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Microsoft Word - 00698314.docx Versicherungsgericht 3. Kammer VBE.2020.343 / za / sc Art. 173 Urteil vom 16. Oktober 2020 Besetzung Oberrichterin Gössi, Präsidentin Oberrichter Hartmann Oberrichter Kathriner Gerichtsschreiber Zürcher Beschwerde- führerin Stiftung A. _ Beschwerde- gegner AWA - Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Aargau, Rain 53, 5000 Aarau Gegenstand Beschwerdeverfahren betreffend AVIG (Einspracheentscheid vom 11. Juni 2020) - 2 - Das Versicherungsgericht entnimmt den Akten: 1. Die Beschwerdeführerin ist eine Stiftung mit dem Zweck, _. Sie nahm mit Schreiben vom 21. April 2020 beim Beschwerdegegner eine von Kurzarbeit für die Zeit ab dem 17. März 2020 vor. Mit vom 1. Mai 2020 erhob der Beschwerdegegner teilweise Einspruch gegen die Auszahlung von Kurzarbeitsentschädigung für die Pflege 10 und legte den frühestmöglichen Beginn des (bei Erfüllung der weiteren Voraussetzungen bestehenden) Anspruchs auf den 21. April 2020 fest. Die hiergegen mit Schreiben vom 12. Mai 2020 erhobene wies der Beschwerdegegner mit Einspracheentscheid vom 11. Juni 2020 ab. 2. 2.1. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 7. Juli 2020 Beschwerde und beantragte sinngemäss die Zusprache von ab dem 17. März 2020. 2.2. Der Beschwerdegegner beantragte mit Vernehmlassung vom 14. Juli 2020 die Abweisung der Beschwerde. Das Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. Streitig und zu prüfen ist der frühestmögliche Beginn des Anspruchs der Beschwerdeführerin auf Kurzarbeitsentschädigung. Der erachtet einen Anspruch ab dem Zeitpunkt der Voranmeldung vom 21. April 2020 als ausgewiesen (Vernehmlassungsbeilage [VB] 5 f.; 20 ff.). Die Beschwerdeführerin bringt hiergegen vor, sie habe nirgends darüber erhalten, dass sie ihren Antrag vorsorglich hätte stellen , vielmehr sei sie nur auf die Notwendigkeit der Ausfallstunden in Höhe von 10 % hingewiesen worden, so letztmals durch B. _ am 25. März 2020. Da die Beschwerdeführerin ihre Einsätze aber jeweils abrechne, habe sie im März über keine definitive Kenntnis der effektiven Ausfallstunden verfügt. Aufgrund dieser Spezialsituation sei der Anspruchsbeginn auf den 17. März 2020 festzulegen (Beschwerde S. 1). 2. 2.1. Gemäss Art. 31 Abs. 1 AVIG haben Arbeitnehmer, deren normale verkürzt oder deren Arbeit ganz eingestellt ist, Anspruch auf , wenn sie für die Versicherung beitragspflichtig sind - 3 - oder das Mindestalter für die Beitragspflicht in der AHV noch nicht erreicht haben (lit. a), der Arbeitsausfall anrechenbar ist (lit. b), das nicht gekündigt ist (lit. c) und der Arbeitsausfall voraussichtlich ist und erwartet werden darf, dass durch Kurzarbeit ihre erhalten werden können (lit. d). Diese Voraussetzungen müssen erfüllt sein (BGE 121 V 371 E. 2a S. 373 f.). Vom anrechenbaren Arbeitsausfall wird für jede Abrechnungsperiode eine vom Bundesrat Karenzzeit von höchstens drei Tagen abgezogen (Art. 32 Abs. 2 AVIG). Beabsichtigt ein Arbeitgeber, für seine Arbeitnehmer geltend zu machen, so muss er dies der kantonalen Amtsstelle mindestens zehn Tage vor Beginn der Kurzarbeit schriftlich voranmelden. Der Bundesrat kann für Ausnahmefälle kürzere Voranmeldefristen (Art. 36 Abs. 1 AVIG, Art. 58 AVIV). Hat der Arbeitgeber die Kurzarbeit ohne entschuldbaren Grund nicht fristgemäss vorangemeldet, so wird der Arbeitsausfall erst anrechenbar, wenn die für die Voranmeldung Frist abgelaufen ist (Art. 58 Abs. 4 AVIV). Bei der Frist zur Voranmeldung von Kurzarbeit handelt es sich um eine Verwirkungsfrist (BGE 110 V 334 E. 3d S. 337 f.). 2.2. Mit der Verordnung über Massnahmen im Bereich der im Zusammenhang mit dem Coronavirus (COVID-19) vom 20. März 2020 (gemäss deren Art. 9 rückwirkend in Kraft getreten auf den 1. März 2020; nachfolgend: COVID-19-Verordnung [SR 837.033]) nahm der Bundesrat gestützt auf Art. 185 Abs. 3 BV verschiedene Anpassungen betreffend den Anspruch auf vor. Nach Art. 3 COVID-19-Verordnung in der vom 1. März 2020 (vgl. Beschluss vom 17. März 2020 [AS 2020 877] i.V.m. Art. 9 COVID-19-Verordnung Arbeitslosenversicherung) bis 31. Juli 2020 (vgl. Änderungen vom 12. August 2020 mit Wirkung ab 1. September 2020 [AS 2020 3569]) gültigen Fassung wird in Abweichung von Art. 32 Abs. 2 AVIG keine Karenzzeit vom anrechenbaren abgezogen. Gemäss Art. 8b COVID-19-Verordnung in der vom 1. März 2020 (vgl. Änderungen vom 8. April 2020 [AS 2020 1201] i.V.m. Art. 9 COVID-19-Verordnung ) bis 31. Mai 2020 (vgl. Änderungen vom 20. Mai 2020 mit Wirkung ab 1. Juni 2020 [AS 2020 1777]) gültig gewesenen Fassung muss der in Abweichung von Art. 36 Abs. 1 AVIG und Art. 58 Abs. 1 bis 4 AVIV auch keine Voranmeldefrist abwarten, wenn er beabsichtigt, für seine Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Kurzarbeitsentschädigung geltend zu machen (Abs. 1). Die Kurzarbeit kann auch telefonisch vorangemeldet werden. Der Arbeitgeber muss die telefonische Voranmeldung schriftlich bestätigen (Abs. 2). - 4 - 2.3. Die Geltendmachung des betraglichen Entschädigungsanspruchs hat durch den Arbeitgeber innert dreier Monate nach Ablauf jeder gesamthaft für den Betrieb bei der von ihm bezeichneten Kasse zu erfolgen (Art. 38 Abs. 1 AVIG). 3. 3.1. Aus den Akten geht hervor und ist unbestritten, dass die erstmals am 21. April 2020 eine Voranmeldung von Kurzarbeit . Vor dem 21. April 2020 eingereichte Unterlagen der lassen sich den Akten des Beschwerdegegners nicht entnehmen und werden auch nicht behauptet. Unter Berücksichtigung der in E. 2.1 f. hiervor konnte ein Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung folglich frühestens ab der Anmeldung vom 21. April 2020 entstehen. Zwar hob der Bundesrat mit der COVID-19-Verordnung die in Art. 36 Abs. 1 AVIG und Art. 58 Abs. 1 bis 4 AVIV vorgesehenen Voranmeldefristen auf, womit die Beschwerdeführerin betreffend den des Anspruchs auf Kurzarbeitsentschädigung keine Voranmeldefrist abwarten musste. Eine rückwirkende Anspruchsbegründung ist dennoch ausgeschlossen. Die Voranmeldefrist beträgt 0 Tage und beginnt ab dem Zeitpunkt der Voranmeldung (telefonisch / postalisch), womit dieser den frühestmöglichen Anspruchsbeginn darstellt. 3.2. Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, sie sei nicht über die eines vorsorglichen Antrages informiert worden, so geht aus ihren nicht hervor, dass sich ihre Anfragen auf die Anmeldungsfristen bezogen, sondern vielmehr auf den Umfang des zu erreichenden (vgl. Beschwerde S. 1). Die Beschwerdeführerin bringt jedenfalls nicht vor, ihr sei die Information erteilt worden, sie könne ihre von Kurzarbeit auch noch im April rückwirkend per 17. März . Bei der hier zu beurteilenden Voranmeldung von Kurzarbeit beim einerseits und der Geltendmachung des betraglichen gegenüber der von der Beschwerdeführerin Kasse im Sinne von Art. 38 Abs. 1 AVIG (vgl. E. 2.3. hiervor) andererseits handelt es sich um zwei voneinander grundsätzlich Vorgänge. Letztere kann bis zu drei Monate nach Ablauf jeder vorgenommen werden. Dabei ist der effektive Arbeitsausfall erstmals festzuhalten. Soweit die Beschwerdeführerin diese nicht kannte, ist dies insofern unerheblich, als niemand Vorteile aus seiner eigenen Rechtsunkenntnis ableiten kann (vgl. etwa Urteil des 8C_496/2017 vom 5. Februar 2018 E. 5.3.2 mit Hinweis auf BGE 136 V 331 E. 4.2.3.1 S. 336). Daran ändern auch die der Beschwerdeführerin oder die aussergewöhnlichen Verhältnisse im Zusammenhang mit der COVID-19 Pandemie nichts. - 5 - 3.3. Der Beschwerdegegner verneinte einen Anspruch auf für den vor dem 17. April 2020 liegenden Zeitraum somit zu Recht, weshalb die Beschwerde abzuweisen ist. 4. 4.1. Das Verfahren ist kostenlos (Art. 61 lit. a ATSG). 4.2. Der Beschwerdeführerin steht nach dem Ausgang des Verfahrens (Art. 61 lit. g ATSG) und dem Beschwerdegegner aufgrund seiner Stellung als (BGE 126 V 143) kein Anspruch auf zu. Das Versicherungsgericht erkennt: 1. Die Beschwerde wird abgewiesen. 2. Es werden keine Verfahrenskosten erhoben. 3. Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen. Zustellung an: die Beschwerdeführerin den Beschwerdegegner das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) - 6 - Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Zustellung beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht werden (Art. 82 ff. in Verbindung mit Art. 90 ff. BGG). Die Frist steht während folgender Zeiten still: vom Tag vor Ostern bis und mit dem siebten Tag nach Ostern, vom 15. Juli bis und mit 15. August sowie vom 18. Dezember bis und mit dem 2. Januar (Art. 46 BGG). Die Beschwerdeschrift ist dem Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, zuzustellen. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines Vertreters zu enthalten; der angefochtene Entscheid sowie die als angerufenen Urkunden sind beizulegen, soweit die Partei sie in hat (Art. 42 BGG). Aarau, 16. Oktober 2020 Versicherungsgericht des Kantons Aargau 3. Kammer Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber: Gössi Zürcher
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2016 Sozialversicherungsrecht 77 [...] 10 Art. 18 Abs. 1 OR Auslegung eines Kollektiv-Krankentaggeldversicherungsvertrages nach dem Vertrauensprinzip. Vorliegend durfte sich die versicherte Person auf die in der Police angegebene, von den AVB abweichende Leistungsdauer verlassen. Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 3. Kammer, vom 5. Juli 2016 i.S. C.B. und Y.B. gegen X. AG (VKL.2015.22). Aus den Erwägungen 3. 3.1.-3.2. (...) 3.3. 2016 Obergericht, Abteilung Versicherungsgericht 78 In Bezug auf die Auslegung von Versicherungsverträgen gilt, dass Individualabreden in der Regel vorformulierten Vertragsbe- stimmungen vorgehen (BGE 93 II 326 E. 4b S. 326; 123 III 44 E. 2c/bb; S TEPHAN F URER , in: Basler Kommentar zum Ver- sicherungsvertragsgesetz [VVG], 2001, N. 77 ff. zu Art. 33 VVG). Im Übrigen sind vorformulierte Vertragsbestimmungen und in- dividuell verfasste Vertragsklauseln grundsätzlich nach den gleichen Regeln auszulegen (vgl. BGE 133 III 675 E. 3.3 S. 681). Somit bestimmt sich der Inhalt in erster Linie nach dem übereinstimmenden wirklichen Parteiwillen (Art. 18 Abs. 1 des Obligationenrechts [OR]). Wenn dieser unbewiesen bleibt, sind zur Ermittlung des mut- masslichen Parteiwillens die Erklärungen der Parteien aufgrund des Vertrauensprinzips so auszulegen, wie sie nach den gesamten Umständen verstanden werden durften und mussten (vgl. BGE 133 III 675 E. 3.3 S. 681; zum Ganzen: Urteil des BGer 5C.271/2004 vom 12. Juli 2005 E. 2; siehe auch G AUCH /S CHLUEP /S CHMID , Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Band I, 10. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2014, Rz. 207). Dabei hat das Gericht insbesondere vom Wortlaut auszugehen und zu berücksichtigen, was sachgerecht erscheint (vgl. Urteil des BGer 5C.21/2007 vom 20. Ap- ril 2007 E. 3.1). 3.4. (...) 4. (...) 5. 5.1. Am 12. Juli 2012 beantragte der Versicherte für eine Jahresprä- mie von Fr. 990.00 den Abschluss einer Krankentaggeldversicherung ab 1. Januar 2013 für eine Laufzeit von drei Jahren. Als Deckungsumfang sind auf dem Antrag eine Leistungsdauer von 730 Tagen, abzüglich einer Wartefrist von 90 Tagen, und ein versicherter Jahreslohn von Fr. 96'000.00 festgehalten. Unter den allgemeinen Vertragsangaben auf dem Deckblatt ist die AVB-Ausgabe vom Juli 2010 vermerkt. Gleichzeitig bestätigte der Antragssteller mit der An- tragsunterzeichnung den Erhalt der AVB. In der daraufhin ausgestell- 2016 Sozialversicherungsrecht 79 ten Police vom 17. Juli 2012 wurde der Deckungsumfang wie bean- tragt übernommen und als Vertragsgrundlagen die AVB vom Juli 2010 aufgeführt. Als Erstbeginn der Versicherung wurde der 1. Januar 2010 angegeben. Ab diesem Zeitpunkt begann die drei- jährige Laufzeit der zwischen den Parteien am 7. August 2009 zu gleichlautenden Konditionen abgeschlossenen Police, welche noch auf die AVB vom August 2008 verweist. Beide AVB-Ausgaben ent- halten eine Klausel, wonach ab dem ordentlichen AHV-Rentenalter ein Leistungsanspruch nur noch für maximal 180 Tage für alle laufenden und künftigen Versicherungsfälle besteht (vgl. Art. E6 Abs. 9 AVB [Ausgabe August 2008] bzw. Art. E6 Abs. 10 AVB [Ausgabe Juli 2010]). 5.2. Mit Schreiben vom 8. Dezember 2014 legte der Generalagent der Beklagten dem Kläger eine ab 1. Januar 2015 gültige Police vor, welche die bestehende Krankentaggeldversicherung gemäss Police vom 17. Juli 2012 ersetzen sollte und eine besondere Vertragsbe- dingung enthielt, wonach gemäss AVB die Leistungsdauer bei Krankheit ab dem 65. Altersjahr auf 180 Tage "abzüglich Wartefrist" reduziert wird. Der Versicherte war mit der Änderung nicht einver- standen, womit die bestehende Police vom 17. Juli 2012 ihre Gültig- keit behielt. 6. 6.1. 6.1.1. Entgegen dem klägerischen Vorbringen lässt sich aus dem in E. 5.2 geschilderten Verhalten des Generalagenten nicht herleiten, dass dieser bei Ausstellung des Antrages vom 12. Juli 2012 tatsäch- lich einen Leistungsumfang von 730 Tagen auch nach Erreichen des Pensionsalters vereinbaren wollte, zumal er mit E-Mail vom 10. De- zember 2014 erklärte, mit der geänderten Police vom 8. Dezember 2014 lediglich eine Klarstellung hinsichtlich der gemäss AVB gelten- den, reduzierten Leistungsdauer von 180 Tagen bezweckt zu haben. 6.1.2. Gleichzeitig vermag die Beklagte ihre Behauptung, wonach der Versicherungsnehmer beim Vertragsschluss im August 2009 über alle 2016 Obergericht, Abteilung Versicherungsgericht 80 wesentlichen Punkte des Leistungsumfanges - und damit auch über die den Leistungsumfang einschränkende AVB-Klausel (Art. E6 Abs. 9 AVB [Ausgabe August 2008]) - informiert worden sei, nicht zu belegen. Der blosse, auch unterschriftlich bestätigte Erhalt der AVB ist für diesen Beweis nicht geeignet, zumal die Klausel weder speziell hervorgehoben (zum Beispiel durch Fettdruck oder grössere Schrift) noch im Inhaltsverzeichnis des umfangreichen Dokumentes auf ihren Inhalt hingewiesen wird. Ebenso fehlt eine Erwähnung des ab Rentenalter reduzierten Leistungsumfanges in der einleitenden Zusammenfassung der wesentlichen Vertragsinhalte, während beispielsweise die altermässige Limitierung der Versicherung bis zum Erreichen des 70. Altersjahres aufgeführt ist. Von einer Kennt- nisnahme der fraglichen AVB-Regelung durch den Versiche- rungsnehmer durfte die Beklagte daher auch unter diesen Gesichts- punkten nicht ausgehen. 6.1.3. Das von der Beklagten vorgebrachte Argument der vorbehaltlo- sen Vertragsverlängerung zielt demnach ins Leere. Aus dem Ver- tragsschluss im August 2009 lässt sich nicht ableiten, der Versicherte habe im Juli 2012 aufgrund des früheren Vertragsschlusses bereits Kenntnis von der nunmehr in Art. E6 Abs. 10 AVB statuierten Regelung gehabt. Ebenso wenig ist erstellt, dass er spätestens im Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Juli 2012 auf die in den AVB nor- mierte Leistungsreduktion nach Erreichen des AHV-Rentenalters ge- sondert aufmerksam gemacht worden ist, wobei die Beklagte die diesbezüglichen Folgen der Beweislosigkeit zu tragen hat. 6.2. Es ergibt sich nach dem Gesagten in Bezug auf die vereinbarte Leistungsdauer kein übereinstimmender wirklicher Parteiwillen (natürlicher Konsens). Ein solcher liesse sich mit Blick auf die be- reits vorliegende Stellungnahme des Generalagenten (vgl. E. 6.1.1) sowie die Ausführungen der Parteien auch durch weitere Abklärun- gen nicht feststellen. Stattdessen ist der mutmassliche Parteiwille bzw. der normative Konsens mittels Auslegung der Erklärungen der Parteien aufgrund des Vertrauensprinzips zu ermitteln. 6.3. 2016 Sozialversicherungsrecht 81 6.3.1. Zu prüfen gilt es demnach, ob bei objektivierter Auslegung der für die strittigen Leistungen massgebenden Police vom 17. Juli 2012 von einer auch nach Eintritt des AHV-Rentenalters geltenden, indi- viduell vereinbarten Leistungsdauer von 730 Tagen auszugehen ist, welche als Individualabrede widersprechenden AVB-Bestimmungen vorgeht. 6.3.2. Zur Leistungsdauer äussert sich die Police vom 17. Juli 2012 auf Seite 4: Unter dem Titel "Leistungsübersicht" wird unter "Kran- kentaggeldversicherung" eine (für solche Verträge übliche) Leis- tungsdauer von 730 Tagen, abzüglich einer Wartefrist von 90 Tagen, angegeben, wobei als versicherte Person der Erblasser mit Name aufgeführt ist. Diese Angaben stimmen mit dem Antrag des Ver- sicherten vom 12. Juli 2012 überein (vgl. E. 5.1). Die AVB, Ausgabe vom Juli 2010, werden lediglich in allgemeiner Form auf dem Deckblatt der Police unter dem Stichwort "Vertragsgrundlagen" er- wähnt ohne jeglichen Konnex zur Leistungsdauer. Auch sonst ist in der ganzen Police kein Hinweis auf die nach Erreichen des AHV- Rentenalters reduzierte Leistungsdauer oder zumindest ein Verweis auf Art. E6 Abs. 10 AVB zu finden. Die explizit auf den Erblasser be- zogene und auch vom Wortlaut her unmissverständlich vereinbarte Leistungsdauer von 730 Tagen erfährt damit keine für die versicherte Person erkennbare Einschränkung oder Relativierung. Dass der Ver- storbene sonst in irgendeiner Weise über den im Pensionsalter ge- mäss AVB reduzierten Leistungsumfang informiert worden wäre, ist - wie in E. 6.1.2 f. dargelegt - nicht erstellt. 6.3.3. Im vorliegenden Fall wurde die Police abgeschlossen, als der Versicherungsnehmer das ordentliche AHV-Rentenalter bereits seit fast fünf Monaten erreicht hatte. Es macht objektiv betrachtet keinen Sinn und erscheint auch nicht sachgerecht, (ohne Vorbehalt) eine Leistungsdauer von 730 Tagen in eine Police aufzunehmen, wenn die versicherte Person diese aufgrund ihres Alters bei Eintritt des ver- sicherten Ereignisses gar nicht mehr beanspruchen kann. Dabei ist es unbeachtlich, ob es sich um eine Fortführung des früheren Versiche- 2016 Obergericht, Abteilung Versicherungsgericht 82 rungsvertrages handelt, der im Übrigen - abgesehen vom generellen Verweis auf die AVB - ebenfalls keinerlei Hinweise auf die redu- zierte Leistungsdauer ab Pensionsalter enthielt. Immerhin war der Versicherungsnehmer damals während mehr als zwei Dritteln der vereinbarten Vertragslaufzeit noch nicht 65 Jahre alt. Die Angabe der maximalen Leistungsdauer von 180 Tagen bzw. zumindest ein entsprechender klarer, hinreichend hervorgehobener Vorbehalt wäre demnach spätestens mit der Police vom 17. Juli 2012 erforderlich gewesen. Da dies nicht geschehen ist, durfte und musste das Erklärungsverhalten der Beklagten gegenüber dem Versicherungsnehmer in guten Treuen auf eine gewollte Leistungs- dauer von 730 Tagen schliessen lassen. 6.4. Zusammenfassend ist aufgrund des klaren und eindeutigen Wortlauts der Police sowie in Anbetracht der dargelegten Umstände davon auszugehen, dass die Parteien mit der Police vom 17. Juli 2012 eine individuelle Vereinbarung einer im AHV-Rentenalter gel- tenden Leistungsdauer von 730 Tagen (abzüglich einer Wartefrist von 90 Tagen) getroffen haben, welche der Regelung in Art. E6 Abs. 10 AVB (Ausgabe vom Juli 2010) vorgeht. Eine Geltungskontrolle der erwähnten AVB-Klausel, insbeson- dere die Prüfung der Ungewöhnlichkeit von Art. E6 Abs. 10 AVB im Hinblick auf die berechtigten Deckungserwartungen des Versiche- rungsnehmers, erübrigt sich somit.
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2016 Sozialversicherungsrecht 37 [...] 2 Art. 9 und Art. 13 Abs. 1 IVG; Art. 23 bis Abs. 3 IVV; Ziff. 352 GgV Anhang Voraussetzungen, unter welchen medizinische Eingliederungsmassnah- men bei Geburtsgebrechen im Ausland gewährt werden. Es besteht keine Unmöglichkeit der medizinischen Behandlungen des Geburtsgebrechens Hypospadie (Ziff. 352 GgV Anhang) in der Schweiz. Das Vorliegen von 2016 Obergericht, Abteilung Versicherungsgericht 38 anderen beachtlichen Gründen im Sinne von Art. 23 bis Abs. 3 IVV wird vorliegend verneint. Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 1. Kammer, vom 3. Mai 2016, i.S. N.H. gegen SVA Aargau (VBE.2016.72) Aus den Erwägungen 1. 1.1. (...) 1.2. Als Geburtsgebrechen im Sinne von Art. 13 IVG gelten Ge- brechen, die bei vollendeter Geburt bestehen (Art. 3 Abs. 2 ATSG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GgV). Im Anhang der GgV wird in Ziff. 352 die Hypospadie und Epis- padie angeführt. 1.3. 1.3.1. Als medizinische Massnahmen, die für die Behandlung eines Geburtsgebrechens notwendig sind, gelten sämtliche Vorkehren, die nach bewährter Erkenntnis der medizinischen Wissenschaft ange- zeigt sind und den therapeutischen Erfolg in einfacher und zweck- mässiger Weise anstreben (Art. 2 Abs. 3 GgV). Die Massnahmen umfassen gemäss Art. 14 Abs. 1 IVG die Behandlung, die vom Arzt selbst oder auf seine Anordnung durch medizinische Hilfspersonen in Anstalts- oder Hauspflege vorgenommen wird (lit. a) und die Abgabe der vom Arzt verordneten Arzneien (lit. b). Die versicherte Person hat in der Regel nur Anspruch auf die dem jeweiligen Einglie- derungszweck angemessenen, notwendigen Massnahmen, nicht aber auf die nach den gegebenen Umständen bestmöglichen Vorkehren (vgl. Art. 8 Abs. 1 IVG); denn das Gesetz will die Eingliederung lediglich so weit sicherstellen, als diese im Einzelfall notwendig, aber auch genügend ist. Ferner muss der voraussichtliche Erfolg einer Eingliederungsmassnahme in einem vernünftigen Verhältnis zu 2016 Sozialversicherungsrecht 39 ihren Kosten stehen (BGE 124 V 108 E. 2a S. 110; vgl. auch M EYER / R EICHMUTH , Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialver- sicherungsrecht, IVG, 3. Auflage 2014, N. 28 zu Art. 13). 1.3.2. Nach Art. 9 Abs. 1 IVG werden Eingliederungsmassnahmen in der Schweiz, ausnahmsweise auch im Ausland, gewährt. Erweist sich die Durchführung einer Eingliederungsmassnahme in der Schweiz nicht als möglich, insbesondere weil die erforderlichen Institutionen oder Fachpersonen fehlen, oder muss eine medizinische Massnahme notfallmässig im Ausland durchgeführt werden, übernimmt die Invalidenversicherung nach Art. 23 bis Abs. 1 und 2 IVV die Kosten einer einfachen und zweckmässigen Durchführung im Ausland. Wird eine Massnahme aus anderen beachtlichen Gründen im Ausland durchgeführt, vergütet die Invalidenversicherung die Kosten bis zum Umfang, in welchem solche Leistungen in der Schweiz zu erbringen gewesen wären (Art. 23 bis Abs. 3 IVV). 1.3.3. Unmöglichkeit im Sinne von Art. 23 bis Abs. 1 IVV liegt vor, wenn die konkret notwendige Massnahme objektiv wegen ihrer Besonderheit und Seltenheit in der Schweiz nicht oder noch nicht vollzogen werden kann, d.h. die Durchführung der Massnahme in der Schweiz praktisch unmöglich ist (S ILVIA B UCHER , Eingliederungs- recht der Invalidenversicherung, Bern 2011, N. 285 mit Hinweis auf BGE 133 V 624 E. 2.1 S. 626). Bei Vornahme einer komplizierten Operation führt der Umstand, dass eine spezialisierte Klinik im Aus- land über mehr Erfahrung auf dem betreffenden Gebiet verfügt, für sich allein noch nicht zu einer Anwendung von Art. 23 bis Abs. 1 IVV. Diese kann aber bei besonders seltenen Krankheitsfällen, mit wel- chen in der Schweiz tätige Spezialisten noch kaum konfrontiert wor- den sind und deren Behandlung eine genaue Diagnose und viel Erfahrung erfordert, anwendbar sein (B UCHER , a.a.O., N. 286 mit Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichts I 545/03 vom 8. März 2004 E. 2.3). 1.3.4. Das Eidgenössische Versicherungsgericht (EVG, heute Bundes- gericht) hat i n BGE 110 V 99 entschieden, dass die Voraussetzungen 2016 Obergericht, Abteilung Versicherungsgericht 40 des Abs. 3 von Art. 23 bis IVV offensichtlich weniger weit gehen als diejenigen von Abs. 1 und 2. Die Anforderungen an das Vorliegen beachtlicher Gründe dürften nicht überspannt werden, da ansonsten die Abgrenzung zu den Voraussetzungen des Abs. 1 und 2 schwierig würde. Sodann habe der Bundesrat mit Abs. 3 von Art. 23 bis IVV eine neue Leistungsmöglichkeit eingeführt, welche nicht toter Buchstabe bleiben dürfe. Eine enge Auslegung sei auch deshalb nicht gerechtfertigt, weil die IV mit dieser Leistungsmöglichkeit nicht stärker belastet werde, als wenn die Massnahme in der Schweiz durchgeführt würde. Schliesslich könne es sich auch nicht darum handeln, die IV nur deshalb zu entlasten, weil sich die versicherte Person aus beachtlichen Gründen im Ausland habe behandeln lassen. Obgleich diese Norm somit nicht eng auszulegen ist, können beachtliche Gründe jedoch lediglich solche von erheblichem Gewicht sein. Andernfalls würde nicht nur Abs. 1 und 2 von Art. 23 bis IVV bedeutungslos, sondern auch Art. 9 Abs. 1 IVG unterlaufen, wonach Eingliederungsmassnahmen (nur) "ausnahmsweise" im Aus- land gewährt werden (AHI 1997 S. 119 E. 5c mit Hinweisen). Gemäss Rechtsprechung wurden beachtliche Gründe bejaht, wenn eine besonders seltene Krankheit vorliegt, mit welcher in der Schweiz tätige Spezialisten noch kaum konfrontiert worden sind und deren Behandlung eine genaue Diagnose erfordert oder die einer be- sonders komplizierten Behandlung bedarf, was von der Recht- sprechung beispielsweise im Zusammenhang mit einer seltenen und besonders komplexen Form von Epilepsie bei einem kleinen Kind anerkannt wurde (Urteile des EVG I 161/02 vom 28. November 2002, I 281/00 vom 13. Februar 2001). Sodann können beachtliche Gründe vorliegen, wenn die vorangegangenen, im Inland verfügba- ren Therapien erfolglos waren, oder wenn ein durch die nachhaltige Empfehlung der behandelnden Ärzte geschaffenes alleiniges Ver- trauen in die neue, im Inland nicht verfügbare Therapieform begrün- det wurde (Urteil des EVG I 120/04 vom 16. Mai 2006 E. 4.2.1, vgl. auch Urteile des Bundesgerichts I 601/06 vom 12. März 2008 E. 5.5.3 und 8C_800/2009 vom 1. Juni 2010 E. 2.2.2). Des Weiteren wurde auch eine vorgängig ärztlicherseits dringende Empfehlung für die Auslandbehandlung vorausgesetzt (Urteil des Bundesgerichts 2016 Sozialversicherungsrecht 41 I 601/06 vom 12. März 2008 E. 5.5.3 mit Hinweisen und 8C_800/2009 vom 1. Juni 2010 E. 2.2.2). Im Kreisschreiben des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV) über die medizinischen Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung (KSME), gül- tig ab 1. Januar 2015, werden die bereits genannten, medizinischen Gründe als beachtlich erwähnt (Rz. 1239). Zudem bleibt anzufügen, dass die Frage nach dem Vorliegen beachtlicher Gründe, stets prog- nostisch und nicht nach dem eingetretenen Erfolg zu beurteilen ist (BGE 110 V 99 E. 2 S. 102 mit Hinweis). 2. 2.1. Die Beschwerdegegnerin vertritt die Auffassung, dass eine kompetente Versorgung in der Schweiz, respektive sicher in der Uni- versitäts-Kinderklinik Z., möglich und damit die medizinische Not- wendigkeit einer Operation im Ausland nicht gegeben sei. Es würden auch keine "besonderen" Gründe für eine Auslandbehandlung vorlie- gen. 2.2. Demgegenüber wird von Seiten des Beschwerdeführers darauf hingewiesen, dass eine Behandlung aus beachtlichen Gründen nicht in der Schweiz möglich sei, da die Erzielung eines guten Resultats sehr grosse Erfahrung, d.h. grosse Fallzahlen, und eine klar bessere Operationstechnik voraussetze. 2.3. Streitig und zu prüfen ist demnach, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Beschwerdegegnerin die Kosten für die opera- tive Versorgung (Rekonstruktion der Harnröhre mit anschliessender Vorhautrekonstruktion oder Beschneidung) in der E.-Klinik, Deutschland, übernehmen muss. 3. (...) 4. 4.1. Aus den Akten ergibt sich, dass die Vornahme medizinischer Behandlungen des Geburtsgebrechens Ziff. 352 GgV Anhang in der Schweiz ohne Weiteres möglich ist, weil sowohl entsprechende Be- 2016 Obergericht, Abteilung Versicherungsgericht 42 handlungsstellen als auch Fachpersonen vorhanden sind und eine entsprechende Behandlung der vorliegenden Problematik in der Schweiz regelmässig stattfindet. Hinweise darauf, dass eine Notwen- digkeit für die Behandlung in Deutschland bestanden hatte oder dass eine Behandlung in der Schweiz unmöglich oder nicht ausführbar ge- wesen wäre, liegen nicht vor. Eine Kostengutsprache nach Art. 23 bis Abs. 1 IVV im Umfange der Kosten einer einfachen und zweck- mässigen Durchführung im Ausland scheidet damit von vornherein aus. Die Behandlung in Deutschland hat sich auch nicht anlässlich eines vorübergehenden Auslandaufenthaltes des Beschwerdeführers notfallmässig aufgedrängt. Die Voraussetzungen von Art. 23 bis Abs. 1 und 2 IVV sind demnach nicht erfüllt (vgl. dazu auch Rz. 1236 - 1238 KSME). 4.2. Zu prüfen bleibt, ob dem Beschwerdeführer ein Anspruch auf Kostenbeitrag im Sinne von Art. 23 bis Abs. 3 IVV zusteht, was voraussetzt, dass andere beachtliche Gründe als die in Abs. 1 und 2 genannten die Durchführung einer medizinischen Eingliederungs- massnahme im Ausland veranlasst haben (vgl. E. 1.3.4. hiervor). 4.2.1. Der Beschwerdeführer begründet das Vorliegen eines beachtli- chen Grundes für die Behandlung in der E.-Klinik damit, dass diese über eine grössere Erfahrung verfüge. Dies stellt für sich allein kei- nen beachtlichen Grund dar (vgl. E. 1.3.3. hiervor) und es handelt sich bei der beim Beschwerdeführer vorliegenden Fehlbildung um keine besonders seltene Krankheit (vgl. E. 1.3.4. hiervor). Dies geht übrigens auch aus den mit Beschwerdeschrift eingereichten Unterla- gen hervor, wonach Hypospadie "häufig" vorkomme bzw. zu den "häufigsten Anomalien der männlichen Geschlechtsorgane" zähle. Prof. Dr. med. G. bestätigte in ihrer Stellungnahme vom 4. August 2015, dass es sich bei dem Leiden des Beschwerdeführers um kein seltenes Leiden oder eine besonders seltene Form der Hypospadie handle, für die es in der Schweiz zu wenige kompetente Operateure gäbe. Auch Dr. med. D. führte in seiner Stellungnahme vom 31. Juli 2014 aus, es handle sich um die klassische Konstellation einer Hypospadia subcoronaria. Schliesslich bestätigte auch Dr. med. H. in 2016 Sozialversicherungsrecht 43 seinem Bericht vom 3. April 2014, dass diese Form der Hypospadie heutzutage in allen Ländern mit einem entsprechend entwickelten Gesundheitssystem operativ korrigiert werden könne. Im Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass Prof. Dr. med. G. in ihrer Stellungnahme vom 4. August 2015 festhielt, sie hätten in Z. eine Erfahrung von zwischen 100 und 150 Hypospadiekorrekturen pro Jahr. Auch dem etwas zurückhaltender formulierten Mail von Prof. Dr. med. G. vom 29. Januar 2015 ist nicht zu entnehmen, dass das Kinderspital Z. über mangelnde Erfahrung verfügen würde. Somit lag keine aussergewöhnlich komplexe Fehlbildung vor und gemäss feststehender Aktenlage verfügte die von der Beschwerdegegnerin vorgesehene Durchführungsstelle über ausrei- chende Erfahrung. "Beachtliche Gründe" i.S.v. Art. 23 bis Abs. 3 IVV sind damit zu verneinen. 4.2.2. Der Einwand der Eltern des Beschwerdeführers, sie seien durch die Gespräche mit den Ärzten in der Schweiz sehr verunsichert wor- den, ist nicht stichhaltig. Ein fehlendes Vertrauensverhältnis stellt rechtsprechungsgemäss keinen beachtlichen Grund im Sinne von Art. 23 bis Abs. 3 IVV dar (AHI-Praxis 3/1997, S. 115 und ZAK 1984 S. 86). 4.2.3. Ebenso wenig kann hier ein durch die nachhaltige Empfehlung der behandelnden Ärzte geschaffenes alleiniges Vertrauen der Eltern in die neue Therapieform als schützenswerter Grund angenommen werden. Die Aktenlage zeigt sich vielmehr dergestalt, dass sich die Eltern des Beschwerdeführers von sich aus in eigener Initiative auf die Suche nach einem Behandlungsort mit (noch) grösserer Erfah- rung gemacht und - nach den Unterlagen ohne nähere vorgängige Rücksprache mit den bisher involvierten Fachpersonen und bei be- reits geplanter Operation in Z. - für die operative Versorgung in der E.-Klinik in Deutschland entschieden haben, was allein nicht als er- hebliches und damit beachtenswertes Motiv im Sinne der Recht- sprechung gewichtet werden kann (vgl. Urteil des Bundesgerichts 8C_800/2009 vom 1. Juni 2010 E. 2.2.2; Urteil des EVG I 120/04 vom 16. Mai 2006 E. 4.2.1). 2016 Obergericht, Abteilung Versicherungsgericht 44 4.2.4. Auch die Tatsache, dass die operative Versorgung in der E.-Kli- nik - wie insbesondere auch dem Bericht von Prof. Dr. I. vom 15. Januar 2015 entnommen werden kann - offenbar erfolgreich war, bildet keinen beachtlichen Grund nach Art. 23 bis Abs. 3 IVV; denn die Frage nach der Leistungsgewährung ist in der Invalidenversiche- rung stets prognostisch und nicht nach dem eingetretenen Erfolg zu beurteilen (vgl. BGE 110 V 99 E. 2 S. 101 f.; Urteil des EVG I 120/04 vom 16. Mai 2006 E. 4.2.2). 4.2.5. Der Beschwerdeführer begründet das Vorliegen eines beacht- lichen Grundes im Weiteren auch damit, dass Prof. Dr. I. Operations- techniken entwickelt habe, mit denen die Vorhaut rekonstruiert und dadurch eine Beschneidung vermieden worden sei. Auch dies ver- mag keinen vom Gesetz geforderten beachtlichen Grund darzustellen (vgl. E. 1.3.4. hierzu); denn die Invalidenversicherung hat - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - nicht für die bestmögliche Versorgung aufzukommen, sondern nur für das, was im Einzelfall notwendig, aber auch genügend ist (BGE 110 V 99 E. 2 S. 102 mit Hinweis). Zudem stand nach der Aktenlage auch bei der Operation in Deutschland eine Beschneidung im Raum (..."Beschreibung 2. Eingriff: Vorhautrekonstruktion oder Beschneidung"). 4.2.6. Weitere Hinweise auf beachtliche Gründe sind nicht ersichtlich (vgl. Rz. 1239 KSME). Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass auch der Ausnahmetatbestand von Art. 23 bis Abs. 3 IVV nicht erfüllt ist. Der Beschwerdeführer ist ferner darauf hinzuweisen, dass Art. 23 bis Abs. 3 IVV einen anhand des konkreten Sachverhalts zu beurteilenden Ausnahmetatbestand zu Abs. 1 dieser Bestimmung ent- hält (vgl. Urteil des Bundesgerichts 8C_800/2009 vom 1. Juni 2010 E. 2.2.2). Aus dem Urteil des Kantonsgerichts Freiburg, Sozialversi- cherungsgerichtshof, vom 1. September 2011 (SVR 2012 IV Nr. 37), auf das sich der Beschwerdeführer beruft, kann dieser nichts zu sei- nen Gunsten ableiten, zumal vorliegend die Voraussetzungen nicht erfüllt sind (vgl. E. 4 hiervor). Ebensowenig aus den behaupteten Kostenübernahmen anderer IV-Stellen "in mehreren vergleichbaren 2016 Sozialversicherungsrecht 45 Fällen", zumal - vorliegend mangels Erfüllen der Voraussetzungen - kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht besteht (vgl. BGE 136 I 65 E. 5.6).
