamt aufbewahrte Belege nach dem Willen der Par- teien auszulegen. Bei (vermeintlichen) Lücken darf er nicht eine formalistische, den Willen der Parteien offensichtlich verkürzende Interpretation vornehmen. Die Grundbucheinträge der beiden Anmerkungsparzellen ent- halten zwar keine ausdrücklichen Angaben über die Art des gemein- schaftlichen Eigentums. Entgegen der Auffassung des Grundbuch- verwalters und der Vorinstanz ergibt sich indessen aus den Umstän- den, unter denen die beiden in den Akten befindlichen Abtretungs- verträge vom 21. (...) und vom 15. (...) geschlossen wurden und aus diesen Verträgen selbst klar, dass sich der Wille der Vertragsparteien darauf richtete, Miteigentum an den Wegparzellen zu begründen. - Gemäss dem Vertrag vom 21. (...) wandelte der bisherige Ei- gentümer der ausdrücklich als "Weggrundstück" bezeichneten Par- zelle Nr. Y, dem gleichzeitig die Parzelle Nr. V gehörte ("..." im Halt von 32.31 ar, von dem der Eigentümer bereits 1932 die Bauparzelle Nr. V im Halt von 5.32 ar abverkauft hatte, mit gleichzeitiger Über- tragung der Wegdienstbarkeit zu Lasten Y auf die neue Parzelle), das Weggrundstück in einen "Miteigentümerweg gemäss Art. 32 G.V." um. - Ebenso wandelte gemäss dem Vertrag vom 15. (...) der bis- herige Eigentümer des Weggrundstücks Nr. Z, dem gleichzeitig die angrenzende Parzelle Nr. X gehörte, die Parzelle Nr. Z in einen "Mit- eigentümerweg gemäss 32 G.V." um, wobei er sich "für die Einräu- mung des Miteigentums" vom Eigentümer der Parzelle Nr. U, die ebenfalls an die Wegparzelle Nr. Z grenzt, eine Entschädigung von Fr. 250.-- bezahlen liess. Schon die Umstände, unter denen die genannten Verträge ge- schlossen wurden, stellen einen klaren Hinweis darauf dar, dass Mit- eigentum und nicht etwa Gesamteigentum begründet werden sollte. So geht aus dem Situationsplan der Parzellen hervor, dass sie der wegmässigen Erschliessung der Parzellen dienen, deren Eigentümer neben den vorherigen Alleineigentümern neu an den beiden Weg- parzellen berechtigt wurden. Zu diesem Befund passt bei der Parzelle Nr. Y, dass diese vorher zu Lasten der Parzellen, deren Eigentümern 2009 Verwaltungsgericht 246 nunmehr Miteigentum eingeräumt wurde, mit Wegdienstbarkeiten belastet waren (die im Zug der Begründung des Miteigentums ge- löscht wurden). Die Begründung von Gesamteigentum verlangt eine zwischen den Parteien bestehende Gemeinschaft (Art. 652 ZGB). Hier fehlen jegliche Hinweise darauf, dass die an der Begründung des "Mitei- gentümerwegs" beteiligten Parteien, auch wenn die entsprechenden Verträge aus heutiger Sicht als lückenhaft erscheinen, sich zu einer solchen Gemeinschaft zusammenschliessen wollten. Der Wortlaut der Vereinbarungen deutet positiv darauf hin, dass Miteigentum begründet werden sollte. Selbst wenn das Wort "Mit- eigentümerweg", wie der Grundbuchverwalter meint (Amtsbericht), damals einfach dem üblichen Sprachgebrauch entsprochen haben sollte, lässt sich daraus nicht ableiten, dass die Parteien es untech- nisch verstanden. Im Zusammenhang mit dem "Miteigentümerweg" wird in beiden Verträgen ausdrücklich auf Art. 32 GBV verwiesen. Die Bestimmung handelt von den sog. Anmerkungsgrundstücken, bei denen in der ganz überwiegenden Mehrheit der Fälle Miteigentum besteht. Dafür, dass es sich hier anders verhalten hätte, fehlen jegliche Hinweise. Dass die Parteien der Verträge keine Miteigentümerquoten aus- schieden und der Grundbuchverwalter sie damals (und in der Folge, als noch zusätzliche Grundstücke mit der Anmerkungsparzelle dinglich-subjektiv verbunden wurden) nicht unter Hinweis auf Art. 32 Abs. 1 GBV anhielt, die Quoten festzulegen, lässt schliesslich den bestehenden Eintrag zwar als mangelhaft erscheinen, ändert indessen am dargelegten Auslegungsergebnis nichts. Zusammenfassend ist damit festzuhalten: Entgegen dem Grundbuchverwalter und der Vorinstanz ist hier Miteigentum nicht etwa bloss zu vermuten. Aufgrund der (lückenhaften) Belege lässt sich vielmehr schlechterdings kein anderes Auslegungsergebnis rechtfertigen. 2.4.2. Die Beschwerdeführerin hat sich auf den Standpunkt gestellt, ihr stehe selbstständiges Miteigentum an den beiden Anmerkungs- parzellen zu. Auch diese Auffassung erweist sich bereits im Rahmen 2009 Grundbuchrecht 247 der den Grundbuchbehörden zustehenden Kognition als unzutref- fend. 2.4.2.1. Wie das Verwaltungsgericht schon früher festgestellt hat (VGE I/72 vom 28. April 1997 [BE.1994.00186]) besteht keine begriffliche Deckungsgleichheit zwischen unselbstständigem und subjektiv-dinglichem Miteigentum: Unselbstständiges Miteigentum liegt dann vor, wenn der Aufhebungsanspruch des Miteigentümers ausgeschlossen ist, weil die Sache für einen dauernden Zweck bestimmt ist (Art. 650 Abs. 1 ZGB). Ob subjektiv-dingliches Miteigentum vorliegt, bestimmt sich danach, ob das Miteigentum an einem Grundstück mit der jeweiligen Eigentümerstellung an einem anderen Grundstück verbunden ist. Obwohl die Begriffe subjektiv-dingliches und unselbstständiges Eigentum nicht deckungsgleich sind, ergibt sich indessen insoweit eine Abhängigkeit, als Miteigentum an einem Grundstück, das von den Miteigentümern einem dauernden Zweck gewidmet wird (z.B. gemeinsamer Eingang, Grenzmauer etc.) und mit der Eigentümer- stellung an einem anderen Grundstück subjektiv-dinglich verknüpft wird, wesensgemäss nur als unselbstständiges Miteigentum vor- stellbar ist. Dies stellt aus praktischer Sicht aber gerade auch den Hauptfall des unselbstständigen Miteigentums dar. Daneben ist zwar zumindest vorstellbar, dass dann, wenn eine dingliche Verknüpfung zwischen "herrschenden" Hauptgrundstücken (z.B. in einer Einfamilienhaussiedlung) und einem "dienenden" An- merkungsgrundstück (z.B. einem grossen Schwimmbecken) herge- stellt wird, die Miteigentümer sich im Begründungsakt darüber eini- gen, dass die Zweckbestimmung eben nicht dauernd und der jewei- lige Eigentümer des Hauptgrundstücks berechtigt sein soll, die ding- lich-subjektive Verknüpfung für seinen Miteigentumsanteil zu lösen, um auf diese Weise wiederum unabhängig von der Verfügung über das (ehemals) herrschende Grundstück über den Miteigentumsanteil verfügen zu können (z.B. Verkauf eines Miteigentumsanteils an ei- nem Schwimmbecken mit zugehörigem Nutzungsrecht an einen Dritten; vgl. zur Möglichkeit selbstständigen subjektiv-dinglichen Eigentums B ENNO S CHNEIDER , Probleme des subjektiv-dinglichen 2009 Verwaltungsgericht 248 Eigentums, ZBGR 57/1976, S. 15; sowie die Hinweise in BGE 130 III 306, S. 309 in fine, Erw. 3.3.1.). Solches selbstständiges Miteigentum ist indessen nach Lage der Dinge insbesondere bei Gemeinschaftsanlagen, die im Miteigentum stehen und subjektiv-dinglich mit anderen Grundstücken verknüpft sind, nicht zu vermuten. Ist aus dem Begründungsakt und nach den Umständen davon auszugehen, dass das Anmerkungsgrundstück so- wie gegebenenfalls die auf diesem befindlichen Anlagen den "herr- schenden" Hauptgrundstücken dienen, so ist mangels klarer anders- lautender Abmachungen im Begründungsakt vielmehr zu vermuten, dass mit Bezug auf die Anmerkungsparzelle unselbstständiges Mit- eigentum vorliegt. 2.4.2.2. Genauso verhält es sich denn auch hier: Obwohl der Wortlaut der beiden Abtretungsverträge vom 21. (...) und vom 15. (...) sehr knapp ausgefallen ist, so geht doch aus beiden Dokumenten unter Berücksichtigung der Lage der Grundstücke der beteiligten Grund- eigentümer unmittelbar an den Parzellen Nrn. Y und Z klar hervor, worauf sich deren Wille richtete, nämlich auf die Konstituierung ei- ner im Miteigentum der jeweiligen Eigentümer der Anstössergrund- stücke stehenden Wegparzelle. Entgegen den Ausführungen der Be- schwerdeführerin kann keine Rede davon sein, dass die Parteien der beiden Abtretungsverträge hinsichtlich der Parzelle Nrn. Y und Z keine dauernde Widmung vorgenommen hätten. 2.5. Als Zwischenergebnis ist damit festzuhalten, dass in Ab- weichung sowohl von der Auffassung der Vorinstanz und des Grund- buchverwalters als auch teilweise von der Meinung der Beschwerde- führerin hinsichtlich der beiden Weggrundstücke unselbstständiges Miteigentum vorliegt. 3. Bei der Teilung der im Alleineigentum der Beschwerdeführerin stehenden Parzelle GB L Nr. X, die wegen deren subjektiv-dingli- chen Verknüpfung mit den beiden Anmerkungsparzellen auch zu ei- ner Teilung des Miteigentums an diesen führt, stellt sich die Frage, 2009 Grundbuchrecht 249 ob die Beschwerdeführerin dazu der Zustimmung der übrigen Mit- eigentümer bedarf. 3.1. Das Bundesgericht hat sich in einem publizierten Entscheid (BGE 130 III 13 ff.) ausführlich mit der Frage befasst, ob und in- wieweit der unselbstständige Eigentümer über seinen Miteigen- tumsanteil verfügen kann. Zu beurteilen hatte das Gericht, ob es im Rahmen einer Parzel- lierung des Hauptgrundstücks zulässig sei, wenn der Miteigentümer des Anmerkungsgrundstücks das Miteigentum an diesem nur auf der verbleibenden Restparzelle belässt (oder nur auf die neue Parzelle überträgt). Das Bundesgericht hat dabei entschieden, dass eine solche Möglichkeit grundsätzlich nicht besteht, es sei denn alle Mitei- gentümer würden sich in einer neuen Vereinbarung mit einer ent- sprechenden Änderung des Zwecks des Anmerkungsgrundstücks (dass nämlich dieses nicht mehr allen bisher mit ihm verknüpften Grundstücken dienen solle) einverstanden erklären. Zur Begründung hat das Gericht darauf hingewiesen, dass es zu einer Zweckänderung nicht nur dann komme, wenn ein Miteigentumsanteil, namentlich im Hinblick auf dessen Veräusserung oder die Verknüpfung mit einem anderen Grundstück (ausdrücklich) entwidmet werde, sondern eben schon dann, wenn im Zuge einer Abparzellierung hinsichtlich der neu geschaffenen oder der verbleibenden Parzelle der Miteigen- tumsanteil nicht übertragen werde (BGE 130 III 13, S. 17 f., Erw. 5.2.5.). 3.2. Das Bundesgericht hat es hingegen im angeführten Entscheid ausdrücklich für zulässig erachtet, dass ein Grundstück (das Haupt- grundstück), das mit einem anderen Grundstück (dem Anmerkungs- grundstück) subjektiv-dinglich verbunden ist, geteilt wird und dabei der mit dem Hauptgrundstück verbundene unselbstständige Mitei- gentumsanteil anteilmässig auf die verbleibende Restparzelle und die neue Parzelle übertragen wird (BGE 130 III 13, S. 18, Erw. 5.2.7.). Ein Autor (J ÜRG S CHMID , Das unselbständige Miteigentum in Theo- rie und Praxis, ZBGR 86/2005, S. 277 ff., S. 285) hat denn auch dar- auf hingewiesen, dass sich damit das Vorgehen bei der Teilung von 2009 Verwaltungsgericht 250 Grundstücken nach denselben Vorschriften richtet, wie sie die Grundbuchverordnung für die Nachführung der Dienstbarkeiten vorschreibt (Art. 86 und 90 ff. GBV). Als zusätzliches Element ist unter Berücksichtigung der bundesgerichtlichen Erwägungen zu be- achten, dass durch eine nur beschränkte Nachführung der Berechti- gung (d.h. nur auf einem Teil der aus der Teilung hervorgegangenen Grundstücke) die von der Miteigentümern getroffene Vereinbarung über die Zweckbestimmung des gemeinschaftlichen Grundstücks nicht einseitig abgeändert werden darf. 3.3. Die Beschwerdeführerin beabsichtigte bei der von ihr vorge- nommenen Parzellierung, deren Anmeldung im Grundbuch hier streitig ist, offensichtlich keine von der bestehenden Berechtigung an den beiden Anmerkungsgrundstücken abweichende Übertragung des Miteigentumsanteils auf die neu zu schaffende bzw. die verbleibende Parzelle. Weder sollte das Miteigentum an den beiden Weg- grundstücken nur auf eine der beiden Parzellen (Nr. X oder T) über- tragen werden, noch bestand die Absicht, die Miteigentumsquoten im Zuge der Parzellierung zu verändern. Damit steht der Parzellierung nach der dargelegten bundesgerichtlichen Rechtsprechung im Hin- blick auf die damit verbundene Aufteilung des unselbstständigen Miteigentums an den beiden Weggrundstücken nichts entgegen. 4. Damit ist freilich noch nicht über die Zulässigkeit der von der Beschwerdeführerin anbegehrten Eintragung der von ihr vorge- nommenen Parzellierung im Grundbuch entschieden. Dieser steht - jedenfalls auf den ersten Blick - der Wortlaut von Art. 33 Abs. 1 GBV entgegen, wonach bei Miteigentum der Bruchteil durch ent- sprechenden Zusatz (zur Hälfte, zu 1/3 usw.) zum Namen jedes Miteigentümers angegeben werden muss. Daran ändert auch nichts, dass die Beschwerdeführerin in ihrem zweiten Eintragungsbegehren die Übertragung je der Hälfte der Miteigentumsanteile an den beiden Anmerkungsgrundstücken beantragt hat, denn der quotenmässig bekannte Anteil an einem quotenmässig unbekannt hohen Anteil an einem ganzen Recht lässt sich naturgemäss ebenfalls nicht als quo- tenmässig bestimmter Anteil am ganzen Recht bestimmen. 2009 Grundbuchrecht 251 4.1. Die Miteigentumsanteile an den beiden Anmerkungsparzellen sind im bestehenden Grundbucheintrag entgegen der Vorschrift von Art. 33 GBV nicht angegeben. Dies macht den Eintrag nicht zu ei- nem ungültigen Eintrag. Indessen bedarf er der Vervollständigung durch die Parteien (P AUL H ENRI S TEINAUER , Les pluralités de copropriétés sur un immeuble, ZBGR 79/1998, S. 224 N 13 mit Hinweisen). Dabei kann nicht einfach ein Miteigentümer unter Be- rufung auf die Vermutung von Art. 646 Abs. 2 ZGB die Eintragung gleicher Quoten verlangen. Mangels Einverständnisses zwischen den Miteigentümern, obliegt es vielmehr dem Richter, die Miteigen- tumsquoten festzulegen (BGE 111 II 26, S. 29, Erw. 5). 4.2. Die geschilderte Rechtslage bedeutet für den vorliegenden Sachverhalt, dass eine Festlegung der bestehenden Miteigentums- quoten, sofern keine Einigkeit zwischen den Miteigentümern besteht, nur auf dem Weg über den Zivilrichter möglich ist. Aus verschiede- nen Schreiben beteiligter Miteigentümer in den Akten ergibt sich nun aber deutlich, dass die Beschwerdeführerin bereits Anstrengungen unternommen hat, um das für die Bereinigung des bestehenden Grundbucheintrags erforderliche Einverständnis zwischen den Mit- eigentümern herzustellen, diese Versuche aber nicht erfolgreich wa- ren bzw. der Beschwerdeführerin mit Bezug auf die Abparzellierung, den Verkauf des abparzellierten Grundstücks und dessen Überbauung offensichtlich zumindest von einzelnen Miteigentümern zusätzliche Konzessionen abverlangt wurden. 4.3. Die Beschwerdeführerin steht damit heute vor der Situation, dass sie, will sie den von ihr begehrten, ihr bisher verweigerten Grundbucheintrag der Abparzellierung erreichen, sich zunächst mit den übrigen Miteigentümern einigen oder, sofern eine Einigung nicht erzielt werden kann, einen Zivilprozess gegen diese ausfechten muss. Im Ergebnis wirkt sich damit der Entscheid über die register- rechtliche Frage der Eintragungsfähigkeit der Abparzellierung für die Beschwerdeführerin als Eigentumsbeschränkung aus, und zwar so- wohl hinsichtlich der Hauptparzelle Nr. X als auch mit Bezug auf die 2009 Verwaltungsgericht 252 Ausübung des unselbstständigen Miteigentums an den beiden An- merkungsparzellen Nrn. Z und Y. Aus den eigentumsrechtlichen Regeln des ZGB lässt sich indessen für die Hauptparzelle keine sol- che Eigentumseinschränkung ableiten; und auch der Übertragung des unselbstständigen Miteigentums an den beiden Anmerkungs- grundstücken stehen, wie dargelegt (Erw. II/3.), keine materiellrecht- lichen Hindernisse entgegen. In der Errichtung derartiger Eigentumsbeschränkungen liegt aber offensichtlich nicht der Sinn der registerrechtlichen Vorschrift von Art. 33 Abs. 1 GBV. Dass die gesetzliche Delegation in den Art. 943, 945, 949, 949 a , 953, 954, 956, 967, 970, 970 a und 977 ZGB dafür wohl nicht ausreichen würde, sei dabei nur am Rande vermerkt. Dementsprechend ist Art. 33 Abs. 1 GBV in Fällen wie dem vorliegenden dahingehend einschränkend auszulegen, dass der An- spruch des Eigentümers auf Eintragung eines materiellrechtlich zu- lässigen Rechtsvorgangs dem Interesse an einer grundbuchrechtli- chen Bereinigung vorgeht. Ausnahmsweise genügt es daher hier für den Eintrag der von der Beschwerdeführerin durchgeführten Abpar- zellierung, dass die mit der Abparzellierung verbundene Übertragung von Miteigentum an den Anmerkungsgrundstücken Nrn. Y und Z ohne Veränderung des quotal unbestimmten Miteigentumsanteils des Eigentümers der bisherigen Parzelle Nr. X und ohne Veränderung des Verhältnisses zwischen Alt- und Neuparzelle infolge der Abpar- zellierung erfolgt. Praktisch sind auf dem Hauptbuchblatt der neuen Parzelle Nr. T die (quotal unbestimmten) Anteile an den Anmer- kungsgrundstücken anzumerken und ist auf den Grundbuchblättern der beiden Anmerkungsparzellen die neue Parzelle Nr. T zusätzlich zu den bereits dort figurierenden Grundstücken in die Spalte "Eigen- tümer gem. Art. 32 GBV" aufzunehmen.
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2009 Verwaltungsrechtspflege 283 53 Fristwiederherstellung; Kostenverlegung in Steuerverfahren - Vordatierung als Fristwiederherstellungsgrund - Anforderungen an den Empfänger vordatierter behördlicher Sen- dungen - Grundsätze für die Kostenverlegung und die Ausrichtung von Par- teientschädigungen in Steuerverfahren Urteil des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 2. Dezember 2009 in Sa- chen Z.-B. gegen Kantonales Steueramt und Gemeinderat W. (WBE.2009.106). 2009 Verwaltungsgericht 284 Aus den Erwägungen II. 1. Einsprachen, Rekurse und Beschwerden sind innert 30 Tagen einzureichen. Diese Frist kann nicht erstreckt werden. Auf verspätet erhobene Rechtsmittel wird nur eingetreten, wenn die steuer- pflichtige Person durch erhebliche Gründe oder durch fehlende oder unrichtige Rechtsmittelbelehrung an der rechtzeitigen Einreichung verhindert war und das Rechtsmittel innert 30 Tagen nach Wegfall des Hinderungsgrunds eingereicht wird (§ 187 Abs. 1 und 2 StG). 2. Die Einsprache wurde unbestrittenermassen am 4. Oktober 2007 und damit erst 31 Tage nach Empfang der Veranlagungsverfü- gung am 3. September 2007 eingereicht. Damit erweist sich die Einsprache als nicht fristgerecht und es bleibt einzig zu klären, ob die Steuerkommission bzw. in der Folge das Steuerrekursgericht den Beschwerdeführern die verpasste Frist wieder hätte herstellen müs- sen. 2.1. Die Beschwerdeführer machen geltend, durch das falsche Ver- sanddatum auf der vordatierten Veranlagungsverfügung (3. Septem- ber 2007), das nicht mit dem Datum des tatsächlichen Versandes übereingestimmt habe (31. August 2007), sei bei Ihnen eine Vertrau- ensgrundlage geschaffen worden. Nachdem sie die Verfügung tat- sächlich am 3. September 2007 in Empfang genommen hätten, sei ihnen das genaue Zustelldatum später nicht mehr erinnerlich gewe- sen. Im Vertrauen auf das auf der Veranlagung aufgedruckte Ver- sanddatum seien sie davon ausgegangen, und hätten auch davon aus- gehen dürfen, dass ihnen die Verfügung nicht vor dem 4. September 2007 zugestellt worden sei. Deshalb sei ihnen die Ein- sprachefrist wiederherzustellen und die Einsprache als rechtzeitig zu betrachten. 2.2. Das Steuerrekursgericht ist dagegen im Ergebnis zur Auffas- sung gelangt, es fehle an der von den Beschwerdeführern behaupte- 2009 Verwaltungsrechtspflege 285 ten Vertrauensgrundlage, so dass eine Fristwiederherstellung ausser Betracht falle. 3. 3.1. In Anlehnung an die vom Bundesgericht entwickelte Recht- sprechung zur Einhaltung bundesrechtlicher Rechtsmittelfristen ist zunächst festzuhalten, dass es an sich Sache des Empfängers ist, sich das Aushändigungsdatum einer Verfügung zu merken und an geeigneter Stelle zu notieren. Dessen ungeachtet hat das Bundesge- richt angenommen, dass dem Empfänger einer Verfügung, wenn er sich im Datum nicht mehr sicher ist, eine Möglichkeit offen stehen muss, um den letzten Tag der Rechtsmittelfrist zu bestimmen (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 13. Juni 2001 [I 579/98], Erw. 3a; Urteil vom 4. September 2007 [8C_50/2007], Erw. 5.2). Es besteht keine Aufbewahrungspflicht des Empfängers bei Postsendungen. Ausserdem entspricht es der Lebenserfahrung, dass bei empfangenen Postsendungen nicht jedes Zustellkuvert aufbe- wahrt wird und der Empfänger sich bei eingeschriebenen Sendungen auch in aller Regel nicht akribisch das Datum der Entgegennahme notiert. Entgegen der Auffassung des Steuerrekursgerichts erscheint es daher als entschuldbar, wenn beim Empfänger einer Verfügung, obwohl er deren Empfang - hier auf einem sog. Rückschein - schriftlich bestätigt, Unsicherheit über den genauen Empfangszeit- punkt entsteht. 3.2. Das Bundesgericht hat in den beiden bereits angeführten Ent- scheiden (vgl. vorne Erw. 3.1.) weiter geprüft, auf welche zumutba- ren Weisen sich der über den genauen Empfangszeitpunkt unsichere Verfügungsadressat Sicherheit über den genauen Zustellungszeit- punkt verschaffen kann. Dabei ist es zur Auffassung gelangt, es könne vom Verfügungsempfänger in der Regel nicht verlangt wer- den, dass er sich mittels eines Nachforschungsbegehrens bei der Post oder einer sog. Track-and-Trace-Anfrage Gewissheit über den Zu- stellungszeitpunkt verschafft. Das Bundesgericht hat es vielmehr als zulässig erachtet, dass der Verfügungsadressat sich anhand des Da- tums der Verfügung (bzw. eines allfällig abweichenden Versandda- 2009 Verwaltungsgericht 286 tums) Sicherheit verschafft. Er darf darauf vertrauen, dass dieses Datum zutrifft. 3.3. Auch für das aargauische Verwaltungsverfahrensrecht stellt zu- mindest ein auf der Verfügung aufgedrucktes Versanddatum eine Vertrauensgrundlage dar. Es würde in diesen Fällen zu weit führen, vom Verfügungsadressaten zu verlangen, sich bei der verfügenden Behörde nach dem genauen Zustellungsdatum (oder der Track-and- Trace-Nummer) zu erkundigen. Dies muss jedenfalls für Fälle wie den vorliegenden gelten, wo die Beschwerdeführer im Veranla- gungsverfahren noch nicht vertreten waren. Für den zu beurteilenden Sachverhalt bedeutet dies, dass die Beschwerdeführer sich auf das auf der Verfügung aufgedruckte Ver- sanddatum "3. September 2009" verlassen durften und nicht in Er- wägung ziehen mussten, dass die Veranlagungsverfügung allenfalls vordatiert worden sein könnte. Unter diesen Umständen erweist sich ihre falsche Annahme der Zustellung am Folgetag, dem 4. September 2007, und der dadurch verursachte Irrtum hinsichtlich des Endes des Fristenlaufs gemäss § 187 Abs. 2 StG als entschuldbar und die Steuerkommission hätte dementsprechend auf ihre Einsprache ein- treten müssen. 4. (...) III. 1. Für die Parteistellung, die Kostenverlegung und die Ausrich- tung von Parteientschädigungen im Geltungsbereich der Steuerge- setzgebung des Kantons Aargau gelangen primär die entsprechenden Verfahrensbestimmungen des StG (§ 188 f. StG), welche gemäss § 1 Abs. 3 VRPG vorbehalten sind, zur Anwendung. Lediglich sub- sidiär und ergänzend sind die diesbezüglichen Regeln im VRPG (§ 29 ff. VRPG) und in der ZPO anwendbar (§ 197 Abs. 4 StG; § 2 VKD). Die Normen des StG knüpfen für die Bestimmung des Begriffs der Partei - anders als § 13 VRPG - abstrakt an die im Gesetz um- schriebene Legitimation zur Ergreifung eines Rechtsmittels an (vgl. § 175 Abs. 3 StG). Daraus ergibt sich, dass im verwaltungsgerichtli- 2009 Verwaltungsrechtspflege 287 chen Beschwerdeverfahren grundsätzlich die gemäss § 198 Abs. 1 StG Beschwerdeberechtigten als Parteien zu betrachten sind, d.h. die steuerpflichtige Person, der Gemeinderat, das KStA, und soweit es um die Kirchensteuerfrage geht, die Kirchenpflege. 2. Die amtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden ge- mäss § 189 Abs. 1 StG der unterliegenden Partei auferlegt; bei teil- weiser Gutheissung der Beschwerde sind die Kosten anteilmässig aufzuteilen. Mangels einer ausdrücklichen Regelung im StG, wer als unterliegende Partei zu betrachten ist, sind ergänzend die Regeln des VRPG zur Kostenverlegung heranzuziehen. Unter der Herrschaft des alten Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 9. Juli 1968 (aVRPG) wurde die Bestimmung über die Kostenauflage in der Weise angewendet, dass eine Kostenauflage der amtlichen Kosten nur an den Privaten bei dessen Unterliegen erfolgt ist. Behörden wurden unter Hinweis auf § 35 Abs. 1 aVRPG keine Kosten aufer- legt. Aufgrund des ausdrücklichen gesetzgeberischen Willens (vgl. Botschaft des Regierungsrats des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 14. Februar 2007 zum Gesetz über die Verwaltungsrechts- pflege, Bericht und Entwurf zur 1. Beratung, S. 6 f.) ist an der grund- sätzlichen Kostenfreiheit des Verfahrens für Behörden festzuhalten (§ 31 Abs. 2 Satz 1 VRPG). Vorbehalten bleiben einerseits die in § 31 Abs. 2 Satz 1 VRPG erwähnten Fälle des schwerwiegenden Verfahrensmangels und der Willkür, die zur Auferlegung von Verfah- renskosten an die Behörden führen und andererseits die Fälle, in welchen eine Behörde selbst erfolglos Beschwerde führt (zur ent- sprechenden Praxis unter dem aVRPG: AGVE 2006, S. 285; ebenso für das DBG: Urteile des Bundesgerichts vom 20. Juni 2002 [2A.88/2002 und 2A.89/2002], publ. in: StE 2002, B 26.27 Nr. 5, Erw. 4.1). Ein derartiger Ausnahmefall liegt hier indessen nicht vor, sodass bei diesem Ausgang des Verfahrens die Kosten vollumfäng- lich auf die Staatskasse zu nehmen sind (§ 31 Abs. 2 VRPG). 3. Der obsiegenden steuerpflichtigen Person wird für die Vertre- tung durch eine Anwältin oder einen Anwalt, eine Notarin oder einen Notar oder durch eine Steuerberaterin oder einen Steuerberater eine 2009 Verwaltungsgericht 288 angemessene Entschädigung zugesprochen (§ 189 Abs. 2 StG). Be- reits aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich, dass nur die obsiegenden steuerpflichtigen Personen, nicht dagegen Behörden, entschädigungsberechtigt sind, womit die Anwendung der Praxis der Verrechnung von Parteientschädigungen (zur aargauischen Ver- rechnungspraxis siehe AGVE 2000, S. 51) im kantonalen Steuerrecht ausser Betracht fällt. Auch in den kantonalen Rechtsmittelverfahren vor Verwaltungsjustizbehörden im Anwendungsbereich des DBG (Art. 144 Abs. 4 DBG i.V.m. Art. 64 Abs. 1 - 3 VwVG) wird den Bundesbehörden (wie auch anderen Behörden) in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen (so auch Felix Richner/Walter Frei/Stefan Kaufmann/Hans Ulrich Meuter, Handkommentar zum DBG, 2. Auflage, Zürich 2009, Art. 144 N 44). Obsiegt - wie hier - die vertretene steuerpflichtige Person, ist zu entscheiden, wer als unterliegende Partei anzusehen ist und wem somit die Parteientschädigung auferlegt wird (bzw. nach der Termi- nologie im VRPG und DBG: die Parteikosten auferlegt werden). Diesen Fall regelt weder § 189 Abs. 2 StG noch § 32 Abs. 2 VRPG ausdrücklich. Da in Verfahren betreffend Kantons- und Gemeinde- steuern die infrage stehenden Steuern sowohl dem Kanton als auch der Gemeinde zustehen, dem KStA gemäss § 161 StG eine weitge- hende Aufsicht bei den an die Veranlagungsbehörden der Gemeinden delegierten Veranlagungen zukommt und ein kantonaler Steu- erkommissär in der kommunalen Steuerkommission Einsitz nimmt (§ 164 Abs. 2 StG), rechtfertigt es sich in der Regel, bei den von den kommunalen Steuerkommissionen veranlagten Steuern sowohl den Kanton als auch die Gemeinde als unterliegende Partei zu betrachten und die Parteientschädigung grundsätzlich je zur Hälfte dem für den Kanton handelnden KStA und dem für die Gemeinde handelnden Gemeinderat aufzuerlegen. Dementsprechend haben das KStA und der Gemeinderat W. die Beschwerdeführer für das rekurs- und verwaltungsgerichtliche Ver- fahren anteilsmässig zu je 50 % zu entschädigen.
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2003 Sozialhilfe 283 VIII. Sozialhilfe 65 Auflage, eine preisgünstigere Wohnung zu beziehen. - Was ist bei Krankheit/Behinderung eine zumutbare Wohnung? Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 10. September 2003 in Sachen M.M. gegen Entscheid des Regierungsrats. Aus den Erwägungen e) aa) Es ist zweifellos sachgerecht und mit dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit im Einklang, im Fall übermässig hoher Mietkosten die Zusprechung von Sozialhilfe mit der Auflage zu ver- binden, eine günstigere Wohnung zu suchen, andernfalls entspre- chende Kürzungen bei den Wohnkosten vorgenommen werden (vgl. auch AGVE 1993, S. 619). In diesem Sinne sehen auch die Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe vom 18. September 1997 (SKOS-Richtlinien) vor, dass überhöhte Wohn- kosten nur so lange zu übernehmen sind, bis eine zumutbare günsti- gere Lösung zur Verfügung steht. Die üblichen Kündigungsbedin- gungen sind in der Regel zu berücksichtigen. Bevor der Umzug in eine günstigere Wohnung verlangt wird, ist jedoch die Situation im Einzelfall zu prüfen. Insbesondere sind die Grösse und Zusammen- setzung der Familie, eine allfällige Verwurzelung an einem be- stimmten Ort, das Alter und die Gesundheit der betroffenen Person sowie der Grad ihrer sozialen Integration zu berücksichtigen (siehe SKOS-Richtlinien, Kapitel B.3). Auf den vorliegenden Fall übertra- gen bedeutet dies, dass die in Frage stehende Auflage dann zu Recht erfolgte, wenn der gegenwärtige Mietzins von monatlich Fr. 1'270.-- gemessen an den legitimen Interessen des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau überhöht und der Wohnungswechsel zumutbar ist sowie die allgemeine Wohnungsmarktsituation tatsächlich den Um- 2003 Verwaltungsgericht 284 zug in eine angemessene, günstigere Wohnung zulässt (siehe AGVE 1993, S. 619). bb) (...) cc) Der Gemeinderat erachtete den monatlichen Mietzins von Fr. 1'270.-- für einen Zweipersonen-Haushalt als übersetzt. Zu die- sem Schluss kam er offenbar auf Grund eines quantitativen Ver- gleichs mit den Mietkosten anderer Sozialhilfebezüger in Zweiper- sonen-Haushalten (Beschluss vom 24. Juni 2002, S. 3). Die konkrete Situation des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau fand keine er- kennbare Berücksichtigung. Der Beschwerdeführer machte schon im Gesuchsverfahren wie- derholt geltend - und belegte dies mit ärztlichen Zeugnissen -, dass er und seine Ehefrau unter massiven gesundheitlichen Gebrechen litten, die beider Bewegungsfreiheit und nur schon die Fähigkeit zur Bewe- gung an sich signifikant einschränkten, was die Ansprüche an Lage und Grösse der Wohnung erheblich beeinflusse. Dass diese Ausfüh- rungen geeignet sind, den Kreis der in Frage kommenden Wohnun- gen stark einzuschränken und besonders preisgünstige Wohnungen eher auszuschliessen, liegt auf der Hand. Damit verknüpft ist die Frage der Gewährleistung einer gewissen Mobilität zur Erledigung grundlegendster Bedürfnisse für den Beschwerdeführer und seine Ehefrau - und der Tragung der entsprechenden Kosten -, sollte eine Wohnung mit einem Mietzins in der vom Gemeinderat geforderten Bandbreite nicht genügend nahe bei einer Einkaufsmöglichkeit für Artikel des täglichen Bedarfs zu finden sein. Der Gemeinderat hat sich - angesichts der vorgelegten ärztli- chen Zeugnisse zweifellos zu Recht - nicht auf den Standpunkt ge- stellt, er erachte die massive Einschränkung der Bewegungsfreiheit des Beschwerdeführers und dessen Ehefrau mit entsprechend er- höhten Anforderungen an eine zumutbare Wohnung als unglaubhaft oder irrelevant. Also hätte er darlegen müssen, welche Anforderun- gen (Lage, Grösse bzw. Anzahl der Zimmer) er für gerechtfertigt erachtete, denn erst auf dieser Grundlage wäre es möglich gewesen, den ortsüblichen Rahmen des Mietzinses für eine konkret überhaupt in Frage kommende Wohnung zu bestimmen, zumal davon ausge- gangen wurde, dass der Beschwerdeführer "vorübergehend" ohne 2003 Sozialhilfe 285 eigenes Motorfahrzeug auskommen müsse (Beschluss vom 24. Juni 2002, S. 4). Es fehlt demzufolge an einer ausreichenden Begründung für Ziff. 2 dieses Beschlusses.
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2000 Submissionen 267 VIII. Submissionen 66 Einordnung des Studienauftrags ins Gefüge der submissionsrechtlichen Verfahren. - Auch beim Studienauftrag müssen die Zuschlagskriterien, anhand derer die Studien beurteilt werden, in der Reihenfolge ihrer Bedeu- tung im Voraus bekannt gegeben werden (Erw. 3/c/cc). - Uneingeschränkte Geltung der für das Vergabewesen fundamentalen Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung bzw. Nicht- diskriminierung der Teilnehmenden (Erw. 3/c/cc). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 18. Januar 2000 in Sachen S.-S.-B. gegen die Verfügung des Gemeinderats Waltenschwil und der Katholischen Kirchgemeinde Waltenschwil . Aus den Erwägungen 3. a) Der angefochtenen Verfügung vom 4. November 1999 liegt im Wesentlichen der folgende Sachverhalt zugrunde: Gemäss der öffentlichen Ausschreibung war ein Verfahren mit zwei Stufen vorgesehen. Als teilnahmeberechtigt erklärt wurden Architekturbüros, die ,,im Einzugsgebiet von Waltenschwil ihren Ge- schäftssitz haben", ,,im öffentlichen Bau vertraut sind (Referenzob- jekte)", und ,,die eine kurze Projekt- und Bauphase planen und durchführen können". In einem ersten, als selektives Verfahren bezeichneten Schritt sollten aus den bis zum 10. September 1999 eingegangenen Bewerbungen anhand der genannten Kriterien ma- ximal acht Architekturbüros bestimmt und zur Erarbeitung einer Kurzstudie in Skizzenform eingeladen werden. Die Kurzstudien wa- ren bis zum 15. Oktober 1999 einzureichen. In einem zweiten Schritt sollte die Wettbewerbskommission dann aufgrund der Kurzstudien maximal drei Architekturbüros für die Ausarbeitung eines definitiven 2000 Verwaltungsgericht 268 Studienauftrags nach SIA 102.10 (Vorprojekt) auswählen. Diese drei Studien sollten mit je Fr. 5'000.-- entschädigt werden. In der Folge reichten neun Interessenten ihre Bewerbung ein; alle Bewerber wurden zum weiteren Verfahren zugelassen. Am 21. September 1999 fand eine Besprechung mit Besichtigung des Baugrundstücks statt, und den Bewerbern wurden die Unterlagen ,,Studienauftrag für den Gemeindesaal Waltenschwil" ausgehändigt. Mit Schreiben des Gemeinderats vom 23. September 1999 wurden die Bewerber aufgefordert, die Projektstudie bis zum 15. Oktober 1999 anonym (mit Fantasiekennwort) einzureichen. Es gingen schliesslich neun Studien ein (Licht und Luft, Luise, Finale, Futu- rum, Ondenue und Obenabe, Zweierlei, Waag, Harmonie, Synergie). Aufgrund einer ersten summarischen Beurteilung wurde neben den Projektstudien Synergie und Luise auch die Studie Licht und Luft der Beschwerdeführer ausgeschieden, weil das Gesamtkonzept (Einpas- sung ins Ortsbild, optisches Erscheinungsbild, Funktionalität, etc.) nicht den Vorstellungen der Bauherrschaft entsprach. Die verblei- benden sechs Projekte wurden einer detaillierten Bewertung anhand eines ,,Kriterienkatalogs" unterzogen. Diese Bewertung ergab die folgende Rangfolge: Rang Projektstudie Punkte 1 Harmonie 218 2 WAAG 185 3 Zweierlei 183 (...) Aufgrund des deutlichen Vorsprungs des Projekts ,,Harmonie" beschloss die Wettbewerbskommission, nur dieses Projekt, das be- züglich der Aspekte Wirtschaftlichkeit und Raumprogramm ihren Vorstellungen entsprach, weiterbearbeiten zu lassen. Die übrigen Projekte wären nach Angabe der Vergabestelle nur unter wesentli- 2000 Submissionen 269 chen Projektänderungen für eine Weiterbearbeitung in Frage ge- kommen. b) Die Beschwerdeführer machen geltend, bei der Besichtigung sei betont worden, dass für die Stufe 1 des Verfahrens Ideenskizzen genügen würden. Nach dem Beurteilungsblatt sei aber mindestens ein Vorprojekt (Stufe 2) nötig gewesen. Dieses Vorgehen der Wett- bewerbsveranstalter verstosse gegen Treu und Glauben, da die Teil- nehmer der Stufe 1 nicht über die wechselnden Beurteilungskriterien informiert worden seien. c) aa) Öffentlich ausgeschrieben war vorliegendenfalls die Ver- gabe eines Studienauftrags an mehrere Architekten nach Art. 10 der SIA-Ordnung 102 (Ordnung für Leistungen und Honorare der Ar- chitekten). Der Studienauftrag wird im Anhang 2 Ziff. 13 zum Sub- missionsdekret definiert als ,,Vergabe identischer Aufträge an meh- rere Anbieter zwecks Erarbeitung von Lösungsvorschlägen" (vgl. ebenso Anhang 1 Ziff. 13 VoeB; Simon Ulrich, Öffentliche Aufträge an Architekten und Ingenieure unter besonderer Berücksichtigung des Bundesrechts, in: Alfred Koller (Hrsg.), Baurecht und Baupro- zessrecht, Ausgewählte Fragen, St. Gallen 1996, S. 142 f., 165 f.). Bei einem Studienauftrag erarbeiten mehrere Architekten oder Inge- nieure gleichzeitig, d. h. in Konkurrenz, einen Lösungsvorschlag; dies zumeist in der Hoffnung, einen Folgeauftrag für das ganze Pro- jekt zu erhalten (Ulrich, Öffentliche Aufträge, S. 142). Der Studien- auftrag bietet nach S IMON U LRICH dem Auftraggeber die Möglich- keit, für die durch Werkvertrag mit den einzelnen Planern abge- schlossenen Planungsaufträge nicht den vollen, sondern einen redu- zierten Preis bezahlen zu müssen. Diese Reduktion rechtfertigt sich insbesondere dann, wenn jeder durch einen Studienauftrag ver- pflichtete Architekt oder Ingenieur eine gewisse Chance hat, dass ihm ein Folgeauftrag erteilt wird. Diese Chance reduziert diesfalls den Lohn, den der einzelne Planer für sein Werk verlangt. Da sich somit der Lohn aller beteiligter Planer reduziert, wird die Vergabe für denjenigen Auftraggeber ökonomisch interessant, der zwar eine 2000 Verwaltungsgericht 270 kleine Auswahl von verschiedenen Projekten wünscht, aber weder den vollen Preis für diese Werke bezahlen, noch die Entscheidungs- freiheit bezüglich der Auftragsvergabe aus der Hand geben will (Ulrich, Öffentliche Aufträge, S. 165 f.; vgl. auch SIA-Ordnung 142 [Ausgabe 1998]: Ordnung für Architektur- und Ingenieurwettbe- werbe, insbesondere Anhang Studienauftrag; Simon Ulrich, Die neue SIA-Ordnung 142 für Architektur- und Ingenieurwettbewerbe, in: Aktuelle Juristische Praxis [AJP] 1999, S. 244 f.). bb) Es fragt sich, wie der (entgeltliche) Studienauftrag ins Ge- füge der submissionsrechtlichen Verfahren einzuordnen ist. Während beim offenen Verfahren jedermann ein Angebot einreichen kann (§ 7 Abs. 1 SubmD), können beim selektiven Verfahren alle interessierten Anbieter zunächst (nur) einen Antrag auf Teilnahme einreichen. Alsdann ermittelt der Auftraggeber aufgrund der Eignung der teilnahmewilligen Anbieter diejenigen, die ein Angebot einreichen dürfen. Damit erweist sich das selektive Verfahren als ein zweistufi- ges Verfahren: In einem ersten Schritt erfolgt der Nachweis (bzw. die Abklärung) der Eignung (sog. Präqualifikation), erst in einem zwei- ten Schritt die Angebotseinreichung (bzw. die Beurteilung der Ange- bote) und die Erteilung des Zuschlags (zum Ganzen: Peter Galli / Daniel Lehmann / Peter Rechsteiner, Das öffentliche Beschaffungs- wesen in der Schweiz, Zürich 1996, Rzn. 152 f., 155). Beim Studien- auftrag erfolgt in der Regel ebenfalls eine Selektionierung, indem sich die teilnahmewilligen Architekten oder Ingenieure zunächst um die zu vergebenden Aufträge bewerben. Die Vergabestelle hat dann den Präqualifikationsentscheid zu fällen und gestützt darauf mit den selektionierten Bewerbern separate Werkverträge abzuschliessen (vgl. Peter Gauch, Der Werkvertrag, 4. Auflage 1996, S. 16 Rz. 49 mit Hinweisen), d. h. diese sind berechtigt und verpflichtet, gegen Entgelt (Werklohn) eine Projektstudie einzureichen. Ein definitiver Zuschlag für den zu vergebenden Projektierungsauftrag wird in diesem Zeitpunkt aber noch nicht erteilt, sondern die Abgabe der (entschädigungsberechtigten) Projektstudien lässt sich eher gleich- 2000 Submissionen 271 setzen mit dem Einreichen der Unternehmerofferten im normalen selektiven oder auch offenen Verfahren mit dem Unterschied, dass dort die Ausarbeitung der Angebote in der Regel ohne Vergütung erfolgt (§ 14 Abs. 2 SubmD). Die Projektstudien sind alsdann anhand der von der Vergabestelle ausgewählten Kriterien zu beurteilen, und das siegreiche Projekt erhält schliesslich den Zuschlag in dem Sinne, dass der betreffende Anbieter direkt mit der eigentlichen Pro- jektierung und allenfalls auch der Ausführung beauftragt wird. In diesem Sinne wird auch von einem mehrstufigen Vergabeverfahren gesprochen (Ulrich, a.a.O., S. 144). Erst die Empfehlung zur Weiter- bearbeitung eines Projekts bildet dabei den ordnungsgemässen Ab- schluss des bezüglich des Studienauftrags durchgeführten selektiven Submissionsverfahrens; es handelt sich damit um den Zuschlag (vgl. den erwähnten VGE III/123 in Sachen J., S. 12). cc) Gemäss § 18 Abs. 1 SubmD erhält das wirtschaftlich gün- stigste Angebot den Zuschlag. Kriterien zur Ermittlung des wirt- schaftlich günstigsten Angebots sind insbesondere Qualität, Preis, Erfahrung, Innovation, Termin, Garantie- und Unterhaltsleistungen, Betriebs- und Unterhaltskosten, technischer Wert, Zweckmässigkeit, Ästhetik, Umweltverträglichkeit, Kundendienst, gerechte Abwechs- lung und Verteilung; als Kriterium kann auch die Ausbildung von Lehrlingen berücksichtigt werden (§ 18 Abs. 2 SubmD). Die von der Vergabebehörde ausgewählten Zuschlagskriterien sind in der Reihenfolge ihrer Bedeutung in den Ausschreibungsunterlagen auf- zuführen (§ 18 Abs. 3 SubmD). Klar ist, dass sich die in § 18 Abs. 1 SubmD genannten Zuschlagskriterien nicht unbesehen auf die Ver- gabe von Architekturaufträgen, Architekturwettbewerben (Ideen- und Projektwettbewerbe) und dergleichen oder - wie hier - Studien- aufträgen übertragen lassen. Für eine objektive Beurteilung der ein- zelnen Beiträge müssen indessen auch hier Zuschlagskriterien festgelegt werden, und die Grundsätze der Transparenz des Wettbe- werbs und der chancengleichen und nichtdiskriminierenden Be- handlung der Teilnehmenden erfordern es, dass die Kriterien, anhand 2000 Verwaltungsgericht 272 derer die Studien beurteilt werden, in der Reihenfolge ihrer Bedeu- tung im Voraus bekannt gegeben werden. So sieht im Bundesrecht der Anhang 6 VoeB, der die Ausschreibung von Wettbewerben regelt, in Ziffer 7 ausdrücklich vor, dass die Ausschreibung die ,,anzu- wendenden Zuschlagskriterien" enthalten muss (vgl. die Verweisung auf die Bestimmungen des Bundesrechts in § 9 SubmD). Auch die SIA-Ordnung 142 verlangt für die Durchführung eines Architektur- wettbewerbs, dass das Wettbewerbsprogramm die Beurteilungskrite- rien enthalten muss (Art. 13.3 lit. u). Der Studienauftrag unter meh- reren Auftragnehmern ist zwar nicht mit einem Architektur- oder Planungswettbewerb identisch, sondern es handelt sich um eine eigenständige Form der Konkurrenz; er kann sich bei entsprechender Ausgestaltung (z. B. Einführung einer Expertenjury, Anonymität des Verfahrens, ,,In-Aussicht-stellen" eines Folgeauftrags für den besten Entwurf) einem solchen aber weitgehend annähern. Die massgebenden Vorschriften lassen sich daher zumindest sinngemäss auch für Studienaufträge berücksichtigen (vgl. auch SIA-Ordnung 142, Anhang Studienauftrag), und die für das öffentliche Vergabewe- sen fundamentalen Grundsätze der Transparenz und der Gleichbe- handlung bzw. Nichtdiskriminierung der Teilnehmenden müssen auch hier uneingeschränkt gelten; die Vergabestelle darf trotz des ihr zustehenden grossen Ermessensspielraums dieses Ermessen nicht überschreiten oder sogar willkürlich vorgehen. Dies gilt für die Ver- gabe von Studienaufträgen ganz allgemein und für die Bewertung der einzelnen Beiträge im Besonderen. Letztere muss in jedem Fall überprüfbar sein; dies ist nur möglich, wenn die massgebenden Be- urteilungskriterien zum Voraus festgelegt sind und den Konkurrenten auch bekannt gegeben werden. dd) Die Vergabestelle ging in der öffentlichen Ausschreibung wie gesagt von einem zweistufigen Verfahren aus. Auf einer ersten Stufe sollte ein selektives Verfahren stattfinden, indem aus den ein- gegangenen Bewerbungen aufgrund der Zulassungskriterien acht Konkurrenten bestimmt werden sollten, die eine Kurzstudie einrei- 2000 Submissionen 273 chen konnten. Auf einer zweiten Stufe sollte dann aufgrund einer Bewertung der Kurz- oder Vorstudien die Vergabe der Studienauf- träge erfolgen. Bei richtiger Betrachtungsweise handelt es sich aller- dings beim öffentlich ausgeschriebenen Verfahren um ein dreistufi- ges Verfahren: Zunächst erfolgt eine Präqualifikation der Bewerber aufgrund der ihnen in der Ausschreibung bekannt gegebenen Eig- nungskriterien. Anschliessend haben die selektionierten Bewerber eine (als Studienauftrag bezeichnete) Kurzstudie mit Planunterla- gen - einzureichen sind Skizzen (Grundrisse und Fassaden und ev. zum Verständnis notwendige Schnitte) sowie eine Kostenschätzung (BKP 1, 2, 3, 4 und 5) mit einer Genauigkeit von +/- 20% - zu er- stellen, aufgrund derer dann über die definitive Vergabe der (ent- geltlichen) Studienaufträge entschieden wird. Es stellt sich die Frage, ob die mittlere Phase (Kurzstudie) noch zum Präqualifikations- verfahren zu zählen ist oder bereits Bestandteil des Zuschlags- verfahrens bildet. Dies hängt davon ab, ob man den Zuschlag bzw. die Zuschläge bereits in der Vergabe der drei Studienaufträge erblickt oder aber erst in der Vergabe des eigentlichen Projektierungsauftrags mittels der Empfehlung des siegreichen Studienauftrags zur Weiter- bearbeitung. Letzteres dürfte die Regel sein (vgl. Erw. c/bb hievor). Im vorliegenden Fall ist es indessen angesichts der Vorgehensweise der Vergabestelle ebenfalls denkbar, von einem zweistufigen Zu- schlagsverfahren, bestehend aus der Erteilung des Zuschlags für die drei entgeltlichen Studienaufträge aufgrund der Kurzstudien einer- seits und aus der Erteilung des Zuschlags für den eigentlichen Pro- jektierungsauftrag aufgrund der Studienaufträge anderseits, auszu- gehen; dies aus folgenden Gründen: Die Präqualifikation der Interes- senten ist vorliegendenfalls klarerweise aufgrund der Bewerbungen anhand der in der öffentlichen Ausschreibung bekannt gegebenen Eignungskriterien erfolgt. Es dürfte indessen zulässig sein, im Rah- men eines Präqualifikationsverfahrens für Architekturleistungen und dergleichen auch eine sogenannte Ideenskizze als objektspezifischen, das heisst auf den konkreten Auftrag bezogenen, Eignungsnachweis 2000 Verwaltungsgericht 274 zu verlangen (bejahend Art. 7.3 der SIA-Ordnung 142; Ulrich, SIA- Ordnung 142, S. 250 und Anm. 46; offengelassen im Entscheid der Eidgenössischen Rekurskommission für das öffentliche Beschaf- fungswesen vom 13. Juni 1997 in Sachen M. [zitiert in: Peter Galli, Rechtsprechung der Eidgenössischen Rekurskommission für das öffentliche Beschaffungswesen, in: Nicolas Michel / Roger Zäch (Hrsg.), Submissionswesen im Binnenmarkt Schweiz, Erste prakti- sche Erfahrungen und Entwicklungen, Zürich 1998, S. 117 f.]). Unter einer sogenannten Skizzenselektion wird eine Präqualifikation ver- standen, bei der die anonym eingereichten Ideenskizzen, z. B. Handskizzen einer Frontansicht, eines Gebäudeumrisses oder einer besonders schwierigen Detailplanungsfrage etc., begutachtet und rangiert werden (Ulrich, Öffentliche Aufträge, S. 151 Anm. 89). Die Erstellung der vorliegendenfalls verlangten Kurz- bzw. Vorstudien - so wie in den Unterlagen ,,Studienauftrag" ausgeschrieben - geht dagegen schon umfangmässig deutlich über eine blosse Ideenskizze und damit über eine Eignungsprüfung hinaus, war doch nebst mehre- ren Skizzen auch eine Kostenschätzung einzureichen. Dass mehr als eine blosse Ideenskizze einzureichen war, ergibt sich im Übrigen auch aus dem detaillierten ,,Bewertungsblatt Projekte Gemeinde- saal". Insofern erscheint die Auffassung der Beschwerdeführer, auf der Stufe 1 habe eine Skizzenselektion stattgefunden, unzutreffend. Bereits auf dieser Stufe wurde, was nach fachrichterlicher Ansicht durchaus unüblich ist, eine umfassende Lösung in Skizzenform ver- langt, wenn auch noch kein eigentliches Vorprojekt (vgl. dazu Art. 4.1 der SIA-Ordnung 102). Letztlich ist die Frage der Zuord- nung der Verfahrensstufe ,,Kurzstudie" aber nicht von ausschlag- gebender Bedeutung; entscheidend ist vielmehr, dass die Beurteilung der Kurzstudien anhand von zum Voraus definierten Kriterien erfolgen muss (vgl. Erw. d/cc hienach). d) aa) Die Vergabestelle hat entgegen der Ausschreibung die Zahl der zur Kurzstudie zugelassenen Bewerber nicht auf die an- gekündigten maximal acht beschränkt, sondern alle neun Interes- 2000 Submissionen 275 senten als aufgrund der ausgeschriebenen Kriterien geeignet erachtet. Dies wird von der Beschwerdeführerin nicht angefochten, weshalb offen bleiben kann, ob eine derartige von den Vorgaben in der Ausschreibung abweichende Erweiterung des Bewerberkreises ohne Weiteres zulässig ist. Immerhin mindert sich durch den zusätzlichen Konkurrenten die Chance des einzelnen Anbieters auf den Erhalt eines der zu vergebenden Studienaufträge. Im Hinblick auf das in Art. 3 in Verbindung mit Art. 5 BGBM enthaltene Verbot der Benachteiligung ortsfremder Anbietender und das in § 1 Abs. 1 SubmD statuierte Diskriminierungsverbot erweist sich das Erfordernis des Geschäftssitzes im Einzugsgebiet von Wal- tenschwil für die Teilnahme am Wettbewerb als klar unzulässig (vgl. auch Art. 6.2 der SIA-Ordnung 142; dazu Ulrich, SIA-Ordnung 142, S. 250); der Verstoss gegen das Binnenmarktgesetz wird indessen ebenfalls nicht gerügt. bb) Die Beschwerdeführer beanstanden jedoch, dass die Stufe 2 des Wettbewerbs nicht durchgeführt worden sei und nur ein Projekt weiterbearbeitet werde. Die Vergabestelle macht unter Hinweis auf die Ausschreibung bzw. die Ausschreibungsunterlagen geltend, sie sei klarerweise befugt gewesen, auch nur einen Studienauftrag zu vergeben. Die öffentliche Ausschreibung hält diesbezüglich fest: ,,Die Wettbewerbskommission entscheidet sich für max. drei Archi- tekturbüros zur weiteren Bearbeitung". Die Publikation ist indessen insofern missverständlich, als im Rahmen der Beschreibung der zweiten Stufe ausgeführt wird, es würden ,,drei Architekturbüros zum definitiven Studienauftrag (...) eingeladen", ohne dass auf die Möglichkeit, weniger als drei Teilnehmer zu berücksichtigen, hinge- wiesen wurde. Die Unterlagen zum Studienauftrag bestimmen in Ziffer 5.2 Folgendes: ,,Grundsätzlich ist die Kommission frei in der Wahl von max. drei ein- gereichten Projektstudien zur Weiterbearbeitung. Grundsätzlich ist es mög- lich, dass kein Auftrag vergeben wird." Und Ziffer 6 lautet: 2000 Verwaltungsgericht 276 ,,Die max. 3 Architekturbüros, die zur Weiterbearbeitung eines detail- lierten, mit Kostenberechnung und genauen Honorarforderungen ausge- statteten Vorprojektes ausgewählt werden, erhalten eine Entschädigung von Fr. 5'000.-- (inkl. MWST). Beim Siegerobjekt wird diese Zahlung als Akontozahlung angerechnet." Aus dem Wortlaut sowohl der öffentlichen Ausschreibung als auch der Ausschreibungsunterlagen können die Teilnehmer am Wett- bewerb grundsätzlich keinen Anspruch auf die Vergabe von drei Studienaufträgen herleiten. Insoweit ist der Vergabestelle beizu- pflichten. Gemäss dem systematisch zu interpretierenden Wortlaut bleibt die Beschränkung auf die Weiterbearbeitung auch nur einer Kurzstudie oder sogar der gänzliche Verzicht auf eine Auftragsver- gabe vorbehalten. Eine Beschränkung oder gar ein Verzicht stehen nun aber nicht im Belieben der Vergabestelle. Grundsätzlich ist die Vergabe von drei Studienaufträgen öffentlich ausgeschrieben wor- den, daran ist die Vergabestelle gebunden. Der Verzicht auf die zweite, bzw. hier dritte, Stufe des Evaluationsverfahrens kann daher trotz des Hinweises auf diese Möglichkeit grundsätzlich nur beim Vorliegen sachlich haltbarer Gründe zulässig sein; andernfalls han- delt die Vergabestelle willkürlich und verstösst gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Ein haltbarer Grund könnte darin bestehen, dass sämtliche eingereichten Kurzstudien den Vorstellungen der Vergabestelle klarerweise nicht entsprechen; diesfalls hätte es wenig Sinn, sie trotzdem weiterzuverfolgen und zweckmässigerweise wird dann neu begonnen (sinngemäss Art. 23.3 der SIA-Ordnung 142; vgl. auch § 22 SubmD). Solche Fälle dürften allerdings eher selten sein. Im vorliegenden Fall entspricht nach Angaben der Vergabestelle lediglich eine Studie ihren Vorstellungen; sie weist denn auch in der Beurteilung einen deutlichen Vorsprung auf, währenddem die andern laut Vergabestelle wesentliche Projektveränderungen erfordern würden und entsprechend schlechter bewertet worden sind. Auch in einer solchen Situation kann eine vorzeitige Beendigung des Wettbewerbsverfahrens grundsätzlich vertretbar sein. Voraussetzung 2000 Submissionen 277 für eine derartige vorzeitige und den Ankündigungen in der Aus- schreibung widersprechende Beendigung ist allerdings in jedem Fall, dass sie die Konsequenz einer objektiven und transparenten Beurteilung der eingereichten Beiträge ist. Somit muss in den den Teilnehmern abgegebenen Unterlagen klar zum Ausdruck kommen, welche Gesichtspunkte für die Vergabestelle von Bedeutung sind und welches Gewicht sie ihnen zumisst. cc) Im vorliegenden Fall enthält die öffentliche Ausschreibung keine Angaben darüber, aufgrund welcher Kriterien die Beurteilung der Kurzstudien erfolgen soll. Genannt werden lediglich die Voraus- setzungen für die Teilnahmeberechtigung (vgl. Erw. a und d/aa hie- vor). In den Unterlagen zum Studienauftrag bzw. - richtigerweise - zur Kurz- oder Vorstudie zum definitiven Studienauftrag sind eben- falls keine Zuschlags- oder Beurteilungskriterien erwähnt. Wohl lässt sich der Umschreibung der Bauaufgabe entnehmen, dass eine ,,kos- tengünstige, jedoch in die Umgebung angepasste Lösung" anzustre- ben sei, dass die bestehenden Infrastrukturen der Gemeinden mit ein- zubeziehen seien, dass das neue Gebäude eine ,,möglichst gute Nut- zung für die getrennten und gemeinsamen Bedürfnisse der Einwoh- nergemeinde und Kirchgemeinde ergeben solle" oder dass in das Projekt ,,möglichst wirtschaftliche und ökologische Gesichtspunkte" einbezogen werden sollten. Und unter dem Titel ,,Zielsetzung" wer- den zwar Rahmenbedingungen genannt, nicht aber eigentliche Beur- teilungskriterien. Die genannten Vorgaben sind jedenfalls sehr offen; worauf die Vergabestelle letztlich Wert oder sogar das Schwerge- wicht legt, ist nicht erkennbar. Die Vergabestelle wollte sich hier offensichtlich bewusst nicht binden und sich die volle Entschei- dungsfreiheit bewahren. Dies ergibt sich auch aus Ziffer 5.2 des Stu- dienauftrags (,,Beurteilung"): ,,Grundsätzlich ist die Kommission frei in der Wahl von max. drei eingereichten Projektstudien zur Weiter- bearbeitung". Erst in der Vernehmlassung verweist die Vergabestelle auf Kriterien wie ,,Einpassung ins Ortsbild, optisches Erscheinungs- bild, Funktionalität etc.", die eine Rolle gespielt hätten, ohne sich 2000 Verwaltungsgericht 278 allerdings zur beigemessenen Gewichtung zu äussern. Damit gerät die Vergabestelle nun aber in Widerspruch mit den elementaren Grundsätzen des öffentlichen Beschaffungswesens. Wie bereits aus- geführt, erfordern es die Gebote der Transparenz, Chancengleichheit und Fairness, dass die Kriterien, nach denen die Beiträge bewertet werden, von Anfang an offen gelegt werden müssen; die Interessen- ten müssen sich für ihre Beiträge daran orientieren können. Die Ver- gabestelle bzw. die Wettbewerbskommission hat wohl eine punkte- mässige Bewertung der einzelnen Projekte vorgenommen. Bewertet wurden insgesamt 27 Gesichtspunkte, unter anderem die Abmes- sungen, die Raumeinteilung, die einzelnen Räume, behindertenge- rechte Bauweise, Einbezug der bestehenden Infrastruktur, Benützer- freundlichkeit der Zugänge oder der Gesamteindruck des Gebäude- kubus. Pro Gesichtspunkt gab es offensichtlich maximal 10 Punkte, das heisst total waren 270 Punkte erreichbar. Nach welchen Beurtei- lungskriterien die Punkte vergeben wurden, ist unbekannt. Die Be- urteilung der Vergabestelle, die Projektstudie ,,Harmonie" des Ar- chitekturbüros K. & K. entspreche ihren Vorstellungen am besten, ist nicht aufgrund einer nachvollziehbaren Bewertung, die auf klaren Beurteilungskriterien beruht und zudem den Bewerbern offengelegt worden ist, zustande gekommen. Selbst soweit Ansätze für Beur- teilungskriterien vorhanden sind, sind den einschlägigen Unterlagen keinerlei Hinweise auf deren Gewichtung zu entnehmen. Von einer transparenten Beurteilung der Kurzstudien kann somit nicht gespro- chen werden. Damit bestehen aber auch keine nachvollziehbaren und haltbaren Gründe für die vorzeitige Beendigung des Verfahrens bzw. den Verzicht auf die Vergabe der beiden restlichen Studienaufträge. Der Vorwurf der Beschwerdeführerin, das Vorgehen der Vergabe- stelle verstosse gegen Treu und Glauben, erweist sich als berechtigt.
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2001 Verwaltungsgericht 172 42 Ambulante Behandlung (Art. 43 StGB). - Ist nicht einzig deshalb, weil sie nur zusammen mit andern, ausser- strafrechtlichen Massnahmen (FFE) wirksam ist, als unzweckmässig einzustellen (Erw. 2-4/b). - Die Einstellung der ambulanten Behandlung wegen Unzweckmässig- keit ist nicht zulässig, bevor effektiv versucht wurde, sie durchzufüh- ren (Erw. 4/c). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 20. Juni 2001 in Sachen U.W. gegen Verfügung des Departements des Innern. Aus den Erwägungen 1. b) Erweist sich die ambulante Behandlung nach Art. 43 Abs. 1 StGB als unzweckmässig oder für andere gefährlich, so ist sie einzustellen; der Richter ordnet die Einweisung in eine Heil- oder Pflegeanstalt an, sofern der Geisteszustand des Täters eine ärztliche Behandlung oder besondere Pflege erfordert, andernfalls prüft er die Anordnung einer anderen zweckmässigeren Massnahme oder den Vollzug der Freiheitsstrafe (Art. 43 Ziff. 3 Abs. 2 und 3 StGB). Un- zweckmässig ist die ambulante Massnahme namentlich dann, wenn sie keinen Erfolg mehr verspricht (Erfolgsaussicht ist Voraussetzung für die Anordnung der Massnahme; vgl. BGE 109 IV 75 f.). Dies kann sich darin zeigen, dass der Verurteilte weiterhin delinquiert oder sich der Behandlung entzieht (BGE 109 IV 11 f.), aber auch wenn die ambulante Massnahme in dieser Form nicht (mehr) durchführbar ist, weil - namentlich bei mangelnder Kooperationsbereitschaft des Verurteilten - keine therapeutische Beziehung zustande kommt (Gün- ter Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil II: Strafen und Massnahmen, Bern 1989, § 11 Rz. 112; Ursula Frau- enfelder, Die ambulante Behandlung geistig Abnormer und Süchtiger als strafrechtliche Massnahme nach Art. 43 und 44 StGB, Diss. Zü- rich 1978, S. 223). Ob eine ambulante Behandlung als unzweckmäs- sig einzustellen sei, ist aufgrund der gesamten Umstände zu ent- scheiden (BGE 109 IV 11 f.; Stratenwerth, a.a.O., § 11 Rz. 112). 2001 Straf- und Massnahmenvollzug 173 2. Die Vorinstanz führt aus, dass die ambulante Massnahme un- zweckmässig sei, da die psychische Erkrankung des Beschwerdefüh- rers eine langfristige dauernde medikamentöse Behandlung erfor- dere. Aufgrund der fehlenden Krankheitseinsicht entziehe sich der Beschwerdeführer innerhalb von wenigen Monaten seit der Entlas- sung aus der psychiatrischen Klinik der Behandlung, was zwangsläu- fig zu einer Verschlechterung seines Zustandes, zu Verwahrlosung, Selbst- und/oder Fremdgefährdung und zur erneuten Klinikeinwei- sung mittels FFE führe. Der Beschwerdeführer macht dagegen gel- tend, dass er sich im Grossen und Ganzen an die ärztliche Behand- lung gehalten habe und in Krisensituationen mit der FFE ein adä- quates Mittel zur Verfügung stehe. Nach der Entlassung aus der Klinik habe das Wissen um das Bestehen einer strafrechtlichen Massnahme jeweils stark stützend gewirkt. Die ambulante Mass- nahme sei daher zweckmässig. Die Unzweckmässigkeit der ambulanten Massnahme wird durch die Vorinstanz also insbesondere damit begründet, dass eine regelmässige Depotmedikation unumgänglich sei, um weitere Straf- taten zu verhindern, und dass die medikamentöse Behandlung nur im stationären Vollzug sichergestellt werden könne; eine ambulante Behandlung oder die Möglichkeit, mittels FFE zu reagieren, wenn der Beschwerdeführer die Medikamente absetze, reiche dazu nicht aus. 3. Das Verwaltungsgericht hat 1998 aufgrund der Abklärungen und Erfahrungen die folgenden Sachverhaltselemente als nachgewie- sen erachtet (AGVE 1998, S. 173 f.): - Der Beschwerdeführer leidet an einer chronischen Schizo- phrenie. - Aus ärztlicher Sicht ist die Dauerbehandlung mit Neurolep- tika angezeigt. - Während der Behandlung mit Neuroleptika waren der Zu- stand und das Verhalten des Beschwerdeführers markant weniger auffällig als bei Unterbruch der medikamentösen Behandlung. - Solange die ärztliche und medikamentöse Behandlung ange- ordnet war, hielt sich der Beschwerdeführer jedenfalls in den 2001 Verwaltungsgericht 174 letzten Jahren zuverlässig daran. Er versuchte indessen im- mer wieder durch entsprechende Begehren, die Anordnung der Depotmedikation aufheben zu lassen. Hinsichtlich der ersten drei Punkte hat sich seither nichts geän- dert, zum vierten ergibt sich Folgendes. (Die Vorinstanz und die be- handelnden Ärzte gingen ab 1999 aufgrund eines Missverständnisses davon aus, es dürfe keine medikamentöse Behandlung gegen den Willen des Beschwerdeführers mehr erfolgen. In der Folge verwei- gerte er die Depotmedikation. Dies hatte die Verschlechterung seines Zustands zur Folge und führte im Jahre 2000 zweimal zur Klinik- einweisung mittels FFE.) 4. a) Die Delikte, die dem Urteil des Bezirksgerichts B. vom 25. Februar 1993 zugrunde liegen, datieren von 1990/91. Seither sind die Handlungen des Beschwerdeführers vom 4. Juli 1997 die einzi- gen erwähnenswerten Delikte mit strafrechtlichen Folgen. Dieser Vorfall darf nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Der Beschwerdeführer war damals in begreiflicher Erregung über die vorgesehene Einweisung in die PKK, was zwar das Verschulden zu mildern mag, nicht aber die objektive Gefährlichkeit, die vorliegend im Vordergrund steht. Einzig der Umstand, dass er den Polizeibeam- ten tatsächlich nicht verletzte, könnte darauf schliessen lassen, dass doch noch eine gewisse Hemmschwelle vorhanden war und er nicht mit aller Entschiedenheit zuzustechen versuchte, denn sonst wäre dies dem kräftigen Beschwerdeführer in der von den Polizeibeamten geschilderten Situation wohl gelungen. An weiteren konkreten Hinweisen, dass der Beschwerdeführer für andere gefährlich sei oder sonstwie namhafte Delikte drohen könnten, fehlt es. Die letzten Klinikeinweisungen erfolgten wegen massiver Belästigungen der unmittelbaren Umgebung, aber primär im eigenen Interesse des Beschwerdeführers, um seinen Zustand mittels Medikamenten wieder zu verbessern und ihm so erneut ein Leben ausserhalb der Klinik zu ermöglichen. Bei einer erheblichen Verschlechterung seines psychischen Zustands kann die Gefahr neuer Delikte zwar nicht ausgeschlossen werden; die Akten rechtfertigen aber kaum, von regelmässig wiederkehrender Selbst- und/oder Fremdgefährdung zu sprechen - abgesehen davon, dass für die Voll- 2001 Straf- und Massnahmenvollzug 175 zugsbehörde nur die Rückfallsgefahr, also nur Fremdgefährdung in einem weiten Sinn, massgeblich sein kann. b) Eine Beurteilung unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung neuer Delikte fällt, über die letzten 10 Jahre gesehen, recht gut aus, wenn man die psychischen Voraussetzungen, die der Beschwerdefüh- rer nun einmal mitbringt, als gegeben akzeptiert. Von einem Schei- tern der ambulanten Behandlung kann jedenfalls keine Rede sein. Die Vorinstanz scheint denn auch eher der Meinung zu sein, zum Ergebnis habe die strafrechtliche Massnahme zu wenig beigetragen und es habe jeweils der FFE bedurft, um Verschlechterungen des Zustands, wenn der Beschwerdeführer die Medikamente abgesetzt habe, zu begegnen. Indessen ist die FFE das vorgesehene Mittel, um psychisch Kranken in ihrem eigenen Interesse zu helfen, wenn weni- ger einschneidende Massnahmen keinen Erfolg versprechen (vgl. Art. 397 a Abs. 1 ZGB). Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts entspricht es dem Sinn von Art. 43 StGB, die Zweckmässigkeit (im Sinn der Deliktsverhinderung) der strafrechtlich angeordneten am- bulanten Behandlung zusammen mit den weiteren, ausserhalb des Strafrechts liegenden Behandlungs- und Eingriffsmöglichkeiten zu beurteilen. Soweit der Zweck insgesamt erreicht wird, ist auch die strafrechtliche Massnahme als Teil des ganzen Konzepts legitimiert. Ob es nötig ist, einen Teil des Erfolgs nachweisbar der strafrechtli- chen Massnahme zuzuschreiben (und, wenn ja, wie gross dieser Teil sein muss), kann im vorliegenden Fall aus den nachfolgend darzu- stellenden Gründen offen gelassen werden. c) aa) Das Bezirksgericht L. schob den Vollzug der in seinem Urteil vom 28. Januar 1999 ausgefällten Freiheitsstrafe gestützt auf Art. 43 StGB zugunsten der bereits laufenden Massnahme auf. (...) Die Auflage des Bezirksgerichts bezog sich somit auf die regel- mässige ärztliche Behandlung einschliesslich der Verabreichung von Neuroleptika-Depotspritzen . (...) Als das Departement des Innern anfangs Februar 2000 den Vollzugsauftrag für das Urteil des Be- zirksgerichts erhielt, erkannte es offenbar nicht, dass dieses bei ge- nauer Interpretation eine ambulante Massnahme mit Depotmedika- tion angeordnet hatte. (Stattdessen ging das Departement des Innern 2001 Verwaltungsgericht 176 davon aus, mit der "bereits laufenden Massnahme" sei bloss die Wei- sung zu regelmässiger ärztlicher Behandlung gemeint.) bb) Eine ambulante Massnahme kann nur dann als unwirksam bzw. ungenügend und folglich unzweckmässig bezeichnet werden, wenn die Vollzugsbehörde zuvor ernsthaft versucht hat, sie durchzu- setzen (vgl. Frauenfelder, a.a.O., S. 223). Darunter ist im konkreten Fall etwa zu verstehen, dass dem behandelnden Arzt klare Erläute- rungen über den Inhalt der angeordneten Massnahme und über seine Behandlungsbefugnisse gegeben werden und dass die Wahl des be- handelnden Arztes nicht einfach dem Beschwerdeführer überlassen, sondern nur ein Arzt akzeptiert wird, der sich ausdrücklich bereit erklärt, der Vollzugsbehörde umgehend zu melden, wenn die Be- handlung nicht mehr ordnungsgemäss verläuft. Erst wenn auch der- artige Vollzugsbemühungen ohne Erfolg bleiben, kann mit Grund argumentiert werden, die ambulante Massnahme sei wirkungs- und nutzlos. Dies gilt umso eher, als sich der Beschwerdeführer in aller Regel an klar festgesetzte und bekannt gegebene Auflagen hält. Dass er jeweils nach einer gewissen Zeit versucht, mit entsprechenden Begehren die ihm unangenehmen Auflagen loszuwerden, darf ihm nicht vorgeworfen werden, solange er den dafür rechtlich vorgesehe- nen Weg einschlägt.
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2004 Verwaltungsgericht 124 [...] 30 Allgemeine Abzüge. Gewinnungskosten bei Selbstständigerwerbenden. - Die Prämien für die (freiwillige) Unfallversicherung von Selbststän- digerwerbenden sind jedenfalls dann abziehbar, wenn besondere Unfallrisiken der Berufsausübung abzudecken sind. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 16. Dezember 2004 in Sachen R.G. gegen Steuerrekursgericht. Aus den Erwägungen 2. a) Prämien und Beiträge für die obligatorische Unfallversi- cherung sind uneingeschränkt abziehbar (§ 40 lit. f StG). Prämien für nicht obligatorische Unfallversicherungen werden demgegenüber durch die Pauschale von Fr. 4'000.-- (Verheiratete) in § 40 lit. g StG erfasst und können deshalb nicht separat abgezogen werden. Dem Obligatorium der Unfallversicherung unterstehen nur die unselbst- ständig Erwerbenden; Selbstständigerwerbende können sich aber freiwillig versichern lassen (Art. 1a, Art. 4 Abs. 1 UVG). Von daher erscheinen die Unfallversicherungsprämien von Selbstständigerwer- benden zunächst nicht abzugsfähig (vgl. dazu Markus Reich, in: Kommentar zum schweizerischen Steuerrecht, Band I/1 [StHG], 2. Auflage, Basel/Genf/München 2002, Art. 10 N 9; Daniel Aeschbach, in: Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, Band 1, 2. Auflage, Muri/Bern 2004, § 40 N 125). Trotzdem wird in der Lehre die Abzugsfähigkeit teilweise - aus Überlegungen der rechts- gleichen Behandlung - vollumfänglich bejaht (Aeschbach, a.a.O., § 40 N 125 [der zitierte RGE äussert sich aber nicht zur Unfallversicherung und belegt ausschliesslich die Nichtabzugsfähig- keit von Prämien für die Krankentaggeldversicherung]; Peter Locher, Kommentar zum DBG, I. Teil, Therwil/Basel 2001, Art. 27 N 45). Teilweise werden bestimmte Ausnahmen anerkannt, namentlich 2004 Kantonale Steuern 125 - soweit der Arbeitgeber in gleichem Umfang auch für die Prä- mien seiner Arbeitnehmer aufkommt - dies ebenfalls aus Rechtsgleichheitsgründen (Harmonisierung des Unternehmens- steuerrechts [Hrsg. Konferenz Staatlicher Steuerbeam- ter/Kommission Steuerharmonisierung], Muri/Bern 1995, S. 39; Reich, a.a.O., Art. 10 N 9; Richner/Frei/Kaufmann, Kommentar zum harmonisierten Zürcher Steuergesetz, Zürich 1999, § 27 N 8), - wenn die Berufsausübung mit besonderen Unfallrisiken ver- bunden ist und die Versicherung daher vorwiegend betrieblich bedingt erscheint - dies gestützt auf § 36 Abs. 1 StG und in Weiterführung der Rechtsprechung zum früheren Recht (AGVE 1978, S. 356 mit Hinweisen), und - mit ähnlicher Begründung - wenn erkennbar das Betriebsrisiko (Kredit- und andere Fixkosten) während einer längeren unfallbedingten Erwerbslosigkeit abgedeckt wird (Maute/Steiner/Rufener, Steuern und Versicherungen, 2. Auflage, Muri/Bern 1999, S. 223 f.; vgl. zum Ganzen auch Duss/Greter/von Ah, Die Besteuerung Selbständigerwerbender, Zürich/Basel/Genf 2004, S. 94). b) Weshalb der Anspruch auf rechtsgleiche Behandlung (Art. 8 Abs. 1 BV) dazu führen soll, dass die Unfallversicherungsprämien von Selbstständigerwerbenden vollumfänglich zum Abzug zuzulas- sen sind, wird durch die Befürworter nicht eingehend begründet, sondern einzig auf die bereits erwähnte Publikation "Harmonisierung des Unternehmenssteuerrechts" gestützt. Eine so weit gehende Ab- zugsmöglichkeit ist abzulehnen. Allenfalls liesse sich erwägen, aus Gründen der Rechtsgleichheit die Prämien der Selbstständigerwer- benden für den im Rahmen der obligatorischen Unfallversicherung maximal versicherbaren Verdienst von zur Zeit Fr. 106'800.-- im Jahr bzw. Fr. 293.-- im Tag (Art. 22 Abs. 1 UVV in der Fassung vom 28. September 1998) als abzugsfähig anzuerkennen; auf Seiten der unselbstständig Erwerbenden ist kein Sachverhalt ersichtlich, der als Basis für noch höhere Abzüge bei Selbstständigerwerbenden - auf Grundlage eines Gleichbehandlungsanspruchs - dienen könnte. Wie 2004 Verwaltungsgericht 126 sich im Folgenden zeigt, kann diese Frage vorliegend aber offen bleiben. c) Bei den erwähnten (vorne Erw. a) spezifischen Ausnahmen kann das Kriterium "besondere Unfallrisiken" namentlich bei Ein- mann-Firmen in Betracht kommen, wo eine Gleichbehandlung mit den Prämien der Arbeitnehmer aus faktischen Gründen unmöglich ist. So wird auch im angefochtenen Entscheid argumentiert: "(Abzugsfähigkeit), soweit der Abschluss einer Versicherung für den selbstständig Erwerbenden vorwiegend betrieblich bedingt ist. Das trifft insbesondere zu, wenn die Berufsausübung mit beson- deren Unfallrisiken verbunden ist und der selbstständig Erwerbende eine Unfallversicherung abschliesst, um für sich selbst die wirt- schaftlichen Folgen des Gefahreneintritts abzuwenden. Die Kosten einer solchen Versicherung sind, soweit sie für Arbeitnehmer üblich ist, Gewinnungskosten..." Nach Meinung des Verwaltungsgerichts ist es gerechtfertigt, an dieser Ausnahme weiterhin festzuhalten, da sie mit der allgemeinen Regelung der Abzugsfähigkeit geschäftsmässig begründeter Kosten (§ 36 Abs. 1 StG) in Einklang steht. Wie im Folgenden darzulegen ist, ist dieser Sachverhalt gegeben, sodass auf die anderen Ausnahmen bzw. auf die generelle Abzugsfähigkeit im Rahmen der für unselbstständig Erwerbende obligatorischen Unfallversicherung nicht näher eingegangen werden muss.
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2013 Gemeinderecht 269 IX. Gemeinderecht 44 Bestattungswesen - Im Bestattungswesen sind die Gemeinden insbesondere bei der Rege- lung von organisatorischen und finanziellen Belangen (Anlage von Friedhöfen und Gräbern, Abräumen von Gräbern, Kosten der Be- stattung) autonom. - Die Bestattungsverordnung sieht die vorzeitige Exhumierung bei Erdbestattungen explizit vor; mangels gegenteiliger Vorschrift ist auch die vorzeitige Aufhebung bzw. Verlegung von Urnengräbern zu- lässig, da sie von keiner gesundheitspolizeilichen Relevanz ist. - Dem Selbstbestimmungsrecht des Verstorbenen kommt gegenüber dem Bestimmungsrecht der hinterbliebenen Angehörigen grundsätz- lich der Vorrang zu, d.h. letzteres kommt zum Zuge, wenn keine ent- sprechenden schriftlichen oder mündlichen Anordnungen des Ver- storbenen vorliegen. Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 24. April 2013 in Sachen A. gegen Gemeinderat B. und DGS (WBE.2012.441). Aus den Erwägungen 2. 2.1. Art. 50 Abs. 1 BV gewährleistet die Gemeindeautonomie nach Massgabe des kantonalen Rechts. Gemäss § 106 Abs. 1 KV sind die Gemeinden im Rahmen von Verfassung und Gesetz befugt, sich selbst zu organisieren, ihre Behörden und Beamten zu wählen, ihre Aufgaben nach eigenem Ermessen zu erfüllen und ihre öffentlichen Sachen selbständig zu verwalten. Nach der Praxis des Bundesge- richts liegt Gemeindeautonomie dort vor, wo das kantonale Recht ei- nen Sachbereich nicht abschliessend ordnet, sondern ihn ganz oder 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 270 teilweise der Gemeinde zur Regelung überlässt und der Gemeinde dabei einen relativ erheblichen Entscheidungsspielraum einräumt (BGE 138 I 143, Erw. 3; 136 I 395, Erw. 3.2; 136 I 316, Erw. 2.1; 129 I 290, Erw. 2; AGVE 2011, S. 199; 2003, S. 470 mit Hinweisen; U LRICH H ÄFELIN /G EORG M ÜLLER /F ELIX U HLMANN , Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl., Zürich/St. Gallen 2010, Rz. 1392 mit Hinweisen). Ob und wieweit eine Gemeinde in einem gewissen Be- reich autonom ist, bestimmt sich also nach dem kantonalen Ver- fassungs- und Gesetzesrecht (BGE 129 I 410, Erw. 2 mit Hinweisen; AGVE 2011, S. 200; 2003, S. 470; H ÄFELIN /M ÜLLER /U HLMANN , a.a.O., Rz. 1393 mit Hinweisen). 2.2. Nach § 47 Abs. 1 GesG ist das Bestattungswesen Aufgabe der Gemeinden. Der Regierungsrat regelt die zur Wahrung von gesund- heitspolizeilichen Interessen erforderlichen Grundsätze (Abs. 2). Den Materialien zur Totalrevision des Gesundheitsgesetzes lässt sich ent- nehmen, dass die bisher weitergehende kantonale Regelung des Be- stattungswesens den Grundsätzen der Aufgabenteilung zwischen Kanton und Gemeinden widersprochen habe, da dieses "unbestritte- nermassen in den Zuständigkeitsbereich der Gemeinden" falle. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll den Gemeinden neben der Voll- zugs- auch eine stark erweiterte Rechtssetzungskompetenz zukom- men, welche Anpassungen und Ergänzungen in den kommunalen Friedhofreglementen erforderlich mache (vgl. Botschaft des Regie- rungsrats des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 21. Mai 2008, 08.141, S. 79). Der Regierungsrat hat in Ausführung der Umweltschutz- und Gesundheitsgesetzgebung Grundsätze des Bestattungswesens in der Bestattungsverordnung vom 11. November 2009 (Bestattungsverord- nung; SAR 371.112) geregelt. In dieser Verordnung finden sich auch Bestimmungen zur Aufhebung von Gräbern bzw. zur Grabesruhe (§ 10 Bestattungsverordnung). Ein relativ erheblicher Entscheidungsspielraum und damit Ge- meindeautonomie besteht im Bestattungswesen insbesondere bei der Regelung von organisatorischen und finanziellen Belangen (Kosten der Bestattung, Anlage von Friedhöfen und Gräbern, Abräumung von 2013 Gemeinderecht 271 Gräbern; vgl. Botschaft, a.a.O.). Bereits unter der Geltung des Gesundheitsgesetzes vom 10. November 1987 und der Bestattungs- verordnung vom 22. Januar 1990 waren die Gemeinden befugt, die Benützung der Friedhöfe anstaltspolizeilich zu ordnen und alles vor- zukehren, was sie im Rahmen der speziellen Zweckbestimmung der öffentlichen Anlage für nötig erachteten. Anerkannt war insbeson- dere, dass sie zum Erlass von Vorschriften befugt waren, welche da- zu dienen, dem Friedhof ein würdiges und harmonisches Aussehen zu geben und zu erhalten (AGVE 2001, S. 546; 1991, S. 435 je mit Hinweisen). 3. 3.1. § 16 des Bestattungs- und Friedhofreglements der Gemeinde B. regelt die Benützungsdauer der Gräber bzw. die Ruhezeit. Danach beträgt die Ruhezeit für Reihengräber für Erdbestattungen und Urnen und für Bestattungen im Urnenplatten- bzw. Gemeinschaftsgrab 25 Jahre. Das Benützungsrecht für Familiengräber beträgt 50 Jahre. Die Gräber dürfen unter Vorbehalt der gesetzlich geregelten Exhu- mation frühestens nach Ablauf von 25 Jahren geöffnet werden. Nach § 10 Abs. 1 Bestattungsverordnung beträgt die Grabes- ruhe mindestens 20 Jahre. Wird eine Urne einem Grab nachträglich beigelegt, richtet sich die Dauer der Grabesruhe nach der Erstbe- stattung. Gemäss Abs. 2 kann der Gemeinderat auf übereinstimmen- des Begehren der nächsten Angehörigen und nach vorgängiger Zu- stimmung des Amtsarztes eine vorzeitige Exhumierung bewilligen, wenn dieser keine wesentlichen Interessen entgegenstehen und eine anderweitige Bestattung der Leiche gewährleistet ist. 3.2. Das kommunale Bestattungs- und Friedhofreglement hält fest, dass Gräber grundsätzlich erst nach 25 Jahren geöffnet werden dür- fen, wobei die gesetzlich geregelte Exhumation vorbehalten wird (vgl. § 16). § 10 der kantonalen Bestattungsverordnung ermöglicht die vor- zeitige Exhumierung bei Erdbestattungen. Unter Erdbestattung im Sinne von § 7 Abs. 2 Bestattungsverordnung wird die Beisetzung ei- ner Leiche in einem zu diesem Zweck besonders hergestellten Grab 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 272 verstanden, welches wieder geschlossen wird, um durch die in der Erde enthaltene Luft und Feuchtigkeit eine allmähliche Auflösung der Leiche herbeizuführen (P ETER R EMUND , Die rechtliche Organi- sation des Bestattungswesens im Aargau, Aarau 1948, S. 112). Unter dem Begriff der Feuerbestattung im Sinne von § 7 Abs. 3 Bestattungsverordnung wird die Auflösung der Körper verstorbener Menschen durch Verbrennung und die Beisetzung der im Ver- brennungsprozess übrig gebliebenen Aschenreste zur dauernden Ru- he verstanden (R EMUND , a.a.O., S. 141 mit Hinweis). Die vorzeitige Aufhebung eines Urnengrabes zwecks Verlegung der Urne in ein neues Grab ist in der Bestattungsverordnung nicht explizit geregelt. Der kantonale Verordnungsgeber hat aber - wie bereits ausgeführt - die Möglichkeit der vorzeitigen Exhumierung der Leiche auf über- einstimmendes Begehren der Angehörigen bei Erdbestattungen vor- gesehen und die Umbettung ist bei Urnengräbern von keinerlei ge- sundheitspolizeilicher Relevanz (vgl. R EMUND , a.a.O., S. 152). Dies zeigt sich unter anderem daran, dass die Verordnung bei Feuerbe- stattungen die Beisetzung von Urnen bzw. offener Asche im Gegen- satz zu Erdbestattungen auch ausserhalb von Friedhöfen, insbe- sondere in Wäldern, Gewässern oder auf Privatgrundstücken, grund- sätzlich erlaubt (§ 7 Abs. 2 und 3 Bestattungsverordnung). Unter Be- achtung der gesundheitspolizeilichen und umweltschutzrechtlichen Zielsetzungen der Bestattungsverordnung würde es einen Wertungs- widerspruch bedeuten, die vorzeitige Aufhebung eines Urnengrabes zwecks Verlegung der Urne in ein neues Grab mit dem Argument zu verweigern, sie sei in der Bestattungsverordnung nicht vorgesehen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Verordnungsgeber die Auf- hebung von Urnengräbern bzw. die Verlegung von Urnen (still- schweigend) erlaubt hat. Der Regierungsrat hatte bereits unter der Geltung der Verordnung über das Bestattungswesen vom 9. Dezem- ber 1946, welche keine ausdrückliche Bestimmung zur Verlegung von Urnen enthielt, in einem Entscheid vom 21. März 1988 erwogen, dass unter bestimmten Voraussetzungen einem Begehren um nach- trägliche Änderung der Art oder des Ortes der Bestattung entspro- chen werden könne bzw. müsse (vgl. AGVE 1988, S. 549). Bei die- ser Gelegenheit hat der damalige Verordnungsgeber festgehalten, die 2013 Gemeinderecht 273 Beigabe der Urne in das Grab eines Familienangehörigen entspreche einem im Kanton Aargau bekannten Gebrauch (vgl. AGVE 1988, S. 552). 3.3. Weder § 16 des kommunalen Bestattungs- und Friedhofregle- ments noch § 10 Bestattungsverordnung verbieten die Verlegung ei- ner auf dem Friedhof beigesetzten Urne vor dem Ablauf der Grabes- ruhe bzw. der Ruhezeit. Das kommunale Bestattungs- und Friedhofreglement sieht zwar einerseits Familiengräber für Urnen (§ 21, Anhang Ziff. 6) wie auch die (bewilligungspflichtige) Möglichkeit der Beisetzung von Perso- nen mit auswärtigem Wohnsitz vor, wenn besondere Beziehungen zur Gemeinde bestehen (§ 9 Abs. 2). Auch die zusätzliche Urnenbei- setzung im Reihen- oder Familiengrab ist geregelt (§ 15). Indessen enthält es keine Vorschriften zur Verlegung von beigesetzten Urnen. Angesichts des Fehlens einer ausdrücklichen Bestimmung zur Verlegung von beigesetzten Urnen und in Nachachtung der ver- fassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. hierzu hinten Erw. 4.1 und 4.2) ist die analoge Anwendung von § 10 Abs. 2 Bestattungsverordnung angezeigt (zum Analogieschluss vgl. E RNST A. K RAMER , Juristische Methodenlehre, 2. Aufl., Basel/München/Wien 2005, S. 173 ff.). Beim Fehlen einer entsprechenden Regelung im kommunalen Regle- ment kann der Gemeinderat daher in analoger Anwendung von § 10 Abs. 2 Bestattungsverordnung auch bei beigesetzten Urnen dem ge- meinsamen Gesuch der nächsten Angehörigen um Verlegung stattge- ben, wenn diesem keine wesentlichen Interessen entgegenstehen und eine anderweitige (schickliche) Beisetzung der Urne gewährleistet ist. Dabei entfällt selbstredend das Erfordernis der vorgängigen Zu- stimmung des Amtsarztes (zur schicklichen Beisetzung der Aschen- reste vgl. R EMUND , a.a.O., S. 152 ff.). 4. 4.1. § 10 Abs. 2 Bestattungsverordnung ist eine "Kann-Vorschrift" und räumt dem Gemeinderat ein Ermessen ein. Darunter wird ge- meinhin ein Entscheidungsspielraum der Verwaltungsbehörden ver- standen, ein Freiraum, den der Gesetzgeber den Verwaltungsbehör- 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 274 den gewährt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Behörden in ihrer Entscheidung völlig frei sind. Die Behörden dürfen nicht willkürlich entscheiden. Sie sind vielmehr an die Verfassung gebunden und müssen daher insbesondere das Rechtsgleichheitsgebot (Art. 8 BV), das Verhältnismässigkeitsprinzip und die Pflicht zur Wahrung der öffentlichen Interessen (Art. 5 Abs. 2 BV; § 3 VRPG) befolgen. Aus- serdem sind Sinn und Zweck der gesetzlichen Ordnung auch bei Er- messensentscheiden zu beachten (pflichtgemässes Ermessen; vgl. H ÄFELIN /M ÜLLER /U HLMANN , a.a.O., Rz. 429, 441; P IERRE T SCHANNEN /U LRICH Z IMMERLI /M ARKUS M ÜLLER , Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl., Bern 2009, § 26 N 11). In seinem Entscheid hat der Gemeinderat auch die verfassungs- mässigen Rechte der verstorbenen Person sowie der Angehörigen zu beachten (vgl. hinten Erw. 4.2) und in diesem Zusammenhang insbe- sondere die für Einschränkungen von Freiheitsrechten vorgeschrie- bene Interessenabwägung zwischen den relevanten öffentlichen und privaten Interessen vorzunehmen (vgl. § 3 VRPG). 4.2. 4.2.1. Der Anspruch auf eine schickliche Beerdigung war explizit in Art. 53 Abs. 2 der (alten) Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 29. Mai 1874 (aBV) enthalten. Die schickli- che Beerdigung eines Verstorbenen wurde als ein über den Tod hi- nauswirkendes verfassungsmässiges Recht des Bürgers aufgefasst (D ETLEV C HR . D ICKE , in: Kommentar zur aBV, Basel/Zürich/Bern 1996, Band III, Art. 53 N 10). In der neuen Bundesverfassung vom 18. April 1999 ist der Anspruch auf ein schickliches Begräbnis nicht mehr ausdrücklich enthalten, ausgehend davon, dass die Garantie der Menschenwürde nach Art. 7 BV dieses Recht mit einschliesst (vgl. BGE 125 I 300, Erw. 2a; Botschaft über eine neue Bundesverfassung vom 20. November 1996, 96.091, S. 141, in: BBl 1997 I 141). 4.2.2. Neuere Lehre und Praxis gehen davon aus, dass der verfas- sungsmässige Persönlichkeitsschutz und damit auch die Bestimmung über die Beerdigungsart den Tod seines Trägers überdauern (post- mortale Fortwirkung des verfassungsmässigen Persönlichkeitsschut- 2013 Gemeinderecht 275 zes; vgl. N ICCOLO R ASELLI , Schickliche Beerdigung für "Anders- gläubige", in: AJP 1996, S. 1108; J ÖRG P AUL M ÜLLER /M ARKUS S CHEFER , Grundrechte in der Schweiz, 4. Aufl., Bern 2008, S. 162). Der altrechtliche Anspruch auf ein schickliches Begräbnis wird allgemeiner als Garantie selbstbestimmter Bestattung verstanden (D IES ., a.a.O., S. 161; vgl. demgegenüber noch: D ICKE , a.a.O., Art. 53 N 10; BGE 125 I 300, Erw. 2a mit Hinweisen, wo die Schicklichkeit als Ausdruck der Achtung gegenüber dem Leichnam verstanden wird, wozu auf die Sitte und den Ortsgebrauch abgestellt wird; R EMUND , a.a.O., S. 46, wonach die Schicklichkeit insbesonde- re erfordere, dass jeder Verstorbene ungeachtet seiner Konfession oder Religion oder anderer Umstände in einer der Achtung der Men- schenwürde entsprechenden Weise bestattet wird). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung wird das Selbst- bestimmungsrecht eines Menschen, zu Lebzeiten über seinen toten Körper zu verfügen und die Modalitäten seiner Bestattung festzule- gen durch die persönliche Freiheit nach Art. 10 Abs. 2 BV geschützt (BGE 129 I 173, Erw. 4). In der Kantonsverfassung wird das Be- stimmungsrecht über den toten Körper ebenfalls durch das Grund- recht der persönlichen Freiheit nach § 15 Abs. 1 KV gewährleistet (K URT E ICHENBERGER , Verfassung des Kantons Aargau, Textausga- be mit Kommentar, Aarau 1986, § 15 N 6). Die persönliche Freiheit schützt auch die emotionalen Bindungen der Angehörigen zu einem Verstorbenen. Kraft dieser engen Verbundenheit steht den Ange- hörigen das Recht zu, über den Leichnam des Verstorbenen zu bestimmen, die Art und den Ort der Bestattung festzulegen sowie sich gegen ungerechtfertigte Eingriffe in den toten Körper zur Wehr zu setzen (BGE 129 I 173, Erw. 2.1 mit Hinweisen). Dem Selbst- bestimmungsrecht des Verstorbenen kommt gegenüber dem Be- stimmungsrecht der hinterbliebenen Angehörigen grundsätzlich der Vorrang zu, d.h. letzteres kommt zum Zuge, wenn keine entsprechen- den schriftlichen oder mündlichen Anordnungen des Verstorbenen vorliegen (BGE 129 I 302, Erw. 1.2.3; 129 I 173, Erw. 4). 4.2.3. Dementsprechend bestimmt § 8 Abs. 1 Bestattungsverordnung, dass sich die Bestattungsart nach dem Wunsch der verstorbenen Per- 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 276 son, oder, wenn nicht feststellbar, nach dem Wunsch der nächsten, erreichbaren Angehörigen richtet (vgl. bereits AGVE 1988, S. 549). 4.2.4. Der Beschwerdeführer verlangt die Verlegung des Urnengrabes seiner vorverstorbenen Gattin nach C. (ZH), um im gemeinsamen Grab die letzte Ruhe finden zu können. Entsprechend den Ausführungen des Beschwerdeführers sind keine weiteren nahen An- gehörigen vorhanden und entspricht es dem Willen beider Partner, im gemeinsamen Urnengrab bestattet zu werden. Ein weiterer Grund sei sein abgelegener Wohnsitz: C. sei mit den öffentlichen Verkehrs- mitteln besser erreichbar. Eine Beisetzung im Reihengrab seiner Gattin auf dem Friedhof in B., wie sie entsprechend § 9 Abs. 2 i.V.m. § 15 Abs. 1 des Bestattungs- und Friedhofreglements bewilligungsfä- hig wäre, lehnt der Beschwerdeführer ab. Es sei ihm ein Anliegen, im gleichen Grab wie seine vorverstorbene Ehefrau beigesetzt zu wer- den. Seiner neuen Lebenspartnerin fehle der Bezug zu B.. Aus die- sem Grunde mache eine Bestattung dort für ihn keinen Sinn. Von der Gemeinde C. (ZH) habe er eine Grabesreservationszu- sage und die Beisetzung der Urne sei mit dem Friedhofsgärtner abge- sprochen. Diese würde auch von einem Pfarrer begleitet. Der Be- schwerdeführer erklärt sich im Weiteren bereit, die Kosten der Um- bettung zu tragen und die Grabeslücke auf dem Friedhof in B. auf eigene Kosten zu begrünen. 4.3. Der Gemeinderat hat seinen Entscheid vom 14. Mai 2012 im Wesentlichen damit begründet, dass für die vom Beschwerdeführer gewählte Bestattungsart keine frühzeitige Auflösung des Grabes vorgesehen sei. Abgestützt hat er sich dabei - wie erwähnt - auf § 16 des kommunalen Bestattungs- und Friedhofreglements. Der Gemein- derat bewillige praxisgemäss keine Ausnahmen, wobei einer "Selbst- dynamik, welche durch Sonderbewilligungen entstehen könnte", vor- gebeugt werden soll. Wie bereits festgehalten, verbietet § 16 des Reglements in Ver- bindung mit § 10 Bestattungsverordnung die Umbettung einer beige- setzten Urne nicht (vgl. vorne Erw. 3). 2013 Gemeinderecht 277 Die Vorinstanz hat zu Recht festgehalten, dass die kantonale Rechtsmittelinstanz ihr Ermessen im von der Gemeindeautonomie erfassten Bereich nicht anstelle der kommunalen Verwaltungsbe- hörde ausüben darf (vgl. BGE 138 I 143, Erw. 3.2). Entgegen den Er- wägungen im angefochtenen Entscheid des DGS stellt aber die unter- lassene Ermessensausübung durch den Gemeinderat eine Ermessens- unterschreitung dar und ist daher eine zu beanstandende Rechtsver- letzung (vgl. H ÄFELIN /M ÜLLER /U HLMANN , a.a.O., Rz. 470 f.; T SCHANNEN /Z IMMERLI /M ÜLLER , a.a.O., § 26 N 17). Da der Ge- meinderat die Umbettung der Urne als zum vornherein unzulässig er- achtet hat, ist neben der Ausübung des Ermessens auch die im Rah- men des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes vorgeschriebene Interes- senabwägung bzw. die Prüfung der Voraussetzungen eines Eingriffs in das Grundrecht der persönlichen Freiheit (vgl. vorne Erw. 4.2.2) im erstinstanzlichen Entscheid unterblieben.
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AG_VG_001
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http://agve.weblaw.ch/html//AGVE-2013-44.html
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2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 196 34 Staatsvertragsbereich; Sektorentätigkeit; Rechtsschutz - Begriff bzw. Umfang der Sektorentätigkeit. Die Beschaffung von Ganzkörperkontaminationsmonitoren für ein Kernkraftwerk gehört zur Sektorentätigkeit. - Selbst wenn eine Beschaffung nicht dem Staatsvertragsbereich untersteht, kann sich aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes ergeben, dass einem ausländischen Anbieter der Rechtsschutz auf ge- richtliche Überprüfung des Zuschlags nicht abgesprochen werden kann. Verfügung des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 21. August 2014 in Sachen A. GmbH gegen B. AG (WBE.2014.219). Sachverhalt Im Rahmen der Beurteilung eines Gesuchs um aufschiebende Wirkung (§ 26 Abs. 2 SubmD) stellte sich die Frage, ob die 2014 Submissionen 197 Beschwerdeführerin als ausländische Anbieterin überhaupt befugt ist, den Zuschlag anzufechten. Aus den Erwägungen 4. 4.1. Die Vergabestelle bringt zunächst vor, die Beschaffung sei nicht dem Staatsvertragsbereich unterstellt, weshalb die Beschwerdeführe- rin gar nicht befugt sei, den Zuschlag anzufechten. Nach Art. 8 Abs. 1 lit. c IVöB unterstehen dem Staatsvertrags- bereich Behörden sowie öffentliche und private Unternehmen, die mit ausschliesslichen oder besonderen Rechten ausgestattet sind, jeweils in den Sektoren Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie Telekommunikation für Aufträge, die sie zur Durchführung ihrer in der Schweiz ausgeübten Tätigkeit in diesen Bereichen vergeben. Dieser Bestimmung entspricht § 30 Abs. 1 SubmD. Dass es sich bei der Vergabestelle als Kernkraftwerk in der Schweiz um ein solches Sektorenunternehmen (Elektrizität) handelt, ist zu Recht nicht umstritten (vgl. Anhang I Annex 3 Ziff. II GPA; Art. 3 Abs. 2 lit. f/ii sowie Anhang IV B-Schweiz lit. b des Abkommens zwischen der schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über bestimmte Aspekte des öffentlichen Be- schaffungswesens vom 21. Juni 1999 [BilatAbk; SR 0.172.052.68]). Dem Staatsvertragsrecht sind Sektorenauftraggeber unterstellt, soweit sie einen öffentlichen Auftrag im Zusammenhang mit einer Sektorentätigkeit vergeben (vgl. Anhang I Annex 3 Note 1 GPA; Art. 3 Abs. 7 i.V.m. Anhang VIII lit. a BilatAbk; M ARTIN B EYELER , Der Geltungsanspruch des Vergaberechts, Zürich/Basel/Genf 2012, Rz. 466, 471 ff.; P ETER G ALLI /A NDRÉ M OSER /E LISABETH L ANG / M ARC S TEINER , Praxis des öffentlichen Beschaffungsrechts, 3. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2013, Rz. 168). Dabei ist der jeweili- gen Sektorentätigkeit alles zuzurechnen, was für die rechtskonforme, fachgerechte und zeitgemässe Verfolgung der Kerntätigkeiten (z.B. Herstellung von Elektrizität) direkt oder indirekt (einschliesslich: 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 198 infrastrukturell) notwendig ist. Darüber hinaus ist auch all jenes zur Sektorentätigkeit zu zählen, was nicht in diesem Sinne erforderlich, aber für die Verfolgung der Kerntätigkeit nützlich ist oder aus sonstigen Gründen (gegebenenfalls aus freier Wahl und Entschei- dung) vom Sektorenauftraggeber zwecks Unterstützung, Beför- derung oder Verbesserung der Sektorentätigkeit unternommen wird (ob die Ziele tatsächlich erreicht werden, spielt dabei keine Rolle) (B EYELER , a.a.O., Rz. 481 mit Hinweisen; G ALLI /M OSER / L ANG / S TEINER , a.a.O., Rz. 155). Die vorliegende Beschaffung von Ganz- körperkontaminationsmonitoren gehört vor diesem Hintergrund ohne Weiteres zur Sektorentätigkeit. Für die Verfolgung der Kerntätigkeit sind sie notwendig bzw. sie dienen dieser unmittelbar, da sie die öffentliche Sicherheit und den Schutz der Personen, die im Kon- trollbereich des Kernkraftwerks arbeiten, gewährleisten. Wenn in der Literatur beispielsweise selbst der Betrieb einer Kindertagesstätte, bei der die betreuten Kinder zur Hauptsache jene von Mitarbeitenden sind, zur Sektorentätigkeit gezählt werden - oder der Betrieb eines Restaurants, das primär für die im Rahmen der Sektorentätigkeit be- schäftigten Mitarbeiter durch den Sektoren-Auftraggeber bereitge- stellt oder betrieben wird (B EYELER , a.a.O., Rz. 481; G ALLI /M OSER / L ANG /S TEINER , a.a.O., Rz. 155), muss dies für die zur Beurteilung stehende Beschaffung von Ganzkörperkontaminationsmonitoren für ein Kernkraftwerk erst recht gelten. Die vorliegende Beschaffung untersteht daher dem Staatsvertragsbereich. Davon ging die Vergabestelle im Übrigen auch selber aus, führte sie für die Beschaffung doch ausdrücklich ein offenes Verfahren nach GATT/WTO-Abkommen bzw. Staatsvertrag durch. Auch wurde das Absageschreiben vom 23. Juni 2014 mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen. Es mutet eigenartig und widersprüchlich an, wenn die Vergabestelle im Beschwerdeverfahren nun plötzlich die Ansicht ver- tritt, der Auftrag unterstehe gar nicht dem Staatsvertragsbereich und könne von der Beschwerdeführerin nicht angefochten werden. Zu keinem andern Ergebnis führte im Übrigen, wenn die vorlie- gende Beschaffung nicht dem Staatsvertragsbereich (was - wie dar- gelegt - jedoch nicht der Fall ist) unterstände: Die Beschwerdeführe- rin wäre insofern zwar kein privilegierter ausländischer Bieter, d.h. 2014 Submissionen 199 so zu behandeln wie ein ausländischer Anbieter aus einem Nichtver- tragsstaat (vgl. B EYELER , a.a.O., Rz. 1440 f.). Schweizerischen Vergabestellen ist es jedoch nicht untersagt, ausländische Anbieter aus Nichtvertragsstaaten zuzulassen und ihnen einen Zuschlag zu er- teilen (Urteil des Verwaltungsgerichts Zürich vom 10. September 2012 [VB.2012.00328], Erw. 2; B EYELER , a.a.O., Rz. 1401, 1442 ff.). Soweit ein solcher Bieter durch einen schweizerische Be- schaffungsstelle zur Teilnahme zugelassen wird, stehen ihm auch die aus dem Grundsatz der Vertrauensschutzes fliessenden Rechte zu (Urteil des Verwaltungsgerichts Zürich vom 10. September 2012 [VB.2012.00328], Erw. 2; B EYELER , a.a.O., Rz. 1447 ff.). Nachdem die Beschwerdeführerin zur Teilnahme zugelassen wurde, eine Offerte einreichte, Vertreter der Vergabestelle die Produktionsstätte der Beschwerdeführerin in C. besichtigten (wo sie sich die Eigen- schaften und Charakteristika der offerierten Geräte präsentieren lies- sen), die Vergabestelle die Offerte der Beschwerdeführerin bewertete und der Beschwerdeführerin schliesslich die anderweitige Vergabe unter Beifügung einer Rechtmittelbelehrung eröffnete, wäre es mit den Grundsätzen des Vertrauensschutzes nicht vereinbar, der Be- schwerdeführerin den Rechtsschutz auf gerichtliche Überprüfung des Zuschlags auf dessen Rechtmässigkeit abzusprechen (siehe B EYELER , a.a.O., Rz. 1447, 1456).
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2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 128 21 Ausschaffungshaft; Haftzweck; Verhältnismässigkeit - Die Anordnung einer Ausschaffungshaft zur Vornahme weiterer Identitätsabklärungen ist nicht notwendig und damit unzulässig, wenn sich die inhaftierte Person den Behörden in den vergangenen elf Jahren immer zur Verfügung gehalten hat. - Mit der Anordnung einer Ausschaffungshaft darf nicht primär be- zweckt werden, den Druck auf die betroffene Person zu erhöhen und diese zu einer Verhaltensänderung zu bewegen, da dieser Haftzweck der Durchsetzungshaft vorbehalten ist. Aus dem Entscheid des Einzelrichters des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 10. August 2017, i.S. Amt für Migration und Integration gegen A. (WPR.2017.128) Aus den Erwägungen 6.4.3. Mit Blick auf die Notwendigkeit der Inhaftierung führte der Vertreter des Gesuchsgegners anlässlich der heutigen Verhandlung aus, der Gesuchsgegner sei seit elf Jahren in der Schweiz und bisher für alle Befragungen immer in seiner Unterkunft anzutreffen gewe- sen. Diese Darstellung wird seitens des Gesuchstellers zwar bestätigt, jedoch moniert, der Gesuchsgegner habe sich sonst in keiner Weise um die Feststellung seiner Identität gekümmert. Die angeordnete Haft solle dem Gesuchsgegner deutlich machen, dass es dem MIKA nun ernst sei, seine Identität festzustellen und die Wegweisung zu vollziehen. Die Haft solle unter anderem sicherstellen, dass der Ge- suchsgegner anlässlich der Befragung kooperiere. Das MIKA sei überzeugt, dass eine Identifizierung und Ausschaffung möglich sei. Nachdem der Gesuchsgegner in den letzten Jahren mehrfach problemlos ausländischen Delegationen zwecks Befragung und Iden- tifizierung zugeführt werden konnte und dazu mehrfach auch kurz- fristige Festhaltungen verfügt wurden, ist nicht ersichtlich, weshalb dies bei der nächsten Befragung nicht möglich sein sollte. Eine In- haftierung zwecks Zuführung zur Befragung durch eine ugandische 2017 Migrationsrecht 129 Delegation und spätere Ausschaffung ist damit nicht notwendig, wo- mit eine sechsmonatige Inhaftierung im Rahmen der Ausschaffungs- haft unverhältnismässig wäre. Dies auch mit Blick auf die Verhältnis- mässigkeit im engeren Sinne, da der Gesuchsgegner bereits einmal durch eine ugandische Delegation befragt und nicht anerkannt wor- den ist. Bei dieser Sachlage wäre eine Inhaftierung zum einen nur dann verhältnismässig im engeren Sinne, wenn ein Befragungstermin feststünde und die konkrete Gefahr bestünde, dass sich der Gesuchs- gegner einer Befragung entziehen wollte. Da sich der Gesuchsgegner jedoch bislang immer zur Verfügung gehalten hat, ist dies, wie be- reits ausgeführt, aktuell nicht der Fall. Anders würde sich die Situa- tion wohl dann präsentieren, wenn der Gesuchsgegner als ugan- discher Staatsangehöriger identifiziert werden würde. Im Kern bezweckt das MIKA mit der angeordneten Haft offen- sichtlich, den Druck auf den Gesuchsgegner zu erhöhen. Die Haft zielt damit auf eine Verhaltensänderung des Gesuchsgegners ab, wel- che mittels Anordnungen einer Durchsetzungshaft zu erwirken wäre. Abgesehen davon, dass keine Durchsetzungshaft beantragt wurde, könnte eine solche nicht bewilligt werden, da diese mit Bezug auf die Ausschaffungshaft nur subsidiär angeordnet werden darf, d.h. nur dann, wenn keine Ausschaffungsperspektive mehr besteht. Eine sol- che ist im vorliegenden Fall mit der Gesuchstellerin jedoch zu beja- hen, womit die Anordnung einer Durchsetzungshaft nicht zur Diskussion steht.
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2,019
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2019 Steuern und Abgaben 81 10 Grundstückschätzung Kognition des Verwaltungsgerichts (E. I./2.) Berücksichtigung einer im Zusammenhang mit der Erschliessung vorzu- nehmenden Bachöffnung (E. II./2.3.) Feststellung bundesrechtswidrig tiefer Schätzwerte (E. II./2.5.) Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 6. November 2019, in Sachen F. gegen KStA und Stadtrat Q. (WBE.2019.167). 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 82 Aus den Erwägungen I. 1. (...) 2. Bei der Überprüfung von Liegenschaftenschätzungen greift das Verwaltungsgericht nicht in das den Vorinstanzen zustehende schätzerische Ermessen ein. Die Beurteilung durch die Vorinstanzen korrigiert das Verwaltungsgericht nur dann, wenn der Schätzung ein unzutreffender Sachverhalt zugrunde gelegt wurde oder wenn aus der Verletzung von Normen (insbesondere den Bestimmungen der VBG) bzw. allgemein anerkannten Schätzungsmethoden ein gesamthaft ge- sehen unrichtiges Schätzungsergebnis resultierte (vgl. zuletzt Urteil des Verwaltungsgerichts WBE.2016.495 vom 10. Februar 2017 E. I./2. m.w.N.). II. 1. (...) 2. 2.1-2.2 (...) 2.3. 2.3.1. Das KStA und in der Folge auch die Vorinstanz sind davon aus- gegangen, dass ein Teil der Parzelle X. infolge der Bachöffnung nicht überbaubar sein wird. Dabei hat das KStA im Einspracheentscheid angenommen, dass der Landstreifen Bach eine Breite von maximal 8 m aufweisen werde, was dem üblichen Grenzabstand entspreche. Mit dieser Begründung hat das KStA für die von der Bachöffnung be- troffene Teilfläche eine Wertminderung von 50% angenommen. Die Vorinstanz hat dazu ausgeführt, dass bei einer nicht durch einen Bach eingeschränkten Überbauung ohnehin der normale Grenzabstand von 4 m (bei Berücksichtigung des Bachlaufs 8 m) zu berücksichtigen sei. Für diesen Landanteil wäre so oder so der volle Preis zu bezahlen gewesen. Bei einer Verdoppelung des üblichen Grenzabstands wegen des verlegten Bachlaufs sei es folgerichtig, den üblichen Grenzabstand von der Wertminderung in Abzug zu 2019 Steuern und Abgaben 83 bringen. Die Halbierung des Landpreises sei daher nicht zu bean- standen. Dagegen macht der Beschwerdeführer geltend, gemäss Art. 41a der GSchV sei für fliessende Gewässer mit einer Gerinnesohle von weniger als 2 m (recte 1 m) natürlicher Breite ein Gewässerraum von mindestens 11 m auszuscheiden. Angenommen worden seien ledig- lich 8 m. Die Baulinie sei somit mindestens um weitere 3 m zurück- zuversetzen. 2.3.2. Der Beschwerdeführer übersieht - wie auch bereits das KStA -, dass auf dem von ihm selbst eingereichten Plan der Ingenieurbüro Y. AG auf der Parzelle X. nicht etwa nur der auf die Seite des freizu- legenden Bachs entfallende Abstand von 4 m vorgesehen wurde, sondern ein Abstand von 6.50 m zuzüglich 1 m für die Gerinnesohle. Dies entspricht dem, was im Entwurf des Gestaltungsplans vorge- sehen ist. Im Gestaltungsplan soll danach ein Freihaltebereich Fliessgewässer definiert werden, innerhalb dessen der mutmasslich erforderliche Gewässerraum im nachfolgenden Nutzungsplanverfah- ren mittels Festlegung einer Gewässerraumzone umgesetzt werden soll. Dieser Freihaltebereich übersteigt das gesetzlich minimal Ge- forderte klar. Auf die Parzelle X. entfällt damit ein nicht überbau- barer und nur sehr beschränkt nutzbarer Abstand zum freizulegenden Bach von 6.5 m zuzüglich eines auf die Gerinnesohle entfallenden Streifens (wie auf dem Plan der Ingenieurbüro Y. AG verzeichnet). Für diese Fläche von insgesamt (840m2 + 348m2 =) 1'188 m2 trifft die von der Vorinstanz angestellte Überlegung offensichtlich zu: Zwar werden allfällige spätere Käufer von von der Parzelle X. ab- parzellierten Baulandgrundstücken diesen Teil des Grundstücks - wie bei einem zu beachtenden Grenzabstand - nicht überbauen und höchstens beschränkt nutzen können. Daraus folgt indessen nicht, dass diese Fläche, wie der Beschwerdeführer geltend macht, über- haupt keinen Verkehrswert hat. Es ist vielmehr ohne weiteres nach- vollziehbar, wenn die Vorinstanz auch für diesen Parzellenteil von einem Verkehrswert in der Höhe der Hälfte des für das ansonsten überbaubare Grundstück zu bezahlenden Preises ausgegangen ist, ist doch auch sonst infolge von Grenzabstandsvorschriften ein bisher 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 84 unüberbautes Grundstück nie vollständig überbaubar. Das ent- sprechende Vorbringen des Beschwerdeführers erweist sich daher als unbegründet. 2.4. (...) 2.5. 2.5.1. (...) 2.5.2. Abschliessend rechtfertigt sich ein allgemeiner Hinweis betref- fend die Festlegung des Steuerwerts von Grundstücken: Im vorlie- genden Fall resultiert für Zwecke der Vermögenssteuer - auch ange- sichts der erst noch herzustellenden Baureife sowie der damit ver- bundenen Beschränkungen, Landverluste und Erschliessungskosten - ein Vermögenssteuerwert von (CHF 464'100.00 / 6'314) rund CHF 74 pro m2, der auch bei angemessener Berücksichtigung des (bei unüberbautem Land naturgemäss fehlenden) Ertragswerts mit der Realität von im Kanton Aargau 2015 für Bauland zu bezahlenden Preisen nichts mehr zu tun hat. Damit hält sich im vorliegenden Fall die Besteuerung - auch unter Berücksichtigung des den Kantonen bei der Vermögenssteuer gemäss Art. 13 ff. StHG zustehenden ge- setzgeberischen Freiraums (vgl. dazu zuletzt Urteil des Bundesge- richts 2C_632/2018 vom 29. August 2019 E. 2.1) - offensichtlich nicht mehr an den dem Kanton Aargau durch das Steuerharmonisie- rungsgesetz bundesrechtlich vorgegebenen Rahmen. Hinzu kommt, dass eine solche Behandlung von Grundeigentum bei der Vermö- genssteuer zu einer offensichtlich rechtsungleichen Bevorzugung der Grundeigentümer gegenüber den Eigentümern mobiler Werte (insbe- sondere jeglicher Art von Wertschriften) führt. Es ist daher durch den Gesetzgeber ernsthaft zu prüfen, wie die systematischen Fehler, die in diesem und anderen Fällen zu offensichtlich bundesrechtswidrigen und mit der Rechtsgleichheit nicht zu vereinbarenden zu tiefen Ver- mögenssteuerwerten von Grundstücken führen (darunter insbeson- dere auch der Umstand, dass seit der auf den Stichtag 1. Mai 1998 bezogenen allgemeinen Neuschätzung im Kanton Aargau keine all- gemeine Neuschätzung mehr durchgeführt wurde), möglichst rasch behoben werden können.
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AG_VG_001
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Northwestern_Switzerland
AG_VG_001_AGVE-2019-10_2019-11-02
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2002 Submissionen 345 [...] 82 Arbeitsgemeinschaften. - Unzulässige Schlechterbewertung von Arbeitsgemeinschaften. 2002 Verwaltungsgericht 346 Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 3. Dezember 2002 in Sachen ARGE I. und Mitb. gegen Gemeinderat Niederwil. Aus den Erwägungen 5. b) aa) Die Beschwerdeführerinnen haben beim Gesichtspunkt "Interdisziplinarität ('alle Medien in einer Hand')", der im Rahmen der Qualitätsbeurteilung beim Teilkriterium "Unternehmen, Or- ganigramm" bewertet wurde, keine Punkte erhalten, weil sie als Ar- beitsgemeinschaft aufgetreten sind. Begründet wird dieser "ARGE- Abzug" damit, dass der Vergabebehörde bei der Zusammenarbeit ein grösserer Aufwand entstehe. Bei Projekten wie dem vorliegenden seien sehr viele Kontakte auf Sachbearbeiterebene nötig; die Besprechungen auf Projektleitungsstufe dienten mehr den Organi- sations- und Administrationsproblemen und den Grundsatzfragen wie System- und Datenbankkonfiguration, einheitliche Darstellung auf den Plänen, Datensicherung und -verwaltung. Bei der Eingabe der Daten ab den vorhandenen Unterlagen entstünden viele Fragen, die der Sachbearbeiter der einzelnen Medien oder Themen direkt mit den Verantwortlichen der Gemeinde besprechen und klären müsse, ohne dass der Projektleiter benötigt werde. Trotz Einsatz der modernen Kommunikations- und Projektmanagementmittel könne nicht alles ohne persönlichen Kontakt abgewickelt werden. Je grösser die Anzahl der Beteiligten an einem Projekt sei, desto grösser werde der Aufwand auf der Seite der ausschreibenden Stelle. Die Beschwerde- gegnerin weist daraufhin, dass sie im Gegensatz zu den Beschwer- deführerinnen in der Lage sei, sämtliche Bereiche des Projekts zentral an einem Ort zu erbringen. Dies sei bei der Projektrealisie- rung insofern von Vorteil als es weniger Ansprechstellen gebe und deshalb ein geringerer Aufwand für die Auftraggeberin entstehe. An- gesichts des Umstandes, dass die Interdisziplinarität bei der Projekt- realisierung objektive Vorteile habe, liege keine Diskriminierung von Arbeitsgemeinschaften vor. Die Beschwerdeführerinnen erachten den Abzug als submissi- onsrechtlich falsch und sachlich unbegründet bzw. unsachgemäss. 2002 Submissionen 347 Den Vergabebehörden stehe es frei, Arbeitsgemeinschaften nicht zuzulassen. Würden sie zugelassen, so dürften sie nicht allein des- wegen schlechter bewertet werden, zumindest dann nicht, wenn ein solcher ARGE-Abzug in den Submissionsunterlagen nicht aus- drücklich angekündigt werde. Andernfalls werde gegen das Diskri- minierungsverbot verstossen. Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, hätten sie um den Abzug gewusst, so wäre die Beschwerde- führerin 1 keine Arbeitsgemeinschaft mit der Beschwerdeführerin 2 eingegangen, sondern hätte (wahrscheinlich von dieser) die erfor- derlichen Arbeitskräfte für die Datenerfassung zugemietet. Unzuläs- sig sei es überdies, den Arbeitsgemeinschaften quasi im Sinne eines Naturgesetzes eine ineffiziente Arbeitsweise zu unterstellen. Der Zusammenschluss zu einer Arbeitsgemeinschaft führe nicht zu einer Erschwerung der Kommunikation zwischen Vergabestelle und Auf- tragnehmer. Im Organigramm der Beschwerdeführerinnen sei nur ein Projektleiter (mit den nötigen Stellvertretern) vorgesehen. bb) Die im Hinblick auf den auszuführenden Auftrag vorgese- hene Projektorganisation und der Personaleinsatz sind im Grundsatz sachgerechte Gesichtspunkte, welche die Vergabebehörde bei der Beurteilung der Qualität bewerten darf. Dass sich bei den einzelnen Angeboten Unterschiede in Bezug auf die vorgesehene Organisation ergeben, liegt auf der Hand. Bezüglich dessen, was sie im konkreten Fall als zweckmässig(st)e Organisation ansieht, kommt der Vergabe- behörde ein weiter, vom Verwaltungsgericht zu respektierender Ermessensspielraum zu. Indessen muss die Ermessensausübung in sachlich haltbarer und nachvollziehbarer Weise erfolgen. Die Verga- bebehörde ist berechtigt, in den Ausschreibungsunterlagen die Bil- dung von Arbeitsgemeinschaften ausdrücklich auszuschliessen, wenn sie solche im konkreten Fall als unzweckmässig erachtet (§ 11 Abs. 3 SubmD). Unterlässt sie dies, so sind Arbeitsgemeinschaften zulässig. Dabei muss jedes Mitglied die Bedingungen der §§ 3 und 10 SubmD erfüllen (§ 11 Abs. 3 Satz 2 SubmD). Die zugelassenen Ar- beitsgemeinschaften sind gleich zu behandeln wie die übrigen An- bieter. Dies folgt aus § 1 SubmD und dies schliesst es aus, Arbeits- gemeinschaften ungeachtet ihrer konkreten Organisation im Einzel- 2002 Verwaltungsgericht 348 fall generell und von vornherein schlechter zu bewerten als Einzel- unternehmen. Der Gemeinderat argumentiert, je grösser die Anzahl der Betei- ligten am Projekt sei, desto grösser werde der Aufwand bei der aus- schreibenden Stelle. Bei der Eingabe der Daten ab den vorhandenen Unterlagen entstünden viele Frage, die der Sachbearbeiter der ein- zelnen Medien oder Themen direkt mit den Verantwortlichen der Gemeinde besprechen und klären müsse, ohne dass der Projektleiter benötigt werde. Es seien persönliche Kontakte notwendig. Ob und in welchem Umfang derartige direkte Kontakte zwischen den Sachbe- arbeitern auf Auftragnehmer und Auftraggeber tatsächlich stattfinden und erforderlich sind (die Beschwerdeführerinnen bestreiten dies), kann offen bleiben. Diese Problematik stellt sich in gleicher Weise bei Arbeitsgemeinschaften und Einzelunternehmen. Auch die Anzahl der an einem Projekt Beteiligten hängt nicht von der Organisati- onsform ab. Wesentlich erscheint, dass die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten in Bezug auf die Ausführung des Auftrags klar festgelegt sind, und die Auftraggeberin erkennen kann, wer ihre An- sprechpartner sind. Diesen Anforderungen entspricht die Organisa- tion der Beschwerdeführerinnen. Aus ihrer Offerte, welche die in Ziff. 6.1 (Projektorganisation und Personaleinsatz) des Pflichtenhefts verlangten Angaben, namentlich die bei Arbeitsgemeinschaften verlangte kurze Beschreibung der Kompetenzregelung und der Verantwortlichkeiten enthält, geht hervor, dass die Aufgabenteilung so vorgesehen ist, dass die I. AG die Bereiche Elektrizität und Zivil- schutz bearbeiten und sämtliche Vermessungs- und Ortungsarbeiten durchführen sollte. Dem Organigramm ist in Bezug auf die Projekt- organisation zu entnehmen, dass die Projektleitung Netzinformati- onssystem bei B. (I. AG) liegt. Stellvertreter des Projektleiters sind I. (I. AG) und F. (B. AG). Die zuständigen Mitarbeiter für die Bereiche Elektrizität/Zivilschutz, Wasser und Abwasser/GEP werden namentlich aufgeführt. Die Vergabebehörde begründet ihr Vorgehen, den Beschwerdeführerinnen beim Teilkriterium "Interdisziplinarität" keine Punkte zu vergeben, denn auch nicht mit einer unzweckmäs- sigen Organisation oder Kompetenzregelung, sondern allein und ausschliesslich damit, dass die Beschwerdeführerinnen als Arbeits- 2002 Submissionen 349 gemeinschaft auftreten. Dies ist unzulässig. Demgemäss sind die Beschwerdeführerinnen beim Gesichtspunkt "Interdisziplinarität ('alle Medien in einer Hand')" des Teilkriteriums "Unternehmen, Organigramm" mit zwei Punkten zu bewerten.
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AG_VG
AG
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AG_VG_001_AGVE-2002-82_2002-12-03
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2010 Strassenverkehrsrecht 71 I. Strassenverkehrsrecht 18 Wiedererteilung des Führerausweises unter Auflagen nach vorsorglichem Führerausweisentzug. Die Auflage einer mindestens einjährigen Drogenabstinenz ist nicht ge- rechtfertigt, wenn neben dem jahrelangen, regelmässigen Konsumverhal- ten des Beschwerdeführers betreffend Cannabis in dessen Vergangenheit weitere Indizien für die Fahreignung beeinträchtigende Faktoren fehlen, und insbesondere das Gutachten keine Hinweise darauf ergibt, dass beim Beschwerdeführer von einer geringen Bereitschaft und Fähigkeit auszu- gehen ist, zuverlässig zwischen dem Drogenkonsum und der Teilnahme am Strassenverkehr zu trennen, bzw. beim Beschwerdeführer gar eine Neigung besteht, unter Substanzeinfluss zu fahren. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 12. August 2010 in Sachen Z.K. gegen den Entscheid des Departements Volkswirtschaft und In- neres (WBE.2010.192). Sachverhalt Z.K. konsumiert seit seinem 21. Lebensjahr Marihuana; zuletzt bis zu max. 10 Joints 0.6 bis 1 Gramm täglich. Bereits im Jahre 2004 war eine Anzeige gegen Z.K. wegen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz erfolgt, wobei er damals einen monatlichen Konsum von 2 Gramm Marihuana seit 2002 zu Protokoll gab. Das Strassenverkehrsamt des Kantons Aargau verfügte einen vorsorgli- chen Führerausweisentzug und ordnete eine eingehende fachärztliche Begutachtung an. Nach Vorliegen des Gutachtens (Erw. 5.2) verfügte das Strassenverkehrsamt die Wiedererteilung des Führerausweises unter der Auflage einer Drogenabstinenz unter ärztlicher Beratung und Kontrolle, wobei es festhielt, dass die Aufhebung frühestens nach einem Jahr auf ausdrücklichen ärztlichen Antrag erfolge. 2010 Verwaltungsgericht 72 Aus den Erwägungen 3. 3.1. Gemäss Art. 30 VZV kann der Führerausweis vorsorglich ent- zogen werden, wenn ernsthafte Bedenken an der Fahreignung beste- hen. Voraussetzung für einen vorsorglichen Führerausweisentzug ist gemäss der Rechtsprechung, dass der Fahrzeugführer andere Ver- kehrsteilnehmer im Vergleich zu den übrigen Fahrzeugführern in er- höhtem Masse gefährden könnte, würde er während der Verfahrens- dauer zum Verkehr zugelassen (BGE 106 Ib 115, Erw. 2b). Diese Re- gelung trägt der besonderen Interessenlage Rechnung, welche bei der Zulassung von Fahrzeugführern zum Strassenverkehr zu berücksich- tigen ist. Angesichts des grossen Gefährdungspotentials, welches dem Führen eines Motorfahrzeugs eigen ist, erlauben schon Anhalts- punkte, die den Fahrzeugführer als besonderes Risiko für die anderen Verkehrsteilnehmer erscheinen lassen und ernsthafte Bedenken an seiner Fahreignung erwecken, den vorsorglichen Ausweisentzug. Der strikte Beweis für die Fahreignung ausschliessende Um- stände ist nicht erforderlich; wäre dieser erbracht, müsste unmittelbar der Sicherungsentzug selber verfügt werden. Eine umfassende Aus- einandersetzung mit sämtlichen Gesichtspunkten, die für oder gegen einen Sicherungsentzug sprechen, brauchen erst im anschliessenden Hauptverfahren zu erfolgen (BGE 125 II 492, Erw. 2b; 122 II 359, Erw. 3a mit Hinweisen). Falls die erforderlichen Abklärungen also nicht der Dringlichkeit entsprechend rasch und abschliessend getrof- fen werden können, soll der Ausweis bis zum Sachentscheid vorläu- fig entzogen werden können (BGE 122 II 359, Erw. 3a; 125 II 492, Erw. 2b). Die Wiedererteilung des Führerausweises wird vom günsti- gen Ausgang einer fachärztlichen Untersuchung abhängig gemacht. 3.2. Es ist im Rahmen der Verhältnismässigkeit nach den verwal- tungsrechtlichen Grundsätzen stets zulässig, aus besonderen Gründen den Führerausweis mit Auflagen zu versehen, wenn diese der Sicher- stellung der Fahreignung und damit der Verkehrssicherheit dienen sowie mit dem Wesen der Fahrerlaubnis im Einklang stehen. Zudem 2010 Strassenverkehrsrecht 73 ist erforderlich, dass sich die Fahreignung nur mit dieser Massnahme aufrecht erhalten lässt und die Auflage erfüll- und kontrollierbar sind (vgl. BGE 131 II 248, Erw. 6, mit Hinweisen). Bei der Wiedererteilung des Führerausweises ist die Auflage einer totalen Drogenabstinenz angebracht, wenn gewisse Unsicher- heiten bezüglich des Nachweises bestehen, ob der Eignungsmangel völlig behoben ist bzw. wenn eine als Suchtgefährdung zu be- zeichnende Rückfallgefahr besteht. Zur Sicherstellung des Erfolgs der Massnahme kann in solch fraglichen Fällen die Wiedererteilung mit Auflagen verbunden werden. Beim Entscheid über die Erforder- lichkeit von Auflagen sind die Sicherheitserfordernisse des Strassen- verkehrs zu berücksichtigen, ebenso die Fortschritte, die der Betrof- fene bisher, also in der Zeit des (vorsorglichen) Sicherungsentzugs, gemacht hat (René Schaffhauser, Grundriss des schweizerischen Strassenverkehrsrechts, Band III: Die Administrativmassnahmen, Bern 1995, Rz. 2224). Da die grundsätzliche Zulässigkeit von Auflagen bei der Wie- dererteilung des Führerausweises nicht bestritten wird, erübrigen sich diesbezüglich weitere Ausführungen. Es stellt sich somit die Frage, ob beim Beschwerdeführer eine verkehrsrelevante Sucht bzw. Sucht- gefährdung vorliegt, welche die angeordnete Auflage rechtfertigt. 4. 4.1. Eine Trunksucht ist gemäss der bundesgerichtlichen Rechtspre- chung gegeben, wenn der Betreffende regelmässig so viel Alkohol konsumiert, dass seine Fahrfähigkeit vermindert wird und er diese Neigung zum übermässigen Alkoholgenuss durch den eigenen Will- len nicht zu überwinden vermag. Für die Drogensucht gilt Vergleich- bares: Die Abhängigkeit von der Droge muss derart sein, dass der Betroffene mehr als jede andere Person der Gefahr ausgesetzt ist, sich ans Steuer eines Fahrzeuges in einem - dauernden oder zeitwei- ligen - Zustand zu setzen, der das sichere Führen nicht mehr gewähr- leistet (BGE 129 II 82, Erw. 4.1; 127 II 122, Erw. 3c; 124 II 559, Erw. 2b, je mit Hinweisen). 2010 Verwaltungsgericht 74 4.2. Die Rechtsprechung setzt den regelmässigen Konsum von Dro- gen der Drogenabhängigkeit gleich, sofern dieser seiner Häufigkeit und Menge nach geeignet ist, die Fahreignung zu beeinträchtigen. Nach der Rechtsprechung erlaubt ein regelmässiger, aber kontrol- lierter und mässiger Haschischkonsum für sich allein noch nicht den Schluss auf eine fehlende Fahreignung. Ob diese gegeben ist, kann ohne Angaben über die Konsumgewohnheiten des Betroffenen, na- mentlich über Häufigkeit, Menge und Umstände des Cannabiskon- sums und des allfälligen Konsums weiterer Betäubungsmittel und/ oder Alkohol, sowie zu seiner Persönlichkeit, insbesondere hinsicht- lich Drogenmissbrauch und Strassenverkehr, nicht beurteilt werden (BGE 127 II 122, Erw. 4b). Selbst bei der Einnahme grösserer Can- nabismengen, die geeignet sind, die Fahrfähigkeit zu beeinträchtigen, kann nicht ohne weiteres auf eine fehlende Fahreignung geschlossen werden. Dies hängt vielmehr davon ab, ob der Betroffene in der Lage ist, Cannabiskonsum und Strassenverkehr ausreichend zu trennen, oder ob die naheliegende Gefahr besteht, dass er im akuten Rausch- zustand am motorisierten Strassenverkehr teilnimmt. Hierfür sind un- ter anderem die Konsumgewohnheiten (Ort und Zeit des Konsums; kombinierte Einnahme weiterer Drogen) und die Persönlichkeit, ins- besondere hinsichtlich Drogenmissbrauch und Strassenverkehr von Bedeutung (BGE 128 II 335, Erw. 4b; 127 II 122, Erw. 4b; 124 II 559, Erw. 4e). Aus verkehrsmedizinischer Sicht gilt allgemein be- züglich Cannabis und Fahreignung, dass Personen, die weder in ab- hängiger noch in verkehrsrelevant missbräuchlicher Weise Cannabis konsumieren, für die 3. medizinische Führerausweisgruppe ohne Auflagen als fahrgeeignet beurteilt werden können, wenn davon aus- zugehen ist, dass der Konsum vom Fahren getrennt wird, keine zu- sätzlichen Drogen bzw. keine psychotropen Medikamente verwendet werden, keine Alkoholproblematik besteht, und keine psychische Störung vorliegt (Bruno Liniger, Drogen, Medikamente und Fahr- eignung, in: Handbuch der verkehrsmedizinischen Begutachtung der Arbeitsgruppe Verkehrsmedizin der Schweizerischen Gesellschaft für Rechtsmedizin [Hrsg.], Bern 2005, S. 37). 2010 Strassenverkehrsrecht 75 5. 5.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass schon unter dem medizinischen Gesichtspunkt alleine kein Grund zur Annahme einer nur bedingten Fahreignung und damit zur Anordnung von Auflagen bestehe. Es sei fraglos von einer uneingeschränkten Fahreignung auszugehen. Selbst wenn eine Suchtgefährdung vorliegen würde, wä- ren Auflagen nur bei einer strassenverkehrsrechtlichen Relevanz der- selben zulässig, was vorliegend zu verneinen sei. Auch sei der Be- schwerdeführer geistig und körperlich völlig gesund und die Labor- werte anlässlich der Untersuchung seien normwertig und in keiner Weise auffällig gewesen. Er habe seinen früheren Konsum ohne Pro- bleme oder Entzugserscheinungen einstellen können und diesen auch nie bagatellisiert oder gar geleugnet. Des Weiteren habe er betont, stets strikte darauf geachtet zu haben, nicht unter noch anhaltender Wirkung von Haschisch zu fahren; er habe also den Unterschied zwi- schen Suchtmittelgenuss und Teilnahme am motorisierten Strassen- verkehr zu machen gewusst und sich daran auch gehalten. Dies wer- de durch seine klaglose Fahrpraxis gestützt. Die beanstandeten Auf- lagen seien somit aufzuheben. Es bestehe kein Grund, den Beschwer- deführer mit diesbezüglichen Arzt- und Verfahrenskosten zu belas- ten. 5.2. Im vorliegenden Fall wurde aufgrund des im Sachverhalt ge- schilderten Vorfalls und der Aussagen des Beschwerdeführers zu sei- nem Drogenkonsumverhalten eine eingehende fachärztliche Begut- achtung angeordnet. Anlässlich der Begutachtung gab der Beschwer- deführer an, vor 9 Jahren mit dem Konsum von Cannabis begonnen zu haben, jedoch habe er auch Pausen von mehreren Monaten bis Jahren eingelegt. Erst vor 1 Jahren habe er wieder angefangen, "richtig zu kiffen", und schliesslich mit der Einrichtung einer eigenen Hanfproduktionsanlage vor 6 Monaten fast täglich bis zu 10 Joints oder mehr geraucht. Seit der Hausdurchsuchung vom 28. September 2009 und deren Folgen (U-Haft) habe er mit dem Konsum von Cannabis aufgehört und sei seither weniger müde und benebelt. An- sonsten habe er keinen grossen Unterschied festgestellt seit seiner 2010 Verwaltungsgericht 76 Abstinenz. Wenn er mit Kollegen zusammen sei und diese mit Kiffen beginnen würden, gehe er an die frische Luft, da er - als konse- quenter Mensch - gut widerstehen könne. Er habe nie andere Drogen konsumiert und trinke auch keinen Alkohol, da ihm dieser gar nicht schmecke. Seit seinem 14. Lebensjahr rauche er Zigaretten, spüre jetzt aber negative Auswirkungen und wolle Ende Jahr damit aufhören. Gemäss der Beurteilung des Gutachters handle es sich nach den Angaben des Beschwerdeführers um einen jahrelangen, zunächst un- regelmässigen, im letzten Halbjahr vor der Begutachtung aber stark gesteigerten und regelmässigen Cannabiskonsum, der mit der poli- zeilichen Hausdurchsuchung vom 28. September 2009 gänzlich und konsequent eingestellt worden sei. Bei der aktuellen Untersuchung habe der Beschwerdeführer auf Anhieb einen auf sämtlichen unter- suchten Substanzen negativen Urin abgegeben. Der Beschwerdefüh- rer lebe in geordneten Verhältnissen und gehe einer geregelten Tätig- keit nach. Anhaltspunkte für anderweitige psychische Störungen fän- den sich keine und er wirke in seiner Persönlichkeit stabil und ver- antwortungsbewusst. Dementsprechend kam der Gutachter zum Schluss, dass der Be- schwerdeführer aus eigener Kraft auf den Konsum von Drogen ver- zichten konnte. Eine eigentliche Sucht könne gegenwärtig nicht mehr nachgewiesen werden. Im Strassenverkehr sei er als Drogenkonsu- ment bisher noch nie aufgefallen, da er offenbar den Konsum von Drogen und die Teilnahme am Strassenverkehr konsequent trennen konnte. Aus psychiatrischer Sicht liege keine andere die Fahreignung ausschliessende Störung vor. Die Fahreignung sei seines Erachtens heute wieder gegeben. Da es sich jedoch beim Beschwerdeführer zeitweise um einen intensiven Konsum gehandelt habe und der Be- ginn der Abstinenz erst 2 Monate zurückliege, solle die Wiederertei- lung der Fahrerlaubnis mit einer auf 12 Monate befristeten Auflage verbunden werden, um Rückfälle frühzeitig erfassen zu können. 5.3. (...) In seiner Stellungnahme vom 14. Januar 2010 zu Handen des DVI schilderte das Strassenverkehrsamt, dass sich die Auflage rechtfertige, weil der Beschwerdeführer intensiv Cannabis konsu- 2010 Strassenverkehrsrecht 77 miert habe, und der letzte Konsum im Zeitpunkt der Begutachtung erst zwei Monate zurückliege. Zudem habe der Beschwerdeführer, nach eigenen Angaben, in den letzten neun Jahren auch immer wie- der Pausen von mehreren Monaten bis Jahren gemacht. Die Auflage diene dazu, einen erneuten Rückfall frühzeitig zu erfassen. In seiner Stellungnahme vom 5. Februar 2010 schilderte das Strassenverkehrs- amt u.a., die Tatsache, dass der Beschwerdeführer es seit der Haus- durchsuchung geschafft habe, den Konsum von Drogen zu beenden, spreche für ihn. Doch diese kurze Zeit - zwischen der Hausdurch- suchung und der Begutachtung lägen lediglich zwei Monate - ge- nüge nicht für eine Stabilisierung und eine tragfähige Distanzierung vom früheren Verhalten. Die Vorinstanz bestätigte die vom Strassenverkehrsamt verfügte Wiedererteilung des Führerausweises unter der erwähnten Auflage und schloss sich der Auffassung des Gutachters an. Die Begutach- tung des Beschwerdeführers habe gezeigt, dass dieser langjährig Cannabis bzw. Marihuana konsumiert habe. Zwar habe er vor der Untersuchung offenbar problemlos auf den Konsum verzichten kön- nen, dennoch sei es erforderlich, dass er während einer angemesse- nen Zeit nachweise, dass er fähig sei, auf den Drogenkonsum zu ver- zichten. Seine Fahreignung bedürfe einer besonderen Kontrolle. Daran ändere der Umstand nichts, dass der Beschwerdeführer grund- sätzlich über die Eignung verfüge, ein Fahrzeug zu lenken, weil keine Drogensucht im medizinischen Sinn bestehe. Angesichts der festgestellten Gefahr des Drogenmissbrauchs erscheine es verhält- nismässig, wenn die Fahrerlaubnis von der Einhaltung einer kontrol- lierten Abstinenz abhängig gemacht werde. Die dem Beschwerdefüh- rer auferlegte, abstinente Lebensweise bezwecke eine nachhaltige Si- cherstellung der Fahreignung. Im Sinne der Verkehrssicherheit und in Anlehnung an die geltende Praxis sei es daher verhältnismässig, die Wiedererteilung des Führerausweises mit der Auflage der Dro- genabstinenz für mindestens ein Jahr zu verbinden. 5.4. 5.4.1. In seinem Urteil 6A.11/2006 vom 13. April 2006 erwog das Bundesgericht, es entspreche zwar gesicherter wissenschaftlicher Er- 2010 Verwaltungsgericht 78 kenntnis, dass der Cannabisrausch die Fahrtüchtigkeit beeinträchtige. Der gelegentliche Cannabiskonsument, der nicht mit Alkohol oder anderen Drogen mische, sei jedoch in der Regel in der Lage, kon- sumbedingte Leistungseinbussen als solche zu erkennen und danach zu handeln. Demgegenüber sei bei andauerndem bzw. regelmässigem und gleichzeitig hohem Konsum von einer mindestens geringen Be- reitschaft und Fähigkeit auszugehen, zuverlässig zwischen dem Dro- genkonsum und der Teilnahme am Strassenverkehr zu trennen (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], 1 BvR 2062/96 vom 20. Juni 2002, Absätze 33 ff.). Die Neigung, unter Substanzeinfluss zu fahren, verstärke sich mit zunehmendem Konsum. Deshalb könne regel- oder gar gewohnheitsmässiger Cannabiskonsum zumindest berech- tigte Zweifel an der Fahreignung begründen, die gegebenenfalls wie- tere Abklärungen im Rahmen einer Eignungsprüfung oder von Aufla- gen rechtfertigen. Bestehen nach den Umständen des konkreten Fal- les hinreichend aussagekräftige Anzeichen für den Verdacht, dass der Fahrausweisinhaber mindestens regelmässig Cannabis konsumiere, und könne die ärztliche Untersuchung diesen Verdacht nicht ausräu- men sowie die konkreten Konsumgewohnheiten abschliessend erhel- len, können die Behörden im Interesse der Verkehrssicherheit ver- hältnismässige Auflagen anordnen, welche der Klärung der Fahr- eignung dienen (a.a.O., Erw. 3.3). Im erwähnten Urteil schütze das Bundesgericht die Anordnung von Auflagen zur Kontrolle der Fahreignung. In jenem Fall konsu- mierte der Betroffene seit mehreren Jahren regelmässig Cannabis, wobei aufgrund einer Verurteilung im Jahre 2004 zudem ein Konsum von Kokain erstellt war, was der Betroffene jedoch bestritt. Ein ein- gefordertes Arztzeugnis, das sich zur Frage der möglichen Drogen- abhängigkeit äussern sollte, konnte diese Frage nicht abschliessend beantworten, weshalb eine Eignungsuntersuchung durch die Psychi- atrische Poliklinik der Universität Bern (PUPK) angeordnet wurde. Im Gutachten wurde festgehalten, eine Drogensucht könne nicht nachgewiesen, aber auch nicht ausgeschlossen werden. Das Bundesgericht erwog, dass das Aussageverhalten des Be- troffenen im Verfahren (widersprüchliche Angaben betreffend Kon- sum), der positive Befund auf Cannabinoide bei der ersten - längere 2010 Strassenverkehrsrecht 79 Zeit vorher angekündigten - ärztlichen Untersuchung, seine hinaus- gezögerte zweite Urin- und Blutprobenanalyse, der Konsum mehre- rer berauschender oder betäubender Mittel sowie der langjährige re- gelmässige Cannabiskonsum hinreichend aussagekräftige Anzeichen für den Verdacht seien, dass er gewohnheitsmässig Cannabis konsu- miere und selbst vor einer ärztlichen Untersuchung darauf nicht ver- zichten könne. Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass es bei ei- nem solchen Konsumverhalten überwiegend wahrscheinlich sei, dass der Betroffene ausser Stande ist, eine drogenkonsumbedingte zeit- weilige Fahruntüchtigkeit rechtzeitig als solche zu erkennen oder trotz einer solchen Erkenntnis von der aktiven Teilnahme am Stras- senverkehr abzusehen. Unter diesen Umständen liege ein besonderer Grund vor, der die Anordnung von Auflagen zur Kontrolle der Fahreignung erlaube (a.a.O., Erw. 3.2). 5.4.2. Im vorliegenden Fall beantwortete der Gutachter die Frage, ob beim Beschwerdeführer eine Drogensucht vorliege, so dass er nicht fähig ist, aus eigener Kraft auf den Drogenkonsum zu verzichten, da- hingehend, dass der Beschwerdeführer aus eigener Kraft auf den Konsum von Drogen verzichten könne. Eine eigentliche Sucht könne gegenwärtig nicht nachgewiesen werden; im Strassenverkehr sei der Beschwerdeführer bisher noch nie als Drogenkonsument aufgefallen, da er offenbar den Konsum von Drogen und die Teilnahme am Stras- senverkehr konsequent trennen konnte. Weiter hielt der Gutachter fest, aus psychiatrischer Sicht lägen keine anderen, die Fahreignung ausschliessenden Störungen vor. Die Fahreignung sei heute seines Erachtens wieder gegeben. Lediglich gestützt auf die ehrlichen und widerspruchsfreien Angaben des Beschwerdeführers zu seinem frü- heren Konsumverhalten kam der Gutachter zum Schluss, dass eine Auflage nötig sei, "um Rückfälle frühzeitig erfassen zu können". Der Beschwerdeführer ist nie mit Drogen im Strassenverkehr auffällig geworden. Wie er zu Recht ausführt, steht dem der am 1. März 2007 angeordnete und in der Zeit vom 4. April 2007 bis zum 3. Juli 2007 vollzogene Führerausweisentzug für die Dauer von drei Monaten nicht entgegen und in keinem Zusammenhang mit einer Suchtproblematik. Damals wurde dem Beschwerdeführer der Füh- 2010 Verwaltungsgericht 80 rerausweis wegen In-Verkehr-Bringens eines Personenwagens in nicht vorschriftsgemässem Zustand (abgefahrene Reifen) entzogen. Gemäss Gutachten habe der Beschwerdeführer - gemäss seinen Angaben - stets darauf geachtet, nicht unter Drogeneinfluss Auto zu fahren und dabei einen Abstand von 24 Stunden zum letzten Konsum eingehalten. Auch sei er schon mehrmals von der Polizei als Auto- fahrer kontrolliert worden, habe jedoch nie Anlass zu einem Verdacht auf Drogenkonsum gegeben. Seit der Hausdurchsuchung vom 28. September 2009 habe der Beschwerdeführer den Cannabiskon- sum gänzlich und konsequent eingestellt. Gemäss Gutachter wirkt der Beschwerdeführer, der offenbar in geordneten Verhältnissen lebt und einer geregelten Tätigkeit nachgeht, in seiner Persönlichkeit sta- bil und verantwortungsbewusst. Gesamthaft ergibt das Gutachten keine Hinweise darauf, dass beim Beschwerdeführer von einer geringen Bereitschaft und Fähig- keit auszugehen ist, zuverlässig zwischen dem Drogenkonsum und der Teilnahme am Strassenverkehr zu trennen, bzw. beim Beschwer- deführer gar eine Neigung besteht, unter Substanzeinfluss zu fahren. Im Gegensatz zum Gutachten im erwähnten bundesgerichtlichen Entscheid, in welchem eine Drogensucht "nicht nachgewiesen aber auch nicht ausgeschlossen" werden konnte, nimmt der Gutachter im vorliegenden Fall klar dahingehend Stellung, dass der Beschwerde- führer aus eigener Kraft auf den Konsum von Drogen verzichten kann, somit keine Sucht vorliegt. Bei dieser Ausgangslage ist davon auszugehen, dass der Be- schwerdeführer - sollte er überhaupt jemals wieder mit dem Canna- bis-Konsum beginnen - eine drogenkonsumbedingte zeitweilige Fahruntüchtigkeit rechtzeitig als solche erkennt und entsprechend dieser Erkenntnis von der aktiven Teilnahme am Strassenverkehr absieht, wie er es in der Vergangenheit mit Blick auf seinen diesbe- züglich ungetrübten automobilistischen Leumund offenbar gehand- habt hat. Unter diesen Umständen liegt kein besonderer Grund vor, der die Anordnung von Auflagen zur Kontrolle der Fahreignung er- laubt. Eine erhöhte Suchtgefährdung wird durch das Gutachten nicht dargelegt. Die in den Persönlichkeitsbereich des Beschwerdeführers 2010 Strassenverkehrsrecht 81 eingreifende Auflage betreffend mindestens einjährige Drogenabsti- nenz ist damit nicht zu rechtfertigen. Im Übrigen kann festgestellt werden, dass in Ziffer 3 der Verfü- gung des Strassenverkehrsamtes vom 9. Dezember 2009 Dr. med. X. aufgefordert wurde, "dem Strassenverkehrsamt das Missachten der Auflage oder ungünstige Urinprobenergebnisse oder eine allfällige mangelnde Fahreignung umgehend zu melden". Aufgrund der Tat- sache, dass bis zum heutigen Zeitpunkt keine entsprechende Mel- dung eingegangen ist, kann davon ausgegangen werden, dass die Auflage durch den Beschwerdeführer eingehalten wird, bis anhin keine ungünstigen Urinprobenergebnisse vorliegen und keine allfäl- lige mangelnde Fahreignung vorliegt. Die am 1. Dezember 2009 an- lässlich der Begutachtung durchgeführte Urinprobe war nota bene ebenfalls negativ bezüglich sämtlicher untersuchter Substanzen. Seit der Hausdurchsuchung im September 2009 bis zum heutigen Zeit- punkt - also während einer Dauer von rund elf Monaten - hat der Beschwerdeführer somit drogenabstinent gelebt. Offensichtlich hat der Beschwerdeführer tatsächlich die Kraft und den Willen, mit dem Cannabiskonsum aufzuhören. 6. Nachdem neben dem jahrelangen, regelmässigen Konsumver- halten des Beschwerdeführers betreffend Cannabis in dessen Vergan- genheit weitere Indizien für die Fahreignung beeinträchtigende Fak- toren fehlen, ist die Auflage einer mindestens einjährigen Drogenab- stinenz nicht gerechtfertigt.