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AG_VSG_001
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Microsoft Word - 00698282.docx Versicherungsgericht 4. Kammer VBE.2020.382 / za / ce Art. 253 Urteil vom 4. November 2020 Besetzung Oberrichter Roth, Präsident Oberrichterin Fischer Oberrichter Lindner Gerichtsschreiber Zürcher Beschwerde- führerin A. _ vertreten durch Rechtsanwältin Cynthia Franel, c/o AXA-ARAG AG, Affolternstrasse 42, Postfach, 8401 Winterthur Beschwerde- gegner AWA - Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Aargau, Rain 53, 5000 Aarau Gegenstand Beschwerdeverfahren betreffend AVIG (Einspracheentscheid vom 15. Juni 2020) - 2 - Das Versicherungsgericht entnimmt den Akten: 1. Die Beschwerdeführerin ist eine unselbständige öffentlich-rechtliche mit dem Zweck _ Sie nahm mit E-Mail vom 24. März 2020 beim Beschwerdegegner eine Voranmeldung von Kurzarbeit für die Zeit ab dem 24. März 2020 vor. Mit Verfügung vom 1. April 2020 erhob der Beschwerdegegner keinen Einspruch gegen die Auszahlung von . Dagegen erhob das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) am 1. Mai 2020 Einsprache und beantragte, die Verfügung vom 1. April 2020 sei aufzuheben und ein allfälliger Anspruch auf sei anhand vom Arbeitgeber einzureichender Dokumente betreffend unmittelbar drohenden Arbeitsplatzverlust zu prüfen und . Nach Einholung einer Stellungnahme der Beschwerdeführerin (datierend vom 14. Mai 2020) hob der Beschwerdegegner mit vom 15. Juni 2020 die Verfügung vom 1. April 2020 auf und sinngemäss Einspruch gegen die Auszahlung von . 2. 2.1. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 14. August 2020 fristgerecht Beschwerde und stellte folgende Anträge: " 1. Es sei der Einspracheentscheid vom 15. Juni 2020 aufzuheben. 2. Es sei dem Beschwerdeführer ab dem 24. März 2020 auszurichten. 3. Eventualiter sei dem Beschwerdeführer für die Abteilung ab dem 24. März 2020 Kurzarbeitsentschädigung auszurichten. alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zzgl. 7.7% MwSt) zulasten der Beschwerdegegnerin." 2.2. Mit Vernehmlassung vom 7. September 2020 beantragte der die Abweisung der Beschwerde. - 3 - Das Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. Damit auf eine Beschwerde eingetreten und diese materiell behandelt kann, müssen die Prozessvoraussetzungen erfüllt sein. Das Gericht prüft sie von Amtes wegen. Wenn es an einer fehlt, wird das Verfahren durch Nichteintretensentscheid erledigt (KÖLZ/HÄNER/BERTSCHI, Verwaltungsverfahren und des Bundes, 3. Aufl., Rz. 663). Grundvoraussetzung für die ist die Partei- und Prozessfähigkeit. Als parteifähig gilt, wer rechtsfähig ist (UELI KIESER, Kommentar zum Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts, 4. Aufl. 2020, N. 12 zu Art. 34 ATSG). Unselbständigen öffentlichen Anstalten kommt keine Rechtspersönlichkeit zu. Sie sind daher nicht rechtsfähig (/MÜLLER/UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rz. 1667; vgl. auch MICHAEL MERKER, Kommentar zu den §§ 38 - 72 VRPG, Rz. 13 zu Vorbem. zu a§ 38 VRPG). Den unselbständigen öffentlich-rechtlichen Anstalten kommt folglich – mit Ausnahme von spezialgesetzlichen Regelungen – keine Parteifähigkeit und damit auch keine Beschwerdelegitimation zu (KÖLZ/HÄNER/BERTSCHI, a.a.O., Rz. 444; vgl. auch AGVE 585 ff., 587 f.). 2. Nach Art. 2 des Organisationsreglements der A. _ ( _) ist die Beschwerdeführerin eine unselbständige des öffentlichen Rechts und verfügt über keine eigene Rechtspersönlichkeit. Sie ist rechtlich mit der Einwohnergemeinde und bildet mit ihr eine Einheit. 3. Gemäss dem unter E. 1 hiervor Dargelegten fehlt es der als unselbständige Gemeindeanstalt ohne Rechtspersönlichkeit an der Rechtsfähigkeit und damit an der Parteifähigkeit. Spezialgesetzliche Regelungen, nach welchen der Beschwerdeführerin ausnahmsweise zukäme, bestehen nicht. Auf die Beschwerde ist daher mangels Beschwerdelegitimation nicht einzutreten. 4. Das Verfahren ist kostenlos (Art. 61 lit. a ATSG). 5. Der Beschwerdeführerin steht nach dem Ausgang des Verfahrens (Art. 61 lit. g ATSG) und der Beschwerdegegnerin aufgrund ihrer Stellung als (BGE 126 V 143 E. 4 S. 149 ff.) kein Anspruch auf Parteientschädigung zu. - 4 - Das Versicherungsgericht erkennt: 1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 2. Es werden keine Verfahrenskosten erhoben. 3. Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen. Zustellung an: die Beschwerdeführerin (Vertreterin; 2-fach) den Beschwerdegegner Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Zustellung beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht werden (Art. 82 ff. in Verbindung mit Art. 90 ff. BGG). Die Frist steht während folgender Zeiten still: vom Tag vor Ostern bis und mit dem siebten Tag nach Ostern, vom 15. Juli bis und mit 15. August sowie vom 18. Dezember bis und mit dem 2. Januar (Art. 46 BGG). Die Beschwerdeschrift ist dem Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, zuzustellen. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines Vertreters zu enthalten; der angefochtene Entscheid sowie die als angerufenen Urkunden sind beizulegen, soweit die Partei sie in hat (Art. 42 BGG). Aarau, 4. November 2020 Versicherungsgericht des Kantons Aargau 4. Kammer Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: Roth Zürcher
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AG_VSG_002_-Sozialversicherungs_2020-11-04
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Microsoft Word - 00698305.docx Versicherungsgericht 3. Kammer VBE.2020.372 / sb / sc Art. 184 Urteil vom 26. Oktober 2020 Besetzung Oberrichterin Gössi, Präsidentin Oberrichter Hartmann Oberrichter Kathriner Gerichtsschreiber Berner Beschwerde- führerin A. _ GmbH Beschwerde- gegner AWA - Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Aargau, Rain 53, 5000 Aarau Gegenstand Beschwerdeverfahren betreffend AVIG; Kurzarbeitsentschädigung (Einspracheentscheid vom 11. Juli 2020) - 2 - Das Versicherungsgericht entnimmt den Akten: 1. Die Beschwerdeführerin reichte dem Beschwerdegegner mit E-Mail vom 26. März 2020 eine Voranmeldung von Kurzarbeit vom 23. März 2020 ein und gab an, es sei für die voraussichtliche Dauer vom 15. März bis 30. April 2020 bei einem zu erwartenden prozentualen Arbeitsausfall von 90 % pro Monat/Abrechnungsperiode ein Arbeitnehmender von Kurzarbeit betroffen. Mit Verfügung vom 6. April 2020 erhob der Beschwerdegegner keinen gegen die Auszahlung von Kurzarbeitsentschädigung und legte den frühestmöglichen Beginn des (bei Erfüllung der weiteren Voraussetzungen bestehenden) Anspruchs auf den 26. März sowie das Ende auf den 25. September 2020 fest. Die von der Beschwerdeführerin hiergegen undatierte Einsprache (Eingang beim Beschwerdegegner am 29. Juni 2020) wies er mit Einspracheentscheid vom 11. Juli 2020 ab. 2. 2.1. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 5. August 2020 Beschwerde und beantragte sinngemäss im Wesentlichen die Auszahlung von Kurzarbeitsentschädigung ab dem 17. März 2020. 2.2. Mit Vernehmlassung vom 25. August 2020 beantragte der die Abweisung der Beschwerde. Das Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. Der Beschwerdegegner geht in seinem Einspracheentscheid vom 11. Juli 2020 (Vernehmlassungsbeilage [VB] 8 ff.) im Wesentlichen davon aus, die Beschwerdeführerin habe ihre Voranmeldung von Kurzarbeit vom 23. März 2020 am 26. März 2020 eingereicht, weshalb die Kurzarbeit mit Wirkung ab dem 26. März 2020 zu bewilligen sei und die Beschwerdeführerin (bei der weiteren Voraussetzungen) ab diesem Datum Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung habe. Es liege insbesondere kein Ausnahmefall im Sinne der Weisung des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) 2020/08 vom 1. Juni 2020 vor, weshalb eine ausnahmsweise rückwirkende von Kurzarbeit ab dem 17. März 2020 nicht in Betracht falle. Die vertritt demgegenüber zusammengefasst die Ansicht, ihre Arbeitnehmenden mit Wohnsitz in Deutschland hätten aufgrund Massnahmen (Grenzschliessung) nicht an ihren Arbeitsplatz können. Es seien daher die Voraussetzungen für eine rückwirkende Bewilligung von Kurzarbeit ab dem 17. März 2020 der Weisung des Seco 2020/08 vom 1. Juni 2020 erfüllt. - 3 - Damit ist streitig und nachfolgend zu prüfen, ob der Beschwerdegegner den frühestmöglichen Beginn des Anspruchs auf Kurzarbeitsentschädigung auf den 26. März 2020 festgesetzt hat. 2. 2.1. 2.1.1. Gemäss Art. 31 Abs. 1 AVIG haben Arbeitnehmende, deren normale verkürzt oder deren Arbeit ganz eingestellt ist, Anspruch auf , wenn sie für die Versicherung beitragspflichtig sind oder das Mindestalter für die Beitragspflicht in der AHV noch nicht erreicht haben (lit. a), der Arbeitsausfall anrechenbar ist (lit. b), das nicht gekündigt ist (lit. c) und der Arbeitsausfall voraussichtlich ist und erwartet werden darf, dass durch Kurzarbeit ihre erhalten werden können (lit. d). Diese Voraussetzungen müssen erfüllt sein (BGE 121 V 371 E. 2a S. 373 f.). Vom anrechenbaren Arbeitsausfall wird für jede Abrechnungsperiode eine vom Bundesrat Karenzzeit von höchstens drei Tagen abgezogen (Art. 32 Abs. 2 AVIG). 2.1.2. Beabsichtigt ein Arbeitgeber, für seine Arbeitnehmenden geltend zu machen, so muss er dies der kantonalen Amtsstelle mindestens zehn Tage vor Beginn der Kurzarbeit schriftlich voranmelden. Der Bundesrat kann für Ausnahmefälle kürzere Voranmeldefristen (Art. 36 Abs. 1 AVIG und Art. 58 AVIV). Hat der Arbeitgeber die ohne entschuldbaren Grund nicht fristgemäss vorangemeldet, so wird der Arbeitsausfall erst anrechenbar, wenn die für die Voranmeldung vorgeschriebene Frist abgelaufen ist (Art. 58 Abs. 4 AVIV). Bei der Frist zur Voranmeldung von Kurzarbeit handelt es sich um eine Verwirkungsfrist (BGE 110 V 334 E. 3d S. 337 f.). 2.2. 2.2.1. Mit der Verordnung über Massnahmen im Bereich der im Zusammenhang mit dem Coronavirus (COVID-19) vom 20. März 2020 (COVID-19-Verordnung Arbeitslosenversicherung [SR 837.033]; gemäss deren Art. 9 in seiner seit dem 9. April 2020 gültigen Fassung rückwirkend auf den 1. März 2020 in Kraft getreten [vgl. AS 2020 1201]) nahm der Bundesrat gestützt auf Art. 185 Abs. 3 BV verschiedene Anpassungen betreffend den Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung vor. Nach Art. 3 COVID-19-Verordnung Arbeitslosenversicherung in der vom 1. März 2020 (vgl. AS 2020 877 i.V.m. Art. 9 COVID-19-Verordnung Arbeitslosenversicherung) bis 31. Juli 2020 (vgl. AS 2020 3569) gültigen Fassung wird in Abweichung von Art. 32 Abs. 2 AVIG keine Karenzzeit vom - 4 - anrechenbaren Arbeitsausfall abgezogen. Gemäss Art. 8b COVID-19- Arbeitslosenversicherung in der vom 1. März 2020 (vgl. AS 2020 1075 i.V.m. AS 1201 i.V.m. Art. 9 COVID-19-Verordnung ) bis 31. Mai 2020 (vgl. AS 2020 1777) gültig gewesenen muss der Arbeitgeber in Abweichung von Art. 36 Abs. 1 AVIG und Art. 58 Abs. 1 bis 4 AVIV auch keine Voranmeldefrist abwarten, wenn er beabsichtigt, für seine Arbeitnehmenden Kurzarbeitsentschädigung zu machen (Abs. 1). Die Kurzarbeit kann auch telefonisch werden. Der Arbeitgeber muss die telefonische Voranmeldung schriftlich bestätigen (Abs. 2). 2.2.2. Der per 1. März 2020 in Kraft gesetzte (vgl. AS 2020 877 i.V.m. Art. 9 -19-Verordnung Arbeitslosenversicherung) und per 1. Juni 2020 wieder aufgehobene (vgl. AS 2020 1777) Art. 2 COVID-19-Verordnung sah zudem vor, dass Personen, die in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter, als finanziell am Betrieb Beteiligte oder als Mitglieder eines obersten betrieblichen Entscheidungsgremiums die Entscheidungen des Arbeitgebers bestimmen oder massgeblich beeinflussen können, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder eingetragenen Partner in von Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG ebenfalls Anspruch auf haben (vgl. UELI KIESER, in: COVID-19 – Ein Panorama der Rechtsfragen zur Corona-Krise, 2020, § 23 Rz. 56 ff.). 2.2.3. Die Weisung des Seco 2020/06 vom 9. April 2020 sah auf S. 7 zudem vor, dass bei verspätet eingereichten Anträgen, die noch vor dem 31. März 2020 eingereicht wurden und die sich auf Betriebsschliessungen infolge behördlicher Massnahmen beziehen, das Datum der behördlichen , in der Regel der 17. März 2020, als Eingangsdatum gesetzt werden kann (vgl. auch die Weisungen des Seco 2020/08 vom 1. Juni 2020, S. 10, [VB I] und 2020/10 vom 22. Juli 2020, S. 14, [VB II]). 3. 3.1. Gemäss Handelsregister handelt es sich bei der Beschwerdeführerin um eine GmbH nach Schweizer Recht mit heutigem Sitz in X. _. Sie bezweckt im Wesentlichen _. B. _ hält als Gesellschafter 19/20 der Stammanteile der Beschwerdeführerin und ist für diese in der Funktion des Vorsitzenden der Geschäftsführung tätigt. Er und C. _, welche die verbleibenden 1/20 der Stammanteile der hält, sind deutsche Staatsangehörige mit Wohnsitz in Deutschland. - 5 - 3.2. Mit der vom 13. März 2020 (vgl. AS 2020 773) bis 10. Mai 2020 (vgl. AS 2020 1505) in Kraft gestandenen Fassung von Art. 3 Abs. 1 der 2 über die Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (-Verordnung 2 [SR 818.101.24]) hatte der Bundesrat gestützt auf Art. 184 Abs. 3 und Art. 185 Abs. 3 BV sowie Art. 6 Abs. 2 lit. b, Art. 41 Abs. 1 und Art. 77 Abs. 3 des Epidemiengesetzes (EpG) verordnet, dass die für die Grenzkontrolle zuständige Behörde allen Personen aus einem Risikoland oder aus einer Risikoregion die Einreise in die Schweiz , sofern diese nicht eine der in Art. 3 Abs. 1 lit. a bis f COVID-19- 2 genannten Voraussetzungen erfüllen. Insbesondere Personen, welche über Reisedokument und einen Aufenthaltstitel wie namentlich eine Schweizer Aufenthaltsbewilligung, eine Grenzgängerbewilligung, ein von der Schweiz ausgestelltes Visum oder eine Zusicherung der verfügten, waren gemäss Art. 3 Abs. 1 lit. a COVID-19- 2 weiterhin zur Einreise in die Schweiz berechtigt. Als Risikoländer oder -regionen galten nach dem am 13. März 2020 in Kraft getretenen (vgl. AS 2020 773) Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 COVID-19-Verordnung 2 in seiner ab dem 17. März 2020 (vgl. AS 2020 783) bis zur Aufhebung der -Verordnung 2 mit Inkrafttreten der Verordnung 3 über die Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (Covid-19-Verordnung 3 [SR 818.101.24]) am 22. Juni 2020 (vgl. AS 2020 2195) geltenden namentlich Länder und Regionen, deren Behörden ausserordentliche Massnahmen zur Verhütung und Bekämpfung der COVID-19-Epidemie haben. Sie wurden in einer Liste im Anhang (seit dem 19. März 2020 im Anhang 1; vgl. AS 2020 841) der COVID-19-Verordnung 2 . Am 17. März 2020 wurde Deutschland in diese Liste der und -regionen aufgenommen (vgl. AS 2020 783) und am 15. Juni 2020 wieder davon gestrichen (vgl. AS 2020 2097). 3.3. Nach dem Dargelegten war der Grenzverkehr zwischen Deutschland und der Schweiz ab dem 17. März 2020 nur noch einschränkt möglich. Dass es sich bei den vorerwähnten bundesrätlichen Verordnungen um eine Massnahme (vgl. Art. 51 AVIV) im Sinne der Weisung des Seco 2020/06 9. April 2020 beziehungsweise der Weisungen des Seco 2020/08 vom 1. Juni 2020 und 2020/10 vom 22. Juli 2020 (vgl. dazu vorne E. 2.2.3. und zu deren Anwendung statt vieler BGE 144 V 195 E. 4.2 S. 198 sowie 141 V 365 E. 2.4 S. 368 und KIRA TANNER, Die Verwaltungsweisung – Ein Fehler im System?, in SZS 2018 S. 267 f. mit Hinweisen) handelt, ist den Parteien unumstritten und gibt auch zu keinerlei Weiterungen Anlass. - 6 - 3.4. 3.4.1. Vor dem Hintergrund des hier massgebenden Sachverhalts gilt es indes Folgendes zu beachten: Gemäss Art. 3 und 4 Freizügigkeitsabkommen (FZA) wird Staatsangehörigen einer Vertragspartei grundsätzlich das Recht auf Einreise in das Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei sowie das Recht auf Aufenthalt und Zugang zu einer Erwerbstätigkeit eingeräumt. Einem sogenannten abhängig beschäftigten Grenzgänger, d.h. einem Staatsangehörigen einer Vertragspartei mit Wohnsitz im Hoheitsgebiet Vertragspartei, der eine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer im der anderen Vertragspartei ausübt und in der Regel täglich oder einmal in der Woche an seinen Wohnort zurückkehrt (vgl. Art. 7 Ziff. 1 des Anhangs I des FZA), kann die zuständige Behörde des Staates eine Sonderbescheinigung mit einer Gültigkeitsdauer von mindestens fünf Jahren oder mit einer der Dauer der Beschäftigung Gültigkeitsdauer ausstellen, wenn diese mehr als drei Monate und weniger als ein Jahr beträgt. Er benötigt keine Aufenthaltserlaubnis (Art. 7 Ziff. 2 des Anhangs I des FZA). Einem selbständigen Grenzgänger, d.h. einem Staatsangehörigen einer Vertragspartei mit Wohnsitz im einer Vertragspartei, der eine selbstständige Erwerbstätigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei ausübt und in der Regel oder mindestens einmal in der Woche an seinen Wohnort zurückkehrt (vgl. Art. 13 Ziff. 1 des Anhangs I des FZA), kann ebenfalls eine mit einer Gültigkeitsdauer von mindestens fünf Jahren werden, sofern er den zuständigen nationalen Behörden nachweist, dass er eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt oder ausüben will. Auch der selbständige Grenzgänger benötigt keine Aufenthaltserlaubnis (Art. 13 Ziff. 2 des Anhangs I des FZA). In der Schweiz erfolgt diese in Form der Erteilung einer Grenzgängerbewilligung (Ausweis G; vgl. Art. 4 Abs. 1 der Verordnung über die Einführung des freien Personenverkehrs [VEP], Art. 35 des Ausländer- und [AIG] und Art. 71a Abs. 1 der Verordnung über Zulassung, und Erwerbstätigkeit [VZAE]). 3.4.2. B. _, der als deutscher Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Deutschland einer Erwerbstätigkeit in der Schweiz ausübt (vgl. vorne E. 3.1.), kommt nach dem Dargelegten gemäss Art. 3 und Art. 4 FZA i.V.m. Art. 7, Art. 13, Art. 28 und Art. 33 des Anhangs I des FZA grundsätzlich ein völkerrechtlich verankertes Recht auf Einreise sowie Aufenthalt und Zugang zu einer Erwerbstätigkeit in der Schweiz zu (vgl. MÜLLER/TAXER, in: COVID-19 – Ein Panorama der Rechtsfragen zur Corona-Krise, 2020, § 20 Rz. 55 f.). Wegen einer drohenden Gefährdung der öffentlichen Gesundheit hat der Bundesrat indes die im FZA festgehaltenen Rechte und Pflichten gestützt auf Art. 5 des Anhangs I des FZA mit den vorerwähnten Massnahmen gemäss COVID-19-Verordnung 2 (vgl. vorne E. 3.2.) - 7 - temporär suspendiert beziehungsweise eingeschränkt (vgl. hierzu MÜLLER/TAXER, a.a.O., § 20 Rz. 65 ff.). Eine Einreise in die Schweiz war aber insbesondere für Grenzgänger aus EU-Staaten unter Vorweis der Grenzgängerbewilligung (zusammen mit einem Reisedokument) nach wie vor möglich (vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. a COVID-19-Verordnung 2 in seiner zwischen dem 13. März und 10. Mai 2020 in Kraft gestanden Fassung; siehe ferner vorne E. 3.2.). Eine Betriebsschliessung infolge einer behördlichen Massnahme im Sinne der Weisung des Seco 2020/06 vom 9. April 2020 (S. 7) beziehungsweise der Weisungen des Seco 2020/08 vom 1. Juni 2020 (S. 10) und 2020/10 vom 22. Juli 2020 (S. 14) ist damit nicht gegeben. Daran nichts zu ändern vermag, dass B. _ nach eigenen Angaben nicht über eine Grenzgängerbewilligung verfügte und daher "die ersten Tage" (vgl. die undatierte Einsprache der Beschwerdeführerin in VB 13) beziehungsweise "in der ersten Woche nach der Grenzschliessung" (vgl. die Beschwerdeschrift) an der Einreise in die Schweiz gehindert worden sei. Dieser Umstand ist einzig dessen Verhalten (Nichtbeantragen einer Grenzgängerbewilligung) geschuldet und daher ihm zuzurechnen. Überdies hätte er jederzeit eine Grenzgängerbewilligung beantragen können. Dass er hierfür die Voraussetzungen nicht erfüllen würde, wird denn auch weder von der Beschwerdeführerin geltend gemacht noch ergibt sich dies nach dem Dargelegten aus den Akten. 3.5. Zusammengefasst liegt damit kein Ausnahmefall im Sinne der Weisung des Seco 2020/06 vom 9. April 2020 beziehungsweise der Weisungen des Seco 2020/08 vom 1. Juni 2020 und 2020/10 vom 22. Juli 2020 vor, eine ausnahmsweise rückwirkende Bewilligung von Kurzarbeit und damit einen Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung bereits ab dem 17. März 2020 ermöglichen würde. Der Beschwerdegegner hat damit den frühestmöglichen Beginn des Anspruchs auf Kurzarbeitsentschädigung auf den 26. März 2020 festgesetzt. Die Rechtmässigkeit der des Anspruchs per 25. September 2020 blieb beschwerdeweise unumstritten, was nach Lage der Akten auch zu keinen Weiterungen gibt (Rügeprinzip; vgl. BGE 119 V 347 E. 1a S. 349 f. mit Hinweis auf BGE 110 V 48 E. 4a S. 53; LOCHER/GÄCHTER, Grundriss des , 4. Aufl. 2014, S. 590 f.; UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 4. Aufl. 2020, N. 87 zu Art. 61 ATSG). 4. 4.1. Nach dem Dargelegten ist die Beschwerde abzuweisen. 4.2. Das Verfahren ist kostenlos (Art. 61 lit. a ATSG). - 8 - 4.3. Der Beschwerdeführerin steht nach dem Ausgang des Verfahrens (Art. 61 lit. g ATSG) und dem Beschwerdegegner aufgrund seiner Stellung als (BGE 126 V 143 E. 4 S. 149 ff.) kein Anspruch auf Parteientschädigung zu. Das Versicherungsgericht erkennt: 1. Die Beschwerde wird abgewiesen. 2. Es werden keine Verfahrenskosten erhoben. 3. Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen. Zustellung an: die Beschwerdeführerin den Beschwerdegegner das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Zustellung beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht werden (Art. 82 ff. in Verbindung mit Art. 90 ff. BGG). Die Frist steht während folgender Zeiten still: vom Tag vor Ostern bis und mit dem siebten Tag nach Ostern, vom 15. Juli bis und mit 15. August sowie vom 18. Dezember bis und mit dem 2. Januar (Art. 46 BGG). Die Beschwerdeschrift ist dem Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, zuzustellen. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines Vertreters zu enthalten; der angefochtene Entscheid sowie die als angerufenen Urkunden sind beizulegen, soweit die Partei sie in hat (Art. 42 BGG). - 9 - Aarau, 26. Oktober 2020 Versicherungsgericht des Kantons Aargau 3. Kammer Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber: Gössi Berner
4,020
3,011
AG_VSG_002
AG_VSG
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AG_VSG_002_-Sozialversicherungs_2020-10-26
https://www.ag.ch/media/kanton_aargau/jb/dokumente_6/gesetze___entscheide/gesetze_2/sozialversicherungsrecht/Entscheid_des_Versicherungsgerichts_vom_26._Oktober_2020.pdf
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688c6f89-e0d6-5a00-b336-7f69f9af9d2b
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2,016
de
2016 Sozialversicherungsrecht 69 [...] 7 Art. 15 UVG, Art. 23 Abs. 7 UVV Eine für die Taggeldbemessung relevante Lohnerhöhung nach Art. 23 Abs. 7 UVV muss im Zeitpunkt des Unfalls mit überwiegender Wahr- scheinlichkeit ausgewiesen sein. Diese Voraussetzung ist zu verneinen, wenn sich die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit (Betrieb eines Tier- hotels) im Unfallzeitpunkt erst in den Abklärungs- und Vorbereitungs- handlungen befindet. Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 2. Kammer, vom 4. Mai 2016, i.S. P.U.. gegen IV-Stelle Kt. Aargau (VBE.2015.696; bestätigt durch Urteil des Bundesgerichts 8C_400/2016 vom 9. August 2016) Aus den Erwägungen 2. 2.1. (...) 2.2. Gemäss Art. 15 Abs. 1 UVG werden Renten und Taggelder nach dem versicherten Verdienst bemessen. In zeitlicher Hinsicht legt Art. 15 Abs. 2 UVG fest, dass sich der versicherte Verdienst für die Bemessung der Taggelder anders bestimmt als jener für die Ren- ten. Grundlage der Berechnung des versicherten Verdienstes für die 2016 Obergericht, Abteilung Versicherungsgericht 70 Taggeldbemessung ist gemäss Art. 15 Abs. 2 Halbsatz 1 UVG der letzte vor dem Unfall bezogene Lohn. Damit orientiert sich die Tag- geldbemessung unmittelbar an jenem Einkommen, welches der verunfallten Person durch den Eintritt des versicherten Risikos entgeht (BGE 135 V 287 E. 4.3 S. 291). In der Regel soll damit der Umstand, wie viel die versicherte Person künftig ohne Unfall ver- dient hätte, unberücksichtigt bleiben (RKUV 1997 S. 181, U 12/95 E. 3b/aa). (...) 2.3. Art. 15 Abs. 3 UVG räumt dem Bundesrat die Befugnis ein, Bestimmungen über den versicherten Verdienst im Allgemeinen so- wie in Sonderfällen zu erlassen, wovon dieser mit Art. 22 - 25 der Verordnung über die Unfallversicherung (UVV) Gebrauch gemacht hat. Gemäss Art. 23 Abs. 7 UVV wird - bei der Taggeldbemessung - der massgebende Lohn für die Zukunft neu bestimmt, sofern die Heilbehandlung wenigstens drei Monate gedauert hat und der Lohn der versicherten Person in dieser Zeit um mindestens 10 Prozent er- höht worden wäre. (...) Es ist im Rahmen der Mitwirkungspflicht Sache der versicherten Person, mit dem im Sozialversicherungsrecht üblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit darzu- tun, dass eine solche Erhöhung erfolgt wäre, wenn kein Unfall einge- treten wäre (R UMO /J UNGO /H OLZER , Schweizerisches Unfallver- sicherungsrecht, 4. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2012, S. 116 zu Art. 15 UVG bzw. Art. 23 Abs. 7 UVV). Zur Vermeidung des Missbrauchs ist daher ebenfalls entscheidend, dass die im Rahmen von Art. 23 Abs. 7 UVV beachtliche Änderung des Arbeits- bzw. Lohnpensums schon vor dem Unfall konkret voraussehbar gewesen sein muss. Weder der blosse Wunsch nach einer Ausdehnung der Arbeitszeit bzw. Lohnänderung noch dahingehende einseitige Absichtser- klärungen der versicherten Person vermögen hiefür zu genügen. Erforderlich ist daher, dass die Änderung bereits vor dem Unfall arbeitsvertraglich vereinbart worden war oder dass sie sich sonst wie zuverlässig erkennen liess (Urteil des Bundesgerichts U 23/03 vom 9. Mai 2003 E. 3.1). 3. 3.1. 2016 Sozialversicherungsrecht 71 Für den Fall des Beschwerdeführers gilt es somit zu prüfen, ob er seine Arbeitstätigkeit, welche er im Zeitpunkt des Unfalles inne- hatte, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auch ohne Unfall zu Gunsten des Baus bzw. Führens eines Hundehotels aufgegeben hätte, bei welcher er einen Bruttomonatslohn in der Höhe von Fr. 6'800.00 bezogen hätte. Dabei ist entscheidend, dass konkrete Vorbereitungs- handlungen - auch hinsichtlich des Lohnes - vor dem Zeitpunkt des Unfalls vorgenommen wurden. 3.2. Aus den hierzu relevanten Akten erschliesst sich durchaus, dass der Beschwerdeführer bereits vor dem Zeitpunkt des Unfalls diverse Abklärungs- und Vorbereitungshandlungen für die Realisierung sei- nes Projektes "Tierhotel" in die Wege geleitet hatte. Entscheidend ist jedoch, dass die für Art. 23 Abs. 7 UVV relevante Lohnerhöhung be- reits im Zeitpunkt des Unfalls mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bekannt bzw. konkret festgelegt gewesen sein muss. Dies ist vorlie- gend klar zu verneinen. Welchen Lohn sich der Beschwerdeführer bei der Eröffnung des Tierhotels selber auszahlen würde, war im Zeitpunkt des Unfalles nicht mit der von der Rechtsprechung gefor- derten Konkretheit bekannt, da dieser von diversen Faktoren ab- hängig war, welche für die Bemessung des Taggeldes nicht von Rele- vanz sein können. So verfügte der Beschwerdeführer zu diesem Zeit- punkt über kein geeignetes Grundstück, was zur Bestimmung der er- warteten Einnahmen jedoch unerlässlich gewesen wäre. Konkrete Kostenpläne bestanden ausweislich der Akten zudem auch nicht. Der Beschwerdeführer hatte zu diesem Zeitpunkt einzig Kontakt mit der städtischen Planung und Bauleitung aufgenommen, welche ihm im Übrigen mitteilte, dass sein geplantes Budget nicht ausreichen werde. Zum Zeitpunkt des Unfalls bestanden diverse unsichere Faktoren, weshalb damit das Stadium einer reinen "Absichtserklärung" aus ob- jektiver Sicht noch nicht als überschritten zu qualifizieren ist - selbst wenn aus der Sicht des Beschwerdeführers bereits feste und konkrete Absichten zur Realisierung des Projektes selber bestanden. Entscheidend ist zudem weiter, dass der Beschwerdeführer vor dem Unfall noch keine Schritte zur konkreten Lohngestaltung oder Lohnberechnung eingeleitet hatte, welche - zumindest - mittels pro- 2016 Obergericht, Abteilung Versicherungsgericht 72 visorischer Erfolgsrechnung zu bestimmen gewesen wäre. Eine sol- che Grundlage ist weder den relevanten Akten vor dem Unfallzeit- punkt zu entnehmen, noch dem mit Schreiben vom Dezember 2014 angegebenen Lohn von Fr. 6'800.00 beigelegt, weshalb insbesondere auch dieser Lohn nicht nachvollzogen werden kann und ungenügend bestimmbar ist. Eine zuverlässige und konkrete Voraussehbarkeit der effektiven Lohnhöhe im Zeitpunkt der Eröffnung des Tierheimes be- steht damit nicht. Es erscheint zudem fraglich, ob bei Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit während einer Behandlung tat- sächlich auf den von der versicherten Person angegebenen Lohn abzustellen ist, zumal diese den Lohn selber bestimmen kann und keine Kontrollfunktion diesbezüglich vorliegt. (...)
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AG_VSG
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Northwestern_Switzerland
AG_VSG_001_AGVE-2016-7_2016-05-02
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2,017
de
2017 Sozialversicherungsrecht 63 [...] 8 Art. 73 BVG; § 64 Abs. 3 VRPG; Art. 106 Abs. 1 und 2 ZPO; Art. 61 lit. g ATSG; § 3 Abs. 1 lit. b, §§ 6, 8a Abs. 3 AnwT Mangels einer Regelung im Bundesrecht richtet sich die Parteientschädi- gung bei Streitigkeiten nach Art. 73 BVG zwischen anspruchsberechtig- tem Arbeitnehmer und beitragspflichtigem Arbeitgeber nach kantonalem Prozessrecht. Die Verlegung der Parteientschädigung richtet sich nach Obsiegen und Unterliegen. Gemäss Praxis des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau ist bei einem durchschnittlichen Klageverfahren die berufliche Vorsorge betreffend von einer Grundentschädigung von Fr. 3'000.00 auszugehen. Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 3. Kammer, vom 23. Februar 2017, i.S. S.B. gegen X. GmbH (VKL.2016.8).
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AG_VSG_001_AGVE-2017-8_2017-02-03
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2,008
de
2008 Versicherungsgericht 51 11 Art. 22 FZG, § 124 ZPO Der Beizug eines Rechtsvertreters ist in den Verfahren vor Versiche- rungsgericht betreffend Teilung der Freizügigkeitsleistungen der Ehe- gatten im Nachgang zum Scheidungsverfahren in der Regel nicht not- wendig bzw. nicht sachlich geboten. Ohne besondere Gründe besteht in diesen Verfahren daher kein Anspruch auf unentgeltliche anwaltliche Verbeiständung. Aus dem Beschluss des Versicherungsgerichts, 3. Kammer, vom 15. Januar 2008 i.S. E.C. Aus den Erwägungen 6.1. Der Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, einschliesslich unentgeltlicher Rechtsverbeiständung, besteht nach ständiger Recht- sprechung des Bundesgerichts aufgrund von Art. 29 Abs. 3 BV in jedem staatlichen Verfahren, in welches die Gesuch stellende Person einbezogen wird oder dessen sie zur Wahrung ihrer Rechte bedarf. Dementsprechend hält auch § 13 VRS fest, dass die bedürftige Partei Anspruch auf das Armenrecht hat und ihr nötigenfalls ein Kosten- vorschuss zu gewähren ist. Der verfassungsmässige Anspruch auf unentgeltliche anwaltliche Verbeiständung besteht indessen nicht voraussetzungslos. Verlangt ist in jedem Falle Bedürftigkeit des Rechtsuchenden und Nichtaussichtslosigkeit des verfolgten Verfah- rensziels. Entscheidend ist darüber hinaus die sachliche Gebotenheit der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung im konkreten Fall (BGE 127 I 205 Erw. 3b, 125 V 35 Erw. 4b, 119 1a 265 Erw. 3b, 117 V 408 Erw. 5a). 2008 Versicherungsgericht 52 6.2. Fraglich ist, ob im vorliegenden Verfahren der Beizug eines Rechtsvertreters notwendig bzw. sachlich geboten war. Dies ist zu verneinen: Die massgeblichen Verhältnisse liegen einfach und waren nicht streitig. Die verlangten Angaben über die Arbeitsstellen hätten auch ohne anwaltliche Hilfe getätigt werden können. Dies alles war zudem aus der Instruktionsverfügung vom 9. November 2006 ohne weiteres erkennbar. Nachdem der Rechtsvertreter des Klägers keine besonderen Gründe geltend macht, besteht unter diesen Umständen kein Anspruch auf unentgeltliche anwaltliche Verbeiständung.
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AG_VSG_001
AG_VSG
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AG_VSG_001_AGVE-2008-11_2008-01-03
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de
2001 Prozessrecht 103 I. Prozessrecht 31 § 32 EG KVG Das Versicherungsgericht ist für Streitigkeiten über die freiwillige Kran- kentaggeldversicherung nach KVG und die Zusatzversicherungen zu- ständig. Für Streitigkeiten zwischen dem Versicherten und der Krankenkasse be- treffend Taggeldleistungen nach Versicherungsvertragsgesetz (VVG) ist der Zivilrichter zuständig (Erw. 5) Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 2. Kammer, vom 30. Mai 2001 in Sachen Z. gegen Krankenkasse Z. Aus den Erwägungen 2. a) Z. hat bei der Krankenkasse Z. ein Kranken- bzw. Unfall- taggeld in der Höhe von Fr. 200.-- versichert. Dabei handelt es sich einerseits um eine freiwillige Taggeldversicherung nach Art. 67 ff. KVG (Versicherungsdeckung: Fr. 30.--) sowie um eine solche ge- mäss Versicherungsvertragsgesetz (Versicherungsdeckung: Fr. 170.--). b) Im Bereich der obligatorischen Krankenpflegeversicherung und der freiwilligen Taggeldversicherung gemäss Art. 67 ff. KVG sind die Krankenkassen befugt und verpflichtet, bei Streitigkeiten mit Versicherten auf Verlangen Verfügungen zu erlassen (Art. 80 Abs. 1 KVG). Gegen eine eröffnete Verfügung kann zunächst Einsprache beim Versicherer (Art. 85 Abs. 1 KVG) und sodann Be- schwerde beim zuständigen kantonalen Versicherungsgericht (Art. 86 Abs. 1 KVG) erhoben werden. Insofern ist im Bereich der sozialen Krankenversicherung das Beschwerdeverfahren anwendbar. Mit der am 16. November 1999 ergangenen Verfügung konnte die Krankenkasse Z. gemäss den vorstehenden Ausführungen nur 2001 Versicherungsgericht 104 über Leistungen der sozialen Krankenpflegeversicherung bzw. der freiwilligen Taggeldversicherung nach KVG entscheiden, was sie in der Verfügung auch ausdrücklich festhielt. Entsprechend beurteilte sie im Einspracheentscheid vom 21. Dezember 1999 auch nur die Taggeldansprüche des Versicherten nach Art. 67 ff. KVG. (...) 5. Der Beschwerdeführer beantragt in seiner Beschwerdeschrift, es seien ihm die Taggeldleistungen gemäss der Versicherungspolice auszurichten. Insofern verlangt er die Ausrichtung der versicherten Taggeldleistungen gemäss KVG wie auch derjenigen nach VVG. Diesbezüglich stellt sich vorab die Frage, ob das Versicherungsge- richt für die Beurteilung der Streitsache betreffend Taggeldversiche- rung nach VVG zuständig ist. Das KVG selber erwähnt die Taggeldversicherung nach VVG nirgends. Gemäss § 32 Abs. 1 des kantonalen Einführungsgesetzes zum Bundesgesetz über die Krankenversicherung (EG KVG; SAR 837.100) ist das kantonale Versicherungsgericht im Rahmen des KVG für die Entscheidung von Streitigkeiten der Versicherer unter sich, mit Versicherten oder Dritten zuständig. Gemäss § 32 Abs. 2 EG KVG ist es auch für die Entscheidung von Streitigkeiten aus Zusatzversicherungen zur obligatorischen Krankenversicherung zu- ständig. Diese Bestimmung entspricht Art. 47 Abs. 2 und 3 des Ver- sicherungsaufsichtsgesetzes (VAG), wonach die Kantone für Strei- tigkeiten aus Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversiche- rung ein kostenloses, einfaches und rasches Verfahren vorsehen, in dem der Richter den Sachverhalt von Amtes wegen feststellt und die Beweise nach freiem Ermessen würdigt. Gemäss Art. 12 Abs. 3 KVG unterliegen die Zusatzversiche- rungen, welche von den Krankenkassen zusätzlich zur obligatori- schen Krankenpflegeversicherung angeboten werden können, dem VVG (materiell), für entsprechende Klagen (nicht Beschwerden) ist jedoch gemäss § 32 Abs. 2 EG KVG das Versicherungsgericht zu- ständig. Eine § 32 Abs. 2 EG KVG entsprechende Regelung betreffend Taggeldversicherungen nach VVG fehlt. Das Versicherungsgericht hat denn auch wiederholt festgehalten, dass Taggeldversicherungen 2001 Prozessrecht 105 nach VVG keine Zusatzversicherungen im Sinne von Art. 12 KVG bzw. § 32 EG KVG darstellen (a.M. Gebhard Eugster, Krankenversi- cherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, S. 30 Rz 57). Dies ergibt sich bereits aus der Systematik des KVG selber, welches im 2. Titel über die Obligatorische Krankenpflegeversicherung die Zusatzversicherungen erwähnt und im 3. Titel die freiwillige Tag- geldversicherung (nach KVG) regelt. Bei der Taggeldversicherung nach VVG handelt es sich nicht um eine Sozialversicherung (Alfred Maurer, Das neue Krankenversicherungsrecht, Basel und Frankfurt a.M. 1996, S. 107), sondern um ein rein privatrechtliches Rechtsver- hältnis, weshalb gemäss Art. 47 Abs. 1 VAG i.V.m. § 32 EG KVG der Zivilrichter für diesbezügliche Streitigkeiten zuständig ist. Das angerufene Versicherungsgericht ist daher für die Streitsache betref- fend Taggeldversicherung nach VVG nicht zuständig, weshalb auf diesen Teil des Begehrens nicht einzutreten ist.
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2,006
de
2006 Versicherungsgericht 71 16 Art. 38, 52 ATSG Die Fristberechnung im Einspracheverfahren bestimmt sich ausschliess- lich nach Art. 38-41 ATSG. Für eine ,,analoge" Anwendung kantonalen Rechts besteht kein Raum. Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 3. Kammer, vom 12. Sep- tember 2006 in Sachen A.L. gegen Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA). Aus den Erwägungen 2. Das ATSG regelt in seinem 4. Kapitel ("Allgemeine Verfahrens- bestimmungen") im 2. Abschnitt (Art. 34 - 55) das Sozialversiche- rungsverfahren und im 3. Abschnitt (Art. 56 - 62) das Rechtspflege- verfahren. Für das Sozialversicherungsverfahren, zu dem auch das Einspracheverfahren vor der verfügenden Instanz gehört (Art. 52 ATSG), findet sich in Art. 38 - 41 ATSG eine umfassende Regelung der Fristen, so in Art. 38 Abs. 4 über die Geltung der Gerichtsferien. Im Rahmen der Bestimmungen über das Rechtspflegeverfahren wird in Art. 60 Abs. 1 ATSG die Frist für Beschwerden an das kantonale Versicherungsgericht auf 30 Tage festgesetzt; dabei sind die Art. 38 - 41 ATSG sinngemäss anwendbar (Art. 60 Abs. 2 ATSG). Das Verfahren vor dem kantonalen Versicherungsgericht wird durch das kantonale Recht geregelt, wobei Vorgaben des Bundes- rechts einzuhalten sind (Art. 61 ATSG). Dazu steht den Kantonen eine fünfjährige Anpassungsfrist zur Verfügung (Art. 82 Abs. 2 ATSG). In diesem Zusammenhang entstanden Kontroversen über die (Weiter-)Geltung des bisherigen kantonalen Rechts, gerade auch im Zusammenhang mit der Berechnung der Beschwerde frist (siehe BGE 131 V 305, 314 und 325, inzwischen durch den Entscheid des Eidge- 2006 Versicherungsgericht 72 nössischen Versicherungsgerichts I 803/05 vom 6. April 2006 teilweise überholt). Die Berechnung der Einsprache frist ist dadurch nicht betroffen. Aus dem systematischen Aufbau des ATSG ergibt sich klar und eindeutig, dass die Fristen für das Einspracheverfahren ausschliesslich in Art. 38 - 41 ATSG geregelt werden. Für eine "ana- loge" Anwendung kantonalen Rechts, auf die sich das AWA beruft, fehlt jegliche Grundlage, es kommt ausschliesslich Bundesrecht zum Zug. Ob die Einsprache des Beschwerdeführers rechtzeitig erfolgte, bestimmt sich nach Art. 38 ATSG..
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AG_VSG_001_AGVE-2006-16_2006-09-03
http://agve.weblaw.ch/html//AGVE-2006-16.html
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2008 Versicherungsgericht 54 13 § 14 Abs. 2, 16 Abs. 2 EG KVG Massgebend für die Berechnung des Prämienverbilligungsanspruches ist die letzte definitive und rechtskräftige Steuerveranlagung, welche am 31. Mai des Gesuchsjahres vorlag. Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 3. Kammer, vom 4. März 2008 i.S. Ch.E. gegen SVA Aargau. Aus den Erwägungen 2.2. Gemäss § 11 des kantonalen Einführungsgesetzes zum Kran- kenversicherungsgesetz (EG KVG; SAR 837.100) werden Personen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen Prämienverbilligun- gen für die obligatorische Krankenpflegeversicherung gewährt. Der Anspruch auf Prämienverbilligung muss gemäss § 17 Abs. 1 EG KVG bis zum 31. Mai des Vorjahres, bezogen auf das Jahr der Prä- mienverbilligung, bei der für die Wohngemeinde zuständigen Zweig- stelle der SVA geltend gemacht werden. Bei dieser Frist handelt es sich um eine Verwirkungsfrist, deren Nichteinhaltung das Erlöschen des Anspruchs zur Folge hat. Massgebend für die Beurteilung des Anspruchs sind die persönlichen und familiären Verhältnisse am 1. Januar des Jahres, in welchem das Begehren gestellt wird (§ 14 Abs. 2 EG KVG). 2.3. Basis für die Berechnung des massgebenden Einkommens, wel- ches aus dem steuerbaren Einkommen und einem Fünftel des steuer- baren Vermögens besteht, bildet gemäss ständiger Rechtsprechung des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau diejenige (letzte) de- finitive Steuerveranlagung (§ 16 Abs. 2 EG KVG), welche am 31. Mai des Gesuchsjahres vorliegt. Zu dieser im Entscheid des Ver- sicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 31. Mai 2005, (VBE.2005.00203, Erw. 3/a und b) begründeten Rechtsprechung kam das Gericht in sorgfältiger Abwägung der gegebenen Möglich- keiten: 2008 Versicherungsgericht 55 "a) Gemäss § 16 Abs. 2 EG KVG bildet die letzte definitive Steuerveranlagung die Basis für die Berechnung des mass- gebenden Einkommens und Vermögens. § 16 Abs. 2 EG KVG legt jedoch nicht fest, in welchem Zeitpunkt die letz- te definitive Steuerveranlagung zu berücksichtigen ist. Vier Möglichkeiten sind als Stichtage denkbar: · § 14 Abs. 2 EG KVG bestimmt bezüglich der An- spruchsberechtigung, dass die persönlichen und familiä- ren Verhältnisse am 1. Januar des Jahres, in welchem das Begehren gestellt wird, für die Beurteilung des An- spruchs massgebend sind. · § 17 Abs. 2 EG KVG stellt für die massgebende Steuer- veranlagung oder Bescheinigung des Steueramtes auf den Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs ab. · § 17 Abs. 1 EG KVG hingegen verweist auf den 31. Mai als Stichtag. Bis zu diesem Zeitpunkt ist der Anspruch auf Prämienverbilligung bei der zuständigen Zweigstelle der SVA geltend zu machen. · Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäss die Be- rücksichtigung der - im Nachgang zu einem steuerrecht- lichen Einspracheverfahren - mit Beschluss der Steuer- kommission L. vom 23. März 2005 revidierten, ak- tuellsten Steuerveranlagung 2003. b) Aufgrund einer umfassenden Auslegung (vgl. zum Gan- zen: Ulrich Häfelin/Walter Haller, Schweizerisches Bun- desstaatsrecht, 6. Aufl., Zürich 2005, N 75 ff.) gelangt man zum Schluss, dass der 31. Mai den Stichtag für das Vorliegen der letzten definitiven Steuerveranlagung dar- stellt. Der 1. Januar ist gemäss § 14 Abs. 2 EG KVG zwar für die persönlichen und familiären Verhältnisse massge- bend, doch nicht für das Vorliegen der definitiven Steuer- veranlagung. Der Zeitpunkt der Einreichung des Gesuches gemäss § 17 Abs. 2 EG KVG ist ebenfalls nicht zu berück- sichtigen, da der Gesetzgeber mit dieser Bestimmung bloss die einzureichenden Unterlagen und nicht einen von § 17 Abs. 1 EG KVG abweichenden Stichtag festlegen 2008 Versicherungsgericht 56 wollte. Dass - wie von der Beschwerdeführerin sinnge- mäss beantragt - die aktuellste (definitive) Steuerveranla- gung massgebend wäre, findet schliesslich im gesamten Gesetzeswerk keine Stütze. Der 31. Mai als Stichtag für das Vorliegen der letzten definiti- ven Steuerveranlagung erweist sich sowohl nach Sinn und Zweck der Regelung als auch in systematischer Hinsicht als folgerichtig. Der 31. Mai soll gemäss § 17 EG KVG umfassend als Stichtag für die Geltendmachung des Anspruchs dienen (vgl. Anmerkung [Margi- nalie] zu § 17 EG KVG). Zudem ist gemäss § 16 Abs. 3 EG KVG auf steuerliche Neueinschätzungen bis zum 31. Mai abzustellen (nach dem am 1. Januar 2001 in Kraft getretenen Steuergesetz [StG; SAR 651.100] gibt es keine Zwischenveranlagungen mehr). Da auf- grund von § 16 Abs. 2 EG KVG die letzte definitive Steuerveranla- gung für die Berechnung massgebend ist, ist somit gemäss § 16 Abs. 3 EG KVG auf diejenige abzustellen, die bis zum 31. Mai des jeweiligen Jahres vorliegt. Eine definitive Steuerveranlagung kann demnach bis zum Stichtag des 31. Mai nachgereicht werden, selbst wenn das Gesuch um Prämienverbilligungsbeiträge bereits vorgängig eingereicht wurde." 3. 3.1. Der Beschwerdeführer beantragte am 28. Mai 2004 die Krankenkassenprämienverbilligung für das Jahr 2005. Am 31. Mai 2004 war die letzte definitive Steuerveranlagung diejenige des Jahres 2001; die Veranlagungen der Jahre 2002 und 2003 wurden erst am 12. März 2006 rechtskräftig. Dieser Sachverhalt wird vom Be- schwerdeführer nicht bestritten. Demnach stellte die Beschwerdegeg- nerin nach den vorstehenden Ausführungen zu Recht auf die Steuer- daten des Jahres 2001 ab. (...)
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2019 Sozialversicherungsrecht 39 2 Art. 65 KVG; § 9 KVGG; § 3 V KVGG Prämienverbilligung: Junge Erwachsene zwischen dem 19. und 25. Altersjahr, die ihren eigenen Haushalt führen, aber durch die Eltern unterstützt werden, sind bei getrenntlebenden Eltern auf dem Antrag je- nes Elternteils aufzuführen, der überwiegend für ihren Unterhalt auf- kommt. Analog ist ein unmündiges fremdplatziertes Kind auf dem Antrag jenes Elternteils aufzuführen, der überwiegend für dessen Unterhalt auf- kommt. Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 3. Kammer, vom 11. Juli 2019, i.S. A.H. gegen SVA Aargau, Prämienverbilligung (VBE.2018.738) Aus den Erwägungen 2. 2.1. Nach Art. 65 Abs. 1 Satz 1 KVG gewähren die Kantone den Versicherten in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen Prä- mienverbilligungen. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung zu Art. 65 KVG geniessen die Kantone grosse Freiheit bei der Gestal- tung ihrer Prämienverbilligung. Sie können autonom definieren, was unter bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen zu verstehen ist. Indem der Gesetzgeber darauf verzichtet hat, diesen Begriff zu präzi- sieren, werden die Bedingungen, von denen die Prämienverbilligun- gen abhängen, nicht vom Bundesrecht geregelt. Die von den Kanto- nen erlassenen Bestimmungen bezüglich der Prämienverbilligung in 2019 Obergericht, Abteilung Versicherungsgericht 40 der Krankenversicherung stellen daher autonomes kantonales Recht dar (Urteile des Bundesgerichts 8C_345/2015 vom 9. Dezember 2015 E. 3.1 und 8C_614/2013 vom 30. Dezember 2013 E. 3, mit Verweis auf BGE 134 I 313 E. 3 S. 315). 2.2. Grundlage für die Ermittlung und Berechnung eines Anspruchs auf Prämienverbilligung ab dem Bezugsjahr 2017 bilden im Kanton Aargau die §§ 4 ff. des Gesetzes zum Bundesgesetz über die Kran- kenversicherung vom 15. Dezember 2015 (KVGG; SAR 837.200; vgl. § 41 Abs. 1 KVGG) sowie §§ 2-7b der Verordnung zum Gesetz zum Bundesgesetz über die Krankenversicherung vom 16. März 2016 (V KVGG; SAR 837.211). 2.3. 2.3.1. Gemäss § 6 Abs. 1 Satz 1 KVGG besteht ein Anspruch auf Prämienverbilligung, wenn die Richtprämie einen prozentualen An- teil des massgebenden Einkommens übersteigt. Das massgebende Einkommen besteht aus dem bereinigten steuerbaren Einkommen i.S.v. § 6 Abs. 3 KVGG, zuzüglich einem Fünftel des steuerbaren Vermögens des massgebenden Steuerjahres, abzüglich eines Ein- kommensabzugs (§ 6 Abs. 2 KVGG). 2.3.2. Der Regierungsrat legt pro Haushaltstyp die massgebenden Be- rechnungselemente durch Verordnung fest. Dazu gehören der Ein- kommenssatz (Prozentsatz, mit dem das massgebende Einkommen gemäss § 6 Abs. 1 KVGG multipliziert wird), der Einkommensabzug und die Richtprämien. Die Haushaltstypen unterscheiden sich nach Grösse und Zusammensetzung des Haushalts (§ 5 Abs. 1 KVGG). Richtprämien werden je für Erwachsene, junge Erwachsene zwi- schen dem 19. und dem 25. Altersjahr sowie für Kinder festgelegt. Die Richtprämien orientieren sich an den Prämien für besondere Ver- sicherungsformen gemäss Art. 62 KVG (§ 5 Abs. 2 KVGG). Für Haushalte mit Kindern oder jungen Erwachsenen in Ausbildung, die zusammen mit den Eltern eingestuft werden, kommt neben dem Ein- kommensabzug ein zusätzlicher Kinderabzug zum Tragen (§ 5 Abs. 4 KVGG). 2019 Sozialversicherungsrecht 41 2.3.3. Das kantonale Recht unterscheidet bei der Ermittlung der An- spruchsberechtigung zwischen Einzelpersonen ab dem vollendeten 18. Altersjahr sowie Ehepaaren und Familien (§ 9 Abs. 1 KVGG), wobei für junge Erwachsene zwischen dem 19. und dem 25. Altersjahr Sonderbestimmungen gelten (§ 9 Abs. 3 KVGG). 2.3.3.1. Liegt in der rechtskräftigen Steuerveranlagung von jungen Er- wachsenen das steuerbare Einkommen vor Abzug des zusätzlichen Sozialabzugs für tiefe Einkommen über Fr. 24'000.00, wird ein selb- ständiger Lebensunterhalt angenommen. Liegt das steuerbare Ein- kommen junger Erwachsener unter diesem Grenzwert, wird die Un- terstützung durch die Eltern angenommen. Die jungen Erwachsenen werden in diesem Fall auf dem Antrag der Eltern unter Anrechnung ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse mitgeführt. Der An- nahme kann durch eine Deklaration bei der Antragstellung wider- sprochen werden. Der Widerspruch ist nötigenfalls zu belegen (§ 9 Abs. 3 lit. a KVGG i.V.m. § 5 Abs. 2 V KVGG). 2.3.3.2. Die SVA Aargau hat zur Überprüfung der Anspruchsberechti- gung von jungen Erwachsenen Zugriff auf die Steuerdaten der Eltern (§ 9 Abs. 3 lit. c KVGG). 3. 3.1. Den Akten ist zu entnehmen, dass die 1998 geborene Tochter des Beschwerdeführers, N.H., vom (...) 2016 bis (...) 2019 eine Ausbildung (...) absolviert (...). Ausserdem ist sie am (...) 2018 bei ihrer Mutter ausgezogen und führt seit dann ihren eigenen Haushalt in S. (...). Bei jungen Erwachsenen zwischen dem 19. und dem 25. Altersjahr wird, wie vorstehend ausgeführt, die Unterstützung durch die Eltern angenommen, wenn ihr steuerbares Einkommen vor Abzug des zusätzlichen Sozialabzugs für tiefe Einkommen nicht über Fr. 24'000.00 liegt, weshalb sie in diesem Fall - gerade wegen der fi- nanziellen Unterstützung - auf dem Antrag der Eltern unter Anrech- nung ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse mitgeführt 2019 Obergericht, Abteilung Versicherungsgericht 42 werden (vgl. E. 2.3.3.1. hiervor). Bei welchem Elternteil die Anrech- nung der jungen Erwachsenen erfolgen soll, wenn diese getrennt le- ben und deshalb kein gemeinsamer Antrag erfolgt, ergibt sich aus dem Gesetz nicht. Entgegen den Ausführungen der Beschwerdegeg- nerin (...) ist bei der Beurteilung, ob eine junge Erwachsene auf dem Antrag ihrer Eltern mitgeführt wird, jedoch nicht an den gesetzlichen Wohnsitz der jungen Erwachsenen, sondern an die finanzielle Unter- stützung anzuknüpfen. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut sowie Sinn und Zweck von § 9 Abs. 3 lit. a KVGG, wonach es auf die finan- zielle Unterstützung durch die Eltern ankommt. Leben demnach die Eltern getrennt, so dass ihr massgebendes Einkommen bei der Er- mittlung ihrer Anspruchsberechtigung auf Prämienverbilligung nicht (mehr) gemeinsam, sondern für beide separat ermittelt wird, ist daher bei der Frage, auf welchem Antrag der Eltern die jungen Erwachse- nen gemäss § 9 Abs. 3 lit. a KVGG mitgeführt werden, darauf abzu- stellen, welcher Elternteil überwiegend für deren Unterhalt auf- kommt. Dies entspricht dem bis am 30. Juni 2016 geltenden Recht, wonach der Anspruch auf Prämienverbilligung von jungen Erwach- senen in Ausbildung zusammen mit derjenigen Person berechnet wurde, die zur Hauptsache für ihren Unterhalt aufkam (§ 13 Abs. 2 der Verordnung zum Einführungsgesetz zum Bundesgesetz über die Krankenversicherung [V EG KVG, SAR 837.11] in der bis am 30. Juni 2016 geltenden Fassung). Für die Beurteilung, wer zur Hauptsache für den Unterhalt aufkommt, war insbesondere die Ge- währung respektive Geltendmachung des steuerrechtlichen Kinder- abzuges sowie die Steuererklärung der gesuchstellenden Person massgebend (§ 13 Abs. 3 V EG KVG). Der Kinderabzug steht im Steuerrecht derjenigen steuerpflichtigen Person zu, die zur Haupt- sache (mehr als zur Hälfte) für den Kindesunterhalt aufkommt (§ 27 der Verordnung zum Steuergesetz [StGV, SAR 651.111). An dieser Regelung ist auch unter Geltung des neuen Rechts festzuhalten. 3.2. Die jüngere Tochter des Beschwerdeführers war im Jahr 2018 16 Jahre alt (...) und ist nach den Ausführungen des Beschwerdefüh- rers seit (...) 2017 fremdplatziert (...). Ob bzw. bei welchem Eltern- teil ein unmündiges Kind auf dem Antrag mitzuführen ist, wenn es 2019 Sozialversicherungsrecht 43 weder beim Vater noch bei der Mutter wohnt, ergibt sich aus dem Gesetz nicht. Bei der Ermittlung der Anspruchsberechtigung werden gemäss § 9 Abs. 1 KVGG Einzelpersonen ab dem vollendeten 18. Altersjahr (lit. a) sowie Ehepaare und Familien (lit. b) unter- schieden. Gemäss § 3 Abs. 1 V KVGG gelten als Haushaltstypen Alleinstehende (lit. a), Alleinstehende mit Kindern (lit. b), Ehepaare (lit. c) und Ehepaare mit Kindern (lit. d). Würde man somit auf den Wohnsitz abstellen, könnte ein unmündiges Kind, das fremdplatziert ist, von vornherein keinen Anspruch auf Prämienverbilligung geltend machen, da es unter keinen der Haushaltstypen fällt. Unmündige Kinder sind daher auf dem Antrag der Eltern mitzuführen, unabhän- gig davon, wo sich ihr Wohnsitz befindet. Dies entspricht dem bis am 30. Juni 2016 geltenden Recht, wonach Personen, die gemeinsam be- steuert werden, einen Gesamtanspruch auf Prämienverbilligung ha- ben, der im Verhältnis der effektiven Prämien aufgeteilt wird (§ 12 V EG KVG). Analog zur Regelung bei jungen Erwachsenen gemäss den vorstehenden Ausführungen (vgl. E. 3.1. hiervor) ist bei der Fra- ge, bei welchem Elternteil ein unmündiges fremdplatziertes Kind auf dem Antrag mitzuführen ist, darauf abzustellen, welcher Elternteil überwiegend für dessen Unterhalt aufkommt. 3.3. Die Beschwerdegegnerin hat demnach im Sinne der vorstehen- den Erwägungen abzuklären, wer überwiegend für den Unterhalt der Töchter N.H. sowie F.H. aufkommt. Je nach Ergebnis ist gegebenen- falls der Prämienverbilligungsanspruch des Beschwerdeführers für das Jahr 2018 neu zu ermitteln.
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2015 Obergericht, Abteilung Versicherungsgericht 52 5 Art. 40 VVG Die betrügerische Begründung des Versicherungsanspruchs im Sinne von Art. 40 VVG ist den Mängeln der Vertragserfüllung gleich zu stellen, wes- halb auf die Rückabwicklung die vertraglichen (und nicht die bereiche- rungsrechtlichen) Regeln anzuwenden sind. Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 3. Kammer, vom 9. Juni 2015 i.S. A. Versicherungen AG gegen N.P. (VKL.2014.22). Aus den Erwägungen 3. Der Beklagte erhob gegen die Rückforderung der Klägerin die Einrede der Verjährung. Daher ist vorab auf die Verjährungspro- blematik einzugehen. 3.1. Die allgemeinen Vertragsbedingungen (...) enthalten keine Be- stimmung zur Rückforderung und keine Verjährungsregel. Es ist zu entscheiden, ob die Rückerstattung zu viel bezahlter Krankentaggeld- leistungen im konkreten Fall nach den Regeln der ungerechtfertigten 2015 Sozialversicherungsrecht 53 Bereicherung (Art. 62 ff. OR) abzuwickeln ist oder aber Vertrags- recht zur Anwendung gelangt. Ein vertraglicher Anspruch schliesst nach herrschender Lehre und Praxis einen Bereicherungsanspruch aus (BGE 126 III 119 E. 3a; 114 II 152 E. 2c und 2d). 3.2. Das Bundesgericht hatte in seiner früheren Rechtsprechung mehrfach entschieden, dass auf die Rückforderung bereits geleisteter Zahlungen im Falle eines Rücktritts wegen betrügerischer An- spruchsbegründung (Art. 40 VVG) das Recht der ungerechtfertigten Bereicherung anwendbar sei (BGE 42 II 674 E. 2a; 126 III 119 E. 3e; 127 III 421 E. 3c/bb). In der neueren Lehre und Rechtsprechung hat sich indessen die generelle Tendenz entwickelt, Ansprüche ver- mehrt auf eine vertragliche denn auf die bereicherungsrechtliche Grundlage zu stützen (BGE 114 II 152 E. 2; 126 III 119 E. 3c; 132 III 242 E. 4.1). In seinem Urteil 5C_59/2006 vom 1. Juni 2006 warf das Bundesgericht alsdann die Frage auf, ob sich diese Tendenz zur Einschränkung des Anwendungsbereichs des Bereicherungsrechts auch auf Rückforderungen nach einem Rücktritt gestützt auf Art. 40 VVG auswirkt. Trotz Hinweise auf die vertragliche Natur der Rückforderungsansprüche nach allgemeinem Obligationenrecht liess es indes diese Frage offen. In einem neuen Entscheid hielt das Bundesgerichts nun fest, dass eine Rückabwicklung nach Bereicherungs- und Vindikations- recht lediglich noch in den Fällen vorzunehmen ist, in welchen Leis- tungen im Zusammenhang mit einem Vertrag erbracht wurden, der wegen Mängeln bei der Vertragsentstehung (Willensmängel, Form- mängel) nicht gültig zustande gekommen ist. Wenn dagegen ein zu- nächst gültig zustande gekommener Vertrag aus nachträglich einge- tretenen Gründen scheitert, kommt eine Rückabwicklung nach vertraglichen Grundsätzen in Betracht. Von seinem solchen vertragli- chen Rückabwicklungsverhältnis geht das Bundesgericht denn auch bei einem Dahinfallen des Vertrags infolge eines Rücktritts wegen Erfüllungsmängeln aus (BGE 137 III 243 E. 4.4.7). Bei der hier strittigen betrügerischen Begründung des Versicherungsanspruchs im Sinn von Art. 40 VVG handelt es sich nun nicht um einen Mangel der Vertragsentstehung sondern der Fehltatbestand steht vielmehr im 2015 Obergericht, Abteilung Versicherungsgericht 54 Zusammenhang mit der Vertragserfüllung; die Klägerin wirft dem Beklagten vor, nach Vertragsabschluss, im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Versicherungsansprüchen, Pflichten verletzt zu haben. Vor dem Hintergrund dieser neuen Rechtsprechung rechtfertigt es sich daher, die betrügerische Begründung des Versicherungsan- spruchs im Sinne von Art. 40 VVG den Mängeln der Vertragser- füllung gleich zu stellen und auf die Rückabwicklung vertragliche Regeln anzuwenden. 3.3. - 3.4 (...)
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2006 Versicherungsgericht 72 [...] 17 Art. 14 Abs. 2 AVIG; § 33 des kantonalen Gesetzes über die öffentliche Sozialhilfe und soziale Prävention (SPG) Der Wegfall der Alimentenbevorschussung stellt keinen ,,ähnlichen Grund" im Sinne von Art. 14 Abs. 2 AVIG und damit keinen Grund zur Befreiung von der Beitragszeit dar. Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 4. Kammer, vom 21. Februar 2006 in Sachen U.S. gegen Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Aar- gau. Aus den Erwägungen 2.2. Der Beschwerdeführerin wurde im Trennungsurteil des Bezirks- gerichts Rheinfelden für ihre beiden, 1985 und 1991 geborenen Kin- der X. und Y. Unterhaltsbeiträge in Höhe von monatlich je Fr. 750.-- zugesprochen. Mangels finanzieller Möglichkeiten des Unterhalts- pflichtigen übernahm die Gemeinde K. im Rahmen der Alimentenbe- vorschussung die Zahlung der Unterhaltsbeiträge. Gemäss § 33 des Sozialhilfe- und Präventionsgesetzes des Kantons Aargau wird die Alimentenbevorschussung für Personen in Ausbildung maximal bis zur Vollendung des 20. Altersjahres gewährt. Entsprechend teilte der Soziale Dienst der Gemeinde K. der Beschwerdeführerin mit, dass im August 2005 die Alimentenzahlungen für X. enden würden. Da- durch ergab sich bei den Lebenskosten der Beschwerdeführerin und 2006 Versicherungsgericht 73 ihrer beiden Kinder eine Unterdeckung, welche nur teilwese durch die X. zugesprochenen Stipendien gedeckt werden können. 2.2.1. (...) 2.2.2. Im nicht veröffentlichten Urteil J. vom 16. November 1993 (C 10/92) hat das EVG entschieden, dass der Wegfall einer kantona- len Erwerbsersatzleistung für alleinerziehende Mütter keinen "ähnli- chen Grund" im Sinne von Art. 14 Abs. 2 AVIG darstelle. In der Be- gründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Besondere an der in Art. 14 Abs. 2 AVIG anvisierten Versichertengruppe sei darin zu sehen, dass sie nicht eigentlich auf den Eintritt oder Wiedereintritt in das Erwerbsleben vorbereitet sei. Die Regelung begünstige Personen, die von besonderen Ereignissen überrascht worden seien, welche das Leben vielfach grundsätzlich änderten. Dies treffe im zu beurteilen- den Fall nicht zu. Denn die Versicherte habe von vornherein gewusst, dass der Anspruch auf kantonale Erwerbsersatzleistungen gemäss dem in jenem Fall massgebend gewesenen kantonalen Gesetz über Familien- und Sozialzulagen mit der Vollendung des 2. Altersjahres ihres Kindes erlösche. Ebenso entschied das EVG in einem gleich gelagerten Fall aus dem Jahr 1997 (SVR 1997 ALV Nr. 100). 2.2.3. Wie in den vorstehend beschriebenen Fällen geht es auch vor- liegend um den Wegfall kantonaler Unterstützungsbeiträge, in con- creto um die Alimentenbevorschussung durch die Wohngemeinde. Da die Tochter der Beschwerdeführerin noch in Ausbildung steht, wurde ihr die Alimentenbevorschussung über die Mündigkeit hinaus gewährt. Jedoch endet gemäss § 33 des kantonalen Sozialhilfe- und Präventionsgesetzes die Alimentenbevorschussung auch bei Perso- nen, die noch in Ausbildung sind, spätestens nach Erfüllung des 20. Altersjahres, was bei X. im August 2005 der Fall war. Die Be- schwerdeführerin macht geltend, sie habe von dieser Gesetzesbestim- mung nichts gewusst und sie sei seitens der Behörde auch nie da- rüber informiert worden. Jedoch vermag diese Rechtsunkenntnis aus dem Wegfall der Alimentenzahlungen kein besonderes, unerwartetes Ereignis im Sinne von Art. 14 Abs. 2 AVIG zu machen. Viele Unter- 2006 Versicherungsgericht 74 stützungszahlungen und Vergünstigungen der öffentlichen Hand en- den mit Eintritt der Mündigkeit oder bei Erreichen des 20. Altersjahres. Es wäre daher Sache der Beschwerdeführerin gewe- sen, sich diesbezüglich rechtzeitig zu informieren. Zudem fällt der Anspruch der Tochter auf Unterhaltsleistungen an sich nicht grund- sätzlich weg, doch hat sie diesen nunmehr direkt gegenüber ihrem Vater geltend zu machen bzw. durchzusetzen. 2.3. Zusammenfassend kann der Wegfall der Alimentenbevorschus- sung somit nicht als "ähnlicher Grund" im Sinne von Art. 14 Abs. 2 AVIG qualifiziert werden. Entsprechend liegt bezüglich der Ausdeh- nung der Erwerbstätigkeit der Beschwerdeführerin kein Befreiungs- grund von der Beitragszeit gemäss Art. 14 AVIG vor.
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2003 Kinderzulagen 89 II. Kinderzulagen 29 § 8 KZG, Personenfreizügigkeitsabkommen, Art. 76 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 über soziale Sicherheit Die Kinderzulagen werden bei Anspruchskonkurrenz im Inland grund- sätzlich nach dem Obhutsprinzip zugesprochen. Erhält der obhutsbe- rechtigte Elternteil, welcher mit den Kindern in Deutschland wohnt, mangels unselbständiger Erwerbstätigkeit keine Kinderzulagen (bzw. nur den Differenzbetrag), gelangt gemäss Freizügigkeitsabkommen und Ver- ordnung (EWG) 1408/71 subsidiär das Erwerbsortprinzip zur Anwen- dung, d.h. die Kinderzulagen sind dem in der Schweiz erwerbstätigen an- deren Elternteil auszurichten. Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 4. Kammer, vom 28. Okto- ber 2003 in Sachen A.G. gegen Sozialversicherungsanstalt. Aus den Erwägungen 2. a) Aufgrund des Personenfreizügigkeitsabkommens und des EFTA-Übereinkommens kommen in der Schweiz die Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 und (EWG) Nr. 574/72 zur Anwendung. Sie enthalten neben allgemeinen Grundsätzen der zwischenstaatlichen Koordination, die für sämtliche Sozialversicherungen gelten, auch spezifische Regelungen für die Familienzulagen. Die Koordinations- bestimmungen haben keinen Einfluss auf die von den nationalen Gesetzgebungen vorgesehenen Leistungsarten und legen weder einen Leistungskatalog fest noch sagen sie, wer bezugsberechtigt ist. Die einzelnen Staaten bleiben somit bezüglich Art und Höhe der Leis- tungen, des Berechtigtenkreises und der Anspruchsbedingungen frei. Die Bestimmungen gelten für alle gesetzlichen Leistungen, die dem Unterhalt der Familienangehörigen dienen, insbesondere für Kinder-, Ausbildungs- und Haushaltszulagen. 2003 Versicherungsgericht 90 b) Um festzustellen, ob eine Anspruchskonkurrenz besteht, ist in einem ersten Schritt zu ermitteln, ob die in der Schweiz erwerbs- tätige Person Anspruch auf Familienzulagen hat. In einem zweiten Schritt muss geprüft werden, ob eine andere Person in einem EU- oder EFTA-Staat ebenfalls Anspruch auf Familienzulagen für dassel- be Kind hat. Familienleistungen werden für Arbeitnehmer, Selbständiger- werbende und Arbeitslose von dem Träger des Mitgliedstaates er- bracht, dessen Rechtsvorschriften für ihn gelten, auch wenn die Fa- milienangehörigen in einem anderen Mitgliedstaat wohnen. Die Ver- ordnung (EWG) Nr. 1408/71 folgt also bei Familienleistungen dem Beschäftigungslandprinzip (Maximilian Fuchs, Kommentar zum Europäischen Sozialversicherungsrecht, 3. Aufl. 2002, Baden-Baden, S. 476). Haben mehrere Personen (z.B. Mutter, Vater oder Stiefvater) in verschiedenen Staaten aufgrund einer Erwerbstätigkeit Anspruch auf Familienzulagen für dasselbe Kind, so bestimmt Art. 76 der Ver- ordnung (EWG) Nr. 1408/71, welcher Anspruch vorgeht oder wel- cher Staat erstleistungspflichtig ist. (...) Es geht der Anspruch vor, der in demjenigen Staat besteht, in dem die Familienangehörigen bzw. der obhutsberechtigte Elternteil mit dem Kind wohnt (Obhuts- prinzip). Der Anspruch im anderen Staat wird bis zu Höhe der im Wohnsitzstaat der Familienangehörigen geschuldeten Leistungen ausgesetzt. Sind die vom anderen Staat vorgesehenen Leistungen höher als diejenigen im Wohnsitzland der Angehörigen, muss der andere Staat eine Differenzzulage bezahlen. Gemäss Gemeinschafts- recht muss ein solcher Differenzbetrag lediglich dann ausgerichtet werden, wenn beide Ansprüche auf Erwerbstätigkeit beruhen. Im Ausland geleistete Differenzzahlungen - ob vom Gemeinschaftsrecht vorgeschrieben oder nicht - dürfen nicht vom schweizerischen An- spruch abgezogen werden, wenn die Schweiz in erster Linie leis- tungspflichtig ist. 3. a) Im vorliegenden Fall wohnt und arbeitet der von seiner Ehefrau getrennt lebende Beschwerdeführer in der Schweiz. Die Ehefrau wohnt mit den beiden Kindern in Deutschland. (...) b) Grundsätzlich ist der Anspruch des Beschwerdeführers auf Kinderzulagen unbestritten. Die Beschwerdegegnerin stellt sich denn 2003 Kinderzulagen 91 auch auf den Standpunkt, die Auszahlung der Zulagen sei lediglich aufgrund der Anspruchskonkurrenz (für welche das KZG in § 8 Abs. 3 das Obhutsprinzip vorsieht) eingestellt worden. Es ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner An- stellung zulagenberechtigt ist. Aufgrund des vorstehend zitierten Entscheids des Arbeitsamtes Lörrach steht aber weiter fest, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers zwar selbständig erwerbstätig ist, damit aber nicht rentenversicherungspflichtig ist und ihr Anspruch auf Kindergeld nach Art. 10 der Durchführungsverordnung (DVO) i.V.m. Art. 76 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 ruht und lediglich ein Anspruch auf den Differenzbetrag besteht. Gemäss dem im Be- reich der Familienzulagen geltenden Erwerbsortprinzip (Kapitel 7 des Titels III der Verordnung Nr. 1408/71) und der Tatsache, dass die Ehefrau trotz ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit kein Kindergeld beziehen kann, sind daher dem Beschwerdeführer die Zulagen für die Kinder M. und S. auszurichten.
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AG_VSG_001_AGVE-2003-29_2003-10-04
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Microsoft Word - 00698123.docx Versicherungsgericht 1. Kammer VBE.2020.404 / sb / sc (Vers.-Nr. 756._) Art. 216 Urteil vom 23. Oktober 2020 Besetzung Oberrichter Kathriner, Präsident Oberrichterin Schircks Denzler Oberrichterin Fischer Gerichtsschreiber Berner Beschwerde- führer A. _ Beschwerde- gegnerin SVA Aargau, Ausgleichskasse, Kyburgerstrasse 15, 5001 Aarau Gegenstand Beschwerdeverfahren betreffend EO (Einspracheentscheid vom 11. August 2020) - 2 - Das Versicherungsgericht entnimmt den Akten: 1. Der Beschwerdeführer ist Inhaber des Einzelunternehmens B. _ mit Sitz in X. _. Am 15. Mai 2020 meldete er sich bei der zum Bezug von Leistungen basierend auf der vom 20. März 2020 über Massnahmen bei Erwerbsausfall im mit dem Coronavirus (Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall) an. Mit Verfügung vom 27. Mai 2020 verneinte die Beschwerdegegnerin einen Anspruch des Beschwerdeführers auf eine "Corona-". Die hiergegen am 11. Juni 2020 erhobene Einsprache wies sie mit Einspracheentscheid vom 11. August 2020 ab. 2. 2.1. Mit fristgerechter Beschwerde vom 25. August 2020 gegen den vom 11. August 2020 erneuerte der Beschwerdeführer sinngemäss sein Leistungsbegehren. Daran hielt er mit weiteren Eingaben vom 28. August und vom 9. September 2020 fest. 2.2. Mit Vernehmlassung vom 28. September 2020 beantragte die die Abweisung der Beschwerde. Der Beschwerdeführer hielt mit einer weiteren Eingabe vom 9. Oktober 2020 im Wesentlichen an seiner Beschwerde und deren Begründung fest. Das Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. In ihrem Einspracheentscheid vom 11. August 2020 ( [VB] 7; vgl. auch die Verfügung der Beschwerdegegnerin vom 27. Mai 2020 in VB 3) hielt die Beschwerdegegnerin im Wesentlichen fest, das vom Beschwerdeführer "deklarierte Einkommen 2019 beträgt CHF 0.00" und liege somit unterhalb der unteren Einkommensgrenze von Fr. 10'000.00. Er habe daher keinen Entschädigungsanspruch gemäss Covid-19- Erwerbsausfall. Der Beschwerdeführer bringt dagegen sinngemäss vor, er habe im Jahr 2019 ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit von Fr. 40'830.00 erwirtschaftet, womit sein ausgewiesen sei. Damit ist streitig und nachfolgend zu prüfen, ob die Beschwerdegegnerin mit dem angefochtenen Einspracheentscheid vom 11. August 2020 zu Recht einen Entschädigungsanspruch des Beschwerdeführers gemäss Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall verneint hat. - 3 - 2. 2.1. Der Bundesrat hat am 20. März 2020 die Covid-19-Verordnung erlassen (AS 2020 871, rückwirkend in Kraft getreten auf den 17. März 2020) und in der Folge mehrfach rückwirkend angepasst. Gemäss Art. 2 Abs. 1 lit. d i.V.m. Art. 2 Abs. 1bis lit. c und Art. 2 Abs. 3 Covid-19- Erwerbsausfall in der vom 17. März 2020 (vgl. AS 2020 1257) bis zum 16. September 2020 (vgl. AS 2020 3705) gültigen Fassung haben Selbständigerwerbende im Sinne von Art. 12 ATSG Anspruch auf eine , die aufgrund einer Massnahme nach Art. 6 Abs. 1 und 2 der Verordnung 2 vom 13. März 2020 über die Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (Covid-19-Verordnung 2 [SR 818.101.24); aufgehoben mit Inkrafttreten der Verordnung 3 über die Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus [Covid-19-Verordnung 3; SR 818.101.24] am 22. Juni 2020 [vgl. AS 2020 2195]) in der jeweils massgeblichen Fassung einen erleiden und im Sinne des AHVG obligatorisch versichert sind. Selbständigerwerbende im Sinne von Art. 12 ATSG, die nicht unter Art. 2 Abs. 3 COVID-19-Verordnung Erwerbsausfall fallen, sind , wenn sie aufgrund der bundesrätlichen Massnahmen zur des Coronavirus einen Erwerbsausfall erleiden und ihr für die der Beiträge der AHV massgebendes Einkommen für das Jahr 2019 zwischen Fr. 10'000.00 und Fr. 90'000.00 liegt (Art. 2 Abs. 3bis Covid- Erwerbsausfall in der vom 17. März 2020 [vgl. AS 2020 1257] bis zum 16. September 2020 [vgl. AS 2020 3705] in Kraft gestandenen Fassung). Für die Berechnung des massgebenden Einkommens für das Jahr 2019 gilt Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall sinngemäss. Dieser sieht in seiner vom 17. März 2020 (vgl. AS 2020 2223) bis zum 16. September 2020 (vgl. AS 2020 3705) gültigen Fassung vor, dass nach der Festlegung der Entschädigung eine Neuberechnung nur werden kann, wenn eine aktuellere Steuerveranlagung bis zum 16. September 2020 der anspruchsberechtigten Person zugestellt wird und diese den Antrag zur Neuberechnung bis zu diesem Datum einreicht. 2.2. Das Kreisschreiben des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV) über die Entschädigung bei Massnahmen zur Bekämpfung des – Corona-Erwerbsersatz (KS CE, Stand: 3. Juli 2020, rückwirkend ab 17. März 2020) sieht in Rz. 1041.3 vor, dass für die Ermittlung der Einkommensgrenzen von Fr. 10'000.00 und Fr. 90'000.00 gemäss Art. 2 Abs. 3bis Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall grundsätzlich auf das abgestellt wird, welches als Grundlage für die des Jahres 2019 (Akontorechnungen) herangezogen wurde. Die Rz. 1065 bis 1068, welche die Ermittlung des Einkommens zur konkreten Festsetzung des ersten bestimmen, seien sinngemäss anwendbar. KS CE Rz. 1065 be- - 4 - stimmt, dass Grundlage für die Bemessung der Entschädigung für Erwerbende grundsätzlich das Erwerbseinkommen sei, welches im Jahr 2019 erzielt wurde. Als Basis sei das Einkommen zu verwenden, für die Festsetzung der Beitragsrechnungen für das Jahr 2019 () herangezogen worden sei. Keine Änderung in der Höhe der Entschädigung bewirkten nach dem 17. März 2020 erfolgte Anpassungen des den Akontorechnungen 2019 zugrundeliegenden Erwerbseinkommens (KS CE Rz. 1068). 3. 3.1. Aus einer von der Beschwerdegegnerin eingereichten und anscheinend aus einem ihrer internen EDV-Systeme stammenden Übersicht ergibt sich, dass der Beschwerdeführer in den Jahren 2015 bis 2017 gestützt auf des zuständigen Steueramts (vgl. dazu hinten E. 3.6.) bei einem Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit von Fr. 0.00 jeweils den minimalen AHV/IV/EO-Beitrag (vgl. Art. 8 Abs. 2 AHVG) von Fr. 480.00 beziehungsweise Fr. 478.00 jährlich entrichtet zu haben scheint. Für die Jahre 2018 bis 2020 scheint gestützt auf die der Vorperiode jeweils ebenfalls der Mindestbeitrag in Rechnung gestellt worden zu sein (vgl. VB 2). In den Akten finden sich indes weder die jeweiligen Beitragsverfügungen beziehungsweise (mit Ausnahme jener der Jahre 2019 und 2020; vgl. VB 2, S. 2 ff.) noch die Steuermeldungen der Jahre 2015 bis 2017 oder ein aus dem von der Beschwerdegegnerin über die Einzelfirma des geführten Beitragskonto. Der Beschwerdeführer selbst macht geltend, im Jahr 2019 ein Einkommen von Fr. 40'830.00 zu haben, und verweist dabei auf einen von der Y. _ der C. _, Z. _, ausgestellten Lohnausweis vom 22. Januar 2020 für die Periode vom 1. Januar bis 21. April 2019, dem ein Bruttolohn von Fr. 42'812.00 und ein Nettolohn von Fr. 40'830.00 zu entnehmen sind (vgl. VB 5, S. 2). 3.2. Die Beschwerdegegnerin begründet ihre Verneinung eines des Beschwerdeführers gemäss Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall damit, dass dessen beitragspflichtiges Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit ab dem Jahr 2016 und – gemäss – insbesondere im Jahr 2019 jeweils CHF 0.00 betragen habe. 3.3. 3.3.1. Der angefochtene Entscheid der Beschwerdegegnerin stützt sich ( teilweise) auf die Vorgaben gemäss KS CE Rz. 1041.3 i.V.m. Rz. 1065 ff. (vgl. vorne E. 2.2.). Derartige Verwaltungsweisungen richten - 5 - sich grundsätzlich nur an die Durchführungsstellen und sind für das nicht verbindlich. Indes berücksichtigt das Gericht die Kreisschreiben insbesondere dann und weicht nicht ohne triftigen Grund davon ab, wenn sie eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen und eine überzeugende Konkretisierung der rechtlichen Vorgaben . Dadurch trägt es dem Bestreben der Verwaltung Rechnung, durch interne Weisungen eine rechtsgleiche Gesetzesanwendung zu (vgl. zum Ganzen statt vieler BGE 144 V 195 E. 4.2 S. 198, 141 V 365 E. 2.4 S. 368 und 140 V 543 E. 3.2.2.1 S. 547 sowie KIRA TANNER, Die – ein Fehler im System?, in SZS 2018 S. 267 f.). 3.3.2. Anders als KS CE Rz. 1041.3 sieht Art. 2 Abs. 3bis Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall hinsichtlich der Beurteilung, ob das Einkommen für das Jahr 2019 zwischen Fr. 10'000.00 und Fr. 90'000.00 liegt, gerade nicht einzig die Massgeblichkeit der Akontorechnung des Jahres 2019 vor, sondern allgemein das "für die Bemessung der Beiträge der AHV [...] Einkommen für das Jahr 2019" als massgebend. Daran vermag Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall nichts zu ändern, bezieht sich dieser doch einzig auf eine Anpassung nach einer erstmaligen (rechtskräftigen) Festsetzung und damit gerade nicht auf – wie vorliegend in Frage stehend – eine erstmalige Anspruchsbeurteilung. Ferner ist zu , dass das Beitragsrecht der AHV bis zum Zeitpunkt der definitiven Beitragsfestsetzung keine zeitliche Begrenzung der Anpassung des Einkommens kennt (vgl. Art. 24 f. AHVV). Das im KS CE vorgesehene Vorgehen mit Abstellen einzig auf die Akontorechnung das Jahres 2019 mag zwar in der Praxis in vielen Fällen zu einem zutreffenden Ergebnis führen. Es befreit die Beschwerdegegnerin nicht davon, im Einzelfall allfällige besondere Gegebenheiten zu und zu berücksichtigen, wobei es gleichzeitig ein mögliches Verhalten des Ansprechers zu erkennen gilt und diesem Einhalt zu gebieten ist. Soweit das KS CE vorsieht, eine Festsetzung des massgebenden Einkommens könne generell nicht anhand von nach dem 17. März 2020 erfolgten Anpassungen des den Akontorechnungen 2019 zugrundeliegenden Erwerbseinkommens werden, ist es rechtswidrig und damit unbeachtlich, zumal ein möglicher Rechtsmissbrauch – welchem mit den Bestimmungen des KS CE augenscheinlich entgegen getreten werden soll – auch mittels anderer Vorkehrungen wie z.B. geprüfter Buchhaltungsunterlagen und/oder eingereichter Steuererklärungen erkannt und verhindert werden könnte. Die Geltendmachung eines höheren als des effektiv erzielten Einkommens aus selbständiger Erwerbstätigkeit führt zudem, neben der möglichen eines solchen Verhaltens, automatisch zu einer höheren Abgabe- und Steuerlast, womit für den Leistungsansprecher – wenn überhaupt – nur - 6 - ein beschränkter Vorteil durch ein falsch deklariertes Einkommen könnte. 3.4. Die Beschwerdegegnerin vertritt weiter die Ansicht, dass der vom für das Jahr 2019 eingereichte Lohnausweis belege, dass es sich bei dessen Tätigkeit für die Ausstellerin des Lohnausweises um eine unselbständige Erwerbstätigkeit gehandelt habe. Diese greift zu kurz. Es versteht sich jedenfalls von selbst, dass das blosse Vorliegen eines Lohnausweises als einziges Kriterium weder (mit Wahrscheinlichkeit) Beweis für ein arbeitsvertragliches Verhältnis zu erbringen noch die Qualifikation einer Tätigkeit als unselbständige zu begründen vermag (vgl. BGE 146 V 139 E. 3.1 S. 141 f. sowie 144 V 111 E. 4.2 S. 112 f. und Urteil des Bundesgerichts 9C_799/2011 vom 26. März 2012 E. 3.2 mit Hinweisen, wonach Verhältnisse allenfalls gewisse Anhaltspunkte für die Qualifikation zu bieten vermögen, ohne jedoch zu sein; siehe ferner zu den einzelnen Abgrenzungskriterien für selbständige Erwerbstätigkeit statt vieler DANIELE MARCO CORTIULA, Die Stellung der Selbständigerwerbenden im schweizerischen de lege lata et de lege ferenda, Diss. 2020, S. 98 ff., und FELIX FREY, in Frey/Mosimann/Bollinger [Hrsg.], AHVG/IVG-Kommentar, 2018, N. 1 zu Art. 9 AHVG). Über die in Frage stehende Tätigkeit des beziehungsweise deren konkrete Ausgestaltung kann den Akten keinerlei Information entnommen werden, weshalb deren Qualifikation als selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich ist. Die Beschwerdegegnerin wird diesbezüglich weitere Abklärungen vorzunehmen haben. 3.5. Vor dem Hintergrund vorerwähnter Aktenlage (vgl. vorne E. 3.1.) stellt sich vorab aber die grundsätzliche Frage, ob die Erwerbstätigkeit des im Rahmen seiner Einzelfirma nicht in zeitlicher und Hinsicht unbedeutend (im Sinne von weder dauernd noch ) ist und dieser daher als Nichterwerbstätiger qualifiziert werden müsste (vgl. zum Ganzen BGE 143 V 177 E. 3.2 S. 183, 140 V 338 E. 1.1 S. 339 f. und 139 V 12 E. 5 S. 15 ff. sowie PETER FORSTER, Versicherte und , in: Steiger-Sackmann/Mosimann [Hrsg.], Recht der Sozialen – Sozialversicherungen, Opferhilfe, Sozialhilfe, 2014, Rz. 10.107). Aufgrund der lückenhaften Aktenlage kann dies aktuell nicht beantwortet werden, zumal auch nichts über mögliche weitere Erwerbstätigkeiten (Haupt- oder Nebenerwerb) des Beschwerdeführers bekannt ist und aus den Akten auch nicht hervorgeht, ob es sich bei der in Frage stehenden Tätigkeit des Beschwerdeführers im Rahmen seiner Einzelfirma um dessen Haupt- oder Nebenerwerb handelt. Die Beschwerdegegnerin wird weitere - 7 - diesbezügliche Abklärungen vorzunehmen und die Akten entsprechend zu vervollständigen haben. 3.6. Im Zusammenhang mit den durch die Beschwerdegegnerin weiteren Abklärungen sei ferner daran erinnert, dass es nach Art. 23 Abs. 1 AHVV zwar in der Regel den Steuerbehörden obliegt, das für die Berechnung der Beiträge Selbstständigerwerbender massgebende auf Grund der rechtskräftigen Veranlagung für die direkte Bundessteuer und das im Betrieb investierte Eigenkapital auf Grund der entsprechenden rechtskräftigen kantonalen Veranlagung zu ermitteln, und dass jede rechtskräftige Steuerveranlagung – auch solche, die auf beruhen (vgl. Urteil des Bundesgerichts H 210/06 vom 22. Juni 2007 E. 3.3 sowie Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts H 121/05 vom 14. September 2006 E. 3.1 und ZAK 1988 S. 298 mit Hinweisen; vgl. zum Ganzen auch PETER FORSTER, AHV-Beitragsrecht, Diss. 2007, S. 147 f. mit Hinweis) – nach Art. 23 Abs. 4 AHVV sowie der dazu bundesgerichtlichen Rechtsprechung die nur mit Tatsachen Vermutung begründet, dass sie der Wirklichkeit entspreche, Steuermeldungen grundsätzlich für die Ausgleichskassen verbindlich sind (vgl. zum Ganzen Urteil des Bundesgerichts 9C_543/2019 vom 20. 2020 E. 3.2.1 mit Hinweisen; vgl. ferner SVR 2011 AHV Nr. 12 S. 39, 9C_417/2010 E. 4.4, und SVR 2007 AHV Nr. 11 S. 29, H 64/06 E. 3.3, Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts H 121/05 vom 14. September 2006 E. 3.1). Die in Art. 23 Abs. 4 AHVV angeordnete von Steuermeldungen bezieht sich aber nur auf die des massgebenden Einkommens und des im Betrieb investierten . Demgegenüber wird die beitragsrechtliche Qualifikation des Einkommens beziehungsweise des Einkommensbezügers, etwa die Frage, ob überhaupt Einkommen aus Erwerbstätigkeit vorliegt, von der des Art. 23 Abs. 4 AHVV nicht erfasst. Die Beschwerdegegnerin hat daher selbständig zu beurteilen, ob überhaupt Erwerbseinkommen und gegebenenfalls solches aus selbstständiger oder unselbstständiger vorliegt und ob der Einkommensbezüger oder ein Dritter ist (BGE 145 V 326 E. 4.2 S. 329 f., 143 V 177 E. 3.4 S. 185, 121 V 80 E. 2c S. 82 f. und 110 V 83 E. 4 S. 85 f. je mit Hinweisen; vgl. auch , a.a.O., S. 149 f. und HANSPETER KÄSER, Unterstellung und in der obligatorischen AHV, 2. Aufl. 1996, Rz. 8.28, je mit ). Dabei sollte sie sich möglichst an die steuerrechtliche halten, es sei denn, diese sei sachlich nicht vertretbar (BGE 133 V 346 E. 4. S. 347 mit Hinweisen; vgl. zur Massgeblichkeit des auch BGE 134 V 250 E. 3.2 S. 253 mit Hinweisen sowie BGE 140 V 241 E. 4.2 S. 245 f. und UELI KIESER, Rechtsprechung des zum Sozialversicherungsrecht, Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung, 3. Aufl. 2012, N. 3 zu Art. 9 AHVG mit ). Sie darf sich daher bei der Qualifikation gemeldeter Einkünfte in der - 8 - Regel auf die Steuermeldung verlassen und hat eigene nähere nur dann vorzunehmen, wenn sich ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der Steuermeldung ergeben (BGE 134 V 250 E. 3.3 S. 253 f.). Hingegen gilt die eigene Beurteilungskompetenz der Beschwerdegegnerin umso mehr dann, wenn – wie hier (vgl. dazu vorne E. 3.5.) – bestimmt werden muss, ob eine versicherte Person überhaupt erwerbstätig ist oder nicht (BGE 110 V 369 E. 2a S. 371 in fine, Urteil des 9C_605/2007 vom 18. April 2008 E. 2.3 mit Hinweisen). 3.7. Schliesslich ist auf Folgendes hinzuweisen: Aufgrund der aktuellen ist unklar, ob der Beschwerdeführer überhaupt einen Erwerbsausfall aufgrund bundesrätlicher Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus erlitten hat. Sollten die noch vorzunehmenden Abklärungen der betreffend Qualifikation des Beschwerdeführers als und betreffend dessen Einkommen einen grundsätzlichen Anspruch begründen, wird die Beschwerdegegnerin im Rahmen ihrer sachverhaltlichen Abklärungen noch entsprechende Angaben zum Erwerbsausfall zu den Akten zu nehmen haben. 3.8. Zusammengefasst lässt sich aufgrund der Akten nicht entscheiden, ob der Beschwerdeführer einen Entschädigungsanspruch gemäss Art. 2 Abs. 3bis Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall hat. Der Einspracheentscheid vom 11. August 2020 ist daher in teilweiser Gutheissung der dagegen Beschwerde aufzuheben und die Sache an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen, damit diese nach Vornahme der notwendigen Abklärungen erneut über den Entschädigungsanspruch des entscheide. 4. 4.1. Das Verfahren ist kostenlos (Art. 61 lit. a ATSG). 4.2. Der nicht anwaltlich vertretende Beschwerdeführer macht keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung geltend. Da dessen Interessenwahrung keinen hohen Arbeitsaufwand notwendig gemacht hat, welcher den Rahmen dessen überschreitet, was die einzelne Person üblicher- und auf sich zu nehmen hat, ist besteht denn auch kein auf Entschädigung (vgl. BGE 129 V 113 E. 4.1 S. 116 und 110 V 72 E. 7 S. 82). - 9 - Das Versicherungsgericht erkennt: 1. In teilweiser Gutheissung der Beschwerde wird der Einspracheentscheid vom 11. August 2020 aufgehoben und die Sache zur Vornahme weiterer Abklärungen im Sinne der Erwägungen sowie zur anschliessenden an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen. 2. Es werden keine Verfahrenskosten erhoben. 3. Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen. Zustellung an: den Beschwerdeführer die Beschwerdegegnerin das Bundesamt für Sozialversicherungen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Zustellung beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht werden (Art. 82 ff. in Verbindung mit Art. 90 ff. BGG). Die Frist steht während folgender Zeiten still: vom Tag vor Ostern bis und mit dem siebten Tag nach Ostern, vom 15. Juli bis und mit 15. August sowie vom 18. Dezember bis und mit dem 2. Januar (Art. 46 BGG). Die Beschwerdeschrift ist dem Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, zuzustellen. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines Vertreters zu enthalten; der angefochtene Entscheid sowie die als angerufenen Urkunden sind beizulegen, soweit die Partei sie in hat (Art. 42 BGG). - 10 - Aarau, 23. Oktober 2020 Versicherungsgericht des Kantons Aargau 1. Kammer Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: Kathriner Berner
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2012 Versicherungsgericht 71 11 Art. 123 Abs. 2, 124 Abs. 1 ZGB; Art. 25a FZG Unmöglichkeit der Teilung nach WEF-Vorbezug: - Sind bei der Vorsorge- oder Freizügigkeitseinrichtung des pflichtigen Ehegatten infolge WEF-Vorbezug nicht mehr genügend Mittel vor- handen, um den Anspruch des anderen Ehegatten zu befriedigen, so hat der pflichtige Ehegatte den geschuldeten Betrag auf die Vor- sorge- oder Freizügigkeitseinrichtung des berechtigten Ehegatten zu übertragen. - Verfügt der pflichtige Ehegatte über keine genügenden finanziellen Mittel und ist eine vertragliche Einigung ausgeschlossen, hat das Scheidungsgericht die Teilung des Vorbezugs zu verweigern und dem berechtigten Ehegatten eine angemessene Entschädigung zuzu- sprechen. Dem Versicherungsgericht fehlt dazu die sachliche Zu- ständigkeit. Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 3. Kammer, vom 3. April 2012 in Sachen J.H. gegen J.H.-T. (VKL.2009.21). Aus den Erwägungen 4. 4.1. Der Anspruch auf Vorsorgeausgleich richtet sich gegen den pflichtigen Ehegatten. Soweit die zu teilende Masse bei einer Vor- sorge- oder Freizügigkeitseinrichtung liegt, wird der Anspruch so er- füllt, dass die Vorsorge- oder Freizügigkeitseinrichtung des schuldne- rischen Ehegatten den entsprechenden Betrag an diejenige des Gläu- bigers überträgt. Soweit jedoch bei der Vorsorge- oder Freizügig- keitseinrichtung des pflichtigen Ehegatten infolge eines Vorbezugs nicht mehr genügend Mittel vorhanden sind, um den Anspruch des 2012 Versicherungsgericht 72 anderen Ehegatten zu befriedigen, kann sich der Teilungsanspruch nicht mehr gegen die Einrichtung richten; vielmehr hat der pflichtige Ehegatte den geschuldeten Betrag auf die Vorsorge- oder Freizügig- keitseinrichtung des berechtigten Ehegatten zu übertragen (BGE 135 V 324 E. 5.2.2, 135 V 428 E. 3 mit Hinweisen). 4.2. Den Scheidungsakten ist zu entnehmen, dass der Kläger über keine genügenden finanziellen Mittel verfügt, um die vorstehend be- rechnete Ausgleichszahlung zu leisten. In BGE 135 V 324 hat das Bundesgericht verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt, wie die For- derung des ausgleichsberechtigten Ehegatten durch den Ehegatten, der seine Mittel der beruflichen Vorsorge für Wohneigentum zum ei- genen Bedarf vorbezogen hat, getilgt werden kann. Ausgangspunkt bildet dabei die Annahme, dass der ausgleichspflichtige Ehegatte Ei- gentümer der Liegenschaft bleibt, für die der Vorbezug verwendet wurde. Es bestehen unter anderem folgende Möglichkeiten: (1.) Wurden nicht sämtliche Mittel der beruflichen Vorsorge vorbezogen, ist die Ausgleichsforderung des anderen Ehegatten durch die noch vorhandene Freizügigkeitsleistung zu tilgen. (2.) Verfügt der aus- gleichspflichtige Ehegatte über genügend Vermögen, kann er den ge- schuldeten Betrag an seine Vorsorgeeinrichtung zurückbezahlen, die den Anspruch des anderen Ehegatten durch Übertragung einer Frei- zügigkeitsleistung erfüllt. (3.) Durch Gestaltungsurteil kann dem ausgleichsberechtigten Ehegatten die bedingte Forderung auf vorzei- tige Rückzahlung des Vorbezugs ganz oder teilweise übertragen wer- den. (4.) Ist zwischen den Ehegatten eine vertragliche Einigung er- zielbar, kann die Fälligkeit der Forderung, die dem ausgleichsbe- rechtigten Ehegatten zusteht, für eine bestimmte Zeitspanne aufge- schoben werden, wobei die Forderung durch ein Grundpfand auf dem Wohneigentum zu sichern ist und die Vorsorgeeinrichtungen beider Ehegatten in die Vereinbarung einbezogen werden müssen. (5.) Ist eine vertragliche Einigung ausgeschlossen und verfügt der ausgleichspflichtige Ehegatte über keine finanziellen Mittel, um den Anspruch des anderen Ehegatten aus beruflicher Vorsorge unverzüg- lich zu erfüllen, verbleibt nur mehr als Lösung, dass das Gericht die Teilung des Vorbezugs verweigert (Art. 123 Abs. 2 ZGB) und dem 2012 Versicherungsgericht 73 ausgleichsberechtigten Ehegatten eine angemessene Entschädigung (Art. 124 Abs. 1 ZGB) in der Höhe der geschuldeten Austrittsleistung zuspricht, die der ausgleichspflichtige Ehegatte in Raten abzuzahlen hat (vgl. BGE 137 III 49 E. 3.4.3, 135 V 324 E. 5.2.1 S. 329 ff. mit Hinweisen). 4.3. Die vorerwähnten Varianten 3 bis 5 können allein vom Schei- dungsgericht festgelegt bzw. angeordnet werden. Dem Ver- sicherungsgericht fehlt dazu die sachliche Zuständigkeit, ist es doch im Rahmen der Teilung der Freizügigkeitsleistungen nach Eheschei- dung nur für die Umsetzung der vom Scheidungsgericht angeordne- ten Teilung, d.h. die ziffernmässige Feststellung der gegenseitigen Ansprüche, zuständig (vgl. Art. 142 ZGB; Art. 25a FZG). (...) 4.4. Gemäss den vorstehenden Ausführungen kommt in casu für den Ausgleichsanspruch der Beklagten gegenüber der vom Kläger wäh- rend der Ehedauer geäufneten Freizügigkeitsleistung nur mehr eine Lösung im Rahmen von Art. 124 Abs. 1 ZGB in Frage, d.h. die Fest- setzung einer angemessenen Entschädigung. Eine solche ist nicht nur geschuldet, wenn bei einem oder beiden Ehegatten ein Vorsorgefall bereits eingetreten ist, sondern weitergehend im Sinne eines Auf- fangtatbestandes auch dann, wenn - wie hier - aus anderen Gründen Ansprüche aus der beruflichen Vorsorge, die während der Ehe er- worben worden sind, nicht geteilt werden können (vgl. BGE 137 III 49 E. 4.5). 5. Sind die Voraussetzungen zum Vollzug der vom Scheidungsge- richt angeordneten hälftigen Teilung der Austrittsleistung der beruf- lichen Vorsorge nicht gegeben und ist die Teilung daher unmöglich, hat das Versicherungsgericht einen Nichteintretensentscheid zu fällen und die Sache an das Scheidungsgericht zur Festsetzung einer ange- messenen Entschädigung nach Art. 124 ZGB zu überweisen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 9C_185/2008 vom 24. Juli 2008 E. 4.1 mit Hinweis auf SVR 2007 BVG Nr. 42 E. 4.2.2 und Nr. 32 S. 116 E. 6). (...)