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2005 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 269 54 Ausgangsregelung in der Anstalt; Zuständigkeit; Zwangsmassnahmen. - Keine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts zur Überprüfung der Ausgangsregelung im Rahmen einer fürsorgerischen Freiheitsentzie- hung (Erw. 2.3.1.). - Eine Zwangsmassnahme i.S.v. § 67e bis EGZGB liegt vor, wenn neben dem Entzug der Bewegungsfreiheit ein zusätzlicher Eingriff in die körperliche und psychische Integrität des Betroffenen erfolgt; das Nichtgewähren von Einzelausgang ist keine Zwangsmassnahme (Erw. 2.3.2.). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 11. Oktober 2005 in Sachen E.P.-G. gegen Entscheid der Klinik Königsfelden. Aus den Erwägungen I. (...) 2.2. Gemäss § 67 e bis Abs. 4 EGZGB kann auch ein Entscheid der Psychiatrischen Klinik Königsfelden betreffend Zwangsmass- nahmen im Rahmen einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung, ein- schliesslich der nach § 15 PD notfallmässig durchgeführten Zwangs- behandlungen (AGVE 2000, S. 177 f.), mit Beschwerde beim Ver- waltungsgericht angefochten werden. Das Verwaltungsgericht über- prüft, ob die Zwangsmassnahme nach Massgabe des Einweisungs- grundes medizinisch indiziert und ob sie verhältnismässig ist. Das Verwaltungsgericht ist indessen grundsätzlich nicht zuständig zur Beurteilung von konkreten ärztlichen Anordnungen, wie die Wahl des Medikaments, der Dosierung, der Anordnung einer bestimmten therapeutischen Behandlung, Wahl der Abteilung, etc. Dies gehört in den Fachbereich der Ärzte (AGVE 1987, S. 217; AGVE 1989, S. 198 f.; Eugen Spirig in: Zürcher Kommentar, Art. 397a - 397f ZGB, Zürich 1995, Art. 397d N 42 mit Hinweisen). 2.3. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Entscheid der Klinik Königsfelden, mit welchem unter dem Titel "Aufhebung der Ausgangssperre" ein entsprechendes Gesuch der Beschwerde- 2005 Verwaltungsgericht 270 führerin um Gewährung von Ausgang in Begleitung ihres Ex-Ehe- mannes abgewiesen wurde. Zur Begründung wurde im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass sich die Beschwerdeführerin im Rahmen einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung in einer geschlossenen Anstalt befinde, weil sie sich trotz vielfältigen Bemühungen in der Vergangenheit immer wieder auf gefährliche Art und Weise prostituiere. 2.3.1. Bei der Ausgangsregelung handelt es sich um eine Vor- kehr der Klinik zur Erfüllung ihrer Aufsichtspflicht gegenüber der Beschwerdeführerin, die sich mittels rechtskräftiger fürsorgerischer Freiheitsentziehung in der Klinik als geschlossene Anstalt befindet. Die Regelung des Ausgangs liegt im Ermessen der Klinikärzte. Es handelt sich um eine Frage der Ausgestaltung gewisser Freiheiten im Rahmen des Klinikalltags. Diese kann nicht Gegenstand der ver- waltungsgerichtlichen Prüfung einer fürsorgerischen Freiheitsent- ziehung sein (AGVE 2003, S. 151 f.). (...) Das Verwaltungsgericht darf daher auf die Beschwerde nicht eintreten. 2.3.2. Der Vollständigkeit halber ist die Frage zu prüfen, ob die Verweigerung von Ausgang eine Zwangsmassnahme im Sinne von § 67 e bis EGZGB darstellt. Eine Zwangsmassnahme im Sinne dieser Bestimmung ist eine Behandlung oder eine andere Vorkehr, die im Rahmen einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung gegen den Willen der betroffenen Person vorgenommen wird, und die neben dem Entzug der Bewegungsfreiheit einen zusätzlichen Eingriff in die körperliche oder psychische Integrität der betroffenen Person be- deutet (BGE 125 III 172 f.). Der Gesetzgeber dachte im Wesentli- chen an Zwangsmedikation, Isolation und Fixierung. Das Verwal- tungsgericht hat entschieden, dass auch das Besuchsverbot der Spi- talpfarrerin und der Entzug der Bibel eines isolierten Patienten Zwangsmassnahmen darstellen, weil durch diese Anordnungen die persönliche Freiheit des Patienten weitergehender als durch den Zwangsaufenthalt in der Anstalt eingeschränkt wurde (AGVE 2000, S. 195 ff.). Durch den vorliegendenfalls nicht gewährten Einzelaus- gang in Begleitung ihres Ex-Ehemannes wird die persönliche Frei- heit der Beschwerdeführerin nicht weitergehender eingeschränkt, als sie es durch den Entzug der Bewegungsfreiheit durch fürsorgerische 2005 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 271 Freiheitsentziehung in der Psychiatrischen Klinik Königsfelden als grundsätzlich geschlossene Anstalt schon ist. Es handelt sich somit nicht um eine Zwangsmassnahme im Sinne von § 67 e bis EGZGB, weshalb auch unter diesem Titel keine verwaltungsgerichtliche Überprüfung des Klinikentscheids vom 29. September 2005 erfolgen kann (vgl. AGVE 2003, S. 152 f.).
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2,002
de
2002 Verwaltungsgericht 186 [...] 54 Mitwirkung des KStA im kommunalen Veranlagungsverfahren. - Einzelfallweise Einsetzung eines ausserordentlichen kantonalen Steu- erkommissärs. - Beamte des KStA können von der kommunalen Steuerkommission zur Unterstützung in Fachfragen beigezogen werden. Dies ist keine unzu- lässige Expertentätigkeit. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 3. April 2002 in Sa- chen M.E. gegen Entscheid des Steuerrekursgerichts. Aus den Erwägungen 3. a) Die Steuerkommission N. stützte sich bei der Berechnung des Liquidationsgewinns auf den Bericht des Landwirtschaftlichen Fachbeamten (LF) des KStA vom 25. Juni 1999, der hinsichtlich des Verkehrswerts der Grundstücke IR Nr. 360 und 480 wiederum auf einer Schätzung durch die Sektion Grundstückschätzungen des KStA basierte. Der Beschwerdeführer lehnt A. (Schätzer bei der Sektion 2002 Kantonale Steuern 187 Grundstückschätzungen) und J. (LF/KStA; im vorliegenden Fall wirkte er als ausserordentlicher kantonaler Steuerkommissär im Ein- spracheverfahren als Mitglied der Steuerkommission N. mit) "als Experten" ab. Damit verkennt er deren Stellung. Das KStA nimmt seine Leitungsfunktion (§ 114 Abs. 1 StG) nicht nur mit Weisungen und Kontrollen, sondern auch mit Dienstleistungen wahr. In diesem Rahmen können Beamte des KStA im Auftrag der kommunalen Steuerkommissionen rechtliche und tatsächliche Abklärungen und Untersuchungen vornehmen, die der Steuerkommission dann als Ent- scheidgrundlage dienen (vgl. AGVE 1992, S. 269; Jürg Baur, in: Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, Muri/BE 1991, § 114 N 5). Es handelt sich nicht um formelle Gutachten (weshalb im angefoch- tenen Entscheid richtigerweise nicht vom "Gutachten" des KStA, sondern von dessen Schätzung die Rede sein sollte), sondern um Entscheidgrundlagen, welche die veranlagende Steuerkommission durch eine andere Steuerbehörde erstellen lässt (im Übrigen sind auch verwaltungsinterne Expertisen nicht unzulässig; vgl. BGE 122 V 161 f.). Sie ist berechtigt und verpflichtet, diese Grundlagen einer eigenen Überprüfung zu unterziehen (Baur, a.a.O., § 133 N 15); das Gleiche gilt für die Rechtsmittelinstanzen. Die Steuerkommission N. hat die streitige Verkehrswertschätzung denn auch nicht unbesehen übernommen, sondern ist im Einspracheverfahren unter Berücksich- tigung der Vorbringen der Steuerpflichtigen zu deren Gunsten davon abgewichen. Was die "Doppelfunktion" von J. (LF/KStA und Mitglied der Steuerkommission als ausserordentlicher kantonaler Steuerkommis- sär) betrifft, so ist zunächst festzuhalten, dass der Steuerkommission von Amtes wegen ein kantonaler Steuerkommissär angehört (§ 117 Abs. 2 StG) - was im Rahmen der Leitungsfunktion des KStA zu sehen ist -, die Doppelfunktion also hier vom Gesetz vorgeschrieben ist. Weiter ist es zulässig, einzelfallweise einen ausserordentlichen Steuerkommissär einzusetzen (VGE II/160 vom 11. Dezember 1992 in Sachen H.E.; VGE II/34 vom 8. April 1999 in Sachen U.M.; Baur, a.a.O., § 117 N 2). Dies ist in komplexeren Fällen angezeigt, dient doch die umfassende Abklärung des Sachverhalts unter Beizug der- jenigen Person, die sich im KStA bereits mit dem Fall befasst hat, 2002 Verwaltungsgericht 188 einerseits der Verfahrensökonomie, letztlich aber auch der Wahrung des rechtlichen Gehörs, denn so können die Steuerpflichtigen ihre Mitwirkungsrechte frühzeitig und am besten wahrnehmen. Dem Be- schwerdeführer wurde der Bericht des LF/KStA vor dem Einsprache- entscheid zur Stellungnahme zugestellt und seine Einwendungen wurden so bereits im Einspracheverfahren berücksichtigt. Dies als Zeichen von Befangenheit zu werten und unter Hinweis auf die "Doppelfunktion" zu verhindern, würde dazu führen, dass die Mei- nung des LF/KStA (und Steuerkommissionsmitglieds) erst aus der Begründung des Einspracheentscheids ersichtlich würde, was nicht den Interessen der Steuerpflichtigen entspräche, sondern diesen ge- radezu zuwiderliefe. b) Unter den gegebenen Umständen gehen die Einwendungen des Beschwerdeführers, der nicht etwa geltend macht, A. und J. seien aus persönlichen Gründen befangen gewesen (vgl. § 124 StG), son- dern diese für Expertentätigkeit ablehnt, weil sie Beamte des KStA sind, am gegebenen Sachverhalt vorbei.
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2,014
de
2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 296 50 Ordnungsbusse nach § 25 VRPG - Der gegenüber mehreren Amtsstellen und Personen erhobene, ehren- rührige Vorwurf der strafbaren Handlung verletzt den prozessualen Anstand (Erw. 6.1.-6.3.). - Gewährung des rechtlichen Gehörs (Erw. 6.4.) - Strafzumessung im konkreten Anwendungsfall; Entschuldigung/ Rückzug der Vorwürfe durch den Rechtsvertreter wirkt sich straf- mindernd aus (Erw. 6.5.). Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 21. August 2014 in Sa- chen A. gegen B. und Gemeinderat C. sowie Departement Bau, Verkehr und Umwelt (WBE.2013.503). Aus den Erwägungen 6. 6.1. 2014 Verwaltungsrechtspflege 297 Wer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren den prozessualen Anstand grob verletzt, kann nach § 25 VRPG mit einem Verweis oder mit einer Ordnungsbusse bis Fr. 1'000.00 bestraft werden. Ob sich die betreffende Handlung gegen das Gericht, eine Partei oder unbeteiligte Dritte richtet, ist belanglos (vgl. analog zum früheren Recht: AGVE 1992, S. 419 f.; VGE III/20 vom 30. Mai 2007 [WBE.2006.31], S. 18, je mit weiteren Hinweisen). Bei der Frage, ob ein Verhalten den Anstand verletzt und damit "ungebührlich" ist, geht es letztlich um eine Wertung. Dabei sind der Anspruch der Parteien, ihren Standpunkt auch pointiert vertreten zu können, und die Freiheit der Kritik, welche für eine wirksame Kontrolle der Rechtspflege not- wendig ist, gegen das ebenso berechtigte Interesse der Justiz abzuwä- gen, ein geordnetes Verfahren durchzuführen und, gerade zum Schutz von Verfahrensbeteiligten, unzumutbare Vorwürfe zu verhin- dern (VGE III/20 vom 30. Mai 2007 [WBE.2006.31], S. 18, mit Hin- weis). Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts zur Sanktionierung von Verstössen gegen den prozessualen Anstand folgt dabei unmittel- bar aus § 25 VRPG (vgl. VGE III/20 vom 30. Mai 2007 [WBE.2006.31], S. 18, mit Hinweis). 6.2. Der Beschwerdeführer äussert sich in seiner Verwaltungsge- richtsbeschwerde vom 16. November 2013 in verunglimpfender und inhaltlich deplatzierter Weise über diverse Amtsstellen und Personen. So wirft er der (...) Bauverwaltung Urkundenfälschung und Betrug vor. Dem Gemeinderat wird mehrfach Korruption, Betrug und "Begünstigung" (effektiv dürfte damit Amtsmissbrauch gemeint sein) nachgesagt; zudem habe er "bösartig auf einen Volksentscheid getreten" und halte Gesetze nicht ein. Auch der zuständigen Sachbearbeiterin des Departements BVU wird "Begünstigung" vorgeworfen; weiter wird behauptet, sie hätte den Beschwerdeführer "absichtlich geschädigt, diskriminiert und rassistisch behandelt". Schliesslich wird ausgeführt, eine Person des Departements BVU habe Ende 2005 eine Lärmmessung gefälscht. Diese Zusammenstel- lung verunglimpfender Aussagen ist nicht abschliessend. 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 298 6.3. Die genannten Vorwürfe sind strafrechtlicher Natur (vgl. insbe- sondere Art. 146 [Betrug], Art. 251 ff. [Urkundenfälschung], Art. 305 [Begünstigung] und Art. 312 [Amtsmissbrauch] StGB) und wiegen schwer. Unbestrittenermassen besteht zwar ein erhebliches öffentli- ches Interesse daran, Missstände in der Rechtspflege aufzudecken; dies berechtigt aber nicht dazu, unbewiesene Verdächtigungen oder unqualifizierte Vorwürfe gegen Verfahrensbeteiligte zu richten (vgl. VGE III/20 vom 30. Mai 2007 [WBE.2006.31], S. 19, mit Hinwei- sen). Sodann vermag der Beschwerdeführer seine Anschuldigungen nicht konkret zu begründen; entsprechend zog er mit Eingabe vom 8. April 2014 "die verschiedenen Behauptungen, Belastungen und verfehlten juristischen Qualifikationen" zurück. Tatsächlich müsste der Wahrheitsbeweis für die Aussage, jemand habe eine strafbare Handlung begangen, grundsätzlich durch ein rechtskräftiges Strafur- teil erbracht werden. Ist eine Verurteilung noch nicht erfolgt, so müs- sen entsprechende Äusserungen zurückhaltend erfolgen und deutlich werden lassen, dass einstweilen nur der Verdacht vorliegt (vgl. VGE III/20 vom 30. Mai 2007 [WBE.2006.31], S. 19, mit Hinweis). Eine solche Zurückhaltung hat der Beschwerdeführer vermissen las- sen. Der gegenüber mehreren Amtsstellen und Personen erhobene, ehrenrührige Vorwurf der strafbaren Handlung schiesst klar über das hinaus, was es zu einer sachlichen Begründung einer Verwaltungsge- richtsbeschwerde bedarf. Irgendwelche Rechtfertigungsgründe wer- den vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht; solche sind auch nicht ersichtlich. Es ist deshalb nicht nur von einem tatbestandsmässigen, sondern auch von einem widerrechtlichen Ver- halten auszugehen. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer seine Äusserungen nachträglich zurücknahm, vermag an dieser Beurtei- lung nichts zu ändern. 6.4. Bei der Ausfällung einer Sanktion nach § 25 VRPG ist dem Be- troffenen in der Regel vorgängig das rechtliche Gehör zu gewähren, da nachteilig in seine Rechtsstellung eingegriffen werden soll. Der Betroffene erhält durch die Möglichkeit der vorgängigen Äusserung die Gelegenheit, mit einer Entschuldigung die Anstandsverletzung 2014 Verwaltungsrechtspflege 299 zwar nicht rückgängig zu machen, aber immerhin seine Bereitschaft zu dokumentieren, den durch § 25 VRPG geschützten Gerichtsfrie- den wiederherzustellen (vgl. VGE III/20 vom 30. Mai 2007 [WBE.2006.31], S. 19 f., mit Hinweis). Der Beschwerdeführer wurde mit Verfügung vom 14. Februar 2014 auf § 25 VRPG hingewiesen. Gleichzeitig wurde ihm mitge- teilt, dass die Beschwerdeschrift auch nach Massgabe dieser Bestim- mung geprüft werde. In seiner Eingabe vom 8. April 2014 liess der Beschwerdeführer festhalten, die Beschwerdeschrift enthalte tatsäch- lich Formulierungen, die so nicht hingenommen werden könnten. Er sei wegen den jahrelangen Auseinandersetzungen verbittert und ent- täuscht, dass Verwaltung und Gerichte nicht immer so entschieden hätten, wie er dies verlangt habe. Er ziehe die verschiedenen Behaup- tungen, Belastungen und verfehlten juristischen Qualifikationen mit dem Ausdruck des Bedauerns zurück. Er ersuche höflich darum, von einer Disziplinierung abzusehen; dem Rechtsfrieden diene der Ver- zicht auf eine Disziplinierung mehr. 6.5. Der vom Beschwerdeführer begangene Verstoss gegen den pro- zessualen Anstand wiegt schwer, griff er doch mehrere Amtsstellen und Personen in massiv ehrverletzender Weise an. Hinzu kommt, dass er bereits früher vom Verwaltungsgericht wegen einer Ver- letzung des prozessualen Anstands mit einer Busse von Fr. 250.00 bestraft werden musste (VGE III/20 vom 30. Mai 2007 [WBE.2006.31]). Diese Gründe legen es nahe, von einem schweren Verschulden auszugehen und die Höhe der Busse im obersten Be- reich des vorgesehenen Strafrahmens (maximal Fr. 1'000.00) festzulegen. Die angebliche Verbitterung vermag daran nichts zu ändern; Niederlagen vor Verwaltungs- und/oder Gerichtsinstanzen vermögen derart schwere Anschuldigungen, wie sie der Beschwerde- führer erhob, in keiner Art und Weise zu rechtfertigen. Der Verweis auf die angeblich früher erlittene Unbill ist umso unverständlicher, als die verwaltungsrechtlichen Verfahren betreffend die eigentliche Sitzplatzüberdachung schon 9 bzw. 11 Jahre zurückliegen. Immerhin ist dem Beschwerdeführer zugutezuhalten, dass er im Nachhinein (wenn auch erst nach der impliziten Androhung allfälliger Sanktio- 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 300 nen und offensichtlich unter erheblichem Zuspruch seines Rechtsver- treters) seine Vorwürfe "mit dem Ausdruck des Bedauerns" zurück- zog. Dies lässt auf eine gewisse Reue schliessen, welche strafmin- dernd zu berücksichtigen ist. Insgesamt rechtfertigt es sich, dem Be- schwerdeführer eine Busse von Fr. 500.00 aufzuerlegen.
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2005 Verwaltungsgericht 152 [...] 36 Vertragliche Reduktion der gesetzlichen Grenz- und Gebäudeabstände. - Begriffe des Mehrfamilien- und des Terrassenhauses nach Massgabe von § 47 Abs. 2 Satz 2 BauG und § 20 Abs. 4 ABauV (Erw. 2/b/aa und bb). - Anwendung auf den konkreten Fall; fehlende Terrassierung, wenn nicht gesagt werden kann, die betreffende Baute sei aufgrund der to- pographischen Gegebenheiten bewusst treppenförmig erstellt worden (Erw. 2/b/cc/bbb). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 30. März 2005 in Sa- chen D. AG gegen Regierungsrat. 2005 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 153 Aus den Erwägungen 1. Die Beschwerdeführerin erstellt derzeit im Gebiet "Rütimatt" die Wohnüberbauung "Schlossberg", bestehend aus 16 Häusern. 14 dieser Häuser sind offenbar bereits fertiggestellt und bezogen. Das verbleibende Doppelhaus (Häuser Nrn. 15 und 16), welches Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens bildet, weist auf den drei oberirdischen Geschossen insgesamt sechs Wohnungen auf. Die Ge- bäudehöhe der mit einem Flachdach versehenen Baute beträgt 10.08 m, die Gebäudelänge 25.80 m. Im Kellergeschoss befindet sich eine Einstellhalle mit 14 Autoabstellplätzen. Der umbaute Raum be- trägt rund 5'650 m 3 . 2. a) Streitig ist im vorliegenden Falle der Grenzabstand zur Parzelle Nr. 394. In der Wohn- und Gewerbezone (WG) 2, in welcher die Parzelle Nr. 399 gemäss dem geltenden Bauzonenplan der Gemeinde Bellikon vom 10. Juni 1987 / 27. März 1990 gelegen ist, gilt ein kleiner Grenzabstand von 4 m (§ 5 Abs. 1 der Bau- und Nutzungsordnung [BNO] der Gemeinde Bellikon vom 20. November 1998 / 15. Juni 1999). Dazu kommt ein Mehrlängenzuschlag von 2.70 m gemäss § 24 Abs. 1 Satz 1 BNO; danach erhöhen sich bei einer die Länge von 15 m überschreitenden Fassade (im vorliegen- den Falle 25.80 m [vorne Erw. 1]) die Grenzabstände gegenüber den verlängerten Gebäudeseiten um 1⁄4 der Mehrlänge (im vorliegenden Falle 25.80 m ./. 15.00 m = 10.80 m : 4). Der einzuhaltende Grenz- abstand beträgt somit 6.70 m. Der effektive Grenzabstand zur Par- zelle Nr. 394 beträgt indessen nur 4.00 m. Ein entsprechendes, ge- stützt auf § 47 Abs. 2 BauG vereinbartes Näherbaurecht steht der Beschwerdeführerin gemäss einem mit dem Eigentümer der Parzelle Nr. 394 am 12. Mai 2003 abgeschlossenen Dienstbarkeitsvertrag zu. Der Regierungsrat erachtet § 47 Abs. 2 BauG freilich nicht als anwendbar. Das Bauprojekt erfülle mangels einer Gebäudestufung entlang der Hangneigung die von der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ausgestalteten Kriterien für ein Terrassenhaus nicht. Die in § 20 Abs. 4 ABauV statuierte Ausnahme komme deshalb nicht zum Zug, und es gelte der Grenzabstand von 6.70 m. Die Be- schwerdeführerin bejaht demgegenüber die Terrassierung sowohl in 2005 Verwaltungsgericht 154 bezug auf die Stufung der Baute am Hang als auch in bezug auf das Verhältnis der Wohn- zur Terrassenfläche; zudem handle es sich um selbständige Wohneinheiten. b) aa) Soweit die Gemeinden nichts anderes festlegen, können die (Grenz- und Gebäude-)Abstände durch einen mit dem Baugesuch einzureichenden Dienstbarkeitsvertrag reduziert oder aufgehoben werden; ausgenommen sind Abstände gegenüber Mehrfamilien- häusern (§ 47 Abs. 2 BauG). § 22 Abs. 1 BNO legt in diesem Zu- sammenhang fest, dass Grenz- und Gebäudeabstände reduziert oder aufgehoben werden können, wenn dadurch die zonenzulässige An- zahl Wohneinheiten insgesamt nicht überschritten wird. Da in der Zone WG 2 die Anzahl der zulässigen Wohneinheiten nicht fixiert ist (§ 5 Abs. 1 BNO), gilt § 47 Abs. 2 BauG uneingeschränkt. Weiter zu beachten ist die folgende Ausführungsbestimmung zu § 47 BauG (§ 20 Abs. 4 ABauV): "Als Mehrfamilienhäuser gelten Gebäude mit vier und mehr Wohneinheiten. Einfamilienhausüberbauungen wie Reihenhäuser, Terrassenhäuser und dergleichen gelten nicht als Mehrfamilienhäu- ser." Es gibt keine allgemeingültige Definition des Begriffs "Mehr- familienhaus". Der allgemeine Sprachgebrauch versteht darunter ein Gebäude mit mehreren Wohnungen. Vor diesem Hintergrund war es folgerichtig, in die ABauV eine Legaldefinition aufzunehmen. Der Verordnungsgeber musste sich dabei der ratio legis bewusst sein: Hinter dem Vorbehalt, dass privatrechtliche Abänderungen der Ab- standsvorschriften bei Mehrfamilienhäusern nicht zulässig sind (§ 47 Abs. 2 Satz 2 BauG), steht nämlich in erster Linie der Schutz der Mieter; der Ersteller eines Mehrfamilienhauses soll nicht zum Nach- teil der künftigen Bewohner, die sich in der Baubewilligungsphase ja noch nicht wehren können, auf der vertraglichen Ebene Abstandsre- duktionen vornehmen können (AGVE 2001, S. 296; Spezial- kommission Baugesetzrevision, fortlaufendes Protokoll der 11. Sit- zung vom 14. Dezember 1990, S. 153 [Votum Baudirektor Dr. U. Siegrist]). Für eine griffige Terminologie bildet der Mieter- schutz freilich ein untaugliches Kriterium, kann doch beispielsweise ein Gebäude mit einer Mehrzahl von Wohnungen auch in Stock- 2005 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 155 werkeigentum aufgeteilt sein. Es lag deshalb nahe, die Legal- definition nach Massgabe klar umschriebener bzw. beschreibbarer Haustypen vorzunehmen (Gebäude mit vier und mehr Wohneinhei- ten, Reihenhäuser, Terrassenhäuser). Dass das eigentliche gesetzge- berische Anliegen damit nicht durchwegs und vollumfänglich umge- setzt werden kann, ist im Interesse der Anwendungspraktikabilität hinzunehmen. bb) Das Verwaltungsgericht hat sich in einem Entscheid vom 2. März 1976 in Sachen G. (publiziert in: ZBl 78/1977, S. 28 ff.; siehe auch Verwaltungsgericht, in: Mitteilungen des Baudeparte- ments Nr. 39/1986, S. 286; Erich Zimmerlin, Baugesetz des Kantons Aargau, Kommentar, 2. Auflage, Aarau 1985, § 166 N 4) mit dem Begriff des Terrassenhauses befasst. Es hat dort u.a. ausgeführt, terrassiert seien der Hangneigung nach erstellte Gebäudestufen von einem oder mehreren übereinanderliegenden Geschossen, wobei jede Stufe in der Regel eine selbständige Wohneinheit nach dem Modell eines Einfamilienhauses bilde; auch die einzelnen Gebäudestufen der Terrassenbaute lägen also senkrecht übereinander, wenn auch nur teilweise; deshalb gälten sie nicht als "senkrecht übereinander liegend". Der Raum über der unteren Stufe diene der oberen Stufe als verhältnismässig geräumiger Vorplatz oder Garten, nicht bloss als überdimensionierter Balkon. Die Terrasse müsse eine minimale Grösse im Verhältnis zum Volumen des Hauses, dem sie diene, ha- ben, um ihre Funktionen überhaupt erfüllen zu können. Die Regel sei ein Verhältnis von Terrassenfläche zur Wohnfläche von mindestens 1:3. Senkrecht übereinander befänden sich demgegenüber Ge- schosse, die praktisch mit der ganzen Fläche übereinander lägen, mit Ausnahme von Vorbauten wie Treppen, Erkern, Balkonen oder Ge- bäudevorsprüngen oder entsprechenden nebensächlichen Rückver- setzungen (siehe zum Ganzen: AGVE 1997, S. 330). cc) Die Umsetzung dieser Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall ergibt Folgendes: aaa) (...) bbb) Die erwähnte publizierte Rechtsprechung des Verwal- tungsgerichts ist vor dem Hintergrund der Bestimmungen über die Bauhöhen und die Geschosszahl zu sehen. Am Hang werden diese 2005 Verwaltungsgericht 156 Parameter talseitig gemessen, bei gestaffelten und terrassierten Bau- ten für jeden Gebäudeteil einzeln (§ 12 Abs. 3 ABauV, Fassung vom 12. Juli 2000). Mit dieser Sonderregelung wird bezweckt, Treppen- überbauungen an Hanglagen zu ermöglichen. Andernfalls würden nämlich die Höhenvorschriften der Nutzungsordnung regelmässig bei Weitem überschritten. Rechtfertigen lässt sich dabei die auf den einzelnen Gebäudeteil bezogene Betrachtungsweise deshalb, weil der Eindruck einer einheitlichen Gebäudefront bei derartigen Treppen- überbauungen wegen der Versetzung der einzelnen Gebäudestufen und deren Anlehnung an den Hangverlauf massgeblich abgeschwächt wird; dies ist denn auch der Grund, weshalb die Praxis die Vorausset- zung geschaffen hat, dass die Terrassenfläche ein bestimmtes Ver- hältnis zur Wohnfläche nicht unterschreiten darf (vorne Erw. bb). § 12 Abs. 3 Satz 2 ABauV ist also auf eine ganz bestimmte Art von Bauten, nämlich eben Treppenbauten an Hanglagen, bei denen die versetzte Anordnung der einzelnen Gebäudestufen auf einem bauli- chen Sachzwang beruht, zugeschnitten (siehe zum Ganzen VGE III/152 vom 14. Dezember 2000 [BE.1999.00270], S. 10 f.). Von einer Baute, die aufgrund der topographischen Gegeben- heiten bewusst treppenförmig erstellt worden ist, kann beim hier zu beurteilenden Projekt nicht die Rede sein. Dass die südwestseitigen Gebäudeabschlüsse des jeweils oberen Geschosses um 2.5 bis 3 m zurückversetzt sind, ist offenbar primär durch die architektonische Absicht bestimmt, teilweise offene Terrassenflächen zu schaffen. Der Regierungsrat hat zu Recht erwogen, die geplante Baute könnte ohne weiteres auch in flachem Gelände erstellt werden und sei in keiner Art und Weise auf das Vorhandensein eines Hangs angewiesen. Au- genfällig ist denn auch, dass die Gebäudehöhe gesamthaft über alle vier Geschosse gerechnet worden ist; würde es sich um eine Terrassenüberbauung handeln, wäre die Berechnungsweise gemäss § 12 Abs. 3 Satz 2 ABauV angewandt worden. An dieser Sichtweise vermag nichts zu ändern, dass die von der Praxis verlangte Relation zwischen Terrassen- und Wohnfläche an sich eingehalten ist. (...). Die Beschwerdeführerin betont, dass das Verwaltungsgericht in dem in AGVE 1997, S. 327 ff. publizierten Fall eine Terrassierung ebenfalls bejaht habe, obwohl dort die den Wohngebäuden vorgela- 2005 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 157 gerten unterirdischen Garagenbauten hangseitig mit der oberen Ge- bäudestufe bündig gewesen seien. Dies trifft in der Tat zu, ist aber ohne Belang. Entscheidend ist nur, dass die einzelnen Gebäudestufen entsprechend der vorhandenen Neigung treppenartig in den Hang hineingebaut sind. Beim zugrundeliegenden Bauprojekt K. in Woh- lenschwil war dem so, beim Bauprojekt der Beschwerdeführerin fehlt es klarerweise an dieser Voraussetzung. Im Übrigen weist der Regierungsrat zu Recht darauf hin, dass eine treppenförmige Ver- schiebung der einzelnen Gebäudestufen auch auf der Hangseite zumindest bei Wohngeschossen aus wohntechnischen Gründen (Be- lichtung) die Regel sein wird. c) Zusammenfassend ist unter diesem Titel somit festzuhalten, dass es sich bei den Häusern Nrn. 15 und 16 um keine terrassierten Bauten, sondern um normale Mehrfamilienhäuser handelt, die den nutzungsordnungsgemässen Grenzabstand von 6.70 m einzuhalten haben (vorne Erw. a). Die Möglichkeit, diesen Abstand auf vertragli- cher Ebene zu verringern, ist durch § 47 Abs. 2 Satz 2 BauG ausge- schlossen.
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Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 13. August 2013 (WBE.2013.377) Art. 447 Abs. 2 ZGB: Die Delegation der Anhörungskompetenz an ein Einzelmitglied des Familiengerichts darf nicht die Regel darstellen, auch nicht bei Anhörung in der Einrichtung. 2. 2.1. Gemäss Art. 447 Abs. 1 ZGB wird die betroffene Person persönlich an- gehört, soweit dies nicht als unverhältnismässig erscheint. Im Fall einer fürsorgerischen Unterbringung hört die Erwachsenenschutzbehörde die betroffene Person in der Regel als Kollegium an (Art. 447 Abs. 2 ZGB). Der Gesetzgeber misst dem Prinzip der Unmittelbarkeit somit ein hohes Gewicht zu. Dies hängt auch mit dem Erfordernis der Interdisziplinarität zusammen: Indem das ZGB eine interdisziplinäre Zusammensetzung der Erwachsenenschutzbehörde verlangt, gewährleistet es mit dem Gebot der Anhörung im Kollegium eine Wahrnehmung durch Entscheidträger unterschiedlicher Fachrichtungen. Aus Art. 447 Abs. 2 ZGB ergibt sich, dass die Anhörung ausnahmsweise an ein Einzelmitglied der Erwachse- nenschutzbehörde übertragen werden kann. Damit wird zwar nach wie vor die Unmittelbarkeit gewährleistet, nicht aber die Interdisziplinarität (CHRISTOPH AUER/MICHÈLE MARTI, in: GEISER/REUSSER [Hrsg.], Basler Kommentar, Erwachsenenschutz, Basel 2012, Art. 447 N 33 f.). Der Re- gelfall muss aber eine mündliche Anhörung vor dem gesamten Kollegium bleiben. Denkbar ist eine Ausnahme-Konstellation, falls die Mitglieder den Betroffenen aus früheren Verfahren bereits gut kennen und man sich le- diglich über die eingetretenen Veränderungen ein Bild machen muss (CHRISTOF BERNHART, Handbuch der fürsorgerischen Unterbringung, Ba- sel 2011, Rz. 512). Die Delegationsmöglichkeit an ein Einzelmitglied des Gerichts ist zurückhaltend, nur im konkreten Einzelfall und im Entscheid begründet anzuwenden (PATRICK FASSBIND, Erwachsenenschutz, Zürich 2012, S. 147 f.). Eine Ausnahme ist z.B. denkbar bei urteilsunfähigen Pa- tienten, die aufgrund einer schweren Demenzerkrankung in der Psychiat- rischen Klinik Königsfelden untergebracht und daher im Status einer für- sorgerischen Unterbringung sind (Art. 380 ZGB). Besteht eine Verletzung von Art. 447 Abs. 2 ZGB darin, dass die Anhö- rung ohne zureichenden Ausnahmegrund durch ein einzelnes Behörden- mitglied durchgeführt wurde, so führt dies grundsätzlich zur Aufhebung des Entscheids (Basler Kommentar, Erwachsenenschutz, a.a.O., Art. 447 N 37). 2.2. In Erw. 2.2. des angefochtenen Entscheids hält die Vorinstanz in diesem Zusammenhang fest, im vorliegenden Fall seien die Voraussetzungen für eine Einzeldelegation gegeben. Mit Hinweis auf eine entsprechende Er- wägung im Basler Kommentar erklärt die Vorinstanz, die Anhörung durch ein einzelnes Mitglied der Erwachsenenschutzbehörde sei im Interesse der Prozessökonomie ausnahmsweise zulässig, wenn die betroffene Person infolge Alters oder Krankheit in ihrer Wohnung oder an ihrem Aufenthaltsort anzuhören sei. 2.3. 2.3.1. Im Kanton Aargau hat sich in Absprache der Familiengerichte mit den Einrichtungen die Praxis entwickelt, dass die Anhörung in aller Regel in der Einrichtung durchgeführt wird. Die Ausführungen des Basler Kom- mentars können deshalb nicht unbesehen übernommen werden, an- sonsten die Ausnahme (Anhörung durch ein einzelnes Mitglied der Er- wachsenenschutzbehörde) zur Regel würde, was dem Sinn und Zweck der bundesrechtlichen Bestimmung klar widersprechen würde. Vielmehr ist deshalb – auch mit Blick auf die hiervor zitierte Lehre – festzustellen, dass die Anhörung grundsätzlich immer durch das Kollegium des Fami- liengerichts durchzuführen ist. 2.3.2. Der Beschwerdeführer ist bereits einmal durch das Kollegium des Fami- liengerichts Zofingen im Rehahaus Effingerhort angehört worden. Nach- dem sich das Familiengericht somit bereits in interdisziplinärer Zusam- mensetzung ein Bild der persönlichen und gesundheitlichen Situation des Beschwerdeführers gemacht hat, konnte hier ausnahmsweise auf eine Anhörung durch das Kollegium verzichtet werden.
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2013 Kantonale Steuern 99 III. Kantonale Steuern 18 Grundbuchabgabe - Steuerwert als Mindestbemessungsgrundlage (Erw. 4.) - Eine vorbehaltene Nutzniessung stellt keine objektive Werteinbusse der Liegenschaften dar (Erw. 5.). Urteil des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 26. April 2013 in Sachen E.Z. (WBE.2012.372). Aus den Erwägungen 4.3. Die in § 8 Abs. 2 GBAG getroffene Regelung steht in folgerich- tigem Zusammenhang mit § 8 Abs. 1 GBAG, der Grundsatzregelung, wie die Berechnung der Grundbuchabgabe zu erfolgen hat. Die Massgeblichkeit der Kauf- oder Übernahmesumme für die Bemes- sung der Grundbuchabgabe beruht auf der natürlichen Vermutung, der in der Vertragsurkunde genannte Preis entspreche dem wahren Wert, dem Verkehrswert (vgl. Erläuterungen und Berechnungsbei- spiele GBAG/GBAD, § 8, insbesondere N 1 und 2; Botschaft des Regierungsrates an den Grossen Rat vom 7. September 1998, Fi- nanzpaket 98, S. 18 f.). Fehlt in der Vertragsurkunde eine Preisan- gabe oder weicht diese erheblich vom wahren Wert ab, hat die Berechnung der Grundbuchabgabe auf einem Ersatzwert zu erfolgen. Gemäss ursprünglicher Regelung hatten die Grundbuchämter selber eine Verkehrswertschätzung vorzunehmen und gestützt darauf die Abgabe zu berechnen (§ 8 Abs. 2 GBAG in der Fassung vom 7. Mai 1980). Mit der Revision vom 9. März 1999, in Kraft seit 1. August 1999, wurde diese Ordnung ersetzt durch den Steuerwert als einfache und leicht eruierbare massgebliche Bemessungsgrundlage (§ 8 Abs. 2 Satz 1 GBAG). Nur noch bei Fehlen eines Steuerwerts gilt, dass die 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 100 Parteien auf Verlangen des Grundbuchamtes eine nach anerkannten Regeln erstellte Verkehrswertschätzung vorzulegen haben. Weicht die Schätzung von der Kauf- oder Übernahmesumme um mehr als 10% nach oben ab, so wird die Abgabe vom Schätzwert erhoben (§ 8 Abs. 2 Sätze 2 und 3 GBAG). 4.4. (...) 4.5. Der Steuerwert dient gemäss § 8 Abs. 2 Satz 1 GBAG als Ersatzwert für die Berechnung der Grundbuchabgabe, wenn die Ver- tragsurkunde keinen Kaufpreis nennt. Er legt den Verkehrswert nach den dargelegten einheitlichen, objektiven Kriterien fest. Liegt der be- urkundete Kaufpreis unter dem Steuerwert, ist in diesem eine Min- destbemessungsgrundlage für die Grundbuchabgabe zu erblicken. 5. 5.1.-5.2. (...) 5.3. Bemessungsgrundlage der Grundbuchabgabe ist der objektive Wert einer Liegenschaft, wie er normalerweise im Kaufpreis zum Ausdruck kommt. Ersatzweise ist der Steuerwert massgebend, bei dessen Fehlen die Verkehrswertschätzung. Der beurkundete Kaufpreis berücksichtigt vorliegend die von der Beschwerdeführerin sich selber vorbehaltene Nutzniessung an den übertragenen Liegenschaften, indem deren kapitalisierter Wert zum Abzug gebracht worden ist. Der Kaufpreis widerspiegelt damit nicht mehr den objektiven, sondern den subjektiven Wert der Liegen- schaften, den bei den Übernehmerinnen durch das Nutzniessungs- recht bewirkten Minderwert. Objektiv ist der Wert der Liegenschaf- ten durch den Vorbehalt der Nutzniessung unberührt geblieben. Der Wert einer Liegenschaft bestimmt sich nach dem Nutzen, den die Liegenschaft spendet. Wer den Nutzen vereinnahmt, der Eigentümer selber oder der Nutzniesser, ist für den Wert der Liegenschaft bedeu- tungslos. Die Bewertung der Liegenschaft hat so zu erfolgen, wie wenn kein solches Recht bestünde (K ASPAR F IERZ , Der Schweizer Immobilienwert, 5. A., Zürich 2005, S. 373). Dies gilt gleichermas- sen auch für die Ermittlung des Steuerwertes einer Liegenschaft. Ob daran eine Nutzniessung besteht, ist ohne Bedeutung. Deren Wert ge- 2013 Kantonale Steuern 101 langt von der Grundstückbewertungssumme nicht in Abzug (Weglei- tung für die Bewertung von Grundstücken, II/2, S. 2, Ziff. 2.2.3). Steuerlich ist das Bestehen einer Nutzniessung lediglich insofern von Bedeutung, als nicht der Grundeigentümer, sondern der Nutzniesser die Liegenschaft zu versteuern hat (§§ 30 Abs. 1 lit. a und 46 Abs. 2 StG). Die Bemessungsgrundlagen bleiben für Eigentümer und Nutz- niesser dieselben. 5.4. Die Massgeblichkeit des objektiven Wertes einer Liegenschaft für die Berechnung der Grundbuchabgabe kommt auch darin zum Ausdruck, dass die auf die Erwerberinnen übertragene Schuld für die Berechnung der Grundbuchabgabe vom Übernahmepreis nicht zum Abzug gelangt. Dies wird denn auch von der Beschwerdeführerin nicht verlangt, obwohl die Liegenschaften durch die Schuldübernah- meverpflichtung für die Erwerberinnen zusätzlich an Wert eingebüsst haben. Nicht anders verhält es sich mit der vorbehaltenen Nutznies- sung. Sie schmälert nur für die Erwerberinnen den Wert der Liegen- schaften, stellt aber nicht eine objektive Werteinbusse dar. Der in der notariellen Urkunde bezeichnete Übernahmepreis von Fr. X. liegt unter den Steuerwerten der Liegenschaften. Die Vorinstanz hat damit zu Recht den Steuerwert als massgebliche Grundlage für die Berechnung der Grundbuchabgabe bezeichnet (§ 8 Abs. 2 GBAG).
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2019 Wahlen und Abstimmungen 185 IX. Wahlen und Abstimmungen 28 Gemeinderecht Kein Finanzreferendum bei Kredit betreffend Anschaffung im Bereich des Finanzvermögens Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 28. August 2019, in Sachen A.X., B.Y., C.Y. und D.Z. gegen Einwohnergemeinde Aarau und Departement Volkswirtschaft und Inneres, Gemeindeabteilung (WBE.2019.238). Aus den Erwägungen 1. (...) Umstritten ist einzig, ob der Kreditbeschluss des Einwoh- nerrats vom 25. März 2019 dem Finanzreferendum und damit dem obligatorischen Referendum untersteht. Mit den vom Einwohnerrat gesprochenen CHF 33'580'000.00 will die Stadt Aarau die Liegenschaft auf Walthersburg in Aarau als Kapitalanlage erwerben (Botschaft und Antrag an den Einwohnerrat vom 21. Januar 2019), wobei beabsichtigt ist, den Kaufpreis aus eigenen Mitteln des Finanzvermögens (Anlagefonds) oder durch Aufnahme von Fremdkapital zu finanzieren. Neben 30 Mietwoh- nungen verfügt die Liegenschaft über 29 Alterswohnungen für selbstständiges Wohnen im Alter, welche von einer Betriebsgenos- senschaft als Seniorenzentrum betrieben werden. Die Stadt Aarau ist aktuell eine von mehreren Genossenschafterinnen. Mit dem Kauf möchte die Stadt Aarau ihre Position auf dem Immobilienmarkt stär- ken und die Erträge zugunsten der Erfolgsrechnung sichern, wobei in erster Linie marktgerechte Mieteinnahmen erzielt werden sollen. 2. 2.1. 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 186 Beschlüsse der Gemeindeversammlung oder des Einwohnerra- tes unterliegen nach Massgabe von Gesetz und Gemeindeordnung der obligatorischen Volksabstimmung (§ 62 Abs. 2 KV). Gemäss § 57 GG müssen der Gesamtheit der Stimmberechtigten, neben den in lit. a - e aufgezählten und im vorliegenden Fall nicht einschlägigen Geschäften, die von der Gemeindeordnung ausdrücklich bezeichne- ten weiteren Geschäfte zum Entscheid durch die Urne vorgelegt wer- den (lit. f). 2.2. Die Gemeindeordnung der Einwohnergemeinde Aarau vom 23. Juni 1980 (GO, SRS 1.1-1) bestimmt in § 4 Abs. 1 lit. g (GO), dass Beschlüsse, die eine einmalige Ausgabe von mehr als Fr. 6'000'000.- oder neue, jährlich wiederkehrende Ausgaben von mehr als Fr. 300'000.- zur Folge haben , der Gesamtheit der Stimmberechtigten zum Entscheid an der Urne vorgelegt werden müssen. Ein solcherart ausgestaltetes Finanzreferendum soll den Stimmbürgern als Steuerzahler über das Verfassungs- und Gesetzesreferendum hinaus bei Verwaltungsakten von erheblicher finanzieller Tragweite ein unmittelbares Mitspracherecht sichern (ADRIAN HUNGERBÜHLER, Das Finanzreferendum nach der aargauischen Kantonsverfassung vom 25. Juni 1980, ZBl 86/1985 S. 331). 3. Für die Beantwortung der Frage, ob das Finanzreferendum auf ein konkretes Sachgeschäft Anwendung findet, sind der Begriff der Ausgabe und die Unterscheidung zwischen Finanz- und Verwal- tungsvermögen von ausschlaggebender Bedeutung. 3.1. § 84a Abs. 1 GG umschreibt das Finanzvermögen als jene Ver- mögenswerte, die ohne Beeinträchtigung der öffentlichen Aufgaben- erfüllung veräussert werden können. Das Verwaltungsvermögen um- fasst demgegenüber jene Vermögenswerte, die der öffentlichen Auf- gabenerfüllung dienen (§ 84a Abs. 2 GG). Während das Finanzver- mögen demnach nur mittelbar durch seinen Vermögenswert oder seine Erträgnisse für die Erfüllung staatlicher Aufgaben zur Verfü- gung steht, dienen dem Verwaltungsvermögen zuzurechnende Werte 2019 Wahlen und Abstimmungen 187 unmittelbar aufgrund ihres Gebrauchswerts der Besorgung öffent- licher Aufgaben. Diese Gebrauchswerte sind denn auch - im Gegen- satz zu den grundsätzlich realisierbaren Aktiven des Finanzvermö- gens - nicht veräusserbar oder pfändbar (ULRICH HÄFELIN/GEORG MÜLLER/FELIX UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Auf- lage, Zürich 2016, N 2203 ff.; BGE 138 I 247 E. 2.3.2). In der Ver- ordnung über den Finanzhaushalt der Gemeinden, Gemeindeverbän- de und Gemeindeanstaltenvom 19. September 2012 (FiV, SAR 617.113) ist ausserdem festgelegt, dass zum Finanzvermögen unter anderem Grundstücke gehören, die als Kapitalanlage erworben werden (§ 3 Abs. 1 FiV). Zum Verwaltungsvermögen zählt § 3 Abs. 1 lit. a und b FiV dagegen insbesondere Grundstücke, die mit Bauten und Anlagen für öffentliche Zwecke überbaut sind, und sol- che in der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen. 3.2. Der Begriff der Ausgabe wird bereits in § 63 Abs. 1 lit. d KV bei der Regelung des fakultativen Referendums auf Kantonsebene verwendet. Das Gemeindegesetz umschreibt die Ausgabe als Ver- wendung von Finanzvermögen zur Erfüllung öffentlicher Zwecke (§ 84b Abs. 2 GG). Von einer Ausgabe, welche dem Finanzreferen- dum unterliegt, wird dann gesprochen, wenn der Staat mit der Geld- summe keinen gleichwertigen realisierbaren Vermögenswert erwirbt (HUNGERBÜHLER, a.a.O., S. 333). Auch der Erwerb von Verwal- tungsvermögen sowie die Umwandlung von Finanz- in Verwaltungs- vermögen stellen eine Ausgabe dar (BGE 123 I 78; HÄFELIN/ MÜLLER/UHLMANN, a.a.O., N 2220). Demgegenüber untersteht die blosse Kapitalanlage als solche nicht dem Finanzreferendum (HUNGERBÜHLER, a.a.O., S. 333). Eine Anlage ist ein Finanzvorfall, dem ein frei realisierbarer Wert gegen- übersteht und der bloss zur Umschichtung innerhalb des Finanzver- mögens führt (§ 84b Abs. 3 GG). Das entscheidende Kriterium für die Unterstellung unter das Finanzreferendum ist folglich die Ver- minderung des Finanzvermögens und damit einhergehend die Mehr- belastung des Steuerzahlers. Werden dem Finanzvermögen Mittel entzogen, muss darüber abgestimmt werden - dies jedoch nur bei einem echten Mittelabfluss, d.h. wenn dem Finanzvermögen kein 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 188 realisierbarer Gegenwert zugeführt wird. Eine Investition mit Mitteln aus dem Finanzvermögen in Werte, die wiederum zum Finanzver- mögen gehören, verringert das Finanzvermögen nicht und die Reali- sierbarkeit bleibt erhalten (GIERI CAVIEZEL, Das Finanzreferendum im Allgemeinen und unter besonderer Berücksichtigung des Kantons Graubünden, Diss. Freiburg 1987, S. 54 f.; vgl. auch PIERRE TSCHANNEN, in: Basler Kommentar zur Bundesverfassung, Basel 2015, Art. 34 N 27 f.; GEROLD STEINMANN, Die Schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, 3. Auflage 2014, Art. 34 N 18; YVO HANGARTNER/ANDREAS KLEY, Die Demokratischen Rechte in Bund und Kantonen der Schweizerischen Eidgenossen- schaft, Zürich 2000, N 1832 ff.). 3.3. In einem älteren Entscheid hielt das Bundesgericht fest, der Er- werb von Liegenschaften zu Anlagezwecken stelle keine Ausgabe im Sinne des Finanzreferendums dar (BGE 89 I 37 S. 43 f.). Einige Jah- re später äusserte es sich in ähnlicher Weise, dass der Erwerb eines Grundstücks durch den Staat keine Ausgabe (im Sinne einer Vermin- derung des Staatsvermögens) darstellt, sondern erst die Inanspruch- nahme dieses Grundstücks für einen bestimmten öffentlichen Zweck (BGE 111 Ia 201 E. 5a S. 208 f.). An dieser Ansicht hielt das Bun- desgericht in den folgenden Jahren fest und führte zum verfassungs- politischen Zweck des Finanzreferendums aus, dem Bürger solle damit bei Beschlüssen über erhebliche Ausgaben, die ihn als Steuer- zahler mittelbar treffen, ein Mitspracherecht gesichert werden. Mit Verweis auf das Begriffspaar Anlage und Ausgabe stellte es ausserdem fest, um eine Anlage handle es sich dann, wenn einer staatlichen Aufwendung ein frei realisierbarer Wert gegenüberstehe und das erworbene Objekt nicht von Rechts wegen zu einer Verwen- dung bestimmt sei, welche seine wirtschaftliche Veräusserung aus- schliesse, wie diejenige zu Verwaltungszwecken. Daraus folgerte es im konkreten Fall, dass mit der Absicht, einen Wohn-, Büro- und La- dentrakt eines Gebäudes zu erstellen und weiterzuvermieten eine An- lagetätigkeit verfolgt werde und der Vorgang keine Ausgabe darstelle (BGE 112 Ia 221 E. 2a S. 226 f.). Schliesslich qualifizierte das Bun- desgericht den Kredit für den Umbau einer bisher an eine private 2019 Wahlen und Abstimmungen 189 Mieterin vermieteten Liegenschaft der Stadt Zürich, um die Liegen- schaft danach als Gerichtsgebäude zu nutzen, als eine Übertragung von Finanz- in Verwaltungsvermögen und damit als Ausgabe, welche dem Finanzreferendum unterstellt ist (BGE 123 I 78 E. 5b S. 84). Anlagen seien Veränderungen innerhalb des Finanzvermögens; dabei werde zur Werterhaltung und Sicherung eines angemessenen Ertra- ges vorhandenes eigenes Vermögen in eine andere wirtschaftliche Form gebracht (BGE 123 I 78 E. 3c S. 82). 4. 4.1. Beim beabsichtigten Erwerb der Liegenschaft auf Walthers- burg , welche sich in der Wohnzone und nicht in der Zone für öffent- liche Bauten befindet, steht das Tätigen einer reinen Finanzanlage im Vordergrund. So soll die Liegenschaft nach dem Kauf in das Liegen- schaftenportfolio im Finanzvermögen integriert werden. In diesem Zusammenhang bleibt festzuhalten, dass der Erwerb und die Ver- äusserung von Grundstücken nicht den Wert des Gemeindevermö- gens verändert, sondern bloss die Zusammensetzung desselben. An- stelle von liquiden Mitteln (Kaufpreis) wird der Wert eines Grund- stücks im Finanzvermögen bilanziert oder umgekehrt (ANDREAS BAUMANN, Aargauisches Gemeinderecht, 4. Auflage, Zürich 2017, S. 361 FN 7). 4.2. Die 29 bestehenden Alterswohnungen stellen dabei kein Hin- dernis für die Überführung in das Finanzvermögen dar, unterscheidet sich doch das Anbieten von Wohnungen für ein selbstbestimmtes Wohnen im Alter klar von der Führung eines Altersheims, welches zum Verwaltungsvermögen gehört. Dies gilt unabhängig davon, ob die Miete der Alterswohnungen an den Bezug von (minimalen) Pfle- ge- und Betreuungsleistungen gebunden ist oder nicht. Unter Beach- tung der gesetzlichen und vertraglichen Fristen können Alterswoh- nungen gekündigt und anderweitig (ohne Pflichtleistungen) vermietet werden. Die Stellung der Stadt als eine von vierzehn Genossenschaf- terinnen der Betriebsgenossenschaft ändert an der Qualifikation der Alterswohnungen als Finanzvermögen nichts. Erst wenn die Stadt beispielsweise selber Pflege- und Betreuungsdienste anbieten oder 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 190 aus sozialpolitischen Gründen auf Marktmieten verzichten würde, könnte dies als Wechsel vom Finanz- zum Verwaltungsvermögen be- trachtet werden und unterläge demnach dem Finanzreferendum. Da- von ist in der stadträtlichen Botschaft jedoch keine Rede. 4.3. Wird der Begriff Ausgabe im Sinne von § 4 lit. g GO in Übereinstimmung mit dem übergeordneten Recht und der bundesge- richtlichen Rechtsprechung ausgelegt, wird klar, dass sich eine Aus- gabe ausschliesslich auf das Verwaltungsvermögen oder die Um- widmung von Finanz- in Verwaltungsvermögen beziehen kann. Der vorliegende Erwerb der Liegenschaft auf Walthersburg ist als Ka- pitalanlage zu qualifizieren und nicht als Ausgabe im Sinne von § 4 lit. g GO. Das Sachgeschäft untersteht damit nicht dem Finanzrefe- rendum.
2,522
1,957
AG_VG_001
AG_VG
AG
Northwestern_Switzerland
AG_VG_001_AGVE-2019-28_2019-08-02
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870,295
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2,004
de
2004 Verwaltungsgericht 140 [...] 37 Rückwirkende Änderung von Werten der Handels- und Steuerbilanz. Berichtigung. - Bilanzwerte, die formell verbindlich festgesetzt wurden oder die zur Ermittlung des steuerbaren Ertrags in rechtskräftig gewordenen Veranlagungen dienten, müssen fortgeführt werden. 2004 Kantonale Steuern 141 - Eine Berichtigung zur Korrektur materieller Fehler der Veranlagung ist nicht zulässig. - Eine Revision zu Lasten des Steuerpflichtigen mit dem Zweck, "verschleppte Bilanzierungsfehler" zu beseitigen, ist nicht zulässig. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 4. März 2004 in Sachen E. AG. Publiziert in StE 2005, B 72.11 Nr. 11.
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AG_VG_001
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2,010
de
2010 Verwaltungsgericht 104 [...] 21 Anordnung einer fachärztlichen Begutachtung. Unzulässigkeit der Anordnung einer fachärztlichen Begutachtung bei re- gelmässigem, aber kontrolliertem und mässigem Cannabiskonsum, wenn keine Indizien bestehen, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage sein könnte, Cannabiskonsum und Strassenverkehr ausreichend zu tren- nen, und es auch keine Hinweise auf die zusätzliche Einnahme anderer Drogen gibt. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 15. Dezember 2010 in Sachen R.G. gegen den Entscheid des Departements Volkswirtschaft und Inne- res (WBE.2010.324). 2010 Strassenverkehrsrecht 105 Aus den Erwägungen 1. 1.1. (...) 1.2. 1.2.1. Führerausweise sind zu entziehen, wenn festgestellt wird, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung nicht oder nicht mehr bestehen (Art. 16 Abs. 1 SVG). Der Sicherungsentzug wird unab- hängig von einer Verkehrsregelverletzung bei körperlicher, geistiger oder charakterlicher Unfähigkeit eines Fahrzeuglenkers verfügt und dient damit unmittelbar der Sicherheit im Strassenverkehr (BGE 107 Ib 395, Erw. 2a). Sicherungsentzüge sind dort anzuordnen, wo an der Verkehrstauglichkeit eines Motorfahrzeugführers berech- tigte Zweifel bestehen (vgl. hierzu AGVE 1991, S. 196 mit Hin- weisen). Trifft diese Voraussetzung zu, so würde eine weitere Zulassung zum Verkehr die Verkehrssicherheit gefährden. Hinter dem Begriff "Verkehrssicherheit" steht das allgemeine Interesse der anderen Verkehrsteilnehmer, keinen voraussehbaren und vermeid- baren Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt zu sein. Dieses Interesse überwiegt regelmässig die Interessen des Einzelnen (dessen Verkehrstauglichkeit in Frage steht). Dieser Interessenlage wird auch im Rahmen eines vorsorglichen Entzugs des Führerausweises (Art. 30 VZV) Rechnung getragen (zu dessen Voraussetzungen: BGE 106 Ib 115, Erw. 2b; 122 II 359, Erw. 3a mit Hinweisen). Da ein Sicherungsentzug tief in den Persönlichkeitsbereich des Betroffenen eingreift, ist nach der Rechtsprechung in jedem Fall und von Amtes wegen eine genaue Abklärung der persönlichen Verhält- nisse - und bei einem allfälligen Suchtleiden der Konsumgewohn- heiten der betroffenen Person - vorzunehmen. Das Ausmass der notwendigen behördlichen Nachforschungen, namentlich die Frage, ob ein medizinisches Gutachten eingeholt werden soll, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und liegt im pflichtgemässen Ermessen der Entzugsbehörde (Entscheid des Bundesgerichts vom 10. August 2010 [1C_146/2010], Erw. 3.2.1, letzter Abschnitt). 2010 Verwaltungsgericht 106 Wegen fehlender Fahreignung wird einer Person der Führer- ausweis auf unbestimmte Zeit u.a. dann entzogen, wenn sie an einer Sucht leidet, welche die Fahreignung ausschliesst (Art. 16d Abs. 1 lit. b SVG). Drogensucht wird nach der Rechtsprechung bejaht, wenn die Abhängigkeit von der Droge derart ist, dass der Betroffene mehr als jede andere Person der Gefahr ausgesetzt ist, sich ans Steuer eines Fahrzeugs in einem - dauernden oder zeitweiligen - Zustand zu set- zen, der das sichere Führen nicht mehr gewährleistet. Im Interesse der Verkehrssicherheit setzt die Rechtsprechung den regelmässigen Konsum von Drogen der Drogenabhängigkeit gleich, sofern dieser seiner Häufigkeit und Menge nach geeignet ist, die Fahreignung zu beeinträchtigen. Auf fehlende Fahreignung darf geschlossen werden, wenn der Betroffene nicht mehr in der Lage ist, Betäubungsmittel- konsum und Strassenverkehr ausreichend zu trennen, oder wenn die nahe liegende Gefahr besteht, dass er im akuten Rauschzustand am motorisierten Strassenverkehr teilnimmt (Beschluss des Bundesge- richts vom 7. Februar 2007 [6A.72/2006], Erw. 3.2 mit Hinweisen). 1.2.2. Eine Fahreignungsabklärung in der Form einer Verpflichtung zu einer fachärztlichen Begutachtung auf eigene Kosten (und unter der Androhung eines vorsorglichen Sicherungsentzugs im Unterlas- sungsfalle) muss sich auf einen genügenden Anlass stützen und ver- hältnismäßig sein, d.h., es müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen, wonach der Betroffene mehr als jede andere Person der Gefahr aus- gesetzt ist, sich in einem Zustand ans Steuer eines Fahrzeugs zu set- zen, der das sichere Führen nicht mehr gewährleistet (BGE 127 II 122, Erw. 3c; 124 II 559, Erw. 3d, je mit Hinweisen). Dabei gilt es festzuhalten, dass nicht bei jedem Cannabis- bzw. Alkoholkonsu- menten ohne weiteres eine mangelnde Fahreignung vermutet und eine entsprechende verkehrsmedizinische Abklärung angeordnet werden kann (Entscheid des Bundesgerichts vom 27. November 2002 [6A.65/2002], Erw. 6.2), vielmehr braucht es dafür eines kon- kreten und erheblichen Verdachts für das Vorliegen einer verkehrs- medizinisch relevanten Suchtproblematik. 2010 Strassenverkehrsrecht 107 2. 2.1. Das im angefochtenen Entscheid geschilderte Konsumverhalten des Beschwerdeführers (drei bis vier Gramm Marihuana pro Monat) ist in dessen Verwaltungsgerichtsbeschwerde unbestritten geblieben. Die Vorinstanz hält im angefochtenen Entscheid fest, im Rah- men eines im April 2006 eingeleiteten Ermittlungsverfahrens sei der Beschwerdeführer wegen Vermittelns, Transportierens und Konsums von Marihuana verzeigt worden. Gegenüber der Polizei habe der Be- schwerdeführer damals angegeben, von April 2005 bis April 2006 monatlich einmal Marihuana zu rauchen. Die letzte Verzeigung we- gen eines Betäubungsmitteldelikts sei im Januar 2007 erfolgt. Der Beschwerdeführer habe am 14. März 2010 gegenüber der Polizei an- gegeben, seit Juni 2009 wöchentlich Marihuana, letztmals am 13. März 2010 und insgesamt 36 Gramm, konsumiert zu haben. Betreffend den letzten feststehenden Konsum vom 13. März 2010 habe er angegeben, einen Joint mit ca. 0,5 Gramm Marihuana ge- raucht zu haben; ausgehend von dieser Menge Marihuana pro Joint ergebe sich ein Konsum von sechs bis acht Joints monatlich. Als Fol- ge dieses Vorfalls habe das Bezirksamt X. den Beschwerdeführer im Mai 2010 u.a. wegen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittel- gesetz durch Besitz und Konsum von Marihuana zu einer Geldstrafe und einer Geldbusse verurteilt. 2.2. 2.2.1. Die Vorinstanz schildert, es sei beim Beschwerdeführer von ei- nem seit längerer Zeit betriebenen, regelmässigen Marihuanakonsum auszugehen, der sich von anfänglich einem Joint auf sechs bis acht Joints pro Monat gesteigert habe. Aufgrund des aktenkundigen regel- mässigen Konsums von Marihuana lägen genügend Anhaltspunkte vor, die zumindest berechtigte Zweifel an der Fahreignung des Be- schwerdeführers begründeten, weshalb die Anordnung eines fach- ärztlichen Gutachtens zur Abklärung der Fahreignung des Beschwer- deführers notwendig sei. 2010 Verwaltungsgericht 108 2.2.2. Der Beschwerdeführer macht demgegenüber geltend, es liege weder eine Drogensucht noch eine Suchtgefährdung vor, und über- dies fehle es auf jeden Fall an einem strassenverkehrsrechtlich rele- vanten Konsumverhalten, weshalb keine Abklärungsmassnahmen an- geordnet werden dürften. 3. 3.1. Mögliche Anzeichen dafür, dass eine verkehrsmedizinische Ab- klärung der Fahreignung von regelmässigen Cannabiskonsumenten geboten ist, kann sich u.a. auch aus dem nachweisbaren bzw. einge- standenen Konsum- und Fahrverhalten des Lenkers ergeben. Bei An- zeichen von übermässigem Haschischkonsum, der zur Gefährdung der Verkehrssicherheit führt, darf eine Prüfung der Fahreignung an- geordnet werden (Entscheid des Bundesgerichts vom 27. November 2002 [6A.65/2002], Erw. 6.2 mit Hinweisen). Die Anordnung einer verkehrsmedizinischen Abklärung der Fahreignung (im Hinblick auf die Prüfung eines allfälligen Sicherungsentzuges) setzt jedoch kon- krete Anhaltspunkte dafür voraus, dass der fragliche Inhaber des Führerausweises mehr als jede andere Person der Gefahr ausgesetzt ist, sich in einem Zustand ans Steuer eines Fahrzeuges zu setzen, der das sichere Führen nicht mehr gewährleistet (BGE 127 II 122, Erw. 3c; 124 II 559, Erw. 3d, je m.w.H.). Dies kann namentlich der Fall sein, wenn es sich um einen "starken" Konsumenten von Cannabis handelt und weitere Indizien auf verkehrsgefährdendes Verhalten hinweisen (BGE 127 II 122, Erw. 4b; 124 II 559, Erw. 4a- g, je m.w.H.). Es entspricht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis, dass der Cannabisrausch die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt. Der gelegent- liche Cannabiskonsument, der nicht mit Alkohol oder anderen Dro- gen mischt, ist jedoch in der Regel in der Lage, konsumbedingte Leistungseinbussen als solche zu erkennen und danach zu handeln. Demgegenüber ist bei andauerndem bzw. regelmässigem und gleich- zeitig hohem Konsum von einer mindestens geringen Bereitschaft und Fähigkeit auszugehen, zuverlässig zwischen dem Drogenkonsum und der Teilnahme am Strassenverkehr zu trennen (Entscheidung des 2010 Strassenverkehrsrecht 109 Bundesverfassungsgerichts [BVerfG], 1 BvR 2062/96 vom 20. Juni 2002, Absätze 33 ff.). Die Neigung, unter Substanzeinfluss zu fahren, verstärkt sich mit zunehmendem Konsum. Deshalb kann regel- oder gar gewohnheitsmässiger Cannabiskonsum zumindest berechtigte Zweifel an der Fahreignung begründen, die gegebenenfalls weitere Abklärungen im Rahmen einer Eignungsprüfung (oder von Auf- lagen) rechtfertigen. Wie der Beschwerdeführer zutreffend ausführt, ist eine möglichst rechtsgleiche Praxis im Vergleich zum Alkohol- missbrauch am Steuer anzustreben, weshalb nicht bei jedem Canna- biskonsumenten ohne weiteres eine mangelnde Fahreignung vermu- tet und eine entsprechende verkehrsmedizinische Abklärung ange- ordnet werden darf (Entscheid des Bundesgerichts vom 27. Novem- ber 2002 [6A.65/2002]). 3.2. Bei einem zugestandenen monatlichen Konsum von drei bis vier Gramm Marihuana - entsprechend einem bis zwei Joints 0,5 mg pro Woche - kann zweifellos nicht von einem starken Konsu- menten von Cannabis i.S. der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gesprochen werden. Der Beschwerdeführer ist nie mit Drogen im Strassenverkehr auffällig geworden. Bei dieser Ausgangslage ist da- von auszugehen, dass es sich bei ihm um einen Fall von regelmässi- gem, aber kontrolliertem und mässigem Cannabiskonsum handelt, der für sich allein noch nicht den Schluss auf eine fehlende Fahreig- nung zulässt (BGE 127 II 122, Erw. 4b). Es liegen auch keine Indi- zien dafür vor, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage sein könnte, Cannabiskonsum und Strassenverkehr ausreichend zu tren- nen. Auch sind in casu keine Indizien für die zusätzliche Einnahme anderer Drogen ersichtlich. Zusammenfassend besteht somit auf- grund der Aktenlage kein genügender Anlass, den Beschwerdeführer zu einer medizinischen Fahreignungsabklärung zu verpflichten. Die Beschwerde ist daher gutzuheissen.
2,381
1,882
AG_VG_001
AG_VG
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AG_VG_001_AGVE-2010-21_2010-12-01
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412
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2,015
de
2015 Sozialhilfe 225 33 Sozialhilfe; selbständig Erwerbende - Selbständig Erwerbende können von der Sozialhilfe grundsätzlich nur für eine befristete Zeit im Sinne einer Überbrückungshilfe bei bestehender Erwerbstätigkeit ergänzend unterstützt werden. - Als Einkommen aus der selbständigen Erwerbstätigkeit ist der je- weils erzielte Gewinn massgebend, nicht die Bruttoeinnahmen. - Die Aufrechnung unklarer Ausgaben als Einkommen setzt eine Ver- letzung der Mitwirkungspflicht oder den Nachweis voraus, dass nicht geschäftsmässig begründeter Aufwand vorliegt. - Behandlung von Kontokorrentkrediten Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 1. Juni 2015 in Sachen Einwohnergemeinde A. gegen B., C. und Departement Gesundheit und Sozia- les (WBE.2015.85). Aus den Erwägungen 3.2. Mit der Sozialhilfe dürfen keine selbständigen Erwerbstätigkei- ten mitfinanziert werden, die nicht geeignet sind, die Notlage einer gesuchstellenden Person in absehbarer Zeit zu mildern. Umgekehrt soll aber einem Sozialhilfeempfänger - nach dem Grundsatz der Subsidiarität (§ 5 Abs. 1 SPG) - nicht die Möglichkeit genommen werden, mit der Ausübung einer Nebenerwerbstätigkeit die Ab- hängigkeit von der materiellen Hilfe zu beschränken oder gar auf- zuheben (AGVE 2009, S. 277, Erw. 4.3.1). Selbständig Erwerbende können von der Sozialhilfe grundsätz- lich nur für eine befristete Zeit im Sinne einer Überbrückungshilfe bei bestehender selbständiger Erwerbstätigkeit ergänzend unterstützt werden. Betriebskosten werden in der Regel nicht zu Lasten der So- zialhilfe übernommen. Kleininvestitionen können zu Lasten der So- zialhilfe getätigt werden, wenn der Betrieb bereits den Lebensunter- 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 226 halt abwirft, dadurch die Sozialhilfeabhängigkeit vermeidet und dies auch künftig der Fall ist (vgl. SKOS-Richtlinien, Kapitel H.7; G UIDO W IZENT , Die sozialhilferechtliche Bedürftigkeit, Zürich/St. Gallen 2014, S. 364; AGVE 2004, S. 251 f.). Die SKOS-Richtlinien empfehlen, Unterstützung nur zu gewähren, wenn gleichzeitig eine Überprüfung der wirtschaftlichen Überlebensfähigkeit des Betriebes erfolgt (Kapitel H.7; C LAUDIA H ÄNZI , Die Richtlinien der schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe, Basel 2011, S. 202). 3.3. Zum anrechenbaren Erwerbseinkommen gehören die Netto-Ein- künfte aus unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit (SKOS-Richtlinien, Kapitel E.I). Bei selbständiger Erwerbstätigkeit ist jeweils der erzielte Gewinn massgebend, nicht etwa die Bruttoein- nahmen, andernfalls müssten Geschäftsauslagen aufgerechnet wer- den (H ÄNZI , a.a.O., S. 389 mit Verweis auf VGE IV/8 vom 14. Feb- ruar 2005 [BE.2004.00259], S. 19). Bei der Berechnung der Netto- einkünfte sind insbesondere Sozialversicherungsbeiträge und der übrige Betriebsaufwand in Abzug zu bringen (Handbuch Sozialhilfe des Kantonalen Sozialamtes Zürich, 2012, 9.1.01, Erläuterung 1.1). Vermögensbestandteile der unterstützten Person, die (in ver- nünftigem Umfang) in ihr Geschäft investiert sind und welche zur Weiterführung der (mangels Rentabilität nicht ohnehin aufzugeben- den) selbständigen Erwerbstätigkeit erforderlich sind, gelten grund- sätzlich als nicht realisierbar im Sinne von § 11 Abs. 5 SPG (vgl. Handbuch Sozialhilfe des Kantonalen Sozialamtes Zürich, a.a.O., 9.2.01, Erläuterung 5). 3.4. (...) 4.-6. (...) 7. 7.1. Den Beschwerdegegnern ist entsprechend dem Effektivitäts- grundsatz nur verfügbares Einkommen als eigene Mittel anzurech- nen. Für die Einkünfte aus der selbständigen Erwerbstätigkeit ist der monatliche Geschäftsgewinn ergänzt um die Privatbezüge massge- bend. 2015 Sozialhilfe 227 Bei den Akten ist eine Buchhaltung mit Zahlungsein- und -aus- gängen der Geschäftskonti, wobei zu den Buchungen Referenzen an- gegeben werden und ein monatlicher Gewinn/Verlust ausgewiesen wird. Eine Debitoren- und Kreditorenbuchhaltung liegt nicht vor. Aufgrund der Kontoauszüge für September 2013 bis Dezember 2014 lassen sich die Gutschriften und Belastungen überprüfen. Die von den Beschwerdegegnern eingereichten Unterlagen sind grundsätzlich vollständig und stimmen mit den Auszügen überein. Es ist daher grundsätzlich auf deren Angaben in den Unterlagen abzustellen. Bei Auffälligkeiten hat die Sozialbehörde zusätzlich Auskünfte einzuho- len. Zur Ermittlung des monatlichen Betriebsergebnisses darf einer- seits nicht bloss auf die Geschäftseinnahmen abgestellt werden und sind aufgrund der Massgeblichkeit der Kreditoren, unabhängig von allenfalls höheren Saldi am Ende des Monats, die Verbindlichkeiten bspw. für Lieferantenrechnungen zu berücksichtigen. 7.2. Erscheint bei Ausgaben der Bezug zur Geschäftstätigkeit frag- lich, hat die Sozialbehörde zusätzliche Auskünfte und Belege einzuholen und besteht für die Beschwerdegegner eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Die Anrechnung unklarer Ausgaben als eigene Mittel setzt eine Verletzung der Mitwirkungspflicht oder den Nach- weis voraus, dass nicht geschäftsmässig begründeter Aufwand vor- liegt. 7.3. Nachdem der Kontokorrentkredit im Einverständnis mit der Sozialbehörde weitergeführt wurde, können Erhöhungen des Konto- standes (d.h. Buchgewinne ohne Ausschüttung und verbunden mit dem Abbau des Kredits bzw. des Minussaldos) nicht als Einnahmen im Sozialhilfebudget angerechnet werden. Die Anrechnung von Bezügen als eigene Mittel setzt voraus, dass entsprechende Beträge für private Zwecke verwendet wurden. Bestehen Anhaltspunkte für Privatbezüge, hat die Sozialbehörde Anrechnungen zu begründen. Nicht angerechnet werden dürfen insbesondere Beträge, welche kurzfristig zur Einhaltung einer Kreditlimite oder zum Abbau eines Minussaldos einbezahlt und anschliessend wieder abgehoben wur- den. Diese wirken sich nicht auf das Geschäftsergebnis aus.
1,268
986
AG_VG_001
AG_VG
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Northwestern_Switzerland
AG_VG_001_AGVE-2015-33_2015-06-03
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de
2016 Verwaltungsrechtspflege 323 [...] 53 Beschwerdebefugnis/Legitimation Beschwerdebefugnis der (Einwohner-)Gemeinde in Bausachen Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 17. August 2016 in Sachen A. AG, B. GmbH und C. AG gegen Departement Bau, Verkehr und Umwelt sowie Gemeinderat D. (WBE.2015.502, Beschwerdeverfahren I) und in Sachen Einwohnergemeinde D. gegen Departement Bau, Verkehr und Um- welt sowie Gemeinderat D. (WBE.2015.503, Beschwerdeverfahren II). Aus den Erwägungen I. 1. (...) 2. 2.1. Gemäss § 42 VPRG ist zur Beschwerde befugt a) wer ein schutzwürdiges eigenes Interesse an der Aufhebung oder der Ände- rung des Entscheids hat, b) jede andere Person, Organisation oder Behörde, die durch Bundesrecht oder kantonales Recht zur Be- schwerde ermächtigt ist. 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 324 2.2. (...) 2.3. Fraglich ist hingegen, ob auch der Gemeinderat zur Beschwerde befugt ist (Beschwerdeverfahren II [WBE.2015.503]). Eine Konstellation im Sinne von § 42 lit. b VRPG (spezifische Ermächti- gung durch Bundesrecht oder kantonales Recht) liegt vorab nicht vor. Es ist deshalb zu prüfen, ob die Beschwerdebefugnis gestützt auf § 42 lit. a VRPG gegeben ist. Der Gemeinderat bringt vor, als Adres- sat sei er vom angefochtenen Entscheid direkt betroffen, und er werde in seiner noch vorhandenen Gemeindeautonomie beschnitten, weshalb er beschwerdeberechtigt sei. Nach der Praxis kann sich auch eine (Einwohner-)Gemeinde auf § 42 lit. a VPRG (bzw. früher § 38 Abs. 1 des Verwaltungsrechtspfle- gegesetzes vom 9. Juli 1968 [aVRPG]) berufen. Gleich wie beim pri- vaten Beschwerdeführer ist vorausgesetzt, dass sie ein schutzwürdi- ges eigenes Interesse geltend machen kann. Die öffentlichen Interes- sen einer (Einwohner-)Gemeinde sind eigene, wenn sie dem spezifi- schen lokalen Lebensbereich entspringen; gemeint sind jene Belange, welche die Gemeindeeinwohner erheblich anders als die Kantonsein- wohner im Allgemeinen berühren (vgl. AGVE 1989, S. 305 f.; 1988, S. 373; 1986, S. 322; VGE III/18 vom 2. März 2009 [WBE.2006.430], S. 4; je mit Hinweisen). Nach ständiger Rechtspre- chung des Verwaltungsgerichts ist die Einwohnergemeinde (bzw. der Gemeinderat) in Bausachen nur dann zur Beschwerde befugt, wenn die kantonale Instanz entgegen der gemeinderätlichen Verfügung eine Baubewilligung erteilt hat - weil dies zu Veränderungen in der Gemeinde führt, welche der Gemeinderat für unzulässig hält - (vgl. AGVE 1989, S. 306; 1986, S. 322; VGE III/5 vom 23. Januar 2014 [WBE.2013.113], S. 3; VGE III/18 vom 2. März 2009 [WBE.2006.430], S. 5; M ICHAEL M ERKER , Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, Kommentar zu den §§ 38-72 [a]VRPG, Diss., Zürich 1998, § 38 N 206), nicht hingegen, wenn eine Baubewilligung des Gemeinderats aufgehoben wird, weil dann die Situation der Gemeinde, wenn der Baugesuchsteller auf ein Rechts- mittel verzichtet, nicht anders ist, als wenn überhaupt kein Bauge- 2016 Verwaltungsrechtspflege 325 such eingereicht worden wäre (AGVE 1989, S. 306 mit diversen Hinweisen; M ERKER , a.a.O., § 38 N 206). Es besteht im vorliegen- den Fall kein Grund, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Selbst wenn die Baubewilligung im Beschwerdeverfahren nämlich erteilt wird, hat die Gemeinde kein Mittel, die Ausführung der Baute durch- zusetzen; dies hängt völlig vom Willen des Baugesuchstellers ab (bei dem angenommen werden kann, er ergreife selbst ein Rechtsmittel, wenn er fest entschlossen ist zu bauen, so dass es in dieser Situation gar keiner eigenen Beschwerdelegitimation der Gemeinde bedarf). Es bleibt deshalb immer ungewiss, ob die Gemeinde die angestrebten Auswirkungen ihrer Beschwerde überhaupt erreichen kann. Ausser- dem hat sie, wenn sie die Bautätigkeit fördern will, dies durch gene- rell anwendbare und wirksame Massnahmen zu tun. Die besonders intensive Unterstützung eines Bauwilligen im Einzelfall - auch in prozessualer Hinsicht - erfüllt diese Voraussetzung nicht; sie ist nicht allgemein vorgesehen und kann es auch nicht sein, weil dies darauf hinausliefe, dass die Gemeinde in jedem Fall prozessiert, wenn sie vor der Beschwerdeinstanz nicht recht erhalten hat, also letztlich aus reiner Rechthaberei. Zudem bestünde bei derartigem Handeln im Einzelfall die erhebliche Gefahr objektiv nicht begründbarer Ungleichbehandlung (AGVE 1989, S. 307). Vorliegend hob die Vorinstanz die Baubewilligung des Gemein- derats auf, und zwar gestützt auf verschiedene kantonale Bauvor- schriften, deren Anwendung sie frei überprüfen durfte und musste (namentlich kantonale Definitionen/Begriffe bzw. Messweisen im Zusammenhang mit Geschossigkeit/Terrassierung und Gebäude- länge, aber auch Strassenabstandsvorschriften und Frage, ob die Voraussetzungen für Ausnahmebewilligungen erfüllt sind). Soweit es um die Anwendung und Auslegung kantonaler Bestimmungen geht, kann sich die Gemeinde auch nicht auf ihre Autonomie berufen. Ent- sprechend den vorstehenden Ausführung ist die Einwohnergemeinde (als deren Organ der Gemeinderat handelt) in einer solchen Konstellation nicht befugt, den Entscheid ans Verwaltungsgericht weiterzuziehen. Auf die Beschwerde im Beschwerdeverfahren II (WBE.2015.503) ist demgemäss nicht einzutreten.
1,264
1,017
AG_VG_001
AG_VG
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Northwestern_Switzerland
AG_VG_001_AGVE-2016-53_2016-08-03
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2009 Enteignungsrecht 271 XI. Enteignungsrecht 49 Kostenauflage im erstinstanzlichen Verfahren um formelle Enteignung Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 18. November 2009 in Sa- chen Einwohnergemeinde U. gegen den Kanton Aargau und den Regierungs- rat des Kantons Aargau (WBE.2009.57). Aus den Erwägungen 5.3. Nach § 149 Abs. 2 BauG sind in Enteignungsverfahren, in de- nen Entschädigungen zugesprochen werden, die Verfahrenskosten in der Regel vom entschädigungspflichtigen Gemeinwesen zu tragen. Eine ähnliche Regelung enthielt bereits das Dekret über das Verfah- ren vor der Schätzungskommission nach Baugesetz und nach Gewäs- serschutzgesetz (DSchK) vom 22. Februar 1972, welches mit dem Inkrafttreten des Baugesetzes vom 19. Januar 1993 aufgehoben wurde (vgl. § 166 lit. g BauG). Diese Bestimmung lautete wie folgt: "Kostenverteilung 1 In Enteignungs- und Entschädigungsstreitigkeiten sind a) Grundsatz die Kosten des Verfahrens in der Regel vom Enteigner beziehungsweise vom entschädigungspflichtigen Ge- meinwesen zu tragen. In allen übrigen Verfahren ent- scheidet die Schätzungskommission nach Recht und Bil- ligkeit sowie unter Berücksichtigung des Verfahrensaus- ganges über die Kostentragung." Das Verwaltungsgericht erwog dazu in einem Grundsatzent- scheid aus dem Jahr 1985, die Regel, wonach das entschädigungs- pflichtige Gemeinwesen die Verfahrenskosten zu tragen habe, be- ziehe sich einzig auf die zweite Phase des Verfahrens um formelle Enteignung, in der das Enteignungsrecht feststehe und sich die Aus- einandersetzung nur noch um die Entschädigung drehe. Das Recht 2009 Verwaltungsgericht 272 des Privaten, ohne Kostenrisiko den Enteignungsrichter anzurufen, gelte somit bei der formellen Enteignung bloss für die Entschädi- gungsfrage (AGVE 1985, S. 378). Gemäss den Materialien zum Baugesetz sollte die Regel gemäss § 26 BauG in das neue Baugesetz übernommen und gleichzeitig präzisiert werden (Botschaft des Re- gierungsrats des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 21. Mai 1990 [5397], S. 52). Hinweise darauf, dass die Kostenregelung ma- teriell abgeändert werden sollte, finden sich in den Materialien nicht. Es besteht daher kein Anlass, unter dem geltenden BauG vom Grundsatz abzurücken, wonach sich das Kostenprivileg des Enteig- neten lediglich auf die Entschädigungsfrage bezieht. Nachdem sich der Streit im konkreten Fall um das Enteignungsrecht als solches dreht, findet § 149 Abs. 2 BauG keine Anwendung. Die Kostenfrage richtet sich also nach § 33 Abs. 1 aVRPG i.V.m. § 4 Abs. 1 BauG. 5.4. Nach § 33 Abs. 1 aVRPG ist das erstinstanzliche Verwaltungs- verfahren unentgeltlich; abweichende Bestimmungen sind jedoch vorbehalten. Das Verfahren vor dem Regierungsrat ist zwar ein erst- instanzliches, weil die Schätzungskommission in der Enteignungs- frage keinen Entscheid fällen, sondern das Verfahren nach Scheitern der Einigungsverhandlungen lediglich an den Regierungsrat über- weisen kann (§ 154 BauG). Das Baugesetz enthält jedoch eine ab- weichende Bestimmung im Sinn von § 33 Abs. 1 aVRPG. Gemäss § 5 Abs. 2 BauG können für Entscheide über Enteignungen auch vor erster Instanz Gebühren und Kosten auferlegt werden. Es gilt zwar der Grundsatz, dass eine Behörde keine Verfah- renskosten zu tragen hat (vgl. AGVE 1996, S. 384 f.). Dieser Grund- satz kommt jedoch dann nicht zum Tragen, wenn die Behörde ein Verfahren selber eingeleitet hat oder wenn eine besondere Interes- senlage gegeben ist, die jener im Klageverfahren oder im Zivilpro- zess entspricht, wenn es also um Interessen des Gemeinwesens na- mentlich finanzieller Art geht (vgl. AGVE 2006, S. 285; 2000, S. 386 mit Hinweisen). Nachdem die Beschwerdeführerin das vor- instanzliche Verfahren selber durch ihre Einsprache eingeleitet hat, lässt es sich nicht beanstanden, dass der Regierungsrat die vor- instanzlichen Verfahrenskosten nach dem Prozessausgang verlegt 2009 Enteignungsrecht 273 hat. Da die Beschwerdeführerin im vorinstanzlichen Verfahren un- terlegen ist, hat sie folgerichtig die Kosten des Verfahrens vor dem Regierungsrat zu tragen. Die Rüge, die Vorinstanz habe die Kosten falsch verlegt, ist somit unbegründet.
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2005 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 139 IV. Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 34 Gewässernutzung. - Ausnahmen von der Bewilligungspflicht (§ 4 Abs. 2 Satz 2 GNG; § 5 Abs. 3 GNV); Anwendung auf eine durch eine Eindolung entstandene zusätzliche Gartenfläche (Erw. 1). - Fehlende Gebührenpflicht auch mangels einer effektiven, sich nach aussen manifestierenden Leistung des Staates (Erw. 2). - Abhandlung von Gegenargumenten (Erw. 3). - Zulässigkeit einer zu blossen Kontrollzwecken erteilten Bewilligung (Erw. 4). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 17. Dezember 2004 in Sachen F. und Mitb. gegen Regierungsrat. Aus den Erwägungen 1. Die Beschwerdeführer bestreiten zunächst unter Hinweis auf § 4 Abs. 2 Satz 2 GNG die Bewilligungspflicht für die den ange- fochtenen Bewilligungen zugrundeliegenden Gewässernutzungen. a) Die Nutzung der oberirdischen Gewässer ist im Rahmen des Gemeingebrauches frei (§ 4 Abs. 1 GNG). Den Gemeingebrauch übersteigende Nutzungen an oberirdischen Gewässern und ihrem Gebiet sind bewilligungspflichtig (§ 4 Abs. 2 Satz 1 GNG). Der Re- gierungsrat kann geringfügige Nutzungen von der Bewilligungs- pflicht ausnehmen (§ 4 Abs. 2 Satz 2 GNG). In § 5 Abs. 3 GNV hat er von dieser Befugnis Gebrauch gemacht, einige Fälle aufgelistet (Einsetzen von Fischkästen bis 100 l Inhalt; Erstellung einfacher Bootsanbindevorrichtungen sowie von Fischer- und Bootsanlege- stegen bis höchstens 1.50 m 2 Grundfläche) und das Baudepartement ermächtigt, "ähnliche geringfügige Nutzungen von der Bewilli- gungspflicht auszunehmen". Mit diesen Ausnahmen von der Be- 2005 Verwaltungsgericht 140 willigungspflicht wird offensichtlich bezweckt, unnötigen Verwal- tungsaufwand zu vermeiden; der Staat soll nur dort intervenieren, wo es sich unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Interesses auf- drängt. Ganz ähnliche Motive liegen auch der Bestimmung von § 30 ABauV betreffend die Befreiung von der Baubewilligungspflicht zugrunde (siehe AGVE 2001, S. 287 ff.). b) Im Jahre 1962 wurde der bis dahin in einem offenen Gerinne fliessende "Huebbach" teilweise in ein Zementrohr mit einem Kali- ber von 70 cm verlegt. Zuvor hatten sich infolge der Erosionswir- kung des Bachs beidseitig Böschungen gebildet. Durch die mit der Eindolung verbundene Terrainaufschüttung entstand über der Ge- wässersohle eine Landfläche, welche als Gewässergebiet wie das Gewässer selbst im Eigentum des Kantons steht (§ 116 Abs. 1 und 2 BauG) und durch die Eigentümer des beidseitig angrenzenden Lan- des genutzt werden kann. Es ist unbestreitbar, dass eine solche Nutzung nicht mehr gemeinverträglich ist, d.h. den Gemeingebrauch übersteigt (§ 4 Abs. 2 GNG). Die Beschwerdeführer machen nun geltend, die im Grenzbe- reich ihrer Grundstücke liegende Eindolung führe nicht zu einer besseren Grundstücksnutzung. Dies wird (wenn die bauliche Nutzung ausgeklammert wird) durch die anlässlich des vorinstanzli- chen Augenscheins aufgenommenen Fotos belegt; sie zeigen, dass im aufgeschütteten Bereich lediglich die Gartenfläche etwas vergrössert worden ist. Die Gegenargumente des Regierungsrats in der Stel- lungnahme vom 13. Oktober 2004 überzeugen nicht. Selbst wenn dort, wo früher ein kleines Tobel war, "einzelne Obstbäume" gepflanzt worden sein sollten, würde dies noch keine im Sinne von § 4 Abs. 2 GNG rechtserhebliche Nutzung indizieren. Soweit der Regierungsrat bauliche Nutzungen auf den Parzellen Nrn. 336 und 1262 anspricht, die nur wegen der Eindolung möglich gewesen seien, ist er auf seine eigenen Erwägungen im angefochte- nen Entscheid zu verweisen; dort wird nämlich zutreffend ausge- führt, aufgrund der Dauer der Gewässergebietsnutzung (rund 40 Jahre) sei "dem Schutz des Vertrauens der Beschwerdeführenden in diese Nutzung erhöhtes Gewicht beizumessen", weshalb der erteilten Nutzungsbewilligung "kein konstitutiver Charakter" zukomme. Auch 2005 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 141 die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts hat seinerzeit erwogen, dass eine offenkundige, von den Behörden während Jahrzehnten geduldete Nutzung nach Treu und Glauben als bewilligt gelten müsse (AGVE 1994, S. 267 ff.). Es bleibt folglich dabei, dass man es zum jetzigen Zeitpunkt mit einem vernachlässigbar kleinen Nut- zungsgewinn zu tun hat. Ein Vertreter des Gemeinderats brachte es am vorinstanzlichen Augenschein mit der Bemerkung, das Ganze sei "völlig unverständlich" und es gehe - wenn überhaupt- höchstens um eine geringfügige Nutzung, auf den Punkt. Eine Bewilligungspflicht für gesteigerten Gemeingebrauch ist somit zu verneinen. Dem steht nicht entgegen, dass der Staat auch derartige geringfügige Nutzungen aus Kontrollgründen erfasst (AGVE 1994, S. 272 f.); dann steht hin- ter der "Bewilligungspflicht" aber nicht die Zusatznutzung, sondern ein anderes Motiv. 2. Für die der Bewilligung unterliegende Nutzung der öffentli- chen Gewässer und ihres Gebiets erhebt der Staat Gebühren (§ 42 Abs. 1 Satz 1 GNG). Fehlt es an der Bewilligungspflicht, ist folglich auch keine Gebühr geschuldet. Selbst wenn die Bewilligungspflicht hier bejaht würde, wäre das Ergebnis kein anderes. Im Regelfall werden Nutzungsgebühren für konkrete Nutzungen erhoben, deren Art und Umfang im Bewilligungsgesuch selber umschrieben werden. Das klassische Beispiel hiefür bildet etwa die Demonstration auf öffentlichem Grund oder das Aufstellen von Verkaufswagen auf dem Gebiet öffentlicher Strassen (siehe Ulrich Häfelin / Georg Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Auflage, Zürich 2002, Rz. 2397). Die in den §§ 11 f. GND aufgezählten Nutzungsarten sind ganz analoge, ebenfalls klar definierte Tatbestände; aufgezählt werden dort Seilbahnen und Materialtransportanlagen, Schiffs-, Fischer- und Wochenendbauten, Schiffsstege und Schiffsverankerungen, Surfplätze mit Einsatzstellen, Campingplätze und ähnliche Anlagen oder landwirtschaftliche Nutzungen (§ 11) bzw. Rohr- und Ka- belleitungen, Rechteckkanäle und andere unterirdische Bauten, Freileitungen und Masten sowie Eindolungen (§ 12). In Anbetracht dieser Enumerationen erweist es sich als nicht verhältnismässig, schon eine relativ vage Nutzungs möglichkeit als gebührenpflichtig zu betrachten. Auch das Äquivalenzprinzip verlangt grundsätzlich, 2005 Verwaltungsgericht 142 dass eine konkrete und effektive , sich nach aussen manifestierende Leistung des Staates vorliegt; es geht hier nicht um die Abgeltung eines wirtschaftlichen Sondervorteils wie bei der Vorzugslast (Häfe- lin/Müller, a.a.O., Rz. 2641 f., 2655). Diesen Grundsatz bringt auch § 42 Abs. 1 Satz 1 GNG zum Ausdruck, wonach die Gebühren "in billiger Weise nach der gewährten Leistung abzustufen sind". Eine blosse Gartennutzung erreicht in aller Regel die für eine Gebüh- renerhebung erforderliche Nutzungsintensität nicht. 3. Im Folgenden ist noch gesondert zu einzelnen Argumenten und Einwänden des Regierungsrats Stellung zu nehmen: a) Ob eine unbefristet erteilte Erlaubnis zur dauerhaften Ein- deckung eines Bachs unter § 11 lit. e oder § 12 lit. d GND fällt, kann offen bleiben, nachdem die Bewilligungspflicht verneint worden ist (vorne Erw. 1/b) und es hier auch nicht um den erwähnten Tatbestand geht. Dies scheint der Regierungsrat zu verkennen. Die Eindolung des "Huebbachs" als solche ist im Jahre 1962 realisiert worden (vorne Erw. 1/b), und es ist anzunehmen, dass der damalige Ersteller (die Einwohnergemeinde oder das betreffende Bodenverbesserungs- unternehmen) die dazu erforderliche Bewilligung gemäss § 4 Abs. 2 GNG bzw. § 5 Abs. 2 lit. a GNV eingeholt hat. Von der Erstellung des Eindolungsbauwerks zu unterscheiden ist die Nutzung der dar- überliegenden Fläche. Der Regierungsrat vermengt diese beiden Nut- zungsarten. Für ihn ist offenbar einzig massgebend, dass eine Über- bauung des Gewässergebiets (beispielsweise in Form einer Eindo- lung) vorliegt; ob die neu geschaffene Fläche über dem Gewässerge- biet landwirtschaftlich, als Garten oder als Parkplatz usw. genutzt wird, mit Obstbäumen bepflanzt wird oder brach liegt, ist danach un- erheblich. Das kann aber gebührenrechtlich nicht richtig sein (siehe vorne Erw. 2). Aus den dargelegten Gründen - und auch vom norma- len Sprachgebrauch her - bleibt auch die Verwendung des Begriffs "Eindolung" in den angefochtenen Gewässernutzungsbewilligungen vom 28. Mai 2002 problematisch. b) Der Regierungsrat stellt fest, es sei in Fällen wie dem vorlie- genden nicht das Ziel, möglichst viele Einnahmen zu generieren, sondern es gehe primär um die Regelung der Frage, wer den Nutzen und die Verantwortung für den Unterhalt der Bachleitung und des 2005 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 143 Landes trage. Eine solche Zwecksetzung ist aber von der Gebüh- renerhebung völlig unabhängig. Dass es legitim ist, wenn der Kanton aus Gründen der Präventivkontrolle und zu Registrierungszwecken im Rahmen der Gewässerverwaltungspflicht auch nachträglich noch Gewässernutzungsbewilligungen erteilt, ist bereits ausgeführt wor- den (vorne Erw. 1/b; siehe AGVE 1994, S. 272 f.). c) Die vom Regierungsrat aufgezeigten "weit reichenden Fol- gen" für die aargauische Verwaltungspraxis vermag das Verwal- tungsgericht nicht zu erblicken. Sowohl für die Eindolungsbauwerke als solche als auch für den gesteigerten Gemeingebrauch der dar- überliegenden Fläche können gemäss GNG und den einschlägigen Ausführungserlassen Gebühren erhoben werden, aber eben nur dann, wenn die aus dem Äquivalenzprinzip fliessenden Anforderungen er- füllt sind (siehe vorne Erw. 2). d) Unzutreffend ist auch, dass bei Zugrundelegung der verwal- tungsgerichtlichen Auffassung "die jeweils aktuellen Grundeigen- tümer nach ihren eigenen Wünschen und momentanen Nutzungen über die Gebührenerhebung jährlich frei entscheiden könnten". Ob eine Einsatzstelle für Surfer oder eine Privatbrücke mit Gebühren belegt werden dürfen, auch wenn sie momentan nicht als solche ge- nutzt werden, ist ein anderes Thema. Im vorliegenden Fall geht es ausschliesslich darum, ob die in Frage stehende Nutzung die für die Bewilligungs- und Gebührenpflicht nötige "Intensitätshöhe" erreicht. Geradezu spitzfindig erscheint sodann der Hinweis, findige Grundei- gentümer könnten "künftig vom Kanton z.B. verlangen, dass er auf eigene Kosten ihren Garten unterhält, soweit er im Gewässergebiet liegt". Unter dem Gewässerunterhalt im Sinne der §§ 121 f. BauG werden die Vorkehren verstanden, "die dazu dienen, ein Gewässer in gutem Zustand zu erhalten und den ungehinderten Abfluss des Was- sers durch Freihalten des Bettes und des Durchflussprofils zu ge- währleisten" (Erich Zimmerlin, Baugesetz des Kantons Aargau vom 2. Februar 1971 [Kommentar], 2. Auflage, Aarau 1985, § 84 N 3). Private Grundstücksnutzungen oberhalb einer Eindolung werden von diesem Begriff klarerweise nicht erfasst. e) Schliesslich entsteht auch kein Widerspruch mit dem VGE II/117 vom 8. Dezember 1998 (BE.1995.00323). Dort ging es 2005 Verwaltungsgericht 144 um die teilweise Verlegung eines eingedolten Bachs im Rahmen eines privaten Bauvorhabens, da die geplanten Bauten über die unterirdische Bachleitung zu stehen gekommen wären. Streitig war die Zustimmung des Baudepartements zur Bachumlegung und die damit zusammenhängende Gebührenerhebung. Diesem Sachverhalt entspricht im vorliegenden Falle die Bewilligung, den die Gemeinde Auenstein vom Kanton für die Leitungsverlegung erhalten hat. 4. Der Regierungsrat ging im angefochtenen Entscheid von ei- ner Nutzungsbewilligung aus, wie sich aus der Verknüpfung mit Nutzungsgebühren und auch aus den Äusserungen im Beschwerde- verfahren zweifelsfrei ergibt. Die angepassten "Besonderen Bedin- gungen und Auflagen" sind nun aber so formuliert, dass sie auch im Rahmen einer bloss zu Kontrollzwecken erteilten Bewilligung - wie sie zulässig ist (vorne Erw. 1/b a.E., 3/b) - ihre Berechtigung haben. Sie aufzuheben, wäre deshalb nicht gerechtfertigt. (...). Da eine "Bewilligung zu Kontrollzwecken" nicht im Interesse des Privaten, sondern des Kantons bzw. seiner Verwaltung liegt, sind die angefochtenen Gebühren vollumfänglich aufzuheben.
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2007 Sozialhilfe 195 [...] 46 Kantonsbeitrag an die Kosten der materiellen Hilfe. - Auslegung von § 47 Abs. 3 und § 49 SPG. Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 20. Dezember 2007 in Sachen Einwohnergemeinde K. und Mitb. gegen den Regierungsrat (WBE.2006.447). Aus den Erwägungen 1. Der Kantonale Sozialdienst hat für die Kosten der materiellen Hilfe, der Massnahmen zur wirtschaftlichen Verselbständigung, der 2007 Verwaltungsgericht 196 Elternschaftsbeihilfe, der Bevorschussung von Unterhaltsbeiträgen und für die Kosten der Beschäftigungsprogramme gestützt auf § 47 Abs. 3 und Abs. 4 SPG sowie § 49 Abs. 1 und 2 SPG den Kantons- beitrag für die einzelnen Gemeinden festgelegt. Gemäss Rechnungs- blatt "Lastenausgleich für Sozialhilfekosten nach § 47 ff. Sozialhilfe- und Präventionsgesetz für das Jahr 2005" wurde der Kantonsbeitrag an die einzelnen Gemeinden auf der Grundlage der Einwohnerzahl, der Anzahl Fälle sowie der Nettokosten ermittelt und nach einer mathematischen Formel in prozentuale Beiträge der Nettokosten am gesamten Kantonsbeitrag berechnet. Gegen die der Berechnung der Gemeindebeiträge zugrunde gelegten Einwohnerzahlen, die Netto- kosten und Fallzahlen erheben die Beschwerdeführerinnen keine Einwendungen, und an der Richtigkeit dieser Zahlen bestehen auch keine Zweifel. Umstritten ist vielmehr das in Anwendung von § 47 lit. a und b SPG gewählte Modell, mit dem der Kantonsbeitrag an die Beschwerdeführerinnen im Einzelnen bestimmt wurde. 2. 2.1. Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, die Festsetzung ihres Kantonsbeitrags verletze in mehrfacher Weise die gesetzliche Ausgestaltung des Lastenausgleichssystems nach § 47 Abs. 3 SPG. Die angefochtenen Vergütungen bewirkten, dass die Nettoaufwen- dungen pro Einwohner zum Teil sehr deutlich unter die Grenze des kantonalen Mittelwertes absänken. Aus der gesetzlichen Ausgestal- tung des Lastenausgleichs ergebe sich unmissverständlich eine obere Grenze des Ausgleichs bei den jeweiligen kantonalen Mittelwerten. Die gesetzliche Konzeption bezwecke den Ausgleich von Spitzen- belastungen und Sonderkosten oberhalb der kantonalen Durch- schnittswerte und verbiete Vergütungen mit der Wirkung, dass in einzelnen Gemeinden die Nettoaufwendungen pro Einwohner deut- lich unter die Grenze des kantonalen Mittelwertes absänken. Mit dem Lastenausgleich dürften nach dem Willen des Gesetzgebers einzelne Gemeinden nicht zu Lasten anderer subventioniert werden, und es dürfe nicht zu Lastenverschiebungen zwischen einzelnen Gemeinden führen. Die Lastenverschiebung zwischen Kanton und Gemeinden und zwischen den einzelnen Gemeinden verletze § 47 Abs. 3 SPG. 2007 Sozialhilfe 197 Weiter rügen die Beschwerdeführerinnen eine Verletzung der gesetz- lichen Bestimmungen über die Aufgabenteilung zwischen Kanton und Gemeinden (Gesetz I über die Aufgabenteilung zwischen Kanton und Gemeinden vom 2. Juli 2002 [GAT I; SAR 691.100], Gesetz II vom 20. Mai 2003 [GAT II; SAR 692.100] sowie GAT III und daran anschliessende Dekrete [DAT I bis DAT III; SAR 691/692/693.110]). Die Grundsätze über die Aufgabenteilung verlangten annähernde Kostenneutralität und schlössen einen indirekten Finanzausgleich über Umwege aus. Selbst wenn das SPG von den Erlassen über die Aufgabenteilung ausgeklammert bliebe, werde in den angefochtenen Beschlüssen das gesetzliche Lastenausgleichssystem nicht zutreffend umgesetzt. Ergänzend machen sie schliesslich geltend, die Kostenvertei- lung für das Jahr 2005 verstosse gegen das Rechtsgleichheitsgebot, das Willkürgebot und gegen das Gebot der Verhältnismässigkeit. 2.2. Der Regierungsrat führt zur Festlegung der Beitragsstufen im Wesentlichen aus, dass das Lastenausgleichssystem des SPG zwei selbstständige und gleichwertige (Lastenausgleichs-)Komponenten enthalte, welche es mit sich brächten, dass Gemeinden, welche eher tiefe Nettoaufwendungen hätten, bei einer Anzahl Sozialhilfefälle über dem Kantonsmittel einen markant über das gesetzliche Mini- mum hinausgehenden Kantonsbeitrag erhielten und damit ihre Netto- aufwendungen reduziert würden. Die gesetzliche Regelung sehe keine Nivellierung auf der Höhe des kantonalen Mittelwerts vor, und der Gesetzgeber habe sich auch für eine Entlastung von Gemeinden mit hoher Fallzahl entschieden. Das Lastenausgleichssystem berück- sichtige auch die hohen Kosten von Gemeinden in Folge des Einbe- zugs der Ausländerinnen und Ausländer. Keine Lastenverschiebung dürfe im Verhältnis Kanton und allen Gemeinden stattfinden, weil der Lastenausgleich nur zwischen Kanton und Gemeinden erfolge. Aus den Materialien zum Projekt Aufgabenteilung (GAT I bis GAT III) ergäbe sich in keinem Zusammenhang eine Verletzung der Grundsätze der Aufgabenteilung durch das Lastenausgleichssystem des SPG. Der Gesetzgeber habe sich bewusst gegen eine Überfüh- 2007 Verwaltungsgericht 198 rung des Lastenausgleichs im SPG in den allgemeinen Finanz- und Lastenausgleich ausgesprochen. 3. 3.1. Der Kanton vergütet den Gemeinden an die Kosten der Sozial- hilfe und sozialen Prävention einen Beitrag, welcher sich einerseits mit einem Anteil zwischen 5 bis 30 % nach der Anzahl der Fälle be- zogen auf die Bevölkerungszahl richtet (§ 49 Abs. 1 i.V.m. § 47 Abs. 3 lit. a SPG), andererseits sich mit einem Anteil zwischen 5 bis 35 % nach den Nettoaufwendungen im Vergleich zum Kantonsmittel (§ 49 Abs. 1 i.V.m § 47 Abs. 3 lit. b SPG) bemisst. Der Regierungsrat hat die jährlichen Beitragsstufen so festzulegen, dass die Gemeinden 72 % und der Kanton 28 % der Gesamtkosten tragen (§ 49 Abs. 2 SPG). Nach dem Wortlaut der erwähnten Bestimmungen (§§ 47 und 49 SPG) sind daher folgende Randbedingungen bei der Festlegung und Bemessung des Kantonsbeitrags für die Sozialhilfe zwingend: Der Kantonsbeitrag darf und muss 28 % der gesamten Nettoaufwen- dungen aller Gemeinden betragen (§ 49 Abs. 2 SPG). Der kantonale Beitrag gemäss § 47 Abs. 3 lit. a SPG beträgt mindestens 5 %, jener nach § 47 Abs. 3 lit. b SPG mindestens 5 % der Nettoaufwendungen (§ 49 Abs. 1 SPG). Die Obergrenze für die Bemessung des Kantons- beitrags an einzelne Gemeinden beträgt für den Kantonsbeitrag nach § 47 Abs. 3 lit. a SPG 30 %, für denjenigen nach § 47 Abs. 3 lit. b SPG 35 % (§ 49 Abs. 1 SPG). Innerhalb dieser Randbedingungen legt der Regierungsrat die Beitragsstufen jährlich fest (§ 49 Abs. 2 SPG). Für den Kostenver- teiler, insbesondere die Festsetzung der Beitragsstufen, lassen sich darüber hinaus dem SPG unmittelbar keine weiteren Bestimmungen entnehmen. Der Gesetzeswortlaut lässt damit für die Festsetzung der Beitragsstufen und die Verteilung unter die Gemeinden verschiedene Möglichkeiten zu. 3.2. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens legte der Regierungs- rat eine Variante vor, nach welcher sich die Beitragsstufen für die beiden Kriterien linear veränderten. Für das Kriterium 1 (Anzahl So- 2007 Sozialhilfe 199 zialhilfefälle in der Gemeinde in % der Einwohnerzahl; § 47 Abs. 3 lit. a SPG) fing der Beitragssatz im Falle von bis zu 0,5 % von Fällen pro Einwohner bei 10 % an. Bei einer Erhöhung der Fälle pro Ein- wohner um 0,5 % erhöhte sich der Beitragssatz um 5 %, wobei er bei über 2 % von Fällen pro Einwohner konstant bei 30 % lag. Für das Kriterium 2 (Sozialhilfekosten pro Einwohner im Verhältnis zum Kantonsmittel; § 47 Abs. 3 lit. b SPG) begannen die Beitragsstufen im Falle von Nettoaufwendungen bis 100 % des Kantonsmittels bei 10 %, wobei eine Erhöhung der Nettoaufwendungen um 20 % den Beitragssatz um 5 % ansteigen liess. Bei Nettoaufwendungen von über 180 % des Kantonsmittels betrug der Beitragssatz generell 35 % (Botschaft des Regierungsrats vom 30. Juni 1999 [99.226], S. 15). Im "Zusatzbericht zur Kostenverteilung Kanton - Gemeinden" wird ergänzend ausgeführt, dass dieses lineare Stufenmodell nicht zwingend sei. Die offene Formulierung des SPG erlaube eine diffe- renzierte Ansetzung der Beitragsstufen, "um so das Lastenaus- gleichssystem zu Gunsten von überproportional stark belasteten Ge- meinden noch griffiger auszugestalten (Botschaft des Regierungsrats vom 27. September 2000 [Zusatzbericht zu Nr. 99.226], S. 4). In den Beratungen des Grossen Rats wurde die Finanzierung und Kosten- verteilung in der ersten Lesung zwar kontrovers, aber eher grund- sätzlich diskutiert. In den Eintretensvoten wurde die Notwendigkeit eines wirksamen Lastenausgleichs zwischen den Gemeinden und die Entlastung derjenigen Gemeinden mit hohen Sozialhilfekosten auch - oder vor allem - mit Blick auf die materielle Unterstützung von Ausländerinnen und Ausländern betont (Protokoll der 167. Sitzung des Grossen Rats vom 24. Oktober 2000 [Art. 2274], S. 3483 f. [Vo- tum Barbara Roth], S. 3484 [Votum Esther Egger-Wyss] und S. 3485 f. [Votum Dr. Rudolf Jost]). Insbesondere Regierungsrat Ernst Hasler wies auf die besondere Situation von Zentrumsgemein- den in der Sozialhilfe einerseits und die erheblichen Belastungen durch einzelne Unterstützungsfälle andererseits hin. Mit dem Kosten- verteiler sollten diese einseitigen Belastungen aufgefangen werden (Protokoll der 168. Sitzung des Grossen Rats vom 24. Oktober 2000 [Art. 2275], S. 3488 f.). Über die konkreten finanziellen Auswirkun- gen für die einzelnen Gemeinden herrschte auch in der Detailbera- 2007 Verwaltungsgericht 200 tung Unklarheit, worauf der Regierungsrat für die zweite Lesung weitere Abklärungen in Aussicht stellte (Protokoll der 170. Sitzung des Grossen Rats vom 31. Oktober 2000 [Art. 2289], S. 3534 [Votum Rudolf Kalt] und S. 3535 [Votum Regierungsrat Ernst Hasler]). Trotz dieser Unsicherheiten wurde den Bestimmungen von § 47 Abs. 3 SPG und § 49 SPG in der zweiten Lesung ohne Ergänzungen durch die vorberatende Grossratskommission und ohne eine Detail- beratung zugestimmt mit der einzigen Anregung, dass das Lasten- ausgleichssystem im Rahmen der Aufgabenteilung nochmals einge- hend überprüft wird (Protokoll der 187. Sitzung des Grossen Rats vom 6. März 2001 [Art. 2487], S. 3876 [Votum Esther Egger-Wyss]). Nach den Materialien zu schliessen, gaben zusätzliche Erläuterungen des Kantonalen Sozialdiensts Anlass zur vorbehalts- und dis- kussionslosen Annahme. Der Kantonale Sozialdienst hat der Gross- ratskommission einen Bericht zum Kostenverteiler nach § 47 Abs. 3 SPG erstattet. Dieser Bericht vom 21. November 2000 stellte klar, dass der Kostenverteiler einen Ausgleich hoher Fallkosten und hoher Fallzahlen, aber auch einen Lastenausgleich unter den Gemeinden schaffen soll. Im Zusatzbericht findet sich bereits die Abkehr vom li- nearen Stufenmodell aus der Botschaft zu einem nichtlinearen steti- gen Modell zur Bestimmung der Beitragsstufen (erwähnter Bericht, S. 2 f.). Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich den Materia- lien über die im Gesetzeswortlaut erwähnten Randbedingungen hin- aus für die Festsetzung der Beitragsstufen durch den Regierungsrat keine zwingenden Vorgaben entnehmen lassen. Insbesondere sind - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen - der kantonale Mittelwert der Fallzahlen und die Nettoaufwendungen pro Einwoh- ner im Durchschnitt keine absoluten Grenzen für die Betragsberech- tigung. Auch eine Auslegung, wonach zwischen den Gemeinden keine Lastenverschiebungen zulässig seien, findet in den Materialien keine Stütze. Im Gegenteil: Das gewählte System ist ausdrücklich darauf ausgerichtet, Gemeinden mit hohen Sozialhilfekosten und ei- ner hohen Anzahl von Sozialhilfefällen durch das Lastenausgleichs- system besonders zu entlasten. Das zentrale Problem sah der Gesetz- geber in den Sozialhilfekosten für Ausländer, welche sich nicht ho- 2007 Sozialhilfe 201 mogen auf alle aargauischen Gemeinden verteilen (vgl. erwähnter Bericht, S. 3 f.). Das Lastenausgleichssystem gemäss §§ 47 ff. SPG sieht deshalb gerade keine Nivellierung auf der Höhe des kantonalen Mittelwerts der Aufwendungen vor. Nicht zu verkennen ist, dass die- ses System mit zwei selbstständigen Faktoren zur Folge hat, dass Ge- meinden, die bei der Anzahl der Sozialhilfefälle im Vergleich zum Kantonsmittel eher hoch, aber im Bereich der Nettoaufwendungen eher tief sind, einen Beitrag erhalten, welcher erheblich über das ge- setzliche Minimum hinausgeht, was im Ergebnis wiederum die Net- toaufwendungen sinken lässt. Weder der Gesetzeswortlaut noch die Materialien erlauben aber den Schluss, dass der Gesetzgeber den Kantonsbeitrag an die einzel- nen Gemeinden auf der Grenze des kantonalen Mittelwerts der Net- toaufwendungen pro Einwohner beschränken bzw. Vergütungen ver- bieten wollte, welche zur Senkung der Nettoaufwendungen pro Ein- wohner unter den kantonalen Mittelwert führen. 3.3. Der Lastenausgleich wird in § 49 Abs. 2 SPG normiert, indem der kantonale Beitrag an alle Gemeinden mit 28 % an den Ge- samtaufwendungen aller Gemeinden (§ 49 Abs. 1 SPG und § 48 Abs. 2 SPG) festgelegt ist. Diese Grenze ist in den angefochtenen Verfügungen eingehalten und damit auch der Grundsatz der Kosten- neutralität im Sinne des Gesetzgebers gewahrt. Entgegen den Be- schwerdeführerinnen geht es beim Lastenausgleichssystem im SPG auch nicht um eine annähernde (horizontale) Kostenneutralität zwi- schen den einzelnen Gemeinden. Der Gesetzgeber war sich dieser Konsequenz des Lastenausgleichssystems im SPG durchaus bewusst. Nebst den Materialien (siehe vorne Erw. 3.2) wurde auch in den späteren Beratungen zum Projekt Aufgabenteilung auf eine Ände- rung des Lastenausgleichssystems im SPG ausdrücklich verzichtet. Der Regierungsrat hatte im Rahmen des 2. Pakets der Aufgabentei- lung (GAT II) eine Ablösung des Lastenausgleichs im SPG durch eine Ausgleichsregelung unter Einbezug des Ertrags der ordentlichen Gemeindesteuern vorgeschlagen (Botschaft des Regierungsrats vom 11. September 2002 [Nr. 02.315], S. 2 f. und 15 f.). Auf diese Ände- rung wurde in der Folge ausdrücklich verzichtet (Botschaft des Re- 2007 Verwaltungsgericht 202 gierungsrats vom 19. März 2003 [03.71], S. 10). Sowohl im SPG als auch in der Gesetzgebung über die Aufgabenteilung (GAT) um- schreibt die Kostenneutralität das Verhältnis des Kantons zu allen Gemeinden vor und nach der Zuweisung neuer Aufgaben, d.h. dem Kanton und allen Gemeinden zusammen dürfen aus der Aufgaben- teilung per Saldo keine zusätzlichen Kosten anfallen (vgl. Zusatzbe- richt vom 27. September 2000, S. 2 f.; vgl. auch Antworten des Re- gierungsrats zur Interpellation Dr. Marcel Guignard betreffend Aus- wirkungen des NFA auf GAT III und die Gemeinden vom 10. Januar und 16. Februar 2005 [GR.04.336]). 3.4. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass in den gesetzlichen Be- stimmungen und den Materialien die von den Beschwerdeführerin- nen angewandte kostenorientierte Optik am Ergebnis und nach Leistung des Kantonsbeitrags keine Stütze findet. Mit der Beitrags- bemessung nach der Anzahl der Sozialhilfefälle (§ 47 Abs. 3 lit. a SPG) wird zudem der Belastung der Gemeinden mit den Infrastruk- tur- und Betriebskosten (§ 52 lit. a SPG) Rechnung getragen. Diese Kosten sind in Gemeinden mit vielen Unterstützungsbedürftigen hö- her. Weitere Vorgaben zur Ausübung des Ermessens enthält das Ge- setz nicht. Soweit die Beschwerdeführerinnen eine Verletzung von § 47 Abs. 3 SPG rügen oder geltend machen, die Bestimmungen des SPG über den Lastenausgleich seien in den jeweiligen Verfügungen bzw. mit dem angewandten Berechnungsmodell verletzt, sind die Be- schwerden somit abzuweisen.
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2003 Bau-, Planungs- und Umweltschutzrecht 235 [...] 56 Weitgehend überbautes Gebiet - Der Begriff des weitgehend überbauten Gebietes ist parzellenüber- greifend und gebietsbezogen zu verstehen. - Sehr stark genutzte Erschliessungsanlagen können zusammen mit umliegenden Gebäuden einen Siedlungszusammenhang begründen. Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 27. August 2003, 4. Kammer, in Sachen H. gegen den Grossen Rat und den Regierungsrat Aus den Erwägungen 2. c) Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass die Parzelle Nr. X und der unüberbaute Teil der Parzelle Nr. Y zum weitgehend überbauten Gebiet gemäss Art. 15 lit. a RPG gehören. Sie würden eine Fläche von total rund 0.9 ha umfassen und seien auf drei Seiten von der Bauzone WG3, als welche auch die O.-strasse ausgeschieden sei, umschlossen. Eine Baulücke sei nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung bei einer Grösse der fraglichen unüberbauten Fläche von weniger als etwa 1.4 ha anzunehmen. aa) Der Begriff des "weitgehend überbauten Landes" gemäss Art. 15 lit. a RPG umfasst im Wesentlichen den geschlossenen Sied- lungsbereich und eigentliche Baulücken innerhalb dieses Bereichs (Bundesgericht, in: ZBl 103/2002, S. 659 f. mit Hinweisen; BGE 122 II 462; AGVE 1997, S. 272; Felix Jost, Grösse und Lage von Bauzonen, Diss. Zürich 2000; S. 102). Gleich verhält es sich mit dem Begriff des weitgehend überbauten Gebiets im Sinne von Art. 36 Abs. 3 RPG (Alexandre Flückiger und Alexander Ruch in: Heinz Aemisegger/Alfred Kuttler/Pierre Moor/Alexander Ruch [Hrsg.], Kommentar zum Bundesgesetz über die Raumplanung, Zürich 1999, Art. 15 N 58 ff. und Art. 36 N 26). Baulücken sind einzelne unüberbaute Parzellen, die unmittelbar an das überbaute 2003 Verwaltungsgericht 236 Land grenzen, in der Regel bereits erschlossen sind und eine relativ geringe Fläche aufweisen. Die Nutzung der Baulücke wird vorwiegend von der sie umgebenden Überbauung geprägt: Das unüberbaute Land muss also zum geschlossenen Siedlungsbereich gehören, an der Siedlungsqualität teilhaben und von der bestehenden Überbauung so stark geprägt sein, dass sinnvollerweise nur ihre Aufnahme in die Bauzone in Frage kommt. Dazu zählen auch Baulücken von untergeordneter Bedeutung. Der Begriff der "weitgehenden Überbauung" ist somit nach der Rechtsprechung gebietsbezogen, parzellenübergreifend zu verstehen. Der vorhandene Zustand auf einem Grundstück ist in seiner Gesamtheit und im Zusammenhang mit den Verhältnissen auf benachbarten Parzellen zu betrachten. Der Siedlungscharakter ist vor allem auf Grund der örtlichen Nähe der Häuser sowie der vorhandenen Infrastruktur feststellbar. Dagegen sind peripher gelegene Gebiete, selbst wenn dort schon eine gewisse Bautätigkeit eingesetzt hat, sowie unüber- baute Flächen, denen im Verhältnis zu dem sie umgebenden Land eine eigenständige Bedeutung zukommt, nicht als weitgehend über- bautes Gebiet zu betrachten. Grössere Baulücken in besiedeltem Ge- biet dienen der Auflockerung der Siedlungsstrukturen und der Erhö- hung der Wohnqualität durch Grünflächen (vgl. Art. 1 Abs. 2 lit. b und Art. 3 Abs. 3 lit. e RPG). Sie werden nicht von der sie umgeben- den Überbauung geprägt, sondern haben eine eigenständige Funktion (BGE 121 II 424 f. mit zahlreichen Hinweisen). Eine weitgehende Überbauung ist eine effektiv bewohnte und benutzte Häusergruppe, die zudem von derartiger Qualität ist, dass sie sinnvollerweise nur der Bauzone zugeteilt werden kann. Nur die in eine Bauzone gehö- renden Bauten, d.h. diejenigen des allgemeinen Siedlungszusam- menhangs, sind bei der Beurteilung, ob bereits eine weitgehende Überbauung besteht, zu berücksichtigen. Landwirtschaftliche und andere, primär für die Freilandnutzung bestimmte Bauten, geben in der Regel kein oder nur ein wenig gewichtiges Argument für die Zuteilung zur Bauzone ab (VGE IV/8 vom 15. April 2003 [BE.2002.00119] in Sachen S., S. 13 f.; BGE 116 Ia 201; BGE 113 Ia 450 ff.). 2003 Bau-, Planungs- und Umweltschutzrecht 237 Die Beurteilung ist nach dieser Rechtsprechung nicht nur nach rein quantitativen Kriterien, sondern unter Berücksichtigung der Art der Umgebung, dem Verhältnis der nicht überbauten Fläche und den sie umgebenden, überbauten Gebieten sowie der Nutzungsmöglich- keiten vorzunehmen. Der Siedlungszusammenhang kann auch bei peripheren Gebieten nicht zum vornherein verneint werden (siehe AGVE 1997 S. 272 ff.; BGE 122 II 332 f.). bb) Das umstrittene Gebiet mit einer Fläche von ca. 0.9 ha wird im Norden durch die als WG3 ausgeschiedene O.-strasse begrenzt. Jenseits der O.-strasse in der Spezialzone "G." mit landwirtschaftli- cher Nutzung befinden sich der Landwirtschaftsbetrieb der Be- schwerdeführerin, ein Einfamilienhaus mit ausschliesslicher Wohn- nutzung und die Hofgebäude eines weiteren Landwirtschaftsbetrie- bes. Hinter den erwähnten Gebäuden steigt der in der Landwirt- schaftszone liegende Hang steil an. Die Parzelle Nr. X stösst im Westen an die Verbindung zwischen L.- und O.-strasse (Knoten G.) und ein Autocenter in der WG3. Die im östlichen Drittel der Parzelle Nr. Y liegende Reithalle befindet sich ebenfalls in der WG3. Auf der östlich anschliessenden Parzelle Nr. Z befindet sich das alte Gebäude einer Autogarage ebenfalls in der WG3. Im Süden grenzen die um- strittenen Parzellen an den schmalen, unüberbauten Ausläufer der Parzelle Nr. W in der Spezialzone "G.", auf welcher ein Landwirt- schaftsbetrieb steht. Unmittelbar angrenzend an die Parzelle Nr. W folgt die stark befahrene L.-strasse. cc) Weder das allein stehende Einfamilienhaus mit seiner aus- schliesslichen Wohnnutzung noch die aus Darstellungsgründen der WG3 zugewiesene O.-strasse können für sich alleine einen Sied- lungszusammenhang gegen Norden begründen. Auch die bestehen- den drei landwirtschaftlich genutzten Hofgebäude geben kein ge- wichtiges Argument für die Zuteilung einer Parzelle zur Bauzone ab (siehe vorne, Erw. aa). Bei einer gesamtheitlichen Betrachtung des betroffenen Schildes fällt jedoch auf, dass die umstrittene, relativ kleine, freie Fläche von den sie umgebenden, grossen Bauten, insbe- sondere vom Autocenter im Westen sowie von der Reithalle und der Autogarage im Osten stark geprägt ist. Dieser Eindruck wird durch die enge Begrenzung des Schildes durch die O.-strasse und die sehr 2003 Verwaltungsgericht 238 stark befahrene L.-strasse noch verstärkt. Zusammen mit dem Wohn- haus, dem auf der Nordseite relativ steil ansteigenden Hang und den drei landwirtschaftlichen Wohngebäuden ist im konkreten Fall von einer weitgehenden Überbauung auszugehen. Die unüberbaute Flä- che von lediglich 0.9 ha hat in ihrer Umgebung zwischen den Ge- bäuden der WG3 und den beiden Strassen keinen eigenständigen Charakter mehr und wird als Lücke in mehrheitlich überbautem Gebiet wahrgenommen. Eine sinnvolle landwirtschaftliche Nutzung der umstrittenen Parzellen ist auf Grund der Kleinheit des Schildes (0.9 ha) und der engen Begrenzung durch die stark befahrenen Stras- sen kaum mehr möglich, weshalb sich eine Zuweisung der umstritte- nen Parzellen zur Bauzone geradezu aufdrängt.
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2014 Schulrecht 215 VIII. Schulrecht 39 Einschulung; vorsorgliche Massnahmen - Der Anspruch auf Beschulung und die Schulpflicht erfordern bei Ge- fährdung der schulischen Entwicklung während des Beschwerdever- fahrens den Erlass von vorsorglichen Massnahmen. - Ist der Entscheid über die Zuweisung in die Einschulungsklasse angefochten, sind diejenigen vorsorglichen Massnahmen zu treffen, welche der summarisch beurteilten Rechtslage am ehesten entspre- chen. Verfügung des Verwaltungsrichters, 3. Kammer, vom 20. Januar 2014 in Sa- chen A. gegen Schulpflege B., Schulrat des Bezirks C. und Regierungsrat (WBE.2013.561). Aus den Erwägungen 2. 2.1. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde hat aufschiebende Wir- kung, wenn nicht im angefochtenen Entscheid oder durch besondere Vorschrift etwas anderes bestimmt wird (§ 46 Abs. 1 VRPG). Im angefochtenen Entscheid hat der Regierungsrat zur aufschiebenden Wirkung nichts angeordnet und eine von § 46 Abs. 1 VRPG abwei- chende gesetzliche Bestimmung im Schulgesetz fehlt. Der Laufbahn- oder Promotionsentscheid der Schulpflege, mit welchem der Besuch einer anderen, höheren Schulstufe bewilligt wird, ist eine positive Anordnung. Der Suspensiveffekt des Rechts- mittels hat bei solchen Gestaltungsverfügungen zur Folge, dass bis zum rechtskräftigen Entscheid im Rechtsmittelverfahren ein rechtli- ches Vakuum entsteht, da der Übertritt in die Schulstufe gemäss erstinstanzlicher Verfügung nicht vollzogen werden kann und ein 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 216 anderer formeller (Promotions-) Entscheid, welcher dem betroffenen Schüler erlauben würde, in einer andern Schulstufe die Schule zu besuchen, fehlt. 2.2. Gemäss § 46 Abs. 2 VRPG kann die Beschwerdeinstanz oder das ihr vorsitzende Mitglied Anordnungen zur aufschiebenden Wir- kung oder andere vorsorgliche Massnahmen treffen. § 46 Abs. 2 VRPG begründet einen sekundären, nachträglichen einstweiligen Rechtsschutz. Die Voraussetzungen für die Anordnung vorsorglicher Massnahmen entsprechen grundsätzlich denjenigen für den Entzug oder die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Dies bedeutet, dass ein Rechtsanspruch auf Erlass von Massnahmen be- steht, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind (T HOMAS M ERKLI / A RTHUR A ESCHLIMANN /R UTH H ERZOG , Kommentar zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege im Kanton Bern, Bern 1997, Art. 27 N 2). Der Entscheid über die Anordnung vorsorglicher Massnahmen setzt Dringlichkeit voraus; es bedarf überdies einer hin- reichend wahrscheinlichen Notwendigkeit, um die Rechtsdurchset- zung nicht zu gefährden (BGE 127 II 132, Erw. 3; I SABELLE H ÄNER , Die vorsorglichen Massnahmen im Zivil-, Verwaltungs- und Strafverfahren, in: ZSR 1997 II, S. 341). Sodann ist in einer sum- marischen Beurteilung eine Interessenabwägung vorzunehmen und die Hauptsachenprognose zu berücksichtigen, wenn sie eindeutig ist (BGE 130 II 149, Erw. 2.2). Inhalt der vorsorglichen Massnahmen kann im Rahmen des Verhältnismässigkeitsprinzips alles sein, was dem Schutz der gefährdeten Interessen dient und sich im Rahmen des Streitgegenstandes bewegt (vgl. M ICHAEL M ERKER , Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, Kommentar zu den §§ 38-72 VRPG, Zürich 1998, § 44 N 63). 2.3. Kinder und Jugendliche mit Aufenthalt im Kanton haben das Recht, diejenigen öffentlichen Schulen zu besuchen, die ihren Fähig- keiten entsprechen und deren Anforderungen sie erfüllen (§ 3 Abs. 1 SchulG). Sie unterstehen bis zum erfolgreichen Abschluss, längstens 2014 Schulrecht 217 jedoch bis zur Vollendung des 16. Altersjahres der Schulpflicht (§ 4 Abs. 1 SchulG). A. ist seit Beginn des Kindergartens im 2013 schulpflichtig (§ 4 Abs. 2 Satz 1 SchulG in der ab 1. August 2013 geltenden Fassung) und hat die Volksschule zu besuchen. Ein Entscheid im Rahmen von vorsorglichen Massnahmen ist für die Dauer des Beschwerdeverfah- rens unabdingbar, da A. bis zum Abschluss des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht (Instruktionsverfahren mit den Beschwerdeant- worten, allfällig weiterem Schriftenwechsel, Hauptverfahren bis zur Urteilszustellung) verpflichtet ist, die Volksschule zu besuchen, und er auch Anspruch auf eine Beschulung hat. Durch einen ungenutzten Zeitablauf kann seine schulische Entwicklung auch gefährdet sein. Damit liegen wichtige Gründe gemäss § 46 Abs. 1 VRPG vor. 3. 3.1.-3.3. (...) 4. 4.1.-4.2. (...) 4.3. A. besucht aufgrund der vorsorglichen Massnahme im regierungsrätlichen Verfahren seit August 2013 die 1. Klasse, obwohl er einer individuelleren Einschulung bedarf, als dies in der Regel- klasse möglich ist. Seine auch von den Lehrpersonen in der 1. Regelklasse festgestellten Defizite sprechen für eine Einschulung in der Einschulungsklasse. Die individuellen Betreuungsmöglichkei- ten sind auch im wohlverstandenen Interesse des Kindes. Für die Dauer des Verfahrens sind diejenigen Massnahmen zu treffen, welche der summarisch beurteilten Rechtslage am ehesten entsprechen. Die Feststellungen und Beobachtungen der Lehrperso- nen und die Entscheide der Schulbehörden legen den Schluss nahe, dass der Besuch der Regelklasse A. überfordert und der Bildungsauf- trag nicht genügend umgesetzt werden kann. Diese Einschätzung kann von den Beschwerdeführern nicht überzeugend entkräftet wer- den. Aus sozialen und pädagogischen Gründen sind bei einem weiter andauernden Besuch der Regelklasse die Einschulung und Integra- 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 218 tion des Kindes in der Einschulungsklasse in Frage gestellt, je länger der provisorische Schulbesuch dauert. Die von den Eltern vorgetragenen Interessen betreffen demgegenüber den Anschluss ihres Sohnes an die Regelklassen nach Abschluss der Einschulung. Ziel der Einschulungsklassen ist eine dem Entwicklungsstand der Schülerinnen und Schüler entsprechende gezielte individuelle Förderung mit einer allmählichen Eingewöh- nung in das Schulleben. Der Lehrplan entspricht demjenigen der 1. Klasse der Primarschule, nur wird der Lehrstoff auf 2 Jahre verteilt. Wird das Lernziel der 1. Regelklasse nach 2 Jahren erreicht, wird das Kind definitiv in die 2. Klasse befördert (§§ 1 ff. der Verordnung über die Förderung von Kindern und Jugendlichen mit besonderen schulischen Bedürfnissen vom 28. Juni 2000 [SAR 421.331]). Die Befürchtungen der Eltern zum schwierigeren Anschluss in der 2. Klasse erweisen sich damit als wenig fundiert. Für die Dauer des Rechtsmittelverfahrens ist daher A. der Ein- schulungsklasse zuzuweisen. 5. (...) Für die Dauer des Rechtsmittelverfahrens ist daher die auf- schiebende Wirkung zu entziehen, womit auch der Antrag der Be- schwerdeführer auf vorsorgliche Massnahmen abzuweisen ist. (...)
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2005 Verwaltungsrechtspflege 341 69 Ausstand (§ 124 Abs. 1 aStG). - Über streitige Ausstandsbegehren ist vorab mittels (separat anfecht- barer) Zwischenverfügung zu befinden. Dies gilt auch bei gleichzeitig hängiger Aufsichtsbeschwerde. Die Person, gegen die sich das Aus- standsbegehren richtet, hat, bis darüber rechtskräftig entschieden ist, jede Mitwirkung im Verfahren zu unterlassen. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 24. Februar 2005 in Sachen U.B. gegen Steuerrekursgericht. Aus den Erwägungen 3. c) aa) Nach § 124 Abs. 1 des Steuergesetzes (aStG) vom 13. Dezember 1983 dürfen Mitglieder, Beamte sowie Sachbearbeiter der Steuerbehörden und der Steuerjustizbehörden ihr Amt in Angele- genheiten, in denen sie als befangen erscheinen können, nicht aus- üben. Abs. 2 enthält wohl eine ausführliche Auflistung einzelner Ausstandsgründe, doch wird dadurch der Charakter von Abs. 1 als Generalklausel nicht verändert. Die Ausstandspflicht gilt immer, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtungsweise den Anschein der Befangenheit erwecken können (AGVE 1995, S. 414; Jürg Baur, in: Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, [1. Aufl.] Muri/Bern 1991, § 124 aStG N 3; Martin Zweifel, in: Kommentar zum schweizerischen Steuerrecht, Band I/2b [DBG], Basel/Genf/ München 2000, Art. 109 N 22). bb) Ausstandsgründe sind rechtzeitig geltend zu machen. Wer das Ausstandsbegehren nicht umgehend stellt, wenn er vom Aus- standsgrund Kenntnis erhält, sondern sich auf das Verfahren einlässt, verwirkt nach dem Grundsatz von Treu und Glauben den Anspruch auf spätere Anrufung des Ausstandsgrundes (Pra 91/2002, Nr. 102, S. 588 f.; Zweifel, a.a.O., Art. 109 N 30, je mit Hinweisen). Eine Person, gegen die ein Ausstandsbegehren gestellt wurde, hat ab diesem Zeitpunkt in den Ausstand zu treten. Ist der Ausstand streitig, so hat sie abzuwarten, bis die zuständige Instanz (§ 57 Abs. 2 der Verordnung zum Steuergesetz [aStGV] vom 13. Juli 1984) über 2005 Verwaltungsgericht 342 den Ausstand entschieden hat, und bis zu diesem Zeitpunkt jede Mitwirkung im Verfahren zu unterlassen (Conrad Walther, in: Kom- mentar zum Aargauer Steuergesetz, Band 2, 2. Auflage, Muri/ Bern 2004, § 169 N 14). Es ist nichts als konsequent, aus der Obliegenheit sofortiger Geltendmachung von Ausstandsgründen einerseits und dem Erfor- dernis, über Ausstandsbegehren vorab mittels Zwischenverfügung zu entscheiden, andererseits zu schliessen, über den Ausstand sei vor- weg rechtskräftig zu entscheiden (vgl. Zweifel, a.a.O., Art. 109 N 32). In einem Fall der Selbstablehnung spricht das Bundesgericht sogar von einer gerichtsorganisatorischen Frage, die ihrer Natur nach endgültig zu entscheiden ist, bevor das Verfahren weitergeführt werden kann (Pra 91/2002, Nr. 144, S. 778). Die Zwischenverfügung über das Ausstandsbegehren muss deshalb separat weitergezogen werden können, ohne dass es letztlich noch darauf ankäme, ob dabei von einem nicht wieder gut zu machenden Nachteil gesprochen wer- den kann (vgl. BGE 126 I 203 ff.; Merkli/Aeschlimann/Herzog, Kommentar zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege im Kan- ton Bern, Bern 1997, Art. 9 N 21; Art. 87 Abs. 1 OG in der Fassung vom 8. Oktober 1999; Art. 45 Abs. 2 lit. b VwVG). Sein eigenes Präjudiz in AGVE 1992, S. 454 ff. (das die An- fechtbarkeit von Sistierungsverfügungen betraf), auf das sich das Steuerrekursgericht im angefochtenen Entscheid für seine Ansicht stützt, dass es im Steuerverfahrensrecht überhaupt keine anfechtba- ren Zwischenverfügungen gebe, lässt sich in dieser umfassenden Formulierung nicht aufrecht erhalten, ohne dass jener Entscheid aber für den dort vorliegenden Sachverhalt in Zweifel gezogen werden müsste. cc) Die Möglichkeit der Aufsichtsbeschwerde (§ 113 aStG) - besser wäre der Ausdruck "Aufsichtsanzeige" (Michael Merker, Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aar- gauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege [Kommentar zu den §§ 38-72 VRPG], Diss. Zürich 1998, § 59a N 2) - ändert nichts. Wenn im Rahmen eines konkreten Verfahrens ein Ausstandsgrund geltend gemacht wird, hat die zuständige Behörde in diesem Verfah- ren darüber zu befinden (vgl. § 57 Abs. 2 aStGV; Walther, a.a.O., 2005 Verwaltungsrechtspflege 343 § 169 N 14; Baur, a.a.O., § 124 aStG N 5) und darf nicht wegen der Möglichkeit einer Aufsichtsanzeige oder wegen eines eingeleiteten Aufsichtsbeschwerdeverfahrens davon absehen. Dass die Steuerkom- mission trotz der noch hängigen Aufsichtsanzeige eine Zwischen- verfügung erliess, war verfahrensmässig korrekt. dd) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass über streitige Ab- lehnungsbegehren - wenn also die betroffene Person der Meinung ist, es liege kein Ausstandsgrund vor - mittels einer selbstständig an- fechtbaren Zwischenverfügung zu befinden ist. Daraus ergibt sich als Selbstverständlichkeit, dass die abgelehnte Person sich nicht nur bis zum erstinstanzlichen, sondern bis zum rechtskräftigen Entscheid über das Ablehnungsbegehren jeder Mitwirkung im Verfahren zu ent- halten hat.
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2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 126 16 Eindolung von Gewässern Gemäss § 119 Abs. 2 Satz 2 BauG ist die Bewilligung für die Eindolung von Gewässern nach Möglichkeit davon abhängig zu machen, dass im gleichen Gebiet ein entsprechendes Gewässer offen gelegt wird (sog. Kompensationspflicht); diese Kompensationspflicht gilt nur für Neuein- dolungen, nicht hingegen für bewilligungsfähige Ersatzeindolungen ge- mäss Art. 38 Abs. 2 lit. e GSchG. Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 1. Oktober 2019, in Sachen Abwasserverband ARA A. gegen Gemeinderat B. und Regie- rungsrat (WBE.2018.456). Aus den Erwägungen 5.2.2. (...) 2019 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 127 Nach Art. 38 GSchG dürfen Fliessgewässer nicht überdeckt oder eingedolt werden (Abs. 1). Die Behörde kann insbesondere für den Ersatz bestehender Eindolungen Ausnahmen bewilligen, sofern eine offene Wasserführung nicht möglich ist oder für die landwirt- schaftliche Nutzung erhebliche Nachteile mit sich bringt (Abs. 2 lit. e). Fehlt es an diesen Voraussetzungen, dürfen bestehende Eindo- lungen und Überdeckungen nicht erneuert werden (CHRISTOPH FRITZSCHE, in: PETER HETTICH/LUC JANSEN/ROLAND NORER [Hrsg.], Kommentar zum Gewässerschutzgesetz und Wasserbauge- setz, Zürich/Basel/Genf 2016, Art. 38 N 18). Der Ersatz muss die bisherige Führung der Dole oder Überdeckung nicht zwingend über- nehmen (FRITZSCHE, a.a.O., Art. 38 N 19). Sanierungen, die im Er- gebnis nicht auf einen Ersatz hinauslaufen, sondern reine Unterhalts- arbeiten oder Ausbesserungen betreffen, sind ohne die Erteilung einer Ausnahmebewilligung zulässig. Unter den Begriff der Ausbes- serungen fällt auch der Ersatz einzelner untergeordneter Elemente. Wird aber umgekehrt derart in die bestehende Substanz eingegriffen, dass das Bestehende im Verhältnis zu den neuen Elementen als un- tergeordnet erscheint, wird von einem Ersatz zu sprechen sein, der einer Ausnahmebewilligung nach Abs. 2 lit. e bedarf (FRITZSCHE, a.a.O., Art. 38 N 20). Mit der Formulierung der nicht möglichen offenen Wasserführung meint das Gesetz nicht eine absolute Unmög- lichkeit. Technisch ist jede Offenlegung möglich. Auf eine offene Wasserführung kann aber jeweils verzichtet werden, wo die räum- lichen Verhältnisse eine offene Bachführung verunmöglichen oder unzumutbar erschweren (FRITZSCHE, a.a.O., Art. 38 N 21). Laut Technischem Bericht zum Baugesuch musste die alte Ab- wasserleitung (= eingedolter Bach C.) für den Bau des neuen Klärbe- ckens provisorisch aufgehoben werden. Das Leitungstrassée - so der Bericht weiter - werde zum Ende der Bauarbeiten neu verlegt, so dass die Leitung in der erforderlichen Kapazität wiederhergestellt werde. Im Situationsplan der ARA A. und in den Querschnitten des neuen Klärblockes sei ersichtlich, dass innerhalb des Areals der Kläranlage A. keine Platzreserven für eine Freilegung dieser Leitung bestünden. Aufgrund dieser Ausführungen sowie der Bau- eingabepläne steht somit einerseits fest, dass vorliegend eine Ersatz- 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 128 eindolung im Sinne von Art. 38 Abs. 2 lit. e GSchG zur Debatte steht. Die alte Abwasserleitung wird auf einer Länge von über 70 m durch einen neuen Meteorwasserkanal mit leicht abgeänderter Linienführung ersetzt. Dabei kann nicht mehr vom Austausch unter- geordneter Elemente gesprochen werden. Andererseits belegen die Baueingabepläne die Aussage im Technischen Bericht zum Bau- gesuch, dass eine Offenlegung des Bachs C. auf der Parzelle Nr. xxx effektiv aus Platzgründen ausscheidet. Demnach hat die Abteilung für Baubewilligung für die Ersatzeindolung zu Recht eine Ausnah- mebewilligung (nach Art. 38 Abs. 2 lit. e GSchG) wegen fehlender Möglichkeit zur Bachöffnung auf der Parzelle Nr. xxx erteilt. Das Bundesrecht selber sieht im Falle einer entsprechenden Ausnahme- bewilligung keine Kompensationspflicht in Form einer Offenlegung eines anderen Gewässerabschnitts oder Gewässers vor. Derlei Er- satzmassnahmen werden nur, aber immerhin im kantonalen Recht vorgeschrieben und sind in § 119 Abs. 2 BauG geregelt, wohingegen sich § 119 Abs. 1 BauG auf die Verpflichtung zur Revitalisierungs- planung des Kantons bezieht, die mit dem am 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Art. 38a GSchG und der seit 1. Januar 2016 geltenden Ausführungsbestimmung in Art. 41d GSchV auf Bundesebene einge- führt respektive konkretisiert wurde (vgl. ERICA HÄUPTLI- SCHWALLER, in: Kommentar zum Baugesetz des Kantons Aargau, Bern 2013, § 119 N 8 ff.). Nach § 119 Abs. 2 Satz 1 BauG dürfen neue Eindolungen von Gewässern im Rahmen des eidgenössischen und kantonalen Rechts mit Zustimmung des zuständigen Departements (BVU) nur bewilligt werden (vom Gemeinderat), wenn übergeordnete Interessen dies er- fordern. Mit dem Verweis auf das eidgenössische Recht wird klarge- stellt, dass Ausnahmebewilligungen für die Eindolung von Gewäs- sern nur nach Massgabe von Art. 38 Abs. 2 GSchG in Betracht fallen, was wegen des Vorrangs des Bundesrechts vor kantonalem Recht (Art. 49 BV) ohnehin schon kraft Art. 38 Abs. 2 GSchG gilt. Die Tatbestände für eine Ausnahme vom Eindolungsverbot dürfen durch das kantonale Recht nicht erweitert werden (HÄUPTLI- SCHWALLER, a.a.O., § 119 N 12). Die Bewilligung für neue Eindo- lungen ist gemäss § 119 Abs. 2 Satz 2 BauG nach Möglichkeit davon 2019 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 129 abhängig zu machen, dass im gleichen Gebiet ein entsprechendes Gewässer offengelegt wird. Weil diese Kompensationspflicht - wie erwähnt - allein im kantonalen Recht verankert ist, im Gegensatz zu den Ausnahmetatbeständen vom Eindolungsverbot, erstreckt sie sich nicht notwendigerweise auf alle Fälle, in denen eine Ausnahmebe- willigung für eine Eindolung nach Art. 38 Abs. 2 GSchG erteilt wird. Dass das kantonale Recht die Ausnahmetatbestände vom Eindo- lungsverbot gegenüber Art. 38 Abs. 2 GSchG nicht erweitern darf respektive dass eine solche Erweiterung unbeachtlich wäre, hindert den kantonalen Gesetzgeber nicht daran, die von Bundesrechts we- gen nicht vorgeschriebene Kompensationspflicht auf einen Teil der nach Art. 38 Abs. 2 GSchG zulässigen Eindolungen einzuschränken. § 119 Abs. 2 BauG handelt dem Wortlaut zufolge von neuen Ein- dolungen. Es gibt mit Bezug auf eine grammatikalische Auslegung des Wortlauts der Bestimmung keinen Anhaltspunkt dafür, dass da- von auch die Erneuerung bzw. der Ersatz bestehender Eindolungen erfasst sein könnte. Auch die ratio legis schliesst es nicht aus, Ersatz- eindolungen im Hinblick auf die Kompensationspflicht anders zu be- handeln als Neueindolungen, die einen unerwünschten Zustand zu- sätzlich verschärfen. Wirft man einen Blick in die Materialien, erhellt daraus, dass mit der Kompensationspflicht in § 119 Abs. 2 Satz 2 BauG beabsichtigt wurde, dass die eingedolten Strecken gesamthaft nicht mehr zunehmen (Botschaft des Regierungsrats des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 21. Mai 1990 zur Totalrevision des Baugesetzes, 5397, S. 45; Protokoll der Spezialkommission Bauge- setzrevision des Grossen Rates der 19. Sitzung vom 8. März 1991, S. 266, Votum Jäggi zu § 100 des Entwurfs des Baugesetzes vom 21. Mai 1990). Dafür kann bereits mit einer auf Neueindolungen be- grenzten Kompensationspflicht gesorgt werden, während eine Kom- pensationspflicht bei Ersatzeindolungen insgesamt zur Abnahme ein- gedolter Gewässer führen würde. Eine solche Entwicklung wird im Lichte von Art. 38a GSchG, Art. 41d GSchV und § 119 Abs. 1 BauG zwar durchaus angestrebt, die Umsetzung der Strategie gehört aber primär zu den Aufgaben des Kantons. Letztlich gibt es mit § 119 Abs. 2 Satz 2 BauG nach richtiger Auslegung keine genügende ge- setzliche Grundlage dafür, Gemeinden oder Private, denen auf ihrem 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 130 Grundstück lediglich eine Ersatzeindolung (anstelle einer Neuein- dolung) bewilligt wird, zu einer Ersatzmassnahme in Form der Offenlegung eines anderen Gewässerabschnitts oder Gewässers zu verpflichten. Das gilt auch für den Beschwerdeführer, der auf seiner Parzelle Nr. xxx nur die Erneuerung einer bestehenden Bachleitung realisiert und somit nicht dazu verpflichtet werden kann, als Ersatz- massnahme den Bach C. ausserhalb seines Betriebsareals auszudo- len. Folglich ist die angefochtene Auflage, die eine solche Verpflich- tung vorsieht, mangels gesetzlicher Grundlage aufzuheben.
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AG_VG
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2007 Verwaltungsgericht 220 [...] 52 Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gelten Fristerstreckungen nur für diejenige Partei, die darum ersucht und einen zureichenden Grund nach- weist (Erw. 2) Verfügung des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, Präsident, vom 8. Juni 2007 in Sachen Swisscom Mobile AG gegen Regierungsrat (WBE.2007.88). 2007 Verwaltungsrechtspflege 221 Sachverhaltszusammenfassung Am 19. Dezember 2005 erteilte der Gemeinderat Rudolfstetten- Friedlisberg der Swisscom Mobile AG die Baubewilligung für eine Mobilfunkanlage auf der Parzelle Nr. 1462 an der Grossmattstrasse. Dagegen erhoben T. und 63 Mitbeteiligte Beschwerde beim Regie- rungsrat. Mit Entscheid vom 21. Februar 2007 hiess der Regierungs- rat die Beschwerde gut und hob die Baubewilligung auf. Der Ent- scheid wurde den Beschwerdeführern A. AG, F., L., T. und N. zuge- stellt. Die Swisscom Mobile AG gelangte in der Folge an das Ver- waltungsgericht mit dem Antrag, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und die Baubewilligung zu bestätigen. Am 28. März 2007 stellte der zuständige Kammerpräsident die Beschwerde der A. AG, F., L., T und N. zu und stellt ihnen frei, sich bis am 27. April 2007 am Verfahren zu beteiligen und eine Vernehmlassung zur Be- schwerde einzureichen. Gleichzeitig erging der Hinweis, dass mit der Verfahrensbeteiligung ein allfälliges Kostenrisiko für den Fall des Unterliegens verbunden sei. Für den Fall, dass innert Frist keine Ver- nehmlassung eingereicht werde, gehe das Gericht davon aus, dass keine Verfahrensbeteiligung erfolge. Am 5. April 2007 wurde den Beteiligen eine dem Gemeinderat Rudolfstetten-Friedlisberg bewilligte Fristerstreckung bis 15. Mai 2007 zur Kenntnisnahme zugestellt. Mit Eingabe vom 14. Mai 2007 erstatteten die A. AG, F., L., T. und N eine gemeinsam verfasste Ver- nehmlassung für alle 64 von der Baubewilligung Betroffenen. Aus den Erwägungen 1. Gemäss Verfügung des Kammerpräsidenten vom 28. März 2007 hatten sich T. und Mitbeteiligte bis zum 27. April 2007 über ihre Ver- fahrensbeteiligung auszusprechen. Ihre Vernehmlassung erfolgte mit Datum vom 14. Mai 2007 und damit verspätet. Unterlässt eine am Verfahren beteiligte Partei innert richterlich angesetzter Frist eine schriftliche Vorkehr, liegt Säumnis vor. Die 2007 Verwaltungsgericht 222 Säumnisfolgen bestehen darin, dass das Verfahren ohne die ver- säumte Prozesshandlung seinen Fortgang nimmt. Nach Ablauf einer richterlichen Frist eintreffende Rechtsschriften sind aus dem Recht zu weisen (AGVE 1997, S. 282). Dementsprechend ist die Vernehmlassung von T. und Mitbetei- ligten vom 14. Mai 2007 unbeachtlich und aus dem Recht zu weisen. Gleichzeitig ist festzustellen, dass T. und Mitbeteiligte zufolge Frist- versäumnis am vorliegenden Verfahren nicht beteiligt sind. Die Fol- gen der Säumnis sind in materieller Hinsicht insofern gemildert, als deren Standpunkt aus dem vorinstanzlichen Verfahren auch vor Ver- waltungsgericht - soweit erforderlich - Berücksichtigung findet (vgl. § 20 VRPG). 2. Dem Gemeinderat Rudolfstetten-Friedlisberg wurde die Frist zur Einreichung der Vernehmlassung auf Gesuch hin bis zum 15. Mai 2007 erstreckt, was T. und Mitbeteiligten zur Kenntnis ge- bracht wurde. Gemäss § 32 Abs. 2 VRPG können behördlich bestimmte Fris- ten aus zureichenden Gründen erstreckt werden, wenn vor Ablauf darum nachgesucht wird. Daraus folgt, dass Fristerstreckungen nur für diejenige Partei gelten, welche darum ersucht und einen zurei- chenden Grund nachweist. Die Kenntnisgabe einer solchen Frister- streckung an die übrigen Verfahrensbeteiligten orientiert über die ,,Verlängerung" des Verfahrens. Sie begründet aber für eine Partei, die kein eigenständiges Gesuch stellt, keine Fristverlängerung. T. und Mitbeteiligte könnten deshalb selbst aus der Fristerstreckung für den Gemeinderat nichts zu ihren Gunsten ableiten. (Hinweis: Das Bundesgericht hat eine Beschwerde gegen diese Verfügung abgewiesen, soweit es darauf eintrat; Urteil vom 16. November 2007 [1C_194/2007].)