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2007 Versicherungsgericht 65 [...] 16 Art. 122, 124, 135 Abs. 1 ZGB Untersteht das Ganze oder ein Teil des Vorsorgeguthabens eines Ehegat- ten ausländischem Recht, entsteht Teilungsunmöglichkeit, weshalb der Scheidungsrichter anstelle der Teilung der Freizügigkeitsleistungen eine angemessene Entschädigung an den berechtigten Ehegatten festzulegen hat. Das Versicherungsgericht ist zur Festsetzung der Entschädigung sachlich nicht zuständig. Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 3. Kammer, vom 9. Januar 2007 i.S. St. gegen M. 2007 Versicherungsgericht 66 Aus den Erwägungen 1. Vorliegend liegen auf Klägerseite ein ausländischer und schwei- zerischer Vorsorgeträger vor, während von Seiten der Beklagten kein schweizerischer, sondern gemäss Angaben des Klägers ein deutscher Vorsorgeträger vorliegt. 1.1. Die Anwendung von Art. 122 ZGB setzt voraus, dass eine Tei- lung der Austrittsleistung technisch möglich ist. Ist z.B. bereits ein Vorsorgefall eingetreten, besteht kein Anspruch mehr auf eine Aus- trittsleistung. Auf Grund der Gegenseitigkeit der in den Art. 122 ff. ZGB festgesetzten Ansprüche kann nach der starren, in Art. 122 ZGB vorgesehenen Regel schon dann nicht mehr vorgegangen werden, wenn bloss bei einem Ehegatten die Teilungsmöglichkeit entfallen ist. Untersteht eine Vorsorgeeinrichtung ausländischem Recht, sind die Regeln des schweizerischen Scheidungsrechts über die Teilung der beruflichen Vorsorge nicht anwendbar. Der Versorgungsausgleich untersteht dem auf die Vorsorgeeinrichtung anwendbaren Recht. Das bedeutet aber, dass auf die Vorsorge jedes Ehegatten ein anderes Recht Anwendung finden kann. Die Altersvorsorge des einen Ehegatten untersteht ausländischem Recht (hier die der Beklagten und zum Teil auch diejenige des Klägers), jene des anderen (Teil der Vorsorgegelder, die Kläger in der Schweiz erworben hat) den Art. 122 ff. ZGB. Weil Art. 122 ZGB von einer starren Aufteilung der Ansprüche beider Ehegatten ausgeht, kann diese Bestimmung dann auch auf die dem schweizerischen Recht unterstehende Altersvorsorge (hier: Vorsorgegelder, die der Kläger in der Schweiz erworben hat) nicht angewendet werden. In diesem Fall ist für die dem schweizerischen Recht unterstehende Vorsorgeeinrichtung eben- falls auf Art. 124 ZGB zurückzugreifen (Thomas Geiser, Berufliche Vorsorge im neuen Scheidungsrecht, in: Vom alten zum neuen Schei- dungsrecht, Bern 1999, Note 2.99). Gleicher Ansicht ist Thomas Sut- ter-Somm: Eine direkte Anwendung des schweizerischen Rechts (Art. 122 ZGB; Art. 22 ff. FZG) auf den ausländischen Vorsorgeträ- ger ist von der Sache her aus diversen Gründen in der Regel unmög- 2007 Versicherungsgericht 67 lich: Das Recht des betreffenden ausländischen Staates wird es kaum zulassen, dass der möglicherweise rein öffentlich-rechtlich organi- sierte Vorsorgeträger (z.B. deutsche Bundesversicherungsanstalt) am schweizerischen Verfahren teilnehmen und noch viel weniger sich später dem schweizerischen Urteil unterziehen muss. Als Lösung im Vordergrund steht die Festlegung einer angemessenen Entschädigung durch das Scheidungsgericht in Anwendung von Art. 124 ZGB we- gen der fehlenden Teilungsmöglichkeit. Damit die Angemessenheit beurteilt werden kann, ist eine Rückfrage beim ausländischen Vorsorgeträger über den Wert der dort vorhandenen Vorsorge nötig. Damit ist es zugleich unerheblich, ob sich die Parteien einig sind oder nicht. Es findet keine Prozessüberweisung im Sinne von Art. 142 ZGB an ein schweizerisches Sozialversicherungsgericht oder an ein ausländisches Gericht für den Vorsorgeausgleich statt, sondern das Scheidungsgericht bleibt umfassend zuständig. Das hat erstens den Vorteil, dass der Verfahrensgrundsatz der Einheit des Schei- dungsurteils zum Tragen kommt. Zweitens stellt sich nicht die Frage, inwiefern das Urteil gegen die nicht am Verfahren beteiligte auslän- dische Einrichtung Rechtskraftwirkung entfaltet. Dieses Vorgehen ist der einzig gangbare Weg, wenn zugleich in der Schweiz (oder in ei- nem Drittstaat) Vorsorgegelder vorhanden sind (Thomas Sutter- Somm, Ausgewählte Verfahrensfragen im neuen Scheidungsrecht bei internationalen Verhältnissen, insbesondere bei der beruflichen Vor- sorge, in: Aktuelle Probleme des nationalen und internationalen Zi- vilprozessrechts, Zürich 2000, S. 95 f.; Veterli/Keel, Die Aufteilung der beruflichen Vorsorge in der Scheidung, AJP 1999 S. 1619). Vetterli/Keel sehen alternativ die Beschränkung auf die hälftige Tei- lung der in der Schweiz erworbenen Austrittsleistungen vor, sofern das Recht des Staates, in dem ein Ehepartner während der Ehezeit Vorsorgeansprüche begründete, ausnahmsweise einen echten und vollständigen Ausgleich kenne wie z.B. Deutschland. Der Versor- gungsausgleich könne dann im betreffenden Land auf Antrag eines Ehegatten nachgeholt werden (Vetterli/Keel, a.a.O., S. 1619). Die erstgenannte Lösung erscheint sachgerechter, da durch die Anwen- dung von Art. 124 ZGB vermieden wird, dass ein Ehegatte mit der schlechteren Vorsorge dennoch die in der Schweiz erworbenen Aus- 2007 Versicherungsgericht 68 trittsleistungen zu teilen hat und unter Umständen in der Folge kein Ausgleich im Ausland mehr stattfindet. 1.2. (...) Die Beklagte hat ausschliesslich in Deutschland gearbeitet und war demzufolge bei einem ausländischen Vorsorgeträger versi- chert. Da sie gemäss Angaben des Klägers zu 100 % gearbeitet hat, ist davon auszugehen, dass Alters-Vorsorgebeiträge geäufnet wurden. Bei der Beklagten liegt demzufolge Teilungsmöglichkeit vor, wes- halb nicht mehr nach Art. 122 ZGB geteilt werden kann, sondern dem anspruchsberechtigten Ehegatten eine angemessene Entschädi- gung nach Art. 124 Abs. 1 ZGB zuzusprechen ist. 1.3. Somit liegt bei dieser Fallkonstellation die sachliche Zuständig- keit zur Festsetzung einer angemessenen Entschädigung nach Art. 124 ZGB beim nach Art. 135 Abs. 1 ZGB zuständigen Zivilge- richt und nicht beim Sozialversicherungsgericht, auch wenn sich die Parteien nicht einig sind (Sutter-Somm, a.a.O., S. 95). Eine solche Zuständigkeitsordnung ist auch deshalb sinnvoll, weil bei der Be- stimmung des angemessenen Ausgleichsanspruches nach Art. 124 Abs. 1 ZGB dem Ergebnis der güterrechtlichen Auseinandersetzung sowie den übrigen wirtschaftlichen Verhältnissen der Parteien gebüh- rend Rechnung getragen werden muss (BGE 127 III 439 Erw. 3), was einzig das Zivilgericht im Rahmen eines umfassenden Schei- dungsverfahrens tun kann. Es ergibt sich, dass das angerufene Sozialversicherungsgericht zur Beurteilung der ihm unterbreiteten Angelegenheit sachlich nicht zuständig ist. (...)
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2000 Versicherungsgericht 87 Versicherungsgericht 28 Art. 15 AVIG, Art. 24 AVIG, Art. 85 Abs. 1 lit. d AVIG, Art. 24 AVIV. Entlöhnung aus einem während der Arbeitslosigkeit absolvierten Prakti- kum; Anrechnung als Zwischenverdienst? (Erw. 2b). Für die Verneinung eines Anspruchs auf Arbeitlosenentschädigung wegen fehlender Vermittlungsfähigkeit ist nicht die Arbeitslosenkasse, sondern das kantonale Arbeitsamt zuständig (Erw. 2c). Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 4. Kammer, vom 19. Dezember 2000 in Sachen S.G.L. gegen OeALK. Aus den Erwägungen 2. a) Ein Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung setzt unter anderem voraus, dass der Versicherte vermittlungsfähig ist (Art. 8 Abs. 1 lit. f AVIG). Der Arbeitslose ist vermittlungsfähig, wenn er bereit, in der Lage und berechtigt ist, eine zumutbare Arbeit anzuneh- men (Art. 15 Abs. 1 AVIG). Nach der Rechtsprechung des EVG gilt die Anspruchsvoraus- setzung der Vermittlungsfähigkeit auch bei Ausübung eines Zwi- schenverdienstes im Sinne von Art. 24 AVIG. Um die Ausübung eines Zwischenverdienstes nicht gänzlich zu verunmöglichen, müsse das Erfordernis jedoch relativiert werden. Es genüge hier eine ,,rela- tive Vermittlungsfähigkeit". Damit diese gegeben sei, müsse die be- treffende Zwischenverdiensttätigkeit insofern provisorischen Charak- ter aufweisen, als der Versicherte die betreffende Stelle bei Vermitt- lung oder Zuweisung einer zumutbaren Arbeit so schnell wie mög- lich (unter Wahrung der Kündigungsregeln oder einer angemessenen Reaktionszeit für die Aufgabe einer selbständigen Erwerbstätigkeit) 2000 Versicherungsgericht 88 aufgeben wollen und auch können müsse. (Zum Ganzen: ARV 1996/97 Nr. 38 S. 212 Erw. 2a) b) Was Praktikumsstellen betrifft, hat das EVG entschieden, dass für die Annahme eins Zwischenverdienstes kein Raum bleibe, wenn die in Frage stehende Tätigkeit nicht zur Vermeidung von Ar- beitslosigkeit, sondern in erster Linie zu Ausbildungszwecken und folglich zum Erwerb von Kenntnissen aufgenommen worden sei (ARV 1998 Nr. 49 S. 286 ff.). Dieser etwas missverständlich for- mulierte Entscheid bedarf der Präzisierung: Auch den Lohn aus ei- nem während der Arbeitslosigkeit absolvierten Praktikum muss sich der Versicherte grundsätzlich als Zwischenverdienst anrechnen las- sen. Als solcher gilt gemäss Art. 24 Abs. 1 AVIG jedes Einkommen aus unselbständiger oder selbständiger Erwerbstätigkeit, das der Ar- beitslose innerhalb einer Kontrollperiode erzielt. Es besteht kein Grund, den Absolventen eines Praktikums hier zu privilegieren und ihm ein volles Taggeld auszubezahlen. Eine Praktikumstätigkeit während einer Arbeitslosigkeit bedarf aber insofern einer Sonder- behandlung, als strengere Anforderungen an die Vermittlungsfähig- keit des Versicherten gestellt werden müssen, wenn die betreffende Tätigkeit, wie es das EVG formuliert, nicht zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit, sondern in erster Linie zu Ausbildungszwecken aufgenommen wurde und wenn der Versicherte auch entsprechend schlechter entlöhnt wird. Eine solche Tätigkeit hat aus der Sicht der Arbeitslosenversicherung nur einen begrenzten Schadenminderungs- effekt und kann deshalb nicht im selben Masse privilegiert werden wie eine Zwischenverdiensttätigkeit, die primär Erwerbszwecken dient. Eine Ausnahme ist allerdings dort zu machen, wo das Prakti- kum die Voraussetzungen eines Kurses im Sinne von Art. 60 AVIG erfüllt und von der kantonalen Amtsstelle als solcher bewilligt wird. Hier gilt mit Art. 60 Abs. 3 AVIG wieder eine relative Vermittlungs- fähigkeit. Legt man beim Absolventen eines eigentlichen Praktikums hin- sichtlich der Vermittlungsfähigkeit einen strengeren Massstab an, 2000 Versicherungsgericht 89 muss dies bedeuten, dass es nicht genügen kann, wenn der Versi- cherte seine Praktikumsstelle bei Finden oder Zuweisung einer zu- mutbaren Arbeit innert der ordentlichen gesetzlichen Kündigungs- fristen aufgeben kann. Es muss vielmehr verlangt werden, dass eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses sofort oder zumindest kurzfristig möglich ist. Selbstverständlich muss der Versicherte wie bei einer Zwischenverdiensttätigkeit zu Erwerbszwecken auch grundsätzlich bereit sein, seine Tätigkeit zu Gunsten einer zumutbaren Arbeit auf- zugeben. In Zusammenhang mit dem Besuch von nicht bewilligten Kur- sen hat das EVG festgehalten, dass der betreffende Arbeitslose bereit und in der Lage sein muss, den Kurs jederzeit abzubrechen, um eine Stelle anzutreten (BGE 122 V 266 Erw. 4). Bei einem entlöhnten Praktikum rechtfertigt es sich, je nach Umfang der Entlöhnung, et- was weniger streng zu sein, da der Versicherte hier doch immerhin einen Zwischenverdienst erzielt und die Arbeitslosenversicherung damit ein gewisses Interesse an seiner Tätigkeit hat. c) Wie sich aus den vorangehenden Erwägungen ergibt, kann das vom Beschwerdeführer am 1. November 1998 begonnene Prakti- kum nur dann zu einer Verneinung seines Anspruchs auf Arbeitslo- senentschädigung führen, wenn infolge des Praktikums seine Ver- mittlungsfähigkeit nicht mehr gegeben war (vgl. auch BGE 122 V 266 Erw. 4). Die angefochtene Verfügung kann mit anderen Worten nur im Sinne einer Verneinung der Vermittlungsfähigkeit bestätigt werden. Hierzu bedürfte es aber einer vorgängigen Verfügung des KIGA. Nach gefestigter Rechtsprechung des Versicherungsgerichts (eingeleitet durch das Urteil vom 21. Januar 1997 i.S. A.P./OeALK, BE.96.00611) besteht aufgrund von Art. 85 Abs. 1 lit. d AVIG sowie Art. 24 AVIV keine Kompetenz der Arbeitslosenkassen zur Abwei- sung eines Entschädigungsantrags wegen fehlender Vermittlungsfä- higkeit. Allein die kantonale Amtsstelle ist befugt, einem Versicher- ten die Vermittlungsfähigkeit ganz oder teilweise abzusprechen. Die angefochtene Verfügung ist daher als kompetenzwidrig aufzuheben 2000 Versicherungsgericht 90 und die Sache an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen, damit sie den Fall dem KIGA zum Entscheid über die Vermittlungsfähigkeit des Beschwerdeführers in der Zeit ab dem 1. November 1999 unter- breite und nach Rechtskraft dieses Entscheides gegebenenfalls neu über eine Rückforderung verfüge.
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2002 Prämienverbilligung 115 II. Prämienverbilligung 37 §§ 17 Abs. 4 und 5 EG KVG Möglichkeit der Nachvergütung von Prämienverbilligungsbeiträgen bei wesentlicher Reduktion des Erwerbseinkommens über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten; zu beachtende Fristen. Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 4. Kammer, vom 26. No- vember 2002 in Sachen M. gegen Sozialversicherungsanstalt. Aus den Erwägungen 1. b) Massgebend für die Beurteilung des Anspruches auf Prä- mienverbilligungsbeiträge sind die persönlichen und familiären Ver- hältnisse am 1. Januar des Jahres, in welchem das Begehren gestellt wird (§ 14 Abs. 1 EG KVG). Basis für die Berechnung des massge- benden Einkommens und Vermögens bildet die letzte definitive Steu- erveranlagung (§ 16 Abs. 2 EG KVG). (...) c) Tritt nach dem Stichtag gemäss § 14 Abs. 1 EG KVG oder nach Ablauf der Einreichungsfrist gemäss § 17 Abs. 1 EG KVG eine nachweisbare Reduktion des Erwerbseinkommens um mindestens 20 % auf eine Dauer von mindestens 6 Monaten ein, kann innerhalb von 12 Monaten nach dem Eintritt der Veränderung ein Antrag auf Prämienverbilligung bzw. auf Nachvergütung gestellt werden (§ 17 Abs. 4 und 5 EG KVG). 2. a) Die Beschwerdeführerin beantragt die Ausrichtung der Prämienverbilligungsbeiträge des Jahres 2002. Gemäss den vorste- henden Erwägungen ist der Stichtag für die Prämienverbilligung des Jahres 2002 der 1. Januar 2001. Die letzte ordentliche Steuerveranla- gung ist demzufolge diejenige der Steuerperiode 1999/2000. Gemäss definitiver Steuerveranlagung liegt das massgebende Einkommen über der Richtprämie für eine erwachsene Person, weshalb grund- 2002 Versicherungsgericht 116 sätzlich kein Anspruch auf Prämienverbilligungsbeiträge des Jahres 2002 besteht. b) Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass ihr Einkommen infolge Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit ab dem 1. April 2000 um mindestens 20 % abgenommen habe. Im Zeitpunkt des Verfügungserlasses bzw. des angefochtenen Einspracheentschei- des lag der Buchhaltungsabschluss des ersten (überjährigen) Ge- schäftsjahres noch nicht vor. Die veränderte Einkommenssituation kann daher nicht beurteilt werden. (...) c) Die Beschwerdeführerin kann nachträglich die Auszahlung der Prämienverbilligungsbeiträge des Jahres 2002 basierend auf § 17 Abs. 4 EG KVG nochmals beantragen, soweit sie eine wesentliche Veränderung ihres Erwerbseinkommens nachweisen kann. Der An- trag auf Nachvergütung muss dabei bis spätestens 12 Monate nach dem Eintritt der Veränderung geltend gemacht werden (§ 17 Abs. 5 EG KVG). Ist also die Einkommensreduktion der Beschwerdeführe- rin mit ihrer Aufnahme der selbständigen Erwerbstätigkeit am 1. April 2000 eingetreten, wäre diese zwölfmonatige Frist - auch bei Abstellen auf die Einreichung des Antragsformulars am 21. Juni 2001 - bereits abgelaufen. Geschah die Minderung des Erwerbs aber erst im Laufe des ersten Geschäftsjahres (1. April 2000 bis 31. De- zember 2001), so wäre ein Gesuch um Nachvergütung im Sinne von § 17 Abs. 4 allenfalls noch möglich. Die Prämienverbilligungsbeiträ- ge würden dann bei Gutheissung des Antrages nachvergütet. (...)
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2015 Obergericht, Abteilung Versicherungsgericht 54 6 Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 1 AHVG Zufolge fehlender objektiver Erwerbsabsicht stellt eine Weinbautätigkeit reine Liebhaberei (und keine selbständige Erwerbstätigkeit) dar, weshalb die betreffenden Einkünfte nicht AHV/IV/EO-beitragspflichtig sind. Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 1. Kammer, vom 11. August 2015 i.S. A.V.H. gegen Ausgleichskasse A. (VBE.2015.256). Aus den Erwägungen 2. 2.1. Versicherte sind beitragspflichtig, solange sie eine Erwerbstätig- keit ausüben (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 AHVG). Die Beiträge der erwerbs- tätigen Versicherten werden in Prozenten des Einkommens aus un- selbstständiger oder selbstständiger Erwerbstätigkeit festgesetzt (Art. 4 Abs. 1 AHVG). (...) 2.2. Selbstständige Erwerbstätigkeit liegt im Regelfall vor, wenn die betroffene Person durch Einsatz von Arbeit und Kapital in frei be- 2015 Sozialversicherungsrecht 55 stimmter Selbstorganisation und nach aussen sichtbar am wirtschaft- lichen Verkehr teilnimmt mit dem Ziel, Dienstleistungen zu er- bringen oder Produkte zu schaffen, deren Inanspruchnahme oder Er- werb durch finanzielle oder geldwerte Gegenleistungen abgegolten wird (vgl. BGE 115 V 161 E. 9a S. 170 f. und Urteil des Eidgenössi- schen Versicherungsgerichts H 158/01 vom 28. Mai 2002 E. 2bb). Nicht auf selbstständige Erwerbstätigkeit kann erkannt werden, wenn eine solche nur zum Schein besteht oder sonst wie keinen erwerbli- chen Charakter aufweist, wie das für die blosse Liebhaberei zutrifft, die von rein persönlichen Neigungen beherrscht wird (AHI 2003 S. 418, ZAK 1987 S. 417 f.). Für die Abgrenzung solcher Tätigkeits- formen von selbstständiger Erwerbstätigkeit kommt der Erwerbsab- sicht im Sinne der oben genannten Zielsetzung entscheidende Bedeu- tung zu. (...) 2.3. - 2.4 (...) 3. 3.1. 3.1.1. Hinsichtlich der hier in Frage stehenden Tätigkeit ist den Akten zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer Genossenschafter der seit 19... bestehenden Weinbaugenossenschaft Z. mit Sitz in Z. ist. Diese Genossenschaft nach Art. 828 ff. OR bezweckt die Erhaltung und Förderung des Weinbaus in den Gemeinden Z. und Y. Sie sucht die- sen Zweck unter anderem durch Übernahme der Traubenernten der Mitglieder sowie die fachgemässe Behandlung und den Verkauf ge- wonnener Erzeugnisse zu erreichen. (...) Als Genossenschafter hat der Beschwerdeführer seine den Eigenbedarf übersteigende Ernte gewisser Traubensorten zwingend der Genossenschaft abzuliefern, wobei die Genossenschaft wiederum zu deren Abnahme im Rahmen von durch die Generalsversammlung festgelegten Qualitäts- und Preisbedingungen verpflichtet ist. Der Reinertrag aus dem Betrieb der Genossenschaft fällt in das Ge- nossenschaftsvermögen (...). 3.1.2. 2015 Obergericht, Abteilung Versicherungsgericht 56 Der Beschwerdeführer bewirtschaftet 10 a Land, auf denen er Blauburgunder zieht. Im fraglichen Jahr 2008 produzierte er so 945 kg Trauben, die er der Genossenschaft abgab. Unter Berücksich- tigung verschiedener Abzüge von gesamthaft Fr. 707.12 (Anteil "Verwirrungstechnik", Abzug wegen Übermenge von 45 kg und Weinrücknahme) wurden ihm von der Genossenschaft nach Reduk- tion um die Rundungsdifferenz von Fr. 0.02 für das Jahr 2008 Fr. 3'580.10 ausbezahlt. (...) 3.1.3. (...) 3.2. 3.2.1. Auf Grund der vorerwähnten Umstände ergibt sich, dass der be- schwerdeführerischen Weinbautätigkeit das Merkmal der Gewinn- strebigkeit fehlt. Bereits der geringe Mitteleinsatz ist zur Gewinn- erzielung ungeeignet. Auch werden die eingesetzten Mittel nicht nach kaufmännischen Grundsätzen bewirtschaftet. Es fehlt nament- lich an einer nach betriebswirtschaftlichen Aspekten erstellten Buch- haltung (Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts H 122/01 vom 27. Mai 2002 E. 2b). Weiter tritt der Beschwerdeführer nicht selber am Markt auf. Er stellt weder eigene Rechnungen noch ver- fügt er über einen Kundenstamm oder nimmt sonst wie am wirt- schaftlichen Verkehr teil. Vielmehr ist die Weinbaugenossenschaft einziger Abnehmer seiner Erzeugnisse. 3.2.2. Die jährlichen Einnahmen des Beschwerdeführers aus der Weinbautätigkeit bewegen sich seit über zehn Jahren zwischen Fr. 1'305.75 und Fr. 4'650.45. Das auf Grund durchschnittlicher Ein- nahmen von Fr. 3'124.30 fehlende Vorliegen eines massgeblichen Gewinns bei überdies geringem Umsatz spricht ebenfalls nicht für eine Erwerbstätigkeit (vgl. Urteil des Eidgenössischen Versiche- rungsgerichts H 158/01 vom 28. Mai 2002 E. 3b und 4). (...) Fehlt es aber auf Dauer am massgeblichen Gewinn, so lässt das Ausbleiben des finanziellen Erfolgs einer Tätigkeit regelmässig auf das Fehlen erwerblicher Zielsetzung schliessen, weil der längere berufliche Misserfolg die betroffene Person in der Regel von der Zwecklosig- 2015 Sozialversicherungsrecht 57 keit ihres Unterfangens überzeugt und sie die betreffende Tätigkeit aufgeben lässt (BGE 115 V 161 E. 9c S. 172 mit Hinweis auf ZAK 1987 S. 418 und ZAK 1986 S. 514). Schliesslich ist die Tätigkeit als solche respektive deren konkrete Ausgestaltung bereits ungeeignet, zu einem wirtschaftlichen Erfolg zu führen. Der Beschwerdeführer bewirtschaftet eine zu kleine Fläche, als dass deren Ertrag je zu substantiellen Einkünften führen könnte. Die Erzeugnisse muss er zwingend zu einem nicht am Markt bestimmten Preis an die Ge- nossenschaft abgeben (vgl. vorne E. 3.1.1. und 3.1.2.). Bereits diese beiden Faktoren lassen klar erkennen, dass eine Gewinnstrebigkeit nicht Antrieb für die Weinbautätigkeit ist. Anzumerken bleibt noch, dass der Beschwerdeführer durch seine anderen beruflichen Tätig- keiten wirtschaftlich abgesichert ist und zusammen mit seiner Ehegattin im fraglichen Jahr 2008 inkl. der Einnahmen durch die Weinbautätigkeit Einkünfte aus Erwerbstätigkeit von Fr. 183'417.00 versteuerte. Die Einnahmen aus der Weinbautätigkeit betragen folg- lich weniger als 1.5 % der gesamten Einkünfte aus Erwerbs- und Weinbautätigkeit zusammen. Auch dies spricht gegen den Erwerbs- charakter der fraglichen Tätigkeit (vgl. hierzu M ARKUS R EICH , Steu- errecht, 2. Aufl. 2012, § 15 N. 17).
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2011 Versicherungsgericht 104 [...] 28 Art. 7 ZPO; § 4 lit. e und § 14 EG ZPO Bei Klagen betreffend Krankentaggeldversicherungen nach VVG richtet sich das Verfahren auch nach Inkrafttreten der schweizerischen ZPO wie bis anhin nach § 64 VRPG. Das Versicherungsgericht entscheidet somit - wie bei den Klageverfahren nach BVG - nicht als Zivilgericht, sondern als Träger der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Dies hat zur Folge, dass kein Schlichtungsverfahren durchzuführen ist. Aus dem Beschluss des Versicherungsgerichts, 3. Kammer, vom 1. März 2011 (VDI.2012.1). Aus den Erwägungen 2. Mit der neuen Schweizerischen Zivilprozessordnung wurde das Verfahrensrecht insbesondere im Bereich streitiger Zivilsachen (vgl. Art. 1 lit. a ZPO), worunter auch Streitigkeiten aus Zusatzver- sicherungen zur sozialen Krankenversicherung gehören, bundesweit vereinheitlicht. In diesem Zusammenhang von Bedeutung ist insbe- sondere Art. 7 ZPO, wonach die Kantone ein Gericht bezeichnen können, welches als einzige kantonale Instanz für Streitigkeiten aus Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung nach dem Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung zu- ständig ist. Diese Bestimmung ermöglicht es, die mit AGVE 2005 S. 89 ff. begründete Zuständigkeitsordnung auch unter der neuen Schweizerischen Zivilprozessordnung aufrecht zu erhalten. 3. 3.1. Im Rahmen der Umsetzung der neuen ZPO auf kantonaler Ebene war von Anfang an klar, dass der Kanton Aargau von der Möglichkeit Gebrauch machen wollte, Streitigkeiten aus Zusatzver- sicherungen zur sozialen Krankenversicherung weiterhin durch das 2011 Versicherungsgericht 105 Versicherungsgericht als einzige Instanz beurteilen zu lassen. Ent- sprechend war bereits im ersten Entwurf für ein EG ZPO in § 14 vorgesehen, dass das Versicherungsgericht als einzige kantonale Instanz über Streitigkeiten gemäss Art. 7 ZPO entscheidet. In der Botschaft des Regierungsrates vom 16. September 2009 zur 1. Be- ratung finden sich dazu auf Seite 26 folgende Erläuterungen: "Für Streitigkeiten aus Zusatzversicherungen zur sozialen Kranken- versicherung können die Kantone ein Gericht bezeichnen, das als einzige kantonale Instanz zuständig ist (Art. 7 CH ZPO). Streitig- keiten aus der obligatorischen Krankenversicherung gemäss Bundes- gesetz über die Krankenversicherung (KVG) vom 18. März 1994 werden nach geltendem Recht vom Versicherungsgericht behandelt. Die Streitigkeiten aus den Zusatzversicherungen sind in der Regel mit den Leistungen aus der obligatorischen Krankenversicherung verknüpft. Für diese Streitigkeiten ist somit auch das Versicherungs- gericht zuständig. Gemäss Art. 243 Abs. 2 lit. f CH ZPO werden diese Streitigkeiten ohne Rücksicht auf den Streitwert im verein- fachten Verfahren durchgeführt. Sie werden dennoch in die Zustän- digkeit des Kollegialgerichts verwiesen." 3.2. Mit der Botschaft des Regierungsrates vom 17. Februar 2010 zur 2. Beratung wurde § 4 EG ZPO wie folgt ergänzt: § 4 lit. e EG ZPO Schlichtungsbehörden gemäss § 3 lit. a sind e) ein Mitglied des Versicherungsgerichts in Streitigkeiten ge- mäss Art. 7 ZPO. Die Botschaft enthält hierzu auf Seite 7 folgende Ausführungen: "Der Entwurf für die 1. Lesung sah keine Schlichtungsbehörde für Streitigkeiten aus einer Zusatzversicherung zur sozialen Krankenver- sicherung vor. § 4 EG ZPO enthält eine Auflistung sämtlicher Schlichtungsbehörden im Zivilverfahren. In diese Liste ist auch die Schlichtungsbehörde für Streitigkeiten aus einer Zusatzversicherung zur sozialen Krankenversicherung gemäss Art. 7 CH ZPO aufzu- nehmen. Als Schlichtungsbehörde für diese Streitigkeiten sind die Präsidentin oder der Präsident, eine Richterin oder ein Richter oder eine Ersatzrichterin oder ein Ersatzrichter des Versicherungsgerichts 2011 Versicherungsgericht 106 zugelassen. Wie im arbeitsgerichtlichen Verfahren erscheint es hier angebracht, mit dem Rechtsgebiet vertraute Spezialistinnen und Spe- zialisten mit der Schlichtung zu betrauen. Die Mitwirkung beim Schlichtungsverfahren führt wie bei den arbeitsgerichtlichen Strei- tigkeiten nicht zu einem Ausstandsgrund (Art. 47 Abs. 2 lit. b CH ZPO)." In jener Phase des Gesetzgebungsprozesses ging man noch davon aus, dass dem Klageverfahren vor dem Versicherungsgericht ein Schlichtungsverfahren voranzugehen habe. 4. Erst nach Abschluss der gesetzgeberischen Arbeiten drängte sich in Bezug auf das anwendbare Verfahrensrecht und die Notwen- digkeit eines vorgelagerten Schlichtungsverfahrens eine Neubeur- teilung auf: Ein im Jusletter vom 20. Dezember 2010 erschienener Beitrag gelangte in Bezug auf die vorgenannte Thematik zum Schluss, dass die gestützt auf Art. 7 ZPO von den Kantonen für zu- ständig erklärten (Sozial-)Versicherungsgerichte nach dem Willen des Gesetzgebers und im Einklang mit Art. 7 in Verbindung mit Art. 4 ZPO weiter ihr Verfahren anwenden dürfen, welches schon bis anhin einfach und rasch sein musste (U ELI S PITZ , Eidgenössische ZPO und Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung, in: Jusletter 20. Dezember 2010, Rz. 22). Im Wesentlichen gelangte der Autor gestützt auf die Entstehungsgeschichte von Art. 7 ZPO (der erst im Laufe der parlamentarischen Beratung ins Gesetz aufgenom- men worden war) zur Auffassung, dass die Kantone die bisher be- stehende Möglichkeit beibehalten können, nicht nur als einzige In- stanz eingesetzte Sozialversicherungsgerichte als zuständig, sondern zugleich auch deren Verfahrensregeln als anwendbar zu erklären. Dies ergebe sich einerseits aus der bundesrätlichen Botschaft, welche davon ausging, dass die Kantone, welche bisher die entsprechende Streitigkeiten einem (einzigen) Versicherungsgericht zuweisen hat- ten, weiterhin ihre Zuständigkeit und ihr Verfahren behalten dürften (U ELI S PITZ , a.a.O., Rz 8 ff.). Anderseits sei auch die parlamentari- sche Diskussion in diese Richtung gegangen (U ELI S PITZ , a.a.O., Rz. 11 ff.). 2011 Versicherungsgericht 107 5. Das Versicherungsgericht kann sich den überzeugenden Argu- menten des genannten Autors anschliessen. Demnach kann das ge- stützt auf Art. 7 ZPO vom kantonalen Recht (vgl. § 14 EG ZPO) für zuständig erklärte Versicherungsgericht weiterhin sein eigenes Ver- fahren anwenden. Das Verfahren richtet sich demnach wie bis anhin nach § 64 VRPG mit Verweis auf das Zivilprozessrecht. Wie im Kla- geverfahren nach BVG entscheidet das Versicherungsgericht dabei nicht als Zivilgericht, sondern als Träger der Verwaltungsgerichts- barkeit. Dies hat ebenfalls zur Folge, dass insbesondere kein Schlich- tungsverfahren durchzuführen ist, nachdem das VRPG ein solches nicht kennt. Durch Verweis auf die ZPO finden aber immerhin die Regeln über das vereinfachte Verfahren (Art. 243 ff. ZPO) sinnge- mäss Anwendung. An dieser Schlussfolgerung ändert nichts, dass der kantonale Gesetzgeber im Rahmen der Schaffung des EG ZPO Bestimmungen hinsichtlich eines vorgelagerten Schlichtungsverfahrens aufgenom- men hat (vgl. § 3 Abs. 1 lit. f und § 4 Abs. 1 lit. e): Aus dem oben un- ter E. 3.2. zitierten Botschaftstext ergibt sich nicht, dass der kanto- nale Gesetzgeber neu ein Schlichtungsverfahren einführen wollte. Vielmehr wurde schlicht (und unzutreffenderweise) angenommen, die Eidgenössische ZPO sehe einen derartigen Schlichtungsversuch auch vor Versicherungsgericht zwingend vor, weshalb die ent- sprechenden Zuständigkeitsregelungen zu schaffen seien. Aus § 4 Abs. 1 lit. e EG ZPO kann umgekehrt nicht abgeleitet werden, dass gestützt auf kantonales Recht ein Schlichtungsverfahren durchge- führt werden muss, denn es handelt sich dabei nicht um eine Verfah- rensbestimmung, sondern um eine Anordnung rein organisatorischer Natur (vgl. Art. 3 ZPO). Letzteres gilt im Übrigen auch für § 3 lit. f EG ZPO, worin das Versicherungsgericht als Zivilgericht bezeichnet wird. Auch diese Bestimmung ist rein organisatorischer Natur und Folge der ursprünglichen Annahme, dass Streitigkeiten aus einer Zusatzversicherung zur sozialen Krankenversicherung zwingend nach den Verfahrensbestimmungen der ZPO zu entscheiden seien. 2011 Versicherungsgericht 108 6. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass bei Streitigkeiten aus Krankentaggeldversicherungen nach VVG als Zusatzversicherungen zur obligatorischen Krankenpflegeversicherung gestützt auf § 64 Abs. 3 VRPG i.V.m. Art. 61 lit. a ATSG sinngemäss das vereinfachte Verfahren gemäss den Art. 243 ff. ZPO zur Anwendung gelangt, je- doch ohne vorgängiges Schlichtungsverfahren, nachdem das VRPG ein solches nicht kennt.
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2010 Versicherungsgericht 57 13 Art. 29 Abs. 3 BV; § 34 Abs. 3 VRPG i.V.m. § 125 ZPO. Aus dem Ergänzungsleistungsanspruch kann nicht generell auf die Be- dürftigkeit im Sinne der unentgeltlichen Prozessführung und damit den Anspruch auf unentgeltliche Rechtsvertretung geschlossen werden. Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 3. Kammer, vom 6. Juli 2010 in Sachen A.B. gegen SVA Aargau (VBE.2009.632). Aus den Erwägungen 3. Im vorliegenden Fall beantragte die Beschwerdeführerin bei der Beschwerdegegnerin die Gewährung der unentgeltlichen Verbeistän- dung für das Einspracheverfahren betreffend die von der Beschwer- degegnerin verfügte Rückforderung von Ergänzungsleistungen. Die Beschwerdegegnerin lehnte das Gesuch mit Verfügung vom 14. Sep- tember 2009 mangels Bedürftigkeit der Beschwerdeführerin ab. Die Beschwerdeführerin macht dagegen insbesondere geltend, ihre Be- dürftigkeit sei durch die Berechtigung zum Bezug von Ergänzungs- leistungen ausgewiesen. 3.1. Ergänzungsleistungen werden ausgerichtet, um Bezügerinnen und Bezügern von Renten der AHV oder IV das Existenzminimum zu gewährleisten, ohne dass die Versicherten Sozialhilfe beziehen müssen. Mit den Ergänzungsleistungen sollen die laufenden Lebens- bedürfnisse gedeckt werden (BGE 130 V 188 Erw. 4.3.3 mit Hinw.). Das Institut der unentgeltlichen Rechtspflege zielt darauf ab, einer einkommensschwachen Partei die Führung eines Prozesses zu ermöglichen. Sie darf nicht gezwungen werden, sich in eine Notlage zu begeben und die für den Prozess notwendigen Mittel dadurch zu 2010 Versicherungsgericht 58 beschaffen, dass sie anderen dringenden Verpflichtungen nicht nach- kommt. Sie soll über die Mittel verfügen können, die zur Bestreitung eines normalen, bescheidenen Familienunterhalts nötig sind (RKUV 2000 KV Nr. 119 S. 155 Erw. 2; Alfred Bühler, Betreibungs- und prozessrechtliches Existenzminimum, AJP 2002 S. 656; derselbe, Die Prozessarmut, in: Gerichtskosten, Parteikosten, Prozesskaution, unentgeltliche Prozessführung, Bern 2001, S. 156). In Bezug auf den Zweck zielen demnach beide Institute darauf ab, ein existenzsichern- des Einkommen zu gewährleisten. Indessen ist zu beachten, dass die Anspruchsermittlung unterschiedlich ausgestaltet ist. So sind bei- spielsweise nach Art. 3c Abs. 1 lit. a ELG, anders als im Bereich des Instituts der unentgeltlichen Rechtspflege, die Erwerbseinkünfte nicht vollumfänglich, sondern nur privilegiert als Einnahmen zu berechnen, d.h. es wird ein fixer Betrag abgezogen und vom Rest werden zwei Drittel angerechnet. Sodann können Personen, die über ein gewisses Vermögen (vgl. Art. 3c Abs. 1 lit. c ELG i.V.m. Art. 17 ELV) verfügen, Anspruch auf Ergänzungsleistungen, nicht aber auf unentgeltliche Rechtspflege haben. Angesichts solcher (nicht ab- schliessend aufgezählter) unterschiedlicher Kriterien zur Ermittlung des Existenzbedarfs kann aus dem Bezug von Ergänzungsleistungen nicht ohne weiteres auf die Bedürftigkeit im armenrechtlichen Sinn geschlossen werden (Urteil des Bundesgerichts vom 5. Februar 2007 [P 48/06], Erw. 5.1). Die Bejahung wirtschaftlicher Not durch die den Anspruch auf Ergänzungsleistungen prüfende Behörde kann zwar als Indiz für das Vorliegen prozessualer Bedürftigkeit dienen, bindet aber das Gericht bei der Beurteilung eines Gesuchs um unent- geltliche Rechtspflege nicht (Urteil des Bundesgerichts vom 22. Dezember 1997 [5P.467/1997], Erw. 2). Rechtsprechungsgemäss kann somit aus der EL-Berechtigung nicht generell auf die Bedürftigkeit im Sinne der unentgeltlichen Prozessführung geschlossen werden. Vielmehr ist diese, wie in allen anderen Gesuchen um unentgeltliche Prozessverbeiständung, im Ein- zelfall zu prüfen. (...)
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2003 Versicherungsgericht 86 [...] 28 § 17 Abs. 1, 21 Abs. 3 EG KVG, § 15 V EG KVG Die verlängerte Frist für Zuzüger zur Anmeldung zum Bezug von Prä- mienverbilligungsbeiträgen gilt nur für zwischen dem 31. März und dem 31. Dezember des Vorjahrs der Auszahlung der Prämienverbilligung in den Kanton Aargau zugezogene Personen. Für das Jahr des Zuzugs be- steht kein Anspruch auf Prämienverbilligungsbeiträge des neuen Wohn- kantons. Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 4. Kammer, vom 12. August 2003 in Sachen A.Sch. gegen Sozialversicherungsanstalt. Aus den Erwägungen 2. a) Der Beschwerdeführer beantragte am 10. Dezember 2002 die Gewährung der Prämienverbilligungsbeiträge des Jahres 2002. Die ordentliche Anmeldefrist für die Verbilligungsbeiträge 2002 wäre der 31. Mai 2001 gewesen (§ 17 Abs. 1 EG KVG). Da der Be- schwerdeführer jedoch erst per 1. Januar 2002 im Kanton Aargau Wohnsitz begründet hat, konnte er diese Frist nicht einhalten. Es ist daher zu prüfen, ob die besondere Anmeldefrist für Zuzüger gemäss § 25 V EG KVG zum Tragen kommt. Gemäss dem klaren Wortlaut von § 15 Abs. 1 V EG KVG gilt die verlängerte Einreichefrist (bis 31. März) nur für Zuzüger, welche zwischen dem 31. März und dem 2003 Prozessrecht 87 31. Dezember des Vorjahres der Auszahlung im Kanton Wohnsitz begründet haben. Mit dem Jahr der Auszahlung ist dabei das Jahr vor der beantragten Prämienverbilligung angesprochen, da die Prämien- verbilligungen im gleichen Jahr, für welches sie beantragt werden, auszuzahlen sind (vgl. § 21 EG KVG i.V.m. § 16 V EG KVG). Be- zogen auf die Prämienverbilligungsbeiträge des Jahres 2002 heisst dies, dass die vom 31. März bis 31. Dezember 2001 in den Kanton Aargau zugezogenen Personen ihren Antrag bis 31. März 2002 stel- len können. Den Personen, die zwischen dem 1. Januar und dem 30. März 2002 zugezogen sind, kann zugemutet werden, die ordent- liche Anmeldefrist bis 31. Mai 2002 einzuhalten, da ihnen genügend Zeit bleibt, sich rechtzeitig über die Regelung im neuen Wohnkanton zu informieren. Allerdings handelt es sich dabei bereits um die An- meldung für die Prämienverbilligung des Folgejahres, d.h. bis 31. Mai 2002 ist das Gesuch zum Bezug von Prämienverbilligungs- beiträgen des Jahres 2003 einzureichen. Für zwischen dem 31. März und 31. Dezember 2002 Zugezogene gilt für die Prämienverbilligung 2003 wiederum die verlängerte Anmeldefrist bis 31. März 2003. Für das Jahr, in welchem im Kanton Aargau Wohnsitz genommen wird, kann somit keine Prämienverbilligung beantragt werden. Dies ist damit zu begründen, dass ansonsten die Gefahr des Doppelbezuges bestände, könnte doch im einen Kanton Prämienverbilligung bean- tragt und nach einem Kantonswechsel im gleichen Jahr im neuen Kanton erneut um Verbilligungsbeiträge ersucht werden.
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2017 Obergericht, Abteilung Versicherungsgericht 54 [...] 6 Art. 25 ATSG; Art. 35 Abs. 1 IVG; Art. 25 Abs. 4 und 5 AHVG; Art. 49 bis Abs. 3 AHVV Das gemäss Art. 49 bis Abs. 3 AHVV durchschnittliche monatliche Er- werbseinkommen eines unterstützungspflichtigen Kindes eines IV-Rent- ners bestimmt sich nach dem im relevanten Kalenderjahr tatsächlich erzielten Jahreseinkommen geteilt durch 12. Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 1. Kammer, vom 13. De- zember 2016, i.S. S.S. gegen SVA Aargau (VBE.2016.482). 2017 Sozialversicherungsrecht 55 Aus den Erwägungen 2. 2.1. Männer und Frauen, denen eine Invalidenrente zusteht, haben in Anwendung von Art. 35 Abs. 1 IVG für jedes Kind, das im Falle ih- res Todes eine Waisenrente der Alters- und Hinterlassenenver- sicherung beanspruchen könnte, Anspruch auf eine Kinderrente (Art. 25 AHVG). Er erlischt mit der Vollendung des 18. Altersjahres. Für Kinder, die noch in Ausbildung sind, dauert der Rentenanspruch nach Art. 25 Abs. 5 AHVG bis zu deren Abschluss, längstens aber bis zum vollendeten 25. Altersjahr. Der Bundesrat kann festlegen, was als Ausbildung gilt (Art. 25 Abs. 4 und 5 AHVG). 2.2. Der Bundesrat hat von dieser Kompetenz Gebrauch gemacht, indem er auf den 1. Januar 2011 die AHVV um die Art. 49 bis (Ausbil- dung) und Art. 49 ter (Beendigung und Unterbrechung der Ausbil- dung) ergänzt hat. Gemäss Art. 49 bis Abs. 1 AHVV ist ein Kind in Ausbildung, wenn es sich auf der Grundlage eines ordnungsge- mässen, rechtlich oder zumindest faktisch anerkannten Bildungs- ganges systematisch und zeitlich überwiegend entweder auf einen Berufsabschluss vorbereitet oder eine Allgemeinausbildung erwirbt, die Grundlage bildet für den Erwerb verschiedener Berufe. Nach Art. 49 ter Abs. 2 AHVV gilt die Ausbildung als beendet, wenn sie ab- gebrochen oder unterbrochen wird. 2.3. Gemäss Art. 49 bis Abs. 3 AHVV gilt ein Kind nicht als in Ausbildung, wenn es ein durchschnittliches monatliches Erwerbsein- kommen erzielt, das höher ist, als die maximale volle Altersrente der AHV (Fr. 2'350.00). Der Ausbildungsbegriff und damit die Frage, wer als in Ausbildung stehend gilt, wird insoweit durch eine geld- werte Leistung mitbestimmt, als hinsichtlich des vom Kind erzielten Erwerbseinkommens ein anspruchsverneinder Grenzbetrag festge- setzt wird (Urteil des Bundesgerichts 8C_875/2013 vom 29. April 2014 E. 3.3). Dabei ist nach dem Wortlaut nur der tatsächliche Ver- dienst massgebend (Urteil des Bundesgerichts 8C_54/2016 vom 2017 Obergericht, Abteilung Versicherungsgericht 56 13. Juli 2016 E. 6.1 mit Hinweis auf SVR 2014 IV Nr. 24 S. 84, 8C_875/2013 vom 29. April 2014). Mit BGE 142 V 226 hat das Bundesgericht die Gesetzeskonformität von Art. 49 bis Abs. 3 AHVV bejaht. 2.4. Verwaltungsweisungen richten sich an die Durchführungsstellen und sind für das Sozialversicherungsgericht nicht verbindlich. Dieses soll sie bei seiner Entscheidung aber berücksichtigen, sofern sie eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der an- wendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen. Das Gericht weicht also nicht ohne triftigen Grund von Verwaltungsweisungen ab, wenn diese eine überzeugende Konkretisierung der rechtlichen Vorgaben darstellen. Insofern wird dem Bestreben der Verwaltung, durch in- terne Weisungen eine rechtsgleiche Gesetzesanwendung zu gewähr- leisten, Rechnung getragen (BGE 133 V 587 E. 6.1 S. 591; 133 V 257 E. 3.2 S. 258 mit Hinweisen). 3. 3.1.-3.3. (Grundsätze zur Rückerstattungspflicht von unrechtmässig bezogenen Leistungen gemäss Art. 25 Abs. 1 ATSG) 4. 4.1. Es steht fest und ist unbestritten, dass der Sohn der Beschwerdeführerin in der streitigen Zeit vom (...) ein Praktikum im Rahmen der schulisch organisierten Grundbildung zum Kaufmann mit EFZ und BM an der (...) absolviert und dabei ein Einkommen von mindestens Fr. 2'162.00 pro Monat erzielt hat. Da das Praktikum im Rahmen der Ausbildung erfolgte, befand er sich unbestritten wei- terhin in Ausbildung stehend im Sinne von Art. 49 bis Abs. 1 AHVV. Fraglich ist jedoch, ob er gestützt auf Art. 49 bis Abs. 3 AHVV trotz- dem nicht als in Ausbildung stehend zu qualifizieren ist (vgl. E. 2.3. hierzu). Die Beschwerdegegnerin fordert denn auch mit Verfügung vom 24. August 2016 die für den fraglichen Zeitraum ausbezahlte Kinderrente zurück mit der Begründung, der gesamtarbeitsvertrag- lich geregelte Lohn von Fr. 2'172.00 (vgl. Art. 11 des Landes- Gesamtarbeitsvertrages des Gastgewerbes [L-GAV]) zuzüglich 2017 Sozialversicherungsrecht 57 13. Monatslohn übersteige die maximale volle Altersrente der AHV (aktuell Fr. 2'350.00) durchschnittlich um monatlich Fr. 3.00. Der tie- fer vereinbarte Lohn (Fr. 2'165.00) liege unter dem Mindestansatz des L-GAV und sei nicht zu berücksichtigen, da er lediglich verein- bart worden sei, um Leistungen der AHV/IV zu erlangen. Mit Ver- nehmlassung vom 14. Oktober 2016 führte die Beschwerdegegnerin ergänzend aus, das Verhalten der Beschwerdeführerin verstosse ge- gen die Schadenminderungspflicht und sei zudem rechtsmissbräuch- lich. 4.2. 4.2.1. Befindet sich ein Kind wie vorliegend während des ganzen Ka- lenderjahres in Ausbildung, wird das ganze Jahreseinkommen im be- treffenden Kalenderjahr berücksichtigt und durch 12 geteilt. Liegt das so errechnete durchschnittliche Monatseinkommen unter der Ein- kommenslimite, besteht durchgehend Anspruch auf Kinderrente (vgl. Rz. 3367 Abschnitt a der Wegleitung des Bundesamtes für Sozialver- sicherungen [BSV] über die Renten in der Eidgenössischen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung [RWL], in der vorliegend relevanten Fassung vom 1. Januar 2016; zu deren Anwendbarkeit vgl. Urteil des Bundesgerichts 8C_875/2013 vom 29. April 2014 E. 3.3). Da zudem nur das tatsächlich erzielte und nicht wie von der Beschwerdegegnerin angenommen, das hypothetische Einkommen relevant ist (vgl. E. 2.3. hierzu), ergibt sich gemäss Auszug aus dem individuellen Konto folgendes durchschnittliches Monatssalär für das Kalenderjahr 2015: A. Fr. 727.00 B. Fr. 11'734.00 Total 2015 Fr. 12'641.00 Monatseinkommen /12 Fr. 1'038.40 Mit diesem durchschnittlichen Monatssalär erzielte der Sohn der Beschwerdeführerin im Kalenderjahr 2015 ein Einkommen unter dem in Art. 49 bis Abs. 3 AHVV festgesetzten Grenzbetrag von 2017 Obergericht, Abteilung Versicherungsgericht 58 Fr. 2'350.00. Die im Kalenderjahr 2015 ausgerichteten Kinderrenten waren daher rechtmässig. Erstreckt sich eine Ausbildung über mehr als ein Kalenderjahr, so wird das Einkommen für jedes Kalenderjahr getrennt betrachtet (Rz. 2267 RWL). Für das im laufenden Kalenderjahr 2016 erzielte Jahreseinkommen liegen noch keine Erhebungen vor, weshalb noch nicht abschliessend festgestellt werden kann, ob der Sohn der Be- schwerdeführerin durchschnittlich über Fr. 2'350.00 erzielt hat, wo- mit kein Anspruch auf Auszahlung der Kinderrente bestünde. 4.2.2. Selbst wenn auf den ursprünglich vereinbarten Monatslohn von Fr. 2'172.00 abgestellt würde, vermöchte dies trotzdem zu keinem anderen Ergebnis zu führen. So hätte der Sohn der Beschwerdeführe- rin im Jahr 2015 insgesamt ein Jahreseinkommen von Fr. 12'492.00 (5 x Fr. 2'172.00 + Fr. 905.00 [13. Monatslohn] + Fr. 727.00 [A]) er- zielt, was einem durchschnittlichen Monatslohn von Fr. 1'041.00 ent- spricht; womit er nach wie vor weniger als den in Art. 49 bis Abs. 3 AHVV festgesetzten Mindestbetrag von Fr. 2'350.00 erzielt hätte. Auch für das Jahr 2016 vermag er trotz höherem Lohn ebenfalls noch kein durchschnittliches Einkommen von über Fr. 2'350.00 zu erzielen: (7 x Fr. 2'172.00 + Fr. 1'267.00 [13. Monatslohn] = 16'471.00 / 12 = Fr. 1'372.60). Ob das Verhalten der Beschwerde- führerin (bewusstes Herabsetzen eines Einkommens zur Erlangung von Leistungen der AHV/IV bzw. Ausbildungszulagen) als rechts- missbräuchlich im Sinne des Art. 2 Abs. 2 ZGB zu qualifizieren ist, kann daher vorliegend offen gelassen werden. 4.2.3. Die von der Beschwerdegegnerin erwähnte Schadenminde- rungspflicht (BGE 140 V 267 E. 5.2.1 S. 274 mit Hinweisen) gilt im gesamten Bereich der Sozialversicherungen. Angesichts der klaren Rechtsprechung bezüglich der Auslegung von Art. 49 bis Abs. 3 AHVV (tatsächlich erzieltes Einkommen massgebend) kann daher offenbleiben, ob es vorliegend überhaupt zulässig wäre, dem Leis- tungsansprecher (Ex-Ehemann) gestützt auf das Verhalten einer anderen Person (der Beschwerdeführerin bzw. des sich in Ausbildung befindenden Kindes) und damit eines nicht im Einflussbereich der 2017 Sozialversicherungsrecht 59 versicherten Person liegenden Umstandes (Ausübung einer Erwerbstätigkeit durch das in der Regel volljährige Kind) die Leistung zu verweigern. 4.3. Da die im Jahr 2015 erbrachten Kinderrenten rechtmässig ausgerichtet wurden, sind die Voraussetzungen für eine Rückforde- rung gemäss Art. 25 Abs. 1 ATSG (vgl. E. 3.1. hiezu) nicht erfüllt. Der Anspruch für das Kalenderjahr 2016 ist nach Ablauf des Kalen- derjahres erneut zu überprüfen.
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AG_VSG_001
AG_VSG
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Northwestern_Switzerland
AG_VSG_001_AGVE-2017-6_2011-01-01
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2016 Obergericht, Abteilung Versicherungsgericht 66 [...] 6 Art. 49 Abs. 4 ATSG, Art. 21 Abs. 1 lit. c UVG Die Krankenversicherung ist auf Grund ihrer in gewissem Umfang an den Leistungsentscheid des Unfallversicherers betreffend Übernahme von Heilbehandlung nach Fallabschluss gekoppelten Leistungspflicht berührt und damit legitimiert, den Leistungsentscheid zu Ungunsten der ver- sicherten Person durch Beschwerde beim kantonalen Gericht anzufech- ten Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 2. Kammer, vom 25. Februar 2016, i.S. Krankenversicherer B. gegen Unfallversicherer F. (VBE.2015.664) Aus den Erwägungen 3. 3.1. 2016 Sozialversicherungsrecht 67 Die Legitimation zur Anfechtung einer Verfügung bzw. eines Einspracheentscheids durch Beschwerde beim kantonalen Gericht richtet sich nach Art. 59 ATSG. Gemäss dieser Bestimmung ist zur Beschwerde berechtigt, wer durch die angefochtene Verfügung oder den Einsprache-Entscheid berührt ist und ein schutzwürdiges Inte- resse an deren Aufhebung oder Änderung hat. (...) Da die Beschwer- delegitimation im kantonalen Verfahren nicht enger umschrieben werden darf als im nachfolgenden bundesgerichtlichen Verfahren, findet hinsichtlich der Auslegung des Begriffs des schutzwürdigen Interesses die zu Art. 103 lit. a OG (in Kraft gewesen bis 31. Dezem- ber 2006) bzw. zu Art. 89 Abs. 1 lit. b-c BGG ergangene Recht- sprechung im Rahmen von Art. 59 ATSG ebenfalls Anwendung (BGE 130 V 388 E. 2.2 S. 390 f., mit Hinweisen). Erlässt ein Versicherer eine Verfügung, welche die Leistungs- pflicht eines anderen Trägers berührt, so hat er auch ihm die Verfü- gung zu eröffnen. Dieser kann die gleichen Rechtsmittel ergreifen wie die versicherte Person (Art. 49 Abs. 4 ATSG). Der Begriff des Berührtseins nach dieser Norm stimmt wiederum mit demjenigen des schutzwürdigen Interesses im Sinne von Art. 89 Abs. 1 lit. b-c BGG und damit auch der übrigen vorerwähnten Normen überein (nicht publ. E. 3.2 des Urteils BGE 134 V 153; BGE 133 V 549 E. 3 S. 551; 132 V 74 E. 3.1 S. 77, je mit Hinweisen). 3.2. Der Entscheid eines Sozialversicherers über einen ihm gegen- über geltend gemachten Anspruch kann die Leistungspflicht anderer Versicherungsträger im Wesentlichen auf folgende Arten beein- flussen (vgl. zum Ganzen BGE 134 V 153 E. 4.1 S. 154 f. mit Hin- weisen): 3.2.1. Möglich ist zunächst, dass die Verneinung einer Leistungs- pflicht des verfügenden Versicherungsträgers unmittelbar jene des anfechtungswilligen Trägers begründet. Es liegt in dem Sinne ein ne- gativer Zuständigkeitskonflikt vor, als derselbe Sachverhalt An- sprüche gegenüber dem einen oder, falls dies zu verneinen ist, gegen- über dem anderen Träger auslöst. 2016 Obergericht, Abteilung Versicherungsgericht 68 3.2.2. - 3.2.3. (...) 3.2.4. Die vierte Konstellation ist durch eine Vorleistungspflicht des anfechtenden Sozialversicherungsträgers im Verhältnis zum verfü- genden gekennzeichnet. Dies trifft gemäss Art. 70 ATSG zu für die Krankenversicherung im Verhältnis zur Unfall-, Militär- und Inva- lidenversicherung, für die Arbeitslosenversicherung im Verhältnis zur Kranken-, Unfall- und Invalidenversicherung, für die Unfall- im Verhältnis zur Militärversicherung sowie für die Vorsorgeeinrich- tungen im Verhältnis zu Unfall- und Militärversicherung. Der Vorleistungspflicht kann materiell-rechtlich entweder eine nach- rangige ausschliessliche Leistungspflicht des anfechtenden Sozialversicherungsträgers (Prioritätsprinzip) oder eine kumulative Leistungspflicht beider Versicherer mit Kürzungsmöglichkeit (Ku- mulationsprinzip) zugrunde liegen. 4. 4.1 (...) 4.2. Der Beschwerdeführerin als Krankenversicherungsträgerin der Versicherten wurde der die Heilbehandlungsleistung nach Art. 21 Abs. 1 lit. c UVG abweisende Einsprache-Entscheid vom 28. Okto- ber 2015 nach Massgabe von Art. 49 Abs. 4 ATSG eröffnet. (...) Sofern die Anspruchsvoraussetzungen gemäss Art. 21 Abs. 1 lit. c UVG wie vorliegend von der Beschwerdegegnerin als Unfallver- sicherin verneint werden, kann ein Anspruch der Versicherten auf Leistung von Heilbehandlungen gegenüber der Beschwerdeführerin als Krankenversicherin bestehen, Wirtschaftlichkeit der Behandlung (Art. 32 KVG) vorausgesetzt (vgl. G EBHARD E UGSTER , Recht- sprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, KVG, 2010, N. 4 zu Art. 28; vgl. BGE 140 V 130 E. 2.2 S. 132). Demnach hat die Beschwerdeführerin als Krankenversicherung ein selbst- ständiges, eigenes Rechtsschutzinteresse an der Beschwerdeerhe- bung, da sie damit zu rechnen hat, fortan für die Ausrichtung von Versicherungsleistungen hinsichtlich der noch bestehenden gesund- 2016 Sozialversicherungsrecht 69 heitlichen Beschwerden von der Versicherten in Anspruch ge- nommen zu werden (vgl. E. 3.2.1.). (...) 4.3. (...) 4.4. Zusammenfassend ist die Beschwerdeführerin durch den Ein- sprache-Entscheid im Sinne von Art. 49 Abs. 4 ATSG berührt und zur Anfechtung legitimiert.
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AG_VSG_001_AGVE-2016-6_2016-02-02
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2016 Obergericht, Abteilung Versicherungsgericht 74 [...] 9 Art. 11 Abs. 1 lit. c ELG - Bei der Ermittlung eines Ergänzungsleistungsanspruchs sind zur Be- stimmung des Vermögensverzehrsbetrags nach Art. 11 Abs. 1 lit. c ELG nur Schulden zu berücksichtigen, die tatsächlich entstanden sind und deren Höhe feststeht. Der Bestand und die Höhe der Entschädigung für einen Beistand stehen erst mit dem Entscheid der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde fest. Die Entschädigung kann erst zu diesem Zeitpunkt in der Berechnung des Ergänzungs- leistungsanspruchs berücksichtigt und als Schuld vom Vermögen in Abzug gebracht werden. - Lebenshaltungskosten gelten von den Ergänzungsleistungen als ge- deckt, das heisst, sie sind damit zu bezahlen, was eine Berücksich- tigung von diesbezüglich am Ende des Kalenderjahres bestehenden Schulden in Form eines Abzugs vom Vermögen zur Berechnung des Vermögensverzehrs nach Art. 11 Abs. 1 lit. c ELG ausschliesst. Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 3. Kammer, vom 27. Sep- tember 2016 i.S. C.M. gegen SVA Aargau (VBE.2016.429). 2016 Sozialversicherungsrecht 75 Aus den Erwägungen 2. 2.1. 2.1.1. Gemäss Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Art. 9 Abs. 1 ELG haben Personen mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt (Art. 13 ATSG) in der Schweiz, welche eine der Voraussetzungen nach den Art. 4 Abs. 1 lit. a bis d ELG erfüllen, Anspruch auf Ergänzungsleistungen, wenn die anerkannten Ausgaben die anrechenbaren Einnahmen überstei- gen. 2.1.2. Nach Art. 11 Abs. 1 lit. c ELG wird ein Fünfzehntel des Reinvermögens als Einnahmen angerechnet, soweit es bei alleinste- henden Personen Fr. 37'500.00 übersteigt. Da das Reinvermögen massgebend ist, sind vom rohen Vermögen Schulden der betroffenen Person abzuziehen, bevor der Vermögensverzehrsbetrag ermittelt wird. Die Schuld muss tatsächlich entstanden sein, deren Fälligkeit ist jedoch nicht erforderlich. Ungewisse Schulden oder Schulden, de- ren Höhe noch nicht feststeht, können nicht berücksichtigt werden. Bestand der Schuld und Schuldnereigenschaft müssen nachgewiesen sein (J ÖHL /U SINGER -E GGER , Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Band XIV, Soziale Sicherheit, 3. Aufl. 2016, S. 1848 N. 166). 2.1.3. Gemäss Art. 404 Abs. 1 ZGB hat der Beistand Anspruch auf eine angemessene Entschädigung und auf Ersatz der notwendigen Spesen aus dem Vermögen der betroffenen Person. Die Erwachse- nenschutzbehörde legt die Höhe der Entschädigung fest (Art. 404 Abs. 2 Satz 1 ZGB und § 13 Abs. 1 V KESR). Bei volljährigen Personen wird die Entschädigung aus deren Vermögen entrichtet (§ 67 Abs. 4 EG ZGB), sofern sich dieses auf mindestens Fr. 15'000.00 beläuft (§ 14 Abs. 1 V KESR). 2.1.4. Lebenshaltungskosten gelten, soweit sie anerkannte Ausgaben im Sinne von Art. 10 ELG darstellen, von den Ergänzungsleistungen 2016 Obergericht, Abteilung Versicherungsgericht 76 als gedeckt, das heisst sie sind damit zu bezahlen, was eine Berück- sichtigung von diesbezüglich am Ende des Kalenderjahres bestehen- den Schulden in Form eines Abzugs vom Vermögen zur Berechnung des Vermögensverzehrs nach Art. 11 Abs. 1 lit. c ELG ausschliesst. Lediglich über die anerkannten Ausgaben hinausgehende Kosten sind bei der Berechnung des Vermögens in Abzug zu bringen (Urteile des Bundesgerichts 9C_333/2014 vom 22. August 2014 E. 4.1; 9C_396/2013, 9C_397/2013, 9C_398/2013 vom 15. Oktober 2013 E. 6.1 und 6.2). 2.2. (...) 2.3. 2.3.1. Der Bestand und die Höhe der Entschädigung für die Man- datsträger standen erst mit den Entscheiden durch die KESB vom 15. Juli 2015 und durch den Gemeinderat F. vom 10. August 2015 fest, welche für die Bemessung der Entschädigung der Beistände zuständig waren (vgl. Art. 404 Abs. 2 Satz 1 ZGB und § 13 Abs. 1 V KESR). Die Entschädigungsforderungen konnten deshalb erst per dann in der Berechnung des Ergänzungsleistungsanspruchs berücksichtigt werden und waren als Schulden vom Vermögen in Abzug zu bringen. Vorher bestand keine dem Beschwerdeführer zuzurechnende Verpflichtung zur Zahlung an seine Eltern. Seine Zahlungspflicht wurde erst durch die Entscheide des Gemeinderats F. vom 10. August 2015 und der KESB vom 15. Juli 2015 konkretisiert. 2.3.2. Die bewilligten Auslagen für den Lebensunterhalt des Be- schwerdeführers stellen keine Schulden dar, welche vom Vermögen abzuziehen wären. Vielmehr gelten sie als anerkannte Ausgaben, welche durch die Ergänzungsleistungen gedeckt sind (vgl. Urteile des Bundesgerichts 9C_333/2014 vom 22. August 2014 E. 4.1; 9C_396/2013, 9C_397/2013, 9C_398/2013 vom 15. Oktober 2013 E. 6.1 und 6.2). Die Eltern hatten ohne entsprechende Verpflichtung über meh- rere Jahre hinweg Auslagen für den Lebensunterhalt des Beschwer- deführers bezahlt. Die Zahlungen waren nicht mit Geldern ihres 2016 Sozialversicherungsrecht 77 Sohnes erfolgt, sondern mit eigenen Mitteln, weshalb sich das Ver- mögen des Beschwerdeführers sukzessive erhöht hatte. Da die Vermögensverschiebung zum Beschwerdeführer ohne Rechtsgrund erfolgt war, steht den Eltern ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen den Beschwerdeführer zu (vgl. Art. 62 OR). Der Anspruch war in dem Zeitpunkt entstanden, in dem die Eltern Ausla- gen für den Lebensunterhalt des Beschwerdeführers aus ihrem Vermögen getätigt hatten. Die Höhe des Rückerstattungsanspruchs der Eltern und der entsprechenden Schuld des Beschwerdeführers war im Zeitpunkt der Bezahlung der Lebenshaltungskosten aus dem Vermögen der Eltern bestimmbar gewesen. Aus diesem Grund (vgl. BGE 142 V 311 E. 3.3 S. 314) sind die den Eltern zugesprochenen Beträge für den Lebensunterhalt des Beschwerdeführers in der Berechnung des Ergänzungsleistungsanspruchs rückwirkend ab Ja- nuar 2010 so zu berücksichtigen, wie wenn sie bereits damals mit Geldern des Beschwerdeführers bezahlt worden wären.
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2009 Versicherungsgericht 91 [...] 21 Krankentaggeld nach VVG Taggeldleistungen sind zu erbringen, wenn eine Krankheit im Sinne des Gesetzes bzw. des Reglements vorliegt. Was diese Krankheit verursachte, ist für den Leistungsanspruch unerheblich. Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 3. Kammer, vom 10. Februar 2009 in Sachen R.M. gegen Krankenkasse S. (VKL.2008.64). 2009 Versicherungsgericht 92 Aus den Erwägungen 3.3.2. Krankheit wird in Art. 3 AVB folgendermassen definiert: ,,Krankheit ist jede Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Gesundheit, die nicht Folge eines Unfalles ist und die eine medizinische Untersuchung oder Behandlung erfordert oder eine Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat." Der Umstand, dass das Gewicht der Klägerin derart stark ab- nahm und zu erheblichen gesundheitlichen Folgeerscheinigungen führte, bewirkte eine körperliche Beeinträchtigung der Gesundheit, welche eine medizinische Behandlung erforderte (zur Verhinderung eines weiteren Gewichtsverlusts, der gesundheitlichen Stabilisierung und der versuchten Gewichtszunahme durch Abgabe spezieller Trinknahrung) und zu Arbeitsunfähigkeit führte. Die Kriterien des Krankheitsbegriffes sind damit erfüllt; das Untergewicht der Kläge- rin stellt demzufolge eine Krankheit im Sinne von Art. 3 AVB dar. Welche Ursache dieses Untergewicht hat, ist dabei unerheblich. Ent- scheidwesentlich ist nicht die psychosoziale Belastungssituation der Klägerin oder ihre schwache Konstitution, sondern allein die Tatsa- che, dass - ab September 2006 und über März 2007 hinaus - ein ärzt- lich attestiertes krankhaftes Untergewicht bestand. Die Krankheit ist das in massiver Form eingetretene Untergewicht an sich; wie es zu dieser Krankheit gekommen ist, spielt bei der Frage, ob eine Krank- heit vorliegt, keine Rolle. (...) Zusammenfassend ist damit festzuhalten, dass das erhebliche Untergewicht der Klägerin eine Krankheit im Sinne von Art. 3 AVB darstellt. Im Frühjahr 2007 war das Normalgewicht von 47 kg noch nicht erreicht. Die Beklagte hätte daher ihre Taggeldleistungen nicht per 25. März 2007 einstellen dürfen.
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2019 Sozialversicherungsrecht 29 I. Sozialversicherungsrecht 1 Art. 6 i.V.m. Art. 49 Abs. 2 BVG Vorsorgevertrag in der überobligatorischen beruflichen Vorsorge; regle- mentarische Bestimmung, sich bei Eintritt in die Pensionskasse einer ärztlichen Eintrittsuntersuchung (sog. Gesundheitsprüfung) zu unterzie- hen; Auslegung des Reglements einer privatrechtlichen Vorsorgeeinrich- tung nach dem Vertrauensprinzip; Anwendung der Ungewöhnlichkeits- regel; im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Reglement keine Ver- pflichtung zur aktiven bzw. selbständigen Organisation einer Gesund- heitsprüfung durch die versicherte Person. Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 3. Kammer, vom 8. April 2019, i.S. M.F. gegen Pensionskasse X (VKL.2018.11) Aus den Erwägungen 2. 2.1. Die weitergehende berufliche Vorsorge beruht grundsätzlich nicht auf Gesetz, sondern auf Vertragsverhältnissen (HANS MICHAEL RIEMER/GABRIELA RIEMER-KAFKA, Das Recht der beruflichen Vor- sorge in der Schweiz, 2. Aufl. 2006, § 4 N. 13). Im Dreiecksverhält- nis Arbeitgeberin / Arbeitnehmer / Vorsorgeeinrichtung ist zwischen Anschluss-, Arbeits- und Vorsorgevertrag zu unterscheiden (BGE 132 V 149 E. 5 S. 150; 118 V 229 E. 4a S. 231). Der Vorsorge- vertrag darf nicht mit dem Arbeitsvertrag i.S.v. Art. 319 ff. OR ver- wechselt bzw. als Bestandteil desselben angesehen werden. Vom Ar- beitsvertrag muss der Vorsorgevertrag schon deshalb klar unterschie- den werden, weil an den beiden Verträgen verschiedene Rechts- subjekte beteiligt sind. Beim Arbeitsvertrag steht dem Arbeitnehmer der Arbeitgeber gegenüber. Am Vorsorgevertrag sind dagegen die 2019 Obergericht, Abteilung Versicherungsgericht 30 Destinatäre (Arbeitnehmer und gegebenenfalls Angehörige dessel- ben) und die Personalvorsorgestiftung beteiligt (RIEMER/RIEMER- KAFKA, a.a.O., § 4 N. 17). 2.2. Auf den Vorsorgevertrag, welcher den versicherten Arbeitneh- mer und die Vorsorgeeinrichtung im Bereich der weitergehenden be- ruflichen Vorsorge verbindet und welcher von Lehre und Recht- sprechung den Innominatverträgen (eigener Art) zugeordnet wird, ist der Allgemeine Teil des Obligationenrechts anwendbar (Art. 1-183 OR; WALSER, in: Meyer (Hrsg.), Schweizerisches Bundesverwal- tungsrecht, Band XIV, Soziale Sicherheit 3. Aufl. 2016, S. 2193 N. 81 f. mit Hinweisen zur Rechtsprechung). Der Inhalt des Vorsor- gevertrages beruht auf vertraglicher Vereinbarung. Er geht in der Regel aus dem (schriftlichen) Reglement hervor. Reglement oder Statuten stellen den vorformulierten Inhalt des Vorsorgevertrages dar, vergleichbar Allgemeinen Vertrags- oder Versicherungsbedingungen, denen sich der Versicherte in der Regel konkludent, durch Antritt des Arbeitsverhältnisses und unwidersprochen gebliebene Entgegennah- me von Versicherungsausweis und Vorsorgereglement (sog. Global- übernahme), unterzieht (BGE 138 V 176 E. 6 S. 181; 129 V 145 E. 3.1 S. 147). Die Aushändigung des Reglements, die normalerwei- se beim Abschluss des Arbeitsvertrages stattfindet, ist aus juristischer Sicht die Offerte für den Vorsorgevertrag. Die widerspruchlose Entgegennahme bedeutet das stillschweigende Akzept (RIEMER/RIEMER-KAFKA, a.a.O., § 4 N. 19). 2.3. Die Vorsorgeeinrichtung kann die weitergehende Vorsorge im Rahmen von Art. 6 i.V.m. Art. 49 Abs. 2 BVG grundsätzlich privat- autonom ausgestalten und namentlich den Versicherungsschutz durch Gesundheitsvorbehalte für die Risiken Tod und Invalidität einschrän- ken (BGE 144 V 376 E. 2.1 S. 378 mit Hinweis auf SVR 2017 BVG Nr. 1 S. 1, 9C_308/2016 E. 3.2.1; vgl. auch BGE 134 III 511 E. 3.1 S. 512). Mithin ist sie legitimiert, die Aufnahme oder eine Höherver- sicherung von einer Gesundheitsprüfung abhängig zu machen und sich nicht mit der blossen Anmeldung des Versicherten durch den Arbeitgeber zu begnügen. 2019 Sozialversicherungsrecht 31 3. 3.1. Die Beklagte macht geltend, die Klägerin wäre verpflichtet ge- wesen, die gemäss Reglement vorgesehene Gesundheitsprüfung zu veranlassen und zu diesem Zweck aus eigener Initiative einen Termin für die Eintrittsuntersuchung zu vereinbaren. Da sie dies pflichtwid- rig unterlassen habe, habe sie gestützt auf Art. 9 Abs. 4 des Regle- ments nur Anspruch auf das BVG-Minimum. Die Klägerin stellt sich dagegen auf den Standpunkt, ihre Mitwirkungspflicht habe gemäss Reglement darin bestanden, dass sie sich einer von der Beklagten angeordneten Untersuchung nicht ohne entschuldbaren Grund hätte entziehen dürfen. Die Beklagte habe allerdings nie eine Gesund- heitsprüfung angeordnet, so dass eine Verletzung der Mitwirkungs- pflicht nicht angenommen werden könne und sie entsprechend An- spruch auch auf überobligatorische Leistungen habe. 3.2. Ein übereinstimmender wirklicher Wille (natürlicher Konsens) der Vertragsparteien betreffend Organisation und Durchführung einer Gesundheitsprüfung ist nach dem Gesagten zu verneinen. Stattdessen ist der mutmassliche Parteiwille bzw. der normative Konsens mittels Auslegung der Erklärungen der Parteien zu ermitteln. Die Auslegung des Reglements einer privatrechtlichen Vorsorgeeinrichtung als vor- formulierter Inhalt des Vorsorgevertrages geschieht nach dem Ver- trauensprinzip (HANS-ULRICH STAUFFER, Rechtsprechung des Bun- desgerichts zum Sozialversicherungsrecht, Die berufliche Vorsorge, 3. Aufl. 2013, S. 361). Danach sind Willenserklärungen so zu deuten, wie sie vom Empfänger in guten Treuen verstanden werden durften und mussten. Dabei ist nicht auf den inneren Willen des Erklärenden abzustellen, sondern auf den objektiven Sinn seines Erklärungsver- haltens. Der Erklärende hat gegen sich gelten zu lassen, was ein ver- nünftiger und korrekter Mensch unter der Erklärung verstehen durfte. Ausgehend vom Wortlaut und unter Berücksichtigung des Zusam- menhanges, in dem die streitige Bestimmung innerhalb der Statuten oder des Reglements als Ganzes steht, ist der objektive Ver- tragswillen zu ermitteln, den die Parteien mutmasslich gehabt haben. Dabei ist zu berücksichtigen, was sachgerecht ist, weil nicht ange- 2019 Obergericht, Abteilung Versicherungsgericht 32 nommen werden kann, dass sie eine unvernünftige Lösung gewollt haben (BGE 142 V 466 E. 6.1 S. 475; 142 V 129 E. 5.2.2 S. 134, je mit Hinweisen). Dabei sind die den Allgemeinen Versicherungsbe- dingungen innewohnenden Besonderheiten zu beachten, namentlich die sogenannten Unklarheits- und Ungewöhnlichkeitsregeln (vgl. BGE 140 V 50 E. 2.2 S. 51 f.; 138 V 176 E. 6 S. 181; 124 III 155 E. 1b S. 158; WALSER, a.a.O., S. 2193 N. 83 mit Hinweisen). Mehrdeutige Wendungen in vorformulierten Vertragsbedingungen sind im Zweifel zu Lasten ihres Verfassers auszulegen (Urteil des Bundesgerichts 9C_255/2018 vom 31. Oktober 2018 E. 5.2.1 mit Hinweis auf BGE 140 V 50 E. 2.2 S. 51 f.). Je stärker eine Klausel die Rechtsstellung des Vertragspartners beeinträchtigt, desto eher ist sie als ungewöhnlich zu qualifizieren (BGE 135 III 1 E. 2.1 S. 7 f.; 135 III 225 E. 1.3 S. 227 f.). 3.3. Hinsichtlich Gesundheitsprüfung hält der Vorsorgevertrag und damit das vorliegend unbestritten anwendbare Vorsorgereglement der Beklagten in der Fassung vom 1. Januar 2013 in Art. 9 Folgendes fest (...): » Art. 9 Gesundheitsprüfung 1. Der Versicherte hat sich beim Eintritt in die Pensionskasse einer ärztlichen Eintrittsuntersuchung zu unterziehen (Gesundheits- prüfung). Er hat dabei einen allfälligen gesundheitlichen Vorbehalt der bisherigen Vorsorgeeinrichtung sowie schon bestehende, ihm be- kannte Gesundheitsbeeinträchtigungen unaufgefordert zu deklarie- ren. 2. Ergibt sich aufgrund der ärztlichen Eintrittsuntersuchung ein erhöhtes Gesundheitsrisiko, so kann die Pensionskasse einen oder mehrere Vorbehalte für die Todesfall- und Invaliditätsleistungen an- bringen. Diesfalls werden nur die gesetzlichen Mindestleistungen gemäss BVG erbracht. Die Gründe für den Vorbehalt und die Vorbe- haltsdauer sind dem Versicherten innert 6 Monaten nach Eintritt in die Pensionskasse bzw. nach Vorliegen der Ergebnisse der ärztlichen Eintrittsuntersuchung schriftlich mitzuteilen. Die bei der früheren Vorsorgeeinrichtung abgelaufene Zeit eines bestehenden Vorbehaltes 2019 Sozialversicherungsrecht 33 wird an die neue Vorbehaltsdauer angerechnet, sofern der Vorbehalt aus dem gleichen Grund erfolgt. 3. Verschweigt der Versicherte schon bestehende, ihm bekannte Gesundheitsbeeinträchtigungen und/oder gesundheitliche Vorbehalte und/oder macht er anlässlich der ärztlichen Eintrittsuntersuchung un- wahre Angaben, können ihm die Todesfall- und Invaliditätsleistun- gen innert 6 Monaten seit Bekanntwerden der Anzeigepflichtverlet- zung durch den Stiftungsrat bis auf die gesetzlichen Mindestleistun- gen gemäss BVG herabgesetzt werden. 4. Kann die ärztliche Eintrittsuntersuchung, aus Gründen, die beim Versicherten selbst liegen, nicht durchgeführt werden und wird der entsprechende Versicherte invalid oder stirbt er, werden nur die gesetzlichen Mindestleistungen-gemäss BVG erbracht. 5. Der Vorbehalt bezüglich Gesundheitszustand darf für höchs- tens fünf Jahre gelten. Der Vorsorgeschutz, der mit den eingebrach- ten Freizügigkeitsleistungen erworben wird, darf nicht durch einen neuen gesundheitlichen Vorbehalt geschmälert werden. 6. Führen die im Vorbehalt aufgeführten Gesundheitsprobleme innerhalb der Vorbehaltsdauer zu Invalidität oder Tod, so besteht im Ausmass des Vorbehalts und über die Vorbehaltsdauer hinaus kein Leistungsanspruch.« 3.4. Gemäss Art. 9 Abs. 1 Vorsorgereglement hat sich die versicherte Person beim Eintritt in die Pensionskasse einer ärztlichen Eintrittsun- tersuchung (sog. Gesundheitsprüfung) »zu unterziehen«. Entgegen den Vorbringen der Beklagten (...) geht dabei aus dem Wortlaut der besagten Bestimmung des Vorsorgereglements keine ausdrückliche Pflicht der versicherten Person hervor, sich selber aus eigenem An- trieb und aktiv um die Durchführung einer Gesundheitsprüfung zu bemühen. Wie die Klägerin zu Recht vorbringt (...), ergibt sich aus Art. 9 Abs. 1 des Reglements weder, dass sich die Versicherte von sich aus um einen Termin kümmern, noch bis wann oder wo und bei wem die Untersuchung durchgeführt werden muss. Aus Art. 9 Abs. 1 des Reglements ist somit keine Verpflichtung der Klägerin zur eigen- ständigen Organisation einer Gesundheitsprüfung ersichtlich. 3.5. 2019 Obergericht, Abteilung Versicherungsgericht 34 Eine Verpflichtung der Klägerin, sich eigenständig und aktiv um eine Gesundheitsprüfung zu kümmern, vermag die Beklagte auch nicht aus Art. 9 Abs. 4 des Vorsorgereglements abzuleiten. Diese Be- stimmung sieht vor, dass eine Kürzung der Leistungen auf die ge- setzlichen Mindestleistungen gemäss BVG erfolgt, wenn die ärzt- liche Eintrittsuntersuchung aus Gründen, die bei der versicherten Person selbst liegen, nicht durchgeführt werden kann. Eine regle- mentarische Pflicht der Klägerin, selber eine Gesundheitsprüfung in die Wege zu leiten, ist dem Wortlaut von Art. 9 Abs. 4 des Regle- ments jedoch nicht zu entnehmen. 3.6. Die Beklagte argumentiert weiter, der Klägerin sei das Vorsor- gereglement zusammen mit dem Arbeitsvertrag vom (...) 2013 aus- gehändigt worden. Ziff. 12 des Arbeitsvertrages sehe die Pflicht der Arbeitnehmerin vor, einen Termin für die Erstuntersuchung zu ver- einbaren (...). Ziff. 12 des Arbeitsvertrages enthält den Titel Medical examination und regelt eine Gesundheitsprüfung (...). Da- rin wird unter Angabe einer Telefonnummer festgehalten, dass sofort bei Arbeitsaufnahme ein Termin für einen Gesundheitstest zu verein- baren sei ( ... ). Der Arbeitsvertrag und damit auch Ziff. 12 desselben bildet nicht Bestandteil des Vorsorgereglements, zumal an den beiden Ver- trägen unterschiedliche Parteien beteiligt sind (vgl. E. 2.1. hiervor). Ebenso ist darin keine (zulässige) vom Reglement abweichende Ein- zelabmachung zwischen der Klägerin und der Beklagten ersichtlich, da eine alleinige arbeitsvertragliche Abrede wesensgemäss den dies- bezüglichen Erfordernissen nicht zu genügen vermag (vgl. E. 6, nachfolgend). Unter diesen Umständen kann der Hinweis im Arbeits- vertrag höchstens als Manifestation dafür verstanden werden, wie die Arbeitgeberin der Klägerin die Organisation der Gesundheitsprüfung interpretieren will. Der Klägerin ist daher beizupflichten, dass der Arbeitsvertrag für eine rechtskonforme Auslegung der einschlägigen Reglementsbestimmung keine verbindliche Vorgabe enthält. Gleiches gilt für das Begleitschreiben vom (...) 2013, mit dem der Klägerin von ihrer Arbeitgeberin der Arbeitsvertrag zugestellt worden ist (...). Auch dieses Begleitschreiben wurde nicht von der Beklagten als Ver- 2019 Sozialversicherungsrecht 35 tragspartei des Vorsorgevertrages, sondern von der Arbeitgeberin der Klägerin erstellt, so dass sich daraus für die Auslegung des Regle- ments als Vertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten hinsicht- lich der reglementarischen Pflichten der Klägerin keine Vorgaben entnehmen lassen. Die beantragte Befragung der Zeugin (...), die als Personalverantwortliche der Arbeitgeberin die Klägerin beim Ein- trittsgespräch auf die Pflicht zur Vereinbarung einer Eintrittsuntersu- chung hingewiesen habe (...), kann aus den vorgenannten Gründen in antizipierter Beweiswürdigung unterbleiben (vgl. zur antizipierten Beweiswürdigung statt vieler BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236). 3.7. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass der Verlust des Anspruches auf überobligatorische Leistungen einen erheblichen Eingriff in die Rechtsstellung der Klägerin darstellt. Dass sich eine neu in die Vorsorgeeinrichtung eintretende Arbeitnehmerin selbst um die Organisation einer Gesundheitsprüfung kümmern und im Unter- lassungsfall - ohne entsprechende Aufforderung oder Mahnung durch die Beklagte - den Verlust sämtlicher überobligatorischer Leis- tungen hinnehmen muss, ist gemäss vorstehender Ausführungen für die versicherte Person gestützt auf das Reglement nicht erkennbar und als ungewöhnlich bzw. überraschend zu qualifizieren. Unter Be- rücksichtigung des Umstandes, dass es sich beim streitgegenständ- lichen Reglement um von der Beklagten vorformulierte Vertragsbe- dingungen handelt, welche einerseits der Ungewöhnlichkeitsregel standhalten müssen und andererseits im Zweifel zu ihren Lasten aus- zulegen sind (BGE 140 V 50 E. 2.2 S. 51 f.), ist festzustellen, dass eine versicherte Person mit einer solch gravierenden Folge ange- sichts der im Reglement diesbezüglich fehlenden ausdrücklichen Re- gelung nicht zu rechnen hat. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass es sich bei der Klägerin gemäss Darstellung der Beklagten um eine ausgebildete Juristin und erfahrene Rechtsanwältin handelt (...). Auch eine geschäfts- oder gar branchenerfahrene Vertragspartei kann von einer global übernommenen Klausel überrascht werden und die Ungewöhnlichkeitsregel anrufen (Urteil des Bundesgerichts 4A_499/2018 vom 10. Dezember 2018 E. 3.3.2.). Vorliegend macht die Beklagte nicht geltend, dass es sich bei der Klägerin angesichts 2019 Obergericht, Abteilung Versicherungsgericht 36 ihrer beruflichen Erfahrung um eine Kennerin der beruflichen Vor- sorge handelt, so dass keine Branchenerfahrung im Bereich der Be- ruflichen Vorsorge ersichtlich ist. Auch sonst ergeben sich keine Hinweise darauf, dass der Verlust sämtlicher überobligatorischer An- sprüche aufgrund einer nicht durch die Klägerin selbst veranlassten Gesundheitsprüfung für diese subjektiv als nicht ungewöhnlich zu beurteilen wäre, so dass sich Weiterungen dazu erübrigen. 3.8. Zusammenfassend durfte die Klägerin das Reglement in guten Treuen so verstehen (vgl. E. 3.2. hiervor), dass sie sich bei Eintritt in die Pensionskasse einer ärztlichen Eintrittsuntersuchung zu unterzie- hen hatte. Sofern eine solche aus Gründen, die in ihrer Person be- gründet lagen, nicht durchgeführt werden könnte, würden nur die ge- setzlichen Mindestleistungen gemäss BVG erbracht. Eine Verpflich- tung zur aktiven bzw. selbstständigen Organisation einer Gesund- heitsprüfung durch die Klägerin ergibt sich jedoch aus dem Regle- ment nicht. Somit kann aus dem alleinigen Umstand, dass die Kläge- rin es unterlassen hat, selbständig und aus eigener Initiative eine Ge- sundheitsprüfung in die Wege zu leiten, kein Verstoss gegen regle- mentarisch bestehende Pflichten abgeleitet werden. Eine aus diesem Grund erfolgte Kürzung der Leistungen aus überobligatorischer Vor- sorge erweist sich daher als nicht zulässig. 4. Die Klägerin weist weiter zu Recht darauf hin, dass sie von der Beklagten selbst nie ausdrücklich auf die Pflicht, eine Gesundheits- prüfung durchzuführen, hingewiesen oder zu einer solchen aufgefor- dert worden sei (...). Ihr wurde unbestrittenerweise am (...) 2014 erstmals und in der Folge regelmässig jährlich der Vorsorgeausweis zugestellt, aus dem sich eine vorbehaltlose Versicherung sowohl im Obligatorium als auch im Überobligatorium mitsamt entsprechenden Arbeitnehmerbeiträgen in Form von Lohnabzügen ergibt (...), so dass die Klägerin aus dem Verhalten der Beklagten nicht schliessen konnte, für die Aufnahme in die Vorsorgeeinrichtung weitere Schritte unternehmen zu müssen. Die Ausführungen der Beklagten, wonach sie stets die Vorsorgeausweise ohne zusätzliche Anmerkungen aus- stelle und allfällige Vorbehalte den Versicherten separat zustelle (...), 2019 Sozialversicherungsrecht 37 bedeutet nicht, dass dieses interne Vorgehen der Beklagten für die versicherten Personen erkenntlich ist, so dass die Beklagte daraus nichts zu ihren Gunsten ableiten kann. Dass eine ärztliche Eintrittsuntersuchung durch die Beklagte angeordnet wurde und im Sinne von Art. 9 Abs. 4 des Reglements aus Gründen, die bei der Klägerin liegen, nicht durchgeführt werden konnte , ist somit nicht ersichtlich. Im Übrigen wurde von der Beklag- ten weder dargelegt, inwieweit die Klägerin durch absichtliches res- pektive grobfahrlässiges Verhalten die Durchführung einer konkret angekündigten Gesundheitsprüfung vereitelt haben sollte (...), noch ergibt sich solches aus den Akten. 5. Schliesslich ist der von der Beklagten subsidiär begründeten Leistungskürzung gestützt auf Art. 9 Abs. 3 des Vorsorgereglements aufgrund einer Verletzung der Anzeigepflicht (...) nicht zu folgen. Diese Behauptung steht zum einen im Widerspruch zum Schreiben der Beklagten an die Klägerin vom (...) 2018, in welchem sie eine Anzeigepflichtverletzung ausdrücklich verneinte (...). Zum anderen weist die Klägerin zutreffend darauf hin, dass aufgrund der Systema- tik von Art. 9 des Vorsorgereglements eine unterbliebene Gesund- heitsprüfung nicht mit dem Verschweigen von bekannten Gesund- heitsbeeinträchtigungen oder dem Machen von unwahren Angaben anlässlich der Gesundheitsprüfung gleichgesetzt werden könne (...). Das Verschweigen von bekannten Gesundheitsbeeinträchtigungen wird in Art. 9 unter dem Titel Gesundheitsprüfung in Abs. 3 gere- gelt und bezieht sich somit auf das Verhalten im Rahmen der Ge- sundheitsprüfung selbst. Eine allgemeine Pflicht, auch unabhängig von der Gesundheitsprüfung vorbestehende Gesundheitsbeeinträchti- gungen unaufgefordert von sich aus zu melden, ist dem Reglement im Rahmen der Auslegung nach dem Vertrauensprinzip (vgl. E. 3.2. hiervor) jedoch nicht zu entnehmen. Dass die Klägerin je von der Beklagten aufgefordert worden wäre, Angaben zu ihrem Gesund- heitszustand zu machen, und dies unterlassen hat, wird von der Be- klagten im Übrigen nicht geltend gemacht. 6. 2019 Obergericht, Abteilung Versicherungsgericht 38 Ein Abweichen von den unbestrittenermassen globalübernom- menen Reglementsbestimmungen (zur Globalübernahme von Allge- meinen Versicherungsbedingungen [AVB] vgl. BGE 132 V 149 E. 5 S. 150; 131 V 27 E. 2.1 S. 29; 129 V 145 E. 3.1 S. 147; vgl. auch E. 3.2. hiervor) ist rechtsprechungsgemäss möglich und zulässig. Al- lerdings bedarf es hiefür einer ausdrücklichen entsprechenden Ver- einbarung zwischen der Vorsorgeeinrichtung und dem versicherten Arbeitnehmer, welchem Erfordernis die alleinige arbeitsvertragliche Abrede wesensgemäss nicht zu genügen vermag (BGE 131 V 27 E. 2.1 S. 28; 122 V 142 E. 4b S. 145 mit Hinweis). Vorliegend beruft sich die Beklagte zur Begründung der behaupteten Handlungspflicht der Klägerin lediglich auf (arbeitsvertragliche) Abreden zwischen der Arbeitgeberin und der Klägerin sowie ein Schreiben der Ar- beitgeberin (...), welche jedoch keine individuellen, das massgeb- liche Vorsorgereglement ergänzende Abreden zwischen der Klägerin und der Beklagten selber darstellen. Sie vermögen zur Begründung einer Handlungspflicht der Klägerin aus Eigeninitiative in Bezug auf die unterbliebene Gesundheitsprüfung nicht zu genügen, selbst wenn sie als (unechter) Vertrag zugunsten Dritter i.S.v. Art. 112 OR quali- fiziert würden (...). 7. 7.1. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass Art. 9 des Vor- sorgereglements keine Grundlage dafür bietet, eine Pflicht der Klä- gerin zur aktiven Veranlassung der Gesundheitsprüfung anzunehmen. Eine pflichtwidrige Unterlassung der Gesundheitsprüfung durch die Klägerin liegt somit nicht vor. Ebenso wenig gibt es Hinweise dafür, dass die Gesundheitsprüfung im Sinne von Art. 9 Abs. 3 des Regle- ments aus Gründen, die bei der Klägerin liegen, nicht durchgeführt werden konnte . Schliesslich ist auch keine Verletzung der Anzeige- pflicht im Sinne von Art. 9 Abs. 3 des Reglements ersichtlich. Im Gegenteil hat die Beklagte mit der Zustellung der vorbehaltlosen Vorsorgeausweise und den über Jahre hinweg belasteten Lohnabzü- gen auch für die überobligatorische Versicherung den Vertrag selber vollzogen, weshalb es widersprüchlich ist, wenn sie im Nachhinein behauptet, eine Verpflichtung sei mangels Gesundheitsprüfung gar 2019 Sozialversicherungsrecht 39 nicht entstanden. Indem sie Prämien einkassiert und Vorsorgeauswei- se zugestellt hat, hat sie konkludent auf die Durchführung einer Ge- sundheitsprüfung verzichtet. Die Beklagte hat somit einen Anspruch der Klägerin auf Leistungen aus überobligatorischer Vorsorge zu Un- recht verneint.