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2002 Verwaltungsgericht 248 [...] 66 Beschwerdelegitimation. Regelungsspielraum der Kantone bezüglich der Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen. - Legitimation von Verbänden, die primär eigene Interessen als Pächter von Fischgewässern und nicht im Sinne der egoistischen Verbandsbe- schwerde die Interessen ihrer Mitglieder wahren (Erw. I/2). - Das Bundesrecht (Art. 75 Abs. 1 BV; Art. 24 - 24c RPG) steht Bau- verboten in kantonalen Erlassen für nicht zonenkonforme Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen entgegen (Erw. II/2). 2002 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 249 Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 29. Mai 2002 in Sa- chen Fischereiverein D. u. Mitb. gegen Regierungsrat. Aus den Erwägungen I. 2. Der Beschwerdegegner stellt die Legitimation der beiden Beschwerdeführer in Frage. a) Der Regierungsrat hat im vorinstanzlichen Verfahren die Le- gitimationsfrage eingehend geprüft. Er ist dabei zu Recht davon aus- gegangen, dass sich die Beschwerdebefugnis der beschwerdefüh- renden Vereine ausschliesslich nach § 38 Abs. 1 VRPG beurteile. Diese Rechtsgrundlage ist auch für das vorliegende verwaltungsge- richtliche Beschwerdeverfahren massgebend, da weder der Fischer- verein D. noch die Pachtvereinigung U. gesamtkantonale Organi- sationen im Sinne von § 4 Abs. 3 BauG sind. b) Vertritt ein Verband wie im vorliegenden Falle nicht, zumin- dest nicht in erster Linie, die Interessen seiner Mitglieder (sog. egois- tische Verbandsbeschwerde), sondern macht er geltend, er sei in sei- ner Interessensphäre wie eine natürliche Person berührt, so kommt § 38 Abs. 1 VRPG zur Anwendung (siehe Michael Merker, Rechts- mittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege [Kommentar zu den §§ 38- 72 VRPG], Zürich 1998, § 38 N 215). Danach kann Verfügungen und Entscheide mit Beschwerde anfechten, wer ein schutzwürdiges eigenes Interesse geltend macht. Zur Auslegung dieser Bestimmung in Baubewilligungssachen besteht eine langjährige, gefestigte Praxis, die sich weitestgehend an die Rechtsprechung des Bundesgerichts zu Art. 103 lit. a OG anlehnt (siehe dazu und zum Folgenden: AGVE 2000, S. 365 ff. mit Hinweisen; 1998, S. 326; 1997, S. 288 ff.; 1993, S. 409 ff.; 1991, S. 363 ff.; Merker, a.a.O., § 38 N 150 ff.). (...). Der Regierungsrat hat die Legitimation bejaht, da beide Be- schwerdeführer in unmittelbarer Nähe des geplanten Vogelbeob- achtungsturms zu Fischereizwecken Gewässer gepachtet hätten. Die Errichtung des Turms ziehe zusätzliche Besucher in das Gebiet, die sich auch im fraglichen Gewässerbereich aufhalten bzw. dieses 2002 Verwaltungsgericht 250 durchqueren würden. Die Betroffenheit der Beschwerdeführer ergebe sich dadurch, dass die von ihnen gepachteten Gewässer vermehrtem Publikumsverkehr ausgesetzt würden, was sich nachteilig auf die Fi- schereimöglichkeiten auswirken könne. Diesen Erwägungen ist bei- zupflichten. Die örtliche Nähe der von den Beschwerdeführern ge- pachteten Fischgewässer zum Bauvorhaben ist unbestrittenermassen gegeben. So ist der Beschwerdeführer 1 Pächter des entlang dem Stausee verlaufenden Binnenkanals und des rund 70 bis 80 m ent- fernten Solenbachs und das Revier Nr. 12 (Aare, vom Kraftwerk Klingnau aufwärts bis zur Mündung der Surb in Döttingen; Länge ca. 3'500 m), das die Beschwerdeführerin 2 gepachtet hat, grenzt sogar direkt an den Bereich der Parzelle Nr. 270, auf dem der Turm errichtet werden soll. Es ist auch nicht auszuschliessen, dass es durch die den Vogelbeobachtungsturm aufsuchenden Besucher, die sich auch in seiner Umgebung aufhalten werden, zu einer Beeinträchti- gung der erwähnten Gewässer und des dortigen Fischbestandes kommen kann. Zu berücksichtigen ist ferner, dass sowohl die fragli- chen Gewässer als auch der Vogelbeobachtungsturm im Rahmen der Freizeitgestaltung genutzt werden; die Nutzung wird somit häufig in den Tagesrandstunden (frühmorgens und abends) oder am Wochen- ende stattfinden. Dies kann dazu führen, dass die am Klingnauer Stausee oder an den Bächen fischenden Mitglieder der Beschwerde- führer bei ihrer Tätigkeit durch Personen, die den Vogelbeobach- tungsturm aufsuchen, gestört oder beeinträchtigt werden. Insofern unterscheidet sich der hier zur Diskussion stehende Sachverhalt von dem in AGVE 1993, S. 409 ff. beurteilten nicht unwesentlich; dort standen sich die landwirtschaftliche Nutzung eines Grundstücks und die normale bauliche Nutzung zu Wohnzwecken auf dem benach- barten Grundstück gegenüber. Dass die Beschwerdeführer als Päch- ter der fraglichen Fischgewässer durch den Beobachtungsturm in ihren Interessen stärker als die Allgemeinheit in ihren Interessen betroffen und beeinträchtigt sein könnten, lässt sich somit allein schon auf Grund der örtlichen Nähe der gepachteten Gewässer zum geplanten Beobachtungsturm nicht ausschliessen. Ihre Beschwerde- befugnis ist demgemäss zu bejahen. 2002 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 251 II. 1. Der projektierte Vogelbeobachtungsturm ist rund 11.50 m hoch und weist zwei übereinanderliegende Beobachtungsplattformen auf. Diese haben eine Grundfläche von 4.50 m x 4.50 m. Eine Überdachung ist nicht vorgesehen. Die beiden Plattformen haben ein Geländer mit einer Höhe von 1.10 m, das aus stehenden Latten mit der Abmessung 40 mm x 40 mm besteht. Die Treppe ist als selbstragende Konstruktion vom Turm abgekoppelt und weist eine Grundfläche von 4.50 m x 2.80 m auf. Die Treppenläufe sind 1.20 m breit; die Tritte werden aus Metallgitterrosten erstellt. Der Beobach- tungsturm und die Treppe bestehen aus einer Fachwerkkonstruktion aus Lärchenholz, die auf einem Betonfundament verankert wird. Die Gesamtkonstruktion nimmt eine Grundfläche von 32.85 m 2 (ein- schliesslich des Fundaments 56 m 2 ) in Anspruch und weist eine Ku- batur von 377.30 m 3 auf. Der Turm soll die Vogelbeobachtung im Reservatsgebiet des Klingnauer Stausees ermöglichen und damit einerseits der wissenschaftlichen Forschung dienen, anderseits aber auch der breiten Bevölkerung zugänglich sein. Durch ihn ersetzt werden soll der seit 1969 bestehende, baufällig gewordene "Hero- turm", der seit einigen Jahren nicht mehr benutzt wird. 2. a) Der vorgesehene Standort des Turms liegt gemäss dem Dekret über den Schutz des Klingnauer Stausees und seiner Umge- bung (KSSchD; SAR 761.560) vom 17. Mai 1988 innerhalb des Perimeters des Schutzdekrets in der Zone für Kraftwerkanlagen (siehe den Schutzplan 1:50'000), somit ausserhalb der Bauzonen (siehe auch den Bauzonenplan der Gemeinde Böttstein [Kleindöttin- gen - Burlen - Eien] vom 8. Juni 1994 / 12. September 1995). Das KSSchD stützt sich u.a. auf Art. 17 RPG (Fassung vom 20. März 1998), der die Schutzzonen regelt. Die Zone für Kraftwerkanlagen umfasst nach § 8 Abs. 1 KSSchD das Kraftwerk mit allem Zubehör sowie die Dämme und Hinterwasserkanäle. Bestand, Betrieb, Unter- halt und zeitgemässe Erneuerung des Kraftwerks werden in § 8 Abs. 2 KSSchD gewährleistet. An den Dämmen und Hinterwasserkanälen sind landschaftsprägende Bäume, vor allem aber Gebüschgruppen und Magerwiesen zu erhalten und zu fördern (§ 8 Abs. 3 KSSchD). Die fehlende Zonenkonformität des Vogelbeobachtungsturms in der Zone für Kraftwerkanlagen ist zu Recht unbestritten, ebenso dass 2002 Verwaltungsgericht 252 es vorliegendenfalls um einen Neubau geht und die Vorschriften über die Besitzstandsgarantie daher nicht zum Tragen kommen. Streitig ist hingegen, ob die Errichtung des fraglichen Turms am vorgesehenen Standort als Ausnahme bewilligungsfähig ist. Nach der vom Regierungsrat und vom Beschwerdegegner vertretenen Rechts- auffassung ist die Frage der Zulässigkeit einer Ausnahmebewilligung für eine zonenwidrige Baute ausserhalb der Bauzonen auf Grund von Art. 24 RPG zu prüfen. Die Beschwerdeführer sind demgegenüber der Ansicht, das KSSchD regle die zulässigen Ausnahmen innerhalb des Dekretsgebiets abschliessend, weshalb darüber hinaus für eine sich auf Art. 24 RPG stützende Ausnahmebewilligung kein Raum bleibe. b) Gemäss § 4 Abs. 1 KSSchD sind - vorbehältlich abweichen- der Bestimmungen bei den Vorschriften für die einzelnen Zonen - in allen Zonen Bauten und Anlagen, einschliesslich Terrainverände- rungen wie Ablagerungen und Auffüllungen, das Aufstellen von Wohnwagen, Zelten, Mobilheimen und dergleichen sowie organi- sierte Anlässe, die den Gemeingebrauch übersteigen, untersagt. In der Zone für Kraftwerkanlagen sind nach § 8 Abs. 2 KSSchD "Be- stand, Betrieb, Unterhalt und zeitgemässe Erneuerung" gewährleistet, d.h. in diesem Rahmen sind Bauten und Anlagen zonenkonform und mit ordentlicher Baubewilligung bewilligungsfähig. Gemäss § 12 KSSchD sind folgende Ausnahmen gegenüber den Bestimmungen von §§ 5 - 10 gestattet, soweit sie die Ziele des Dekrets nicht beein- trächtigen: " - Fahrten für betriebsnotwendige Unterhaltsarbeiten durch das Kraftwerk - das Betreten der Naturschutzzone für Aufsicht und angeordneten Unterhalt - die Durchführung eines jährlichen Silvesterlaufs nach genehmig- ter Route - das Befahren der markierten Zufahrt zur Kahnrampe und zum Bootssteg Gippingen mit Schiffen - Übungen und Trainingsfahrten der ansässigen Wasserfahrvereine im Staubereich zwischen Brücke Döttingen/Kleindöttingen und 300 m unterhalb der Halbbrücke Klingnau im bisherigen Umfang, 2002 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 253 eingeschlossen die 50 m breite Sperrzone längs der Naturschutz- zone - die Ausübung der Angelfischerei in der Naturschutzzone von den auf dem Plan und im Feld markierten Wegen oder Plätzen." § 12 KSSchD äussert sich somit nur zur Frage, welche zonen- widrigen Nutzungen im Schutzgebiet des Dekrets ausnahmsweise zulässig sind. Nicht geregelt ist die Frage der ausnahmsweisen Be- willigung von dem Zonenzweck widersprechenden Bauten und An- lagen . Die Beschwerdeführer gehen nun gestützt auf die Formulie- rungen in den §§ 7 und 8 i.V.m. § 4 KSSchD davon aus, dass das KSSchD in Bezug auf nicht zonenkonforme Bauten und Anlagen gar keine Ausnahmebewilligungen zulassen wolle. c) Im eidgenössischen Raumplanungsrecht sind die Rechtset- zungskompetenzen zwischen Bund und Kantonen aufgeteilt; der Bund legt die Grundsätze fest, während die detaillierte Normierung - innerhalb der vom Bund aufgestellten Rahmenordnung - den Kan- tonen vorbehalten ist (Art. 75 Abs. 1 BV; siehe Walter Haller / Peter Karlen, Raumplanungs-, Bau- und Umweltrecht, Band I, 3. Auflage, Zürich 1999, Rz. 75 f.). Was das Bauen ausserhalb der Bauzonen im Besondern anbelangt, enthalten die Art. 24 - 24c RPG eine abschlies- sende Bundesregelung, was mit der herausragenden Bedeutung der Trennung von Bauzonen und Nichtbauzonen begründet wird; ein Vorbehalt zu Gunsten des kantonalen Rechts findet sich hier nur noch in Art. 24d RPG (Haller/Karlen, a.a.O., Rz. 80; Erläuterungen zum Bundesgesetz über die Raumplanung, herausgegeben vom Eidg. Justiz- und Polizeidepartement [Bundesamt für Raumplanung], Bern 1981, Art. 24 N 6; der früher geltende weitere Vorbehalt in Bezug auf bestehende Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen [Art. 24 Abs. 2 RPG in der Fassung vom 22. Juni 1979] ist mit der Gesetzesrevision vom 20. März 1998 aufgehoben worden [Art. 24c RPG; siehe BGE 127 II 219]). Bei dieser rechtlichen Ausgangslage ist es - entgegen der An- sicht der Beschwerdeführer - grundsätzlich ohne Bedeutung, ob das KSSchD in seinem Schutzbereich ein absolutes Bauverbot für nicht zonenkonforme Bauten und Anlagen statuiert; ein solches Verbot wäre mit dem Bundesrecht unvereinbar. Die Frage, ob der Vogel- 2002 Verwaltungsgericht 254 beobachtungsturm als Ausnahme in der Zone für Kraftwerkanlagen bewilligungsfähig ist, bestimmt sich klarerweise auf Grund von Art. 24 RPG (siehe VGE III/115 vom 15. November 2001 [BE.2000.00137] in Sachen W., S. 7). Hieran ändert auch nichts, dass § 7 Abs. 2 KSSchD auf Art. 24 RPG verweist, nicht aber § 8 KSSchD; eine gesetzgeberische Inkonsequenz kann nicht das Prinzip der derogatorischen Kraft des Bundesrechts ausser Geltung setzen.
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2011 Bau-, Raumentwicklungs-, Umweltschutzrecht 125 II. Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 33 Verwaltungszwang; § 159 Abs. 1 BauG Die Prüfung der (nachträglichen) Bewilligungsfähigkeit einer rechtswid- rigen Baute im Beseitigungsverfahren setzt nicht in jedem Fall die Durch- führung eines nachträglichen Baubewilligungsverfahrens voraus. Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 13. April 2011 in Sachen A. und B. (WBE.2009.188). Aus den Erwägungen 3. 3.1. Wird durch die Errichtung von Bauten ohne Bewilligung, unter Verletzung einer solchen oder auf andere Weise ein unrechtmässiger Zustand geschaffen, so können die Einstellung der Arbeiten, die Ein- reichung eines Baugesuchs sowie die Herstellung des rechtmässigen Zustands, insbesondere die Beseitigung oder Änderung der rechts- widrigen Bauten angeordnet werden (§ 159 Abs. 1 BauG). Eine sol- che Beseitigungsanordnung darf jedoch praxisgemäss erst erlassen werden, wenn feststeht, dass die eigenmächtig ausgeführten Bauar- beiten dem objektiven Recht widersprechen und nicht nachträglich bewilligt werden können (siehe dazu auch Erw. 3.4.); vorausgesetzt ist also die materielle Rechtswidrigkeit der bewilligungswidrig ge- troffenen baulichen Vorkehren (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 22. Februar 2001 [1P.672/2000], Erw. 3a; BGE 111 Ib 221; AGVE 2004, S. 157 f.). Die Beseitigung des rechtswidrigen Zustands muss mit den Grundsätzen der Verhältnismässigkeit, der Rechtsgleichheit und des Gutglaubensschutzes vereinbar sein. So kann der Abbruch oder die Abänderung der rechtswidrig erstellten Baute unterbleiben, wenn die Abweichung vom Erlaubten nur unbedeutend ist oder der 2011 Verwaltungsgericht 126 Abbruch nicht im öffentlichen Interesse liegt, ebenso wenn die Bau- herrschaft in gutem Glauben angenommen hat, sie sei zur Bauaus- führung ermächtigt, und der Beibehaltung des rechtswidrigen Zu- stands nicht schwerwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen (BGE 123 II 255; 111 Ib 221 ff.; 108 Ia 217; AGVE 2001, S. 279 f.; 2000, S. 262 f., je mit Hinweisen). Schliesslich muss die festgesetzte Beseitigungs- bzw. Anpassungsfrist den Verhältnissen angemessen sein. Der Bauherrschaft ist ausreichend Zeit für den geordneten Voll- zug der Entfernung bzw. Anpassung der Installationen und Bauteile einzuräumen (vgl. AGVE 1994, S. 607). 3.2.-3.3. (...) 3.4. Die Prüfung der (nachträglichen) Bewilligungsfähigkeit setzt nicht in jedem Fall die Durchführung eines nachträglichen Baube- willigungverfahrens voraus, was sich schon aus der "Kann"-Vor- schrift von § 159 Abs. 1 BauG ergibt. Dies ist vorab der Fall, wenn über ein Bauvorhaben bzw. die massgebende Frage bereits rechts- kräftig entschieden worden ist. Aber auch wenn ein Bauvorhaben offensichtlich nicht bewilligungsfähig ist bzw. die materielle Rechts- widrigkeit einer Baute aufgrund klarer tatsächlicher Verhältnisse eindeutig feststeht, ist der Ausgang des nachträglichen Baubewilli- gungsverfahrens von vornherein klar. Das Durchlaufen eines nach- träglichen Baubewilligungsverfahrens wäre in solchen Fällen pro- zessökonomisch nicht zu rechtfertigen (vgl. z.B. VGE III/3 vom 21. Januar 2011 [WBE.2010.275], S. 6 f.; Urteil des Bundesgerichts vom 22. Februar 2001 [1P.672/2000], Erw. 3; BVR 2007, S. 167 f.). Die Unterschreitung des Kantonsstrassenabstands bedarf der Zustimmung der Abteilung für Baubewilligungen des BVU (früher: Koordinationsstelle Baugesuche) (vgl. § 63 lit. c BauG). In der Zu- stimmungsverfügung vom 28. November 2005 wurde den Beschwer- deführern im Sinne einer Ausnahme (§ 67 BauG) erlaubt, den gesetz- lich vorgeschriebenen Kantonsstrassenabstand von 6 m (§ 111 Abs. 1 lit. a BauG) um 2 m zu unterschreiten; gleichzeitig wurde die Beo- bachtungsdistanz der Sichtzonen von 4.5 m auf 3.5 m reduziert. In einem früheren Stadium des Baugesuchsverfahrens lehnte die Koor- dinationsstelle Baugesuche am 5. August 2005 einen Kantonsstras- 2011 Bau-, Raumentwicklungs-, Umweltschutzrecht 127 senabstand des Wendeplatzes von 2 m zudem ab, was die Beschwer- deführer akzeptierten. Der von der Abteilung Tiefbau des BVU im vorliegenden Beseitigungsverfahren angefertigte Plan vom 6. Feb- ruar 2009 zeigt zudem illustrativ auf, dass der Abstand des Abstell- bzw. Vorplatzes von lediglich 2 m zur Kantonsstrasse die erforder- liche, ohnehin schon reduzierte Sichtzone beeinträchtigt: Die unbe- willigte Ausgestaltung des Vorplatzes lässt die Parkierung von vier Fahrzeugen zu, was die Sichtzone klarerweise einschränkt. Das ge- forderte Sichtfeld ist zwar nicht auf der gesamten Abstellfläche, aber doch teilweise beeinträchtigt, womit die Verkehrssicherheit nicht mehr gewährleistet ist. Einer weitergehenden Ausnahmebewilligung (vgl. § 67 BauG, aber auch der neue § 67a BauG) stehen mithin ge- wichtige öffentliche Interessen entgegen. Der eigenmächtig erstellte Abstell- bzw. Vorplatz ist daher von vornherein nicht bewilligungs- fähig. (...) Die materielle Rechtswidrigkeit als Grundvoraussetzung einer auf Herstellung des rechtmässigen Zustands abzielenden Anordnung ist somit erstellt. 3.5. Bleibt zu prüfen, ob die angeordnete Herstellung des recht- mässigen Zustands rechtmässig ist. Die verfügte Anordnung ist unter Berücksichtigung der allgemeinen Prinzipien des Verfahrens- und Verwaltungsrechts zu beurteilen (vgl. Erw. 3.1.). 3.5.1.-3.5.2. (...) (Hinweis: Im Anwendungsfall wurde die Herstellung des rechtmässigen Zustands als rechtmässig beurteilt und geschützt)
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Northwestern_Switzerland
AG_VG_001_AGVE-2011-33_2011-04-03
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2008 Strassenverkehrsrecht 59 14 Entzug des Führerausweises; Warnungsentzug. - Nach mit Bundesgesetz vom 14. Dezember 2001 teilrevidiertem SVG (in Kraft seit 1. Januar 2005) kein leichter Fall möglich bei leichtem Verschulden aber mittelschwerer Gefährdung. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 9. Juli 2008 in Sachen P.H. gegen den Entscheid des Departements Volkswirtschaft und Inneres (WBE.2008.100). Aus den Erwägungen 3. Das Strassenverkehrsgesetz unterteilt die massnahmerechtlichen Tatbestände in leichte, mittelschwere und schwere Widerhandlungen (Art. 16a ff. SVG). Es begeht eine leichte Widerhandlung, wer durch Verletzung von Verkehrsregeln andere nur geringfügig gefährdet, wobei ihn dabei lediglich ein leichtes Verschulden trifft. Die fehlbare Person wird verwarnt, wenn in den vorangegangenen zwei Jahren der Ausweis nicht entzogen war und keine andere Administrativmass- nahme verfügt wurde (Art. 16a SVG). Eine schwere Verletzung be- geht, wer durch grobe Verletzung von Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt. Dies hat einen mindestens dreimonatigen Entzug des Führerauswei- ses zur Folge (Art. 16c SVG). Eine mittelschwere Widerhandlung schliesslich verübt, wer durch Verletzung von Verkehrsregeln eine Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt. In der Folge wird dem fehlbaren Lenker der Führerausweis für min- destens einen Monat entzogen (Art. 16b SVG). Die mittelschwere Widerhandlung ist nach der gesetzlichen Konzeption als Auffangtat- bestand ausgestaltet. Sie liegt immer dann vor, wenn nicht alle pri- 2008 Verwaltungsgericht 60 vilegierenden Elemente einer leichten und nicht alle qualifizierenden Elemente einer schweren Widerhandlung gegeben sind (Urteil des Bundesgerichts vom 20. März 2007 [6A.64/2006], Erw. 2.3, sowie Botschaft zur Änderung des Strassenverkehrsgesetzes vom 31. März 1999 in BBl 1999, S. 4462, 4487). Die wesentlichen Kriterien zur Unterscheidung von Wider- handlungen sind das Mass der Verkehrsgefährdung und die Schwere des Verschuldens (BGE 105 Ib 118 Erw. 1; 104 Ib 49 Erw. 2b). Dabei sind das Verschulden des Fahrzeuglenkers und sein automobilisti- scher Leumund zu berücksichtigen. Mittelschwer ist die Wider- handlung, wenn entweder das Verschulden des Lenkers nicht mehr leicht wiegt oder die Gefahr der Sicherheit anderer nicht mehr gering ist (vgl. Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG; Urteil des Bundesgerichts vom 13. September 2007 [1C_75/2007], Erw. 3.1). 4. 4.1. Das DVI ist vorliegend in Anbetracht der Verkehrsgefährdung und des Verschuldens von einer mittelschweren Widerhandlung i.S.v. Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG ausgegangen. 4.2. Demgegenüber macht der Beschwerdeführer geltend, es liege höchstens ein leichtes Verschulden des Beschwerdeführers vor und daher sei ungeachtet der Verkehrsgefährdung höchstens eine leichte Widerhandlung im Sinne von Art. 16a SVG anzunehmen, weil die Verkehrsgefährdung nur insoweit Bedeutung habe, als sie auch ver- schuldensmässig relevant sei. 4.3. Vorweg ist festzuhalten, dass der Gesetzeswortlaut eindeutig ist und keinen Raum für eine Interpretation im Sinne des Beschwerde- führers lässt. Eine leichte Widerhandlung begeht gemäss Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG, wer durch die Verletzung von Verkehrsregeln eine geringe Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft und ihn dabei nur ein leichtes Verschulden trifft. Für die Annahme eines leichten Falls wird ausdrücklich ein geringes Ausmass der Gefährdung vor- ausgesetzt. Im Gegensatz zur Bundesgerichtspraxis zum bis am 31. Dezember 2004 geltenden Recht (BGE 125 II 561) räumt das 2008 Strassenverkehrsrecht 61 neue Recht der Schwere der Verkehrsgefährdung eine eigenständige Stellung ein. Die frühere Praxis stützte sich denn auch im Wesent- lichen auf Art. 31 der Verordnung über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr in der vor dem 1. Januar 2005 geltenden Fassung vom 27. Oktober 1976, welcher lediglich das Ver- schulden und den automobilistischen Leumund als wesentliche Ele- mente für die Beurteilung eines leichten Falls nannte. Daraus leitete das Bundesgericht ab, die Schwere der Verkehrsgefährdung sei kein selbständiges Beurteilungsmerkmal (BGE 125 II 561 Erw. 2a und Erw. 2b). Diese Bestimmung gibt es im neuen Recht nicht mehr. Ent- sprechend wurde sowohl in der Botschaft zum revidierten SVG wie auch vom Bundesgericht (Urteil des Bundesgerichts vom 13. Sep- tember 2007 [1C_75/2007], Erw. 3.1) festgehalten, ein mittelschwe- rer Fall nach Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG liege u.a. dann vor, wenn nicht alle privilegierenden Elemente einer leichten Widerhandlung gegeben sind. Die Revision des Administrativmassnahmenrechts führte somit zu einer Verschärfung der gesetzlichen Regelung, wes- halb die erwähnte Praxis (BGE 125 II 561) bei der Abgrenzung des leichten vom mittelschweren Fall keine Bedeutung mehr haben kann (vgl. Andreas A. Roth: Entwicklungen im Strassenverkehrsrecht, in: SJZ 104 (2008) Nr. 10, S. 242 f.). (Hinweis: Das Bundesgericht hat eine Beschwerde gegen diesen Entscheid abgewiesen; Urteil vom 25. Februar 2009 [1C_372/2008].)
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2005 Submissionen 225 V. Submissionen 44 Preisbewertung. - Zulässigkeit eines Preisbewertungssystems, bei dem das tiefste Ange- bot mit 100 und das höchste Angebot mit 0 Punkten bewertet wird. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 15. Februar 2005 in Sachen S. gegen Bodenverbesserungsgenossenschaft S. Aus den Erwägungen 4. Der Beschwerdeführer vertritt den Standpunkt, das von der Vergabebehörde gewählte System zur Bewertung des Preiskriteriums sei untauglich, unverhältnismässig und sachfremd. a) Das Tiefstangebot wurde gemäss der von der Vergabestelle verwendeten Methode mit 100 Punkten benotet und das Höchstange- bot erhielt 0 Punkte. Die sich dazwischen befindenden Angebote wurden entsprechend der Preisdifferenz linear bewertet. Es wurden die nachfolgenden bereinigten Netto-Eingabesummen eingereicht und bewertet: Anbieter Netto-Eingabesumme % Punkte Beschwerdeführer 378'894.50 100 100 (...) 434'366.90 115 80 (...) 464'410.50 123 69 (...) 515'445.50 136 51 (...) 526'732.70 139 47 (...) 527'054.45 139 46 (...) 596'668.50 157 21 (...) 628'309.00 166 10 (...) 655'364.95 173 0 2005 Verwaltungsgericht 226 b) aa) - cc) (Darstellung der Praxis [AGVE 2004, 230 ff.]) dd) Das Verwaltungsgericht hat in einem früheren Urteil festge- halten, bei einer Gewichtung des Preises mit 40% stelle es noch keine Ermessensüberschreitung dar, wenn sich die Vergabebehörde für eine Preisbewertung entschieden habe, die vom günstigsten An- gebot ausgehe und die übrigen Angebote reziprok dazu bewerte, was im konkreten Fall zur Konsequenz habe, dass das um knapp 100 % teurere Angebot noch die halbe Punktezahl erhalte. Der konkrete Fall betraf allerdings eine komplexe Asbestsanierung, nicht herkömmli- che Tiefbauarbeiten oder Baumeisterarbeiten. Aufgeworfen wurde zudem die Frage, ob eine solche Bewertungsmethode noch haltbar wäre, wenn dem Preis ein Gewicht von 80% oder mehr zukommen würde (siehe VGE vom 23. September 2002 [BE.2002.00247], S. 10). Gutgeheissen hat das Verwaltungsgericht die Beschwerde in einem Fall, in welchem dem Preis ein Gewicht von 70% zukam. Auf- grund der gewählten Bewertungsmethode erhielt das teuerste Ange- bot (um 40% höher als das niedrigste) noch 42 von 70 möglichen Punkten. Um keine Punkte mehr zu erhalten, hätte das teuerste An- gebot doppelt so hoch wie der tiefste Preis sein müssen. Das Ver- waltungsgericht führte dazu folgendes aus (AGVE 2004, S. 232 f.): "Im vorliegenden Fall geht es um die Vergabe von Baumeisterarbei- ten im Bereich Tiefbau. Für Vergaben dieser Art sind Preisunter- schiede von ca. 10 - 30%, nicht aber von 100% üblich. Vorliegend bewegen sich die (vergleichbaren) Angebote denn auch innerhalb einer Preisspanne von 40%. Die Vergabebehörde hätte diesem Um- stand angemessen Rechnung tragen müssen. Wird die Preiskurve indessen so flach gelegt, dass beim Preis die Vergabe von weniger als die Hälfte der Punkte nur theoretisch in Betracht kommen kann, so wird die Gewichtung des Preises im Verhältnis zu den übrigen Krite- rien gegenüber der publizierten Gewichtung verschoben. Genau dies ist vorliegend geschehen. So erhielt auch der teuerste Anbieter 42 von 70 möglichen Punkten. Die tatsächliche Gewichtung des Preises beträgt damit nicht 70%, sondern bloss 28%. Das Vorgehen der Ver- gabestelle führte letztlich dazu, dass den Preisdifferenzen bei der Bewertung viel zu wenig Rechnung getragen wurde" (siehe auch VGE III/15 vom 19. März 2004 [BE.2003.00334], S. 13 ff.). 2005 Submissionen 227 Im vorliegenden Fall geht es im Wesentlichen um die Vergabe von Tiefbauarbeiten (Flur- und Waldwegbauarbeiten, Bachöffnun- gen/-renaturierungen). Dem Preis kommt gemäss Ausschreibung ein Gewicht von 40% zu. Das tiefste Angebot des Beschwerdeführers erhielt das Maximum von 100 Punkten, während das um 73% teurere Höchstangebot mit 0 Punkten bewertet wurde. Die um 15% höhere Offerte der Zuschlagsempfängerinnen erhielt 80 Punkte, d.h. 4/5 des Maximums. Die gültigen Angebote bewegen sich innerhalb einer Preisspanne von 73%, wobei die Preisofferte des Beschwerdeführers einen deutlichen Abstand von 15% zum zweitgünstigsten Angebot aufweist. Der Mittelwert aller Angebote liegt bei Fr. 525'250.-- (= 139%). Im Gegensatz zum hier zu beurteilenden Fall bewegten sich in den erwähnten Präjudizien allerdings alle eingereichten Angebote innerhalb einer Preisspanne von 40%, d.h. innerhalb des für Bau- meisterarbeiten üblichen Rahmens. Die Bewertung mit 0 Punkten erhielt in beiden Fällen nicht das jeweils teuerste eingereichte Ange- bot, sondern ein "fiktives" Höchstangebot, das doppelt so teuer war wie das niedrigste. Vorliegend hat die Vergabebehörde jedoch nicht ein bloss "fiktives", sondern das tatsächlich eingereichte Höchstan- gebot mit 0 Punkten bewertet. Die Vergabestelle hat also die ganze zur Verfügung stehende Bewertungsskala ausgenutzt. Es fällt zudem auf, dass die Preise innerhalb der Bandbreite von 73% relativ gleichmässig verteilt sind; 3 der eingereichten 9 Angebote sind mehr als 50% teurer als das niedrigste des Beschwerdeführers. Das heisst, ein eigentlicher "Ausreisser" nach oben liegt nicht vor. Insofern erscheint die Argumentation des Beschwerdeführers in Bezug auf so- genannte "Schutzangebote", die ohne Willen auf Zuschlag, aber zur Förderung der Position von Mitkonkurrenten abgegeben würden, je- denfalls im vorliegenden Fall nicht begründet. Ein solcher Verdacht wäre allenfalls dann in Erwägung zu ziehen und näher zu prüfen, wenn sich beispielsweise 10 Angebote innerhalb einer Bandbreite von 10 - 30% bewegen und das elfte Angebot als einziges um 70 - 80% teurer ist. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass im vorliegenden Fall die teureren Angebote ohne "Zuschlagswillen" und nur zur Preisverfälschung bzw. Begünstigung von Mitkonkurrenten einge- 2005 Verwaltungsgericht 228 reicht worden sind, also unter den Anbietenden möglicherweise Ab- sprachen stattgefunden haben, bestehen jedenfalls nicht. Auch der Beschwerdeführer macht diesbezüglich lediglich Ausführungen all- gemeiner Natur und äussert keine konkreten Verdachtsmomente. Bei einer Konstellation wie der vorliegenden, bei der sich die einzelnen eingereichten Angebotspreise über die gesamte Bandbreite hinweg relativ gleichmässig verteilen und das Höchstangebot auch nicht als "Ausreisser" im Sinne eines "Schutzangebotes zu Ma- nipulationszwecken" oder als das offensichtliche Ergebnis eines un- richtigen Verständnisses der Aufgabestellung durch den betreffenden Anbieter qualifiziert werden kann, handelt es sich um einen vom Verwaltungsgericht zu respektierenden Ermessensentscheid der Vergabebehörde, wenn diese das effektiv eingereichte teuerste An- gebot mit 0 Punkten bewertet. Die Betrachtungsweise, die noch rea- listische Bandbreite der Offerten bei Baumeisterarbeiten betrage ca. 30 - 40% und Angebote, die darüber liegen würden, seien von vorn- herein nicht mehr seriös (und dürften daher beim Preis keine Punkte mehr erhalten und die Preisbewertung auch nicht beeinflussen), erscheint im Grundsatz zwar sachlich richtig. Letztlich hängen die tatsächlich eingereichten Angebotspreise aber auch vom jeweiligen zu vergebenden Auftrag ab; insofern lässt sich ein rein schematisches und allgemein verbindliches Festlegen einer Praxis, wonach bei Baumeisterarbeiten die "Grenze" für 0 Punkte stets bei einer Preis- differenz von 30 bis maximal 40% liegt, nicht rechtfertigen. Mass- geblich sind vielmehr die konkreten Umstände des jeweiligen Ein- zelfalles. Anhand derer ist zu prüfen, ob es im betreffenden Fall durch die verwendete Preisbewertungsmethode zu einer erheblichen Verschiebung der bekannt gegebenen Gewichtung der Zuschlags- kriterien kommt. Die Vergabestelle war somit entgegen dem Beschwerdeführer nicht verpflichtet, lediglich die drei preisgünstigsten (unter der 30 %- Grenze liegenden) Angebote für die Preisauswertung bzw. den ent- sprechenden Massstab zu berücksichtigen. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die Vergabestelle aus verfahrens- ökonomischen Gründen darauf verzichtet hat, die restlichen (be- 2005 Submissionen 229 treffend Preis an 4. - 9. Stelle liegenden) Angebote auch in Bezug auf die übrigen Zuschlagskriterien im Detail zu bewerten. Damit steht fest, dass die Preisbewertung nicht als rechtsfehler- haft zu beanstanden ist.
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2001 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 245 XI. Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 59 Negativer Kompetenzkonflikt; Zuständigkeit für Beschwerden betreffend Parkplatzersatzabgaben und die Gesuche um vorzeitigen Baubeginn. - Der Entscheid über die Parkplatzersatzabgabe ist keine "andere Abgabeverfügung" im Sinne von § 35 Abs. 2 Satz 1 BauG (Erw. 3 a und b) - Für die Beurteilung der Parkplatzersatzabgaben im Beschwerdever- fahren ist auch nach der Revision des BauG vom 31. August 1999 der Regierungsrat bzw. das Baudepartement zuständig (Erw. 4) - Das Baudepartement bzw. der Regierungsrat entscheiden über Ge- suche um vorzeitigen Baubeginn (§ 65 Abs. 2 BauG) auch in den Fäl- len, in welchen gegen Entscheide über Grundeigentümerbeiträge oder -gebühren Beschwerde bei der Schätzungskommission erhoben wird. Der Schätzungskommission steht das Recht zum Entzug der auf- schiebenden Wirkung zu (Erw. 6 und 7). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 15. März 2001 in Sachen Schätzungskommission nach Baugesetz und Regierungsrat des Kan- tons Aargau Aus den Erwägungen 2. a) Der vorliegende negative Kompetenzkonflikt zwischen der Schätzungskommission und dem Baudepartement entstand aus der Revision der §§ 34 und 35 BauG vom 31. August 1999. Zu prüfen ist daher, ob mit dieser Revision (in Kraft seit 1. Januar 2000 [AGS 1999, S. 387]) die Rechtsmittelzuständigkeit zur Beurteilung der Parkplatzersatzabgaben geändert hat, bzw. wie der Rechtsmittelweg nach dieser Revision ausgestaltet ist. Unter dem Aspekt der Rechts- kraft der Baubewilligung und der Festsetzung der Erschliessungsab- gaben und -gebühren ist andererseits antragsgemäss zu beurteilen, 2001 Verwaltungsgericht 246 welche Instanz für die Erteilung der vorzeitigen Baubewilligung gemäss § 65 Abs. 2 BauG zuständig ist in jenen Fällen, in welchen die Baubewilligung auch die Erschliessungsabgaben im Sinne von §§ 34 f. BauG und die Parkplatzersatzabgaben festsetzt, und nur diese Auflagen und Bedingungen, oder diese zusammen mit andern Bestimmungen der Baubewilligung angefochten werden. b) Die Schätzungskommission ist der Auffassung, dass die kantonale Baugesetzgebung den Rechtsschutz gegen Parkplatzer- satzabgaben nicht regle. Die Schätzungskommission sei seit Inkraft- treten des neuen Baugesetzes nie beschwerdeweise angerufen wor- den, obschon § 148 Abs. 3, 2. Satzteil BauG ihr eine subsidiäre Ge- neralzuständigkeit zuweise. Der Widerspruch zwischen dieser Be- stimmung und § 41 Abs. 1 ABauV habe sich aufgrund der faktischen Vorrangstellung des Baudepartements als erstem Ansprechpartner der Gemeinden in Baugesetzfragen bis heute nicht aktualisiert. Soweit die Parkplatzerstellungspflicht als Teil der Baureife beziehungsweise der Erschliessung zu werten sei, könne sich die Zuständigkeit der Schätzungskommission allenfalls auf den neuen § 35 Abs. 2 BauG stützen. c) Die gegenteilige Auffassung begründet das Baudepartement einerseits unter Hinweis auf § 148 Abs. 3 BauG, anderseits mit dem Argument, wonach Bauten nur auf baureifen Grundstücken im Sinne von § 32 Abs. 1 BauG erstellt werden dürfen. Die Erschliessungsan- lagen müssten nicht nur bis zur Bauparzelle genügen, sondern auch eine genügende parzelleninterne Erschliessung aufweisen. § 55 BauG statuiere die Pflicht zur Erstellung von Abstellplätzen ein- schliesslich der erforderlichen Verkehrsflächen für den Zubringer- dienst. Daraus ergebe sich, dass für eine genügende Erschliessung im Sinne von § 32 Abs. 1 lit. b BauG auch eine genügende Anzahl Ab- stellplätze vorhanden sein müsse. Systematisch gehörten die Abstell- plätze deshalb zu den Erschliessungsanlagen und deren Vorhanden- sein in genügender Anzahl zu den Voraussetzungen der Baureife. Folgerichtig erscheine deshalb, eine Ersatzabgabe im Rahmen der Pflicht zur Erstellung von Abstellplätzen im gleichen Verfahren zu beurteilen wie die andern Erschliessungsabgaben. Zwischen den Abgaben bestehe ein sachlicher Zusammenhang und es sei zweck- 2001 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 247 mässig alle Erschliessungsabgaben im gleichen Verfahren zu behan- deln. Den Erschliessungsabgaben für die öffentliche Kanalisation oder für die Erstellung der Zufahrt bis zum Grundstück würden die gleichen Grundsätze zugrunde liegen wie den Parkplatzersatzabga- ben. Beide Abgaben knüpften an eine zurechenbare Leistung des Gemeinwesens an und es handle sich um Kausal- beziehungsweise Ersatzabgaben, die sich nach dem Verursacherprinzip richteten. 3. a) Nach dem Gesetzeswortlaut von § 35 Abs. 2 BauG in der revidierten Fassung kann gegen den Beitragsplan während der Auf- lagefrist und gegen andere Abgabeverfügungen innert 20 Tagen seit Zustellung beim verfügenden Organ Einsprache erhoben werden (§ 35 Abs. 2 Satz 1). Einspracheentscheide können mit Beschwerde bei der Schätzungskommission, deren Entscheide beim Verwal- tungsgericht angefochten werden können (§ 35 Abs. 2 Satz 2 BauG). Der Begriff "andere Abgabeverfügungen" bezieht sich nach dem systematischen und sachlichen Zusammenhang auf die Einzelverfü- gungen gemäss § 35 Abs. 1 Satz 3 BauG, wonach der Gemeinderat (beziehungsweise bei Gemeindeverbänden der Vorstand) die Bei- tragspflichtigen und deren Beiträge an die Grob- und Feinerschlies- sung anstelle eines Beitragsplanes in Einzelverfügungen bestimmen kann. Soweit keine kantonalen Vorschriften bestehen, beziehungs- weise der Grosse Rat keine präzisierenden und ergänzenden Vor- schriften erlassen hat, können die Gemeinden die Erhebung der Ge- bühren regeln (§ 34 Abs. 3 und 4 BauG). Die Beiträge und Gebüh- ren, die sachlich unter diese Bestimmungen fallen, umschreiben § 34 Abs. 1 und 2 BauG. Die Grundeigentümer können zu Beiträgen an die Kosten der Erstellung und Änderung von Strassen (§ 34 Abs. 1 BauG) und die Erstellung, Änderung und Erneuerung von Anlagen der Versorgung mit Wasser und elektrischer Energie sowie der Ab- wasserbeseitigung (§ 34 Abs. 2 BauG) verpflichtet werden. Überdies verpflichtet § 34 Abs. 2 Satz 2 BauG in der Fassung vom 19. August 1999 die Gemeinden, Gebühren für den Betrieb und den ungedeckten Teil der Kosten zu erheben. Aus dem Wortlaut und dem systema- tischen und sachlichen Zusammenhang der Bestimmungen in den §§ 34 f. BauG lässt sich daher nichts entnehmen, wonach unter dem 2001 Verwaltungsgericht 248 Begriff "andere Abgabeverfügungen" auch die Parkplatzersatzabga- ben zu verstehen sind. b) aa) Für die Auffassung des Baudepartements finden sich auch keine Hinweise in den Materialien zur Revision der §§ 34 f. BauG. In der Botschaft des Regierungsrats vom 16. Dezember 1998 "Baugesetz; Änderung der §§ 34, 35, 88, 166 und 169 (Erschlies- sungsfinanzierung)" (im Folgenden: Botschaft 1998) wird zum Rechtsschutz ausgeführt, dass die Zuständigkeit der Schätzungskom- mission neu für Beschwerden gegen die Elektroabgaben begründet werden soll. Rechtsmittelinstanz für Abgaben und Beiträge an die Elektrischen Anlagen war nach dem bisherigen Recht das Departe- ment des Innern (§§ 105 und 109 GG i.V.m. § 2 Abs. 1 lit. a der Ver- ordnung über die Delegation von Kompetenzen des Regierungsrats [DelV, SAR 153.111] vom 8. November 1982). Eine Ausdehnung der sachlichen und funktionalen Zuständigkeit der Schätzungskommis- sion auf Parkplatzersatzabgaben war nicht vorgesehen (vgl. Vorlage zur Volksabstimmung vom 28. November 1999, S. 2 und Anhang 3). In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass die Zuständigkeit der Schätzungskommission bereits in § 35 Abs. 2 BauG in der ursprünglichen, nicht in Kraft gesetzten Fassung vom 19. Januar 1993, für Beschwerden gegen den Beitragsplan vorgese- hen war. Diese Zuständigkeit war auf Beschwerden gegen den Bei- tragsplan beschränkt, wollte man doch mit dem neuen Baugesetz 1993 die im alten Baugesetz 1971 (§ 32 aBauG) vorgesehene Ver- waltungsbeschwerde durch die Beschwerde an ein unabhängiges (Spezial-)Verwaltungsgericht ersetzen (Botschaft 1 zum Baugesetz 1993, S. 24). Den negativen Kompetenzkonflikt schaffte somit nicht die Zuständigkeitsvorschrift, sondern die Einführung der Einzelver- fügungen, die mit der Revision 1999 ebenfalls dem Rechtsmittelver- fahren (Einsprache- beziehungsweise Beschwerdeverfahren) vor der Schätzungskommission zugewiesen wurden. bb) Die Botschaft 1998 führte zum sachlichen Geltungsbereich der Revision und der Verfügungskompetenz der Gemeinde aus, diese sei bewusst auf Anlagen beschränkt worden, die für die Baureife erforderlich seien (S. 10). Nach der Botschaft sind dies "Strassen, Anlagen der Versorgung mit Wasser und elektrischer Energie sowie 2001 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 249 Abwasseranlagen"; weiter führt die Botschaft aus, dass "Vorschriften über die Finanzierung anderer Einrichtungen wie Gas, Fernwärme, TV, Telefon usw. " in den §§ 34 und 35 nicht enthalten seien, und die neuen Vorschriften des Baugesetzes kommunale Regelungen nicht verhinderten. Die Parkplatzersatzabgaben betreffen Einrichtungen, die das kommunale Recht regelt. cc) Der Begriff "andere Abgabeverfügungen" wird in der Bot- schaft des Regierungsrats vom 9. Juni 1999 (Bericht und Entwurf zur 2. Beratung der Baugesetzänderung [im Folgenden: Botschaft 1999], S. 5) als Stilbruch qualifiziert. Diese Umschreibung sei aber bewusst deshalb gewählt worden, um sicher zu gehen, dass im Falle der Ab- lösung der (altrechtlichen) Anschlussgebühren auch diese Abgaben übergangsrechtlich abgedeckt seien. Ausserdem wolle man der Ge- fahr vorbeugen, dass das Verwaltungsgericht bei der Verwendung des Begriffes "Gebühren" zum Schlusse kommen könnte, die Erhebung von Anschlussgebühren seien nicht geregelt. Überdies seien Bei- träge, welche durch Einzelverfügungen auferlegt werden, keine Ge- bühren (Botschaft 1999, S. 5 f.). Die Begriffsbildung stammt aus dem Mitbericht des Rechtsdienstes des Regierungsrats vom 3. Dezember 1998. Der Rechtsdienst schlug zum Vorentwurf vor, dass der ursprüngliche verwendete Begriff "andere Erschliessungs- abgaben" sprachlogisch durch "gegen andere Verfügungen betreffend Erschliessungsabgaben", oder wörtlich: "da schon aus dem Zusam- menhang hervorgeht, dass die Verfügungen Erschliessungsabgaben betreffen, kürzer, gegen andere Abgabeverfügungen" ersetzt werde (Mitbericht, S. 3). Im Gesetzesentwurf vom 11. Dezember 1998 wurde diese gekürzte Version aufgenommen. Jedenfalls steht fest, dass ein Bezug zu den Parkplatzersatzab- gaben bei der Begriffsbildung nicht erkannt wurde, und deren Einbe- zug in die Revision vom Gesetzgeber nicht gewollt war. In der bera- tenden Kommission und im Grossen Rat wurde die geltende Formu- lierung einstimmig gutgeheissen und ohne Diskussion genehmigt (Protokoll der nicht ständigen Kommission Nr. 16 "Baugesetz", Än- derungen der §§ 34, 35, 88, 166 und 169 [Erschliessungsfinanzie- rung], 3. Sitzung vom 10. August 1999, S. 13; Protokoll des Grossen Rats vom 31. August 1999 [Art. 1371], S. 2062). 2001 Verwaltungsgericht 250 dd) Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Ge- setzgeber unter dem Begriff "andere Abgabeverfügungen" nicht an die Parkplatzersatzabgaben dachte, was insofern verständlich er- scheint, als die Revision der §§ 34 f. BauG nur die Anlagen der Grob- und Feinerschliessung einschliesslich der Basiserschliessung zum Gegenstand hatte (Botschaft 1998, S. 13; Botschaft 1999, S. 3). c) Die Begriffe Grob- und Feinerschliessung sind bundesrecht- liche Umschreibungen der Erschliessungsanlagen. Gemäss Art. 19 Abs. 1 RPG ist Land erschlossen, wenn die für die betreffende Nut- zung hinreichende Zufahrt besteht und die erforderlichen Wasser-, Energie- sowie Abwasserleitungen so nahe heranführen, dass ein Anschluss ohne erheblichen Aufwand möglich ist. Der Begriff der Erschliessung ist vom Bundesrecht abschliessend definiert; die Kantone dürfen den Begriff nicht verschieden definieren (André Jomini in: Heinz Aemisegger/Alfred Kuttler/Pierre Moor/Alexander Ruch [Hrsg.], Kommentar zum Bundesgesetz über die Raumplanung, Zürich 1999, Art. 19 N 10). Art. 4 Abs. 1 WEG definiert den Begriff der Groberschliessung als "Versorgung eines zu überbauenden Ge- biets mit den Hauptsträngen der Erschliessungsanlagen, namentlich Wasser-, Energieversorgungs- und Abwasserleitungen sowie Strassen und Wege, die unmittelbar dem zu erschliessenden Gebiet dienen". Art. 4 Abs. 2 WEG definiert die Feinerschliessung als den Anschluss der einzelnen Grundstücke an die Hauptstränge. Beide Gesetze er- wähnen die Parkplätze nicht als Bestandteile einer Erschliessung (vgl. auch Walter Haller/Peter Karlen, Raumplanungs-, Bau- und Umweltrecht, Band I, 3. Auflage, Zürich 1999, Rz. 576 ff.; Erich Zimmerlin; Baugesetz des Kantons Aargau, Kommentar, 2. Auflage, Aarau 1985, § 156 N 8a). Damit bestehen auch aus dem Wortlaut "Grob- und Feinerschliessung" keine Anhaltspunkte für einen Mit- einbezug der Parkplatzersatzabgabe unter die Beitragspflicht gemäss § 35 BauG. Abstellplätze gehören nach dem Sinn und Wortlaut dieser Definitionen klar nicht zu den Erschliessungsanlagen. d) Weder aus dem Wortlaut, noch aus der gesetzlichen Syste- matik und Entstehungsgeschichte ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass mit der Revision des Baugesetzes von 1999 die Zuständigkeit 2001 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 251 für das erstinstanzliche Rechtsmittelverfahren bei Streitigkeiten über die Parkplatzersatzabgaben geändert wurde. 4. a) Baureif ist ein Grundstück, wenn es nach Lage, Form und Beschaffenheit für die Überbauung geeignet und erschlossen ist (vgl. den dritten Teil des Baugesetzes "Baureife und Erschliessung"; § 32 Abs. 1 BauG). Erschlossen ist ein Grundstück, wenn eine Zufahrt oder ein Zugang, die dem Zweck der Baute genügen, und die nötigen Anlagen für Trinkwasser, Löschwasser- sowie Energieversorgung und für die Abwasserbeseitigung vorhanden sind oder mit dem Ge- bäude erstellt werden (Art. 32 Abs. 1 lit. b BauG und Art. 19 Abs. 1 RPG). Das Erfordernis der genügenden strassenmässigen Erschlies- sung soll den Anschluss an das öffentliche Strassennetz unter ver- kehrs-, feuer-, sicherheits- und gesundheitspolizeilichen sowie raum- planerischen Gesichtspunkten sicherstellen und bezieht sich auf die gesamte Wegstrecke mit Feinerschliessungsfunktion (Erläuterungen zum Bundesgesetz über die Raumplanung, Bern 1981, Art. 19 N 12; Erich Zimmerlin, a.a.O., § 156 N 8a, AGVE 1990, S. 249 ff. mit Hinweisen). Die Erschliessung der Bauzonen obliegt den Gemeinden (§ 33 BauG) und kann von den Grundeigentümern vorfinanziert und durchgeführt werden, wenn ein Sondernutzungsplan vorliegt. Private Erschliessungsanlagen sind von der Gemeinde grundsätzlich zu übernehmen (§ 37 BauG). Die Baureife knüpft sachlich an ein Grundstück (§ 32 Abs. 1 Satz BauG; Art. 4 Abs. 2 WEG), das "Land" (vgl. Art. 19 Abs. 1 RPG) oder das "Gebiet" (vgl. Art. 4 Abs. 1 WEG) an. Die Erschliessung ist - nebst den Voraussetzungen in § 32 Abs. 1 lit. a BauG - eine Voraussetzung der Überbaubarkeit von Bauland, aber keine Voraussetzung an ein konkretes Bauvorhaben. Unter Zufahrt ist die Strassenverbindung zwischen dem Bau- grundstück und dem öffentlichen Strassennetz zu verstehen (vgl. zum bundesrechtlichen Begriff der Zufahrt in Art. 19 RPG: Erläuterungen zum RPG, herausgegeben vom eidg. Justiz- und Polizeidepartement, Abteilung Raumplanung, Bern 1981, Art. 19 N 12 - 14; und die Ver- wendung dieses Begriffs in § 113 BauG; AGVE 1990, S. 248 mit Hinweisen), weitere parzelleninterne Anlagen, insbesondere Park- plätze, fallen nicht darunter. Dass die Parkplatzerstellungspflicht auch nicht Teil der ausnahmsweise ausreichenden Erschliessung 2001 Verwaltungsgericht 252 durch einen "Zugang" ist, bedarf keiner eingehenden Begründung (vgl. Erich Zimmerlin, a.a.O., § 156 N 8c). Die Revision von 1999 beschränkte sich - wie oben ausgeführt (vgl. vorne Erw. 3) - auf die Regelung der Erschliessung der Bauzonen im öffentlichen Aufga- benbereich. § 32 BauG und der Rechtsgehalt der Baureife blieben in der Revision von 1999 unverändert. b) Die Parkplatzerstellungspflicht und die Pflicht zur Schaffung der erforderlichen Verkehrsflächen für den Zubringerdienst gemäss § 55 BauG sind demgegenüber Grundanforderungen an Bauvor- haben. Sie sind systematisch im vierten Teil "Nutzungs- , Bau- und Schutzvorschriften" des Baugesetzes eingeordnet. Die Beschaffen- heit der Bauvorhaben, nicht des Grundstücks, ist Gegenstand dieser Regelungen. Die Erfüllung der Parkplatzerstellungspflicht ist eine Voraussetzung für die Erteilung einer Baubewilligung. Grundlage für die Bestimmung der erforderlichen Anzahl Parkplätze sind die pro- jektierten Bauten und Anlagen, beziehungsweise die Umgestaltung, Erweiterung oder Zweckänderung bestehender Bauten, nicht die rechtliche und tatsächliche Qualität des Baugrundstückes (§ 56 Abs. 1 Satz 2 BauG und §§ 25 f. ABauV). Vorrang bei der Parkplatz- erstellungspflicht hat die Realerfüllung. Lediglich in Ausnahmefällen kann oder muss die Pflicht durch Leistung von Ersatzabgaben abge- löst werden. Die Ersatzabgabe für Parkplätze ist damit eine Folge- koste eines Bauvorhabens, die anfällt, weil der Bauwillige die von seinem Bauvorhaben ausgelöste Parkplatzerstellungspflicht aus irgend einem Grund nicht real erfüllt. Die Abgeltung von Leistungen des Gemeinwesens ist sodann nicht Voraussetzung der Ersatzabgabe, und sie verhindert auch keine polizeiwidrigen Verhältnisse. Dies folgt schon daraus, dass die Abgabepflicht entfällt, wenn die Erstel- lung von Parkplätzen untersagt ist, und keine öffentlichen Parkie- rungsanlagen in nützlicher Distanz vorhanden sind (§ 58 Abs. 2 BauG). Diese Ersatzabgaben sind demgemäss weder nach dem Geset- zeswortlaut, noch der gesetzlichen Systematik, noch der Sache nach ein Teilgehalt der Baureife im Sinne von § 32 Abs. 1 BauG. c) Die Parkplatzersatzabgaben sind Folge der Nichterfüllung der Parkplatzerstellungspflicht, weshalb ihre Beurteilung und Be- 2001 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 253 messung regelmässig vorfrageweise die Erstellungspflicht zu beur- teilen hat. Unbestrittenermassen wird die reale Erfüllung der Park- platzerstellungspflicht im Rechtsmittelverfahren durch das Baude- partement beurteilt. Dass in den Ersatzabgabefällen die Schätzungs- kommission vorfrageweise die Pflicht und die Anspruchsgrundlagen selbstständig beurteilt, ist einer einheitlichen Rechtsanwendung von § 55 ff. BauG weniger dienlich als allfällige Abweichungen bei der Anwendung allgemeiner Grundsätze. In der Hauptsache ist daher für die Beurteilung der Parkplatzersatzabgaben die Zuständigkeit des Baudepartements im Beschwerdeverfahren nach § 46 VRPG und § 41 ABauV auch nach der Revision des BauG 1999 gegeben. d) § 148 Abs. 3 BauG sieht eine subsidiäre Zuständigkeit der Schätzungskommission in den Verfahren nach Baugesetz vor. Diese Zuständigkeitsnorm anerkennt andere Zuständigkeiten unabhängig davon, auf welcher Stufe die Regelung erfolgt. Es kann daher offen bleiben, ob sich diese Zuständigkeitsregel auf Grund der Gesetzessy- stematik nur auf den 9. Teil (Enteignung) des Baugesetzes bezieht, oder weitere "Streitigkeiten" erfasst. 5. Die gesetzliche Zuständigkeitsordnung hat für die Abgaben und Gebühren gemäss § 34 ff. BauG, welche als Auflagen oder Be- dingungen einer Baubewilligung verfügt werden, zur Folge, dass die Schätzungskommission nach dem Einspracheverfahren Beschwer- deinstanz ist. Die Rechtsmittelbelehrung in der Baubewilligung hat für diese Auflagen und Bedingungen auf die Einsprache gemäss § 35 Abs. 2 BauG und für die übrigen Bestimmungen auf die Beschwerde an das Baudepartement gemäss § 41 ABauV hinzuweisen. 6. a) Nach § 65 Abs. 2 BauG kann die Beschwerdebehörde im Baubewilligungsverfahren den Baubeginn ganz oder teilweise be- willigen, sofern dadurch ihre Entscheidungsfreiheit nicht beeinträch- tigt wird. Die Bestimmung entspricht im Wesentlichen dem Grund- satz der aufschiebenden Wirkung von Beschwerden (§ 44 Abs. 1 VRPG) und dem in § 44 Abs. 2 Satz 2 VRPG der Beschwerdeinstanz zustehenden Möglichkeit, die aufschiebende Wirkung einer Be- schwerde zu entziehen (vgl. AGVE 1996, S. 396 f. mit Hinweisen). b) Der Schätzungskommission steht das Recht zum Entzug der aufschiebenden Wirkung gemäss § 44 Abs. 2 VRPG zu. Sie ist keine 2001 Verwaltungsgericht 254 Beschwerdeinstanz im Baubewilligungsverfahren, weshalb sie keine Bewilligungen nach § 65 Abs. 2 BauG erteilen kann. c) Mit der Revision vom 31. August 1999 wurde die Einspra- chemöglichkeit gegen den Beitragsplan und die Verfügungen über Erschliessungsabgaben als neues Element in das Rechtsschutzverfah- ren nach Baugesetz eingeführt (§ 35 Abs. 2 Satz 1 BauG). Dies auf- grund der Erfahrungen mit dem Einspracheverfahren in andern Sachbereichen, wie z.B. im Landumlegungsverfahren (Botschaft 1998, S. 12). Diese Einsprache ist ein Rechtsmittel, welches von der anordnenden Behörde entschieden wird (§ 4 Abs. 2 BauG). Andere oder ergänzende Verfahrensvorschriften finden sich weder in der ABauV noch im VRPG. Aus den gesetzlichen Bestimmungen folgt, dass der Gemeinderat als Einspracheinstanz keinen vorzeitigen Bau- beginn im Sinne von § 65 Abs. 2 BauG bewilligen kann. Auch ein nachträglicher Entzug der aufschiebenden Wirkung liegt nicht in seiner Kompetenz (§ 44 Abs. 2 VRPG). Eine solche Bestimmung oder die analoge Anwendung dieser Bestimmungen auf das Einspra- cheverfahren vor dem Gemeinderat ist indessen nicht erforderlich. Die Einsprache verschafft dem Rechtssuchenden einen Anspruch auf Überprüfung der Verfügung. Die angefochtene Verfügung fällt dahin und der Gemeinderat hat über die Erschliessungsabgaben neu zu ent- scheiden. Der Rechtsschutz ist sichergestellt und die Kognition des Gemeinderats als Einspracheinstanz ist umfassend. Letztere schliesst sämtliche Anordnungen und Auflagen, die materiell (sachlich), funk- tional, oder verfahrensrechtlich zum Beitragsplan und den "andern Abgabeverfügungen" gehören, ein. In dieser Überprüfungsbefugnis eingeschlossen sind die Anordnungen über die Fälligkeit der Er- schliessungsabgaben entsprechend den kommunalen oder kantonalen Reglementen. Will der Gemeinderat die Zahlung oder die Sicherstel- lung der Erschliessungsabgaben oder -gebühren an den Baubeginn knüpfen, beziehungsweise aus der Sicht des betroffenen Bauge- suchsstellers, den Baubeginn von der Bezahlung der Abgaben und Gebühren abhängig machen, kann und muss er dies im Einspra- cheentscheid neu verfügen. Ausgeschlossen sind der vorsorgliche Entzug der aufschiebenden Wirkung der Einsprache (§ 44 Abs. 2 VRPG) oder andere vorsorgliche Massnahmen. Der Entscheid über 2001 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 255 die Fälligkeit der Abgaben hat im Einspracheentscheid zu ergehen, wobei im Einspracheentscheid die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde an die Schätzungskommission entzogen werden kann, sofern wichtige Gründe vorliegen (§ 44 Abs. 1 VRPG). d) Die Spaltung der Rechtmittelverfahren schafft auch mit Be- zug auf die Möglichkeit des vorzeitigen Baubeginns unterschiedliche Zuständigkeiten je nach den erhobenen Rechtsmitteln und Anord- nungen mit Bezug auf die Rechtskraft der Baubewilligung, Baube- ginn und Fälligkeit der Abgaben. Einerseits kann die Erhebung von Abgaben in der Baubewilligung als Nebenbestimmungen enthalten sein. Anderseits ist es möglich, dass separate Verfügungen erlassen werden, die entsprechende Nebenbestimmungen enthalten. Es lassen sich für die Praxis allgemein folgende Fälle unterscheiden: aa) Die Baubewilligung wird nur mit Bezug auf die mit ihr ver- fügten Erschliessungsabgaben im Sinne von §§ 34 ff. BauG ange- fochten: Zuständig ist vorerst der Gemeinderat im Einspracheverfah- ren. Ein vorzeitiger Baubeginn oder ein vorsorglicher Entzug der aufschiebenden Wirkung während des Einspracheverfahrens sind ausgeschlossen (vgl. vorne Erw. c). Der Gemeinderat kann im Ein- spracheentscheid entweder die Fälligkeitsbestimmung für die Abga- ben ändern, oder deren Sicherstellung verlangen, wenn das kommu- nale Erschliessungsreglement diese Möglichkeit vorsieht (vgl. § 6 des Ersatzabgabereglements Baden; AGVE 1996, S. 398). Wird der Einspracheentscheid bei der Schätzungskommission angefochten, kann diese der Beschwerde die aufschiebende Wirkung entziehen, bzw. eine im Einspracheentscheid entzogene Suspensivwirkung wie- der erteilen (§ 44 Abs. 2 VRPG). bb) Die Anfechtung einer Baubewilligung umfasst die verfügten Abgaben und Gebühren nicht, sondern nur andere Teile ein- schliesslich der Parkplatzerstellungsersatzabgabe: Zuständige Be- schwerdeinstanz ist das Baudepartement, welches nach § 65 Abs. 2 BauG den vorzeitigen Baubeginn bewilligen kann. cc) Gegen die Baubewilligung wird eine Einsprache gemäss § 35 Abs. 2 BauG und eine Beschwerde gemäss § 41 ABauV einge- reicht: Für den vorzeitigen Baubeginn gemäss § 65 Abs. 2 BauG ist das Baudepartement ausschliesslich zuständig. Der vorzeitige Bau- 2001 Verwaltungsgericht 256 beginn setzt sowohl die Rechtskraft der Verfügungsteile über die Erschliessungsabgaben, als auch die Bewilligung des Baudeparte- ments gemäss § 65 Abs. 2 BauG voraus. Wird eine solche Bewilli- gung erteilt, bevor der Gemeinderat über die Einsprache entschieden hat, ist die Baubewilligung nicht rechtskräftig und mit dem Bauvor- haben darf vor der Rechtskraft des Einspracheentscheids nicht be- gonnen werden. Wurde oder wird im Zeitpunkt, in welchem der vor- zeitige Baubeginn vom Baudepartement bewilligt wurde, eine Beschwerde gegen den Einspracheentscheid des Gemeinderats be- treffend Erschliessungsabgaben eingereicht, hat die Schätzungskom- mission auf Gesuch über die aufschiebende Wirkung der ("Erschlies- sungs-")Beschwerde zu entscheiden. Eine Koordination dieser Ent- scheide (zum Beispiel durch entsprechende Vorbehalte) und Abspra- che zwischen Schätzungskommission und Gemeinderat sowie Bau- departement ist nicht nur zweckmässig, sondern im Interesse der Verfahrensbeteiligten geboten. dd) Die theoretisch möglichen, in der Praxis aber kaum auftre- tenden Fälle, in welchen die Erschliessungsabgaben und -gebühren in der Baubewilligung verfügt werden, deren Fälligkeit und/oder Rechtskraft aber nicht mit dem Baubeginn oder der Rechtskraft der Baubewilligung gekoppelt sind, oder die Baubewilligung besondere Rechtskraftbestimmungen enthält, sind für den Zuständigkeitskon- flikt beim vorzeitigen Baubeginn ohne praktische Bedeutung und können nach den dargestellten Grundsätzen gelöst werden. ee) Werden Erschliessungsabgaben in einer separaten Verfü- gung festgesetzt gelten für das Rechtsmittelverfahren die Zuständig- keitsregeln von § 35 BauG (vgl. vorne Erw. c). 7. Der Schätzungskommission und dem Baudepartement ist zu- zustimmen, dass diese Rechtswegspaltung - und die im Ergebnis doppelte Zuständigkeit für einen sofortigen Baubeginn - nicht pro- zessökonomisch ist und auch nicht als besonders bürgerfreundlich bezeichnet werden kann. Sie ist aber in Kauf zu nehmen, wenn mit einer behördlich angeordneten Koppelung die Zahlung oder Sicher- stellung von Erschliessungsabgaben und -gebühren mit dem Baube- ginn bewirkt werden und der Rechtsschutz nach dem Baugesetz ge- wahrt bleiben soll. Der Rechtschutzanspruch des Bürgers bei Abga- 2001 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 257 ben- und Gebührenverfügungen und beim Beitragsplan ist vom Ge- setz der Schätzungskommission, einer richterlichen Instanz, anver- traut. Sie ist mit umfassender Kognition zur Beurteilung aller Rechts- und Tatfragen in diesem Sachzusammenhang zuständig. Damit fallen auch Vorfragen, Verfahrensfragen, Zwischenentscheide, vorsorgliche Massnahmen und die Anordnungen über die aufschiebende Wirkung in ihre alleinige Zuständigkeit, soweit diese in der Hauptsache reicht. Anderseits sind nach dem Baugesetz alle kommunalen Baubewilli- gungen, die in Anwendung von Vorschriften des Baugesetzes erge- hen und nicht einer besonderen Instanz zugewiesen sind, vorerst einer Rechts- und Ermessenskontrolle im Verwaltungsverfahren un- terstellt. Die Verschiebung der Rechtsmittelkompetenzen und Zustän- digkeiten je nach dem, ob eine Verfügung Anordnungen aus ver- schiedenen Sachgebieten verbindet, oder die Betroffenen eine Verfü- gung in einzelnen oder mehreren Punkte aus unterschiedlichen sach- lichen Zuständigkeitsbereichen anfechten, ist mit dem Rechtsschutz- anspruch und dem Interesse an einer einheitlichen Rechtsanwendung nicht vereinbar. Zu erwähnen sind z.B. die Möglichkeiten, dass eine Baueinsprache und die anschliessende Beschwerde eines Einspre- chers statt den Parkplatzersatzabgaben die reale Erstellung beantragt oder umgekehrt. Die Zuständigkeit einer Rechtsmittelinstanz von Zufälligkeiten oder vom Willen der Verfahrensbeteiligten und Be- hörden abhängig zu machen, ist mit dem Baugesetz schwer verträg- lich und widerspricht vor allem dem Grundsatz der Rechtssicherheit, dem besonders im Verfahrensrecht ein hoher Stellenwert zukommt. Abschliessend sei erwähnt, dass es auch sachlich Sinn macht, wenn die Schätzungskommission die Entscheide im Sachzusammenhang mit den Erschliessungsabgaben und -gebühren gemäss § 34 BauG fällt, während das Baudepartement über die Parkplatzerstellungs- pflicht inklusive den entsprechenden Ersatzabgaben und den vorzei- tigen Baubeginn entscheidet.
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2001 Verwaltungsgericht 208 [...] 50 Interkantonales Steuerrecht. Erbschaftssteuer. - Interkantonale Ausscheidung, insbesondere Behandlung der Reparti- tionswerte der Liegenschaften. - Die Regeln der interkantonalen Ausscheidung können keine höhere als die nach kantonalem Recht zulässige Besteuerung rechtfertigen. Schlechterstellungsverbot. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 25. Juli 2001 in Sachen KStA gegen Entscheid des Steuerrekursgerichts (betreffend D.W.). Sachverhalt Der Veranlagung von D.W. zur Erbschaftssteuer lag folgende Berechnung zugrunde (die Zahlen sind fiktiv): Kt. ZH Kt AG Gesamt Liegenschaften (Repartitionswerte) 700'000 15'000'000 15'700'000 Andere Vermögenswerte 8'300'000 8'300'000 Aktiven total 9'000'000 15'000'000 24'000'000 Total der Aktiven in % 37,5% 62,5% 100% Schulden (nach Lage der Aktiven) 300'000 500'000 800'000 Subtotal 8'700'000 14'500'000 23'200'000 Differenz Repartitions- / Vermögenssteuerwert 5'200'000 Reinvermögen 18'000'000 Freibetrag Kt. AG 50'000 2001 Kantonales Steuerrecht 209 Steuerpflichtiger Vermögensanfall 17'950'000 Aktiven in % 37,5% 62,5% 100% Steuerpflichtiger Vermögensanfall 7'031'250 11'718'750 17'950'000 Die Steuerpflichtige beantragte demgegenüber die Veranlagung nach folgender Berechnung: Kt. ZH Kt AG Gesamt Liegenschaften (Repartitionswerte) 700'000 15'000'000 15'700'000 Andere Vermögenswerte 8'300'000 8'300'000 Aktiven total 9'000'000 15'000'000 24'000'000 Total der Aktiven in % 37,5% 62,5% 100% Schulden (nach Lage der Aktiven) 300'000 500'000 800'000 Subtotal 8'700'000 14'500'000 23'200'000 Differenz Repartitions- / Vermögenssteuerwert 200'000 5'000'000 5'200'000 Reinvermögen 8'500'000 9'500'000 18'000'000 Reinvermögen in % 47,22% 52,78% 100% Freibetrag Kt. AG 23'610 26'390 50'000 Steuerpflichtiger Vermögensanfall 8'476'390 9'473'610 17'950'000 Aus den Erwägungen 1. a) Nach den Regeln über die interkantonale Steuerausschei- dung bei Erbschaften und Schenkungen ist der Erbanfall am letzten Wohnsitz des Erblassers steuerbar, mit Ausnahme des unbeweglichen Vermögens, das am Ort der gelegenen Sache zu besteuern ist (Ernst Höhn/Peter Mäusli, Interkantonales Steuerrecht, 4. Aufl., 2001 Verwaltungsgericht 210 Bern/Stuttgart/Wien 2000, § 17 Rz. 13, 15, § 24 Rz. 1; Peter Locher, Einführung in das interkantonale Steuerrecht, Bern 1999, S. 91 ff., 138; Urs Ursprung, in: Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, Muri/BE 1991, § 86 N 1 f.; vgl. § 86 Abs. 1 und 2 StG). Ist eine Steuerausscheidung zwischen dem Kanton des letzten Wohnsitzes des Erblassers und dem (oder den) Belegenheitskanton(en) vor- zunehmen, sind die Schulden proportional zur Lage der Aktiven zu verlegen (BGE in StE 1998, A 24.42.4 Nr. 1, mit Hinweisen; Höhn/Mäusli, a.a.O., § 24 Rz. 1, § 19 Rz. 11; Locher, a.a.O., S. 138, 98; Ursprung, a.a.O., § 86 N 6a); danach können die Kantone den auf sie entfallenden Anteil am reinen Nachlassvermögen besteuern (BGE in ASA 41/1972-73, S. 347 f.). Die für die Schuldenverlegung not- wendige Bewertung der Aktiven muss zwar nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht zwingend nach einem einheitlichen Bewertungsmassstab erfolgen, doch muss jeder Kanton zumindest seine Bewertungsregeln bei den innerkantonalen und den ausser- kantonalen Vermögenswerten in gleicher Weise anwenden (StE 1998, A 24.42.4 Nr. 1; Höhn/Mäusli, a.a.O., § 19 Rz. 16 ff., mit Kritik Rz. 18; Locher, a.a.O., S. 98). Für die Bewertung von Grundstücken zum Zweck der interkantonalen Steuerausscheidung werden die sog. Repartitionswerte verwendet (im vorliegenden Fall gemäss dem Kreisschreiben der EStV vom 3. Februar 1993 "Regeln für die Bewertung der Grundstücke in der Veranlagungsperiode 1993/94", publiziert in ASA 61/1992-93, S. 759 ff.). b) Nach kantonalem Recht wird das Vermögen nach den Vor- schriften der Vermögenssteuer bewertet (§ 87 Abs. 1 StG), was sich namentlich bei überbauten Grundstücken, wenn die Grundstück- schätzung unter dem Verkehrswert bleibt, zugunsten der Steuer- pflichtigen auswirkt (vgl. Ursprung, a.a.O., § 87 N 1). Es ist unbestritten, dass der in die Erbsteuerberechnung einbe- zogene Wert der aargauischen Grundstücke (Fr. 10'000'000.--) der obigen Bewertungsregel (Vermögenssteuerwert) entspricht. Aus dem Umstand, dass der Repartitionswert für nichtlandwirtschaftliche Grundstücke im Kanton Aargau auf 150 % festgesetzt wurde (vgl. ASA 61, S. 761), lässt sich vermuten, dass der Vermögenssteuerwert auch hier klar unter dem Verkehrswert lag. 2001 Kantonales Steuerrecht 211 2. a) Die kantonalen Steuerbehörden haben auch bei interkanto- nalen Verhältnissen zunächst das kantonale Steuerrecht anzuwenden. Die Regeln des interkantonalen Steuerrechts setzen dem gegebenen- falls Schranken und erzwingen Abänderungen zugunsten der Steuer- pflichtigen. Die interkantonale Steuerausscheidung kann aber nie dazu führen, dass ein Steuerpflichtiger in einem Kanton mehr zu ver- steuern oder höhere Steuern zu entrichten hätte, als das dortige kan- tonale Steuerrecht vorsieht (BGE 80 I 11; Höhn/Mäusli, a.a.O., § 3 Rz. 19 f., 24; Locher, a.a.O., S. 29). b) Die aargauischen Liegenschaften als der aargauischen Steu- erhoheit unterliegendes Steuersubstrat können nach dem kantonalen Recht nur in Höhe des Vermögenssteuerwerts mit der Erbschafts- steuer erfasst werden (§ 87 Abs. 1 StG). Unter Berücksichtigung der anteilsmässigen Schulden (deren Berechnung und Verlegung mittels der Repartitionswerte nicht streitig ist) und des anteiligen Freibetrags (§ 89 Abs. 1 StG; vgl. dazu Ursprung, a.a.O., § 86 N 5d) ergibt sich in vereinfachter Darstellung folgende Rechnung: kantonal massgeblicher Wert der aarg. Aktiven Fr. 10'000'000 ./. interkantonal zu übernehmender Schuldenanteil Fr. 500'000 ./. Anteil Freibetrag Fr. 26'390 Fr. 9'473'610 Die vom KStA befürwortete Berechnungsweise liefe darauf hinaus, dass der Kanton Aargau die Erbschaftssteuer auf einem Be- trag von Fr. 11'718'750.-- (62,5 % von Fr. 18'750'000.--) erhebt. Dies ist mehr als der nach § 87 Abs. 1 StG festgesetzte Wert der im Kan- ton steuerbaren Aktiven und ist offenkundig mit dem kantonalen Recht nicht vereinbar. Wenn, wie das KStA zutreffend ausführt, der Kanton Aargau die Liegenschaften zum Vorteil der Steuerpflichtigen vorsichtig schätzt, so muss er diesen Vorteil nicht nur den Steuer- pflichtigen mit rein innerkantonalen Beziehungen zukommen lassen, sondern auch denjenigen in interkantonalen Verhältnissen (und zwar zu eigenen Lasten; er kann diese "Vorteilsgewährung" nicht - gestützt auf die quotenmässige Aufteilung im interkantonalen Erbschaftssteu- errecht - auf die mitbeteiligten Kantone mit realistischerer Verkehrs- 2001 Verwaltungsgericht 212 wertschätzung abwälzen). Andernfalls verstösst er gegen das Schlechterstellungsverbot, wonach die Kantone diejenigen Steuer- pflichtigen, die nur für einen Teil des Vermögens oder Einkommens steuerpflichtig sind, aus diesem Grund nicht anders und stärker be- lasten dürfen als die ausschliesslich im Kanton steuerpflichtigen Personen (vgl. Art. 127 Abs. 3 BV; BGE 121 I 261 mit Hinweisen; Höhn/Mäusli, a.a.O., § 4 Rz. 17 f.; vgl. auch Locher, a.a.O., S. 40). Dass der Kanton Aargau ohne Verstoss gegen die verfassungsrechtli- chen Vorgaben die Erbschaftssteuer nach Massgabe der Verkehrs- werte erheben dürfte, wie das KStA geltend macht, ist in diesem Zu- sammenhang ohne Bedeutung.
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2004 Kantonale Steuern 133 34 Geschäftsmässig nicht begründete Aufwendungen (verdeckte Gewinnausschüttung). - Grundsätze der Beurteilung der geschäftsmässigen Begründetheit (Erw. 2/a,b). - Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung (Erw. 2/c). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 25. August 2004 in Sachen M. AG gegen Steuerrekursgericht. Aus den Erwägungen 2. a) Steuerlich anerkannt sind nur die geschäftsmässig begrün- deten Aufwendungen. Sie finden sich im Gesetz nicht definiert. Hin- gegen hält § 8 VAStG in beispielhafter Aufzählung fest, was als offene oder verdeckte Gewinnausschüttung bzw. geschäftsmässig nicht begründete Aufwendung zur Aufrechnung gelangt. Die ge- schäftsmässige Begründetheit eines Aufwands ist im Einzelfall, unter Würdigung der gesamten Umstände, zu ermitteln. Generell ist nur jener Aufwand abzugsfähig, welcher dem geschäftlichen Zweck des Unternehmens zu dienen vermag. Zwischen Aufwendung und Ge- schäftsbetrieb hat ein objektiver, sachlicher (Kausal-) Zusammen- hang zu bestehen. Ob die Aufwendungen im konkreten Fall wirklich notwendig bzw. von wirtschaftlichem Nutzen waren, ist dagegen nicht entscheidend. Es geht nicht darum, die Zweckmässigkeit und Angemessenheit geschäftlicher Ausgaben zu überprüfen und ungünstige geschäftliche Dispositionen steuerlich zu "sanktionieren". Die Steuerbehörde darf bei ihrer Beurteilung nicht in die unter- nehmerische Entscheidungsfreiheit eingreifen und ihr eigenes Er- messen an die Stelle desjenigen der Geschäftsführung stellen (StE 2003, B 72.14.2 Nr. 31; AGVE 1978, S. 351; VGE II/48 vom 2. Juli 2003 [BE.2002.00277] in Sachen D. AG, S. 5; Urs Mühle- bach/Heini Bürgi, Kommentar zum aargauischen Aktiensteuergesetz, Brugg 1982, § 10 N 32.7; Philip Funk, in: Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, Band 1, 2. Auflage, Muri/Bern 2004, § 36 N 5; Peter Brülisauer/Stephan Kuhn, in: Kommentar zum schweizerischen 2004 Verwaltungsgericht 134 Steuerrecht, Bd. I/2a [DBG], Basel/Genf/München 2000, Art. 58 N 55 ff., je mit Hinweisen). b) Eine Aufwendung ist nicht geschäftsmässig begründet, son- dern als sog. verdeckte Gewinnausschüttung zu qualifizieren, wenn eine Leistung ausgerichtet wird, der keine oder keine angemessene Gegenleistung gegenübersteht, mit der Leistung ein Anteilsinhaber (oder eine ihm nahestehende Person) begünstigt wird und das Miss- verhältnis von Leistung und Gegenleistung für die handelnden Or- gane erkennbar war (erwähnter VGE vom 2. Juli 2003, S. 5 f.; StE 2002, B 24.4 Nr. 64; Brülisauer/Kuhn, a.a.O., Art. 58 N 104; Mühlebach/Bürgi, a.a.O., § 10 N 32.6, je mit Hinweisen). Unter diesen Voraussetzungen ist davon auszugehen, dass die Begünsti- gung beabsichtigt war. Der Gewinn wird diesfalls nicht bei der Gesellschaft ausgewiesen, wo er erwirtschaftet wurde, sondern bei der mit dieser verbundenen oder ihr nahestehenden Person. Der Grund der Zuwendung findet sich im gesellschaftsrechtlichen Beteiligungsverhältnis. Sie ist verdeckt, weil sie hinter einer schuldrechtlichen Vereinbarung versteckt wird (Brülisauer/Kuhn, a.a.O., Art. 58 N 103). c) Stehen den fraglichen Leistungen der steuerpflichtigen Ge- sellschaft bestimmte Verpflichtungen des Empfängers gegenüber, liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung nur vor, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein wesentliches, offensichtliches Miss- verhältnis besteht; eine bloss geringfügige Differenz genügt nicht. Die Frage der (Un-)Angemessenheit von Leistung und Gegenleis- tung beurteilt sich nach Marktverhältnissen. Abzustellen ist auf einen objektiven Massstab, auf den Preis, den die Gesellschaft für ihre Leistung mit einem unabhängigen Dritten vereinbart hätte (StE 2003, B 72.14.2 Nr. 31; Ernst Blumenstein/Peter Locher, System des schweizerischen Steuerrechts, 6. Auflage, Zürich 2002, S. 274 f.; Brülisauer/Kuhn, a.a.O., Art. 58 N 109 ff.). Wenn streitig ist, ob zwischen den gegenseitigen Leistungen ein offensichtliches Miss- verhältnis besteht, ist es Sache der Steuerbehörden, das offensichtli- che Missverhältnis bzw. die verdeckte Gewinnausschüttung zu be- weisen (erwähnter VGE vom 2. Juli 2003, S. 6 f.; StE 1999, 2004 Kantonale Steuern 135 B 72.14.2 Nr. 23; Brülisauer/Kuhn, a.a.O., Art. 58 N 101, je mit Hinweisen). d) Vorliegend ist demnach zu prüfen, ob in der zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Aktionär getroffenen Mietvereinba- rung ein offensichtliches Missverhältnis zwischen Leistung und Ge- genleistung besteht.
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2019 Migrationsrecht 87 III. Migrationsrecht 11 Reformatio in peius; Einspracheverfahren Der Entscheidungsspielraum verbleibt im Einspracheverfahren voll- ständig bei der ursprünglich verfügenden Behörde, weshalb kein Verbot der reformatio in peius besteht (Erw. 3.2). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 2. Mai 2019, in Sachen A. A. und B. A. gegen Amt für Migration und Integration (WBE.2019.108). Sachverhalt A. Der Sohn der Beschwerdeführer (geb. 1991) reiste 2016 in die Schweiz ein und ersuchte um Asyl. Bei einer Messerstecherei wurde er erheblich verletzt. In der Folge reisten seine Eltern (die Beschwer- deführer) im September 2016 in die Schweiz ein und sorgten für ihren Sohn. Sie erhielten dafür ein Visum D (länger als 90-tägiger Aufenthalt), welches mehrfach verlängert wurde. Am 6. Dezember 2018 stellte das MIKA den Beschwerde- führern die Nichtverlängerung des am 10. Januar 2019 auslaufenden Visums und die Wegweisung aus der Schweiz in Aussicht und ge- währte ihnen das rechtliche Gehör. Nach Eingang der Stellungnahme des Vertreters der Beschwerdeführer wurden diese am 14. Januar 2019 je mit separater Verfügung durch das MIKA weggewiesen und aufgefordert, die Schweiz 60 Tage nach Rechtskraft der Verfügung zu verlassen. B. Gegen die Verfügungen vom 14. Januar 2019 erhoben die Be- schwerdeführer am 18. Januar 2019 jeweils Einsprache beim Rechts- dienst des MIKA (Vorinstanz) und beantragten die Verlängerung der 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 88 Ausreisefrist von 60 auf 120 Tage ab Rechtskraft der angefochtenen Verfügungen. Die Vorinstanz vereinigte die beiden Verfahren mit Verfügung vom 24. Januar 2019 und stellte die Einsprachen der erstinstanzlich verfügenden Sektion zur Stellungnahme zu. Im Rahmen der Ver- nehmlassung wies diese darauf hin, dass es sich beim Passus nach Rechtskraft um ein Versehen gehandelt habe, welches im Rahmen des Einspracheverfahrens zu korrigieren sei. Die Ausreisefrist sei mit 60 Tagen bereits angemessen erweitert und es sei nicht ersichtlich, weshalb diese auf 120 Tage ausgedehnt werden müsse. Die Be- schwerdeführer verzichteten auf eine Stellungnahme und reichten lediglich kommentarlos eine Bestätigung eines Neurologen vom 28. Januar 2019 ein, wonach sich die Anwesenheit der Beschwerde- führer positiv auf die psychische Gesundheit ihres Sohnes auswirke und sie den Hauptteil der pflegerischen Aufgaben übernähmen, wodurch auf eine Spitex oder stationäre Pflegeeinrichtung verzichtet werden könne. Mit Einspracheentscheid vom 22. Februar 2019 wies die Vo- rinstanz die Einsprache ab. Die entsprechenden Dispositive des MIKA korrigierte die Vorinstanz dahingehend, dass der Passus nach Rechtskraft gestrichen wurde. Präzisierend hielt die Vorinstanz in der Begründung fest, dass die Beschwerdeführer die Schweiz damit innert 60 Tagen ab Erlass der angefochtenen Verfügungen zu verlas- sen hätten. C. Mit Eingabe vom 21. März 2019 (Postaufgabe) erhoben die Be- schwerdeführer beim Verwaltungsgericht des Kantons Aargau (Ver- waltungsgericht) Beschwerde und stellten folgende Begehren: 1. Die Verfügung i.S. von obigen Erwägungen abzuändern, d.h. eine Aus- reisefrist von 120 Tagen zu gewähren. 2. Die aufschiebende Wirkung zu gewähren. 3. Von einer Erhebung von Gerichtskosten sei zu verzichten. Die Begründung ergibt sich, soweit erforderlich, aus den nach- stehenden Erwägungen. 2019 Migrationsrecht 89 D. Mit Verfügung vom 25. März 2019 hielt der Instruktionsrichter fest, dass die Vorinstanz einstweilen auf sämtliche Vollzugshandlun- gen zu verzichten habe und dass über das Gesuch um Kostenerlass nach Eingang der Vorakten entschieden werde. Die Vorinstanz reichte am 2. April 2019 die Akten ein, hielt an ihren Ausführungen im Einspracheentscheid fest und beantragte die Abweisung der Beschwerde. E. Das Verwaltungsgericht hat den Fall auf dem Zirkularweg ent- schieden (vgl. § 7 GOG). Erwägungen I. 1. Einspracheentscheide des MIKA können innert 30 Tagen seit Zustellung mit Beschwerde an das Verwaltungsgericht weitergezo- gen werden (§ 9 Abs. 1 EGAR). Beschwerden sind schriftlich einzu- reichen und müssen einen Antrag sowie eine Begründung enthalten; der angefochtene Entscheid ist anzugeben, allfällige Beweismittel sind zu bezeichnen und soweit möglich beizufügen (§ 2 Abs. 1 EGAR i.V.m. § 43 VRPG). Da sich die vorliegende Beschwerde gegen den Einspracheent- scheid der Vorinstanz vom 22. Februar 2019 richtet, ist die Zustän- digkeit des Verwaltungsgerichts gegeben und auf die frist- und form- gerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten. 2. Unter Vorbehalt abweichender bundesrechtlicher Vorschriften oder Bestimmungen des EGAR können mit der Beschwerde an das Verwaltungsgericht einzig Rechtsverletzungen, einschliesslich Über- schreitung oder Missbrauch des Ermessens, und unrichtige oder un- vollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes gerügt werden. Die Ermessensüberprüfung steht dem Gericht jedoch grund- sätzlich nicht zu (§ 9 Abs. 2 EGAR; vgl. auch § 55 Abs. 1 VRPG). 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 90 II. 1. Vorab ist festzuhalten, dass das AuG per 1. Januar 2019 revi- diert und zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG; SR 142.20) umbenannt wurde (Änderung vom 16. Dezember 2016; AS 2017 6521, 2018 3171; BBl 2013 2397, 2016 2821). Da das vor- liegende Verfahren mit Gewährung des rechtlichen Gehörs am 6. Dezember 2018 unter dem AuG begonnen wurde und der Gesetz- geber keine besonderen Übergangsbestimmungen zur Änderung vom 16. Dezember 2016 erlassen hat, gelangen die revidierten Bestim- mungen hier jedoch noch nicht zur Anwendung (Art. 126 Abs. 1 AIG; vgl. Urteile des Bundesgerichts vom 16. August 2018 [2C_184/2018], Erw. 2.1, und vom 9. August 2018 [2C_167/2018], Erw. 2 mit Hinweisen; eingehend VGE vom 26. März 2019 [WBE.2017.206], Erw. II/1.3; anderer Meinung das Bundesverwal- tungsgericht mit Urteil vom 11. Februar 2019 [F-6799/2016], Erw. 3). 2. Die Beschwerdeführer bestreiten nicht, dass die Voraussetzun- gen für die Anordnung einer Wegweisung grundsätzlich erfüllt sind. Sie beantragen einzig die Verlängerung der Ausreisefrist von 60 auf 120 Tage. Zur Begründung führen sie an, damit sie im Iran wie- der neu anfangen könnten, d.h. eine Wohnung mieten und lebens- notwendige Sachen beschaffen könnten, benötigten sie Geld. Sie müssten deshalb auf die Entschädigung der Opferhilfe oder des SEM warten, ansonsten sie mit leeren Händen dastehen würden. Zudem sei ihr Sohn wegen Invalidität auf Hilfe angewiesen. Der genaue Zeitpunkt der Erledigung der Gerichtsverfahren sei nicht bekannt. 3. 3.1. Aufgrund der Beschwerde und der damit gestellten Anträge ist nachfolgend einzig zu klären, ob die Vorinstanz die Ausreisefrist zu Recht auf 60 Tage ab Erlass der Wegweisungsverfügungen durch das MIKA festgesetzt hat. Die Wegweisung selbst wurde durch die Be- schwerdeführer nicht angefochten. 2019 Migrationsrecht 91 3.2. Nachdem die Vorinstanz die erstinstanzlichen Wegweisungsver- fügungen dahingehend korrigiert hat, dass die Wegweisungsfrist nicht erst ab Rechtskraft der Verfügungen, sondern bereits ab Erlass der Verfügungen, d.h. ab dem 14. Januar 2019, zu laufen begann und dies für die Beschwerdeführer eine Schlechterstellung bedeutet, ist zunächst zu klären, ob die Vorinstanz befugt ist, eine erstinstanzliche Verfügung zum Nachteil der Betroffenen abzuändern. Das Einspracheverfahren im Migrationsrecht ist kantonalrecht- lich in §§ 7 f. EGAR und § 40 VRPG geregelt. Es unterliegt damit nicht den Regeln des Beschwerdeverfahrens gemäss den §§ 41 ff. VRPG. Mit anderen Worten kommt § 48 Abs. 1 VRPG, wonach an- gefochtene Entscheide nur unter bestimmten Voraussetzungen zum Nachteil einer Partei abgeändert werden dürfen, nicht zur Anwen- dung. Vielmehr entscheidet die Einsprachebehörde, hier die Vorin- stanz, gemäss § 40 Abs. 2 VRPG unter Berücksichtigung der Vor- bringen der Partei neu und, e contrario zu § 9 EGAR, mit voller Kognition. Der Botschaft des Regierungsrats des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 14. Februar 2007 zum Gesetz über die Verwal- tungsrechtspflege (GR 07.27, S. 52) ist zu § 40 VRPG zu entnehmen, dass die Einsprache ein ordentliches, vollkommenes, nicht devolu- tives, reformatorisches, selbständiges und prinzipales Rechtsmittel sei. Das Einspracheverfahren im Migrationsrecht ist im Kanton Aargau als Rechtsmittelverfahren ausgestaltet, wobei der Ein- spracheentscheid nach Erlass der erstinstanzlichen Verfügung durch dieselbe Verwaltungsbehörde, das MIKA, ergeht. Daran ändert nichts, dass innerhalb des MIKA bislang sämtliche Einspracheent- scheide durch den Rechtsdienst des MIKA ergingen und damit orga- nisatorisch sichergestellt wurde, dass andere Personen als die ur- sprünglich Verfügenden über die Einsprache entschieden haben. Da die Einsprache kein devolutives Rechtsmittel darstellt, geht das Ver- fahren nicht an eine Beschwerdeinstanz über, womit der volle Ent- scheidungsspielraum bei der ursprünglich verfügenden Behörde ver- bleibt, was ebenfalls gegen ein Verbot der reformatio in peius spricht (vgl. THOMAS HÄBERLI, in: BERNHARD WALDMANN/PHILIPPE 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 92 WEISSENBERGER [Hrsg.], Praxiskommentar Verwaltungsverfahrens- gesetz, 2. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2016, Art. 62 N 6). Nach dem Gesagten steht fest, dass die Vorinstanz befugt war, den Passus nach Rechtskraft zu streichen und die erstinstanzlichen Verfügungen des MIKA zum Nachteil der Beschwerdeführer abzuän- dern. Anzumerken ist einzig, dass die Ausreisefrist erst mit Eröff- nung der Verfügungen zu laufen begann, d.h. am 15. Januar 2019. 3.3. Die Beschwerdeführer beantragen eine Verlängerung der Aus- reisefrist von 60 auf 120 Tage. Hierzu ist mit Verweis auf die zutref- fenden Ausführungen der Vorinstanz festzuhalten, dass die gestützt auf Art. 64d AuG auf 60 Tage festgesetzte Ausreisefrist bereits sehr lange ausgefallen ist. Dies umso mehr, als die Beschwerdeführer be- reits Mitte Dezember Kenntnis davon hatten, dass ihr Aufenthalt in der Schweiz nicht erneut verlängert würde. Was die Beschwerde- führer dagegen vorbringen, ist nicht geeignet, daran etwas zu ändern. Vielmehr zielen ihre Argumente einzig darauf ab, ihren Aufenthalt zu verlängern, ohne dass absehbar wäre, ob und, wenn ja, wann ihrem Sohn eine Entschädigung durch die Opferhilfe zugesprochen wird. Dass die Beschwerdeführer ihren Sohn noch länger unterstützen wollen, ist zwar verständlich und wäre womöglich unter gesamtwirt- schaftlichen Gesichtspunkten gar sinnvoll. Die Beschwerdeführer übersehen aber, dass es nicht darum geht, im Rahmen einer Interes- senabwägung die öffentlichen Interessen an einer Wegweisung den privaten Interessen an einem Verbleib in der Schweiz gegenüber- zustellen und zu klären, ob ihr privates Interesse an einem Verbleib in der Schweiz überwiegt. Dass die Voraussetzungen für einen Ver- bleib der Beschwerdeführer in der Schweiz nicht (mehr) erfüllt sind, haben sie akzeptiert. Wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, ist bei einer Konstellation wie der Vorliegenden nicht länger angezeigt, den Verbleib der Beschwerdeführer in der Schweiz um weitere 60 Tage auszudehnen. Das MIKA ist den Beschwerdeführern durch die grosszügige Verlängerung ihrer Visa und die Ansetzung einer langen Ausreisefrist bereits äusserst wohlwollend entgegengekom- men. 2019 Migrationsrecht 93 3.4. Zusammenfassend steht fest, dass die Vorinstanz einerseits be- fugt war, die erstinstanzlichen Verfügungen des MIKA abzuändern und den Passus nach Rechtskraft zu streichen und andererseits kei- ne Veranlassung bestand, die Ausreisefrist auf 120 Tage auszuweiten. Die Beschwerde ist damit abzuweisen. Die Beschwerdeführer hätten die Schweiz bereits bis zum 16. März 2019 verlassen müssen. Es bleibt dem MIKA überlassen, den Beschwerdeführern mitzuteilen, ab wann sie mit einer zwangs- weisen Rückführung zu rechnen haben. III. Bei diesem Verfahrensausgang hätten die Beschwerdeführer die gerichtlichen Verfahrenskosten zu tragen (§ 31 Abs. 2 VRPG). Auf- grund der besonderen Umstände und unter Berücksichtigung der fi- nanziellen Situation der Beschwerdeführer wird auf die Erhebung von Verfahrenskosten jedoch verzichtet. Ein Parteikostenersatz fällt ausser Betracht (§ 32 Abs. 2 VRPG).
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2017 Anwalts- und Notariatsrecht 237 X. Anwalts- und Notariatsrecht 42 Aargauische Anwaltsprüfung Ein Lizentiat der philosophischen Fakultät mit Doktortitel der Rechtswis- senschaft erfüllt die Zulassungsvoraussetzung des abgeschlossenen Stu- diums der Rechtswissenschaft nicht. Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 18. Januar 2017, i.S. A. gegen Anwaltskommission (WBE.2016.385) Sachverhalt 1. Am 18. August 2014 verlieh die Universität Zürich (UZH) A. den Doktor der Rechtswissenschaft (Dr. iur.). Während des Doktorats war er unter anderem als wissenschaftlicher Assistent und Mitarbei- ter am Rechtswissenschaftlichen Institut (RWI) in Zürich tätig. Zuvor hatte er am 19. November 2010 den Titel lic. phil. erworben und dieses Studium mit Hauptfach Soziologie, dem ersten Nebenfach Strafrecht II und Strafprozessrecht sowie dem zweiten Nebenfach Philosophie abgeschlossen. Die Lizentiatsarbeit hatte das Thema "Punitivität - Bedeutung, Messung und Ursache der öffentlichen Strafstrenge". Momentan absolviert er ein Rechtspraktikum bei einem im Anwaltsregister eingetragenen Rechtsanwalt. Aus den Erwägungen 3. 3.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, beim Doktortitel der Rechts- wissenschaften handle es sich um den höchsten akademischen Grad. 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 238 Zwar seien die Studiengänge zwischen den einzelnen Fakultäten und Fächern grundsätzlich undurchlässig, dieser Grundsatz erfahre je- doch eine Durchbrechung, wo beide Fachrichtungen Schnittmengen aufwiesen. Dort rechtfertigten sich ausnahmsweise fakultäts- und fachübergreifende Wechsel. Über solche Ausnahmefälle entscheide die Fakultätsversammlung. Der Beschwerdeführer habe den Doktor- titel entsprechend den Vorgaben der anwendbaren Promotionsverord- nung erlangt und das Doktoratsstudium beinhalte neben der Aus- arbeitung einer Dissertation auch Veranstaltungen. Dass dem Dok- toratsstudium ein Lizentiat der Philosophischen Fakultät vorange- gangen sei, sei aufgrund des Nebenfachs und der bisherigen Forschungstätigkeit für die Verleihung des Doktortitels unerheblich. Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, er habe das Nebenfachstudium absolviert, wobei in diesen Fächern identische Prüfungen zu absolvieren gewesen seien. Es habe insbesondere die Veranstaltung "Einführung in das Recht" umfasst und der Beschwer- deführer habe während seines 13-semestrigen Studiums verschiedene juristische Vorlesungen besucht (mehr juristische Veranstaltungen als soziologische). Während seines Doktoratsstudiums und als Lehr- stuhlassistent sei er durchgehend in der Rechtswissenschaft tätig gewesen, wobei er Publikationen im Bereich der Kriminologie sowie im Bereich des Straf- und Völkerrechts vorweisen könne. Seit Oktober 2015 absolviere er ein juristisches Praktikum in einer An- waltskanzlei, welche ihm ein sehr positives Zwischenzeugnis aus- stelle. Schliesslich listet der Beschwerdeführer besuchte juristische Vorlesungen auf. Durch die Teilnahme habe er sich ein umfassendes, wenngleich nicht lückenloses juristisches Wissen angeeignet. Im Selbststudium habe er sich insbesondere im Verwaltungs-, Sozialver- sicherungs- und Zivilprozessrecht Kenntnisse angeeignet. 3.2. Die Anwaltskommission erwog, für die Erteilung des Anwalts- patents und die Zulassung zu den Anwaltsprüfungen gestützt auf Art. 7 Abs. 1 lit. a BGFA und § 15 Abs. 1 lit. b EG BGFA sei der Ab- schluss eines juristischen Studiums einer schweizerischen Universität mit dem Lizentiat oder Master erforderlich. Die gesetzlichen Bestim- 2017 Anwalts- und Notariatsrecht 239 mungen enthielten keine Ausnahmeregelung und mit dem eingereichten Doktortitel der Rechtswissenschaft der Universität Zürich erfülle der Beschwerdeführer die Voraussetzungen eines absolvierten juristischen Studiums nicht. Gemäss der anwendbaren Promotionsverordnung könnten unter gewissen Voraussetzungen auch Personen mit fachfremden universitären Masterabschlüssen zum Doktorat zugelassen werden. Der Abschluss "lic. phil." mit Ne- benfach Strafrecht und Strafprozessrecht sei kein juristischer Studienabschluss im Sinne der Anwaltsgesetzgebung. 3.3. Gemäss § 10 Abs. 1 der Verordnung über die Promotion zur Doktorin/zum Doktor der Rechtswissenschaft (Dr. iur.) an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich (Promo- tionsverordnung vom 25. Mai 2009; Systematische Rechtssammlung der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich [RS] 6.1.1) hat einen Anspruch auf Zulassung zum allgemeinen Doktorat, wer den akademischen Grad eines Master of Law oder eines Lizentiats der Rechtswissenschaften der Universität Zürich mit dem Prädikat summa cum laude oder magna cum laude erlangt hat. Wer das in Absatz 1 genannte Prädikat nicht erreicht, wird zum Doktorat zugelassen, wenn sich ein Fakultätsmitglied bereit erklärt, die Betreuung zu übernehmen (Abs. 2). Personen, die den akademischen Grad eines Master of Law oder eines Lizentiats der Rechtswis- senschaft einer andern Schweizer Universität erlangt haben, werden zugelassen, wenn sich ein Fakultätsmitglied bereit erklärt, die Be- treuung zu übernehmen (§ 11). Der Beschwerdeführer wurde in Anwendung der Einzelfallrege- lung von § 13 Abs. 1 der Promotionsverordnung mit einem fach- fremden Abschluss zum Doktorat zugelassen. Im Rahmen dessen verfasste er eine Dissertation mit dem Thema "Kriminalitätsfurcht und Viktimisierung im Alter - Ergebnisse einer nationalen Opfer- werdungsbefragung unter österreichischen Seniorinnen und Senio- ren", welche mit dem Prädikat summa cum laude bewertet wurde. Parallel dazu war der Beschwerdeführer als wissenschaftlicher Assis- tent und Mitarbeiter an der Universität tätig. Er ist Mitautor bzw. Au- 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 240 tor mehrerer Publikationen, vorzugsweise auf dem Gebiet der Krimi- nologie. 3.4. Gemäss Art. 7 Abs. 1 BGFA müssen Anwältinnen und Anwälte für den Registereintrag über ein Anwaltspatent verfügen. Ein solches kann von den Kantonen nur auf Grund folgender Voraussetzungen erteilt werden: ein juristisches Studium, das mit einem Lizentiat oder Master einer schweizerischen Hochschule oder einem gleichwertigen Hochschuldiplom eines Staates abgeschlossen wurde, der mit der Schweiz die gegenseitige Anerkennung vereinbart hat (lit. a); ein mindestens einjähriges Praktikum in der Schweiz, das mit einem Examen über die theoretischen und praktischen juristischen Kennt- nisse abgeschlossen wurde (lit. b). 3.5. Das Recht der Kantone, im Rahmen des BGFA die Anforderun- gen für den Erwerb des Anwaltspatentes festzulegen, bleibt gewahrt (Art. 3 Abs. 1 BGFA). Das Bundesgesetz zielt nicht darauf ab, die Ausbildung der Anwältinnen und Anwälte oder die Voraussetzungen zur Erteilung des kantonalen Anwaltspatents zu vereinheitlichen. Es schreibt zwar Mindestvoraussetzungen für den Eintrag in das kanto- nale Anwaltsregister vor, doch bleiben die Kantone für die Regelung der fachlichen Voraussetzungen zur Erteilung des kantonalen Anwaltspatents zuständig (vgl. H ANS N ATER , in: W ALTER F ELLMANN /G AUDENZ G. Z INDEL [Hrsg.], Kommentar zum Anwalts- gesetz, 2. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2011, Art. 3 N 3; Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Freizügigkeit der Anwäl- tinnen und Anwälte vom 26. Oktober 2005 [nachfolgend Botschaft], 05.075, in: BBl 2005 6628). Zur aargauischen Anwaltsprüfung wird gemäss § 15 Abs. 1 lit. b EG BGFA zugelassen, wer das Studium der Rechtswissenschaft abgeschlossen hat (Lizentiat oder Masterabschluss). Der kantonale Gesetzgeber äusserte beim Erlass der Einführungsgesetzgebung die Meinung, dass zwecks Beibehaltung des Niveaus nach der Einfüh- rung des Bologna-Modells ein Masterabschluss als Prüfungszulas- sungsvoraussetzung verlangt werden muss (Botschaft des Re- gierungsrats des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 2017 Anwalts- und Notariatsrecht 241 12. November 2013, EG BGFA, 03.310, Bericht und Entwurf zur 1. Beratung, S. 18). Dem Willen des Bundesgesetzgebers lässt sich nichts anderes entnehmen. Im Rahmen der Vernehmlassung wurde grossmehrheit- lich der Masterabschluss als Voraussetzung des Registereintrags gefordert. Studienabschlüsse anderer Fakultäten oder akademische Grade ohne Leistungsnachweis im juristischen Grund- bzw. Aufbau- studium waren kein Thema (vgl. Botschaft, a.a.O., 6627; N IKLAUS S TUDER , Neue Entwicklungen im Anwaltsrecht, in: SJZ 100/2004, S. 231; F RANÇOIS B OHNET , Droit des professions judiciaires, 3. Auf- lage, Basel 2014, S. 4). 3.6. Mit der schriftlichen Anmeldung zur Anwaltsprüfung ist der Ausweis über ein abgeschlossenes juristisches Studium an einer schweizerischen Hochschule oder ein gleichwertiges Hochschul- diplom eines Staates, mit dem die Schweiz die gegenseitige Anerken- nung vereinbart hat, einzureichen (§ 1 lit. d AnwV). Soweit der Be- schwerdeführer daraus ableitet, sein Doktoratsstudium genüge als Nachweis für ein abgeschlossenes juristisches Studium, kann ihm nicht gefolgt werden. Der kantonale Verordnungsgeber konnte beim Erlass der Ausführungsvorschriften nicht von den Vorgaben des Ein- führungsgesetzes abweichen. Das Verwaltungsgericht hat zu den praktischen Prüfungszulas- sungsvoraussetzungen erwogen, deren Hintergrund sei zweifellos der Schutz des Publikums. Die wohl wichtigste Anforderung an den An- walt sei die Fachkompetenz. Nach der Erteilung des Anwaltspatents (und der Eintragung im Register) sei es jedem Anwalt erlaubt, ohne weitere "Aufsicht" Parteien gerichtlich oder aussergerichtlich zu ver- treten (vgl. AGVE 2012, S. 34 mit Hinweisen; K ASPAR S CHILLER , Schweizerisches Anwaltsrecht, Zürich/Basel/Genf 2009, Rz. 175, 210). Diese Erwägungen lassen sich grundsätzlich auch auf die fach- lichen Zulassungsvoraussetzungen der Anwaltsprüfung übertragen. Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers können ein Studium im Nebenfach mit Strafrecht und Strafprozessrecht sowie der Besuch juristischer Vorlesungen den gesetzlichen Voraussetzun- gen nicht genügen. Es besteht auch keine Grundlage, um beim Vor- 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 242 liegen einer Dissertation in Rechtswissenschaften oder publizisti- scher Tätigkeit ohne Leistungsnachweis im Grundlagen- und Aufbaustudium vom Erfordernis eines Lizentiats bzw. Masters in Rechtswissenschaften abzuweichen. Dies muss umso mehr gelten, als Leistungsnachweise insbesondere durch mündliche oder schrift- liche Prüfungen erbracht werden (vgl. §§ 26 ff. der Rahmenverord- nung über den Bachelor- und Masterstudiengang sowie die Neben- fachstudienprogramme an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich vom 20. August 2012; RS 4.1.1). Wie der Be- schwerdeführer letztlich selbst ausführt, kann von Seiten einer Universität das Bedürfnis bestehen, Dissertationen mit Schnittmen- gen zur Jurisprudenz oder interdisziplinär ausgerichtete Doktorstu- dien zuzulassen. Entsprechende akademische Leistungen können einen Masterabschluss in Rechtswissenschaften als Zulassungs- voraussetzung zur Anwaltsprüfung jedoch nicht ersetzen. Es ist zu- mindest fraglich, ob der Beschwerdeführer zum Masterstudium in Rechtswissenschaften an der Universität Zürich zugelassen würde, da dieses einen Bachelor of Law voraussetzt und Ausnahmen nicht vorgesehen sind (vgl. § 19 der Rahmenverordnung). Insoweit über- zeugt das Argument des hierarchisch aufgebauten Systems der Studiengänge nicht. Der Beschwerdeführer verweist schliesslich auf den an der Uni- versität St. Gallen angebotenen Lehrgang Law and Economics (Master of Arts in Rechtswissenschaft mit Wirtschaftswissenschaf- ten; M.A. HSG) sowie auf sein Zertifikat der Universität Zürich, wo- nach er berechtigt ist, den Titel "Master of Arts UZH" oder "M A UZH" zu verwenden. Dieser Vergleich ist nicht stichhaltig. Beim angesprochenen Master der Universität St. Gallen handelt es sich un- streitig um einen wirtschaftsrechtlichen und damit juristischen Studienabschluss im Sinne von Art. 7 Abs. 1 lit. a BGFA. Gemäss der Broschüre " Jus studieren an der Universität St. Gallen (HSG) " wird im Rahmen des entsprechenden Bachelor-Lehrganges eine so- lide juristische Grundausbildung angeboten, erweitert um ausge- wählte Veranstaltungen der Volks- und Betriebswirtschaftslehre. Der Masterlehrgang soll unter anderem die rechtswissenschaftlichen Bil- dungsvoraussetzungen für den Erwerb von schweizerischen Anwalts- 2017 Anwalts- und Notariatsrecht 243 patenten schaffen (abrufbar unter: http://www.ius-studium.unisg.ch, letztmals besucht am 31. Oktober 2016). Die Pionierrolle dieser Hochschule bei der Umsetzung der Bologna-Reform wurde im Rah- men der Änderung des BGFA vom 26. Oktober 2005 ausdrücklich betont (vgl. Botschaft, a.a.O., 6624). 4. Soweit der Beschwerdeführer auf ein positives Zwischenzeug- nis seines Rechtspraktikums verweist, welches er bei einem Rechts- anwalt absolviert, kann diesem Arbeitszeugnis im Hinblick auf die fachlichen Zulassungsvoraussetzungen zur Anwaltsprüfung keine Bedeutung zukommen. Als fachliche Voraussetzung ist nachzuwie- sen, dass ein juristisches Studium gemäss Art. 7 Abs. 1 lit. a BGFA abgeschlossen wurde (W ALTER F ELLMANN , Anwaltsrecht, Bern 2010, Rz. 675, Fn. 1484).
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2011 Verwaltungsrechtspflege 247 [...] 58 Parteientschädigung - Bei teilweisem Obsiegen wird die Parteientschädigung verhältnis- mässig auferlegt, ohne Rücksicht auf die effektiven Anwaltskosten ei- ner Partei. Ohne Einfluss auf den Verteilschlüssel ist auch der Um- stand, dass eine Partei, die ohne Anwalt auftritt, keinen Anspruch auf einen Parteikostenersatz hat. - Die Sonderregelung von § 12a Abs. 1 AnwT ist auch bei der Festset- zung der Parteientschädigung zu Gunsten des Gemeinwesens an- zuwenden. Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 20. Mai 2011 in Sachen A. gegen Einwohnergemeinde B., Regierungsrat und Grosser Rat (WBE.2009.369). Aus den Erwägungen 2.4. 2.4.1. Gemäss § 12a Abs. 1 AnwT kann die Entschädigung in Zivil- und Verwaltungssachen bei einem hohen Streitwert um bis zu einem Drittel herabgesetzt werden, wenn die Entschädigung zu Lasten des Gemeinwesens geht. Es handelt sich um eine "Kann"-Bestimmung, welche den rechtsanwendenden Behörden erhebliches Ermessen einräumt. Das Ermessen muss pflichtgemäss ausgeübt werden und die Behörden dürfen nicht willkürlich entscheiden. Bei der Anwen- dung dieser Bestimmung sind die Behörden an die Verfassung ge- bunden, insbesondere an das Rechtsgleichheitsgebot, das Verhält- nismässigkeitsprinzip und die Pflicht zur Wahrung der öffentlichen 2011 Verwaltungsgericht 248 Interessen. Sinn und Zweck einer gesetzlichen Ordnung sind auch bei Ermessensentscheiden zu beachten (Ulrich Häfelin / Georg Mül- ler / Felix Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Auflage, Zürich 2010, Rz. 441). 2.4.2. § 12a AnwT wurde im Rahmen des sog. Finanzpakets 1998 eingeführt und dient einzig der Kostensenkung auf Gemeinde- und Kantonsebene. Die Regelung will sicherstellen, dass Kanton und Gemeinden als unterliegende Parteien in einem verwaltungsrechtli- chen Verfahren keine unverhältnismässig hohen Entschädigungen an die obsiegende Partei zu bezahlen haben und auch keine unverhält- nismässigen Entschädigungen für die unentgeltliche Rechtsvertre- tung in vermögensrechtlichen Streitigkeiten zu leisten sind (siehe Botschaft des Regierungsrates des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 7. September 1998, 98.004133, S. 33; Botschaft des Regie- rungsrates des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 26. März 2003, 03.82, S. 6 und 8). Unter dem (alten) Verwaltungsrechtspflegegesetz vom 9. Juli 1968 (aVRPG; SAR 271.100) und der gefestigten Praxis des Verwal- tungsgerichts hatte das Gemeinwesen keinen Parteikostenersatzan- spruch (vgl. dazu AGVE 2000, S. 377 ff. mit Hinweis). Einer obsie- genden privaten Partei wurde die Entschädigung für die Parteikosten primär gegenüber der privaten Gegenpartei (Beschwerdegegner) oder gegenüber der Staatskasse zugesprochen. Bei ganzem oder teilwei- sem Obsiegen wurde entsprechend der Verlegung der Verfahrenskos- ten auch keine Aufteilung und gegenseitige Verrechnung der (Ge- winn-) Anteile im Verhältnis der privaten Verfahrensbeteiligten zum Gemeinwesen vorgenommen (AGVE 1996, S. 384; vgl. zum Ganzen schon: AGVE 1978, S. 273 und 1972, S. 335). Im Verwaltungsrechtspflegegesetz vom 4. Dezember 2007 wur- de die bisherige Praxis nicht übernommen. Der Gesetzgeber wollte, dass dem Gemeinwesen ein Anspruch auf Parteikostenersatz zusteht, wenn es einen Anwalt mit der Vertretung seiner Interessen beauftragt (vgl. dazu AGVE 2009, S. 289 f.). Die Gemeinden und der Kanton sind in den Verfahren vor dem Verwaltungsgericht "Partei" mit glei- chen Verfahrensrechten wie die privaten Parteien (§ 13 Abs. 2 lit. e 2011 Verwaltungsrechtspflege 249 und f VRPG). Der bisher geltende Grundsatz, dass am Beschwerde- verfahren beteiligte Gemeinwesen nur eine subsidiäre Pflicht zum Parteikostenersatz trifft, gilt daher nicht mehr. Die Neuregelung des Parteikostenersatzes und der Bestimmun- gen über die Parteien führt zur Frage, wie die Sonderregel in § 12a Abs. 1 AnwT bei der Parteikostenverlegung anzuwenden ist. Inhalt- lich beschränkt diese Dekretsbestimmung den Parteikostenersatz bei hohen Streitwerten der privaten Partei gegenüber einer oder mehre- ren Gegenparteien, wenn diese dem Gemeinwesen angehören. 3. 3.1. Die Parteikosten werden in der Regel nach Massgabe des Ob- siegens und Unterliegens auf die Parteien verlegt (§ 32 Abs. 2 VRPG). Mehrere Parteien mit gleichen Begehren, oder wenn sich ein Verfahren gegen mehrere Parteien richtet, tragen die ihnen auferleg- ten Parteikosten zu gleichen Teilen (§ 33 Abs. 1 VRPG). Ist die Kos- tenverteilung zu gleichen Teilen unbillig, kann sie nach Massgabe der Interessenlage am Verfahrensausgang stattfinden (§ 33 Abs. 2 VRPG). Die allgemeine Regel über die Kostenverlegung folgt dem Er- folgsprinzip, das insbesondere im Zivilprozess die Grundregel bildet (vgl. dazu Alfred Bühler/Andreas Edelmann/Albert Killer, Kommen- tar zur aargauischen Zivilprozessordnung, 2. Aufl., Aarau 1998, § 112 N 2; Viktor Rüegg, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Basel 2010, Art. 106 N 1 und N 8). Massge- bend ist im Rechtsmittelverfahren das Endergebnis im Verhältnis zu den Anträgen der Parteien. Bei teilweisem Obsiegen wird die Par- teientschädigung verhältnismässig auferlegt ohne Rücksicht auf die effektiven Anwaltskosten einer Partei. Ohne Einfluss auf den Verteil- schlüssel ist selbst der Umstand, dass eine Partei, die ohne Anwalt auftritt, keinen Anspruch auf Parteikostenersatz hat (AGVE 2000, S. 51). In der Berechnung werden die Parteikosten als Ganzes ge- nommen (AGVE 1956, S. 52) und die mehrheitlich unterliegende Partei verpflichtet, den Anteil aus der - gegeneinander verrechneten - Differenz von Obsiegen und Unterliegen in Prozent oder Bruch- teilen an die Parteikosten der obsiegenden Partei zu bezahlen (Guido 2011 Verwaltungsgericht 250 Fischer, Die Kostenverteilung im Aargauischen Zivilprozessrecht, Diss., Basel 1984, S. 91 f.; SJZ 1981 Nr. 52, S. 343). Die Verrech- nung nach dem Erfolgsprinzip findet somit bereits zwischen den Anteilen statt, mit denen jede Partei an der Kostentragung beteiligt ist. Es gilt eine weitgehende Parallelität der Regelungen über Kos- tenauflage und Parteientschädigung (vgl. für das aVRPG: AGVE 1983, S. 233 ff.; 1978, S. 273 ff.; VGE III/10 vom 26. Februar 2003 [WBE.2002.110], Erw. II/1). 3.2. Die allgemeine Verteilungsregel steht auf der Grundlage, dass die Parteikostenentschädigung für die am Verfahren beteiligten Parteien unbesehen der effektiven Anwaltskosten festgelegt wird. Diese Berechnungsmethode beruht auf der Überlegung, dass die Parteientschädigungen aller Parteien immer nach Massgabe des An- waltstarifs festgesetzt werden (AGVE 1992, S. 397) und damit die "in einem Verfahren notwendigen und (....) üblichen Leistungen (..)" für eine Rechtsvertretung abgegolten werden (§ 2 Abs. 1 AnwT). Die Parteikosten sind auf die Parteien zu verlegen (§ 32 Abs. 2 VRPG) und mehrere Parteien tragen die ihnen auferlegten Parteikosten zu gleichen Teilen (§ 33 Abs. 1 VRPG). Eine Unterscheidung zwischen den unterliegenden bzw. obsiegenden Gemeinwesen mit Parteistel- lung und den privaten Parteien findet sich im Unterschied zur Re- gelung bei der Verteilung der Verfahrenskosten (§ 31 Abs. 2 VRPG) nicht. Aus der Sonderregelung in § 12a Abs. 1 AnwT folgt für die Ver- legung und Bemessung der Parteikosten, dass das Gemeinwesen als obsiegende Partei auch bei hohen Streitwerten Anspruch auf eine ungekürzte Parteientschädigung hat, als unterliegende Partei aber den andern privaten und öffentlichen Gegenparteien einen bis zu einem Drittel der "vollen" Parteientschädigung gekürzten Parteikostenersatz leisten müsste. Eine solche Bevorzugung des Gemeinwesens erscheint mit dem Rechtsgleichheitsgebot (Art. 8 BV; § 10 Abs. 1 KV) nicht vereinbar. Sachliche Gründe für die Sonderregelung in § 12a AnwT finden sich ohnehin nur im Hinblick auf die Schonung der öffentlichen Ausga- ben (vorne Erw. 2.4.2). Wo das Gemeinwesen einen Anwalt mit der 2011 Verwaltungsrechtspflege 251 Vertretung in einem Verwaltungsverfahren beauftragt, kommt diesem Zweck keine entscheidende Bedeutung (mehr) zu, da die Höhe der Ausgaben einer Rechtsvertretung durch das (privatrechtliche) Man- dat bestimmt wird und das effektive Anwaltshonorar von Behörde und Anwalt vereinbart wird. Die Anwendung von § 12 Abs. 1 AnwT führt vielmehr zum stossenden Ergebnis, dass das Parteikostenrisiko eines Verfahrens bei hohen Streitwerten für das Gemeinwesen zum vornherein um einen Drittel tiefer liegt als bei den privaten Parteien. Bei gleichgelagerten Interessen oder Anträgen des Gemeinwesens mit privaten Parteien kann dies zu weiteren Ungleichheiten führen, indem eine Privatpartei - entgegen dem Grundsatz von § 33 Abs. 1 VRPG - höhere Anteile an eine Parteientschädigung der Gegenpartei als das Gemeinwesen entrichten müsste. Umgekehrt wird bei einem mehrheitlichen Obsiegen des Gemeinwesens die Grundregel, dass die Parteikosten aller Parteien als Ganzes betrachtet werden, in Frage gestellt, da Parteientschädigungen zu Lasten des Gemeinwesens bei hohen Streitwerten um einen Drittel reduziert werden können. Keine Lösung der Ungleichheit bietet § 32 Abs. 3 Satz 2 VRPG, da diese Bestimmung Ausnahmen von der allgemeinen Regel nur für den Fall der Gegenstandslosigkeit vorsieht. Die Regelung der Kos- tentragung mehrerer Parteien (§ 33 Abs. 1 VRPG) verlangt, dass die Parteikosten zu gleichen Teilen getragen werden, und sieht nur aus Billigkeitsgründen ausnahmsweise eine Verteilung nach der Interes- senlage am Verfahrensausgang, nicht aber aus andern Gründen vor (§ 33 Abs. 2 VRPG). 3.3. Die Änderung im System der Verlegung der Parteikosten wurde vom Parlament beschlossen. Wie aus den Beratungsprotokollen zu schliessen ist, war eine Anpassung von § 12 Abs. 1 AnwT an die veränderte Stellung des Gemeinwesens bei der Verteilung der Partei- kosten kein Thema. Die Abkehr von der bisherigen Regelung diente dazu, "dass jeweils mit gleich langen Spiessen operiert wird" (Proto- koll des Grossen Rates [Prot. GR] vom 4. Dezember 2007, S. 3022, Votum Leimgruber), "auch das Gemeinwesen soll einen entsprechen- den Anspruch auf Parteientschädigung" haben (a.a.O., S. 3024, Vo- tum Hollinger). Diese Ausführungen in den parlamentarischen Bera- 2011 Verwaltungsgericht 252 tungen lassen den Schluss zu, dass die Auswirkungen der Revision auf die Parteikostenregelung im Anwaltstarif "vergessen" wurden. Von einem qualifizierten Schweigen des Gesetzgebers kann jeden- falls nicht die Rede sein. Das Verwaltungsgericht ist gehalten, Erlassen die Anwendung zu versagen, wenn sie dem übergeordneten Bundesrecht oder kanto- nalem Recht widersprechen (sog. inzidente Normenkontrolle; § 95 Abs. 2 KV; § 2 Abs. 2 VRPG). § 12a Abs. 1 AnwT ist eine "Kann"-Vorschrift und räumt den Beschwerdeinstanzen und Gerichten ein erhebliches Ermessen ein. Die (theoretische) Möglichkeit, diese Kürzungsmöglichkeit überhaupt nicht mehr anzuwenden, fällt nicht in Betracht. Das Anlie- gen des Gesetzgebers und das öffentliche Interesse an der Schonung der öffentlichen Finanzen können bei der Zusprechung von Parteient- schädigungen nicht einfach ausgeblendet werden. Die andere Lösung ist, dass bei der Bemessung der Parteientschädigung zu Gunsten des Gemeinwesens die Bestimmung ebenfalls angewendet wird. Dies, weil es bei der Festsetzung einer Parteientschädigung keinen Unter- schied machen kann, ob sich der Anspruch auf Parteientschädigung eines Gemeinwesens gegen eine andere Behörde bzw. ein anderes Gemeinwesen richtet oder gegen eine private Gegenpartei. Auch bei einer Kostenverlegung mit teilweisem Obsiegen und Unterliegen drängt sich auf, bei der Anteilsberechnung die Fiktion der gleich hohen Parteientschädigungen bzw. des gleichen Entschädigungs- risikos aller unterliegenden Parteien anzuwenden. Diese Aspekte der Rechtsgleichheit erscheinen bei der Anwendung von § 12a Abs. 1 AnwT besonders relevant, weil mit Bezug auf die Parteikosten der Erfolgsgrundsatz massgeblich ist. Eine Ordnung, die indirekt die Folgen des Prozessgewinns einer Partei zugunsten einer Gegenpartei relativiert, führt zu einer sachlich unbegründeten Bevorzugung. Nachdem die Behörden schon bei den Gerichtskosten bevorzugt werden (§ 31 Abs. 2 Satz 2 VRPG), lässt sich eine zusätzliche Bevor- zugung der Gemeinden und der kantonalen Behörden bei der Vertei- lung der Parteikosten mit der Parteistellung des Gemeinwesens im Verwaltungsprozess und den Regeln in den §§ 32 und 33 VRPG nur 2011 Verwaltungsrechtspflege 253 vereinbaren, wenn auch bei der Festsetzung der Parteientschädigung zu Gunsten der Gemeinwesen § 12a Abs. 1 AnwT angewendet wird. Diese Lösung entspricht dem Grundsatz, dass dem Obsiegenden auf jeden Fall eine angemessene Entschädigung für die notwendigen Parteikosten auszurichten ist (§ 29 VRPG und § 2 Abs. 1 AnwT).
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2004 Submissionen 233 [...] 57 Untersuchungsgrundsatz; öffentliche Ausschreibung; Bereinigung der Angebote. - Das Verwaltungsgericht ist dem Untersuchungsgrundsatz verpflichtet (§ 20 VRPG); angesichts des beschränkten Akteneinsichtsrechts hat es die vom Beschwerdeführer erhobenen Rügen gegen die Begründung der Vergabestelle für die Nichtberücksichtigung des Angebots um- fassend zu überprüfen (Erw. I/4). - Folgen einer unterbliebenen Ausschreibung des Auftrags im kanto- nalen Amtsblatt (Erw. II/2). - Unzulässige Bereinigung eines Angebots (Erw. II/3/d, e). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 19. März 2004 in Sa- chen ARGE W. gegen Regierungsrat. Aus den Erwägungen I. 4. Praxisgemäss sind die vollständigen Verfahrensakten bei- gezogen worden. Die Vergabestelle hat die zusammen mit der Ver- nehmlassung eingereichten Unterlagen über weite Strecken als im Sinne von § 2 und 20 Abs. 3 SubmD vertraulich bezeichnet, so insbesondere die Offerten, technische Beschreibungen und Baupro- gramme. Die Beschwerdeführerinnen haben vom Inhalt dieser 2004 Verwaltungsgericht 234 Unterlagen nur in einem sehr beschränkten Umfang Kenntnis erhalten. Die Möglichkeit, vermutete Mängel des Vergabeverfahrens zu rügen, wird dadurch naturgemäss erschwert. Die Beschwerdefüh- rerinnen sind insbesondere nicht in der Lage, eine rechtsungleiche oder willkürliche Bewertung ihres Angebots im Vergleich mit den übrigen Offerten substantiiert zu rügen. Das Verwaltungsgericht, das dem Untersuchungsgrundsatz (§ 20 VRPG) verpflichtet ist und dem ein vollumfänglicher Einblick in die Unterlagen des Vergabeverfah- rens, einschliesslich der Konkurrenzofferten, zukommt, hat die Stich- haltigkeit der Begründung für die Nichtberücksichtigung des Angebots der Beschwerdeführerinnen daher umfassend zu über- prüfen (VGE III/33 vom 30. April 2002 [BE.2002.00041] in Sachen ARGE Argovia A1 Baregg West, S. 11 f. mit Hinweis; Entscheid des Bundesgerichts vom 2. März 2000, in: Pra 2000 Nr. 134, S. 798). In diesem Sinne ist dem prozessualen Begehren der Beschwerdeführe- rinnen, deren Vorbringen durch Einsichtnahme in die Offertunterla- gen der Zuschlagsempfängerinnen zu verifizieren, zu entsprechen. II. 1. (...). 2. a) Art. IX Ziffer 1 GPA schreibt vor, dass die Beschaffungs- stellen für jede geplante Beschaffung eine Einladung zur Teilnahme veröffentlichen. Die Bekanntmachung erfolgt im Publikationsorgan gemäss Anhang II; es sind dies die amtlichen Publikationsorgane der jeweiligen Kantone, vorliegendenfalls das Amtsblatt des Kantons Aargau. In gleicher Weise sieht Art. 13 lit. a IVöB vor, dass die Kantone Ausführungsbestimmungen zum Vergabeverfahren erlassen, welche die notwendigen Veröffentlichungen gewährleisten, min- destens im zuständigen kantonalen Amtsblatt der Auftraggeberin oder des Auftraggebers. Diese Vorgabe ist in § 12 Abs. 1 SubmD umgesetzt worden; so ist jeder Auftrag, der im offenen oder selekti- ven Verfahren vergeben wird, mindestens im amtlichen Publikations- organ der Vergabestelle auszuschreiben und im kantonalen Amtsblatt anzuzeigen. b) Vorliegendenfalls ist die Ausschreibung aufgrund eines Ver- sehens der Vergabestelle lediglich im Baublatt Nr. 30 vom 11. April 2003 erfolgt. Von diesem Umstand hat das Verwaltungsgericht trotz ausdrücklicher Aufforderung an die Vergabestelle, der Vernehmlas- 2004 Submissionen 235 sung eine Kopie der öffentlichen Ausschreibung im Amtsblatt bei- zulegen, erst unmittelbar vor Abschluss des Schriftenwechsels und erst auf nochmalige telefonische Nachfrage hin Kenntnis erhalten. Das fragliche E-Mail der Abteilung Tiefbau des Baudepartements wurde den Beschwerdeführerinnen zusammen mit den Beilagen zur Kenntnis zugestellt; sie haben sich dazu nicht vernehmen lassen. c) Die vorgeschriebene Veröffentlichung ist ein wichtiges (ja geradezu konstitutives) Element eines transparenten Vergabeverfah- rens (Peter Gauch / Hubert Stöckli, Vergabethesen 1999, Thesen zum neuen Vergaberecht des Bundes, Freiburg 1999, S. 17). Die Verletzung der Ausschreibungspflicht ist in aller Regel auf die Wahl einer falschen Verfahrensart zurückzuführen. Die Wahl einer falschen Verfahrensart stellt einen schwerwiegenden Rechtsmangel dar, der wegen des Grundsatzes der Rechtsanwendung von Amtes wegen (§ 20 Abs. 2 VRPG in Verbindung mit § 23 SubmD) auch dann zu berücksichtigen ist, wenn er nicht ausdrücklich gerügt wird (AGVE 1997, S. 343). Die Vergabestelle hat sich für ein offenes Verfahren im Sinne von § 7 Abs. 1 SubmD entschieden. Die Veröffentlichung der Aus- schreibung erfolgte in der Zeitschrift Baublatt, einer Fachzeitschrift für die Schweizer Baubranche, deren Auflage 10'854 Exemplare beträgt (siehe www.baublatt.ch). Die Zeitschrift erscheint unter dem Titel Batimag auch in einer französischen Fassung mit einer Auflage von 5'000 Exemplaren (siehe www.batimag.ch) und wird auf Verlan- gen auch ausländischen Abonnenten zugestellt. Somit ist hier weder eine falsche Verfahrensart gewählt noch gänzlich auf eine Veröffent- lichung der Ausschreibung verzichtet worden. Aufgrund der weiten Verbreitung der Zeitschrift Baublatt hat wohl eine grosse Mehrheit möglicher Interessenten von der Ausschreibung Kenntnis erhalten; Beleg hierfür ist insbesondere die grosse Zahl von Teilnehmern an- lässlich der obligatorischen Begehung (33 Unternehmen). Insofern erweist sich die Unterlassung der Vergabestelle nicht als folgen- schwer. Auch lag seitens der Vergabestelle keine Absicht vor; viel- mehr handelt es sich um ein offensichtliches Versehen. Unter diesen besonderen Umständen sind weder das öffentliche Interesse an einer korrekten Durchführung des Verfahrens zur 2004 Verwaltungsgericht 236 Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots noch das In- teresse der Allgemeinheit an einem wirksamen Wettbewerb in einem Masse betroffen, das eine Wiederholung des Submissionsverfahren als zwingend erforderlich erscheinen lässt. Der Verfahrensfehler ist deshalb nicht als schwerwiegend im Sinne der vorerwähnten Rechtsprechung zu qualifizieren und folglich auch nicht von Amtes wegen zu berücksichtigen. Da auch die Beschwerdeführerinnen aus der unterbliebenen Publikation im Amtsblatt keine negativen Folgen ableiten (sie haben auf einen entsprechenden, ergänzenden Antrag verzichtet), bleibt das Versehen der Vergabestelle folgenlos. 3. (...) d) Die Bereinigung der Angebote ist in § 17 SubmD geregelt. Danach prüft die Vergabestelle die Angebote rechnerisch und fach- lich und bringt sie auf eine vergleichbare Basis (§ 17 Abs. 1 SubmD). Sind Angaben eines Angebots unklar, so können von den Anbietenden Erläuterungen, fachliche Präsentationen, Begehungen usw. verlangt werden, die schriftlich festzuhalten sind (§ 17 Abs. 2 SubmD). Die Vergabestelle darf offensichtliche Rechnungsfehler korrigieren (§ 17 Abs. 3 SubmD). Abgebotsrunden sind verboten. Abänderungen eines Angebots dürfen nur während der Eingabefrist und nur auf schriftlichem Weg erfolgen (§ 17 Abs. 4 SubmD). aa) Das Verwaltungsgericht erachtet eine technische Bereini- gung der Offerten als zulässig. Es ist jedoch zu beachten, dass Ange- bote, nicht nur hinsichtlich des Preises, sondern auch in Bezug auf die offerierte Leistung nach Ablauf der Eingabefrist nicht mehr ge- ändert werden dürfen. Daraus folgt, dass Offertbereinigungen techni- scher Natur, die über die Berichtigung von Rechnungsfehlern oder anderer offensichtlicher Irrtümer und Fehler hinausgehen, aufgrund der mit ihnen verbundenen Gefahr der Wettbewerbsverfälschung bzw. Begünstigung einzelner Bewerber eher zurückhaltend zu hand- haben sind und jedenfalls nicht zu einer Änderung des Leistungsin- halts führen dürfen. Die zulässige technische Bereinigung der Offer- ten kann unter Umständen zusätzliche Abklärungen bei einzelnen Anbietern erforderlich erscheinen lassen. Die Vergabestelle ist daher befugt, im Rahmen einer Offertbereinigung bei den Anbietern Rück- fragen zu machen, ohne sich allein deswegen bereits dem Vorwurf 2004 Submissionen 237 der Annahme eines unzulässigen Angebots oder einer sonstigen Wettbewerbsverfälschung auszusetzen. Anderseits haben solche Rückfragen aus eben diesem Grund mit der nötigen Zurückhaltung und Sorgfalt (§ 17 Abs. 2 SubmD) zu geschehen; zudem sind dabei alle Anbietenden nach gleichem Massstab zu behandeln (AGVE 1999, S. 342 ff.). bb) Es stellt sich die Frage, inwieweit Angebote, welche zwingend einzuhaltenden Randbedingungen widersprechen, im Rah- men der Offertbereinigung noch korrigiert werden dürfen. Vorliegen- denfalls führt die Korrektur der Offerte zu einer Änderung des Leis- tungsinhalts, indem der zeitliche Ablauf der Leistungserbringung (Neugestaltung des Bauprogramms) und die Ausführungsweise (Re- duktion der Längen einer Etappe mit freiliegender Planie auf 1000 m; Neuorganisation der Baustellenzufahrt) Anpassungen er- fahren haben. Erst aufgrund des revidierten Bauprogramms erbringen die Zuschlagsempfängerinnen den Nachweis dafür, dass sie die von der Vergabestelle bezüglich der Anlegung der Planien vorgegebene Etappierung auch tatsächlich umsetzen. Die Zuschlagsempfängerin- nen sahen im ursprünglichen Bauprogramm vor, die Planien teil- weise während mehr als einer Woche offen zu lassen, bevor mit den Belagsarbeiten begonnen wird. Dem entsprach die offerierte Bauzeit von 22.5 Wochen. Werden dagegen die Planien nach den Vorgaben der Vergabestelle erstellt, so ist nach Meinung des Fachrichters höchst fraglich, ob dies nicht eine unrealistisch kurze Bauzeit gewe- sen wäre. Man hat es daher mit einer ganz erheblichen Änderung des Leistungsinhalts zu tun. Eine derart weitreichende technische Berei- nigung eines Angebots übersteigt das noch zulässige Mass klar. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die im Bau- programm ausgewiesene Bauzeit und die Plausibilität des Baupro- gramms alleinige Grundlage der (strittigen) Bewertung des mit 30% gewichteten Zuschlagskriteriums "Termine" bildeten und die Zuschlagsempfängerinnen hier als einzige die Maximalpunktzahl er- hielten. Die Fehlerhaftigkeit des Angebots der Zuschlag- sempfängerinnen betraf somit nicht bloss einen untergeordneten Sachverhalt, sondern einen für das Vergabeverfahren entscheidenden Aspekt. Mit ihrem Vorgehen hat die Vergabestelle die Zuschlags- 2004 Verwaltungsgericht 238 empfängerinnen in einer Weise begünstigt, die sich mit den Grundsätzen eines fairen Verfahrens, insbesondere dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Anbieter, nicht vereinbaren lässt. e) Erweist sich die technische Bereinigung eines den zwingen- den Anforderungen der Vergabe widersprechenden Angebots als unzulässig, ist das Angebot vom Verfahren auszuschliessen (AGVE 1999, S. 351). So hätte hier auch die Vergabestelle verfahren müssen. Durch die Berücksichtigung des fraglichen Angebots bei der Vergabe hat sie das ihr zustehende Ermessen klar überschritten. Schon aus diesem Grund ist der angefochtene Zuschlag aufzuheben.
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2019 Übriges Verwaltungsrecht 221 XIII. Übriges Verwaltungsrecht 33 Grundbuch Die flächenmässige Aufteilung eines selbstständigen und dauernden Bau- rechts unter Mitwirkung der Parteien des Dienstbarkeitsvertrags führt zu einem zusätzlichen dinglichen Recht, welches für die Mindestdauer von 30 Jahren zu begründen ist. Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 27. März 2019, in Sachen Ortsbürgergemeinde A., B. AG und C. AG gegen Departement Volkswirtschaft und Inneres (WBE.2018.250). Aus den Erwägungen 3. Die Beschwerdeführerinnen verlangen die Eintragung des ab- gewiesenen Rechtsgeschäfts. Sie berufen sich im Wesentlichen darauf, dass die flächenmässige Aufteilung eines Baurechtsgrund- stücks entsprechend der Berner Grundbuchpraxis zulässig sei. Zwar könnten selbstständige und dauernde Baurechte nicht wie Liegen- schaften parzelliert werden, hingegen könne eine Aufteilung im Rahmen einer formgültigen Abänderung des Dienstbarkeitsvertrags erfolgen. Die flächenmässige Aufteilung eines selbstständigen und dauernden Baurechts bedürfe nebst Messurkunde und Situationsplan zur Planänderung eines öffentlich beurkundeten Vertrags, an wel- chem mindestens die baurechtsbelastete und die baurechtsberechtigte Partei mitwirkten. Für die Zulässigkeit entsprechender Aufteilungen plädierten insbesondere der langjährige Grundbuchverwalter des Grundbuchamts Thun-Oberland, Prof. Dr. iur. Roland Pfäffli, sowie dessen Nachfolger Adrian Mühlematter. 4. - 5. (...) 6. 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 222 6.1. Art. 655 Abs. 2 Ziff. 2 ZGB bezeichnet die in das Grundbuch aufgenommenen selbstständigen und dauernden Rechte als Grund- stücke im Sinne des Gesetzes. Gemäss Art. 655 Abs. 3 ZGB kann eine Dienstbarkeit an einem Grundstück als selbstständiges und dauerndes Recht in das Grundbuch aufgenommen werden, wenn sie weder zugunsten eines berechtigten Grundstücks noch ausschliess- lich zugunsten einer bestimmten Person errichtet ist (Ziff. 1) und auf wenigstens 30 Jahre oder auf unbestimmte Zeit begründet ist (Ziff. 2). Als solches kann es Gegenstand des Rechtsverkehrs, insbe- sondere Belastungsobjekt von beschränkten dinglichen Rechten wie Dienstbarkeiten und Grundpfandrechten sein, sofern es Sachherr- schaft vermittelt (LORENZ STREBEL/HERMANN LAIM, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch II [BSK-ZGB II], Art. 457-977 ZGB, 5. Auflage, 2015, Art. 655 N 11 mit Hinweisen). Dies gilt insbesondere für das Baurecht (vgl. Art. 779 Abs. 3 ZGB). Das Bundesgericht führte in einem Urteil vom 19. Mai 1992 aus, es sei anerkannt, dass die selbstständigen und dauernden Rechte durch diese gesetzgeberische Fiktion nicht zu Grundstücken, d.h. zu Sachobjekten gemacht würden, an denen Eigentum begründet wer- den könnte; die Bestimmungen über die Grundstücke könnten dem- gemäss nur analog auf sie angewendet werden, indem den Besonder- heiten ihres Charakters als Dienstbarkeitsrechte Rechnung getragen werde (BGE 118 II 115, Erw. 2 mit Hinweisen). Unter Verweis auf die grundsätzlich fehlende Sachqualität lehnt die herrschende Lehre eine Parzellierung bzw. Teilung selbstständiger und dauernder Rechte ab (vgl. PETER LIVER, Die Grunddienstbarkeiten, in: Kom- mentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, Zürich 1980 [ZK-LIVER], Art. 743 N 13 f.; ADRIAN MÜHLEMATTER, Teilung und Vereinigung von Grundstücken, in: BN 2017, S. 36 f.). 6.2. 6.2.1. Nach Auffassung der Vorinstanz ist die Konstruktion der Auf- teilung bzw. Abänderung des ursprünglichen Baurechts LIG Nr. 4143-1 in ein reduziertes Baurechtsgrundstück LIG Nr. 4143-1 sowie in ein neues Baurechtsgrundstück LIG Nr. 4143-5 [...] nicht 2019 Übriges Verwaltungsrecht 223 eintragungsfähig. Soweit sich die Vorinstanz damit auf die fehlende Sachqualität des selbstständigen und dauernden Baurechts beruft, überzeugt ihre Argumentation nur beschränkt. Die Einräumung eines selbstständigen und dauernden Rechts zu Gunsten der Beschwerde- führerin 3 erfolgt - wie die Beschwerdeführerinnen zu Recht vor- bringen - entsprechend ihrer Vorstellung nicht einseitig durch die Beschwerdeführerin 2 als Baurechtsnehmerin. Im Hinblick auf die Beteiligung der Grundeigentümerin und Baurechtsgeberin ist anzu- nehmen, dass die Vertragsparteien eine Abänderung des ursprüng- lichen Dienstbarkeitsvertrags (unter Einbezug einer weiteren Partei) beabsichtigten. Dies ist insbesondere naheliegend, da die Vertrags- parteien den ursprünglichen Baurechtsvertrag zum integrierenden Bestandteil des neuen Dienstbarkeitsvertrags erklärten und der Be- schwerdeführerin 3 obligatorische Verpflichtungen wie die Bau- rechtszinsverpflichtung (teilweise) überbunden werden sollten. 6.2.2. Die Verlegung der Baurechtsfläche und Flächenveränderungen in Form der Ausweitung oder Verkleinerung der Baurechtsfläche können anerkanntermassen durch eine Änderung des Dienstbarkeits- vertrags bewirkt werden (vgl. CHRISTIAN BRÜCKNER/MATHIAS KUSTER, Die Grundstücksgeschäfte, Zürich/Basel/Genf 2016, Rz. 516, 1556 ff.). In diesem Zusammenhang können im Grundbuch - wie die Vorinstanz zu Recht ausführt - insbesondere Teil- löschungen des ursprünglichen Baurechtsgrundstücks (im Sinne einer Flächenverkleinerung) erfolgen. Auch Erweiterungen der Baurechtsparzelle können auf diesem Weg vereinbart werden (vgl. Nachtrag zum Kurzgutachten von Prof. Dr. iur. Roland Pfäffli). Die Vertragsparteien haben sich indessen nicht für eine (aner- kanntermassen zulässige) Flächenverschiebung der aneinander- grenzenden Baurechtsparzellen (der Beschwerdeführerinnen 2 und 3) entschieden; vielmehr möchten sie für die ungenutzte Teilfläche von SDR Nr. 4143-1 ein selbstständiges und dauerndes Baurecht aus- scheiden (SDR Nr. 4143-5). Dieses soll der Beschwerdeführerin 3 zustehen, welche als Drittpartei in das Baurechtsverhältnis zwischen den Beschwerdeführerinnen 1 und 2 eintritt. Aus den Akten geht nicht schlüssig hervor, welche Motive gegen eine flächenmässige 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 224 Verkleinerung von SDR Nr. 4143-1 und eine Vergrösserung von SDR Nr. 4143-2 sprachen. 6.2.3. Nach der bernischen Grundbuchpraxis kann auch die flächen- mässige Aufteilung eines Baurechtsgrundstücks durch eine formgül- tige Abänderung des bisherigen Dienstbarkeitsvertrags erfolgen (vgl. Handbuch für den Verkehr mit den Grundbuchämtern und die Grundbuchführung der bernischen Justiz-, Gemeinde- und Kirchen- direktion, Ziff. 3.7, S. 39; MÜHLEMATTER, a.a.O., S. 37). Damit hat auch diese Praxis ihren Anwendungsbereich bei der Abänderung von Dienstbarkeitsverträgen unter Beteiligung des Baurechtsgebers. Die Vorinstanz erwähnte die Möglichkeit der Teillöschung des ursprüng- lichen Baurechts und der Neuerrichtung eines Baurechts auf der frei- gegebenen Teilfläche. So oder so dürfte bei der Abänderung des ur- sprünglichen Dienstbarkeitsvertrags kein Widerspruch zum Grund- satz der Unteilbarkeit von Dienstbarkeiten (ZK-LIVER, Art. 730 N 47) entstehen, wenn Baurechtsgeber und -nehmer eine Aufteilung eines Baurechtsgrundstücks vereinbaren. Auch Art. 25 Abs. 1 VAV spricht von der Teilung flächenmässig ausgeschiedener selbstständi- ger und dauernder Rechte. Diesbezüglich berufen sich die Be- schwerdeführerinnen zu Recht auf Art. 19 OR, wonach der Inhalt eines Baurechtsvertrags unter Beachtung des sachenrechtlichen Typenzwangs festgestellt werden kann (vgl. Nachtrag zum Kurzgut- achten von Prof. Dr. iur. Roland Pfäffli; CHRISTINA SCHMID- TSCHIRREN, Numerus clausus - Bemerkungen zum sachenrecht- lichen Typenzwang, in: BN 2014, S. 444). Insoweit ist insbesondere nicht zwingend, dass (einseitig durch den Baurechtsnehmer) ein Unterbaurecht errichtet wird (in ZK-LIVER, Art. 743 N 14, als rechtliches Mittel der Parzellierung des Baurechtsgrundstücks bezeichnet). In der Kommentierung von PETER LIVER wird die Teilung bzw. Parzellierung eines Baurechts im Hinblick auf die Befugnisse des Baurechtsnehmers abgelehnt, nicht jedoch die Änderung des Dienstbarkeitsvertrags (vgl. ZK-LIVER, Art. 743 N 13 f.). 6.3. 6.3.1. 2019 Übriges Verwaltungsrecht 225 Weder die Literatur noch die angesprochene Berner Praxis äussern sich zu den Voraussetzungen und Konsequenzen einer flächenmässigen Aufteilung eines selbstständigen und dauernden Baurechts. Unabhängig davon ist festzuhalten, dass die vereinbarte Aufteilung des Baurechts zur Errichtung eines neuen selbstständigen und dauernden Rechts führt. Insoweit ist - in Bezug auf den vorlie- genden Fall - wesentlich, welche Bedeutung Art. 655 Abs. 3 Ziff. 2 ZGB zukommt, wonach dieses auf wenigstens 30 Jahre zu begründen ist. 6.3.2. Im Gegensatz zu Verschiebungen und Flächenveränderungen des Baurechtsgrundstücks, wo kein zusätzliches dingliches Recht er- richtet wird, geht eine flächenmässige Aufteilung mit der Errich- tung eines zusätzlichen (selbstständigen und dauernden) Baurechts einher. (...) 6.3.3. Vorliegend wurde das bestehende Baurecht (SDR Nr. 4143-1) für die Dauer von 50 Jahren, d.h. bis 16. Mai 2038, vereinbart. Dessen Verlängerung ist im Rahmen der Abänderung des Dienstbar- keitsvertrags nicht vorgesehen. Nach der Vorstellung der Vertragspar- teien soll das der Beschwerdeführerin 2 zustehende Baurecht flächenmässig verkleinert und auf der freigegebenen Fläche ein wei- teres selbstständiges und dauerndes Baurecht (zu Gunsten der Be- schwerdeführerin 3) begründet werden, letzteres für die (Rest-)Dauer von ca. 20 Jahren. Bei der blossen Verlängerung eines selbststän- digen und dauernden Baurechts, d.h. der Fortsetzung des bisherigen Rechtsverhältnisses, müsste die Mindestdauer von Art. 655 Abs. 3 Ziff. 2 ZGB nicht beachtet werden (vgl. STEPHAN SPYCHER, in: STEPHAN WOLF [Hrsg.], Dienstbarkeiten im Wandel - von Weg und Steg zum Energie-Contracting, INR - Institut für Notariatsrecht und Notarielle Praxis, Band/Nr. 16, Bern 2014, S. 125). Hingegen führt die Aufteilung eines Baurechtsgrundstücks zur Errichtung eines wei- teren selbstständigen und dauernden Rechts (vorliegend SDR Nr. 4143-5). Dem Privatgutachter kann nicht gefolgt werden, wenn dieser ausführt, dass keine formelle Parzellierung erfolge, und darauf verweist, das bestehende Baurecht sei seinerzeit auf eine 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 226 Dauer von über 30 Jahren begründet worden (vgl. Nachtrag zum Kurzgutachten von Prof. Dr. iur. Roland Pfäffli). Diesbezüglich ist zwischen der Abänderung und der Begründung eines selbstständigen und dauernden Rechts zu differenzieren. Die vereinbarte Aufteilung des Baurechtsgrundstücks (unter Einbezug einer weiteren Partei in den Dienstbarkeitsvertrag) würde zu einer Umgehung der Bestim- mungen über die Mindestdauer von selbstständigen und dauernden Rechten führen (zur Prüfungsbefugnis des Grundbuchverwalters vgl. hinten Erw. 6.5). Ob diese Problematik nicht besteht, wenn ein Baurechtsgrund- stück durch einen neu angelegten Weg flächenmässig aufgeteilt wird, muss vorliegend nicht geklärt werden (vgl. Kurzgutachten von Prof. Dr. iur. Roland Pfäffli). Ergänzend ist jedoch festzuhalten, dass sich die Aufteilung einer Liegenschaft durch eine Wegparzelle (und die gemäss Art. 974a ZGB damit verbundene Bereinigung der Dienst- barkeiten) nicht mit der beabsichtigten Aufteilung bzw. Begründung eines selbstständigen und dauernden Baurechts vergleichen lässt. Mit der Revision des Immobiliarsachenrechts (in Kraft getreten am 1. Januar 2012) wurde die Mindestdauer von selbstständigen und dauernden Rechten auf Gesetzesstufe geregelt (vgl. Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Register-Schuld- brief und weitere Änderungen im Sachenrecht] vom 27. Juni 2007, 07.061, in: BBl 2007 5304). Insoweit berufen sich die Be- schwerdeführerinnen vergeblich auf eine fehlende gesetzliche Grundlage (zur Prüfungsbefugnis des Grundbuchverwalters vgl. hin- ten Erw. 6.5). Die Rechtfertigung für die Mindestdauer kann mitunter in der Belastbarkeit als Grundstück gesehen werden (vgl. PETER R. ISLER/DOMINIQUE GROSS, in: BSK-ZGB II, Art. 779 N 30; JÜRG SCHMID, in: BSK-ZGB II, Art. 943 N 18, 20). Die Vorinstanz ver- weist diesbezüglich zu Recht auf Bedürfnisse des Investitions- schutzes. Unabhängig davon erscheint fraglich, ob seitens von ge- werblichen Baurechtsnehmern ein praktisches Bedürfnis besteht, selbstständige und dauernde Baurechte für eine Dauer von unter 30 Jahren errichten zu können (zu üblicherweise definierten Dauern vgl. URS BÜRGY/ADRIAN FRITZ/MARC HENDRY, Der Baurechtsver- trag und seine Komplexität, in: SREJ 15/2017, S. 36). 2019 Übriges Verwaltungsrecht 227 Dieselbe Problematik würde sich im Übrigen auch bei der Er- richtung eines selbstständigen und dauernden Unterbaurechts stellen: Dessen Dauer dürfte einerseits diejenige des bestehenden Baurechts nicht überschreiten und andererseits wäre es auf wenigstens 30 Jahre zu begründen (vgl. ISLER/GROSS, a.a.O., Art. 779 N 36 f.; Kurzgut- achten von Prof. Dr. iur. Roland Pfäffli; Nachtrag zum Kurzgutach- ten von Prof. Dr. iur. Roland Pfäffli). 6.4. Von den Beschwerdeführerinnen herangezogene Vergleichsfälle können zu keiner anderen Beurteilung führen. Dies betrifft insbeson- dere eine mögliche Parzellierung eines (Baurechts-)Grundstücks im Rahmen von öffentlich-rechtlichen Enteignungen bzw. diesbezüg- licher rechtsgeschäftlicher Vereinbarungen. In diesem Zusammen- hang erwähnte Verbreiterungen von Strassenparzellen sind nicht ver- gleichbar, denn hier entsteht kein zusätzliches selbstständiges und dauerndes Baurecht zu Gunsten eines Dritten (vgl. Kurzgutachten von Prof. Dr. iur. Roland Pfäffli). Schliesslich handelt es sich beim Beispiel LIG D./183-1 nach Darstellung der Vorinstanz um eine flächenmässige Erweiterung eines Baurechtsgrundstücks, welche an- erkanntermassen zulässig ist (vgl. vorne Erw. 6.2.2). 6.5. Es kann somit festgehalten werden, dass die vereinbarte Auftei- lung des Baurechtsgrundstücks nicht eintragungsfähig ist. Für die Aufnahme einer neuen Baurechtsparzelle ins Grundbuch würde vorausgesetzt, dass die Vertragsparteien für diese eine Mindestdauer von 30 Jahren vorsähen. Das Grundbuchamt prüft, gestützt auf die mit der Anmeldung eingereichten weiteren Belege, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Eintragung in das Hauptbuch erfüllt sind (Art. 83 Abs. 1 GBV). Insbesondere zu prüfen hat es die Verfügungsberechtigung der anmeldenden Person (Art. 83 Abs. 2 lit. c GBV) sowie die Rechtsgrundausweise, insbesondere deren Form (lit. g; vgl. dazu BETTINA HÜRLIMANN-KAUP, Die Änderung von Dienstbarkeiten - ausgewählte Fragen, in: BN 2013, S. 131 f.). Bei der Mindestdauer für selbstständige und dauernde Rechte gemäss Art. 655 Abs. 3 Ziff. 2 ZGB handelt es sich um eine zwingende Bestimmung, ohne 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 228 deren Einhaltung kein Hauptbuchblatt angelegt werden darf (vgl. Art. 22 GBV). Bei der vereinbarten Aufteilung der Baurechtsparzelle erscheint die Aufnahme des neu auszuscheidenden Baurechtsgrund- stücks und damit dessen (Mindest-)Dauer objektiv und subjektiv we- sentlich (in diesem Sinne: Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 25. Oktober 2002, Erw. 2c/ee, in: ZBGR 86/2005, S. 294; vgl. auch BRÜCKNER/KUSTER, a.a.O., Rz. 1536). Insoweit unterscheidet sie sich von der blossen Eintragung einer Bau- rechtsdienstbarkeit, welche grundsätzlich nicht von der Möglichkeit abhängt, diese im Zeitpunkt der Eintragung oder danach als selbst- ständiges und dauerndes Recht ins Grundbuch aufzunehmen (vgl. § 22 Abs. 1 GBV, wonach die Aufnahme auf schriftliches Begehren der berechtigten Person erfolgt; STREBEL/LAIM, a.a.O., Art. 655 N 10; SCHMID, a.a.O., Art. 943 N 19 ff.). Die gegenteilige Auffassung des privaten Rechtsgutachters gründet darin, dass dieser in unzutreffender Weise annimmt, die Mindestdauer für selbstständige und dauernde Rechte sei für die neu auszuscheidende Baurechtsparzelle unbeachtlich (vgl. Nachtrag zum Kurzgutachten von Prof. Dr. iur. Roland Pfäffli). (Anmerkung: Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts wurde Beschwerde in Zivilsachen erhoben [5A_341/2019].)