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2010 Versicherungsgericht 59 14 Art. 3 Abs. 1 lit. b FamZG; Art. 1 FamZV; Art. 25 Abs. 5 AHVG. Die Berufsmatura ist, wie die gymnasiale Maturität, als Ausbildung zu qualifizieren. Wird neben der Ausbildung eine Erwerbstätigkeit ausge- übt, ist für den Anspruch auf Familienzulagen bzw. Ausbildungszulagen entscheidend, ob das erzielte Einkommen unter der maximalen vollen Al- tersrente der AHV liegt und die Ausbildung gegenüber der Erwerbstätig- keit als überwiegend einzustufen ist. Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 3. Kammer, vom 16. Februar 2010 in Sachen X.Y. gegen Ausgleichskasse A. (VBE.2009.767). Aus den Erwägungen 1.2. Die Familienzulagen umfassen einerseits die Kinderzulagen, welche ab dem Geburtsmonat des Kindes bis zum Ende des Monats ausgerichtet werden, in dem das Kind das 16. Altersjahr vollendet; sofern das Kind erwerbsunfähig ist, wird die Zulage bis zum vollendeten 20. Altersjahr ausgerichtet (Art. 3 Abs. 1 lit. a FamZG). Des Weiteren umfassen die Familienzulagen die Ausbildungszula- gen. Diese werden ab dem Ende des Monats, in dem das Kind das 16. Altersjahr vollendet, bis zum Abschluss der Ausbildung ausge- richtet, längstens jedoch bis zum Ende des Monats, in dem es das 25. Altersjahr vollendet (Art. 3 Abs. 1 lit. b FamZG). 1.3. Ein Anspruch auf eine Ausbildungszulage besteht für Kinder, die eine Ausbildung im Sinne von Art. 25 Abs. 5 des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) absolvie- ren (Art. 1 Abs. 1 der Verordnung über die Familienzulagen [FamZV; SR 836.21]). Kein Anspruch besteht jedoch, wenn das jährliche Ein- kommen des Kindes in Ausbildung höher ist als die maximale volle Altersrente der AHV (Abs. 2). (...) 2010 Versicherungsgericht 60 2.2. Vorab ist festzuhalten, dass Z.Y. (Sohn von X.Y.) gemäss An- stellungsvertrag vom 11. Dezember 2007 bei der Firma E. bei einem 50 %igen Arbeitspensum einen jährlichen Verdienst von Fr. 26'000.00 (13 x Fr. 2'000.00) erzielt. Dieser Betrag liegt unter der maximalen vollen Altersrente der AHV, welche per 1. Januar 2009 Fr. 27'360.00 pro Jahr beträgt (vgl. Rz. 209 FamZWL), weshalb die Anspruchsvoraussetzung im Sinne von Art. 1 Abs. 2 FamZV als erfüllt angesehen werden kann (vgl. Erw. 1.3. hiervor). 2.3. 2.3.1. Weiter ist die Frage zu klären, ob Z.Y. eine Ausbildung im Sinne von Art. 1 Abs. 1 FamZV i.V.m. Art. 25 Abs. 5 AHVG absol- viert. Hierbei ist nicht massgebend, dass die Schule K. ihren Lehr- gang zur Erlangung der kaufmännischen Berufsmatura im Bestäti- gungsschreiben vom 22. Januar 2009 als "berufsbegleitend" bezeich- net hat, wie dies die Beschwerdegegnerin in ihrem Einspracheent- scheid vorbringt. Auch die Tatsache, dass Z.Y. bereits über einen Lehrabschluss verfügt (vgl. Fähigkeitszeugnis vom 2. Juli 2008), lässt noch nicht den Schluss zu, dass der Anspruch auf Ausbildungs- zulagen dahinfällt. Vielmehr kann als Ausbildung auch eine indirekte berufliche Ausbildung gelten, welche zunächst nicht der Ausübung eines speziellen Berufs dient, sofern der Lehrgang systematisch und rechtlich oder zumindest faktisch anerkannt ist (Meyer [Hrsg.], Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Soziale Sicherheit [Band XIV], 2. Aufl. Basel 2007, S. 1328). Dies trifft auf den fraglichen Lehrgang zur Erlangung der kaufmännischen Berufsmatura zweifel- los zu, hat doch die Beschwerdegegnerin in ihrem Einspracheent- scheid selber auf die klare Strukturierung durch Stundenpläne mit Schulblöcken am Montag- und Dienstagnachmittag sowie am Don- nerstag ganztags hingewiesen. Dass der Lehrgang rechtlich aner- kannt ist, ergibt sich sodann schon aus Art. 2 der Verordnung über die Berufsmaturität (BMV; SR 412.103.1). Nach dieser Bestimmung umfasst die Berufsmaturität nebst einer erweiterten Allgemeinbil- dung insbesondere eine berufliche Grundausbildung (Abs. 1) und schafft namentlich erst die Voraussetzungen für das Erlangen einer 2010 Versicherungsgericht 61 höheren Fachausbildung (Abs. 2). Dies hat auch die höchstrichterli- che Rechtsprechung bestätigt, wonach die Berufsmatura wie die Maturität an einem Gymnasium erst die erforderliche Grundlage für eine weiterführende - normalerweise universitäre - Ausbildung bil- det, d.h. für sich selbst noch nicht als Ausbildung gilt (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 8. Dezember 2006 [5C.249/2006] Erw. 3.2.3.). Die Berufsmatura ist somit bezüglich des Ausbildungsbegriffes auf die gleiche Stufe zu stellen wie die gymnasiale Maturität und als Ausbildungslehrgang zu qualifizieren. 2.3.2. Zusammengefasst handelt es sich somit beim Lehrgang zum Er- reichen der kaufmännischen Berufsmatura um eine Tätigkeit, welche die systematische Vorbereitung auf eine künftige Erwerbstätigkeit zum Ziel hat, und damit um Aus- und nicht um Weiterbildung. 2.4. 2.4.1. Des Weiteren ist zu prüfen, wie es sich mit dem von Z.Y. erziel- ten Erwerbseinkommen verhält, d.h. ob seine neben der Ausbildung ausgeübte Erwerbstätigkeit bei der Firma E. als überwiegend zu be- trachten ist oder nicht. Dem Beschwerdeführer ist insoweit zuzustim- men, als hierzu ein Einkommens- und kein reiner Zeitvergleich durchzuführen ist. Grundsätzlich gilt, dass sofern das Kind während der Ausbildung ein Arbeitsentgelt erhält, diese Tatsache den Ausbil- dungscharakter dann nicht aufzuheben vermag, wenn das in Frage stehende Gehalt nach Abzug der Ausbildungskosten um mehr als 25 % tiefer liegt als die übliche Anfangsbesoldung für voll ausgebil- dete Erwerbstätige der fraglichen Branche (Meyer [Hrsg.], a.a.O., S. 1328; ZAK 1984, S. 400). 2.4.2. (...) Der von Z.Y. besuchte Lehrgang dauert ausweislich der Akten drei Semester (vgl. Schreiben der Schule K. vom 29. August 2008), woraus sich umgerechnet jährliche Kosten von rund Fr. 10'734.00 (rund Fr. 5'367.00 pro Semester) ergeben. Zieht man nur schon die- sen Betrag - hinzuzurechnen wären weitere Auslagen für Lehrmittel, Schulweg etc. - vom erzielten branchenüblichen Einkommen von 2010 Versicherungsgericht 62 Fr. 26'000.00 ab, verbleibt pro Jahr ein verfügbares Einkommen von Fr. 15'266.00 (Fr. 26'000.00 - Fr. 10'734.00). Nachdem das von Z.Y. erzielte Einkommen (Fr. 26'000.00), wie gezeigt, einer üblichen Anfangsbesoldung für voll ausgebildete Er- werbstätige der fraglichen Branche entspricht, sind davon 25 % (Fr. 6'500.00) abzuziehen, was Fr. 19'500.00 ergibt. Das nach Abzug der Ausbildungskosten maximal noch verfügbare Erwerbseinkom- men von Fr. 15'266.00 liegt demgegenüber um mehr als einen Viertel - im konkreten Fall namentlich um rund 41 % - tiefer als die bran- chenübliche (und im Rahmen einer 50 %igen Erwerbstätigkeit tat- sächlich auch erwirtschaftete) Anfangsbesoldung von Fr. 26'000.00. Daraus ist zu schliessen, dass Z.Y. in seiner Eigenschaft als Sachbe- arbeiter Finanzen/Rechnungswesen nach Abzug der minimalen Aus- bildungskosten ein Erwerbseinkommen erzielt, welches unter der von der Rechtsprechung festgelegten Limite von 25 % liegt. Das er- zielte Einkommen ist somit wesentlich geringer als die Lohnbezüge, welche ein Erwerbstätiger mit abgeschlossener Berufsbildung orts- und branchenüblich erhalten würde, weshalb die Erwerbstätigkeit der Ausbildung gegenüber als nicht überwiegend einzustufen ist. 2.5. Zusammenfassend ergibt sich somit erstens, dass der von Z.Y. absolvierte dreisemestrige Lehrgang an der Schule K. als Ausbildung zu qualifizieren ist. Das neben diesem Lehrgang zur Erlangung der Berufsmatura erzielte Erwerbseinkommen liegt - abzüglich der besonderen Ausbildungskosten - sodann um mehr als einen Viertel unter den im Zeitpunkt der Rentenzusprechung orts- und branchen- üblichen Anfangslöhnen für voll ausgebildete Erwerbstätige. Nach dem Gesagten steht der Umstand, dass sein Sohn Z. ein Erwerbsein- kommen erzielt, dem Anspruch des Beschwerdeführers auf Ausrich- tung von Ausbildungszulagen nicht entgegen, weshalb die Beschwer- de vollumfänglich gutzuheissen ist. Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer somit die Ausbildungszulagen für den Sohn Z. ab dem 1. Januar 2009 bis Ausbildungsende auszurichten.
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2009 Versicherungsgericht 89 19 Art. 85 Abs. 3 VAG Die obsiegende, anwaltlich vertretene Versicherungsgesellschaft hat - wie in allen Zweigen der Sozialversicherung - auch bei den Klageverfahren betreffend Krankentaggeldversicherung nach VVG keinen Anspruch auf Parteientschädigung. Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 3. Kammer, vom 8. Septem- ber 2009 in Sachen A.D. gegen Versicherungsgesellschaft A. (VKL.2009.13). Aus den Erwägungen 3.2. Die Beklagte ist im Rahmen der Krankentaggeldversicherung nach VVG Privatversichererin (nicht Sozialversicherungsträgerin) und als solche bei Obsiegen grundsätzlich berechtigt, eine Parteient- schädigung geltend zu machen. Dem steht der nach geltendem Recht in allen Sozialversiche- rungszweigen gesetzlich festgeschriebene Grundsatz der Kostenfrei- heit als tragendes Prinzip des Sozialversicherungsprozesses gegen- über. Mit Art. 85 Abs. 3 VAG hat der Gesetzgeber, dem gleichen Ge- danken folgend, auch bezüglich der Zusatzversicherungen zur sozia- len Krankenversicherung ein einfaches, rasches und grundsätzlich kostenloses Verfahren vorgesehen; dem Versicherten sollen in diesem Bereich gegenüber dem Privatversicherer die gleichen prozessualen Erleichterungen zuteil werden wie gegenüber dem Sozialversicherer. Die in Art. 85 Abs. 3 VAG angeordnete Kostenfreiheit würde weitge- hend ihres Gehalts entleert, wenn die versicherte Person im Unterlie- gensfall damit rechnen muss, zwar keine Gerichtskosten, hingegen eine - wie im vorliegenden Fall - hohe Parteientschädigung an den obsiegenden Privatversicherer zu bezahlen. Es rechtfertigt sich daher, den in allen Sozialversicherungszweigen geltenden Grundsatz, wo- nach der obsiegende Sozialversicherungsträger keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung zu Lasten der Versicherten hat, ausser bei mutwilliger und leichtsinniger Prozessführung (vgl. BGE 126 V 143), in allen Verfahren betreffend Zusatzversicherungen zur sozia- 2009 Versicherungsgericht 90 len Krankenversicherung und auch der Krankentaggeldversicherung nach VVG anzuwenden. Dies rechtfertigt sich umso mehr, als das Versicherungsgericht mit Entscheid vom 20. September 2005 (VKL.2005.48) die Krankentaggeldversicherung nach VVG als Zu- satzversicherung zum KVG gewertet (und damit seine sachliche Zu- ständigkeit bejaht) hat. Der Grundsatz der Kostenfreiheit hat daher auch bei der Krankentaggeldversicherung nach VVG zu gelten. Der Beklagten ist damit keine Parteientschädigung zuzuspre- chen.
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2009 Versicherungsgericht 78 [...] 15 Art. 12 und 65 Abs. 1 KVG; Art. 2 MVG; § 11 EG KVG Angehörige des Berufsmilitärs sind bei der Militärversicherung kranken- versichert. Sie gehören somit keinem Krankenversicherer gemäss Kran- kenversicherungsgesetz an und haben daher keinen Anspruch auf kanto- nale Prämienverbilligungsbeiträge. Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 3. Kammer, vom 24. März 2009 in Sachen D.M. gegen SVA Aargau (VBE.2009.26). Aus den Erwägungen 5. 5.1. Der als militärischer Instruktor tätige Beschwerdeführer ist ge- mäss Art. 1a lit. b Ziff. 1 des Bundesgesetzes über die Militärversi- cherung (MVG) bei der Militärversicherung krankenversichert. Die 2009 Versicherungsgericht 79 beruflich Versicherten haben zur Abgeltung der Leistungen, die ih- nen die Militärversicherung anstelle der obligatorischen Kranken- pflegeversicherung (Art. 2 Abs. 1 lit. a MVG) sowie anstelle der obligatorischen Unfallversicherung (lib. b) erbringt, angemessene Prämien zu bezahlen. Diese werden direkt vom Lohn abgezogen (Art. 8 Abs. 4 der Verordnung über die Militärversicherung [MVV]). (...) 5.2. Die Militärversicherung ist kein anerkannter Krankenversiche- rer gemäss Art. 12 Abs. 1 KVG. Sie ist nicht auf der entsprechenden Versichererliste des Bundesamtes gemäss Art. 13 Abs. 1 KVG aufgeführt. Wie schon aus dem Wortlaut von Art. 2 Abs. 1 lit. a MVG hervorgeht, steht die Militärversicherung als Krankenversicherer (or- ganisations-)systematisch neben der obligatorischen Krankenversi- cherung. Die in Art. 64 Abs. 1 KVG vorgesehene Prämienverbilligung wird nur Personen, die bei einem von Bund anerkannten Versicherer versichert sind, gewährt. Zu diesen Versicherern zählt die Militärver- sicherung, wie eben ausgeführt, nicht. Demnach hat der Beschwerde- führer keinen Anspruch auf Prämienverbilligungsbeiträge; damit er- weisen sich das Kreisschreiben (KS BAG vom 12. Juli 2006) und der Einspracheentscheid als richtig. Der Richter kann sich nicht über den klaren Wortlaut des Geset- zes sowie das vom Gesetzgeber vorgegebene Organisationsschema der Krankenversicherer hinwegsetzen. So hat das Gericht auch den Anspruch auf Prämienverbilligung eines Gesuchstellers, der in der Schweiz wohnte, aber in Deutschland einer unselbständigen Er- werbstätigkeit nachging und somit gemäss dem Freizügigkeitsab- kommen bei der dortigen Krankenpflegeversicherung versichert sein musste, abgewiesen, weil auch er nicht bei einem vom Bund aner- kannten Versicherer versichert war (Urteil vom 20. Mai 2008, VBE.2008.180).
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2014 Sozialversicherungsrecht 47 I. Sozialversicherungsrecht 5 Art. 17 Abs. 4 und 6 ELV Anspruch auf Ergänzungsleistungen; Vermögensbewertung: - Ausserkantonale Liegenschaften, die nicht eigenen Wohnzwecken dienen, sind nach dem Verkehrswert zu bewerten (Art. 17 Abs. 4 ELV). Von der Möglichkeit gemäss Art. 17 Abs. 6 ELV, für die Ver- kehrswertbestimmung den massgebenden Repartitionswert für an- wendbar zu erklären, hat der Kanton Aargau bis anhin keinen Ge- brauch gemacht (E. 3.1.1.). - Die Beauftragung der Bodenbewertungsstelle des Grundbuch- und Vermessungsamts des Kantons Basel-Stadt mit der Verkehrswert- schätzung einer Liegenschaft ist zulässig. Eine dadurch allenfalls ent- stehende Ungleichbehandlung von Eigentümerinnen und Eigentü- mern von ausserkantonalen Liegenschaften gegenüber solchen, die im Kanton Aargau Liegenschaften besitzen, ist sachgerecht (E. 3.1.4.2). Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 3. Kammer, vom 28. Januar 2014 i.S. M.D. gegen Ausgleichskasse A (VBE.2013.251). Aus den Erwägungen 2. 2.1. (...) 2.2. 2.2.1. (...) 2.2.2. Gestützt auf Art. 9 Abs. 5 lit. b ELG hat der Bundesrat in Art. 17 ELV nähere Bestimmungen zur Vermögensbewertung erlas- 2014 Obergericht, Abteilung Versicherungsgericht 48 sen. Danach ist das anrechenbare Vermögen nach den Grundsätzen der Gesetzgebung über die direkte kantonale Steuer für die Bewer- tung des Vermögens im Wohnsitzkanton zu bewerten (Abs. 1). Die- nen Grundstücke dem Bezüger oder einer Person, die in der EL-Be- rechnung eingeschlossen ist, nicht zu eigenen Wohnzwecken, so sind sie zum Verkehrswert einzusetzen (Abs. 4). Gemäss Abs. 6 dieser Bestimmung können die Kantone anstelle des Verkehrswertes ein- heitlich den für die interkantonale Steuerausscheidung massgebenden Repartitionswert anwenden. 2.3. (...) 3. 3.1. 3.1.1. Im vorliegenden Fall dient das der Beschwerdeführerin gehö- rende Grundstück (Stockwerkeigentumsparzelle) nicht ihren eigenen Wohnzwecken, weshalb es zum Verkehrswert zu bewerten ist. Da- runter wird der Wert verstanden, den ein Vermögenswert im norma- len Geschäftsverkehr besitzt (...). Von der Möglichkeit gemäss Art. 17 Abs. 6 ELV, für die Verkehrswertbestimmung den für die in- terkantonale Steuerausscheidung massgebenden Repartitionswert für anwendbar zu erklären, hat der Kanton Aargau bis anhin keinen Ge- brauch gemacht. Von der Rechtsprechung sind unterschiedliche kantonale Lösungen geschützt worden, wie der Verkehrswert zu be- stimmen ist. (...) 3.1.2. Die Ausgleichskasse A beauftragte die Bodenbewertungsstelle des Grundbuch- und Vermessungsamts des Kantons Basel-Stadt mit einer Verkehrswertschätzung des Stockwerkeigentums der Be- schwerdeführerin. Die Bodenbewertungsstelle ermittelte einen theo- retischen Verkehrswert im Jahr 2010 von Fr. 230'000.00. Dieser Wert wurde in die Berechnung des EL-Anspruchs übernommen. 3.1.3. (...) 3.1.4. 3.1.4.1. 2014 Sozialversicherungsrecht 49 Vorliegend bildet - mangels Anwendbarkeit von Art. 17 Abs. 6 ELV im Kanton Aargau - massgebendes Bewertungskriterium wie erwähnt der Verkehrswert, der durch einen geeigneten Schätzungs- wert zu ermitteln ist. Die Ausgleichskasse A hat den anrechenbaren Verkehrswert auf der Basis der konkreten Liegenschaftsschätzung des baselstädtischen Grundbuch- und Vermessungsamts, Bodenbe- wertungsstelle, vom 13. Oktober 2010 ermittelt. Da es sich hierbei um einen für die Festsetzung des EL-Anspruchs geeigneten amtli- chen Schätzungswert handelt (vgl. dazu Urteil des EVG P 25/01 vom 26. Juni 2001 E. 3a mit Verweis auf SVR 1998 EL Nr. 5 S. 9 E. 6a und Urteil des EVG P 50/00 vom 8. Februar 2001 E. 2b), welcher auch seitens der Beschwerdeführerin als solcher nicht beanstandet wird, erweist sich dieser Ansatz als sachgerecht (...). 3.1.4.2. (...) Wie die Beschwerdeführerin zu Recht geltend macht, wird sie mit einem derartigen Vorgehen nicht mit den Aargauer Einwohnerin- nen, welche im Aargau eine Liegenschaft besitzen und bei welchen der steuerliche Verkehrswert (entsprechend der Aargauischen Verord- nung über die Bewertung der Grundstücke, SAR 651.212) Anwen- dung findet, gleichgestellt, sondern allenfalls den Basel-Städterinnen, bei welchen die Bodenbewertungsstelle des Grundbuch- und Vermessungsamts des Kantons Basel-Stadt den Verkehrswert auf- grund ihrer Schätzungsgrundlagen bestimmt. Eine dadurch im Ergeb- nis allenfalls entstehende Ungleichbehandlung ist allerdings durch den Umstand, dass eine nicht im Kanton Aargau liegende Liegen- schaft zu bewerten ist, sachlich gerechtfertigt. (...) 3.1.4.3. (...)
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AG_VSG_001
AG_VSG
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Northwestern_Switzerland
AG_VSG_001_AGVE-2014-5_2014-01-03
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871,525
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2006 Versicherungsgericht 74 [...] 18 § 17 Abs. 3 EG KVG Bei quellenbesteuerten Personen ist der Anspruch auf Prämienverbilli- gung der obligatorischen Krankenversicherung anhand des effektiven Einkommens des entsprechenden Jahres zu prüfen; die Aufrechnung auf ein Jahreseinkommen ist unzulässig. Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 3. Kammer, vom 2. Mai 2006 i.S. M.J. gegen Sozialversicherungsanstalt Aargau. Aus den Erwägungen 3.3. Das Vorgehen der Beschwerdegegnerin, auf das von der Steuer- behörde umgerechnete, "satzbestimmende" und damit fiktive Gesamtjahreseinkommen von Fr. 45'762.-- bzw. auf das steuerbare Einkommen im Jahr 2003 von Fr. 34'000.-- abzustellen, erweist sich als nicht gesetzeskonform; es ist vielmehr vom effektiven massge- benden bzw. steuerbaren Einkommen (und einem Fünftel des steuer- baren Vermögens) auszugehen. Die Aufrechnung auf ein fiktives Jah- reseinkommen erweist sich - im Gegensatz zu den Bestimmungen über die AHV/IV/EO-Beitragspflicht und zur Steuergesetzgebung, 2006 Versicherungsgericht 75 wonach das massgebende Einkommen auf ein "satzbestimmendes" Gesamtjahreseinkommen aufgerechnet, die Beiträge bzw. Steuern im Gegenzug dazu dann jedoch nur pro rata temporis festgesetzt bzw. erhoben werden - bei der Beurteilung des Anspruchs auf Prämien- verbilligung als nicht sachgemäss: Hier geht es nicht um die Bei- trags- oder Steuererhebung auf einem gewissen Einkommen während eines gewissen Zeitraums, sondern um die Prüfung der Frage, ob der Gesuchsteller mit seinem (bescheidenen) Einkommen in der Lage ist, die Krankenkassenprämien zu bezahlen; ist dies nicht der Fall, wird er mit Prämienverbilligungsbeiträgen unterstützt. (...) 3.4. Dass - nach der Argumentation der Beschwerdegegnerin - Prä- mienverbilligungsbeiträge jeweils für ein ganzes Jahr beantragt und ausbezahlt werden, ändert nichts an der Unzulässigkeit der vorge- nommenen Aufrechnung des Brutto-Einkommens auf ein Jahresein- kommen, zumal auch derjenige, welcher über ein ganzes Jahr über keinerlei Einkünfte verfügt, ohne weiteres Anspruch auf Prämienver- billigung hat. So hat auch ein Sozialhilfebezüger Anspruch auf die volle Prämienverbilligung (vgl. § 13 Abs. 3 EG KVG). Würde beispielsweise bei einem ausländischen Studenten, der regelmässig in den Semesterferien einer normal bezahlten Erwerbstätigkeit nachgeht, das dabei erzielte Einkommen jeweils auf ein Jahres- einkommen umgerechnet, hätte er wohl während seines gesamten Studiums keinen Anspruch auf Prämienverbilligung. Dies kann nicht der Sinn der gesetzlichen Regelung über die Prämienverbilligungen sein. 3.5. Nach § 17 Abs. 3 EG KVG haben quellenbesteuerte Personen, die nicht der ordentlichen Besteuerung unterliegen, über ihr steuerba- res Einkommen eine Bescheinigung des Kantonalen Steueramts so- wie über allfälliges steuerbares Vermögen die Steuerveranlagung ge- mäss § 16 Abs. 1 EG KVG einzureichen (vgl. Erw. Ziff. 2.2. hievor). Im Übrigen gilt für sie dasselbe Verfahren. Dies ist insofern von Be- deutung, als von den quellenbesteuerten Personen besonders viele Anspruch auf Prämienverbilligungen haben dürften (vgl. Botschaft 2006 Versicherungsgericht 76 des Regierungsrates des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 5. April 1995 betr. EG KVG, S. 14). Nach dem Gesagten würde die Anspruchsberechtigung von quellenbesteuerten Personen jedoch stark eingeschränkt, wenn deren erzieltes Einkommen - entspre- chend dem Vorgehen der Beschwerdegegnerin im vorliegenden Fall - hochgerechnet würde. Demgemäss ist die Sache an die Beschwer- degegnerin zurückzuweisen, damit sie eine Bestätigung des Kantona- len Steueramts über das effektive steuerbare Einkommen im Jahr 2003 des Beschwerdeführers einverlange. Danach hat sie dessen An- spruchsberechtigung auf Prämienverbilligung aufgrund dieser An- gaben nochmals zu überprüfen und darüber neu zu entscheiden.
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AG_VSG_001
AG_VSG
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Northwestern_Switzerland
AG_VSG_001_AGVE-2006-18_2006-05-03
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2017 Obergericht,AbteilungVersicherungsgericht 50 [...] 5 Art. 92 Abs. 1 UVG; Art. 22 Abs. 2 UVV; Art. 5 Abs. 2 AHVG; Art. 7, Art. 9 Abs. 1 und Art. 13 AHVV Privatanteil eines auch privat genutzten Geschäftswagens und Entschädi- gung für die Benutzung privater Büroräumlichkeiten sind als massgeben- der Lohn nach Art. 5 Abs. 2 AHVG zu qualifizieren und daher zum prä- mienpflichtigen versicherten Verdienst nach Art. 92 Abs. 1 UVG zu zäh- len. Bemessung des Werts des Naturaleinkommens durch Überlassung eines Geschäftswagens auch für private Zwecke mittels der in Rz. 21 ff. der von der Schweizerischen Steuerkonferenz und der Eidgenössischen Steuerverwaltung herausgegebenen Wegleitung zum Ausfüllen des Lohn- ausweises bzw. der Rentenbescheinigung normierten Grundsätze. Ab- grenzung zur Unkostenentschädigung. Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 1. Kammer, vom 28. März 2017, i.S. G. AG gegen S. Unfallversicherung (VBE.2016.645). Aus den Erwägungen 2017 Sozialversicherungsrecht 51 3. 3.1. 3.1.1. Nach Art. 92 Abs. 1 UVG werden die Prämien von den Versicherern in Promillen des versicherten Verdienstes festgesetzt. Als versicherter Verdienst gilt gemäss Art. 22 Abs. 2 UVV - neben hier nicht interessierenden Ausnahmen nach Art. 22 Abs. 2 lit. a bis d UVV - der nach der Bundesgesetzgebung über die AHV massge- bende Lohn. 3.1.2. - 3.1.3. (Grundsätze zum massgebenden Lohn nach Art. 5 Abs. 2 AHVG i.V.m. Art. 7 und 9 AHVV) 3.2. 3.2.1. Unbestrittenermassen stellt die Beschwerdeführerin den Beige- ladenen je ein Geschäftsfahrzeug (Audi A6 Avant) zur Verfügung. Dieses darf auch privat verwendet werden, weshalb den Betroffenen "ein angemessener Privatanteil aufgerechnet" werde. Es ist im Folgenden zuerst zu prüfen, ob die private Nutzung der beiden ge- stellten Fahrzeuge als Naturalbezug und damit als massgebender Lohn zu qualifizieren ist. Je nach Ergebnis ist in einem zweiten Schritt zu beurteilen, wie ein allfälliger Naturalbezug zu bewerten ist. 3.2.2. Der Wert der privaten Nutzung eines zur Verfügung gestellten Fahrzeugs stellt aus der hier massgebenden sozialversicherungsrecht- lichen Sicht einen Naturalbezug nach Art. 7 lit. f AHVV dar und ist folglich zum massgebenden Lohn der Beigeladenen zu rechnen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 9C_8/2016 vom 1. September 2016 E. 4.2; vgl. auch U ELI K IESER , Rechtsprechung zur AHV, 3. Aufl. 2012, N. 158 zu Art. 6 AHVG mit Hinweis). Der Wert des Naturaleinkommens ist zu schätzen (Art. 13 AHVV), wobei auf Erfahrungszahlen der Steuerbehörden abgestellt werden kann (H ANSPETER K ÄSER , Unterstellung und Beitragswesen in der obligatorischen AHV, 2. Aufl. 1996, Rz. 4.116). In diesem Sinne wird gemäss Rz. 2063 der Wegleitung des Bundesamts für 2017 Obergericht,AbteilungVersicherungsgericht 52 Sozialversicherungen (BSV) über den massgebenden Lohn in der AHV, IV und EO (WML) der private Nutzen des Geschäftswagens von der Ausgleichskasse gleich bewertet wie von den Steuerbehör- den. Rechtsprechungsgemäss anwendbar sind die Rz. 21 ff. der von der Schweizerischen Steuerkonferenz und der Eidgenössischen Steuerverwaltung herausgegebenen Wegleitung zum Ausfüllen des Lohnausweises bzw. der Rentenbescheinigung. Danach beträgt der zu deklarierende Betrag pro Monat 0.8 % des Kaufpreises exklusive Mehrwertsteuer (vgl. Urteil des Bundesgerichts 8C_465/2009 vom 12. Februar 2010 E. 4.2). 3.2.3. In diesem Sinne und weil keine erhebliche Einschränkung des Privatgebrauchs durch fest installierte Vorrichtungen, durch ein Nut- zungsverbot für Privatfahrten oder Ähnliches besteht (vgl. Rz. 24 der Wegleitung zum Ausfüllen des Lohnausweises), hat die Beschwerde- gegnerin den Wert des Naturaleinkommens durch Überlassen eines Geschäftswagens für Privatzwecke zutreffend mit monatlich 0.8 % oder jährlich 9.6 % des Kaufpreises bemessen. Da der Kaufpreis der beiden Gebrauchtwagen unbestrittenermassen je Fr. 63'796.00 exklu- sive MwSt. betrug, ist die Aufrechnung von Fr. 6'125.00 nicht zu beanstanden. Die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte jährliche Anpassung der Berechnungsgrundlage ist vor dem Hinter- grund der vorerwähnten eindeutigen Regelung nicht möglich. Weiter nicht gefolgt werden kann der Beschwerdeführerin und den Beige- ladenen, wenn diese eine abweichende Qualifikation der Steuerbe- hörden anführen. Zum einen ist eine solche nicht aktenkundig. Im Gegenteil vermerkte der Revisionsexperte der S. Unfallversicherung, die vorgenommene Aufrechnung erfolge "auch nach Rücksprache mit [dem] Steueramt X.". Zum anderen ist die vorerwähnte sozial- versicherungsrechtliche Qualifikation der privaten Nutzung gestellter Fahrzeuge eindeutig. Hinzu kommt, dass die Beigeladenen in ihren Stellungnahmen vom 17. März 2017 (in Übereinstimmung mit der Beschwerdeführerin; vgl. vorne E. 3.2.1.) angeben, in ihren jewei- ligen Lohnausweisen sei eine entsprechende Aufrechnung ebenfalls vorgenommen worden. 2017 Sozialversicherungsrecht 53 3.3. 3.3.1. Weiter richtet die Beschwerdeführerin den Beigeladenen unbe- strittenermassen eine Entschädigung für die Benutzung privater Büroräumlichkeiten von jährlich Fr. 3'000.00 respektive Fr. 3'600.00 aus. Streitig ist die Qualifikation dieser Entschädigung. 3.3.2. Nach Art. 9 Abs. 1 AHVV sind Unkosten Auslagen, die dem Ar- beitnehmer bei der Ausführung seiner Arbeiten entstehen. Unkosten- entschädigungen gehören nicht zum massgebenden Lohn. Für die Annahme des Unkostencharakters von Aufwendungen ist ein Kausal- zusammenhang mit der Berufstätigkeit und eine strikte Notwendig- keit für die Einkommenserzielung notwendig (vgl. K IESER , Recht- sprechung zur AHV, a.a.O., N. 174 zu Art. 6 AHVG; vgl. auch Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts H 290/99 vom 9. Mai 2001 E. 5a). Zu den Unkosten zählen namentlich Kosten für die Benützung von Räumlichkeiten, soweit diese der Erwerbstätigkeit dienen (vgl. Rz. 3003 der WML und P ETER F ORSTER , AHV- Beitragsrecht, Diss. 2007, S. 80). Die Notwendigkeit ergibt sich da- bei insbesondere bei Arbeitnehmenden, welche grundsätzlich im Aussendienst arbeiten und nur periodisch zur Berichterstattung oder zur Entgegennahme von Weisungen beim Arbeitgeber vor Ort sind (vgl. K ÄSER , a.a.O., Rz. 4.147). 3.3.3. Die Beschwerdeführerin und die Beigeladenen machen geltend, die Beigeladenen seien auf die fraglichen Räumlichkeiten angewie- sen, weil sie neben ihrer Tätigkeit für die Beschwerdeführerin auch für die A. AG mit Sitz in B. tätig seien. Die privaten Büros in C. und D. lägen geographisch ziemlich genau in der Mitte, was die Arbeits- einsätze erleichtere, zumal der künftige Sitz beider Unternehmen nach Fertigstellung eines Neubaus in C. sein werde. Dies ist indes für die Begründung der geforderten Notwendigkeit nicht ausreichend. Die beiden Betroffenen haben unbestrittenermassen Büroräumlich- keiten am Sitz der Beschwerdeführerin zur Verfügung. Ihre Situation ist damit keinesfalls vergleichbar mit Personen, welche aufgrund ihrer Tätigkeit oder aus anderen Gründen keine fixen Arbeitsplätze 2017 Obergericht,AbteilungVersicherungsgericht 54 zur Verfügung gestellt bekommen. In diesem Sinne sind die Beigeladenen auf die Arbeitsplätze an ihren Privatwohnsitzen nicht zwingend angewiesen, sondern benutzen diese aus - zwar nach- vollziehbaren, hier aber nicht massgebenden - Annehmlichkeits- gründen. Die Beschwerdegegnerin ist daher zu Recht davon ausge- gangen, dass die dafür ausgerichteten Entschädigungen von jährlich Fr. 3'000.00 respektive Fr. 3'600.00 nicht als Unkostenentschädigun- gen zu qualifizieren und daher dem massgebenden Lohn der Beigela- denen zuzurechnen sind. Der Umstand, dass die Benutzung privater Büroräumlichkeiten im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit eine mögliche organisatorische Erleichterung darstellt, vermag an diesem Umstand nichts zu ändern. 3.4. Zusammenfassend ergibt sich damit, dass die Beschwerde- gegnerin sowohl den Privatanteil für die Geschäftswagen von je Fr. 6'125.00 pro Jahr als auch die für die Benutzung privater Bü- roräumlichkeiten ausgerichteten Entschädigungen von Fr. 3'000.00 respektive Fr. 3'600.00 pro Jahr richtigerweise zum massgebenden Lohn nach Art. 5 Abs. 2 AHVG und damit zum prämienpflichtigen versicherten Verdienst der Beigeladenen nach Art. 92 Abs. 1 UVG gerechnet hat.
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AG_VSG_001
AG_VSG
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2016 Obergericht, Abteilung Versicherungsgericht 72 [...] 8 Art. 16 ATSG, § 15 Abs. 2 NAV über das Arbeitsverhältnis in der Landwirtschaft Aargau Bei der Parallelisierung der Einkommen im Falle eines landwirtschaft- lichen Arbeitsverhältnisses ist auf die Lohnwerte des jeweiligen Normal- arbeitsvertrags abzustellen und nicht auf die LSE-Tabellen. Im Kanton Aargau sind hierfür die Richtlöhne gemäss sozialpartnerschaftlicher Ver- einbarung zwischen dem SBV, dem SBLV und der ABLA massgebend. Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 2. Kammer, vom 30. Juni 2016, i.S. A.G. gegen Unfallversicherer S. (VBE.2016.104) Aus den Erwägungen 2. 2.1. Bezog eine versicherte Person aus invaliditätsfremden Gründen (z.B. geringe Schulbildung, fehlende berufliche Ausbildung, mangelnde Deutschkenntnisse, beschränkte Anstellungsmöglichkei- ten wegen Saisonnierstatus) ein deutlich unterdurchschnittliches Ein- 2016 Sozialversicherungsrecht 73 kommen, ist diesem Umstand bei der Invaliditätsbemessung nach Art. 16 ATSG Rechnung zu tragen, sofern keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie sich aus freien Stücken mit einem bescheideneren Einkommensniveau begnügen wollte. Nur dadurch ist der Grundsatz gewahrt, dass die auf invaliditätsfremde Gesichtspunkte zurück- zuführenden Lohneinbussen entweder überhaupt nicht oder aber bei beiden Vergleichseinkommen gleichmässig zu berücksichtigen sind. Diese Parallelisierung der Einkommen kann praxisgemäss entweder auf Seiten des Valideneinkommens durch eine entsprechende Heraufsetzung des effektiv erzielten Einkommens oder aber auf Seiten des Invalideneinkommens durch eine entsprechende Herab- setzung des statistischen Wertes erfolgen (BGE 135 V 297 E. 5.1 S. 300 f.; 135 V 58 E. 3.1 S. 59; 134 V 322 E. 4.1 S. 326.; 129 V 222 E. 4.4 S. 225). (...) 2.1.1. (...) 2.1.2. (...) Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist im land- wirtschaftlichen Arbeitsverhältnis im Rahmen der Parallelisierung das konkret erzielte Einkommen mit jenem gemäss NAV und nicht gemäss LSE zu vergleichen (M EYER /R EICHMUTH , Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung [IVG], 3. Aufl. 2014, N. 124 zu Art. 28a des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung [IVG] mit Hinweis auf die Rechtsprechung; vgl. Beschwerde S. 5 f.). Weder der Normalarbeitsvertrag des Kantons Aargau über das Arbeitsverhältnis in der Landwirtschaft vom 24. November 2004 (Stand 1. Januar 2007; SAR 963.372) noch der Muster-Normalar- beitsvertrag gemäss Art. 359, 359a, 360 OR für das landwirtschaft- liche Arbeitsverhältnis in der Schweiz (Empfehlung des Schweizer Bauernverbandes SBV, des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbandes SBLV und der Arbeitsgemeinschaft der Berufsverbände der landw. Arbeitnehmer ABLA, Ausgabe 2013) enthalten jedoch konkrete Lohnangaben. Im Muster-Normalar- beitsvertrag wird in § 15 Abs. 2 vielmehr auf die Lohnrichtlinie von SBV, SBLV und ABLA für familienfremde Arbeitnehmende in der 2016 Obergericht, Abteilung Versicherungsgericht 74 Schweizer Landwirtschaft verwiesen. Im Zusammenhang mit dem kantonalen NAV lehnte der Regierungsrat des Kantons Aargau mit Stellungnahme vom 12. August 2015 (Arbeitsbedingungen der landwirtschaftlichen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Aargau und Schweiz) die Festlegung von konkreten (Mindest-)Löhnen sodann ab und verwies in diesem Zusammenhang ebenfalls auf die Richtlöhne gemäss so-zialpartnerschaftlicher Vereinbarung zwischen dem SBV, dem SBLV und der ABLA. Diese würden einen Konsens der Branche abbilden (Stellungnahme des Regierungsrates vom 12. August 2015 S. 2). (...) Aufgrund des Dargelegten rechtfertigt es sich somit vorliegend, auf die zwischen dem SBV, dem SBLV und der ABLA festgesetzten Richtlöhne abzustellen, um das branchenübliche Einkommen zu eruieren. (...)
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2011 Versicherungsgericht 98 [...] 26 Art. 28 Abs. 2 ZGB Krankentaggeldversicherung nach VVG: Bei einer durch die Versicherungsgesellschaft in Auftrag gegebenen pri- vatdetektivlichen Observation einer versicherten Person ist das Interesse an einer wirksamen Missbrauchsbekämpfung und der Aufdeckung bzw. Verhinderung von Versicherungsbetrug gegen das Interesse des von der Observation Betroffenen auf Unversehrtheit seiner Persönlichkeit abzu- wägen. Steht fest, dass der Versicherte unter dem Blickwinkel der Schadenmin- derungspflicht einen Berufswechsel vorzunehmen hat, so hat ihn die Ver- sicherung dazu aufzufordern und ihm zur Stellensuche eine angemessene Übergangsfrist einzuräumen, während welcher das bisherige Kranken- taggeld geschuldet bleibt. 2011 Versicherungsgericht 99 Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 3. Kammer, vom 25. November 2010 in Sachen P.J. gegen M. Versicherungsgesellschaft (VKL.2010.31). Aus den Erwägungen 3. Die Schlussfolgerungen der Beklagten zur Arbeitsfähigkeit der Klägerin basieren einerseits auf den ärztlichen Berichten, insbeson- dere aber auf den Ergebnissen der von ihr in Auftrag gegebenen, an einzelnen Tagen der Monate Januar bis April 2010 durch einen Pri- vatdetektiv durchgeführten Observation der Klägerin. Die Klägerin macht geltend, diese Observation bzw. die Verwertung der dabei aufgenommenen Fotografien und Filme sei unzulässig. Vorab ist daher auf die Zulässigkeit der durchgeführten Observation und die Verwertbarkeit des dabei gesammelten Materials einzugehen. 3.1. Durch die privatdetektivliche Observation einer versicherten Person sollen Tatsachen, die sich im öffentlichen Raum verwirk- lichen und von jedermann wahrgenommen werden können (bei- spielsweise Gehen, Treppensteigen, Autofahren, Tragen von Lasten oder Ausüben sportlicher Aktivitäten), systematisch gesammelt und erwahrt werden (BGE 135 I 169 E. 4.3). Die Frage nach der recht- lichen Zulässigkeit derartiger Observationen stellt sich in der Praxis häufig im Zusammenhang mit der Verwertbarkeit der Observations- ergebnisse als Beweismittel in einem Rechtsstreit um Versicherungs- leistungen (BGE 135 I 169 E. 5.7, 132 V 241 E. 2.5, 129 V 323 E. 3.3.3). Die Frage stellt sich aber vergleichbar im Bereich des pri- vatrechtlichen Persönlichkeitsschutzes. Der privatrechtliche Schutz der Persönlichkeit gegen Verletzungen ist in Art. 28 ZGB geregelt. Wer danach in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen. Widerrechtlich ist eine Verletzung, wenn sie nicht durch Einwilligung des Verletzten, durch ein überwiegendes 2011 Versicherungsgericht 100 privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt ist (Art. 28 Abs. 2 ZGB). Eine Persönlichkeitsverletzung durch privatdetektivliche Ob- servation der versicherten Person kann im überwiegenden privaten und öffentlichen Interesse liegen, d.h. dadurch gerechtfertigt sein, dass weder die Versicherung noch die dahinter stehende Versicher- tengemeinschaft zu Unrecht Leistungen erbringen müssen (BGE 129 V 323 E. 3.3.3). Dieses Interesse an einer wirksamen Missbrauchsbe- kämpfung und der Aufdeckung bzw. Verhinderung von Versiche- rungsbetrug ist gegen das Interesse des von der Observation Betrof- fenen auf Unversehrtheit seiner Persönlichkeit abzuwägen (BGE 127 III 481 E. 3a/bb, 132 III 641 E. 5.2). Die Interessenabwägung beruht auf gerichtlichem Ermessen (BGE 129 III 529 E. 3.1). Zu berück- sichtigen ist dabei, dass der von der Observation Betroffene gegen- über der Versicherung einen Anspruch erhebt und deshalb verpflich- tet ist, an Abklärungen seines Gesundheitszustandes, seiner Arbeits- fähigkeit usw. mitzuwirken, und zu dulden hat, dass allenfalls auch ohne sein Wissen von der Versicherung die objektiv gebotenen Un- tersuchungen durchgeführt werden (BGE 129 V 323 E. 3.3.3, 135 I 169 E. 5.1; Urteil des Bundesgericht 5C.187/1997 E. 2b). Die Zuläs- sigkeit der Observation hängt weiter davon ab, wie schwer und in welche Persönlichkeitsrechte eingegriffen wird. Dafür entscheidend kann insbesondere sein, inwiefern die Observation durch die Art der Versicherungsleistungen gerechtfertigt ist (z.B. Höhe der Forderung, Pilot- oder Bagatellfall usw.), wo die Observation stattfindet (z.B. in der Öffentlichkeit), wie lange die Observation dauert (z.B. nur tags- über, befristet auf eine Woche), welchen Inhalt die Observation hat (z.B. von jedermann wahrnehmbare Vorgänge) und ob die zur Obser- vation eingesetzten Mittel (z.B. Filme) zur Erreichung ihres Zwecks geeignet und notwendig sind (Urteil des Bundesgerichts vom 2. Juli 2010 [5A_57/2010] E. 2.2.3 mit Hinw.). 3.2. Im vorliegenden Fall wurde die Klägerin an einem Tag im Januar (14. Januar 2010), an acht Tagen im Februar (9., 12., 13., 18., 19., 22., 26., 27. Februar 2010), an einem Tag im März (13. März 2010) sowie an zwei Tagen im April (15., 17. April 2010) von einem 2011 Versicherungsgericht 101 Privatdetektiv beobachtet. Die Beobachtungen geschahen allesamt im öffentlichen Raum (Strasse, Parkplatz, Stadtzentrum, Restaurant) und waren fokussiert auf körperliche Bewegungen und Tätigkeiten der Klägerin, insbesondere mit dem rechten Arm (Einkaufstaschen tragen, Winterjacke anziehen, Auto lenken, usw.). Die Beklagte sah sich durch verschiedene sachliche Umstände zur Observation veran- lasst; so war die Klägerin bereits seit 26. Januar 2009 arbeitsunfähig, Auslöser der Arbeitsunfähigkeit war ein Bagatellunfall, ebenfalls im Januar 2009 war der Klägerin die Anstellung gekündigt worden und eine eingehende ärztliche Begutachtung hatte nie stattgefunden. Bei Taggeldleistungen in der Höhe von Fr. 126.80 pro Tag geht es um er- hebliche Versicherungsleistungen. In Anbetracht der vorgenannten Kriterien ist die in casu durchgeführte Observation der Klägerin als relativ geringfügiger Eingriff in deren Persönlichkeitsrechte und auf- grund der gegebenen Umstände als gerechtfertigt zu werten. Die Er- gebnisse der Observation (Videoaufzeichnungen und Fotografien) durfte die Beklagte somit in ihrer Würdigung des Versicherungsan- spruches miteinbeziehen und sie können im vorliegenden Verfahren als Beweismittel berücksichtigt werden. 4. Die Klägerin ist seit dem 26. Januar 2009 arbeitsunfähig. Die Beklagte erbrachte die vertraglichen Krankentaggeldleistungen - im Anschluss an die Leistungen des Unfallversicherers - ab 9. März 2009. Per 31. März 2010 stellte sie ihre Taggeldzahlungen ein. (...) Gemäss Art. C1 Ziff. 1 AVB (AB D) besteht ein Anspruch auf Krankentaggeld bei ärztlich festgestellter, vorübergehender Erwerbs- unfähigkeit und bemisst sich nach dem Grad der Erwerbsunfähigkeit. Eine vorübergehende Erwerbsunfähigkeit liegt vor, wenn die ver- sicherte Person infolge einer Krankheit mindestens zu 25 % ausser- stande ist, ihre berufliche Tätigkeit im versicherten Betrieb auszu- üben (Art. B2 Ziff. 1 Abs. 1 AVB). Eine versicherte Person, die nicht mehr in einem Anstellungsverhältnis steht, ist verpflichtet, 120 Tage nach Beginn der ärztlich bestätigten Erwerbsunfähigkeit eine ihrem Ausbildungs- und Berufsstand entsprechende andere Tätigkeit anzu- nehmen (Art. B2 Ziff. 1 Abs. 2 AVB). 2011 Versicherungsgericht 102 (...) 5. 5.1. Gemäss den vorstehenden Ausführungen ist davon auszugehen, dass die Klägerin in einer gesundheitsadaptierten Tätigkeit zu 100 % arbeitsfähig ist. Gemäss Art. C1 Ziff. 1 AVB besteht ein Anspruch auf Taggeldleistungen der Beklagten bei einer Arbeitsunfähigkeit von über 25 %. Die Arbeitsunfähigkeit wird dabei auf die angestammte Tätigkeit im versicherten Betrieb bezogen (Art. B2 Ziff. 1 AVB). Eine dauernde Erwerbsunfähigkeit wird angenommen, wenn die ver- sicherte Person infolge Krankheit ausserstande ist, irgendeiner Er- werbstätigkeit von mindestens 25 %, unabhängig von Beruf und Aus- bildung und unter Berücksichtigung des gesamten Arbeitsmarktes, nachzugehen (Art. B2 Ziff. 2 AVB). Mit dieser Bestimmung wird postuliert, dass bei langandauernder Arbeitsunfähigkeit ein Berufs- wechsel in eine zumutbare gesundheitsangepasste Tätigkeit zu su- chen und aufzunehmen ist. Praxisgemäss ist eine langandauernde Ar- beitsunfähigkeit anzunehmen, wenn diese mehr als sechs Monate dauert (U ELI K IESER , ATSG-Kommentar, Zürich 2003, N. 10 zu Art. 6). Steht fest, dass der Versicherte unter dem Blickwinkel der Schadenminderungspflicht einen Berufswechsel vorzunehmen hat, so hat ihn die Versicherung dazu aufzufordern und ihm zur Stellensuche eine angemessene Übergangsfrist einzuräumen, während welcher das bisherige Krankentaggeld geschuldet bleibt. Die Praxis geht von einer Übergangsfrist von drei bis fünf Monaten ab Ansetzung der Frist aus (BGE 114 V 289 E. 4b, 111 V 239 E. 2a; RKUV 1987 K 720 S. 108, 2000 K 112 S. 122). Diese Frist hat auch die Funktion einer Abgrenzung zur Arbeitslosenversicherung. Hat die versicherte Person nach Ablauf dieser Übergangsfrist keine Stelle gefunden, so hat sie als arbeitslos zu gelten.
2,029
1,610
AG_VSG_001
AG_VSG
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Northwestern_Switzerland
AG_VSG_001_AGVE-2011-26_2010-11-03
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2001 Versicherungsgericht 108 [...] 34 § 26 quinquies KZG Wird die Verfassungswidrigkeit einer anspruchsausschliessenden Norm festgestellt, finden die Regeln über die Rückwirkung keine Anwendung und der Anspruch auf Kinderzulagen ist ohne deren Anwendung zu be- urteilen (Erw. 3c und d). Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 4. Kammer, vom 13. Januar 2001 in Sachen E. und A.S. gegen SVA Aus den Erwägungen 3. c) Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin handelt es sich beim Grundsatzurteil des Versicherungsgerichts vom 18. August 1998 (vgl. AGVE 2001 32 107) nicht um eine Praxisänderung und auch nicht um eine Gesetzesänderung. Vielmehr wurde im damaligen Verfahren die Norm eines kantonalen Gesetzes (§ 2 Abs. 2 KZG) überprüft. Dieses sogenannte akzessorische Prüfungsrecht führt nicht zur formellen Aufhebung von Rechtsnormen. Es gibt dem Gericht lediglich die Befugnis, den betreffenden Rechtssatz als rechtswidrig zu erklären und ihm in dem zu beurteilenden Fall die Anwendung zu versagen. Die Norm wird also durch ein negatives Prüfungsergebnis nicht aufgehoben, doch kann ihre Rechtswidrigkeit in jedem weite- ren Anwendungsfall geltend gemacht werden; der negative Entscheid 2001 Kinderzulagen 109 wirkt somit faktisch wie eine Ungültigerklärung (Häfelin/Haller, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, Zürich 1998, S. 594, N 1798). Die formelle Aufhebung der für rechtswidrig erklärten Rechtsnorm ist jedoch ausschliesslich Sache der zuständigen Rechtssetzungsor- gane. Eine Praxisänderung kann schliesslich nur dann vorliegen, wenn vorgängig über längere Zeit eine gefestigte Gerichtspraxis bestanden hat, d.h. ein Gericht muss in mehreren Fällen jeweils gleich entschieden haben und so eine Vertrauensbasis auch für zu- künftige Fälle begründet haben. Im vorliegenden Fall bestand vor dem Urteil vom 18. August 1998 aber keine Praxis des aargauischen Versicherungsgerichts, wonach § 2 Abs. 2 KZG verfassungskonform und demzufolge uneingeschränkt anwendbar sei. Mit dem Entscheid von 1998 konnte denn auch keine gefestigte Praxis geändert werden. d) Da somit weder eine Gesetzes- noch eine Praxisänderung vorliegt, sind die von der Lehre und Rechtsprechung aufgestellten (und von der Beschwerdegegnerin zur Begründung ihres Entscheides beigezogenen) Grundsätze bezüglich der Rückwirkung bei derartigen Fällen der Änderung der Rechtsgrundlage in concreto nicht anwend- bar. Allein massgebend ist, dass § 2 Abs. 2 KZG als verfassungswid- rig erklärt wurde und daher keine Anwendung finden darf. Das Be- gehren der Beschwerdeführerin ist demzufolge gestützt auf das KZG, jedoch ohne Beachtung der genannten Norm zu beurteilen. Soweit sich durch die Nichtanwendbarkeit dieser Norm eine Gesetzeslücke ergibt, so ist dieser Mangel gestützt auf die allgemeinen Grundsätze der Lückenfüllung zu lösen; die angesprochene Rückwirkungspro- blematik stellt sich mithin in diesem Zusammenhang gar nicht.
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AG_VSG_001_AGVE-2001-34_2001-01-04
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2016 Sozialversicherungsrecht 29 I. Sozialversicherungsrecht 1 Art. 13 und 14 IVG; Art. 3 Abs. 2 ATSG; Art. 1 f. GgV; Art. 4 bis IVV; Art. 52 Abs. 1 lit. b KVG; Art. 64 ff. KVV Voraussetzungen, unter welchen ein Off-Label Use eines Medikamentes (Synagis) als medizinische Massnahme bei einem Geburtsgebrechen von der Invalidenversicherung zu tragen ist. Die Kostentragungspflicht der Invalidenversicherung über die Limitatio hinaus wurde vorliegend mangels eines aufgrund bewährter wissenschaftlicher Erkenntnisse nach- gewiesenen grossen therapeutischen Nutzens verneint. Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 1. Kammer, vom 31. Mai 2016, i.S. M.B. gegen SVA Aargau (VBE.2015.734; bestätigt durch Urteil des Bundesgerichts 8C_523/2016 vom 27. Oktober 2016) Aus den Erwägungen 2. 2.1.-2.2. (Grundsätze zum Anspruch auf medizinische Massnahmen bei Geburtsgebrechen nach Art. 13 f. IVG, Art. 3 Abs. 2 ATSG in Verbin- dung mit Art. 1 Abs. 1 GgV; Art. 2 GgV) 2.3. 2.3.1. Als medizinische Massnahmen im Sinne dieser Bestimmung gelten sämtliche Vorkehren, die nach bewährter Erkenntnis der medi- zinischen Wissenschaft angezeigt sind und den therapeutischen Er- folg in einfacher und zweckmässiger Weise anstreben (Art. 2 Abs. 3 GgV). 2.3.2. Eine Behandlungsart entspricht bewährter Erkenntnis der medizinischen Wissenschaft, wenn sie von Forschern und Praktikern 2016 Obergericht, Abteilung Versicherungsgericht 30 der medizinischen Wissenschaft auf breiter Basis anerkannt ist. Das Schwergewicht liegt auf der Erfahrung und dem Erfolg im Bereich einer bestimmten Therapie (BGE 123 V 53 E. 2b/aa S. 58). Die für den Bereich der Krankenpflege entwickelte Definition der Wissen- schaftlichkeit findet prinzipiell auch auf die medizinischen Massnah- men der Invalidenversicherung Anwendung. Eine Vorkehr, welche mangels Wissenschaftlichkeit nicht durch die obligatorische Krankenversicherung zu übernehmen ist, kann grundsätzlich auch nicht als medizinische Massnahme nach Art. 12 oder 13 IVG zu Las- ten der Invalidenversicherung gehen (Urteil des Bundesgerichts 8C_590/2011 vom 13. Juni 2011 E. 2.4 mit Hinweisen). Medizini- sche Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung sowie Analysen und Arzneimittel (Art. 4 bis IVV) werden somit nur unter der Voraussetzung gewährt, dass sie wissenschaftlich anerkannt sind. 2.3.3. In die durch das Bundesamt für Gesundheit erstellte Liste der pharmazeutischen Spezialitäten und konfektionierten Arzneimittel (Spezialitätenliste; Art. 52 Abs. 1 lit. b KVG; Art. 64 KVV) werden Arzneimittel aufgenommen, deren Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit nachgewiesen ist (vgl. Art. 65 ff. KVV). Ge- mäss Rz. 1205 des Kreisschreibens über die medizinischen Einglie- derungsmassnahmen der Invalidenversicherung (KSME; in den für den massgeblichen Zeitpunkt gültigen Fassungen) gelten für jene Medikamente, welche auf der Spezialitätenliste aufgeführt werden, die in Art. 2 Abs. 3 GgV genannten Voraussetzungen als erfüllt. Synagis, ein antivirales Präparat zur Prophylaxe von bestimm- ten Lungeninfektionen, ist seit dem 1. Oktober 2000 unter Ziff. 08.03 in der Spezialitätenliste enthalten. Es unterliegt Limitierungen. So ist Synagis namentlich für die Behandlung von Kindern bis zum Alter von einem Jahr mit vorbestehender und bereits behandelter broncho- pulmonaler Dysplasie (BPD), Frühgeburten, welche bei Beginn der Respiratory Syncytial Virus (RSV)-Saison höchstens 6 Monate alt sind und von Kindern bis zu einem Alter von 2 Jahren mit hämodynamisch signifikanter, angeborener Herzerkrankung (Verord- nung nur durch den Pädiater oder den Kardiologen) angezeigt (vgl. Ziff. 08.03 der Spezialitätenliste). 2016 Sozialversicherungsrecht 31 Zwar hat die Invalidenversicherung grundsätzlich nicht für pro- phylaktische Massnahmen aufzukommen (vgl. Rz. 1023 KSME). In- dessen fallen Heilmittel, mit welchen das geburtsgebrechensbedingte Risiko anderweitiger Krankheiten vermindert wird, in ihren Leis- tungsbereich. Ist eine Behandlung wegen eines Geburtsgebrechens notwendig, ist sie sowohl für die Behandlung des Geburtsgebrechens selbst als auch für die geburtsgebrechensbedingte Prävention zuständig; es findet keine Aufteilung der medizinischen Behandlung zwischen Invaliden- und Krankenversicherung statt (SVR 2011 IV Nr. 80 S. 243, 9C_530/2010 E. 5.2; Urteil des Bundesgerichts 8C_590/2011 vom 13. Juni 2011 E. 4). 3. 3.1. Es ist unbestritten, dass bei der Beschwerdeführerin das Geburtsgebrechen Ziff. 247 (Syndrom der hyalinen Membranen) vorlag und sie in der Folge eine schwere BPD entwickelte (welche behandelt wurde), von Seiten der Beschwerdegegnerin für den mass- geblichen Zeitraum eine Kostengutsprache für medizinische Mass- nahmen im Zusammenhang mit dem Geburtsgebrechen Ziff. 247 bestand und die Behandlung mit Synagis ärztlich sowohl als indiziert betrachtet wurde und die Behandlung gemäss geltender Rechtsprechung in der vorliegenden Konstellation (unter Vorbehalt der Limitatio) von der Beschwerdegegnerin zu übernehmen ist (vgl. Urteil des Bundesgerichts 9C_190/2013 vom 23. April 2013 E. 3). Des Weiteren wird von der Beschwerdeführerin anerkannt, dass Synagis zwar auf der Spezialitätenliste verzeichnet ist, jedoch den unter E. 2.3.3. hiervor dargelegten Limitierungen - in casu Behand- lung von Kindern bis zum Alter von einem Jahr mit vorbestehender und bereits behandelter BPD - unterliegt, welche der Übernahme der Kosten durch die Beschwerdegegnerin entgegenstehen. Die Be- schwerdeführerin sieht hingegen eine Leistungspflicht der Beschwer- degegnerin in Art. 71a KVV begründet. 3.2. (Darstellung von Art. 71a Abs. 1 KVV und Rz. 1208 KSME) 2016 Obergericht, Abteilung Versicherungsgericht 32 3.3. Die Beschwerdeführerin macht einen Anspruch aus Art. 71a Abs.1 lit. b KVV geltend und verweist auf einen Bericht des Universitäts-Kinderspitals Z. vom 19. Dezember 2014. Demgemäss sei die Beschwerdeführerin aufgrund der BPD weiterhin symptoma- tisch und zeige die typische Klinik mit angestrengter Atmung, erhöh- ter Atemfrequenz und einem obstruktiven Atemgeräusch. Ein Über- gang in eine chronische Lungenerkrankung sei sehr gut möglich. Dank der passiven Immunisierung mit Synagis in der Infektsaison 2013/14 und aufwändigsten Isolationsmassnahmen zu Hause, habe die Beschwerdeführerin bis anhin einen RSV-Infekt vermeiden kön- nen. Das Infektrisiko sei aus folgenden Gründe für die Wintersaison 2014/2015 deutlich erhöht: Vermehrte und engere soziale Kontakte auch mit anderen Kindern, vermehrte Aufenthalte ausser Haus sowie eine high-incidence (des RS-Virus) für die Infektsaison 2014/2015. Eine komplexe Konstellation von Risikofaktoren erhöhe zudem das Risiko eines komplizierten Verlaufes einer RSV-Infektion, so näm- lich das Alter, der Schweregrad der BPD, die persistierende respiratorische Symptomatik sowie die familiäre Risikokonstellation mit ausgeprägter atopischer Diathese (beide Eltern mit Allergien und Asthma). Aus diesen Gründen müssten alle prophylaktischen Mass- nahmen bzgl. RSV-Aquisition möglichst ausgeschöpft werden. Synagis stelle dabei als monoklonaler Antikörper gegen den RS- Virus eine wirksame prophylaktische Therapie bei Risikopatienten dar. Ein RSV-Infekt würde bei der Beschwerdeführerin sehr wahr- scheinlich eine komplikationsreiche Hospitalisation nach sich ziehen. Die Prophylaxe mit Synagis werde daher dringlichst empfohlen. 3.4. 3.4.1. Wie bereits dargelegt (vgl. E. 2.3.3. hiervor) wurde Synagis im Jahr 2000 in die Spezialitätenliste aufgenommen (vgl. Bulletins 39/00 und 44/00 des Bundesamtes für Gesundheit (BAG), S. 750; S. 864: Therapie. Gruppe 08.03.00, Dossier-Nr. 17484). Die Limita- tio beschränkte sich dabei auf Kinder bis zum Alter von einem Jahr mit vorbestehender und bereits behandelter BPD sowie Frühgebur- ten, welche bei Beginn der Respiratory-Syncytial-Virus-(RSV-)Sai- 2016 Sozialversicherungsrecht 33 son höchstens sechs Monate alt sind. Die Erweiterung auf Kinder bis zu einem Alter von 2 Jahren mit hämodynamisch signifikanter, ange- borener Herzerkrankung erfolgte sodann im März 2014 (Bulletin 11/14 des BAG, S. 205). Der Aufnahme und der Limitatio im Jahr 2000 ging zeitlich ein "Konsensus Statement zur Prävention von Respiratory-Syncytial Vi- rus (RSV-)Infektionen beim Neugeborenen und Säugling mit dem humanisierten monoklonalen Antikörper Palivizumab (Synagis)" von C. A EBI , D. N ADAL , C. K IND , R. P FISTER , C. B ARAZZONE und J. H AMMER , in: Schweizerische Ärztezeitung (SÄZ), 1999, 80: 2927 - 30 (nachfolgend A EBI ET AL .) voraus. Demnach sei der RSV der häufigste Erreger hospitalisationsbedürftiger respiratorischer Infek- tionen im ersten Lebensjahr. Bis zu 70 % aller Kinder würden im ersten Lebensjahr erstmals mit RSV infiziert. Die RSV-Hospitalisa- tionsrate gesunder Säuglinge liege im Bereich von 1 - 3 %. Risiko- faktoren seien im ersten Lebensjahr enge Wohnverhältnisse, häufiger Kontakt mit anderen Kindern, fehlende Muttermilchernährung, Rauchexposition und Geburt innert sechs Monaten vor der RSV-Sai- son. Bei Vorliegen von Risikofaktoren sei die RSV-bedingte Hospitalisationsrate deutlich höher und liege bei BPD bei 15 - 45 %. Die mittlere Hospitalisationsdauer betrage sieben Tage. Infektionen träten in jährlichen Epidemien zwischen Oktober und März auf. In der Schweiz werde eine zweijährige Periodizität beobachtet, indem jeweils ein Winter mit hoher auf einen solchen mit geringer Infektionshäufigkeit folge. Erste Ergebnisse zur klinischen Wirksam- keit von Palivizumab hätten sich aus der Impact-Studie über 139 Zentren in den USA, Grossbritannien und Kanada, Saison 1996/1997 mit Kindern bis 24 Monate ergeben (A EBI ET AL . S. 2928). Die Reduktion der Anzahl RSV-bedingter Hospitalisationen betrug relativ 39 % (absolut 12.8 % zu 7.9 % (vgl.: Palivizumab, a Humanized Respiratory Syncytial Virus Monoclonal Antibody, Reduces Hospitalization From Respiratory Syncytial Virus Infection in Highrisk Infants (Impact-Studie), Pediatrics, September 1998, Volume / Issue 3)). In dieser Studie fehlt es an einer klaren Unterscheidung zwischen Kindern unter 12 Monate und Kindern zwischen 12 und 24 Monaten (vgl. Impact-Studie S. 532). Jedoch 2016 Obergericht, Abteilung Versicherungsgericht 34 wurde festgehalten, dass auch bei Filterung nach Alter, Gewicht, Geschlecht und BPD die prophylaktische Wirksamkeit von Synagis statistisch signifikant geblieben sei (... Impact-Studie S. 533). Eine Erläuterung dieses Modells oder einer tabellarischen Darstellung ist jedoch nicht zugänglich. Der Einbezug weiterer Forschungsergebnisse ergab gemäss den Autoren C. A EBI , D. N ADAL , C. K IND , R. P FISTER , C. B ARAZZONE UND J. H AMMER , dass mit der Verabreichung von Synagis kein signifikanter Effekt auf die Letalität oder die Intubation habe erzielt werden können. Unter Berücksichtigung der hohen Kosten von Synagis könne daher eine prophylaktische Verabreichung grund- sätzlich nicht empfohlen werden. Die Autoren würden den pro- phylaktischen Einsatz einzig für frühgeborene Kinder im ersten Le- bensjahr mit schwerer BPD, die innerhalb von sechs Monaten vor der RSV-Saison einer Therapie bedurfte, in Erwägung ziehen (vgl. A EBI ET AL ., a.a.O., S. 2930). 3.4.2. Mit Update 2004 gaben die Autoren C. A EBI , D. N ADAL , C. K IND , R. P FISTER , C. B ARAZZONE , J. H AMMER , J. G ÜNTHARDT und J. P. P FAMMATTER in: Paediatrica 2004, Vol. 15 No. 6, ein überarbeitetes "Konsensus Statement zur Prävention von Respira- tory-Syncytial Virus (RSV-)Infektionen mit dem humanisierten monoklonalen Antikörper Palivizumab (Synagis)" ab. Demnach empfehle die Fachgruppe die Anwendung von Synagis für Kinder bis 12 Monate bei schwerer BPD sowie nicht korrigiertem, hämody- namisch signifikantem kongenitalem Herzvitium und zusätzlichen Risikofaktoren. Bei mittelschwerer BPD könne Synagis in Erwä- gung gezogen werden. In den USA werde Synagis basierend auf der vorgenannten Impact-Studie für Kinder mit behandelter BPD bis ins Alter von 24 Monaten empfohlen (...). Die Autoren wiesen dabei nochmals daraufhin, dass gemäss dem vorgenannten Statement aus dem Jahr 1999 aufgrund der bescheidenen Wirksamkeit, der fehlen- den Beeinflussung der Letalität sowie der hohen Kosten das routine- mässige Verabreichen von Synagis nicht gerechtfertigt sei. Daran sei aufgrund der bescheidenen Wirksamkeit weiter festzuhalten. Ebenfalls sei an der Limitation auf Kinder mit schwerer BPD im 2016 Sozialversicherungsrecht 35 chronologischen Alter von bis 12 Monaten festzuhalten (vgl. A EBI ET AL ., Update 2004, S. 15). 3.4.3. Eine weitere Studie über 5067 Kinder jünger als fünf Jahre ergab, dass 75 % aller wegen RSV hospitalisierten Kinder jünger als zwölf Monate waren. Weniger als 20 % der Hospitalisationen fiel auf Kinder im 2. Lebensjahr (... C.B. H ALL , G.A. W EINBERG , M.K. I WANE , ET AL . The burden of respiratory syncytial virus infection in young children. N Engl. J Med. 2009; 360(6):588-598). Sodann konnte anhand einer Studie über vier Jahre (Juli 1989 bis Juni 1993) und 248'652 Kinderaltersjahren festgestellt werden, dass im zweiten Lebensjahr die Hospitalisationsrate wegen RSV von Kindern mit Komorbiditäten grundsätzlich tiefer war, als die Rate von gesunden Kindern in deren erstem Lebensjahr. Die Hospitalisationsrate von Kindern mit einer BPD blieb hingegen vergleichsweise hoch, wenn auch hier eine Reduktion um circa 4/5 festgestellt werden konnte (... T.G. B OYCE , B.G. M ELLEN , E.F. M ITCHEL J R , P.F. W RIGHT , M.R. G RIFFIN , Rates of hospitalization for respiratory syncytial virus infection among children, in: Medicaid. The Journal of pediatrics, 2000;137(6):865-870). 3.4.4. Das Committee on infectious Diseases und das Bronchiolitis Guidelines Committee kamen sodann in ihrer "Updated Guidance for Palivizumab Prophylaxis Among Infants and Young Children at Increased Risk of Hospitalization for Respiratory Syncytial Virus Infection, Policy Statement und Technical Report" (Pediatrics; August 2014, Volume 134 / Issue 2) in Würdigung der aktuellen Erkenntnisse zum Schluss, es stünden nur begrenzte Daten über die Sicherheit und keine Wirksamkeitsdaten in Bezug auf die Prophylaxe mit Synagis für Kinder im zweiten Lebensjahr zur Verfügung (a.a.O., Technical Report, S. e627). Die Hospitalisierungsraten würden aber auch ohne Prophylaxe während der zweiten RSV- Saison bei allen Kindern unbesehen deren Komorbiditäten stark sinken. Eine Prophylaxe mit Synagis im zweiten Lebensjahr sei einzig bei Frühgeburten bis zur 32. Schwangerschaftswoche zu empfehlen, bei denen nach Geburt eine mindestens 28tägige Sauer- 2016 Obergericht, Abteilung Versicherungsgericht 36 stoffversorgung notwendig gewesen sei und die innerhalb von sechs Monaten vor der RSV-Saison weiterhin auf Sauerstoffsupplementie- rung, chronisch systemische Kortikosteroid-Therapie oder eine diuretische Therapie angewiesen seien (... a.a.O., Policy Statement, S. 416). Zu keinem anderen Ergebnis führte denn auch eine Überprü- fung von 420 Studien im Jahr 2014 (vgl. H OMAIRA , N., R AWLINSON , W., S NELLING , T. L., & J AFFE , A., Effectiveness of palivizumab in preventing RSV hospitalization in high risk children: A real-world perspective in: International journal of pediatrics, Dezember 2014). 3.5. Zusammenfassend ergibt sich aufgrund der aktuellen wissen- schaftlichen Erkenntnisse, dass bei Vorliegen einer BPD zwar auch im zweiten Lebensjahr eine erhöhte Infektionsgefahr mit dem RSV und eine dadurch resultierende Hospitalisationsrate besteht, diese aber gegenüber den Verhältnissen während des ersten Lebensjahres als deutlich reduziert zu beurteilen ist. Sodann fehlt es - soweit er- sichtlich - an umfassenden Studien, die sowohl die Infekt- und Hospitalisationsrate und gleichzeitig auch die Wahrscheinlichkeit der Prophylaxe durch Verabreichung von Synagis bei behandelter schwerer BPD (und im Übrigen auch CLD, vgl. Updated Guidance for Palivizumab Prophylaxis Among Infants and Young Children at Increased Risk of Hospitalization for Respiratory Syncytial Virus In- fection (Pediatrics; August 2014, Volume 134 / Issue 2)) im zweiten Lebensjahr behandeln. Die Impact-Studie hielt zwar eine stabile Effektivitätsrate von Synagis auch unter Filterung nach Alter bzw. BPD fest, jedoch bleibt unklar, von welchen Messgrössen die Studienleiter genau ausgingen. Zudem werden die diesbezüglichen Ergebnisse auch in nachfolgenden Studien nicht dazu verwendet, die Anwendbarkeit von Synagis ab dem zweiten Lebensjahr bei behan- delter BPD zu begründen. Ein grosser therapeutischer Nutzen kann der im Streit stehenden Synagis Impfung gegen den RSV aufgrund fehlender fundierter wissenschaftlicher Erkenntnisse daher nicht attestiert werden, wenn auch ein tödlicher Verlauf oder schwere und chronische gesundheitliche Beeinträchtigungen als Folgen eines In- fektes und auch eine mögliche Prophylaxe durch die Gabe von 2016 Sozialversicherungsrecht 37 Synagis nicht ausgeschlossen werden kann. Für die Zulassung eines Off-Label Use kann jedoch nicht jeglicher therapeutische Nut- zen genügen, könnte doch sonst in jedem Einzelfall die Beurteilung des Nutzens an die Stelle der heilmittelrechtlichen Zulassung treten; dadurch würde das gesetzliche System der Spezialitätenliste unterwandert. Insbesondere muss vermieden werden, dass durch eine extensive Praxis der ordentliche Weg der Listenaufnahme durch Ein- zelfallbeurteilungen ersetzt und dadurch die mit der Spezialitätenliste verbundene Wirtschaftlichkeitskontrolle umgangen wird (BGE 136 V 395 E. 5.2 S. 399 f. mit Hinweise). Vorliegend stellt die Limitatio die Ausnahme zur Übernahme der Medikationskosten dar, während in allen übrigen Fällen keine Kassenpflicht besteht. Die Beschwerde- führerin hatte demnach genau aufgrund der von ihr vorgebrachten Komorbiditäten und Risikofaktoren Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Synagis-Impfung in der Wintersaison 13/14. Ein über die Limitatio hinausgehende Kostentragungspflicht der Be- schwerdegegnerin rechtfertigt sich daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht. 4. 4.1. Gemäss dem Dargelegten wies die Beschwerdegegnerin mit angefochtener Verfügung vom 19. November 2015 das Gesuch um Kostenübernahme der Synagis-Impfungen für die Saison 2014/2015 zu Recht ab, weshalb die dagegen erhobene Beschwerde abzuweisen ist.
4,516
3,391
AG_VSG_001
AG_VSG
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AG_VSG_001_AGVE-2016-1_2016-05-01
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2,011
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2011 Versicherungsgericht 93 25 Abs. 1 und 2 SchlBest (2007) ELV Der Ergänzungsleistungsanspruch von Kindern geschiedener Eltern, die erneut zusammenziehen, ist gemeinsam mit dem rentenberechtigten El- ternteil zu berechnen. Ein selbständiger Anspruch des nicht rentenbe- rechtigten, geschiedenen Ehegatten besteht nicht. Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 3. Kammer, vom 7. Juni 2011 in Samen A.A.M. gegen SVA Aargau (VBE.2011.10); bestätigt durch Urteil des Bundesgerichts 9C_556/2011 vom 15. Dezember 2011. Aus den Erwägungen 1.2. Auch eine Zusatzrente zur AHV oder IV, die dem Ehegatten bzw. der Ehegattin ausbezahlt wird, begründet gemäss Art. 4 Abs. 2 2011 Versicherungsgericht 94 ELG einen Anspruch auf Ergänzungsleistungen. Mit der schrittwei- sen Aufhebung des Anspruchs auf Zusatzrenten für Ehefrauen mit der 10. AHV-Revision und der gänzlichen Aufhebung der Ehegatten- zusatzrente in der IV im Rahmen der 5. IV-Revision per 1. Januar 2008 verliert diese Kategorie von Anspruchsberechtigten immer mehr an Bedeutung (C ARIGIET /K OCH , Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, 2. Aufl. 2009, S. 114). Die Aufhebung der laufenden Zu- satzrenten bei der IV hatte zur Folge, dass diese Personen auch ihren Anspruch auf Ergänzungsleistungen verloren haben. Der Bundesrat hat jedoch für diejenigen Betroffenen, welche getrennt lebend oder geschieden sind und mit rentenberechtigten Kindern zusammenle- ben, eine Besitzstandregelung getroffen. Gemäss der in der Verord- nung zum ELG (ELV) aufgenommenen Schlussbestimmung der Än- derung vom 28. September 2007 (SchlBest) ist die jährliche Ergän- zungsleistung eines Kindes, das einen Anspruch auf eine Kinderrente der IV begründet und am 31. Dezember 2007 mit einem Elternteil zusammenlebt, der getrennt oder geschieden ist und der seinen An- spruch auf Ergänzungsleistungen am 1. Januar 2008 wegen der Auf- hebung der laufenden Zusatzrenten in der IV verliert, aufgrund der anerkannten Ausgaben und der anrechenbaren Einnahmen des Kin- des und des Elternteils, mit dem es zusammenlebt, zu berechnen (Abs. 1 SchlBest ELV). Diese Berechnung entfällt, wenn das Kind nicht mehr mit dem Elternteil zusammenlebt oder die getrennten Eltern wieder zusammenleben oder der Elternteil, mit dem das Kind zusammenlebt, wieder heiratet (Abs. 2 SchlBest ELV). 2. 2.1. Die Beschwerdeführerin ist seit Mitte 2006 geschieden. Bis 31. Dezember 2007 bezog sie eine Zusatzrente zur IV-Rente ihres ge- schiedenen Ehemannes; per 1. Januar 2008 wurde diese im Zuge der 5. IV-Revision aufgehoben. Da die gemeinsamen Kinder X. (geb. 2001) und Y. (geb. 2004) nach der Scheidung der Eltern bei der Mutter lebten, wurden der Beschwerdeführerin gestützt auf Abs. 1 SchlBest ELV über den 31. Dezember 2007 hinaus Ergänzungsleis- tungen für sie und die Kinder ausgerichtet. Am 1. Januar 2009 be- gründeten die geschiedenen Ehegatten zusammen mit den beiden 2011 Versicherungsgericht 95 Kindern wieder einen gemeinsamen Haushalt. Die Beschwerdegeg- nerin nahm daher eine Neuberechnung der Ergänzungsleistungen vor, wobei sie den Anspruch des Mannes/Vaters zusammen mit den zwei Kindern festlegte und die Leistungsberechtigung der Beschwer- deführerin ab 31. Dezember 2008 verneinte. Die Beschwerdeführerin macht geltend, ihr komme ein eigener Anspruch auf Ergänzungsleistungen zu. Auch nach dem 1. Januar 2009 seien die Ergänzungsleistungen gestützt auf Abs. 1 SchlBest ELV zu berechnen, d.h. für sie zusammen mit den Kindern und für ihren geschiedenen Ehemann separat. Nach dem Wortlaut von Abs. 2 lit. b SchlBest ELV falle der Leistungsanspruches nur bei getrennten, nicht aber bei geschiedenen Ehegatten nach dem erneuten Zusam- menzug weg. Zu beurteilen ist somit, ob gestützt auf die Schluss- bestimmung zur ELV über den 1. Januar 2009 hinaus Ergänzungs- leistungen an die Beschwerdeführerin auszurichten und wie diese zu berechnen sind. 2.2. 2.2.1. Vorab ist zu beachten, dass die Schlussbestimmung zur ELV den Ergänzungsleistungsanspruch der Kinder regelt (vgl. Wortlaut "Die jährliche Ergänzungsleistungen eines Kindes , das ..."). Die Verordnungsbestimmung gibt also dem getrennten oder geschiedenen Ehegatten, welcher durch den Wegfall der IV-Zusatzrente ohne die Schlussbestimmung den Anspruch auf Ergänzungsleistungen verlie- ren würde, keinen eigenen Leistungsanspruch. Dies analog zur Re- gelung bei verheirateten Ehegatten, denen zwar ebenso die IV-Zu- satzrente gestrichen wurde, die aber infolge der gemeinsamen Be- rechnung der Einnahmen und Ausgaben (vgl. Art. 9 Abs. 2 ELG) nach dem 1. Januar 2008 nicht auch die Ergänzungsleistungen ver- loren haben; einen eigenen Anspruch auf Ergänzungsleistungen ha- ben aber auch verheiratete Ehegatten eines IV-Bezügers bzw. einer IV-Bezügerin nicht. Ohne die Schlussbestimmung würden nicht nur die getrennten/geschiedenen Ehegatten, sondern auch die Kinder, welche mit dem nicht anspruchsberechtigten Elternteil zusammenle- ben, ihr Anrecht auf Ergänzungsleistungen verlieren bzw. es hätte eine gesonderte Berechnung nur des Kinderanspruches zu erfolgen 2011 Versicherungsgericht 96 (vgl. Art. 7 Abs. 1 lit. c ELV). Die Schlussbestimmung zur ELV ge- währt den geschiedenen Ehegatten mit Kindern eine Besitzstandga- rantie, begründet aber keinen eigenen Anspruch. 2.2.2. Ziehen Ehegatten mit gemeinsamen Kindern, welche eine Zeit lang getrennt gelebt haben, wieder zusammen, so entfällt die ge- trennte Berechnung der Ergänzungsleistungen und an deren Stelle tritt - wie vor der Trennung - die ordentliche, d.h. gemeinsame Be- rechnung gemäss Art. 9 Abs. 2 ELG i.V.m. Art. 7 Abs. 1 lit. a ELV. Der erste Teil von Abs. 2 lit. b SchlBest ELV ist damit unnötig bzw. bei getrennten Ehegatten lassen sich die Folgen des erneuten Zu- sammenziehens auf die Berechnung der Ergänzungsleistungen aus den übrigen Bestimmungen ableiten. So hat auch das Eidgenössische Versicherungsgericht (EVG) entschieden, dass bei gerichtlich ge- trennten Ehegatten, die im selben Haushalt leben, die wirtschaftliche Betrachtungsweise anzuwenden sei, d.h. eine gemeinsame Berech- nung stattzufinden habe (ZAK 1986 S. 136). Anders fällt die Würdigung bei geschiedenen Ehegatten aus. Eine wirtschaftliche Betrachtungsweise würde auch bei geschiede- nen, aber im selben Haushalt lebenden Personen eine Gesamtberech- nung nahe legen. Dies widerspricht aber dem Wortlaut von Art. 9 Abs. 2 ELG, wonach nur bei Ehegatten eine gemeinsame Berech- nung stattzufinden hat; weder geschiedene noch im Konkubinat le- bende Personen sind aber Ehegatten (vgl. dazu R ALPH J ÖHL , Ergän- zungsleistungen, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2. Aufl. 2007, S. 1686 N. 69 mit Hinweisen). Geschiedene Ehegatten sind also auch im gemeinsamen Haushalt bezüglich der Ergänzungsleis- tungen als Einzelpersonen zu behandeln. 2.2.3. Wiederum differenziert ist die Sachlage zu betrachten, wenn ge- schiedene Ehegatten gemeinsame Kinder haben. So nennt Art. 9 Abs. 2 ELG als Fälle der gemeinsamen Berechnung neben Ehegatten "Personen mit rentenberechtigten Waisen oder mit Kindern, die einen Anspruch auf eine Kinderrente der AHV oder IV begründen". Und Art. 7 Abs. 1 lit. a ELV konkretisiert: Leben die Kinder mit den El- tern zusammen, erfolgt eine gemeinsame Berechnung der Ergän- 2011 Versicherungsgericht 97 zungsleistung. Weder das Gesetz (welches das Wort "Personen" be- nutzt) noch die Verordnung (welche das Wort "Eltern" benutzt) machen somit eine Unterscheidung zwischen verheirateten, getrenn- ten oder geschiedenen Elternteilen von Kindern, sondern gehen er- neut - wie unter E. 2.2.1. vorstehend ausgeführt - von der Kinder- optik aus. Allein entscheidend ist somit das Elternsein und das Zu- sammenleben der Eltern mit dem gemeinsamen Kind/den gemeinsa- men Kindern, soweit diese einen Kinderrentenanspruch haben. Auch eine Zusatzrente zur AHV/IV eines Elternteils stellt eine Kinderrente im Sinne des Gesetzes- bzw. Verordnungswortlautes dar (vgl. Art. 35 Abs. 1 IVG). Ziehen somit geschiedene Ehegatten mit gemeinsamen Kindern wieder in einen gemeinsamen Haushalt, so hat erneut eine gemein- same Berechnung des Ergänzungsleistungsanspruches stattzufinden. Dem rentenberechtigten Elternteil sind dabei sowohl die Einnahmen (Kinderrente) wie auch die Ausgaben der gemeinsamen Kinder und des anderen Elternteils zuzurechnen. 2.2.4. Der Ergänzungsleistungsanspruch der Kinder von geschiedenen Eltern, welche erneut zusammenziehen, lässt sich also ebenfalls auf- grund der Bestimmungen des ELG/der ELV direkt ableiten, ohne die SchlBest ELV beizuziehen bzw. die SchlBest ELV ist eine Konkreti- sierung von Art. 9 ELG / Art. 7 ELV. Allein die Tatsache, dass unter Umständen beide Elternteile in die Berechnung der Ergänzungs- leistungen des rentenberechtigten Versicherten einzubeziehen sind (vgl. E. 2.2.3 vorstehend), lässt keinen persönlichen Ergänzungs- leistungsanspruch entstehen; die Zusammenrechnungsregel gemäss Art. 9 Abs. 2 ELG bezieht sich nur auf die Anspruchsberechnung, nicht aber auf die Anspruchsberechtigung (R ALPH J ÖHL , a.a.O., S. 1688 N. 72). Die Beschwerdeführerin hat nach Wegfall der eige- nen Rentenberechtigung (per Ende 2007) den Anspruch der Kinder geltend gemacht (vgl. E. 2.2.1 vorstehend). Seit dem Zeitpunkt des Zusammenziehens kann sie diesen Anspruch infolge der gemeinsa- men Berechnung nicht mehr geltend machen; zur Gesuchstellung ist einzig der AHV/IV-Rentenbezüger berechtigt (vgl. C ARIGIET /K OCH , a.a.O., S. 130). 2011 Versicherungsgericht 98 2.2.5. Die Anwendung von Abs. 2 lit. b SchlBest ELV allein auf im Sinne des ZGB getrennte Ehegatten, wie dies die Beschwerdeführe- rin geltend macht, hätte zur Konsequenz, dass geschiedene Ehegatten mit gemeinsamen Kindern nach dem neuerlichen Zusammenziehen mehr Ergänzungsleistungen erhalten würden, als wenn sie als Ehe- gatten und Familie zusammengeblieben wären, d.h. es zu keiner Scheidung gekommen wäre. Denn bliebe auch mit einem gemein- samen Haushalt die getrennte Berechnung, d.h. der rentenberechtigte Ehegatte allein, der geschiedene Ehegatte (welcher für sich allein zufolge der Streichung der IV-Zusatzrente keinen Ergänzungsleis- tungsanspruch hat) zusammen mit den Kindern, würde dies zu einer höheren Ausgabenanrechnung und entsprechend zu höheren Ergän- zungsleistungen führen als bei zwei Elternteilen zusammen mit den Kindern. Dies kann nicht der Sinn und Zweck einer Besitzstand- regelung sein, wie sie die SchlBest ELV darstellt und widerspräche auch der grundsätzlich geltenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise der Ergänzungsleistungen. 2.3. Zusammenfassend hat somit die Beschwerdegegnerin zu Recht den Anspruch der Beschwerdeführerin auf Ergänzungsleistungen ab dem 1. Januar 2009 verneint. (...)