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AG_VG_001
AG_VG
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AG_VG_001_AGVE-2019-33_2019-03-03
http://agve.weblaw.ch/html//AGVE-2019-33.html
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2002 Verwaltungsgericht 366 [...] 86 Anwaltskommission, Disziplinarverfahren. - Aufgaben und Besetzung der Anwaltskommission; diese ist kein Ge- richt im Sinne von Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK (Erw. 1/b/bb,dd). - Der Anzeiger bzw. die anzeigende Behörde ist nicht Partei im Diszi- plinarverfahren (Erw. 1/b/dd). - Bei einer Anzeige durch das Obergericht müssen Oberrichter, die der Anwaltskommission angehören, nicht in den Ausstand treten, wenn sie an der Anzeige nicht direkt beteiligt waren (Erw. 1/b,c). - Beruht der Vorwurf ausschliesslich auf der Kombination der Tätig- keiten als Anwalt und als Notar, richtet sich die Zuständigkeit zur Disziplinierung (Anwaltskommission oder Notariatskommission/ Re- gierungsrat) nach der näheren sachlichen Beziehung (Erw. 2,3). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 11. Dezember 2002 in Sachen Fürsprecher X. gegen Entscheid der Anwaltskommission. Aus den Erwägungen 1. a) Mit seinem Eventualantrag beantragt der Beschwerdefüh- rer, der angefochtene Entscheid sei wegen unkorrekter Besetzung der Anwaltskommission aufzuheben und zur Neubeurteilung in richtiger Besetzung zurückzuweisen. Dieses Vorbringen führt, sofern zutref- fend, zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids ohne materielle Überprüfung und ist deshalb vorab zu behandeln. 2002 Disziplinarrecht (Anwälte, Notare) 367 b) aa) Der Beschwerdeführer hat in seiner Eingabe vom 6. Juni 2002 an die Anwaltskommission darauf hingewiesen, dass beim Entscheid der Anwaltskommission seines Erachtens keine Oberrichter und Ersatzrichter des Obergerichts mitwirken dürften, da die Anzeige vom Obergericht ausgegangen sei. Es handelte sich nicht um ein formelles Ablehnungsbegehren, doch war dies auch nicht erforderlich angesichts der Behauptung, es liege ein - von Amtes wegen zu beachtender - Ausschliessungsgrund vor. bb) Die Anwaltskommission ist eingesetzt als Aufsichtsbehörde über die Anwälte. Sie setzt sich zusammen aus zwei Oberrichtern, zwei praktizierenden Anwälten und einem weiteren Juristen mit Fä- higkeitsausweis als Anwalt sowie einer gleichen Zahl von Ersatz- mitgliedern mit entsprechenden Voraussetzungen. Wahlbehörde ist das Obergericht; für die Mitglieder aus dem Anwaltsstand steht dem aargauischen Anwaltsverband ein Vorschlagsrecht zu (Art. 3 AnwG). Die Aufgaben der Anwaltskommission bestehen aus der Durchfüh- rung der Prüfungen mit der Erteilung des Fähigkeitsausweises und der Berufsausübungsbewilligung, der Entbindung vom Berufsge- heimnis sowie der Aufsicht einschliesslich der Verhängung von Dis- ziplinarstrafen und dem Entzug der Berufsausübungsbewilligung (§ 4 AnwG; vgl. auch Art. 14 ff. des Bundesgesetzes über die Freizü- gigkeit der Anwältinnen und Anwälte [BGFA; SR 935.61] vom 23. Juni 2000). Die Anwaltskommission gilt von ihrer Funktion her nicht als Gericht im Sinne von Art. 30 Abs. 1 BV und von Art. 6 Ziff. 1 EMRK (BGE 126 I 230 ff. betreffend die zürcherische Auf- sichtskommission über die Rechtsanwälte, bei vergleichbarer Rege- lung; BGE 123 I 90 ff. betreffend die bündnerische Notariatskam- mer), sondern als mit administrativen Aufgaben beauftragte Behörde. Soweit sie Disziplinarverfahren durchführt, verfolgt sie das öffentli- che Interesse an der ordnungsgemässen Ausübung des Anwaltsbe- rufs. Das Anwaltsgesetz enthält für das Verfahren vor der Anwalts- kommission keine Ausstandsbestimmungen und verweist auch nicht ausdrücklich auf das VRPG (anders für das Beschwerdeverfahren vor Verwaltungsgericht [vgl. § 35 Abs. 2 AnwG]). § 1 Abs. 1 und 2 VRPG, wonach dieses Gesetz (zumindest subsidiär) für das Verfah- 2002 Verwaltungsgericht 368 ren vor dem Verwaltungsgericht, den Spezialverwaltungsgerichten und den Verwaltungsbehörden gilt, führt trotzdem zur Anwendung der VRPG-Bestimmungen. Für Behördemitglieder und Sachbearbei- ter gelten neben der ausdrücklichen Bestimmung von § 5 Abs. 2 VRPG (persönliches Interesse; Mitglied der Verwaltung einer juristi- schen Person; vorherige Mitwirkung in der Sache, in einer unteren Instanz oder als Vertreter oder Berater) die Ausstandsgründe der ZPO (Art. 5 Abs. 1 VRPG). cc) Liegt ein Ausschliessungsgrund (§ 2 ZPO) vor, so muss sich der Richter von Amtes wegen in den Ausstand begeben, ohne dass es eines Anstosses durch die Verfahrensparteien bedürfte (§ 4 Abs. 1 ZPO; Alfred Bühler, in: Kommentar zur aargauischen Zivilprozess- ordnung, 2. Auflage, Aarau/Frankfurt a.M./Salzburg 1998, § 2 N 1, § 4 N 1). Der Beschwerdeführer beruft sich auf § 2 lit. a Ziff. 8 ZPO, wonach der Richter von der Ausübung seines Amtes ausgeschlossen ist in Streitsachen, in denen eine Behörde Partei ist, der er oder sein Ehegatte als Mitglied angehört. dd) Wie bereits ausgeführt, ist die Anwaltskommission eine mit administrativen Aufgaben beauftragte Behörde. Soweit sie Diszipli- narverfahren durchführt, verfolgt sie selber das öffentliche Interesse an der ordnungsgemässen Ausübung des Anwaltsberufs. Sie ent- scheidet nicht im Streit zwischen einem Anzeiger (bzw. der anzei- genden Behörde) und dem Anwalt, sondern ist vielmehr selber eine Art "Gegenpartei" des Anwalts (BGE 126 I 232); der Anzeiger ist am Disziplinarverfahren ausschliesslich insoweit beteiligt, als es durch seine Anzeige in Gang kommt, und er nimmt insbesondere nicht Parteistellung ein. Dass es einer anzeigenden Behörde nicht um die Wahrung eigener Interessen geht (was mit der Parteistellung re- gelmässig verbunden ist), zeigt sich schon daran, dass Gerichte und andere Behörden ungeachtet der Interessenlage verpflichtet sind, der Anwaltskommission Meldung zu erstatten, wenn das Verhalten eines Anwalts gegen seine Berufspflichten verstossen könnte (Art. 15 BGFA; § 24 Abs. 2 AnwG). Demgemäss ist festzuhalten, dass weder das Obergericht noch dessen 2. Zivilkammer als Partei am Disziplinarverfahren vor der 2002 Disziplinarrecht (Anwälte, Notare) 369 Anwaltskommission beteiligt waren. § 2 lit. a Ziff. 8 ZPO kommt somit nicht zur Anwendung. c) Weiter beruft sich der Beschwerdeführer auf die Ableh- nungsgründe von § 3 lit. b und c ZPO. aa) Ablehnungsbegehren müssen so früh wie möglich gestellt werden (vgl. BGE 119 Ia 228 f.; Bühler, a.a.O., Vorbemerkungen §§ 2-8 N 8). Die Eingabe des Beschwerdeführers vom 6. Juni 2002 war seine erste nach der Eröffnung des Disziplinarverfahrens. Auch wenn er kein formelles Ablehnungsbegehren stellte, machte er damit rechtzeitig geltend, Mitglieder und Ersatzmitglieder des Obergerichts dürften in der Anwaltskommission nicht mitwirken. bb) Der Ablehnungsgrund von § 3 lit. b ZPO (Freundschaft, Feindschaft oder ein Pflicht- oder Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Richter und einer Partei) ist nicht gegeben, denn, wie bereits dargelegt, war das Obergericht nicht Partei des Disziplinarverfahrens vor der Anwaltskommission. cc) Gemäss § 3 lit. c ZPO kann ein Richter abgelehnt werden, wenn (andere) Umstände vorliegen, die ihn als befangen erscheinen lassen können. Dass die Anwaltskommission nicht als Gericht tätig ist, sondern als mit administrativen Aufgaben beauftragte Behörde, hat zur Folge, dass in diesem Verfahren - unter Vorbehalt ausdrücklicher, weiter gehender Bestimmungen - etwas weniger strenge Ausstandsbestim- mungen einzuhalten sind als diejenigen, die für Gerichte gelten, wo- bei immerhin höhere Mindestanforderungen gelten als bei eigentli- chen Verwaltungsbehörden (BGE in ZBl 100/1999, S. 76 f.). Das Bundesgericht hat bei weitgehend identischem Sachverhalt entschieden, wenn die Anzeige gegen einen Anwalt von einer Be- hörde ausgehe, müssten die Mitglieder der Anzeige erstattenden Behörde nicht zwingend als befangen erscheinen. Die Befürchtung der Voreingenommenheit (mit der Folge, dass sie bei Mitwirkung in der Aufsichtsbehörde abgelehnt werden könnten) könne aber entste- hen, wenn das behauptete Disziplinarvergehen des Anwalts mit ei- nem vor dieser Behörde durchgeführten Verfahren zusammenhänge. Dies treffe namentlich dann zu, wenn die Mitglieder der Behörde mit der Anzeige bereits die Auffassung manifestiert hätten, es liege ver- 2002 Verwaltungsgericht 370 mutlich ein Disziplinarverstoss vor. Auch in einem solchen Fall liess das Bundesgericht aber nur die Ablehnung derjenigen Behördemit- glieder zu, die an der Anzeige direkt beteiligt gewesen waren (ZBl 100/1999, S. 78 ff., insbesondere S. 80 oben). Dieser bundesgericht- lichen Rechtsprechung ist zu folgen. Gerade angesichts der Ver- pflichtung zur Anzeigeerstattung (siehe vorne Erw. b/dd) kann aus der Anzeige allein nicht auf eine Voreingenommenheit der Mitglieder der anzeigenden Behörde geschlossen werden. Im Weiteren muss von Mitgliedern des Obergerichts erwartet werden können, dass sie Ansichten ihrer Kolleginnen und Kollegen kritisch überprüfen. Dies gehört bei Kollegialgerichten zum Alltag und hat auch Geltung, wenn Mitglieder des Obergerichts in der Anwaltskommission tätig sind und in einem Disziplinarverfahren zu entscheiden haben, das durch eine Anzeige des Obergerichts in Gang gesetzt wurde. Im vorliegenden Fall ging die Anzeige von der 2. Zivilkammer des Obergerichts aus, die den Zivilprozess in der Besetzung mit den Oberrichtern A, B und C behandelte. Soweit die wegen unzulässiger Prozessvertretung erstattete Anzeige auf eine relevante Vorbefassung schliessen lassen könnte - was angesichts der einlässlichen Begrün- dung der Anzeige wohl zu bejahen wäre -, sind davon nur die ge- nannten Richter betroffen, nicht aber Oberrichterin D. und Ober- richter E., die beim angefochtenen Entscheid der Anwaltskommis- sion mitwirkten; dass Oberrichter E. ebenfalls Mitglied der 2. Zivil- kammer ist, ändert nach dem zuvor Ausgeführten nichts an dieser Beurteilung. Andere, konkrete Hinweise, aus denen auf eine Befan- genheit von Oberrichterin D. und Oberrichter E. geschlossen werden könnte, nennt der Beschwerdeführer nicht. d) Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass die Besetzung der Anwaltskommission beim angefochtenen Entscheid nicht zu beanstanden ist. Das Eventualbegehren erweist sich als un- begründet. 2. a) (...) Diese Begründung hat die Anwaltskommission in ih- rem Entscheid übernommen. Der Vorwurf erstreckt sich somit auf die Kombination der Tätigkeiten des Beschwerdeführers als Notar und als Anwalt, die in der vorliegenden Konstellation als unzulässig 2002 Disziplinarrecht (Anwälte, Notare) 371 erachtet wurde. Weder die Tätigkeit als Anwalt noch diejenige als Notar, je für sich allein genommen, werden beanstandet. b) Die Anwälte unterstehen im Bereich ihrer Tätigkeit der Auf- sicht der Anwaltskommission, die Notare für ihren Tätigkeitsbereich derjenigen der Notariatskommission und des Regierungsrats (§ 1, § 43 NO). Wo jemand, wie im vorliegenden Fall, Anwalt und Notar ist und sich der erhobene Vorwurf aus der Kombination beider Tätig- keiten ergibt, stellt sich deshalb die Frage der aufsichtsrechtlichen Zuständigkeit bzw. der Abgrenzung der Zuständigkeiten der An- waltskommission einerseits und von Notariatskommission/ Regie- rungsrat andererseits. Sinnvoll wäre eine Bestimmung, die für solche Sachverhalte ein gemeinsam durchzuführendes Verfahren oder allenfalls die Kompe- tenzattraktion bei der einen Behörde vorsieht. An einer derartigen Regelung fehlt es indessen. Sie ohne generell-abstrakte Vorgaben allein durch die Rechtsprechung einzuführen, wäre fragwürdig, da die Anwalts- und die Notariatskommission je spezifisch im Hinblick auf die erforderlichen Fachkenntnisse besetzt sind, da sich Kompe- tenzen und Verfahren unterscheiden (die Notariatskommission kann Disziplinarfälle nur untersuchen und dem Regierungsrat Antrag stel- len, hat aber keine eigenen Disziplinarbefugnisse [vgl. § 43 Abs. 1 NO]) und da die Anwaltskommission ausserhalb der Verwaltungs- hierarchie steht (was eine Abtretung ihrer Befugnisse an den Regie- rungsrat problematisch macht). Die Anwalts- und die Notariatskom- mission haben denn auch, soweit ersichtlich, das Vorgehen nicht miteinander abgesprochen. Wenn für die Tätigkeiten als Anwalt einerseits und als Notar an- dererseits keine Verfahrenskoordination stattfinden kann, bedarf es einer Abgrenzung, und die Anwaltskommission bzw. Notariatskom- mission/Regierungsrat dürfen sich je nur mit den in ihren Bereich fallenden Verhaltensweisen befassen. Wenn es wie vorliegend um die Kombination beider Tätigkeiten geht, die beanstandet wird, muss als Abgrenzungskriterium dienen, zu welchen Berufspflichten (Anwalt oder Notar) die nähere sachliche Beziehung besteht. c) Vorliegend geht es durchwegs um Verhaltenspflichten, die dem Beschwerdeführer nach Ansicht der Vorinstanz und der Anzei- 2002 Verwaltungsgericht 372 gerin daraus entstanden, dass er den Erbvertrag vom 23. Januar 1992 öffentlich beurkundete. aa) Der Notar ist verpflichtet, die Interessen der Vertragspar- teien, für die er eine Urkunde erstellt, zu wahren; nach den Standes- regeln schuldet er seinen Auftraggebern "Treue und Verschwiegen- heit" (Art. 12 der Standesregeln der Aargauischen Notariatsgesell- schaft vom 21. November 1957; Art. 9 der Standesregeln vom 8. Dezember 1998). Daraus leitet sich die Pflicht zu strenger Unpar- teilichkeit ab (Christian Brückner, Schweizerisches Beurkundungs- recht, Zürich 1993, Rz. 895 ff.; Peter Ruf, Notariatsrecht, Langenthal 1995, Rz. 988 ff.). Entsteht Streit zwischen den Vertragsparteien, so darf der Notar nicht die eine gegen die andere vertreten. Wenn in diesem Zusammenhang häufig ausgeführt wird, es sei unzulässig, dass die Urkundsperson, die eine Urkunde errichtet hat, im Rechts- streit über die Entstehung der Urkunde oder die Gültigkeit des beur- kundeten Geschäfts eine der Parteien anwaltlich vertrete (Brückner, a.a.O., Rz. 902; Ruf, a.a.O., Rz. 1013), wirkt dies als Einschränkung der Pflicht zur Unparteilichkeit. Die Formulierung dürfte auf einen konkreten Fall zurückgehen (vgl. Ruf, a.a.O., Rz. 1013), die (schein- bare) Einschränkung unbeabsichtigt sein (vgl. Brückner, a.a.O., Rz. 899). Die richtig verstandene Pflicht zur Unparteilichkeit führt zum Schluss, dass sich das Verbot, die eine Vertragspartei gegen die andere zu vertreten, auf sämtliche Streitigkeiten aus dem beurkun- deten Vertrag (also namentlich auch über Vertragsfolgen) beziehen muss (ebenso Ruf, a.a.O., Rz. 1013 a.E.) und dass es nicht auf die anwaltliche Vertretung beschränkt ist, sondern für jede Vertretung gilt, also beispielsweise auch in Verfahren, die nicht vom An- waltsmonopol beherrscht sind (im vorliegenden Verfahren stellt sich allerdings die Frage, ob das Verbot auch noch gilt, wenn die eine Partei verstorben ist und es daher um die Vertretung der einen Ver- tragspartei gegen die Erben der anderen geht). cc) ... die generelle Pflicht der Urkundsperson zur Unparteilich- keit, die ihr auch für das spätere Verhalten - nach der Beurkundung und Grundbuchanmeldung - Einschränkungen auferlegt. Ob sie ge- gen diese Einschränkungen verstösst, indem sie als Anwalt auftritt, oder auf andere Weise, ist von untergeordneter Bedeutung. Entschei- 2002 Disziplinarrecht (Anwälte, Notare) 373 dend ist, dass es sich um Verpflichtungen handelt, die sich aus der Tätigkeit als Urkundsperson ableiten; deren Verletzung disziplina- risch zu ahnden, fällt deshalb ausschliesslich in die Kompetenz der Notariatskommission und des Regierungsrats (siehe vorne Erw. b). 3. Die Notariatskommission hat es abgelehnt, dem Regierungs- rat Antrag auf Disziplinierung zu stellen, da sie sich für die vom Anzeiger vorgeworfene Pflichtverletzung nicht als zuständig erach- tete. Aus den vorangehenden Darlegungen ergibt sich, dass das Ver- waltungsgericht diese Ansicht nicht zu teilen vermag. Ob ein Verfah- ren vor Notariatskommission/Regierungsrat zu einer disziplinari- schen Sanktion geführt hätte, muss hier offen bleiben. So oder anders vermag das Nichthandeln der Notariatskommission keine "ersatz- weise" Zuständigkeit der Anwaltskommission zur Disziplinierung zu begründen.
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AG_VG_001_AGVE-2002-86_2002-12-02
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2008 Submissionen 183 [...] 32 Öffentliche Ausschreibung; Diskriminierungsverbot. - Eine öffentliche Ausschreibung ist grundsätzlich so zu formulieren, dass die Anzahl der potentiellen Anbietenden der nachgefragten Leistung möglichst gross ist. Eine Diskriminierung liegt vor, wenn die Spezifikationen nicht durch den Zweck der Beschaffung ge- rechtfertigt sind, oder wenn sie gar zwecks gezielter Vereitelung der Möglichkeit bestimmter Unternehmen, am Verfahren teilzunehmen, formuliert werden. 2008 Verwaltungsgericht 184 Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 25. November 2008 in Sachen B. AG gegen die Gemeinderäte B. und W. (WBE.2008.122). Aus den Erwägungen 3. 3.1. Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, das Pflichtenheft bzw. die darin verlangten technischen Spezifikationen seien einzig darauf ausgerichtet, die Erteilung des Zuschlags an eine bestimmte Anbieterin zu bewirken. Zwar handle es sich offenbar nicht um eigentliche Produkteanforderungen, deren Nichterfüllung zum Aus- scheiden mangels Eignung führe, sondern die Erfüllung des Pflich- tenhefts sei "nur" ein Zuschlagskriterium. Die (hohe) Gewichtung dieses Zuschlagskriteriums mit 35 % habe aber mit absolut überwie- gender Wahrscheinlichkeit zur Folge, dass die Zuschlagserteilung an dasjenige Unternehmen erfolgen werde, dessen Angebot am stärksten mit dem Pflichtenheft übereinstimme. Die im Pflichtenheft geforder- ten technischen Vorgaben (z.B. bezüglich Grundrahmen, Abstützein- richtung, Abseilgerät, Hauptsteuerstand, Rettungskorb, Notablasssys- tem) seien für die zweckmässige Verwendung des zu beschaffenden Produkts keineswegs zwingend notwendig und hätten einzig den Zweck, eine bestimmte Anbieterin zu bevorzugen. Beim Pflichten- heft der Beschwerdegegnerinnen handle es sich nicht um eine neutrale Leistungsumschreibung, sondern um einen eigentlichen Pro- duktebeschrieb. Das ganze Pflichtenheft stimme praktisch wörtlich mit dem dem Kaufvertrag der A. zugrunde liegenden Angebot über- ein, d.h. die Übereinstimmung beziehe sich nicht nur auf einzelne Aspekte, sondern auf das ganze Angebot. Es könne keine Rolle spie- len, ob die Vorgaben des Pflichtenhefts als Produkteanforderungen (d.h. eigentlich Eignungskriterien) oder als Zuschlagskriterien aufzu- fassen seien. Auch könne es nicht darauf ankommen, ob die Be- schwerdeführerin theoretisch in der Lage wäre, ein Produkt entspre- chend dem Pflichtenheft anzubieten. Bei der Beschaffung eines tech- nisch hoch komplexen Produktes habe die Vergabestelle vorzugeben, 2008 Submissionen 185 welche Leistungen ein entsprechendes Produkt erbringen müsse. Entsprechend könne je nach dem vorgehenden Einsatz des Produktes - beispielsweise die topographischen oder örtlichen und baulichen Verhältnisse - das Angebot des einen oder anderen Anbieters den Vorzug verdienen. Es sei aber nicht zulässig, die Ausschreibung auf ein genau bestimmtes Produkt auszurichten, ansonsten werde das marktwirtschaftliche Wettbewerbsprinzip vollständig sinnentleert und ausgehöhlt. 3.2. Gemäss § 1 Abs. 1 SubmD soll der wirksame Wettbewerb ge- fördert werden. Die Anbietenden sind in allen Phasen des Vergabe- verfahrens gleich zu behandeln, und die Vergabestelle vermeidet jede Diskriminierung der Anbietenden, insbesondere durch die Bestim- mung der technischen Spezifikationen und der zu verwendenden Pro- dukte. Nach Art. 13 lit. b IVöB haben die kantonalen Ausführungs- bestimmungen die Bezugnahme auf nicht diskriminierende techni- sche Spezifikationen zu gewährleisten (vgl. auch Art. VI GPA und § 15 Abs. 1 und 2 der Vergaberichtlinien [VRöB] zur IVöB). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts steht fest, dass auch die öffentliche Vergabebehörde als Auftraggeberin grundsätzlich frei bestimmen kann, welche Bau-, Liefer- oder Dienstleistungen sie benötigt und welche konkreten Anforderungen sie bezüglich Qualität, Ausstattung, Ästhetik, Service usw. stellt, was also im Einzelnen Gegenstand und Inhalt der Submission ist (AGVE 1998, S. 404). Der Vergabestelle ist es aber verwehrt, ausschliesslich das Produkt eines bestimmten Herstellers zu verlangen oder die technischen Spezifikationen derart zu bestimmen, dass nur ein be- schränkter Anbieterkreis oder sogar nur ein einziger Anbieter über- haupt in der Lage ist, ein den einschränkenden Bedingungen der Ausschreibung entsprechendes Angebot einzureichen. Dem (öffentli- chen) Auftraggeber ist es mit anderen Worten verboten, sich auf technische Spezifikationen zu beziehen oder Produktevorgaben zu machen, die bewirken, dass bestimmte Unternehmer bevorzugt oder ausgeschlossen werden. Grundsätzlich müssen in einem öffentlich ausgeschriebenen Verfahren alle interessierten (und geeigneten) Anbieter der betreffenden Branche die gleiche Möglichkeit haben, 2008 Verwaltungsgericht 186 für die zu vergebende Leistung ein Angebot zu unterbreiten, welches auch eine effektive Chance auf Erhalt des Zuschlags hat. Dies bedeutet, dass sich die Vergabebehörde im Regelfall nicht von vornherein auf einen bestimmten Hersteller oder ein bestimmtes Produkt festlegen darf (AGVE 1998, S. 407). Auch gemäss dem Bundesgericht ist die Vergabebehörde in der Analyse ihres Bedarfs weitgehend frei. Ihr ist es auch erlaubt, bei der Ausschreibung eines Vorhabens durch sog. technische Spezifikatio- nen gewisse technologische Mindestanforderungen an die Ausfüh- rung zu stellen, solange sich diese auf die geforderte Leistung bezie- hen und sich nicht diskriminierend auswirken. Diese Spezifikationen müssen namentlich in Bezug auf den konkreten Auftrag gerecht- fertigt sein und dürfen nicht dazu dienen, gezielt bestimmte Anbieter ohne sachliche Notwendigkeit zu bevorzugen oder zu benachteiligen (BGE vom 2. März 2000 [2P.282/1999], Erw. 3). Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich schliesslich hat festgehalten, aus Gründen der Gleichbehandlung und des Wettbe- werbs habe die Vergabestelle bei der Leistungsdefinition darauf zu achten, dass die Anzahl der potentiellen Anbieter der Leistung so gross wie möglich bleibe und nicht durch Anforderungen verringert werde, die in sachlicher Hinsicht als nicht zwingend erschienen. Ein- schränkungen des Kreises potentieller Anbieter seien nur insoweit zulässig, als sie durch den Zweck der Beschaffung gerechtfertigt sei- en. Gewünschte, aber nicht notwendige technische Merkmale einer Leistung seien in diesem Sinn als (relative) Zuschlagskriterien und nicht als (absolute) technische Anforderungen zu formulieren (Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 23. November 2001 [VB.2000.00275], Erw. 2c und d; vgl. ferner auch Urteile vom 21. April 2004 [VB.2003.00268], Erw. 3.2.3 und vom 25. Januar 2006 [VB.2005.00200], Erw. 5). Aus vorstehend angeführter Rechtsprechung folgt, dass eine öffentliche Ausschreibung nur dann geeignet ist, einen hinreichend weiten Kreis an Wettbewerbern anzuziehen, wenn sie möglichst neu- tral abgefasst ist und wenn nicht schon die Umschreibung der gesuchten Leistung eine grosse Zahl potenzieller Submittenten de facto von einer Bewerbung ausschliesst. Eine Diskriminierung liegt 2008 Submissionen 187 vor, wenn die Spezifikationen nicht sachgerecht, also durch den Zweck der Beschaffung nicht gerechtfertigt sind, oder wenn sie gar zwecks gezielter Vereitelung der Möglichkeit bestimmter Unterneh- men, am Verfahren teilzunehmen, formuliert werden. Solche Leis- tungsumschreibungen schränken den Wettbewerb in vergaberechts- widriger Weise ein, da die grundsätzliche Definitionsfreiheit der Auf- traggeber unsachgemässe Spezifikationen nicht mit umfasst und ge- zielte Diskriminierung ohnehin vergaberechtswidrig ist (siehe auch Martin Beyeler, Ziele und Instrumente des Vergaberechts, Zürich / Basel / Genf 2008, Rz. 95 ff.). 3.3. Lieferaufträge sind im offenen oder selektiven Verfahren zu vergeben, wenn der geschätzte Wert des Einzelauftrags Fr. 250'000.-- übersteigt (§ 8 Abs. 1 SubmD). Dieser Betrag wird vom zu beschaf- fenden Hubrettungsfahrzeug, auch von einem Vorführfahrzeug, klar überschritten, wie die verschiedenen (Richt-)Offerten klar aufzeigen. Ausnahmetatbestände im Sinne von § 8 Abs. 3 SubmD, die eine frei- händige Vergabe rechtfertigen könnten, sind vorliegend nicht gege- ben. Insbesondere stellt auch der Entscheid für ein (preisgünstigeres) Vorführfahrzeug keine Ausnahme dar; auch solche Fahrzeuge kön- nen von verschiedenen Lieferanten angeboten werden. Die Vergabe- behörde hat sich somit letztlich richtigerweise - wenn auch nur wide- rwillig und auf Druck der Beschwerdeführerin - dafür entschieden, auf die ursprünglich vorgesehene freihändige Vergabe des Hubretters an die A. zu verzichten und diesen in einem offenen Submissionsver- fahren öffentlich auszuschreiben. Damit aber ist sie an die dafür gel- tenden Vorschriften gebunden; insbesondere hat sie den potentiellen Anbietenden einen wirksamen und fairen Wettbewerb zu gewähr- leisten, die Anbietenden in allen Phasen des Vergabeverfahrens rechtsgleich zu behandeln und jegliche Diskriminierung im Sinne einer gezielten Bevorzugung bzw. Benachteiligung einzelner Anbie- ter zu vermeiden. Sind bei einem Beschaffungsgeschäft die Schwel- lenwerte für das offene oder selektive Verfahren erreicht, darf sich die Vergabestelle somit nicht von vornherein durch die entsprechen- de Ausgestaltung der Ausschreibung auf einen bestimmten Anbieter oder ein bestimmtes Produkt festlegen, ansonsten würden die ent- 2008 Verwaltungsgericht 188 sprechenden Vorschriften ihres Sinnes entleert. In diesem Sinne be- grenzt das anzuwendende Verfahren auch das bestehende Ermessen der Vergabestelle bei der Umschreibung der zu beschaffenden Leistung. 3.4. 3.4.1. Das streitige Pflichtenheft nennt beim Trägerfahrzeug zwar als Fahrzeugtyp konkret den C., aber korrekterweise mit der Ergänzung "oder ähnlich" versehen. Die Typenbezeichnung ist deshalb nicht als diskriminierend zu beanstanden. In Bezug auf die Hubrettungsbühne selbst wird zwar nicht ausdrücklich ein bestimmter Produkte- oder Markennamen genannt. Indessen stimmen die verlangten Spezifikationen des Pflichtenheftes für die Hubrettungsbühne - wie auch die Beschwerdeführerin zu Recht festgestellt hat - weitestgehend praktisch wörtlich mit der Of- ferte vom 3. Juli 2007 bzw. dem Kaufvertrag der A. für die Hubret- tungsbühne D. überein. Die verlangten Spezifikationen sind mit an- deren Worten unverkennbar auf dieses Produkt zugeschnitten. Ab- weichende Lösungen/Systeme - wie sie die Offerte der Beschwerde- führerin vom 14. Dezember 2007 enthält - werden im Pflichtenheft explizit als "nicht akzeptiert" zurückgewiesen, wie z.B. den Einbau des Hydrauliköltanks in den Grundrahmen, Überwachung des Bo- dendrucks mit reinen Schaltern, Rettungskorb vorwiegend aus Edel- stahl, Teleskop-Wasserleitung aus Edelstahl oder anderen Materia- lien. Insofern kann von einem neutral abgefassten Pflichtenheft (je- denfalls soweit es die Hubrettungsbühne selbst und nicht das Träger- fahrzeug betrifft), nicht die Rede sein. Aufgrund der Spezifikationen besteht von vornherein eine klare Bevorzugung der Hubrettungs- bühne D., was von der Vergabestelle auch nicht in Abrede gestellt wird. Eine solche Bevorzugung eines Standardprodukts eines Un- ternehmens ist in einem offenen Vergabeverfahren, in dem alle An- bieter eine Chance auf den Zuschlag haben müssen, nicht zulässig. Daran ändert auch nichts, dass die Konkurrenzunternehmen zumin- dest theoretisch technisch in der Lage wären, ihre (Standard-)Pro- dukte den speziellen Vorgaben anzupassen. Der damit verbundene 2008 Submissionen 189 Aufwand würde das entsprechende Produkt derart verteuern, dass die Konkurrenzfähigkeit von vornherein nicht mehr gegeben wäre. 3.4.2. Zwar sind gemäss den vorliegenden Ausschreibungsunterlagen Varianten bezüglich Ausrüstung des Fahrzeuges möglich, was ge- wisse Spielräume für Abweichungen von den verlangten Spezifika- tionen öffnet. Allerdings wurde vom Verfasser des Pflichtenheftes an der Verhandlung ausdrücklich bestätigt, dass bei der Bewertung ent- sprechende Punkteabzüge gemacht würden, wenn die im Pflichten- heft verlangten Anforderungen nicht erfüllt seien. In diesem Sinne kann festgestellt werden, dass die Einhaltung des Pflichtenhefts vorliegend nicht ein Eignungskriterium darstellt, was unter den gege- benen Umständen von vornherein unzulässig wäre, sondern ein Zuschlagskriterium ist. Die im Pflichtenheft genannten Spezifikatio- nen sind somit nicht als absolut zwingend einzuhalten zu verstehen, sondern ziehen "lediglich" Abzüge bei der Bewertung nach sich. Dies hat zur Konsequenz, dass Abweichungen von den Vorgaben des Pflichtenheftes grundsätzlich nicht zum Ausschluss des betreffenden Anbieters bzw. des Angebots führen, sondern sich bei der Bewertung des Zuschlagskriteriums "Aufbau/Pflichtenheft", sehr wahrscheinlich aber auch bei den weiteren Zuschlagskriterien ("Technik/Leistung", "Produkt/Miliztauglichkeit") negativ auswirken. Rein theoretisch könnten diese Abzüge zwar durch eine entsprechende Besserbe- wertung bei anderen Kriterien, z.B. beim Preis, kompensiert werden. In welchem Ausmass solche Abweichungen von den Vorgaben bei der Bewertung negativ ins Gewicht fallen, ist zum heutigen Zeit- punkt allerdings nicht bekannt. Das Bewertungsschema soll erst bei Offertöffnung erarbeitet werden. Die Beschwerdeführerin ist in diesem Kontext der Ansicht, eine transparente und rechtsgleiche Auswertung der Angebote sei im vorliegenden Fall zum vornherein ausgeschlossen. Die Angaben in der Ausschreibung betreffend die Zuschlagskriterien seien derart un- bestimmt, dass es die Beschwerdegegnerinnen auch bei der Auswer- tung der Angebote in der Hand hätten, die Beurteilungsmatrix 2008 Verwaltungsgericht 190 gestützt auf die eingereichten Angebote dergestalt festzulegen, dass das Angebot der A. den Zuschlag erhalten werde. Diese Befürchtungen der Beschwerdeführerin erscheinen be- gründet. In der Tat sind die Zuschlagskriterien mehrheitlich sehr unbestimmt und wenig konkret formuliert. In welchem inhaltlichen Verhältnis die Zuschlagskriterien "Aufbau/Einhaltung des Pflichten- heftes, "Technik/Leistung" und "Produkt/Miliztauglichkeit" zueinan- der bestehen bzw. wie sie sich abgrenzen, ist ebenso unklar wie ihre genaue inhaltliche Bedeutung. Es muss angesichts der formulierten Zuschlagskriterien davon ausgegangen werden, dass Abweichungen vom Pflichtenheft nicht nur beim mit 35 % gewichteten Kriterium "Aufbau/Einhaltung des Pflichtenhefts" zu Bewertungsabzügen füh- ren, sondern sich konsequenterweise auch negativ auf die Bewertung der Kriterien "Technik/Leistung" und "Produkt/Miliztauglichkeit" auswirken. So ist z.B. anzunehmen, dass die Einhaltung der verlang- ten Anforderungen an den Hauptsteuerstand sowohl beim Zuschlags- kriterium "Aufbau/Pflichtenheft" als auch beim Zuschlagskriterium "Produkt/Miliztauglichkeit" in der Bewertung berücksichtigt würde, führte E. an der Verhandlung doch aus, im Rahmen der Vorführungen sei den sieben Personen der Fahrzeugbeschaffungskommission die Handhabung des Systems, das die A. anbiete, besser erschienen. Es sei einfacher zu bedienen. Die Zuschlagskriterien "Aufbau/Ein- haltung des Pflichtenhefts", "Technik/Leistung", "Produkt/Miliztaug- lichkeit", bei deren Bewertung die Einhaltung der Spezifikationen eine erhebliche Rolle spielen dürfte, haben insgesamt ein Gewicht von 70 %. Die Ausrichtung auf das Standardprodukt der A. führt zu einer hohen Bewertung ihres Angebots. Die restlichen Zuschlags- kriterien, darunter der Preis (20 %), weisen demgegenüber ein Ge- wicht von lediglich 30 % auf. Insofern dürfte es für die Beschwer- deführerin weitgehend illusorisch sein, die negative Bewertungen wegen abweichender Spezifikationen hier mit einem preisgünstigen Angebot kompensieren zu können. 3.5. Unter den gegebenen Umständen muss bejaht werden, dass sich die unbestreitbar auf das von der A. angebotene Produkt ausgerichte- ten Vorgaben des Pflichtenheftes für die übrigen Anbieter von vorn- 2008 Submissionen 191 herein diskriminierend auswirken. Ihre Chancen, im vorliegenden Submissionsverfahren den Zuschlag zu erhalten, sind, sofern über- haupt vorhanden, jedenfalls durch die Vorgaben im Pflichtenheft massiv eingeschränkt. Von einer Chancengleichheit kann deshalb nicht mehr gesprochen werden. Sich aus den konkreten Verhältnissen ergebende stichhaltige sachliche Gründe für eine derartige Bevor- zugung vermag die Vergabebehörde nicht darzutun. Es ist objektiv in keiner Weise nachvollziehbar, wieso einzig die von der A. ange- botene Hubrettungsbühne für den vorgesehenen Einsatz im Raum F. tauglich sein soll. Insbesondere auch die vorgebrachten Sicherheits- argumente vermögen nicht zu überzeugen. Es lässt sich kaum ernstlich behaupten, dass von allen sich auf dem Markt befindenden Rettungsgeräten einzig diejenigen der A. die Einhaltung der Sicher- heitsaspekte gewährleisten. Mithin verstösst die vorliegende Aus- schreibung gegen das in § 1 Abs. 1 SubmD statuierte Diskriminie- rungsverbot, weshalb sie aufzuheben ist. Mit der Aufhebung der Aus- schreibung fallen auch die Ausschreibungsunterlagen einschliesslich des Pflichtenhefts dahin. Der Entscheid über das weitere Vorgehen in Bezug auf das strittige Beschaffungsgeschäft liegt bei der Vergabebe- hörde. Sie ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass die Formulierung der Zuschlagskriterien bei einer Neuausschreibung überprüft werden muss, insbesondere auch auf unzulässige Über- schneidungen (siehe vorne Erw. 3.4.2.).
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2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 336 36 Grundbuch; Baurecht; Vormerkung persönlicher Rechte Enthält der verlängerte Baurechtsvertrag obligatorische Bestimmungen, welche nicht vorgemerkt werden dürfen, hindert dies die Verlängerung des selbständigen und dauernden Baurechts grundsätzlich nicht. Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 11. Juni 2018, in Sachen A., B. und C. gegen Departement Volkswirtschaft und Inneres und Grundbuchamt D. (WBE.2018.7). Aus den Erwägungen 3.1. Strittig ist die Eintragung von Bestimmungen zum Baurechts- vertrag. Diese sehen eine Verpflichtung der Baurechtsnehmerin (Be- schwerdeführerin 2) vor, das selbständige und dauernde Baurecht der Beschwerdeführerin 3 zu übertragen, falls jene von der Verlänge- rungsoption keinen Gebrauch macht, sowie eine entsprechende Über- nahmeverpflichtung. Das betreffende Baurechtsgrundstück wird zum Betrieb einer Tankstelle genutzt. Die Beschwerdeführerin 3 betreibt das Autowaschcenter neben der Tankstelle. 3.2.-3.3. (...) 3.4. Gemäss Art. 959 Abs. 1 ZGB können persönliche Rechte im Grundbuch vorgemerkt werden, wenn deren Vormerkung durch das Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist, wie bei Vor- und Rückkauf, Kaufsrecht, Pacht und Miete. Sie erhalten durch die Vormerkung Wirkung gegenüber jedem später erworbenen Recht (Abs. 2). Durch die Vormerkung wird das persönliche Recht zur Realobligation. Realobligationen sind Schuldverhältnisse, welche eine positive Leis- tung zum Gegenstand haben und bei denen der Schuldner oder der Gläubiger durch die dingliche Berechtigung oder den Besitz an Grundstücken bestimmt wird. Die realobligatorische Berechtigung oder Verpflichtung steht somit nicht einer mit Namen individualisier- ten Person zu, sondern ist verknüpft mit der dinglichen Berechtigung oder dem Besitz an einer Sache. Die Realobligation kann gegenüber 2018 Übriges Verwaltungsrecht 337 jeder Person, welche in eine bestimmte sachenrechtliche Beziehung zu einem Grundstück tritt, (insbesondere gegenüber jedem Erwerber des Grundstücks) durchgesetzt werden. Mit der Veräusserung des Grundstücks geht die Realobligation ohne weiteres auf den Rechts- nachfolger über (vgl. STEPHAN SPYCHER, Die Vormerkung von weiteren vertraglichen Bestimmungen des Baurechtsvertrags, in: Festgabe für Professor Dr. iur. Roland Pfäffli zum 65. Geburtstag am 27. Januar 2014, BN 2014, S. 346; JÜRG SCHMID, in: Basler Kom- mentar, Zivilgesetzbuch II [BSK-ZGB II], Art. 457-977 ZGB, 5. Auflage, 2015, Art. 959 N 2 ff.; DIETER ZOBL, Grundbuchrecht, 2. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2004, Rz. 301 ff.). Wesentlich ist vorliegend, dass bei Nichtausübung des Options- rechts das Baurecht durch Zeitablauf untergeht (vgl. Art. 779c; PETER R. ISLER/DOMINIQUE GROSS, in: BSK-ZGB II, Art. 779c N 3 ff.). Die strittigen Vertragsbestimmungen betreffen damit in ers- ter Linie Modalitäten im Zusammenhang mit dem Ablauf der Befris- tung (Verpflichtungen nach Ablauf und Regelung des Heimfalls; vgl. Art. 779c f. ZGB). Bei der strittigen Optionsvereinbarung ist von einer obligatorischen Abrede (unter Einbezug einer Drittpartei) auszugehen, deren Vormerkbarkeit fraglich ist. Entgegen dem Vorgebrachten sind mithin nicht die Eigenschaf- ten des Baurechtsgrundstücks als selbständiges und dauerndes Recht und damit seine Eigenschaft als Grundstück im Sinne von Art. 655 Abs. 2 Ziff. 2 ZGB fraglich. Die angerufene Literaturstelle (LORENZ STREBEL/HERMANN LAIM, in: BSK-ZGB II, Art. 655 N 15) betrifft die Selbständigkeit des dauernden und selbständigen Rechts, welches grundsätzlich übertragbar sein muss. Diesbezüglich toleriert die Praxis gewisse Einschränkungen der freien Übertragbarkeit, ohne dass deswegen die Selbständigkeit verloren geht (vgl. CHRISTIAN BRÜCKNER/MATHIAS KUSTER, Die Grundstücksgeschäfte, Zürich/Basel/Genf 2016, Rz. 274). Die strittige Optionsvereinbarung betrifft die Übertragbarkeit des dauernden und selbständigen Rechts - wenn überhaupt - nur am Rande. Das Baurecht bindet als Personal- dienstbarkeit den Beschwerdeführer 1 und die Beschwerdeführerin 2 (vgl. Art. 779 Abs. 1 ZGB; ISLER/GROSS, a.a.O., Art. 779 N 8). Die 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 338 Frage, ob eine suspensiv bedingte Dienstbarkeit vorliegt, stellt sich nicht. 4. 4.1. Bereits vor dem Inkrafttreten der Revision des Immobiliarsachenrechts am 1. Januar 2012 wurde als zulässig erach- tet, beim selbständigen und dauernden Baurecht bestimmte Ein- schränkungen der Übertragbarkeit mit realobligatorischer Wirkung zu vereinbaren. Dies betrifft insbesondere Bestimmungen, welche den Fall regeln, dass die obligationenrechtlichen Verpflichtungen des Bauberechtigten vom Erwerber nicht übernommen werden oder eine mangelnde Kreditwürdigkeit des Erwerbers besteht (ROLAND PFÄFFLI, Neuerungen im Dienstbarkeitsrecht, in: STEPHAN WOLF [Hrsg.], Revision des Immobiliarsachenrechts, Bern 2011, S. 125). Nach der Rechtsprechung entfaltet ein Vorbehalt im Baurechtsver- trag, wonach die Übertragung des Baurechts der Zustimmung des Grundeigentümers bedarf, keine dingliche Wirkung (vgl. BVR 2009, S. 63). Der Grundbuchverwalter ist weder berechtigt noch verpflich- tet, die Übertragung eines selbständigen und dauernden Baurechts von der Zustimmung des Grundeigentümers abhängig zu machen (BGE 135 III 103, Erw. 3 f.; ALFRED KOLLER, in: AJP 2009, S. 369; JÜRG SCHMID, in: BR 2/2009, Nr. 133, S. 61 f.). 4.2. Mit der Revision des Immobiliarsachenrechts ermöglichte der Gesetzgeber, über Vereinbarungen zur Heimfallsentschädigung und zum Vorkaufsrecht hinaus obligatorische Bestimmungen des Bau- rechtsvertrags als Realobligationen auszugestalten (vgl. Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs [Register- Schuldbrief und weitere Änderungen im Sachenrecht] vom 27. Juni 2007, 07.061, in: BBl 2007 5313; PFÄFFLI, a.a.O., S. 125). Art. 779b Abs. 2 ZGB entspricht einem Bedürfnis der Vertragsparteien, obligatorische Vereinbarungen des Baurechtsvertrags mit Wirkung für allfällige Rechtsnachfolger vereinbaren zu können (ISLER/GROSS, a.a.O., Art. 779b N 13). SPYCHER vertritt, dass gestützt auf Art. 779b Abs. 2 ZGB grundsätzlich jede vertragliche Bestimmung der Baurechtsurkunde 2018 Übriges Verwaltungsrecht 339 vorgemerkt und damit zu einer Realobligation ausgestaltet werden kann. Ausnahmen sieht dieser Autor lediglich bei Bestimmungen, welche (a) gegen Art. 20 OR verstossen, welchen (b) bereits gestützt auf Art. 779 Abs. 1 ZGB dingliche Wirkung zukommt oder welche (c) keinen materiellen Zusammenhang mit dem Baurecht haben (offensichtlich baurechtsfremde Bestimmungen). Nach dieser Auf- fassung hat der Grundbuchverwalter aufgrund seiner beschränkten Prüfungsbefugnis die Vormerkung in Zweifelsfällen vorzunehmen (vgl. SPYCHER, a.a.O., S. 349, 353). Einschränkender äussert sich die überwiegende Lehre, welche für die Vormerkung von Vertrags- bestimmungen einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Nutzung des Grundstücks oder der Baurechtsbaute bzw. einen Zusammenhang mit der Ausübung des Baurechts fordert (vgl. ISLER/GROSS, a.a.O., Art. 779b N 8, 12; DENIS PIOTET, Les limitations de l'annotation de l'art. 779b CC à la lumière de la théorie générale de l'annotation de droits personnels, in: ZBGR 94/2013, S. 368). Implizit vorausgesetzt wird für die Vormerkung von obligato- rischen Vereinbarungen, dass die betreffende Berechtigung bzw. Ver- pflichtung Rechtsnachfolgern (insbesondere Erwerbern) überbunden werden kann. Darin liegt gewissermassen der Zweck der Realobliga- tion begründet. Bei der strittigen Optionsrechtsvereinbarung, welche für den Ablauf des Baurechts eine Übertragungsverpflichtung zu Gunsten einer Drittpartei vorsieht, handelt es sich um keine Bestim- mungen, welche die Ausübung des Baurechts betreffen. Insoweit be- steht weder ein materieller Zusammenhang mit dem Baurecht noch ein Konnex zu Nutzungsvorgaben des Baurechtsgrundstücks. Weiter ist aufgrund der gesetzlichen Regelung des Heimfalls (Art. 779c ZGB) fraglich, ob von einer baurechtsfremden Bestimmung ausgegangen werden müsste. Der vorgesehene Eintritt einer bestimmten Drittpartei ins Baurecht als Rechtsnachfolgerin der Bau- rechtsnehmerin und dessen Fortführung nach Ablauf sind - soweit möglich - weder einer dinglichen noch realobligatorischen Wirkung zugänglich (vgl. Art. 123 Abs. 1 GBV). 5. Mit der strittigen Klausel verpflichtet sich die Baurechtsneh- merin zur Übertragung an eine Drittpartei, wenn sie von der 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 340 Verlängerungsoption keinen Gebrauch macht. Ob dieser Vereinba- rung obligatorische Wirkung zukommen kann, ist äusserst fraglich, aber nicht Gegenstand des Eintragungsverfahrens. Die Frage der Ver- bindlichkeit im Verhältnis unter den Vertragsparteien wäre zivilrecht- lich. Da die Nichtausübung des Optionsrechts zum Untergang des Baurechts infolge Zeitablaufs führt, ist nicht von einer unzulässigen Übertragungsbeschränkung auszugehen (vgl. zum Ganzen: DOMINIK BACHMANN, Verfügungsbeschränkungen bei gebuchten selbständi- gen und dauernden Rechten, insbesondere Baurechten, Bern 1993, S. 61 f.; PFÄFFLI, a.a.O., S. 125). Insoweit ist die betreffende Vereinbarung zwar keiner Verdinglichung als Realobligation und damit der Vormerkung im Grundbuch zugänglich. Indessen hindert sie auch nicht die Entstehung bzw. den Fortbestand des dauernden und selbständigen Rechts. Für die einzelnen vorzumerkenden Bestimmungen werden mithin aus Gründen der Rechtssicherheit separate Anträge beim Grundbuchamt verlangt (vgl. ISLER/GROSS, a.a.O., Art. 779b N 14; Art. 47 Abs. 2 GBV). Vorliegend bezweckte die erste Grundbuchanmeldung die Verlängerung der Baurechtsdauer bis 31. Dezember 2027 mit Optionsrecht auf Verlängerung und die geänderten Bestimmungen für die Ausübung von Optionsrechten als Einträge. In der zweiten Anmeldung erfolgte insoweit eine Berichti- gung, als die Vormerkung der Regelung betreffend Nichtausübung Optionsrecht zu Baurecht dauernd bis 31.12.2027 verlangt wurde. Das Grundbuchamt war gehalten, die (unstrittige) Verlängerung der Baurechtsdauer einzutragen und die Vormerkung der Bestimmungen betreffend Nichtausübung des Optionsrechts zu verweigern. Die Grundbuchverwalterin hat die Anmeldung des Rechtsgeschäfts insgesamt abgewiesen. Entgegen deren Begründung ist nach dem Gesagten nicht von einer Übertragungsbeschränkung auszugehen, welche der Verlängerung der Baurechtsdauer bis 31. Dezember 2027 entgegensteht. Wie im Amtsbericht im Ergebnis eingeräumt, kann die Verlängerung ohne die entsprechende Vormerkung eingetragen wer- den. Jedenfalls ist in Bezug auf den Baurechtsvertrag nicht von einer Nichtigkeit auszugehen, welche die Eintragung hindern würde (vgl. Art. 20 Abs. 1 und 2 OR). Insoweit erweist sich die Beschwerde als teilweise begründet. Soweit hingegen die Vormerkung der Vereinba- 2018 Übriges Verwaltungsrecht 341 rungen betreffend Nichtausübung des Optionsrechts verlangt wird, ist die Beschwerde abzuweisen. Diese Bestimmungen sind keiner realobligatorischen Wirkung zugänglich, weshalb keine Eintragung erfolgen kann.
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AG_VG
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2016 Sozialhilfe 209 VIII. Sozialhilfe 34 Sozialhilfe; materielle Hilfe des Pflegekindes - Im Unterschied zu Kindesschutzmassnahmen besteht bei der frei- willigen Platzierung eines Pflegekindes gestützt auf § 67 Abs. 5 EG ZGB keine Pflicht der Gemeinde zur Bevorschussung des Pflege- geldes. - Für Vorschussleistungen für vom Pflegegeld abgedeckte Ausgaben gilt das sozialhilferechtliche Subsidiaritätsprinzip. Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 22. März 2016 in Sachen Einwohnergemeinde A. gegen B. und Departement Gesundheit und Soziales (WBE.2015.387). Aus den Erwägungen 1. Zuständig und zur wirksamen Hilfeleistung verpflichtet ist die Gemeinde am Unterstützungswohnsitz, bei Personen ohne Unter- stützungswohnsitz und im Notfall die Gemeinde am Aufenthaltsort der Hilfe suchenden Person (§ 6 Abs. 1 SPG). Für die Bestimmung des Unterstützungswohnsitzes und des Aufenthaltsortes gelten ge- mäss § 6 Abs. 3 SPG die Vorschriften des ZUG. Der Beschwerde- gegner steht unter elterlicher Sorge und verfügt über einen Beistand (Art. 308 ZGB), er ist aber nicht bevormundet (Art. 327a ZGB). Nachdem seine leibliche Mutter den Wohnsitz nach Zürich verlegt hatte, begründete er gemäss Art. 7 Abs. 3 lit. c ZUG in A. einen eige- nen Unterstützungswohnsitz bzw. wurde der zunächst abgeleitete Unterstützungswohnsitz selbständig. Damit war der Gemeinderat A. zuständig, über das Gesuch des Beschwerdegegners um materielle Hilfe zu entscheiden. 2. 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 210 2.1. Nach Art. 294 Abs. 1 ZGB haben Pflegeeltern Anspruch auf ein angemessenes Pflegegeld, sofern nichts Abweichendes vereinbart ist oder sich eindeutig aus den Umständen ergibt. Unentgeltlichkeit ist zu vermuten, wenn Kinder von nahen Verwandten aufgenommen werden (vgl. Abs. 2). Gemäss Art. 3 Abs. 2 lit. b der Verordnung über die Aufnahme von Pflegekindern vom 19. Oktober 1977 (Pflegekinderverordnung, PAVO; SR 211.222.338) ist es den Kantonen vorbehalten, Richtlinien für die Festsetzung von Pflegegeldern zu erlassen. Im Kanton Aargau erliess die Kammer für Kindes- und Erwach- senenschutz des Obergerichts die Richtlinien zur Bemessung der Pflegekosten für Pflegekinder vom 1. bis 18. Altersjahr (abrufbar un- ter https://www.ag.ch/de/gerichte/kesb/dokumente_1/kreisschreiben_6/k reisschreiben_11.jsp). Danach besteht das Pflegegeld in einer Abgel- tung der Unterhaltskosten am Pflegeplatz, d.h. Pflegekosten, und in einer Entschädigung der Pflegeeltern für den Betreuungsaufwand. Es ist in einem Pflegevertrag zwischen den Pflegeeltern und dem sorge- berechtigten Elternteil bzw. der fremdplatzierenden Behörde auszu- handeln und festzulegen. Für Pflegekinder, die sich dauernd in der Pflegefamilie aufhalten, wird ein monatliches Pflegegeld von pau- schal Fr. 1'300.00 (zuzüglich Fr. 100.00 für Bekleidung) empfohlen. 2.2. Bei Kindesschutzmassnahmen sind die Kosten von der Ge- meinde zu bevorschussen (§ 67 Abs. 5 EG ZGB). Bei Fremdplatzie- rungen auf Anordnung der Kindesschutzbehörde gemäss Art. 310 ZGB wird in der Praxis der Pflegevertrag auf Anordnung der Kindes- schutzbehörde durch den Vormund mit der vorschusspflichtigen Ge- meinde als (primärer) Kostenträgerin abgeschlossen. Partei des Pflegevertrages und Schuldnerin der Pflege- und Betreuungskosten ist in diesen Fällen die Gemeinde. Die Schuldpflicht der Gemeinde ist im Zivilrecht begründet (P ETER B REITSCHMID , in: Basler Kom- mentar, Zivilgesetzbuch I, Art. 1-456 ZGB, 5. Auflage, 2014, Art. 294 N 2 und Art. 310 N 16; ebenso Urteil des Verwaltungs- gerichts des Kantons Zürich vom 7. Oktober 2010 [VB.2010.00411], 2016 Sozialhilfe 211 Erw. 4 und Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 18. Juni 2013 [U 12 132], Erw. 6c). Die Pflicht zur Bevorschus- sung durch die Gemeinde gilt bei Kindesschutzmassnahmen auch dann, wenn diese nicht Partei eines Pflegevertrages ist. Das Regress- recht der Gemeinde ist zivilrechtlicher Natur (Art. 289 Abs. 2 ZGB) und auf dem Zivilweg geltend zu machen. Ein formeller Obhutsentzug mit Fremdplatzierung wurde vorliegend nicht angeordnet. Mit Beschluss des Stadtrats Bremgarten wurde eine Beistandschaft nach Art. 308 Abs. 1 und 2 ZGB errichtet. Die Beiständin wurde u.a. mit der Regelung der finanziellen und per- sönlichen Belange beauftragt. Schliesslich ernannte das Familien- gericht Bremgarten einen neuen Beistand gemäss Art. 308 Abs. 1 und 2 ZGB, welchem die Einforderung der finanziellen Ansprüche im Namen des Kindes sowie die Ausarbeitung einer Unterhaltsrege- lung übertragen wurde. Eine Beschränkung der elterlichen Sorge besteht nicht (Art. 308 Abs. 3 ZGB). Die Platzierung des Be- schwerdegegners bei der Grossmutter und Pflegemutter erfolgte im Rahmen der elterlichen Sorge (vgl. D ANIEL R OSCH /A NDREA H AURI , in: D ANIEL R OSCH /C HRISTIANA F OUNTOULAKIS /C HRISTOPH H ECK [Hrsg.], Handbuch Kindes- und Erwachsenenschutz, Luzern 2016, Rz. 1081). Eine Kindesschutzmassnahme liegt diesbezüglich nicht vor (vgl. B REITSCHMID , a.a.O., Art. 310 N 16; AGVE 2010, S. 25). Die Errichtung der Beistandschaft hat nicht zur Folge, dass gestützt auf § 67 Abs. 5 EG ZGB eine Pflicht der Gemeinde besteht, das den Pflegeeltern zustehende Pflegegeld zu bevorschussen. 2.3. Höhe und Umfang der Pflegekosten werden bei der freiwilligen Platzierung in einem Pflegevertrag zwischen den Pflegeeltern und dem sorgeberechtigten Elternteil geregelt. Der Pflegevertrag ist kein Unterhaltsvertrag im Sinne von Art. 287 ZGB und untersteht keiner Genehmigungspflicht. Die Familienpflege (Art. 4 PAVO) und die Tagespflege (Art. 12 PAVO) sind zwar bewilligungspflichtig und unterstehen der Aufsicht (Art. 316 ZGB und Art. 1 PAVO). Zustän- dige Behörde ist der Gemeinderat (§ 55e Abs. 2 EG ZGB). Prüfungs- pflicht und Aufsicht erstrecken sich aber nicht auf den Pflegevertrag (Art. 5 und 10 PAVO). 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 212 Der Anspruch auf Pflegegeld ist im Zivilrecht begründet. Schuldner des Pflegegeldes ist der Vertragspartner der Pflegeeltern; es sind dies (trotz Bewilligungsbedürftigkeit: Art. 4 PAVO) die leib- lichen Eltern, wo das Kind auf ihren Wunsch bei Pflegeeltern unter- gebracht wird. Erfolgt die Fremdunterbringung aufgrund behördli- cher Anordnung, ist gegenüber den Pflegeeltern das Gemeinwesen Schuldner, welches aber auf die Eltern regressieren kann (Art. 289 Abs. 2 ZGB; vgl. B REITSCHMID , a.a.O., Art. 294 N 2). 3.-5. (...) 6. Die von der Kindesschutzbehörde genehmigten Kindes- unterhaltsverträge sind für die Sozialbehörden auch öffentlich- rechtlich verbindlich (SKOS-Richtlinien, F.3.3). Die gleiche Ver- bindlichkeit kommt Pflegeverträgen zu, die im Anschluss an Kin- desschutzmassnahmen vom Vormund mit der (vorschusspflichtigen) Gemeinde als Vertragspartei geschlossen werden. Keine Bindung der Sozialbehörde besteht, wenn der Pflegevertrag zwischen Eltern und Pflegeeltern abgeschlossen wurde (anderer Ansicht für ein vereinbar- tes Pflegegeld im Rahmen der kantonalen Richtlinien: K ARIN A NDERER , Das Pflegegeld in der Dauerfamilienpflege und die sozial- versicherungsrechtliche Rechtsstellung der Pflegeeltern, in: Schriften zum Sozialversicherungsrecht [SzS], Band/Nr. 26, Zürich 2012, Rz. 301; vgl. auch Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 11. November 2010 [VB.2010.00377], Erw. 4.4). Das aargauische Sozialhilferecht regelt mit Bezug auf den Kin- desunterhalt ausdrücklich nur die Inkassohilfe (§ 31 SPG) und die Bevorschussung von Unterhaltsbeiträgen (§§ 32 ff. SPG). Beide Institute können nicht zur Anwendung gelangen, weil der Beschwerdegegner zivilrechtlichen Wohnsitz bei der sorgeberechtig- ten Mutter hat, welche heute in Zürich lebt (vgl. Art. 25 Abs. 1 ZGB). Unterhalts- und Pflegekosten können nicht mit Beschluss der Sozialbehörde festgesetzt oder eingefordert werden. Fehlt eine ver- tragliche Vereinbarung mit dem Gemeinwesen, ist grundsätzlich Zivilklage gegen die unterhaltspflichtigen Eltern zu erheben (Art. 279 ZGB). 2016 Sozialhilfe 213 Darüber hinaus regelt das Sozialhilferecht, wenn weder die El- tern noch die Verwandten den Unterhalt, d.h. das Pflegegeld und die weiteren Auslagen, bestreiten können (Art. 293 ZGB). Soweit die Kindesschutzbehörde Massnahmen zur Fremdplatzierung und zum Pflegeverhältnis trifft, besteht eine Bevorschussungspflicht der Ge- meinde auch für den Kindesunterhalt (§ 67 Abs. 5 EG ZGB). Das aargauische Sozialhilferecht kennt darüber hinaus keine besonderen Bestimmungen zur Kindersozialhilfe (vgl. zu den besonderen Rege- lungen in andern Kantonen: C LAUDIA H ÄNZI , Die Richtlinien der schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe, Basel 2011, S. 94 f.). Ein Anspruch auf materielle Hilfe besteht für Unterhaltsberechtigte, wenn sie trotz Bevorschussung der Unterhaltsbeiträge unterstüt- zungsbedürftig sind. Bei der Fremdplatzierung im Rahmen der elterlichen Sorge und ohne Entscheid der Kindesschutzbehörde gemäss Art. 310 ZGB be- steht eine Rechtsgrundlage zur Bevorschussung der Pflegekosten nur in § 12 Abs. 1 SPG und § 6 Abs. 1 Satz 2 SPV. Sie folgt mittelbar aus Art. 12 BV: Eine Verweigerung der Bevorschussung der Pflege- kosten kann zu einer Notlage des Kindes führen und zudem für die Pflegeeltern existenzgefährdend werden und wäre daher mit dem Grundrechtsschutz gemäss Art. 12 BV nicht vereinbar. Die Sozialbe- hörde hat die unterhaltspflichtigen Eltern zunächst zur Leistung des Pflegegeldes und der weiteren Auslagen anzuhalten. Unterbleibt jede oder eine rechtzeitige Leistung, sind Pflegekosten im existenz- notwendigen Umfang zu übernehmen, d.h. zu bevorschussen. Vorschussleistungen der Sozialhilfe erfolgen aber nur subsidiär. 7.-8. (...) 9. 9.1. Wie sich aus vorstehenden Erwägungen ergibt, besteht ein zivil- rechtlicher Anspruch der Pflegemutter auf ein Pflegegeld im Betrag von Fr. 1'138.35 pro Monat. Schuldnerin der Pflegekosten ist die sor- geberechtigte Mutter. Dem Beschwerdegegner stehen zivilrechtliche Unterhaltsansprüche zu. Die privatrechtlichen Bestimmungen zur Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber dem Pflegekind und ihre (Zahlungs-) Pflichten ge- 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 214 genüber den Pflegeeltern heben die Grundsätze der Subsidiarität und der Existenzsicherung (Bedürftigkeit) in der Sozialhilfe nicht auf. Auch Vorschussleistungen gemäss § 12 Abs. 1 SPG unterstehen dem Subsidiaritätsprinzip, wonach Sozialhilfeleistungen nur gewährt wer- den, soweit die hilfesuchende Person keinen Zugang zu andern, zumutbaren Hilfsquellen hat (vgl. dazu AGVE 2014, S. 210 und BGE 141 I 153, Erw. 4.2 mit Hinweisen). Bezüglich der Kosten, welche das Pflegegeld decken soll, be- steht grundsätzlich kein Anspruch des Beschwerdegegners auf Sozialhilfeleistungen. Dies trifft im Falle der Zahlung des Pflege- geldes durch die sorgeberechtigten Eltern an die Pflegeeltern voraus- setzungslos zu auf die Kosten der Unterkunft, Ernährung, Betreuung und Erziehung sowie die Nebenkosten. Im Falle unterbliebener oder nicht rechtzeitig erhältlicher Zahlung kann sich die Frage der Bevor- schussung stellen. Ausweislich der Akten sind keine zivilrechtlichen Schritte zur Einforderung oder neuen Festlegung des Pflegegeldes oder von Unterhaltsbeiträgen unternommen worden. Die Anspruchs- voraussetzungen für Sozialhilfeleistungen liegen beim Beschwerde- gegner bezüglich der vom Pflegegeld abgedeckten Kosten nicht vor. 9.2. Entgegen dem angefochtenen Entscheid besteht keine Grund- lage für die Übernahme des vertraglich vereinbarten Pflegegeldes durch Sozialhilfeleistungen an den Beschwerdegegner. Entspre- chende Fürsorgeleistungen können insbesondere nicht auf Kapitel B.2.5 der SKOS-Richtlinien abgestützt werden (betreffend Personen in stationären Einrichtungen). Die Voraussetzungen zur Gewährung von Vorschussleistungen gemäss § 12 Abs. 1 SPG liegen nach dem Gesagten nicht vor. Damit ist der angefochtene Entscheid diesbezüg- lich aufzuheben.
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AG_VG_001_AGVE-2016-34_2016-03-03
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2016 Personalrecht 247 X. Personalrecht 41 GAV FHNW i.V.m. Art. 321d und Art. 336a OR - Die Auflösung des bisherigen Anstellungsverhältnisses verbunden mit einer neuen Vertragsofferte stellt in zweifacher Hinsicht eine Änderungskündigung dar; der Beschwerdeführerin wurde sowohl ein niedrigeres Pensum als auch ein neuer Arbeitsort angeboten, wel- cher nicht mittels einseitiger (Versetzungs-)Anordnung der Anstel- lungsbehörde abgeändert werden konnte (Erw. II/1). - Grundsätzlich setzt eine Strafzahlung nach Art. 336a OR wegen widerrechtlicher Änderungskündigung voraus, dass das Arbeitsver- hältnis effektiv geendet hat (Erw. II/2). - Im konkreten Fall wurde indessen ein Entschädigungsanspruch der Beschwerdeführerin trotz Unterzeichnung des neuen Anstellungsver- trages ausnahmsweise bejaht, weil sich die Parteien vorgängig darauf geeinigt hatten, dass das Zustandekommen des neuen Anstel- lungsvertrages unter dem Vorbehalt der Rechtmässigkeit der Ände- rungskündigung steht (Erw. II/3). - Faktoren zur Bemessung der Entschädigungshöhe (Erw. II/8). Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 23. März 2016 in Sachen A. gegen Fachhochschule Nordwestschweiz (WBE.2015.314, WKL.2014.20). Aus den Erwägungen II. 1. 1.1. Die Beschwerdegegnerin eröffnete der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 17. Mai 2013 Folgendes: "(...) 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 248 Per 30. November 2013 wird der Anstellungsvertrag vom 13. Dezember 2006 mit einem Pensum von 80 % zwischen Ihnen und der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW aus wirtschaftlich-strukturellen Gründen (GAV 3.10_Abs. 3b) aufgelöst. Damit wird die ordentliche Kündigungsfrist von 3 Monaten auf 6 Monate erstreckt, wie es der Gesamtarbeits- vertrag 14.5 vorsieht. Der aktuelle Stand der durch Sie betreuten Programme (...) ergeben zum heutigen Zeitpunkt ein Pensum von rund 40 %. Dank Abklärungen durch den Leiter des Weiterbildungssekre- tariats in B. können wir Ihnen zusätzlich diverse Seminare des Instituts für (...) und weitere (...)-Seminare für den Kanton C. zuteilen. Dies ergibt für Sie ein Pensum von total 50 %. Weitere Bemühungen seitens der HR-Verantwortlichen (Su- che nach zusätzlichen Stellen an der FHNW, um das Pensum insgesamt wieder auf 80 % aufzustocken, oder, als Alternati- ve, eine 80 %-Stelle an einer anderen Hochschule der FHNW) haben bis heute leider noch nicht gefruchtet. Eine Ausschrei- bung der Pädagogischen Hochschule (Sachbearbeiter/in 80 % - Administration, Kursverwaltung, Assistenz Ressortleitung) hat Ihnen nicht zugesagt. Aufgrund dieser Situation unterbreiten wir Ihnen mit beilie- gendem Vertrag eine Anstellung mit einem Pensum von 50 %, gültig ab 1. Dezember 2013. Bitte prüfen Sie das Dokument und senden es, sofern einver- standen, unterschrieben bis 15. Juni 2013 an die HR-Verant- wortliche zurück (Antwortcouvert liegt bei). Wenn Sie mit dieser Massnahme nicht einverstanden sind bzw. den Vertrag nicht bis zum 15. Juni 2013 unterschrieben retournieren, so gilt das Anstellungsverhältnis als per 30. November 2013 aufgelöst. (...). (...)" 1.2. Entgegen dem Wortlaut des zitierten Schreibens vom 17. Mai 2013 unterschied sich die Vertragsofferte nicht nur in Bezug auf das 2016 Personalrecht 249 Pensum, sondern auch in Bezug auf den Arbeitsort vom bisherigen Anstellungsvertrag. 1.2.1. Unter welchen Voraussetzungen die FHNW ihre Mitarbeitenden versetzen bzw. deren Arbeitsort (mittels einseitiger Anordnung) verlegen kann, wird weder im Staatsvertrag zwischen den Kantonen Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt und Solothurn über die Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) vom 27. Oktober 2004/9. November 2004/18./19. Januar 2005 noch im GAV FHNW geregelt. Können dem Staatsvertrag und dem GAV keine Vor- schriften entnommen werden, so gelten gemäss Ziff. 1.3 Abs. 3 GAV FHNW sinngemäss die Bestimmungen in Art. 319 ff. OR, des ArG und des Mitwirkungsgesetzes. 1.2.2. In Anwendung von Art. 321d OR kann der Arbeitgeber über die Ausführung der Arbeit und das Verhalten der Arbeitnehmer im Be- trieb oder Haushalt allgemeine Anordnungen erlassen und ihnen be- sondere Weisungen erteilen (Abs. 1). Der Arbeitnehmer hat die allge- meinen Anordnungen des Arbeitgebers und die ihm erteilten beson- deren Weisungen nach Treu und Glauben zu befolgen (Abs. 2). Mit der Ausübung des Weisungsrechts konkretisiert der Arbeitgeber ein- seitig den Inhalt des Arbeitsvertrages. Das Weisungsrecht ist direkter Ausfluss der Unterordnung des Arbeitnehmers, entspringt also dem Wesen des Arbeitsvertrages. Der Unterordnung des Arbeitnehmers sind durch den Grundsatz von Treu und Glauben Schranken gesetzt: Weisungen sind nur soweit berechtigt und zu befolgen, als die Treue- pflicht des Arbeitnehmers (Art. 321a OR) reicht (U LLIN S TREIFF /A DRIAN VON K AENEL /R OGER R UDOLPH , Arbeitsvertrag, 7. Auflage, Zürich 2012, Art. 321d N 2). Das Weisungsrecht findet sodann in den Abmachungen des einzelnen Arbeitsvertrages und im Inhalt eines anwendbaren Gesamt- oder Normalarbeitsvertrages seine Schranken. Wer laut Vertrag für die Ausübung eines bestimmten Be- rufs angestellt ist, muss sich die Weisung nicht gefallen lassen, künf- tig einen anderen Beruf auszuüben. Auch der vertraglich vorgeschrie- bene Arbeitsort kann nicht einfach durch eine Weisung verlegt wer- den, in den Grenzen von Art. 27 ZGB aber schon, wenn sich der Ar- 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 250 beitgeber vertraglich ein solches Recht ausbedungen hat (sog. "clause de mobilité"). Ohne entsprechende Vertragsabrede hat der Arbeitnehmer immerhin bei dringlichen betrieblichen Bedürfnissen gestützt auf seine Treuepflicht vorübergehend andere Arbeiten auszu- führen oder sich an einen anderen Arbeitsort transferieren zu lassen. Die Versetzung muss jedoch zumutbar sein, was von den Umständen abhängt; wichtig ist, dass die Versetzung nicht zu lange dauert, das Privatleben nicht stark beeinträchtigt wird und die Mehrkosten (z.B. längerer Arbeitsweg) ersetzt werden (S TREIFF / VON K AENEL /R U - DOLPH , a.a.O., Art. 321d N 3 mit weiteren Hinweisen). 1.2.3. Im Arbeitsvertrag vom 13. Dezember 2006 ist D. als Arbeitsort festgelegt. Bis zum 17. Mai 2013 wurde der Arbeitsvertrag diesbe- züglich nie geändert. Insbesondere stellte die Versetzung vom 15. November 2012 keine Vertragsänderung dar. Eine solche wäre nur in der Form einer entsprechenden Vereinbarung oder einer Ände- rungskündigung möglich gewesen. Beides ist jedoch vorliegend nicht erfolgt. Dies ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut des Schreibens vom 15. November 2012, welches als einseitige Anordnung formu- liert ist. Zum anderen ist im Kurzprotokoll zur Sitzung "Abschluss Bewährungsfrist A." vom 13. März 2013 vermerkt, der Anstellungs- vertrag bleibe unverändert, (theoretischer) Arbeitsort sei D. und für den Arbeitseinsatz in B. würden entsprechende Reisespesen vergütet. Diese Formulierungen verbieten es auch, die im gleichen Kurzproto- koll enthaltene Bemerkung, eine Rückversetzung ins WB-Sekretariat D. sei für beide Seiten nicht zumutbar, als Zustimmung der Klägerin zum Wechsel des Arbeitsortes von D. nach B. zu interpretieren. Im Übrigen enthält der Arbeitsvertrag vom 13. Dezember 2006 keine Mobilitätsklausel, welche die Versetzbarkeit der Beschwerde- führerin vorsehen würde. In der von der Beschwerdeführerin unter- zeichneten Stellenbeschreibung vom 28. September 2012 heisst es zwar, dass bei Bedarf auch Arbeitseinsätze ausserhalb von D. zu leis- ten seien. Diese Bestimmung betrifft jedoch nicht den Arbeitsort, sondern - dem klaren Wortlaut zufolge - externe "Arbeitseinsätze", womit kurzfristige Deplatzierungen ohne Aufgabe der Eingliederung in die bisherige Arbeitsorganisation bzw. ohne Aufgabe des Arbeits- 2016 Personalrecht 251 orts gemeint sind. Dementsprechend berechtigte die Stellenbeschrei- bung die Beschwerdegegnerin nicht dazu, den vertraglich verabrede- ten Arbeitsort der Beschwerdeführerin mittels einseitiger Anordnung zu ändern. Die Versetzung vom 15. November 2012 lässt sich dem- zufolge einzig als vorübergehende Versetzung aus dringenden be- trieblichen Gründen (vgl. vorne Erw. 1.2.2) verstehen. Eine Vertrags- änderung ist bis zum 17. Mai 2013 nicht erfolgt. 1.3. Das Vorgehen der Beschwerdegegnerin stellt eine der verschie- denen Formen der Änderungskündigung dar: Es wurde eine unbe- dingte Kündigung ausgesprochen, verbunden mit einer Offerte zu ei- nem neuen Vertragsabschluss mit geänderten Bedingungen. Nimmt in derartigen Konstellationen die Gegenpartei die Offerte nicht an, endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Kündigungsfrist. Nimmt sie indessen die Offerte an, gelten die Regeln des neuen Arbeitsver- trages. Allerdings wird diesfalls nicht ein neues Arbeitsverhältnis be- gründet, sondern das alte wird auf neuer vertraglicher Grundlage weitergeführt (M ARCO K AMBER , Die Änderungskündigung im Ar- beitsvertragsrecht, Diss. Bern 2014, Rz. 92 ff.; S TREIFF / VON K AENEL /R UDOLPH , a.a.O., Art. 335 N 3; T HOMAS G EISER , Die Änderungskündigung im schweizerischen Arbeitsrecht, in: AJP 1999, S. 61). 2. 2.1. Die Beschwerdeführerin verlangt eine Entschädigung in der Höhe von sechs Monatslöhnen. Sie macht sinngemäss geltend, die Kündigung des früheren Arbeitsvertrages sei unrechtmässig erfolgt. Entsprechend stehe ihr - analog zur Argumentation der Vorinstanz - gestützt auf Ziffer 1.3 GAL in Verbindung mit Art. 336a OR eine Entschädigung zu. Die im angefochtenen Entscheid zugesprochene Entschädigung von drei Monatslöhnen sei zu tief ausgefallen. 2.2. Akzeptiert die gekündigte Partei die ihr gleichzeitig mit der un- bedingt ausgesprochenen Kündigung unterbreitete Offerte, so eini- gen sich die Parteien über den Abschluss eines neuen Arbeitsvertra- ges zu veränderten Bedingungen. Der gekündigte Arbeitsvertrag fin- 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 252 det dagegen sein Ende (K AMBER , a.a.O., Rz. 303). Zeigt sich demge- genüber die gekündigte Partei innert der ihr gesetzten Annahmefrist für einen neuen Vertragsabschluss nicht bereit, so verfällt die Ver- tragsofferte. Die unbedingt ausgesprochene Kündigung führt entspre- chend nach Ablauf der Kündigungsfrist zur Beendigung des Arbeits- verhältnisses (K AMBER , a.a.O., Rz. 328). Grundsätzlich kann sich die gekündigte Partei gegen eine un- rechtmässige (Änderungs-)Kündigung wehren und eine Entschädi- gung nach Art. 336a OR geltend machen. Dabei ist indessen zu beachten, dass eine Strafzahlung nach Art. 336a OR voraussetzt, dass das Arbeitsverhältnis effektiv wegen der unrechtmässigen Kündi- gung geendet hat. Dies ist (unter anderem) dann nicht der Fall, wenn die gekündigte Person die Offerte für einen geänderten Arbeitsver- trag angenommen hat und deshalb das Arbeitsverhältnis (wenn auch zu geänderten Konditionen) fortgesetzt wird (BGE 121 III 64; G EISER , a.a.O., S. 69; derselbe: Rechtsprobleme im Zusammenhang mit der Flexibilisierung der Arbeit, AJP 1998, S. 1031; M ANFRED R EHBINDER /J EAN -F RITZ S TÖCKLI , in: Berner Kommentar zum Ar- beitsvertrag, Bern 2014, Art. 336 OR N 32). 2.3. Die Beschwerdeführerin hat den neuen Arbeitsvertrag, der ihr gleichzeitig mit der Kündigung vom 17. Mai 2013 offeriert wurde (mit einem gegenüber dem bisherigen Vertrag reduzierten Pensum und dem Arbeitsort B.; vgl. vorne Erw. 1), unterzeichnet. Dem- entsprechend hat sie grundsätzlich keinen Anspruch auf eine Ent- schädigung gestützt auf 1.3 Abs. 3 GAV FHNW in Verbindung mit Art. 336a OR. 3. 3.1. Mit der Änderungskündigung vom 17. Mai 2013 wurde der Be- schwerdeführerin eine Frist bis zum 15. Juni 2013 gesetzt, um den offerierten neuen Anstellungsvertrag zu akzeptieren. In ihrer Einspra- che an den Direktionspräsidenten der FHNW vom 14. Juni 2013 beantragte die Beschwerdeführerin unter anderem, die erwähnte Frist sei "bis 10 Tage nach dem Eintritt der Rechtskraft des Entscheids be- treffend Rechtmässigkeit der Kündigung vom 17. Mai 2013" zu er- 2016 Personalrecht 253 strecken. Am 25. Juni 2013 fällte der Vizepräsident der FHNW den folgenden Zwischenentscheid: "Angesichts der seit der Änderungskündigung vergangenen Zeit heisse ich eine Fristverlängerung für die Unterzeichnung des neuen Arbeitsvertrages bis zum 3. Juli 2013 gut. Eine weitergehende Fristverlängerung bis 10 Tage nach Eintritt der Rechtskraft des Entscheids betreffend Rechtmässigkeit der Kündigung lehne ich ab. Selbstverständlich steht die Unter- zeichnung des neuen Arbeitsvertrages durch Frau A. unter dem Vorbehalt, dass der bisherige Arbeitsvertrag rechtmässig aufgelöst wird." Am 27. Juni 2013 retournierte die Beschwerdeführerin den un- terzeichneten neuen Arbeitsvertrag. Im Begleitschreiben führte sie aus: "In der Beilage erhalten Sie den neuen unterzeichneten Ar- beitsvertrag. Selbstverständlich steht die Unterzeichnung des neuen Arbeitsvertrags unter dem Vorbehalt, dass der bisherige Arbeitsvertrag rechtmässig aufgelöst wird. Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass die Einsprache gegen die Auflösung des bisherigen Arbeitsvertrags noch hängig ist und ich weiterhin daran festhalte. Die Unterzeichnung erfolgt gestützt auf das Schreiben des Di- rektionspräsidenten (recte: Direktionsvizepräsidenten) Herr E. vom 25. Juni 2013." 3.2. Übereinstimmend erfolgte somit die Vereinbarung über den neuen Anstellungsvertrag unter dem Vorbehalt, "dass der bisherige Arbeitsvertrag rechtmässig aufgelöst wird." Die Formulierung lässt darauf schliessen, dass ursprünglich beide Parteien der Auffassung waren, der bisherige Vertrag solle - entgegen der dargestellten grundsätzlichen Rechtslage - weiterhin Geltung haben, falls sich die Änderungskündigung als unrechtmässig erweisen würde. Letztlich kann indessen offen bleiben, ob dies tatsächlich beidseits so gemeint war. Massgebend ist vielmehr, dass mittlerweile beide Parteien die Auffassung vertreten, dass a) trotz des Akzepts des neuen Vertrages durch die Beschwerdeführerin eine Überprüfung der Rechtmässigkeit 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 254 der seinerzeitigen Änderungskündigung möglich sein soll, b) bei ei- ner allfälligen Unrechtmässigkeit eine Entschädigungszahlung ana- log zu Art. 336a OR geschuldet ist und c) die Entschädigungszahlung maximal sechs Monatslöhne für ein 80%-Pensum beträgt. In Bezug auf die beiden letztgenannten Punkte ist zum einen wesentlich, dass die Beschwerdeführerin - anders als vor den Vorinstanzen - aus- schliesslich eine Entschädigungszahlung verlangt. Zum anderen er- klärte die Beschwerdegegnerin ausdrücklich, das Verwaltungsgericht solle, sofern es die Änderungskündigung als widerrechtlich erachte, eine Entschädigung analog zu Art. 336a OR festlegen. Gegen die von der Vorinstanz auf drei Monatslöhne 80 % festgesetzte Entschädi- gung hat sie ihrerseits keine Beschwerde erhoben. Schliesslich wäre eine Beschränkung auf maximal sechs Monatslöhne 30 % insofern schwer nachvollziehbar, als sich die Änderungskündigung primär auf den Arbeitsort bezog bzw. die Pensenreduktion letztlich bloss eine Folge der Änderung des Arbeitsortes war. Die Beschwerdegegnerin hält in ihrer Beschwerdeantwort fest, die "Entschädigung muss aber im Verhältnis der effektiven Kündi- gung von 30 % angepasst werden, weshalb die Entschädigung auf 30 % von drei Monatslöhnen zu beschränken wäre." Diese Äusse- rung steht den obigen Darlegungen nicht entgegen, sondern ist (insbesondere aufgrund der zitierten Aussage der Beschwerdegegne- rin in ihrer Beschwerdeantwort) so zu verstehen, dass die Entschädi- gung innerhalb des Rahmens von null bis sechs Monatslöhnen 80 % auf maximal drei Monatslöhne 30 % zu beschränken sei. 4.-7. (Prüfung und Verneinung eines sachlichen Grundes für die Änderungskündigung) 8. 8.1. Als Folge der ohne "wesentlichen" respektive sachlich zurei- chenden Kündigungsgrund ausgesprochenen und damit unrechtmäs- sigen Änderungskündigung hat die Beschwerdeführerin Anspruch auf eine Entschädigung, die sich kraft des Verweises in Ziff. 1.3 Abs. 3 GAV FHNW und mangels einer spezifischen anderslautenden Regelung in Ziff. 3.10 GAV FHNW nach den Bestimmungen des OR über die missbräuchliche Kündigung bemisst und den Betrag nicht 2016 Personalrecht 255 übersteigen darf, der dem Lohn der Beschwerdeführerin für sechs Monate entspricht (vgl. Art. 336a Abs. 2 OR). Vorliegend steht auf- grund des Verbots der reformatio in peius eine Entschädigung zwi- schen den der Beschwerdeführerin vorinstanzlich zugesprochenen drei und den von ihr geforderten sechs Monatslöhnen im Streit. 8.2. Die Entschädigung nach Art. 336a Abs. 2 OR hat sowohl Straf- charakter als auch Genugtuungsfunktion und soll die durch unge- rechtfertigte Kündigung erlittene Persönlichkeitsverletzung des Ar- beitnehmers abgelten. Die Höhe der Entschädigung wird vom Ge- richt nach pflichtgemässem Ermessen aufgrund der Umstände des Einzelfalles festgesetzt und hat sich entscheidend nach der Strafwür- digkeit des Verhaltens des Arbeitgebers bzw. dem Grad der Miss- bräuchlichkeit des Motivs des Kündigenden, dem Mass der Wider- rechtlichkeit der Entlassung, der Schwere des Eingriffs in die Persön- lichkeit des Gekündigten, der Dauer der Anstellung, dem Alter des Arbeitnehmers, dem bisherigen Verlauf des Arbeitsverhältnisses, den besonderen Umständen der Kündigung (z.B. besonders rücksichtslo- ses Vorgehen), den Auswirkungen der Kündigung, der finanziellen Situation der Parteien und der Schwere eines allfälligen Mitverschul- dens des Arbeitnehmers zu richten (BGE 123 III 391; 121 III 64, Erw. 3c; Urteile des Bundesgerichts vom 25. Februar 2014 [8C_620/2013], Erw. 4.1, vom 11. März 2011 [4A_660/2010], Erw. 3.2, vom 16. November 2005 [4C.253/2005], Erw. 2.1, und vom 5. Mai 2003 [4C.67/2003], Erw. 4.3; S TREIFF / VON K AENEL / R UDOLPH , a.a.O., Art. 336a N 3; A DRIAN S TAEHELIN , Zürcher Kom- mentar, Teilband V 2c, Der Arbeitsvertrag, Zürich/Basel/Genf 2014, Art. 336a N 6 f.; M ANFRED R EHBINDER /J EAN -F RITZ S TÖCKLI , a.a.O., Art. 336a N 9 ff.). Die als Strafzahlung konzipierte Entschädigung stellt weder Lohn noch Schadenersatz (für entgangenen Lohn) dar (S TREIFF / VON K AENEL /R UDOLPH , a.a.O., Art. 336a N 2). Die Fortführung des Ar- beitsverhältnisses kann aber selbstverständlich einen Einfluss auf die Bemessung der Entschädigung haben, indem beispielsweise das Mass der Widerrechtlichkeit bei einer vollständigen Kündigung hö- her sein dürfte als bei einer Änderungskündigung, oder indem sich 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 256 die soziale Lage des Betroffenen bei einer Änderungskündigung in der Regel besser präsentiert, als wenn das Arbeitsverhältnis vollstän- dig aufgelöst worden wäre. Massgebend für die Berechnung der Entschädigung ist der Bruttolohn ohne Sozialabzüge, da die Entschädigung ihrerseits sol- chen Abzügen nicht unterliegt, weil sie kein Erwerbseinkommen bil- det; regelmässig ausgerichtete Zulagen, z.B. Gratifikationen und der 13. Monatslohn, sind zuzurechnen (S TAEHELIN , a.a.O., Art. 336a N 6; S TREIFF / VON K AENEL /R UDOLPH , a.a.O., Art. 336a N 3; R EH - BINDER /S TÖCKLI , a.a.O., Art. 336a N 10). 8.3.-8.4. (...) 8.5. 8.5.1. Bei der Festsetzung der Entschädigung nach Art. 336a OR han- delt es sich, wie gesehen (Erw. 8.2 vorne), um einen Ermessensent- scheid. Dem Verwaltungsgericht steht in personalrechtlichen Fällen die Ermessensüberprüfung zu. 8.5.2. Entsprechend den vorstehenden Ausführungen war die Ände- rungskündigung sowohl in Bezug auf den Wechsel des Arbeitsortes als auch in Bezug auf die Pensenreduktion sachlich nicht begründet. Nicht damit zu verwechseln ist die für die Beurteilung des Grads der Missbräuchlichkeit der Kündigung relevante Frage, ob der Kündi- gende trotz festgestellter Widerrechtlichkeit einigermassen nachvoll- ziehbare Motive hatte oder sein Handeln von gänzlich unlauteren und treuwidrigen Beweggründen bestimmt war. In diesem Zusam- menhang kann die Meinung der Beschwerdeführerin, die Beschwer- degegnerin habe sich geradezu schikanös und bösartig verhalten, nicht geteilt werden. Die Beschwerdegegnerin hat sich vorschnell da- zu entschieden, den Arbeitskonflikt zwischen der Beschwerdeführe- rin und ihrer Vorgesetzten mit der Versetzung nach B. und der an- schliessenden Änderungskündigung zu lösen. Dabei hat sie einseitig die Interessen der Vorgesetzten, sich nicht mehr mit einer bedingt an- passungsfähigen Mitarbeiterin befassen zu müssen, in den Vorder- grund gerückt und zu wenig auf das vitale Interesse der Beschwerde- führerin am Erhalt ihres Arbeitsplatzes Rücksicht genommen. Dass 2016 Personalrecht 257 es die Beschwerdegegnerin nur darauf abgesehen hätte, der Be- schwerdeführerin zu schaden, darf jedoch aufgrund der gesamten Umstände nicht angenommen werden. Richtschnur für ihr Verhalten war für die Beschwerdegegnerin die Lösung eines Arbeitskonflikts, also alles andere als ein niedriger Beweggrund. Allerdings hat die Beschwerdegegnerin die sich gegenüberstehenden Interessen der Konfliktparteien nicht sorgfältig genug gegeneinander abgewogen und dadurch das Verhältnismässigkeitsprinzip missachtet. Es wäre insofern verfehlt, von einem besonders hohen Grad von Missbräuch- lichkeit zu sprechen. Gering war der Grad der Missbräuchlichkeit an- gesichts der einseitigen Bevorzugung der Interessen der Vorgesetzten der Beschwerdeführerin aber auch nicht, weshalb es unrichtig wäre, diesen Faktor entschädigungsmindernd zu berücksichtigen. Er darf nicht zu Ungunsten der Beschwerdeführerin ins Gewicht fallen, um- gekehrt aber auch nicht zum Anlass genommen werden, bei der Be- messung der Entschädigung nahe an die Obergrenze zu gehen. Beizupflichten ist der Beschwerdeführerin darin, dass die Be- reitschaft der Beschwerdegegnerin, sie mit einem 50 %-Pensum zu beschäftigen, nicht sehr nachhaltig war. Davon zeugt die Zielverein- barung vom Januar 2014, mit welcher die Beschwerdeführerin u.a. angehalten wurde, sich nach einer neuen Stelle umzuschauen. Im- merhin war die Beschwerdeführerin mit einer vorübergehenden Wei- terbeschäftigung mit reduziertem Beschäftigungsgrad in jeder Hin- sicht bessergestellt, als wenn sie ihre Stelle schon per Ende Novem- ber 2013 ganz verloren hätte. Das darf durchaus zum Anlass genom- men werden, die Entschädigung geringer zu bemessen, als wenn eine Vollkündigung zu beurteilen wäre. Es steht ausser Diskussion und beruht nicht auf einer willkürli- chen Beweiswürdigung der Vorinstanz, dass die Beschwerdeführerin das ihrige zum Arbeitskonflikt mit ihrer Vorgesetzten beigetragen hat. Hätte sie sich darum bemüht, die Weisungen ihrer Vorgesetzten betreffend Einhaltung der Mittagspausen und Beteiligung am Tele- fon- und Schalterdienst von Anfang an strikter zu befolgen, so wäre es mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zu der verfahrenen Situation gekommen, basierend auf welcher die Vorgesetzte der Beschwerde- führerin deren Versetzung nach B. durchsetzen konnte. Auch wenn 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 258 das (nachgewiesene) Mitverschulden der Beschwerdeführerin nicht sehr gross war und ihr gestützt auf die vorliegenden Akten nicht die Hauptverantwortung für den Arbeitskonflikt zugeschoben werden darf, ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz das Mitverschul- den entschädigungsmindernd berücksichtigt hat. Das entspricht kon- stanter Rechtsprechung. Weniger einheitlich ist die Rechtsprechung mit Bezug auf die Frage, ob die Dauer der Anstellung bei der Bemessung der Entschä- digung in jedem Fall zwingend berücksichtigt werden muss (vgl. BGE 123 III 246, Erw. 6b; S TREIFF / VON K AENEL /R UDOLPH , a.a.O., Art. 336a N 3). Als offensichtlich unbillig und in stossender Weise ungerecht erscheint indessen die Nichtberücksichtigung der Anstel- lungsdauer der Beschwerdeführerin durch die Vorinstanz schon des- halb nicht, weil diese mit rund zehn Jahren (im Kündigungszeit- punkt) noch nicht als besonders lang bezeichnet werden kann. Ent- schädigungserhöhend wirkte sich die Anstellungsdauer in Präzedenz- fällen vor allem dann aus, wenn ein über mehrere Jahrzehnte dauern- des Arbeitsverhältnis zur Debatte stand (vgl. S TREIFF / VON K AENEL /R UDOLPH , a.a.O., Art. 336a N 4). Unbillig wäre es hingegen, neben dem Mitverschulden der Be- schwerdeführerin am entstandenen Arbeitskonflikt mit ihrer Vorge- setzten im Sinne einer ausgewogenen Optik nicht auch die Tatsache in Betracht zu ziehen, dass ihr Verhalten bis zum Dienstantritt ihrer neuen Vorgesetzen per Anfang Juni 2012 - soweit aus den Akten er- sichtlich - wenig Anlass zu Tadel gegeben hat. Die Beschwerdefüh- rerin scheint übers Ganze gesehen eine angenehme Mitarbeiterin ge- wesen zu sein. Eigentliche Probleme gab es erst in den letzten vier Monaten ihrer Zeit im Weiterbildungssekretariat in D., wobei das Verständnis ihrer Vorgesetzten für bestimmte Verhaltensweisen und Bedürfnisse der Beschwerdeführerin auch nicht sehr ausgeprägt war. Vollkommen klaglos kann das Verhalten der Beschwerdeführerin mit Blick auf die bei früheren Mitarbeiterbeurteilungen formulierten Ver- haltensziele ("bessere Integration ins Team", "durch meine verlässli- che Anwesenheit, Hilfsbereitschaft und persönliche Organisation hel- fe ich mit, dass das Sekretariatsteam konfliktfrei funktioniert", "die Arbeitsweise von Kolleginnen kritisiere ich nicht, es sei denn, die ei- 2016 Personalrecht 259 gene Arbeit ist davon direkt betroffen", "meine Stellvertretung ist klar geregelt") gleichwohl schon vor dem Dienstantritt ihrer neuen Vorgesetzten nicht gewesen sein. 8.5.3. In Würdigung aller massgeblichen Aspekte (das grundsätzlich zu begrüssende Motiv der Beschwerdegegnerin, mit der Versetzung der Beschwerdeführerin einen Arbeitskonflikt zu lösen, ohne dabei auch die Interessen der Beschwerdeführerin ausreichend zu gewich- ten, die vorübergehende Weiterbeschäftigung mit einem reduzierten Pensum, das fortgeschrittene Alter der Beschwerdeführerin, ihre so- ziale Lage, das finanzielle Ungleichgewicht zwischen den Parteien, das über einen langen Zeitraum mehrheitlich klaglose Verhalten der Beschwerdeführerin, ein gewisses Mitverschulden der Beschwerde- führerin am Arbeitskonflikt mit der Vorgesetzten, der letztlich zur Änderungskündigung geführt hat), erscheint es angezeigt, der Be- schwerdeführerin - in Übereinstimmung mit der Vorinstanz - eine Entschädigung in der Höhe von Fr. 18'245.00 (entsprechend 3 Mo- natslöhnen bei einem Jahreslohn von Fr. 72'979.90) zuzusprechen.
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2019 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 121 15 Behindertengerechtes bzw. hindernisfreies Bauen Die in der Norm SIA 500 Hindernisfreie Bauten , Ausgabe 2009, festgehaltenen (Mindest-)Anforderungen bei einem Mehrfamilien- haus-Neubau mit 28 Wohnungen müssen von Anfang an erfüllt sein. Eine Variabilität bzw. Flexibilität ist erst dann zulässig, wenn bzw. solange die Mindestanforderungen gemäss Norm SIA 500 er- füllt sind (zweistufiges Konzept). Unzulässigkeit verschiebbarer Wände Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 30. August 2019, in Sachen A. AG gegen Gemeinderat B. und Departement Bau, Verkehr und Umwelt (WBE.2019.40). Aus den Erwägungen: 2. In materieller Hinsicht umstritten ist zunächst, ob bezüglich der Nasszellen die in Ziff. 10.2.1 der Norm SIA 500, Ausgabe 2009, des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (nachfolgend: SIA-Norm 500) geforderte minimale Raumabmessung von 1.70 m zwingend einzuhalten ist, oder ob die von der Beschwerdeführerin geplante variable Lösung mit einer verschiebbaren Wand (mit welcher die Raumtiefe je nach Bedarf von 1.40 m auf die in der SIA- Norm 500 geforderten 1.70 m angepasst/vergrössert werden könne) zulässig ist. 2.1. (...) 2.2. 2.2.1. Vorab festzuhalten ist, dass der projektierte Neubau 28 Wohnungen umfasst, womit das Gebäude als Mehrfamilienhaus gilt (vgl. § 23b ABauV i.V.m. § 64 Abs. 1 BauV; vgl. auch § 18 Abs. 1 BauV). Gemäss § 53 Abs. 1 BauG sind Mehrfamilienhäuser, die neu erstellt oder erneuert werden, für Menschen mit Behinde- rungen zugänglich und benutzbar zu gestalten; diese Pflicht entfällt, wenn der für Behinderte zu erwartende Nutzen in einem Missver- 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 122 hältnis steht, insbesondere zum wirtschaftlichen Aufwand, zu Inte- ressen des Umweltschutzes, des Natur- und Heimatschutzes oder zu Anliegen der Verkehrs- und Betriebssicherheit. Gestützt auf § 53 Abs. 2 BauG hat der Regierungsrats in den §§ 37 f. BauV sodann Vorschriften zum hindernisfreien Bauen erlassen. § 37 BauV regelt die Anforderungen an hindernisfreies Bauen: Abs. 1 bestimmt, dass u.a. Mehrfamilienhäuser nach Massgabe der SIA-Norm 500 Hindernisfreie Bauten , Ausgabe 2009, hindernisfrei zu erstellen sind. Abs. 2 ist im konkreten Fall sodann nicht von Bedeutung, weil nicht ein Mehrfamilienhaus mit weniger als neun Wohneinheiten zur Beurteilung steht. Und § 38 BauV regelt schliesslich den verhält- nismässigen Aufwand für die hindernisfreie Bauweise. Beizupflichten ist der Vorinstanz zunächst, dass die Mindestan- forderungen der SIA-Norm 500 bei einem Neubau bereits von An- fang an erfüllt sein und im Rahmen der Projektierung mitberücksich- tigt werden müssen. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut von § 37 Abs. 1 BauV, gemäss welchem u.a. Mehrfamilienhäuser nach Massgabe der SIA-Norm 500 hindernisfrei zu erstellen sind. Eben- falls zutreffend ist, dass es sich bei der SIA Norm 500 gemäss § 37 Abs. 1 BauV nicht eine Richtlinie handelt, sondern um eine verbind- lich einzuhaltende Norm. Dem Merkblatt Nr. 201 Die Bedeutung des anpassbaren Wohnungsbaus (12/10) der Procap lässt sich so- dann entnehmen, dass das Konzept der Anpassbarkeit auf einer zwei- stufigen Strategie basiert: Alle Wohnungen seien so zu erstellen, dass sie auch für Menschen im Rollstuhl etc. weitgehend besuchsgeeignet seien. Gleichzeitig sei bereits bei der Erstellung sicherzustellen, dass nachträgliche Anpassungen an die individuellen Bedürfnisse behin- derter Personen mit wenig Aufwand möglich seien. Bauliche Anpas- sungen würden jedoch erst dann vorgenommen, wenn sie erforder- lich und auch im Detail bekannt seien; genannt werden z.B. Apparate oder Haltegriffe, welche allenfalls im Badezimmer zu montieren seien. Das Merkblatt hält weiter fest, dass u.a. Raumgrössen bereits bei der Erstellung genügend gross zu dimensionieren seien und so nicht mehr verändert werden müssten. Das Konzept für Wohnbauten, bei denen es sich um individuell genutzte Räume handle, verlange damit nicht von Anfang an eine umfassende Behindertengerechtig- 2019 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 123 keit. Deshalb müsse auch nicht eine grosse Zahl von Anforderungen eingehalten werden - in der SIA-Norm genügten dafür vier Seiten (Merkblatt Nr. 201 Die Bedeutung des anpassbaren Wohnungsbaus [10/12] der Procap). Umgekehrt formuliert müssen jedoch die in der SIA-Norm festgehaltenen (wenigen) Anforderungen von Anfang an eingehalten werden. Mit andern Worten ergibt sich auch aus dem Merkblatt und dem zweistufigen Konzept, das der SIA-Norm 500 zugrunde liegt, dass die in der SIA-Norm 500 festgehaltenen (Min- dest-)Anforderungen bei einem Mehrfamilienhaus-Neubau von An- fang an erfüllt sein müssen. Abweichungen von den Bestimmungen der SIA-Norm 500 sind dann zulässig, wenn auf andere Art nachweislich erreicht wird, was die einzelnen Bestimmungen vorgeben (SIA-Norm 500, Ziff. 0.2.1). Falls in einem Bauvorhaben einzelne Bestimmungen der SIA-Norm 500 nicht eingehalten werden können, sind die Abweichungen im Rahmen der Verhältnismässigkeit durch die zuständigen Instanzen festzulegen (SIA-Norm 500, Ziff. 0.2.2). 2.2.2. Mit dem Baugesuch wird um die Bewilligung eines konkreten Bauvorhabens ersucht. Das Baubewilligungsverfahren bezweckt die Feststellung, ob das zugrundeliegende Bauvorhaben mit den ein- schlägigen Vorschriften des öffentlichen Rechts übereinstimmt (vgl. AGVE 2000, S. 247; ANDREAS BAUMANN, in: Kommentar zum Baugesetz des Kantons Aargau, Bern 2013, § 59 N 29; ERICH ZIMMERLIN, Baugesetz des Kantons Aargau vom 2. Februar 1971, Kommentar, 2. Auflage, Aarau 1985, § 152 N 5). Überprüft wird da- bei die gemäss eingereichtem Baugesuch geplante Baute oder Anla- ge, nicht jedoch allfällige Möglichkeiten und Variationen aufgrund unbekannter Wünsche und Bedürfnisse eventueller späterer Mieter oder Eigentümer. Mit der Baubewilligung soll sichergestellt werden, das zum Zeitpunkt der Erteilung der Baubewilligung, der Erstellung und der Abnahme der Baute oder Anlage der gesetzeskonforme Zu- stand besteht. Allfällige spätere Änderungen müssen ebenfalls die gesetzlichen Vorgaben einhalten, allenfalls ist dafür ein neues Bau- bewilligungsverfahren erforderlich. Eine Variabilität bzw. Flexibi- lität ist erst dann zulässig, wenn bzw. solange die Mindestanforde- 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 124 rungen gemäss SIA-Norm 500 erfüllt sind. Dies entspricht dem zweistufigen Konzept. Die SIA-Norm 500 schreibt in Ziff. 10.2.1 Anpassbarer Bad- /Duschraum vor, dass pro Wohnung mindestens ein Bad- oder Duschraum mit Klosett u.a. folgende Masse einhalten muss: Nutz- fläche mindestens 3.80 m2, wobei keine Raumabmessung weniger als 1.70 m betragen darf. Die erforderlichen Fertigmasse dürfen nicht durch Vormauerungen reduziert werden . Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist dabei unerheblich, ob der Raum geschickt angeordnet ist oder die Länge des Raums 2.89 m misst. Solange (u.a.) nicht jede Raumabmessung mindestens 1.70 m beträgt, ent- spricht das Vorhaben nicht den rechtlichen Mindestanforderungen. Der Gemeinderat weist im Übrigen völlig richtig darauf hin, dass die Argumentation der Beschwerdeführerin, die Grundstruktur des Gebäudes müsste im Moment nicht behindertengerecht erstellt werden, vergleichbar mit der Argumentation ist, zu einem Mehrfami- lienhaus müssten keine Spielflächen erstellt werden, weil keine Kin- der im Gebäude wohnten; der Spielplatz werde beim Zuzug von Kindern dann erstellt. Eine solche Argumentation wäre mit den ge- setzlichen Vorgaben nicht vereinbar (§ 54 Abs. 1 BauG). Analog ver- hält es sich beim behindertengerechten Bauen. Geht es um den Bau eines Mehrfamilienhauses, so muss dieser Neubau behinderten- gerecht bzw. hindernisfrei gemäss SIA-Norm 500 erstellt werden (§ 53 BauG i.V.m. § 37 BauV). Dabei müssen die Minimalanforde- rungen gemäss SIA-Norm 500 von Anfang an erfüllt sein (zweistufi- ges Konzept). Dies gilt auch für die Beschwerdeführerin, und zwar unabhängig davon, ob im derzeitigen Zeitpunkt der Bedarf dafür be- reits besteht oder nicht. Demgemäss ist auch im vorliegenden Fall eine Badezimmer- breite von (mindestens) 1.70 m in sämtlichen Wohnungen einzuhal- ten. Die von der Beschwerdeführerin projektierte Lösung mit einer (angeblich) leicht demontier- bzw. verschiebbaren Wand sieht im Grundsatz eine Badezimmerbreite von 1.40 m vor, womit die Min- destanforderungen nicht erfüllt sind und sich die Lösung als nicht rechtmässig erweist. Dass die von der Beschwerdeführerin geplante Lösung nicht zulässig ist, entspricht im Übrigen auch der Ansicht der 2019 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 125 Fachstelle Hindernisfreies Bauen der Kantone Aargau und Solothurn (Procap). Ein Ausnahmegrund, weshalb von den Bestimmungen der SIA-Norm 500 abgewichen werden dürfte, ist schliesslich ebenfalls nicht ersichtlich. 3. Weiter ist umstritten, ob bezüglich der Korridore im Dachge- schoss die in Ziff. 9.3.1 der SIA-Norm 500 geforderte nutzbare Brei- te von 1.20 m zwingend einzuhalten ist, oder ob die von der Be- schwerdeführerin geplante Lösung mit den flexiblen selbststehen- den Schränken (welche verschoben werden könnten, damit die Brei- te bei Bedarf den gemäss SIA-Norm 500 geforderten 1.20 m ent- spricht) zulässig ist. 3.1. (...) 3.2. Unbestritten ist vorab, dass die Beschwerdeführerin die in den Plänen Grundriss DG (...) sowie 01 Appartement Layout, DG Apartment 1:50 (...) eingetragene und hier umstrittene Schrank- wand tatsächlich auch einbauen will. Entsprechend ist es mit den Vorinstanzen auch richtig, die Schrankwand bei der Beurteilung, ob die Baute behindertengerecht bzw. hindernisfrei ist, miteinzubezie- hen. Zu den rechtlichen Vorgaben bzw. zur SIA-Norm 500, deren Mindestanforderungen verbindlich einzuhalten sind, kann zunächst auf die bereits gemachten Darlegungen in Erw. 2.2.1 und 2.2.2 (erster Absatz) verwiesen werden. Die dortigen Ausführungen gelten auch für die umstrittenen Korridore bzw. das (angeblich) flexible Schranksystem im Dachgeschoss. Eine Flexibilität ist auch hier erst dann zulässig, wenn bzw. solange die Mindestanforderungen gemäss SIA-Norm 500 erfüllt sind. Gemäss SIA-Norm 500, Ziff. 9.3.1 hat die nutzbare Breite von Wegen und Korridoren mindestens 1.20 m zu betragen. Nach Ziff. 9.3.2 sind geringere Breiten zwischen 1.00 und 1.20 m bedingt zulässig: Bei geraden Wegen und Korridoren ohne seitlichen Ab- gänge; bei Korridoren, bei denen seitlich angeordnete Türen und Durchgänge eine erhöhte Mindestbreite gemäss der Formel Nutz- bare Tür- oder Durchgangsbreite + Korridorbreite >= 2 m aufweisen. Gemäss nachvollziehbarer Beurteilung der Procap handelt es sich bei 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 126 den Korridoren zu den Zimmern im DG (in den Plänen werden diese Zimmer als Büro bezeichnet) um Korridore mit seitlichem Abgang gemäss Ziff. 9.3.1 der SIA-Norm 500, womit sie eine Mindestbreite von 1.20 m erfordern. Diese verbindliche Mindestbreite kann mit der projektierten Schrankwand indes nicht eingehalten werden, weshalb die geplante Lösung nicht zulässig ist. Dies hielt bereits die Procap in ihren Berichten vom 21. März 2017 und vom 24. Oktober 2017 fest. Abgesehen davon ist auch nicht ersichtlich, wie die Schrankwand re- alistischerweise sinnvoll verschoben werden soll, wenn die vorge- schriebene Mindestbreite von 1.20 m eingehalten werden wollte, da die Schrankwand dann teilweise vor den bodenhohen Sitzplatzfens- tern stehen würde. Ein Ausnahmegrund, wonach von den Bestim- mungen der SIA-Norm 500 abgewichen werden dürfte, ist im Übri- gen auch hier nicht ersichtlich.
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2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 120 17 Liegenschaftsschätzung Tragweite einer von der vertraglich vereinbarten Nutzung abweichenden tatsächlichen Nutzung einer Liegenschaft (andere Aufteilung als bei Mit- eigentum vereinbart) bei Schätzung der Liegenschaft Urteil des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 8. Juni 2015, i.S. A.X., B.X., C.X. und D.X. gegen KStA (WBE.2014.383). Aus den Erwägungen 2. 2.1. Das den Eltern der Beschwerdeführer 1 und 3 eingeräumte Wohnrecht ist für die Berechnung der den Beschwerdeführern 1 und 2 bzw. 3 und 4 zuzuweisenden Vermögenssteuerwerte unbeachtlich, da ein Wohnrecht kein vermögenssteuerlich relevantes Nutznies- sungsverhältnis begründet (vgl. B ARBARA S RAMEK , in: M ARIANNE K LÖTI -W EBER /D AVE S IEGRIST /D IETER W EBER [Hrsg.], Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, 4. Aufl., Muri 2015, § 46 N 25). Zu beantworten bleibt damit, ob, nachdem der Vermögenssteuerwert der Liegenschaft zutreffend allein den Beschwerdeführern (und nicht etwa teilweise auch den Eltern der Beschwerdeführer 1 und 3) zugewiesen wurde, die zwischen ihnen vorgenommene hälftige Aufteilung des Gesamtvermögenssteuerwerts rechtmässig ist. 2.2. 2.2.1. Die Beschwerdeführer 1 und 3 sind Miteigentümer je zur Hälfte des Wohnteils. Das spricht dafür, ihnen auch den Vermögenssteuer- wert des Wohnteils je zur Hälfte zuzuweisen. Dagegen wird in der Beschwerde vorgebracht, die tatsächliche Nutzung der Liegenschaft, wie sie zwischen den Parteien vereinbart worden sei, weiche von der eigentumsmässigen Aufteilung der Liegenschaft ab. Der Sache nach 2015 Kantonale Steuern Migrationsrecht 121 machen die Beschwerdeführer damit geltend, der Beschwerdefüh- rer 3 und dessen Ehefrau (Beschwerdeführerin 4) hätten dem Be- schwerdeführer 1 und dessen Ehefrau (Beschwerdeführerin 2) fak- tisch eine Nutzniessung an einem Teil des ihnen zuzurechnenden Miteigentumsanteils eingeräumt. 2.2.2. Wie das Spezialverwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, sind im Steuerrecht auch nutzniessungsähnliche Verhältnisse zu be- achten. Kommen solche Verhältnisse wirtschaftlich betrachtet einer Nutzniessung gleich, besteht kein Grund, darauf nicht auch die ent- sprechenden steuerrechtlichen Regeln betreffend die Nutzniessung zur Anwendung zu bringen. Die sog. faktische Nutzniessung wird so- mit auch im Steuerrecht anerkannt. 2.2.3. Steht ein Vermögensgegenstand im hälftigen Miteigentum, so ist vermutungsweise davon auszugehen, dass auch die Nutzung des Gegenstands je zur Hälfte erfolgt. Art. 647 Abs. 1 ZGB sieht indes- sen vor, dass die Eigentümer eine von den gesetzlichen Bestimmun- gen abweichende Nutzungs- und Verwaltungsordnung vereinbaren können. Es ist somit rechtlich ohne weiteres möglich, bei hälftigem Miteigentum eine andere als die je hälftige Aufteilung der Nutzung vorzusehen. Eine solche Vereinbarung kann im Übrigen sogar form- los getroffen werden. Indessen ist Schriftlichkeit in der Praxis die Regel und dann erforderlich, wenn die Ordnung im Grundbuch ange- merkt werden soll (vgl. C HRISTOPH B RUNNER /J ÜRG W ICHTERMANN , in: H EINRICH H ONSELL /N EDIM P ETER V OGT /T HOMAS G EISER [Hrsg.], Zivilgesetzbuch II, Basler Kommentar, 4. Aufl., Basel 2011, Art. 647 N 25). Hier wurde nicht geltend gemacht, es bestehe eine schriftliche Vereinbarung geschweige denn eine solche sei im Grund- buch angemerkt. Die Beschwerdeführer machen vielmehr geltend, es bestehe eine formlose Verabredung, wonach die Beschwerdeführer 1 und 2 den Wohnteil in einem grösseren Ausmass nutzten wie die Be- schwerdeführer 3 und 4. 2.2.4. Das Spezialverwaltungsgericht gibt im angefochtenen Ent- scheid zutreffend die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsge- 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 122 richts wieder, das in Fällen, da die überlebende Ehefrau in der Liegenschaft wohnen blieb, eine faktische Nutzniessung angenom- men hat (vgl. angefochtener Entscheid, Erw. 10.4.1. unter Hinweis auf das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 20. Oktober 2004 [WBE.2004.152]). Das Spezialverwaltungsgericht hat indessen ebenso zutreffend darauf hingewiesen, dass es das Verwaltungsge- richt abgelehnt hat, diese Rechtsprechung generell auf weitere Fälle auszudehnen. Daran ist festzuhalten. Das Steuerrecht als Massenfall- recht ist darauf angewiesen, an leicht erkennbare und eruierbare Tat- sachen anknüpfen zu können. Das muss umso mehr gelten, wenn es um die Festlegung von Schätzwerten von Liegenschaften geht. Für solche Werte ist eine gewisse Beständigkeit in zeitlicher Hinsicht un- verzichtbar. Es ginge offensichtlich zu weit, wenn die Steuerbehör- den, gegebenenfalls noch mit Durchführung eines Augenscheins, in jeder Steuerperiode abklären müssten, wie genau sich die Nutzungs- verhältnisse in einer von Miteigentümern gemeinsam genutzten Lie- genschaft entwickelt haben (das Gleiche muss im Übrigen auch für die Einräumung und Ausübung von Wohnrechten gelten, wie das Spezialverwaltungsgericht im angefochtenen Entscheid ebenfalls zu- treffend ausführt). Ergeben sich Verschiebungen in der Nutzung einer Liegenschaft, die von der ursprünglichen Rechtsgestaltung abwei- chen, ist daher, damit diese steuerlich anerkannt werden können, zu fordern, dass die Änderungen leicht erkennbar (z.B. weil eine ent- sprechende abweichende Nutzungsordnung im Grundbuch ange- merkt wurde) und langfristig angelegt sind. Das muss im Hinblick auf die Wohnnutzung von Liegenschaften auch deshalb gelten, weil insoweit selbst bei Vornahme eines Augenscheins erhebliche Unsi- cherheiten verbleiben können ("Arrangements" hinsichtlich der Wohnnutzung sind im Hinblick auf behördliche Augenscheine in der Regel einfach zu bewerkstelligen). Faktische Nutzniessungen sind daher in der Veranlagungspraxis nur dann anzunehmen, wenn klare entsprechende Vereinbarungen vorliegen und/oder eine langjährige, unveränderte Nutzung nachgewiesen werden kann. Dies ist hier indessen auch nach dem Ergebnis des vom Spezialverwaltungsge- richt durchgeführten Augenscheins nicht der Fall. Es muss daher bei der vom KStA und der Vorinstanz vorgenommenen hälftigen Auftei- 2015 Kantonale Steuern Migrationsrecht 123 lung des Vermögenssteuerwerts des Wohnteils sein Bewenden haben. Das führt zur Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden kann.
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AG_VG_001
AG_VG
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2016 Migrationsrecht 141 [...] 21 Ausschaffungshaft; Haftüberprüfung; Haftdauer; (keine) Anrechnung bereits ausgestandener Administrativhaft bei mehreren Wegweisungsver- fahren - Wird eine migrationsrechtliche Administrativhaft unterbrochen, ist eine früher ausgestandene Administrativhaft grundsätzlich an die maximal zulässige Gesamtdauer anzurechnen. - Gilt das Wegweisungsverfahren, welches Grundlage für die früher angeordnete Administrativhaft bildet, als abgeschlossen, und wird auf Basis eines neuen Wegweisungsentscheids erneut eine mig- rationsrechtliche Administrativhaft angeordnet, kann der Betroffene 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 142 abermals während der gesamten, maximal zulässigen Haftdauer inhaftiert werden. Aus dem Entscheid des Einzelrichters des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 18. Oktober 2016, in Sachen Amt für Migration und Integration gegen A. (WPR.2016.158). Aus den Erwägungen 8. 8.1. Gemäss Art. 79 Abs. 1 AuG darf die ausländerrechtliche Inhaf- tierung im Sinne von Art. 75-78 AuG zusammen die maximale Haft- dauer von sechs Monaten nicht überschreiten. Eine darüber hin- ausgehende Verlängerung ist nur zulässig, wenn entweder die be- troffene Person nicht mit den zuständigen Behörden kooperiert oder sich die Übermittlung der für die Ausreise erforderlichen Unterlagen durch einen Staat, der kein Schengen-Staat ist, verzögert. Auch in diesem Fall darf die Verlängerung allerdings höchstens zwölf bzw. für Minderjährige zwischen 15 und 18 Jahren höchstens sechs Monate betragen, woraus sich eine Gesamtdauer der ausländerrecht- lichen Haft von 18 bzw. für Minderjährige zwischen 15 und 18 Jah- ren von zwölf Monaten ergibt (Art. 79 Abs. 2 AuG). Wird die migrationsrechtliche Administrativhaft unterbrochen und befindet sich der Betroffene zwischenzeitlich in Freiheit oder im Strafvollzug, ist eine früher ausgestandene Administrativhaft grund- sätzlich an die maximal zulässige Gesamtdauer anzurechnen. Nur wenn das Wegweisungsverfahren, welches Grundlage für die früher angeordnete Ausschaffungshaft bildet, als abgeschlossen gilt, und ein neuer Wegweisungsentscheid Grundlage für die erneute migrations- rechtliche Inhaftierung bildet, kann der Betroffene abermals während der gesamten, maximal zulässigen Haftdauer inhaftiert werden. Als abgeschlossen gilt ein Wegweisungsverfahren unter anderem dann, wenn der Betroffene die Schweiz im Nachgang zu einer Wegwei- sungsverfügung verlassen hat, oder wenn dem Betroffenen eine Auf- 2016 Migrationsrecht 143 enthaltsbewilligung erteilt und die angeordnete Wegweisungsverfü- gung damit hinfällig wird (BGE 140 I 1, Erw. 5.2; A NDREAS Z ÜND , in: M ARC S PESCHA /H ANSPETER T HÜR /A NDREAS Z ÜND /P ETER B OLZLI /C ONSTANTIN H RUSCHKA [Hrsg.], Kommentar Migrations- recht, 4. Auflage, Zürich 2015, Art. 79 N 4; M ARTIN B USINGER , Aus- länderrechtliche Haft, in: Zürcher Studien zum öffentlichen Recht, Zürich/Basel/Genf 2015, S. 74 f.). 8.2. Im vorliegenden Fall befand sich der Gesuchsgegner bereits vom 13. April 2007 bis zum 8. Januar 2009 mit mehreren Unter- brüchen in ausländerrechtlicher Haft, ohne dass die Wegweisung je vollzogen worden wäre. Am 30. Januar 2009 heiratete der Gesuchs- gegner eine Schweizer Staatsangehörige und erhielt aufgrund der Heirat eine Aufenthaltsbewilligung im Rahmen des Familiennach- zugs. Mit Erteilung dieser Aufenthaltsbewilligung liess die ausstel- lende Behörde von dem Vorhaben ab, den Gesuchsgegner aus der Schweiz wegzuweisen. Die erneute Wegweisung des Gesuchsgeg- ners wurde im Zusammenhang mit der Verweigerung der Erteilung bzw. Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung verfügt. Nach dem Gesagten erhellt, dass der neuerlichen Wegweisung des Gesuchsgegners aus der Schweiz ein neues Verfahren zu Grunde liegt, womit die zwischen dem 13. April 2007 und 8. Januar 2009 er- standene ausländerrechtliche Haft nicht an die nun angeordnete Haft anzurechnen ist. (...) (Hinweis: Das Bundesgericht wies die gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit Urteil vom 23. Dezember 2016 [2C_1091/2016] ab.)
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2002 Submissionen 295 IX. Submissionen 73 Zertifizierung. - Der Verzicht der Vergabestelle, in der Ausschreibung nach einer Qua- litätszertifizierung zu fragen bzw. eine vorhandene Zertifizierung im Sinne einer Besserbewertung zu berücksichtigen, lässt sich nicht be- anstanden. Aus einer Zertifizierung lässt sich nicht zwangsläufig ein unmittelbarer Qualitätsvorsprung gegenüber nichtzertifizierten Un- ternehmen ableiten. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 8. Januar 2002 in Sa- chen R. AG gegen Gemeinderat Küttigen. Aus den Erwägungen 4. b) Die Beschwerdeführerin bemängelt, dass bei der Bewer- tung des Zuschlagskriteriums "Qualität und Referenzen" ihre Be- triebszertifizierung nach ISO Standards 9001 und 14001 überhaupt keine Würdigung gefunden habe. Es stelle sich die Frage nach dem Sinn solcher Zertifizierungen. Die Beschwerdeführerin hat - wie die meisten Anbieter - beim Kriterium "Qualität und Referenzen" die Maximalpunktzahl erhalten. Sie ist - soweit ersichtlich - die einzige Anbieterin, die eine QS-Zertifizierung nachgewiesen hat. Sinnge- mäss macht sie geltend, diese Tatsache hätte bei der Bewertung zu ihren Gunsten berücksichtigt werden müssen, indem die nicht zertifi- zierten Konkurrentinnen beim Kriterium "Qualität und Referenzen" nicht das Punktemaximum hätten bekommen dürfen. Der Verzicht der Vergabestelle, in der Ausschreibung nach einer QS-Zertifizierung zu fragen bzw. eine vorhandene Zertifizierung im Sinne einer Besserbewertung zu berücksichtigen, lässt sich nicht beanstanden. Das Verwaltungsgericht hat mehrfach festgehalten, aus einer Qualitätszertifizierung lasse sich nicht zwangsläufig ein un- 2002 Verwaltungsgericht 296 mittelbarer Qualitätsvorsprung gegenüber nichtzertifizierten Unter- nehmungen ableiten; die Zertifizierung sei lediglich ein Indiz für Qualität, nicht mehr; ebensogut könne z.B. auch eine Referenzliste Auskunft über die Qualifikation einer Unternehmung geben. Die Qualität könne sich also auch aufgrund anderer Kriterien als der Zertifizierung ergeben (vgl. VGE III/87 vom 14. Oktober 1997 in Sachen ARGE St. [BE.1997.00189], S. 6 f.; III/47 vom 16. April 1999 [BE.1999.00055] in Sachen C.H., S. 12; III/14 vom 7. Februar 2001 [BE.2000.00405] in Sachen St. AG, S. 10). Der Nutzen der Qualitätsmanagementsysteme ist überdies auch nicht unbestritten (vgl. Peter Gauch / Hubert Stöckli, Vergabethesen 1999, Thesen zum neuen Vergaberecht des Bundes, Freiburg 1999, S. 20 f.). Es liegt letztlich weitestgehend im Ermessen der Vergabestelle, ob sie bei der Qualitätsbeurteilung derartige Zertifikate berücksichtigen und wel- ches Gewicht sie ihnen dabei zumessen will. Bei der Qualitätsbeur- teilung handelt es sich generell über weite Teile um einen Wertungs- bzw. Ermessensentscheid der Vergabebehörde. Im vorliegenden Fall liegt klarerweise keine rechtsfehlerhafte Ermessensausübung der Vergabestelle vor.
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2005 Submissionen 229 [...] 45 Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts; Territorialitätsprinzip. - Bau von Gas-Kombikraftwerken in Italien. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 17. März 2005 in Sa- chen X. AG gegen Y. AG und Z. AG. Sachverhalt Am 21. Januar 2005 veröffentlichte die Y. AG eine Medien- mitteilung, worin u.a. Folgendes festgehalten wird: Ein Ausschuss des Verwaltungsrates der Y. AG habe die Grundlagen für die Vergabe von weiteren Aufträgen für den Bau von Gas-Kombi-Kraftwerken der Tochtergesellschaft Z. AG in Italien eingehend geprüft. In Kenntnis aller Faktoren und nach Bewertung aller Konsequenzen komme der Ausschuss zum Schluss, dass eine Neuausschreibung nicht zu verantworten wäre, weil sie die gesamte Strategie der Z. AG in Italien ernsthaft gefährden würde. Der Verwaltungsrat der Y. AG habe den Schlussbericht in zustimmendem Sinn zur Kenntnis ge- nommen und sehe keinen Grund, der Z. AG für ihr weiteres Vorge- hen Weisungen zu erteilen. Dieser Medienmitteilung lag ein Be- schluss des Verwaltungsrates der Y. AG vom gleichen Tag zugrunde, mit dem Inhalt, von materiellen und formellen Auflagen zu Handen der Z. AG abzusehen sowie den Schlussbericht des Spezial- ausschusses Vergaben in Italien zu genehmigen und damit die Strate- gie der Z. AG in Italien zu bestätigen. Gegen diesen Beschluss rich- tete sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde der X. AG. 2005 Verwaltungsgericht 230 Aus den Erwägungen 1. (...) 2. Die Y. AG und die Z. AG begründen die Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau mit dem Territorialitäts- prinzip. a) Das sog. Territorialitätsprinzip besagt, dass öffentliches Recht, wozu fraglos auch das öffentliche Beschaffungsrecht zu zäh- len ist, nur in dem Staat Rechtswirkungen entfaltet, der es erlassen hat. Schweizerisches öffentliches Recht wird somit nur auf Sach- verhalte angewendet, die sich in der Schweiz zutragen. Schweizeri- sche Behörden dürfen nur schweizerisches öffentliches Recht an- wenden, es sei denn, die Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts sei auf Grund eines Staatsvertrags geboten (BGE 95 II 114). Im interkantonalen und interkommunalen Bereich gelten ebenfalls das Territorialitätsprinzip und der Grundsatz, dass jeder Kanton und jede Gemeinde nur sein bzw. ihr Verwaltungsrecht anwendet (Ulrich Häfelin / Georg Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Auflage, Zürich 2002, Rz. 357 f.; Pierre Tschannen / Ulrich Zimmerli, Allge- meines Verwaltungsrecht, 2. Auflage, Bern 2005, § 24 N 3). Gemäss dem Territorialitätsprinzip gilt kantonales oder kommunales öffentli- ches Recht somit nur für Sachverhalte, die sich im räumlichen Herr- schaftsbereich des Recht setzenden Gemeinwesens ereignen (Häfe- lin/Müller, a.a.O., Rz. 359). Unter Umständen kann ein Sachverhalt allerdings zu mehreren Gemeinwesen Berührungspunkte haben. Es stellt sich in solchen Fäl- len die Frage, an welche Kriterien anzuknüpfen ist, um ein Rechts- verhältnis einem Gemeinwesen zuzuordnen. Dabei kommen ver- schiedene Kriterien in Betracht, wie z.B. Wohnsitz oder Sitz, Ort der gelegenen Sache, Ort der Ausübung einer Tätigkeit (Häfelin/Haller, a.a.O., Rz. 361). Aufgrund der Anknüpfung wird das zuständige Gemeinwesen und gleichzeitig das anwendbare Recht bestimmt, wo- bei immer dasjenige Recht zur Anwendung gelangt, das auch zustän- dig ist (Häfelin/Haller, a.a.O., 361; Tschannen/Zimmerli, a.a.O., § 24 N 4 f.). 2005 Submissionen 231 b) Im öffentlichen Beschaffungsrecht ist der primäre An- knüpfungspunkt der Auftraggeber, der die in Frage stehende Be- schaffung vornimmt. Die jeweiligen Beschaffungsgesetze führen die ihnen unterstehenden Vergabebehörden oder Kategorien von Verga- bebehörde in der Regel mehr oder weniger detailliert auf (siehe § 5 Abs. 1 SubmD; Art. 2 BoeB). Die Auftraggeber des Bundes, d.h. Bundesstellen und vom Bund beherrschte öffentlichrechtliche und privatrechtliche Organisationen unterstehen dem Bundesbeschaf- fungsrecht (Art. 2 BoeB). Die Kantone und die Gemeinden hingegen unterstehen für ihre Vergaben vorab dem interkantonalen sowie dem jeweiligen kantonalen Beschaffungsrecht, die Gemeinden, soweit zulässig und überhaupt vorhanden, gegebenenfalls auch ihrem kom- munalen Beschaffungsrecht (siehe Art. 8 Abs. 1 IVöB [ursprüng- liche, für den Kanton Aargau noch geltende Fassung]; § 5 SubmD). Hinzu kommen das Staatsvertragsrecht (GPA, Bilaterales Abkommen mit der EU), soweit anwendbar, und das BGBM. c) Das GPA hält in Ziffer 1 der Erläuterungen zu Annex 3 des Anhangs I für die Schweiz fest, dass es auf Tätigkeiten, welche die im Annex 3 erwähnten Vergabestellen ausserhalb der Schweiz aus- üben, keine Anwendung findet. Eine fast gleichlautende Bestimmung enthält der Anhang VIII zum bilateralen Abkommen mit der EU. In lit. a wird festgehalten, dass dieses Abkommen nicht für Aufträge gilt, die die Auftraggeber zu anderen Zwecken als zur Ausübung ihrer Tätigkeiten gemäss Art. 3 Abs. 2 und den Anhängen I bis IV dieses Abkommens oder zu deren Ausübung ausserhalb der Schweiz vergeben. Auch von der IVöB werden Tätigkeiten ausserhalb der Schweiz nicht erfasst. Nach Art. 8 Abs. 1 lit. c Satz 2 IVöB (die revidierte IVöB vom 15. März 2001 enthält in Art. 8 Abs. 1 lit. c Satz 2 für den Staatsvertragsbereich eine identische Regelung) unter- stehen die fraglichen Unternehmen der IVöB nur für Aufträge, die sie zur Durchführung ihrer in der Schweiz ausgeübten Tätigkeit in diesen Bereichen vergeben. Das GPA, das bilaterale Abkommen mit der EU und die IVöB knüpfen hier ihren Geltungsanspruch somit nicht nur an die Person des Auftraggebers an, sondern mit der Beschränkung auf Aufträge, die zur Durchführung der in der Schweiz ausgeübten Tätigkeit 2005 Verwaltungsgericht 232 vergeben werden, auch an den Ort bzw. das Gebiet, wo der betreffen- de Auftraggeber seine Tätigkeit ausübt. Aus den erwähnten Bestim- mungen folgt, dass die Auslandstätigkeit schweizerischer Unterneh- men im Sektorenbereich in submissionsrechtlicher Hinsicht weder dem Staatsvertragsrecht noch dem Konkordat untersteht. Die er- wähnten Erlasse beschränken damit in Nachachtung des Territo- rialitätsprinzips ihren Anwendungsbereich ausdrücklich auf schwei- zerische Sachverhalte. d) § 30 Abs. 1 SubmD ist diesbezüglich weniger eindeutig for- muliert. Dem Dekret unterstellt werden von der öffentlichen Hand mehrheitlich beherrschte Unternehmen und Organisationen, die im Kanton Aargau in den Bereichen der Wasser-, Energie- und Ver- kehrsversorgung oder der Telekommunikation tätig sind. Gefordert ist für die Unterstellung unter das Dekret ein Tätigsein im Kanton Aargau, hingegen fehlt die ausdrückliche Beschränkung auf die im Kanton Aargau ausgeübte Tätigkeit. Aus deren Fehlen kann nun aber nicht geschlossen werden, ein (auch) im Kanton Aargau tätiges Un- ternehmen unterstehe für seine gesamte Tätigkeit im Sektorenbe- reich, also auch für die Tätigkeit in anderen Kantonen und für das Auslandsgeschäft, dem SubmD. Ein solches Verständnis stünde in klarem Widerspruch zum Territorialitätsprinzip und zu den vorer- wähnten Staatsvertrags- und Konkordatsbestimmungen. Das SubmD kann deshalb nur dann zur Anwendung kommen, wenn ein Unter- nehmen oder eine Organisation im Sinne von § 30 Abs. 1 SubmD Aufträge, die im Zusammenhang mit der im Kanton Aargau selbst ausgeübten Tätigkeit im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrs- versorgung oder Telekommunikation stehen, vergibt. Vergibt das be- treffende Unternehmen im Rahmen seiner ausserkantonalen Tätigkeit oder seiner Tätigkeit im Ausland Aufträge an Dritte, so handelt es nicht als Vergabestelle im Sinne von § 30 Abs. 1 SubmD. Das im öffentlichen Recht geltende Territorialitätsprinzip lässt grundsätzlich keinen andern Schluss zu. Der Geltungsbereich des SubmD be- schränkt sich somit auch bei Unternehmen und Organisation gemäss § 30 Abs. 1 SubmD auf die Vergabe von Aufträgen, die im Kann- tonsgebiet ausgeführt werden. 2005 Submissionen 233 e) Weil es im vorliegenden Fall ausschliesslich um die Vergabe bzw. die Nichtausschreibung von Folgeaufträgen für Gas-Kom- bikraftwerke in Italien geht, mithin die von der Z. ausserhalb der Schweiz ausgeübte Tätigkeit betroffen ist, finden die erwähnten submissionsrechtlichen Bestimmungen keine Anwendung, womit aber auch die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts zu verneinen ist und auf die Beschwerde nicht eingetreten werden darf. Gleiches gilt bezüglich der Beschwerdegegnerin Y. AG. Unter diesen Umständen kann die strittige Frage, wer den Entscheid, auf eine Ausschreibung der Folgeaufträge in Italien zu verzichten, tatsächlich getroffen hat, offen gelassen werden.
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2001 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 217 53 Im Bereich der Zwangsmassnahmen steht dem Verwaltungsgericht die Überprüfung der Ermessenshandhabung nicht zu. Verweigert der Betroffene die medizinisch indizierte, medikamentöse Be- handlung und erweist sich eine Zwangsbehandlung als unverhältnismäs- sig, so ist er in der Regel aus der Klinik zu entlassen. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 3. April 2001 in Sachen T.S. gegen Verfügung des Bezirksarzts Z. und Entscheid der Klinik Königsfelden. Aus den Erwägungen I. 2. Gemäss § 67e bis Abs. 4 EG ZGB kann ein Entscheid der Psychiatrischen Klinik Königsfelden betreffend Zwangsmassnahmen im Rahmen einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung innert 10 Tagen mit Beschwerde beim Verwaltungsgericht angefochten werden. Das Verwaltungsgericht ist demgemäss zur Beurteilung der Beschwerde gegen den Entscheid der Ärztlichen Leitung der Klinik Königsfelden vom 29. März 2001 zuständig. Die Überprüfung der Ermessenshandhabung steht dem Verwaltungsgericht in diesem Be- reich nicht zu. § 67p EG ZGB, auf den in § 67e bis Abs. 4 EG ZGB ausdrücklich verwiesen wird, regelt diese Frage nicht. Dagegen ver- weist § 67q EG ZGB "im Übrigen" auf die Vorschriften des VRPG. Danach ist die Ermessensüberprüfung in der Regel ausgeschlossen (§ 56 Abs. 1 VRPG), und in der abschliessenden Aufzählung der Ausnahmen in Abs. 2 und 3 des § 56 VRPG (vgl. AGVE 1983, S. 240; Michael Merker, Rechtsmittel, Klage und Normenkontroll- verfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungs- rechtspflege [Kommentar zu den §§ 38-72 VRPG], Diss. Zürich 1998, § 56 VRPG N 36) sind die Entscheide über Zwangsmassnah- men nach § 67e bis EG ZGB nicht aufgeführt. Dies erscheint denn auch sachlich vertretbar; die Prüfung der Verhältnismässigkeit als Rechtskontrolle bietet den Betroffenen ausreichenden Rechtsschutz. II. 4. b) Das Verwaltungsgericht hat in seiner bisherigen Recht- sprechung festgehalten, die fürsorgerische Freiheitsentziehung sei 2001 Verwaltungsgericht 218 unverhältnismässig, wenn nur vage Aussichten auf einen Behand- lungserfolg bestünden und der Betroffene nicht in hohem Masse selbst- oder fremdgefährlich sei (AGVE 1993, S. 310 [Regeste]). Der zuständige Oberarzt erklärte an der Verhandlung, dass beim Beschwerdeführer keine akute Selbstgefährdung vorliege. Auch der Sachverständige erachtete die Suizidgefahr als klein. Anhaltspunkte für eine Fremdgefährdung sind keine ersichtlich. Die von der Klinik als notwendig angesehene medikamentöse Behandlung wurde noch nicht begonnen, weil der Beschwerdeführer bisher jegliche Ein- nahme von Medikamenten verweigerte. Die Klinik hat zwar diesbe- züglich einen Zwangsmassnahmen-Entscheid getroffen, diesen aber mit aufschiebender Wirkung versehen. Eine weitere Zurückbehaltung in der Klinik kann somit nur dann verhältnismässig sein, wenn der Beschwerdeführer - auch gegen seinen Willen - adäquat medika- mentös behandelt werden kann. Es ist daher vorweg zu prüfen, ob eine Zwangsmedikation verhältnismässig ist. 2. a) Die Klinik begründete ihren Zwangsmassnahmen- Ent- scheid vom 29. März 2001 damit, dass beim Beschwerdeführer eine Psychose vorliege. An der Verhandlung führte der behandelnde Oberarzt aus, dass mit einer neuroleptischen Medikation das Zu- standsbild des Beschwerdeführers verbessert werden könne. Die aufschiebende Wirkung sei deshalb angeordnet worden, weil man vor dem Beginn der Behandlung den Beschwerdeentscheid des Ver- waltungsgerichts abwarten wollte. b) Der Beschwerdeführer lehnt eine Behandlung mit neurolepti- schen Medikamenten ab. Er ist lediglich zur Einnahme von homöo- pathischen Mitteln bereit. c) Eine neuroleptische Zwangsmedikation stellt zweifellos einen schweren Eingriff in die persönliche Freiheit dar und darf da- her nur erfolgen, wenn der betroffenen Person die notwendige Für- sorge auf andere Weise nicht gewährleistet werden kann. Die Zwangsbehandlung kann nur verhältnismässig sein, wenn die per- sönliche Freiheit des Beschwerdeführers auf längere Sicht durch die Verabreichung dieser Medikamente eindeutig weniger eingeschränkt wird als durch andere erforderliche Ersatzmassnahmen. So hat auch das Bundesgericht ausgeführt, eine Zwangsmedikation berühre den 2001 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 219 Kerngehalt des Grundrechtes der persönlichen Freiheit, weshalb von einer derart weitgehenden Massnahme nur mit der gebotenen Zu- rückhaltung Gebrauch gemacht werden dürfe. Damit der Richter in der Lage sei, die Verhältnismässigkeit solcher Eingriffe zu beurtei- len, seien an die Aussagekraft einer Krankengeschichte hohe Anfor- derungen zu stellen. Je schwerer ein Eingriff wiege, desto sorgfälti- ger sei er folglich zu begründen (BGE 124 I 304). In der Lehre wird überdies die Meinung vertreten, dass das Verhältnismässigkeitsprin- zip für eine Zwangsbehandlung voraussetzt, dass die Vorteile der Massnahme die Nachteile eindeutig überwiegen (Thomas Geiser, Die fürsorgerische Freiheitsentziehung als Rechtsgrundlage für eine Zwangsbehandlung?, in: Familie und Recht, Festgabe der Rechtswis- senschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg für Bernhard Schnyder, Freiburg 1995, S. 311). d) aa) Es steht fest, dass der Beschwerdeführer an einer para- noiden Psychose leidet und dass bei ihm das Vorliegen zumindest einer Geistesschwäche im juristischen Sinn zu bejahen ist. Die Er- krankung brach vor ungefähr einem Jahr aus und befand sich im Zeitpunkt der Einweisung in einem akuten Stadium. Der Beschwer- deführer ist deshalb als dringend behandlungsbedürftig anzusehen. Da bei Psychosen relativ gute Heilungs- oder zumindest Besse- rungschancen bestehen, wenn möglichst schnell eine adäquate neu- roleptische Behandlung stattfindet, ist auch die Behandlungsfähigkeit des Beschwerdeführers zu bejahen. bb) Weil eine Zwangsmedikation einen sehr schweren Eingriff in die persönliche Freiheit darstellt, sind jedoch hohe Anforderungen an die Verhältnismässigkeit zu stellen. Der Beschwerdeführer hat sich in der Klinik ruhig, freundlich und im Umgang korrekt verhal- ten. Er erklärte, er habe Zeit, um den Entscheid des Verwaltungsge- richts über seine Beschwerden abzuwarten. Den Klinikaufenthalt erlebte er offenbar als nicht allzu schweren Eingriff in seine Frei- heitsrechte. Der Beschwerdeführer wehrt sich dagegen vehement gegen eine medikamentöse Behandlung. Diese nun gegen seinen Willen mit Zwang durchzuführen, wäre nur verhältnismässig, wenn ohne Behandlung eine akute Fremd- oder Selbstgefährdung vorlie- gen würde. Dies ist jedoch nach Aussagen des Klinikarztes und des 2001 Verwaltungsgericht 220 Sachverständigen nicht der Fall. Auch eine schwere Verwahrlosung liegt nicht vor; der Beschwerdeführer lebte bis zum Klinikeintritt in geregelten Verhältnissen. Es muss zudem in Betracht gezogen wer- den, dass eine Zwangsmedikation mit Gewalt und gegen den aus- drücklichen Willen des Beschwerdeführers eine Verstärkung von dessen Gefühl, einer bösen Macht ausgeliefert zu sein, zur Folge haben und sich so kontraproduktiv auswirken könnte. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass zur Zeit die Schwelle für eine Zwangsbehandlung nicht erreicht ist, denn auch im Falle einer Entlassung des Beschwerdeführers ohne medikamentöse Behandlung ist nicht mit einem sofortigen Unglück zu rechnen. Der Beschwerdeführer hat denn auch nachgewiesen, dass er nach dem Klinikaustritt bei Kollegen wohnen kann. Mittelfristig sind allerdings Selbstgefährdung und Verwahrlosung nicht auszuschliessen, weil der Verlauf der paranoiden Psychose ohne medikamentöse Behandlung eine schlechte Prognose hat. Aufgrund seiner Selbstbestimmungs- rechte kann dem Beschwerdeführer die notwendige medizinische Hilfe zur Zeit nicht erwiesen werden. Trotz dieser rechtlichen Situa- tion wird ihm dringend empfohlen, sich in ambulante psychiatrische Behandlung zu begeben, insbesondere wenn er weiterhin selbstschä- digende Anweisungen durch Stimmen einer fremden Macht be- kommt. cc) Eine zwangsmässige medikamentöse Behandlung ist somit nicht verhältnismässig; eine medizinische Indikation für eine andere Behandlung besteht nicht. Deshalb hat ein weiterer Klinikaufenthalt keinen Sinn und der Beschwerdeführer ist antragsgemäss aus der fürsorgerischen Freiheitsentziehung zu entlassen.
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AG_VG_001
AG_VG
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2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 64 [...] 13 Behandlung ohne Zustimmung - Urteilsunfähigkeit betreffend Behandlung ohne Zustimmung mit einem zusätzlichen Medikament trotz grundsätzlicher Krankheits- einsicht (Erw. 4.3.) 2013 Fürsorgerische Unterbringung 65 - Eine Beschwerde gegen eine Behandlung ohne Zustimmung hat kei- ne aufschiebende Wirkung (Erw. 6.). Urteil des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 12. Februar 2013 in Sa- chen R.P. gegen den Entscheid der Klinik Köngisfelden (WBE.2013.46). Aus den Erwägungen B. 1. Der Leitende Oberarzt X. ordnete am 5. Februar 2013 an, dass der Beschwerdeführer gegen seinen Willen bis zum 12. Februar 2013 täglich 7 mg Psychopax in flüssiger Form einnehmen muss. 2. Grundlage für diese Behandlung ohne Zustimmung ist Art. 434 ZGB, welche folgendermassen lautet: " 1 Fehlt die Zustimmung der betroffenen Person, so kann die Chefärztin oder der Chefarzt der Abteilung die im Behandlungsplan vorgesehenen medizinischen Massnahmen schriftlich anordnen, wenn: 1. ohne Behandlung der betroffenen Person ein ernsthafter ge- sundheitlicher Schaden droht oder das Leben oder die körperliche In- tegrität Dritter ernsthaft gefährdet ist; 2. die betroffene Person bezüglich ihrer Behandlungsbedürftig- keit urteilsunfähig ist; und 3. keine angemessene Massnahme zur Verfügung steht, die we- niger einschneidend ist. 2 Die Anordnung wird der betroffenen Person und ihrer Vertrau- ensperson verbunden mit einer Rechtsmittelbelehrung schriftlich mit- geteilt." 3. Zunächst ist zu bemerken, dass die gesetzlich verlangten for- mellen Anforderungen erfüllt sind: Im Kanton Aargau sind die diensthabenden Kaderärztinnen und Kaderärzte mit ärztlicher Leitung, das heisst Oberärzte und höhere 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 66 Chargen, zur Anordnung einer Behandlung ohne Zustimmung zu- ständig (vgl. Botschaft des Regierungsrats des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 27. April 2011, Ziff. 9.3.2; Botschaft des Re- gierungsrates des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 19. Okto- ber 2011, Ziff. 3.3.4). Bei X. handelt es sich um einen in der Klinik Königsfelden angestellten Leitenden Oberarzt, welcher die Verant- wortlichkeit der Akutstation Y. innehat, und somit um einen "Chef- arzt der Abteilung" im Sinne von Art. 434 Abs. 1 ZGB, der befugt ist, eine solche Behandlung ohne Zustimmung anzuordnen. Ferner wurde die Anordnung dem Beschwerdeführer samt Rechtsmittelbelehrung schriftlich mitgeteilt (vgl. Art. 434 Abs. 2 ZGB). 4. 4.1. 4.1.1. Gemäss Gesetzestext (Art. 434 Abs. 1 ZGB) muss es sich bei der angefochtenen medizinischen Behandlung um eine Massnahme handeln, die im Behandlungsplan vorgesehen war, die betroffene Person hierzu jedoch die Zustimmung nun verweigert. Es kann somit nur eine im Behandlungsplan vorgeschlagene Behandlung vom be- handelnden Arzt angeordnet werden (vgl. T HOMAS G EISER /M ARIO E TZENSBERGER in: Geiser/Reusser [Hrsg.], Basler Kommentar, Er- wachsenenschutz, Basel 2012, Art. 434/435 N 16). 4.1.2. Im Behandlungsplan vom 31. Januar 2013 war die Behandlung mit dem Medikament Valium vorgesehen. Psychopax ist ein Benzo- diazepin, welches genau gleich wie Valium den Wirkstoff Diazepan enthält (vgl. www.compendium.ch). Der Unterschied zwischen den beiden Medikamenten besteht lediglich darin, dass Psychopax in flüssiger Form und Valium in Tablettenform eingenommen werden kann. Da die Wirkstoffe jedoch dieselben sind, kann festgestellt wer- den, dass im vorliegenden Fall die medikamentöse Behandlung mit Psychopax sinngemäss im Behandlungsplan enthalten ist und die Voraussetzung gemäss Art. 434 Abs. 1 ZGB erfüllt ist. 2013 Fürsorgerische Unterbringung 67 4.2. 4.2.1. In Anlehnung an den Gesetzestext ist in materieller Hinsicht so- dann zu prüfen, ob ohne Behandlung des Beschwerdeführers mit Psychopax ein ernsthafter gesundheitlicher Schaden droht oder das Leben oder die körperliche Integrität Dritter ernsthaft gefährdet ist (vgl. Art. 434 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB). 4.2.2. Dem Wortlaut des Gesetzes nach muss eine ernstliche Gefähr- dungssituation vorliegen. Es kann sich sowohl um Selbst- oder um Fremdgefährdung handeln (Botschaft Erwachsenenschutz, BBl 2006 7069). Ein ernstlicher Gesundheitsschaden im Sinne einer Selbstge- fährdung liegt dann vor, wenn eine Beeinträchtigung wichtiger körperlicher oder psychischer Funktionen mit hoher Wahrscheinlich- keit zu befürchten ist (T HOMAS G EISER /M ARIO E TZENSBERGER , in: a.a.O., Art. 434/435 N 19). 4.2.3. Der Beschwerdeführer trat am 21. Januar 2013 in die Klinik Königsfelden ein. Obschon er grundsätzlich krankheitseinsichtig war und sich seines manischen Zustands bewusst zeigte, bestand seit dem Eintritt ein ständiges Ringen um die Medikation. Der Beschwerde- führer war zwar stets bereit, das Medikament Seroquel einzunehmen, verhielt sich indessen bezüglich einer zusätzlichen Medikation hoch- ambivalent. Zunächst war er mit der Einnahme von Valium einver- standen. Wenige Tage später wehrte er sich jedoch dagegen. Am 31. Januar 2013 äusserte er Suizidgedanken und entwich aus der Klinik. Gleichentags fand ein Gespräch über die Medikation mit dem Oberarzt statt. Der Beschwerdeführer gab an, nicht mit Orfiril thera- piert werden zu wollen, da er in der Vergangenheit davon Tremor er- halten habe. Der Beschwerdeführer erklärte sich schliesslich mit der Einnahme von Lithium einverstanden. Sobald dieses wirken würde, sollte das Valium ausgeschlichen werden. Bereits einen Tag später verweigerte er allerdings die Einnahme von Lithium, als ihn die Pflege hierzu aufforderte, mit der Begründung, dass dieses ihn de- pressiv machen würde. Auch die Einnahme von Valium verwehrte er. Aufgrund der Verschlechterung des Zustands wurde schliesslich am 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 68 5. Februar 2013 eine Behandlung mit dem Medikament Psychopax gegen den Willen des Beschwerdeführers angeordnet. 4.2.4. Obschon der Beschwerdeführer während seines Aufenthalts im Satis Seroquel regelmässig einnahm, geriet er Mitte Januar in einen hochmanischen Zustand. Überdies verschlechterte sich sein Zustand während des Klinikaufenthalts nach dem Absetzen des ursprünglich verordneten Valiums, so dass er am 29. Januar 2013 von der Abtei- lung Z. wieder auf die Akutstation Y. verlegt werden musste, weil er dort aufgrund seines manischen Verhaltens (gereizt, laut, be- schimpfend) nicht mehr tragbar war. Auch nach dem 31. Januar 2013, als er Suizidgedanken äusserte und aus der Klinik entwich, verhielt er sich sehr angetrieben, war gereizt, aufbrausend und über- heblich. Er hielt sich nicht an Ausgangsregelungen und kehrte nicht zu den vereinbarten Zeiten zurück. Einmal wehrte er sich laut und vehement gegen die Instruktionen des Pflegepersonals anlässlich der Morgenrunde. Diese Vorfälle zeigen, dass es offensichtlich nötig ist, dass der Beschwerdeführer in seinem aktuellen Zustand zusätzlich zu Sero- quel mit einem Stimmungsstabilisator wie Lithium, Convulex oder Orfiril oder mit einem Benzodiazepine wie Valium bzw. Psychopax behandelt werden muss, um die manischen Symptome in den Griff zu bekommen. Zu diesem Schluss kommt übrigens auch die sachver- ständige Psychiaterin im Rahmen ihres Kurzgutachtens. 4.2.5. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass der Beschwerdeführer in der Lage ist, sich selber gesundheitliche Schäden zuzufügen, hat er doch schon zwei Suizidversuche hinter sich. Bei Nichteinnahme von zusätzlichen Medikamenten zur Stabilisierung der Stimmung des Be- schwerdeführers war das Risiko einer Selbstgefährdung damit als hoch einzustufen, insbesondere da er sehr angetrieben war und Suizidgedanken äusserte. Im Zeitpunkt der Anordnung am 5. Februar 2013 war somit die Voraussetzung der Gefahr eines ernsthaften ge- sundheitlichen Schadens gemäss Art. 434 Abs. 1 Ziff. 1 erfüllt. 2013 Fürsorgerische Unterbringung 69 4.2.6. Die Behandlung mit Psychopax war gemäss Anordnung vom 5. Februar 2013 bis zum 12. Februar 2013 vorgesehen und somit auf sieben Tage befristet. Dass die Aufrecherhaltung der Massnahme bis zum 12. Februar 2013 ebenfalls gesetzesmässig ist, manifestiert der Vorfall vom 9. Februar 2013 deutlich: Der Beschwerdeführer legte im hochmanischen Zustand in seinem Zimmer einen Brand und ge- fährdete damit sowohl seine eigene Gesundheit wie auch die körper- liche Integrität Dritter in ernstlicher Weise. 4.3. 4.3.1. Sodann verlangt das Gesetz die Urteilsunfähigkeit der betroffe- nen Person bezüglich ihrer Behandlungsbedürftigkeit (Art. 434 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB). 4.3.2. Gemäss Art. 16 ZGB ist urteilsfähig, wem nicht wegen Kindes- alters, infolge geistiger Behinderung, psychischer Störung, Rausch oder ähnlicher Zustände die Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu handeln. Urteilsfähig ist, wer einerseits über die Fähigkeit verfügt, den Sinn und Nutzen sowie die Wirkungen eines bestimmten Verhal- tens einsehen und abwägen zu können. Andererseits muss ein Willensmoment gegeben sein, nämlich die Fähigkeit, gemäss der Einsicht nach freiem Willen handeln zu können (M ARGRITH B IGLER - E GGENSBERGER , in: Honsell/Vogt/Geiser [Hrsg.], Basler Kommen- tar, Zivilgesetzbuch I, Basel 2010, 4. Aufl., Art. 16 N 3). Dabei beur- teilt sich die Urteilsfähigkeit nach konstanter Rechtsprechung und Lehre nie abstrakt oder ein für alle Mal gleich bezüglich einer Per- son, sondern stets relativ. Es kommt somit darauf an, ob die Urteils- fähigkeit für eine konkrete Handlung und zu einem bestimmten Zeit- punkt gegeben ist (M ARGRITH B IGLER -E GGENSBERGER , in: a.a.O., Art. 16 N 34). 4.3.3. Art. 434 ZGB bestimmt, dass die Urteilsunfähigkeit bezogen auf die eigene Behandlungsbedürftigkeit mit einer konkret in Aus- sicht gestellten Behandlung vorliegen muss. Fraglich ist, in welchen Situationen dies der Fall sein kann. Die Botschaft zum neuen 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 70 Erwachsenenschutzrecht führt hierzu Folgendes aus (Botschaft Er- wachsenenschutz, BBl 2006 7069): "So ist es denkbar, dass den Patientinnen oder Patienten die kognitive Fähigkeit, z.B. wegen Demenz, schweren Intelligenz- mangels oder Bewusstseinsstörungen, schlicht mangelt und sie so weder Zustimmung noch Ablehnung äussern. Denkbar ist aber auch, dass die Krankheit, z.B. Schizophrenie, die Wahrnehmungsfähigkeit beeinträchtigt und die Entschlussfähigkeit lähmt, z.B. im Fall einer Sucht, so dass die Patientinnen oder Patienten zwar merken, worum es geht, einer angepassten Behandlung aber nicht zustimmen können und dies mit verbalem und allenfalls physischem Widerstand aus- drücken, weil sie in ihrer die ganze Persönlichkeit erfassenden Schwäche ihre Situation nicht vernunftgemäss einschätzen können. Die erste Situation stellt für Laien selten ein Problem dar. Die Perso- nen der zweiten Gruppe imponieren dagegen oft als zu Unrecht unterdrückte, geplagte und manipulierte Menschen, denen es gegen eine dominante Psychiatrie zu helfen gilt. Erst die mehrjährige Erfah- rung von Angehörigen solch psychisch Kranker, von behandelnden und betreuenden oder sonst wie involvierten Personen, z.B. Nach- barn, Behörden, Juristinnen und Juristen, zeigt, wie schädlich es sein kann, diese Patienten und Patientinnen nicht zu behandeln. Man will in ehrlichem Bemühen die Freiheit dieser kranken Menschen bewah- ren und übersieht, dass die Krankheit selbst diese Freiheit schon längst schwer beeinträchtigt oder zunichte gemacht hat." In die von der Botschaft beschriebene zweite Kategorie sind so- mit Menschen einzuordnen, welche zwar einen Willen ausdrücken können, dessen Bildung aber nicht auf Grund des geforderten Min- destmass an Rationalität beruht (vgl. auch T HOMAS G EISER /M ARIO E TZENSBERGER , in: a.a.O., Art. 434/435 N 18). 4.3.4. Wie die diversen geschilderten Ereignisse (Bezug einer Geld- summe von Fr. 9'000.00 vom Postkonto ohne Zustimmung der Beiständin, überstürzter Auszug aus dem Wohnheim Satis, Entwei- chen aus der Klinik Königsfelden, Brandlegung im Zimmer, Wunsch nach gänzlicher Absetzung der Medikamente) sowie die angetrie- bene, gehobene aber oftmals auch sehr gereizte Stimmung des Be- 2013 Fürsorgerische Unterbringung 71 schwerdeführers zeigen, befindet sich dieser in einer starken mani- schen Episode, welche immer noch anhält. In diesem Zustand neigt der Beschwerdeführer zu Selbstüberschätzung, was zu einem mangelnden Realitätsbezug führt, insbesondere auch bezüglich der Medikation. Aufgrund des ansteigenden manischen Zustands in der Klinik Königsfelden traten denn auch immer grössere Probleme mit dem Behandlungsteam und den Mitpatienten auf, so dass er sich in eine Verzweiflung steigerte, die bis zu Suizidgedanken und am 9. Februar 2013 zu einer massiv selbst- und fremdgefährlichen Hand- lung führte. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer zurzeit einen Schub seiner chronischen Hautkrankheit, Morbus Darier, erfährt. Er ist der Ansicht, dass die psychiatrischen Medikamente die Haut- krankheit verschlimmern würden und wünschte auch aus diesem Grund, die Medikamente gänzlich absetzen. Es ist jedoch nicht er- stellt, dass die Medikamente die Hautkrankheit verschlimmern. Ebenso denkbar ist, dass der manische Zustand des Beschwerde- führers als einer der auslösenden Faktoren für den aktuellen Schub der Hautkrankheit anzusehen ist. Obschon die Hautkrankheit sicher- lich sehr beeinträchtigend ist, ist der Plan des Beschwerdeführers, eine Zeit lang sämtliche Medikamente abzusetzen, nicht nachvoll- ziehbar, zumal eine schwere psychische Erkrankung vorliegt, welche gar in den Suizid führen könnte. Ohne Psychopharmaka ist mit einer schweren manischen oder schweren depressiven Episode und damit mit grosser Selbstgefährdung zu rechnen. Überdies ist es medizinisch nicht erstellt, dass die verordneten Medikamente die Hautkrankheit verschlimmern. Für das Verwaltungsgericht besteht kein Zweifel, dass der Be- schwerdeführer in die in der Botschaft beschriebene zweite Katego- rie von Personen fällt: Der Beschwerdeführer ist zwar grundsätzlich krankheitseinsichtig und kann sich auch entsprechend äussern, je- doch kann er aufgrund seines aktuellen Schwächezustands infolge seiner akuten psychischen Erkrankung die Situation nicht vernunft- gemäss einschätzen. Ihm fehlte in der konkreten Situation vom 5. Februar 2013 die Urteilsfähigkeit betreffend die Notwendigkeit eines zusätzlichen Medikaments zum Seroquel, da er aufgrund des psychischen Zustands nicht einsah, dass die Behandlung mit Sero- 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 72 quel nicht genügte, um das manische Zustandsbild zu verbessern. Die Situation hat sich im Übrigen seither nicht verändert, gab er doch anlässlich der Verhandlung zu Protokoll, er wolle ohne jegliche Me- dikamente auskommen und dies obschon er aktuell nebst 900 mg Seroquel mit 19 mg eine hohe Dosis Valium einnimmt, was mass- geblich dazu beigetragen hat, dass er sich an der Verhandlung gut kontrollieren konnte. 4.3.5. Schlussfolgernd ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer in Bezug auf seine Behandlungsbedürftigkeit mit dem zusätzlichen Me- dikament Psychopax urteilsunfähig war und folglich die Vorausset- zung von Art. 434 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB ebenfalls erfüllt ist. 4.4. 4.4.1. Schliesslich ist zu prüfen, ob der Grundsatz der Verhältnis- mässigkeit hinreichend beachtet wurde. Die Massnahme darf gemäss Gesetzestext nur angeordnet werden, "wenn keine angemessene Massnahme zur Verfügung steht, die weniger einschneidend ist" (Art. 434 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB). Weniger einschneidende Massnahmen sind insbesondere solche, die dem tatsächlichen oder mutmasslichen Willen des Patienten mehr entsprechen als die vorgeschlagenen (T HOMAS G EISER /M ARIO E TZENSBERGER , in: a.a.O., Art. 434/435 N 22). 4.4.2. Wie bereits erläutert, war ein zusätzliches Medikament zu Sero- quel aus psychiatrischer Sicht dringend angezeigt. Dem Beschwerde- führer wurden von Oberarzt X. diverse Medikamente vorgeschlagen, welche jedoch vom Beschwerdeführer schliesslich alle abgelehnt wurden. Die Verabreichung von Psychopax war insofern eine nach- vollziehbare Wahl, weil es den gleichen Wirkstoff wie Valium ent- hält. Der Beschwerdeführer hatte zu Beginn des Klinikaufenthaltes Valium bereits eingenommen und sprach grundsätzlich gut darauf an. Es ist folglich nicht ersichtlich, welche weniger einschneidende Massnahme hätte ergriffen werden können, um das gewünschte Ziel, nämlich die Reduktion des Risikos einer Selbst- oder Fremdge- fährdung, zu erreichen. Hierzu ist ein Benzodiazepine wie Psychopax 2013 Fürsorgerische Unterbringung 73 im Übrigen zweifellos geeignet. Der Entscheid, den Beschwerde- führer ohne seine Zustimmung zusätzlich mit Psychopax zu behan- deln, ist somit unter den gegebenen Umständen als verhältnismässig anzusehen. 5. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass vom 5. Februar 2013 bis zum heutigen Zeitpunkt eine ernsthafte Gefahr für die Gesundheit des Beschwerdeführers bestand bzw. besteht. Dieser Gefahr konnte nicht anders als mit der Anordnung einer Behandlung mit dem Medi- kament Psychopax gegen den Willen des Beschwerdeführers begeg- net werden. Aufgrund des manischen Zustandsbilds war es dem Be- schwerdeführer nicht möglich, die Situation vernunftgemäss einzu- schätzen, womit er bezüglich seiner Behandlungsbedürftigkeit mit Psychopax urteilsunfähig war. Die Anordnung einer medizinischen Behandlung ohne Zustimmung vom 5. Februar 2013 war demnach rechtmässig und die diesbezügliche Beschwerde ist abzuweisen. 6. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die Kon- ferenz der Kantone für Kindes und Erwachsenenschutz (KOKES) die Meinung vertritt, einer Beschwerde gegen eine Behandlung ohne Zu- stimmung im Sinne von Art. 439 Abs. 1 Ziff. 4 ZGB komme auf- schiebende Wirkung zu (KOKES, Praxisanleitung Erwachsenen- schutz, Zürich/St. Gallen 2012, Rz.10.47). Dieser Ansicht kann aus folgenden Gründen nicht gefolgt werden: Die auf Art. 439 Abs. 1 Ziff. 4 ZGB anzuwendende Verfahrensbestimmung, Art. 450e Abs. 2 ZGB, hält eindeutig fest, dass den Beschwerden gegen einen Ent- scheid auf dem Gebiet der fürsorgerischen Unterbringung grundsätz- lich keine aufschiebende Wirkung zukommt, sofern die Erwachse- nenschutzbehörde oder die gerichtliche Beschwerdeinstanz nichts an- deres verfügt. Eine Ausnahme bei einer Beschwerde gegen eine Be- handlung ohne Zustimmung ist weder dem Gesetz noch der Bot- schaft zu entnehmen (vgl. Botschaft Erwachsenenschutz, BBl 2006 7069 f., 7071 f. und 7086). Ferner wäre es aus medizinischer Sicht nicht im Interesse des Patienten, die Rechtsmittelfrist abzuwarten, bis eine entsprechende medizinische Behandlung tatsächlich durchge- führt werden kann. Dies würde darauf hinauslaufen, dass Patienten 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 74 ohne adäquate Behandlung in der Klinik zurückbehalten würden, wodurch sich ihr Zustand nicht verbessert, sondern eher verschlech- tert. So käme es häufig zu Notfallsituationen (vgl. Art. 435 ZGB). Die Ärzte müssten in diesen Fällen warten, bis eine Notfallsituation eintrifft, statt dass die adäquate Behandlung schon vorher angeordnet werden kann. Notfallsituationen sind sowohl für den Patienten selber als auch für sämtliche in einer Einrichtung anwesenden Personen wie Mitpatienten, Pflegepersonal und Ärzte äusserst belastend und be- einträchtigen den regulären Betrieb erheblich, weshalb solche Not- fallsituationen mit einer vorausschauenden medizinischen Behand- lung möglichst vermieden werden sollten. Eine aufschiebende Wir- kung solcher Beschwerden kann mit Blick auf das Gesagte somit vom Bundesgesetzgeber nicht gewollt sein. Entsprechend wird im kantonalen Recht in § 67q Abs. 1 lit. e i.V.m. § 67q Abs. 2 EG ZGB denn auch ausdrücklich geregelt, dass bei Beschwerden gegen eine Behandlung einer psychischen Störung ohne Zustimmung Art. 450e Abs. 2 ZGB sinngemäss zur Anwendung gelangt und demzufolge diesen Beschwerden eben grundsätzlich keine aufschiebende Wir- kung zukommt. Die angefochtene Anordnung und anschliessende Verabreichung von Psychopax war im vorliegenden Fall somit auch in dieser Hinsicht rechtmässig.
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AG_VG_001
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2018 Submissionen 253 V. Submissionen 22 Ausschluss eines Anbieters vom Verfahren; Arbeitsbedingungen Ausschluss eines Anbieters vom Verfahren wegen Nichteinhaltens der Ar- beitsbedingungen (orts- und branchenübliche Mindestlöhne). Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 17. September 2018, in Sachen A. GmbH gegen Kanton Aargau (WBE.2018.188). Aus den Erwägungen 2. 2.1. § 3 Abs. 1 lit. a SubmD bestimmt, dass die Vergabestelle, sofern übergeordnetes Recht nichts anderes vorschreibt, den Auftrag nur an Anbietende vergibt, die die am Ort der Leistung massgeblichen Bestimmungen über Arbeitsschutz und Arbeitsbedingungen einhal- ten . Die Vergabestelle ist berechtigt, die Einhaltung dieser Bestim- mung zu kontrollieren oder kontrollieren zu lassen. Auf Verlangen haben die Anbietenden deren Einhaltung zu bestätigen oder nach- zuweisen (§ 3 Abs. 2 SubmD). Laut Art. 11 lit. e IVöB sind die Ar- beitsschutzbestimmungen und die Arbeitsbedingungen für Arbeitneh- mer zu beachten. § 7 Abs. 1 der Vergaberichtlinien (VRöB) zur IVöB bestimmt u.a., dass die Auftraggeberin vertraglich sicherstellt, dass die Anbieterin die geltenden Arbeitsbedingungen einhält und Dritte, denen sie Aufträge weiterleitet, ebenfalls vertraglich verpflichtet, die Arbeitsbedingungen einzuhalten. Als Arbeitsbedingungen gelten die Vorschriften der Gesamt- und der Normalarbeitsverträge; wo diese fehlen, gelten die orts- und berufsüblichen Vorschriften. Alle in der Schweiz geltenden Vorschriften werden dabei als gleichwertig be- trachtet (§ 7 Abs. 2 VRöB). Gemäss § 28 Abs. 1 SubmD schliesst die 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 254 Vergabestelle bei Vorliegen genügender Gründe Anbietende vom Verfahren aus. Dies gilt insbesondere in den in § 28 Abs. 1 lit. a - h SubmD genannten Fällen. Auszuschliessen sind u.a. Anbietende, die den Verpflichtungen aus § 3 SubmD nicht nachkommen (§ 28 Abs. 1 lit. d SubmD; vgl. auch § 27 lit. d VRöB). 2.2. Die Einhaltung der Arbeitsbedingungen - wozu u.a. Arbeits- zeiten, (Mindest-)Löhne, Lohnzulagen und Sozialleistungen zu zäh- len sind - gehört - nebst der Einhaltung der Steuer- und Abgabe- pflichten, der Arbeitssicherheitsbedingungen oder der Umweltschutz- gesetzgebung - zu den sog. vergaberechtlichen Grundvoraussetzun- gen. Darunter werden Vorbedingungen verstanden, welche alle Anbieter erfüllen müssen, um ganz losgelöst von der Natur und der Ausgestaltung des konkret zur Frage stehenden öffentlichen Auftrags an einem öffentlichen Vergabeverfahren teilnehmen zu können. Diese Bedingungen können nicht mehr oder weniger erfüllt sein, sondern nur ganz oder gar nicht (binäre Kriterien). Es handelt sich um jene Aspekte, ohne die ein lauterer Vergabewettbewerb undenk- bar wäre und bei deren Missachtung das öffentliche Beschaffungs- recht überhaupt in Misskredit kommen könnte. Anbieter, welche die Grundvoraussetzungen nicht erfüllen, sind ungeachtet des Auftrag- gegenstandes von jedem Verfahren auszuschliessen (MARTIN BEYELER, Der Geltungsanspruch des Vergaberechts, Zürich/Basel/Genf 2012, Rz. 1478 mit Hinweisen; CHRISTOPH JÄGER, Ausschluss vom Verfahren - Gründe und Rechtsschutz, Aktuelles Vergaberecht 2014, S. 340). 3. 3.1. Im vorliegenden Fall hatten die Anbieter ihrer Offerte die ausgefüllte und rechtsgültige unterzeichnete Beilage 2, enthaltend in Ziff. 3 u.a. eine Selbstdeklaration / Bestätigung des Anbieters , beizufügen. Im Rahmen dieser Selbstdeklaration / Bestätigung des Anbieters hat die Beschwerdeführerin die Frage, ob sie die am Ort der ausgeübten Tätigkeit branchenüblichen Lohn- und Arbeitsbe- dingungen einhalte (Ziff. 3 lit. d), jeweils mit Ja beantwortet. Bei den Fragen betreffend die Einhaltung der Gesamt- und Normal- 2018 Submissionen 255 arbeitsverträge (Ziff. 3 lit. b und c) kreuzte sie jeweils k.A. (keine Angaben) an. Mit Schreiben vom 28. März 2018 forderte die Vergabestelle die Beschwerdeführerin - vor dem Hintergrund, dass sie die von dieser offerierten Kurspreise für ungewöhnlich niedrig er- achtete - u.a. auf, mittels eines beigelegten Formulars zu belegen, wie sich die Lohnkosten der Kursleitungen zusammensetzten ( von der Kursleitung mit dem höchsten und mit dem tiefsten Lohn pro Los ). Zudem sei auch ein Lohnreglement, falls vorhanden, oder andere Dokumente, aus denen ersichtlich sei, dass die effektiv entrichteten Löhne den Submissionsbedingungen genügten, beizule- gen. Aus den ausgefüllten Formularen ist zu entnehmen, dass die Kursleitungen der Beschwerdeführerin mittels Arbeitsvertrag mit einem Jahrespensum von 1'232 Lektionen zu einem Bruttolohn von Fr. 6'000.00 (höchster Lohn) bzw. Fr. 5'500.00 (tiefster Lohn) ange- stellt sind. Im Bruttolohn eingeschlossen ist - in den Formularen für die drei Lose entsprechend angekreuzt - die Vor-/Nachbearbeitung des Unterrichts, administrative Aufgaben, die Teilnahme an Sitzungen sowie der gesetzliche Ferienzuschlag und die Feiertagsent- schädigung. Die Ferien betragen 4 Wochen. Spesen werden nach Aufwand entschädigt. Im Bruttolohn enthalten sind sodann maximal zwei bezahlte Weiterbildungen à je maximal 12 Stunden pro Jahr. Im zugehörigen Begleitschreiben vom 9. April 2018 erläuterte die Be- schwerdeführerin die Berechnungsgrundlage: 28 Lektionen ent- sprechen einem 100% Pensum und somit 112 Lektionen im Monat bzw. 1344 Lektionen im Jahr, abzüglich 1 Monat Ferien. Das Jahres- pensum bei 100% beträgt somit 1232 Lektionen im Jahr was wie- derum 102.66 Lektionen im Monat entsprechen. Die Lohnkosten pro Lektion betragen somit bei einem Durchschnittlichen Lohn von Brutto 6000.- CHF: 58.44 CHF zuzüglich ca. 0.13% Arbeitnehmer- beiträge . Der Bruttolohn pro Lektion (à 45 Minuten) beläuft sich nach eigenen Angaben der Beschwerdeführerin beim Höchstlohn so- mit auf Fr. 58.44. Beim tiefsten Lohn von brutto Fr. 5'500.00 beträgt der Lohn pro Lektion (à 45 Minuten) entsprechend Fr. 53.57. 3.2. Die Vergabestelle stützt sich bei der Bestimmung der orts- und branchenüblichen Mindestlöhne in erster Linie auf das Lohnbuch 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 256 Schweiz 2018 . Danach betragen die Löhne in der Integrationsförde- rung für Lehrpersonen von Deutschkursen gemäss dem Gesamtarbeitsvertrag (GAV) zwischen ECAP und der Gewerkschaft UNIA sowie dem Schweizerischen Verband des Personals Öffent- licher Dienste VPOD je nach Alter und Erfahrung der Kursleitenden und des Deutschkursformats (Grundlagenkurs, Basiskurs, Semester- kurs) pro Lektion à 50 Minuten zwischen Fr. 68.85 und Fr. 76.75 brutto. Pro Lektion à 45 Minuten betragen die Löhne entsprechend zwischen Fr. 61.95 und Fr. 69.05 brutto. Das Lohnbuch Schweiz 2017 macht dieselben Lohnangaben. Damit erweist sich der Ein- wand der Beschwerdeführerin, die Vergabestelle hätte nicht auf das Lohnbuch Schweiz 2018 abstellen dürfen, da dieses im Zeitpunkt der Angebotseingabe (Ende Februar 2018) noch nicht veröffentlicht gewesen sei, im Ergebnis als unerheblich. Ebenfalls offensichtlich nicht stichhaltig ist das Argument der Beschwerdeführerin, die B. de- klariere für das Fachpersonal Integration einen branchenüblichen Stundenlohn von Fr. 36.75 brutto. Dabei handelt es sich, wie die Vergabestelle zu Recht einwendet, um eine andere Berufsgruppe mit anderen Anstellungsvoraussetzungen; insofern können die dortigen Mindestlöhne nicht zu Vergleichszwecken herangezogen werden. Vom Mindestlohn von Fr. 61.95 gemäss Lohnbuch hat die Vergabe- stelle eine Toleranz von 5 % (analog dem Lohnvergleich im Rahmen von Arbeitsmarktbeobachtungen des MIKA) in Abzug gebracht und gelangt so zu einem orts- und branchenüblichen Mindestlohn von Fr. 58.85 brutto pro Lektion von 45 Minuten. Das Vorgehen der Vergabestelle zur Ermittlung des massgebenden Mindestlohns ist ohne Weiteres nachvollziehbar und nicht zu beanstanden (vgl. auch Erw. 3.4 hiernach). Als unbehelflich erweist sich in diesem Zusammenhang insbesondere auch der Einwand der Beschwerdeführerin, der von der Vergabestelle erwähnte Gesamtarbeitsvertrag sei ihr unbekannt. Existiert in einer Branche ein Gesamtarbeitsvertrag, sind die Anbie- ter zwar nicht verpflichtet, diesem beizutreten, jedoch darf im Rah- men der Vergabe öffentlicher Aufträge von ihnen dessen Einhaltung in Bezug auf die massgeblichen Arbeitsbedingungen, u.a. auch die 2018 Submissionen 257 vorgesehenen Mindestlöhne, verlangt werden (vgl. Art. 7 VRöB; oben Erw. 2.1; ferner auch BGE 130 I 258 ff.). 3.3. 3.3.1. Wie vorstehend (Erw. 3.1) ausgeführt, hat die Beschwerde- führerin im Rahmen der Plausibilitätsüberprüfung Löhne von Fr. 58.44 bzw. Fr. 53.57 brutto pro Lektion deklariert. Beide Lohnangaben liegen somit unter dem orts- und branchenüblichen Mindestlohn von Fr. 61.95 bzw. - nach Abzug der Toleranz von 5 % - von Fr. 58.85 brutto pro Lektion. 3.3.2. Im vorliegenden Beschwerdeverfahren stellt die Beschwerde- führerin die Richtigkeit des Abstellens auf die von ihr im Rahmen der Plausibilitätsüberprüfung selbst deklarierten Lohnangaben in Frage. Sie macht zum einen geltend, die Vorteile ihrer Anstel- lungsbedingungen (Jahresarbeits-Modell) und die dadurch bewirkte Besserstellung der Arbeitnehmenden blieben in der Gegenüberstel- lung des Stundenlohns zu Unrecht unberücksichtigt. Zum anderen seien in den deklarierten Zahlen zur Plausibilitätsprüfung die Betriebsferien von mindestens einer Woche nicht enthalten. Würden diese Betriebsferien eingerechnet, läge der Lohn pro Lektion bei Fr. 59.80 brutto (bei einer Woche) bzw. Fr. 61.22 brutto (bei zwei Wochen) und somit jedenfalls innerhalb der Toleranz des orts- und branchenüblichen Lohns. Diese Argumente der Beschwerdeführerin vermögen indessen nicht zu überzeugen und die Unterschreitung des branchenüblichen Mindestlohns pro Lektion nicht zu rechtfertigen. Dies gilt zunächst für die behauptete Besserstellung der Arbeitneh- mer durch die Festanstellung mit Jahrespensum bei Schwankungen des Auftragsvolumens. Die Vergabestelle weist zum einen zu Recht darauf hin, dass sich ein allfälliger Vorteil einer Anstellung mit Jah- respensum (im Vergleich zu einer Anstellung auf Stundenlohnbasis) nicht mit einem frankenmässig klar bezifferbaren Betrag festsetzen lässt, der zu den ausgewiesenen Ansätzen pro Lektion hinzugerech- net werden könnte. Nachvollziehbar sind zum anderen auch die Zweifel der Vergabestelle an der Behauptung der Beschwerdefüh- rerin, die branchenüblichen Schwankungen des Auftragsvolumens 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 258 gingen ausschliesslich zu ihren Lasten und auch bei geringeren Auf- tragsvolumina würden für die Arbeitnehmer keinerlei Lohneinbussen entstehen. Dies mag bei vorübergehenden, sehr kurzfristigen und nur geringfügigen Auftragsrückgängen zutreffen. Bei zu tiefem Auftrags- volumen wird aber auch die Beschwerdeführerin ihren Angestellten weder die Anstellung noch das vertragliche Jahrespensum längerfris- tig garantieren können. Beschäftigungsmöglichkeit und Beschäfti- gungsgrad hängen auch bei einer Anstellung mit Jahrespensum vom effektiv vorhandenen Auftragsvolumen ab. Der Standpunkt der Vergabestelle, auch aus dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin Anstellungen mit einem Jahrespensum anbiete, könne nicht auf die Branchenüblichkeit ihrer Ansätze geschlossen werden, erscheint vor diesem Hintergrund ohne Weiteres nachvollziehbar. Die Ausführun- gen der Beschwerdeführerin in der Replik ändern nichts an der Tatsa- che, dass sie die hier relevanten Mindestlöhne offenkundig nicht ein- hält. In Bezug auf die Betriebsferien, die nach Auffassung der Be- schwerdeführerin beim Lohnvergleich mitzuberücksichtigen sind, ist festzustellen, dass in den Formularen zur Plausibilitätsüberprüfung der Kursleiterlöhne jeweils vier Wochen Ferien angegeben sind. Be- triebsferien werden nicht erwähnt. Auch das beigelegte Betriebsreg- lement äussert sich diesbezüglich nicht. Auf dieser Grundlage hat die Beschwerdeführerin das effektive Pensum, d.h. die Anzahl der zu er- teilenden Lektionen pro Jahr (1'232) und pro Monat (102.66), berechnet, woraus die Ansätze von Fr. 58.44 brutto (beim höchsten Lohn von Fr. 6'000.00 brutto) bzw. Fr. 53.57 brutto (beim tiefsten Lohn von Fr. 5'500.00 brutto) pro Lektion resultierten (vgl. auch oben Erw. 3.1). Die Vergabestelle hatte angesichts der klaren und eindeutigen Angaben der Beschwerdeführerin im Vergabeverfahren keinerlei Veranlassung, nicht darauf abzustellen. Die Anbietenden sind für den korrekten Inhalt ihrer Angebote selber verantwortlich, und sie sind bei den von ihnen gemachten Angaben zu behaften. Der Beschwerdeführerin wurde vorliegend von der Vergabestelle nach- träglich die Gelegenheit geboten, zu belegen, dass sie die orts- und branchenüblichen Mindestlöhne einhält; in diesem Kontext war auch der Ferienanspruch anzugeben (vgl. Erw. 3.1). Tatsache ist, dass sie 2018 Submissionen 259 im Rahmen dieser Plausibilitätsprüfung ausdrücklich vier Wochen Ferien deklariert hat. Zum einen ist es nicht Sache der Vergabestelle, die Unterlagen (wie z.B. Unterrichts- und Einsatzpläne) daraufhin zu überprüfen, ob sich aus ihnen noch zusätzliche (bezahlte) Ferien- und Freitage ergeben, die sich gegebenenfalls auf die Lohnhöhe auswir- ken könnten. Sie darf vielmehr auf die gemachten Angaben abstellen. Zum anderen folgt aus den mit der Replik vorgelegten Arbeitsver- trägen keineswegs ein rechtsverbindlicher zusätzlicher Ferienan- spruch der Kursleitenden. Es kann diesbezüglich auf die zutreffenden Ausführungen der Vergabestelle verwiesen werden. 3.4. Zu prüfen bleibt der von der Beschwerdeführerin in der Replik erhobene Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens innerhalb des DVI. Während die Beschwerdeführerin den Standpunkt vertritt, es handle sich in beiden Fällen um die gleichen Leistungen (Kursleitung mit Ausrichtung DaZ), verneint die Vergabestelle eine Vergleichbarkeit. Bei den vom MIKA ausgeschriebenen Regionalen Sprachkursen für fremdsprachige Erwachsene geht es nach Darstellung der Vergabe- stelle um die Deutschförderung von Migrantinnen und Migranten. Die Kurse sind allen nicht deutschsprachigen Migrantinnen und Mig- ranten zugänglich. Ziel ist es, deren Sprachkompetenzen hinsichtlich der Kommunikation im Alltag zu verbessern. Die Unterrichtsweise ist bedürfnisorientiert, d.h. die Lerninhalte in den einzelnen Kurs- modulen sind nicht vorbestimmt, sondern die Kursleitung muss die konkreten Kommunikationsbedürfnisse der Lernenden immer wieder neu ermitteln und die Kursinhalte entsprechend ausrichten, was hohe Anforderungen an die Kursleitungen stellt. Demgegenüber geht es bei den Kursen des AWA um die Förderung der arbeitsmarktlichen Integration von Stellensuchenden mit geringen Deutschkenntnissen. Die Kurse werden ausschliesslich von Stellensuchenden mit Zuwei- sung durch das RAV besucht. Ziel dieser Kurse ist die Verbesserung der Vermittlungsfähigkeit und die möglichst rasche Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Es werden eine berufliche Standortbestimmung vorgenommen, realistische Bewerbungsstrategien und Bewerbungs- unterlagen erarbeitet sowie Theorie und Training der einzelnen Be- werbungsschritte vermittelt. Die Lernziele und Lerninhalte sind be- 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 260 reits vorgegeben. Die Deutschförderung ist auf die Vermittlung von für die Bewerbungssituation relevanten Deutschkenntnissen be- schränkt. Die Kurse unterscheiden sich somit hinsichtlich der Kurs- inhalte, Kursziele und didaktischen Vorgaben. Gemäss Ausführungen der Vergabestelle unterscheiden die Kurse sich auch hinsichtlich der Anstellungsmodelle für die Kursleitungen. Der Standpunkt der Vergabestelle, aufgrund der unterschiedlichen Kursinhalte und der unterschiedlichen Anstellungsbedingungen könnten die Monatsbrut- tolöhne der Kursleitenden der AWA-Kurse nicht als Massstab für die Ermittlung des orts- und branchenüblichen Mindestlohns pro Lektion für Kursleitende der ausgeschriebenen Regionalen Deutschkurse für fremdsprachige Erwachsene herangezogen werden, erscheint plausi- bel. Insofern ist es auch vor diesem Hintergrund nachvollziehbar und vertretbar, dass sich die Vergabestelle bei der Ermittlung des orts- und branchenüblichen Mindestlohns für Kursleitende der ausgeschriebenen Regionalen Deutschkurse für fremdsprachige Er- wachsene auf das Lohnbuch 17/18 und den massgeblichen GAV ge- stützt und die AWA-Kurse nicht mitberücksichtigt hat (vgl. Erw. 3.2 oben). Von einem widersprüchlichen Verhalten kann entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht gesprochen werden. 3.5. Beim Ausschluss infolge Verletzung von Arbeitsbedingungen ist auch das Verhältnismässigkeitsprinzip zu beachten, und zwar auch dann, wenn die verletzte Vorschrift nicht als blosse Kann-Vorschrift, sondern so formuliert ist, dass der Ausschluss an sich bei jeglicher Verletzung anzuordnen wäre (PETER GALLI/ANDRÉ MOSER/ELISABETH LANG/MARC STEINER, Praxis des öffentlichen Beschaffungsrechts, 3. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2013, Rz. 520). Indem die Vergabestelle vom orts- und branchenüblichen Mindest- lohn gemäss Lohnbuch einen Toleranzwert von 5 % in Abzug ge- bracht hat, hat sie dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz ausreichend Rechnung getragen. Der verfügte Ausschluss der Beschwerdefüh- rerin vom Vergabeverfahren ist auch unter diesem Aspekt nicht zu bemängeln.
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2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 178 26 Nutzungsplanung; Gärtnereizone - Nutzungsbestimmungen einer Gärtnereizone, welche die Nettoladen- fläche auf die bereits bestehende Verkaufsnutzung beschränken und nur den Ersatz bestehender Verkaufsnutzungen zulassen, widerspre- chen den Anforderungen an eine Bauzone. - Das öffentliche Interesse an der optischen Trennung zweier Ortsteile rechtfertigt keine Nutzungsbestimmungen in einer Bauzone, welche das Verkehrsaufkommen auf den bisherigen Rahmen und die zuläs- sige Nutzung auf den unmittelbaren betrieblichen und branchen- mässigen Zusammenhang mit einem bestehenden Betrieb beschrän- ken. Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 7. August 2015 in Sachen A. AG gegen Einwohnergemeinde B. und Regierungsrat (WBE.2014.140). Aus den Erwägungen 1. Der vom Einwohnerrat am 17. Oktober 2013 beschlossene und vom Regierungsrat am 19. März 2014 genehmigte § 21 BNO lautet wie folgt: § 21 Spezialzone Gärtnerei SG 1 Zulässig sind der Gärtnerei und dem Gartenbau dienende, mässig störende Bauten wie Treibhäuser, Büros, Werkstätten, Ab- stellräume und betriebsnotwendige Wohnungen. Innerhalb der Spe- zialzone Gärtnerei C. dürfen bestehende Verkaufsnutzungen bis max. 3'000 m 2 Nettoladenfläche als Ersatz neu erstellt werden, sofern sie einen unmittelbaren betrieblichen und branchenmässigen Zusam- 2015 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 179 menhang mit dem bestehenden Gärtnerei- und Gartenbaubetrieb ha- ben und das Verkehrsaufkommen im gleichen Rahmen bleibt. 2 Gegenüber angrenzenden Zonen sind deren Abstandsvor- schriften einzuhalten. 3 Die Bauten und Anlagen sind gut ins Landschafts- und Orts- bild einzupassen. Der Gemeinderat kann im Rahmen der Baube- willigung besondere Auflagen für die Bepflanzung und die Ein- passung ins Landschafts- und Ortsbild machen. 2.-3.(...) 4. 4.1. Die Beschwerdeführerin verlangt Modifikationen von § 21 Abs. 1 der revidierten BNO. Einerseits sei die Einschränkung auf "betriebsnotwendige" Wohnnutzung aufzuheben, eventuell mittels einer mengenmässigen Beschränkung festzulegen. Zudem wird die Aufhebung aller (qualitativen) Nutzungsanforderung an die Ver- kaufsnutzung beantragt mit Ausnahme der Flächenbegrenzung auf 3'000 m 2 . Die beanstandeten Einschränkungen der Verkaufsnutzung sind im Einzelnen (§ 21 Abs. 1 Satz 2 BNO): - Nur bestehende Verkaufsnutzungen dürfen ersetzt werden. - Ein Ersatz erfordert einen "unmittelbaren betrieblichen und branchenmässigen Zusammenhang mit dem bestehenden Gärtnerei- und Gartenbaubetrieb". - Das Verkehrsaufkommen hat im gleichen Rahmen zu blei- ben. 4.2.(...) 5. 5.1.-5.2. 5.3. 5.3.1. Die Gemeinden sind zum Erlass kommunaler Bau- und Nut- zungsvorschriften von Verfassung und Gesetz ermächtigt und auch verpflichtet (§§ 45 und 47 KV; vgl. auch Art. 2 Abs. 1 RPG und §§ 13 ff. und 46 ff. BauG). Der Nutzungsplan gemäss § 15 BauG ist ein Rahmennutzungsplan (Art. 14 RPG), der die zulässige Nutzung von Grundstücken verbindlich regelt (Art. 21 Abs. 1 RPG) und in 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 180 welchem die Gemeinde die raumwirksamen Zielvorstellungen um- setzt (vgl. dazu Richtplan 2011, Planungsanweisungen im Richt- planbeschluss S 1.1). Die Planungspflicht umfasst Anforderungen inhaltlicher Natur an die Nutzungsplanung; inhaltliche Vorgaben ergeben sich aus den Planungszielen (Art. 1 RPG) und den Planungs- grundsätzen (Art. 3 RPG), welche die Behörden bei der Nutzungs- planung zu prüfen haben (Art. 2 RPV; AGVE 2001, S. 266, Erw. 2e; vgl. auch P IERRE T SCHANNEN , in: Kommentar RPG, Zürich 2010, Art. 2 N 37 ff.). Mit der Nutzungsplanung wird das Gemeindegebiet in verschiedene Nutzungszonen eingeteilt und werden Art und Mass der Nutzung geregelt. Die Gemeinden können dabei insbesondere Bauzonen mit differenzierten Nutzungen ausscheiden (vgl. § 15 Abs. 1 und Abs. 2 BauG). Bei der Ausscheidung und Definition der verschiedenen Zonen geniessen die Gemeinden aufgrund von § 106 KV verfassungsrechtliche Autonomie. 5.3.2. Kommunale Zonenvorschriften führen zu Beschränkungen des Eigentums und sind mit der Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) und der Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) vereinbar, sofern die Einschränkun- gen durch die Raumplanung bedingt sind, im Zielbereich von Art. 75 Abs. 1 BV liegen und die Wirtschaftsfreiheit dadurch nicht völlig ihres Gehalts entleert wird (BGE 110 Ia 167). Die Beschränkungen müssen sodann verhältnismässig sein (vgl. U LRICH H ÄFELIN /G EORG M ÜLLER /F ELIX U HLMANN , Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Auf- lage, Zürich 2010, Rz. 2062 ff.). Planungsrechtlich sind Wohn- und Arbeitsgebiete einander zweckmässig zuzuordnen (Art. 3 Abs. 3 lit. a RPG) und es sind mit Mitteln der Raumplanung günstige Voraussetzungen für die Versor- gung mit Gütern und Dienstleistungen sicherzustellen (Art. 3 Abs. 3 lit. d RPG). Mit diesen Planungsgrundsätzen werden die Planungs- ziele von Art. 1 Abs. 2 lit. d RPG und die Förderung der günstigen Rahmenbedingungen für die private Wirtschaft (Art. 1 Abs. 2 lit. b bis RPG, Fassung ab 1. Mai 2014; Art. 94 Abs. 3 BV) konkretisiert. Ver- fahrensrechtlich sind die massgebenden öffentlichen Interessen an der Siedlungsgestaltung und die privaten Interessen zu ermitteln. Diese Interessen sind einzeln zu beurteilen und deren Vereinbarkeit 2015 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 181 mit der anzustrebenden räumlichen Entwicklung und den möglichen Auswirkungen ist zu berücksichtigen. Die Interessenabwägung ist umfassend vorzunehmen und in der Begründung der Planungsent- scheide darzulegen (Art. 3 Abs. 1 und 2 RPV). Massstab für die In- teressenabwägung und -beurteilung bilden neben den Planungszielen und Grundsätzen auch die kantonalen Vorschriften (BGE 134 II 97, Erw. 3.1 mit Hinweisen; Urteil des Bundesgerichts vom 16. Juli 2013 [1C_534/2012], Erw. 2.3.2; AGVE 2004, S. 143, Erw. 7a). 5.4. (...) Die Spezialzone Gärtnerei ist gemäss § 10 Abs. 1 BNO, wie die angrenzenden Zonen für öffentliche Bauten (OEB) und für Sport und Freizeit (SF), eine Bauzone. Die Liegenschaften befanden sich früher in der Landwirtschaftszone und wurden für die Bedürfnisse des Gar- tenbau- und Gärtnereibetriebs der Beschwerdeführerin sukzessive überbaut und 1991 bzw. 1993 eingezont. Die historische Entstehung ändert nichts daran, dass mit der Einzonung keine landwirtschaft- liche Spezialzone mehr besteht (vgl. zu landwirtschaftlichen Spezial- zonen Art. 16a Abs. 3 RPG und Art. 34 bis Art. 38 RPV; B ERNHARD W ALDMANN /P ETER H ÄNNI , Raumplanungsgesetz, Bern 2006, Art. 16a N 30 ff.). Für die Spezialzone SG gelten die Planungsgrund- sätze für das Siedlungsgebiet und die (allgemeinen) Bestimmungen für Bauzonen. 5.5. (...) 5.6. Die angefochtenen Bestimmungen in § 21 Abs. 1 Satz 2 BNO sind mit der Eigentumsfreiheit nur soweit vereinbar, als sie zur planerischen Umsetzung der "Ortsbildteile-Zäsur" in der Zone SG er- forderlich und auch verhältnismässig sind (vgl. Erw. 5.3.2). In der Zone SG sind Bauten wie Treibhäuser, Büros, Werkstätten, Abstell- räume und betriebsnotwendige Wohnungen zulässig, welche der Gärtnerei und dem Gartenbau dienen (§ 21 Abs. 1 Satz 1 BNO). § 21 Abs. 2 und 3 BNO regeln die Einpassung der Nutzungen, auch der Verkaufsnutzungen bis max. 3'000 m 2 Nettoladenfläche, ins Ortsbild und in die Umgebung. Die zusätzlichen Nutzungsregelungen in § 21 Abs. 1 Satz 2 BNO, wonach nur Ersatz für bestehende Verkaufsnut- 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 182 zungen neu erstellt werden darf, referenziert an die aktuelle, beste- hende Nutzungsfläche von 2'975 m 2 ; zonenkonform ist eine Netto- verkaufsfläche von 3'000 m 2 . Für die Beschränkung der Nettoladen- fläche auf die bereits bestehende Verkaufsnutzung und die Vorausset- zung, dass die Verkaufsnutzung nur als "Ersatz neu" erstellt werden kann, fehlt daher eine raumplanerische Begründung. Eine Ver- mischung von Regelungen einer Spezialzone im Landwirtschafts- gebiet mit den Nutzungsregeln für die Bauzone SG widerspricht den planungsrechtlichen Vorgaben an eine Bauzone (W ALDMANN / H ÄNNI , a.a.O., Art. 15 N 42). Die beiden Einschränkungen werden auch dem Planungsgrundsatz in Art. 3 Abs. 3 lit. d RPG und der Verpflichtung, durch Bauvorschriften günstige Voraussetzungen u.a. für die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen zu schaffen (T SCHANNEN , a.a.O., Art. 3 N 58 mit Hinweisen), nicht gerecht. Sie schränken auch entgegen Art. 1 Abs. 2 lit. b RPG die wirtschaftli- chen Entfaltungsmöglichkeiten der Beschwerdeführerin ein. Die optische Trennung der Ortsteile D. und E. erfordert die beanstandeten Beschränkungen nicht. Mit der zulässigen Bauhöhe (eingeschossige Bauten) in § 10 Abs. 1 BNO und der Rücksicht- nahme auf das Ortsbild (§ 21 Abs. 3 BNO) ist die Erscheinung der Bauten geregelt. Für die "Ortsbildteile-Zäsur" hat die beanstandete Einschränkung keine Bedeutung. Aus den gleichen Gründen und vor allem auch mit Blick auf die zonengemässe Nutzung (§ 21 Abs. 1 Satz 1 BNO; "Gärtnerei und dem Gartenbau dienende Nutzung") ist ein rechtlicher Gehalt der weiteren Einschränkung des "unmittelbaren betrieblichen und bran- chenmässigen Zusammenhangs" mit dem bestehenden Gärtnerei- und Gartenbaubetrieb nicht erkennbar. Soweit es darum geht, mit dieser Sonderbestimmung die Besitzstandsgarantie zu konkretisieren, widerspricht diese Bestimmung dem kantonalen Recht. Die kantona- len Bestimmungen über die Besitzstandsgarantie (§ 68 BauG) sind im Verhältnis zu den Gemeinden abschliessend (AGVE 2000, S. 250, Erw. 2c mit Hinweisen; 1986, S. 243, Erw. 3b; 1983, S. 174, Erw. 3 mit Hinweisen). Das kantonale Recht erlaubt den Gemeinden eine Einschränkung oder ein Verbot der zeitgemässen Erneuerung in Schutzzonen (§ 68 lit. a BauG); die Zone SG ist keine Schutzzone. 2015 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 183 Die kommunalen Nutzungsvorschriften können sodann einer zonen- widrigen Erweiterung, einem Umbau oder einer Zweckänderung bestehender, zonenfremder Bauten entgegenstehen. Eine Erweiterung der Besitzstandgarantie gemäss § 68 BauG durch kommunale Nut- zungsvorschriften ist generell ausgeschlossen (vgl. dazu VGE IV/52 vom 26. Mai 2014 [WBE.2011.301], Erw. II/3.5 = AGVE 2014, S. 172 ff.). Soweit die beanstandeten Beschränkungen die Be- sitzstandsgarantie für bestehende Bauten und Anlagen zu Gunsten der Beschwerdeführerin modifizieren wollten, sind sie daher rechts- widrig. Die beanstandeten Beschränkungen der zonenkonformen Nut- zung lassen sind durch das geltend gemachte öffentliche Interesse (Ortsbildteil-Zäsur) nicht hinreichend rechtfertigen. Zonenbestim- mungen dürfen grundsätzlich nicht in dem Sinne statisch sein, dass ein planerischer Entscheid die bestehende Bebauung oder Nutzung als unveränderbar voraussetzt. Die Nutzungsvorschriften in der Zone SG sind deshalb auf die erwünschte Entwicklung und Ordnung der Besiedlung auszurichten (Art. 75 Abs. 1 BV), weshalb sich einander gegenüberstehende Interessen oder Konflikte nach Massgabe der Planungsziele optimal anzugleichen sind (vgl. zum Ganzen BGE 119 Ia 362, Erw. 5; AGVE 1990, S. 130). Eine Planung, welche die zonenkonforme Überbauung in einer Arbeitszone auf den beste- henden Bauzustand zementiert, erfordert daher erhebliche öffentliche Interessen, welche hier nicht geltend gemacht werden und auch nicht ersichtlich sind. Das von der Vorinstanz angeführte Interesse an zusätzlichen Gebieten für eine öffentliche Nutzung ist aufgrund der Zonierung in die Zone SG nicht massgebend. Die Ortsbildtrennung durch öffentliche Nutzungen des Gebiets F. oder die Rücksichtnahme auf solche ist kein massgebendes planungsrechtliches oder öffent- liches Interesse, da mit der Zuweisung in die Zone SG öffentliche Nutzungsinteressen für die Beurteilung der Zonenkonformität ausscheiden. Abgesehen davon ist die Unterscheidung mit Bezug auf die Ablesbarkeit der "Ortsbildteile-Zäsur" zwischen (eingeschossi- ger) öffentlicher Nutzung und (eingeschossiger) zonengemässer gewerblicher Nutzung schwer nachvollziehbar. Die Sicherstellung oder Gewährleistung zukünftiger öffentlicher Nutzungen mittels 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 184 Nutzungsbeschränkungen in einer Gewerbezone ist schliesslich mit Art. 26 BV und Art. 27 BV nicht vereinbar. Damit erweisen sich die Beschränkungen der Nettoladenfläche, soweit sie die Nutzung auf die Neuerstellung für Ersatz der alten Verkaufsflächen beschränken und einen "unmittelbaren" betriebli- chen und branchenmässigen Zusammenhang mit dem bestehenden Betrieb der Beschwerdeführerin verlangen, als rechtswidrig. Aus den gleichen Gründen hält auch die Beschränkung des Ver- kehrsaufkommens "auf den gleichen Rahmen" einer näheren Prüfung nicht stand. Wie bereits erwähnt, sind für die Spezialzone Gärtnerei die Bestimmungen über die Bauzonen massgebend (vgl. vorne Erw. 5.4). Die Liegenschaften der Beschwerdeführerin und auch die Parzelle 829 sind unbestrittenermassen erschlossen. Ein planerisch relevanter Zusammenhang zwischen der optischen Markierung der Ortsteiletrennung und dem aktuellen Verkehrsaufkommen ist nicht erkennbar. Einer raumplanerischen Lenkung der Nutzung auf das bisherige, in seinem Ausmass unbekannte und unbestimmte Ver- kehrsaufkommen, stehen zudem rechtliche Hindernisse entgegen. Die Nutzungsplanung wurde mit Bezug auf das Verkehrsaufkommen in der Gemeinde vorbehaltlos genehmigt. Besondere planerische Massnahmen zur Beschränkung des Verkehrsaufkommens im Hin- blick auf die Kapazität des Strassennetzes sind nicht vorgesehen (vgl. dazu § 15 Abs. 3 BauG; Kapazitätsnachweis, Empfehlungen des BVU, vom August 2011). Die Nutzungsplanung der Gemeinde B. erfüllt die Anforderungen von § 13 Abs. 2 bis BauG i.V.m. § 4 Abs. 2 BauV (Abstimmung der Verkehrserzeugung). Zudem fehlt ein ko- mmunaler Gesamtplan Verkehr, weshalb die verkehrsmässigen Be- zugsgrössen nicht beurteilbar sind. Schliesslich ist auch nicht er- sichtlich, inwiefern die kantonalen Vorgaben an die Baureife, ins- besondere Art. 32 Abs. 2 BauG i.V.m. § 46 BauV, als Beschränkung bzw. verkehrsbedingte Bausperre der überlasteten Kantonsstrasse (...) nicht ausreichen. Damit erweist sich auch die Beschränkung der Nettoverkaufsfläche mit Bezug auf das bisherige Verkehrsauf- kommen als unrechtmässig. 6. 6.1. (...) 2015 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 185 6.2. Die Aufzählung der nach kantonalem Recht zulässigen Bauzo- nen in § 15 Abs. 2 BauG ist nicht abschliessend (vgl. dazu auch Musterbau- und Nutzungsordnung [M-BNO], Empfehlung des BVU, Abteilung Raumentwicklung, Stand März 2014, S. 12 ff.). Für die Gewerbe- oder Arbeitszonen (vgl. Richtplan 2011, Kap. S 1.2) kann die Wohnnutzung ausgeschlossen werden. Die Festlegung der zonen- spezifischen Nutzungen fällt in die Zuständigkeit der Gemeinden (vgl. vorne Erw. 5.3.1). Der Umstand, dass in der Spezialzone SG nur betriebsnotwendige Wohnungen zugelassen sind, ist daher nicht zu beanstanden (vgl. AGVE 1999, S. 250 ff., insbesondere Erw. 5; W ALDMANN /H ÄNNI , a.a.O., Art. 18 N 8 und Art. 22 N 36). Die glei- che Einschränkung bezüglich Wohnen gilt im Übrigen auch für die Gewerbezone (G), welche nach der BNO die einzige alternative Ar- beitszone wäre (§ 16 Abs. 1 BNO). Diese Beschränkung der Wohnnutzung besteht, weil die Grund- stücke der Beschwerdeführerin zusammen mit der Parzelle 829 der Spezialzone SG zugewiesen sind, die der gewerblichen Nutzung vorbehalten ist. Mit dieser Zonierung des Betriebs der Beschwerde- führerin wurde die "Ortsbildteile-Zäsur" umgesetzt. Diese Zielset- zung wäre bei einer Ausdehnung des Zonenzwecks auf eine Wohn- nutzung insofern beeinträchtigt, als kein eindeutiger Unterschied zu den gemischten Zonen mehr bestünde. Die Gemeinden sind nicht verpflichtet, in der Nutzungsplanung gemischte Zonen auszuscheiden. Der Umstand, dass die Wohnnut- zung auf der Parzelle 829 besitzstandsgeschützt ist, vermag keine Änderung des Zonenzweckes zu begründen; die Beschränkung ist in einer Arbeitszone auch nicht unverhältnismässig. Damit erweisen sich dieser Antrag der Beschwerdeführerin und der Eventualantrag als unbegründet.
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2010 Submissionen 185 V. Submissionen 34 Selektives Verfahren. - Abgrenzung selektives / offenes Verfahren (Erw. 3.2.). - Eine Beschränkung der Anbieterzahl nach § 7 Abs. 2 Satz 4 SubmD (zur effizienteren Abwicklung) muss auf objektiven und nachvoll- ziehbaren Gründen beruhen; Teilnehmerauswahl nach freiem Er- messen ist unzulässig (Erw. 3.3. und 3.4.). Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 15. Juli 2010 in Sachen X. AG gegen Einwohnergemeinde Y. (WBE.2010.80). Aus den Erwägungen 1. Die Vergabestelle hat verschiedene Tiefbauarbeiten im Zusam- menhang mit der Sanierung der Z.-strasse (1. Etappe) im selektiven Verfahren nach § 7 Abs. 2 SubmD öffentlich ausgeschrieben. Zur Teilnehmerauswahl wurde Folgendes bestimmt: "In der 1. Stufe wählt der Gemeinderat aus den eingegangenen Bewer- bungen, welche die Eignungskriterien erfüllen, 5 Teilnehmende aus, die zur Offertstellung eingeladen werden (§ 7 Abs. 2 SubmD). In der 2. Stufe ist der Preis das einzige Zuschlagskriterium." Als für die Ausführung des Auftrags massgebende und von den Unternehmern zu erfüllende Eignungskriterien wurden bestimmt: "- fachlich ausgewiesene Firma mit einschlägigen Referenzen im Ka- nalisations- und Strassenbau - im Markt stabile Firma betreffend Beständigkeit, Garantiesicher- heit und Kundendienst - genügende Kapazität zur termingerechten Ausführung - Einhaltung der örtlichen Arbeits- und Umweltschutzbedingungen - Angebot von Ausbildungsplätzen (Anzahl)" 2010 Verwaltungsgericht 186 Weiter wurde festgehalten, dass die Bewerbungsunterlagen (in deutscher Sprache) bis Mittwoch, 10. März 2010 (A-Post, Datum des Poststempels) an den Gemeinderat zu schicken waren. Die Abgabe von Unterlagen oder das Erteilen von Informationen zum ausge- schriebenen Auftrag durch die Vergabestelle war in der öffentlichen Ausschreibung nicht vorgesehen. Das heisst, die interessierten Un- ternehmen hatten ihre Bewerbungsunterlagen allein aufgrund der in der öffentlichen Ausschreibung enthaltenen Informationen zu erstel- len. 2. (...) 3. 3.1. Gemäss § 7 Abs. 2 SubmD schreibt die Vergabestelle im selek- tiven Verfahren den Auftrag öffentlich aus. Alle Anbietenden können einen Antrag auf Teilnahme einreichen. Die Vergabestelle bestimmt aufgrund der Eignung nach § 10 SubmD die Anbietenden, die ein Angebot einreichen dürfen. Sie kann in der Ausschreibung die Zahl der zur Angebotsabgabe eingeladenen Anbietenden beschränken, wenn die Auftragsvergabe effizienter abgewickelt werden kann. Da- bei muss ein wirksamer Wettbewerb gewährleistet sein. Nach § 10 Abs. 1 SubmD kann die Vergabestelle für jeden Auftrag oberhalb der Schwellenwerte gemäss § 8 Abs. 1 SubmD in der Ausschreibung bzw. in den Ausschreibungsunterlagen festlegen, welche für die Ausführung des betreffenden Auftrags wesentlichen Eignungskriterien die Anbietenden erfüllen und welche unerlässli- chen Nachweise, insbesondere bezüglich der finanziellen, wirt- schaftlichen und fachlichen Leistungsfähigkeit, sie erbringen müs- sen. Nach Art. 12 Abs. 1 lit. b IVöB kann die Zahl der im selektiven Verfahren zum Einreichen eines Angebots einzuladenden Anbieter beschränkt werden, wenn sonst die Auftragsvergabe nicht effizient abgewickelt werden kann. 3.2. Nach herrschender Rechtsprechung und Lehre kann eine Verga- bestelle zwischen dem offenen und dem selektiven Verfahren frei wählen (vgl. Peter Galli / André Moser / Elisabeth Lang / Evelyne 2010 Submissionen 187 Clerc, Praxis des öffentlichen Beschaffungsrechts, 1. Band: Landes- recht, 2. Auflage, Zürich / Basel / Genf 2007, Rz. 176). Das Verwal- tungsgericht des Kantons Aargau hat aber in einem Entscheid aus dem Jahr 1998 festgehalten, da im selektiven Verfahren - im Ge- gensatz zum offenen Verfahren - nicht alle interessierten Anbieter zur Angebotseinreichung zugelassen würden, werde mit der Wahl dieses Verfahrens der Wettbewerb eingeschränkt. Angesichts des Umstandes, dass die Submissionsgesetzgebung generell die Stärkung des Wettbewerbs zum Ziel habe (vgl. § 1 Abs. 1 SubmD), sei das selektive Verfahren deshalb nur mit der gebotenen Zurückhaltung an- zuwenden (VGE III/124 vom 28. August 1998 [BE.98.00120], S. 9 mit Hinweis, publiziert in: BR 1999, S. 144). Zweck der im selekti- ven Verfahren vorgeschalteten Eignungsprüfung (Präqualifikation) ist es, der Vergabestelle die Möglichkeit zu verschaffen, frühzeitig diejenigen Anbieter auszuwählen, die für das konkrete Vorhaben tat- sächlich in Frage kommen. So erspart die Behörde ungeeigneten Anbietern den Aufwand der Offertstellung und sich selbst die Prü- fung ungeeigneter Angebote (AGVE 1999, S. 294 ff., S. 299; vgl. Entscheide der Gerichts- und Verwaltungsbehörden des Kantons Schwyz [EGV-SZ] 2000, S. 65 ff. [Nr. 18], Erw. 3b). Das selektive Verfahren steht daher insbesondere bei hoch komplexen, speziellen und nicht alltäglichen Beschaffungen, welche ausserordentliche An- forderungen an die Leistungsfähigkeit der Anbieter stellen, im Vor- dergrund, während für herkömmliche Arbeitsvergaben ohne spezielle Anforderungen an die Anbieter im Normalfall wegen der mit dem selektiven Verfahren verbundenen Wettbewerbsbeschränkung das offene Verfahren zu wählen ist (vgl. Galli / Moser / Lang / Clerc, a. a. O., Rz. 151; siehe auch Handbuch öffentliches Beschaffungswe- sen im Kanton Graubünden, Stand 22. April 2010, Kapitel 4.8.2). Bei normalen Beschaffungsgeschäften, wie z. B. bei der Vergabe von herkömmlichen Bauarbeiten, ist erfahrungsgemäss kaum mit Ange- boten von ungeeigneten Anbietern zu rechnen. Im vorliegenden Fall geht es unbestrittenermassen um her- kömmliche Tiefbauarbeiten, die keine ausserordentlichen Anforde- rungen an die Leistungsfähigkeit der Anbieter stellen. Dies folgt ei- nerseits aus der Auswahl und der Umschreibung der Eignungskrite- 2010 Verwaltungsgericht 188 rien, die dem für Vergaben von Tief- und Strassenbauarbeiten Übli- chen entsprechen und keine speziellen oder erhöhten Anforderungen an die Anbieter erkennen lassen. In diesem Zusammenhang bleibt festzuhalten, dass es sich beim Kriterium "Angebot von Ausbil- dungsplätzen (Anzahl)" um ein vergabefremdes Kriterium handelt, das nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts einzig als Zu- schlagskriterium verwendet werden darf, weil im Submissionsdekret ausdrücklich als solches genannt (§ 18 Abs. 2 SubmD), nicht aber als Eignungskriterium (vgl. AGVE 1999, S. 294 ff.). Anderseits zeigt auch die Tatsache, dass der Preis das einzige Zuschlagskriterium ist, dass es sich um herkömmliche Tiefbauarbeiten ohne besondere Schwierigkeiten handelt. Insofern drängt sich im Hinblick auf die erwähnte verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung berechtigterweise die Frage auf, ob das selektive Verfahren im vorliegenden Fall die richtige Verfahrenswahl war oder ob nicht richtigerweise von vornherein das offene Verfahren hätte zur Anwendung gelangen müssen. Angesichts der der Vergabestelle diesbezüglich zukom- menden Wahl- bzw. Entscheidungsfreiheit kann die Frage offen blei- ben. 3.3. 3.3.1. Die öffentliche Ausschreibung sieht die Beschränkung der Zahl der Einzuladenden auf fünf Unternehmen vor. Die Vergabestelle be- gründet diese Beschränkung und damit letztlich auch ihren Entscheid für das selektive Verfahren einzig und ausschliesslich damit, dass die detaillierte Offertprüfung mit einem nicht unerheblichen Aufwand verbunden sei. 3.3.2. § 7 Abs. 2 Satz 4 SubmD gestattet die Beschränkung der zur Angebotsabgabe einzuladenden Anbieter, wenn die Auftragsvergabe "effizienter" abgewickelt werden könne. Die Beschwerdeführerin weist zutreffend darauf hin, dass der reine Wortlaut von § 7 Abs. 2 Satz 4 SubmD insofern irreführend erscheine, als er den Anschein erwecke, dass im selektiven Verfahren eine Beschränkung immer zulässig sei. Ein solches Verständnis sei falsch. Jede Beschränkung der Anbieterzahl führe nämlich dazu, dass der Aufwand im Zusam- 2010 Submissionen 189 menhang mit der Bereinigung und Prüfung der Offerten reduziert werde, die Auftragsvergabe mithin immer effizienter abgewickelt werden könne. Dies entspreche indessen nicht dem wahren Sinn der Bestimmung; vielmehr müsse § 7 Abs. 2 Satz 4 SubmD dahingehend verstanden werden, dass eine Beschränkung dann zulässig sei, wenn die Vergabestelle ohne eine Beschränkung unzumutbar grossen Aufwand in der Offertbeurteilung erwarten müsse. Diese zutreffende und dem tatsächlichen Sinn der Bestimmung entsprechende Auslegung von § 7 Abs. 2 Satz 4 SubmD wird bestä- tigt durch Art. 12 Abs. 1 lit. b Satz 3 IVöB, wonach die Vergabestelle die Zahl der zur Angebotsabgabe eingeladenen Anbieter beschränken kann, "wenn sonst die Auftragsvergabe nicht effizient abgewickelt werden kann". Art. 12 Abs. 1 lit. b Satz 4 IVöB lässt also einen blos- sen Effizienzgewinn nicht genügen, sondern setzt voraus, dass die Auftragsvergabe ohne Beschränkung nicht effizient erfolgen kann, d. h. mit einem der Vergabebehörde nicht mehr zumutbaren Aufwand verbunden wäre. Die Materialien zur heute geltenden Fassung von § 7 Abs. 2 SubmD (Fassung vom 18. Oktober 2005) bestätigen zudem, dass im Rahmen der damaligen Revision § 7 Abs. 2 redak- tionell an die Vergaberichtlinien der revidierten IVöB angepasst wurde (eine inhaltliche Änderung war damit nicht verbunden; vgl. Botschaft des Regierungsrats vom 7. Juli 2004 [04.199], S. 9. Die davor geltende Fassung von § 7 SubmD liess eine Beschränkung der Zahl der Anbietenden denn auch nur zu, "wenn der Zeit-, Arbeits- und Kostenaufwand für das Vergabeverfahren andernfalls in einem Missverhältnis zum Wert der Leistung stehen würde"; vgl. Entwurf des SubmD vom 13. Oktober 1999 = Beilage 1 zur Botschaft des Regierungsrats [99.328]) und folglich keine Abweichung von der IVöB beabsichtigt war. Auch die herrschende Lehre und Recht- sprechung gehen übereinstimmend davon aus, dass die Zahl der Einzuladenden nur dann und nur insofern beschränkt werden darf, wenn bzw. als es für eine effiziente Abwicklung der Auftragsvergabe erforderlich ist. Mit anderen Worten ist für jede geplante Be- schaffung die grösstmögliche mit einer effizienten Abwicklung der Beschaffung zu vereinbarende Zahl von Anbietern zur Angebots- abgabe einzuladen (VGE III/124 vom 28. August 1998 2010 Verwaltungsgericht 190 [BE.98.00120], S. 9). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsge- richts des Kantons Zürich ist beim Entscheid über die Beschränkung einerseits die Komplexität der durchzuführenden Beschaffung und andererseits der Wert des zu vergebenden Auftrags zu berücksichti- gen. Je komplexer die Beschaffung und je geringer der Auftragswert ist, umso eher ist eine Beschränkung der Teilnehmerzahl gerechtfertigt (Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 13. April 2000 [VB.1999.00385], Erw. 3c/aa; Galli / Moser / Lang / Clerc, a. a. O., Rz. 198). 3.3.3. Die vorliegende Ausschreibung betrifft - wie schon ausgeführt - normale Strassen- und Leitungsbauarbeiten im Betrag von rund 2 Mio. Franken (Erw. 3.2). Erfahrungsgemäss ist bei der Vergabe von solchen Aufträgen nicht mit mehreren Dutzend Bewerbungen bzw. Angeboten zu rechnen. Die Vergabestelle hält in ihrer Stellungnahme denn auch fest, es seien vorliegend 13 Bewerbungen eingegangen, was in einem üblichen Rahmen liegt. Die Prüfung, Bereinigung und Auswertung von rund einem Dutzend Angeboten, sollten sich alle Bewerber als geeignet erweisen, ist der Vergabestelle im vorliegen- den Fall ohne weiteres zumutbar, zumal der Preis als alleiniges Zu- schlagskriterium bestimmt ist und die Angebote folglich lediglich aus dem ausgefüllten Leistungsverzeichnis bestehen werden. Weitere Zuschlagskriterien sind nicht zu beurteilen. Für eine Beschränkung der Zahl der einzuladenden Anbieter aus Gründen der Effizienz be- steht keine Veranlassung. Die vorliegende Vergabe kann auch ohne Beschränkung der Teilnehmerzahl mit einem für die Vergabestelle zumutbaren Aufwand und damit effizient abgewickelt werden. Das öffentliche Interesse an einem möglichst wirksamen Wettbewerb (§ 1 Abs. 1 Satz 1 SubmD) geht hier dem geltend gemachten Interesse der Vergabestelle, ihren Aufwand möglichst gering zu halten, klarer- weise vor. 3.4. 3.4.1. Die strittige Ausschreibung enthält sodann keinerlei Angaben darüber, nach welchen Kriterien oder Gesichtspunkten die vorgese- hene Beschränkung der Zahl der einzuladenden Unternehmen auf 2010 Submissionen 191 fünf erfolgen soll, falls die Anzahl der Bewerber, welche die Eig- nungskriterien erfüllen, diese Zahl übersteigt. Die Beschwerdeführe- rin geht daher davon aus, dass die Vergabestelle die fünf zur Offert- stellung einzuladenden Anbieter nach ihrem freien Ermessen unter den geeigneten Bewerbern auswählt. Der Gemeinderat hat sich in seiner Stellungnahme dazu nicht geäussert; er bestätigt aber den Standpunkt der Beschwerdeführerin, dass die Auswahl nach freiem Ermessen erfolgen soll, zumindest indirekt, indem er vorbringt, eine Begründungspflicht der Vergabestelle und die Gewichtung der Eig- nungskriterien seien im Submissionsdekret nicht vorgesehen. 3.4.2. Das vorgesehene Verfahren entspricht - wie die Beschwerde- führerin auch in diesem Punkt zu Recht rügt - weder dem Grundsatz der Gleichbehandlung bzw. dem Diskriminierungsverbot (vgl. § 1 Abs. 1 SubmD) noch dem Transparenzgebot. Es erweist sich damit als rechtswidrig. Zu beachten ist hierbei insbesondere auch, dass der Entscheid über die Auswahl von Anbietenden im selektiven Verfahren gemäss § 24 Abs. 2 lit. c SubmD eine mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbare Verfügung darstellt. Damit kann es sich beim Entscheid über die Teilnehmerauswahl per definitionem nicht um einen Er- messensentscheid der Vergabestelle handeln, darf das Verwaltungs- gericht doch die Unangemessenheit von Verfügungen nicht überprü- fen (§ 25 Abs. 3 SubmD). Die gerichtliche Anfechtbarkeit des Ent- scheids über die Auswahl verdeutlicht vielmehr, dass die Teilneh- merauswahl auf objektiven und sachlich nachvollziehbaren Gründen beruhen muss, die rechtlich überprüfbar sind. Ebenso ist die Ver- gabestelle verpflichtet, ihre Teilnehmerauswahl sachlich nachvoll- ziehbar zu begründen, damit eine Überprüfbarkeit in einem allfälli- gen Rechtsmittelverfahren überhaupt möglich ist. Läge eine Auswahl der zur Offertabgabe Einzuladenden aus dem Feld der geeigneten Bewerber im freien Ermessen, d. h. im Be- lieben der Vergabestelle, so käme die vorliegend formell als selekti- ves Verfahren ausgeschriebene Submission letztlich einem Einla- dungsverfahren sehr nahe. Es erfolgt in formeller Hinsicht zwar tat- sächlich eine Präqualifikation anhand von Eignungskriterien, wobei 2010 Verwaltungsgericht 192 angesichts der vorliegend publizierten Kriterien davon auszugehen ist, dass diese von den interessierten Bewerbern leicht erfüllt werden und diese sich daher grossmehrheitlich als geeignet erweisen. Von einer Selektion anhand der Eignungskriterien kann daher kaum die Rede sein. Diese erfolgt vielmehr anschliessend, indem die Vergabe- stelle wie in einem Einladungsverfahren die ihr genehmen Anbieter nach freiem Belieben auswählt bzw. die ihr weniger genehmen Un- ternehmer trotz deren Eignung beiseite lässt, ohne dass sie an objek- tive, sachliche Kriterien gebunden wäre und ohne dass sie ihren Ent- scheid zu begründen hätte. Eine solche Auswahl der Teilnehmer muss als willkürlich bezeichnet werden. Die Annahme der Be- schwerdeführerin, der Vergabestelle sei es bei ihrem Vorgehen letzt- lich nicht um die Effizienz der Verfahrensabwicklung, sondern darum gegangen, die ihr mit dem Inkrafttreten des Submissionsde- krets von Rechts wegen entrissene Freiheit über die Auswahl der ihr genehmen Leistungserbringer wieder zu erlangen, lässt sich nicht ohne weiteres von der Hand weisen. Wie eine Vergabestelle rechtlich haltbar vorzugehen hat, wenn die geforderten Eignungskriterien von einer grösseren Anzahl In- teressenten erfüllt werden, als aufgrund der vorgesehenen Beschrän- kung zur Abgabe eines Angebots eingeladen werden können, regeln weder das Submissionsdekret noch die IVöB ausdrücklich. Lehre und Rechtsprechung gehen aber übereinstimmend davon aus, dass die Auswahl in gerechter und nicht diskriminierender Weise nach sachlichen Kriterien und ohne Willkür erfolgen muss. Im Vorder- grund steht dabei die Auswahl nach dem Mass der Eignung, was eine Bewertung und Rangierung der Bewerber aufgrund der ausge- schriebenen Eignungskriterien voraussetzt. Umstritten ist die Zuläs- sigkeit von Losentscheiden (vgl. Galli / Moser / Lang / Clerc, a. a. O., Rz. 199 ff. mit Hinweisen). Die Wahl des geeigneten Vorge- hens liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts weitest- gehend im Ermessen der Vergabestelle (vgl. VGE III/28 vom 15. März 1999 [BE.98.00388], S. 17 f.; ferner Galli / Moser / Lang / Clerc, a. a. O., Rz. 202). 2010 Submissionen 193 4. Zusammenfassend erweist sich die gegen die öffentliche Aus- schreibung erhobene Beschwerde somit als begründet. Angesichts der Tatsache, dass die Ausschreibung mit der unzulässigen Be- schränkung der Zahl der einzuladenden Anbieter, der fehlenden An- gabe, nach welchen objektiven und nicht diskriminierenden Ge- sichtspunkten die Auswahl unter den geeigneten Anbietern zu treffen ist sowie dem unzulässigen Eignungskriterium der Lehrlingsaus- bildung an mehreren Mängeln leidet, ist die öffentliche Ausschrei- bung vom 22. Februar 2010 gesamthaft aufzuheben, zumal die Vergabebehörde bei einer erneuten Durchführung der Ausschreibung trotz des ihr an sich zukommenden Wahlrechts zwischen offenem und selektivem Verfahren zu prüfen haben wird, ob ein (rechtskon- form durchgeführtes) selektives Verfahren für die vorliegend zu ver- gebenden Strassen- und Leitungsbauarbeiten tatsächlich das richtige Verfahren darstellt. Aufgrund des der Vergabestelle bezüglich des weiteren Vorgehens zukommenden Ermessensspielraums verzichtet das Verwaltungsgericht in Bezug auf eine Neuausschreibung auf verbindliche Anweisungen und belässt es bei der Aufhebung der rechtsfehlerhaften Ausschreibung. In diesem Sinne ist die Beschwerde gutzuheissen.
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2018 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 181 IV. Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 15 Nichtlandwirtschaftlicher Nebenbetrieb ausserhalb der Bauzonen Anwendungsfall eines im Sinne von Art. 24b Abs. 1bis RPG zulässigen nichtlandwirtschaftlichen Nebenbetriebs ausserhalb der Bauzonen (Um- nutzung bestehender Räumlichkeiten zu Schulungs-, Seminar-, Degusta- tions- und Eventraum). Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 25. Januar 2018, in Sachen A. und B. gegen C. sowie Gemeinderat X. und Regierungsrat (WBE.2017.211). Aus den Erwägungen 1. 1.1. Die Beschwerdegegnerin bewirtschaftet einen Landwirtschafts- betrieb mit rund 47 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche (davon rund 13 ha Ackerbau), Milchviehhaltung (39 Kühe mit 9 Stück Jungvieh) sowie 7 Pferden und Ponys (Betriebsdatenerhebung 2015); der Be- trieb - bzw. die von der vorliegenden Umnutzung betroffene Parzelle Nr. yyy - liegt in der Landwirtschaftszone. 1.2. Die Beschwerdegegnerin beabsichtigt, das Obergeschoss einer im Jahr 2003 bewilligten Baute auf der Parzelle Nr. yyy umzunutzen. Das Gebäude wurde im Untergeschoss als Backstube, als Verarbei- tungsraum und für technische Installationen, im Obergeschoss als Degustationsraum und Büro geprüft und bewilligt. Das Obergeschoss besteht heute aus einem Raum (sog. D.-Stübli) für rund 40 Personen, mit Toilette und einer Einbauküche. Nach Angaben der Beschwerde- gegnerin wurde das D.-Stübli in den letzten Jahren vor allem als be- triebseigener Sitzungs- und Verpflegungsraum genutzt. Gelegentlich 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 182 wurden darin auch Feste gefeiert. Grundsätzlich sei der Raum nur an Familienangehörige oder Mitarbeiter des Landwirtschaftsbetriebs vermietet worden. Mit Baugesuch vom 21. Oktober 2014 ersuchte die Beschwerdeführerin um eine Bewilligung für einen nichtlandwirt- schaftlichen Nebenbetrieb (Besenbeiz). Bauliche Veränderungen seien nicht vorgesehen. Als vorwiegende Verwendungszwecke wur- den damals genannt: - Betriebseigener Sitzungs- und Verpflegungsraum - Vortrags- und Verpflegungsraum bei Betriebsführungen - Schulzimmer für SchuB (Schule auf dem Bauernhof) - Privater Partyraum für Angehörige des Betriebs - Vermietung an Vereine und Gäste als Festraum - Bewirtung von Gesellschaften Im März 2015 reichte die Bauherrschaft ein Umnutzungs- konzept des D.-Stübli nach. Darin wurde die Umnutzung konkreter umschrieben bzw. teilweise präzisiert. Der Raum solle als Schu- lungs-, Seminar-, Degustations- und Eventraum genutzt werden. Auf dem Betrieb fänden regelmässig SchuB-Anlässe und Führungen zur Biogasanlage statt, weshalb man einen geeigneten Raum benötige, um den Schülern bzw. den Teilnehmern der Führungen weitere Erläuterungen abgeben und/oder ihnen einen Apéro, Zmittag, Zvieri o.ä. anbieten zu können. Immer mehr Gäste und Firmenanlässe such- ten zwecks Weiterbildung den Bezug zur Natur/Landwirtschaft. Auch bestehe der Bedarf nach einem Ort, an dem Grup- pen/Gesellschaften in lockerer Atmosphäre hofeigene Produkte ge- niessen könnten. Als Zielgruppen werden Schulklassen aus der Re- gion, Personen, die an der Schweizer Landwirtschaft und deren Pro- dukten interessiert seien und all jene, die sich in einem authentischen Umfeld mit hofeigenen Produkten zu einem speziellen Anlass verwöhnen lassen wollten, genannt. Es würden hofeigene Produkte (z.B. pasteurisierter Süssmost, Bauernbrot, eigenes Natura-Beef und dazu Kartoffelgerichte aus dem eigenen Anbau) angeboten. 2.-3. (...) 4. 4.1. 2018 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 183 Die Vorinstanzen erachteten die Umnutzung gestützt auf Art. 24b RPG als zulässig. Von den Beschwerdeführern nicht bestrit- ten ist die Zulässigkeit der Nutzung als betriebseigener Sitzungs- und Verpflegungsraum, als Vortrags- und Verpflegungsraum bei Betriebs- führungen, als Schulzimmer für SchuB, als privater Partyraum für Angehörige des Landwirtschaftsbetriebs bzw. gemäss Umnutzungs- konzept, als Schulungs- und Seminarraum sowie als Degustations- raum. Bestritten wird von ihnen hingegen die Zulässigkeit einer Um- nutzung als Eventraum im Sinne einer Partylokalität. 4.2. Art. 24b RPG und Art. 40 RPV regeln die Voraussetzungen für nichtlandwirtschaftliche Nebenbetriebe ausserhalb der Bauzonen. Art. 24b Abs. 1 und Abs. 1bis RPG lautet: 1 Können landwirtschaftliche Gewerbe im Sinne des Bundesgesetzes vom 4. Oktober 1991 über das bäuerliche Bodenrecht ohne ein Zusatz- einkommen nicht weiter bestehen, so können bauliche Massnahmen zur Einrichtung eines betriebsnahen nichtlandwirtschaftlichen Nebenbetriebs in bestehenden Bauten und Anlagen bewilligt werden. Die Anforderung nach Artikel 24 Buchstabe a muss nicht erfüllt sein. 1bis Unabhängig vom Erfordernis eines Zusatzeinkommens können Ne- benbetriebe mit einem engen sachlichen Bezug zum landwirtschaftli- chen Gewerbe bewilligt werden; dafür können massvolle Erweiterun- gen zugelassen werden, sofern in den bestehenden Bauten und Anla- gen kein oder zu wenig Raum zur Verfügung steht. Die Bestimmung von Art. 24b RPG wird in Art. 40 RPV konkretisiert: 1 Die Bewilligung eines nichtlandwirtschaftlichen Nebenbetriebs setzt voraus, dass: a. dieser innerhalb des Hofbereichs des landwirtschaftlichen Gewer- bes liegt; b. dieser so beschaffen ist, dass die Bewirtschaftung des landwirt- schaftlichen Gewerbes gewährleistet bleibt; c. der Hofcharakter im Wesentlichen unverändert bleibt; d. es sich um ein Gewerbe im Sinne von Artikel 5 oder 7 des Bundes- gesetzes vom 4. Oktober 1991 über das bäuerliche Bodenrecht han- delt. 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 184 2 Der Nachweis, dass ein Betrieb auf ein Zusatzeinkommen angewie- sen ist (Art. 24b Abs. 1 RPG), ist mit einem Betriebskonzept zu er- bringen. 3 Als Nebenbetrieb mit einem engen sachlichen Bezug zum landwirt- schaftlichen Gewerbe gelten insbesondere: a. Angebote des Agrotourismus wie Besenwirtschaften, Schlafen im Stroh, Gästezimmer auf dem Bauernhof, Heubäder; b. sozialtherapeutische und pädagogische Angebote, bei denen das Leben und soweit möglich die Arbeit auf dem Bauernhof einen we- sentlichen Bestandteil der Betreuung ausmachen. 4 Steht für die Einrichtung eines nichtlandwirtschaftlichen Nebenbe- triebs nach Artikel 24b Absatz 1bis RPG in den bestehenden Bauten und Anlagen kein oder zu wenig Raum zur Verfügung, so dürfen An- bauten oder Fahrnisbauten bis zu einer Fläche von 100 m2 zugelassen werden. 5 Sind die Voraussetzungen für eine Bewilligung nach Artikel 24b RPG nicht mehr erfüllt, so fällt die Bewilligung dahin. Die zuständige Behörde stellt dies durch Verfügung fest. Auf Gesuch hin ist in einem neuen Bewilligungsverfahren zu entscheiden, ob der nichtlandwirt- schaftliche Nebenbetrieb gestützt auf eine andere Bestimmung bewil- ligt werden kann. Die gesetzliche Konzeption unterscheidet zwischen Nebenbetrieben, die einen engen sachlichen Bezug zu einem landwirtschaftlichen Gewerbe (im Sinne des Bundesgesetzes über das bäuerliche Bodenrecht vom 4. Oktober 1991 [BGBB; SR 211.412.11]) haben und solchen, bei denen ein derartiger Zusam- menhang fehlt. Nebenbetriebe mit engem sachlichen Bezug zum Hauptbetrieb sind jene, die sich auf besondere Eigenschaften und Ressourcen des Hauptbetriebs abstützen (RUDOLF MUGGLI, in: HEINZ AEMISEGGER/PIERRE MOOR/ALEXANDER RUCH/PIERRE TSCHANNEN [Hrsg.], Praxiskommentar RPG: Bauen ausserhalb der Bauzone, Zürich/Basel/Genf 2017, Art. 24b N 9). In der Botschaft zum revidierten Art. 24b RPG wurde dazu festgehalten: Der notwendige enge Konnex soll dann gegeben sein, wenn eine Aktivi- tät oder Dienstleistung nur von einem landwirtschaftlichen Gewerbe angeboten werden kann, dieses mit anderen Worten einen inte- 2018 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 185 grierenden Bestandteil des nebenbetrieblichen Angebots bildet. Dies ist beispielsweise bei Besenwirtschaften, Schlafen im Stroh, Gäste- zimmern auf dem Bauernhof oder Heubädern oder ähnlichen Well- ness-Angeboten der Fall, aber auch etwa bei sozialtherapeutischen Angeboten, bei denen das Leben auf dem Bauernhof einen we- sentlichen Teil der Betreuung ausmacht. Keinen engen sachlichen Zusammenhang mit dem landwirtschaftlichen Gewerbe als solchem weisen demgegenüber jene Nebenbetriebe auf, die zwar einen direk- ten oder indirekten Bezug zur Landwirtschaft haben, jedoch nicht zwingend an das Vorhandensein eines landwirtschaftlichen Gewerbes anknüpfen. Dies gilt etwa für Landmaschinenwerkstätten oder land- wirtschaftliche Lohnunternehmen. Solche Aktivitäten sind nicht notwendigerweise an die Existenz eines landwirtschaftlichen Gewer- bes gebunden. (Botschaft zu einer Teilrevision des Raumplanungs- gesetzes vom 2. Dezember 2005 [05.084], BBl 2005 [nachfolgend: Botschaft Revision RPG 2007], S. 7112 f.). Art. 40 Abs. 3 RPV nennt als Beispiele für einen Nebenbetrieb mit einem engen sach- lichen Bezug zum landwirtschaftlichen Gewerbe - wie oben aufge- zeigt - explizit Angebote des Agrotourismus wie Besenwirtschaf- ten . Der Gesetzgeber wollte die Aktivitäten mit einem engen sach- lichen Bezug besonders fördern und hat sie in dreifacher Hinsicht privilegiert: In den Fällen, in denen der enge sachliche Konnex gege- ben ist, entfällt das Erfordernis, dass das in Frage stehende landwirt- schaftliche Gewerbe nur mit einer zusätzlichen Einkommensquelle weiter bestehen kann. Zusätzlich sind bei derartigen Nebenbetrieben massvolle Erweiterungen möglich, sofern in den bestehenden Bauten und Anlagen kein oder zu wenig Raum vorhanden ist. Es darf über- dies auch Personal angestellt werden, das ausschliesslich oder über- wiegend für den Nebenbetrieb tätig ist. Dies jedoch nur insofern, als die im Nebenbetrieb anfallende Arbeit zum überwiegenden Teil durch die Bewirtschafterfamilie geleistet wird (siehe Art. 24b Abs. 1, Abs. 1bis und Abs. 2 RPG; Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK, Bundesamt für Raum- entwicklung ARE, Erläuterungen zur Revision der Raumplanungs- verordnung vom 4. Juli 2007, Version 1.1 vom 9. Juli 2007 [nachfol- 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 186 gend: Erläuterungen Revision RPV 2007], S. 4; Botschaft Revision RPG 2007, S. 7112; Muggli, a.a.O., Art. 24b N 9). 4.3. (...) 4.3.1. Für die Beurteilung, ob gemäss Art. 24b Abs. 1bis RPG ein enger sachlicher Bezug besteht, sind vorab das Baugesuch inkl. des nachgereichten Umnutzungskonzepts (siehe dazu oben Erw. 1.2) so- wie die erläuternden Angaben der Bauherrschaft von Bedeutung. In der Beschwerdeantwort vor Vorinstanz legte die Beschwerdegeg- nerin das Umnutzungsgesuch nochmals eingehend dar: Der Raum solle als Schulungsraum, Seminarraum, Degustations- und Event- raum für Gruppen sowie für SchuB-Veranstaltungen genutzt werden. Im fraglichen Raum solle einerseits die theoretische Einführung bzw. der theoretische Unterricht zu den fraglichen Themen möglich sein und andererseits im Anschluss an die Führung die Möglichkeit be- stehen, dort noch einen Apéro bzw. einen Zvieri anbieten zu können. Mit andern Worten: Die Beschwerdegegnerin wolle nur Gruppen in ihrem Lokal verköstigen, wenn der Besuch der Gruppe in einem Zu- sammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit stehe. Die Vermietung an Gruppen, welche nicht vorgängig oder nachfolgend noch durch den Betrieb geführt oder zu betrieblichen Belangen geschult würden, solle nur soweit erfolgen, als die Beschwerdegegnerin im Rahmen der Bewirtung konkret auch ihre Produkte vorstellen und anbieten sowie die Besucher auch mit eigenen Produkten bewirten könne. Da- mit sei auch gesagt, dass jegliche Vermietung an Dritte, die sich selbst verköstigten, ausgeschlossen sei. Die Beschwerdegegnerin lasse sich dabei ausdrücklich behaften. Es sei für sie auch selbstver- ständlich, dass sie sich beim Umnutzungskonzept, welches Bestand- teil der Bewilligung sei, zu behaften lassen habe. Auch vor Verwal- tungsgericht erläutert die Beschwerdegegnerin, dass im Rahmen von gesellschaftlichen Anlässen bzw. Events soweit als möglich hof- eigene Produkte vermarktet werden sollen. Daran habe sie ein In- teresse, könne sie doch aus eigener Produktion Fleisch, Gemüse, Eier, Früchte, Brot, aber auch Getränke wie Süssmost anbieten. Wesentliche Teile der Speisekarte könnten aus der hofeigenen Produktion bestritten werden. Es sei ihr klar, dass eine Vermietung an 2018 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 187 Dritte, die das Lokal nur mieten wollten, ohne dass ein enger Zusam- menhang zum Landwirtschaftsbetrieb bestehe, nicht in Frage kom- men könne. An einer solchen Nutzung habe sie auch kein Interesse. Ihr Interesse bestehe vielmehr darin, im Zusammenhang mit der Nutzung des D.-Stübli ihre hofeigenen Produkte möglichst weit- gehend zu vermarkten. Das Nutzungskonzept sehe denn auch keine solche Vermietung an jedwelche Dritte vor. Die Beschwerdegegnerin lasse sich bei ihrem Konzept, das Teil der Bewilligung sei, behaften. Aus den Angaben der Beschwerdegegnerin ergibt sich somit, dass das D.-Stübli - soweit es als Event-/Party- oder Festraum an Dritte vermietet werden soll - mit dem Anbieten von hofeigenen Pro- dukten verbunden ist. An den Anlässen sollen, soweit möglich, hof- eigene Produkte vermarktet werden. Als Nebenbetrieb mit einem engen sachlichen Bezug zum landwirtschaftlichen Gewerbe gelten u.a. Besenwirtschaften (siehe Erw. 4.2; § 40 Abs. 3 lit. a RPV). Was den engen sachlichen Bezug zum landwirtschaftlichen Gewerbe anbelangt, besteht zwischen der Führung einer Besenwirtschaft und der Vermietung eines Lokals an Dritte zur Durchführung eines ge- schlossenen Anlasses, wenn dabei (soweit möglich) hofeigene Pro- dukte vermarktet werden, kein relevanter Unterschied. Insoweit ist auch in der vorliegenden Konstellation der enge sachliche Bezug zum landwirtschaftlichen Gewerbe (vgl. Art. 24b Abs. 1bis RPG; Art. 40 Abs. 3 lit. a RPV) zu bejahen (vgl. etwa SAMUEL KISSLING, Stichworte zum Bauen ausserhalb der Bauzonen, Schweizerische Vereinigung für Landesplanung VLP-ASPAN, Raum & Umwelt 6/2013, S. 28). 4.3.2. Nicht weiter einzugehen ist auf die vorgebrachten Anlässe, an- lässlich welcher das D.-Stübli in der Vergangenheit angeblich wald- hüttenähnlich bzw. ohne engen sachlichen Bezug zum Landwirt- schaftsbetrieb genutzt, vermietet oder angeboten worden sei. Abgese- hen davon, dass die Beschwerdegegnerin diese Vorwürfe bestreitet bzw. widerlegt, sind nicht retrospektiv Anlässe und Aktivitäten aus der Vergangenheit zu beurteilen, sondern einzig die beabsichtigte zu- künftige Nutzung des D.-Stübli. 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 188 4.4. Weiter bringen die Beschwerdeführer vor, die Nutzung als Eventraum für Dritte führe zu einer wesentlichen Veränderung des Hofcharakters (Mehraufkommen und Abstellen vieler Fahrzeuge auf dem Hofgelände, Verschiebung des Nutzungsschwerpunkts auf die Abend- und Nachtzeit sowie auf Sonn- und Feiertage). Damit schei- nen sie auf Art. 40 Abs. 1 lit. c RPV abzuzielen. Die Bewilligung eines nichtlandwirtschaftlichen Nebenbetriebs setzt gemäss dieser Bestimmung u.a. voraus, dass der Hofcharakter im Wesentlichen un- verändert bleibt (vgl. Erw. 4.2). Den Beschwerdeführern ist zwar beizupflichten, dass auf dem Hofgelände bei Anlässen auch Fahrzeuge parkiert und das D.-Stübli teilweise an Abenden und am Wochenende genutzt werden soll. Des- wegen wird das Erscheinungsbild des landwirtschaftlichen Hofgelän- des jedoch nicht geprägt . Es entsteht deswegen auch nicht der Ein- druck, dass hier kein Landwirtschaftsbetrieb (mehr) vorliegen würde (vgl. MUGGLI, a.a.O., Art. 24b N 19). Ebenso wenig kann davon ge- sprochen werden, dass der Nutzungsschwerpunkt des Betriebs ver- schoben würde. Die Nutzung des D.-Stübli ist ein Nebenbetrieb und die Vermietung des Raums an Dritte ist lediglich ein Aspekt unter vielen, wie der Raum genutzt werden soll. Bei Besenwirtschaften, welche der Gesetzgeber ausdrücklich als zulässig bezeichnet (Art. 40 Abs. 3 lit. a RPV), gehört es im Übrigen genauso dazu, dass Be- sucher und Gäste ihr Fahrzeug regelmässig auf dem Hofgelände par- kieren und die Besenwirtschaft z.B. abends und/oder am Wochen- ende besucht wird. Die Einwände der Beschwerdeführer sind auch in diesem Punkt unbegründet. 4.5. Die Beschwerdeführer bringen vor, es bestehe Rechtsunsicher- heit darüber, was nun zugelassen sei. In der Baubewilligung (betref- fend die Umnutzung) müsse präzis umschrieben werden, für welche Verwendungszwecke und für welche Nutzungsintensität die Bewilli- gung erteilt werde, was hier nicht der Fall sei. Dem kann so nicht ge- folgt werden. Aus dem Baugesuch inkl. Umnutzungskonzept sowie den erläuternden weiteren Angaben der Beschwerdegegnerin geht hinreichend klar hervor, wie das D.-Stübli genutzt werden soll. Die 2018 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 189 Vorinstanzen haben das Umnutzungsgesuch bewilligt, d.h. die projektierten Nutzungen wurden als zulässig erachtet. Insoweit be- steht keine Rechtsunsicherheit. Es ist auch nicht notwendig, dass in der Baubewilligung bzw. im Dispositiv konkreter festgehalten oder aufgelistet werden müsste, was nun wie bewilligt wurde. Abgesehen davon wurde in der Baubewilligung ausdrücklich festgehalten, dass bei Veränderung der Bewilligungsvoraussetzungen die Baubewilligung für den nichtlandwirtschaftlichen Nebenbetrieb dahinfällt und die Bewilligung als aufgelöst gilt, was namentlich bei Nutzungsänderungen des Nebenbetriebs gegenüber dem Betriebskonzept der Fall sei. 4.6. Schliesslich verlangen die Beschwerdeführer, bezüglich des Im- missionsschutzes seien Massnahmen anzuordnen. Der Zu- und Weg- fahrverkehr sei zu regeln und die maximale Anzahl von Besucherfahrzeugen sei zu limitieren, mit gleichzeitiger Einschrän- kung der Parkflächen. Ebenso seien Betriebszeiten im Sinne von Öffnungszeiten festzulegen. Auf welche gesetzlichen Grundlagen die Beschwerdeführer ihre Forderungen stützen, begründen sie indes nicht weiter. Tatsache ist, dass das D.-Stübli Platz für maximal ca. 40 Personen bietet, wobei auf dem Hofgelände genügend Platz zur Verfügung steht, damit Gäste ihre Fahrzeuge abstellen können. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte, dass z.B. aus Verkehrssicher- heitsgründen Massnahmen ergriffen werden müssten. Die Anordnung spezifischer Betriebs- bzw. Öffnungszeiten erscheint aktuell eben- falls nicht erforderlich. Auch anderweitige Anordnungen (wie z.B. Abspielen von Musik und Musizieren in Zimmerlautstärke) erscheinen nicht notwendig. Sollte sich inskünftig wider Erwarten er- geben, dass die Nutzung dennoch mit übermässigen Immissionen verbunden ist, so steht es den Beschwerdeführern frei, dannzumal ein Immissionsklageverfahren einzuleiten (vgl. § 30 Abs. 4 EG UWR). Im heutigen Zeitpunkt besteht indes kein Anlass, z.B. gestützt auf das Bundesumweltschutzrecht weitergehende Massnahmen anzuord- nen. 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 190 5. Zusammenfassend ist die Beurteilung der Vorinstanzen, wonach die beabsichtigte Umnutzung des D.-Stübli zulässig sei, nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen von Art. 24b Abs. 1bis RPG sind erfüllt, namentlich auch was die Vermietung des D.-Stübli an Dritte anbelangt, zumal an diesen Anlässen soweit möglich hofeigene Pro- dukte angeboten bzw. vermarktet werden und/oder die Anlässe ohne- hin z.B. im Zusammenhang mit Betriebsführungen stehen. Es ist im Übrigen auch nicht erforderlich, die Baubewilligung mit weiteren Nebenbestimmungen (Bedingungen, Auflagen) zu versehen. (...)
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2001 Verwaltungsgericht 204 [...] 49 Veranlagung nach Vermögensentwicklung und Lebensaufwand (§ 144 Abs. 2 StG). - Mittelflussrechnung, wenn eine Buchhaltung geführt wird (Erw. 3/a, b/aa). - In der Regel ist davon auszugehen, dass der Lebensaufwand jeden- falls den betreibungsrechtlichen Notbedarf erreicht (Erw. 3/b/bb). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 27. März 2001 in Sachen U.S. gegen Entscheid des Steuerrekursgerichts. Aus den Erwägungen 3. a) Bei selbstständigerwerbenden Steuerpflichtigen, die eine Buchhaltung führen, ist es zweckmässig, zur Vermögensentwick- lungs-/Lebensaufwandrechnung eine Mittelflussrechnung zu erstel- len. Massgeblich sind dabei nur die tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben. Aus der Mittelflussrechnung ergibt sich, welche Mittel dem Steuerpflichtigen für den Lebensaufwand effektiv zur Verfü- gung stehen. b) aa) Mittelflussrechnung aufgrund der Buchhaltung und der Steuererklärung: 2001 Kantonales Steuerrecht 205 Aus der Mittelflussrechnung ergibt sich deutlich, dass die Selbstdeklaration des Beschwerdeführers nicht zutreffend sein kann. Die verbleibenden Mittel für die Lebenshaltung decken den Privat- aufwand, selbst wenn er tief angesetzt wird, bei weitem nicht. bb) Bei der Berechnung des Lebensaufwands ist in der Regel davon auszugehen, dass der Verbrauch eines Steuerpflichtigen auch bei sehr sparsamer Lebensführung jedenfalls den betreibungsrecht- lichen Notbedarf erreicht. Der Beschwerdeführer macht allerdings geltend, er lebe äusserst sparsam, indem er kaum ausgehe und für Es- sen, Kleider und Unterhaltung fast nichts ausgebe. Nun ist es zwar aufgrund seiner persönlichen Verhältnisse nicht unglaubhaft, dass er selten ausgeht; auf der anderen Seite ergibt sich aus den Akten aber auch, dass er sich dort, wo die Kosten ausgewiesen sind, namentlich bei Versicherungen, aber auch beim Fahrzeugaufwand, nicht als be- sonders zurückhaltend erweist. Dies spricht dagegen, bei den nicht 2001 Verwaltungsgericht 206 nachweisbaren Posten, wie bei den Ausgaben für den täglichen Be- darf, die von ihm angegebenen aussergewöhnlich tiefen Beträge zu übernehmen. Vielmehr erscheint es auch im vorliegenden Fall rich- tig, der Regel zu folgen und den betreibungsrechtlichen Grundbedarf als objektivem Massstab nicht zu unterschreiten. Es ist daher in einem ersten Schritt der betreibungsrechtliche Grundbetrag (auf Grundlage der "Richtlinien für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums [Notbedarf] nach Art. 93 SchKG", Kreisschreiben des Obergerichts vom 13. Dezember 1993 [im Folgenden: Richtlinien]) mit der Deklaration des Beschwerde- führers, einschliesslich der Aufrechnungen der Steuerbehörden, zu vergleichen. Erweist sich der Privataufwand gemäss (korrigierter) Selbstdeklaration als zu gering, wird die Differenz zum betreibungs- rechtlichen Grundbetrag als Mehraufwand aufgerechnet. Dazu kom- men die Auslagen, die nicht im Grundbetrag enthalten sind. 2001 Kantonales Steuerrecht 207 1) Der betreibungsrechtliche Notbedarf setzt sich zusammen aus einem Grundbetrag (pauschal Fr. 1'010.--/Monat) plus Zuschlägen für bestimmte weitere Auslagen. Im Grundbetrag sind enthalten: Nahrung, Kleidung und Wäsche einschliesslich deren Instandhaltung, Körper- und Gesundheits- pflege, Unterhalt der Wohnungseinrichtung, Kulturelles sowie Auslagen für Beleuchtung, Kochstrom und/oder Gas. Nicht enthalten sind Kranken- kasse und Fahrkosten, die als Zuschläge zum Grundbetrag hinzukommen. 2) Aufrechnung Fahrzeugkosten im Durchschnitt Fr. 2'600.--. Von den Fahr- zeugkosten gemäss Buchhaltung entfallen gegen 80 % auf Abschreibun- gen. Dieser Anteil ist auch hier abzuziehen, da es sich dabei nicht um Auslagen handelt; verbleiben Fr. 550.--. c) Aus obiger Aufstellung ergibt sich eine Unterdeckung des Privataufwands von rund Fr. 20'200.--. Den Unsicherheiten der Ver- 2001 Verwaltungsgericht 208 mögensvergleichsrechnung wird praxisgemäss durch Abrundung des Ergebnisses Rechnung getragen. Es rechtfertigt sich, vorliegend eine Einkommensaufrechnung in Höhe von Fr. 18'000.-- vorzunehmen. (Redaktioneller Hinweis: Auf eine staatsrechtliche Beschwerde gegen diesen Entscheid ist das Bundesgericht nicht eingetreten.)
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2007 Submissionen 167 39 Kommunale Zuständigkeit im Submissionswesen. - Zuständig für die Vergabe öffentlicher Arbeiten und Lieferungen ist grundsätzlich der Gemeinderat (Erw. 2.1). - Der Schulpflege V. fehlt die Zuständigkeit zur Vergabe öffentlicher Beschaffungsaufträge (Erw. 2.4-2.5). Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 19. September 2007 in Sachen N. AG gegen die Schulpflege V. (WBE.2007.224). Aus den Erwägungen 2. 2.1. Zuständig für die Vergabe öffentlicher Arbeiten und Lieferun- gen ist der Gemeinderat (§ 37 Abs. 2 lit. l GG). Auch die Gemeinde- ordnung der Gemeinde V. vom 19. September 2005 weist die Zu- ständigkeit für die Vergabe öffentlicher Aufträge dem Gemeinderat zu (§ 34 lit. m GO). Gemäss § 36 Abs. 1 GO kann der Gemeinderat seine Befugnisse delegieren. In diesen Fällen sehen das Gemeinde- gesetz und die Gemeindeordnung der Gemeinde V. eine Art Ein- spracheverfahren vor (§ 39 Abs. 2 GG und § 36 Abs. 2 GO). 2.2. Entgegen der Auffassung der Schulpflege kann die Schulpflege ihre Zuständigkeit nicht auf eine spezielle Delegation der Entscheid- befugnisse des Gemeinderates stützen. In tatsächlicher Hinsicht fehlt bereits ein entsprechender Beschluss des Gemeinderates. 2.3. Für die allgemeine Kompetenzzuweisung an eine kommunale Kommission ist grundsätzlich ein kommunales Reglement erforder- lich, welches in generell-abstrakter Weise die Übertragung der Ent- scheidbefugnisse regelt (§ 39 Abs. 3 GG; vgl. hiezu auch "Delega- tion von Entscheidbefugnissen des Gemeinderates nach § 39 Ge- meindegesetz", Merkblatt der Gemeindeabteilung, Oktober 2004, S. 4; Andreas Baumann, Aargauisches Gemeinderecht, 3. Auflage, Zürich 2005, S. 537 ff.). Der Gemeinderat V. hat das Reglement zur 2007 Verwaltungsgericht 168 Übertragung von Entscheidungsbefugnissen (§ 36 Abs. 3 GO) bis jetzt nicht erlassen. Eine stillschweigende oder praxisgemässe Ermächtigung ver- mag die Zuständigkeit für Verfügungsakte in Submissionsverfahren nicht zu begründen. Die Beschaffung im Submissionsverfahren ist öffentliches Recht (vgl. zur sog. Zweistufentheorie: Ulrich Häfelin / Georg Müller / Felix Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Auflage, Zürich 2006, Rz. 287 ff.), weshalb nach dem Gesetz- mässigkeitsprinzip (Art. 5 Abs. 1 BV; Pierre Tschannen / Ulrich Zimmerli, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Auflage, Bern 2005, § 19 Rz. 6) für die verwaltungsinternen Zuständigkeiten der Verga- bestelle eine organisationsrechtliche Grundlage erforderlich ist (vgl. auch VGE III/73 vom 28. Mai 1999 [BE.1998.00405], S. 11 ff.). Schon die KV gebietet in § 107 Abs. 2 KV den Gemeinden, ihre Or- ganisation in einer Gemeindeordnung festzulegen, welche die Zu- ständigkeiten der Gemeindeorgane bestimmt (§ 18 Abs. 1 GG) und zu ihrer Gültigkeit vom Regierungsrat zu genehmigen ist (§ 17 GG). 2.4. Die Zuständigkeiten des Gemeinderates stehen allerdings unter dem Vorbehalt von Befugnissen, die durch Vorschriften des Bundes, des Kantons oder der Gemeinden einem anderen Organ übertragen sind (§ 37 Abs. 1 GG; § 34 Abs. 1 GO). Zu prüfen ist daher, ob kan- tonales oder kommunales Sachrecht der Schulpflege funktionale Zu- ständigkeiten zu Entscheidungen im Beschaffungswesen einräumt. 2.4.1. Die Schulpflege ist gemäss § 71 Abs. 1 SchulG (Fassung vom 1. März 2005, in Kraft seit 1. August 2005 [AGS 2005, S. 254]) ver- antwortlich für die Führung der Kindergärten sowie der Volksschule und trifft alle Entscheidungen, die mit einem ordentlichen Rechts- mittel angefochten werden können. Gemäss § 71 Abs. 2 SchulG ob- liegt die operative Führung der Schule der Schulleitung. Der Wort- laut dieser Bestimmung ist umfassend und lässt den Schluss zu, dass die Schulpflege und/oder die Schulleitungen in schulischen Belangen ausnahmslos für sämtliche Entscheidungen zuständig sind, welche durch ein Rechtsmittel angefochten werden können. Da Verfügungen im Submissionswesen im Bereich oberhalb der Schwellenwerte mit 2007 Submissionen 169 Beschwerde angefochten werden können, lässt sich eine Zuständig- keit der Schulpflege aus dem Wortlaut von § 71 Abs. 1 Satz 2 SchulG begründen. Allerdings fällt auf, dass anlässlich der Revision von § 71 SchulG vom 17. Dezember 2002 (AGS 2004, S. 157) und auch im Rahmen der Revision vom 1. März 2005 (AGS 2005, S. 254) der Gesetzgeber keine Fremdänderungen im Organisations- recht der Gemeinden und im Finanzrecht vorgenommen hat. Auch die Bestimmungen über die Trägerschaft der Schule (§ 52 f. SchulG) und die Zuständigkeit der Gemeinden im Schulwesen (§ 54 SchulG) blieben unverändert. Gemäss §§ 53 ff. SchulG sind die Gemeinden zur Beschaffung, Finanzierung und zum Unterhalt der Schulbauten, Schuleinrichtungen und der Lehrmittel verpflichtet (§ 53 Abs. 1 und 2 SchulG). In allen Angelegenheiten, welche über die Kompetenzen von Gemeinderat oder Schulpflege hinausgehen, beschliessen die Gemeinden (§ 54 Abs. 3 SchulG). Die fehlenden Gesetzesanpassungen für den verwaltungsinter- nen kommunalen organisatorischen Zuständigkeitsbereich sind umso erstaunlicher, als in der Fassung des Schulgesetzes vom 17. März 1981 (AGS Band 10, S. 546 f.) die Zuständigkeiten der Schulpflege in einem - nicht abschliessenden - Katalog aufgeführt waren. Vor der Revision von § 71 Abs. 1 SchulG gehörte zu den Aufgaben der Schulpflege u.a. die Antragstellung für sämtliche Schulbau- und Pla- nungsfragen und für den jährlichen Voranschlag des Schulwesens (§ 71 lit. k aSchulG), und sie verfügte über die durch die Gemeinde- ordnung der Schule im jährlichen Voranschlag eingeräumten Be- triebsmittel (§ 71 lit. l aSchulG). Eine Zuständigkeit der Schulpflege im Beschaffungswesen war auch im alten SchulG nicht vorgesehen, vielmehr richtete sich die verwaltungsinterne Zuständigkeit nach den Bestimmungen im Gemeindegesetz und in der Gemeindeordnung (vgl. auch Baumann, a.a.O., S. 365 ff.) Mit der Revision des SchulG vom 1. Dezember 2002 und vom 1. März 2005 wurden die Kompetenzen und Aufgaben der Schul- pflege in der geleiteten Schule erweitert. Die Schulpflege ist gemäss § 42 GAL Anstellungsbehörde (vgl. auch § 8 VALL), sie führt und beaufsichtigt die Schulleitungen (§ 5 ff. der Verordnung zur geleite- ten Schule vom 23. November 2005 [SAR 401.115]). Sie ist sodann 2007 Verwaltungsgericht 170 erste Instanz für Laufbahn-, Disziplinar- und Strafentscheide an den Schulen (§§ 37a, 38c und § 73 SchulG in der Fassung vom 1. März 2005). Die Schulgesetzrevision 2005 hat aber die Entscheidkompe- tenzen in Investitions- und Finanzbereichen für Schulbauten und Schuleinrichtungen sowie Lehrmittel nicht ausdrücklich neu gere- gelt. Aus den Materialien ergeben sich insbesondere keine Anhalts- punkte dafür, dass der Schulpflege im öffentlichen Beschaffungswe- sen neue Zuständigkeiten übertragen wurden (vgl. unter anderem Botschaft des Regierungsrates an den Grossen Rat vom 14. No- vember 2001 [01.319], Gesamtbericht Führung Schule vor Ort, S. 3 f.; Botschaft des Regierungsrates an den Grossen Rat vom 3. November 1999 [99.348], Schulgesetz, Partialrevision Etappe II, S. 10; Botschaft des Regierungsrates an den Grossen Rat vom 24. Mai 2000 [00.187], Gesetz über die Anstellung von Lehrpersonen [GAL], S. 35; Protokoll des Grossen Rates [Prot. GR] vom 21. Dezember 2004 [Art. Nr. 2004-2300]). 2.4.2. Vom Wortlaut einer gesetzlichen Bestimmung ist dann abzu- weichen, wenn der Wortlaut nicht ihren wahren Sinn wiedergibt bzw. wenn eine auf den Wortlaut beschränkte Auslegung zu Ergebnissen führt, welche der Gesetzgeber nicht gewollt hat und die gegen das Gerechtigkeitsgefühl und den Grundsatz der rechtsgleichen Behand- lung verstossen (vgl. BGE 128 III 113 Erw. 2a; BGE 127 III 318 Erw. 2b; AGVE 2004, S. 103 ff. mit Hinweisen). In systematischer Hinsicht sind die Beschlüsse der Schulpflege beim Bezirksschulrat anfechtbar (§ 75 SchulG), und auch das sog. "Kompetenzgeld" der Schulpflege (§ 74 SchulG) ist von der zustän- digen Gemeindebehörde im Rahmen des Jahresbudgets zu beschlies- sen. Vor diesem Hintergrund und den Materialen ergibt sich, dass der Schulpflege mit der Revision des Schulgesetzes keine Entschei- dungskompetenzen in der Investitions- und Finanzplanung übertra- gen wurden (vgl. hiezu Die Rolle der Schulpflege, Departement Bil- dung, Kultur und Sport, November 2005, S. 5; Verordnung zur ge- leiteten Schule, Leitfaden für die Umsetzung, Departement Bildung, Kultur und Sport, Januar 2006, S. 7 ff.) und vor allem die innerver- 2007 Submissionen 171 waltungsrechtliche Zuständigkeit des Gemeinderates im Beschaf- fungswesen nicht auf die Schulpflege übertragen wurde. Der Vollständigkeit halber ist anzufügen, dass den Schulleitun- gen operative Zuständigkeiten zugewiesen werden können (§ 71 Abs. 2 SchulG). Nach den Bestimmungen in der Verordnung zur ge- leiteten Schule handelt es sich dabei um Bestimmungen zum "Auf- bau und (zur) Stärkung der geleiteten Schule und (der) damit ver- bundenen Weiterentwicklung der Schulqualität in den Bereichen Or- ganisation, Unterricht und Personal" (§ 1 Abs. 2 Verordnung zur ge- leiteten Schule) und mit Bestimmungen über die Organisation des Bildungswesens (inkl. des Disziplinarrechts) für die Schüler und Lehrpersonen (vgl. §§ 5 und 8, 9 und 11 der Verordnung zur geleite- ten Schule). Operative Zuständigkeiten der Schulleitung ergeben sich aus der Verordnung im Bereich des Finanzwesen, insbesondere für die Beschaffung nicht, zumal in diesem kommunalen Bereich die Gemeindeautonomie eine kantonale Regelung in einer regierungsrät- lichen Verordnung ausschliessen würde (§ 106 Abs. 1 KV). 2.4.3. Im Zusammenhang mit dem GAT III sind am 1. Januar 2006 Änderungen über die Verwaltungsorganisation im Gemeindegesetz in Kraft getreten (vgl. §§ 71a ff. GG). Diese Revision hat die Rechts- grundlagen geschaffen, welche es den Gemeinden ermöglichen, die wirkungsorientierte Verwaltungsführung (WOV) einzuführen. Das kantonale Recht bestimmt im Gemeindegesetz die Minimalanforde- rungen und schreibt die Mindestkompetenzen von Gemeindever- sammlung oder Einwohnerrat einerseits und Gemeinderat anderseits vor, wobei den Gemeinden Möglichkeiten zur selbstständigen Aus- gestaltung zustehen. Jene Gemeinden, welche die Verwaltung auf WOV ausrichten, haben dies in ihrer Gemeindeordnung zu ordnen (§ 71b GG; vgl. Botschaft des Regierungsrates an den Grossen Rat vom 28. April 2004 [04.115], Aufgabenteilung Kanton-Gemeinden 3. Paket, S. 53; Prot. GR vom 18. Januar 2005 [Art. 2005-2354], S. 3942 ff.). An den Zuständigkeiten des Gemeinderates im Beschaf- fungswesen hat diese kantonale Revision nichts geändert (vgl. § 71d Abs. 1 und 2 GG). Gemäss § 71d Abs. 3 GG erfordern die Zuwei- sung weiterer Kompetenzen an Legislative oder Exekutive sowie 2007 Verwaltungsgericht 172 mögliche Instrumente der wirkungsorientierten Verfassung ein Re- glement. Die Gemeindeordnung V. enthält (noch) keine Regelung zu WOV, vor allem fehlen die erforderlichen Reglemente (Stellung- nahme des Gemeinderates vom 10. September 2007). Der Auffas- sung der Schulpflege, wonach ihr im Rahmen von Globalbudgets auch die verwaltungsinterne Zuständigkeit für die Durchführung ei- nes Submissionsverfahrens zukommt, fehlt daher die gesetzliche Grundlage. Im Beschluss des Einwohnerrates vom 12. März 2007 wurde das Informatikkonzept genehmigt und der Verpflichtungskre- dit für die Gebäudeinvestitionen/Netzwerk für die Hard- und Softwa- reanschaffung sowie für Schulung etc. bewilligt. Eine Änderung der Zuständigkeiten für die Durchführung der Submission enthält der Beschluss nicht. 2.5. Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass der Schul- pflege V. mangels kantonaler und kommunaler Grundlage die Zu- ständigkeit zur Vergabe öffentlicher Beschaffungsaufträge fehlt.
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2003 Bau-, Planungs- und Umweltschutzrecht 187 50 Besitzstandsgarantie (§ 68 lit. b BauG). - Der Ersatz eines Flachdachs durch ein Satteldach stellt grundsätzlich eine angemessene Erweiterung bzw. einen angemessenen Umbau dar (Erw. 2/d/bb). - Keine wesentliche Verstärkung der Rechtswidrigkeit, auch wenn das neue Dachgeschoss auf ein heute rechtswidriges drittes Vollgeschoss aufgebaut wird (Erw. 2/d/cc). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 6. Dezember 2002 in Sachen R. gegen Baudepartement. Aus den Erwägungen 1. Die Beschwerdegegner wollen auf ihr bestehendes Zweifa- milienhaus mit Flachdach ein Satteldach aufsetzen. Das neue Dach- geschoss, dessen Bruttogeschossfläche (BGF) mit 55.1915 m 2 ange- geben wird, enthält nebst dem Estrich eine Galerie, ein Schlafzim- mer, ein Bad und eine Terrasse. Auf der West- und auf der Ostseite ist je eine Dachlukarne vorgesehen. Die Firsthöhe beträgt 10.25 m. 2. (...) d) aa) Die Erweiterung, der Umbau oder die Zweckänderung besitzstandsgeschützter Bauten innerhalb der Bauzonen ist nur zuläs- sig, wenn dadurch ihre Rechtswidrigkeit nicht wesentlich verstärkt wird (§ 68 lit. b BauG; siehe AGVE 1999, S. 217 ff.). (...). bb) Das Verwaltungsgericht hat unter dem früheren Recht den Ersatz eines Flachdachs durch ein Satteldach grundsätzlich als zeit- gemässe Erneuerung im Sinne von § 224 Abs. 2 Satz 1 aBauG be- handelt. Im Hinblick darauf, dass die Nachbarschaft durch ein Sat- teldach regelmässig mehr beeinträchtigt werde als durch ein Flach- dach (Schattenwurf und Lichtentzug, Einschränkung der freien Sicht usw.), wurde allerdings verlangt, dass Dachaufbauten auf das von der Funktion her Erforderliche zu beschränken seien, wozu auch gehöre, dass nicht zusätzlicher Wohnraum entstehe; Leitlinie müsse sein, dass dem betreffenden Bauherrn ermöglicht werde, das Sanierungs- ziel zu erreichen, aber nicht mehr. Eine eher restriktive Praxis sei 2003 Verwaltungsgericht 188 auch darum gerechtfertigt, weil ein Flachdach als solches ebenfalls einwandfrei saniert werden könne, wenn auch in der Regel mit etwas grösserem finanziellem Aufwand (siehe zum Ganzen: AGVE 1991, S. 353 mit Hinweisen). Heute ist die rechtliche Ausgangslage eine andere. Angemes- sene Erweiterungen und Umbauten sind nunmehr zugelassen. Mit dem Begriff der "Angemessenheit" bringt der Gesetzgeber dabei zum Ausdruck, dass zwischen der vorhandenen Kubatur und der optischen Erscheinungsweise der betreffenden Baute und dem Er- weiterungsvorhaben ein ausgewogenes Verhältnis bestehen soll. Wird wie im vorliegenden Falle auf ein Flachdach ein Satteldach aufgesetzt, darf diese Voraussetzung im Regelfall als erfüllt gelten. Satteldächer verändern zwar das Aussehen eines Gebäudes, aber nicht derart nachhaltig, dass die Identität des Bauwerks nachher eine andere ist. Erst recht ist dies zu verneinen, wenn sämtliche Randbe- dingungen, welche den Kubus eines Gebäudes bestimmen, einge- halten sind (hier insbesondere auch die Firsthöhe, welche gemäss § 4 BNO in der Zone E2 maximal 10.30 m betragen darf). Dazu kommt, dass das Satteldach die wohl üblichste Dachform ist und deshalb ein Bauvorhaben wie das hier in Frage stehende auch innerhalb eines Wohnquartiers in optischer Hinsicht kaum zusätzliche Unruhe schafft. Das finanzielle Moment ist dagegen heute kaum mehr ein Motiv dafür, ein Flachdach durch ein Satteldach zu ersetzen. Das Verwaltungsgericht gelangt also im Ergebnis zu den gleichen Er- kenntnissen wie die Vorinstanzen. cc) Die heute vorhandene Rechtswidrigkeit des Gebäudes Nr. 336 besteht darin, dass es drei statt der gemäss § 4 BNO in der Zone E2 maximal zulässigen zwei Vollgeschosse aufweist. Diese Rechtswidrigkeit wird nicht verstärkt, denn die Randbedingungen von § 16 ABauV (in der Fassung vom 12. Juli 2000) für ein (gemäss § 14 Abs. 1 ABauV nicht als Vollgeschoss geltendes) Dachgeschoss sind allesamt erfüllt; es handelt sich um ein zulässiges Schrägdach (Dachneigung nicht über 45°, Kniestockhöhe nicht über 1.20 m [siehe § 16 Abs. 1 bis ABauV in der Fassung vom 12. Juli 2000]), dessen Flächen zwar durch Lukarnen durchbrochen werden, aber nur auf einem Geschoss und auf nicht mehr als einem Drittel der Fassa- 2003 Bau-, Planungs- und Umweltschutzrecht 189 denlänge. Daran ändert nichts, "dass das Dachgeschoss auf ein rechtswidriges drittes Vollgeschoss aufgebaut wird"; entscheidend kann einzig sein, dass das Gebäude Nr. 336 sowohl vor als auch nach der Erweiterung bzw. dem Umbau dreigeschossig ist (siehe AGVE 1999, S. 220 f., bezüglich des analogen Falls einer Geschosserweiterung in der Horizontalen). Andere bestehende Rechtswidrigkeiten, die verstärkt werden könnten, sind nicht ersichtlich.
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2005 Verwaltungsgericht 124 [...] 30 Anfechtung einer Ermessensveranlagung (§ 193 Abs. 2 StG; Art. 48 Abs. 2 StHG). - Änderungen gemäss neuem Recht. - In der Einsprache gegen eine Ermessensveranlagung sind allfällige Beweismittel zu nennen. Erst im Rekurs- oder im Beschwerdeverfah- ren eingebrachte Beweismittel sind unbeachtlich, sofern im Ver- anlagungs- oder Einspracheverfahren auf den Beweismittelausschluss hingewiesen wurde und die verspätete Einreichung nicht ausnahms- weise entschuldbar ist. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 25. Januar 2005 in Sa- chen B.E. gegen Steuerrekursgericht. Publiziert in StE 2005, B 96.12 Nr. 15. Aus den Erwägungen 1. a) Die Steuerveranlagung ist in erster Linie durch direkte Ermittlung der Einkünfte und Abzüge vorzunehmen, wozu der Steu- erpflichtige eine Steuererklärung samt Unterlagen einzureichen und weitere Auskünfte zu erteilen hat (§ 179 ff., § 190 StG). Hat die steuerpflichtige Person trotz Mahnung ihre Verfah- renspflichten nicht erfüllt oder können die Steuerfaktoren mangels zuverlässiger Unterlagen nicht einwandfrei ermittelt werden, wird die Veranlagung nach pflichtgemässem Ermessen vorgenommen, wobei Erfahrungszahlen, Vermögensentwicklung und Lebensauf- wand berücksichtigt werden können (§ 191 Abs. 3 StG). Resultiert aus der Steuererklärung ein Einkommen, das unglaubwürdig ist und "so nicht stimmen kann", drängt sich die Überprüfung durch einen Vermögensvergleich auf. Ergibt dieser, unter Berücksichtigung der 2005 Kantonale Steuern 125 für den Lebensunterhalt benötigten Mittel, ein erhebliches Manko und kann der Steuerpflichtige nicht nachweisen, dass ein Vermö- genszuwachs ganz oder teilweise aus steuerfreien Einkünften resul- tiert, ist eine Ermessensveranlagung vorzunehmen (AGVE 1996, S. 220 f.; Martin Plüss, in: Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, Band 2, 2. Auflage, Muri/BE 2004, § 191 N 23, N 36 ff. mit Hinwei- sen). b) Die Voraussetzungen für eine Ermessensveranlagung waren im vorliegenden Fall erfüllt. Die Vermögensvergleichsrechnung, erstmals am 10. Juli 2002 erstellt und auf Einwände des Beschwerde- führers hin mehrfach abgeändert, ergab auch in der Fassung vom 8. Januar 2003, die der Veranlagung zugrunde gelegt wurde, ein erhebliches Einkommensmanko. Dies wird vom Beschwerdeführer denn auch gar nicht bestritten. Vielmehr beruft er sich selber darauf, dass seine Buchhaltung - als Ausgangspunkt der Vermögensver- gleichsrechnung (vgl. AGVE 2001, S. 204 ff.) - fehlerhaft gewesen sei und den Kreditorenbestand Ende 2001 viel zu tief ausgewiesen habe. 2. a) Nach pflichtgemässem Ermessen veranlagte Steuerpflich- tige haben im Einspracheverfahren die offensichtliche Unrichtigkeit der Veranlagung nachzuweisen. Die Einsprache ist zu begründen (§ 193 Abs. 2 StG). Mit dieser Formulierung hat der kantonale Gesetzgeber die bundesrechtlichen Vorgaben nicht vollumfänglich umgesetzt. Art. 48 Abs. 2 StHG schreibt nämlich vor: "... Die Einsprache ist zu begründen und muss allfällige Beweismittel nennen ." Die Vorschrift des StHG gilt, nachdem Ende 2000 die achtjährige Anpassungsfrist (Art. 72 Abs. 1 StHG) abgelaufen ist, ungeachtet der nur teilweisen Umsetzung ins kantonale Recht und ist direkt anwendbar (Art. 72 Abs. 2 StHG). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu Art. 132 Abs. 3 DBG (wörtlich gleich lautend wie Art. 48 Abs. 2 StHG) ist die Begründung Gültigkeitserfordernis bei der Einsprache gegen eine Ermessensveranlagung, jedenfalls wenn in der Rechtsmittelbeleh- rung hierauf hingewiesen wurde; das Fehlen einer sachbezogenen Begründung stellt einen nach Ablauf der Einsprachefrist nicht mehr verbesserungsfähigen Mangel dar (BGE 123 II 552 ff. = Pra 87/1998, 2005 Verwaltungsgericht 126 Nr. 151 Erw. 4; Martin Zweifel, in: Kommentar zum schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/1 [StHG], 2. Auflage, Basel/Genf/München 2002, Art. 48 N 43). Die Nennung der Beweismittel ebenfalls als Gültig- keitserfordernis zu behandeln, wäre wohl eine unbegründete Strenge. Doch immerhin überbindet Art. 48 Abs. 2 StHG dem Steuerpflichti- gen den im Einspracheverfahren zu erbringenden Nachweis der offensichtlichen Unrichtigkeit der Ermessensveranlagung. Der Nachweis ist mit der Einsprache anzutreten; der Steuerpflichtige muss zusammen mit der Einsprache taugliche Beweismittel für die Richtigkeit seiner Darstellung einreichen oder sie zumindest genau bezeichnen. Das Fehlen neuer Beweismittel wird häufig zum Schei- tern des Unrichtigkeitsnachweises und zur Abweisung der Einsprache führen (Zweifel, a.a.O., Art. 48 N 43b f., 55 f.). Wenn die Nennung der Beweismittel ausdrücklich vorgeschrie- ben wird, impliziert dies, dass im Rekurs- und im Beschwerdeverfah- ren keine neuen, im Einspracheverfahren nicht angebotenen Be- weismittel zulässig sind, um den im Einspracheverfahren geschei- terten Nachweis der offensichtlichen Unrichtigkeit der Ermessens- veranlagung zu erbringen. Die abweichende Meinung von Zweifel (a.a.O., Art. 48 N 61) wird der speziellen Regelung von Art. 48 Abs. 2 StHG mit der gewollten und sachlich gerechtfertigten Erschwerung der Anfechtung von Ermessensveranlagungen (ver- glichen mit der Einsprache gegen normale Veranlagungen) nicht gerecht, sondern würde diese geradezu unterlaufen. In verfahrens- mässiger Hinsicht wird dabei übergangen, dass der abweisende Einspracheentscheid, wenn der Unrichtigkeitsnachweis am fehlenden Beweis gescheitert ist, richtig und rechtmässig ist; ein legitimes Bedürfnis, ihn mit neuen, im Einspracheverfahren entgegen Art. 48 Abs. 2 StHG nicht eingebrachten Beweismitteln anfechten zu lassen, ist - ausser wenn die nicht rechtzeitige Vorlage im Einsprache- verfahren unverschuldet war - nicht ersichtlich. Zweifel stützt sich denn auch, ohne auf die seither geänderten rechtlichen Grundlagen näher einzugehen, auf einen Bundesgerichtsentscheid (ASA 58/1989- 90, S. 670 ff.) zum früheren Recht der direkten Bundessteuer (als sich die Anforderungen an die Einsprache gegen eine Ermessensver- anlagung, soweit die Einsprache hier überhaupt zulässig war, von 2005 Kantonale Steuern 127 denjenigen nach einer normalen Veranlagungen nicht unterschieden) in einem Fall, wo Beweismittel, obwohl sie bereits im Einsprache- verfahren eingebracht worden waren, im Rekursverfahren unberück- sichtigt blieben. b) Um den Beweismittelausschluss eintreten zu lassen, muss der Steuerpflichtige rechtzeitig, entweder in der Rechtsmittelbelehrung der Veranlagungsverfügung oder jedenfalls vor Abschluss des Ein- spracheverfahrens, ausdrücklich darauf hingewiesen werden (vgl. - zum Begründungserfordernis - BGE 123 II 552 ff. = Pra 87/1998, Nr. 151 Erw. 4/f). Die von der Rechtsprechung zum alten Recht (Steuergesetz [aStG] vom 13. Dezember 1983) statuierten Einschränkungen, insbesondere dass der Hinweis im Einsprachever- fahren selber erfolgen müsse und dass sich der Beweismittelaus- schluss nur auf Beweismittel beziehe, die klar und verständlich umschrieben und eingefordert wurden (vgl. AGVE 1989, S. 177 f. mit Hinweisen), lassen sich für das Einspracheverfahren nach einer Ermessensveranlagung, wie es in Art. 48 Abs. 2 StHG/§ 193 Abs. 2 StG neu geregelt ist, nicht aufrecht erhalten. 3. a) Bereits im Veranlagungsverfahren wurde der Beschwerde- führer mit Schreiben des Gemeindesteueramtes vom 19. Juni 2002 unter Nennung der gesetzlichen Bestimmungen auf die Möglichkeit der Veranlagung nach pflichtgemässem Ermessen (§ 191 Abs. 3 StG) hingewiesen, was zur Folge habe, dass der Beschwerdeführer die Unrichtigkeit der Veranlagung nachweisen müsse (§ 193 Abs. 2 StG) und dass vorenthaltene Unterlagen im Rekurs- und im Beschwerde- verfahren nicht mehr berücksichtigt würden (§ 194 Abs. 2 StG). Später wurde er im Zusammenhang mit den Vermögensvergleichs- rechnungen zur Stellungnahme mit Beweismitteln aufgefordert. In der "Abweichungsbegründung" (Beilage zur Veranlagung) wurde ausgeführt, dass die Annahme des Beschwerdeführers, der Schuld- saldo bei der G. AG (Fr. 152'168.55) sei nicht in den buchhalterisch ausgewiesenen Kreditoren per Ende 2001 (Fr. 170'928.--) enthalten, nicht zutreffe. b) aa) Mit Einsprache brachte der Beschwerdeführer gegen die gestützt auf den Vermögensvergleich erfolgte ermessensweise Ein- kommensveranlagung vor, er sei der Meinung, "dass der Kreditoren- 2005 Verwaltungsgericht 128 bestand gemäss unseren Angaben genügend ergänzt worden ist. Wir bitten Sie deshalb, die eingereichten Dokumente voll zu akzeptieren. ... Die gesamten Kreditoren müssen höher sein als sie ausgewiesen sind. Wir bitten Sie, diese Möglichkeiten noch zu berücksichtigen. ... Ich bin bereit, jederzeit meine Buchhaltung offen zu legen und sie durch Ihre Stellen begutachten zu lassen." Mit Schreiben vom 2. April 2003 beanstandete das GStA, dass das Manko gemäss Ver- mögensvergleichsrechnung immer noch nicht einleuchtend erklärt sei, und wies wiederum auf den Beweismittelausschluss im Rekurs- und Beschwerdeverfahren hin. Der Beschwerdeführer seinerseits offerierte nochmals, die Buchhaltung und alle weiteren Unterlagen zur Überprüfung der Kreditoren durch die Steuerkommission zur Verfügung zu stellen (Eingabe vom 22. April 2003). bb) Um die Vermögensvergleichsrechnung und die dadurch be- wirkte ermessensweise Einkommensfestsetzung zu Fall zu bringen, musste der Beschwerdeführer den Nachweis antreten, dass der in seiner Buchhaltung ausgewiesene Kreditorenbestand per Ende 2001 falsch, nämlich zu tief, erfasst war. Sein anfängliches Argument, die Schulden bei der G. AG seien im Kreditorenbestand per Ende 2001 nicht enthalten, traf so nicht zu und war bereits bei der Veranlagung als unzutreffend zurückgewiesen worden. Unter diesen Umständen musste er, um die offensichtliche Unrichtigkeit der Ermessensveran- lagung aufzuzeigen, nachweisen, dass die übrigen Kreditoren mehr als rund Fr. 20'000.-- betrugen. Als Folge seiner eigenartigen Verbu- chungsart, indem er nämlich die Zahlungen pauschal und gerundet, ohne Zuweisung zu den einzelnen Kreditoren, auswies, liess sich der Nachweis der unzureichenden Erfassung der Kreditoren per Ende 2001 nicht mit der Buchhaltung und den eingereichten Kontoblättern des Kontos 2000 "Kreditoren" erbringen. Vielmehr bedurfte es dazu einer Zusammenstellung der offenen Rechnungen in Verbindung mit den Belastungsanzeigen der Bank, aus denen hervorging, dass diese Rechnungen nicht schon 2001, sondern erst im Verlauf des Jahres 2002 beglichen worden waren. cc) Die eben genannten Unterlagen, mit denen sich die Unrich- tigkeit der eigenen Buchhaltung und damit auch der erfolgten Er- messensveranlagung belegen liess, reichte der Beschwerdeführer erst 2005 Kantonale Steuern 129 im Rekursverfahren ein; im Einspracheverfahren berief er sich noch mit keinem Wort darauf. Da es unzulässig ist, im Rekurs- und im Beschwerdeverfahren neue, im Einspracheverfahren nicht genannte Beweismittel einzubringen, da diese Beweismittel schon während des Einspracheverfahrens vorhanden waren und die verspätete Ein- reichung nicht entschuldbar ist und da der Beschwerdeführer im Veranlagungs- und im Einspracheverfahren auf den Beweismittelaus- schluss hingewiesen wurde, darf das Verwaltungsgericht diese neuen Unterlagen zum Nachweis der offensichtlichen Unrichtigkeit der Ermessensveranlagung nicht berücksichtigen (und hätte sie schon das Steuerrekursgericht nicht berücksichtigen dürfen). Das hat zur Folge, dass dieser Nachweis nicht erbracht ist.
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2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 182 [...] 35 Parkplätze - Parkplatzerstellungspflicht: Pflichtparkplätze auf privaten Grund- stücken sind dinglich, z.B. durch im Grundbuch eingetragene Grunddienstbarkeiten oder Baurechte zu sichern; eine bloss obli- gatorische Sicherung genügt nicht (Erw. 3.3.4.). - Mangelhaftes Baugesuch; für die Erstellung neuer Parkplätze ist ein Baubewilligungsverfahren erforderlich; auch bei Projektänderungen während laufendem Beschwerdeverfahren müssen die Interessen Dritter und der Öffentlichkeit gewahrt werden (Erw. 4.3.). Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 21. Oktober 2013 in Sa- chen A. AG gegen Erbengemeinschaft B. und gegen C. AG sowie Gemeinde- rat D. und Departement Bau, Verkehr und Umwelt (WBE.2012.219). Sachverhalt Das umstrittene Projekt beinhaltet verschiedene bauliche An- passungen/Erweiterungen auf der Parzelle Nr. X. der Beschwerde- führerin. Dabei sollen u.a. 7 bestehende Parkplätze entfernt werden, wobei es sich um Pflichtparkplätze handelt. Die auf der gegenüber- liegenden Strassenseite liegende Parzelle Nr. Q. gehört den Be- schwerdegegnern 1. Auf dieser Parzelle (Nr. Q.) realisierte die Be- schwerdeführerin im Jahre 2003 82 Parkplätze. Die Parkplätze wur- den jedoch nie zugunsten der (Betriebs-)Parzelle Nr. X. der Be- schwerdeführerin dinglich gesichert, sondern lediglich mittels einem obligatorischen Vertrag (als "Dienstbarkeitsvertrag" betitelt, aber ohne Eintrag im Grundbuch) zwischen der Beschwerdeführerin und den Beschwerdegegnern 1. Die Beschwerdegegner 1 haben den Ver- trag in der Zwischenzeit gekündigt, wobei die Kündigung angefoch- 2013 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 183 ten wurde. Die Beschwerdeführerin ist im Weiteren Eigentümerin der an die Parzelle Nr. X. angrenzenden Parzelle Nr. Z.. Aus den Erwägungen 3.3.4. Die gesetzlich notwendigen Parkfelder müssen auf privatem Grund in nützlicher Distanz zur Liegenschaft, der sie zu dienen ha- ben, liegen und dauernd als solche benutzt werden können (vgl. § 55 Abs. 1 Satz 2 BauG). Die gemäss gesetzlicher Verpflichtung geschaf- fenen Parkfelder und Verkehrsflächen müssen ihrer Zweckbestim- mung zudem erhalten bleiben (§ 57 Abs. 1 BauG). Nach ständiger Praxis des Verwaltungsgerichts müssen auf Drittgrundstücken Pflichtparkplätze dinglich, d.h. durch Errichtung einer Grunddienst- barkeit oder eines Baurechts zugunsten des Baugrundstücks und zu- lasten des Parkplatzgrundstücks gesichert sein (AGVE 2002, S. 244; 1987, S. 258; E RICH Z IMMERLIN , Baugesetz des Kantons Aargau, 2. Auflage, Aarau 1985, §§ 60-63 N 13). Eine bloss obligatorische Sicherung, wie z.B. die kündbare Miete, genügt demgegenüber nicht (vgl. Z IMMERLIN , a.a.O., §§ 60-63 N 13). Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, mit dem "Dienstbarkeitsvertrag" bezüglich der Parkplätze zurzeit gleich dazu- stehen, wie wenn sie eine Dienstbarkeit oder ein Baurecht besässe. Diese Ansicht kann nicht geteilt werden: Selbst nach der Darstellung der Beschwerdeführerin wären ihre Parkplätze nach einem Verkauf der Parkplatzparzelle (Nr. Q.) an einen gutgläubigen Dritten nicht gesichert. Zudem haben die Beschwerdegegner 1 den Vertrag in der Zwischenzeit gekündigt, wobei die Beschwerdeführerin die Kündi- gung angefochten hat und das diesbezügliche Zivilverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Schon daraus zeigt sich, dass eine dauernde Sicherung zumindest auf privaten Grundstücken nur durch dingliche Sicherungen, wie z.B. im Grundbuch eingetragene Grunddienstbar- keiten oder Baurechte, erreicht werden kann. Die Beschwerdegegner weisen insofern richtig darauf hin, dass die Erhaltung der Pflicht- parkplätze (vgl. § 57 BauG) eine auf Dauer angelegte öffentlich- 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 184 rechtliche Pflicht aus der Baubewilligung darstellt, die keine privat- rechtlichen Eventualitäten verträgt. Die Beschwerdeführerin zieht im Weiteren den Vergleich mit der Rechtsprechung zu Parkplatzgrundstücken, die dem Verwal- tungsvermögen einer Gemeinde zugehören. In solchen Fällen kann von einer rechtlichen Sicherung der Parkplätze abgesehen werden, da Verwaltungsvermögen nicht veräussert werden kann und die Wahr- scheinlichkeit, dass später eine Umwandlung des Grundstücks in Finanzvermögen und nachfolgend seine Realisierung erfolgt, äus- serst gering ist (vgl. AGVE 2002, S. 244; 1987, S. 258 f.). Sollte der Fall einer Umwandlung in Finanzvermögen dennoch eintreten, könnte die Gemeinde die dingliche Sicherung vor der Realisierung noch immer vornehmen, womit die Zweckbestimmung der Pflicht- parkplätze weiterhin rechtlich gesichert wäre. - Im vorliegenden Fall geht es jedoch um eine völlig andere Konstellation, nämlich um Bau- ten und Grundstücke von Privaten. Dabei steht fest, dass die Park- plätze auf der (fremden) Parzelle Nr. Q. nicht zugunsten der Be- triebs-Parzelle Nr. X. (der Beschwerdeführerin) dinglich gesichert sind. Da von den ursprünglich 43 Parkplätzen (bzw. von den 41.5 Pflichtparkplätzen) heute nur noch 14 Parkplätze auf der Par- zelle Nr. X. bestehen und die Parkplätze auf der Parzelle Nr. Q. wie erwähnt nicht dinglich gesichert sind, besteht bezüglich der Park- plätze bereits heute ein rechtswidriger Zustand. Dieser hat sich nur deshalb noch nicht akzentuiert, weil die Beschwerdeführerin die Parkplätze auf der Parzelle Nr. Q. (derzeit) tatsächlich noch benutzen kann. Demgemäss genügen die Parkplätze auf der Parzelle Nr. Q. den Anforderungen an Ersatzparkplätze für Pflichtparkplätze des Be- triebs auf der Parzelle Nr. X. mangels dinglicher Sicherung nicht. Für die 7 Parkplätze, welche im Zuge des vorliegenden Bauvorhabens auf der Parzelle Nr. X. aufgehoben werden sollen, können auf der Parzelle Nr. Q. keine Ersatzparkplätze bereitgestellt werden. Die be- züglich der Parkplätze ohnehin schon bestehende rechtswidrige Situation würde dadurch nur noch verstärkt. 2013 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 185 3.4.-3.6. (...) 4. 4.1. 4.1.1. Die Beschwerdeführerin stellt eventualiter den Antrag, in Aufhebung des angefochtenen Entscheids sei die Baubewilligung des Gemeinderats vom 20. Februar 2012 grundsätzlich zu bestätigen, in- dessen mit der Auflage zu versehen, dass vor der Platzierung der bei- den Kühlcontainer entweder der Verzicht auf die Aufhebung der 7 Parkplätze oder deren Ersatz auf eigenem Areal nachgewiesen werde. 4.1.2. (...) 4.2. (...) 4.3. Die rechtsanwendende Behörde hat, wenn ein Baugesuch man- gelhaft ist bzw. nicht durchwegs mit dem objektiven Recht überein- stimmt, nach Massgabe des Verhältnismässigkeitsprinzips zu ent- scheiden, ob das Gesuch gesamthaft abgewiesen werden muss oder ob die Mängel mittels geeigneter Nebenbestimmungen behoben wer- den können; die zweitgenannte Möglichkeit findet bei untergeordne- ten Mängeln Anwendung (vgl. AGVE 2002, S. 242 f. mit Hin- weisen). Das zu beurteilende Baugesuch sieht wie erwähnt u.a. die Aufhebung von 7 Parkplätzen vor. Da es sich um Pflichtparkplätze handelt, müssten dafür an einem geeigneten Ort dinglich gesicherte Ersatzparkplätze zur Verfügung gestellt werden. Die Beschwerde- führerin bringt vor, sie könnte auf der benachbarten, ebenfalls ihr ge- hörenden Parzelle Nr. Z. (E. Areal) 7 neue Parkplätze erstellen. Die Vorinstanz weist dazu zutreffend darauf hin, dass es sich bei der Erstellung neuer Parkplätze um baubewilligungspflichtige Bauten bzw. Anlagen handelt (vgl. § 6 Abs. 1 lit. b BauG sowie Umkehr- schluss aus § 49 BauV). Für die Erstellung neuer Parkplätze ist vorerst ein Baubewilligungsverfahren erforderlich. Mit der von der Beschwerdeführerin gewünschten Auflage würde das erforderliche Baugesuchsverfahren für Parkplätze auf dem eigenen Areal um- gangen und die Rechte möglicher Einwender würden beschnitten, 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 186 was nicht zulässig ist. Entsprechendes gilt für den Vorschlag, auf die Aufhebung der 7 Parkplätze könnte mittels Auflage verzichtet wer- den: Der Verzicht auf die Beseitigung der 7 Parkplätze wäre mit ei- ner Änderung des Zufahrtsregimes verbunden. Zudem erachtet die Beschwerdeführerin selber eine Änderung des Zufahrtsregimes zu den Rampen nicht als besonders günstig. Auf jeden Fall müsste auch ein neues Zufahrtsregime vertieft aufgezeigt (insbesondere mit ange- passten Plänen) und geprüft werden. Neue Parkplätze, eine andere Anordnung von Parkplätzen mit den entsprechenden baulichen Massnahmen, eine allfällige andere Platzierung der Kühlcontainer etc. stellen gegenüber dem Baugesuch vom 9. November 2011 Projektänderungen dar. Solche sind praxisgemäss im Beschwerde- verfahren nur unter der Voraussetzung zulässig, wenn die Interessen Dritter und der Öffentlichkeit gewahrt bleiben, was in der Regel der Fall ist, wenn das abgeänderte Projekt publiziert und öffentlich auf- gelegt wird (vgl. AGVE 2004, S. 166 mit Hinweisen). Vorliegend ist nicht klar, wie die Beschwerdeführerin die Problematik im Zusammenhang mit den 7 Parkplätzen nun konkret lösen will. Im Vordergrund dürfte die Variante stehen, auf der be- nachbarten, ebenfalls der Beschwerdeführerin gehörenden Parzelle Nr. Z. 7 neue Parkplätze zu erstellen, welche als Ersatzparkplätze (anstelle der aufgrund des Bauvorhabens auf Parzelle Nr. X. wegfal- lenden 7 Parkplätze) dinglich zu sichern wären. Sollte sich im Rah- men der Neubeurteilung zudem ergeben, dass die projektierten Mass- nahmen zusätzliche Pflichtparkplätze erforderten (§ 55 Abs. 1 BauG), wäre ebenfalls denkbar, diese Parkplätze auf der Parzelle Nr. Z. zu erstellen, wobei auch sie dinglich gesichert werden müss- ten. Vor diesem Hintergrund erscheint eine Abweisung des Bauge- suchs (derzeit) nicht verhältnismässig. Da für neue Parkplätze ein Baubewilligungsverfahren erforderlich ist und im Übrigen auch bei allfälligen Projektänderungen die Rechte Dritter und der Öffentlich- keit gewahrt werden müssen, genügt es auf der andern Seite jedoch nicht, dem Baugesuch mit der Auflage zu entsprechen, dass vor der Platzierung der beiden Kühlcontainer entweder der Verzicht auf die Aufhebung der 7 Parkplätze oder deren Ersatz auf eigenem Areal nachgewiesen werden müsse. Die Sache ist deshalb an den Gemein- 2013 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 187 derat als Baubewilligungsbehörde zurückzuweisen (vgl. § 49 Abs. 1 VRPG). Die Beschwerdeführerin wird zu erläutern und zu belegen haben, ob die projektierten Massnahmen auf den Parkplatzbedarf einen Einfluss haben. Des Weiteren wird sie für neue (Ersatz- )Parkplätze (auf der Parzelle Nr. Z.) eine Baubewilligung zu erlangen oder evtl. eine Projektänderung einzureichen haben. Der Gemein- derat wird dafür besorgt sein, dass die Interessen Dritter und der Öffentlichkeit gebührend gewahrt werden. Anschliessend wird er über die Sache neu befinden müssen.
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2002 Verwaltungsrechtspflege 385 XII. Verwaltungsrechtspflege 89 Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts. - Keine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts zur Beurteilung von vermögensrechtlichen Streitigkeiten aus Arbeits- und Dienstverhält- nissen in der evangelisch-reformierten Landeskirche. - Die Kantonsverfassung verpflichtet die Landeskirchen zur Einrich- tung eines kircheneigenen Rechtsschutzes zu Gunsten der Konfessi- onsangehörigen und der Kirchgemeinden. Die evangelisch-reformierte Landeskirche hat in ihrem Organisationsstatut auf diese Jurisdiktion nicht verzichtet. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 11. März 2002 in Sa- chen H. gegen die Evangelisch-reformierte Kirchgemeinde M. Aus den Erwägungen 1. Das Verwaltungsgericht urteilt im Klageverfahren als einzige kantonale Instanz über vermögensrechtliche Streitigkeiten, an denen der Kanton, eine Gemeinde oder eine öffentlich-rechtliche Körper- schaft oder Anstalt des kantonalen oder kommunalen Rechts beteiligt ist, sofern nicht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegeben oder ein Zivil- oder Spezialrekursgericht zuständig ist. Ausgenommen sind Staatsbeiträge und jene Streitigkeiten, auf welche die Bestim- mungen über die Rechtspflege in Sozialversicherungssachen zur Anwendung kommen (§ 60 Ziff. 3 VRPG). Unter diese Bestimmung fallen nach dem Willen des Gesetzgebers auch die vermögensrechtli- chen Ansprüche aus dem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis (Bot- schaft des Regierungsrats an den Grossen Rat vom 3. Mai 1967 zum VRPG; AGVE 1997, S. 161). Die auf den 1. November 2000 in Kraft getretenen Vorschriften des Personalgesetzes, namentlich die darin enthaltenen Rechtsschutzbestimmungen (§§ 37 ff. i.V.m. § 48 2002 Verwaltungsgericht 386 PersG), gelangen im vorliegenden Fall, in dem die streitigen Forde- rungen aus einem bereits im Frühjahr 1999 beendeten Dienstverhält- nis, welche am 12. Juli 2000 eingeklagt wurden, nicht zur Anwen- dung (vgl. § 87 Satz 2 VRPG i.V.m. § 60 Ziff. 3 VRPG in der Fas- sung vom 1. November 2000). Vorliegend streitig sind vermögensrechtliche Ansprüche aus ei- nem kirchlichen, öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis. 2. a) Die evangelisch-reformierte, die römisch-katholische und die christkatholische Landeskirche sind Körperschaften des öffentli- chen Rechts (§ 109 Abs. 1 KV). Sie können sich im Rahmen der Verfassung nach demokratischen Grundsätzen selbständig organisie- ren (§ 110 KV), und sie sind auch für einen genügenden Rechts- schutz der Konfessionsangehörigen und der Kirchgemeinden besorgt (§ 114 Abs. 1 KV). Letztinstanzliche Entscheide der landeskirchli- chen Behörden sind nach Massgabe der Gesetzgebung an staatliche Organe weiterziehbar. Diesen steht die Kontrolle hinsichtlich der Übereinstimmung der Entscheide mit der Verfassung und dem Orga- nisationsstatut zu (§ 114 Abs. 2 KV). Gegenstand der innerkirchli- chen Organisation und damit des landeskirchlichen Rechtsschutzes sind u.a. auch das kirchliche Dienstrecht (vgl. Michael Merker, Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aar- gauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, Kommentar zu den §§ 38-72 VRPG, Zürich 1998, § 59b N 6, 25 ff.; Kurt Eichenber- ger, Verfassung des Kantons Aargau, Textausgabe mit Kommentar, Aarau/Frankfurt a.M./Salzburg 1986, § 114 N 2). Seitens der Verfahrensbeteiligten ist unbestritten, dass nicht Vermögensrechte betreffende Streitigkeiten aus kirchlichen, öffent- lichrechtlichen Dienstverhältnissen (wie Nicht(wieder)wahl, Ent- lassung, Versetzung oder die Anordnung anderer disziplinarischer Massnahmen) von den zuständigen innerkirchlichen Instanzen zu be- urteilen sind (vgl. §§ 140 ff. der Kirchenordnung der evangelisch- reformierten Landeskirche vom 22. November 1976/8. Dezember 1993). Gegen letztinstanzliche Verfügungen und Entscheide landes- kirchlicher Behörden kann Beschwerde beim Regierungsrat erhoben werden, der darüber endgültig entscheidet (§ 59b Abs. 1 VRPG; vgl. dazu auch AGVE 1997, S. 158 f.; ferner VGE II/87 vom 2002 Verwaltungsrechtspflege 387 9. November 2000 [BE.2000.00339] in Sachen K.). Entgegen der Ansicht der Rekurskommission, hat sich das Verwaltungsgericht noch nicht dazu geäussert, ob es letztinstanzlich zur Beurteilung landeskirchlicher Entscheide zuständig ist. Beim verwaltungsge- richtlichen Entscheid vom 5. September 1997 in Sachen G. ging es um die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts im Beschwerdeverfah- ren nach § 53 VRPG. Das Verwaltungsgericht hat jenen Fall auch nicht materiell (d.h. inhaltlich) beurteilt, sondern seine fehlende Zu- ständigkeit in der Sache festgestellt und nur die geltend gemachten Verfahrensmängel nach § 53 VRPG untersucht (AGVE 1997, S. 158). Zu klären ist somit die Zuständigkeit des Verwaltungsge- richts bei vermögensrechtlichen Ansprüchen, welche aus einem kirchlichen Dienstverhältnis resultieren. b) Der Kläger erachtet die Zuständigkeit des Verwaltungsge- richts im Klageverfahren als gegeben. Dies folge einerseits aus dem klaren Wortlaut von § 60 Ziff. 3 VRPG und anderseits aus dem Um- stand, dass das kirchliche Rechtsschutzsystem kein Klageverfahren kenne. Er beruft sich für seinen Standpunkt auch auf die ständige Praxis der Rekurskommission der evangelisch-reformierten Landes- kirche. Danach ist für vermögensrechtliche Streitigkeiten aus dem Arbeits- oder Dienstverhältnis nicht die Rekurskommission oder der Kirchenrat zuständig, sondern bei privatrechtlichen Streitigkeiten das Arbeitsgericht, bei öffentlichrechtlichen Streitigkeiten hingegen das Verwaltungsgericht und zwar - mangels eines Anfechtungsobjekts - im Klageverfahren nach § 60 Ziff. 3 VRPG. Die Rekurskommission begründet ihre Rechtsauffassung vor allem mit der fehlenden Voll- streckbarkeit des kirchlichen Entscheids einerseits und mit den prak- tischen Schwierigkeiten der kirchlichen Instanzen bei der Beweiser- hebung (fehlenden Amtsgewalt, fehlende personelle und finanzielle Mittel) anderseits (vgl. Entscheid der Rekurskommission vom 8. April 1999, S. 4 ff.). Die Beklagte wendet sich gegen die Zuständigkeit des Verwal- tungsgerichts im Klageverfahren im Wesentlichen mit der Begrün- dung, das kirchliche Dienstrecht gehöre unbestrittenermassen zu den eigenen Angelegenheiten der Landeskirche und unterstehe damit der kirchlichen Jurisdiktion. Für eine separate vermögensrechtliche 2002 Verwaltungsgericht 388 Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts in kirchlichen Angelegen- heiten bleibe kein Raum. Wohl sehe die Kirchenordnung kein Klage- verfahren vor; dies bedeute jedoch nicht ein qualifiziertes Schwei- gen. Vielmehr seien zur Eröffnung des innerkirchlichen Instanzen- zugs vom kirchlichen Dienstnehmer behauptete Lohnansprüche auf Ansprache hin zu verfügen. Ein Verzicht der Landeskirche auf die Beurteilung vermögensrechtlicher Streitigkeiten zu Gunsten der staatlichen Gerichtsbarkeit sei weder ausdrücklich noch stillschwei- gend erfolgt. Die Abtrennung führt nach Auffassung der Beklagten überdies dazu, dass das Verwaltungsgericht bei der Beurteilung eines Klagebegehrens die Frage der Zulässigkeit einer sich finanziell aus- wirkenden Massnahme des kirchlichen Dienstnehmers (vorfrage- weise) erneut zu prüfen hätte, somit entgegen der Kantonsverfassung über innerkirchliche Fragen entscheiden würde. 3. a) In die verwaltungsgerichtliche Zuständigkeit können u.a. vermögensrechtliche Streitigkeiten fallen, an denen eine öffent- lichrechtliche Körperschaft des kantonalen oder kommunalen Rechts beteiligt ist (§ 60 Ziff. 3 VRPG). Die Beklagte ist als evangelisch-re- formierte Kirchgemeinde kraft staatlicher Anerkennung eine selb- ständige, öffentlichrechtliche Körperschaft des kantonalen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit (§ 109 i.V.m. § 112 Abs. 2 KV; Eichenberger, a.a.O., § 112 N 3). Der Wortlaut von § 60 Ziff. 3 VRPG schliesst somit die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts im Klageverfahren im kirchlichen Bereich nicht von vornherein aus. b) aa) Gemäss Art. 14 des Organisationsstatuts der evangelisch- reformierten Landeskirche des Kantons Aargau vom 25. November 1981/26. März 1985 können Beschlüsse, Verfügungen und Ent- scheide kirchlicher Behörden durch Beschwerde weitergezogen wer- den (Abs. 1). Für das Verfahren gelten sinngemäss die Vorschriften des Verwaltungsrechtspflegegesetzes, soweit in der Kirchenordnung nichts anderes bestimmt ist (Abs. 2). Vorbehalten bleiben die Be- stimmungen der Kantonsverfassung, des Verwaltungsrechtspflegege- setzes und anderer staatlicher Erlasse über den Weiterzug landes- kirchlicher Verfügungen und Entscheide an den Regierungsrat und das Verwaltungsgericht (Abs. 3). Gemäss § 140 Abs. 1 der Kir- chenordnung kann jedermann Verfügungen und Entscheide der Or- 2002 Verwaltungsrechtspflege 389 gane der Landeskirche und der Kirchgemeinden durch Verwaltungs- beschwerde anfechten, der ein schutzwürdiges, eigenes Interesse geltend macht. Ebenfalls mit Beschwerde angefochten werden kön- nen gemäss § 141 Abs. 1 der Kirchenordnung allgemein verbindliche Erlasse sowie Verwaltungsakte, die nicht in die persönlichen Ver- hältnisse eingreifen (Wahlen, Ausgabenbeschlüsse). bb) Weder im Organisationsstatut noch in der Kirchenordnung ist ein kirchliches Klageverfahren vorgesehen. Während der Kläger im Fehlen des Klageverfahrens einen bewussten Verzicht der Lan- deskirche auf die autonome kirchliche Jurisdiktion in Bezug auf vermögensrechtliche Streitigkeiten erkennt und von einer Rechts- schutzlücke in der innerkirchlichen Ordnung ausgeht, bei der die staatlichen Organe kraft Justizgewährleistungspflicht die Rechtsan- wendung sicherstellen müssen, erachtet die Beklagte den kirchlichen Rechtsschutz auch für vermögensrechtliche Streitigkeiten als genü- gend, da die vom kirchlichen Dienstnehmer behaupteten Lohnan- sprüche auf Ansprache hin beschwerdefähig zu verfügen seien und dann im Beschwerdeverfahren vollumfänglich überprüft werden könnten. cc) Es stellt sich die grundsätzliche Frage nach der Notwendig- keit eines Klageverfahrens für vermögensrechtliche Ansprüche. Aus gesetzgeberischer Sicht unabdingbar ist das Klageverfahren (als ur- sprüngliche Gerichtsbarkeit) nur dort, wo der Staat wegen der beson- deren Natur der Sache nicht selber ein Rechtsverhältnis durch ver- bindliche, formelle Verfügung regeln darf. Dies ist u.a. dann der Fall, wenn sich ein Gemeinwesen und ein Individuum als gleichgeordnete Rechtssubjekte gegenüberstehen und dem Gemeinwesen keine Ver- fügungsbefugnis zukommt (Alfred Kölz/Jürg Bosshart/ Martin Röhl, VRG, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2. Auflage, Zürich 1999, Vorbem. zu §§ 81-86 N 3; Alfred Kölz/Isabelle Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechts- pflege des Bundes, 2. Auflage, Zürich 1998, Rz. 1038). Bei öffent- lichrechtlichen Dienstverhältnissen ist diese Gleichordnung der be- teiligten Rechtssubjekte nicht gegeben; dem Gemeinwesen kommt als Arbeitgeber weitgehend Verfügungskompetenz zur Begründung und Gestaltung des öffentlichrechtlichen Dienstverhältnisses zu. Dies 2002 Verwaltungsgericht 390 gilt grundsätzlich auch in Bezug auf die vermögensrechtlichen An- sprüche aus dem Dienstverhältnis (vgl. Kölz/Bosshart/Röhl, a.a.O., Vorbem. zu §§ 74-80d N 8; vgl. auch §§ 3 Abs. 3 und 38 Abs. 1 PersG). Dass zur Beurteilung von solchen Ansprüchen daher nicht zwingend ein Klageverfahren zur Verfügung stehen muss, zeigt die Regelung im Kanton Zürich. Hier wurde die verwaltungsrechtliche Klage für vermögensrechtliche Streitigkeiten aus öffentlichrechtli- chen Dienstverhältnissen abgeschafft; die Beurteilung erfolgt durch das Verwaltungsgericht als Personalrekursgericht und zwar primär im Anfechtungsverfahren (§ 74 des Gesetzes über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen [Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich] vom 24. Mai 1959; vgl. Kölz/Bosshart/Röhl, a.a.O., Vorbem. zu §§ 81-86 N 4). Nur subsidiär, d.h. nur soweit dem Gemeinwesen als Arbeitgeber die Verfügungskompetenz fehlt, sind vermögens- rechtliche Streitigkeiten aus dem Dienstverhältnis mit Klage geltend zu machen (Kölz/Bosshart/Röhl, a.a.O., § 74 N 8, § 79 N 1 f.). Auch im Bund wurden Streitigkeiten über vermögensrechtliche Leistungen aus Dienstverhältnissen vom Klageverfahren ausgenommen und auf eine Beschwerdeinstanz übertragen (vgl. Kölz/Häner, a.a.O., Rz. 1040). Der Dualismus von Beschwerde- und Klageverfahren im Bereich des öffentlichen Dienstrechts wird somit zunehmend be- seitigt (vgl. auch §§ 38 und 39 PersG). Nach Kölz/Bosshart/Röhl entspricht das Anfechtungsverfahren dem Gebot, für Streitigkeiten aus dem Dienstverhältnis einen einfachen und raschen Rechtsschutz zu gewährleisten, weit besser (a.a.O., § 79 N 4). dd) Allein aus dem Umstand, dass das landeskirchliche Rechts- schutzsystem das Klageverfahren nicht ausdrücklich vorsieht, kann zumindest in Bezug auf vermögensrechtliche Streitigkeiten aus dem kirchlichen Dienstverhältnis nicht auf eine Rechtsschutzlücke ge- schlossen werden. Solche Streitigkeiten sind der Beurteilung im in- nerkirchlichen Beschwerdeverfahren grundsätzlich durchaus zu- gänglich. Für die Annahme eines bewussten Verzichts bzw. eines qualifizierten Schweigens der kirchlichen Regelungen in dem Sinne, dass vermögensrechtliche Streitigkeiten bewusst vom innerkirchli- chen Rechtsschutz ausgenommen und ausschliesslich der staatlichen 2002 Verwaltungsrechtspflege 391 Jurisdiktion unterstellt werden sollten, müssen deshalb klare An- haltspunkte gegeben sein. 4. a) Gemäss Art. 14 Abs. 2 des Organisationsstatuts gelten für das Verfahren sinngemäss die Vorschriften des Verwaltungsrechts- pflegegesetzes, soweit in der Kirchenordnung nicht etwas anderes bestimmt ist. Nach Art. 14 Abs. 3 des Organisationsstatuts bleiben die Bestimmungen der KV, des VRPG und anderer staatlicher Er- lasse über den Weiterzug landeskirchlicher Verfügungen und Ent- scheide vorbehalten. § 142 der Kirchenordnung bestimmt die Zustän- digkeit von Kirchenrat und Rekurskommission. § 143 der Kir- chenordnung regelt das Verfahren, indem gemäss Abs. 1 die Verfah- ren vor den Organen der Kirchgemeinden und der Landeskirche (grundsätzlich) kostenlos sind, und gemäss Abs. 2 im Übrigen die Bestimmungen des kantonalen Gesetzes über die Verwaltungsrechts- pflege gelten. Während für das Verfahren somit zweimal ausdrück- lich auf die subsidiäre Geltung des VRPG verwiesen wird, enthalten weder das Organisationsstatut noch die Kirchenordnung bezüglich der Zuständigkeit irgendwelche Vorbehalte zu Gunsten einer erstin- stanzlichen staatlichen Jurisdiktion in Bezug auf vermögensrechtli- che Streitigkeiten. Sowohl das Organisationsstatut als auch die Kirchenordnung enthalten demgegenüber zahlreiche Bestimmungen, welche eine innerkirchliche Autonomie und Zuständigkeit in vermögensrechtli- chen Angelegenheiten des Dienstrechts statuieren: So ordnet die Landeskirche ihre Angelegenheiten und insbesondere auch ihr Ver- mögen und ihre Einkünfte frei und selbständig im Rahmen von Ver- fassung und Gesetz (Art. 1 Abs. 3 und 4 des Organisationsstatuts). Für die Anstellung der haupt- und nebenamtlichen Mitarbeiter (§ 44 Ziff. 4 Kirchenordnung) und deren Besoldung (§ 47 Kirchenord- nung) ist die Kirchenpflege zuständig. Gemäss § 96 Ziff. 11 der Kirchenordnung ist die Synode zur Festsetzung der Besoldung der Beamten und Angestellten der Landeskirche sowie der Mindestbe- soldung und der Dienstalterszulagen der Pfarrer zuständig. Weiter entscheidet der Kirchenrat bei der Einstellung eines fehlbaren Pfar- rers in seinem Amt über den weiteren Besoldungsgenuss und er kann die Kosten einer Vertretung ganz oder teilweise aus der Besoldung 2002 Verwaltungsgericht 392 des fehlbaren Pfarrers bezahlen lassen (§ 137 Abs. 6 der Kirchenord- nung). Aus dieser Zuständigkeitsordnung folgt, dass die innerkirchli- chen Institutionen sehr wohl auch im Bereich des vermögensrechtli- chen Dienstrechts zum Erlass von Verfügungen zuständig sind. b) Die Landeskirchen haben für einen genügenden Rechtsschutz der Konfessionsangehörigen und der Kirchgemeinden besorgt zu sein (§ 114 Abs. 1 KV) und nur die letztinstanzlichen Entscheide der landeskirchlichen Behörden sind nach Massgabe der Gesetzgebung an staatliche Organe weiterziehbar. Der Verfassungsauftrag verlangt von den Landeskirchen einen genügenden Rechtsschutz mit landes- kirchlichen Organen zumindest in einer Rechtsschutzinstanz mit voller Kognition (vgl. Eichenberger, a.a.O., § 114 N 1 und 3). Die Kantonsverfassung verpflichtet mithin die Landeskirchen, einen kir- cheneigenen Rechtsschutz zu Gunsten der Kirchgemeinden und der Konfessionsangehörigen einzurichten (Eichenberger, a.a.O., Vorbem. zum 7. Abschnitt N 7). Gemäss § 114 Abs. 2 KV sind nur die letztin- stanzlichen Entscheide der landeskirchlichen Behörden an kantonale Organe weiterziehbar. Der staatliche Rechtsschutz ist zudem auf eine Rechtskontrolle beschränkt. Die Überprüfung der kirchlichen Justiz- entscheide beschränkt sich auf die Bundes- und Kantonsverfassung sowie die kirchliche Organisationsregelung (vgl. Eichenberger, a.a.O., § 114 N 5). Diese Verfassungsordnung schliesst einen still- schweigenden Verzicht auf die kirchliche Gerichtsbarkeit aus. Sie steht auch einer Auslegung der Verweisungsnormen von Art. 14 Abs. 2 des Organisationsstatuts und § 143 der Kirchenordnung der evangelisch-reformierten Kirchgemeinde, welche nach ihrem Wort- laut nur die massgebende Verfahrensordnung und nicht die Zustän- digkeit regeln, entgegen. Die Zuständigkeitsbestimmungen im Orga- nisationsreglement (Art. 10 für die Kirchgemeinde, Art. 7 für die Synode, Art. 8 für den Kirchenrat und Art. 9 für die Rekurskommis- sion) und die innerkirchlichen Justizzuständigkeiten in der Kir- chenordnung (§ 142) sind zudem umfassend und abschliessend for- muliert. Der Vorbehalt der Kantonsverfassung, des VRPG und ande- rer kantonaler Erlass in Art. 14 Abs. 3 des Organisationsstatuts be- schränkt sich auf den Weiterzug landeskirchlicher Verfügungen und Entscheide. Mithin ist von einer erschöpfenden Regelung der Zu- 2002 Verwaltungsrechtspflege 393 ständigkeiten in den massgebenden kirchlichen Ordnungen auszuge- hen (Merker, a.a.O., § 59b N 29). Entgegen der Ansicht des Klägers lässt sich aus dem Verweis in Art. 14 Abs. 2 des Organisationsstatuts somit keine staatliche Entscheidkompetenz herleiten. c) Für die Annahme eines Verzichts der evangelisch-reformier- ten Landeskirche auf die Jurisdiktion in vermögensrechtlichen An- gelegenheiten bestehen keine weiteren Anhaltspunkte. Der Gel- tungsbereich des VRPG erfasst wohl auch die Verwaltungsbehörden von Körperschaften des kantonalen öffentlichen Rechts, indessen sind gemäss § 1 Abs. 2 VRPG Sonderbestimmungen in andern Erlas- sen vorbehalten. Vor allem aber schliesst zusätzlich zur verfassungs- rechtlich geordneten Selbständigkeit des kirchlichen Rechtsschutzes auch § 59b VRPG eine direkte Anwendung von Zuständigkeitsvor- schriften des kantonalen Rechts über den erstinstanzlichen Rechts- schutz, wie dies § 60 VRPG darstellt, aus. Die staatliche Kontrolle landeskirchlicher Belange ist auf die Einhaltung der Verfassung und des genehmigten Organisationstatuts beschränkt. Ergänzend kann auch auf die mit dem neuen Personalgesetz geschaffene Regelung verwiesen werden, mit der die staatliche Kontrolle im Bereich des öffentlichen Dienstrechts neu geregelt wurde. Gemäss § 48 Abs. 3 PersG beurteilt das Personalrekursgericht mit gemäss Verfassung (§ 114 Abs. 2 Satz 2 KV) beschränkter Kognitionsbefugnis Rechts- mittel gegen letztinstanzliche Entscheide von landeskirchlichen Be- hörden. Auch die erwähnte Praxis der Rekurskommission, ihre Urteils- kompetenz in vermögensrechtlichen Belangen zu verneinen, vermag - entgegen der Meinung des Klägers - keinen Verzicht der Landeskir- che auf die Zuständigkeit zu begründen. Sie steht offenkundig im Widerspruch zur Rechtsauffassung des Kirchenrats, der die inner- kirchliche Rechtsschutzzuständigkeit bei dienstrechtlichen Streitig- keiten vermögensrechtlicher Natur bejaht. Die Rekurskommission ist sodann zum Erlass von Zuständigkeitsbestimmungen des innerkirch- lichen Rechtsschutzes nicht zuständig. Wollte die evangelisch-refor- mierte Kirche tatsächlich auf ihre Zuständigkeit im Bereich der ver- mögensrechtlichen Angelegenheiten verzichten, so bedürfte ein sol- cher Verzicht einer ausdrücklichen Regelung im Organisationsstatut. 2002 Verwaltungsgericht 394 Zuständig wäre die Synode (Art. 7 Abs. 4 des Organisationsstatuts und § 96 Ziff. 2 der Kirchenordnung) und der Verzicht müsste vom Grossen Rat genehmigt werden (§ 110 Abs. 1 KV). 5. a) Der Kläger erachtet den Rechtsschutz im innerkirchlichen Beschwerdeverfahren in Bezug auf vermögensrechtliche Streitigkei- ten als ungenügend bzw. gar nicht anwendbar, da der Streitsache weder eine Verfügung noch ein Entscheid zu Grunde liege. Es wi- derspreche den in der Kantonsverfassung statuierten Grundsätzen der Übersichtlichkeit und der Einfachheit des Rechtsschutzes, eine Kla- gemöglichkeit in das kirchliche Rechtsschutzsystem hineinzuproji- zieren. Das Schutzbedürfnis des Dienstnehmers als der schwächeren Partei würde missachtet, sofern er immer dann, wenn er ein beliebi- ges Recht aus dem Dienstverhältnis geltend machen wolle, auf einer beschwerdefähigen Verfügung der Gegenseite beharren müsste. Im vorliegenden Fall sei von der Beklagten denn auch keine beschwer- defähige Verfügung erlassen worden. Auch die Rekurskommission begründet die Unzuständigkeit der kirchlichen Beschwerdeinstanzen u.a. mit dem Fehlen eines An- fechtungsobjekts. b) Dieser Argumentation kann das Verwaltungsgericht nicht folgen. Es sind keine rechtlichen Gründe ersichtlich, wieso eine kirchliche Behörde, der gegenüber vermögensrechtliche Ansprüche aus einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis geltend gemacht werden, zum Begehren nicht in Verfügungsform Stellung nehmen und so den kirchlichen Rechtsweg öffnen kann. Die Verfügungs- kompetenz der kirchlichen Behörde bei einem unbestrittenermassen öffentlichrechtlichen Anstellungsverhältnis zwischen Pfarrer und Kirchgemeinde ist gegeben. Wird eine Verfügung unrechtmässig verweigert oder verzögert, kann wegen Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung Beschwerde geführt werden. Dies folgt aus- drücklich aus § 40 Abs. 4 VRPG, der als Verfahrensvorschrift Kraft der Verweisung in § 143 Abs. 2 der Kirchenordnung subsidiär an- wendbar ist, und überdies auch aus dem verfassungsrechtlich statu- ierten Rechtsverweigerungs- und Rechtverzögerungsverbot (Art. 29 Abs. 1 BV; René Rhinow, Die Bundesverfassung 2000, Eine Einfüh- rung, Basel 2000, S. 215; ferner Eichenberger, a.a.O., § 10 N 15). 2002 Verwaltungsrechtspflege 395 Eine Rechtsschutzeinbusse für den kirchlichen Dienstnehmer ergibt sich durch den Umstand, dass er seine Ansprüche im Beschwerde- und nicht im Klageverfahren durchzusetzen hat, nicht. Ausserdem geht die Argumentation, dass das Klageverfahren einfacher sei, an der Sache vorbei. Die Zuständigkeit zur Beurteilung einer Streitsache wird durch das ihr zu Grunde liegende Rechtsverhältnis begründet und nicht durch die Tatsache, ob eine Verfügung erlassen worden ist oder nicht. Im Übrigen wird dem Rechtsschutzbedürfnis des Dienst- nehmers im Beschwerdeverfahren mit einer formell korrekten Verfü- gung, welche auch eine Begründung und eine Rechtsmittelbelehrung enthalten muss, viel eher Genüge getan als mit einem formlosen Vorverfahren nach § 63 VRPG, wo der Dienstherr nicht einmal zu einer Antwort, geschweige denn zu einer genügenden Begründung, verpflichtet ist. Es ist auch nicht einsehbar, wieso alle nicht vermö- gensrechtlichen Anordnungen und Entscheide des öffentlichen Dienstverhältnisses im Beschwerdeverfahren abgehandelt werden, der Dienstnehmer aber ins kostenintensive Klageverfahren gedrängt werden soll, sobald es sich um vermögensrechtliche Ansprüche han- delt. Der im kirchlichen Beschwerdeverfahren bestehende Rechts- schutz erweist sich jedenfalls auch für vermögensrechtliche Streitig- keiten aus Dienstverhältnissen als genügend und ist ohne Komplika- tionen zu verwirklichen (§ 114 Abs. 1 KV; vgl. Eichenberger, a.a.O., § 114 N 3). c) Dass im vorliegenden Fall von der Beklagten (noch) keine Verfügung erlassen wurde, hat seine Ursache in der erwähnten Rechtsprechung der Rekurskommission. d) Zu Recht weist die Beklagte auf die Problematik hin, die mit der Abspaltung der vermögensrechtlichen Komponente vom übrigen kirchlichen Dienstverhältnis verbunden ist (Merker, a.a.O., § 59b N 25). Die Beurteilung vermögensrechtlicher Ansprüche setzt regel- mässig auch die Prüfung nichtvermögensrechtlicher Fragen voraus. So ist z.B. für die Frage der Lohnfortzahlung zu klären, ob eine vor- zeitige Entlassung gerechtfertigt war oder nicht (AGVE 1993, S. 235 f.). Das Verwaltungsgericht käme im Klageverfahren somit häufig nicht umhin, zumindest vorfrageweise auch Aspekte zu prüfen, die unbestrittenermassen in den autonomen, innerkirchlichen Zuständig- 2002 Verwaltungsgericht 396 keitsbereich fallen. Unklar ist auch, ob und in welchem Umfang das Verwaltungsgericht bei seiner Beurteilung an die das fragliche Dienstverhältnis betreffenden, kirchlichen Beschlüsse und Ent- scheide gebunden wäre und wie weit die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichts durch § 114 Abs. 2 Satz 2 KV beschränkt ist (vgl. auch § 59 b VRPG). Es ist der Beklagten auch zuzustimmen, wenn sie vorbringt, dass das Auseinanderfallen dienstrechtlicher Streitigkeiten in einen nichtvermögensrechtlichen/kirchlichen und einen vermögensrechtlichen/weltlichen Bereich und damit die Pro- zessführung bei unterschiedlichen Instanzen dem Anliegen eines einfachen und effektiven Rechtsschutzes nicht entspricht. Ein solches Auseinanderklaffen des Rechtswegs bei dienstrechtlichen Streitig- keiten ist heute nicht mehr als zeitgemäss anzusehen. Dies zeigt auch die Schaffung einer einheitlichen Rechtsmittelinstanz in Personal- und Lohnfragen für das Personal des Kantons und der Gemeinden (§§ 38 ff. und § 48 PersG; vgl. auch die Regelung im Bund und im Kantons Zürich [vorne Erw. b/cc]). Nicht zu folgen ist daher dem Kläger, wenn er geltend macht, gegen die innerkirchliche Zuständig- keit bzw. die erstinstanzliche Beurteilung von vermögensrechtlichen Streitigkeiten durch den Kirchenrat spreche dessen Befangenheit im vorliegenden Fall, da er die Modalitäten des Amtsaustritts festgelegt habe. Falls der Kläger damit eine Vorbefassung des Kirchenrats meint, handelt es sich um ein institutionelles Problem, welches nicht kirchenspezifisch ist. So ist z.B. das Arbeitgericht, welches über die Zulässigkeit einer fristlosen Entlassung entschieden hat, auch zu- ständig, um über allfällige Entschädigungsansprüche aus der von ihm als ungerechtfertigt beurteilten, fristlosen Entlassung zu entscheiden. Eine allfällige Vorbefassung im Einzelfall hat mit der sachlichen Zuständigkeit einer Rechtsmittelinstanz nichts zu tun. (Das Bundesgericht hat mit Urteil vom 29. November 2002 [2P.118/2002] die staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgericht abgewiesen, BGE 129 I 91).
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2011 Wahlen und Abstimmungen 225 X. Wahlen und Abstimmungen 54 Politische Rechte - Bei der Unterzeichnung eines Volksbegehrens (Referendum/Initiati- ve) müssen schreibfähige Stimmberechtigte sowohl den Namensein- trag als auch die Unterschrift eigenhändig vornehmen (Erw. 4.5). - Für Hilfsangaben (Vornamen, Geburtstag und Adresse) gelten keine qualifizierten Formvorschriften. Auch hinsichtlich der Hilfsangaben Eigenhändigkeit zu verlangen, läuft auf überspitzten Formalismus hinaus (Erw. 4.6). - Das Merkblatt der Staatskanzlei vom 8. April 2002, welches vollum- fängliche Eigenhändigkeit verlangt, kann künftig insoweit nicht mehr zur Anwendung gelangen (Erw. 6.1). Urteil des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 2. März 2011 in Sachen F. und Konsorten (WBE.2010.347). Aus den Erwägungen 4.4. Materiell umstritten ist die Auslegung von § 43 GPR. Im Sinne einer Harmonisierung mit den Bundesvorschriften (Art. 61 des Bun- desgesetzes über die politischen Rechte vom 17. Dezember 1976 [BPR; SR 161.1]) nahm der kantonale Gesetzgeber im Rahmen der Teilrevision des GPR, die per 1. Juli 2000 in Kraft getreten ist, eine Anpassung des Wortlauts des § 43 GPR vor. Zur Vorbeugung von Fälschungen hatte der Bundesgesetzgeber zuvor Art. 61 BPR revi- diert und neu vorgeschrieben, dass auf den Initiativ- und Referen- dumsbögen zusätzlich zum handschriftlichen Namen die eigenhändi- ge Unterschrift beigefügt werden muss. Diese Vorgaben übernahm der kantonale Gesetzgeber für das kantonale Recht vollumfänglich, da die Bundesvorschriften nur für die eidgenössischen Volksinitiati- 2011 Verwaltungsgericht 226 ven und Referenden direkt gegolten hätten (vgl. Botschaft des Regie- rungsrats des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 25. März 1999, 99.105, S. 7). § 43 GPR stimmt damit im Wortlaut materiell mit Art. 61 BPR überein: § 43 GPR: 1 Die Stimmberechtigten müssen ihren Namen handschriftlich und leserlich auf die Unterschriftenliste setzen sowie zusätzlich ihre eigenhändige Unter- schrift beifügen. Schreibunfähige können die Eintragung ihres Namens durch eine stimmberechtigte Person ihrer Wahl vornehmen lassen. 2 Sie müssen alle weiteren Angaben machen, die zur Feststellung ihrer Iden- tität nötig sind, wie Vornamen, Jahrgang, Adresse. 3 Sie dürfen das gleiche Referendumsbegehren nur einmal unterschreiben. 4.5. Auszugehen ist bei der Auslegung von diesem Gesetzeswort- laut. Aus § 43 Abs. 1 GPR ergibt sich, dass jede stimmberechtigte Person ihren eigenen Namen selbst und von Hand und daneben ihre Unterschrift eigenhändig eintragen muss (mit Ausnahme der schreib- unfähigen Personen). Wie die Bundeskanzlei zutreffend ausführt, zeigt gerade die präzise Regelung dieser Ausnahme, wie ernst es dem Gesetzgeber damit war, die Unterzeichnung auch eidgenössischer Volksbegehren als höchstpersönliches Recht auszugestalten. Aus diesem Grund kann die eigenhändige Unterschrift allein nicht genü- gen; es widerspräche klarem Willen des Gesetzgebers, Fremdeinträge des Namenszugs zu tolerieren. So verzichtete der Bundesgesetzgeber anlässlich der Einführung des Erfordernisses eigenhändiger Unter- schrift nicht auf den eigenhändigen Eintrag des Namens, sondern verlangte ausdrücklich kumulativ ("zusätzlich") Eigenhändigkeit für Namenseintrag und Unterschrift. In dieser Formstrenge kann kein überspitzter Formalismus gesehen werden. (...) 4.6. 4.6.1. Entgegen den Ausführungen des Regierungsrats ergibt sich in- des die von ihm verlangte Eigenhändigkeit sämtlicher Angaben we- der aus dem Gesetz noch lässt sich dies aus den Vorgaben des Bun- des zur einheitlichen Handhabung ableiten. § 43 Abs. 2 GPR verlangt 2011 Wahlen und Abstimmungen 227 vielmehr einzig, dass die Stimmberechtigten die nötigen Angaben zur Feststellung der Identität machen müssen, wobei im Gegensatz zur Formulierung in § 43 Abs. 1 GPR das Erfordernis der Eigenhän- digkeit bzw. der Handschriftlichkeit nicht genannt wird. Die weiteren Angaben gemäss § 43 Abs. 2 GPR sind denn auch als blosse Hilfs- angaben zu verstehen. Vornamen, Geburtsdatum und Adresse sind, soweit zur Identifikation nötig, anzugeben. Soweit eine Person ohne erheblichen Aufwand identifizierbar ist (dies dürfte insbesondere in kleineren Gemeinden eher der Fall sein), könnten sogar ihr Name und ihre Unterschrift für die Rechtsgültigkeit genügen. Daher darf ihre Angabe von vornherein nicht an qualifizierte Formvorschriften gebunden werden. Dies entspricht der gewachsenen und gefestigten Praxis der Bundeskanzlei bei Volksbegehren auf Bundesebene. Hilfsangaben (Vornamen, Geburtstag und Adresse) werden folglich seitens der Bundeskanzlei in konstanter Praxis auch dann anerkannt, wenn sie z.B. mit Schreibmaschine oder von fremder Hand eingesetzt oder durch Gänsefüsschen, dito oder dergleichen er- teilt worden sind. Unterschriften mit der Begründung zu streichen, vom Gesetzgeber klar als Hilfsangabe charakterisierte Hinweise seien nicht eigenhändig erteilt worden, läuft auf überspitzten For- malismus hinaus und schützt die Ausübung der politischen Rechte nicht mehr, sondern dient im Gegenteil der Verhinderung ihrer wirk- samen Wahrnehmung. Ein überspitzter Formalismus ist gerade auch im Bereich der Volksrechte absolut zu vermeiden (...). 4.6.2.-4.6.4. (...) 5. (...) 6. 6.1. Der Vollständigkeit halber ist auf das kantonale Merkblatt der Staatskanzlei (Merkblatt der Staatskanzlei vom 8. April 2002), worauf sich der Regierungsrat beruft und das zur Sicherstellung der einheitlichen Rechtsanwendung im Kanton sämtlichen Gemeinden und den Sekretariaten der Kantonalparteien zugestellt worden ist, einzugehen. Darin wird wörtlich ausgeführt: 2011 Verwaltungsgericht 228 "... 2. Die Anforderung der Handschriftlichkeit bedeutet, auch wenn dies nicht expli- zit ausgeführt wird, das eigenhändige Niederschreiben dieser Angaben. Wird lediglich die Unterschrift des/der Stimmberechtigten eigenhändig gesetzt, werden also die übrigen zwingenden Angaben erkennbar von fremder Hand niedergeschrieben, so muss die Stimmrechtsbescheinigung von der Einwoh- nerkontrolle der zuständigen Gemeinde verweigert werden. 3. Das Erfordernis der umfassenden Eigenhändigkeit dient dazu, Unregelmä- ssigkeiten bei der Sammlung von Unterschriften vorzubeugen." 6.2 Beim Merkblatt handelt es sich um eine sogenannte Verwal- tungsverordnung, die in erster Linie Regeln für das verwaltungs- interne Verhalten enthält. Verwaltungsverordnungen umschreiben grundsätzlich keine Rechte und Pflichten der Bürger. Konkret han- delt es sich beim Merkblatt (wie auch beim Kreisschreiben der Bundeskanzlei) um eine verhaltenslenkende Verwaltungsverordnung, mit der zum Zweck einer einheitlichen und rechtsgleichen Rechtsan- wendung auf die Ermessensausübung und die Handhabung offen for- mulierter Vorschriften abgezielt wird. Verwaltungsverordnungen können so genannte Aussenwirkungen entfalten und somit zumindest indirekt in die Rechtsstellung der Bürger zurückwirken (ausführlich zu Verwaltungverordnungen: BGE 128 I 167, Erw. 4.3, m.w.H.). Dass die Anwendung des Merkblatts hier derartige Aussenwirkungen zeitigte, bedarf keiner weiteren Erläuterungen. Verwaltungsverord- nungen bedürfen keiner förmlichen gesetzlichen Ermächtigung, können aber, da sie von der Verwaltungsbehörde und nicht vom ver- fassungsmässigen Gesetzgeber stammen, keine von der gesetzlichen Ordnung abweichende Bestimmung vorsehen (BGE 120 Ia 343, Erw. 2a, m.w.H.). Sie sind für die rechtsanwendenden Behörden ins- besondere auch für das Verwaltungsgericht nicht verbindlich, werden aber mitberücksichtigt, soweit sie eine dem Einzelfall angepasste sachgerechte Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmun- gen zulassen (AGVE 2006, S. 232, BGE 121 II 473, Erw. 2b mit Hinweisen). Die in der Verwaltungsverordnung vorgenommene Aus- legung des Gesetzes unterliegt somit der richterlichen Nachprüfung. 2011 Wahlen und Abstimmungen 229 6.3. Im Merkblatt wird mit der verlangten vollumfänglichen Eigen- händigkeit - wie dargelegt - ein zusätzliches, vom Gesetzeswortlaut nicht gedecktes Erfordernis aufgestellt, das sich zudem als überspitzt formalistisch erweist und der gefestigten Praxis der Bundeskanzlei widerspricht. In Anbetracht dessen, dass in einem derartigen Merk- blatt gerade keine von der gesetzlichen Ordnung abweichende Be- stimmung vorgesehen werden darf und auch aufgrund der (wie der Regierungsrat zutreffend darlegt) wünschenswerten einheitlichen Praxis auf Bundes-, Kantons- und kommunaler Ebene, kann das kantonale Merkblatt künftig insoweit somit nicht mehr zur Anwen- dung gelangen. (Hinweis: Das Bundesgericht hat eine Beschwerde gegen diesen Entscheid mit Urteil vom 15. Juli 2011 [1C_169/2011] abgewiesen.)
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http://agve.weblaw.ch/html//AGVE-2011-54.html
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2009 Verwaltungsgericht 278 [...] 51 Warnungsentzug - Verfahrens- und Parteikostenverlegung gemäss Verwaltungsrechts- pflegegesetz vom 4. Dezember 2007 bei teilweisem Obsiegen (neuer Parteibegriff; Verrechnung) Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 16. September 2009 in Sachen M.L. gegen den Entscheid des Departements Volkswirtschaft und In- neres (WBE.2009.120). Aus den Erwägungen III. Im Beschwerdeverfahren werden die Verfahrenskosten in der Regel nach Massgabe des Unterliegens und Obsiegens auf die Par- teien verlegt, wobei den Behörden Verfahrenskosten nur auferlegt werden, wenn sie schwerwiegende Verfahrensmängel begangen oder willkürlich entschieden haben (§ 31 Abs. 2 VRPG). Nachdem der Beschwerdeführer zu 5/6 obsiegt, sind die vorinstanzlichen sowie die verwaltungsgerichtlichen Verfahrenskosten vom Beschwerdeführer zu 1/6 zu tragen, wobei der Staat die restlichen Verfahrenskosten trägt. Für die Parteikosten gilt mit Inkrafttreten des Verwaltungs- rechtspflegegesetzes vom 4. Dezember 2007 die neue Regelung in § 32 Abs. 2 VRPG. Nach dieser Bestimmung sind die Parteikosten in der Regel nach Obsiegen und Unterliegen auf die Parteien zu verle- gen. Eine Einschränkung entsprechend der Regelung bei den Verfah- renskosten, wonach den Behörden Verfahrenskosten nur auferlegt 2009 Verwaltungsrechtspflege 279 werden, wenn sie schwerwiegende Verfahrensmängel begangen oder willkürlich entschieden haben, sieht das Gesetz bei der Parteikosten- verteilung nicht vor. Was die vorinstanzlichen Parteikosten anbelangt, so hat im dor- tigen Verfahren neben dem Beschwerdeführer (§ 13 Abs. 2 lit. a VRPG) das Strassenverkehrsamt gemäss § 13 Abs. 2 lit. e VRPG Parteistellung, weshalb diesem die Parteientschädigung zu Gunsten des teilweise obsiegenden Beschwerdeführers aufzuerlegen ist. Nachdem dort der Beschwerdeführer zu 5/6 und das Strassenver- kehrsamt zu 1/6 obsiegen, hat der Beschwerdeführer Anspruch auf einen Anteil von 2/3 (=4/6) seiner Parteikosten. Die Verrechnung der Bruchteile folgt dem Ergebnis von Obsiegen und Unterliegen der Parteien (§ 32 Abs. 2 VRPG). In den zivilprozessualen Verfahren gilt die materiell gleichlautende Regelung in § 112 Abs. 1 ZPO und die Praxis, dass die Parteikosten beider Parteien als Ganzes genommen und die Anteile des Obsiegens bzw. Unterliegens verrechnet werden (siehe dazu AGVE 2000, S. 51 f.; Alfred Bühler / Andreas Edel- mann / Albert Killer, Kommentar zur aargauischen Zivilprozessord- nung, 2. Auflage, Aarau 1998, § 112 N 6 mit Hinweisen). Das Stras- senverkehrsamt hat somit ausgangsgemäss dem Beschwerdeführer die vor der Vorinstanz entstandenen Parteikosten in Höhe von 2/3 zu ersetzen. Was die verwaltungsgerichtlichen Parteikosten bzw. das Verfah- ren vor Verwaltungsgericht anbelangt, so hat dort neben dem Be- schwerdeführer (§ 13 Abs. 2 lit. a VRPG) das Departement Volks- wirtschaft und Inneres als Vorinstanz gemäss § 13 Abs. 2 lit. e VRPG Parteistellung. Im Gegensatz dazu hat das Strassenverkehrsamt im verwaltungsgerichtlichen Verfahren keine Parteistellung. So hat gemäss § 13 Abs. 2 lit. e VRPG lediglich die Vorinstanz - und nicht die Vorinstanzen - Parteistellung. Mit Blick auf § 13 Abs. 2 lit. f VRPG ist das Strassenverkehrsamt zwar erstinstanzlich entscheiden- de Behörde, es gehört aber nicht einem anderen Gemeinwesen an. Aus diesen Gründen hat in casu neben dem Beschwerdeführer aus- schliesslich das Departement Volkswirtschaft und Inneres vor Verwaltungsgericht Parteistellung, weshalb diesem die vor Verwal- tungsgericht entstandenen Parteikosten zu Gunsten des teilweise ob- 2009 Verwaltungsgericht 280 siegenden Beschwerdeführers aufzuerlegen sind. Nachdem der Be- schwerdeführer zu 5/6 und das Departement Volkswirtschaft und Inneres zu 1/6 obsiegen, hat der Beschwerdeführer in Anwendung der eben geschilderten Verrechnungsgrundsätze Anspruch auf einen Anteil von 2/3 (=4/6) seiner Parteikosten. Das Departement Volks- wirtschaft und Inneres hat somit ausgangsgemäss dem Beschwerde- führer die vor Verwaltungsgericht entstandenen Parteikosten in Höhe von 2/3 zu ersetzen.
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AG_VG_001
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2014 Fürsorgerische Unterbringung 67 II. Fürsorgerische Unterbringung 8 Art. 450 Abs. 1 ZGB; Art. 450f ZGB i.V.m. Art. 328 Abs. 1 lit. c ZPO; Art. 449a und 450e Abs. 4 Satz 2 ZGB; § 67q Abs. 3 EG ZGB; Art. 432 ZGB; Art. 450f ZGB i.V.m. Art. 117 lit. b ZPO - Abschreibungsentscheide der Erwachsenenschutzbehörde können mit Ausnahme des Kostenpunkts nicht mit Beschwerde gemäss Art. 450 ff. ZGB angefochten werden; für die Geltendmachung materieller und prozessualer Mängel einer Rückzugserklärung ist die Revision primäres und ausschliessliches Rechtsmittel (Erw. 1.1). - Eine amtliche Vertretung im Sinne von Art. 449a und 450e Abs. 4 Satz 2 ZGB liegt nur vor, wenn die Vertretung von den Behörden an- geordnet wird, weil die betroffene Person ausserstande ist, sich selber um die Bestellung einer Vertretung zu kümmern; das Anwaltsmono- pol gilt gemäss § 67q Abs. 3 EG ZGB auch für die amtliche Vertre- tung (Erw. 2). - Die nach Art. 432 ZGB bezeichnete Vertrauensperson hat keinen An- spruch auf Entschädigung durch das Gemeinwesen (Erw. 2). - Unentgeltliche Rechtspflege: Im Bereich fürsorgerische Unterbrin- gung sind Beschwerden gegen Unterbringungsentscheide und Entlas- sungsgesuche nur mit Zurückhaltung als aussichtslos im Sinne von Art. 450f ZGB i.V.m. Art. 117 lit. b ZPO zu beurteilen (Erw. 3). Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 15. Dezem- ber 2014 in Sachen. A.H. gegen das Familiengericht X. (WBE.2014.331). Aus den Erwägungen 1. 1.1. Gegen Entscheide der Erwachsenenschutzbehörde kann Be- schwerde beim zuständigen Gericht erhoben werden (Art. 450 Abs. 1 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 68 ZGB). Die sachliche und funktionelle Zuständigkeit der Gerichte wird durch das kantonale Recht geregelt, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt (Art. 4 Abs. 1 ZPO). Nach § 15a EG ZPO ent- scheidet das Verwaltungsgericht als einzige kantonale Instanz über Beschwerden gemäss § 67q Abs. 1 EG ZGB, namentlich über Be- schwerden gegen die Abweisung eines Entlassungsgesuchs (§ 67q Abs. 1 lit. d EG ZGB). Entscheidet die Erwachsenenschutzbehörde neben dem Entlassungsgesuch über die Gewährung der unentgeltli- chen Rechtspflege, folgt der Rechtsweg demjenigen der Hauptsache (vgl. V IKTOR R ÜEGG , in: Basler Kommentar, 2. Auflage, Basel 2013, Art. 121 ZPO N 2, mit Hinweisen). Die Verweigerung der unentgelt- lichen Rechtspflege unterliegt daher ebenfalls der Beschwerde ans Verwaltungsgericht. Art. 450 Abs. 1 ZGB stellt mit der darin geregel- ten Beschwerde ein spezielles "Einheitsrechtsmittel" gegen alle End- entscheide und die damit eröffneten Zwischenentscheide sowie ge- wisse selbständig anfechtbare Zwischenentscheide der Erwachsenen- schutzbehörde zur Verfügung (vgl. D ANIEL S TECK , in: Basler Kom- mentar, Basel 2012, Art. 450 ZGB N 19 ff.; Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Erwachsenenschutzrecht, Personenrecht und Kindesrecht] vom 28. Juni 2006, Gesch.-Nr. 06.063, Bundesblatt [BBl] 2006, S. 7001 ff., S. 7084). Kein (End-)Entscheid und damit kein Anfechtungsobjekt im Sinne von Art. 450 Abs. 1 ZGB stellt hingegen ein Abschreibungs- entscheid dar, der auf Rückzug des Entlassungsgesuchs und des Ge- suchs um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege hin ergeht. Dabei handelt es sich um einen rein deklaratorischen Akt, weil be- reits der Rückzug als solcher den Prozess unmittelbar beendet. Der Abschreibungsentscheid beurkundet den Prozesserledigungsvorgang (im Hinblick auf die Vollstreckung), erfolgt aber abgesehen davon der guten Ordnung halber, d.h. zum Zwecke der Geschäftskontrolle. Gegen den Abschreibungsentscheid als solchen steht somit kein Rechtsmittel zur Verfügung, lediglich der darin enthaltene Kosten- entscheid ist mit Beschwerde anfechtbar (BGE 139 III 133, Erw. 1.2 mit zahlreichen Hinweisen auf die [kontroversen] Lehrmeinungen). Immerhin kann der Rückzug bzw. die Rückzugserklärung mit Revi- sion nach dem gestützt auf Art. 450f ZGB subsidiär anwendbaren 2014 Fürsorgerische Unterbringung 69 Art. 328 Abs. 1 lit. c ZPO angefochten werden, mit der Begründung, der Rückzug (des Gesuchs um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege) sei nicht wirksam bzw. ungültig. In Bezug auf mate- rielle oder prozessuale Mängel der Rückzugserklärung ist die Revi- sion mithin primäres und ausschliessliches Rechtsmittel (BGE 139 III 133, Erw. 1.3). Die Zuständigkeit für die Beurteilung eines ent- sprechenden Revisionsgesuchs liegt allerdings nicht beim Verwal- tungsgericht, sondern beim Familiengericht X. als letzte Instanz, die in der Sache entschieden hat (Art. 450f ZGB i.V.m. Art. 328 Abs. 1 ZPO). Dieses kann das Revisionsgesuch abweisen, welcher Ent- scheid mit Beschwerde anfechtbar ist (Art. 450f ZGB i.V.m. Art. 332 ZPO), oder gutheissen, seinen Abschreibungsentscheid (mit Bezug auf das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege) aufheben und neu entscheiden (Art. 450f ZGB i.V.m. Art. 333 ZPO). Der neue Entscheid wiederum könnte mit Beschwerde gemäss Art. 450 ff. ZGB beim Verwaltungsgericht angefochten werden. (...) 1.2.-1.5. (...) 2. Zudem könnte auf die vorliegende Beschwerde auch mangels gültiger Vertretung der Beschwerdeführerin nicht eingetreten werden. Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin ist gemäss Auskunft der Aufsichtskommission über die Anwältinnen und Anwälte des Obergerichts des Kantons A. seit (...) nicht mehr im Anwaltsregister des Kantons A. eingetragen. Unter diesem Aspekt ist er nicht berech- tigt, die Beschwerdeführerin vor Verwaltungsgericht berufsmässig (unentgeltlich) zu vertreten (Art. 450f ZGB i.V.m. Art. 68 Abs. 2 ZPO). Eine Bestellung als amtlicher Vertreter gestützt auf Art. 450e Abs. 4 Satz 2 ZGB scheidet schon deshalb aus, weil die Beschwerde- führerin ihren Rechtsvertreter selbständig mandatiert hat. Damit ist der Anwendungsbereich von Art. 450e Abs. 4 Satz 2 ZGB nicht eröffnet (vgl. S TECK , a.a.O., Art. 450e ZGB N 13g). Analog zu Art. 449a ZGB für das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde regelt Art. 450e Abs. 4 Satz 2 ZGB, dass die Beschwerdeinstanz wenn nötig die Vertretung der betroffenen Person anordnet und eine in fürsorgerischen und rechtlichen Fragen erfahrene Person als Bei- 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 70 ständin oder Beistand bezeichnet. Diese Bestimmungen betreffend die amtliche Vertretung sind denjenigen Fällen vorbehalten, in denen die betroffene Person ausserstande ist, sich selber um die Bestellung eines Rechtsbeistands zu kümmern. Auf entsprechenden Antrag oder von Amtes wegen übernimmt die Behörde die Bestellung eines Ver- treters an ihrer statt (S TECK , a.a.O., Art. 450e ZGB N 13d). Davon abgesehen hat der Kanton Aargau Art. 449a und Art. 450e Abs. 4 Satz 2 ZGB in § 67q Abs. 3 EG ZGB dahingehend konkretisiert, dass das für das gerichtliche Verfahren bestehende Anwaltsmonopol auch für diese Fälle der Anordnung einer amtlichen Rechtsvertretung gilt, was von Bundesrechts wegen zulässig ist (vgl. T HOMAS G EISER , in G EISER /R EUSSER [Hrsg.], Basler Kommentar, Erwachsenenschutz, Basel 2012, Art. 450e ZGB N 31; S TECK , a.a.O., Art. 450e ZGB N 13b). Ob der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin das vorlie- gende Verfahren mit Wissen und Willen der Beschwerdeführerin ein- geleitet hat bzw. hierzu explizit bevollmächtigt wurde, ist ohnehin fraglich. Immerhin hat die Beschwerdeführerin im Vorfeld ihres Entlas- sungsgesuchs beim Familiengericht X. eine Vollmacht (betreffend "Menschenrechte, Entlassung, Zwangsbehandlungsverbot etc.") unterzeichnet, wonach sie die "gegenüber der Anstalt auftretende Person gemäss obiger Liste", d.h. Rechtsanwalt B., als Person des Vertrauens gemäss Art. 432 ZGB beiziehe. Eine Vertrauensperson im Sinne von Art. 432 ZGB verfügt über alle Rechte, die nahestehenden Personen im Rahmen einer fürsorgerischen Unterbringung zustehen, insbesondere hat sie das Recht in den Fällen gemäss Art. 439 ZGB das Gericht anzurufen und Entscheide der Erwachsenenschutzbe- hörde gestützt auf Art. 450 Abs. 2 ZGB anzufechten (O LIVIER G UILLOD , FamKomm Erwachsenenschutz, Bern 2013, Art. 432 ZGB N 9). Allerdings bestehen aufgrund des zerrütteten Verhältnisses zwi- schen der Beschwerdeführerin und ihrem Rechtsvertreter, wie es an der Anhörung durch das Familiengericht X. vom (...) zu Tage getre- ten ist, erhebliche Zweifel daran, ob Rechtsanwalt B. nach wie vor als Vertrauensperson der Beschwerdeführerin bezeichnet werden kann. Und selbst wenn dem so wäre, würde es ihm als Vertrauensper- 2014 Fürsorgerische Unterbringung 71 son - gleich wie der Beschwerdeführerin selber - aus den nachfol- gend dargelegten Gründen am Anfechtungsinteresse fehlen. Dass Rechtsanwalt B. mangels Eintrag im Anwaltsregister (des Kantons A.) schon bei der Anhörung durch das Familiengericht X. vom (...) nicht mehr als (unentgeltlicher) Rechtsvertreter der Be- schwerdeführerin hätte auftreten dürfen, hat zur Konsequenz, dass er unter keinem Titel einen Anspruch auf eine Entschädigung für seine Bemühungen im dortigen Verfahren hat, und zwar weder gegenüber der Staatskasse noch gegenüber der Beschwerdeführerin, für die er keine gültigen Prozesshandlungen als (unentgeltlicher) Rechtsvertre- ter vornehmen konnte. Die Vertrauensperson ist nicht durch das Ge- meinwesen zu entschädigen (vgl. Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs [Erwachsenenschutz, Personen- recht und Kindesrecht], BBl 2006 S. 7068; T HOMAS G EISER /M ARIO E TZENSBERGER , in: G EISER /R EUSSER [Hrsg.], a.a.O., Art. 432 ZGB N 15). Das wiederum hat zur Folge, dass die Beschwerdeführerin mit einer Bewilligung ihres Gesuchs um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege (vermögensmässig) nicht bessergestellt wäre als mit dem vorliegend beanstandeten Abschreibungsentscheid, denn Verfah- renskosten wurden gestützt auf § 65a Abs. 3 lit. b EG ZGB ohnehin nicht erhoben. Bei diesem Lichte betrachtet hat die Beschwerde- führerin kein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung/Abände- rung des angefochten Abschreibungsentscheids, weshalb auch auf ein allfälliges Revisionsgesuch nicht eingetreten werden müsste. 3. Der Vollständigkeit halber bleibt anzufügen, dass die Vorausset- zungen für die Erteilung der unentgeltlichen Rechtspflege und der Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsvertreters im Falle der Be- schwerdeführerin wohl vorgelegen hätten. Das Rechtsbegehren der Beschwerdeführerin hätte entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht als aussichtslos im Sinne von Art. 117 lit. b ZPO bezeichnet werden dürfen, jedenfalls nicht mit der Begründung, die das Familiengericht X. im angefochtenen Entscheid angeführt hat. Der Hinweis auf Art. 450e Abs. 4 ZGB ist in diesem Zusammenhang nicht zielführend. Erstens regelt diese Bestimmung nicht die Voraus- setzungen für die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege, son- 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 72 dern diejenigen für die Bestellung eines amtlichen Rechtsbeistandes (für eine Person, die - anders als offenbar die Beschwerdeführerin - nicht selbst zur Bestellung eines Rechtsvertreters in der Lage ist). Zweitens besteht mit Art. 449a ZGB eine Parallelbestimmung für das Verfahren vor den Familiengerichten. Drittens sind bei einem Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege die Erfolgsaussich- ten des Hauptbegehrens, mithin diejenigen des Gesuchs um Entlas- sung aus der fürsorgerischen Unterbringung zu beurteilen. Aus objektiver Sicht mögen die Verlustgefahren die Gewinnchancen (bei weitem) überwogen haben. Doch sind Beschwerden gegen die fürsorgerische Unterbringung wie auch Gesuche um Entlassung aus der fürsorgerischen Unterbringung nur mit Zurückhaltung als aus- sichtslos zu werten, will man den Betroffenen den Rechtsweg bzw. einen effektiven Rechtsschutz nicht unzulässig erschweren. Wer - wie die Beschwerdeführerin - nach einer fürsorgerischen Unterbrin- gung von dreieinhalb Monaten Dauer erstmalig ein Entlassungsge- such stellt, nimmt grundsätzlich berechtigte Interessen wahr, auch wenn sich die Unterbringung als klar rechtmässig erweisen würde, was aber die Betroffenen (aufgrund ihres gesundheitlichen Zustands) regelmässig anders sehen. Es muss berücksichtigt werden, dass sie sich in einer Zwangslage befinden und ihre Prozessaussichten häufig nicht unter streng objektiven Gesichtspunkten abzuwägen vermögen. Anders als in anderen Rechtsgebieten muss der Rückzug eines Rechtsmittels oder Rechtsbehelfs im Bereich der fürsorgerischen Un- terbringung auch nicht zwangsläufig Ausdruck der Anerkennung sein, dass ein Rechtsmittel bzw. Rechtsbehelf von Beginn weg chan- cenlos oder wenig aussichtsreich war (vgl. dazu das Urteil des Bundesgerichts vom 18. August 2014 [2C_292/2014], Erw. 2.4). Es kann seit Ergreifung des Rechtsmittels oder Rechtsbehelfs zu einer Entwicklung (des Gesundheitszustandes) gekommen sein, welche die Betroffenen veranlasst, die fürsorgerische Unterbringung anders einzuschätzen. Im Falle der Beschwerdeführerin scheint sich eine für sie befriedigende Anschlusslösung ergeben zu haben, die sie zum Rückzug ihres Entlassungsgesuchs veranlasst hat. (...)
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2008 Zwangsmassnahmen gemäss § 241a StPO 207 36 Zwangsmassnahmen gemäss § 241a StPO. - Isolation ist keine zusätzliche Zwangsmassnahme bei Haft (Erw. III/2). - Strenge Voraussetzungen für Zwangsmedikation (Erw. V). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 15. Juli 2008 in Sa- chen P.B. gegen Entscheid der Klinik Königsfelden betreffend Zwangsmass- nahmen (WBE.2008.218). Aus den Erwägungen III. 1. Aus den Akten ergibt sich, dass der Beschwerdeführer seit sei- nem Eintritt in die Psychiatrische Klinik Königsfelden am 27. Juni 2008 im Isolationszimmer untergebracht ist. Isolation bedeutet, allein in einem (oft ausser einem Bett unmöblierten) Raum eingeschlossen zu sein. Anlässlich der verwaltungsgerichtlichen Verhandlung hat der Beschwerdeführer explizit die erfolgte Isolation angefochten. In die- sem Zusammenhang schilderte er, er sei seit siebzehn Tagen "in ei- nem Zimmer ohne Luft"; es herrschten unmenschliche Umstände. Er dürfe das Zimmer lediglich für wenige Minuten für Raucherpausen verlassen; bisher habe er nie spazieren gehen dürfen. Im Gefängnis habe er eine halbe Stunde pro Tag raus gehen können. Der behandelnde Oberarzt führte anlässlich der verwaltungsge- richtlichen Verhandlung aus, der Beschwerdeführer befände sich im Isolationszimmer, weil er im Haft-Status in der Klinik sei; es seien lediglich Ausnahmefälle, bei denen jemand trotz Haftstatus nicht isoliert werde. 2008 Verwaltungsgericht 208 2. Vorliegend befindet sich der Beschwerdeführer zurzeit in Haft zur Sicherung des Massnahmenvollzuges, wobei diese Haft vorüber- gehend in der Klinik Königsfelden vollzogen wird. Die Isolation ent- spricht somit der Fortführung der Haft und ist nicht Gegenstand der medizinisch indizierten Zwangsmassnahme. Daher ist das Verwal- tungsgericht nicht zuständig, die Isolation und deren Vollzug (Ver- weigerung eines 30minütigen Spaziergangs) zu überprüfen, weshalb auf die Beschwerde betreffend Isolation in der Psychiatrischen Kli- nik Königsfelden nicht eingetreten werden kann. IV. (...) V. 1. 1.1. Zur Hauptsache wendet sich der Beschwerdeführer gegen die angeordnete Behandlung mit Neuroleptika für die Dauer seiner Hos- pitalisation in der Klinik Königsfelden. Die Klinik hat im Zwangs- massnahmen-Entscheid vom 30. Juni 2008 die "Behandlung mit De- pot-Medikation: Consta Risperdal i.m. alle drei Wochen, 25 - 75 mg" angeordnet. Als Diagnose wurde auf dem entsprechenden Formular "paranoide Schizophrenie; DD: Persönlichkeitsstörung" genannt. Dem Entscheid wurde wegen akuter Behandlungsbedürftigkeit die aufschiebende Wirkung nicht gewährt. 1.2. Wird der Einsatz von Zwangsmassnahmen mit Beschwerde an- gefochten, so hat das Verwaltungsgericht zu überprüfen, ob die ge- setzlichen Voraussetzungen für die Durchführung von Zwangsmass- nahmen erfüllt sind. Zur Beurteilung der konkreten ärztlichen An- ordnung (Wahl des Medikamentes, Dosierung, Wahl der Abteilung, etc.) ist das Verwaltungsgericht dagegen grundsätzlich nicht zustän- dig; dies gehört in den Fachbereich der Ärzte (vgl. AGVE 1987, S. 217 [dieser Entscheid erging im Zusammenhang mit Zwangsmass- nahmen im Rahmen einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung; die gleichen Überlegungen müssen jedoch genauso für Zwangsmass- nahmen im Rahmen eines Strafvollzugs gelten]). Ausnahmen von diesem Grundsatz sind namentlich in jenen Fällen denkbar, in denen 2008 Zwangsmassnahmen gemäss § 241a StPO 209 das Gericht eine angeordnete Massnahme als unangemessen oder gar missbräuchlich beurteilt (AGVE 2000, S. 168 f.). 2. 2.1. Ausgangspunkt jeder Beurteilung ärztlichen Handelns oder Unterlassens ist das verfassungs- und persönlichkeitsrechtlich abge- sicherte Selbstbestimmungsrecht des Patienten (vgl. BGE vom 15. Juni 2001 [6A.100/2000], Erw. 3a). Das verfassungsmässige Recht der persönlichen Freiheit, das in der am 1. Januar 2000 in Kraft getretenen Bundesverfassung vom 18. April 1999 ausdrücklich in Art. 10 und - hinsichtlich des Schutzes der Menschenwürde - auch in Art. 7 gewährleistet ist, beinhaltet insbesondere das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit, auf Bewegungsfreiheit und Wahrung der Würde des Menschen sowie auf alle Freiheiten, die elementare Erscheinungen der Persönlichkeitsentfaltung darstellen. Das Recht auf persönliche Freiheit gilt indessen, wie die übrigen Freiheitsrechte, nicht absolut. Einschränkungen sind zulässig, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, im öffentlichen Inter- esse liegen und verhältnismässig sind; zudem dürfen sie den Kernge- halt des Grundrechts nicht beeinträchtigen, das heisst, dieses darf weder völlig unterdrückt noch seines Gehalts als Institution der Rechtsordnung entleert werden (vgl. Art. 5 und 36 BV). Der Schutzbereich der persönlichen Freiheit samt ihren Ausprägungen sowie die Grenzen der Zulässigkeit von Eingriffen sind jeweils im Einzelfall - angesichts der Art und Intensität der Beeinträchtigung sowie im Hinblick auf eine allfällige besondere Schutzbedürftigkeit des Betroffenen - zu konkretisieren (vgl. BGE vom 23. Mai 2000 [1P.645/1999], Erw. 3a mit Hinweisen). Eine neuroleptische Zwangsmedikation stellt zweifellos einen schweren Eingriff in die persönliche Freiheit dar. Schwere Eingriffe in Freiheitsrechte bedürfen einer klaren und ausdrücklichen gesetzli- chen Regelung in einem formellen Gesetz (Art. 36 Abs. 1 Satz 2 BV). 2008 Verwaltungsgericht 210 2.2. 2.2.1. Die Aargauische Strafprozessordnung sieht vor, dass medizini- sche Behandlungen oder andere medizinisch indizierte Vorkehren der Zustimmung des Gefangenen bedürfen (§ 241a Abs. 1 Satz 1 StPO). Gemäss § 241a Abs. 2 StPO dürfen ohne Zustimmung oder gegen den Willen des Gefangenen medizinische Behandlungen oder andere medizinisch indizierte Vorkehren nur durchgeführt werden, wenn eine richterlich angeordnete Massnahme gemäss Art. 59, 60 oder 64 StGB zu vollziehen ist und sie mit dem konkreten Massnahmezweck vereinbar sind (lit. a) oder wenn der Gefangene aufgrund einer Krankheit nicht zurechnungsfähig ist, sich selbst oder Dritte in schwerer Weise gefährdet und die notwendige Fürsorge auf andere Weise nicht gewährleistet werden kann (lit. b). 2.2.2. Die Bestimmung soll nicht nur akute Krisenintervention, son- dern auch mittel- bis langfristige Therapien abdecken, wenn solche für eine wirksame Gefahrenabwendung erforderlich sind. Die beson- dere Fürsorgepflicht des Staates kann für die im Strafvollzug befind- lichen Personen den Einsatz ärztlicher Massnahmen gebieten, selbst wenn keine unmittelbare Gefahr für Leben und Gesundheit besteht (vgl. Materialien zu § 241a StPO [Materialien], Bericht des DVI, Abteilung Strafrecht, zur Änderung des Gesetzes über die Straf- rechtspflege, vom 28. August 2001). Ein medikamentöses Ruhig- stellen während der Dauer des Strafvollzugs als blosses Disziplinie- rungsmittel ist jedoch nicht erlaubt; "gesunde Tobende" müssen mit sicherheitspolizeilichen Methoden zur Ruhe gebracht werden (vgl. Materialien, Stellungnahme der PDAG, IPD, Ärztliche Leitung, vom 9. Juli 2001). 2.2.3. Zwangsmassnahmen sind u.a. dort indiziert, wo psychisch Kranke die rückfallprophylaktischen Medikamente (z.B. eine De- potspritze) verweigern, so dass eine erneute Dekompensation erfah- rungsgemäss nur noch eine Frage der Zeit ist; ausserdem bei Perso- nen, die - z.B. in Folge einer Persönlichkeitsstörung - im Vollzug ohne sedierende Medikamente nicht tragbar sind, diese aber verwei- 2008 Zwangsmassnahmen gemäss § 241a StPO 211 gern (Materialien, Stellungnahme der PDAG, IPD, Ärztliche Leitung, vom 9. Juli 2001). Eine zwangsweise vollzogene Behandlung ist mit dem verfassungsmässigen Recht der persönlichen Freiheit nur ver- einbar, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine Besserung und Heilung des körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes des Betroffenen spricht (Materialien, Arbeitspapier DVI, Abteilung Strafrecht, vom 30. Juli 2001, S. 4). 2.3. Mit Urteil des Bezirksgerichts Z. vom 7. Mai 2008 war die dem Beschwerdeführer vom Obergericht mit Urteil vom 18. Oktober 2007 auferlegte stationäre Massnahme für junge Erwachsene gemäss Art. 61 StGB gestützt auf Art. 62c Abs. 6 StGB aufgehoben worden. An deren Stelle wurde gestützt auf Art. 59 StGB eine stationäre psychiatrische Behandlung angeordnet. Dieses Urteil ist nicht rechts- kräftig; der amtliche Verteidiger des Beschwerdeführers hat es an das Obergericht des Kantons Aargau weitergezogen. Mangels Rechts- kraft dieses Urteils bildet § 241a Abs. 2 lit. a StPO in casu keine rechtsgenügliche Grundlage für die Durchführung von medizinischen Behandlungen oder anderen medizinisch indizierten Vorkehren ge- gen den Willen des Beschwerdeführers. Lediglich der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, dass eine neuroleptische Zwangsmedikation ohnehin nicht dem Massnahme- zweck (stationäre Verhaltenstherapie) entspricht. Im Folgenden gilt es deshalb zu prüfen, ob § 241a Abs. 2 lit. b StPO eine rechtsgenügliche Grundlage für die Zwangsbehandlung des Beschwerdeführers bildet. 3. 3.1. Wie bereits in Erw. V/2.2 hiervor ausgeführt, dürfen gemäss § 241a Abs. 2 lit. b StPO ohne Zustimmung oder gegen den Willen des Gefangenen medizinische Behandlungen oder andere medizi- nisch indizierte Vorkehren nur durchgeführt werden, wenn der Ge- fangene aufgrund einer Krankheit nicht zurechnungsfähig ist, sich selbst oder Dritte in schwerer Weise gefährdet und die notwendige Fürsorge auf andere Weise nicht gewährleistet werden kann. Wie bei der fürsorgerischen Freiheitsentziehung (vgl. Art. 397a ff. ZGB) ist 2008 Verwaltungsgericht 212 vorausgesetzt, dass aufgrund einer Krankheit die nötige persönliche Fürsorge in der medizinischen Behandlung liegt; vorausgesetzt sind also Behandlungsbedürftigkeit und Behandlungsfähigkeit. Zusätzlich braucht es neben der Verhältnismässigkeit Zurechnungsunfähigkeit (bzw. Urteilsunfähigkeit) aufgrund einer Krankheit sowie eine schwere Selbst- oder Fremdgefährdung. Damit sind die Vorausset- zungen wesentlich strenger als bei einer Zwangsbehandlung im Rah- men einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung. Es ist im Folgenden im Einzelnen zu prüfen, ob die Vorausset- zungen nach den Bestimmungen der Aargauischen Strafprozessord- nung für eine Zwangsmedikation des Beschwerdeführers vorliegen. 3.2. 3.2.1. 3.2.1.1. Die Psychiatrische Klinik Königsfelden stellte anlässlich der er- sten Hospitalisation des Beschwerdeführers (Mai bis August 2006) u.a. die Diagnose einer "Anpassungsstörung mit gemischter Störung von Gefühlen und Sozialverhalten" und "Persönlichkeitsakzentuie- rung mit dissozialen, querulatorischen Zügen". Es habe bei der psychiatrischen und testpsychologischen Untersuchung psychopa- thologisch keine direkten Hinweise für ein psychotisches Gesche- hen/Erleben gegeben; zu keiner Zeit habe eine positive psychotische Symptomatik festgestellt werden können. Bei Austritt wurden dem Beschwerdeführer keine Medikamente verordnet. 3.2.1.2. Im forensisch-psychiatrischen Vorgutachten der Klinik Königs- felden vom 18. Dezember 2006 beschreibt der Gutachter, der Be- schwerdeführer zeige eine extrem geringe Frustrationstoleranz und eine niedrige Schwelle für aggressives und gewalttätiges Verhalten; er habe kein Schuldbewusstsein und sei unfähig, aus negativer Erfah- rung zu lernen, da er immer anderen die Schuld für sein Versagen gebe. In diagnostischer Hinsicht hält der Gutachter fest, es bestehe beim Beschwerdeführer eine dissoziale Persönlichkeitsstörung. Wei- ter wurde festgehalten, es hätten bei der psychiatrischen Untersu- chung keine schizophrenen Symptome festgestellt werden können; eine Schizophrenie im Prodromalstadium (Anfangsstadium ohne ty- 2008 Zwangsmassnahmen gemäss § 241a StPO 213 pische Symptome) könne zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht mit letz- ter Sicherheit ausgeschlossen werden. 3.2.1.3. Mit forensisch-psychiatrischem Gutachten vom 13. April 2007 nimmt der Gutachter Stellung zu Fragen einer psychischen Störung, der Schuldfähigkeit, der Rückfallgefahr sowie einer allfälligen Massnahme. In diesem Zusammenhang führt er aus, die geringe Frusttoleranz, die labile Affektivität, die ungenügende Selbst- und Impulskontrolle, die mangelnde Verarbeitungs- und Introspektions- fähigkeit, die verzerrte, misstrauisch-paranoid anmutende Wahrneh- mung, die defizitäre Empathiefähigkeit und die mangelnde Anpas- sungsfähigkeit wiesen am ehesten auf einen Menschen mit struktu- rellen Defiziten in der Persönlichkeitsentwicklung, aber auch auf Un- reife in der Persönlichkeitswerdung hin. Die Persönlichkeit des Be- schwerdeführers sei zusammenfassend beurteilt sehr auffällig. In diagnostischer Hinsicht führt der Gutachter aus, beim Beschwerde- führer bestehe - neben einem Cannabisabhängigkeitssyndrom - eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit paranoiden, dissozialen und unreifen Zügen. Für diese gebe es keine sicher wirksame Therapie. Eine verhaltenstherapeutisch-deliktorientierte Therapie habe gemäss heutiger Wissensgrundlagen allenfalls eine gewisse Wirksamkeit. 3.2.1.4. Anlässlich der zweiten Hospitalisation des Beschwerdeführers in der Klinik Königsfelden von Dezember 2007 bis Februar 2008 wurde die Klinik beauftragt, u.a. abzuklären, ob es sich auch um eine Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis handeln könnte. Im Bericht zu der im Verlaufe dieser Hospitalisation durchgeführten psychologischen Testung wurde zusammenfassend ausgeführt, der Beschwerdeführer scheine zwischen seiner Tendenz zum Bagatelli- sieren, sich als Opfer darzustellen und mit einer "realitätsnahen" Ein- sicht zu ringen. In belastenden Situationen sei es denkbar, dass er eine paranoide Verarbeitung begünstige. Der Beschwerdeführer habe sich in den Persönlichkeitsverfahren bedeckt gezeigt; es bleibe un- gewiss, ob er sich nicht habe zeigen wollen oder ob er es nicht ge- konnt habe. 2008 Verwaltungsgericht 214 Des Weiteren war anlässlich jener Hospitalisation eine Erstpsy- chose-Abklärung durchgeführt worden. Diese Abklärung wurde im Austrittsbericht vom 5. Juni 2008 bezüglich dritte Hospitalisation des Beschwerdeführers im Mai 2008 folgendermassen zusammengefasst: "In der damaligen Testung wurde festgehalten, dass sich trotz Abwesenheit florid-psychotischer Symptome der Verdacht einer Er- krankung aus dem schizophrenen Formenkreis, welche schleichend ist, nicht entkräften [lasse], dies einerseits durch die Krankheitsent- wicklung über Jahre mit einem deutlichen Leistungsknick und immer wieder uneinfühlbarem Verhalten, sowie der genetischen Belastung durch eine schizophrene Mutter. Dennoch liessen sich nie eigentliche psychotische Symptome finden, sodass dies allenfalls eine Ver- dachtsdiagnose bleibt." Die Klinikärzte kamen anlässlich der zweiten Hospitalisation zu folgender Diagnose: "- Kombinierte Persönlichkeitsstörung mit paranoiden, dissozialen und unreifen Zügen (...) - Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis (...) - Anamnestisch schädlicher Gebrauch von Cannabis (...)" 3.2.1.5. Die Diagnose anlässlich der dritten Hospitalisation des Be- schwerdeführers im Mai 2008 lautete folgendermassen : "- Kombinierte Persönlichkeitsstörung mit paranoiden, dissozialen und unreifen Zügen (...) - Anamnestisch schädlicher Gebrauch von Cannabis (...) - Schleichende Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis, lässt sich gemäss Erstpsychoseabklärung nicht ausschliessen, aktuell klinisch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich" 3.2.1.6. Anlässlich der aktuellen Hospitalisation des Beschwerdeführers in der Klinik Königsfelden wurde anlässlich der Aufnahme folgende Beurteilung abgegeben: "- Angespanntes, fremdgefährliches Zustandsbild mit fragilen psy- chotischen Symptomen bei bekannter Erkrankung des schizophrenen Formenkreises - Substanz-induziert 2008 Zwangsmassnahmen gemäss § 241a StPO 215 - Gemischte Persönlichkeitsstörung mit paranoiden, dissozialen und unreifen Zügen - (...)" Auf dem Zwangsmassnahmen-Entscheid vom 30. Juni 2008 wurde unter der Rubrik Diagnose "Schizophrenie; DD: Persönlich- keitsstörung" aufgeführt. Entsprechend führte der behandelnde Oberarzt anlässlich der verwaltungsgerichtlichen Verhandlung vom 15. Juli 2008 aus, man könne aufgrund von Beobachtungen über einen längeren Zeitraum feststellen, dass beim Beschwerdeführer Denkstörungen mit einer pa- ranoiden Verarbeitung der Umgebung stattfänden; so seien immer die anderen schuld; es bestehe ein stetes Misstrauen. Dies seien Hin- weise auf eine Schizophrenie. Die Dichte dieser Hinweise sowie de- ren Konstanz lägen näher bei einer Schizophrenie als bei einer Per- sönlichkeitsstörung. Der Beschwerdeführer kenne die Krankheit Schizophrenie von seiner Mutter und könne daher die Symptome verstecken; er kontrolliere sich, was er sage. Es bestehe eine ge- lockerte Assoziation, wobei diese Störung der Gedanken symptoma- tisch für eine Schizophrenie sei. 3.2.2. Es kann festgestellt werden, dass mit Ausnahme der aktuellen Hospitalisation alle involvierten Psychiater eindeutig die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung gestellt haben. Insbesondere im Gut- achten vom 13. April 2007 wird diese Diagnose ausführlich begrün- det. Auch der vom Gericht beigezogene Gutachter bestätigte diese Diagnose anlässlich der verwaltungsgerichtlichen Verhandlung. Für das Verwaltungsgericht steht somit fest, dass beim Beschwerdeführer eine Persönlichkeitsstörung vorliegt. Gemäss übereinstimmenden Angaben der Fachärzte besteht die adäquate Behandlung derselben in einer Verhaltenstherapie (vgl. Erw. V/3.2.1.3 hiervor), zumal sich eine Persönlichkeitsstörung medikamentös kaum behandeln lässt. Unklar ist, ob zusätzlich eine Erkrankung aus dem schizophre- nen Formenkreis vorliegt, bei welcher eine neuroleptische Behand- lung medizinisch indiziert wäre. Verschiedene Indizien dafür liegen zwar vor, allerdings bleibt es bei einer Verdachtsdiagnose. Ent- sprechend führte auch der Gutachter anlässlich der verwaltungsge- 2008 Verwaltungsgericht 216 richtlichen Verhandlung aus, die letzten Beweise für eine paranoide Schizophrenie seien nicht gegeben. Insbesondere steht fest, dass ak- tuell keine florid psychotischen Symptome vorhanden sind. Das vom behandelnden Oberarzt mehrfach erwähnte "paranoide Verarbeiten" konnte aktuell nicht konkretisiert werden. So antwortete der Be- schwerdeführer an der für ihn sicherlich mit einer gewissen Belas- tung verbundenen verwaltungsgerichtlichen Verhandlung ruhig, an- ständig, adäquat, realitätsbezogen und in jeder Hinsicht nachvoll- ziehbar. Es lagen keinerlei Hinweise auf ein psychotisches Gesche- hen im Hintergrund vor; der Blick war offen. Dass sich der Be- schwerdeführer wiederholt über die Ungerechtigkeit äusserte, nun beinahe zwei Jahre im Gefängnis zu sein und noch immer kein Ende der Strafe zu sehen, ist nachvollziehbar. Das Verwaltungsgericht geht mit dem anwesenden psychiatrischen Sachverständigen überein, dass die Tatsache, dass der Beschwerdeführer auf gewisse Fragen andere Ausführungen machte, nicht auf eine Denkstörung schliessen lassen, sondern eher ein Ausweichen auf unangenehme Fragen darstellt, dies verbunden mit dem Bedürfnis, seine als ungerecht empfundene Lage zu erklären. Selbst wenn also die Verdachtsdiagnose einer Schizophrenie zutreffen würde, so ist aktuell kein akutes Krankheitsbild, sind keine florid psychotischen Symptome erkennbar, sondern höchstens ge- wisse Minussymptome. In diesem Zusammenhang ist jedoch zu be- achten, dass solche Minussymptome unspezifisch sind, d. h. sie sind nicht nur an schizophrene Psychosen gebunden, sondern kommen auch bei anderen Krankheiten vor, so auch bei Persönlichkeitsstö- rungen. 3.3. 3.3.1. Damit eine Massnahme verhältnismässig ist, muss sie geeignet und notwendig sein, und es muss eine vernünftige Zweck-Mittel- Relation vorliegen. Eine Zwangsmassnahme ist namentlich dann un- verhältnismässig, wenn eine ebenso geeignete mildere für den ange- strebten Erfolg ausreicht. Der Eingriff darf in sachlicher, räumlicher, zeitlicher und personeller Hinsicht nicht einschneidender sein als notwendig. Nach diesen Kriterien der Verhältnismässigkeit bzw. der 2008 Zwangsmassnahmen gemäss § 241a StPO 217 Subsidiarität ist die weniger eingreifende der eingriffsintensiveren und die bessernde der bloss sichernden Massnahme vorzuziehen und die geeignete Behandlungsform auszuwählen (BGE 127 IV 154 Erw. 4c). Dass (auch) bei Zwangsmassnahmen im Rahmen eines Straf- vollzugs die Verhältnismässigkeit gewahrt werden muss, drückt § 241a Abs. 2 lit. b StPO mit den Worten aus: "wenn [...] die not- wendige Fürsorge auf andere Weise nicht gewährleistet werden kann". Durch diese Formulierung soll zur möglichsten Schonung der persönlichen Freiheit die Zwangsbehandlung im Sinne des Verhält- nismässigkeitsprinzips beschränkt werden; die Zwangsbehandlung muss also ultima ratio bleiben. Die Beurteilung hängt im Wesentli- chen davon ab, in welchem Ausmass eine Behandlung einerseits "notwendig" und welches andererseits die Auswirkungen im Falle ei- ner Nichtbehandlung sind. Wie bereits in Erwägung V/2.2.3 hiervor ausgeführt, ist eine zwangsweise vollzogene Behandlung nur verhältnismässig, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine Besserung und Heilung des körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes des Betroffenen spricht. 3.3.2. 3.3.2.1. Eine Behandlungsbedürftigkeit liegt dann vor, wenn eine Per- son in organischer oder psychischer Hinsicht derart erheblich von der Gesundheit/des Wohlbefindens abweicht, dass stationäre oder am- bulante medizinische, insbesondere psychiatrische, psychologische oder heilpädagogische Vorkehren angezeigt erscheinen. 3.3.2.2. Wie bereits in den Erwägungen hiervor ausgeführt, lässt sich eine Persönlichkeitsstörung mit neuroleptischer Medikation nicht be- handeln. Entsprechend wird im Gutachten vom 13. April 2007 aus- geführt, für die kombinierte Persönlichkeitsstörung gebe es keine si- cher wirksame Therapie; lediglich eine verhaltenstherapeutisch-de- liktsorientierte Psychotherapie habe gemäss heutiger Wissensgrund- lage eine gewisse Wirksamkeit. Dementsprechend hat das Bezirksge- richt Z. mit Entscheid vom 16. Mai 2007 den Vollzug der Freiheits- 2008 Verwaltungsgericht 218 strafe zugunsten einer stationären therapeutischen Massnahme ge- mäss Art. 61 StGB (Massnahme für junge Erwachsene, die in ihrer Persönlichkeitsentwicklung erheblich gestört sind) aufgeschoben; das Obergericht hat eine dagegen ergriffene Berufung mit Urteil vom 18. Oktober 2007 abgewiesen. Später hat das Bezirksgericht Z. mit Urteil vom 7. Mai 2008 anstelle einer Massnahme für junge Erwach- sene eine stationäre Massnahme gemäss Art. 59 StGB angeordnet (dieses Urteil ist noch nicht rechtskräftig). 3.3.2.3. Falls beim Beschwerdeführer neben der Persönlichkeitsstörung eine Schizophrenie vorliegen würde, wäre eine medikamentöse Be- handlungsbedürftigkeit grundsätzlich zu bejahen. Aus medizinischer Sicht ist daher ein Behandlungsversuch dieser Verdachtsdiagnose durchaus nachvollziehbar; fraglich ist dagegen, ob dies gegen den Willen des Beschwerdeführers zulässig ist. 3.3.2.4. Zusammenfassend ist festzustellen, dass an der medikamentö- sen Behandlungsbedürftigkeit somit zumindest Bedenken bestehen. 3.3.3. 3.3.3.1. Weitere Voraussetzung für die Durchführung einer Zwangs- massnahme nach § 241a Abs. 2 lit. b StPO ist die Behandlungsfähig- keit des Betroffenen. Verspricht eine neuroleptische Behandlung von vorneherein keinen Erfolg, kommt eine neuroleptische Zwangsbe- handlung nicht in Frage. 3.3.3.2. Der zuständige Oberarzt führte anlässlich der Verhandlung aus, er sehe bereits einen Behandlungserfolg. Der Beschwerdeführer sei nicht mehr so misstrauisch im Gespräch; er mache ein Stück weit mit. Es sei eine leichte Verbesserung eingetreten. 3.3.3.3. Der anwesende Gutachter führte in diesem Zusammenhang aus, man könne nicht sagen, dass es mit der Behandlung zu einem Fort- schritt komme und ohne Behandlung zu einer Verschlechterung; dies könne man im Voraus nicht abschätzen. 2008 Zwangsmassnahmen gemäss § 241a StPO 219 3.3.3.4. Gemäss dem bisher Ausgeführten handelt es sich bei der beim Beschwerdeführer vorliegenden Persönlichkeitsstörung um eine psy- chische Störung, die nach dem heutigen Stand der Wissenschaft me- dikamentös nicht behandelt werden kann; eine Behandlungsfähigkeit betreffend Persönlichkeitsstörung durch Neuroleptika ist unter diesen Umständen zu verneinen. 3.3.3.5. Selbst wenn beim Beschwerdeführer neben der Persönlichkeits- störung eine Schizophrenie vorliegen würde, wäre die Behandlungs- fähigkeit betreffend Negativsymptomatik gering. Entsprechend wurde im Austrittsbericht vom 5. Juni 2008 das Folgende festgehalten: "Wir erachten es als nicht verhältnismässig, ihn zwangszumedi- zieren, da ein Erfolg einer medikamentösen Therapie, wenn über- haupt, nur in sehr begrenztem Ausmass, im Vergleich zu allfälligen Spätfolgen desselben zu erwarten gewesen wäre. Dies einerseits, weil sich eine Persönlichkeitsstörung kaum mehr medikamentös be- einflussen lässt und ein schleichender Verlauf einer Schizophrenia simplex weiter höchstens eine Verdachtsdiagnose ohne eindeutige Anhaltspunkte bildet. Selbst wenn es sich um eine solche handeln sollte, wäre eine medikamentöse Therapie deutlich weniger wirksam bei den so genannten Negativsymptomen, als bei einer florid-psy- chotischen Situation, die bei Herrn B. zu keiner Zeit vorlag." Das Verwaltungsgericht kann sich dieser oberärztlichen Ansicht vollumfänglich anschliessen: Da kein florid psychotisches Zustands- bild vorliegt, würde es selbst bei Vorliegen einer Schizophrenie an einer nachgewiesenen Behandlungsfähigkeit fehlen. Die Ausführun- gen des behandelnden Oberarztes lassen Fragen offen, wenn er einer- seits ausführt, es sei durch die neuroleptische Behandlung bereits eine Verbesserung eingetreten, er jedoch andererseits schildert, dass die dem Beschwerdeführer am 30. Juni 2008 verabreichte Risperdal- Spritze erst nach drei Wochen ihre Wirkung entfalte und der Be- schwerdeführer die Risperdal-Tabletten schmuggle, indem er sie in die Urinflasche ausspucke. 2008 Verwaltungsgericht 220 3.3.3.6. Diese Erwägungen schliessen nicht aus, dass eine neurolepti- sche Behandlung durchaus sinnvoll wäre, im Interesse des Be- schwerdeführers liegen könnte und medizinisch vertretbar wäre, zu- mal man daraus bzw. aus dem allfälligen Behandlungserfolg nach- trägliche Rückschlüsse betreffend die Verdachtsdiagnose Schizo- phrenie tätigen könnte. 3.3.4. Es ist bereits ausgeführt worden, dass mit einer neuroleptischen Behandlung lediglich ein geringer Behandlungserfolg zu erwarten ist, zumal der Beschwerdeführer primär an einer Persönlichkeitsstö- rung leidet, welche ohnehin schwer therapierbar ist. Aus diesem Grund ist vorliegend die Verhältnismässigkeit der Zwangsmedikation nicht gegeben. Die notwendige Fürsorge im Haftstatus kann dem Be- schwerdeführer ohne neuroleptische Behandlung erwiesen werden. So ergibt sich aus den Akten, dass der Beschwerdeführer die meiste Zeit anständig und freundlich ist; es ist nicht ersichtlich, dass er einer besonderen Behandlung/Fürsorge bedürfe. Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer bei den gele- gentlich vorkommenden Aggressionsdurchbrüchen notfallmässig se- diert werden kann. Ob diese Aggressionsdurchbrüche mit seiner Situation (seit rund 20 Monaten in Haft; das Ende der Haftzeit ist noch offen), seiner Persönlichkeitsstörung oder mit einer allfälligen Schizophrenie in Zusammenhang stehen, ist ungewiss. 3.4. 3.4.1. Weitere Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Zwangsmass- nahme nach § 241a Abs. 2 lit. b StPO ist die Unzurechnungsfähigkeit des Betroffenen aufgrund einer Krankheit. Bei der Auslegung dieser Voraussetzung ist zunächst festzuhal- ten, dass der Begriff Zurechnungsfähigkeit ein Begriff des Straf- rechts ist und die Schuldfähigkeit eines Täters in Bezug auf eine be- stimmte Straftat betrifft. So ist gemäss Art. 19 StGB nicht strafbar, wer zur Zeit der Tat nicht fähig war, das Unrecht seiner Tat einzuse- hen oder gemäss dieser Einsicht zu handeln. Im Zusammenhang mit einer medizinischen Zwangsbehandlung eines Gefangenen kann so- 2008 Zwangsmassnahmen gemäss § 241a StPO 221 mit die Frage der Zurechnungsfähigkeit im strafrechtlichen Sinne keine Rolle spielen. Eine teleologische Auslegung der Bestimmung ergibt, dass man in Analogie zur Zwangsbehandlung im Rahmen von fürsorgerischen Freiheitsentziehungen (§ 67e bis EG ZGB) eine ge- setzliche Grundlage für behandlungsbedürftige Gefangene schaffen wollte. Unklar ist, ob der Wortlaut "aufgrund einer Krankheit nicht zurechnungsfähig" eine Umschreibung von "Geisteskrankheit oder Geistesschwäche" sein soll, oder ob damit bewusst strengere Voraus- setzungen für eine Zwangsbehandlung geschaffen werden sollten, indem das Vorliegen einer Urteilsunfähigkeit bezüglich Behandlung vorausgesetzt werden sollte. Sinn und Zweck von § 241a Abs. 2 lit. b StPO liegt darin, kranke Gefangene unter den gleichen Voraussetzungen wie Personen in einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung gegen ihren Willen me- dizinisch behandeln zu können, wobei gemäss eindeutigem Wortlaut zusätzlich eine schwere Selbst- oder Drittgefährdung vorausgesetzt wird. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Zwangsbehandlun- gen stets im eigenen wohlverstandenen Interesse einer kranken Per- son erfolgen, ist bereits diese zusätzliche Voraussetzung (schwere Selbst- oder Drittgefährdung) bedenklich, kann doch einem kranken Gefangenen erst später - nämlich erst bei einer schweren Gefähr- dungssituation - die in seinem Interesse liegende, wenn auch gegen seinen Willen erfolgte, adäquate Behandlung zuteil werden, als ei- nem genau gleich kranken Menschen, der gegen seinen Willen in eine Klinik eingewiesen und dort gegen seinen Willen behandelt wird. Umso mehr verstösst § 241a Abs. 2 lit. b StPO gegen das Rechtsgleichheitsprinzip, wenn diese Norm so ausgelegt wird, dass zusätzlich zur schweren Selbst- oder Fremdgefährdung das Vorliegen einer Urteilsunfähigkeit des kranken Gefangenen vorausgesetzt wird. Es ist unter diesen Umständen nicht nachvollziehbar, weshalb andere - strengere - Voraussetzungen für eine Zwangsbehandlung geschaffen werden sollten; sicher ist jedoch, dass im Sinne einer restriktiven Umsetzung höchstens Urteilsunfähigkeit aufgrund einer Krankheit in Bezug auf die (notwendige) medikamentöse Behandlung gemeint sein kann. 2008 Verwaltungsgericht 222 Es rechtfertigt sich, die Auslegung des Begriffs der Urteilsfä- higkeit bzw. Urteilsunfähigkeit im Sinne von Art. 16 ZGB vorzuneh- men, wonach urteilsfähig ist, wer nicht wegen seines Kindesalters oder infolge von Geisteskrankheit, Geistesschwäche, Trunkenheit oder ähnlichen Zuständen die Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu handeln. Für die Beurteilung der Urteilsunfähigkeit ist im Einzelfall von den konkreten Umständen hinsichtlich einer bestimmten Handlung auszugehen. Urteilsunfähigkeit kann angenommen werden, wenn es an der Fähigkeit fehlt, eine bestimmte Lage richtig zu beurteilen und in Angelegenheiten der in Frage stehenden Art ein vernünftiges Ur- teil zu bilden sowie die Beweggründe und Folgen eines bestimmten Handelns richtig zu erkennen (vgl. dazu den Entscheid des Bundes- gerichts vom 22. März 2001 [1P.103/2001], Erw. 7b/aa). 3.4.2. Der behandelnde Oberarzt führte anlässlich der Verhandlung aus, er erachte den Beschwerdeführer als urteilsunfähig betreffend Medikation. 3.4.3. Es ist nicht erkennbar, dass die diagnostizierte Persönlichkeits- störung beim Beschwerdeführer zu einem fehlenden Realitätsbezug führt. Da eine Persönlichkeitsstörung einer neuroleptischen Behand- lung nicht zugänglich ist, kann sicher nicht gesagt werden, der Be- schwerdeführer sei urteilsunfähig, wenn er diese Behandlung ver- weigert. Selbst bei allfälligem Vorliegen einer Schizophrenie kann nicht gesagt werden, dem Beschwerdeführer fehle die Einsicht in die Not- wendigkeit der Behandlung. Der Beschwerdeführer kennt die Krank- heit von seiner Mutter her; anlässlich seiner zweiten Hospitalisation in der Klinik Königsfelden Ende 2007/anfangs 2008 wurde er mit Neuroleptika behandelt. Er kennt das Wesen einer neuroleptischen Behandlung; er weiss, was die entsprechenden Medikamente bewir- ken, sowohl in positiver Hinsicht als auch in Bezug auf Nebenwir- kungen. Dass er diese Behandlung nicht will, ist in einem gewissen Sinne nachvollziehbar, zumal er unter keinen positiven Symptomen 2008 Zwangsmassnahmen gemäss § 241a StPO 223 (Halluzinationen usw.) leidet. Es kann daraus nicht auf diesbezügli- che Urteilsunfähigkeit geschlossen werden. 3.4.4. In Zusammenfassung obiger Erwägungen kann festgestellt wer- den, dass der Beschwerdeführer hinsichtlich der Frage einer medi- kamentösen Behandlung urteilsfähig ist. 3.5. 3.5.1. Weitere Voraussetzung für die Zulässigkeit von Zwangsmass- nahmen im Strafvollzug ist das Vorliegen einer schweren Selbst- oder Drittgefährdung. Fremdgefährdung liegt vor, wenn für andere Personen eine ab- sehbare Gefährdung besteht. Gefahr besteht insbesondere in aggres- sivem Verhalten bis zur Androhung von schwerer Gewalt oder in körperlichen Attacken. 3.5.2. Wenn der Gesetzestext von schwerer Fremdgefährdung spricht, kann nur eine akute Fremdgefährdung gemeint sein. Aus den Akten ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer in den vergangenen Jahren mehrfach massiv bedrohlich und teilweise auch tätlich ge- worden ist. Der Vorfall im Bezirksgefängnis Z. vom 26. Juni 2008, wo der Beschwerdeführer den Gefangenenwart mehrfach bedrohte, in der Zelle ein Feuer entzündete und ein Metallstück eines Fenster- rahmens in bedrohlicher Haltung in der Hand hatte, führte zur ak- tuellen Hospitalisation des Beschwerdeführers in der Klinik Königs- felden. In diesem Zeitpunkt war eine schwere Fremdgefährdung nicht auszuschliessen. Seit der Beschwerdeführer in der Klinik Königsfelden ist, gab es keinerlei Anzeichen für eine akute Fremdgefährdung. So wurde bereits am Tag nach der Einweisung in der Krankengeschichte an- lässlich der oberärztlichen Untersuchung explizit festgehalten, es be- stünden keine Hinweise auf Fremdgefährdung. Der Beschwerdefüh- rer wird im Pflegebericht durchwegs als anständig und freundlich be- schrieben. Trotz der schwierigen persönlichen Situation, trotz Isola- tion und Zwangsmedikation ist der Beschwerdeführer nie "ausge- rastet". Auch anlässlich der verwaltungsgerichtlichen Verhandlung, 2008 Verwaltungsgericht 224 welche einen zusätzlichen Stressfaktor darstellt, blieb er ruhig und stets anständig. Eine schwere Drittgefährdung im Sinne von § 241a Abs. 2 lit. b StPO liegt somit nicht vor. 4. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die strengen Vorausset- zungen für eine Zwangsmedikation gemäss § 241a Abs. 2 lit. b StPO vorliegend nicht erfüllt sind. Nebst der gutachterlich festgestellten Diagnose der Persönlichkeitsstörung und der Notwendigkeit einer Verhaltenstherapie bestehen zu viele Ungewissheiten. Es muss im heutigen Zeitpunkt offen bleiben, ob allenfalls zusätzlich eine Er- krankung aus dem schizophrenen Formenkreis vorliegt und ob mit- tels Neuroleptika ein wesentlicher Behandlungserfolg erzielt werden könnte. Zusätzlich fehlt es an einer schweren Fremdgefährdung des Beschwerdeführers ebenso wie an einer durch Krankheit verursach- ten Urteilsunfähigkeit. Aus diesen Gründen wird der Zwangsmassnahmen-Entscheid der Klinik Königsfelden vom 30. Juni 2008 aufgehoben.
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2000 Verwaltungsgericht 290 [...] 68 Referenzauskünfte. - Mündlich eingeholte Auskünfte zuhanden der Vergabestelle bezüglich der zuschlagsrelevanten Punkte müssen vollständig, sachlich richtig und unmissverständlich festgehalten bzw. wiedergegeben werden, was eine entsprechend sorgfältig abgefasste schriftliche Aktennotiz er- fordert. - Formelle Mindestanforderungen. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 30. März 2000 in Sachen ARGE E. AG/M. AG gegen den Beschluss / die Verfügung des Abwasserverbands O. Aus den Erwägungen 2. d) bb) Die öffentlichrechtliche Vergabestelle im Sinne von § 5 SubmD ist wie jede andere Verwaltungsbehörde verpflichtet, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig und vollständig festzustellen. Dies ergibt sich schon aus § 25 Abs. 2 lit. b SubmD, wonach die un- richtige oder unvollständige Sachverhaltsfeststellung einen Be- schwerdegrund darstellt. Mit anderen Worten gilt auch im erst- 2000 Submissionen 291 instanzlichen Submissionsverfahren als nichtstreitigem Verwaltungs- verfahren der Untersuchungsgrundsatz (vgl. § 20 Abs. 1 VRPG; Alfred Kölz / Jürg Bosshart / Martin Röhl, VRG, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2. Auflage, Zürich 1999, § 7 N 4). Dieser Grundsatz gebietet der Behörde, nach der wirklichen Sachlage zu suchen; sie darf sich nur auf Sachum- stände stützen, von deren Vorhandensein sie sich überzeugt hat (Kölz/Bosshart/Röhl, a.a.O., § 7 N 4). Für das Submissionsverfahren bedeutet dies, dass die Vergabebehörde aufgrund eines richtig und vollständig festgestellten Sachverhalts das wirtschaftlich günstigste Angebot zu ermitteln und über den Zuschlag zu befinden hat. Grundlagen dafür bilden vorab die von den Anbietenden eingereich- ten, allenfalls im Rahmen von § 17 SubmD bereinigten Angebote. Auch Referenzauskünfte - ob und in welchem Umfang eine Verga- bestelle derartige Auskünfte einholen will, liegt grundsätzlich in ihrem Ermessen (VGE III/157 vom 26. November 1998 in Sachen Sch. AG, S. 12 f.) - können der Sachverhaltsermittlung dienen. Refe- renzen informieren über die Qualität der Arbeitsausführung, die Terminwahrung, das Geschäftsgebaren eines Anbieters usw. bei früheren für andere Auftraggeber erbrachten Leistungen. Referenz- geber sind in diesem Sinne Auskunftspersonen in einem (erst- instanzlichen) Verwaltungsverfahren, d. h. private Dritte, die nicht Verfahrensbeteiligte sind und kein schutzwürdiges rechtliches oder tatsächliches Interesse am Verfahrensausgang besitzen (Kölz/Boss- hardt/Röhl, a.a.O., § 7 N 20). Im öffentlichen Vergabeverfahren kommen auch Behörden oder Behördemitglieder als Referenz- bzw. Auskunftspersonen in Frage. In Lehre und Rechtsprechung wird festgehalten, dass Auskunftspersonen in der Regel mündlich einzu- vernehmen sind, und ein Protokoll aufzunehmen ist, das bei wich- tigen Aussagen von der Auskunftsperson zu unterzeichnen ist. Damit den Betroffenen das rechtliche Gehör gewährt werden kann, sind Aussagen von Auskunftspersonen besonders sorgfältig schriftlich festzuhalten (BGE 101 Ib 276; Kölz/Bosshardt/Röhl, a.a.O., § 7 2000 Verwaltungsgericht 292 N 21). Der durch § 15 Abs. 1 VRPG und - noch weitergehend (vgl. AGVE 1980, S. 305 f.) - durch Art. 29 Abs. 2 BV gewährleistete Anspruch auf rechtliches Gehör dient einerseits der Sachaufklärung und stellt anderseits ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht beim Erlass eines Entscheids dar, der in die Rechtsstellung des Einzelnen eingreift. Dazu gehört insbesondere das Recht des Be- troffenen, sich vor Erlass eines solchen Entscheids zur Sache zu äussern, erhebliche Beweise beizubringen, Einsicht in die Akten zu nehmen, mit erheblichen Beweisanträgen gehört zu werden und an der Erhebung wesentlicher Beweise entweder mitzuwirken oder sich zumindest zum Beweisergebnis zu äussern, wenn dieses geeignet ist, den Entscheid zu beeinflussen (BGE 124 I 52; 122 II 469; 119 Ia 139; 119 V 211; 118 Ia 19). Die Tragweite des Anspruchs auf rechtliches Gehör im Sinne einer verfahrensrechtlichen Minimal- garantie bestimmt sich ganz allgemein nach der konkreten Situation und Interessenlage im Einzelfall (BGE 113 Ia 288). Im Bereich der Vergabe öffentlicher Aufträge macht der Bewerber selbst ein Angebot und reicht die entsprechenden Unterlagen ein, um der Vergabebehörde damit grundsätzlich die nötigen Grundlagen für ihren Entscheid zu verschaffen. Darüber hinaus kommt ihm - ähnlich wie bei Examensentscheiden (vgl. BGE 113 Ia 288) - im Submis- sionsverfahren vor dem behördlichen Entscheid über den Zuschlag grundsätzlich kein Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs zu, sondern ein solcher Anspruch kann sich nur sehr beschränkt zwecks umfassender Sachaufklärung einzelfallweise ergeben (vgl. VGE III/59 vom 19. August 1997 in Sachen K. AG, S. 8 f.; III/82 vom 3. Oktober 1997 in Sachen J. AG, S. 9 f.). Hingegen besteht nach erfolgter Eröffnung des Zuschlags der Gehörsanspruch im Sin- ne eines Einsichts- und Auskunftsrechts der nicht berücksichtigten Anbieter (§ 20 Abs. 2 SubmD), welches auch die Auskunft über Referenzangaben bzw. die Einsicht in entsprechende Unterlagen umfasst. Im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Beschwerdever- fahrens schliesslich besteht bezüglich Referenzangaben grundsätz- 2000 Submissionen 293 lich ein umfassendes Auskunfts- und Akteneinsichtsrecht (vgl. den vorstehenden Zwischenentscheid vom 16. Februar 2000 in Sachen der Beschwerdeführerinnen). Der Anspruch auf rechtliches Gehör besteht somit auch im Submissionsverfahren, zwar (grundsätzlich) nicht vor der Zuschlagserteilung, wohl aber im Anschluss daran und erst recht in einem allfälligen Beschwerdeverfahren. Allein schon dieser Umstand erfordert es, dass über mündlich eingeholte Refe- renzauskünfte mit der gebotenen Sorgfalt schriftliche Aufzeichnun- gen erstellt werden. Hinzu kommt, dass die Abklärungen im Zusam- menhang mit den Referenzen in aller Regel nicht von der Vergabe- behörde als demjenigen Gremium, das verbindlich über den Zu- schlag entscheidet, sondern (delegationsweise) von einem einzelnen Behördemitglied oder vielfach - wie auch im vorliegenden Fall - sogar von einer mit der Durchführung der Submission beauftragten Hilfsperson vorgenommen werden. Auch dieser Umstand gebietet eine sorgfältige aktenmässige Erfassung der eingeholten Referenz- auskünfte, damit das Entscheidgremium über zuverlässige Beurtei- lungsgrundlagen verfügt. Generell verlangt der Grundsatz eines transparenten und fairen, niemanden diskriminierenden Submissions- verfahrens, dass die Vergabestelle nur auf ernsthafte und sachliche Auskünfte Dritter abstellt, an deren Richtigkeit sie keine Zweifel hat. Grundsätzlich zulässig erscheint es aber, die Referenzauskünfte mündlich einzuholen und anschliessend schriftlich festzuhalten, wobei eine handschriftliche Notiz an sich durchaus genügt. Wesent- lich erscheint indes, dass festgehalten wird, wer die Auskunft auf welche Weise (telefonisch usw.) eingeholt hat, wer die Auskunft er- teilt hat, wie sie im Wesentlichen gelautet hat und wann sie eingeholt worden ist. Die von den Beschwerdeführerinnen befürwortete Beschränkung der Vergabestellen dahingehend, dass nur schriftlich eingeholte bzw. erteilte Referenzauskünfte überhaupt Berücksich- tigung finden dürfen, geht dagegen zu weit und lässt sich weder aus dem Gehörsanspruch noch aus dem Gebot eines fairen und transparenten Submissionsverfahrens herleiten. In der Literatur wird 2000 Verwaltungsgericht 294 durchaus zutreffend festgestellt, Auskünfte der Parteien oder Dritter lieferten oft wertvolle Hinweise, ,,zumal Abklärungen in Gesprächs- form manchmal ein differenzierteres Bild über einen Sachverhalt vermitteln als förmliche Einvernahmen" (Thomas Merkli / Arthur Aeschlimann / Ruth Herzog, Kommentar zum Gesetz über die Ver- waltungsrechtspflege im Kanton Bern, Bern 1997, Art. 19 N 17). Entscheidend ist, dass die mündlich eingeholten Auskünfte zuhanden der Vergabestelle bezüglich der zuschlagsrelevanten Punkte voll- ständig, sachlich richtig und unmissverständlich festgehalten bzw. wiedergegeben werden, was eine entsprechend sorgfältig abgefasste schriftliche Aktennotiz erfordert. Die lediglich mündliche Wieder- gabe der erhaltenen Auskünfte gegenüber dem Entscheidgremium durch diejenige Person, welche die Referenzen eingeholt hat, erweist sich demgegenüber sowohl aus faktischen als auch aus rechtlichen Gründen als ungenügend. Zum einen ist es eine Tatsache, dass das Erinnerungsvermögen zeitlich und umfangmässig begrenzt ist, Informationen vergessen werden, und es sehr rasch auch zu Ver- wechslungen und Irrtümern kommen kann. Zum anderen geschieht die Vergabe öffentlicher Aufträge in einem normativ geregelten Ver- waltungsverfahren; die Vergabestelle ist bei der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots an die rechtlichen Vorgaben, wie sie vor allem im SubmD, aber auch im BGBM und weiteren Erlassen ihren Niederschlag gefunden haben, gebunden. Die Beschwerdefüh- rerinnen weisen zu Recht darauf hin, dass die Vergabestelle ver- pflichtet sei, ,,bei der Festlegung des wirtschaftlich günstigsten An- gebots korrekte und absolut nachvollziehbare Kriterien herauszuar- beiten". Der nicht berücksichtigte Anbieter hat auch - wie bereits ausgeführt - einen Rechtsanspruch darauf, über ihn belastende Refe- renzauskünfte informiert zu werden. Ebenso muss die allfällig ange- rufene Rechtsmittelinstanz in der Lage sein, zu überprüfen, ob die Auskünfte sachlich zutreffen. Auch dies setzt voraus, dass in Bezug auf die eingeholten Referenzen formelle Mindestanforderungen er- füllt sind, indem sie aktenmässig zuverlässig und vollständig und 2000 Submissionen 295 auch für Dritte nachvollziehbar erfasst werden, um beim Zuschlag Berücksichtigung zu finden.
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AG_VG_001
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AG_VG_001_AGVE-2000-68_2000-03-03
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2009 Gesundheitsrecht 253 IX. Gesundheitsrecht 47 Entbindung vom Arztgeheimnis - Verhältnis der gesetzlichen Meldepflicht des Art. 15 BetmG und § 55b EG ZGB zur ärztlichen Schweigepflicht - Bei einer möglichen Gefährdung von Kindern rechtfertigen objektive Anhaltspunkte eine Entbindung Entscheid des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 19. August 2009 in Sachen C.G. gegen M.P. (WBE.2008.270). Aus den Erwägungen: II. 1. 1.1. Gemäss Art. 321 StGB sowie § 30 GesG haben Ärzte Geheim- nisse, die sie im Rahmen ihrer Berufstätigkeit feststellen, zu wahren. Von dieser Schweigepflicht können sie sich durch Einwilligung des Berechtigten oder durch eine Bewilligung, welche im Kanton Aargau vom DGS erteilt werden kann, befreien lassen. Auch bleiben die eid- genössischen und kantonalen Bestimmungen über die Zeugnispflicht und über die Auskunftspflicht gegenüber einer Behörde vorbehalten (Art. 321 Ziff. 3 StGB). Da mit der Geheimhaltungspflicht von Be- rufsgeheimnissen das verfassungsmässige Recht auf Privatsphäre (Art. 36 BV) geschützt wird, ist die Bewilligung zur Offenbarung des Berufsgeheimnisses nur zulässig, wenn neben der gesetzlichen Grundlage, welche sowohl in Art. 321 StGB als auch in § 30 GesG besteht, das Interesse des Arztes oder der Allgemeinheit an der Of- fenbarung klarerweise gegenüber dem Interesse des Patienten an der Geheimhaltung überwiegt und der Grundsatz der Verhältnismässig- keit eingehalten wird. Die Aufhebung der Geheimhaltungspflicht des 2009 Verwaltungsgericht 254 Arztes bedeutet einen Eingriff in die Geheimsphäre, also in höchst- persönliche Rechte (Heinz Walter Blass, Die Berufsgeheimhaltungs- pflicht der Ärzte, Apotheker und Rechtsanwälte, S. 71 ff.; Marc- Antoine Schaffner, L'autorisation de révéler un secret professionnel, S. 20 f. und 64; Alexander Sieben, Das Berufsgeheimnis auf Grund des eidgenössischen Strafgesetzbuches, S. 45). Sie darf nur ganz ausnahmsweise durchbrochen werden, wenn es zur Wahrung höherer Interessen unumgänglich ist (vgl. BGE 91 I 200 Erw. 2 f. mit Hin- weisen). 1.2. - 1.4.(...) 2. 2.1. Art. 15 Abs. 1 BetmG sieht für Ärzte, die bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit einen Betäubungsmittelmissbrauch feststellen, ein Melderecht vor. Vorausgesetzt wird weder eine Betäubungsmit- telsucht noch ein massiver Konsum von Betäubungsmitteln, wie sich insbesondere aus der von der Beschwerdeführerin zitierten Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Betäubungsmittel vom 9. Mai 1973, S. 1363 f. (BBl 1973 I 1348-1379) entnehmen lässt. Bei dieser Revision wurde in Art. 15 Abs. 1 als auch in der Überschrift der Ausdruck "Betäubungsmittelsucht" durch "Betäubungsmittel- missbrauch" ersetzt. Als Betäubungsmittelmissbrauch gilt grund- sätzlich jeder unbefugte Betäubungsmittelkonsum, d.h. ein Konsum welcher nicht aufgrund einer ärztlichen Anordnung erfolgt (vgl. Art. 19 f. und Art. 9 f. BetmG). Die konsumierte Menge ist daher nicht ausschlaggebend. Massgebend ist vielmehr, dass nach ärztli- cher Einschätzung Betreuungsmassnahmen im Interesse des Patien- ten, seiner Angehörigen oder der Allgemeinheit angezeigt sind. Schon im Anfangsstadium des Betäubungsmittelgebrauchs und ohne dass eine Abhängigkeit oder Sucht vorliegt, können Betreu- ungsmassnahmen angezeigt sein (Botschaft, a.a.O., 1364). 2.2. Nach den Akten suchte die Beschwerdeführerin aufgrund eines Erschöpfungszustandes ihren Hausarzt, Dr. med. X., auf, welcher sie an den Beschwerdegegner zur psychologischen Betreuung überwies. Unbestrittenermassen hat die Beschwerdeführerin ihrem damaligen 2009 Gesundheitsrecht 255 Hausarzt, Dr. med. X., und der behandelnden Psychologin in der Praxis des Beschwerdegegners, Y., mitgeteilt, dass sie übermässig Alkohol und regelmässig mehrere Joints (15 - 20 Joints pro Tag), konsumiert. Sie hat ihren erheblichen Betäubungsmittelkonsum und Alkoholkonsum im Bericht an den Beschwerdegegner unterschrift- lich bestätigt. In ihrem Schreiben vom (...), in welchem sie ihre Zu- stimmung zum Bericht von Y. an den Beschwerdegegner widerrief, führte sie nur an, sie habe zu hohe Mengenangaben gemacht. Damit ist der Alkohol- und Cannabiskonsum an sich relativiert, aber nicht ausgeschlossen. Ihre Ausführungen im Schreiben vom (...) können in Übereinstimmung mit der Vorinstanz nur so verstanden werden, dass die Beschwerdeführerin lediglich ihre Angaben hinsichtlich der konsumierten Mengen widerrief. Nicht widerrufen ist damit die Tat- sache, dass sie Cannabis konsumiere bzw. konsumierte. Auch in der Stellungnahme vom (...) bestreitet die Beschwerdeführerin den Konsum nicht. Vielmehr ist auch hier lediglich die Rede von weit überhöhten Angaben der Beschwerdeführerin betreffend ihres eige- nen Suchtmittelkonsums. Das Gleiche gilt für die Ausführungen in der Beschwerdeschrift vom (...). Die gegenteiligen Ausführungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde erscheinen damit wenig über- zeugend und auch das Blutanalyseblatt lässt nicht zwingend auf eine Betäubungsmittelabstinenz schliessen. Analysewerte für die ein- schlägigen Substanzen (vgl. dazu Art. 2 Abs. 2 VRV) fehlen. Zu berücksichtigen ist weiter, dass die Beschwerdeführerin die Vornahme einer Blutanalyse zu ihrem Betäubungsmittelkonsum ver- weigerte und die Behandlung in der Praxis des Beschwerdegegners vorzeitig abgebrochen hat. Sie lehnte sodann eine Entbindung ihres Hausarztes Dr. X. vom Arztgeheimnis ab und wechselte zu einem neuen Hausarzt. Verdachtsmomente eines Alkoholmissbrauchs erge- ben sich sodann aus dem Bericht des Kantonsspitals (...), wonach die Beschwerdeführerin während einer Arztkonsultation mit einem Pflegekind alkoholisiert gewesen sein könnte. 2.3. Im Zeitpunkt des Entbindungsgesuchs (...) betreute die Be- schwerdeführerin die leibliche Tochter A., geb. 2002, seit Dezember 2005 den Pflegesohn B., geb. 2004, und seit Dezember 2004 das Ta- 2009 Verwaltungsgericht 256 geskind C., geb. 2002. Zusätzlich beaufsichtigte sie stundenweise Tageskinder, welche ihr von Z. vermittelt wurden. Aktenkundig sind massive Erziehungsschwierigkeiten beim Pflegekind. Die Beschwerdeführerin war vom (...) bis (...) in der Gemein- schaftspraxis des Beschwerdegegners in Behandlung. Unbestritten ist, dass die Beschwerdeführerin an einem (grossen) Erschöpfungs- zustand litt. Ihr Hausarzt verschrieb Psychopharmaka und riet zu ei- ner psychiatrischen Abklärung und Behandlung. Gegenüber ihrem Hausarzt und im Verlaufe der psychiatrischen Behandlung gab sie detailliert Auskunft zu ihrem Betäubungsmittel- und Alkoholkonsum, welche den Schluss auf eine Substanzabhängigkeit und einen Suchtmittelabusus zuliessen. In ihren anamnetischen Angaben schil- derte sie eine jahrelange Depression mit Angstzuständen. Die Anga- ben bestätigte sie mit ihrer Unterschrift zum Bericht der behandeln- den Psychologin. Aufgrund der Angaben der Beschwerdeführerin, den Feststel- lungen des Hausarztes und des Beschwerdegegners bzw. der behan- delnden Psychologin, lagen angesichts der unbestrittenen Belas- tungssituation der Beschwerdeführerin ausreichende objektive An- haltspunkte für eine mögliche Gefährdung der von ihr betreuten Kinder vor. An den ausreichenden Verdachtsgründen vermag der Widerruf der Angaben zum Betäubungsmittelkonsum und ihrer Un- terschrift zum Bericht der Psychologin nichts zu ändern. Die Melde- pflicht in Art. 15 Abs. 1 BetmG hat einen präventiven Charakter. An den Nachweis des Betäubungsmittelmissbrauchs sind daher keine hohen Anforderungen zu stellen und er erfordert insbesondere keinen (Labor-) Nachweis der medizinischen Befunde. Im Einzelfall können die anamnetischen Angaben eines Patienten oder einer Patientin durchaus genügen, wenn sie glaubhaft erscheinen und eine zulässige Grundlage für eine medizinische Diagnose bilden. Der Beschwerde- führerin kann daher nicht gefolgt werden, wenn sie ihrem Widerruf eine grössere Bedeutung beimessen will, als den gegenüber Hausarzt und - während Monaten - dem Beschwerdegegner bzw. der behan- delnden Psychologin gegenüber aufrecht erhaltenen, unterschriftlich bestätigten Angaben zu ihrer psychischen Verfassung und ihrem Suchtverhalten. Der Widerruf erfolgte zudem nach Darstellung der 2009 Gesundheitsrecht 257 Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten im Zusammenhang mit der ultimativen Aufforderung des Beschwerdegegners zu einer Blutana- lyse und stand offensichtlich bereits mit dem Behandlungsabbruch im Zusammenhang. Ziel der Blutanalyse war nachgerade die zuver- lässige Feststellung der Sucht und damit die Verifizierung der Anga- ben der Beschwerdeführerin. Ihre Weigerung und der Behandlungs- abbruch konnten damit auch eine zusätzliche Selbst- oder Drittge- fährdung nahelegen oder zumindest anfängliche Verdachtsmomente verstärken. Wie es sich damit verhält, ist unter diesen Umständen nicht abschliessend zu untersuchen. Zur Gefährdungsmeldung nach dem Betäubungsmittelgesetz sind die Ärzte ermächtigt, wenn sie aufgrund einer medizinischen Diagnose eine Betreuungsmassnahme u.a. im Interesse des Patienten und seiner Angehörigen als angezeigt erachten. Die gesetzliche Ermächtigung räumt den Ärzten ein Er- messen bei der Einschätzung des Gefährdungspotenzials ein. Soweit Drittpersonen das Verhalten der Beschwerdeführerin nachträglich als "Hilferuf" bezeichnen und vortragen, sie habe in ihrer Schilderung masslos übertrieben, kann dem Beschwerdegegner keine falsche Ein- schätzung vorgeworfen werden. Gerade solche "Hilferufe" können auch Anlass zu Betreuungsmassnahmen bilden. Die Angaben der Beschwerdeführerin zur konkreten Lebens- und Familiensituation konnten vom Beschwerdegegner naturgemäss nur beschränkt auf ih- ren Wahrheitsgehalt geprüft werden, und Anlass zu Zweifeln an ihrer Glaubwürdigkeit ergab sich allenfalls, als sie ihre Angaben widerrief. Im Hinblick auf die Gefährdungssituation und die Notwendigkeit von Betreuungsmassnahmen konnte der Widerruf daher durchaus ei- nen weiteren Anlass zur Abklärung durch die zuständigen Behörden geben. Die Meldung gemäss Art. 15 Abs. 1 BetmG soll gerade die Möglichkeit zur rechtzeitigen Abklärung einer möglichen Gefähr- dung gewährleisten. Die Meldestellen unterstehen dem Amts- und Berufsgeheimnis (vgl. Art. 15 Abs. 2 BetmG). Unter diesen Umstän- den das Gesuch um Entbindung vom Arztgeheimnis zu stellen, ist daher nicht zu beanstanden. Hinzu kommt, dass das Gesuch um Ent- bindung sich auch deshalb rechtfertigte, weil Art. 15 BetmG i.V.m. der kantonalen Bestimmung in § 11 der Vollziehungsverordnung zum Bundesgesetz über die Betäubungsmittel vom 3. September 1953 2009 Verwaltungsgericht 258 (VVO BetmG) den Arzt in schweren Fällen zur Meldung verpflich- tet. Eine niedrige Schwelle ist grundsätzlich bei der Beurteilung der Gefährdung von Kleinkindern angezeigt. Der Arzt, welcher eine Pa- tientin mit Betreuungs- und Obhutspflichten von Kleinkindern be- handelt, verfügt in der Regel nicht über die notwendigen Informa- tionen zur Beurteilung einer konkreten Gefährdung, noch ist er für diese Abklärungen zuständig. Die Gefährdungsmeldung hat vielmehr den Zweck die zuständigen Behörden auf eine mögliche Gefahr für das Kindeswohl aufmerksam zu machen. Dem Schutzzweck zum Wohl des Kindes dienen auch die bundes- und kantonalrechtlichen Bestimmungen im Kindesrecht. Ist ein Kind gefährdet und sorgen die Eltern nicht von sich aus für Abhilfe oder sind sie dazu ausserstande, so trifft die Vormundschaftsbehörde die geeigneten Massnahmen zum Schutz des Kindes (Art. 307 Abs. 1 ZGB). Die Kantone sichern durch geeignete Vorschriften die zweckmässige Zusammenarbeit der Behörden und Stellen auf dem Gebiet des zivilrechtlichen Kindes- schutzes, des Jugendstrafrechts und der übrigen Jugendhilfe (Art. 317 ZGB). Im Kanton Aargau gilt, aufgrund dieser bundes- rechtlichen Vorgaben, ein Melderecht und eine Meldepflicht. Gemäss § 55b Abs. 1 EG ZGB ist "jedermann" berechtigt, die Gefährdung von Kindern der Vormundschaftsbehörde zu melden. Abs. 2 dieser Bestimmung verpflichtet Behörden und Beamte zu einer solchen Meldung. Bei objektiven Anhaltspunkten für eine Gefährdung des Kindeswohls kann der Arzt daher eine Gefährdungsmeldung an die Vormundschaftsbehörde richten. Das gesetzliche Melderecht im kantonalen Recht begründet, wie Art. 15 Abs. 1 BetmG, einen Recht- fertigungsgrund gemäss Art. 14 StGB und berechtigt den Geheim- nisträger jedenfalls eine Bewilligung bei der vorgesetzten Behörde zu beantragen (Brigitte Tag, in: Moritz W. Kuhn/Thomas Poledna, Arztrecht in der Praxis, 2. Aufl., Zürich 2007, 13. Kapitel, V.1.e/cc, S. 754). Ob dieses Melderecht sogar die Entbindung vom Berufsge- heimnis durch die vorgesetzte Behörde unnötig macht, wie dies ein Teil der Lehre vertritt, kann hier offen bleiben (vgl. Brigitte Berger Kurzen; E-Health und Datenschutz, Rz. 199). Der Hinweis des Be- schwerdeführers auf die in der VVO BetmG vorgesehene Zuständig- 2009 Gesundheitsrecht 259 keit des Kantonsarztes für die Meldung nach Art. 15 BetmG ist daher nicht relevant. Der nach Darstellung der Beschwerdeführerin bloss vorgescho- bene regelmässige und übermässige Cannabis- und Alkoholkonsum begründete, aufgrund des unbestrittenen Erschöpfungszustands der Beschwerdeführerin, ausreichende Verdachtsmomente für eine Mel- dung, selbst wenn die Mengenangaben nachträglich bestritten wur- den und nicht zutreffen. Nicht zu beanstanden sind daher die Fest- stellungen der Vorinstanz zur Überlastungssituation und zum aus- reichenden Gefährdungsverdacht. Aufgrund der objektiv möglichen und nicht auszuschliessenden Gefährdung der drei Kinder wurde das Interesse an der Entbindung vom Berufsgeheimnis zu Recht höher als das Interesse der Beschwerdeführerin an der Wahrung ihrer Geheimnissphäre eingestuft. Von einer ungenügenden, weil zu vagen Verdachtslage kann nicht die Rede sein, auch wenn rückblickend die Beurteilung des Beschwerdegegners unzutreffend war oder die Vor- mundschaftsbehörde den Verdacht nicht bestätigen konnte. Dem Be- schwerdegegner stand bei der Beurteilung einer möglichen Gefähr- dung der Kinder, welche der Beschwerdeführerin anvertraut waren, ein erhebliches Ermessen zu. Im Zweifelsfall ist eine Gefährdungs- meldung im Interesse der Kinder angebracht, wenn nicht geboten. Im massgebenden Gesuchszeitpunkt waren daher die Voraussetzungen für eine Entbindung gegeben, zumal die Beschwerdeführerin die me- dizinische Verifizierung selbst verhinderte.
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2006 Verwaltungsgericht 178 35 Nutzungsweise in der Landwirtschaftszone. - Trennung zwischen der Frage der Baubewilligungspflicht und jener der materiellen Rechtmässigkeit der Nutzung (Erw. 2). - Eine Nutzung als Blumenwiese oder Rasen stellt keine landwirt- schaftliche Nutzung im Sinne von Art. 16 RPG dar (Erw. 3). - Fehlen der Voraussetzungen für eine Ausnahmebewilligung gemäss Art. 24 RPG (Erw. 4). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 8. November 2005 in Sachen Einwohnergemeinde Dintikon gegen Baudepartement. Aus den Erwägungen 1. 1.1. Die Beschwerdegegner haben gestützt auf die Baubewil- ligung des Gemeinderats Dintikon vom 22. Juli 2002 auf der Parzelle Nr. 1032 eine zweigeschossige Wohnbaute realisiert. Das Grundstück liegt gemäss dem Zonenplan der Gemeinde Dintikon vom 30. Mai / 28. Oktober 1997 in der Wohnzone 2. Streitgegenstand im Verfahren vor Verwaltungsgericht bildet die Nutzung einer südlich an die Par- zelle Nr. 1032 angrenzenden, auf der Parzelle Nr. 170 gelegenen Teilfläche von ca. 44 m 2 . Die im Eigentum von R. stehende Parzelle Nr. 170 liegt gemäss dem Kulturlandplan der Gemeinde Dintikon vom 23. November 1992 / 21. Dezember 1993 in der Landwirt- schaftszone. Die Beschwerdegegner haben mit der Eigentümerin per 1. März 2003 einen mündlichen Pachtvertrag auf 10 Jahre zur Nut- zung und Bewirtschaftung dieses Landstücks abgeschlossen; (...). 1.2. Die Beschwerdegegner haben auf der in Frage stehenden Landfläche Rasen gesät sowie vier bis fünf einheimische Sträucher und einen Niederstammapfelbaum gepflanzt. Zusätzlich haben sie im südöstlichen Bereich der Rasenfläche zwei Gartenbeete angelegt, welche durch locker gesetzte und begehbare Gartenplatten voneinan- der abgetrennt sind. 2. Das Baudepartement hat die Streitfrage, ob die Nutzung der gepachteten Landfläche der in der Landwirtschaftszone zulässigen Nutzungsweise entspreche, auf die Frage fokussiert, ob eine baube- 2006 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 179 willigungspflichtige Massnahme vorliege. Nach Prüfung aller dies- bezüglichen Gesichtspunkte ist es zum Schluss gelangt, es bestehe "insgesamt keine Veranlassung, den vorliegenden Sachverhalt einem Baubewilligungsverfahren zu unterwerfen". Die Beschwerdegegner schliessen sich dieser Betrachtungsweise an; die Frage, ob eine be- stimmte Nutzung zonenkonform sei, stelle sich erst, wenn die Frage nach der Baubewilligungspflicht der Nutzung bejaht werde. Bauten und Anlagen dürfen nur mit behördlicher Bewilligung errichtet oder geändert werden (Art. 22 Abs. 1 RPG). Alle Bauten und ihre im Hinblick auf die Anliegen der Raumplanung, des Um- weltschutzes oder der Baupolizei wesentliche Umgestaltung, Erwei- terung oder Zweckänderung bedürfen der Bewilligung durch den Gemeinderat (§ 59 Abs. 1 BauG). Nach der in Rechtsprechung und Lehre üblichen Umschreibung gelten als "Bauten und Anlagen" je- denfalls jene künstlich geschaffenen und auf Dauer angelegten Ein- richtungen, die in bestimmter fester Beziehung zum Erdboden stehen und die Nutzungsordnung zu beeinflussen vermögen, weil sie entwe- der den Raum äusserlich erheblich verändern, die Erschliessung be- lasten oder die Umwelt beeinträchtigen (BGE 123 II 259 mit Hin- weisen; AGVE 2001, S. 287 mit zahlreichen weiteren Hinweisen). Aufgrund dieser Umschreibung ist offenkundig, dass die in Frage stehende Nutzung keinen baubewilligungspflichtigen Tatbestand dar- stellt; insoweit schliesst sich das Verwaltungsgericht der Meinung des Baudepartements an. Wie die Beschwerdeführerin nun aber zu Recht einwendet, greift dieser Ansatz zu kurz, weil hier nur die (materielle) Rechtmässigkeit der Nutzung das Thema ist und die Baubewilligungspflicht mit dieser Beurteilung nicht direkt zusam- menhängt, sondern ausschliesslich der vorgängigen Kontrolle eines Bauvorhabens durch die Behörde dient (AGVE 2001, S. 288 mit Hinweisen). Wird durch die Errichtung von Bauten ohne Bewilli- gung, unter Verletzung einer solchen oder auf andere Weise ein un- rechtmässiger Zustand geschaffen, so kann in allen Fällen - also auch wenn keine Baubewilligungspflicht besteht - die Herstellung des rechtmässigen Zustands angeordnet werden (§ 159 Abs. 1 BauG); vorgängig muss selbstredend geprüft werden, ob ein Widerspruch mit dem objektiven Recht vorliegt (AGVE 1996, S. 326 mit Hinwei- 2006 Verwaltungsgericht 180 sen; siehe auch § 30 Abs. 3 Satz 1 ABauV). Diese Prüfung ist auch hier vorzunehmen. 3. 3.1. Nach Art. 16 Abs. 1 Satz 2 RPG (in der Fassung vom 20. März 1998) umfassen Landwirtschaftszonen Land, das sich für die landwirtschaftliche Bewirtschaftung oder den produzierenden Gartenbau eignet und zur Erfüllung der verschiedenen Aufgaben der Landwirtschaft benötigt wird (lit. a) oder das im Gesamtinteresse landwirtschaftlich bewirtschaftet werden soll (lit. b). Die landwirt- schaftliche Bewirtschaftung umfasst einerseits die bodenabhängige und bodenunabhängige Erzeugung von pflanzlichen und tierischen Produkten und anderseits die Pflege von ökologischen Ausgleichs- flächen (Peter Hänni, Planungs-, Bau- und besonderes Umwelt- schutzrecht, 4. Auflage, Bern 2002, S. 171 mit Hinweisen). In Bezug auf den Gartenbau ist dabei festzuhalten, dass in der Landwirt- schaftszone nur derjenige Gartenbau als zonenkonform anerkannt wird, der in Arbeitsweise und Landbedarf mit der landwirtschaftli- chen Nutzung vergleichbar ist und zur Bewirtschaftung freien Lan- des eine hinreichend enge Beziehung aufweist. Gemeint sind dabei vorab Freilandgärtnereien, welche Pflanzen in Treibhausanlagen vor- ziehen und später in offenes Land versetzen. Dagegen gelten Be- triebe in der Landwirtschaftszone, die überwiegend mit künstlichem Klima unter ständigen, festen Abdeckungen arbeiten, nicht als zo- nenkonform. Vielmehr sind nur überwiegend bodenabhängig produ- zierende Gartenbaubetriebe in der Landwirtschaftszone zugelassen, wobei darunter Betriebe zu subsumieren sind, die bei gesamthafter Betrachtung ihres langfristigen Bewirtschaftungskonzepts und der zu dessen Realisierung eingesetzten Mittel als Freilandbetriebe qualifi- ziert werden können (BGE 125 II 281). Mithin gehört bloss gestal- tender und nichtproduzierender Gartenbau nicht dazu (Hänni, a.a.O.). 3.2. Die streitbetroffene Nutzung der gepachteten Flächen auf der Parzelle Nr. 170 kann unzweifelhaft nicht dem Gartenbau im vorgenannten Sinne zugerechnet werden. Das Baudepartement hat diese Nutzung unter Verweisung auf BGE 112 Ib 404 ff. unter den Begriff der Freizeitlandwirtschaft subsumiert. Im erwähnten Ent- scheid hat das Bundesgericht im Zusammenhang mit der Prüfung der Zulässigkeit eines Gerätehäuschens in der Landwirtschaftszone aus- 2006 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 181 geführt, der Wortlaut von Art. 16 Abs. 1 lit. a RPG lasse die Frage offen, ob auch "Hobbylandwirtschaft" als landwirtschaftliche Nut- zung gelten könne. Es kam jedoch in Würdigung der einschlägigen kantonalen und kommunalen Bestimmungen sowie im Lichte von Art. 3 Abs. 2 lit. a RPG zum Schluss, dass ein solches Geräte- häuschen nicht landwirtschaftszonenkonform sei, da es bloss hobby- mässiger Bodennutzung diene (BGE 112 Ib 406). Das Bundesgericht hat zudem in nicht veröffentlichten Entscheiden festgehalten, dass die Bewirtschaftung des Bodens als solche noch nicht ausreichend sei, um eine landwirtschaftliche Nutzung im Sinne von Art. 16 RPG anzunehmen. Vielmehr müsse die Aktivität des Bewirtschafters in einem bestimmten Umfang ökonomisch rentabel sein. Eine reine Hobbylandwirtschaft könne jedenfalls nicht als landwirtschaftliche Nutzung qualifiziert werden. Diese Grundsätze gelten nach Auffas- sung des Bundesgerichts auch nach der Revision des RPG vom 20. März 1998, was in Art. 34 Abs. 5 RPV zum Ausdruck komme, wonach Bauten und Anlagen für die Freizeitlandwirtschaft nicht als zonenkonform gelten (BGE vom 20. September 2002 [1A.104/2002], Erw. 2.2 mit Hinweis auf die nicht publizierten BGE vom 20. Mai 1998 [1A.296/1997], Erw. 3/a, und vom 23. März 1994 [1A.37/1993], Erw. 3/e). 3.3. Die Rechtsprechung des Bundesgerichts lässt mithin keinen Zweifel daran offen, dass die Nutzung der gepachteten Fläche auf der Parzelle Nr. 170 als Blumenwiese oder Rasen nicht als landwirt- schaftliche Nutzung im Sinne von Art. 16 RPG qualifiziert werden kann und damit nicht zonenkonform ist: Weder betreiben die Be- schwerdegegner in ökonomisch relevanter Weise (siehe dazu Hänni, a.a.O., S. 168), d.h. auf der Grundlage eines langfristigen Bewirt- schaftungskonzepts eine bodenabhängige Produktion von Landwirt- schafts- oder Gartenbauerzeugnissen, noch ist die allenfalls - wenn überhaupt - als Freizeitlandwirtschaft zu bezeichnende Form ihrer Wiesenbewirtschaftung bundesrechtlich bzw. aufgrund der bundesge- richtlichen Rechtsprechung als landwirtschaftszonenkonforme Tätig- keit zu qualifizieren. In Anbetracht ihrer geringen Grösse von ca. 44 m 2 fällt die streitbetroffene Pachtfläche auch nicht unter das land- wirtschaftliche Pachtrecht, da sie die gesetzlich geforderte Mindest- 2006 Verwaltungsgericht 182 fläche von 25 Aren klar unterschreitet (siehe Art. 2 Abs. 1 lit. b LPG). 4. 4.1. Durch die Nutzungsplanung werden die Gebrauchsmög- lichkeiten des Bodens unmittelbar, d.h. mit rechtsverbindlicher Wir- kung für jeden Grundeigentümer, eingeschränkt (Thierry Tanquerel, in: Kommentar zum Bundesgesetz über die Raumplanung, Art. 21 Rz. 6 f. und 18 f.; Hänni, a.a.O., S. 191; Walter Haller / Peter Karlen, Raumplanungs-, Bau- und Umweltrecht, Band 1, 3. Auflage, Zürich 1999, Rz. 228). Die Verbindlichkeit der Nutzungspläne gilt insoweit nicht absolut, als ausnahmsweise auch nicht zonenkonforme Nutzun- gen bzw. die Erstellung nicht zonenkonformer Bauten und Anlagen gestattet werden darf, wobei ein Abweichen vom Gebot der Zonen- konformität ausserhalb der Bauzonen in jedem Fall nur nach Mass- gabe der Art. 24 ff. RPG (in der Fassung vom 20. März 1998) mög- lich ist. In Bezug auf zonenwidrige Nutzungen , welche wie erwähnt als solche keiner Baubewilligungspflicht unterstehen (vorne Erw. 2), normiert das Bundesrecht keine besonderen Ausnahmebestimmun- gen. Wenn allerdings Bauten und Anlagen nach Massgabe von Art. 24 RPG einer Ausnahmebewilligung zugänglich sind, muss dies nach den Grundsätzen in maiore minus und per analogiam auch für zonen- widrige Bodennutzungen gelten, welche ohne Bauten oder Anlagen ausserhalb der Bauzonen ausgeübt werden. 4.2. Art. 24 RPG setzt für eine Ausnahmebewilligung voraus, dass der Zweck der Bauten und Anlagen einen Standort ausserhalb der Bauzonen erfordert (lit. a) und keine überwiegenden Interessen entgegenstehen (lit. b). Nach der bundesgerichtlichen Recht- sprechung darf die Standortgebundenheit nur bejaht werden, wenn eine Baute aus technischen oder betriebswirtschaftlichen Gründen oder wegen der Bodenbeschaffenheit auf einen bestimmten Standort ausserhalb der Bauzone angewiesen ist; dabei beurteilen sich die Voraussetzungen nach objektiven Massstäben, und es kann weder auf die subjektiven Vorstellungen und Wünsche des Einzelnen noch auf die persönliche Zweckmässigkeit und Bequemlichkeit ankommen (BGE 111 Ib 217 E. 3b mit Hinweisen). Eine derartige Standortge- bundenheit für die streitbetroffene Nutzung des Landwirtschaftslands als Rasenfläche ist vorliegendenfalls weder ersichtlich noch darge- 2006 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 183 tan. Zudem kommt dem Interesse der Beschwerdegegner an der Nut- zung des Pachtlandes als Rasen mit einheimischen Sträuchern und einem Obstbaum sowie Gemüsebeeten zu nicht- bzw. bloss hobby- landwirtschaftlichen Zwecken ein geringes Gewicht zu. Dem steht ein erhebliches öffentliches Interesse daran entgegen, dass die Land- wirtschaftszone nicht für zonenfremde Nutzungen missbraucht wird. Wie die Beschwerdeführerin zutreffend ausführt, ist nicht zu überse- hen, dass mit einer Bestätigung des vorinstanzlichen Entscheids ein Präjudiz für Erweiterungen von Hausgärten zu Lasten des Kulturlan- des geschaffen würde. Nachdem das Bundesgericht an der strikten Trennung von Bau- und Nichtbaugebiet festhält und etwa die Er- schliessung von Wohnhäusern in der Landwirtschaftszone nach wie vor ablehnt (BGE vom 31. August 2005 [1A.256/2004], Erw. 5), steht dem Interesse der Beschwerdegegner ein überwiegendes öf- fentliches Interesse entgegen, so dass auch unter diesem Gesichts- winkel gesehen eine Ausnahmebewilligung ausgeschlossen ist (Bun- desgericht, in: ZBl 103/2002, S. 364 mit Hinweis; AGVE 2001, S. 280 mit Hinweis).
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2000 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 203 VII. Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht [...] 55 Planungsermessen der Gemeinde. Rechtsschutz im Beschwerdeverfahren. - Das Ermessen der Planungsträger ist auch im Falle einer (erstmali- gen) Teilgenehmigung einer Nutzungsplanung verbunden mit einer Rückweisung nicht eingeschränkt. Aus Art. 21 RPG ergibt sich keine Kognitionsbeschränkung der Beschwerdeinstanz. - Der Rechtsschutzanspruch verlangt eine volle Überprüfung des kom- munalen Planungsentscheids, insbesondere der Ermessensbetätigung. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 31. Mai 2000 in Sachen R.F. und Mitbeteiligte gegen Entscheid des Regierungsrats und Ent- scheid des Grossen Rats. Aus den Erwägungen 3. a) Die Beschwerdeführer machen geltend, die Einzonung der umstrittenen Teilfläche von 800 m 2 sei innerhalb der Gemeinde nie 2000 Verwaltungsgericht 204 diskutiert worden, und sie hätten sich auch innerhalb des Planungs- verfahrens nicht dazu äussern können. b) Die Gemeinden erlassen allgemeine Nutzungspläne und all- gemeine Nutzungsvorschriften, die das Gemeindegebiet in ver- schiedene Nutzungszonen einteilen und Art und Mass der Nutzung regeln (§ 13 Abs. 1 BauG). Die Gemeinden schützen die Landschaf- ten von kantonaler Bedeutung im allgemeinen Nutzungsplan, kon- kretisieren die Ziele, legen die Rechtswirkungen fest und bezeichnen die genaue Gebietsabgrenzung. Sie können auch Schutzzonen ausscheiden für schützenswerte Lebensräume von kommunaler Be- deutung (§ 15 Abs. 1 und Abs. 2 lit. e BauG i.V.m. § 8 Abs. 1 NLD). Die Bewertung der Schutzwürdigkeit der Biotope von lokaler Be- deutung hat sich nach den die Kriterien in § 6 Abs. 3 NLD zu richten. Auch der Aspekt des ökologische Ausgleichs im Sinne von Art. 18b NHG ist bei der Planung zu berücksichtigen (§ 13 und § 14 NSV). Die Gemeinden besitzen bei der Ausscheidung lokaler Schutzzonen ein weites Ermessen. c) Das Planungsermessen der Gemeinde ist nach der Rechtspre- chung des Verwaltungsgerichts auch im Falle einer (erstmaligen) Teilgenehmigung einer Nutzungsplanung verbunden mit einer Rück- weisung nicht eingeschränkt (vgl. AGVE 1996, S. 304 ff., ins- besondere Erw. II/1b/bb). Bei der Rückweisung mit einem bestimm- ten Auftrag handelt es sich grundsätzlich nicht um verbindliche An- weisungen. Soweit nach den Grundsätzen der Raumplanung eine Entscheidungsfreiheit besteht, hat die Gemeinde bei der Überarbei- tung der Nutzungsplanung die ihr - auch auf Grund der Gemeinde- autonomie (§ 106 KV) - zustehende Gestaltungsfreiheit. Im Rahmen der Überarbeitung sind die Verfahrensvorschriften (§§ 22 ff. BauG), die Planungsgrundsätze und Planungsvorschriften des Raumpla- nungsrechts einzuhalten. Dies gilt im Besonderen für die Interessen- abwägung (Art. 3 Abs. 1 RPV). Auch im "zweiten Umgang" sind die Interessen zu ermitteln, zu beurteilen und zu optimieren (Pierre Tschannen, in: Heinz Aemissegger/Alfred Kuttler/Pierre Moor/Ale- 2000 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 205 xander Ruch [Hrsg.], Kommentar zum Bundesgesetz über die Raum- planung [Kommentar RPG], Zürich 1999, Art. 3 N 24 ff.). Bei einer Teilgenehmigung mit Rückweisung eines total revidierten Nutzungs- planes ist das Rechtssetzungsverfahren für die nicht genehmigten Planungsteile nicht abgeschlossen. Die Gestaltungsfreiheit der Ge- meinde ist im Rahmen der ihr von der Genehmigungsinstanz auf- erlegten Überarbeitung deshalb auch nicht auf eine Anpassung und Überarbeitung nach Art. 21 Abs. 2 RPG eingeschränkt. d) Zur Planung nach der Rückweisung durch den Grossen Rat und zum Rechtsschutzverfahren des revidierten Nutzungsplanes er- gibt sich Folgendes: aa) Mit Schreiben vom 13. April 1993 ersuchte der Gemeinde- rat W. das Baudepartement, das weitere Vorgehen in der Angelegen- heit aufzuzeigen. Das Baudepartement äusserte sich mit Schreiben vom 22. April 1993 dahingehend, dass nach den Auflagen im Ge- nehmigungsentscheid des Grossen Rates vom 5. Januar 1993 kein Planungsspielraum für eine Zonierung als Bauzone bestehe. Für die vom Grossen Rat verlangte Zonierung als "geeignete Nichtbauzone" bestünden zwei Möglichkeiten: die Zonierung als Magerwiese oder als Alternative eine Landwirtschaftszone überlagert mit einer Land- schaftsschutzzone. Die Abteilung Raumplanung ergänzte diese An- weisung mit dem Hinweis, dass ein, von dieser Anweisung abwei- chender Antrag des Gemeinderates zu Handen der Gemeindever- sammlung zur Nichtgenehmigung und (direkten) Zuweisung zu einer Nichtbauzone durch den Grossen Rat führen würde. Aus diesen Äusserungen kann geschlossen werden, dass schon das Baudeparte- ment von einer fehlenden Gestaltungsfreiheit der Gemeinde ausging. Diese Anweisungen veranlassten jedenfalls den Gemeinderat W. davon auszugehen, dass sie im ganzen Gebiet "Stückhalde" keinen Planungsspielraum mehr besitze. Anlässlich der Verhandlung vor Verwaltungsgericht erklärte der Vertreter des Gemeinderats, dieser sei zudem davon ausgegangen, dass die Gemeinde keine Entschei- 2000 Verwaltungsgericht 206 dungsfreiheit mehr gehabt habe, und das gesamte Gebiet nur einer geeigneten Nichtbauzone habe zuweisen können. Die Einsprachen der Beschwerdeführer wurden in der Folge ausschliesslich unter Hinweis auf die kantonalen Vorgaben abgewie- sen. Am 13. Juni 1997 beschloss die Einwohnergemeindeversamm- lung W. die Änderung des Bauzonen- und Kulturlandplanes und wies das ganze Gebiet "Stückhalde" der Magerwiesenzone zu. Eine Prü- fung und Beurteilung der fraglichen 800 m 2 der vormals 1. Bautiefe gemäss Zonenplan 1969 fand aufgrund der - vermeintlichen - Bin- dung an die Vorgaben des Grossen Rates nicht mehr statt. Mit Beschluss vom 31. März 1998 genehmigte der Grosse Rat den Bauzonenplan, den Kulturlandplan sowie die BNO der Ge- meinde W. Die Prüfung der Genehmigungsbehörde beschränkt sich auf Rechtsmässigkeit, Übereinstimmung mit den kantonalen Richt- plänen und der angemessenen Berücksichtigung kantonaler und re- gionaler Interessen (§ 27 Abs. 2 BauG). Eine Überprüfung und Be- urteilung reiner kommunaler Interessen fanden im Genehmigungs- verfahren nicht statt (vgl. Protokoll des Grossen Rates vom 31. März 1998, Art. 550). Damit steht fest, dass für die umstrittene Teilfläche ein materiel- ler Planungsentscheid der Gemeinde fehlt. bb) Der Regierungsrat ging in seinen Erwägungen im Be- schwerdeentscheid davon aus, dass der Gemeinde beim Grund- satzentscheid keine erhebliche Entscheidungsfreiheit zukomme, zu- mindest dann nicht, wenn nicht neue Erkenntnisse, bzw. Tatsachen eine Anpassung des Nutzungsplanes im Sinne von Art. 21 Abs. 2 RPG begründen. Die Zuweisung der umstrittenen Teilfläche in die Zone Magerwiese erachtete er auf Grund der lokalen Schutzwürdig- keit begründet. aaa) Im Rechtschutzverfahren nach § 26 BauG ist eine vollum- fänglich Überprüfung des Planungsentscheides der Gemeinde ein- schliesslich der Ermessenskontrolle (Art. 33 Abs. 3 lit. b. RPG; § 26 i.V.m. § 4 Abs. 1 BauG und § 49 VRPG) vorgeschrieben. Dieser 2000 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 207 Rechtsschutzanspruch setzt voraus, dass ein materieller Planungsent- scheid vorliegt, der überprüft werden kann. Nach dem Planungsab- lauf und den übereinstimmenden Angaben an der Augenscheinsver- handlung hat die Gemeinde die Planung auf die Umsetzung der ver- meintlich unverrückbaren Auflage des Grossen Rates beschränkt. Eine Prüfung und Beurteilung des umstrittenen Teilgebietes nach den Grundsätzen des RPG und BauG (Art. 2 Abs. 3, 15 und 17 RPG und §§ 13 und 15 BauG) hat nicht stattgefunden, noch wurden die öf- fentlichen Interessen für das umstrittene Teilstücke unter Art. 15 RPG und den massgebenden Natusschutzaspekten von der Gemeinde festgestellt. Soweit beim vorliegenden Vollzug des Rückweisungs- auftrages von einem materiellen Planungsentscheid gesprochen wer- den kann, wurde auch der massgebende Sachverhalt unvollständig festgestellt. Die Gemeinde W. hat das Bedürfnis nach einem lokalen, das Schutzgebiet "Sunneberg" ergänzendes und auf die Teilfläche auszudehnendes Naturschutzgebiet nie geltend gemacht. bbb) Die Zurückhaltung der Beschwerdeinstanz bei der Beurtei- lung von kommunalen Interessen schliesst die Pflicht zur vollen Überprüfung des Planungsentscheides nicht aus (vgl. Pierre Tschannen, in: Kommentar RPG, a.a.O., Art. 2 N 60 ff.), sondern bedeutet, dass der Gemeinde ihre Gestaltungsfreiheit in der Planung zu belassen ist (vgl. BGE 121 I 122; BGE 116 IA 221 Erw. 2c). Vo- raussetzung einer Überprüfung - und damit für den Rechtschutzan- spruch des Betroffenen - ist in jedem Fall, dass die Gemeinde die planerischen Entscheidungen getroffen hat. Das ist in vorliegenden Fall nicht geschehen, indem die Gemeinde ihre Planung auf den blossen Vollzug der Auflage aus dem Rückweisungsentscheid be- schränkte. Eine Prüfung und Abwägung der Interessen für die von den Beschwerdeführern beantragten 800 m 2 nach den Kriterien von Art. 15 RPG und der möglichen Naturschutzinteressen fanden nicht statt. Damit hat es der Planungsträger, die Gemeinde W., unterlassen, eine RPG-konforme Planung mit vollständiger Interessenabwägung durchzuführen. Ein solcher Planungsentscheid verletzt die Rechte 2000 Verwaltungsgericht 208 des Grundeigentümers; der Beschwerdeentscheid, der eine solche Planung schützt, seinen Rechtschutzanspruch. ccc) Die Gemeinde als Planungsträgerin hat auch ihr Planungs- ermessen bei der Ausscheidung der Naturschutzzone im umstrittenen Teilgebiet nicht ausgeübt. Die Ermessen betrifft insbesondere die Abgrenzung des Baugebietes und der Naturschutzzone auf den 800 m 2 . Die Ermessensunterschreitung ist eine Rechtsverletzung (Ulrich Häfelin/Georg Müller, Grundriss des Allgemeinen Verwal- tungsrechts, 3. Auflage, Zürich 1998, Rz. 382 f.). Der Beschwerde- entscheid, der diese Ermessensunterschreitung schützt, verletzt auch in dieser Hinsicht den Anspruch auf volle Überprüfung einer Nut- zungsplanung im Rechtschutzverfahren. ddd) Entgegen der Auffassung des Regierungsrates ergibt sich aus Art. 21 RPG keine Kognitionsbeschränkung der Beschwerde- instanz. Die Änderung und Anpassung von Nutzungsplänen nach dieser Bestimmung betrifft nur Nutzungspläne bei denen das (mate- rielle) Rechtssetzungsverfahren abgeschlossen ist (vgl. AGVE 1991, S. 119 ff. Erw. ccc). Bei einer Teilgenehmigung ist das Nutzungs- planverfahren für das von einer Rückweisung betroffene Gebiet nicht abgeschlossen, weshalb weder die Gemeinde bei der Überarbeitung des Planes im zweiten Umgang, noch die Beschwerdeinstanz bei der Überprüfung die Beurteilung auf die Voraussetzungen des Art. 21 RPG (vgl. Thierry Tanquerel, in: Kommentar RPG, Art. 21 N 28 ff.) beschränken können. e) Zusammenfassend sind die Beschwerden aus diesen Gründen für die umstrittene Teilfläche von 800 m 2 gutzuheissen. Der Geneh- migungsentscheid hat einen nicht RPG-konformen Planungsakt der Gemeinde und materiell den Beschwerdeentscheid, mit dem der Rechtsschutzanspruch der Beschwerdeführer verletzt wurde, ge- schützt.
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2015 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 173 25 Zonenkonformität Die Umnutzung eines ehemaligen Restaurants in ein Vereinslokal mit An- dachts- und Aufenthaltsraum, Schulungsräumen und Büros ist in der vorliegenden Wohn- und Gewerbezone WG2 zonenkonform. Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 8. Juli 2015 in Sachen Einwohnergemeinde A. gegen B. und Gemeinderat A. sowie Regierungsrat (WBE.2015.19, Beschwerdeverfahren I) und in Sachen C. und Mitbeteiligte gegen B. und Gemeinderat A. sowie Regierungsrat (WBE.2015.26, Beschwer- deverfahren II). Aus den Erwägungen 1. 1.1. Das Baugesuch der Beschwerdegegnerin beinhaltet, das ehema- lige Restaurant "D." an der (...) in A. (Wohn- und Gewerbezone WG2) in ein Vereinslokal umzuwandeln. Streitgegenstand bildet insbesondere die Zonenkonformität der Umnutzung gemäss der Bau- und Nutzungsordnung (BNO) der Gemeinde A. vom 8. Juni 2001. § 9 BNO sieht vor: "§ 9 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 174 1 Die Wohn- und Gewerbezonen WG2 und WG3 sind für Wohnen und mässig störendes Gewerbe bestimmt. 2 (...)." § 28 BNO hält unter der Marginalie "Beeinträchtigung durch Gewerbe / Industrie" fest: "§ 28 1 Als nicht störendes Gewerbe gelten in Wohnquartieren passende Kleinbetriebe mit geringem Zubringerverkehr wie Läden, Büros und Geschäfte, die keine erheblich grösseren Auswirkungen entfalten, als sie aus dem Wohnen entstehen. 2 Als mässig störend gelten Betriebe mit Auswirkungen, die im Rah- men herkömmlicher Handwerks- und Gewerbebetriebe bleiben, auf die üblichen Arbeits- oder Öffnungszeiten beschränkt sind und nur vorübergehend auftreten. 3 Als stark störende Betriebe gelten alle übrigen sowie jene, die ein hohes Mass an quartierfremdem Verkehr verursachen." 1.2. (...) 1.3. Steht die Anwendung und Auslegung kommunaler Bestim- mungen in Frage, darf die Gemeinde im Rahmen ihres Ermessensspielraums den verfassungsrechtlichen Schutz beanspru- chen, der ihr gestützt auf die Gemeindeautonomie zusteht (§ 106 Abs. 1 KV). Die Rechtsmittelinstanzen haben sich deshalb bei der Überprüfung kommunaler Entscheide insbesondere dort zurück- zuhalten, wo eine Regelung unbestimmt ist und verschiedene Aus- legungsergebnisse rechtlich vertretbar erscheinen. Sie sind diesfalls gehalten, das Ergebnis der gemeinderätlichen Rechtsauslegung zu respektieren und nicht ohne Not ihre eigene Rechtsauffassung an die Stelle der gemeinderätlichen zu setzen (BGE 115 Ia 118 f. = Pra 78/1989, S. 796 f.; AGVE 2010, S. 441, 447, 451; 2008, S. 164; 2006, S. 187 f.; 2003, S. 190). Die Autonomie der Gemeindebehör- den hat jedoch insbesondere dort ihre Grenzen, wo sich eine Ausle- gung mit dem Wortlaut sowie mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes nicht mehr vereinbaren lässt (vgl. AGVE 2005, S. 152; 2003, S. 190). Räumt eine Norm der rechtsanwendenden Behörde Ermes- sen ein, ist die Gemeindebehörde bei der Ermessensbetätigung 2015 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 175 ausserdem an die Verfassung, insbesondere an das Rechtsgleichheits- gebot, das Verhältnismässigkeitsprinzip und an die Pflicht zur Wah- rung öffentlicher Interessen gebunden (U LRICH H ÄFELIN /G EORG M ÜLLER /F ELIX U HLMANN , Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Auf- lage, Zürich/St. Gallen 2010, Rz. 441). 1.4. Die Vorinstanz hat zutreffend ausgeführt, dass das projektierte Kultur- und Versammlungszentrum als zonenkonform zu gelten hat, sofern die von der geplanten Nutzung ausgehenden Auswirkungen sich im zonengemäss zulässigen Umfang bewegen. § 28 BNO um- schreibt für die gemischte Wohn- und Gewerbezone WG2 die erlaub- ten Auswirkungen bzw. Immissionen, welche den Typus des (höchs- tens) mässig störenden Betriebs kennzeichnen. Diese Auswirkungen müssen gemäss Wortlaut im Rahmen herkömmlicher Handwerks- und Gewerbebetriebe bleiben, sich auf die üblichen Arbeits- und Öff- nungszeiten beschränken und dürfen nur vorübergehend auftreten. Darüber hinaus bildet es ein Gebot der verfassungsmässig verankerten Rechtsgleichheit (Art. 8 Abs. 1 BV), dass eine rechtsan- wendende Behörde bei der Ausübung ihres Ermessensspielraums oder der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe vergleichbare Fälle mit gleichen Massstäben misst. Im konkreten Fall bedeutet dies, dass Bauvorhaben unterschiedlicher Art und Nutzung, aber mit vergleichbar störenden Auswirkungen nicht erheblich verschieden beurteilt werden können. Ansonsten geriete die kommunale Rechts- anwendung mit dem Postulat einer rechtsgleichen Praxis in Konflikt und überschritte die verfassungsrechtlichen Grenzen der Ge- meindeautonomie (siehe vorne, Erw. 1.3). Auch wenn rein mit Blick auf den Wortlaut von § 28 BNO eine restriktivere Zulassung von Gewerbebetrieben in der Zone WG2 denkbar gewesen wäre, hat der Gemeinderat in ständiger Praxis von einer weiten Auslegung der Zonenkonformität Gebrauch gemacht. Insbesondere hat er in der - bewusst gemischten - Wohn- und Gewerbezone die Nutzung durch Restaurantbetriebe, eine Bäckerei, Autogaragen oder ein Möbelge- schäft zugelassen. Damit hat er klar zum Ausdruck gebracht, dass der Terminus der "üblichen Arbeits- und Öffnungszeiten" (§ 28 Abs. 2 BNO) praxisgemäss nicht unbedingt an die Zeiten der Mehrheit der 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 176 Betriebe (und allenfalls an den konkret bewilligten Betrieb) an- knüpft. Entscheidend scheint, dass die relevanten Auswirkungen der Nutzung "im Rahmen herkömmlicher Handwerks- und Gewerbebe- triebe bleiben" (§ 28 Abs. 2 BNO), mithin keine grösseren Emissio- nen entstehen. Damit wird auf die Vergleichbarkeit der Auswirkun- gen und nicht in erster Linie auf die Art des Betriebs abgestellt. Bei der Umnutzung zum Vereinslokal mit religiöser Zweckrichtung han- delt es sich zwar um eine verglichen mit Restaurantbetrieben sach- lich ungleichartige, in der Umgebung neue Nutzungsart. Massgebend ist aber, ob die entstehenden Auswirkungen zonenrechtlich mit jenen herkömmlicher und bewilligter Vorhaben, vorab des früheren Gastro- betriebs auf der Parzelle, vergleichbar sind, oder aber diese überstei- gen. Sind sie im Wesentlichen vergleichbar, wäre es vor dem Gleich- behandlungsgrundsatz und zonenrechtlich nicht vertretbar, in Abwei- chung zur bisherigen Praxis von einem "stark störenden" Gewerbe (§ 28 Abs. 3 BNO) auszugehen. 1.5. Gegenstand des Baugesuchs bilden gemäss Nutzungskonzept Öffnungszeiten von Montag bis Freitag, 12 - 22 Uhr, sowie Samstag und Sonntag, 12 - 22 Uhr. Abgesehen von einem einzelnen Ruhetag unter der Woche ist nicht ersichtlich, weshalb sich diese Zeiten zonenrechtlich betrachtet von einem Restaurantbetrieb massgeblich unterscheiden sollten. Abends hatte das Restaurant gar länger geöff- net als für das Vereinslokal vorgesehen (...). Es bestehen auch keine Anzeichen dafür, dass die Besucher des Vereinslokals und des An- dachtsraums zu lauterem Verhalten neigten als diejenigen des frühe- ren Restaurants. Auch die Schulungs- und Büroräume lassen mit ihrer geplanten Grösse nicht vermuten, dass sie zu mehr störenden Auswirkungen für die Nachbarschaft führen als ein Restaurantbetrieb bzw. herkömmliche Gewerbebetriebe. Wie der Andachtsraum sind sie für grundsätzlich eher lärmarme, nicht ganztags stattfindende Tä- tigkeiten vorgesehen (insb. Unterricht, Sprach- und Integrations- kurse), die wie das freitägliche Mittagsgebet und die Kinderbe- treuung in erster Linie im Innern stattfinden sollen. Weil die spre- chende Rolle nur dem Vorbeter (Imam) zukommt, ist auch beim Frei- tagsgebet nicht von übermässigen Emissionen auszugehen. Verhielte 2015 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 177 es sich anders, wären die Nachbarn den Auswirkungen nach Mass- gabe des Lärmschutz- und Sachenrechts auch nicht schutzlos ausgeliefert. Ferner kann es wie bei Vereinslokalen auch bei Gastro- betrieben aus naheliegenden Gründen zu verdichtetem Anreise- verkehr zu bestimmten Zeiten (z.B. Mittagszeit) kommen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass je konzentriertere Zu- und Wegfahrts- perioden mit umso ruhigeren Verkehrsphasen dazwischen und danach korrelieren. Auch die gemäss Nutzungskonzept maximal erwarteten Personenzahlen (ca. 60 bis 80 Personen) sind insgesamt gegenüber zuvor bewilligten Betrieben und dem Restaurant D. - mit 88 Sitzplätzen und Aussenterrasse - nicht unvergleichbar hoch. Dies zumal bei einem Restaurant mehrmals wöchentlich mit über 70 Gästen gerechnet werden muss. Im Übrigen ist darauf hinzuwei- sen, dass die Vorinstanz die Sache zur genaueren Ermittlung der aus der Parkplatzanlage herrührenden Lärmemissionen an den Gemein- derat zurückgewiesen hat. Sollten sich zudem die Befürchtungen der Beschwerdeführer bewahrheiten, dass ein überregionaler Zulauf zu einem Personenandrang und unerwartet hohen Lärmimmissionen deutlich über das massgebende Nutzungskonzept hinaus führt, so ist darauf hinzuweisen, dass dann die Zonenkonformität allenfalls neu beurteilt werden kann. Soweit die Beschwerdeführerin I schliesslich eine Störung des Wohlbefindens der Anwohner durch ideelle Immissionen beklagt, ist schwer nachvollziehbar, weshalb der geplante Andachtsraum durch die Art der praktizierten Glaubensrichtung geradezu "das seelische Empfinden" der Bevölkerung verletzen könnte. Eine solche Ausle- gung der Zonenordnung geriete auch mit der verfassungsrechtlich verankerten Religionsfreiheit (Art. 15 BV) in Konflikt. Wenn sich die Beschwerdeführerin I dabei auf BGE 136 I 395 beruft, lässt sich ein Andachtsraum mit religiösen Zwecken nicht mit der dort relevan- ten Nutzung (Liegenschaft für Freitodbegleitungen) vergleichen. Insgesamt erweisen sich die zonenrechtlich relevanten Auswir- kungen der Nutzung als Vereinslokal mit den praxisgemäss zuvor be- willigten Bauvorhaben (insb. Restaurantbetrieb auf der Parzelle) als vergleichbar. Demgemäss ist der angefochtene Entscheid des Regie- rungsrats mit Blick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz und zonen- 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 178 rechtlich vertretbar. Die Aufhebung des Gemeinderatsbeschlusses be- deutet entgegen den Beschwerdeführenden keine Verletzung der Ge- meindeautonomie.
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2018 Personalrecht 289 30 Kündigung eines öffentlich-rechtlichen Anstellungsverhältnisses Zulässigkeit einer Änderungskündigung im öffentlichen Personalrecht auch ohne explizite gesetzliche Grundlage Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 29. Oktober 2018, in Sachen A. gegen Einwohnergemeinde B. (WKL.2017.19). Aus den Erwägungen II. 2. Die Änderungskündigung ist eine Unterform der bedingten Kündigung oder zumindest mit dieser verwandt. Zwar ist die Kündi- gung als einseitige Gestaltungserklärung grundsätzlich bedingungs- feindlich. Gestattet sind aber Bedingungen, über deren Eintritt der Erklärungsempfänger allein entscheiden kann (Potestativbedingun- gen), somit auch diejenige, dass das Arbeitsverhältnis im Fall der Ab- lehnung einer Vertragsänderungsofferte gekündigt wird (ULLIN STREIFF/ADRIAN VAN KAENEL/ROGER RUDOLPH, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319-362 OR, 7. Auflage, Zürich/Ba- sel/Genf 2012, Art. 335 N 3; MARCO KAMBER, Die Änderungskün- digung im Arbeitsvertragsrecht, Diss. Bern 2014, S. 37). Eine Er- scheinungsform der Änderungskündigung ist die aufschiebend be- dingte Änderungskündigung im engeren Sinn, bei welcher die initia- 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 290 tive Partei dem Vertragspartner gegenüber erklärt, dass sie den Ar- beitsvertrag kündigt, wobei die Wirksamkeit der Kündigungserklä- rung unter der Bedingung stehen soll, dass die gekündigte Partei eine gleichzeitig offerierte Vertragsänderung ausschlägt bzw. innert ange- setzter Frist nicht annimmt (KAMBER, a.a.O., S. 35). Mit der Ableh- nung oder Nichtannahme der Änderungsofferte tritt die Suspensivbe- dingung ein, unter welcher die Wirksamkeit der Kündigungserklä- rung steht. Entsprechend wird die Kündigung - in aller Regel rück- wirkend auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung - rechtswirksam. Das Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf der Kündi- gungsfrist (KAMBER, a.a.O., S. 125). Ein solches Vorgehen wird im privaten Arbeitsrecht trotz der damit verbundenen Druckausübung als grundsätzlich zulässig erach- tet (STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, a.a.O., Art. 335 N 3), obwohl es dafür im OR keine explizite gesetzliche Grundlage gibt. Weshalb es im öffentlichen Personalrecht anders sein sollte, ist nicht ersicht- lich. Dem Umstand, dass die Kündigungsfreiheit im öffentlichen Dienstrecht eingeschränkt ist, indem der öffentliche, anders als der private Arbeitgeber an die Verfassungsprinzipien (Willkürverbot, Treu und Glauben, Verhältnismässigkeit) gebunden ist und eine Kün- digung nur aus sachlichen Gründen aussprechen darf (VGE vom 20. Juni 2018 [WKL.2017.13], Erw. II/3.3.1; VGE vom 10. November 2015 [WKL.2015.11], Erw. II/3.1; VGE vom 28. April 2014 [WKL.2014.2], Erw. II/3.3.1; PRGE vom 23. November 2012 [2-KL.2012.1], Erw. II/3.2.3; PRGE vom 17. September 2009 [2-KL.2008.11], Erw. II/1.2; PRGE vom 16. April 2003 [2-KL.2002.50003], Erw. II/2/a mit Hinweis; LGVE 1999 II 3, Erw. 6/c), kann im Rahmen einer Änderungskündigung dadurch Rechnung getragen werden, dass die damit beabsichtigte Vertragsänderung - wie die Vertragsauflösung bei der Vollkündigung - einen sachlichen Grund voraussetzt. Ist ein sachlicher Grund für eine Vertragsänderung gegeben, muss es schon aus Verhältnismässig- keitsgründen möglich sein, anstatt zur (unbedingten) Vollkündigung des bisherigen Anstellungsverhältnisses zu schreiten (und die Stelle hernach neu auszuschreiben), der Gegenseite mit der Kündigung des bisherigen ein neues Anstellungsverhältnis zu veränderten Bedingun- 2018 Personalrecht 291 gen anzubieten. Ein öffentlich-rechtlich Angestellter, der sich als un- geeignet für die von ihm besetzte Stelle erweist, könnte beispielswei- se nur davon profitieren, wenn man ihm eine andere Stelle mit einem passenderen Profil anbieten würde, anstatt ihn direkt ohne ein alter- natives Stellenangebot zu entlassen. (...)
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2008 Submissionen 173 30 Bereinigung der Angebote. - Anforderungen an die Offertbereinigung. - Transparenzgebot; Gleichbehandlungsgrundsatz (Erw. 4.2.2). - Eine nachträgliche Abänderung eines wesentlichen Teils des Angebots sowohl in inhaltlicher als auch in preislicher Hinsicht ist unzulässig (Erw. 4.3.1). Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 23. Juni 2008 in Sachen M. AG gegen das Departement Bau, Verkehr und Umwelt (WBE.2008.51). Aus den Erwägungen 4. Zu prüfen ist zunächst, ob es beim Angebot der Zuschlagsemp- fängerin nach der Öffnung der Angebote zu einer unzulässigen Veränderung des Leistungsinhalts gekommen ist. 4.1. 4.1.1. Die Vergabebehörde prüft die Angebote rechnerisch und fach- lich. Sie bringt sie auf eine vergleichbare Basis (§ 17 Abs. 1 SubmD). Sind Angaben eines Angebots unklar, insbesondere bezüg- lich Bauabläufen und Prozessoptimierungen, so können von den An- bietenden Erläuterungen, fachliche Präsentationen, Begehungen usw. verlangt werden, die schriftlich festzuhalten sind (§ 17 Abs. 2 SubmD). Die Vergabestelle darf offensichtliche Rechnungsfehler korrigieren (§ 17 Abs. 3 SubmD). Verhandlungen zwischen der Ver- gabestelle und den Anbietenden über Preise sind unzulässig (§ 17 Abs. 4 SubmD); einzig im freihändigen Verfahren sind Verhandlun- gen zulässig (§ 17 Abs. 5 SubmD). Auch Art. 11 lit. c IVöB statuiert als allgemeinen Grundsatz den Verzicht auf Abgebotsrunden. Die 2008 Verwaltungsgericht 174 Vergaberichtlinien (VRöB) aufgrund der IVöB führen dazu in § 30 unter dem Titel "Verbot von Abgebotsrunden" präzisierend aus: "Verhandlungen zwischen der Auftraggeberin oder dem Auftraggeber und den Anbieterinnen oder Anbietern über Preise, Preisnachlässe und Änderungen des Leistungsinhaltes in diesem Zusammenhang sind unzulässig" (§ 30 Abs. 1 VRöB). Zulässig sind Verhandlungen im freihändigen Verfahren (§ 30 Abs. 2 VRöB). 4.1.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts sind Offert- bereinigungen technischer Natur, die über die Berichtigung von Rechnungsfehlern oder anderer offensichtlicher Irrtümer und Fehler hinausgehen, aufgrund der mit ihnen verbundenen Gefahr der Wett- bewerbverfälschung bzw. Begünstigung einzelner Bewerber eher zurückhaltend zu handhaben; sie dürfen auf keinen Fall zu einer Än- derung des Leistungsinhalts führen (AGVE 1999, S. 344). Das Ver- bot nachträglicher Offertänderungen gilt sowohl für die Anbieter als auch die Vergabestellen. Rückfragen bei den Anbietern sind, soweit erforderlich, zulässig; sie haben aber mit der nötigen Zurückhaltung und Sorgfalt zu erfolgen, und es sind alle Anbieter nach gleichen Massstäben zu behandeln. Die Offertbereinigung insgesamt und ihr Ergebnis müssen nachvollziehbar sein. Mit dem schriftlichen Fest- halten soll sichergestellt werden, dass das Bereinigungsverfahren nicht für fremde Zwecke missbraucht wird; das Ergebnis der Be- reinigung muss für die Mitbewerber nachvollziehbar sein, damit sie sich wehren können (vgl. Protokoll des Grossen Rates vom 26. No- vember 1996, S. 618, Votum Küng; vgl. auch Protokoll der gross- rätlichen Kommission, 3. Sitzung, vom 4. September 1996, S. 13, Voten Pfisterer; ferner VGE III/127 vom 3. September 1998 [BE.98.00168], S. 9). Unzulässig ist daher beispielsweise eine aus- schliesslich telefonisch vorgenommene Bereinigung, über die keiner- lei schriftliche Aufzeichnungen erstellt worden sind (AGVE 2003, S. 247 ff.; Elisabeth Lang, Der Grundsatz der Transparenz im öffent- lichen Beschaffungsrecht, in: Festschrift 100 Jahre Aargauischer Anwaltverband, Zürich / Basel / Genf 2005, S. 130). 2008 Submissionen 175 4.2. 4.2.1. Vorliegend steht unbestrittenermassen fest, dass beide Angebote von den Anbieterinnen nach der Offertöffnung gestützt auf die Vor- gaben der Vergabestelle sowohl inhaltlich als auch preislich verän- dert worden sind. Beim Angebot der Zuschlagsempfängerin ist in diesem Zusammenhang der Lieferant für die Hydraulik und die Steuerung ausgewechselt worden, und es hat auch eine sehr erhebli- che Preisreduktion von rund 24 % stattgefunden. Demgegenüber ha- ben sich die vorgenommenen Anpassungen beim Angebot der Be- schwerdeführerin preislich nicht bzw. nur geringfügig im Umfang von weniger als 0,5 % ausgewirkt. Seitens der Vergabestelle wird ausgeführt, beide Angebote hät- ten bezüglich der Hydraulikanlage und der Steuerung nicht den An- forderungen der diesbezüglich offenbar zu wenig präzise formulier- ten Ausschreibungsunterlagen entsprochen. Die Vergabestelle habe in den Submissionsunterlagen als Grundvariante eine gesteuerte Anlage verlangt, die im Vergleich zur (komplexeren, mit hoher Rechenleis- tung) geregelten Anlage den gestellten Anforderungen genügt hätte. Beide Anbieterinnen hätten eine geregelte Anlage angeboten und so- mit nicht den Submissionsunterlagen entsprochen. Beide Anbieterin- nen seien im Punkt Steuerung und Hydraulik sowie weiteren Punkten von den Submissionsunterlagen wesentlich abgewichen. Aufgrund der Dringlichkeit habe sich die Vergabestelle entschieden, das Ver- gabeverfahren nicht von vorne zu wiederholen - dies wäre bei einem Einladungsverfahren der vorliegenden Art einem leeren Formalismus gleichgekommen -, sondern die eingeladenen Parteien unter Wah- rung des Gleichbehandlungs- und Transparenzgebots aufzufordern, die Offerten zu verbessern. In Fällen wie hier, wo im Einladungsver- fahren kein Angebot eingereicht werde, das die Erfordernisse der Submissionsunterlagen erfülle, sei die Vergabestelle ohnehin berech- tigt, den Auftrag freihändig zu vergeben. (...) Beiden Anbietern seien die nicht umgesetzten Anforderungen der Submissionsunterlagen vom Experten am 20. bzw. 27. November 2007 mündlich erläutert worden. Diese Erläuterungen seien nötig 2008 Verwaltungsgericht 176 gewesen, um weitere Missverständnisse in dieser technisch kom- plexen Sache zu vermeiden. Die Fachperson habe den Offerierenden die Anforderungen an eine genügende Offerte erklärt und in welchen Anforderungen sie ihre Eingabe zu verbessern hätten. Angaben über Konkurrenzofferten seien keine gemacht worden. Über diese Erläu- terungen sei kein Protokoll erstellt worden. Die Anbieter seien so- dann unabhängig voneinander schriftlich (zur Bereinigung) einge- laden worden mit genauer Angabe, was bereinigt werden solle. 4.2.2. Zunächst steht fest, dass zwischen der Vergabestelle bzw. dem in ihrem Auftrag handelnden Experten am 20. bzw. 27. November 2007 Gespräche mit den beiden Anbieterinnen über die jeweiligen Angebote bzw. deren Inhalt geführt worden sind (Erläutern der nicht umgesetzten Anforderungen der Submissionsunterlagen). Es ist auch unbestritten, dass über diese Gespräche bzw. deren genauen Inhalt keine schriftlichen Aufzeichnungen erstellt worden sind. Insofern ist nicht nachzuvollziehen, welche Änderungen/Anpassungen die Verga- bestelle bzw. der Experte von den Anbietern, insbesondere aber von der Zuschlagsempfängerin, konkret verlangt hat. Dies stellt im Hin- blick auf § 17 SubmD und das Transparenzgebot klarerweise einen Fehler des Submissionsverfahrens dar (vgl. AGVE 2003, S. 248). Daran vermag auch nichts zu ändern, dass die beiden Anbieterinnen mit inhaltlich identischem Schreiben vom 23. November 2007 (spe- diert am 26. November 2007) schriftlich zur Überarbeitung ihrer An- gebote aufgefordert worden sind. Dieses Schreiben weist folgenden Inhalt auf: "Das Angebot entspricht bezüglich Hydraulikanlage und der Steue- rung nicht den Anforderungen der Ausschreibung. Für den Betrieb der Anlage erwarten wir eine sehr einfache Bedienung und Instandstellung. Aus diesem Grund wurden durch Eigengewicht schliessende Schützentafeln als Sicherheitselemente spezifiziert: - Als Zylinder werden Standard-Zylinder erwartet. Die Messtechnik soll nicht in die Zylinder eingebaut werden. - Das Aggregat soll sehr einfach mit Handumschaltung konzipiert sein. - Die Anlage ist in der Grundvariante nur gesteuert ausgeschrieben." 2008 Submissionen 177 Entgegen der Behauptung der Vergabestelle kann nicht davon gesprochen werden, es seien mit diesem Schreiben genaue Angaben gemacht worden, was zu bereinigen sei. Es ist zum Beispiel unbe- stritten, dass die Beschwerdeführerin - im Gegensatz zur Zuschlags- empfängerin - bereits in ihrem (ersten) Angebot einen Standard-Zug- zylinder mit separater Messvorrichtung offeriert hat. Insofern be- stand hier für sie überhaupt keine Veranlassung zu einer Änderung. Weiter ist festzustellen, dass die Vergabestelle im vorliegenden Ver- fahren beanstandet, die Beschwerdeführerin habe weder Betriebsar- tenschalter noch Hauptschütz zur Sicherung der Stillsetzung offe- riert, wie dies in Maschinenrichtlinie MRL 2006/42/EG verlangt werde. Im Angebot der Beschwerdeführerin sei somit das Einhalten der MRL 2006/42/EG nicht gewährleistet; die Vorrichtung zur Siche- rung der Stillsetzung fehle. Weiter seien die Positionen 2, 3 und 5 der Spezifikation Hydraulikzylinder sowie die Positionen 6 und 7 der Spezifikation Hydraulikaggregat vergabewidrig nicht offeriert wor- den. Wieso die Beschwerdeführerin im Rahmen der weitreichenden Bereinigung nicht zur Behebung dieser von der Vergabestelle festge- stellten Mängel in ihrem Angebot aufgefordert worden ist, ist im Hinblick auf die von der Vergabestelle angestrebte Gleichbehandlung der Anbietenden nicht nachvollziehbar und widersprüchlich. Das Argument vermag auch insofern nicht zu überzeugen, als die Verga- bestelle das Angebot der Beschwerdeführerin lediglich hinsichtlich der Kriterien "Preis" und "Referenzanlagen" mit einem Abzug be- wertet hat, während die Beschwerdeführerin insbesondere unter "Ausführung", "Technische Grundlagen" und "Leistungsfähigkeit" die volle Punktzahl erhalten hat. Ebenfalls nicht gefolgt werden kann dem Argument der Vergabestelle, im Sinne der Gleichbehandlung und aus Gründen der Transparenz habe sie die Schreiben an beide Anbietende im gleichen Wortlaut abfassen müssen, so dass beide Parteien immer über alle Punkte den gleichen Wissensstand gehabt hätten. Der Grundsatz der Gleichbehandlung schliesst es selbstver- ständlich nicht aus, dass die Vergabestelle dem jeweiligen Anbieter konkret diejenigen Punkte seines Angebots nennt, die noch zu be- reinigen sind. Hingegen verlangt das Transparenzgebot, dass dies in nachvollziehbarer Weise geschieht, d.h. entweder schriftlich erfolgt 2008 Verwaltungsgericht 178 oder aber - wenn mündlich erfolgt - zumindest in den wesentlichen Punkten protokolliert wird. An einer Dokumentation, aus der nach- vollziehbar hervorgeht, in welchen Punkten die beiden Anbieterinnen ihre Angebote zu bereinigen hatten, fehlt es wie ausgeführt im vor- liegenden Fall. 4.3. 4.3.1. In Bezug auf die Zuschlagsempfängerin im Besonderen ist festzuhalten, dass deren ursprüngliches Angebot vom 9. November 2007 als Unterlieferantinnen für die Hydraulik die A. in B. und für die Steuerung und Messung die C. in D. nannte. Im überarbeiteten Angebot vom 7. Dezember 2007 ist als Lieferantin von Hydraulik und Steuerung die E., d.h. dieselbe Lieferantin wie beim Angebot der Beschwerdeführerin, vorgesehen. Zudem wird die Hydraulik neu für Fr. 54'500.00 (statt ursprünglich Fr. 107'020.00) und die Steuerung neu für Fr. 32'000.00 (statt ursprünglich Fr. 84'650.00) offeriert. Das heisst, Hydraulik und Steuerung wurden - anders als beim Angebot der Beschwerdeführerin - nicht lediglich in einigen untergeordneten Punkten den Vorgaben der Vergabestelle angepasst, sondern voll- ständig neu mit einem neuen Lieferanten offeriert. Damit kann nicht mehr von einer "Angebotspräzisierung" bzw. einer zulässigen Bereinigung des Angebots im Sinne von § 17 SubmD gesprochen werden. Vielmehr liegt eine wesentliche nachträgliche Änderung des Leistungsinhalts vor. Seitens der Vergabebehörde ist unbestritten, dass das ursprüngliche Angebot der Zuschlagsempfängerin den grundlegenden Anforderungen der Ausschreibung nicht entsprach. Aus dem Vergabeantrag geht hervor, dass die Offerten der ersten Eingabe nicht den spezifischen Vorgaben entsprachen und nicht vergleichbar waren. Erst nachdem die Zuschlagsempfängerin ihre Unterlieferanten für Hydraulik und Steuerung wechselte und den gleichen Unterlieferanten wie die Beschwerdeführerin beizog, wurden die Angebote überhaupt miteinander (systemtechnisch) ver- gleichbar. Laut der Vergabestelle entsprachen die Angebote im Übrigen auch nach der Änderung nicht vollumfänglich den Anforde- rungen, wurden aber nichtsdestotrotz aus Zeitgründen akzeptiert, da sie nun immerhin, da in Bezug auf Hydraulik und Steuerung die 2008 Submissionen 179 gleiche technische Lösung angeboten wurde, miteinander vergleich- bar waren. Angesichts der Tatsache, dass die Beschwerdeführerin ihr Angebot letztlich nur sehr geringfügig modifiziert hat, wird offen- sichtlich, dass die ursprüngliche Offerte der Zuschlagsempfängerin in wesentlichen Punkten (Hydraulik und Steuerung) von den Vor- gaben der Ausschreibung abwich und infolgedessen gar nicht hätte bereinigt werden dürfen, sondern bereits vorher als nicht ausschrei- bungskonformes Angebot von der Vergabe hätte ausgeschlossen wer- den müssen. Auf jeden Fall aber hätte der Ausschluss des betreffenden An- gebots erfolgen müssen, nachdem die Zuschlagsempfängerin für die (Teil-) Bereiche Hydraulik und Steuerung ein vollständig neues An- gebot mit anderen Lieferanten und damit auch anderen Produkten einreichte. Hierbei handelt es sich - wie bereits erwähnt - klarerwie- se um eine nachträgliche Abänderung eines wesentlichen Teils des Angebots sowohl in inhaltlicher als auch in preislicher Hinsicht, was nicht zulässig ist. Offen bleiben kann, ob der von der Zuschlagsemp- fängerin vorgenommene Lieferantenwechsel für Hydraulik und Steu- erung durch die Vergabestelle initiiert wurde, wie die Beschwerde- führerin vermutet.
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2001 Verwaltungsgericht 378 81 Nichtigkeit einer Verfügung. Schutzwürdiges Interesse als Voraussetzung der Beschwerdelegitimation. - Schutzwürdiges Interesse (§ 38 Abs. 1 VRPG) ist auch bei der Behör- denbeschwerde verlangt (Erw. 4/c, 6/b). - Zuständigkeiten der Steuerkommission und des Gemeindesteuer- amtes (Erw. 5). - Keine Nichtigkeit, wenn nach dem äusseren Anschein eine Veranla- gungsverfügung der zuständigen Steuerkommission vorliegt, selbst wenn das Gemeindesteueramt eigenmächtig handelte (Erw. 6). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 17. Mai 2001 in Sachen KStA gegen Entscheid des Steuerrekursgerichts (betreffend R.K.). Sachverhalt Das Steuerrekursgericht setzte in teilweiser Gutheissung des Rekurses von R.K. das steuerbare Einkommen für die Steuerperiode 1997/98 gegenüber der Veranlagung herab. Am 7. Dezember 2000 sandte das Gemeindesteueramt dem Steuerpflichtigen eine dem Re- kursentscheid entsprechende "definitive Steuerveranlagung 1997/98". Am 18. Januar 2001 erhob das KStA fristgerecht Verwal- tungsgerichtsbeschwerde gegen den Rekursentscheid mit dem Antrag auf Erhöhung des steuerbaren Einkommens. Dem Einwand des Steu- erpflichtigen, mit dem Versand der neuen Veranlagung sei das Be- schwerderecht verwirkt, hielt das KStA entgegen, bei der "Steuerver- anlagung" handle es sich nicht um einen Verwaltungsakt der Steuer- kommission, sondern um die blosse Mitteilung der definitiven Fakto- ren und des Steuerbetrags aufgrund des Rekursentscheids durch das Gemeindesteueramt. Das KStA habe sich nicht veranlasst gesehen, gegen die als "definitive Steuerveranlagung" bezeichnete Mitteilung Einsprache zu erheben, zumal es an einem formgültig erlassenen Anfechtungsobjekt gefehlt habe. 2001 Verwaltungsrechtspflege 379 Aus den Erwägungen 4. a) Gemäss § 139 Abs. 1 i.V.m. § 145 lit. a StG kann das KStA gegen Entscheide des Steuerrekursgerichts Verwaltungsge- richtsbeschwerde erheben. b) Das Verwaltungsgericht hat entschieden, wenn das KStA als Veranlagungsbehörde im Anschluss an einen zu seinen Ungunsten ausgefallenen Rekursentscheid eine entsprechende definitive Steuer- rechnung zustelle, liege darin ein verbindlicher Verzicht auf die Be- schwerdeerhebung (AGVE 1993, S. 420 ff.). Die Beschwerdegegner dürften sich auf dieses Präjudiz stützen, wenn sie geltend machen, mit der Ausstellung und Zusendung der definitiven Steuerveranla- gung hätten die Steuerbehörden auf die Möglichkeit einer Be- schwerde verzichtet. Auf einen Verzicht lassen indessen nur eigene Handlungen schliessen. Nun mag zwar der Steuerpflichtige in sei- nem Empfinden "dem Fiskus" als einer einzigen grossen Behörde gegenüber stehen. Dies ist jedoch eine allzu starke Vereinfachung. Die neue Veranlagungsverfügung stammt von den kommunalen Steuerbehörden und erfolgte ohne Zutun des KStA. Wie aus der Dar- stellung der Behörden und ihrer Kompetenzen (nachfolgend Erw. 5) ersichtlich, kann das KStA Handlungen der kommunalen Steuerbe- hörden, mit denen es nicht einverstanden ist, nicht von vornherein verhindern. Es könnte sich daher lediglich fragen, ob sich auch aus dem Verzicht des KStA, Einsprache zu erheben, auf den Verzicht zur Beschwerdeführung schliessen lässt. Diese Fragestellung fällt beim gegebenen Sachverhalt mit derjenigen nach einem schutzwürdigen Interesse an der Beschwerdeführung zusammen. c) Generell ist ein schutzwürdiges eigenes Interesse Vorausset- zung der Beschwerdelegitimation (§ 38 Abs. 1 VRPG). Bei der Be- hördenbeschwerde ist es zwar nicht ausdrücklich erwähnt, nach der Rechtsprechung aber dennoch erforderlich, weil Rechtsschutz gene- rell nur zur Verfügung gestellt wird, wenn die damit verfolgten Ziele auch schutzwürdig sind (vgl. Michael Merker, Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege [Kommentar zu den §§ 38-72 VRPG], Diss. Zürich 1998, § 38 N 178 und 201, insbesondere FN 440). An 2001 Verwaltungsgericht 380 einem schutzwürdigen Interesse fehlt es vor allem dann, wenn die Beschwerde gar keinen praktischen Nutzen bringen kann (Merker, a.a.O., § 38 N 129 ff.). Vorliegend könnte dies namentlich dann zu- treffen, wenn die Veranlagung vom 7. Dezember 2000 auf jeden Fall bestehen bleibt. Dies ist im Folgenden zu prüfen (Erw. 6). Der besse- ren Verständlichkeit halber ist zuvor in geraffter Form auf die Behör- den und ihre Kompetenzen hinzuweisen (Erw. 5). 5. Auf Gemeindeebene ist die Steuerkommission für die Ver- anlagung der Einkommens-, Vermögens- und Grundstückgewinn- steuern (der natürlichen Personen) zuständig (§ 116 StG). Daneben besteht das Gemeindesteueramt, das u.a. die Veranlagung vorbereitet, zuhanden der Steuerkommission eine Voreinschätzung erstellt, im Anschluss an die Veranlagung die Steuerbeträge errechnet und die Veranlagungsverfügungen und die Einspracheentscheide zustellt (§ 119 StG) und funktionell als zudienendes und ausführendes Organ der Steuerkommission bezeichnet werden kann (AGVE 2000, S. 160). Das KStA leitet den Vollzug des Steuergesetzes und hat be- stimmte eigene Veranlagungszuständigkeiten. Wo die Gemeindesteu- erkommissionen zur Veranlagung zuständig sind, hat das KStA für richtige und gleichmässige Veranlagungen zu sorgen (§ 114 f. StG). Zu diesem Zweck gehört jeder Gemeindesteuerkommission von Amtes wegen ein kantonaler Steuerkommissär an (§ 117 Abs. 2 StG); zudem kann das KStA gegen die einzelnen Veranlagungen Rechtsmittel ergreifen (§ 145 lit. a, § 139 StG) und gegebenenfalls, wenn Mängel in grösserem Umfang erkennbar werden, von Auf- sichts wegen einschreiten (§ 114 Abs. 2 StG). 6. a) Wie dargelegt, ist die Gemeindesteuerkommission für die Veranlagung zuständig. Das KStA macht nun geltend, vorliegend habe die Steuerkommission gar keinen entsprechenden Beschluss gefasst. Vielmehr habe das Gemeindesteueramt die definitiven Fak- toren und den Steuerbetrag aufgrund des Rekursentscheides mitge- teilt. Das KStA vertritt also die Meinung, es handle sich hierbei überhaupt nicht um eine Veranlagung, sondern um die Rechnungs- stellung im Rahmen des Bezugsverfahrens. aa) Den Beschwerdegegnern wurde das übliche Steuerveranla- gungsformular zugestellt. Als Absender ist die "Steuerkommission 2001 Verwaltungsrechtspflege 381 S." angegeben und als Betreff: "Definitive Steuerveranlagung 1997/1998 Rekursentscheid". Unter dem Zwischentitel "Veranla- gung" figuriert das in der Gemeinde steuerbare Einkommen mit Fr. ... Äusserlich lässt nichts darauf schliessen, dass es sich nicht um eine Veranlagung handeln könnte. Unter diesen Umständen geht es nicht an, kurzerhand das Vorliegen einer Veranlagungsverfügung zu verneinen. Dagegen ist zu prüfen, ob es sich dabei um eine nichtige Verfügung handelt. bb) Eine fehlerhafte Verfügung ist in der Regel lediglich an- fechtbar, auf Nichtigkeit ist nur ausnahmsweise zu schliessen. Sie ist dann zu bejahen, wenn der Mangel besonders schwer ist, wenn er offensichtlich oder zumindest leicht erkennbar ist und wenn zudem die Rechtssicherheit durch die Annahme der Nichtigkeit nicht ernst- haft gefährdet wird (AGVE 1994, S. 217; 2000, S. 159). aaa) Zuständigkeitsfehler können einen besonders schweren Mangel darstellen, wenn sie schwerwiegend sind (vgl. Max Imbo- den/René A. Rhinow, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 6. Aufl., Basel/Stuttgart 1986 und René A. Rhinow/Beat Krähen- mann, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Basel/Frankfurt a.M. 1990, je Nr. 40 B V a; Ulrich Häfelin/Georg Müller, Grundriss des allgemeinen Verwaltungsrechts, 3. Aufl., Zü- rich 1998, Rz. 773). Wie es sich damit vorliegend verhält, kann offen bleiben. bbb) Der geltend gemachte Mangel war klarerweise weder of- fensichtlich noch leicht erkennbar; um ihn bemerken, ja auch nur erahnen zu können, brauchte es Abklärungen über den Sitzungsab- lauf bei der Steuerkommission. ccc) Nichtigkeit darf nur angenommen werden, wenn keine überwiegenden Rechtssicherheitsinteressen dagegen sprechen (Im- boden/Rhinow und Rhinow/Krähenmann, a.a.O., je Nr. 40 B IV c, V a 1; Häfelin/Müller, a.a.O., Rz. 769, 773). aaaa) Verfügungen und Entscheide sind in der Regel schriftlich zu eröffnen, also auch zu unterschreiben (vgl. AGVE 1996, S. 386; Jürg Baur, in: Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, Muri/BE 1991, § 134 N 2). So schreibt § 65 Abs. 2 StGV beispielsweise vor, dass der Präsident der Steuerkommission zusammen mit dem Proto- 2001 Verwaltungsgericht 382 kollführer die Einspracheentscheide unterzeichnet. Mit seiner Unter- schrift bezeugt er, dass der eröffnete Einspracheentscheid so durch die Steuerkommission gefällt wurde. Für Veranlagungen gilt nun allerdings, dass sie keine Unterschrift tragen (§ 134 Abs. 1 StG). Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass es sich um automatisiert hergestellte Massenverfügungen handelt (vgl. schon AGVE 1983, S. 130 ff. zum früheren Recht). Diese Erleichterung der Verwaltungstätigkeit hat zur Folge, dass die durch die Unterschrift hergestellte Legitimation des Schriftstücks entfällt. Daraus zu fol- gern, die Gültigkeit derartiger nicht unterschriebener Verfügungen sei gleichsam in der Schwebe und es stehe der Verwaltung jederzeit frei, nachzuweisen, dass sie nicht durch einen entsprechenden Be- schluss der zuständigen Behörde gedeckt seien, liesse sich mit den Anforderungen der Rechtssicherheit und den legitimen Interessen der Verfügungsadressaten nicht vereinbaren. Vielmehr ist die Verwal- tung, zu deren Gunsten die Lockerung der Form erfolgt, hier auch ohne Unterschrift bei dem zu behaften, was der Verfügung hinsicht- lich ihres Erlasses zu entnehmen ist. bbbb) Obwohl das KStA zur Einspracheerhebung legitimiert ist (§ 145 lit. a StG), werden ihm die Veranlagungsverfügungen in der Praxis nicht formell eröffnet. In der Regel ist dies ohne Bedeutung, da der kantonale Steuerkommissär der Gemeindesteuerkommission angehört und über heikle Fälle im Bilde ist. Er kann also einzelfall- weise sicherstellen, dass er rechtzeitig in den Besitz der Veranlagung kommt und es so dem KStA möglich ist, fristgerecht Einsprache zu erheben. Es ist denkbar, dass im vorliegenden Fall der Steuerkom- missär keine Kenntnis von der Veranlagung vom 7. Dezember 2000 erhielt. Dies ist letztlich irrelevant. Wenn das KStA einverstanden ist, die Veranlagungen nicht zugestellt zu erhalten, gilt dieses Einver- ständnis generell. Das allfällige Verpassen einer Einsprachefrist wird damit in Kauf genommen. cccc) Es geht also nicht an, die Steuerpflichtigen die nachteili- gen Konsequenzen aus der Vereinfachung der Verwaltungstätigkeit tragen zu lassen. Deren Rechtsschutzinteresse gebührt der Vorrang vor der richtigen Rechtsanwendung, sofern diese nur über die Nich- tigerklärung der Veranlagung durchgesetzt werden könnte. Diese 2001 Verwaltungsrechtspflege 383 strenge Beurteilung ist für die Steuerbehörden auch unter Berück- sichtigung der Erfordernisse rationellen Handelns in keiner Weise unzumutbar. Wenn es vorliegend am einfachsten war, das bestehende Formular und Computerprogramm zu verwenden, war das Gemein- desteueramt hieran nicht gehindert. Es hätte ausgereicht, hand- schriftlich die Angaben "Steuerkommission S." durch "Gemein- desteueramt S." und "Definitive Steuerveranlagung 1997/1998" durch "Neue Steuerrechnung gemäss Rekursentscheid" zu ersetzen. ddd) Auch die mögliche Argumentation, es sei unmöglich, nach dem Entscheid des Steuerrekursgerichts eine neue Veranlagung zu treffen, wäre unzutreffend. Je nach der Formulierung des Dispositivs (so wenn trotz Gutheissung des Rekurses nicht direkt das steuerbare Einkommen und Vermögen festgesetzt wurde) ist dies sogar uner- lässlich. Im vorliegenden Fall traf dies zwar nicht zu, aber dies macht die neue Veranlagung, die inhaltlich nicht vom Rekursentscheid ab- weicht, nicht nichtig. eee) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Veranlagung vom 7. Dezember 2000 selbst dann nicht nichtig ist, wenn die Aus- führungen des KStA über ihr Zustandekommen zutreffen, sodass sich weitere Abklärungen hierüber erübrigen. Es bleibt aufgrund der äusseren Form dabei, dass eine definitive Veranlagung durch die dazu zuständige Steuerkommission S. vorliegt, die dem Steuer- pflichtigen eröffnet wurde. dd) Daraus ergibt sich, dass die in inhaltlicher Übereinstim- mung mit dem Rekursentscheid erlassene, neue Veranlagungsver- fügung, gegen die keine Einsprache erhoben wurde, in Rechtskraft erwuchs, und zwar, da keine Gerichtsferien gelten, wahrscheinlich noch bevor das KStA seine Verwaltungsgerichtsbeschwerde ein- reichte. b) Wie soeben dargelegt, ist die neue Veranlagung rechtskräftig. Daran würde auch die Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbe- schwerde nichts ändern. Vielmehr entstünde dadurch ein Wider- spruch, der eigentlich nicht vorkommen kann, weshalb auch keine Methode vorgesehen ist, ihn zu lösen. Das KStA hat kein legitimes Interesse, dass ein derartiger Widerspruch geschaffen wird. Wird konsequenterweise unter Verneinung der Beschwerdelegitimation auf 2001 Verwaltungsgericht 384 die Beschwerde nicht eingetreten, ist die Gefahr, dass der aufgezeigte Widerspruch entstehen könnte, von vornherein gebannt. c) Falls das KStA in der Sache Recht haben sollte, mag dieser Verfahrensausgang unbefriedigend erscheinen. Das KStA hat es aber in der Hand, gleichartige Fälle für die Zukunft zu verhindern, sei es durch eine entsprechende Weisung an die Gemeindesteuerämter, sei es durch Einspracheerhebung, wenn doch einmal ein Verfahren schief läuft.
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2002 Verwaltungsgericht 400 [...] 93 Parteientschädigung. - Der Beizug eines Rechtsvertreters im Verwaltungsbeschwerdeverfah- ren ist dann "offensichtlich unbegründet" (§ 36 Abs. 2 VRPG), wenn er objektiv betrachtet klarerweise unnötig ist (Erw. 1). - Anwendung auf den konkreten Fall (Erw. 2). 2002 Verwaltungsrechtspflege 401 Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 13. März 2002 in Sa- chen G. gegen Baudepartement. Aus den Erwägungen 1. a) § 36 VRPG lautet: " 1 Im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht ist dem Ob- siegenden eine angemessene Entschädigung für die Kosten der Ver- tretung, Verbeiständung oder Beratung durch Anwälte und weitere Sachverständige zuzusprechen. Die Entschädigung ist den Umständen entsprechend dem Unterliegenden oder dem interessierten Gemeinwe- sen oder beiden anteilweise aufzuerlegen. 2 Diese Bestimmung kommt auch in den übrigen Beschwerdeverfah- ren zur Anwendung, sofern der Beizug eines Vertreters oder Sachver- ständigen nicht offensichtlich unbegründet war." Das Baudepartement betrachtete den Beizug eines Rechtsver- treters im bei ihm hängigen Verfahren als "offensichtlich unbegrün- det" im Sinne der angeführten Bestimmung; G. wäre als Fürsprecher ohne Weiteres selber in der Lage gewesen, auf die Verwaltungsbe- schwerde ohne Beizug eines Berufskollegen zu replizieren und die entsprechenden Anträge zu stellen, zumal die Behörden den Sach- verhalt im Sinne von § 20 Abs. 1 VRPG von Amtes wegen zu prüfen hätten. Der Beschwerdeführer hält dem entgegen, dass Lehre und Rechtsprechung an die Bejahung der Notwendigkeit einer Rechts- vertretung keine strengen Anforderungen stellten. § 36 Abs. 2 VRPG gehe in dieser Beziehung sogar noch weiter. Ein Rechtsanwalt dürfe gegenüber andern Rechtsuchenden nicht in unzulässiger Weise benachteiligt werden; auch in solchen Fällen sei einzelfallweise zu prüfen, ob sachliche Gründe für den Beizug eines Kollegen bestan- den hätten. Tragweite und Dauer des Verwaltungsbeschwerdever- fahrens seien nun für den als "Privatrechtler" tätigen Beschwerde- führer nicht absehbar gewesen; mit Beschwerderückzügen habe nicht gerechnet werden können. Der Beizug eines in Bausachen erfahrenen Kollegen habe auf Grund des hohen Streitwerts und des Umstands, dass Vergleichsverhandlungen vor erster Instanz gescheitert seien, 2002 Verwaltungsgericht 402 auf der Hand gelegen. Der Hinweis auf § 20 Abs. 1 VRPG sei darum nicht stichhaltig, weil dem Einfluss der Untersuchungsmaxime auf die Parteientschädigung bereits in den §§ 5 und 8 AnwT Rechnung getragen werde. b) Die Wendung "nicht offensichtlich unbegründet" in § 36 Abs. 2 VRPG stellt einen sog. unbestimmten Rechtsbegriff dar, der die Voraussetzungen der Rechtsfolge oder die Rechtsfolge selbst in offener, unbestimmter Weise umschreibt (siehe Ulrich Häfelin / Georg Müller, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 3. Auf- lage, Zürich 1998, Rz. 361; ferner BGE 98 Ib 509). Die Abgrenzung zwischen unbestimmtem Rechtsbegriff und Ermessen ist dabei flies- send; bei beiden Erscheinungen liegen offene Formulierungen vor, welche den rechtsanwendenden Behörden einen Entscheidungsspiel- raum gewähren. Der Unterschied liegt darin, dass die unbestimmten Rechtsbegriffe der Auslegung zugänglich sind und diese eine Rechts- und keine Ermessensfrage darstellt (Häfelin/Müller, a.a.O., Rz. 362 f.). c) aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist eine Norm in erster Linie aus sich selbst heraus, d.h. nach Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihr zu Grunde liegenden Wertungen, aber auch nach der Entstehungsgeschichte auszulegen. Auszugehen ist vom Wortlaut, doch kann dieser nicht allein massgebend sein. Besonders wenn der Text unklar ist oder verschiedene Deutungen zulässt, muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichti- gung weiterer Auslegungselemente, wie namentlich der Entste- hungsgeschichte der Norm, ihrem Zweck und ihrem Zusammenhang mit andern Bestimmungen (Bundesgericht, in: ZBl 102/2001, S. 84, und BGE 125 II 152, je mit Hinweisen; AGVE 1997, S. 336 mit Hin- weisen). bb) Es entspricht einem haftpflichtrechtlichen Grundsatz, dass nicht jeder beliebige, sondern nur der notwendige Rechtsverfol- gungsaufwand des Entschädigungsberechtigten zu ersetzen ist; nicht notwendige Parteikosten gehören, da sie keinen adäquaten Kausal- zusammenhang zum "schädigenden" Ereignis aufweisen, nicht zum Schaden im Rechtssinne (Martin Bernet, Die Parteientschädigung in der schweizerischen Verwaltungsrechtspflege, Zürcher Studien zum 2002 Verwaltungsrechtspflege 403 Verfahrensrecht, Band 69, Zürich 1986, Rz. 257 mit Hinweisen; Alfred Kölz / Jürg Bosshart / Martin Röhl, Kommentar zum Ver- waltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2. Auflage, Zürich 1999, § 17 N 10 mit Hinweisen). In den Prozessgesetzen finden sich denn auch entsprechende Formulierungen. So wird etwa gemäss Art. 159 Abs. 2 OG die unterliegende Partei verpflichtet, der obsiegenden alle durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu ersetzen, und gemäss Art. 64 Abs. 1 VwVG kann die Beschwer- deinstanz der ganz oder teilweise obsiegenden Partei eine Entschädi- gung für ihr erwachsene notwendige und verhältnismässig hohe Kosten zusprechen. Analoge Anforderungen werden an den An- spruch auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung (im aargauischen Recht: § 35 Abs. 3 VRPG) gestellt; die Verbeiständung muss not- wendig erscheinen bzw. die bedürftige Partei eines Rechtsbeistands zur gehörigen Wahrung ihrer Interessen bedürfen (BGE 117 Ia 281; 124 I 2 mit Hinweisen; AGVE 1998, S. 438 mit Hinweisen; VGE III/33 vom 30. März 1999 [BE.1996.00087] in Sachen M., S. 14; Marc Forster, Der Anspruch auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung in der neueren bundesgerichtlichen Rechtsprechung, in: ZBl 93/1992, S. 460 f. mit Hinweisen). Als notwendig gelten gemeinhin jene Parteikosten, welche zur sachgerechten und wirksamen Rechtsverfolgung oder Rechtsver- teidigung auf Grund der besonderen Umstände des Einzelfalls ob- jektiv unerlässlich sind (Kölz/Bosshart/Röhl, a.a.O. mit Hinweisen). Wie die Notwendigkeit im Allgemeinen hängt auch die Frage, ob der Beizug eines rechtskundigen Vertreters erforderlich war, weitgehend von den Umständen des Einzelfalls ab. Die tatsächlichen und rechtli- chen Schwierigkeiten einer Angelegenheit sind an den Fähigkeiten und an der prozessualen Erfahrung des Betroffenen sowie an den Vorkehren der entscheidenden Behörde zu messen. Eine Vertretung ist umso eher unerlässlich, je bedeutsamer die Sache für den Betrof- fenen ist. Zu berücksichtigen ist auch, dass dieser gegenüber der fachlich und juristisch meist versierten Behörde in der Regel unterle- gen ist. Bei dieser Sachlage ist dem Privaten der Beizug eines rechts- kundigen Vertreters grundsätzlich zuzugestehen und ihm im Fall des Obsiegens eine Entschädigung zu gewähren, jedenfalls soweit sich 2002 Verwaltungsgericht 404 die Anwaltskosten als nützlich erweisen, d.h. der Vertreter zur Füh- rung des Verfahrens besser geeignet ist als die vertretene Partei (Bernet, a.a.O., Rz. 259 mit Hinweisen; Kölz/Bosshart/Röhl, a.a.O., § 17 Rz. 11 mit Hinweisen). cc) aaa) Es fällt nun auf, dass bezüglich des Anspruchs auf Parteientschädigung im aargauischen Recht statt des Begriffs "not- wendig" der Begriff "nicht offensichtlich unbegründet" verwendet wird. Vom Wortlaut her ist diese Formulierung insofern stärker, als es mehr braucht, um den Beizug eines Vertreters oder Sachverständigen (mit dem Anspruch auf Ersatz der Parteikosten) als ungerechtfertigt zu betrachten. Da die heute geltende Fassung von Art. 159 Abs. 2 OG wie auch das VwVG als Ganzes im gleichen Zeitraum entstanden wie das VRPG, drängt sich ein Blick in die Gesetzesmate- rialien auf, um feststellen zu können, ob die unterschiedliche Wort- wahl bewusst so getroffen wurde. bbb) Ursprünglich war eine Entschädigung für notwendige Kos- ten nur in den Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht und den Spezialverwaltungsgerichten vorgesehen (§ 29 Satz 1 des Vor- entwurfs der Justizdirektion vom Juni 1966; siehe auch AGVE 1972, S. 350, 352). In der Expertenkommission, die sich mit diesem Ent- wurf befasste, wurde dann angeregt, die Parteientschädigung auch im Verfahren vor den Verwaltungsbehörden zuzulassen, "wenn beson- dere Umstände vorliegen" (S. 12 des Protokolls vom 14. September 1966). Dementsprechend lautete § 29 Abs. 2 des Entwurfs der Jus- tizdirektion vom November 1966 wie folgt: "In schwierigen Fällen ist dies (scil. die Ausrichtung einer Parteient- schädigung gemäss Abs. 1) auch in den übrigen Beschwerdeverfahren möglich." Nachdem im Schosse der Expertenkommission namentlich ge- gen die Einführung der Parteientschädigung im Verwaltungsverfah- ren "ernstliche Bedenken" geäussert worden waren (Protokoll der Sitzung vom 11. November 1966, S. 10; bereinigter Entwurf der Justizdirektion vom 30. November 1966, S. 9), nahm der Regie- rungsrat in seine Botschaft vom 3. Mai 1967 an den Grossen Rat einem Wunsch der Expertenkommission entsprechend die folgende 2002 Verwaltungsrechtspflege 405 Formulierung auf (§ 30 Abs. 2; siehe das Protokoll der Sitzung vom 10. Dezember 1966, S. 10): "Diese Bestimmung kommt auch in den übrigen Beschwerdeverfahren zur Anwendung, sofern der Beizug eines Vertreters oder Sachver- ständigen begründet war." In der Botschaft selber (S. 24) wurde dazu folgender Kommen- tar abgegeben: "Die Parteientschädigungen beschränken sich auf die Kosten für die Vertretung, Verbeiständung oder Beratung durch Anwälte oder Sach- verständige. Sie sind zulässig in Verfahren vor Verwaltungsgericht und in den übrigen Beschwerdeverfahren dann, wenn der Beizug eines Vertreters oder Sachverständigen begründet war. Das letztere ist wohl nur dann der Fall, wenn dem Beschwerdeführer nicht zugemutet wer- den konnte, das Rechtsmittel selber einzulegen." Auf Antrag von Grossrat Dr. Jakob Notter beschloss dann die vorberatende Grossratskommission anlässlich ihrer Sitzung vom 15. September 1967 die folgende neue Fassung von § 30 Abs. 2 (Protokoll, S. 11): "Diese Bestimmung kommt auch in den übrigen Beschwerdeverfahren zur Anwendung, sofern der Beizug eines Vertreters oder Sachver- ständigen nicht offensichtlich unbegründet ist." Diese Fassung wurde in der Folge, nur noch in redaktioneller Hinsicht bereinigt ("ist" wurde durch "war" ersetzt), zum geltenden Wortlaut. ccc) Die Tendenz ging somit über weite Strecken des Gesetz- gebungsverfahrens dahin, Parteientschädigungen in Verwaltungsbe- schwerdeverfahren - wenn überhaupt - nur mit Zurückhaltung zu gewähren; als begründet wurde der Beizug eines Vertreters nur be- trachtet, wenn es für den Beschwerdeführer nicht zumutbar erschien, das Rechtsmittel ohne anwaltliche Hilfe zu ergreifen (erwähnte regierungsrätliche Botschaft vom 3. Mai 1967, S. 24). Die nicht unwesentliche Änderung der Formulierung ganz am Schluss des legislatorischen Prozesses wurde nicht weiter begründet und lässt deshalb - in Anbetracht des ursprünglich zurückhaltenden Tenors - einige Fragezeichen offen. Trotzdem lässt sich über die terminologi- sche Differenzierung nicht hinwegsehen; es muss davon ausgegan- 2002 Verwaltungsgericht 406 gen werden, dass der aargauische Gesetzgeber Parteientschädigungen in den Verwaltungsbeschwerdeverfahren eher in grosszügigerem Rahmen gewähren wollte, als dies der Begriff der Notwendigkeit zu- lässt. "Offensichtlich unbegründet" ist der Beizug eines Rechtsver- treters dann, wenn er objektiv betrachtet klarerweise unnötig ist; es muss auf der Hand liegen, dass eine vernünftig handelnde Prozess- partei, wenn sie das ihr erwachsende Kostenrisiko in Rechnung stellt, unter den gegebenen Umständen auf anwaltlichen Beistand verzich- tet. 2. Diese Grundsätze sind im Folgenden auf den konkreten An- wendungsfall umzusetzen. a) Der vorliegende Fall hat die Besonderheit, dass die die Par- teientschädigung beanspruchende Prozesspartei selber den Anwalts- beruf ausübt. Dieser Umstand allein schliesst einen Anspruch auf Parteientschädigung freilich nicht aus; § 36 Abs. 2 VRPG enthält einen derartigen Vorbehalt nicht, und ein genereller Ausschluss schüfe ein Rechtsgleichheitsproblem (siehe auch Kölz/Bosshart/ Röhl, a.a.O., § 17 N 13, zur Frage, ob ein Rechtsanwalt, der ein Verfahren in eigener Sache oder in eigenem Namen führt, in Bezug auf die ihm dadurch entstehenden Parteikosten ersatzberechtigt ist). Sollte der Entscheid des Regierungsrats vom 30. Juni 1999 (Art. Nr. 1999-001236) in Sachen Dr. iur. B., auf den das Baudepartement verweist, eine anderweitige Aussage machen ("Rechtsanwalt Dr. B. wäre ohne weiteres in der Lage gewesen, die umstrittenen vorinstanzlichen Entscheide ohne Beizug eines Berufskollegen - zumal dieser noch in derselben Bürogemeinschaft tätig ist - an den Regierungsrat weiterzuziehen"), so wäre er insoweit als nicht schlüssig zu betrachten (siehe auch BGE 110 V 134 f.). Von selbst versteht sich dagegen, dass die besondere Sachkunde des als Partei am Verfahren beteiligten Anwalts bei der Beurteilung der konkreten Fallkonstellation eine Rolle spielen muss (siehe hinten Erw. b). b) Die Notwendigkeit, einen Rechtsvertreter beizuziehen, darf auch nicht deswegen aus grundsätzlichen Überlegungen verneint werden, weil das betreffende Verfahren von der Offizialmaxime bzw. vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht wird, mithin die beteiligte Behörde ihrerseits gehalten ist, an der Sammlung des Prozessstoffs 2002 Verwaltungsrechtspflege 407 massgeblich mitzuwirken (siehe BGE 117 Ia 282 und den erwähnten VGE in Sachen M., S. 14 [beide zur Frage der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung]). Anderseits rechtfertigen es - im Rahmen der Zurückhaltung, welche angesichts der Formulierung in § 36 Abs. 2 VRPG zu üben ist (vorne Erw. 1/c/cc) - Natur und Besonderheiten derartiger Verfahren, an die Voraussetzungen, unter denen eine Ver- beiständung durch einen Rechtsanwalt sachlich geboten ist, einen eher strengen Massstab anzulegen; in einem vom Untersuchungs- grundsatz beherrschten Verfahren ist die Mitwirkung eines Rechtsan- walts häufig nicht zwingend erforderlich (BGE 122 I 10; erwähnter VGE in Sachen M., S. 14). c) Das vorinstanzliche Beschwerdeverfahren, in welchem der Beschwerdeführer als Bauherr beteiligt war, ist zwar geprägt durch einen relativ hohen Streitwert (die Bausumme für die Betonaufbe- reitungsanlage wird in den Baugesuchsakten mit Fr. 1'500'000.-- angegeben), doch ist dies letztlich nicht entscheidend. Ungleich stär- ker fällt ins Gewicht, dass der Beschwerdeführer im vorinstanzlichen Verfahren mit einer recht einfachen und übersichtlichen Ausgangs- lage konfrontiert war. So führten vor dem Baudepartement nur noch solche Einsprecher Verwaltungsbeschwerde, deren Einsprachebefug- nis vom Gemeinderat auf Grund der örtlichen Gegebenheiten ver- neint worden war. Der Gegenstand des Verfahrens reduzierte sich somit im Wesentlichen auf ein Legitimationsproblem. In materieller Hinsicht sodann ging es den damaligen Beschwerdeführern nicht um eine Verhinderung des Bauvorhabens, sondern einzig um dessen ver- kehrstechnische Erschliessung, welche sie mit einer Auflage in ihrem Sinne geregelt haben wollten. Der Beschwerdeführer wies in der Vernehmlassung vom 14. Februar 2001 darauf hin, dass er "nöti- genfalls mit einer rechtsverbindlichen Auflage, wonach die Zu- und Wegfahrt zur Betonaufbereitungsanlage für betriebseigene Fahr- zeuge, die ca. 90% des Gesamtverkehrs ausmachen, zwingend über die Nigglishüserstrasse / Aeschwuhrstrasse-West zu erfolgen habe, durchaus leben könnte"; damit gab er zu erkennen, dass er dem Ver- fahrensausgang nicht allzu grosse Bedeutung beimass. Jedenfalls erscheint dem Verwaltungsgericht klar, dass unter diesen Umständen der rechtskundige Beschwerdeführer nicht auf eine anwaltliche Ver- 2002 Verwaltungsgericht 408 beiständung angewiesen sein konnte. War der Beizug seines Büro- kollegen somit "offensichtlich unbegründet", darf ihm gemäss § 36 Abs. 2 VRPG auch keine Parteientschädigung ausgerichtet werden. Die Beschwerde ist abzuweisen und der vorinstanzliche Entscheid zu bestätigen.
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2003 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 151 [...] 44 Anstaltseinweisung; Zuständigkeit; Zwangsmassnahmen. - Die Regelung des Ausgangs ist eine Anordnung der Klinik im Rahmen des Vollzugs einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung und kann als solche nicht durch das Verwaltungsgericht überprüft werden (Erw. 2/c/aa). - Eine Zwangsmassnahme i.S.v. § 67e bis EGZGB liegt vor, wenn neben dem Entzug der Bewegungsfreiheit ein zusätzlicher Eingriff in die körperliche oder psychische Integrität des Betroffenen erfolgt; die vorübergehende Streichung des Gruppenspaziergangs ist keine Zwangsmassnahme (Erw. 2c/bb). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 15. April 2003 in Sa- chen R.F. gegen Entscheid der Klinik Königsfelden. Aus den Erwägungen: 2. a) Das Verwaltungsgericht beurteilt Beschwerden gegen für- sorgerische Freiheitsentziehungen (§ 52 Ziff. 14 VRPG; Art. 397d ZGB und § 67o EGZGB). Die verwaltungsgerichtliche Zuständigkeit beschränkt sich dabei auf die Beurteilung der Rechtmässigkeit der Einweisung in eine Anstalt oder der Verweigerung der Entlassung (Zurückbehaltung bzw. Abweisung des Entlassungsgesuchs). Anord- nungen in der Anstalt im Rahmen des Vollzugs einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung überprüft es hingegen nicht (AGVE 1989, S. 198 f.; 1987, S. 217; Michael Merker, Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, Kommentar zu den §§ 38 - 72 VRPG, Diss. Zürich 1998, § 52 N 118). 2003 Verwaltungsgericht 152 b) Gemäss § 67e bis Abs. 4 EGZGB kann auch ein Entscheid der Psychiatrischen Klinik Königsfelden betreffend Zwangsmassnahmen im Rahmen einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung, einschliesslich der nach § 15 PD notfallmässig durchgeführten Zwangs- behandlungen (AGVE 2000, S. 177 f.), mit Beschwerde beim Ver- waltungsgericht angefochten werden. Das Verwaltungsgericht über- prüft, ob die Zwangsmassnahme nach Massgabe des Einweisungs- grundes medizinisch indiziert und ob sie verhältnismässig ist. Das Verwaltungsgericht ist indessen grundsätzlich nicht zuständig zur Beurteilung von konkreten ärztlichen Anordnungen, wie die Wahl des Medikaments, der Dosierung, der Anordnung einer bestimmten therapeutischen Behandlung, Wahl der Abteilung, etc. Dies gehört in den Fachbereich der Ärzte (AGVE 1987, S. 217; AGVE 1989, S. 198 f.; Eugen Spirig, Zürcher Kommentar, Art. 397a - 397f ZGB, Zürich 1995, Art. 397d N 42 mit Hinweisen). c) Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Entscheid der Klinik, dem Beschwerdeführer bei Entweichen während des Gruppenspaziergangs den Ausgang für drei Tage zu streichen. aa) Es handelt sich dabei um eine Vorkehr der Klinik zur Er- füllung ihrer Aufsichtspflicht gegenüber dem Beschwerdeführer, der sich - zur Zeit zu Recht - mittels fürsorgerischer Freiheitsentziehung in der Klinik als geschlossene Anstalt befindet. Die Regelung des Ausgangs liegt im Ermessen der Klinikärzte. Es handelt sich um eine Frage der Ausgestaltung gewisser Freiheiten im Rahmen des Klinikalltags. Wenn der Beschwerdeführer diese Freiheiten für Fluchtversuche missbraucht, ist die darauffolgende Streichung des Spaziergangs eine Anordnung im Rahmen des Vollzugs der fürsorge- rischen Freiheitsentziehung. Diese kann nicht Gegenstand der ver- waltungsgerichtlichen Prüfung einer fürsorgerischen Freiheitsentzie- hung sein (siehe vorne, Erw. 2/a). bb) Weiter stellt sich die Frage, ob eine Zwangsmassnahme im Sinne von § 67e bis EGZGB vorliegt. Eine Zwangsmassnahme im Sinne dieser Bestimmung ist eine Behandlung oder eine andere Vor- kehr, die im Rahmen einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung gegen den Willen der betroffenen Person vorgenommen wird, und die ne- ben dem Entzug der Bewegungsfreiheit einen zusätzlichen Eingriff 2003 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 153 in die körperliche oder psychische Integrität der betroffenen Person bedeutet (BGE 125 III 172 f.). Der Gesetzgeber dachte im Wesentli- chen an Zwangsmedikation, Isolation und Fixierung. Das Verwal- tungsgericht hat entschieden, dass auch das Besuchsverbot der Spi- talpfarrerin und der Entzug der Bibel eines isolierten Patienten Zwangsmassnahmen darstellen, weil durch diese Anordnungen die persönliche Freiheit des Patienten weitergehend als durch den Zwangsaufenthalt in der Anstalt eingeschränkt wurde (AGVE 2000, S. 195 ff.). Durch die vorliegend angeordnete und inzwischen mehr- mals vollzogene vorübergehende Streichung des Gruppenspazier- gangs wird die persönliche Freiheit des Beschwerdeführers nicht weitergehend eingeschränkt, als sie es durch den Entzug der Bewe- gungsfreiheit in der psychiatrischen Klinik Königsfelden als ge- schlossene Anstalt grundsätzlich schon ist. Es handelt sich somit nicht um eine Zwangsmassnahme im Sinne von § 67e bis EGZGB, weshalb auch unter diesem Titel keine verwaltungsgerichtliche Überprüfung der Klinikanordnung vom 8. April 2003 erfolgen kann.
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2003 Verwaltungsgericht 292 [...] 69 Materielle Hilfe. - Berechnung der materiellen Hilfe, wenn der Sozialhilfeempfänger in einem gefestigtem Konkubinat lebt. Unzulässigkeit der Gleichstellung mit einem Ehepaar. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 19. November 2003 in Sachen V.G. gegen Entscheid des Bezirksamts R. Aus den Erwägungen 2. a) aa) Das SHG (in der bis zum 31. Dezember 2002 gelten- den Fassung) enthält keine explizite Regelung bezüglich der Berech- nung des Sozialhilfeanspruches bei Konkubinatspartnern. Gemäss § 12 Abs. 1 SHG sind die Sozialbehörden allerdings nur zur Leistung materieller Hilfe verpflichtet, soweit der Hilfesuchende für seinen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen mit gleichem Wohnsitz nicht hinreichend oder nicht rechtzeitig aus eigenen Mit- teln aufkommen kann. Damit wird der Grundsatz der Subsidiarität der Sozialhilfe ausgedrückt. Soweit der Bedürftige gegenüber Ange- hörigen oder Dritten einen klagbaren Anspruch auf Leistungen be- 2003 Sozialhilfe 293 sitzt, besteht demnach kein Anspruch auf Sozialhilfe. Sozialhilfeleis- tungen sind aber auch subsidiär gegenüber Leistungen Dritter, wel- che ohne rechtliche Verpflichtungen erbracht werden (Entscheid des Bundesgerichts vom 24. August 1998 [2P.386/1997] in Sachen K., Erw. 3/c; Basellandschaftliche Verwaltungsgerichtsentscheide [BLVGE] 1998, S. 223; Richtlinien für die Ausgestaltung und Be- messung der Sozialhilfe, herausgegeben von der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe [SKOS-Richtlinien], Dezember 2000, Ziff. A.4). Im Konkubinatsverhältnis bestehen keine gesetzlichen Unter- halts- oder Unterstützungspflichten. Für das Sozialhilferecht ist nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung - im Sinne einer widerlegbaren Vermutung - indessen davon auszugehen, dass sich die Partner eines stabilen Konkubinats gegenseitig unterstützen. Dies hat zur Folge, dass Einkommen und Vermögen des Konkubinatspartners bei einem gefestigten Konkubinat für die Beurteilung der Bedürftigkeit ange- messen mitberücksichtigt werden darf (erwähnter BGE vom 24. August 1998, Erw. 3/c; vgl. auch BGE 129 I 6 f.; Felix Wolffers, Grundriss des Sozialhilferechts, Bern 1993, S. 162). Von einem gefestigten Konkubinat ist auszugehen, wenn es mindestens fünf Jahre andauert (SKOS-Richtlinien, Ziff. F.5.1). bb) Diese Grundsätze haben Eingang in das ebenfalls vom Sub- sidiaritätsgedanken geprägte SPG (§ 5 Abs. 1) bzw. den diesen kon- kretisierenden § 12 SPV gefunden. Danach können einer unter- stützten Person, welche in einer stabilen, eheähnlichen Beziehung lebt, die finanziellen Mittel des Partners ganz oder teilweise ange- rechnet werden, sofern nicht glaubhaft gemacht werden kann, dass die Beziehung keinen eheähnlichen Charakter aufweist. Beim Um- fang der anzurechnenden finanziellen Mittel ist den konkreten Um- ständen, insbesondere bestehenden Verpflichtungen, angemessen Rechnung zu tragen (Abs. 1). Eine stabile, eheähnliche Beziehung ist unter anderem dann anzunehmen, wenn seit mindestens 5 Jahren ein gemeinsamer Haushalt geführt wird (Abs. 2 lit. a). In dieser allge- mein gehaltenen Formulierung ist diese Verordnungsbestimmung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. dazu auch AGVE 1985, S. 120 ff.). 2003 Verwaltungsgericht 294 cc) Die fehlende rechtliche Unterhaltspflicht zwischen Konku- binatspaaren verbietet aber aus Gründen der Rechtsgleichheit (Art. 8 Abs. 1 BV) ein Abstellen auf die gleiche Berechnungsweise wie bei zusammenlebenden Eheleuten, da damit Ungleiches gleich behandelt würde. Die gegenteiligen Erläuterungen im Handbuch Sozialhilfe des Kantonalen Sozialdienstes (4. Auflage, August 2003, Kapitel 12, Rechtsprechung 1, S. 3), wonach bei einem gefestigten Konkubinat ein gemeinsames Budget unter Einbezug der Einkünfte und Vermö- genswerte der nicht unterstützten Person zu erstellen ist, erweisen sich daher als unzulässig. Ihnen kommt - im Gegensatz zum SPG, der dieses ausführenden SPV und, soweit von Letzterer als massgeblich bezeichnet (§ 10), den SKOS-Richtlinien - ohnehin keine rechtser- zeugende Wirkung zu; sie sind nur beachtlich, soweit sie dem for- mell gesetzten Recht entsprechen oder dort klarerweise enthaltene Ermessenspielräume korrekt ausfüllen. dd) Im Ergebnis ist festzuhalten, dass bei einem gefestigten Konkubinat die tatsächliche gegenseitige Unterstützung vermutet wird. Die finanziellen Mittel des Konkubinatpartners dürfen - soweit zumutbar - angemessen angerechnet werden. Dies gilt unabhängig davon, ob die Sozialhilfeansprüche nach SHG oder SPG zu beurtei- len sind. b) Gemäss eigenen Angaben leben der Beschwerdeführer und sein Partner Z. seit über 20 Jahren in einem gemeinsamen Haushalt zusammen. Es handelt sich um ein gefestigtes Konkubinat; entspre- chend ist davon auszugehen, dass sie sich gegenseitig unterstützen. Diese Vermutung vermögen die durch nichts belegten Behauptungen des Beschwerdeführers, der eine Unterstützung durch Z. verneint, nicht umzustossen. Ganz im Gegenteil zeigt die fehlende Deklaration von Mietzinseinnahmen durch Z., dass er den Beschwerdeführer kostenlos in seiner - nach den gegebenen Umständen im Hinblick auf das weitere Zusammenleben zu zweit erworbenen - Eigentumswoh- nung wohnen lässt und ihn insoweit unterstützt. Für eine tatsächliche Unterstützung sprechen im Weiteren auch die finanziellen Verhält- nisse von Z. Er deklarierte in den Jahren 1999/2000 ein Reinein- kommen von ... Bei solchen finanziellen Verhältnissen ist eine Un- terstützung des Konkubinatspartners durchaus zumutbar. 2003 Sozialhilfe 295 c) Soweit auf Grund der Verhältnisse eine finanzielle Unter- stützung durch den Konkubinatspartner zumutbar ist, ist zu deren Berechnung auf die von ihm effektiv zu tragenden Ausgaben abzu- stellen. Bei der Bedarfsrechnung darf dabei nicht nur ein Grundbe- darf nach Sozialhilfegrundsätzen (§ 10 SPV i.V.m. SKOS-Richtli- nien, Ziff. B.2) eingesetzt werden, denn der nicht unterstützungsbe- dürftige Konkubinatspartner muss sich nicht auf einen Lebensstand- ard nach Sozialhilfegrundsätzen beschränken. Diesem Umstand ist durch die Berücksichtigung eines im Einzelfall festzulegenden Zu- schlags Rechnung zu tragen. Anders entscheiden würde im Ergebnis zu einer Gleichstellung mit Ehepaaren führen und die finanziellen Mittel des Konkubinatspartners über den zumutbaren Rahmen hinaus berücksichtigen. d) (...) e) Wie bereits ausgeführt, stellt Z. dem Beschwerdeführer die Unterkunft unentgeltlich zur Verfügung. Entsprechend sind beim Bedarf des Beschwerdeführers keine Wohnungskosten zu berück- sichtigen, weshalb sich weitere Ausführungen zu deren Angemes- senheit erübrigen. Zusätzlich vom in Geld vorhandenen Überschuss von monatlich Fr. 1'224.-- rund 1 / 5 dem Beschwerdeführer als eigene Mittel zuzurechnen, hält sich klar im Rahmen des Zumutbaren und ist offensichtlich nicht übersetzt.
1,498
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AG_VG_001
AG_VG
AG
Northwestern_Switzerland
AG_VG_001_AGVE-2003-69_2003-11-02
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2014 Personalrecht 241 XI. Personalrecht 43 Besoldung Lehrpersonen Kindergarten - Lehrpersonen Kindergarten üben einen typischen Frauenberuf aus (Erw. 1). - Die ABAKABA-Punktewerte des Verwaltungspersonals sowie der Lehrpersonen sind direkt miteinander vergleichbar (Erw. 5). - Es lässt sich grundsätzlich nicht beanstanden, dass für die Lohn- einstufung des Verwaltungspersonals einerseits und der Lehrperso- nen andererseits Vergleichslöhne unterschiedlich berücksichtigt wer- den (Erw. 6). - Anforderungen an die Erhebung der Vergleichslöhne (Erw. 7). - Soweit die Besoldung der Lehrpersonen Kindergarten an deren Besoldung gemäss dem früheren Lohnsystem anknüpft, bedarf es des Nachweises, dass diese frühere Besoldung diskriminierungsfrei war (Erw. 8). Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 29. Januar 2014 in Sachen. B. gegen Schulpflege V. (WBE.2013.151). Aus den Erwägungen 1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, ihre Lohneinstufung sei diskriminierend. Der entsprechenden Argumentation legt sie die Be- hauptung zugrunde, als Lehrperson Kindergarten übe sie einen typi- schen Frauenberuf aus. Diese Qualifikation ist ohne weiteres zutref- fend; sie deckt sich mit der Rechtsprechung des Bundesgerichts (Ur- teil des Bundesgerichts vom 15. Juni 2007 [2A.79/2007], Erw. 2; BGE 125 II 530, Erw. 2b) sowie des Verwaltungsgerichts (VGE IV/89 vom 7. Dezember 2007 [WNO.2005.1-4], S. 23). Allein 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 242 durch eine Besoldungserhöhung wird die Qualifikation als typischer Frauenberuf nicht hinfällig. 2. 2.1. Die Beschwerdeführerin bezieht sich im Zusammenhang mit ih- rer Rüge der Diskriminierung primär auf den Vergleich mit Funktio- nen der Kantonalen Verwaltung (Sachbereichsleiter/in, Sachbearbei- ter/in II und Fachspezialist/in I). (...) 2.2. (Darstellung des Besoldungssystems für das aargauische Ver- waltungspersonal; dieses richtet sich primär nach dem Arbeitsplatz- bewertungssystem ABAKABA) 2.3. (Darstellung des Besoldungssystems für die aargauischen Lehr- personen; zusammenfassend wird die Lohneinstufung aufgrund fol- gender Gewichtung festgelegt: 37,5 % bisheriger Positionslohn [= Minimallohn gemäss dem früheren Besoldungssystem], 12,5 % ABAKABA-Lohn, 50 % Marktlohn [= Vergleichslohn, der in be- stimmten anderen Kantonen ausbezahlt wird]) 3. (Darstellung der Rechtsprechung betreffend die Lohngleichheit von Mann und Frau) 4. (...) 5. 5.1. Die Behauptung, die Tätigkeit der Lehrpersonen Kindergarten sei gegenüber den ähnlich besoldeten Tätigkeiten der Verwaltung deutlich höher einzustufen, ist vorab nach Massgabe der Arbeits- platzbewertung ABAKABA zu prüfen. Umstritten ist in diesem Zu- sammenhang die Bedeutung des ABAKABA-Merkmals "Fd" betref- fend die "Verantwortung für die Erreichung von Lernzielen". Nach Darstellung des Beigeladenen ist dieses Merkmal "systemwidrig" und einzig darauf ausgerichtet, die unterschiedlichen Funktionen von Lehrpersonen präziser abbilden zu können. Da es nur bei den Lehrpersonen erhoben werde bzw. nur sie hier Punkte generieren könnten, sei ein Quervergleich der ABAKABA-Punktezahlen des 2014 Personalrecht 243 Verwaltungspersonals einerseits sowie der Lehrpersonen andererseits ausgeschlossen. 5.2. Der sachverständige Zeuge erklärte an der Verhandlung vor Verwaltungsgericht, gemäss seinen Informationen sei der Merkmals- bereich "F" (Führung) für die beiden Personalgruppen Lehrpersonen und Verwaltungspersonal gleich ausgestaltet. Das Merkmal "Fd" (Verantwortung für die Erreichung von Lernzielen) sei zwar beson- ders für Lehrpersonen konzipiert worden, finde aber auch bei der Be- wertung der Arbeitsplätze des Verwaltungspersonals Anwendung. Das Merkmal gelte demnach für beide Personalgruppen gleichermas- sen. Die Verantwortung für die Erreichung von Lernzielen erwachse- ner Personen werde weniger hoch bewertet als diejenige für die Erreichung von Lernzielen von Kindern und Jugendlichen, weil die Eigenverantwortung bei Erwachsenen grösser sei. Es sei jedoch nicht so, dass die Lehrpersonen im Vergleich zum Verwaltungspersonal Zusatzpunkte erhalten würden. Immerhin könnten die Lehrpersonen bei den Merkmalen "Fa-c" keine Punkte sammeln. Im Übrigen gebe es immer Merkmale, die nur für einen Teil der Funktionen relevant seien, beispielsweise das Merkmal "Pd6" (Kälte, Hitze, Nässe, Arbeit im Freien). Ein einzelnes Merkmal könne nur dann ausgeklammert werden, wenn bei einem Arbeitgeber keine einzige Funktion vorhan- den sei, für die es relevant sein könnte. Das System sei darauf ange- legt, alle Arbeitsplätze nach dem gleichen Raster zu beurteilen, so dass eine vollumfängliche Vergleichbarkeit der Punktewerte gewähr- leistet sei. Dies sei auch in Bezug auf die Lehrpersonen sowie das Verwaltungspersonal "absolut" erfüllt. Die Behauptung des Beigela- denen, wonach im Zusammenhang mit dem Merkmal "Fd" die Ver- gleichbarkeit nicht gegeben sein soll, könne er (der sachverständige Zeuge) nicht nachvollziehen. 5.3. Die erwähnten Aussagen des sachverständigen Zeugen, nota- bene eines der beiden Begründer des Arbeitsplatzbewertungssystems ABAKABA, sind schlüssig und nachvollziehbar. Es besteht kein An- lass, an deren Richtigkeit zu zweifeln bzw. die Vergleichbarkeit der ABAKABA-Punktewerte der Lehrpersonen einerseits sowie des Ver- 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 244 waltungspersonals andererseits in Frage zu stellen. Dies gilt umso mehr, als es sich dabei ausschliesslich um eine rein arbeitswissen- schaftliche Problematik handelt. Der Umstand, dass beim Merkmal "Fd" primär Lehrpersonen Punkte generieren, vermag an der erwähn- ten Einschätzung nichts zu ändern. Im Übrigen existieren ausweis- lich der vom Beigeladenen zu den Akten gereichten ABAKABA- Protokolle beim Verwaltungspersonal mit dem/der Fachspezialist(in) Informatik und dem/der Zivilschutzinstruktor(in) mindestens zwei Funktionen, die für das umstrittene, angeblich den Lehrpersonen vor- behaltene Merkmal "Fd" ebenfalls Punkte erhielten. Dass die ABAKABA-Punktewerte der Lehrpersonen und des Verwaltungsper- sonals "eins zu eins" miteinander vergleichbar sind, zeigt sich schliesslich nicht zuletzt auch darin, dass der Beigeladene die sich aus den ABAKABA-Protokollen für die Lehrpersonen ergebenden Punktewerte auf den Lohnstufenplan für das Verwaltungspersonal referenzierte, um den in das Vektorenmodell einzusetzenden "ABAKABA-Lohn" zu erhalten. 5.4. (...) 5.5. Die Lehrpersonen Kindergarten erreichten bei der Arbeitsplatz- bewertung nach ABAKABA 478 Punkte (Total gewichtet). Damit wären sie nach der entsprechenden Umrechnungsskala in die Lohn- stufe 13 des Lohnstufenplans für das Verwaltungspersonal (für Funk- tionen mit 440 bis 479,99 Punkten) einzureihen, für welche 2011 ein Minimal- oder Positionslohn von Fr. 96`478.50 bzw. ein Maximal- lohn von Fr. 135'069.90 galt. Tatsächlich wurde die Beschwer- deführerin in die Lohnstufe 2 des Lohnstufenplans für die Lehrper- sonen mit einem Minimal- bzw. Positionslohn von Fr. 70`622.00 und einem Maximallohn von Fr. 112'995.00 eingereiht (Anhänge I und IIA LDLP). Allein aufgrund der im Vergleich zum Verwaltungspersonal tieferen Einstufung ist jedoch eine Diskriminierung im Sinne von Art. 8 Abs. 3 BV und Art. 3 GlG weder dargetan noch auch bloss glaubhaft gemacht. Dies ergibt sich bereits daraus, dass das Vek- torenmodell, welches letztlich zur Tiefereinstufung führt (vgl. Bot- schaft Änderung LDLP, Tabelle S. 12), für sämtliche Lehrpersonen 2014 Personalrecht 245 Anwendung findet, also nicht nur für den frauenspezifischen Beruf der Lehrpersonen Kindergarten. Im Folgenden ist indessen zu prüfen, ob die Vektoren "Marktlohn" und "bisheriger Lohn" für die Lehrper- sonen Kindergarten diskriminierende Auswirkungen haben. 6. 6.1. 6.1.1. Für die Lohneinstufung des Verwaltungspersonals spielt der Marktvergleich gegenüber der ABAKABA-Bewertung eine weniger gewichtige Rolle. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut von § 5 LD: Gemäss Abs. 3 legt der Regierungsrat die Positionslöhne nach einem Bericht über die Bewertung der Arbeitsplätze fest; ge- mäss Abs. 4 bildet dieser Bericht auch die Basis für den Lohnstufen- plan sowie den Einreihungsplan. § 5 Abs. 4 LD verlangt indessen ausdrücklich, dass zusätzlich auch die Arbeitsmarktsituation zu be- rücksichtigen ist. Ursprünglich wurden bei der Zuordnung der ABAKABA-Punktezahl zu den einzelnen Lohnstufen verschiedent- lich dauerhafte Marktkorrekturen um plus oder minus ein oder zwei Lohnstufen vorgenommen. Im Rahmen der Revision wurde demge- genüber speziell darauf geachtet, die Notwendigkeit derartiger Marktkorrekturen soweit als möglich zu vermeiden. Effektiv konnten die Ergebnisse der Arbeitsplatzbewertung so auf die Marktsituation abgestimmt werden, dass aus der Zuordnung der ABAKABA-Punk- tewerte zu den einzelnen Lohnstufen marktgerechte Löhne resul- tierten. § 5 Abs. 1 LD bietet indessen weiterhin die Möglichkeit, bei Bedarf die sich aus ABAKABA ergebenden Löhne dauerhaft nach Massgabe des Marktes zu reduzieren oder zu erhöhen. 6.1.2. Im Lohnsystem für die Lehrpersonen spielt der Marktlohn eine bedeutend zentralere Rolle, kommt ihm doch im Rahmen des Vekto- renmodells ein Gewicht von 50 % zu. Dies wird damit begründet, dass der Arbeitsmarkt Lehrpersonen weitgehend in sich geschlossen ist und primär eine Konkurrenz zu den umliegenden Kantonen be- steht (vgl. Botschaft LDLP, S. 15). 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 246 6.2. Gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist es einem Kanton nicht verwehrt, sein Lohnsystem auf einen grösseren Markt auszurichten und die dort bezahlten Gehälter mit zu berücksichtigen. Der Arbeitgeber darf das Arbeitsmarktargument jedoch nicht derart anwenden, dass er daraus ohne sachliche, geschlechtsunabhängige Gründe nur zum Nachteil des einen Geschlechts bzw. von vorwie- gend weiblichen Funktionsbereichen Schlüsse zieht, nicht aber beim anderen Geschlecht bzw. bei neutralen oder vorwiegend männlichen Funktionsbereichen. Demnach muss sich der Arbeitgeber - vor allem wenn es um Herabsetzungen geht - vergewissern, dass die Ver- gleichslöhne auf dem Markt nicht selber diskriminierende Züge auf- weisen. Ansonsten würden allfällige auf dem Markt bestehende Ge- schlechterdiskriminierungen (wieder) Einfluss in das Lohnsystem finden, obwohl es gerade ein Ziel der analytischen Arbeitsplatz- bewertung war, sie auszuräumen. Im Weiteren müssen die geltend gemachten arbeitsmarktlichen Verhältnisse tatsächlich vorhanden ge- wesen sein und den Lohnentscheid beeinflusst haben (BGE 131 II 393, Erw. 7.4 mit zahlreichen Hinweisen). Dem erwähnten Urteil des Bundesgerichts lag ein sogenannter Minusklassenentscheid zugrun- de, d.h. es wurde - unter Verweis auf den Marktlohn - zum Nachteil geschlechtsspezifischer Funktionen eine tiefere Lohneinreihung vor- genommen, als sie gemäss systematischer Arbeitsbewertung ange- zeigt gewesen wäre. Das Bundesgericht hielt in diesem Zusammen- hang fest, dass ein derartiges Vorgehen begründungsbedürftig ist und in der Regel zur Vermutung einer Diskriminierung führt; die Beweis- last wird nach Art. 6 GlG umgekehrt (BGE 131 II 393, Erw. 7.1 mit Hinweisen). 6.3. 6.3.1. Es lässt sich grundsätzlich nicht beanstanden, dass für das Ver- waltungspersonal einerseits sowie die Lehrpersonen andererseits zwei verschiedene Besoldungssysteme vorgesehen sind. Der Um- stand, dass die beiden Systeme dem Markt in verschiedener Art und Weise Rechnung tragen, vermag an dieser Einschätzung nichts zu än- dern. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass bei den Lehrperso- 2014 Personalrecht 247 nen im Gegensatz zum Verwaltungspersonal zum einen eine hohe Vergleichbarkeit gegeben ist und zum anderen ein geschlossener Markt besteht (siehe vorne Erw. 6.1.2). Es erscheint daher gerecht- fertigt, dass der Beigeladene in besonderem Masse auf diesen Markt abstellt bzw. das Lohnniveau der Lehrpersonen wesentlich nach demjenigen der Nachbarkantone ausrichtet. Hinzu kommt, dass sich die Zuordnung der ABAKABA- Punktezahl zur entsprechenden Lohnstufe stark nach den Bedürfnis- sen des Marktes für das allgemeine Verwaltungspersonal richtet (siehe vorne Erw. 6.1.1) und dennoch die ABAKABA-Punktewerte der Lehrpersonen auf den Lohnstufenplan des allgemeinen Verwal- tungspersonals referenziert werden. Aufgrund dieser Konstellation erscheinen Korrekturen unvermeidbar, damit bei der Lohneinstufung der Lehrpersonen dem diesbezüglichen Markt gebührend Rechnung getragen werden kann. Alternativ wäre es nach Darstellung des sach- verständigen Zeugen möglich gewesen, bei der erwähnten Zuord- nung sowohl den Markt des allgemeinen Verwaltungspersonals als auch denjenigen der Lehrpersonen zu berücksichtigen; dabei hätte je- doch kaum auf Korrekturen in der Form von dauerhaften Marktan- passungen verzichtet werden können. 6.3.2. Problematisch mag erscheinen, wie stark bei zwei parallelen Lohnsystemen desselben Arbeitgebers die Gewichtungen des Mark- tes voneinander abweichen dürfen. Dies kann jedoch vorliegend auf- grund der nachstehenden Erwägungen offen gelassen werden. (...) 7. 7.1. 7.1.1. Wird ein Lohnsystem wesentlich auf den Markt ausgerichtet, so ist im Sinne der erwähnten bundesgerichtlichen Rechtsprechung vorauszusetzen, dass in einem ersten Schritt die Vergleichslöhne sorgfältig und hinreichend differenziert erhoben werden. Eine ent- sprechend durchgeführte Marktanalyse ist eine grundlegende Voraus- setzung für jegliche Anpassung der aus einer analytischen Arbeits- platzbewertung resultierenden Löhne an davon abweichende Markt- löhne. Je stärker das Gewicht des Marktlohnes im Vergleich zum 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 248 ABAKABA-Lohn ist, eine umso höhere Bedeutung kommt der sorg- fältigen Erhebung des Marktlohnes zu. 7.1.2. Der Marktvergleich betreffend die Lehrpersonen Kindergarten wurde - wie bei allen Lehrpersonen - mit den sechs Nachbarkanto- nen (Basel-Land, Solothurn, Bern, Luzern, Zug, Zürich) sowie mit den Kantonen Basel-Stadt und St. Gallen durchgeführt. Die Konkur- renzsituation mit den Nachbarkantonen erscheint offensichtlich und wird letztlich auch von der Beschwerdeführerin nicht in Frage ge- stellt. Dasselbe gilt in Bezug auf den nicht direkt angrenzenden, je- doch nahe gelegenen Kanton Basel-Stadt. Fraglich erscheint demge- genüber der Einbezug des Kantons St. Gallen, zu welchem im Gegensatz zu den Nachbarkantonen nur eine untergeordnete Konkur- renzsituation besteht. Es mag zutreffen, dass dieser Kanton ver- gleichbare wirtschaftliche Strukturen aufweist (Botschaft LDLP, S. 15). Diese Parallelität genügt jedoch nicht, um die Lohneinstufung der Lehrpersonen (auch) nach dem Kanton St. Gallen auszurichten. Ergeben sich folglich für den Kanton St. Gallen über- oder unter- durchschnittliche Vergleichswerte, ist ihre Berücksichtigung mangels genügender Konkurrenzsituation nicht gerechtfertigt; bei durch- schnittlichen Werten ist ein Einbezug ohne erkennbaren Nutzen. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass gewisse Anhaltspunkte für eine unterdurchschnittliche Besoldung der Lehr- personen Kindergarten im Kanton St. Gallen sprechen (vgl. dazu den "Lohnvergleich 2013" des Zentralverbands Öffentliches Personal Schweiz auf http://oeffentlichespersonal.ch/downloads/Lohnver- gleich_2013_deutsch.pdf sowie den Artikel "Lohnklagen der Lehre- rinnen könnten Kantone Millionen kosten" vom 12. Dezember 2013 auf http:///www.tagesanzeiger.ch/schweiz/Lohnklagen-der-Lehrerin- nen-koennten-Kantone-Millionen-kosten-/story/24621331). Aller- dings muss vorliegend offen bleiben, ob die entsprechenden Verglei- che auf gesicherten Zahlen beruhen. 7.1.3. Bei der letzten Erhebung der Vergleichslöhne wurde offenbar nur danach gefragt, wie hoch der Minimallohn der betroffenen Lehr- personen ist. Mehr gibt das vom Beigeladenen mit der Eingabe vom 2014 Personalrecht 249 20. November 2013 eingereichte Datenblatt jedenfalls nicht her. Es zeigt für acht anonymisierte Kantone je die Jahreslöhne (Marktwerte, Stand Mai 2010) für die Lehrpersonen Kindergarten einerseits und die Lehrpersonen Primarstufe / Einschulungsklasse andererseits. Nimmt man den Schnitt aus den acht für die Kindergartenlehrperso- nen präsentierten Lohnzahlen (Fr. 57'599.00, Fr. 65'476.00, Fr. 66'170.00, Fr. 68'712.00, Fr. 69'438.00, Fr. 69'548.00, Fr. 70'763.00 und Fr. 71'245.00), resultiert der in der Botschaft Ände- rung LDLP (Tabelle S. 12) verzeichnete Marktmittellohn von aufge- rundet Fr. 67'370.00. Ein umfassender Besoldungsvergleich würde eine Vielzahl von Komponenten beinhalten, d.h. nicht nur den Lohn im engeren Sinne, sondern auch sämtliche weiteren wirtschaftlichen Leistungen des Ar- beitgebers (Pensionskassenlösungen, Lohnfortzahlung bei Krank- heit/Unfall, Dienstaltersgeschenke etc.) sowie namentlich die Arbeitszeit (Pflichtstunden pro Woche, Ferien). Ein solcher Vergleich wäre indessen überaus aufwendig und würde den Rahmen dessen, was im Hinblick auf die Lohneinstufung angezeigt erscheint, spren- gen. Auf der anderen Seite erscheint es jedenfalls dort, wo zuun- gunsten eines frauenspezifischen Berufes von einer analytischen Ar- beitsplatzbewertung abgewichen wird, als ungenügend, für die Be- stimmung des Marktlohnes bloss auf die in anderen Kantonen ausbe- zahlten Minimallöhne abzustellen. Vielmehr erweist es sich für eine aussagekräftige Marktanalyse als zwingend, zusätzliche Erhebungen vorzunehmen. Dazu gehören namentlich Abklärungen betreffend die in anderen Kantonen vorausgesetzte Ausbildung (siehe hinten Erw. 7.4.2), betreffend den Lohnrahmen (Differenz zwischen Mini- mal- und Maximallohn) oder betreffend die Lohnentwicklung (wie wird der Anfangslohn festgesetzt und aufgrund welcher Kriterien er- folgt der Anstieg innerhalb des Lohnrahmens?). Aus den in Erw. 7.1.2 erwähnten Vergleichen ergibt sich, dass der Beigeladene unter den deutschsprachigen Kantonen mit dem An- fangslohn im Mittelfeld liegt, mit zunehmender Dauer des Anstel- lungsverhältnisses aber schlechter abschneidet. Auch wenn die er- wähnten Zahlen - soweit ersichtlich - nicht aus gesicherten Quellen stammen und daher mit Vorsicht zu geniessen sind, zeigt sich darin 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 250 beispielhaft, dass ein Marktvergleich, der sich lediglich auf die Mini- mallöhne beschränkt, letztlich nicht zu genügen vermag. Ein solches Vorgehen erfüllt die Voraussetzungen an einen hinreichend verlässli- chen Marktvergleich nicht. Der Fokus ist vielmehr zu erweitern. 7.2. Der korrekten Erhebung aller notwendigen Daten für einen ver- lässlichen Marktvergleich müsste die Klärung der Frage folgen, ob die zum Vergleich herangezogenen Löhne in den anderen Kantonen diskriminierungsfrei festgelegt wurden (siehe vorne Erw. 6.2). Wie umfassend diese Prüfung zu erfolgen hat, lässt sich der bundes- gerichtlichen Rechtsprechung nicht entnehmen. Zumindest in Bezug auf unterdurchschnittliche Löhne erscheint es indessen unverzicht- bar, sie anhand einfacher einschlägiger Indizien auf eine allfällige Diskriminierung hin zu überprüfen. Im Vordergrund dürften dabei die Fragen stehen, wann im betroffenen Vergleichskanton die letzte Besoldungsrevision stattgefunden hat, ob die entsprechende Einstu- fung der Lehrpersonen Kindergarten bereits gerichtlich überprüft wurde oder ob der tiefe Marktlohn allenfalls auf ein generell tieferes Lohnniveau im betreffenden Kanton zurückzuführen ist. Vorzugswei- se sind nur diejenigen (Nachbar-)Kantone in den Marktvergleich ein- zubeziehen, die aufgrund der erwähnten groben Prüfung eine gewis- se Gewähr für eine diskriminierungsfreie Lohneinstufung bei den Lehrpersonen Kindergarten bieten. 7.3. Der Umstand, dass das Vektorenmodell auf sämtliche Lehrper- sonen anwendbar ist und nicht nur auf die (geschlechtsspezifische) Funktion der Lehrpersonen Kindergarten, vermag an der Notwendig- keit, den Marktlohn korrekt und diskriminierungsfrei zu erheben, nichts zu ändern. Dies gilt umso mehr, als der vom Beigeladenen vorgenommene Marktvergleich die Lehrpersonen Kindergarten ge- genüber allen anderen Lehrfunktionen benachteiligt. Aus der Bot- schaft Änderung LDLP (Tabelle S. 12) geht hervor, dass der für die Kindergartenlehrpersonen zum Vergleich herangezogene Marktlohn mit Fr. 67'370.00 beinahe 20 % tiefer ist als der in das Vektorenmo- dell eingesetzte ABAKABA-Lohn von Fr. 83'583.00. Die Differenz zwischen dem für die Primarlehrpersonen ermittelten Marktlohn von 2014 Personalrecht 251 Fr. 76'188.00 und dem dazugehörigen ABAKABA-Lohn von Fr. 83'583.00 ist mit rund 9 % nicht einmal halb so hoch. Bei den an- deren Lehrpersonen liegt der ABAKABA-Lohn lediglich zwischen 1,4 % (Lehrpersonen Berufsfachschule) und 8 % (Lehrpersonen Kantonale Schule für Berufsbildung) über dem Marktlohn; bei eini- gen Funktionen (Lehrpersonen Instrumentalunterricht Sekundarstufe II, Lehrpersonen Höhere Fachschule und Lehrpersonen Mittel- schule/Berufsmittelschule) ist der Marktlohn sogar höher. Durch- schnittlich (ohne Lehrpersonen Kindergarten) ist der Marktlohn rund 3 % tiefer als der ABAKABA-Lohn. Wegen der hohen Gewichtung des Marktlohns und der geringen Gewichtung des ABAKABA- Lohns (siehe vorne Erw. 6.1.2) hat die überdurchschnittlich hohe Differenz zwischen dem Markt- und dem ABAKABA-Lohn für die Lehrpersonen Kindergarten besonders gravierende Auswirkungen; der Vektor Marktlohn hat hier eine bedeutend höhere Reduktion des ABAKABA-Lohns zur Folge als bei allen anderen Lehrkräften. 7.4. 7.4.1. Aufgrund der im vorliegenden Prozess verfügbaren Unterlagen ergeben sich somit erhebliche Zweifel an der Rechtmässigkeit des Einbezugs des Kantons St. Gallen in den Marktvergleich. Im Weite- ren erscheint dieser insofern unvollständig, als er sich lediglich auf die Minimallöhne stützt. Schliesslich wurde selbst auf eine minimale Überprüfung verzichtet, ob die erhobenen Vergleichszahlen allenfalls diskriminierend sind, obwohl dies vom Bundesgericht ausdrücklich verlangt wird. Der vom Beigeladenen erhobene Marktvergleich ist dementsprechend nicht geeignet, die diesbezüglich massgebenden Kriterien zu erfüllen. Dies wiegt umso schwerer, als sich vorliegend der Marktvergleich einseitig zuungunsten der Lehrpersonen Kinder- garten auswirkt. Demzufolge rechtfertigt es sich, in teilweiser Gutheissung der Beschwerde die angefochtene Verfügung aufzuheben. Der Beigela- dene hat in Bezug auf die Lehrpersonen Kindergarten einen Markt- vergleich durchzuführen, der den entsprechenden Anforderungen zu genügen vermag. In der Folge ist die Lohneinstufung neu festzulegen (siehe zusätzlich hinten Erw. 8). 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 252 7.4.2. Der Vollständigkeit halber ist zusätzlich auf die folgende Problematik hinzuweisen: Nach dem Arbeitsplatzbewertungssystem ABAKABA bedarf eine Kindergartenlehrperson einer Grundausbil- dung auf Stufe Bachelor (siehe dazu das Merkmal "Ia1" im ABAKABA-Protokoll für die Funktion Lehrpersonen Kindergarten). Bis vor wenigen Jahren waren die Ausbildungsanforderungen gerin- ger. Der Beigeladene macht geltend, es könne nicht verlangt werden, dass eine neue Ausbildungsanforderung umgehend lohnmässig be- rücksichtigt werde. Dies mag insofern zutreffen, als eine Änderung der Ausbildungsanforderungen kaum einen Anspruch auf eine sofor- tige Besoldungsrevision zu begründen vermag. Demgegenüber darf jedoch im Rahmen einer Besoldungsrevision nicht über die in diesem Zeitpunkt relevanten Ausbildungsanforderungen hinweggegangen werden. Will man verhindern, dass Lehrpersonen Kindergarten mit einer "alten" Ausbildung von der relativ hohen Lohneinstufung von Lehrpersonen Kindergarten mit einer "neuen" Ausbildung profitie- ren, so ist diesem Anliegen mit einer entsprechenden Übergangsrege- lung Rechnung zu tragen. Die gewählte Lösung, bei der Arbeitsplatz- bewertung ABAKABA von den aktuellen Ausbildungsanforderungen auszugehen und beim Marktvergleich etwaige unterschiedliche Ausbildungsanforderungen unberücksichtigt zu lassen, lässt demge- genüber die nötige Differenzierung vermissen (siehe vorne Erw. 7.1.3 und hinten Erw. 8.3). 8. 8.1. Ein weiteres Element der Lohneinstufung der Lehrpersonen bil- det das "bestehende Lohngefüge" (§ 5 Abs. 2 LDLP). Gestützt darauf wird im Vektorenmodell der bisherige Positionslohn ("Ist-Anfangs- lohn" oder "Positionslohn alt") berücksichtigt und mit 37,5 % ge- wichtet. Für die Lohneinstufung des Verwaltungspersonals spielt demge- genüber der bisherige (Positions-)Lohn grundsätzlich keine Rolle (...). Vielmehr beschränkt sich die Relevanz des bisherigen Lohns auf die Überführungsproblematik: Liegt er innerhalb des massgeben- den Lohnbandes, wird er unverändert überführt. Falls der bisherige 2014 Personalrecht 253 Lohn über dem massgebenden Lohnband liegt, besteht allenfalls eine Besitzstandsgarantie nach Massgabe von Ziff. 4 Anhang III LD. 8.2. Analog zur bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum Markt- lohn (siehe vorne Erw. 6.2) erscheint es für den Einbezug des "Ist- Anfangslohnes" bei der Lohneinstufung der Lehrpersonen Kinder- garten unabdingbar, dass er seinerseits keinerlei diskriminierende Züge aufweist. Andernfalls würde mit der Berücksichtigung des bisherigen Positionslohns die frühere Diskriminierung in die neue Lohneinstufung überführt und damit perpetuiert (vgl. Urteil des Bun- desgerichts vom 7. Mai 2009 [1C_62/2008], Erw. 5.4 mit Hinwei- sen). Der Beigeladene hat demzufolge sicherzustellen, dass sich ge- stützt auf die Berücksichtigung des früheren Positionslohns keinerlei Diskriminierung ergibt. Dieser Nachweis wurde - soweit erkennbar - bis dato nicht erbracht und ist, falls am Vektor "Positionslohn alt" festgehalten werden soll, zwingend nachzuholen. Die entsprechende Notwendigkeit besteht umso mehr, als der "Positionslohn alt" (Fr. 64'088.00) 23,3 % unter dem ABAKABA-Lohn (Fr. 83'583.00) liegt (Botschaft Änderung LDLP [Tabelle, S. 12]). Selbst unter Be- rücksichtigung dessen, dass bei der Festsetzung des ABAKABA- Lohns neu ein Bachelor-Abschluss vorausgesetzt ist (siehe vorne Erw. 7.4.2), erscheint die erwähnte Differenz sehr gross und könnte Ausdruck einer bisherigen Diskriminierung sein. Hinzu kommt, dass bereits bei der Einführung des LDLP der Lohn nach dem Vektorenmodell festgesetzt wurde. Dies bedeutet, dass bei der Be- stimmung des "Positionslohn alt" der vor Einführung des LDLP gel- tende Anfangslohn ebenfalls mit 37,5 % berücksichtigt wurde. Es ist gerichtsnotorisch, dass dieser frühere Anfangslohn für Lehrpersonen Kindergarten sehr tief war und eine Diskriminierung nicht a priori ausgeschlossen werden kann. Schliesslich erscheint wesentlich, dass - ähnlich wie beim Marktlohn - durch die hohe Gewichtung des bisherigen Positions- lohns den Lehrpersonen Kindergarten deutlich grössere Nachteile er- wachsen als dem gesamten übrigen Lehrkörper. Dies ergibt sich aus der Botschaft Änderung LDLP (Tabelle, S. 12): Während bei den 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 254 Lehrpersonen Kindergarten die Differenz zwischen dem ABAKA- BA-Lohn und dem "Ist-Anfangslohn" 23,3 % beträgt, beläuft sie sich bei den anderen Lehrpersonen auf maximal 11,1 % (Lehrpersonen Kantonale Schule für Berufsbildung); im Durchschnitt liegt sie bei lediglich 4,9 %. Auch aus diesem Grund bedarf die Frage einer allfälligen früheren Diskriminierung einer eingehenden Überprüfung. 8.3. Allenfalls lässt sich die grosse Differenz zwischen dem bisheri- gen Positionslohn und dem ABAKABA-Lohn damit erklären, dass gemäss ABAKABA neu ein Bachelor-Abschluss vorausgesetzt wird (siehe vorne Erw. 7.4.2 und 8.2). Diesfalls wäre es aber dennoch nicht gerechtfertigt, unbesehen auf den bisherigen Lohn abzustellen. Vielmehr wäre eine differenzierte (Übergangs-)Regelung für Kinder- gartenlehrpersonen mit "altem" und mit "neuem" Abschluss vorzuse- hen (siehe vorne Erw. 7.4.2 hiervor). 9. 9.1. Zusammenfassend ist in teilweiser Gutheissung der Beschwerde die angefochtene Verfügung aufzuheben und die Sache an die Vorin- stanz zurückzuweisen. Der Beigeladene hat gestützt auf einen Markt- vergleich, der sämtlichen diesbezüglich massgebenden Kriterien zu genügen vermag, die Lohneinstufung der Lehrpersonen Kindergarten zu überprüfen, worauf die Vorinstanz den Lohn der Beschwerdefüh- rerin neu festsetzen muss. Der bisherige Positionslohn darf dabei nur insoweit berücksichtigt werden, als dadurch keine frühere Lohndis- kriminierung fortgeführt wird. Es ist Sache des Beigeladenen zu entscheiden, ob gestützt auf den vorliegenden Entscheid eine isolierte Überprüfung der Lohnein- stufung der Lehrpersonen Kindergarten genügt oder ob die Lohnein- stufungen sämtlicher Lehrpersonen einzubeziehen sind. Immerhin sei darauf hingewiesen, dass aus Gründen der Rechtsgleichheit eine iso- lierte Betrachtungsweise nicht unproblematisch erscheint.
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AG_VG_001
AG_VG
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2018 Migrationsrecht 109 12 Nachzug eines Familienangehörigen gemäss Art. 3 Abs. 2 letzter Satz Anhang I FZA - Auslegung des Begriffs des Begünstigens gemäss Art. 3 Abs. 2 letz- ter Satz Anhang I FZA (Erw. 2.4.1 und 2.4.2) - Direkte Anwendbarkeit von Art. 3 Abs. 2 letzter Satz Anhang I FZA mangels Präzisierung der Bestimmung im nationalen Recht (Erw. 2.4.3) - Voraussetzungen für den Nachzug eines Familienangehörigen ge- mäss Art. 3 Abs. 2 letzter Satz Anhang I FZA (Erw. 2.5) Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 22. Mai 2018, in Sa- chen A. A. gegen Amt für Migration und Integration (WBE.2017.65). Sachverhalt A. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Grossbritan- nien, reiste am 4. Dezember 2011 in die Schweiz ein und erhielt eine Aufenthaltsbewilligung als Erwerbstätiger (MI-act. 52). Am 1. April 2016 zog er vom Kanton X. in den Kanton Aargau, wo ihm am 4. Mai 2016 ebenfalls eine Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA als Erwerbstätiger erteilt wurde (Akten des Amts für Migration und Integration betreffend den Beschwerdeführer, act. 1 ff.). Am 25. April 2016 beantragte der Beschwerdeführer den Familiennachzug für B. B., Staatsangehörige von Sri Lanka, bei der 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 110 es sich um seine Tante handeln soll (Akten des Amts für Migration und Integration betreffend B. B. [MI-act.] 46 ff.). Mit Schreiben vom 16. Juni 2016 teilte das MIKA dem Be- schwerdeführer mit, dass wegen der unterbliebenen Bescheinigung der Verwandtschaft durch den Heimat- oder Herkunftsstaat der Fami- liennachzug nach dem FZA nicht bewilligt werden könne und eine Aufenthaltsbewilligung auch nach dem AuG ausser Betracht falle (MI-act. 53 f.). Der Beschwerdeführer ersuchte das MIKA mit Eingabe vom 4. Juli 2016, den Entscheid vom 16. Juni 2016 in Wiedererwägung zu ziehen oder ihm andernfalls eine einsprachefähige Verfügung zuzu- stellen (MI-act. 57 ff.). Mit Verfügung vom 7. September 2016 lehnte das MIKA das Familiennachzugsgesuch des Beschwerdeführers und die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung an B. B. zur erwerbslosen Wohnsitz- nahme ab (MI-act. 62 ff.). B. Gegen die Verfügung des MIKA vom 7. September 2016 erhob der Beschwerdeführer mit Eingabe seiner Rechtsvertreterin vom 6. Oktober 2016 beim Rechtsdienst des MIKA (Vorinstanz) Einspra- che (MI-act. 87 ff.). Am 11. Januar 2017 fällte die Vorinstanz folgenden Einsprache- entscheid (act. 1 ff.): 1. Die Einsprache wird abgewiesen. 2. Es werden keine Gebühren erhoben. 3. Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen. Auf die Begründung wird, soweit erforderlich, in den folgenden Erwägungen eingegangen. 2018 Migrationsrecht 111 C. Mit Eingabe seiner Rechtsvertreterin vom 2. Februar 2017 reichte der Beschwerdeführer beim Verwaltungsgericht des Kantons Aargau (Verwaltungsgericht) Beschwerde ein und stellte folgende Begehren (act. 9 ff.): 1. Der angefochtene Entscheid der Vorinstanz sei aufzugeben [richtig: aufzuhe- ben]; 2. Frau [B. B.], geb. 1953, Sri Lanka, sei im Kanton Aargau eine Aufenthaltsbe- willigung zu erteilen; 3. eventualiter sei die Angelegenheit zur Vervollständigung der Sachverhaltsfest- stellung und zur neuen Entscheidung an die Sektion Aufenthalt des Amts für Migration und Integration Kanton Aargau zurückzuweisen; 4. es sei dem Beschwerdeführer für das vorinstanzliche Verfahren eine angemes- sene Prozessentschädigung auszurichten; unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Staatskasse. Die Begründung ergibt sich, soweit erforderlich, aus den nach- stehenden Erwägungen. D. Mit Instruktionsverfügung vom 3. Februar 2017 wurde der Be- schwerdeführer zur Zahlung eines Kostenvorschusses aufgefordert (act. 18 f.), welchen er fristgerecht leistete (act. 20 f.). Am 13. Feb- ruar 2017 wurde die Beschwerde der Vorinstanz zur Vernehmlassung und Einreichung aller migrationsamtlichen Akten zugestellt (act. 22 f.). Die Vorinstanz reichte ihre Akten am 16. Februar 2017 ein, hielt an ihren Ausführungen im Einspracheentscheid fest und beantragte die Abweisung der Beschwerde (act. 24). Mit Verfügung vom 17. Februar 2017 wurde die Vernehmlassung dem Beschwerde- führer zur Kenntnisnahme zugestellt. Ein weiterer Schriftenwechsel wurde nicht angeordnet (act. 25 f.). Mit Verfügung vom 21. Februar 2018 wurde dem Beschwerde- führer Gelegenheit gegeben, allfällige Sachverhaltsveränderungen darzulegen und entsprechende Unterlagen einzureichen. Insbeson- 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 112 dere wurde er aufgefordert, seinen aktuellen Lohnausweis sowie Belege über die von Februar 2016 bis Januar 2018 an B. B. geleiste- ten Unterstützungszahlungen einzureichen (act. 28 f.). Der Be- schwerdeführer äusserte sich mit Eingabe vom 13. März 2018 und reichte diverse Unterlagen ein (act. 30 ff.), welche am 19. März 2018 der Vorinstanz zur Kenntnisnahme zugestellt wurden (act. 60 f.). Die Vorinstanz reichte darauf am 22. März 2018 eine Stellungnahme ein (act. 62), welche am 26. März 2018 dem Beschwerdeführer zur Kenntnisnahme zugestellt wurde (act. 63 f.). E. Das Verwaltungsgericht hat den Fall am 22. Mai 2018 beraten und entschieden. Erwägungen I. 1. Einspracheentscheide des MIKA können innert 30 Tagen seit Zustellung mit Beschwerde an das Verwaltungsgericht weitergezo- gen werden (§ 9 Abs. 1 EGAR). Beschwerden sind schriftlich einzu- reichen und müssen einen Antrag sowie eine Begründung enthalten; der angefochtene Entscheid ist anzugeben, allfällige Beweismittel sind zu bezeichnen und soweit möglich beizufügen (§ 2 Abs. 1 EGAR i.V.m. § 43 VRPG). Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen den Einsprache- entscheid der Vorinstanz vom 11. Januar 2017. Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts ist somit gegeben. Auf die frist- und formge- recht eingereichte Beschwerde ist daher einzutreten. 2. Unter Vorbehalt abweichender bundesrechtlicher Vorschriften oder Bestimmungen des EGAR können mit der Beschwerde an das Verwaltungsgericht einzig Rechtsverletzungen, einschliesslich Über- schreitung oder Missbrauch des Ermessens und unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes 2018 Migrationsrecht 113 gerügt werden. Die Ermessensüberprüfung steht dem Verwaltungsge- richt jedoch grundsätzlich nicht zu (§ 9 Abs. 2 EGAR). II. 1. 1.1. Die Vorinstanz hält in ihrem Einspracheentscheid (act. 4 ff.) im Wesentlichen fest, dass zwischen dem Beschwerdeführer und B. B. - unabhängig davon, ob es sich bei dieser um die Tante im Rechtssinne handle - keine Verwandtschaft in aufsteigender Linie bestehe. Eine Tante falle unter die übrigen Verwandten i.S.v. Art. 3 Abs. 2 letzter Satz Anhang I FZA. Gemäss den Weisungen des SEM könnten sich nur Verwandte in aufsteigender Linie auf das FZA berufen, nicht aber andere Verwandte wie Geschwister, Onkel, Neffe, Tante oder Nichte. Allein die Leistung von Unterhalt könne daher für eine Aufenthaltsbewilligung für B. B. nicht ausreichen. Von einem Zu- sammenleben in häuslicher Gemeinschaft sei zu Recht nicht die Rede, lebten der Beschwerdeführer und B. B. doch spätestens seit 1998 getrennt. Beim Nachzug verwandter Personen, die sich nicht auf die Bestimmungen des FZA über den Familiennachzug berufen könnten, seien Art. 20 VEP und Art. 31 VZAE anwendbar. Die er- messensweise Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestützt auf Art. 28 AuG falle mangels besonderer persönlicher Beziehungen zur Schweiz jedoch ausser Betracht. Auch ein schwerwiegender persönli- cher Härtefall gemäss Art. 30 Abs. 1 lit. b AuG liege nicht vor. Damit sei eine Aufenthaltsbewilligung für B. B. auch im Rahmen von Art. 20 VEP nicht begründet. Schliesslich seien die Voraussetzungen für eine Berufung auf Art. 8 EMRK vorliegend ebenfalls nicht er- füllt. 1.2. Der Beschwerdeführer bringt in der Beschwerde (act. 14 ff.) im Wesentlichen vor, seiner Tante sei direkt gestützt auf Art. 3 Abs. 2 letzter Satz Anhang I FZA eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen, da er ihr Unterhalt gewährt habe und weiterhin gewähre. Falls ein solcher direkter Anspruch verneint würde, sei seiner Tante der Aufenthalt gestützt auf Art. 20 VEP zu bewilligen, nachdem die Vor- instanz keine Gründe gegen den Nachzug vorgebracht habe und 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 114 seine Tante für ihn wie seine Mutter sei, da er nach dem Tod seiner leiblichen Mutter bei ihr gelebt und sie ihn aufgezogen habe. Schliesslich wäre ihr auch gestützt auf Art. 30 Abs. 1 lit. b AuG eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen, weil sie aus gesundheitlichen Gründen auf seine Pflege und Unterstützung angewiesen sei und weder im Herkunftsstaat noch in einem anderen Staat weitere nahe Verwandte diese Aufgabe übernehmen könnten. 2. 2.1. Bestimmungen über den Familiennachzug finden sich sowohl im AuG als auch im FZA. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöri- ger von Grossbritannien und kann sich deswegen als Bürger eines EU-Mitgliedstaats auf das FZA berufen. Da das AuG für EU-Staatsangehörige und ihre Familienange- hörigen nur so weit gilt, als das FZA keine abweichenden Regelun- gen enthält oder das AuG günstigere Bestimmungen vorsieht (Art. 2 Abs. 2 AuG), ist nachfolgend in einem ersten Schritt zu prüfen, ob dem Beschwerdeführer gestützt auf die Bestimmungen des FZA ein Anspruch auf Familiennachzug von B. B. zusteht. 2.2. 2.2.1. Gemäss Art. 7 lit. d FZA i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Anhang I FZA ha- ben die Familienangehörigen einer Person, die Staatsangehörige einer Vertragspartei ist und ein Aufenthaltsrecht hat, das Recht, bei ihr Wohnung zu nehmen. Familienangehörige einer Person gemäss Art. 7 lit. d FZA i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Anhang I FZA sind ungeachtet ihrer Staatsangehörig- keit der Ehegatte und die Verwandten in absteigender Linie, die noch nicht 21 Jahre alt sind oder denen Unterhalt gewährt wird (Art. 3 Abs. 2 lit. a Anhang I FZA), die Verwandten und die Verwandten des Ehegatten in aufsteigender Linie, denen Unterhalt gewährt wird (Art. 3 Abs. 2 lit. b Anhang I FZA) sowie im Fall von Studierenden der Ehegatte und die unterhaltsberechtigten Kinder (Art. 3 Abs. 2 lit. c Anhang I FZA). Darüber hinaus müssen die Vertragsparteien die Aufnahme aller nicht unter Art. 3 Abs. 2 lit. a - c Anhang I FZA genannten Familien- 2018 Migrationsrecht 115 angehörigen begünstigen, denen der Staatsangehörige einer Vertrags- partei Unterhalt gewährt oder mit denen er im Herkunftsland in einer häuslichen Gemeinschaft lebt (Art. 3 Abs. 2 letzter Satz Anhang I FZA). Unter Art. 3 Abs. 2 letzter Satz Anhang I FZA fallen nicht in Art. 3 Abs. 2 lit. a - c Anhang I FZA erwähnte Familienangehörige wie uneheliche Lebenspartner, nicht eingetragene gleichgeschlechtli- che Paare, aber auch Verwandte in der Seitenlinie wie Brüder und Schwestern, Onkel und Tanten, Neffen und Nichten (MARC SPESCHA, in: MARC SPESA/HANSPETER THÜR/ANDREAS ZÜND/PETER BOLZLI [Hrsg.], Kommentar Migrationsrecht, 4. Aufl., Zürich 2015, Art. 3 Anhang I FZA N 15). 2.2.2. Im Folgenden ist zuerst zu untersuchen, ob B. B. die Tante des Beschwerdeführers ist. Wenn dies der Fall ist, ist weiter zu prüfen, ob dem Beschwerdeführer gestützt auf Art. 3 Abs. 2 letzter Satz An- hang I FZA - allenfalls in Verbindung mit präzisierenden nationalen Rechtsnormen - der Familiennachzug zu bewilligen und B. B. eine Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA zu erteilen ist, oder ob dafür allen- falls eine andere Rechtsgrundlage im nationalen Recht besteht. 2.3. 2.3.1. Auf den Geburtsscheinen (MI-act. 72 ff.) und den Taufscheinen (MI-act. 76 f.) der beiden Schwestern von B. B., C. B. und D. B., sind die gleichen Namen von Mutter und Vater aufgeführt wie auf dem Taufschein von B. B. (MI-act. 78). Die Daten von B. B. auf dem Taufschein stimmen mit jenen auf ihrem Reisepass überein (MI-act. 3, 5). Der Beschwerdeführer wiederum ist in Sri Lanka geboren (MI-act. 8, 35). Seine Mutter hatte den gleichen Vater wie B. B. und deren Schwestern (MI-act. 35, 37, 38). Dies bedeutet, dass sie die (Halb-)Schwester von B. B. war. Demzufolge ist als erwiesen anzusehen, dass es sich bei B. B. um die Tante des Beschwerdefüh- rers handelt. 2.3.2. Gemäss Art. 3 Abs. 2 letzter Satz Anhang I FZA ist der Fami- liennachzug der Tante des Beschwerdeführers zu begünstigen. Im Folgenden ist zu prüfen, ob dem Beschwerdeführer aufgrund dieser 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 116 Bestimmung der Familiennachzug seiner Tante zu bewilligen ist. Dafür ist zu ermitteln, was unter dem Begriff des Begünstigens zu verstehen ist. 2.4. 2.4.1. Das FZA ist gestützt auf die völkerrechtliche Methodik nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Ziels und Zwecks auszulegen (vgl. Art. 31 ff. des Wiener Übereinkommens vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge [VRK; SR 0.111]). Gemäss Art. 16 Abs. 2 FZA ist für die Anwendung des FZA - soweit für die Anwendung des Abkommens Begriffe des Unionsrechts herangezogen werden - die einschlägige Rechtsprechung des EuGH vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung (21. Juni 1999) massgebend. Da es Ziel des Abkommens ist, die Freizügigkeit auf der Grundlage der in der Europäischen Union geltenden Bestimmungen zu verwirklichen (Präambel), und die Ver- tragsstaaten übereingekommen sind, in den vom Abkommen erfass- ten Bereichen alle erforderlichen Massnahmen zu treffen, damit in ihren Beziehungen eine möglichst parallele Rechtslage besteht (Art. 16 Abs. 1 FZA), hat das Bundesgericht in inzwischen ständiger Rechtsprechung entschieden, von der Auslegung abkommensrelevan- ter unionsrechtlicher Bestimmungen durch den EuGH nach dem Unterzeichnungsdatum nur bei Vorliegen triftiger Gründe abzuwei- chen. Bezüglich neuer Entwicklungen besteht gestützt auf Art. 16 Abs. 2 FZA keine Befolgungspflicht, sondern höchstens ein Beach- tungsgebot in dem Sinn, dass diese nicht ohne sachliche Gründe unbeachtet bleiben sollen, aber aus der Sicht der Vertragspartner auch nicht zu einer nachträglichen Änderung des Vertragsinhalts führen dürfen. Für eine solche sind die Verfahren nach Art. 17 FZA (Entwicklung des Rechts) und Art. 18 FZA (Revision) vorgesehen. Der Schweizer Richter muss die Tragweite der neuen Rechtspre- chung des EuGH jeweils auf dem Stand des 1999 übernommenen Acquis communautaire würdigen und auslegungsweise klären, ob deren Gehalt (noch) dem Regelungsgegenstand des an sich statisch ausgestalteten FZA entspricht oder ausschliesslich Teil der dynami- 2018 Migrationsrecht 117 schen Weiterbildung des Unionsrechts seit dem 21. Juni 1999 bildet und jenen damit sprengt (BGE 139 II 393, Erw. 4.1.1; Urteil des Bundesgerichts vom 19. Juli 2017 [2C_301/2016], Erw. 2.2 mit Hin- weisen). 2.4.2. Die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitglied- staaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (Richtlinie 2004/38/EG) enthält in Art. 3 Abs. 2 eine parallele Bestimmung zu Art. 3 Abs. 2 letzter Satz Anhang I FZA. Gemäss Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG erleich- tert der Aufnahmemitgliedstaat nach Massgabe seiner innerstaatli- chen Rechtsvorschriften die Einreise und den Aufenthalt jedes nicht unter die Definition in Art. 2 Ziff. 2 der Richtlinie 2004/38/EG fallenden Familienangehörigen ungeachtet seiner Staatsangehörig- keit, dem der primär aufenthaltsberechtigte Unionsbürger im Her- kunftsland Unterhalt gewährt oder der mit ihm im Herkunftsland in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat, oder wenn schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege des Familienangehö- rigen durch den Unionsbürger zwingend erforderlich machen (lit. a), sowie des Lebenspartners, mit dem der Unionsbürger eine ordnungs- gemäss bescheinigte dauerhafte Beziehung eingegangen ist (lit. b). Der Aufnahmemitgliedstaat führt eine eingehende Untersuchung der persönlichen Umstände durch und begründet eine etwaige Verweige- rung der Einreise oder des Aufenthalts dieser Personen (Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG). Der EuGH hat entschieden, dass die Mitgliedstaaten nach der Richtlinie 2004/38/EG nicht verpflichtet seien, Anträgen auf Einreise oder Aufenthalt von Personen, die nachweisen, dass sie Familienan- gehörige i.S.v. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 lit. a der Richtlinie 2004/38/EG seien, denen ein Unionsbürger Unterhalt gewähre, in allen Fällen stattzugeben. Somit verpflichte Art. 3 Abs. 2 der Richtli- 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 118 nie 2004/38/EG die Mitgliedstaaten zwar nicht dazu, Familienange- hörigen im weiteren Sinne, denen von einem Unionsbürger Unterhalt gewährt werde, ein Recht auf Einreise und Aufenthalt zuzuerkennen, wohl aber - wie sich aus der Verwendung des Ausdrucks erleichtert in dieser Bestimmung ergebe - dazu, Anträge auf Einreise und Aufenthalt von Personen, die zu einem Unionsbürger in einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis stünden, gegenüber den Anträ- gen anderer Drittstaatsangehöriger in gewisser Weise bevorzugt zu behandeln. Um diese Verpflichtung zu erfüllen, müssten die Mitgliedstaaten nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG vorsehen, dass Personen i.S.v. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG eine Entscheidung über ihren Antrag erhalten könnten, die auf einer eingehenden Untersuchung ihrer per- sönlichen Umstände beruhe und im Fall der Ablehnung begründet werde. Im Rahmen dieser Untersuchung der persönlichen Umstände des Antragstellers habe die zuständige Behörde verschiedene Fakto- ren zu berücksichtigen, die je nach Fall massgeblich sein könnten, z.B. den Grad der finanziellen oder physischen Abhängigkeit und den Grad der Verwandtschaft. Hinsichtlich der Wahl der zu berück- sichtigenden Faktoren hätten die Mitgliedstaaten einen grossen Ermessensspielraum; die Kriterien müssten sich aber mit der gewöhnlichen Bedeutung des Ausdrucks erleichtert und der in Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG in Bezug auf die Abhängig- keit verwendeten Begriffe vereinbaren lassen und dürften dieser Bestimmung nicht ihre praktische Wirksamkeit nehmen. Der Wort- laut von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG sei aber nicht so bestimmt, dass sich derjenige, der einen Antrag auf Einreise und Aufenthalt stelle, unmittelbar auf diese Bestimmung berufen könne, um Beurteilungskriterien geltend zu machen, die seiner Auffassung nach auf seinen Antrag anzuwenden seien (Urteil des EuGH vom 5. September 2012, C-83/11 Rahman , Randnr. 19 ff.). Dieser Entscheid erging nach Unterzeichnung des FZA und be- zieht sich auf die am 29. April 2004 und damit ebenfalls nach Unter- zeichnung des FZA erlassene Richtlinie 2004/38/EG. Der EuGH führte darin nicht bloss die vorbestehende Rechtsprechung präzi- sierend weiter, weshalb nach der zitierten bundesgerichtlichen Recht- 2018 Migrationsrecht 119 sprechung bezüglich des erwähnten Urteils des EuGH somit keine Befolgungspflicht besteht, sondern lediglich ein Beachtungsgebot in dem Sinn, dass dieses nicht ohne sachliche Gründe unbeachtet blei- ben soll, aber aus der Sicht der Vertragspartner auch nicht zu einer nachträglichen Änderung des Vertragsinhalts führen darf. 2.4.3. 2.4.3.1. Im vorliegenden Fall sind keine triftigen Gründe ersichtlich, welche gegen eine Beachtung des Urteils des EuGH vom 5. Septem- ber 2012, C-83/11 Rahman , bei der Auslegung von Art. 3 Abs. 2 letzter Satz Anhang I FZA sprechen würden. Dies gilt insbesondere für die Auslegung des Begriffs begünstigen , da insoweit eine paral- lele Rechtslage vorliegt. Im Weiteren stellt sich die Frage, ob Art. 3 Abs. 2 letzter Satz Anhang I FZA mangels innerstaatlicher Regelung unmittelbar an- wendbar ist. EU-Richtlinien enthalten lediglich ein zu erreichendes Ziel und verpflichten die Mitgliedstaaten zu deren Umsetzung im nationalen Recht. Sie sind daher grundsätzlich nicht direkt anwend- bar (MATTHIAS OESCH, Europarecht, Band I, Bern 2015, § 17 Rz. 426 ff.; STEPHAN BREITENMOSER/ROBERT WEYENETH, Europa- recht, 3. Aufl., Zürich/St. Gallen 2017, Rz. 254 ff.). Demgegenüber sind die Bestimmungen des FZA und seines Anhangs I direkt anwendbar, d.h. sie regeln direkt die Rechtsstellung von Einzelperso- nen und enthalten ausreichend klare und genaue Vorschriften, auf die sich eine einzelne Person vor Gericht direkt berufen kann (DIETER W. GROSSEN/CLAIRE DE COULON, Das Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten, in: Bilaterale Verträge I & II Schweiz - EU, Zürich 2007, Rz. 21, S. 142; MONIKA PUSTUL, Freizügigkeit der Unionsbür- ger und das Recht auf Sozialleistungen in der EU und unter dem Freizügigkeitsabkommen Schweiz - EU, Zürich 2014, S. 102 ff.). Art. 3 Abs. 2 letzter Satz Anhang I FZA ist somit direkt anwendbar, soweit diese Bestimmung keine Präzisierung im schweizerischen Recht erfahren hat, ansonsten sie keine Wirkung entfalten könnte. 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 120 2.4.3.2. Das AuG enthält keine Bestimmung, welche explizit in Präzi- sierung von Art. 3 Abs. 2 letzter Satz Anhang I FZA Familienange- hörige einer Person, die Staatsangehörige eines EU- oder EFTA-Mit- gliedstaates ist und in der Schweiz ein Aufenthaltsrecht hat, gegen- über Familienangehörigen von Drittstaatsangehörigen privilegieren würde. Art. 20 VEP sieht vor, dass eine Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA erteilt werden kann, wenn wichtige Gründe es gebieten, obwohl die Voraussetzungen zu einem Aufenthalt ohne Erwerbstätig- keit nach dem FZA nicht erfüllt sind. Das letztgenannte Erfordernis schliesst eine Anwendung von Art. 20 VEP in den in Art. 3 Abs. 2 letzter Satz Anhang I FZA genannten Fällen aus, da in den Fällen, die unter Art. 3 Abs. 2 letzter Satz Anhang I FZA zu subsumieren sind, die Voraussetzungen des FZA für einen Aufenthalt ohne Erwerbs- tätigkeit gerade erfüllt sind. Art. 27 ff. AuG, welche die Zulassung zu einem Aufenthalt in der Schweiz ohne Erwerbstätigkeit regeln, und Art. 30 AuG, welcher Abweichungen von den gesetzlichen Zulassungskriterien vorsieht, gelten gleichermassen für alle Ausländerinnen und Ausländer, soweit das FZA keine abweichenden Bestimmungen enthält oder sie günsti- gere Bestimmungen vorsehen (Art. 2 Abs. 2 und 3 AuG). Sie erlau- ben es nicht, wie es Art. 3 Abs. 2 letzter Satz Anhang I FZA verlangt, Familienangehörige einer Person, die Staatsangehörige eines EU- oder EFTA-Mitgliedstaates ist und in der Schweiz ein Aufenthalts- recht hat, gegenüber Familienangehörigen von Drittstaatsangehöri- gen bevorzugt zu behandeln. Mit Blick auf den vorliegenden Fall gilt dies insbesondere für Art. 28 AuG, der lediglich Kriterien für die Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen für Rentnerinnen und Rent- ner enthält. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass das von der Vorinstanz in der Stellungnahme vom 22. März 2018 angeführte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Januar 2018 (F-5102/2016) für den vorliegenden Fall nicht einschlägig ist, da es einen kosovarischen Staatsangehörigen in der Schweiz betrifft, der um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach Art. 28 AuG für seine im Kosovo lebende Mutter ersuchte, womit das FZA nicht 2018 Migrationsrecht 121 anwendbar war. Eine Aufenthaltsbewilligung gestützt auf Art. 30 Abs. 1 lit. b AuG schliesslich setzt einen schwerwiegenden persönli- chen Härtefall oder wichtige öffentliche Interessen voraus. Der Aus- nahmecharakter dieser Bestimmung steht dem von Art. 3 Abs. 2 letz- ter Satz Anhang I FZA angestrebten Ziel der Begünstigung der Aufnahme aller nicht unter lit. a - c dieser Bestimmung fallenden Familienangehörigen von Staatsangehörigen einer Vertragspartei entgegen. Andere Bestimmungen des schweizerischen Rechts kommen vorliegend als Ausführungsbestimmungen von Art. 3 Abs. 2 letzter Satz Anhang I FZA ebenfalls nicht in Betracht. Somit ist im Folgen- den zu prüfen, ob der Tante des Beschwerdeführers allein aufgrund von Art. 3 Abs. 2 letzter Satz Anhang I FZA der Aufenthalt in der Schweiz zu bewilligen ist. 2.5. 2.5.1. Art. 3 Abs. 2 letzter Satz Anhang I FZA will sicherstellen, dass tatsächlich bestehende enge Bindungen zwischen Staatsangehörigen von EU- oder EFTA-Mitgliedstaaten, die in der Schweiz ein Aufent- haltsrecht haben, und ihren unter diese Bestimmung fallenden Fami- lienangehörigen freizügigkeitsrechtlich nicht behindert werden. Er vermittelt den Familienangehörigen zwar keinen Rechtsanspruch auf Einreise und Aufenthalt. Die vorbestehende häusliche Gemeinschaft oder die Unterhaltsgewährung sind aber Indizien für eine Intensität der Beziehung, welche es rechtfertigt, dass sie durch die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung künftig wieder in räumlicher Nähe gelebt werden kann. Sind die Voraussetzungen der Unterhaltsgewäh- rung oder der vorbestehenden häuslichen Gemeinschaft erfüllt, be- darf angesichts des Begünstigungsanspruchs gemäss Art. 3 Abs. 2 letzter Satz Anhang I FZA die Verweigerung des Nachzugs einer qualifizierten Rechtfertigung. Das heisst, dass in diesen Fällen der Nachzug zu bewilligen ist, wenn keine triftigen Gründe dagegen sprechen (SPESCHA, a.a.O., Art. 3 Anhang I FZA N 15; MARC SPESCHA/ANTONIA KERLAND/PETER BOLZLI, Handbuch zum Migra- tionsrecht, 2. Aufl., Zürich 2015, S. 215 f.). 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 122 2.5.2. Die Eigenschaft eines Familienangehörigen, dem Unterhalt ge- währt wird, ergibt sich aus einer tatsächlichen Situation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der erforderliche Unterhalt des Familienan- gehörigen vom Aufenthaltsberechtigten materiell sichergestellt wird. Dabei kommt es darauf an, ob der nachzuziehende Verwandte in Anbetracht seiner wirtschaftlichen und sozialen Situation in der Lage ist, seine Grundbedürfnisse selbst zu decken, oder ob er auf zusätzli- che Mittel angewiesen ist, die vom Aufenthaltsberechtigten aufge- bracht werden (BGE 135 II 369, Erw. 3.1 zu Art. 3 Abs. 2 lit. b An- hang I FZA, mit Verweis auf das Urteil des EuGH vom 9. Januar 2007, C-1/05 Jia , Slg. 2007 I-1 Randnr. 37). Entscheidend ist auch, ob die Unterhaltsgewährung künftig erbracht werden kann, so dass nachzugsbedingt keine (erhebliche) Belastung des Staates durch zusätzliche Ausgaben befürchtet werden muss. Von einer Unterhalts- gewährung i.S.v. Art. 3 Abs. 2 lit. b Anhang I FZA ist regelmässig dann auszugehen, wenn sie bei bestehender Leistungsfähigkeit ver- bindlich zugesichert wird oder aufgrund bisheriger Unterstützungs- leistungen glaubhaft erscheint (SPESCHA/KERLAND/BOLZLI, a.a.O., S. 215 zu Art. 3 Abs. 2 lit. b Anhang I FZA). Dies muss - in maiore minus - auch unter Art. 3 Abs. 2 letzter Satz Anhang I FZA gelten. Zudem ist kein Grund ersichtlich, den Begriff der Unterhaltsgewäh- rung anders auszulegen. Im Urteil vom 9. Januar 2007 (C-1/05 Jia , Slg. 2007 I-1 Randnr. 43) hielt der EuGH fest, der Nachweis des Unterhaltsbedarfs könne mit jedem geeigneten Mittel geführt wer- den; es sei aber zulässig, die blosse Verpflichtungserklärung des Ge- meinschaftsangehörigen oder seines Ehegatten, diesem Familienmit- glied Unterhalt zu gewähren, nicht als Nachweis dafür anzusehen, dass dieses tatsächlich unterhaltsbedürftig sei. Das Gewähren von Unterhalt muss überdies bei objektiver Be- trachtung notwendig erscheinen. Dies ist dann der Fall, wenn die unterstützte Person in Anbetracht ihrer wirtschaftlichen und sozialen Lage nicht in der Lage ist, ihre Grundbedürfnisse selbst zu decken. Der Unterhaltsbedarf muss im Herkunftsland des Familienangehöri- gen in dem Zeitpunkt bestehen, in dem sie beantragen, dem Gemein- 2018 Migrationsrecht 123 schaftsangehörigen zu folgen (Urteil des Bundesgerichts vom 19. Juli 2017 [2C_301/2016], Erw. 3.4.4). 2.5.3. Gemäss Art. 3 Abs. 3 Anhang I FZA dürfen für die Erteilung ei- ner Aufenthaltserlaubnis für Familienangehörige eines Staatsangehö- rigen einer Vertragspartei nur folgende Unterlagen verlangt werden: die Ausweise, mit denen sie in ihr Hoheitsgebiet eingereist sind (lit. a), eine von der zuständigen Behörde des Heimat- oder Her- kunftsstaats ausgestellte Bescheinigung, in der das Verwandtschafts- verhältnis bestätigt wird (lit. b), und für Personen, denen Unterhalt gewährt wird, eine von der zuständigen Behörde des Heimat- oder Herkunftsstaats ausgestellte Bescheinigung, in der bestätigt wird, dass die in Abs. 1 genannte Person ihnen Unterhalt gewährt oder sie in diesem Staat mit ihr in einer häuslichen Gemeinschaft leben (lit. c). Der Nachweis des Unterhalts kann in der Praxis allerdings kaum je durch eine Bescheinigung der heimatlichen Behörden er- bracht werden, zumal diese von der tatsächlichen Unterhaltsgewäh- rung in der Regel keine Kenntnis haben. Beweistauglich sind hinge- gen objektivierbare Geldüberweisungen oder z.B. die Bezahlung von Mietkosten, Reisekosten, Krankenkassenprämien etc. Da die Unter- stützungsleistungen oft auch durch Geldübergaben in bar erfolgen, kann der Unterhaltsnachweis diesbezüglich auch durch glaubhafte übereinstimmende Erklärungen der beteiligten Personen erbracht werden (SPESCHA, a.a.O., Art. 3 Anhang I FZA N 16). 2.5.4. Weitere Voraussetzung für den Familiennachzug ist eine ange- messene Wohnung. Angemessen ist eine Wohnung dann, wenn sie den ortsüblichen Verhältnissen entspricht, die für inländische Arbeit- nehmerinnen und Arbeitnehmer am Wohnort gelten. Je nach Fami- liengrösse gelten hier andere Anforderungen. Als Faustregel kann gelten, dass eine Wohnung hinreichend gross ist, wenn die Personen- zahl die Zahl der Zimmer um nicht mehr als eins übersteigt, wobei diese Faustregel bei grossen Wohnungen gegebenenfalls anzupassen ist. Art. 3 Abs. 1 Anhang I FZA schliesst jedoch nicht aus, dass Fami- 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 124 lienangehörige in der Schweiz zwei getrennte Haushalte führen (vgl. SPESCHA, a.a.O., N 6 f. Art. 3 Anhang I FZA N 6 f.). 2.5.5. In zeitlicher Hinsicht hängt die Berücksichtigung der Unter- haltsgewährung vom anwendbaren Verfahrensrecht ab. Das BGG schreibt den Kantonen vor, dass die richterliche Vorinstanz des Bun- desgerichts oder ein vorgängig zuständiges Gericht den Sachverhalt frei prüft und das Recht von Amtes wegen anwendet (Art. 110 BGG). Daraus folgt, dass der Sachverhalt im gerichtlichen Verfahren zu erstellen ist, weshalb diesem Gericht auch neue Tatsachen und Be- weismittel unterbreitet werden können. Das Verwaltungsgericht hat somit die Tatsache der Unterhaltsgewährung von Bundesrechts we- gen zu berücksichtigen, auch wenn diese beim MIKA im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung noch nicht geltend gemacht wurde, sondern erst im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren (BGE 135 II 369, Erw. 3.3). Gleiches gilt für die Frage, ob eine ange- messene Wohnung vorhanden ist. 2.5.6. Zusammenfassend hat das Verwaltungsgericht aufgrund der aktuellen Situation zu prüfen, - ob der nachzuziehende Familienangehörige bedürftig ist; - ob der nachziehende Aufenthaltsberechtigte leistungsfähig, d.h. in der Lage ist, den notwendigen Unterhalt zu decken; - ob eine längerfristige Sicherheit der Leistungsfähigkeit be- steht; - ob der nachziehende Aufenthaltsberechtigte dem nachzu- ziehenden Familienangehörigen Unterhalt gewährt oder in häuslicher Gemeinschaft mit ihm lebte und - ob eine angemessene Wohnung vorhanden ist. 2.6. In der Verordnung des EJPD über die dem Zustimmungsverfah- ren unterliegenden ausländerrechtlichen Bewilligungen und Vorent- scheide vom 13. August 2015 (SR 142.201.1) ist nicht geregelt, ob die Erteilung der Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA gestützt auf Art. 3 Abs. 2 letzter Satz Anhang I FZA unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Bundes steht. Aus den Weisungen und Erläuterun- 2018 Migrationsrecht 125 gen des SEM zur Verordnung über die Einführung des freien Perso- nenverkehrs (Weisungen VEP), Stand November 2017, Ziff. 8.2.7, ergibt sich weiter kein entsprechender Hinweis. Der Entscheid, ob der vorliegende Fall dem SEM zur Zustim- mung zu unterbreiten ist, obliegt nicht dem Verwaltungsgericht. Viel- mehr hat das MIKA in Absprache mit der zuständigen Stelle diesen Entscheid zu fällen und das Familiennachzugsgesuch des Beschwer- deführers gegebenenfalls dem SEM zur Zustimmung zu unterbreiten. 3. 3.1. Die Tante des Beschwerdeführers ist Staatsangehörige von Sri Lanka; der Beschwerdeführer selbst ist Staatsangehöriger von Gross- britannien und verfügt in der Schweiz über eine Aufenthaltsbewilli- gung EU/EFTA. Als nicht unter Art. 3 Abs. 2 lit. a - c Anhang I FZA fallende Familienangehörige des Beschwerdeführers ist ihr daher gestützt auf Art. 7 lit. d FZA i.V.m. Art. 3 Abs. 2 letzter Satz An- hang I FZA zu bewilligen, beim Beschwerdeführer in der Schweiz Wohnung zu nehmen, sofern ihr der Beschwerdeführer Unterhalt gewährt. Ob Letzteres zutrifft, ist nachfolgend zu prüfen. 3.2. 3.2.1. 3.2.1.1. Gemäss den Angaben des Beschwerdeführers im Familiennach- zugsgesuch vom 25. April 2016 ging seine Tante in Sri Lanka nie einer Erwerbstätigkeit nach. Während der Zeit nach dem Tod seiner Mutter, als sie sich wie eine Mutter um ihn gekümmert habe, seien ihre Brüder, d.h. die Onkel des Beschwerdeführers, für den Unterhalt des Beschwerdeführers und seiner Tante aufgekommen. Danach sei der Beschwerdeführer für den Unterhalt der Tante aufgekommen (MI-act. 48). 3.2.1.2. Die Lebenshaltungskosten einer Einzelperson (ohne Miete) in der Hauptstadt Colombo werden auf LKR 61'463.36 pro Monat veranschlagt (vgl. www.numbeo.com/cost-of-living/in/Colombo). Beim am 22. Mai 2018 gültigen Wechselkurs von LKR 1 = 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 126 CHF 0.00630 (www.oanda.com) entspricht dieser Betrag CHF 387.15. 3.2.1.3. Da die Tante des Beschwerdeführers kein eigenes Erwerbs- oder Renteneinkommen erzielt, verfügt sie selber nicht über die erforderlichen Mittel, um nur schon ihre gewöhnlichen Lebensunter- haltskosten (ohne Arztkosten und Kosten der Reisen in die Schweiz) zu decken. 3.2.2. Der Beschwerdeführer hat zwar keine Bestätigung der sri-lanki- schen Behörden vorgelegt, in welcher diese bescheinigen würden, dass er seiner Tante Unterhalt gewährt. Jedoch hat er ihr in der Zeit von Ende Februar 2010 bis Ende Januar 2016 total LKR 9'375'353.00 (= CHF 59'052.10) überwiesen (MI-act. 30 f.). Dies entspricht durchschnittlich CHF 831.70 pro Monat. Davon ent- fielen LKR 8'380'612.00 (= CHF 52'786.50) auf die Zeit von März 2014 bis Januar 2016, was in diesen 23 Monaten durchschnittlich CHF 2'295.05 pro Monat ausmachte. Überdies erklärte der Be- schwerdeführer, dass er seiner Tante das Geld für zwei Augenopera- tionen, denen sie sich im Oktober 2015 und im Februar 2018 in Sri Lanka unterziehen musste (act. 56 ff.), anlässlich von Besuchen in der Schweiz in bar mitgegeben habe (act. 31 f.). Ebenso liegt es nahe, dass der Beschwerdeführer für den Lebensunterhalt seiner Tante während ihrer Besuche in der Schweiz finanziell aufkommt (act. 31). Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass der Be- schwerdeführer seiner Tante finanzielle Beiträge an deren notwendi- gen Lebensunterhalt gewährt hat. Dies ist als Indiz dafür zu werten, dass er seiner Tante auch künftig Unterhalt gewähren wird. 3.2.3. Gemäss dem Lohnausweis für das Jahr 2017 erzielt der Be- schwerdeführer ein jährliches fixes Bruttoeinkommen von CHF 154'800.00 (act. 33). Dieser Betrag genügt, um den Beschwer- deführer und seine Tante zu unterhalten (vgl. Urteil des Bundesge- richts vom 28. Januar 2016 [2C_296/2015], Erw. 4.3.2, wo ein jähr- 2018 Migrationsrecht 127 liches Bruttoeinkommen von CHF 103'000.00 als ausreichend für drei Erwachsene und drei Kinder angesehen wurde). 3.3. Der Beschwerdeführer lebt allein in einer 4 1⁄2-Zimmerwohnung mit ca. 105.3 m2 Wohnfläche (MI-act. 29) und verfügt daher über genügend Wohnraum, um auch seine Tante angemessen zu beherber- gen. 3.4. Triftige Gründe, welche gegen den Familiennachzug sprechen würden, sind aus den Akten nicht ersichtlich und wurden von der Vorinstanz im Beschwerdeverfahren auch nicht geltend gemacht. 3.5. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Tante des Be- schwerdeführers gestützt auf Art. 7 lit. d FZA i.V.m. Art. 3 Abs. 1 und 2 letzter Satz Anhang I FZA eine Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA zu erteilen ist. In Gutheissung der Beschwerde ist der Ein- spracheentscheid der Vorinstanz vom 11. Januar 2017 aufzuheben und das MIKA anzuweisen, das Familiennachzugsgesuch des Be- schwerdeführers zu bewilligen und gegebenenfalls vorgängig dem SEM mit dem Antrag auf Zustimmung zu unterbreiten. III. 1. Gemäss § 31 Abs. 2 VRPG werden die Verfahrenskosten in der Regel nach Massgabe des Unterliegens und Obsiegens auf die Par- teien verlegt. Gleiches gilt gemäss § 32 Abs. 2 VRPG für die Partei- kosten. 2. Bei diesem Verfahrensausgang obsiegt der Beschwerdeführer. Nachdem das MIKA weder schwerwiegende Verfahrensmängel be- gangen noch willkürlich entschieden hat, sind die Verfahrenskosten auf die Staatskasse zu nehmen (§ 31 Abs. 2 VRPG). 3. 3.1. Als unterliegende Partei hat die Vorinstanz dem Beschwerde- führer die Parteikosten für das Verfahren vor dem Verwaltungsge- richt zu ersetzen (§ 32 Abs. 2 VRPG). 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 128 3.2. Die Höhe der Parteikosten bestimmt sich nach dem Anwaltsta- rif. In Anwendung von § 8a Abs. 3 und § 8c AnwT erscheint eine Entschädigung von CHF 3'000.00 (inkl. Auslagen und MWSt) ange- messen.
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2019 Personalrecht 191 X. Personalrecht 29 § 25 Abs. 4 PersG; § 5 und 7 Inkonvenienzverordnung Anwendbarkeit des ArG auf öffentlichrechtliche Arbeitsverhältnisse. Auf die dem PersG unterstehenden Arbeitsverhältnisse sind Art. 9-28 ArG nicht anwendbar. § 25 Abs. 4 PersG bezieht sich nur auf diejenigen Be- stimmungen des Arbeitsgesetzes, die gemäss Arbeitsgesetz ohnehin für die öffentliche Verwaltung gelten (vgl. Art. 3a ArG) und hat keine Auswei- tung des kantonalrechtlichen Arbeitnehmerschutzes zur Folge (E. 1). Entschädigung eines Arbeitnehmers ohne festen Arbeitsort, welcher sich während einer vom Arbeitgeber angeordneten täglichen Pausenzeit von einer Stunde einsatz- bzw. rufbereit halten muss. Abgrenzung Pikett- dienst/ Bereitschaftsdienst (E. 2.4-2.5). Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 30. Januar 2019, in Sachen A. gegen Kanton Aargau (WKL.2018.5). Aus den Erwägungen 1. Da sich der Kläger in verschiedener Hinsicht auf die Anwen- dung des ArG und die darauf gestützte ArGV 1 beruft, ist vorab zu prüfen, ob diese im vorliegenden Rechtsstreit Anwendung finden. Gemäss Art. 2 Abs. 1 lit. a ArG ist das Arbeitsgesetz - unter Vorbehalt von Art. 3a - auf Verwaltungen des Bundes, der Kantone und Gemeinden nicht anwendbar. Zur Anwendung gelangen einzig die arbeitsgesetzlichen Bestimmungen über den Gesundheitsschutz (Art. 3a lit. a ArG). Die in Art. 3a ArG enthaltenen Aufzählung der arbeitsgesetzlichen Bestimmungen, denen das Personal des Beklag- ten unterliegt, ist abschliessender Natur. Sie erfasst abgesehen von den ausdrücklich erwähnten Art. 6, Art. 35 und Art. 36a ArG keine weiteren Schutzbestimmungen, auch nicht solche, deren Regelungs- 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 192 gegenstand ebenfalls einen Einfluss auf die Gesundheit der Arbeit- nehmer haben kann. Insbesondere die Vorschriften über die Arbeits- und Ruhezeiten (Art. 9-28 ArG) sind von der Gegenausnahme zu Gunsten des Gesundheitsschutzes nicht betroffen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2P.251/2001 vom 14. Juni 2002, Erw. 4.3.1 mit wei- teren Hinweisen; AGVE 2011, Nr. 94, Erw. 4.2. ff.). Das ArG und die dazugehörige ArGV 1 finden somit auf den vorliegenden Rechtsstreit keine direkte Anwendung. An dieser Rechtslage vermag im Ergebnis auch § 25 Abs. 4 PersG nichts zu ändern, der in Bezug auf die Arbeits-, Freizeit und Betriebszeit die bundesrechtlichen Minimalbestimmungen zum Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorbehält. Zwar lässt der Wortlaut dieser Bestimmung offen, ob der Verweis lediglich die in Art. 3a ArG erwähnten Vorschriften des Gesundheitsschutzes erfasst, die nach Arbeitsgesetz auch für Angestellte der öffentlichen Verwaltung gelten, oder ob damit - über den Anwendungsbereich des Arbeitsgesetzes hinaus - auch die Art. 9-28 ArG gemeint sind. Unter Einbezug der übrigen Auslegungselemente ist jedoch davon auszu- gehen, dass mit den bundesrechtlichen Minimalbestimmungen nur diejenigen gemeint sind, die gemäss Bundesrecht auch auf Angestell- te der öffentlichen Verwaltung anwendbar sind (vgl. Art. 3a ArG). Dazu gehört namentlich Art. 6 ArG, der unter anderem auch vor missbräuchlichen Arbeits- oder Ruhezeitvorschriften schützt (vgl. AGVE 2011, S. 413). Der Verweis in § 25 Abs. 4 PersG bringt bei korrekter Gesetzesauslegung lediglich zum Ausdruck, was von Bun- desrechts wegen ohnehin gilt. Er dient der Rechtsklarheit und hat keine Ausweitung des kantonalrechtlichen Arbeitnehmerschutzes zur Folge. Hierfür spricht zunächst das historische Auslegungselement bzw. der Wortlaut der Botschaft des Regierungsrates des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 19. Mai 1999 zum Gesetz über die Grundzüge des Personalrechts (Personalgesetz; 99.102), wonach selbstverständlich die im Arbeitsgesetz des Bundes vorgesehenen Minimalbestimmungen vorbehalten blieben (S. 27). Die Verwendung des Worts selbstverständlich deutet darauf hin, dass der kantonale Gesetzgeber in § 25 Abs. 4 PersG nur diejenigen Bestimmungen des Arbeitsgesetzes vorbehalten wollte, die gemäss Arbeitsgesetz ohne- 2019 Personalrecht 193 hin für die öffentliche Verwaltung gelten. Dass der Gesetzgeber an sich nicht anwendbare Gesetzesbestimmungen zur Anwendung bringen will, würde dagegen keine Selbstverständlichkeit darstel- len. Auch der Umstand, dass § 25 Abs. 4 PersG in den umfang- reichen Beratungen von Parlament und Kommissionen - soweit er- sichtlich - zu keinen Diskussionen geführt hat, deutet auf eine be- schränkte Tragweite dieses Verweises hin. Es wäre aber auch unter dem Aspekt der Gesetzessystematik nicht einleuchtend, wenn der Gesetzgeber dem Regierungsrat in den § 25 Abs. 1-3 PersG zunächst weitreichende Kompetenzen bei der Regelung der Arbeits-, Freizeit- und Betriebszeit eingeräumt hätte, dieses Ermessen aber in einem ab- schliessenden Absatz 4 mit einem grosszügigen Verweis auf das Ar- beitsgesetz wieder hätte markant einschränken wollen. Hätte der Ge- setzgeber tatsächlich die (an sich nicht anwendbaren) bundesrecht- lichen Vorschriften zur Arbeits- und Ruhezeit übernehmen wollen, wäre damit zu rechnen gewesen, dass er gesetzessystematisch primär auf die Art. 9-28 ArG verwiesen und dem Regierungsrat lediglich eine Kompetenz zur ergänzenden Rechtssetzung zugewiesen hätte. Da der Verweis in § 25 Abs. 4 PersG namentlich Art. 6 ArG erfasst, der in unspezifischer Weise auch vor missbräuchlichen Arbeits-, Betriebs- und Ruhezeiten schützt, kann entgegen dem Kläger auch nichts aus dem Umstand abgeleitet werden, dass dieser Verweis unter dem Titel Arbeits- und Freizeit; Betriebszeit und nicht unter dem Titel Gesundheitsschutz steht. Es bleibt somit dabei, dass die Art. 9-28 ArG auf den konkreten Fall nicht anwendbar sind. 2. 2.1.-2.3. (...) 2.4. Der Kläger musste sich unbestrittenermassen auch während der Pausen für allfällige Arbeitseinsätze oder Telefonanrufe zur Verfü- gung halten. Da seine Pause nicht zur Arbeitszeit zählte, erhielt er für diese Einsatz- bzw. Rufbereitschaft während der Pausen keine Ent- schädigung. Eine solche bekam er nur, wenn er die Pause einsatzbe- dingt abbrechen musste. In diesem Fall wurde die Einsatzzeit (nicht aber die Bereitschaftszeit) als Arbeitszeit berücksichtigt. Die Parteien sind sich im Grundsatz darüber einig, dass es sich bei der Einsatz- 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 194 bzw. Rufbereitschaft während der Pausen um eine entschädigungs- pflichtige Inkonvenienz handelt (vgl. § 2 Abs. 1 lit. c Lohndekret). Streitig ist hingegen, ob diese Dienstleistung während der Pausen zum niedrigeren Tarif des Pikettdienstes oder zum höheren des Be- reitschaftsdienstes gemäss Inkonvenienzverordnung zu entschädigen ist. 2.5. Pikettdienst leisten Mitarbeitende, die sich auf dienstliche An- ordnung hin ausserhalb der ordentlichen Arbeitszeit bereithalten, um nötigenfalls kurzfristig einen Arbeitseinsatz zu leisten. Der Pikett- dienst wird nicht am Arbeitsort geleistet (§ 5 Inkonvenienz- verordnung). Demgegenüber bedeutet Bereitschaftsdienst, jederzeit während der Nacht im Betrieb einsatzbereit zu sein. Der Bereit- schaftsdienst wird am Arbeitsort geleistet (§ 7 Inkonvenienzverord- nung). Der Wortlaut dieser Bestimmungen führt zu keinem eindeutigen Auslegungsergebnis. Weder die Umschreibung des Pikett- noch des Bereitschaftsdienstes ist auf den konkreten Fall zugeschnitten, in dem sich ein Arbeitnehmer ohne festen Arbeitsort während Pausen einsatz- bzw. rufbereit halten muss. Da der Wortlaut bei der Ausle- gung nicht weiterhilft, ist nach dem Gesetzeszweck zu forschen. Die Inkonvenienzverordnung bezweckt, Inkonvenienzen bzw. aussergewöhnliche Belastungen (vgl. § 1 Abs. 1 Inkonvenienzver- ordnung) auszugleichen, die dem Arbeitnehmer durch die Dienst- leistung entstehen und durch den normalen Lohn nicht abgegolten werden. Es soll verhindert werden, dass der Arbeitnehmer Belastung- en ausgesetzt ist, für die er nicht entschädigt wird. Für die Frage, ob dem Kläger eine Entschädigung nach dem höheren Tarif für den Be- reitschaftsdienst oder nach dem niedrigeren Tarif für den Pikettdienst zusteht, muss es daher auf das Ausmass der ungewöhnlichen Belas- tung ankommen. Da die Entschädigung beim Bereitschaftsdienst höher ausfällt, ist anzunehmen, dass die Belastung bei diesem grösser sein muss als beim Pikettdienst. Eine Pause dient der Erholung. Die ungewöhnliche Belastung, welche durch eine Inkonvenienzentschädigung abgegolten werden soll, lag darin, dass sich der Kläger trotz Pause für Einsätze und Tele- 2019 Personalrecht 195 fonanrufe bereithalten musste. Dadurch reduzierte sich der Erho- lungswert seiner Pause. Gewöhnlich wird eine Pause aufgrund ihrer beschränkten Dauer am Betriebsort und zusammen mit Arbeitskolle- gen verbracht. Die Tatsachen, dass der Kläger die Pause nicht zu Hause verbringen konnte und er sie mit dem Arbeitskollegen zu- sammen verbringen musste, stellen somit für sich genommen keine ungewöhnlichen Belastungen im Sinn der Inkonvenienzverordnung dar, die auszugleichen wären. Entsprechend kommt weder dem Ort, wo sich der Kläger im konkreten Fall während der Pause für Einsätze oder Telefonanrufe bereithalten musste, noch der Tatsache, dass er die Pause (faktisch) zusammen mit dem Arbeitskollegen verbringen musste, für die Abgrenzung des Pikettdienstes vom Bereitschafts- dienst Bedeutung zu. Die Einsatzbereitschaft betraf (wie gesagt) die Pause und beein- trächtigte in einem gewissen Ausmass deren Erholungsfunktion. Wer auch in der Pause mit Einsätzen oder Telefonanrufen rechnen muss, dürfte sich schwerer damit tun, sich zu erholen. Der Unterbruch einer Pause dürfte sich auch dann negativ auf die Erholung auswirken, wenn die verlorene Pausenzeit nachgeholt werden kann. Darüber hinaus führte die Einsatzbereitschaft während der Pausen aber zu keinen nennenswerten Einschränkungen der persönlichen Freiheit des Klägers. Vielmehr ergeben sich derartige Einschränkungen be- reits aus den normalen Rahmenbedingungen einer Pause. So führen schon deren beschränkte Länge, die Tatsache, dass die Pause ge- wöhnlich nicht zu Hause verbracht werden kann, und der Umstand, dass bei der Pausengestaltung normalerweise auf Arbeitskollegen Rücksicht zu nehmen ist, regelmässig zu gewissen Einschränkungen der persönlichen Freiheit. Diese sind jedoch auf die Pause an sich und nicht auf die Pflicht zurückzuführen, sich während der Pause für Einsätze oder Telefonanrufe bereit zu halten. Auch wenn eine Pause dazu dient, abzuschalten, befindet sich ein Arbeitnehmer darin eher im Arbeitsmodus als wenn er sich ausserhalb der ordentlichen Ar- beitszeit in seinem privaten Umfeld für Einsätze oder Telefonanrufe bereithalten muss. Aufgrund dieser Umstände ist die ungewöhnliche Belastung, welche durch eine Inkonvenienzentschädigung abzugelten ist, im konkreten Fall als vergleichsweise gering einzustufen. Insbe- 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 196 sondere führte die Einsatz- bzw. Rufbereitschaft während der Pause zu keiner ernstzunehmenden Beeinträchtigung des Soziallebens. Bei einem Pikettdienst sind die Belastungen für den Arbeitneh- mer regelmässig geringer als beim Bereitschaftsdienst, kann sich doch der Arbeitnehmer während des Pikettdienstes immerhin zu Hause in seinem gewohnten Umfeld aufhalten, wo er normalerweise grössere Möglichkeiten hat, seine Zeit zu gestalten als am Arbeitsort und wo er (mit gewissen Einschränkungen) auch am Familienleben und anderweitigem Sozialleben teilnehmen kann. Die Belastungen, die mit der Einsatz- und Rufbereitschaft während der Pausen einher- gehen, sind somit im Ergebnis nicht vergleichbar mit denjenigen einer jederzeitigen, uneingeschränkten Einsatzbereitschaft im Be- trieb, wie sie beispielsweise Ärzte oder Mitglieder der Feuerwehr zu leisten haben. In diesen Konstellationen sind die Erholungsfunktion der Freizeit, die Gestaltungsfreiheit des Arbeitnehmers sowie sein Sozialleben wesentlich stärker belastet. Dieser teleologische Aspekt spricht somit für einen blossen Pikettdienst und gegen einen Bereit- schaftsdienst. Nach dem Gesagten hat der Kläger während seiner Pausen Pikettdienst im Sinne von § 5 Inkonvenienzverordnung geleistet. Da- für ist er mit Fr. 3.00 pro geleisteter Stunde zu entschädigen (§ 6 Abs. 1 Inkonvenienzverordnung). (...) Beim Pikettdienst sieht die Inkonvenienzverordnung keine Zeitgutschrift vor.
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2003 Submissionen 239 VII. Submissionen 57 Einladungsverfahren; Anfechtungsobjekt; Beschwerdelegitimation eines nicht eingeladenen Anbieters; Anspruch auf Teilnahme? - Der Beschluss der Vergabestelle, mit dem diese festlegt, welche Anbie- ter zur Abgabe eines Angebots eingeladen werden, stellt für einen nicht eingeladenen (potentiellen) Anbieter eine anfechtbare Verfügung dar (Erw. I/2). - Beschwerdelegitimation des nicht eingeladenen Anbieters (Erw. I/4). - Wird die Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom nicht eingeladenen Anbieter innerhalb von 10 Tagen nach Kenntnisnahme der Tatsache, dass ein Submissionsverfahren durchgeführt wird, eingereicht, ist die Beschwerdefrist eingehalten (Erw. I/5). - Kein Anspruch auf Teilnahme an einem Einladungsverfahren; Verbot der gezielten Diskriminierung eines Anbieters (Erw. II/2). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 8. Januar 2003 in Sa- chen R. AG gegen Gemeinderat Schafisheim. Aus den Erwägungen I. 2. a) Gegen Verfügungen der Vergabestelle gemäss § 5 SubmD kann direkt beim Verwaltungsgericht Beschwerde erhoben werden (§ 24 Abs. 1 SubmD). Tritt eine Gemeinde oder ein Gemeindeverband als Vergabestelle auf, gilt diese Rechtsschutz- bestimmung unabhängig vom Wert des Auftrags (§ 24 Abs. 3 i.V.m. § 5 Abs. 1 lit. d SubmD). b) Gemäss Art. 9 Abs. 1 BGBM sind Beschränkungen des freien Zugangs zum Markt, insbesondere im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens, in Form einer anfechtbaren Verfügung zu er- lassen. Dagegen muss ein Rechtsmittel an eine verwaltungsunabhän- gige kantonale Beschwerdeinstanz gegeben sein (Art. 9 Abs. 2 2003 Verwaltungsgericht 240 Satz 1 BGBM). Wo im Einzelfall keine Verfügung ergeht, kann der Berechtigte den Erlass einer solchen verlangen (Attilio R. Gadola, Rechtsschutz und andere Formen der Überwachung der Vorschriften über das öffentliche Beschaffungswesen, in: AJP/PJA 1996, S. 967 ff., S. 976). c) § 24 Abs. 1 SubmD spezifiziert nicht, was alles unter den Begriff "Verfügungen" fällt. Indessen scheint klar, dass davon ausser dem Zuschlag, dem Abbruch des Verfahrens, dem Ausschluss vom Verfahren oder dem Entscheid über die Auswahl von Anbietenden im selektiven Verfahren (vgl. § 37 Abs. 2 SubmD) alle marktbe- schränkenden Verfügungen im Sinne von Art. 9 Abs. 1 BGBM um- fasst werden, soweit sie das öffentliche Beschaffungswesen betreffen (vgl. VGE III/110 vom 20. August 1999 [BE.1999.00114] in Sachen H., S. 5). d) Im vorliegenden Fall geht es um die Vergabe eines öffentli- chen Auftrags. Es liegt aber (noch) kein förmlicher Vergabeentscheid des Gemeinderats als Anfechtungsobjekt vor. Eine Beschränkung des Zugangs zum freien Markt in Bezug auf die potentiellen Anbietenden, also auch die Beschwerdeführerin, lässt sich vorlie- gend indessen ohne Weiteres im Beschluss des Gemeinderats vom 30. September 2002, die Elektroinstallationen im Einladungsverfah- ren zu vergeben und (nur) die drei Unternehmen J., S. GmbH und E. zur Offertstellung einzuladen, erblicken. Mit diesem Entscheid ist es der Beschwerdeführerin verunmöglicht worden, sich ebenfalls um die vom Gemeinderat zu vergebenden Elektroinstallationsarbeiten zu bewerben. Insofern kann dem Beschluss des Gemeinderats der Cha- rakter einer marktbeschränkenden Verfügung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 BGBM nicht abgesprochen werden. Die Anfechtungsmög- lichkeit gestützt auf § 24 Abs. 1 SubmD ist daher zu bejahen. Dass der Beschluss der Beschwerdeführerin nicht formell und mit Rechtsmittelbelehrung versehen eröffnet wurde, liegt in der Natur des Einladungsverfahrens. e) Es liegt hier also eine anfechtbare Verfügung vor und das Verwaltungsgericht ist somit zur Behandlung des vorliegenden Falles zuständig. (...) 2003 Submissionen 241 4. Gemäss § 38 Abs. 1 VRPG kann jedermann Verfügungen und Entscheide durch Beschwerde anfechten, der ein schutzwürdiges eigenes Interesse geltend macht. Der Rechtsschutz im öffentlichen Beschaffungswesen hat zum Zweck, dass die Anbietenden gegen vermutete Verletzungen von Submissionsvorschriften im Zusam- menhang mit Beschaffungen, an denen sie ein Interesse haben oder gehabt haben, sollen Beschwerde führen können (AGVE 1998, S. 352). Zur Beschwerde ist legitimiert ist daher insbesondere ein Anbieter, dessen Offerte für den Zuschlag nicht berücksichtigt wurde oder der vom Vergabeverfahren ausgeschlossen wurde. Sodann kann sich ein potentieller Anbieter mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde grundsätzlich - soweit noch kein (zulässiger) Vertrag abgeschlossen worden ist - dagegen wehren, dass ein Auftrag, der nach geltendem Submissionsrecht öffentlich ausgeschrieben werden muss, statt des- sen direkt vergeben wird (vgl. erwähnter VGE in Sachen H., S. 7; vgl. auch Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich [VB.2001.00116] vom 9. November 2001, E. 2c). Eine andere Situa- tion liegt vor, wenn ein Anbieter nicht eine öffentliche Ausschrei- bung des Auftrags in einem offenen oder selektiven Verfahren, son- dern die Zulassung zu einem Einladungsverfahren verlangt. Grund- sätzlich besteht kein Anspruch darauf, zur Einreichung eines Ange- bots eingeladen zu werden (siehe hinten, Erw. II/2/b). Dennoch steht ein Beschwerdeführer, der offensichtlich zum Kreis der für eine Einladung in Frage kommenden Anbieter zählt, in einer näheren Beziehung zum Streitgegenstand als beliebige Dritte oder die Allge- meinheit. Das schutzwürdige Interesse an der Beschwerdeführung kann ihm daher nicht von vornherein abgesprochen werden (vgl. erwähnter Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 9. November 2001, E. 2c). Im vorliegenden Fall behauptet die Beschwerdeführerin, die Nichtberücksichtigung für das vorliegende Einladungsverfahren stelle eine Diskriminierung durch den Gemeinderat dar, da (ausser ihr) alle ortsansässigen Gewerbetreibende eine Einladung zur Offertstellung erhalten hätten. Die Beschwerdeführerin kommt als ortsansässiges Elektro- Unternehmen für die im Einladungsverfahren zu vergebenden Elektroinstallationen als Anbieterin grundsätzlich in Betracht, und sie 2003 Verwaltungsgericht 242 hat ein wirtschaftliches Interesse daran, solche Aufträge zu erhalten. Insofern ist sie durch die Nichtberücksichtigung für die Teilnahme in schutzwürdigen eigenen Interessen betroffen. Ihre Legitimation zur vorliegenden Beschwerde ist daher zu bejahen. 5. Gemäss § 25 Abs. 1 SubmD ist die Beschwerde innert 10 Ta- gen seit Eröffnung der Verfügung einzureichen. Da im vorliegenden Fall keine Verfügung eröffnet wurde, kann bezüglich des Fristenlaufs nicht auf ein Eröffnungsdatum abgestellt werden. Es ist deshalb für die Frage der Einhaltung der Beschwerdefrist auf die konkreten Ver- hältnisse abzustellen (vgl. St. Gallische Gerichts- und Verwal- tungspraxis 2001, Nr. 17, S. 59 mit Hinweis). In diesem Zusammen- hang macht die Beschwerdeführerin in der Beschwerde geltend, sie habe am Freitag, den 8. November 2002 durch Zufall erfahren, dass die Einladung zur Offertstellung für die Sanierung der Liegenschaft bereits stattgefunden habe und dass am 8. November 2002 die Frist zur Einreichung der Offerten abgelaufen sei. Diese Ausführungen erscheinen glaubhaft und sind vom Gemeinderat auch nicht in Frage gestellt worden. Die vom 11. November 2002 datierende Verwal- tungsgerichtsbeschwerde ist innerhalb 10 Tagen nach Kenntnis- nahme der Tatsache, dass ein Submissionsverfahren durchgeführt wurde, durch die Beschwerdeführerin eingereicht worden. Die Be- schwerdefrist ist damit eingehalten. (...) II. 2. a) Die Vergabebehörde hat sich im vorliegenden Fall für die Durchführung eines Einladungsverfahrens entschieden und dazu drei Unternehmen zur Einreichung eines Angebots eingeladen. Die Beschwerdeführerin wurde nicht eingeladen. Die Beschwerdeführerin vertritt den Standpunkt, ihre Nichtbe- rücksichtigung für die Teilnahme an der Submission stelle eine klare Diskriminierung dar. Bei ihr handle es sich um ein ortsansässiges, langjähriges Familienunternehmen im Bereich Elektroinstallationen. Der Gemeinderat habe bei den verschiedenen Arbeitsvergaben im Rahmen der Sanierung der fraglichen Liegenschaft neben anderen Anbietenden alle ortsansässigen Gewerbetreibenden berücksichtigt. Nur die Beschwerdeführerin sei bei den elektrischen Installationen übergangen worden. Dies sei ein klarer Verstoss gegen den aus 2003 Submissionen 243 Art. 8 BV fliessenden Grundsatz auf rechtsgleiche Behandlung; das Vorgehen der Vergabebehörde entbehre jeglicher sachlichen Begründung. Das Recht der Beschwerdeführerin auf freien Zugang zum Markt werde nicht gewahrt und die Gleichbehandlung der Gewerbegenossen nicht gewährleistet. Durch die Nichtberück- sichtigung zur Offertstellung werde die in Schafisheim ansässige Beschwerdeführerin klar benachteiligt, und die umliegenden Elektroinstallationsbetriebe würden begünstigt. Die Vergabebehörde verhalte sich den konkurrierenden Gewerbetreibenden gegenüber nicht neutral und verstosse damit gegen Art. 27 Abs. 1 BV. b) Beim Einladungsverfahren bzw. bei der freihändigen Vergabe mit mehreren Anbietern bestimmt die Auftraggeberin frei, wen sie zum Einreichen eines Angebots auffordert (vgl. Peter Galli/Daniel Lehmann/Peter Rechsteiner, Das öffentliche Beschaffungswesen in der Schweiz, Zürich 1996, Rz. 162). Einen Anspruch auf Teilnahme besitzt niemand unter den potentiellen Anbietenden (Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 9. November 2001 [VB.2001.00116], E. 2c). Ein Anspruch auf Teilnahme an einem Einladungsverfahren lässt sich weder aus dem allgemeinen Gleich- behandlungsgebot (Art. 8 BV), noch aus der Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 Abs. 1 BV) noch aus dem Verbot wettbewerbsverzerrender Massnahmen, die einzelne direkte Konkurrenten bevorzugen bzw. benachteiligen (Art. 94 Abs. 1 und 4 BV) herleiten (vgl. Ulrich Häfelin/Walter Haller, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 5. Auflage, Zürich 2001, Rz. 676 ff.). Auch wenn der Staat durch die Wirtschaftsfreiheit objektiv verpflichtet ist, dem Einzelnen möglichst optimale Rahmenbedingungen für seine wirtschaftliche Entfaltung bereitzustellen, lässt sich daraus kein Anspruch des Einzelnen auf den Erhalt eines öffentlichen Auftrags ableiten. Der Grundsatz der Gleichbehandlung der direkten Konkurrenten gilt nicht absolut. Beim Einladungsverfahren wird immer nur eine sehr beschränkte Zahl der vorhandenen potentiellen und für den Auftrag in Frage kommenden Anbietenden berücksichtigt. Die Beschränkung der Anzahl der An- bieter auf nur wenige ist gerade der Sinn und Zweck dieser Verfah- rensart; insofern ist eine "Ungleichbehandlung" unvermeidbar. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich hat es offen gelassen, ob bei 2003 Verwaltungsgericht 244 der Auswahl der Einzuladenden dennoch gewisse Einschränkungen zu beachten sind, insbesondere zur Vermeidung einer gezielten Dis- kriminierung einzelner Anbietender (Entscheid des Verwaltungsge- richts des Kantons Zürich vom 10. April 2002 [VB.2001.00256], E. 4). Eine solche gezielte Diskriminierung, die gegen die BV und das BGBM verstösst, könnte gegebenenfalls darin bestehen, dass die Vergabebehörde über einen langen oder zumindest längeren Zeitraum hinweg und ohne sachliche Gründe dafür zu haben, konsequent da- von absieht, einen bestimmten Anbieter zum Einreichen eines Ange- bots einzuladen. Auf Grund der Wahlfreiheit der Vergabebehörde, die ihr mit der Möglichkeit des Einladungsverfahrens bewusst zuge- billigt wird, darf eine Diskriminierung allerdings nicht leichthin, sondern nur unter sehr strengen Voraussetzungen angenommen wer- den. c) Von einer Diskriminierung kann im vorliegenden Fall entge- gen der Auffassung der Beschwerdeführerin jedenfalls keine Rede sein. Aus den Ausführungen des Gemeinderats in der Vernehmlas- sung geht hervor, dass die Beschwerdeführerin in den letzten drei Jahren sieben Mal eingeladen wurde, ein Angebot einzureichen, allerdings mit rückläufiger Tendenz. Während im Jahr 2000 noch fünf Einladungen erfolgten, waren es in den Jahren 2001 und 2002 noch je eine. Einen Zuschlag hat sie bei diesen Vergaben nicht er- halten, da sich auswärtige Anbieter als preisgünstiger erwiesen und jeweils vor der Beschwerdeführerin rangierten. Zunächst ist festzu- halten, dass die Beschwerdeführerin allein aus ihrer Ortsansässigkeit keinen rechtlichen Anspruch auf eine Auftragserteilung oder auch nur auf eine Teilnahme an einem Submissionsverfahren herleiten kann. Die Tatsache, dass der Gemeinderat Schafisheim in den letzten Jahren, nachdem der Beschwerdeführerin bis Ende 1999 fast sämtli- che Arbeiten für das Elektrizitätswerk übertragen worden waren, aus finanziellen Überlegungen offensichtlich vermehrt dazu übergegan- gen ist, auch auswärtige Unternehmen zur Offertstellung einzuladen und so eine Konkurrenzsituation zu schaffen, lässt sich nicht bean- standen. Dieses Vorgehen entspricht vielmehr dem heutigen Submis- sionsrecht, das generell eine Öffnung des Marktes anstrebt und eine protektionistische Begünstigung der einheimischen Anbieter ver- 2003 Submissionen 245 hindern bzw. beseitigen will. Offensichtlich hat die Tatsache, dass Gemeinderat und EW-Kommission bei der Vergabe von Elektroar- beiten vermehrt auch auswärtige Unternehmen, die kostengünstiger offerierten, berücksichtigten, Ende 2000 zu erheblichen Unstimmig- keiten mit der Beschwerdeführerin geführt. Die Beschwerdeführerin ist indessen auch danach, d.h. im Juni 2001 und im Februar 2002, zur Offertstellung aufgefordert worden. Im einen Fall reichte die Be- schwerdeführerin keine Offerte ein, im andern Fall war ihr Angebot nicht das preisgünstigste. Die Einwände, welche die Beschwerdefüh- rerin im Zusammenhang mit dieser Vergabe erhebt, ändern nichts an der Tatsache, dass sie aufgefordert wurde, ein Angebot einzureichen. Die Beschwerdeführerin ihrerseits verweist auf vier Arbeits- vergebungen aus den Jahren 2001 und 2002, bei denen sie ebenfalls nicht eingeladen worden ist. Auch daraus kann die Beschwerdeführe- rin noch keine Diskriminierung ableiten. Die Vergabebehörde ist nicht verpflichtet, bei jedem Einladungsverfahren, dass sie zur Ver- gebung von öffentlichen Arbeiten ausführt, stets auch die ortsansäs- sigen Anbietenden miteinzuladen. Das Submissionsverfahren be- zweckt die Ermittlung des im konkreten Fall wirtschaftlich günstigsten Angebots. Dies gilt auch für das Einladungsverfahren. Die Vergabebehörde darf (und muss sogar) bei ihrer Auswahl darauf abstellen, von welchen Unternehmen am ehesten ein qualitativ ein- wandfreies und auch kostengünstiges Angebot erwartet werden kann. Aus dem Umstand, dass der Gemeinderat für die im Zusam- menhang mit der Sanierung der fraglichen Liegenschaft zu verge- benden übrigen Arbeitsgattungen nebst auswärtigen Unternehmen auch verschiedene ortsansässige Anbieter eingeladen hat, lässt sich ebenfalls nicht auf eine Diskriminierung der Beschwerdeführerin schliessen, zumal eher fraglich erscheint, ob tatsächlich alle andern einheimischen Unternehmen eine Einladung erhalten haben.
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2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 100 13 Anordnung einer fürsorgerischen Unterbringung; Anhörung im Kolle- gium - Erstinstanzliche Anordnungen von fürsorgerischen Unterbringungen müssen stets in begründeter Form erlassen werden; die Zustellung im Dispositiv ist unzulässig (Erw. I/2.2 f.). - Ausnahmen von der Anhörung im Kollegium gemäss Art. 447 Abs. 2 ZGB (Erw. II/2.3) Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 16. Sep- tember 2015 in Sachen A. gegen den Entscheid des Familiengerichts X. (WBE.2015.377). Aus den Erwägungen I. 2. 2.1. Gemäss dem Entscheiddispositiv des Familiengerichts X. vom 10. September 2015 kann innert 10 Tagen seit Zustellung dieses Dispositivs beim Präsidenten des Bezirksgerichts X. mit schriftlicher Eingabe eine schriftliche Begründung verlangt werden. Wird gegen einen Entscheid ohne schriftliche Begründung irrtümlicherweise di- rekt schriftlich Beschwerde erhoben, statt vorerst eine schriftliche Begründung zu verlangen, so gilt dies grundsätzlich als Antrag auf schriftliche Begründung (D ANIEL S TAEHELIN , in: T HOMAS S UTTER - S OMM /F RANZ H ASENBÖHLER /C HRISTOPH L EUENBERGER [H RSG .], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], 2. Aufl., Zürich 2013, Art. 239 N 31). Die Beschwerde vom 14. Sep- tember 2015 wäre somit grundsätzlich als Antrag auf schriftliche Be- gründung an das Familiengericht X. weiterzuleiten. 2.2. 2015 Fürsorgerische Unterbringung 101 Im vorliegenden Fall einer fürsorgerischen Unterbringung stellt sich aber die Frage, ob das Familiengericht überhaupt einen Ent- scheid im Dispositiv erlassen durfte bzw. ob das Verwaltungsgericht nicht trotz fehlender Urteilsbegründung auf die Beschwerde eintreten darf und muss. Ein Unterbringungsentscheid und somit auch ein Verlegungsentscheid sind der betroffenen Person sofort, das heisst noch vor oder gleichzeitig mit dem Vollzug der fürsorgerischen Unterbringung zu begründen (C HRISTOF B ERNHART , Handbuch der fürsorgerischen Unterbringung, Basel 2011, N 633; E LISABETH S CHWEREY , Das Verfahren bei der vorsorglichen fürsorgerischen Freiheitsentziehung, Diss. St. Gallen 2004, S. 63). Folglich genügt es nicht, wenn der betroffenen Person bloss das Recht eingeräumt wird, eine Begründung verlangen zu können (B ERNHART , a.a.O., N 633; S CHWEREY , a.a.O., S. 63; vgl. auch Botschaft Nr. 77.058 zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Fürsorgerische Freiheitsentziehung] und den Rückzug des Vorbehaltes zu Artikel 5 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfrei- heiten vom 17. August 1977, in: BBl 1977 III, S. 1 ff., S. 34), denn sonst hätte eine fürsorgerisch untergebrachte Person nicht die Möglichkeit, ihre Rechte gemäss Art. 31 Abs. 2 BV, wel-cher auf fürsorgerische Unterbringungen Anwendung findet (H ANS V EST , in: St. Galler Kommentar zur Bundesverfassung, 3. Aufl., Zürich/St. Gallen 2014, Art. 31 N 6), geltend zu machen. Zu diesen Rechten gehören bei einer fürsorgerischen Unterbringung insbesondere das Recht auf ein einfaches und rasches Verfahren, weshalb gemäss Art. 450e Abs. 5 ZGB über Beschwerden gegen Entscheide auf dem Gebiet der fürsorgerischen Unterbringung in der Regel innert fünf Arbeitstagen seit Eingang der Beschwerde zu entscheiden ist. Im Übrigen muss gemäss Art. 430 Abs. 2 ZGB auch ein ärzt-licher Unterbringungsentscheid begründet sein, und aus dem Sinn und Zweck einer fürsorgerischen Unterbringung ergibt sich von selbst, dass auch die Einrichtung, in welche die Person eingewiesen wird, den Grund der fürsorgerischen Unterbringung und die gemäss Einweisungsbehörde notwendige Behandlung und Betreuung von Beginn der Einweisung an kennen muss (vgl. Art. 426 Abs. 1 ZGB). 2.3 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 102 Würde das Verwaltungsgericht die Beschwerde vom 14. Sep- tember 2015 als sinngemässen Antrag auf schriftliche Begründung an das Familiengericht X. weiterleiten, so wäre eine Verletzung der Rechte der Beschwerdeführerin im Lichte von Art. 31 Abs. 2 BV naheliegend. Es würde für die Überweisung der Beschwerde an das Familiengericht, für die anschliessende Begründung des familienge- richtlichen Entscheids vom 10. September 2015, für die Zustellung des begründeten Entscheids und für die Einreichung einer neuen Be- schwerde an das Verwaltungsgericht unnötige Zeit verstreichen, welche sich aufgrund der Natur der fürsorgerischen Unterbringung und der damit zusammenhängenden Schwere des Eingriffs in die Rechtsstellung der betroffenen Person nicht rechtfertigen lassen (vgl. auch K ASPAR P LÜSS , in: A LAIN G RIFFEL [H RSG .], Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich [VRG], 3. Aufl., Zürich 2014, § 10a N 16; vgl. zur Rechtfertigung eines einfachen und raschen Verfahrens auch T HOMAS G EISER , in: Basler Kommen- tar, Zivilgesetzbuch I, Art. 1-456 ZGB, 5. Aufl., Basel 2014, Art. 450e N 37 ff.). Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass erstinstanzliche Anordnungen von fürsorgerischen Unterbringungen stets in begrün- deter Form erlassen werden müssen und die Zustellung im Dispositiv unzulässig ist. Deshalb tritt das Verwaltungsgericht trotz fehlenden begründeten Entscheids des Familiengerichts auf die Beschwerde vom 14. September 2015 ein. 2.4. (...) 3. (...) II. 1. (...) 2. 2.1. (...) 2.2. (...) Gesetzlich vorgeschrieben ist, wie gesehen, eine persönliche mündliche Anhörung der betroffenen Person; vorbehalten sind Fälle, in denen eine solche Anhörung unverhältnismässig wäre (Art. 447 ZGB). Die persönliche Anhörung verfolgt - wie der Anspruch auf rechtliches Gehör - zwei Ziele: Zum einen stellt sie ein Mitwir- 2015 Fürsorgerische Unterbringung 103 kungsrecht der betroffenen Person dar. Zum anderen bildet sie ein Mittel zur Sachverhaltsabklärung. Das Mitwirkungsrecht ist umfas- send: Der betroffenen Person ist im Rahmen der persönlichen Anhö- rung nicht nur in allgemeiner Form von der in Aussicht genommenen Massnahme Kenntnis zu geben. Vielmehr sind ihr sämtliche Einzel- tatsachen bekannt zu geben, auf die sich die Kindes- und Erwachse- nenschutzbehörde bei ihrem Entscheid stützen will. Soweit die Anhörung der Sachverhaltsfeststellung dient, kann auf sie nicht ver- zichtet werden, selbst wenn sich die betroffene Person widersetzen sollte. Die Behörde hat sich anhand der persönlichen Anhörung einen umfassenden Eindruck von den Zukunftsaussichten und der jüngeren Vergangenheit der betroffenen Person zu verschaffen, der ihr mit Blick auf die Geeignetheit, die Notwendigkeit und die Angemessen- heit der Massnahme als Entscheidungsgrundlage dient (A UER / M ARTI , in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, Art. 1 - 456 ZGB, 5. Auflage, Basel 2014, Art. 447 N 4 ff.). 2.3. Ausnahmsweise kann auf die Anhörung im Kollegium gemäss Art. 447 Abs. 2 ZGB verzichtet werden und nur eine Anhörung durch ein einzelnes Behördenmitglied durchgeführt werden, wenn Gefahr in Verzug ist, wenn sich die betroffene Person weigert, einer Vorladung Folge zu leisten, oder wenn die Anhörung durch den ge- samten Spruchkörper wegen der Krankheit oder anderen persönlich- keitsbedingten Gründen seitens der betroffenen Person nicht geboten ist. Von einer Anhörung durch den gesamten Spruchkörper kann fer- ner Umgang genommen werden, wenn dem Grundsatz der Inter- disziplinarität nicht entscheidendes Gewicht zukommt. Liegt bei- spielsweise im Verfahren vor der Kindes- und Erwachsenenschutz- behörde bereits ein schlüssiges psychiatrisches oder sozialpsycho- logisches Gutachten vor, kann es sich rechtfertigen, dass die persön- liche Anhörung einzig durch das Behördenmitglied mit juristischem Sachverstand durchgeführt wird (A UER /M ARTI , a.a.O., Art. 447 N 35; vgl. die Botschaft Nr. 06.063 zur Änderung des Schwei- zerischen Zivilgesetzbuches [Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht] vom 28. Juni 2006, in: BBl 2006, S. 7001 ff., S. 7079). Schliesslich ist denkbar, vor der Anordnung einer fürsorgerischen 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 104 Unterbringung von einer Anhörung im Kollegium abzusehen, wenn das gleiche Kollegium die betroffene Person schon einmal angehört hat, zum Beispiel beim Entscheid über die fürsorgerische Unter- bringung oder die Verlängerung einer solchen. Die Zeitspanne zwischen der letzten Anhörung und dem Unterbringungsentscheid müsste jedoch relativ kurz bemessen sein und es müsste zweifelsfrei feststehen, dass sich in der Zwischenzeit keine neuen Aspekte ergeben haben, die für den Unterbringungs- bzw. Verlegungsent- scheid relevant sind (vgl. auch AGVE 2013, S. 95 ff.). 3. 3.1. Das Familiengericht X., das den vorliegend angefochtenen Verlegungsentscheid vom 10. September 2015 in der vom Gesetz (§ 3 Abs. 4 lit. a GOG) vorgesehenen Dreierbesetzung gefällt hat, hat die Beschwerdeführerin nicht persönlich durch den gesamten Spruchkörper angehört, denn es erfolgte bloss eine telefonische An- hörung. Das Verwaltungsgericht rügte schon mit Entscheid vom 10. September 2015 den Verlegungsentscheid (Verlegung in die Klinik E.) des Familiengerichts X. vom 26. August 2015, da das Familiengericht ebenfalls ohne persönliche Anhörung im Kollegium über die Verlegung der Beschwerdeführerin in die Klinik E. entschieden hatte. Das Verwaltungsgericht forderte das Familien- gericht deshalb ausdrücklich auf, anlässlich der Beurteilung des Entlassungsgesuchs eine Anhörung im Kollegium gemäss Art. 447 Abs. 2 ZGB durchzuführen (VGE I/173 vom 10. September 2015 [WBE.2015.363], Erw. 3.3). Obwohl unklar ist, wer die telefonische Anhörung der Beschwerdeführerin vom 10. September 2015 durch- geführt hat, ist davon auszugehen, dass sowohl die juristisch ge- schulte Gerichtspräsidentin B. als auch Fachrichterin C. die Be- schwerdeführerin noch nie persönlich angehört haben. Die einzige persönliche Anhörung der Beschwerdeführerin erfolgte am 26. Au- gust 2015 durch die Fachrichterin D. 3.2. Für das Verwaltungsgericht ist keine Ausnahmesituation ersicht- lich, in welcher auf die Anhörung im Kollegium verzichtet werden konnte und somit eine Anhörung durch ein Behördenmitglied genü- 2015 Fürsorgerische Unterbringung 105 gen würde (vgl. zu den möglichen Ausnahmesituationen vorne, Erw. 2.3). Gerichtspräsidentin B. und Fachrichterin C. fällten den Entscheid des Familiengerichts X. vom 10. September 2015 - wie schon den Verlegungsentscheid vom 26. August 2015 - anhand der Akten und des Votums von Fachrichterin D., und allenfalls anhand der Eindrücke aufgrund der telefonischen Anhörung am 10. Sep- tember 2015, was jedoch auch nicht den Anforderungen von Art. 447 Abs. 2 ZGB genügt (A UER /M ARTI , a.a.O., Art. 447 N 7). Die Gerichtspräsidentin B. und Fachrichterin C. hatten noch nie Ge- legenheit, die Beschwerdeführerin persönlich kennenzulernen und sich auf diese Weise durch einen eigenen, unmittelbaren Eindruck von ihrem Wesen sowie ihrer gesundheitlichen und sozialen Situa- tion und somit von der Richtigkeit und Angemessenheit der fürsorge- rischen Unterbringung zu überzeugen. Gerade dies ist aber der Sinn der Bestimmung von Art. 447 Abs. 2 ZGB, dass die interdisziplinär zusammengesetzte Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde die be- troffene Person im Kollegium anhört. Das Recht auf Anhörung im Kollegium gemäss Art. 447 Abs. 2 ZGB wurde (erneut) in grundlegender Weise missachtet (vgl. auch VGE I/131 vom 9. Juni 2015 [WBE.2015.278], Erw. 3.1), weshalb in Gutheissung der Beschwerde der angefochtene Entscheid aufzuheben ist (Auer/Marti, a.a.O., Art. 447 N 37; AGVE 2013, S. 96 f.). Unter Berücksichtigung der aktuellsten ärztlichen Berichte zum Gesund- heitszustand der Beschwerdeführerin und der bereits organisierten Nachbetreuung ist im vorliegenden Fall ausnahmsweise auf eine Rückweisung an die Vorinstanz zu verzichten. Die Beschwerdefüh- rerin ist deshalb umgehend aus der Klinik Königsfelden zu entlassen.
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2016 Migrationsrecht 153 < [...] 25 Rechtliches Gehör; Beweiserhebung; Aktenführung; Zeugen- und Beweisaussagen im verwaltungsrechtlichen Verfahren - Nach § 24 Abs. 1 VRPG kann sich die Behörde jener Beweismittel bedienen, die sie nach pflichtgemässem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Dabei darf sie sich aller (legaler) Mittel bedienen, die nach den Grundsätzen der Logik, nach allgemei- ner Erfahrung oder wissenschaftlicher Erkenntnis geeignet sind, den Sachverhalt zu erhellen. - Art. 190 Abs. 2 ZPO beschränkt die verwaltungsrechtlichen Behörden bei der Beweiserhebung im erstinstanzlichen Verfahren nicht auf die schriftliche Auskunft durch Privatpersonen; sie dürfen Auskünfte Dritter auch auf eine andere geeignete Art einholen. Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 29. Juni 2016, in Sachen A. gegen das Amt für Migration und Integration (WBE.2015.511). Aus den Erwägungen 2. 2.1. Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz hätte in ihrem Ent- scheid weder die Auskunft seiner Ehefrau noch die Facebook-Ein- 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 154 träge berücksichtigen dürfen, weil sie den Anforderungen von § 24 Abs. 4 VRPG i.V.m Art. 190 Abs. 2 ZPO nicht genügen würden. Zu- dem seien ihm die in diesem Zusammenhang erstellten oder von sei- ner Ehefrau eingeforderten Aktenstücke nie zu einer konkreten Stel- lungnahme zugestellt worden. Es sei offensichtlich, dass die Aus- künfte seiner Ehefrau sowie die Facebook-Einträge zur Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts herangezogen worden seien. Mit diesem Vorgehen habe die Vorinstanz seinen Anspruch auf rechtli- ches Gehör verletzt. 2.2. Das rechtliche Gehör dient einerseits der Sachaufklärung, ande- rerseits stellt es ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht beim Erlass eines Entscheids dar, welcher in die Rechtsstellung des Ein- zelnen eingreift. Dazu gehört u.a. das Recht der Verfahrensbeteilig- ten, sich vor Erlass eines in ihre Rechtsstellung eingreifenden Ent- scheids zur Sache zu äussern, erhebliche Beweise beizubringen, Ein- sicht in die Akten zu nehmen, mit erheblichen Beweisanträgen gehört zu werden und an der Erhebung wesentlicher Beweise entweder mit- zuwirken oder sich zumindest zum Beweisergebnis zu äussern, wenn dieses geeignet ist, den Entscheid zu beeinflussen (Urteil des Bun- desgerichts vom 15. April 2016 [6B_1247/2015], Erw. 2.2 und vom 28. September 2012 [2C_50/2012], Erw. 3.2, je mit weiteren Hinwei- sen). Nach § 24 Abs. 1 VRPG kann sich die Behörde jener Beweis- mittel bedienen, die sie nach pflichtgemässem Ermessen zur Ermitt- lung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann u.a. Parteien und Drittpersonen befragen und Augenscheine vornehmen. Die Zeugen- einvernahme ist nur im Rechtsmittelverfahren, die formelle Parteibe- fragung nur vor Verwaltungsjustizbehörden zulässig (§ 24 Abs. 2 VRPG). Die polizeiliche Vorführung ist unter den Voraussetzungen von § 24 Abs. 3 VRPG zulässig. Im Übrigen gilt das Zivilprozess- recht, wenn die Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschliessen. Die Protokollierungsvorschriften des Zivilprozess- rechts für die Zeugen- und Beweisaussagen sind jedoch nicht anwendbar (§ 24 Abs. 4 VRPG). 2016 Migrationsrecht 155 Die Verfahrensvorschriften des VRPG (§§ 7 ff.) gelten für die Verwaltungsbehörden grundsätzlich uneingeschränkt (§ 1 Abs. 1 VRPG). Insbesondere die Bestimmungen über das rechtliche Gehör sind auch für die Beweiserhebung durch Verwaltungsinstanzen von Bedeutung (AGVE 2008, S. 315). Wo sich die kantonalen Ver- fahrensvorschriften als unzureichend erweisen, greifen zudem die unmittelbar aus Art. 29 Abs. 2 BV folgenden bundesrechtlichen Minimalgarantien Platz (BGE 116 Ia 98; AGVE 2008, S. 315; mit weiteren Hinweisen). Die Frage des rechtlichen Gehörs ist in den §§ 21 (Anhörung) und 22 (Akteneinsicht) VRPG geregelt. Das Recht auf Akteneinsicht setzt voraus, dass überhaupt Akten vorhanden sind, die eingesehen werden können, d.h. es begründet auch eine Aktener- stellungs- bzw. Aktenführungspflicht (vgl. BGE 130 II 477; 124 V 375 f., 390; 115 Ia 99; AGVE 2001, S. 372; 2000, S. 343 f.; je mit Hinweisen). 2.3. Das MIKA gewährte dem Beschwerdeführer am 12. Juni 2015 das rechtliche Gehör betreffend Widerruf seiner Aufenthaltsbewilli- gung und Wegweisung aus der Schweiz. Aus Ziff. 2 dieses Schrei- bens geht unmissverständlich hervor, dass das MIKA gestützt auf die Auskünfte der Ehefrau des Beschwerdeführers sowie deren Verweis auf Facebook-Einträge zum Schluss kommt, der Beschwerdeführer habe spätestens seit Oktober 2014 nur noch aus migrationsrecht- lichen Gründen an seiner Ehe festgehalten. Aufgrund dieses miss- bräuchlichen Verhaltens werde in Erwägung gezogen, seine ablau- fende Aufenthaltsbewilligung zu widerrufen und ihn aus der Schweiz wegzuweisen. Dem Beschwerdeführer wurde Gelegenheit gegeben, sich schriftlich zur vorgesehenen Massnahme zu äussern. Unter diesen Umständen ist nicht ersichtlich, inwiefern der Be- schwerdeführer keine Gelegenheit gehabt hätte, sich vor Erlass der Verfügung des MIKA vom 10. August 2015 zur Sache zu äussern respektive an der Erhebung wesentlicher Beweise entweder mitzu- wirken oder sich zumindest zum Beweisergebnis zu äussern. Mit Ge- währung des rechtlichen Gehörs wurde das vorliegende Verfahren angehoben. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte, dass dem Be- schwerdeführer seither die gemäss den §§ 21 und 22 VRPG einge- 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 156 räumten Rechte versagt worden wären. Dies umso weniger, als der Beschwerdeführer mit Eingabe seines damaligen Vertreters vom 23. Juni 2015 von der Möglichkeit, zur vorgesehenen Massnahme Stellung zu nehmen, Gebrauch gemacht hatte. (...) Den Akten kann weiter nicht entnommen werden, dass seitens des Beschwerdeführers Beweisanträge gestellt oder von ihm angebotene Beweise nicht abge- nommen worden wären. (...) Mit Blick auf die Ermittlung des rechtserheblichen Sachverhalts ist darauf hinzuweisen, dass sich die Behörden gemäss § 24 Abs. 1 VRPG jener Beweismittel bedienen, die sie nach pflichtgemässem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich halten. Den in dieser Bestimmung genannten Beweismitteln kommt dabei lediglich exemplarischer Charakter zu, d.h. die Behörden dürfen sich aller (legaler) Mittel, die nach den Grundsätzen der Logik, nach all- gemeiner Erfahrung oder wissenschaftlicher Erkenntnis geeignet sind, den Sachverhalt zu erhellen, bedienen (Botschaft 07.27 des Re- gierungsrats des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 14. Feb- ruar 2007 zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, Ziff. 2 zu § 24). Zu Art. 190 Abs. 2 ZPO ist festzuhalten, dass das MIKA auf- grund von § 24 Abs. 2 VRPG gar nicht befugt gewesen wäre, die Ehefrau als Zeugin einzuvernehmen, womit fraglich ist, ob Art. 190 Abs. 2 ZPO in Verwaltungsverfahren überhaupt zur Anwendung kommt (vgl. § 24 Abs. 4 VRPG). Abgesehen davon stellt Art. 190 Abs. 2 ZPO keine Beweiserhebungsvorschrift dar, die das MIKA in der Art und Weise der Beweiserhebung gegenüber Privatpersonen einschränken würde. Die Möglichkeit (auch) von Privatpersonen schriftliche Auskünfte einholen zu können, eröffnet lediglich eine weitere Art der Beweiserhebung und normiert die Pflicht Privater, den Behörden in schriftlicher Form Auskunft zu geben. Eine Ver- pflichtung der Behörden, die Auskunft Privater einzig schriftlich oder mittels Zeugenbefragung zu erheben, liegt nicht vor. Vielmehr sind die Behörden frei, Auskünfte auch auf andere geeignete Art ein- zuholen. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers liegen auch keine Anzeichen vor, dass das MIKA die dem Beschwerdeführer im Zu- 2016 Migrationsrecht 157 sammenhang mit den erhobenen Informationen zustehenden Rechte verletzt hätte. Dem Beschwerdeführer wurden anlässlich des recht- lichen Gehörs die Angaben der Ehefrau mitgeteilt. Zudem wurden deren Aussagen vor Gewährung des rechtlichen Gehörs in der Telefonnotiz (recte: Aktennotiz) vom 26. Mai 2015 schriftlich festge- halten und zu den Akten genommen. Auch die von der Ehefrau ein- verlangten und eingereichten Unterlagen sind vollständig in den Akten abgelegt. Entsprechend ist das MIKA seiner Pflicht zur Akten- erstellung- bzw. Aktenführung, welche mit dem Recht auf Aktenein- sicht verbunden ist, nachgekommen. Hinsichtlich des Akteneinsichts- rechts bleibt festzuhalten, dass weder der Beschwerdeführer noch sein damaliger Vertreter - dessen Verhalten sich der Beschwerdefüh- rer anrechnen lassen muss - einen Antrag auf Akteneinsicht gestellt haben. Dass es einer Behörde nicht angelastet werden kann, wenn ein Betroffener darauf verzichtet, Beweisanträge zu stellen oder Einsicht in die Akten zu verlangen, ist offensichtlich und bedarf keiner weite- ren Ausführungen. Inwiefern das MIKA bei dieser Sachlage den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt hätte, ist nicht nachvollziehbar. Dies umso weniger, als der neuen Vertreterin des Beschwerdeführers auf entsprechenden Antrag hin umgehend sämtliche Akten in elektro- nischer Form zugestellt wurden. Demnach bleibt festzuhalten, dass das MIKA entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers seinem An- spruch auf rechtliches Gehör in jeder Hinsicht Rechnung getragen hat. (Hinweis: Das Bundesgericht wies die gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit Urteil vom 20. April 2017 [2C_671/2016] ab.)
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AG_VG_001
AG_VG
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AG_VG_001_AGVE-2016-25_2016-06-02
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2000 Verwaltungsgericht 346 [...] 78 Kostenverlegung. - Bei einem Beschwerderückzug wird grundsätzlich nicht auf die Erhe- bung von Verfahrenskosten verzichtet (Praxisänderung). Beschluss des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 9. November 2000 in Sachen G.S. gegen Entscheid des Baudepartements. Aus den Erwägungen 2. Nach § 23 VKD kann auf die Erhebung einer Staatsgebühr verzichtet werden, wenn ein Verfahren nicht vollständig durchgeführt wird, was bei einem Rückzug der Fall ist. Dasselbe gilt auch für die Kanzleigebühr (§ 27 VKD). Das Verwaltungsgericht hat beschlossen, von der bislang geübten Praxis, wonach bei Rückzügen vom Verzicht auf Kostenerhebung in aller Regel Gebrauch gemacht wurde, abzu- rücken und künftig auf die Erhebung von Verfahrenskosten grund- sätzlich nicht mehr zu verzichten. Nachdem vorliegend kein allzu 2000 Verwaltungsrechtspflege 347 grosser Aufwand entstanden ist, rechtfertigt es sich, nur eine geringe Staatsgebühr zu erheben.
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2000 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 215 [...] 57 Nutzungsplanung; Beschwerde an den Regierungsrat gemäss § 26 BauG. - Die Beschwerde an den Regierungsrat gilt auch dann als zweit- instanzliches Verfahren, wenn die Beschwerde erst durch den Ent- scheid des nach § 25 BauG zuständigen Organs veranlasst wurde. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 10. Dezember 2000 in Sachen A.L. gegen Entscheid des Regierungsrats. 2000 Verwaltungsgericht 216 Aus den Erwägungen 3. Unbestritten ist, dass die im Beschwerdeverfahren vor dem Regierungsrat zu beurteilende Bestimmung in § 23 Abs. 3 der revi- dierten Bauordnung der Stadt B. auf einen Änderungsantrag im Ein- wohnerrat zurückging. In der öffentlichen Auflage und im Antrag des Gemeinderates war diese Bestimmung nicht enthalten. a) Gemäss § 4 BauG bildet die Einsprache einen Bestandteil des erstinstanzlichen Verwaltungsverfahrens und dient zur Vorbereitung der noch nicht ergangenen Planungsmassnahme (vgl. Michael Mer- ker, Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, Kommentar zu den §§ 38 - 72 VRPG, Zürich 1998, § 45 N 11 mit Hinweisen; § 24 Abs. 2 BauG). Die Einsprache hat nach der Konzeption des Baugesetzes nicht die Funktion eines "eigentlichen" Rechtsmittels, sondern dient der formalisierten Gewährung des Gehörsanspruches (Michael Merker, a.a.O., § 45 N 13). Durch die Einsprache sollen Fehlleistungen vermieden und eine einlässliche Prüfung der Ein- wände erwirkt werden. Sie dient der Vorbereitung eines Verwal- tungsaktes. Es handelt sich bei den Einsprachen um eine Prohibitiv- massnahme (Erich Zimmerlin, Baugesetz des Kantons Aargau, Kommentar, 2. Auflage, Aarau 1985, § 4 N 1). Der durch die beab- sichtigte Nutzungsplanung in rechtlich geschützten Interessen Be- troffene muss zum Schutze des rechtlichen Gehörs die Möglichkeit haben, bereits von den Planentwürfen Kenntnis zu erhalten, sie ein- zusehen und dagegen Einwendungen zu erheben, bevor der Pla- nungsträger über die Nutzungsordnung entscheidet (Walter Hal- ler/Peter Karlen, Raumplanungs-, Bau- und Umweltrecht, 3. Auflage, Zürich 1999, Rz. 406 ff.). Die Begründung des Regierungsrates, die Beschwerde gegen den Beschluss des zuständigen Gemeindeorgans im Sinne von § 25 BauG eröffne ein "quasi-erstinstanzliches" Einspracheverfahren vor dem Regierungsrat oder ein erweitertes öffentliches Auflageverfah- 2000 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 217 ren, erweist sich damit nach dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Bestimmung von § 24 BauG als unrichtig. Das Verfahren der kommunalen Raumplanung ist im Baugesetz ge- regelt. §§ 22 - 24 BauG bestimmen die Mitwirkungsrechte der Be- völkerung; der Gemeinderat hat dem Baudepartement die Entwürfe zur Genehmigung vorzulegen, anschliessend werden die Entwürfe mit den notwendigen Erläuterungen öffentlich aufgelegt. Wer ein schutzwürdiges eigenes Interesse besitzt, kann zu diesem Zeitpunkt Einsprache erheben. Über die Einsprache entscheidet der Gemeinde- rat. Das Verfahren findet seine Fortsetzung, indem das nach der Ge- meindeorganisation zuständige Organ die allgemeinen Nutzungs- pläne und -vorschriften erlässt. Der Gemeinderat legt seine Einspra- cheentscheide diesem Organ vor, welches aber nicht daran gebunden ist (§ 25 BauG). Damit ist das Verfahren zum Erlass von Nutzungs- plänen und -vorschriften auf kommunaler Ebene abgeschlossen. Das Verfahren wird einerseits durch das Genehmigungsverfahren fortge- setzt und abgeschlossen (§ 27 BauG). Anderseits ist der individuelle Rechtsschutz im Beschwerdeverfahren gemäss § 26 BauG gewähr- leistet, wobei die Unterlassung der Einsprache in der Regel zum Verlust der Beschwerdebefugnis führt (§ 4 Abs. 2 Satz 3 BauG). Beide Verfahren finden vor kantonalen Instanzen statt. Im vorliegen- den Fall hat sich das zuständige Gemeindeorgan, der Einwohnerrat, nicht an die Vorlage des Gemeinderates gehalten und den umstritte- nen § 23 Abs. 3 BNO, der für die Überbauung am B. Quartierricht- pläne verlangte, erlassen. Dies zwang den Beschwerdeführer, zu diesem Zeitpunkt mit einer Beschwerde an den Regierungsrat ge- mäss § 26 BauG seine individuellen Interessen geltend zu machen. Der Zeitpunkt einer Intervention hat indessen keinen Einfluss auf die funktionale Verfahrensordnung der §§ 22 ff. BauG. Das erstinstanzli- che Verfahren vor den kommunalen Planungsträgern mit dem Ein- spracheverfahren fand ordnungsgemäss statt. Auch wenn ein Betrof- fener seine Anliegen erst mittels Beschwerde beim Regierungsrat geltend macht, ändert sich deshalb an der Verfahrensordnung des 2000 Verwaltungsgericht 218 Baugesetzes nichts. Das Beschwerdeverfahren vor dem Regierungs- rat bleibt gemäss Baugesetz funktional das zweitinstanzliche Verfah- ren. Abgesehen von diesen eindeutigen Zuständigkeitsvorschriften ist die Prüfungsbefugnis des Regierungsrates beschränkt und er ent- scheidet nicht mit der umfassenden Kognition einer erstinstanzlich verfügenden Behörde (§§ 26 und 27 Abs. 2 BauG). Die Beschwerde- instanz kann ihr Ermessen - trotz bestehender Ermessenskontrolle - nicht an die Stelle desjenigen der Gemeindebehörden setzen (vgl. auch Art. 2 Abs. 3 RPG, der den übergeordneten Planungsträgern ge- bietet, den nachgeordneten Behörden die nötige Freiheit zu belassen; AGVE 1994, S. 369; BGE 112 Ia 271). b) Vorliegend hat der Regierungsrat im Beschwerdeverfahren entschieden. Auch im Sinne von § 33 Abs. 1 VRPG, ist er funktional nicht "erste" Instanz. Wie das Verwaltungsgericht in AGVE 1992, S. 389 ff. (insbesondere Erw. 1/b) entschieden hat, ist § 33 Abs. 1 VRPG dahingehend auszulegen, dass als erste Instanz die im betref- fenden Sachgebiet "als unterste Instanz wirkende Behörde" zu ver- stehen ist. Die "unterste" Instanz ist im kommunalen Nutzungsplan- verfahren das zuständige Gemeindeorgan (§ 25 BauG). Deshalb er- gibt sich auch aus § 33 Abs. 1 VRPG keine hinreichende Grundlage, das regierungsrätliche Beschwerdeverfahren allgemein oder in jenen Fällen, in denen von einem Betroffenen keine Einsprache vor dem Gemeinderat erhoben wurde, als erstinstanzlichen Verfahren zu qua- lifizieren. Die allgemeinen Verfahrensbestimmungen des VRPG sind gegenüber den baugesetzlichen Verfahrensregeln subsidiär (§ 4 Abs. 1 BauG). Ebenfalls sprechen die Verfahrensregeln gemäss § 5 ABauV, wonach der Beschluss des zuständigen Gemeindeorgans vom Gemeinderat zu publizieren ist und Eigentümer sowie weitere Betroffene über Änderungen unter Hinweis auf die Beschwerde- möglichkeit an den Regierungsrat schriftlich zu informieren sind, für das Vorliegen eines Rechtsmittelverfahrens vor der übergeordneten Instanz (§ 45 VRPG).
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2,016
de
2016 Migrationsrecht 143 22 Ausschaffungshaft; Haftverlängerung; Beschleunigungsgebot Das Beschleunigungsgebot ist verletzt, wenn die Schweizer Behörden be- züglich Papierbeschaffung gegenüber der ausländischen Vertretung in der Schweiz während mehr als zwei Monaten untätig sind und aufgrund 2016 Obergericht,AbteilungVerwaltungsgericht 144 der Sicherheitslage im Zielstaat für unbestimmte Dauer davon abgesehen wird, die Reisepapiere vor Ort zu beschaffen. Aus dem Entscheid des Einzelrichters des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 28. Oktober 2016, in Sachen Amt für Migration und Integration gegen A. (WPR.2016.162). Aus den Erwägungen 2. 2.1. Der Haftrichter hat sich im Rahmen der Prüfung, ob die Verlängerung der Ausschaffungshaft rechtmässig ist, unter anderem Gewissheit darüber zu verschaffen, ob die für den Vollzug der Weg- oder Ausweisung notwendigen Vorkehren im Sinne von Art. 76 Abs. 4 AuG umgehend getroffen worden sind (Beschleunigungs- gebot). Eine Verletzung des Beschleunigungsgebotes führt zur sofor- tigen Beendigung der Ausschaffungshaft. 2.2. Der Vertreter des Gesuchsgegners bemängelt, dass die Schwei- zer Behörden bis anhin einzig interne administrative Abklärungen getroffen hätten, welche zu keinerlei Aussenwirkungen geführt hätten. Es stellt sich somit die Frage, ob das Beschleunigungsgebot ausreichend beachtet wurde. Gemäss der bundesrichterlichen Rechtsprechung gilt das Be- schleunigungsgebot als verletzt, wenn im Hinblick auf die Aus- schaffung während mehr als zwei Monaten keinerlei Vorkehren mehr getroffen wurden, ohne dass die Verzögerung in erster Linie auf das Verhalten ausländischer Behörden oder des Betroffenen selber zurückgeht (vgl. dazu BGE 124 II 49, Erw. 3a, S. 51 mit Hinweisen; bestätigt unter anderem mit Urteil des Bundesgerichts vom 13. April 2013 [2C_285/2013], Erw. 5.1). Die Behörden sind gestützt auf das Beschleunigungsgebot zwar nicht gehalten, in jedem Fall schema- tisch bestimmte Handlungen vorzunehmen, müssen das Verfahren je- doch zielgerichtet vorantreiben, da ansonsten kein schwebendes 2016 Migrationsrecht 145 Verfahren im Sinne von Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK mehr vorliegt (BGE 139 I 206, Erw. 2.1 mit weiteren Hinweisen). Massgebend ist dabei insbesondere die konkrete Situation im angefragten Zielland sowie die Erfahrungen, die die zuständigen Schweizer Behörden bezüglich der Papierbeschaffung mit diesem Land gemacht haben. Ein längeres Zuwarten nach einer Anfrage kann insbesondere dann angezeigt sein, wenn sich ein Monieren der ausstehenden Antwort in der Verangenheit als kontraproduktiv erwiesen hat. Obschon den Behörden ein gewisser Spielraum bei der Einschätzung der Geeignetheit der erforderlichen (weiteren) Schritte zukommt, rechtfertigt sich ein mehr als zweimonatiges Zuwarten nur bei klaren Anzeichen, dass ein früheres Nachfragen kontraproduktiv war (AGVE 2014, S. 120 f.). 2.3. Mit Blick auf das Beschleunigungsgebot forderte der Einzel- richter das MIKA mit Beweisanordnung vom 20. Oktober 2016 auf, anlässlich der heutigen Verhandlung eine Aufstellung sämtlicher konkreter Bemühungen der Schweizer Behörden gegenüber den ira- kischen Behörden zur Ausstellung eines Ersatzreisedokumentes für den Gesuchsgegner vorzulegen. In der Folge reichte der Gesuchstel- ler an der heutigen Verhandlung diverse Akten des SEM ein. Anlässlich der letzten Haftverhandlung wurde durch den Ge- suchsteller vorgebracht, das SEM werde den Fall des Gesuchsgeg- ners dem irakischen Botschafter Ende August 2016, nach dessen Rückkehr aus dem Irak, erneut unterbreiten. Zudem sei die geplante Dienstreise des SEM nach Bagdad neu für den Oktober 2016 ange- setzt worden, um vor Ort eine Lösung zu finden. Das SEM betonte in einem Schreiben vom 15. Juli 2016 überdies die hohe Kooperations- bereitschaft der irakischen Behörden in Fällen wie dem Vorliegen- den. Zum Zeitpunkt der letzten Haftverhandlung vom 27. Juli 2016 lag damit noch keine Verletzung des Beschleunigungsgebotes vor. Vielmehr bestand die begründete Aussicht, dass der Fall des Ge- suchsgegners dem irakischen Botschafter in Bern in absehbarer Zeit erneut vorgelegt oder eine Lösung aufgrund der Dienstreise des SEM gefunden werden kann. 2016 Obergericht,AbteilungVerwaltungsgericht 146 Anders verhält es sich zum heutigen Zeitpunkt. Die auf Okto- ber 2016 geplante Dienstreise des SEM ist aufgrund der prekären Sicherheitslage im Irak offenbar auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Bezüglich des erneuten Gesuchs um Ausstellung von Ersatz- reisepapieren für den Gesuchsgegner ist den durch das MIKA anläss- lich der heutigen Verhandlung abgegebenen Akten des SEM zu ent- nehmen, dass das SEM das erneute Gesuch dem irakischen Botschaf- ter in Bern erst am 20. Oktober 2016 zugestellt hat. Obschon das MIKA die pendente Papierbeschaffung beim SEM mehrfach moniert hatte, wurde die Angelegenheit durch das SEM offenbar erst am 3. Oktober 2016 wieder an die Hand genommen. Entgegen der Aus- kunft des SEM vom 19. September 2016, der Neuantrag werde noch in dieser Woche dem irakischen Botschafter unterbreitet, wurde der Neuantrag betreffend Ausstellung eines Ersatzreisedokuments erst am 19. Oktober 2016 verfasst. Den Akten können keine Hinweise entnommen werden, welche eine plausible Erklärung für eine derart lange Verzögerung geben würden. Dies umso weniger, als das SEM im Juli 2016 die hohe Kooperationsbereitschaft der irakischen Be- hörden besonders hervorgehoben hat und sich deshalb ein nach- drückliches Vorgehen seitens der Schweizer Behörden umso mehr aufgedrängt hätte. Unter diesen Umständen erstaunt es, dass der Neuantrag um Ausstellung eines Ersatzreisepapieres erst mehr als eineinhalb Monate nach der auf Ende August 2016 angekündigten Rückkehr des irakischen Botschafters nach Bern übermittelt wurde. Das Vorbringen des Gesuchstellers, das SEM habe internen Wei- sungen zufolge zuerst Abklärungen zur Situation im Irak vornehmen müssen, ist unbehelflich und kann allenfalls erklären, weshalb noch immer kein Reisepapier vorliegt, stellt aber keine Rechtfertigung für die Untätigkeit der Schweizer Behörden dar. Weshalb die internen Abklärungen des SEM erst Anfang Oktober 2016 erfolgten, ist nicht nachvollziehbar. 2.4. Nach dem Gesagten steht fest, dass das SEM seit der letzten Haftverhandlung vom 27. Juli 2016 bis zum 19. Oktober 2016 kei- nerlei konkreten Bemühungen unternommen hat, sich mit dem iraki- schen Botschafter in Bern in Verbindung zu setzen und die Papierbe- 2016 Migrationsrecht 147 schaffung für den Gesuchsgegner voranzutreiben, obschon die irakischen Behörden gemäss Auskunft des SEM kooperationsbereit sind. Nachdem von einer Dienstreise des SEM nach Bagdad auf- grund der prekären Sicherheitslage im Irak vorerst abgesehen wird, besteht auch diesbezüglich keine Hoffnung, für den Gesuchsgegner Reisepapiere erhältlich zu machen. Das Beschleunigungsgebot wurde unter diesen Umständen im vorliegenden Fall verletzt und der Gesuchsgegner ist unverzüglich aus der Haft zu entlassen. (...)
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AG_VG_001_AGVE-2016-22_2016-10-02
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2011 Bau-, Raumentwicklungs-, Umweltschutzrecht 127 [...] 34 Zonenkonformität einer Hundehaltung in einer Dorfzone Rechtmässigkeit der Beschränkung der Haltung von vier Hunden (Samojeden); Berücksichtigung der Gemeindeautonomie Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 13. April 2011 in Sachen A. und B. (WBE.2010.389). 2011 Verwaltungsgericht 128 Aus den Erwägungen 2. 2.1. Die Beschwerdeführer halten auf ihrer Parzelle Nr. (...) an der (...) in C. Hunde der Rasse der Samojeden. Das Grundstück befindet sich gemäss geltendem Bauzonenplan (vom 15. November 1996 / 2. Dezember 1997; mit Teiländerung vom 15. November 2002 / 2. Juli 2003) in der Dorfzone. Gemäss der Bau- und Nutzungsord- nung der Gemeinde C. vom 15. November 1996 (BNO) ist die Dorf- zone für das Wohnen, die Landwirtschaft und das Gewerbe bestimmt (vgl. § 8 Abs. 4 BNO). Mit andern Worten handelt es sich um eine gemischte Wohn- / Gewerbezone. In der Dorfzone zugelassene Wohnbauten sind Zweifamilienhäuser, Doppeleinfamilienhäuser, Reiheneinfamilienhäuser bis zu vier Einheiten sowie Mehrfamilien- häuser bis sechs Wohneinheiten, wobei die Mehrzahl der Wohnungen pro Gebäude mindestens drei Zimmer aufweisen muss. Weiter sind Bauten für Gewerbe, Dienstleistungsbetriebe und Landwirtschaft zu- gelassen. Erlaubt sind mässig störende Betriebe, deren Auswirkun- gen im Rahmen herkömmlicher Betriebe und auf die üblichen Ar- beitszeiten beschränkt bleiben (§ 8 Abs. 4 BNO). Der Dorfzone ist die Empfindlichkeitsstufe III zugeordnet (§ 6 Abs. 2 BNO). Stellt man sich nun wie die Vorinstanzen auf den Standpunkt, das Halten von mehr als vier Hunden könne in der Dorfzone nicht bewilligt werden, so kann diese Argumentation - rein dogmatisch betrachtet - entweder mit immissionsrechtlichen Gesichtspunkten oder aber mit fehlender Zonenkonformität begründet werden. 2.2. (...) (Zu Geruchs- und Lärmimmissionen bei Hundehaltung, vgl. AGVE 1998, S. 317 f. [Erw. 2b]) 2.3. Gemäss § 13 Abs. 1 und § 15 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a BauG er- lassen die Gemeinden allgemeine Nutzungspläne (Zonenpläne) und allgemeine Nutzungsvorschriften (Bau- und Zonenordnungen), die das Gemeindegebiet in verschiedene Nutzungszonen einteilen sowie Art und Mass der Nutzung regeln; sie können dabei insbesondere 2011 Bau-, Raumentwicklungs-, Umweltschutzrecht 129 Bauzonen, namentlich Wohn-, Kern-, Gewerbe-, Industriezonen und Zonen für öffentliche Bauten ausscheiden. Bei der Ausscheidung und Definition der verschiedenen Zonen geniessen die Gemeinden auf- grund von § 106 KV verfassungsrechtlich geschützte Autonomie; hierin eingeschlossen ist die Anwendung des autonomen Gemeinde- rechts. Daraus folgt, dass sich das Verwaltungsgericht bei der Über- prüfung einschlägiger gemeinderätlicher Entscheide zurückzuhalten hat. Dies gilt auch bei Immissionsfragen - obwohl dem Verwaltungs- gericht dort die Ermessensüberprüfung obliegt - insoweit, als es bei den zu entscheidenden Fragen um rein lokale Anliegen geht und weder überörtliche Interessen noch überwiegende Rechtsschutzanlie- gen berührt werden. Die Gemeinde kann sich in solchen Fällen bei der Auslegung kommunalen Rechts insbesondere dort auf ihre Auto- nomie berufen, wo eine Regelung unbestimmt ist und verschiedene Auslegungsergebnisse rechtlich vertretbar erscheinen. Die kantona- len Rechtsmittelinstanzen sind hier gehalten, das Ergebnis der ge- meinderätlichen Rechtsauslegung zu respektieren und nicht ohne Not ihre eigene Rechtsauffassung an die Stelle der gemeinderätlichen zu setzen. Die Autonomie der Gemeindebehörden hat jedoch auch in diesen Fällen dort ihre Grenzen, wo sich eine Auslegung mit dem Wortlaut sowie mit Sinn und Zweck des Gesetzes nicht mehr verein- baren lässt (VGE III/102 vom 26. September 2001 [BE.2000.00126], S. 7 f.; AGVE 1998, S. 319 f. mit Hinweisen). 3. 3.1. Der Gemeinderat betrachtet das Halten von Hunden in einer Dorfzone wie hier grundsätzlich als zonenkonform und setzt allein beim Ausmass der Tierhaltung eine Grenze. In gleicher Weise aner- kennt das Verwaltungsgericht das hobbymässige Halten von Haus- tieren wie Hunden, Katzen oder Kaninchen, aber auch von einzelnen Pferden, als Bestandteil der reinen Wohnnutzung, jedoch immer un- ter der Voraussetzung, dass die Tierhaltung auch nach Art und Um- fang mit dem Wohnzweck noch vereinbart werden kann (VGE III/102 vom 26. September 2001 [BE.2000.00126], S. 9; AGVE 1998, S. 320 mit Hinweisen). Genauso ist die Haltung einer Mehrzahl von Hunden in der Dorfzone zu beurteilen. Wie weit sich 2011 Verwaltungsgericht 130 die Haltung von Haustieren mit dem Zweck der vorliegenden Dorf- zone verträgt, also unter anderem die Antwort auf die Frage, welche Anzahl einer Haustiergattung noch zonenkonform ist, muss dabei mit Rücksicht auf die Gemeindeautonomie grundsätzlich der Wertung der zuständigen Gemeindebehörde überlassen bleiben (vgl. Erw. 2.3. hievor). Zunächst folgt bereits aus der Rechtsnatur des Nutzungsplans als konkret-genereller Anordnung - konkret, weil auf ganz bestimm- te Grundstücke bezogen; generell, da an eine unbestimmte Vielzahl von Personen gerichtet (AGVE 1998, S. 321; vgl. Ulrich Häfelin / Georg Müller / Felix Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Auflage, Zürich / St. Gallen 2010, Rz. 944; Hänni, a.a.O., S. 92) -, dass beim Entscheid über die jeweils zulässige Nutzung grundsätz- lich nicht auf die subjektiven Verhältnisse einzelner Eigentümer oder Besitzer von Grundstücken abgestellt werden darf. Es liegt im Wesen von Grundstücken und Gebäuden, dass ihre Benutzer oder Bewohner mit mehr oder weniger grosser Regelmässigkeit wechseln. Daher muss die Zonenordnung unabhängig von Personen und ihren Verhält- nissen auf durchschnittliche, objektivierte Bedingungen abstellen und so auch ausgelegt werden. Vor diesem Hintergrund spielt es bei- spielsweise keine Rolle, ob eine gewisse Anzahl Hunde tatsächlich bestimmte Immissionen verursacht oder nicht, sondern es genügt, wenn mit einer bestimmten Anzahl typischerweise Auswirkungen verbunden sind, die über das hinausgehen, was normalerweise mit dem reinen Wohnen in einer Wohnzone bzw. konkret dem Zweck der Dorfzone - Wohnen, Gewerbe (mässig störende Betriebe) und Land- wirtschaft - verbunden ist (AGVE 1998, S. 322; AGVE 1988, S. 369 f.). Es muss eine generelle Regelung für alle Arten von Hun- den Platz greifen. Die Schwierigkeit besteht nun für die rechtsanwendende Be- hörde vor allem darin, im Rahmen einer allgemeinen Regelbildung zu bestimmen, wie gross die Zahl der erlaubten Hunde sein bzw. wo die Grenze gezogen werden soll, jenseits derer mit der Hundehaltung typischerweise Auswirkungen verbunden sind, die über das norma- lerweise mit dem Zweck der Dorfzone (Wohnen, Gewerbe und Land- wirtschaft) verbundene Mass hinausgehen. Dabei muss zweifellos 2011 Bau-, Raumentwicklungs-, Umweltschutzrecht 131 ein gewisses Mass an Störungen auch durch Tiere erlaubt sein, gibt es doch nicht wenige menschliche Wohnaktivitäten - man denke etwa an Rasenmähen, Kinderspiel oder Grillieren unter freiem Him- mel -, die ebenfalls erhebliche Auswirkungen auf die Umgebung zei- tigen; umso mehr gilt dies für landwirtschaftliche oder je nach Be- trieb auch gewerbliche Aktivitäten. Auf der andern Seite wird nie- mand bezweifeln, dass eine grössere Zahl von Hunden pro Haushalt in einer relativ dicht besiedelten gemischten Zone, wo Erholung, Schlafen, Haus- und Heimarbeit sowie Essen, aber auch soziale Kon- takte möglich sein sollen und nur mässig störende Betriebe zugelas- sen sind, das tolerierbare Mass überschreiten und nicht mehr der Em- pfindlichkeitsstufe III entsprechen würde. Dies muss unabhängig davon gelten, ob die betreffende Tierhaltung hobby- oder gewerbs- mässig betrieben wird. Weil nun die zulässige Anzahl von Hunden von sämtlichen Bewohnern bzw. Haushalten einer bestimmten Zone ausgeschöpft werden darf, liegt es auf der Hand, dass der Gemeinde- rat diese Zahl tendenziell eher tief ansetzen muss, um siedlungs- planerisch und wohnhygienisch unhaltbare Zustände zu verhindern. Auch hat er die lokalen Besonderheiten der Gemeinde und insbeson- dere der betroffenen Zone zu berücksichtigen, unabhängig davon, dass die Dorfzone - wie die Beschwerdeführer vorbringen - eine Empfindlichkeitsstufe III (vgl. Art. 43 Abs. 1 lit. c LSV) aufweist und das Bundesgericht für eine andere Gemeinde in einer Land- wirtschaftszone bei einer Empfindlichkeitsstufe III auch schon die Zonenkonformität einer höheren Anzahl Hunde bestätigt hat (Urteil des Bundesgerichts vom 13. August 2001 [1A.276/2000]). Was für eine Gemeinde in einem anderen Kanton stimmen mag, kann nicht ohne weiteres auf die vorliegend zu beurteilende Dorfzone in C. übertragen werden. Ebenfalls nicht weiter hilft schliesslich der Ein- wand der Beschwerdeführer, die Hunde hielten sich mehrheitlich in der Wohnung auf und hätten noch nie eine Nacht im Freien ver- bracht. Die Begrenzung auf eine bestimmte maximal zulässige An- zahl Hunde bedingt eine gewisse Typisierung (Urteil des Bundesge- richts vom 13. August 2001 [1A.276/2000], Erw. 4d). So kann inner- halb der betroffenen Zone nicht nach gehaltener Hunderasse, Parzelle oder Hundehalter unterschieden werden. Die Begrenzung auf eine 2011 Verwaltungsgericht 132 bestimmte Anzahl Hunde hat generell für alle Haushalte einer Zone zu erfolgen. Auch kann nicht garantiert werden, dass die Beschwer- deführer in der konkreten Liegenschaft wohnen bleiben. Den Be- schwerdeführern kann ausserdem nicht vorgeschrieben werden, die Hunde seien aus immissionsrechtlichen Gründen ausschliesslich oder mehrheitlich in der Wohnung zu halten (Urteil des Bundesgerichts vom 13. August 2001 [1A.276/2000], Erw. 4d). Unter diesen Gesichtspunkten lässt sich gegen eine Beschrän- kung auf vier Hunde nichts einwenden. Zwar trifft es zu, dass einer konkreten zahlenmässigen Festlegung immer auch etwas Zufälliges anhaftet; jedoch muss zwangsläufig irgendwo die Grenze gezogen werden, und wenn sie der Gemeinderat im Rahmen der verfassungs- mässig garantierten kommunalen Autonomie bei vier Hunden pro Haushalt zieht, so kann ihm mit Bestimmtheit nicht vorgeworfen werden, er entscheide sachfremd oder gar willkürlich. Mit Blick auf den Entscheid des Verwaltungsgerichts betreffend den zulässigen Hundebestand in einer reinen Wohnzone (AGVE 1998, S. 316 ff.) - konkret wurde die Haltung von drei ausgewachsenen Hunden pro Haushalt zugelassen - mag die zahlenmässige Festlegung auf vier Hunde in einer gemischten Zone wie der Dorfzone in C. eher streng erscheinen - indes liegt sie noch im Rahmen des Ermessensspiel- raums der Gemeinde und ist daher (mit Blick auf die Gemeinde- autonomie) durchaus vertretbar. Im Weitern bestehen auch keinerlei Anzeichen dafür, dass die Bewilligungspraxis des Gemeinderats das Rechtsgleichheitsgebot verletzt. Es erscheint wegen der Schwierig- keit eines Direktvergleichs (unter dem Immissionsgesichtspunkt) von vornherein problematisch, bei der Festlegung der zulässigen Anzahl Hunde massgeblich auf den Umstand abzustellen, dass in der Dorf- zone auch mässig störende Betriebe und Landwirtschaft zugelassen sind. Entscheidend ist letztlich nur, ob die betreffende Nutzungsart von ihrem Charakter her in die Dorfzone (gemischte Zone) passt oder nicht. Diese Frage darf der Gemeinderat, ohne den ihm zuste- henden Beurteilungsspielraum zu verletzen, z.B. für einen Quartier- laden, einen Coiffeursalon, ein Architekturbüro oder auch eine Hun- dehaltung bis zu vier Tieren bejahen, für eine grössere Hundehaltung dagegen verneinen. 2011 Bau-, Raumentwicklungs-, Umweltschutzrecht 133 3.2. Erweist sich zusammenfassend die Begrenzung der Hundehal- tung auf vier Tiere bereits gestützt auf die sachlich begründete An- wendung und Auslegung der einschlägigen kommunalen Zonenvor- schriften durch die Gemeinde als zulässig, ist also mit andern Worten die Haltung von acht Hunden in der Dorfzone nicht zonenkonform, so ist die Beschwerde allein schon deshalb abzuweisen, ohne dass noch eine Prüfung aufgrund der Vorgaben des Bundesumweltschutz- rechts zu erfolgen hätte (vgl. AGVE 1998, S. 324; BGE 114 Ib 214, Erw. 5).
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2019 Steuern und Abgaben 75 8 Sicherstellungsverfügung Voraussetzungen für den Erlass einer Sicherstellungsverfügung Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 20. Juni 2019, in Sachen Stadtrat X. gegen D. (WBE.2019.55). Aus den Erwägungen 2. 2.1. Hat die steuerpflichtige Person keinen Wohnsitz in der Schweiz oder erscheint die Bezahlung der von ihr geschuldeten Steuer ge- fährdet, kann die Bezugsbehörde auch vor der rechtskräftigen Fest- stellung des Steuerbetrags jederzeit Sicherstellung verlangen (§ 232 Abs. 1 StG). Für die direkte Bundessteuer enthält Art. 169 DBG eine inhalt- lich übereinstimmende Regelung, so dass Lehre und Rechtsprechung dazu bei der Anwendung von § 232 Abs. 1 StG ebenfalls herangezo- gen werden können. 2.2. Mit der umstrittenen Sicherstellungsverfügung vom 7. August 2018 will die Abteilung Finanzen der Stadt X. den Bezug der von der Beschwerdegegnerin geschuldeten, definitiv veranlagten Kantons- und Gemeindesteuern 2016 im noch offenen Gesamtbetrag von CHF 16'518.00 sicherstellen. Da die Beschwerdegegnerin ihren 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 76 Wohnsitz in der Schweiz hat, kommt als Sicherstellungsgrund ledig- lich die Gefährdung des Steueranspruchs in Frage. 2.3. 2.3.1. Die Tatsache, dass eine steuerpflichtige Person aus finanziellen Gründen nicht in der Lage ist, die in Frage stehenden Steuern zu be- zahlen, vermag für sich allein betrachtet keine Steuergefährdung zu bewirken. Unter Auslegung von Art. 271 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG, dem der Sicherstellungsgrund der Zahlungsgefährdung nachgebildet ist, ergibt sich nämlich, dass die Gefährdung insofern eine besondere sein muss, als die Zwangsvollstreckung der Steuerschuld in Gefahr sein muss, was in den Umständen des Einzelfalls zum Ausdruck kommt (HANS FREY, in: MARTIN ZWEIFEL/MICHAEL BEUSCH [Hrsg.], Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bundes- gesetz über die direkte Bundessteuer, 3. Aufl., Basel 2017, Art. 169 N 15 f.). Eine Gefährdung der Bezahlung der von der steuerpflichtigen Person geschuldeten Steuer ist zu bejahen, wenn der Steuerbezug bei objektiver Betrachtung aufgrund der gesamten Umstände als gefähr- det erscheint. Ein Verhalten der steuerpflichtigen Person, das sich auf die Bezahlung der Steuerforderung nachteilig auswirken könnte, wird nicht verlangt. Auf eine objektive Gefährdung schliessen lassen etwa die Vorbereitung zur Abreise, Fluchtgefahr, Beiseiteschaffen oder Veräusserung von Vermögenswerten, verschwenderische Le- bensführung, Ausgestaltung der steuerpflichtigen Tätigkeit, die eine rasche Disposition von Vermögenswerten ins Ausland ermöglicht, grobe oder fortgesetzte Verletzung der Mitwirkungs-, Aufzeich- nungs- oder Deklarationspflichten, wodurch gegenüber den Steuer- behörden die Einkommens- und Vermögensverhältnisse verschleiert werden, oder Wegweisung durch das Migrationsamt bzw. strafrecht- liche Landesverweisung. Unter Umständen genügt auch eine Häufung von an sich banalen Tatsachen für den Schluss auf die Ge- fährdung des Steueranspruchs, wie die Verzögerung des Veranla- gungs- oder eines Rechtsmittelverfahrens durch die steuerpflichtige Person, schlechte Zahlungsmoral, undurchsichtige wirtschaftliche Transaktionen zusammen mit der Veräusserung der Hauptbestand- 2019 Steuern und Abgaben 77 teile des Vermögens (ANDREAS SCHORNO, in: MARIANNE KLÖTI- WEBER/DAVE SIEGRIST/DIETER WEBER [Hrsg.], Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, 4. Aufl., Muri-Bern 2015, § 232 N 10 m.w.H.). Auch das Vorliegen von Verlustscheinen kann zu einer Steuersicherung Anlass geben (FREY, a.a.O., Art. 169 N 24 und 28). Die vom Gesetz verlangte Gefährdung der Steuerforderung liegt nicht erst beim Risiko der endgültigen Vereitelung vor, sondern ist bereits dann gegeben, wenn deren Erfüllung als wesentlich erschwert erscheint (FREY, a.a.O., Art. 169 N 16). 2.3.2. Die Gefährdung der Bezahlung der Steuerforderung muss nicht strikt bewiesen, sondern lediglich glaubhaft gemacht sein. Bloss vage Vermutungen genügen hingegen nicht. Ebenso müssen auch der Be- stand und der Umfang der sicherzustellenden Steuerforderung ledig- lich glaubhaft gemacht werden. Das Beweismass der Glaubhaft- machung bedeutet, dass das Gericht nicht von der Richtigkeit der aufgestellten Behauptungen überzeugt werden muss, sondern dass es genügt, wenn für deren Vorhandensein gewisse Elemente sprechen, selbst wenn das Gericht noch mit der Möglichkeit rechnet, dass sie sich nicht verwirklicht haben könnten (BGE 130 III 321 E. 3.1 S. 325; zum Ganzen SCHORNO, a.a.O., § 232 N 11; FREY, a.a.O., Art. 169 N 14). 2.4. Die Beschwerdegegnerin hat Verlustscheine von total CHF 7'750.30 verwirkt. Diese betreffen die Steuern der Jahre 1998, 1999, 2005, 2008, 2009, 2011 und 2012 und stammen aus den Jahren 2001, 2008, 2013 und 2014. Überdies ist die Beschwerdegegnerin ihrer Pflicht zur fristgemässen Einreichung der Steuererklärung (§ 180 Abs. 2 StG) in den Jahren 2003 und 2005 gar nicht nachge- kommen, und die Steuererklärung 2017 hat sie erst nach Mahnung vom 10. Juli 2018 eingereicht. Schliesslich hat sie die Steuern 2017 (CHF 2'751.80 gemäss provisorischer Rechnung, CHF 2'475.50 ge- mäss definitiver Rechnung) trotz mehrfacher Mahnung und die pro- visorische Steuerrechnung 2018 in Höhe von CHF 2'964.80, die am 31. Oktober 2018 zur Zahlung fällig war, unbestrittenermassen bis heute nicht bezahlt. 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 78 Aufgrund der rechtskräftigen Steuerveranlagung vom 18. September 2017 hat die Beschwerdegegnerin für 2016 Kantons- und Gemeindesteuern im Gesamtbetrag von CHF 18'091.00 zu be- zahlen. Von dieser Steuerforderung sind nach Ratenzahlungen von CHF 1'786.00 und einer Umbuchung von CHF 213.00 auf das Steuerjahr 2017 noch CHF 16'518.00 offen. Beim Vollzug des Arrests am 8. August 2018 betrug das Guthaben der Beschwerde- gegnerin auf dem Privatkonto IBAN CHXXX bei der Y. Bank CHF 17'070.56. Bei diesem Kontoguthaben handelt es sich - soweit ersichtlich - um das einzige Vermögen der Beschwerdegegnerin. Insbesondere kann sie sich nicht darauf berufen, dass der Stadtrat X. zu Unrecht aus rückwirkend bezahlten Invalidenrenten noch CHF 21'807.60 einbehalten habe. Von diesem Betrag verrechnete der Stadtrat X. mit Beschluss vom 4. Oktober 2016 CHF 14'057.30 mit einem Rückerstattungsanspruch für in früheren Jahren geleistete So- zialhilfe (materielle Hilfe). Dieser Beschluss wurde unbestrittener- massen rechtskräftig. Diesbezüglich kann die Beschwerdegegnerin aus dem Urteil des Einzelrichters des Spezialverwaltungsgerichts 3- RB.2017.28 vom 19. März 2018 deshalb von vornherein nichts zu ihren Gunsten ableiten. Dasselbe gilt für die Verrechnung mit noch offenen Steuerforderungen in der Höhe von total CHF 7'750.30, für welche Verlustscheine bestanden, da der Einzelrichter nicht über die Zulässigkeit dieser Verrechnung, sondern jener im Umfang von CHF 16'518.00 mit den Kantons- und Gemeindesteuern 2016, für welche die Beschwerdegegnerin um Erlass ersuchte, zu befinden hatte. Im Lichte der in E. 2.3. dargestellten Lehre und Rechtsprechung erscheint es jedenfalls bei einer Gesamtwürdigung aller soeben ge- nannten Umstände glaubhaft, dass die Erfüllung der noch offenen Steuerforderung von CHF 16'518.00 wesentlich erschwert und damit i.S.v. § 232 Abs. 1 StG gefährdet ist. Deshalb kann - entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin - keine Rede davon sein, dass mit der Sicherstellungsverfügung rein pönale und damit sachfremde Zwecke verfolgt würden. Die verfügte Sicherstellung ist zur Siche- rung des Bezugs der von der Beschwerdegegnerin geschuldeten Kan- tons- und Gemeindesteuern 2016 geeignet und nach den geschilder- 2019 Steuern und Abgaben 79 ten Umständen erforderlich. Ein milderes Mittel zur Erreichung des Zwecks ist nicht ersichtlich. Die Sicherstellungsverfügung ist somit auch verhältnismässig.
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2003 Sozialhilfe 295 [...] 70 Schulden trotz laufender Sozialhilfe. - Vorgehen, wenn der Sozialhilfeempfänger Rechnungen für Ausgaben des Grundbedarfs nicht zahlt. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 15. Januar 2003 in Sa- chen K.P. gegen Entscheid des Regierungsrats. Aus den Erwägungen 1. b) Ziel der Sozialhilfe ist es, über die blosse Existenzsiche- rung hinaus mittels individueller materieller und persönlicher Hil- feleistungen die Eigenverantwortung und Selbstständigkeit bedürfti- 2003 Verwaltungsgericht 296 ger Personen zu stärken und damit deren soziale Integration zu ge- währleisten (§ 1 Abs. 2 SHG; Richtlinien der Schweizerischen Kon- ferenz für Sozialhilfe vom 18. September 1997 [SKOS-Richtlinien] Ziff. A.1; Felix Wolffers, Grundriss des Sozialversicherungsrechts, 2. Auflage, Bern u.a. 1999, S. 91). Dem dient die Ausrichtung von Pauschalen für den Lebensunterhalt (SKOS-Richtlinien Ziff. B.2.2: Grundbedarf I), was der unterstützten Person ermöglicht, die verfüg- baren Mittel selbst einzuteilen und die Verantwortung dafür zu tra- gen. Es wird ihr somit eine gewisse Dispositionsfreiheit in der Ver- wendung der Mittel zugestanden. 2. a) Der Elektrizitätsbezug und die Telefonkosten gehören zum Grundbedarf. Ein entsprechender Betrag ist in der Pauschale enthal- ten. b) aa) Wie sich aus den Akten ergibt und vom Beschwerdefüh- rer nicht bestritten wird, geriet dieser ab 1999 mit der Bezahlung seiner Elektrizitätsrechnungen in Verzug. Am 20. April 2000 wurde eine Abzahlungsvereinbarung geschlossen, die der Beschwerdeführer aber nicht einhielt, worauf ihm mit Schreiben der Regionalwerke AG Baden vom 8. Dezember 2000 eine letzte kurze Zahlungsfrist eingeräumt wurde, ansonsten ein Cash-Card-Zähler installiert werde. Einen Tag vor Ablauf der gesetzten Frist kam es zum Einbau dieses Zählers. bb) Ähnlich verhält es sich mit dem Telefon. Die Angaben der Swisscom AG sind unbestritten. Danach beglich der Beschwerdefüh- rer die Telefonrechnung für den Monat Juli 2000 auch nach Mah- nung und Ansetzung einer letzten Frist nicht, was zur Kündigung des Anschlusses per 30. November 2000 führte. In der Folge machte die Swisscom AG die Wiederinbetriebnahme des Festanschlusses von einer Sicherheitsleistung in Höhe von Fr. 850.-- abhängig. cc) Es ist ein völlig übliches Geschäftsgebaren, wenn Firmen versuchen, künftigen Schaden, wenn Forderungen nicht eingetrieben werden können, zu vermeiden. Im angefochtenen Entscheid ist dar- gelegt, dass die Regionalwerke AG und die Swisscom AG sich an die rechtlichen Vorgaben hielten. Es zeugt von einem seltsamen Rechtsverständnis, wenn der Beschwerdeführer sich hier als Opfer von Schikanen darstellt. 2003 Sozialhilfe 297 c) In beiden Fällen geht es um die Frage, ob die Sozialhilfe für Mehrkosten aufkommen muss, welche entstanden sind, weil der Beschwerdeführer seine Aufwendungen für Grundbedürfnisse, die durch den Grundbetrag der Sozialhilfe abgedeckt sind, nicht im Griff hatte (die Telefonkosten für die Monate Juli bis Oktober 2000 betru- gen zusammen mehr als Fr. 1'070.--) und die Zahlungen erst leistete, nachdem bereits Konsequenzen mit Mehrkosten eingetreten waren. Offensichtlich geht es nicht an, dass eine mit Barbeträgen unter- stützte Person (vgl. § 16 SHV) die auflaufenden Rechnungen für Grundbedürfnisse nicht bezahlt, sondern das Geld anderswie ver- wendet und nachher zusätzliche Sozialhilfe zur Bezahlung der Schul- den verlangt (vgl. § 13 Abs. 1 und 3 SHV, wonach materielle Hilfe in der Regel nur für laufende Verpflichtungen und nicht zur Schulden- tilgung gewährt wird). Welches die angemessene Reaktion des unterstützenden Ge- meinwesens ist, hängt vom Einzelfall ab. In erster Linie werden Di- rektzahlungen in Frage kommen (§ 16 SHV). Im vorliegenden Fall bedarf es dazu keiner eingehenderen Ausführungen. Es hätte am Be- schwerdeführer gelegen, sich rechtzeitig an den Sozialdienst der Gemeinde zu wenden, als er bemerkte, dass er ausserstande war, der (letzten) Zahlungsaufforderung rechtzeitig nachzukommen. Dann wäre es noch möglich gewesen, dass der Sozialdienst die offenen Rechnungen beglichen hätte (selbstverständlich unter entsprechender Kürzung bei den Leistungen der folgenden Monate). Der Be- schwerdeführer hat es sich selber zuzuschreiben, dass er sich erst an die Sozialbehörde wandte, als die Konsequenzen seines Verhaltens (Cash-Card-Zähler; Aufhebung des Telefonanschlusses) nicht mehr zu verhindern waren. d) Die Sozialhilfe ist nicht gehalten, über zusätzliche Leistun- gen (sog. situationsbedingte Mehrleistungen) die Schulden zu beglei- chen, welche der Beschwerdeführer verursacht hat, indem er für Leistungen, die mit der Grundbedarfspauschale abgedeckt werden, nicht bezahlte. Das Gleiche gilt für die, als Folge des Verhaltens des Beschwerdeführers, entstandenen (relativ geringen) Mehrkosten des Elektrizitätsbezugs. Der Vorinstanz ist beizupflichten, dass die Ver- weigerung der verlangten zusätzlichen Sozialhilfe den Beschwerde- 2003 Verwaltungsgericht 298 führer nicht in eine nicht zu verantwortende und mit Art. 12 BV nicht zu vereinbarende Notlage stürzt. Diesbezüglich ist die Beschwerde abzuweisen.
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2016 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 159 IV. Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 26 Baubewilligung Bauvorhaben in einem im ISOS verzeichneten Gebiet von nationaler Be- deutung: Interessenabwägung zwischen den ISOS-Schutzanliegen und dem raumplanerischen Ziel der Verdichtung (Art. 3 Abs. 3 lit. a bis RPG) Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 14. Juni 2016 in Sachen A. und Mitbeteiligte gegen B. AG, Stadtrat Aarau sowie Regierungsrat (WBE.2015.179). Aus den Erwägungen 1. 1.1. Streitgegenstand des Verfahrens bildet eine Baubewilligung des Stadtrats Aarau im Spannungsfeld zwischen Verdichtung und Ortsbildschutz als Teilaspekte der Siedlungsentwicklung. Auf dem streitbetroffenen Grundstück soll ein zweigeschossiges, von einer Gartenanlage umgebenes Wohnhaus mit zwei Garagen durch zwei im Volumen grössere Wohnhäuser (mit je drei Vollgeschossen und insgesamt 10 Wohnungen) sowie eine verbindende Tiefgarage im Untergeschoss ersetzt werden. Die Parzelle befindet sich im "Garten- stadtquartier" Zelgli, in der Wohnzone W3 bis gemäss Nutzungsplan der Stadt Aarau. Das Zelgli-Quartier ist im Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung (ISOS) verzeichnet (als Gebiet 15) und dem "Erhaltungsziel B" zugeordnet, d.h. in seiner Struktur zu erhalten. 1.2. (...) 1.3. Im Streit steht auf kommunaler Rechtsebene insbesondere die richtige Beurteilung der §§ 7, 8 und 58 BNO der Stadt Aarau. 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 160 § 7 BNO hält fest: " 1 Die Wohnzone W3 bis dient der strukturellen Erhaltung und massvollen Ver- dichtung der zentrumsnahen, durch eine starke Durchgrünung geprägten Wohnquar- tiere mit weitgehend einheitlicher Bebauungsstruktur. 2 Die Durchgrünung mit Bäumen, Sträuchern, Hecken usw. ist soweit möglich zu erhalten oder entsprechend neu zu gestalten. Flachdächer sind soweit möglich zu begrünen. 3 Die Vorgärten und die Art der Abschlüsse gegenüber dem Strassenraum sind quartiertypisch zu gestalten. Höhenunterschiede gegenüber der Strasse sind mit Stützmauern zu gestalten, welche direkt an die Grundstücksgrenze anschliessen. Zu- gänge, Zufahrten und Abstellplätze dürfen in der Regel höchstens ein Drittel der Grundstücksbreite beanspruchen. 4 Wo städtebauliche Interessen im Sinne von Abs.1 es erfordern, kann von den Grundmassen abgewichen werden. 5 Mit dem Baugesuch ist ein Plan über die Umgebungsgestaltung einzu- reichen." § 8 BNO lautet unter der Marginalie "Grundmasse" wie folgt: E W2 W3 W3 bis Ausnützungsziffer 0,4 0,5 0,6 0,6 Anzahl Vollgeschosse 2 2 3 3 Grenzabstand einheitlich 4 4 - - kleiner - - 5 5 grösser - - 8 8 max. Gebäudelänge - 50 m 60 m 30 m max. Gebäudetiefe - 15 m 15 m - Gemäss der kantonalen Bestimmung von § 42 Abs. 1 BauG müssen sich Gebäude hinsichtlich Grösse, Gestaltung und Ober- fläche des Baukörpers sowie dessen Aussenraumes so in die Umge- bung einordnen, dass eine gute Gesamtwirkung entsteht. § 58 BNO Aarau sieht darüber hinaus Folgendes vor: 2016 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 161 "Bauten, Aussenräume und Anlagen sind gut zu gestalten. Sie haben sich in Lage, Stellung, Volumen und Erscheinung in das Stadt-, Quartier- und Strassenbild einzufügen und die Einheitlichkeit, die wesentlichen Merkmale und den Massstab des Quartiers oder des Strassenzuges sowie deren Entwicklungsmöglichkeiten zu wahren." 2. 2.1. Die Vorinstanz überprüfte zunächst die Grundmasse gemäss § 8 BNO (Ausnützungsziffer; Anzahl Vollgeschosse; kleiner und grosser Grenzabstand; maximale Gebäudelänge) und kam zum Schluss, dass sie eingehalten seien. Sei dies der Fall, brauche nicht weiter untersucht zu werden, ob die Überbauung den Zielsetzungen von § 7 Abs. 1 BNO widerspreche. Es sei nicht davon auszugehen, dass die vom zuständigen Planungsorgan (Einwohnerrat Aarau) auf- grund einer Interessenabwägung festgelegten Grundmasse von den städtebaulichen Interessen abweichen, welche das gleiche Planungs- organ im gleichen Zeitpunkt definiert habe. Zudem erübrige sich die Abklärung, ob sich gemäss § 7 Abs. 4 BNO eine Abweichung von den Grundmassen zur Wahrung städtebaulicher Interessen rechtfer- tige. Andernfalls verlören die demokratisch beschlossenen, generell- abstrakten Vorschriften über die Grundmasse ihren der Rechtssicher- heit sowie Voraussehbarkeit dienenden, planungsleitenden Sinn und die Verwaltung wäre kaum noch an das Recht gebunden. Betreffend Ästhetik / Ortsbildschutz (§ 58 BNO; § 42 BauG) schützte die Vorin- stanz den Einordnungsentscheid des Stadtrats Aarau unter Berück- sichtigung der Gemeindeautonomie. Soweit die Grundmasse wie hier nicht voll ausgeschöpft seien, bestehe grundsätzlich auch ein Entscheidungsspielraum betreffend Ästhetik und Gestaltung und da- mit auch Raum für die Abwägung verschiedener Interessen. Zur Formulierung der durch Aufnahme des Gebiets ins ISOS ausgedrückten Interessen hatte der regierungsrätliche Rechtsdienst mit Zustimmung der Beteiligten die Eidgenössische Natur- und Hei- matschutzkommission (ENHK) mit der Begutachtung beauftragt. (...) Das Gutachten der ENHK vom 15. Juli 2014 (nachfolgend: ENHK-Gutachten) beurteilt den Neubau von zwei im Volumen we- sentlich grösseren Gebäuden insgesamt als schwerwiegenden Ein- 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 162 griff in die bestehende Bebauungsstruktur und das Erscheinungsbild des Quartiers. Die Vorinstanz erwog allerdings, eine Verdichtung lasse sich ohne Schmälerung der von der ENHK aus dem ISOS abgeleiteten Schutzziele ("Ungeschmälerte Erhaltung der Bebauungsstruktur mit ihrer charakteristischen Parzellierung, Körnigkeit und Anordnung" und "Ungeschmälerte Erhaltung des Erscheinungsbilds des Quartiers, insbesondere der Individualität des architektonischen Ausdrucks und der Grosszügigkeit der Gartenanlagen") nicht verwirklichen. Der Einwohnerrat Aarau habe beim Erlass der einschlägigen Nutzungs- vorschriften 2001 die Ausmasse (inklusive halbierte Gebäudelänge von 60 m auf 30 m) als ortsbildverträglich qualifiziert. Würde die Kritik der ENHK am Volumen der Bauten zum Massstab genommen, würde die Zonenordnung generell ausser Kraft gesetzt. Eine solche Wirkung könne § 42 BauG bzw. § 58 BNO nicht zukommen. Deshalb habe der Stadtrat zu Recht bei der Beurteilung des Orts- bildschutzes auf die der Zonenordnung und den Grundmassen inne- wohnende, für ihn verbindliche Interessenabwägung des Einwoh- nerrats als zuständiges Planungsorgan abgestellt. Die Bewilligung sei bezüglich Volumen der Bauten nicht zu beanstanden. (...) 2.2.-2.3. (...) 3. 3.1. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung gilt das ISOS lediglich bei der Erfüllung von Bundesaufgaben (Art. 2 und 3 NHG) in unmittelbarer Weise. Bei der Erfüllung von kantonalen (und kom- munalen) Aufgaben - wie der Nutzungsplanung oder der Erteilung von Baubewilligungen, soweit nicht das Bundesrecht konkret ihre Voraussetzungen regelt (dazu Urteil des Bundesgerichts vom 11. März 2014 [1C_700/2013], Erw. 2.2 am Ende) - wird der Schutz von Ortsbildern durch kantonales (und kommunales) Recht gewähr- leistet. Dies ergibt sich verfassungsrechtlich aus Art. 78 Abs. 1 BV, wonach die Kantone für den Natur- und Heimatschutz zuständig sind. Auch bei der Erfüllung von kantonalen (und kommunalen) Auf- gaben sind Bundesinventare wie das ISOS jedoch von Bedeutung. 2016 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 163 Die Pflicht zur Beachtung findet ihren Niederschlag zum einen in der Anwendung der die Schutzanliegen umsetzenden (Nutzungs-) Pla- nung; zum andern darin, dass im Einzelfall erforderliche Interessenabwägungen im Lichte der Heimatschutzanliegen vorzu- nehmen sind (Urteil des Bundesgerichts vom 6. Januar 2015 [1C_130/2014/1C_150/2014; "Steig"], Erw. 3.2 mit weiteren Hinweisen auf die Praxis). 3.2.-3.4. (...) 3.5. In der Frage, ob die ISOS-Schutzanliegen im vorliegenden Ver- fahren Beachtung finden können, ist somit den Beschwerdeführern darin zuzustimmen, dass die Einhaltung der quantitativen Grund- masse nicht von der Interessenabwägung zwischen Erhaltung und Verdichtung entbindet. Die blosse Prüfung abstrakter Grundmasse (§ 8 BNO) würde der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur ISOS- Beachtungspflicht im Rahmen kantonaler Aufgaben nicht gerecht. Im Interesse einer massvollen Verdichtung sind dieser vielmehr die Anliegen des Natur- und Heimatschutzes (gemäss ISOS) bei der An- wendung der BNO abwägend gegenüberzustellen. Somit ist die Vorinstanz zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine Interessabwä- gung (bezüglich Ortsbildschutz) bereits abschliessend durch den Ein- wohnerrat durch Verankerung der Grundmasse getroffen worden sei. Mit einem allgemeinen Verweis auf eine generell-abstrakte Wertung (wie § 8 BNO) kann nicht von einer im Einzelfall erforderlichen Interessenabwägung Abstand genommen werden. Damit münden die vorstehenden Erwägungen in eine Abwägung von Verdichtung und Strukturerhaltung bzw. Ortsbildschutz (ISOS-Schutzanliegen) im Rahmen der ermessensweisen Anwendung der §§ 7 und 58 BNO. Die grundsätzliche Beachtung des ISOS im Einzelfall würde - entgegen dem angefochtenen Entscheid - auch die BNO bzw. Grund- masse nicht ausser Kraft setzen. Wie die Beschwerdeführer berech- tigt einräumen, ist durchaus denkbar, dass ein Bauvorhaben die Masse ausnützt und gleichzeitig vor der ISOS-Beachtungspflicht standhält. 3.6. (...) 4. 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 164 4.1.-4.5. (...) 5. 5.1. Zum schützenswerten Ortsbild der Stadt Aarau hält das ENHK- Gutachten fest: "Aarau wird im ISOS [...] als Stadt von nationaler Bedeutung aufgeführt. [...] Im 19. Jahrhundert wuchs die Bevölkerungszahl rasch an und Aarau dehnte sich über die mittelalterlichen Stadtgrenzen aus. Die Stadt entwickelte sich zunächst in Richtung Osten. Mit der Eröffnung der Bahnstation 1858 wurden die Voraussetzun- gen für eine weitere Stadtentwicklung südlich der Bahngleise geschaffen, wo In- dustrieareale und Wohnsiedlungen entstanden. Ab dem Ende des 19. Jahrhunderts, vor allem aber in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts entwickelte sich Aarau immer weiter in südlicher Richtung. Es entstanden Einfamilienhäuser und Villen innerhalb der Strukturen der Gartenstadt mit weitgehend einheitlicher Parzellierung, grosszügigen, mit hohen Bäumen durch- setzten Gartenanlagen und wenig befahrenen Quartierstrassen, die von mitunter parkartigen Gärten gesäumt werden. Das ISOS spricht der Stadt Aarau neben ,,gewissen" Lagequalitäten und besonderen räumlichen Qualitäten auch besondere architekturhistorische Qualitäten als gut erhaltene mittelalterliche Stadt mit klar erkennbaren Aufbauphasen zu. Als bedeutende Aufbauphasen hebt das ISOS verschiedene Stadterweiterungen mit epo- chenspezifisch ausgeprägter Bausubstanz hervor, darunter die Wohnquartiere aus dem 19. und aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, zu denen auch das Gebiet der südlichen Gartenstadt gehört. [...] Im Baugebiet G15 sind die Bauten meist zweigeschossig und weisen hohe Giebel auf. Es finden sich aber auch Bauten und ganze Siedlungsteile mit eingeschossigen Gebäuden und vereinzelt dreigeschossige Bebauungsstrukturen. Unmittelbar südlich der durch das zu beurteilende Bauvorhaben betroffenen Parzelle X. stehen - jeweils in der Parzellenmitte und damit deutlich von der Y. Strasse zurückversetzt - zwei dreigeschossige Mehrfamilienhäuser. Stilistisch sind die Bauten uneinheitlich. Für das Quartier charakteristisch ist vielmehr eine grosse architektonische Vielfalt. Es finden sich Anleihen an den Histo- rismus, den Jugendstil, den Schweizer Heimatstil, das Neue Bauen, aber auch an die Sachlichkeit der Nachkriegsmoderne. Vereinzelte Villen sind zudem ab den Siebzi- ger Jahren des 20. Jahrhunderts bis in die jüngste Zeit entstanden." 2016 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 165 Die ENHK konkretisierte die Schutzziele des ISOS für das Gar- tenstadtquartier Zelgli wie folgt: Ungeschmälerte Erhaltung der Be- bauungsstruktur mit ihrer charakteristischen Parzellierung, Körnig- keit und Anordnung. Ungeschmälerte Erhaltung des Erscheinungsbil- des des Quartiers, insbesondere der Individualität des architekto- nischen Ausdrucks und der Grosszügigkeit der Gartenanlagen. Die ENHK beurteilte das umstrittene Bauvorhaben und hielt dazu im Gutachten Folgendes fest: Die bestehende lockere und stark durchgrünte Bebauungstruktur, mit gleichmässigen Bauvolumen und regelmässiger Parzellierung der Grundstücke, lasse die Qualitäten der Gartenstadt im Quartier Zelgli heute sehr gut erkennen. Der Neu- bau mit zwei wesentlich voluminöseren, eng zueinander stehenden Baukörpern (Grundrissfläche je von ca. 13.00 x 17.50 m) weiche we- sentlich von der quartiertypischen Struktur ab, insbesondere in Be- zug auf die Anordnung der Gebäude innerhalb der Parzelle und das Verhältnis zwischen Bauten und umgebenden Gartenanlagen. Das Volumen werde durch die seitlich auf einer Linie ausgerichtete Stel- lung und durch den geringen Gebäudeabstand zwischen den Baukör- pern - die je nach Standort als einziger Baukörper in Erscheinung träten - wesentlich verstärkt. (...) Das Vorhaben vermöge bezüglich Stellung und Volumen die Qualitäten der durchgrünten Gartenstadt nicht zu gewährleisten. Insgesamt müsse der Neubau als ein schwer- wiegender Eingriff in die bestehende Bebauungsstruktur und das Er- scheinungsbild des Quartiers beurteilt werden. Die historische Quar- tierstruktur erfahre, insbesondere vom öffentlichen Raum aus be- trachtet, eine Veränderung, die zu einer grundlegenden Schwächung des Gartenstadtcharakters führe. (...) 5.2. (...) 5.3. Allerdings bringen Vorinstanz und Stadtrat zu Recht vor, dass die ENHK - wie sie selbst einräumt - keine Interessenabwägung zwischen der Erhaltung des Ortsbilds bzw. den ISOS-Schutzanliegen und der "Siedlungsentwicklung nach innen" vorgenommen, sondern die (umfassende) Wahrung der ISOS-Erhaltungsziele ("ungeschmä- lerte Erhaltung") beurteilt hat. Dagegen ist im Rahmen der Erfüllung kantonaler Aufgaben wie hier die Pflicht zur Beachtung des ISOS er- 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 166 füllt, wenn dessen Schutzanliegen im Rahmen einer Interessenabwä- gung berücksichtigt werden. Die Beachtungspflicht steht mit anderen Worten einer Abwägung mit dem seitens der Gemeinde klar bekundeten Ziel der Verdichtung (§ 7 Abs. 1 BNO Aarau) nicht entgegen. Auch Art. 3 Abs. 3 lit. a bis RPG hält fest, dass die Sied- lungen nach den Bedürfnissen der Bevölkerung zu gestalten und in ihrer Ausdehnung zu begrenzen sind. Insbesondere sollen Massnah- men getroffen werden zur besseren Nutzung der brachliegenden oder ungenügend genutzten Flächen in Bauzonen und der Möglichkeiten zur Verdichtung der Siedlungsfläche. Bei der Verdichtung handelt es sich also nicht nur um ein kommunales, sondern auch bundesrecht- lich abgestütztes und heute zunehmend beachtetes, öffentliches In- teresse. Auch das Bundesgericht hat im Urteil vom 6. Januar 2015 (1C_130/2014 / 1C_150/2014 ["Steig"], Erw. 4.7) die innere Ver- dichtung als gewichtiges öffentliches Interesse bezeichnet. Dies relativiert die im ENHK-Gutachten getroffenen Aussagen insofern, als dass - wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat - sich die Be- bauungsstruktur und die Grosszügigkeit der Gartenanlagen nicht ungeschmälert erhalten lassen, wenn die Zone - massvoll - verdich- tet werden soll. Dies bedeutet auch, dass massvolle Abstriche bezüg- lich Erhaltung unumgänglich und im Sinne einer Abwägung auch zu- lässig sind. Nur in diesem Sinne sind die im ENHK-Gutachten getroffenen Aussagen zu relativieren. Nicht zu beanstanden ist, dass die ENHK die Schutzziele der Inventarisierung im Rahmen des Gutachtens kon- kretisiert hat. Entscheidend und zu prüfen ist, ob das streitige Bauvorhaben die Schutzanliegen des ISOS beeinträchtigt und falls ja, ob diese Beeinträchtigung durch das öffentliche Interesse der Ver- dichtung gerechtfertigt wird. 5.4.-5.5. (...) 6. Gestützt auf das Gutachten der ENHK und den Augenschein ist festzuhalten, dass das Bauvorhaben ein Ortsbild von nationaler Be- deutung erheblich beeinträchtigen würde. An der Erhaltung des national geschützten Ortsbildes besteht jedoch ein hohes öffentliches Interesse. Dem gegenüber steht das gleichfalls öffentliche Interesse 2016 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 167 der Raumplanung an einer verdichteten Bauweise. Dieses Interesse ist indessen zu relativieren. Ausgehend vom bestehenden, unter- nutzten Bebauungszustand führt praktisch jedes Neubauprojekt zu einer höheren Ausnutzung und damit Verdichtung auf der streitbe- troffenen Parzelle. Den privaten Interessen kommt deutlich weniger Gewicht zu, da eine ortsbildverträgliche massvolle Verdichtung ohne Weiteres möglich erscheint. Die Parzelle Nr. X. kann unbestrittener- massen baulich genutzt werden, es entfällt lediglich die "Maximal- variante". Bei der Interessenabwägung überwiegt demnach das Orts- bildschutzinteresse die genannten gegenläufigen Interessen. Mit der Bewilligung des Bauvorhabens überschritt der Stadtrat das ihm zu- stehende, aufgrund der nationalen Schutzinteressen jedoch einge- schränkte Beurteilungsermessen. Die Baubewilligung, welche den Zielen des ISOS sowie den Vorgaben der kommunalen Nutzungspla- nung (§§ 7 Abs. 1 und 58 BNO) widerspricht, ist rechtsfehlerhaft, weshalb die Vorinstanz die Baubewilligung nicht hätte schützen dür- fen. Die Beschwerde ist daher gutzuheissen und der angefochtene Entscheid sowie die Baubewilligung vom 25. Februar 2013 sind aufzuheben.
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AG_VG_001_AGVE-2016-26_2016-06-03
http://agve.weblaw.ch/html//AGVE-2016-26.html
https://agve.weblaw.ch/pdf/AGVE-2016-26.pdf
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2001 Verwaltungsgericht 198 47 Geschäfts-/Privatvermögen. - Ausdrückliche Zuweisung zum Geschäfts- oder zum Privatvermögen durch den Steuerpflichtigen ist, sofern mit den objektiven Gegeben- heiten vereinbar, verbindlich (Erw. 3). - Keine rückwirkende Überführung ins Geschäftsvermögen (Erw. 3/b/ee). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 7. Februar 2001 in Sachen M.F. gegen Entscheid des Steuerrekursgerichts. Sachverhalt M.F. war ab 1989 als Selbstständigerwerbender tätig. Für Be- ratungen (mit denen er schon früher begonnen hatte) bezog er von der B. AG eine feste monatliche Entschädigung, womit auch für die D. AG erbrachte Leistungen abgegolten waren. Aus den Erwägungen 2. Den streitigen Abschreibungen auf Beteiligungen bzw. den geltend gemachten Kapitalverlusten liegt im Detail folgender Sach- verhalt zugrunde: (...) b) aa) Im Wertschriftenverzeichnis per 1. Januar 1987 dekla- rierte der Beschwerdeführer 7 Namenaktien à nominal Fr. 1'000.-- der B. AG. Davon veräusserte er zwei am 12. Februar 1988, anläss- lich einer Kapitalerhöhung zeichnete er per 3. Mai 1988 weitere Aktien. Im Wertschriftenverzeichnis per 1. Januar 1989 wies er 19 Aktien der B. AG aus. Am 23. April 1990 kaufte er zusätzlich 35 Aktien der B. AG. In den Aufzeichnungen der Jahre 1989/90 über das Geschäfts- vermögen sind die Aktien nicht als Aktiva aufgeführt und im Wert- schriftenverzeichnis der Steuererklärung per 1. Januar 1991 nicht als Geschäftsvermögen deklariert. In der Eröffnungsbilanz 1991 (die erst im März 1993 erstellt wurde) wurden die 54 Aktien der B. AG zu 2001 Kantonales Steuerrecht 199 insgesamt Fr. 81'000.-- eingebucht. Per Ende 1991 wurde eine Ab- schreibung von Fr. 20'000.-- verbucht und per Ende 1992 wurden die Aktien der B. AG Fr. 0.-- abgeschrieben. Im Wertschriftenverzeich- nis per 1. Januar 1993 werden noch 30 Aktien mit Steuerwert Fr. 0.-- ausgewiesen. bb) Gemäss eigenen Angaben erwarb der Beschwerdeführer im Jahre 1989 oder 1990 50 Aktien à nominal Fr. 1'000.-- der D. AG und führte sie im Wertschriftenverzeichnis per 1. Januar 1991 erst- mals auf. In der Eröffnungsbilanz per 1. Januar 1991 erschienen die Aktien mit dem Nominalwert von Fr. 50'000.--. Weitere 10 bzw. 17 Aktien der D. AG zeichnete der Beschwerdeführer anlässlich von Kapitalerhöhungen vom 21. Februar 1991 und 8. Juli 1991, was ent- sprechend verbucht wurde. Durch Abschreibungen per Ende 1991 in Höhe von Fr. 25'000.-- sowie per Ende 1992 in Höhe von Fr. 52'000.-- wurde der Buchwert der Beteiligung auf Fr. 0.-- abge- schrieben. c) Sowohl die Steuerkommission A. als auch das Steuerrekurs- gericht anerkannten die verbuchten Abschreibungen von insgesamt Fr. 147'000.-- (bzw. Fr. 73'500.-- im Durchschnitt der Bemessungs- jahre) nicht als geschäftsmässig begründet, da die Beteiligungen an der B. AG und der D. AG als Privatvermögen qualifiziert wurden. Die Beschwerdeführer halten an der Auffassung fest, die Aktien stellten Geschäftsvermögen dar, weshalb die Abschreibungen auf den Beteiligungen zum Abzug zuzulassen seien. 3. a) Für die Bestimmung, ob alternative Wirtschaftsgüter dem Geschäfts- oder dem Privatvermögen zuzuordnen sind, ist auf die Gesamtheit der objektiv feststellbaren tatsächlichen Verhältnisse abzustellen. Von besonderer Bedeutung ist die technisch-wirtschaft- liche Funktion des Vermögenswerts, d.h. ob dieser tatsächlich dem Geschäft dient, da in aller Regel, wenn es hieran fehlt, kein Ge- schäftsvermögen vorliegen kann; als weitere Indizien können na- mentlich die Eigentumsverhältnisse, die buchmässige Behandlung - soweit sie auf den Willen des Steuerpflichtigen hinweist, den Ver- mögenswert für geschäftliche bzw. private Zwecke einzusetzen - und das Erwerbsmotiv in Betracht fallen. Der subjektive Wille des Steu- erpflichtigen ist für sich allein genommen nicht massgebend, sondern 2001 Verwaltungsgericht 200 nur, soweit er sich in der tatsächlichen Gestaltung der Verhältnisse niederschlägt (vgl. zum Ganzen: StE 1999, B 23.2 Nr. 21, Erw. 3/a mit zahlreichen Hinweisen; StE 1993, B 23.2 Nr. 11, Erw. 3a; AGVE 1993, S. 263 f.; Walter Koch, in: Kommentar zum Aargauer Steuer- gesetz, Muri/BE 1991, § 22 N 189 ff.; Markus Reich, in: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/2a [DBG], Basel 2000, Art. 18 N 48; Fabian Amschwand, Geschäftsvermögen oder Privat- vermögen? Eine Übersicht, in: Steuerrevue 2000, S. 482 ff.). b) aa) Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei ab 1989 selbstständig erwerbender Berater bei der B. AG und der D. AG gewesen. Parallel zu seiner Beratertätigkeit habe er sich gezwungen gesehen, sich an den fraglichen Gesellschaften mit Aktienkäufen zu beteiligen. Die Aktien würden vollumfänglich dem Betrieb seiner Einzelfirma dienen. Mit diesen Darlegungen macht der Beschwerde- führer sinngemäss geltend, die technisch-wirtschaftliche Funktion seiner Aktienbeteiligung gebiete es, die Wertschriften dem Ge- schäftsvermögen zuzuteilen. In der Tat erscheint der Sachzusam- menhang zwischen den getätigten Aktienkäufen und der selbststän- digen Beratertätigkeit bei den Firmen B. AG und D. AG nachvoll- ziehbar; die Wertschriften dienten offenkundig der selbstständigen Erwerbstätigkeit. Dass die selbstständige Tätigkeit als Berater auch ein verstärktes Engagement bei den genannten Firmen nach sich zog, zeigt sich darin, dass der Beschwerdeführer in beiden Firmen als Mitglied im Verwaltungsrat mitwirkte. bb) Hinsichtlich des Erwerbsmotivs gelangte die Vorinstanz zum Schluss, dass die Situation des Beschwerdeführers eher für das Vorliegen von Geschäftsvermögen spreche, da bei einer finanziellen Beteiligung an einer Unternehmung parallel zu einer mehr oder we- niger umfangreichen Beratertätigkeit für den gleichen Betrieb ein Zusammenhang zwischen der (selbstständigen) Erwerbstätigkeit und dem Erwerb der Beteiligung bestehe. Diese Beurteilung trifft jeden- falls für die Aktienkäufe ab 1989 zu. dd) aaa) Die Behandlung eines Vermögensobjekts in der Buch- haltung des Steuerpflichtigen stellt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zwar kein allein entscheidendes Kriterium für dessen Zuordnung zum Geschäftsvermögen dar; in der Bilanz enthaltene 2001 Kantonales Steuerrecht 201 Vermögensobjekte können zum Privatvermögen gehören, während auch nichtbilanzierte Vermögensobjekte Geschäftsvermögen dar- stellen können. Bei Steuerpflichtigen, die nicht ihr gesamtes Vermö- gen in der Bilanz aufführen und somit zwischen bilanziertem Ge- schäftsvermögen und nichtbilanziertem Privatvermögen unterschei- den, bildet die buchmässige Behandlung aber ein sehr gewichtiges Indiz für die Zuordnung zum Geschäfts- oder zum Privatvermögen (BGE 112 Ib 83 f. mit weiteren Hinweisen; 94 I 468; Francis Cagia- nut/Ernst Höhn, Unternehmungssteuerrecht, 3. Aufl., Bern 1993, S. 259, 263 f.). Im Zusammenhang mit Überführungen vom Ge- schäfts- ins Privatvermögen ist das Verwaltungsgericht noch etwas weiter gegangen und hat ausgeführt: ... (Zitat aus AGVE 1996, S. 253). Das Verwaltungsgericht hat also die ausdrückliche Zuwei- sung zu Geschäfts- oder Privatvermögen durch den Steuerpflichtigen in seiner Steuererklärung als verbindlich betrachtet, sofern sie mit den objektiven Gegebenheiten vereinbar war. Dasselbe muss für die der Steuererklärung zugrundeliegende buchhalterische Behandlung gelten (vgl. zum Ganzen: VGE II/65 vom 9. September 1997 in Sa- chen KStA/W.M., S. 6 f.). bbb) 1988 ging der Beschwerdeführer unbestrittenermassen noch einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit nach. Als Unselbst- ständigerwerbender konnte er nicht über Geschäftsvermögen verfü- gen, da dieses eine selbstständige Erwerbstätigkeit voraussetzt (Koch, a.a.O., § 22 N 183). Folgerichtig wurde der Kapitalgewinn aus Aktienverkäufen nicht als Gewinn aus der Veräusserung von Geschäftsvermögen deklariert (§ 22 Abs. 1 lit. b StG) und musste nicht versteuert werden. Bis Ende 1988 zählten die dem Beschwerde- führer gehörenden Aktien zu seinem Privatvermögen. Nach der Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit per Anfang 1989 konnte der Beschwerdeführer Geschäftsvermögen aus- weisen. Im Wertschriftenverzeichnis der am 21. Oktober 1992 er- stellten Steuererklärung 1991/92 (Bemessungsjahre 1989/90) dekla- rierte der Beschwerdeführer einen Bestand von 54 Aktien der B. AG sowie 50 Aktien der D. AG. Die Kolonne im Wertschriftenverzeich- nis, in welcher Geschäftsvermögen mit dem Vermerk "G" zu kenn- zeichnen ist, liess er jedoch leer (vgl. StE 1999, B 23.45.2 Nr. 1 2001 Verwaltungsgericht 202 Erw. 3/a). Selbstständigerwerbende, die keine Buchhaltung führen, haben ihre Einnahmen und Ausgaben, ihr Vermögen und ihre Schul- den vollständig aufzuzeichnen (§ 128 Abs. 4 lit. b StG). Die Auf- zeichnungen über das Geschäftsvermögen, die der Beschwerdeführer mit der Steuererklärung 1991/92 eingereicht hat, enthalten unter den Aktiven keine Aktien. Auch hier wurden also, übereinstimmend mit der Steuererklärung, die Beteiligungen an der B. AG und der D. AG als Privatvermögen behandelt. Die Begründung des Beschwerdefüh- rers, es hätten ihm die notwendigen Buchhaltungskenntnisse gefehlt, überzeugt nicht, da er sich bereits im Zusammenhang mit dieser Steuererklärung von der Treuhandgesellschaft X beraten liess. Die- selbe Firma erstellte im März 1993 die Eröffnungsbilanz 1991 sowie die Buchhaltungsabschlüsse 1991/92, wo die Aktien der B. AG und D. AG erstmals unter dem Geschäftsvermögen figurieren. Die Be- hauptung des Beschwerdeführers, er habe mit Hilfe der X die Aktien in den Jahren 1991 und 1992 in die Buchhaltung aufgenommen, stimmt nicht. Tatsächlich erfolgte die Einbuchung erst anlässlich der Erstellung der Eröffnungsbilanz. Andernfalls wäre nicht nachvoll- ziehbar, weshalb die Deklaration der Aktien als Geschäftsvermögen nicht auch in die erst im Oktober 1992 erstellte Steuererklärung 1991/92 Eingang fand. Nach sämtlichen Kundgebungen des Be- schwerdeführers gegenüber den Steuerbehörden (Wertschriftenver- zeichnis, Aufzeichnungen über das Geschäftsvermögen) verblieben die bis Ende 1988 im Privatvermögen befindlichen Aktien auch 1989/90 im Privatvermögen; seine eigenen Deklarationen stehen der Zuordnung zum Geschäftsvermögen entgegen. Die Steuerbehörden ihrerseits hatten keinen Grund für Nachforschungen, da die Beteili- gungen als Alternativgüter konsequent dem Privatvermögen zuge- ordnet wurden, was auch nach Aufnahme der Tätigkeit als Selbst- ständigerwerbender möglich war. Sie hatten keinen Anlass, an der Vollständigkeit der Aufzeichnungen über das Geschäftsvermögen zu zweifeln. ee) aaa) Grundsätzlich kann Privatvermögen ins Geschäftsver- mögen übergeführt werden (sog. Privateinlage; vgl. Koch, a.a.O., § 22 N 267). Ein Wechsel der Zuordnung wird steuerlich nur aner- kannt, wenn er wirtschaftlich begründbar ist und klar zum Ausdruck 2001 Kantonales Steuerrecht 203 gebracht wird. Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens lässt es insbesondere nicht zu, dass Vermögensstücke, die zuvor als Privat- vermögen gekennzeichnet waren, bei drohender Werteinbusse vor- sorglich in das Geschäftsvermögen überführt werden (Rechen- schaftsbericht des Verwaltungsgerichts Zürich 1982, S. 82 f.); noch viel weniger geht es an, solche Vermögensstücke nach bereits einge- tretenem Verlust rückwirkend ins Geschäftsvermögen überzuführen. bbb) Der Beschwerdeführer hat die Neuzuordnung der Beteili- gungen zum Geschäftvermögen erstmals mit der Eröffnungsbilanz per 1.1.1991 dokumentiert. Diese wurde jedoch erst im März 1993 erstellt. Wenige Monate zuvor, am 21. Oktober 1992, hatte der Be- schwerdeführer in der Steuererklärung 1991/92 die Beteiligungen noch als Privatvermögen deklariert. Buchhalterisch wurden die Be- teiligungen in den Geschäftsjahren 1991 und 1992 vollständig abge- schrieben (vorne Erw. 2/b). Die Zuweisung zum Geschäftsvermögen erfolgte also, nachdem die Kapitalverluste bereits vollständig einge- treten waren. Übereinstimmend mit der Vorinstanz ist zu verlangen, dass buchführende Steuerpflichtige Privateinlagen nicht nur buch- halterisch erkennbar zum Ausdruck bringen, sondern die entspre- chenden Tatbestände auch zeitnah und chronologisch erfassen. Der nachträgliche buchhalterische Vollzug stellt eine unzulässige, rück- wirkende Überführung von Privat- ins Geschäftsvermögen dar und kommt, da die Beteiligungen an der B. AG und der D. AG bei der Erstellung der Abschlüsse bereits wertlos waren, einer Steuerumge- hung nahe. ff) Unter den gegebenen Umständen kommt dem Verhalten des Beschwerdeführers bei der buchhalterischen Behandlung und seinen Erklärungen gegenüber den Steuerbehörden entscheidende Bedeu- tung zu. Die Vorinstanz hat daher zu Recht die Aktienbeteiligung im hier wesentlichen Zeitraum als Privatvermögen qualifiziert und die geltend gemachten Abschreibungen nicht zum Abzug zugelassen.
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2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 292 49 § 42 Abs. 1 lit a VRPG Mangelndes Rechtsschutzinteresse zur Anfechtung einer Veranlagung, bei der durch das KStA zu Lasten des Eigenkapitals eine Minusreserve für ein wertloses Darlehen gebildet wird. Zur Aufrechnung der verdeckten Gewinnausschüttung kommt es erst bei der Abschreibung des Darlehens. Urteil des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 26. Juni 2014 in Sachen X. AG (WBE.2013.450). Aus den Erwägungen 2. Zunächst ist zu klären, ob auf die Beschwerde überhaupt einge- treten werden kann. Die Beschwerdeführerin beantragt in ihrer Be- schwerde, sie sei für das Jahr 2005 mit einem steuerbaren Reinge- winn (Verlust) in Höhe von Fr. -130'066.00 und einem steuerbaren Kapital von Fr. 127'635.00 sowie für das Jahr 2006 mit einem steuer- 2014 Verwaltungsrechtspflege 293 baren Reingewinn (Verlust) in Höhe von Fr. -42'548.00 und einem steuerbaren Kapital in Höhe von Fr. 137'436.00 zu veranlagen. Die Beschwerdeführerin wurde vom KStA für die Jahre 2005 und 2006 jeweils mit einem Reingewinn von Fr. 0.00 veranlagt. Für das Jahr 2005 wurde sie mit einem steuerbaren Eigenkapital von Fr. 98'412.00 und für das Jahr 2006 mit einem steuerbaren Eigen- kapital von Fr. 81'776.00 veranlagt. Die Beschwerdeführerin be- antragt somit hinsichtlich des Eigenkapitals eine Höherveranlagung und darüber hinaus eine Anerkennung des Verlustvortrages. Im Folgenden ist zunächst auf den Antrag auf Höherveranlagung einzu- gehen; anschliessend ist der Antrag auf Anerkennung eines Ver- lustvortrags zu behandeln. 2.1. 2.1.1. Die Befugnis zur Beschwerdeerhebung setzt ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Ent- scheids voraus (§ 42 Abs. 1 lit. a VRPG). Da die Beschwerdeführerin vorliegend eine Höherveranlagung beantragt, ist fraglich, ob sie ein solches schutzwürdiges Interesse hat. Ein solches ergibt sich klar, wenn eine tiefere Veranlagung angestrebt wird. Ein schutzwürdiges Interesse an einer Höherveranlagung besteht dagegen nur in Ausnah- mefällen. Schutzwürdig ist das eigene Interesse, wenn die Erhebung eines erfolgreichen Rechtsmittels dem Betroffenen einen praktischen Nutzen bringt, das heisst einen Nachteil abwendet, den der angefoch- tene Entscheid für ihn zur Folge hätte. Ein schutzwürdiges Interesse an einer Höherveranlagung besteht beispielsweise, wenn dies in einer folgenden Steuerperiode zu tieferen Steuern führt oder wenn die steuerpflichtige Person dadurch ein Nachsteuer- und Hinterziehungs- verfahren vermeiden kann (AVGE 2004 S. 271 = StE 2005 B 96.21 Nr. 13; siehe auch Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zü- rich vom 27. Juni 2012 [SB.2012.00019] Erw. 2.1). Das allgemeine Interesse an einer gesetzmässigen Besteuerung genügt dagegen als schutzwürdiges Interesse nicht (ASA 43 [1974/75], 342 ff.). 2.1.2. Die Bildung der sogenannten Minus-Reserve durch das KStA ist Konsequenz dessen Auffassung, wonach die Darlehenserhöhung 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 294 in den Jahren 2005 und 2006 simuliert ist, somit die entsprechenden Beträge als (verdeckt) an die Beteiligten ausgeschüttet zu betrachten sind und das Eigenkapital sich dementsprechend vermindert hat. Als Konsequenz dieser Auffassung wird das KStA die Vornahme von Ab- schreibungen, Rückstellungen oder anderer Belastungen der Erfolgs- rechnung zulasten der Aktivdarlehen in späteren Steuerperioden nicht als geschäftsmässig begründet anerkennen (Ebenso wird es ,,Rückzahlungen" in späteren Steuerperioden im Umfang der Minus- reserve steuerlich als Kapitaleinlagen betrachten). Für die Veranla- gung der Gewinnsteuern 2005 und 2006 spielt die umstrittene Bil- dung einer Minusreserve indessen keine Rolle. Erst wenn die Be- schwerdeführerin Abschreibungen, Rückstellungen oder andere Wertberichtigungen auf dem vom KStA als simuliert betrachteten Darlehen (bzw. auf den Erhöhungen in den Jahren 2005 und 2006) vornimmt und das KStA diese als nicht geschäftsmässig begründet anerkennt, kommt es zu Aufrechnungen und kann die Beschwerde- führerin die entsprechenden Veranlagungen anfechten (vgl. im Ergebnis ebenso Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 27. Juni 2012 [SB.2012.00019] Erw. 2.2). Insbesondere wäre es für das KStA dannzumal auch nicht möglich, unter Hinweis auf die Berücksichtigung der Minusreserve bei der Berechnung des steuer- baren Kapitals bei der Kantons- und Gemeindesteuer der Steuer- perioden 2005 und 2006 eine Beurteilung der Aufrechnung unter Hinweis darauf, damit sei über diese Problematik schon in einer früheren Steuerperiode rechtskräftig entschieden worden, zu verwei- gern. Deshalb erweist sich auch der vom Spezialverwaltungsgericht angeführte Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 7. Februar 2007 (WBE.2006.122) als unzutreffend, indem er ohne weiteres davon ausgeht, dass im Hinblick auf eine später notwendig werdende Auflösung der Minusreserve (praktisch: Verrechnung des sich als Verlust niederschlagenden Abschreibungsaufwands mit der Minusre- serve, d.h. Verbuchung einer "echten" Eigenkapitalreduktion) ein schutzwürdiges Anfechtungsinteresse bestehe (vgl. Urteil des Verwaltungsgerichts vom 7. Februar 2007 [WBE.2006.122] i.V.m. Urteil des Steuerrekursgerichts vom 19. Januar 2006 [3-RV.2005.50131] Erw. 3). An dieser im angeführten Entscheid 2014 Verwaltungsrechtspflege 295 ohne nähere Begründung geäusserten Auffassung kann nicht festgehalten werden. Schliesslich liegt auch kein schutzwürdiges Interesse im Umstand, dass den beteiligten Darlehensempfängern die Aufrechnung der verdeckten Gewinnausschüttungen droht, können sie sich doch in den sie betreffenden Verfahren dagegen wehren. Die Vorinstanz hat im Zusammenhang mit dem für die Rekurs- bzw. Beschwerdeführung erforderlichen aktuellen schutzwürdigen Interesse zwar zutreffend ausgeführt, dass bei einer Veranlagung nur das Dispositiv in Rechtskraft erwächst, während die dem Entscheid zugrunde liegende Begründung nicht an der Rechtskraft teilnimmt. Sie hat indessen verkannt, dass, da in der fraglichen Steuerperiode noch keine Abschreibungen auf dem simulierten Darlehen vorge- nommen wurden und nur das Dispositiv des Entscheids in Rechts- kraft erwächst, die Beschwerdeführerin auch erst dann ein aktuelles Interesse an der rechtlichen Qualifikation des Darlehens hat, wenn sie Abschreibungen darauf vornimmt und diese von der Steuer- behörde nicht zugelassen werden. Nur dann führt die Qualifikation des Darlehens auch zu einer Erhöhung der Steuerfaktoren und die Steuerveranlagung kann entsprechend angefochten werden (vgl. wiederum Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 27. Juni 2012 [SB.2012.00019], Erw. 2.2). In den beiden hier zu beurteilenden Steuerperioden ist dies aber noch nicht der Fall und die Beschwerdeführerin hat daher vorliegend noch kein aktuelles Inte- resse an der Anfechtung der Veranlagung. Es steht somit fest, dass die Beschwerdeführerin kein schutz- würdiges aktuelles Interesse an der Erhöhung ihrer Steuerfaktoren hat und daher auf ihre Beschwerde nicht eingetreten werden kann, soweit sie eine Korrektur des steuerbaren Eigenkapitals verlangt. 2.2. Das Bundesgericht verneint in ständiger Praxis ein Feststel- lungsinteresse hinsichtlich der Festlegung des Verlustvortrags, so- lange der in Frage stehende Verlust nicht in einer Steuerperiode zur Verrechnung gebracht wird, d.h. sich die Höhe des Verlustvortrags nicht unmittelbar auf die umstrittene Veranlagung auswirkt (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 23. Juni 2008 [2C_761/2007], Erw. 1, m.w.H.). Dieser Praxis folgt auch die Rechtsprechung des Verwal- 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 296 tungsgerichts (AGVE 2009, S. 123 ff.). Auf die Beschwerde kann daher auch nicht eingetreten werden, soweit die Beschwerdeführerin die Anerkennung eines Verlustvortrages für das Jahr 2005 in Höhe von Fr. 130'066.00 und die Anerkennung eines Verlustvortrages für das Jahr 2006 in Höhe von Fr. 42'548.00 beantragt. 2.3. Zusammenfassend ist kein schutzwürdiges Interesse der Be- schwerdeführerin an der Erhöhung der Steuerfaktoren ersichtlich und es besteht praxisgemäss kein Feststellungsinteresse bezüglich der Festlegung des Verlustvortrages. Auf die Beschwerde kann daher ge- samthaft gesehen nicht eingetreten werden. Da schon die Vorinstanz auf den Rekurs nicht hätte eintreten dürfen, rechtfertigt es sich, das Dispositiv des angefochtenen Entscheids entsprechend zu korrigie- ren.
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2004 Normenkontrolle 99 I. Normenkontrolle 26 Normenkontrolle; § 9 Abs. 2 AnwT vom 26. August 2003; Begriff der "verwaltungsrechtlichen" Natur (§ 68 VRPG). - § 9 Abs. 2 AnwT regelt entgegen seinem Wortlaut die Entschädigung des amtlichen Verteidigers und nicht des unentgeltlichen Rechtsver- treters in Strafsachen (Erw. 4/d/aa). - § 9 Abs. 2 AnwT ist ein Norm mit verwaltungsrechtlicher Natur, in- dessen ist die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts im Normenkon- trollverfahren nicht gegeben, weil die Anwendung nicht durch Ver- waltungsbehörden im Sinne von § 68 VRPG erfolgt (Erw. 4/d/bb-ee). Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 18. Oktober 2004 in Sa- chen K. und B. Aus den Erwägungen 4. Nach § 68 VRPG können Vorschriften verwaltungsrechtli- cher Natur in Dekreten und Verordnungen des Kantons und in Erlas- sen der Gemeinden, öffentlich-rechtlichen Körperschaften und An- stalten dem Verwaltungsgericht jederzeit zur Prüfung auf ihre Verfas- sungs- und Gesetzmässigkeit unterbreitet werden. a) Das Anfechtungsobjekt der Normenkontrolle ist zunächst nach formellen Kriterien auf Vorschriften "in Dekreten und Verord- nungen des Kantons und in Erlassen der Gemeinden, öffentlich- rechtlichen Körperschaften und Anstalten" beschränkt. Beim An- waltstarif handelt es sich um einen kantonalen, untergesetzlichen Erlass; er untersteht somit der prinzipalen Normenkontrolle. b) Die im prinzipalen Normenkontrollverfahren überprüfbaren Vorschriften sind auch in inhaltlicher Hinsicht beschränkt: es sind nur Normen "verwaltungsrechtlicher Natur" der Normenkontrolle unterstellt. Der Wortlaut von § 68 VRPG ("Vorschriften verwaltungs- 2004 Verwaltungsgericht 100 rechtlicher Natur in ...") legt nahe, dass der einzelne Rechtssatz die- ses Kriterium erfüllen muss, nicht (nur) der Erlass an sich. Grund- sätzlich irrelevant ist aber, wer die Bestimmung erlassen hat (Michael Merker, Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, Kommentar zu den §§ 38-72 VRPG, Diss. Zürich 1998, § 68 N 48). aa) Schon der Begriff der Verwaltung ist zweideutig; einerseits ist darunter - funktionell - die Verwaltungstätigkeit, andererseits - organisatorisch - die Verwaltung, d.h. die Verwaltungsbehörden, zu verstehen (Ulrich Häfelin/Georg Müller, Allgemeines Verwaltungs- recht, 4. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2002, Rz. 9 ff.; Hans J. Wolff/ Otto Bachof/Rolf Stober, Verwaltungsrecht Band 1, 11. Auflage, München 1999, S. 35 ff.). Die Mehrheit der Lehre stellt bei der Be- griffsbestimmung auf den Verwaltungsbegriff im funktionellen Sinn ab, wonach Verwaltungsrecht derjenige Normenkomplex ist, der auf die Verwaltung im funktionellen Sinn zur Anwendung kommt und nach dem die Verwaltung im organisatorischen Sinne tätig wird (Häfelin/Müller, a.a.O., Rz. 86 f.; Monika Fehlmann-Leutwyler, Die prinzipale Normenkontrolle nach aargauischem Recht, Zürcher Diss. Aarau/Frankfurt a.M. 1988, S. 50 f. mit Hinweisen). Vorschriften verwaltungsrechtlicher Natur bestimmen somit Inhalt und Umfang der Verwaltungstätigkeit und legen die Rechte und Pflichten zwischen den Individuen und dem Gemeinwesen sowie den Rechtsschutz fest. Verwaltungsrechtlicher Natur im Sinne von § 68 VRPG sind also Normen mit einem verwaltungsrechtlichen Inhalt im weiten Sinn (so wohl auch Merker, a.a.O., § 68 N 48). Staatlichen Gerichten werden neben der Rechtsprechung oft- mals auch Aufgaben auf dem Gebiet der Verwaltung übertragen. Die Justizverwaltung schafft die äusseren Grundlagen für die Justiztä- tigkeit der Gerichte (Wahlen, Besorgung des Kassenwesens, Aufsicht usw.). Nach dem Grundsatz der Trennung der Gewalten würden die Geschäfte der Justizverwaltung in die Zuständigkeit der Verwal- tungsbehörden fallen, sie können aber auch den Gerichten übertragen sein (Häfelin/Müller, a.a.O., Rz. 87; Max Guldener, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Auflage, Zürich 1979, S. 40 f. mit Hinweisen). Das Kostenwesen ist teils Rechtsprechung, teils Justizverwaltung 2004 Normenkontrolle 101 (AGVE 1971, S. 360). Bei der Erhebung der tarifmässigen Gebühren beispielsweise handelt es sich um eine den Gerichten als Anhängsel zur Rechtsprechung übertragene Verwaltungstätigkeit, die, ohne der staatlichen Verwaltung unterstellt zu sein, selbstständig als eine Art Verwaltungsjustiz ausgeübt wird (vgl. Alfred Bühler/Andreas Edel- mann/Albert Killer, Kommentar zur aargauischen Zivilprozessord- nung, 2. Auflage, Aarau/Frankfurt a.M./Salzburg 1998, Vorbemer- kungen zu §§ 100-134 N 1). Die von den Zivil- oder Strafgerichten ausgeübte Justizverwaltung stützt sich dabei auf Rechtssätze verwal- tungsrechtlichen Inhalts (AGVE 1996, S. 154; 1971, S. 361 f.; Merker, a.a.O., § 68 N 51). bb) Der Anwaltstarif regelt die Entschädigung des Anwalts für die Vertretung und Verbeiständung einer Partei in Verfahren vor aar- gauischen Gerichts- und Verwaltungsbehörden (§ 1 Abs. 1 AnwT). Für die Entschädigung des amtlichen Verteidigers und des unentgelt- lichen Rechtsvertreters ist ausschliesslich der Anwaltstarif massge- bend und zwingend (§ 39 Abs. 2 AnwG; Bühler/Edelmann/Killer, a.a.O., § 121 N 13). § 9 AnwT regelt die Bemessung der Entschädigung in Strafsa- chen (Titel "C"; Marginale zu § 9 AnwT). In Absatz 2 dieser Be- stimmung wird der Stundenansatz für die unentgeltliche Rechtsver- tretung pauschal geregelt. Die Festsetzung der Entschädigung in Anwendung dieser Bestimmung erfolgt im Einzelfall durch die letzte kantonale Instanz (§ 12 Abs. 1 AnwT). Die Rechtsanwendung ist da- her eine Justizverwaltungssache, die der anwendenden Behörde zu- sätzlich zur Rechtsprechung obliegt. cc) Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass § 9 Abs. 2 AnwT eine Vorschrift verwaltungsrechtlicher Natur ist. c) Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts bestimmt sich die Zuständigkeit in der prinzipalen Normenkontrolle im Weite- ren danach, ob die Norm hauptfrageweise (nicht als Vorfrage) von Verwaltungsbehörden anzuwenden ist (AGVE 1996, S. 154; 1971, S. 359 ff.). Der Gesetzeswortlaut von § 68 VRPG spricht zwar nicht für diese Auslegung, sondern umfasst alle Rechtssätze verwaltungs- rechtlicher Natur. Gegen eine weite Auslegung spricht indessen, dass das Verwaltungsgericht zur prinzipalen Überprüfung von Rechtssät- 2004 Verwaltungsgericht 102 zen zuständig wäre, deren Anwendung und inzidente Überprüfung nicht durch eine Verwaltungs- bzw. Verwaltungsjustizbehörde er- folgt. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll das Verwaltungsge- richt explizit nicht (dem Obergericht übergeordnetes) Verfassungs- gericht sein (vgl. Materialien zum VRPG, Protokoll der Experten- kommission vom 10. Dezember 1966, S. 6). Diese Beschränkung soll verhindern, dass das Verwaltungsgericht Entscheide in Sachbe- reichen präjudiziert, für deren Beurteilung andere (kantonale) Ge- richte (Zivil-, Straf- und Versicherungsgerichte) ausschliesslich zu- ständig sind. Die Normenkontrolle betreffend Rechtssätze verwal- tungsrechtlichen Inhalts, für deren Anwendung die Zivil-, Straf- oder Versicherungsgerichte zuständig sind, ist daher nach dieser Recht- sprechung ausgeschlossen (Zum Ganzen: AGVE 1996, S. 154; Mer- ker, a.a.O., § 68 N 49 f. [je mit Hinweisen]). aa) Bei Erlass des VRPG wollte der Gesetzgeber auf eine all- gemeine Verfassungsgerichtsbarkeit verzichten und hat die prinzipale Normenkontrolle auf Rechtsvorschriften der allgemeinen Verwaltung beschränken wollen (Fehlmann, a.a.O., S. 49 mit Hinweisen). Wie im Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 19. Mai 1971 ausgeführt, bestand für den Gesetzgeber keine Veranlassung, neben der den Zi- vil- und Strafgerichten obliegenden inzidenten Normenkontrolle (§ 95 Abs. 2 KV) und dem zivil- und strafrechtlichen Rechtsschutz zusätzlich die verwaltungsrechtlichen Normen, welche durch ein Zivil- oder Strafgericht angewendet werden, einer Verfassungsge- richtsbarkeit durch das Verwaltungsgericht zu unterstellen. Insbeson- dere die damit verbundene Einmischung in die Belange des Zivil- und Strafrichters lag ausserhalb der vom Gesetzgeber angestrebten Verwaltungsgerichtsbarkeit (AGVE 1971, S. 362 mit Hinweis). Diese Auffassung überzeugt, zumal der erwähnte Entscheid des Ver- waltungsgerichts unter Mitwirkung des Gesetzesredaktors erging und für die Authentizität des gesetzgeberischen Willens Gewähr bietet. bb) Gründe für eine Praxisänderung werden von den Antrag- stellern nicht geltend gemacht. cc) Die von den Zivil- oder Strafgerichten ausgeübte Justizver- waltung stützt sich auf Rechtssätze verwaltungsrechtlichen Inhalts (siehe vorne Erw. 4/b). Die prinzipale Normenkontrolle ist indessen 2004 Normenkontrolle 103 überall dort ausgeschlossen, wo die Rechtssätze nicht von Verwal- tungsbehörden, sondern von zivil- oder strafrichterlichen Behörden oder von Verwaltungsbehörden, jedoch nicht unter Begründung eines Verwaltungsrechtspflegeverhältnisses angewandt werden; zudem darf das Verwaltungsgericht nicht aufgrund von § 60 VRPG zustän- dig sein (AGVE 1996, S. 155 f.). d) Zu prüfen ist daher, welche Behörden § 9 Abs. 2 AnwT an- wenden und inwieweit bei der Rechtsanwendung dieser Bestimmung durch Verwaltungsbehörden ein Verwaltungsrechtspflegeverhältnis im Sinne von § 68 VRPG begründet wird. Zur Beantwortung dieser Fragen ist vorerst der Anwendungsbereich von § 9 Abs. 2 AnwT festzulegen; hierfür ist dessen Auslegung nötig. aa) Die Auslegung einer Rechtsnorm stützt sich auf verschie- dene Auslegungselemente: Lehre und Rechtsprechung unterscheiden das grammatikalische, systematische, historische, zeitgemässe und teleologische Element (Ulrich Häfelin/Walter Haller, Schweizeri- sches Bundesstaatsrecht, 5. Auflage, Zürich 2001, Rz. 90 ff.). Aus- gangspunkt jeder Auslegung ist der Wortlaut der Bestimmung (BGE 128 III 114 f.; 126 V 472 f.; 114 Ia 196). Vom Wortlaut darf und muss abgewichen werden, wenn der Wortlaut einer gesetzlichen Bestimmung nicht den wahren Sinn wiedergibt (BGE 124 II 198 f.; 103 Ia 116 f.) bzw. wenn die dem Wortlaut entsprechende Auslegung zu Ergebnissen führt, die der Gesetzgeber nicht gewollt haben kann und die gegen das Gerechtigkeitsgefühl und den Grundsatz der rechtsgleichen Behandlung verstossen (BGE 127 III 322 f.; 113 V 77 mit Hinweisen; 108 Ia 80 mit Hinweisen). aaa) § 9 Abs. 2 AnwT regelt nach seinem ausdrücklichen Wort- laut den Stundenansatz für die unentgeltliche Rechtsvertretung und aufgrund der systematischen Stellung unter dem Titel "C. Entschädi- gung in Strafsachen" die Bemessung der Entschädigung des unent- geltlichen Rechtsvertreters in Strafverfahren. § 9 Abs. 1 AnwT blieb bei der Revision des § 9 AnwT unverändert und bestimmt, dass in Strafsachen (inkl. die Verbeiständung des Zivilklägers) der Stun- denansatz nach Bedeutung und Schwierigkeit des Falles Fr. 185.-- bis Fr. 250.-- beträgt. 2004 Verwaltungsgericht 104 Im Strafverfahren gibt es die Institute "amtliche Verteidigung" und "unentgeltliche Rechtspflege". Diese haben unterschiedliche Voraussetzungen. Die amtliche Verteidigung wird in §§ 58 f. StPO geregelt und ihre Anwendung bestimmt sich ausschliesslich nach strafrechtlichen sowie strafprozessualen Gesichtspunkten, wie Straf- androhung, beantragte Strafe, Untersuchungshaft etc. Die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsvertreters im Strafverfahren hängt dem- gegenüber davon ab, ob der Gesuchsteller von der Sache her einen solchen Vertreter benötigt und insbesondere ob ihm für dessen Be- zahlung die erforderlichen Mittel fehlen (§ 60 StPO i.V.m. § 125 ZPO). Vor diesem Hintergrund bezieht sich § 9 Abs. 2 AnwT nach sei- nem Wortlaut und der systematischen Stellung ausschliesslich auf die unentgeltliche Rechtspflege im Strafverfahren, während sich die Entschädigung des amtlichen Verteidigers wie bis anhin auf § 9 Abs. 1 AnwT stützt. bbb) Der Regierungsrat wollte mit seinen Anträgen zur Revi- sion des Anwaltstarifs den Stundentarif für verwaltungsrechtliche und versicherungsgerichtliche Streitigkeiten einführen. Als Stunden- ansatz sollte dieselbe Regelung gelten wie in Strafsachen (Botschaft des Regierungsrats vom 26. März 2003, S. 3 f. und 8). Die Justiz- kommission hat zu diesem Antrag der Regierung eine Erhöhung des maximalen Stundenansatzes von Fr. 250.-- auf Fr. 280.-- beantragt (Protokoll des Grossen Rates vom 26. August 2003 [Protokoll GR], S. 2238 f., Votum Kurt Emmenegger). Der Absatz 2 von § 9 AnwT hat seinen Ursprung in einem An- trag, der im Plenum des Grossen Rates eingebracht wurde, nachdem dieser eine Revision von § 9 AnwT nach den Anträgen der Regierung und der Justizkommission abgelehnt hatte. Der Beschluss zur Ableh- nung der Revision von § 9 AnwT war ein nachvollziehbarer Ent- scheid, denn der Grosse Rat hatte zuvor einen Systemwechsel bei der Entschädigung in Verwaltungssachen (nach Aufwand statt wie bisher nach Streitwert; vgl. § 5 AnwT) abgelehnt. Der Antrag zur Ergän- zung von § 9 AnwT mit einem Absatz 2 (mit dem beschlossenen Wortlaut) war mit dem Zusatz verknüpft, dass eine Gutheissung des Antrags die Streichung der Klammer im neuen Absatz 1 dieser Be- 2004 Normenkontrolle 105 stimmung erfordere (Protokoll GR, S. 2248, Votum Andreas Glar- ner). Aus der Begründung zu diesem Antrag und den anschliessenden Voten ergibt sich, dass im Grossen Rat die Unterschiede zwischen amtlicher Verteidigung und unentgeltlicher Rechtsvertretung in Strafverfahren nicht gegenwärtig waren. Auch die im Antrag ver- langte Streichung des Klammereinschubes (betreffend Verbeistän- dung der Zivilkläger im Strafprozess) ging in den Beratungen voll- kommen unter. Der Präsident der Justizkommission hielt ausdrück- lich fest, es gehe um das Honorar in Strafsachen, ein weiteres Votum erläuterte, dass es sich beim Antrag um die amtliche Verteidigung handle, und auch Regierungsrat Wernli hielt fest, dass mit dem An- trag das Honorar in Strafsachen und für die amtliche Verteidigung festgesetzt werde (Protokoll GR, S. 2249 f., Voten Markus Leimba- cher, Thierry Burkart, Regierungsrat Kurt Wernli). Die Frage der Entschädigung der Zivilkläger im Strafprozess wurde nicht behan- delt. Unter diesen Umständen führt die grammatikalische und sys- tematische Auslegung von § 9 Abs. 2 AnwT nicht zu den vom Ge- setzgeber sachlich gewollten Folgen. ccc) Auch die teleologische Auslegung legt ein vom Wortlaut abweichendes Ergebnis nahe. Diese stellt auf die Zweckvorstellung, die mit einer Rechtsnorm verbunden ist, ab (Häfelin/Haller, a.a.O., Rz. 120). Der Zweck der Ergänzung von § 9 AnwT mit einem Ab- satz 2 ist nach dem Willen des Grossen Rates, bei der Entschädigung von Anwälten zu sparen, wo zulasten der Allgemeinheit erhebliche Kosten anfallen. Bei den Strafsachen sei dies in erster Linie bei den amtlichen Verteidigungen der Fall (Protokoll GR, S. 2249, Votum Andreas Glarner). Die unentgeltliche Rechtspflege im Strafverfahren ist selten; sie kommt in der Praxis lediglich im Privatstrafverfahren und bei der Vertretung eines Zivilklägers zur Anwendung (§ 60 StPO), so dass die finanziellen Auswirkungen von absolut untergeordneter Bedeu- tung sind. Auch der Umstand, dass mit der Revision des Anwaltsta- rifs vom 26. August 2003 der Grosse Rat das Postulat Verena Zehn- der (Kosteneindämmung für die unentgeltliche Rechtsvertretung) überwiesen hat, um eine umfassende Neuregelung der Entschädigung 2004 Verwaltungsgericht 106 für die unentgeltliche Rechtspflege einzuleiten, spricht dafür, dass mit dem neuen § 9 Abs. 2 AnwT nur die Entschädigung für die amtliche Verteidigung hätte geregelt werden sollen. ddd) Das Bundesgericht geht bei der Auslegung von Erlassen vom Methodenpluralismus aus und stellt nur dann allein auf die grammatikalische Auslegungsmethode ab, wenn sich daraus zwei- fellos eine sachlich richtige Lösung ergibt (BGE 110 Ib 7 ff.). Bei verhältnismässig jungen Gesetzen darf der Wille des historischen Gesetzgebers nicht übergangen werden (BGE 112 Ia 102 ff.). § 9 Abs. 2 AnwT ist eine junge Bestimmung; sie wurde am 26. August 2003 eingeführt und ist seit dem 1. Januar 2004 in Kraft. Daraus folgt, dass § 9 Abs. 2 AnwT entgegen seinem Wortlaut die Entschädigung des amtlichen Verteidigers und nicht des unentgeltli- chen Rechtsvertreters in Strafsachen regelt. Auch die Antragsteller gehen im Übrigen von dieser Auslegung aus. bb) Der Antragsteller 2 macht geltend, dass § 9 Abs. 2 AnwT nicht bloss von Strafgerichten, sondern auch von Verwaltungsbe- hörden im Sinne von § 68 VRPG angewandt werde. aaa) Bei Einstellung eines Strafverfahrens handelt die Staatsan- waltschaft als selbstständige Justizbehörde, die weder der rechtspre- chenden Gewalt noch der Exekutive zuzurechnen ist (Beat Brühl- meier, Aargauische Strafprozessordnung, Kommentar, 2. Auflage, Aarau 1980, § 3 Abs. 1 N 3 mit Hinweis). Auf Begehren gewährt die Staatsanwaltschaft eine Entschädigung für andere Nachteile, die der Beschuldigte erlitten hat (§ 140 Abs. 1 StPO). Darunter fallen auch die Kosten für die amtliche Verteidigung (vgl. AGVE 1960, S. 119 f.). Wird ein Strafverfahren, bei dem ein amtlicher Verteidiger be- stellt wurde, eingestellt, muss die Staatsanwaltschaft § 9 Abs. 2 AnwT anwenden. Gegen die Einstellung des Verfahrens kann beim Obergericht Beschwerde geführt werden (§ 141 Abs. 1 i.V.m. § 213 Abs. 1 StPO). Dem Beschuldigten steht zwar gegen die Einstellung des Verfahrens kein Beschwerderecht zu (§ 141 Abs. 1 StPO), er kann aber gegen die Einstellungsverfügung als solche Beschwerde führen, wenn sein gemäss § 140 Abs. 1 StPO gestelltes Begehren um Entschädigung abgewiesen wurde (Brühlmeier, a.a.O., § 141 Abs. 1 2004 Normenkontrolle 107 N 3). Das Obergericht entscheidet darüber als strafrichterliche Be- hörde (vgl. §§ 4 ff. und § 10 StPO). bbb) Im Bereich der Opferhilfe können Verwaltungsbehörden tätig werden. Sie sind aber nicht für die Beurteilung der Entschä- digung des amtlichen Verteidigers zuständig, denn das Opfer kann nicht amtlich verteidigt werden (vgl. §§ 58 f. StPO). Tritt das Opfer im Strafverfahren als Zivilkläger auf, besteht unter den Vorausset- zungen von § 60 Abs. 2 StPO ein Anspruch auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand, nicht auf einen amtlichen Verteidiger. ccc) Im Jugendstrafverfahren ist die Verteidigung durch einen patentierten Anwalt vor dem Jugendgericht nur in bestimmten Fällen zulässig. In wichtigen Fällen kann der Präsident des Jugendgerichts dem Kind oder Jugendlichen einen amtlichen Verteidiger bestimmen (§ 13 des Dekretes über die Jugendstrafrechtspflege [SAR 251.130] vom 27. Oktober 1959). Diese Bestimmung weicht von der Regelung der amtlichen Verteidigung in der Strafprozessordnung (§§ 58 f. StPO) ab, weshalb letztere nicht anwendbar ist (§ 17 Abs. 2 StPO). Im Jugendstrafverfahren ist daher eine strafrichterliche Behörde zur Bestimmung eines amtlichen Verteidigers und somit auch für die Festsetzung von dessen Entschädigung zuständig. Dieser Entscheid kann beim Obergericht angefochten werden (§ 26 Abs. 3 Dekret über die Jugendstrafrechtspflege). ddd) Im Rechtshilfeverfahren ordnet die mit einer Strafsache befasste Behörde Verfahrenshandlungen direkt in einem andern Kanton an oder führt diese selber durch (Art. 3 Abs. 1 des Konkor- dats über die Rechtshilfe und die interkantonale Zusammenarbeit in Strafsachen [SAR 250.100] vom 5. November 1992). Solche Verfah- renshandlungen sind z.B. Verhandlungen, Augenscheine, Durchsu- chungen oder Beschlagnahmen (vgl. Art. 9 f. Konkordat über die Rechtshilfe und die interkantonale Zusammenarbeit in Strafsachen). Die Bestellung und Entschädigung eines amtlichen Verteidigers ob- liegt aber weiterhin der um Rechtshilfe ersuchenden Behörde (vgl. Art. 14 Konkordat über die Rechtshilfe und die interkantonale Zu- sammenarbeit in Strafsachen), d.h. dem Untersuchungsrichter auf Verlangen des Beschuldigten oder dem Gerichtspräsidenten (§§ 58 f. StPO). Soweit die Bestellung der amtlichen Verteidigung durch den 2004 Verwaltungsgericht 108 Gerichtspräsidenten erfolgt, ist sein Entscheid mit einem Rechtsmit- tel (§§ 206 ff. StPO) beim Obergericht anfechtbar. Wird die amtliche Verteidigung vom Untersuchungsrichter bestellt, entscheidet entwe- der eine Verwaltungsbehörde (bei Verfahrenseinstellung) oder eine strafrichterliche Behörde (bei Durchführung eines Gerichtsverfah- rens) über die Entschädigung der amtlichen Verteidigung. In beiden Fällen kann deren Entscheid durch das Obergericht überprüft werden (siehe vorne Erw. 4/d/bb/aaa und §§ 206 ff. StPO). cc) Andere Sachbereiche, wo Verwaltungsbehörden § 9 Abs. 2 AnwT anzuwenden und die Entschädigung der amtlichen Verteidi- gung festzusetzen hätten, sind nicht erkennbar und werden von den Antragstellern auch nicht geltend gemacht. dd) Auch eine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts im ver- waltungsgerichtlichen Klageverfahren fällt nicht in Betracht. Gemäss § 60 Ziff. 3 VRPG urteilt das Verwaltungsgericht als einzige Instanz über vermögensrechtliche Streitigkeiten, an denen u.a. der Kanton beteiligt ist, sofern nicht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gege- ben oder ein Zivilgericht oder ein Spezialrekursgericht zuständig ist. Der Subsidiaritätsgrundsatz bedeutet, dass die Klage in vermögens- rechtlichen Streitigkeiten dann nicht gegeben ist, wenn eine staatli- che Behörde über den Anspruch einseitig entscheiden kann und muss oder ein Spezial- oder Zivilgericht zuständig ist (vgl. Merker, a.a.O., § 60 N 35 f.). Die Subsidiarität ist umfassend (AGVE 1996, S. 156 f. mit Hinweisen). Über die Entschädigung des amtlichen Verteidigers entscheiden die zuständigen Justizbehörden und deren Entscheide können mit einem Rechtsmittel beim Obergericht angefochten werden (siehe vorne Erw. 4/d/bb). Die StPO enthält somit eine Sonderregelung über die Zuständigkeit und diese geht § 60 Ziff. 3 VRPG vor. ee) Schlussfolgernd wird somit § 9 Abs. 2 AnwT in Strafver- fahren von Verwaltungsbehörden der Justiz hauptfrageweise an- gewandt, aber nicht unter Begründung eines Verwaltungsrechtspfle- geverhältnisses im Sinne von § 68 VRPG. Auch eine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts im verwaltungsgerichtlichen Klageverfah- ren fällt nicht in Betracht.
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