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2011 Versicherungsgericht 102 27 Art. 30c und 30d BVG; Art. 122 ZGB - Die Aufgabe des Versicherungsgerichts im Rahmen der Teilung der Freizügigkeitsleistungen nach Ehescheidung besteht einzig darin, die Berechnung der konkreten Teilungsbeträge - gemäss dem vom Schei- 2011 Versicherungsgericht 103 dungsrichter angeordneten Teilungsschlüssel - vorzunehmen und die zur Vornahme der Teilung notwendigen Vorkehren anzuordnen. Es ist jedoch nicht Sache des Vorsorgegerichts, die im Rahmen des Scheidungsverfahrens nicht geregelte Frage zu beurteilen, wie bei der Übertragung der ehelichen Liegenschaft auf den einen Ehegatten mit dem Anrechnungswert der Liegenschaft und damit mit dem Vorbezug ehe- und güterrechtlich zu verfahren gewesen wäre. - Vorsorgerechtlich wird der für den Kauf des Wohneigentums ver- wendete WEF-Vorbezug geteilt, d.h. zur Austrittsleistung im Tei- lungszeitpunkt hinzugerechnet. Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 3. Kammer, vom 3. Mai 2011 in Sachen S.H. gegen H.B. (VKL.2010.46); bestätigt durch Urteil des Bundesgerichts vom 16. November 2011 (9C_488/2011). Aus den Erwägungen 3.1. (...) Die Scheidungsfolgen zu bestimmen ist ausschliesslich Sache des Scheidungsrichters. Die Aufgabe des Versicherungsgerichts be- steht einzig darin, wenn der Scheidungsrichter die Teilung der BVG- Austrittsleistungen angeordnet und, ohne die konkreten Beträge fest- zusetzen, den Teilungsschlüssel bestimmt hat, die Berechnung vor- zunehmen und die zur Vornahme der Teilung notwendigen Vorkehren anzuordnen (S UTTER /F REIBURGHAUS , Kommentar zum neuen Schei- dungsrecht, Zürich 1999, N. 72 ff. zu Art. 122/141-142). Der vom Scheidungsrichter festgelegte Teilungsschlüssel ist für das kantonale Versicherungsgericht und das Bundesgericht verbindlich (BGE 132 V 341 E. 2.2). Soweit der Beklagte die Ausklammerung des WEF- Vorbezugs aus der Berechnung verlangt, widerspricht dies der im Scheidungsurteil vorbehaltlos angeordneten hälftigen Teilung der Austrittsleistungen, wozu auch WEF-Vorbezüge gehören (vgl. BGE 132 V 344 E. 3.1 mit Hinw. auf BGE 128 V 235 E. 3, wonach der 2011 Versicherungsgericht 104 nominale WEF-Vorbezug zur Austrittsleistung im Zeitpunkt der Scheidung hinzuzurechnen ist).
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2002 Prozessrecht 111 I. Prozessrecht 35 § 31 Abs. 4 EG KVG, § 33 Abs. 2 und § 35 Abs. 1 VRPG Im Beschwerdeverfahren betreffend Prämienverbilligung hat die Sozial- versicherungsanstalt als unterliegende Partei keine Verfahrenskosten zu tragen (Erw. 3). Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 4. Kammer, vom 15. Okto- ber 2002 in Sachen M.V. gegen Sozialversicherungsanstalt. Aus den Erwägungen 3. Bei Gutheissung der Beschwerde wird der beschwerdefüh- renden Partei der geleistete Kostenvorschuss zurückerstattet. Der So- zialversicherungsanstalt (SVA) als unterliegenden Partei sind jedoch keine Verfahrenskosten aufzuerlegen. Bezüglich der Kostenfrage ver- weist § 31 Abs. 4 des aargauischen Einführungsgesetzes zum Kran- kenversicherungsgesetz [EG KVG] auf das Gesetz über die Verwal- tungsrechtspflege [VRPG]. Danach haben im Beschwerdeverfahren die beteiligten Amtsstellen in der Regel keine Verfahrenskosten zu tragen (§ 35 Abs. 1 VRPG). Die Sozialversicherungsanstalt ist zwar keine Amtsstelle im engeren Sinne, sondern eine selbständige öffent- lichrechtliche Anstalt, doch wurde ihr vom Regierungsrat der Vollzug der im Krankenversicherungsgesetz vorgeschriebenen Prämienver- billigung übertragen (Art. 65 KVG i.V.m. § 24 Abs. 1 EG KVG). Im Bereich der Prämienverbilligung vertritt die SVA somit die Rechtsan- wendungsinteressen des Gemeinwesens. In Erfüllung dieser öffentli- chen Aufgabe handelt sie demzufolge als "Amtsstelle" im Sinne von § 35 Abs. 1 VRPG (dazu auch AGVE 1977 S. 120 f.), weshalb ihr keine Kosten aufzuerlegen sind. Dies entspricht auch der Praxis auf Bundesebene, wonach die Kostenbefreiung generell für alle Träger 2002 Versicherungsgericht 112 öffentlicher Aufgaben angewandt wird (vgl. Fritz Gygi, Bundesver- waltungsrechtspflege, 2. Aufl., Bern 1983, S. 329).
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Microsoft Word - 00698264.docx Versicherungsgericht 4. Kammer VBE.2020.384 / za / ce (Vers.-Nr. 756._) Art. 270 Urteil vom 20. November 2020 Besetzung Oberrichter Roth, Präsident Oberrichterin Fischer Oberrichter Lindner Gerichtsschreiber Zürcher Beschwerde- führer A. _ Beschwerde- gegnerin SVA Aargau, Ausgleichskasse, Kyburgerstrasse 15, 5001 Aarau Gegenstand Beschwerdeverfahren betreffend EO (Einspracheentscheid vom 24. Juli 2020) - 2 - Das Versicherungsgericht entnimmt den Akten: 1. Der Beschwerdeführer nahm am 31. März 2020 bei der eine Anmeldung für Selbständigewerbende für eine Tätigkeit im (Einzelunternehmen X. _) ab dem 1. Januar 2020 vor. Mit Schreiben vom 29. Mai 2020 wurde der Beschwerdeführer der SVA Aargau, Ausgleichskasse, per 1. Januar 2020 als Selbständigerwerbender angeschlossen. Am 30. Mai 2020 meldete er sich bei der Beschwerdegegnerin zum Bezug von Leistungen basierend auf der Verordnung vom 20. März 2020 über Massnahmen bei Erwerbsausfall im Zusammenhang mit dem Coronavirus (Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall) an. Mit Verfügung vom 2. Juni 2020 verneinte die Beschwerdegegnerin einen Anspruch des auf "Corona-Erwerbsersatzentschädigung". Die hiergegen erhobene Einsprache wies sie mit Einspracheentscheid vom 24. Juli 2020 ab. 2. 2.1. Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 18. August 2020 fristgerecht Beschwerde und stellte folgende Anträge: " 1. Es ist die Ablehnungsverfügung vom 2.6.2020 aufzuheben und neu die Entschädigung zu berechnen. 2. Es ist festzustellen, dass der Bundesrat Massnahmen getroffen hat, um die wirtschaftlichen Folgen für betroffene Unternehmen und abzufedern. 3. Es ist festzustellen, dass es laufende Anpassungen der Corona gibt, letztmals via Kreisschreiben vom 19.06.2020. 4. Es ist festzustellen, dass der Bundesrat Sinngemäss das Ziel hatte die vor den wirtschaftlichen Folgen zu schützen und nicht zu resp. ins finanzielle elend zu drücken. 5. Es ist festzustellen, dass gemäss 1065.1 05/20 der Antrag auf der letzten definitiven Beitragsverfügung abzustellen nicht möglich ist. 6. Es ist festzustellen dass die Berechnung nach Art. 1067 des massgebend ist. - 3 - 7. Das Einkommen ist weniger als in einem Jahr erfolgt bis jetzt, daher ist die Umrechnung des Einkommens auf den Tag entsprechend dieser (BGE 133 V 431) 8. Es ist festzustellen dass Sinngemäss die Verfassung eingehalten wird festhält, dass alle Menschen vor Gesetz gleich sind und den gleichen Schutz erhalten. 9. Aufgrund der finanziellen Notlage mangels ausgerichteter wird die unentgeldliche Prozessführung beantragt. 10. Aufgrund der wirtschaftlichen Zwangslage wird eine beschleunigte meiner Begehren beantragt." 2.2. Mit Vernehmlassung vom 15. September 2020 beantragte die die Abweisung der Beschwerde. 2.3. Der Beschwerdeführer hielt mit Replik vom 21. September 2020 im an seiner Beschwerde sowie deren Begründung fest und legte unter anderem die Akontoabrechnung der Beschwerdegegnerin vom 29. Mai 2020 für die persönlichen Beiträge für die Beitragsperiode 1. bis 31. Dezember 2020 ins Recht. Des Weiteren stellte der folgende zusätzlichen Rechtsbegehren: " 1. Allenfalls ist die SVA anzuweisen zusammen mit dem Beschwerdeführer eine neue verbindliche Berechnungs-Basis für die CE festzulegen. 2. Es ist festzustellen, dass bis zur Beilegung dieser Rechtsklärung keine weiteren Inkassoschritte für die ausstehende Beiträge durchgeführt . 3. Es ist mit dem Ziel der Hilfe und dem Grundgedanke des Bundesrates ein Urteil zu sprechen." 2.4. Mit Verfügung vom 24. September 2020 forderte die Instruktionsrichterin die Beschwerdegegnerin, die trotz entsprechender Aufforderung nicht die vollständigen Akten eingereicht hatte, unter Verweis auf die Schreiben des Versicherungsgerichts vom 21. Oktober 2016 und 18. April 2017 auf, sämtliche Akten einzureichen, und stellte ihr als Folge ihres Versäumnisses die Auferlegung von Kosten in Höhe von Fr. 500.00 in Aussicht. Mit Eingabe vom 25. September 2020 reichte die die angeforderten Akten ein. - 4 - Das Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. In ihrem Einspracheentscheid vom 24. Juli 2020 (Vernehmlassungsbeilage [VB] 9) hielt die Beschwerdegegnerin im Wesentlichen fest, die Anmeldung des Beschwerdeführers zum Bezug einer Erwerbsausfallentschädigung datiere vom 31. März 2020 und sei am 7. April 2020 bei ihr eingegangen. Nach dem 17. März 2020 eingegangene Meldungen könnten gemäss Kreisschreiben des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV) über die Entschädigung bei Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus – Corona-Erwerbsersatz (KS CE) jedoch nicht mehr berücksichtigt werden. Der Beschwerdeführer bringt dagegen zusammengefasst sinngemäss vor, er habe seine selbständige Erwerbstätigkeit erst im Jahr 2020 , weshalb die auf Zahlen des Jahres 2019 Bezug nehmenden , auf die sich die Beschwerdegegnerin berufe, nicht zur Anwendung gelangen würde. Vielmehr habe in Anwendung von Rz. 1067 KS CE eine Aufrechnung des im Jahr 2020 erzielten Einkommens auf 12 Monate zu erfolgen (Beschwerde S. 4 f., Replik S. 2 f.). Damit ist streitig und nachfolgend zu prüfen, ob die Beschwerdegegnerin mit dem angefochtenen Einspracheentscheid vom 24. Juli 2020 zu Recht einen Entschädigungsanspruch des Beschwerdeführers gemäss Covid- Erwerbsausfall verneint hat. 2. 2.1. Der Bundesrat hat am 20. März 2020 die Covid-19-Verordnung erlassen (AS 2020 871, rückwirkend in Kraft getreten auf den 17. März 2020) und in der Folge mehrfach rückwirkend angepasst. Gemäss Art. 2 Abs. 1 lit. d i.V.m. Art. 2 Abs. 1bis lit. c und Art. 2 Abs. 3 Covid-19- Erwerbsausfall in der vom 17. März 2020 (vgl. AS 2020 1257) bis zum 16. September 2020 (vgl. AS 2020 3705) gültigen Fassung haben Selbständigerwerbende im Sinne von Art. 12 ATSG Anspruch auf eine , die aufgrund einer Massnahme nach Art. 6 Abs. 1 und 2 der Verordnung 2 vom 13. März 2020 über die Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (Covid-19-Verordnung 2 [SR 818.101.24); aufgehoben mit Inkrafttreten der Verordnung 3 über die Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus [Covid-19-Verordnung 3; SR 818.101.24] am 22. Juni 2020 [vgl. AS 2020 2195]) in der jeweils massgeblichen Fassung einen erleiden und im Sinne des AHVG obligatorisch versichert sind. Selbständigerwerbende im Sinne von Art. 12 ATSG, die nicht unter Art. 2 Abs. 3 COVID-19-Verordnung Erwerbsausfall fallen, sind , wenn sie aufgrund der bundesrätlichen Massnahmen zur des Coronavirus einen Erwerbsausfall erleiden und ihr für die der Beiträge der AHV massgebendes Einkommen für das Jahr 2019 - 5 - zwischen Fr. 10'000.00 und Fr. 90'000.00 liegt (Art. 2 Abs. 3bis Covid- Erwerbsausfall in der vom 17. März 2020 [vgl. AS 2020 1257] bis zum 16. September 2020 [vgl. AS 2020 3705] in Kraft gestandenen Fassung). Für die Berechnung des massgebenden Einkommens für das Jahr 2019 gilt Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall sinngemäss. Dieser sieht in seiner vom 17. März 2020 (vgl. AS 2020 2223) bis zum 16. September 2020 (vgl. AS 2020 3705) gültigen Fassung vor, dass nach der Festlegung der Entschädigung eine Neuberechnung nur werden kann, wenn eine aktuellere Steuerveranlagung bis zum 16. September 2020 der anspruchsberechtigten Person zugestellt wird und diese den Antrag zur Neuberechnung bis zu diesem Datum einreicht. 2.2. Das Kreisschreiben des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV) über die Entschädigung bei Massnahmen zur Bekämpfung des – Corona-Erwerbsersatz (KS CE, Stand 3. Juli 2020, rückwirkend gültig ab 17. März 2020 bis 16. September 2020) sieht in Rz. 1041.3 vor, dass für die Ermittlung der Einkommensgrenzen von Fr. 10'000.00 und Fr. 90'000.00 gemäss Art. 2 Abs. 3bis Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall grundsätzlich auf das Erwerbseinkommen abgestellt wird, welches als Grundlage für die Beitragsrechnungen des Jahres 2019 () herangezogen wurde. Die in Rz. 1065 bis 1068 enthaltenen betreffend die Ermittlung des Einkommens vor Beginn des ersten Entschädigungsanspruchs als Basis der derer Entschädigung seien sinngemäss anwendbar. KS CE Rz. 1065 bestimmt, dass Grundlage für die Bemessung der Entschädigung für Erwerbende grundsätzlich das Erwerbseinkommen sei, welches im Jahr 2019 erzielt wurde. Als Basis sei das Einkommen zu verwenden, für die Festsetzung der Beitragsrechnungen für das Jahr 2019 () herangezogen worden sei. Zur Ermittlung des Erwerbseinkommens ist gemäss KS CE Rz. 1066 das durch 360 zu teilen. Sofern das Einkommen in weniger als einem Jahr erwirtschaftet worden sei, erfolge die Umrechnung des Einkommens auf den Tag entsprechend dieser Erwerbsdauer (KS CE Rz. 1067 mit auf BGE 133 V 431). Eine nachträgliche Anpassung des infolge der definitiven Steuermeldung für das Beitragsjahr 2019, die nach dem 16. September 2020 eingehe, bewirke keine Änderung in der Entschädigung. Keine Änderung in der Höhe der Entschädigung bewirkten auch nach dem 17. März 2020 erfolgte Anpassungen des den 2019 zugrundeliegenden Erwerbseinkommens (KS CE Rz. 1068). 3. 3.1. Der Beschwerdeführer wurde gemäss Schreiben der SVA Aargau vom 29. Mai 2020 per 1. Januar 2020 als Selbständigerwer- - 6 - bender im Bereich Immobilienhandel angeschlossen (VB 4) und ist unbestrittenermassen als indirekt betroffener im Sinne von Art. 2 Abs. 3bis Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall zu qualifizieren. Gemäss dieser Bestimmung sind für einen Anspruch auf eine Erwerbsausfallentschädigung kumulativ ein Erwerbsausfall aufgrund der bundesrätlichen Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus und ein für die Bemessung der Beiträge der AHV massgebendes Einkommen für das Jahr 2019 zwischen Fr. 10'000 und Fr. 90'000 vorausgesetzt. Fehlt es folglich an einem 2019 aus selbständiger Erwerbstätigkeit erzielten , fällt ein Anspruch auf eine Entschädigung ausser Betracht. Zu keinem anderen Ergebnis führt die Anwendung der Bestimmungen in den Rz. 1065 – 1068 KS CE. Zwar sieht Rz. 1067 KS CE vor, dass bei in als einem Jahr erwirtschafteten Einkommen eine pro rata Umrechnung auf ein ganzes Jahr zu erfolgen hat. Rz. 1067 KS CE bezieht sich hierbei aber einzig auf im Jahr 2019 erzieltes Einkommen. Eine Ausweitung dieser Bestimmung in dem Sinne, dass Grundlage der Bemessung der auch erst im Jahr 2020 erwirtschaftetes, auf ein ganzes Jahr Einkommen sein könnte – wie dies der Beschwerdeführer (vgl. E. 1. hiervor) – wäre lediglich möglich, wenn von einer (vom Gericht so zu füllenden) Verordnungslücke auszugehen wäre. Eine echte, vom Gericht zu füllende Verordnungslücke ist anzunehmen, wenn der versehentlich eine unvermeidlicherweise sich stellende Rechtsfrage nicht normiert hat oder das Fehlen einer besonderen zu Ergebnissen führt, die sich insbesondere mit den des Willkürverbots und der Rechtsgleichheit schlechthin nicht vereinbaren lassen. Hat der Verordnungsgeber eine Rechtsfrage nicht übersehen, sondern stillschweigend - im negativen Sinn - mitentschieden (qualifiziertes Schweigen), bleibt kein Raum für richterliche Lückenfüllung (vgl. BGE 145 V 75 E. 3.4 S. 78, 146 V 121 E. 2.5 S. 126 und 143 I 187 E. 3.2 S. 191). Im Folgenden ist daher durch Auslegung zu ermitteln, ob eine echte Lücke vorliegt (BGE 143 III 385 E. 4.3 S. 392). 3.2. Art. 2 Abs. 3bis Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall in der vom 17. März 2020 bis zum 16. September 2020 gültig gewesenen Fassung lautete wie folgt: "Selbstständigerwerbende im Sinne von Artikel 12 ATSG, die nicht unter Absatz 3 fallen, sind anspruchsberechtigt, wenn sie aufgrund der Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus einen erleiden und ihr für die Bemessung der Beiträge der AHV Einkommen für das Jahr 2019 zwischen 10 000 und 90 000 Franken liegt; [...]." Mit der Formulierung "anspruchsberechtigt, wenn [...] ihr Einkommen für das Jahr 2019 zwischen 10 000 und Fr. 90 000 Franken liegt" wird nach - 7 - dem Wortlaut der Bestimmung ein Einkommen im Jahr 2019 . Systematisch nimmt Art. 2 Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall eine Unterscheidung zwischen von den bundesrätlichen Massnahmen zur des Coronavirus aufgrund verordneter Betriebsschliessungen Betroffenen (Abs. 3) und indirekt Betroffenen wie dem (Abs. 3bis) vor, was angesichts der unterschiedlichen Schwere des Eingriffs als zulässig erscheint. Bei den direkt Betroffenen nach Abs. 3 verzichtete der Bundesrat, anders als bei den indirekt Betroffenen nach Abs. 3bis, auf das Erfordernis eines im Jahr 2019 erzielten , sondern beschränkte das Anspruchserfordernis auf das Erleiden Erwerbsausfalls ("Anspruchsberechtigt sind Selbstständigerwerbende [...], die aufgrund einer Massnahme nach Artikel 6 Absätze 1 und 2 der COVID-19-Verordnung 2 einen Erwerbsausfall erleiden"; Art. 2 Abs. 3 -19-Verordnung Erwerbsausfall). Diese gewollte und zulässige und damit die systematische Auslegung von Art. 2 Abs. 3bis -19-Verordnung Erwerbsausfall spricht ebenfalls für eine Beschränkung der Anspruchsberechtigung auf diejenigen Personen, welche im Jahr 2019 ein Einkommen zwischen Fr. 10'000 und Fr. 90'000 erzielt haben. Das Auslegungselement lässt aufgrund der aussergewöhnlichen der Entstehung der zu beurteilenden Verordnungsbestimmungen kein Schluss zu Gunsten oder zu Lasten einer Beschränkung auf Personen zu, welche im Jahr 2019 ein Einkommen zwischen Fr. 10'000 und Fr. 90'000 erzielt haben. Werden hingegen die seit dem vom 24. Juli 2020 aufgrund der fortdauernden raschen Entwicklung der Corona-Pandemie in Kraft getretenen Änderungen der Covid-19- Erwerbsausfall berücksichtigt, so ergibt sich aus Art. 2 Abs. 3bis Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall der mit Änderungen vom 4. 2020 rückwirkend per 17. September 2020 in Kraft getretenen Fassung (vgl. AS 4571, 4574), dass gemäss dessen lit. c neu auch ein Anspruch bestehen kann, "wenn die Tätigkeit nach dem Jahr 2019 aufgenommen wurde". Auch daraus ist zu schliessen, dass der Bundesrat für die Zeit vor dem 17. September 2020 Personen von der Anspruchsberechtigung wollte, welche im Jahr 2019 kein Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit erzielt hatten. Bei der Frage nach dem Sinn und Zweck der Bestimmungen ist schliesslich augenscheinlich, dass mit der der Anspruchsberechtigung auf Personen, die im Jahr 2019 ein aus selbständiger Erwerbstätigkeit erzielt hatten, bei der der Massnahmen im März 2020 einem möglichen Missbrauch werden sollte. Hierbei wären aufgrund der sehr kurzen Dauer einer Geschäftstätigkeit im Jahr 2020 bis zum Zeitpunkt des frühestmöglichen Bezugsbeginns am 17. März 2020 insbesondere Höhe und Bestand der von den potentiellen Gesuchstellern behaupteten Einkommen schwierig zu überprüfen gewesen. Auch die teleologische Auslegung spricht demnach gegen eine Ausdehnung des Kreises der Anspruchsberechtigten auf , welche erstmals 2020 ein Einkommen aus selbständiger erzielten. - 8 - 3.3. Nach dem Dargelegten ist die Regelung in Art. 2 Abs. 3bis Covid-19- Erwerbsausfall in der vom 17. März 2020 bis zum 16. September 2020 gültigen Fassung abschliessend und eine Verordnungslücke zu verneinen. Aufgrund der Schwierigkeiten einer verlässlichen Berechnung der Einkommen sowie des damit zusammenhängenden Missbrauchspotentials rechtfertigt sich zudem eine zwischen Personen, welche bereits 2019 selbständig waren und solchen, die erst 2020 erstmals einer selbständigen nachgegangen sind. Die Regelung in Art. 2 Abs. 3bis Covid-19- Erwerbsausfall führt somit nicht zu Ergebnissen, die sich mit den Verfassungsgrundsätzen des Willkürverbots und der Rechtsgleichheit schlechthin nicht vereinbaren liessen. 4. 4.1. Zusammenfassend verneinte die Beschwerdegegnerin einen Anspruch des Beschwerdeführers auf Erwerbsausfallentschädigung mangels eines im Jahr 2019 für die Bemessung der Beiträge der AHV massgebendem erzielten Einkommens für das Jahr 2019 zwischen Fr. 10'000 und Fr. 90'000 im Ergebnis zu Recht, weshalb die gegen den vom 24. Juli 2020 erhobene Beschwerde abzuweisen ist. 4.2. Mit Ausfällung dieses Urteils wird der Antrag, es sei festzustellen, dass bis zur Beilegung dieser Rechtsklärung keine weiteren Inkassoschritte für die ausstehenden Beiträge durchgeführt werden (Replik, Rechtsbegehren Ziff. 2), gegenstandlos. 5. 5.1. Das Verfahren vor dem kantonalen Versicherungsgericht ist in der Regel kostenlos. Einer Partei, die sich mutwillig oder leichtsinnig verhält, können jedoch eine Spruchgebühr und die Verfahrenskosten auferlegt werden (Art. 61 lit. a ATSG). Wie bereits mit instruktionsrichterlicher Verfügung vom 24. September 2020 in Aussicht gestellt, sind der Beschwerdegegnerin Verfahrenskosten im Umfang von Fr. 500.00 aufzuerlegen, nachdem diese trotz wiederholter entsprechender Ermahnungen in früheren Fällen, Androhung einer Kostenauferlegung für den Fall der erneuten unvollständiger Akten (Schreiben des Versicherungsgerichts vom 21. Oktober 2016 und 18. April 2017) und trotz diesbezüglicher in der Verfügung vom 19. August 2020 nicht sämtliche Akten und dadurch Mehraufwand verursacht hat. Das Gesuch des Beschwerdeführers um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung erweist sich damit als gegenstandslos. - 9 - 5.2. Dem Beschwerdeführer steht nach dem Ausgang des Verfahrens (Art. 61 lit. g ATSG) und der Beschwerdegegnerin aufgrund ihrer Stellung als (BGE 126 V 143) kein Anspruch auf zu. Das Versicherungsgericht erkennt: 1. Die Beschwerde wird abgewiesen. 2. Der Beschwerdegegnerin werden Verfahrenskosten von Fr. 500.00 . 3. Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen. Zustellung an: den Beschwerdeführer die Beschwerdegegnerin das Bundesamt für Sozialversicherungen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Zustellung beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht werden (Art. 82 ff. in Verbindung mit Art. 90 ff. BGG). Die Frist steht während folgender Zeiten still: vom Tag vor Ostern bis und mit dem siebten Tag nach Ostern, vom 15. Juli bis und mit 15. August sowie vom 18. Dezember bis und mit dem 2. Januar (Art. 46 BGG). Die Beschwerdeschrift ist dem Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, zuzustellen. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines Vertreters zu enthalten; der angefochtene Entscheid sowie die als angerufenen Urkunden sind beizulegen, soweit die Partei sie in hat (Art. 42 BGG). - 10 - Aarau, 20. November 2020 Versicherungsgericht des Kantons Aargau 4. Kammer Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: Roth Zürcher
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AG_VSG_002
AG_VSG
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Northwestern_Switzerland
AG_VSG_002_-Sozialversicherungs_2020-11-20
https://www.ag.ch/media/kanton_aargau/jb/dokumente_6/gesetze___entscheide/gesetze_2/sozialversicherungsrecht/Entscheid_des_Versicherungsgerichts_vom_20._November_2020.pdf
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2009 Versicherungsgericht 81 [...] 17 Art. 19 BVG Hinterlassenenrente der beruflichen Vorsorge. Anrechnung von Konkubi- nats- und Ehejahren zur Beurteilung des Leistungsanspruches. Ausle- gung des Pensionskassenreglements nach dem objektiven Erklärungsge- halt. 2009 Versicherungsgericht 82 Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 3. Kammer, vom 2. Dezem- ber 2008 in Sachen H.B. gegen Pensionskasse G. (VKL.2008.28). Aus den Erwägungen 2. Streitig ist, ob die Klägerin Anspruch auf eine Partnerrente im Todesfall der versicherten Person gemäss Art. 19 BVG und Art. 14 des Reglements der Beklagten, Ausgabe 2007, hat. (...) 2.2.1. Die Klägerin macht insbesondere geltend, die Dauer des vor der Ehe bestandenen Konkubinats sei an die Ehedauer anzurechnen. Dies im Sinne der durch die Reglementsänderung per 1. Januar 2007 er- wünschten Gleichstellung von Konkubinat und Ehe. Da die Klägerin seit 1987 bis zum Eheschluss im September 2005 im Konkubinat mit X. sel. gelebt habe, werde die geforderte Fünfjahresfrist bei Weitem erfüllt. Das Zusammenrechnen von Konkubinatsjahren mit Ehejahren ist in Art. 14 des Reglements nicht vorgesehen. Es fragt sich daher, wie die Reglementsbestimmung von den Versicherten in guten Treuen verstanden werden muss (Vertrauensprinzip, vgl. Erw. 2.1. vorstehend) und ob im Speziellen aus der Reglementsbestimmung auf die Möglichkeit der Anrechnung der Dauer des vor der Ehe gelebten Konkubinats geschlossen werden kann. 2.2.2. In Ziff. 14.1 des Reglements werden die drei verschiedenen Le- bensformen definiert, welche als Partnerschaft im Sinne des Regle- ments gelten. Ziff. 14.2 nennt sodann die Voraussetzungen des An- spruches auf eine Partnerrente. Es sind dies: die anspruchsberechtigte Person muss Partner der verstorbenen, aktiv versicherten Person gewesen sein, die anspruchsberechtigte Person muss mindestens 45- jährig sein und die Partnerschaft muss mindestens fünf Jahre an- gedauert haben. In dieser Ziffer wird nicht mehr unterschieden zwi- schen Partnerschaft als Ehe, Konkubinat oder eingetragene Partner- schaft, sondern es werden einzig die Voraussetzungen "Partner" und 2009 Versicherungsgericht 83 "Partnerschaft" genannt. Was darunter zu verstehen ist, wird in Ziff.14.1 definiert. Der objektive Erklärungsgehalt dieser Bestim- mung lautet somit dahingehend, dass eine mindestens fünfjährige Partnerschaft im Sinne eines Zusammenlebens als Ehe und/oder Konkubinats und/oder eingetragenen Partnerschaft bestehen muss. (...) Dass sich die fünfjährige Dauer auf eine Kategorie von Ziff. 14.1 beschränken würde, wird weder ausdrücklich gesagt noch liegt dies im Wortsinn der Begriffe "Partner" bzw. "Partnerschaft". Hätte die Beklagte dies gewollt, hätte sie in Ziff. 14.2 des Reglements aus- führen müssen, Anspruch auf eine Partnerrente bestehe für Ehegatten nach einer fünfjährigen Ehedauer, bei Konkubinatspartnern nach ei- ner fünfjährigen Konkubinatsdauer und bei der eingetragenen Part- nerschaft frühestens fünf Jahre nach der Eintragung. Tatsächlich wurde Ziff. 14.2 des Reglements aber offen formuliert und nur die fünfjährige Partnerschaft genannt. Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck der per 1. Januar 2007 vorgenommenen Reglementsrevi- sion, mit welcher das Konkubinat und die eingetragene Partnerschaft der Ehe gleichgestellt werden sollten. Würde aber - wie dies die Be- klagte geltend macht - bei Ehegatten nur die Ehedauer angerechnet, würden Paare, die unterdessen geheiratetet haben, schlechter gestellt, als wenn sie das vorher gelebte Konkubinat weitergeführt hätten. Aus der angestrebten Gleichstellung der Konkubinatspartner würde damit eine Schlechterstellung der Ehepaare resultieren, was nicht Sinn und Zweck der Reglementsrevision gewesen sein kann. 2.2.3. Nach dem objektiven Erklärungsgehalt von Ziff. 14.2 des Re- glements ist somit die gesamte Dauer der Partnerschaft gemäss Ziff. 14.1, unabhängig davon, ob in der Form der Ehe oder des Konku- binats gelebt, anzurechnen. Soweit die Beklagte einwendet, das Kon- kubinat dürfe ohnehin nur berücksichtigt werden, wenn es ihr gemel- det und eingetragen worden sei, ist zu beachten, dass die Vor- aussetzung der Meldung und Eintragung des Konkubinats erst seit 1. Januar 2007 vorgesehen ist. Die Klägerin bzw. ihr Partner hatten gar keinen Anlass zu dieser Meldung/Eintragung, da sie im damaligen Zeitpunkt nicht mehr im Konkubinat lebten, sondern verheiratet waren. Die Klägerin und X. sel. hatten somit weder zeitlich noch 2009 Versicherungsgericht 84 sachlich Anlass bzw. die Möglichkeit, ihr Konkubinat eintragen zu lassen. Deswegen aber das vor Eheschluss über Jahre gelebte Konkubinat nicht zu berücksichtigen, wäre rechtsmissbräuchlich. Die Beklagte legte in ihrem Reglement im übrigen weder bei Ziff. 14 noch in den Übergangsbestimmungen fest, ob in der anrechenbaren Konkubinatsdauer auch die Zeit vor 1. Januar 2007 Berücksichtigung findet. In Ermangelung einer entsprechenden Regelung und ausge- hend vom Reglementswortlaut, welcher von einem gemeinsamen Haushalt von ,,mindestens 5 Jahre(n)" spricht und demnach auch ,,alte" Konkubinatsverhälltnisse mitumfasst, ist dies zu bejahen.
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AG_VSG_001
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AG_VSG_001_AGVE-2009-17_2008-12-03
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2014 Sozialversicherungsrecht 49 6 Art 78 und 23 ATSG; Art. 9 BV Anwendungsfall der Verantwortlichkeit nach Art. 78 ATSG: 2014 Obergericht, Abteilung Versicherungsgericht 50 Widerrechtlichkeit des Handelns des Versicherungsträgers (IV-Stelle) gegeben aufgrund eines Verstosses gegen Art. 23 Abs. 2 ATSG (Akzeptie- ren eines nichtigen Verzichts der versicherten Person auf IV-Leistungen) und gegen Art. 9 BV (Verletzung des Vertrauensschutzprinzips). Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 1. Kammer, vom 20. Mai 2014 i.S. Y.C. gegen Ausgleichskasse A, IV-Stelle (VBE.2013.475). Aus den Erwägungen 2. 2.1. Nach Art. 78 Abs. 1 ATSG haften für Schäden, die von Durchführungsorganen oder einzelnen Funktionären von Versiche- rungsträgern einer versicherten Person oder Dritten widerrechtlich zugefügt wurden, die öffentlichen Körperschaften, privaten Trägeror- ganisationen oder Versicherungsträger, die für diese Organe verant- wortlich sind. Art. 78 Abs. 1 ATSG stellt eine Kausalhaftung dar und setzt folglich kein Verschulden eines Organs der Versicherungseinrichtung voraus (BGE 133 V 14 E. 7 S. 18). Vorausgesetzt ist demgegenüber, dass ein Schaden vorliegt, den ein Beamter in Ausübung seiner amtlichen Tätigkeit Dritten widerrechtlich zufügt (Art. 78 Abs. 4 ATSG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 des Verantwortlichkeitsgesetzes). Das in Art. 78 ATSG vorgesehene Haftungssystem kommt jedoch erst dann zur Anwendung, wenn das (sozialversicherungsrechtliche) Verwal- tungsverfahren bzw. das gerichtliche Anfechtungsverfahren die Schä- digung nicht abwenden konnte (subsidiäre Haftungsnorm; BGE 133 V 14 E. 5 S. 17; U ELI K IESER , ATSG-Kommentar, 2. Aufl. 2009, N. 3 zu Art. 78 ATSG). 2014 Sozialversicherungsrecht 51 2.2. - 2.3. (...) 3. (...) 4. Zunächst ist die erste Voraussetzung einer Verantwortlichkeit nach Art. 78 ATSG zu prüfen: die Widerrechtlichkeit. Eine solche könnte einerseits in der Verletzung von Art. 23 ATSG liegen, indem die Beschwerdegegnerin den von der Beschwerdeführerin erklärten Rückzug des IV-Gesuches trotz dessen Nichtigkeit bestätigte. Andererseits fällt eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben im öffentlichen Recht (Art. 9 der BV) in Betracht, indem die Beschwerdegegnerin in ihrem Schreiben vom 25. Oktober 2012 eine falsche Auskunft erteilt haben könnte. 4.1. 4.1.1. Nach Art. 23 Abs. 1 ATSG kann die berechtigte Person auf Versicherungsleistungen verzichten. Sie kann den Verzicht jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen. Verzicht und Widerruf sind schriftlich zu erklären. Verzicht und Widerruf sind nichtig, wenn die schutzwürdigen Interessen von andern Personen, von Versicherungen oder Fürsorgestellen beeinträchtigt werden oder wenn damit eine Umgehung gesetzlicher Vorschriften bezweckt wird (Art. 23 Abs. 2 ATSG). Rechtsprechungsgemäss setzt die Zulässigkeit eines Ver- zichts zudem ein schutzwürdiges Interesse der berechtigten Person voraus (Urteil des Bundesgerichts 9C_576/2010 vom 26. April 2011 E. 4.3.2 mit Hinweis auf das Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts H 234/04 E. 6.2.2; U RS M ÜLLER , Das Verwaltungsverfahren in der Invalidenversicherung, 2010, N. 2406). 4.1.2. Vorliegend hatte die Z Versicherung ein schützenswertes Inte- resse daran, dass die Versicherte ihr Leistungsgesuch nicht zurück- zieht. Denn sie leistete bisher aufgrund des Ereignisses vom 29. Oktober 2010 Krankentaggelder und hat bei der Beschwerde- gegnerin einen Verrechnungsantrag gestellt. Sollte sich nach erfolgter Rentenprüfung ergeben, dass die Versicherte Anspruch auf eine Invalidenrente hat, könnte die Z Versicherung gemäss Art. 22 Abs. 2 2014 Obergericht, Abteilung Versicherungsgericht 52 lit. b ATSG i.V.m. Art. 85 bis IVV die Nachzahlung dieser Rente bis zur Höhe ihrer Vorschussleistung fordern (vgl. BGE 133 V 14 E. 8.4 S. 21). Mit dem Rückzug der Anmeldung durch die Versicherte entgeht der Z Versicherung die Möglichkeit, von der Beschwerde- gegnerin bei einer allfällig zugesprochenen Invalidenrente Nachzah- lungen zu verlangen. Die Beschwerdegegnerin wusste von den Inte- ressen der Z Versicherung. Denn in einem Telefonat vom 18. Sep- tember 2012 teilte die Z Versicherung der Beschwerdegegnerin mit, dass ein Verrechnungsantrag vorliege und sie nicht bereit sei, auf ihre Forderungen zu verzichten. Daraufhin forderte die Z Versicherung die Beschwerdeführerin auf, ihren Rückzug der Anmeldung zu widerrufen, was diese mit Schreiben vom 22. September 2012 auch tat. In diesem Schreiben weist die Beschwerdeführerin die Be- schwerdegegnerin ausdrücklich auf das Gespräch mit der Z Ver- sicherung hin. Weiter ist aus den Akten ersichtlich, dass am 25. Oktober 2012 - dem Tag, an welchem die Beschwerdegegnerin die Beschwerdeführerin in einem Schreiben darauf hinwies, dass der Rückzug der Anmeldung keine Interessen der Taggeldversicherung tangiere - ein Telefonat zwischen der Z Versicherung und der Beschwerdegegnerin geführt wurde. Hierbei erklärte die Z Ver- sicherung, dass sie mit dem Vorgehen der Beschwerdegegnerin nicht einverstanden sei und dass sie dieses als Schikane betrachte. Die Beschwerdegegnerin wusste, dass die Z Versicherung ein erhebliches Interesse finanzieller Art an der Rentenüberprüfung hatte. Dem Rückzug des IV-Gesuchs stand somit das schutzwürdige Interesse der Z Versicherung entgegen, weshalb sich als Rechtsfolge gemäss Art. 23 Abs. 2 ATSG die Nichtigkeit des "Verzichts" beziehungswei- se des Rückzugs der Anmeldung ergibt. Die Beschwerdegegnerin bringt hiergegen vor, dass ein schutz- würdiges Interesse Dritter einzig in jenen Fällen gegeben sei, in wel- chen der Dritte aufgrund des Verzichtes leistungspflichtig wird. Die- ser Ansicht ist nicht beizupflichten. So handelt es sich sowohl im Falle, wo ein Dritter aufgrund des Verzichts leistungspflichtig wird, wie auch in der Konstellation, in welcher der Dritte bereits leistungs- pflichtig ist, aufgrund des Verzichtes jedoch den Anspruch auf Ver- rechnung beziehungsweise Nachforderung verliert, jeweils um schüt- 2014 Sozialversicherungsrecht 53 zenswerte vermögensrechtliche Interessen Dritter. Es besteht kein Grund, diese beiden Konstellationen unterschiedlich zu behandeln. In diesem Sinne äussert sich denn auch das Kreisschreiben über das Verfahren in der Invalidenversicherung (KSVI, Stand 1. Januar 2014), welches die Interessen von Versicherungen als schutzwürdig im Sinne von Art. 23 ATSG erachtet, ohne dabei zu unterscheiden, ob die Versicherung erst aufgrund des Verzichtes leistungspflichtig wird oder ob sie aufgrund des Verzichtes ihren allfälligen Verrechnungs- anspruch verliert (Rz. 1024.1; vgl. ferner U RS M ÜLLER , a.a.O., Rz. 2399). Nach dem Gesagten steht somit fest, dass die Beschwerde- gegnerin aufgrund entgegenstehender schutzwürdiger finanzieller Interessen Dritter in widerrechtlicher Weise den Rückzug der Anmeldung bestätigt hat und somit gegen Art. 23 ATSG verstossen hat. 4.2. 4.2.1. Gemäss Art. 9 BV hat jede Person Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behan- delt zu werden. Dieser Grundsatz gebietet ein loyales und vertrauens- würdiges Verhalten im Rechtsverkehr (H ÄFELIN /M ÜLLER /U HL - MANN , Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl., 2010, N. 622). (...) 4.2.2. Der Versicherungsträger ist gemäss Art. 27 Abs. 1 ATSG ver- pflichtet, im Rahmen seines Zuständigkeitsbereichs die interessierten Personen über ihre Rechte und Pflichten aufzuklären. Der Versiche- rungsträger ist daher unter anderem verpflichtet, die interessierten Personen auf die Folgen eines Leistungsverzichtes hinzuweisen (U ELI K IESER , a.a.O., N. 25 zu Art. 27 ATSG). Wird die Beratungs- pflicht nicht oder ungenügend wahrgenommen, kommt dies einer falsch erteilten Auskunft des Versicherungsträgers gleich, und es hat dafür der Versicherungsträger in Nachachtung des Vertrauensprinzips einzustehen (U ELI K IESER , a.a.O., N. 27 zu Art. 27; vgl. weiter D ERSELBE , Haftung der Sozialversicherungsträger nach Art. 78 2014 Obergericht, Abteilung Versicherungsgericht 54 ATSG, in: Ueli Kieser [Hrsg.], Sozialversicherungsrechtstagung 2013, S. 125). 4.2.3. Der Beschwerdegegnerin war bekannt, dass die Z Versicherung gegen den Verzicht auf Leistungen der Beschwerdeführerin mehr- mals opponierte und ein finanzielles Interesse an der Weiterführung des IV-Verfahrens hatte (...). Trotz Kenntnis dieser Ausgangslage beschied die Beschwerdegegnerin der Beschwerdeführerin im Schreiben vom 25. Oktober 2012, dass ein Rückzug ihrer Anmel- dung keine Interessen der Taggeldversicherung tangiere. Mit dieser Aussage hat die Beschwerdegegnerin eine Vertrauensgrundlage geschaffen. Die Aussage hat bei der Beschwerdeführerin das Ver- trauen erweckt, dass der Rückzug ihrer Anmeldung die Interessen der Z Versicherung nicht beeinträchtige und sie daher ohne Folgen auf ihr IV-Gesuch zurückkommen könne. Die Beschwerdegegnerin war denn auch dafür zuständig, über die Interessen anderer Ver- sicherungen Aussagen zu machen. So hat sie, wie gesehen, gemäss Art. 23 ATSG entgegenstehende Interesse zu prüfen, welche sie - trotz Kenntnis der Interessen der Z Versicherung - verneinte. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Beschwerdegegnerin nicht zuständig sei, wäre die Unzuständigkeit der Beschwerdegegnerin für die damals nicht vertretene Beschwerdeführerin nicht offensichtlich gewesen. Insbesondere aufgrund der konkreten Umstände konnte es sich für die Beschwerdeführerin nicht um eine offensichtlich falsche Auskunft einer unzuständigen Behörde handeln: Denn die Be- schwerdeführerin teilte der Beschwerdegegnerin mit, dass sie auf Druck der Z Versicherung ihren erstmaligen Rückzug der IV-An- meldung widerrief. Wenn nun die Beschwerdegegnerin eine solche Mitteilung - in Kenntnis der gegensätzlichen Interessen der Z Ver- sicherung - erliess, durfte die Beschwerdeführerin zumindest davon ausgehen, dass die Interessenlage zwischen den Versicherungen geklärt sei und ihr aus dem Rückzug des IV-Gesuches keine Nach- teile entstehen würden. Im Vertrauen auf die Auskunft der Beschwer- degegnerin, wonach die Beschwerdeführerin aus einem Rückzug der Anmeldung keine Interessen der Taggeldversicherung beeinträchtige, kam letztere mit Schreiben vom 15. November 2012 auf den 2014 Sozialversicherungsrecht 55 Widerruf des Rückzugs des IV-Gesuches zurück. Damit hat die Beschwerdegegnerin gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossen, was ebenfalls die Widerrechtlichkeit begründet. 4.3. Nach dem Gesagten steht somit fest, dass die Beschwerde- gegnerin in widerrechtlicher Weise, indem sie den Verzicht der Be- schwerdeführerin auf IV-Leistungen als zulässig erachtete, gegen Art. 23 ATSG und, indem sie die Beschwerdeführerin in ihrem Schreiben vom 25. Oktober 2012 - trotz Kenntnis der wider- sprechenden Interessen der Z Versicherung - im Glauben liess, ihr Rückzug der Anmeldung würde die Interessen der Taggeldversiche- rung nicht beeinträchtigen, gegen Art. 9 BV verstossen hat. 5. Zu prüfen ist nun, ob der Beschwerdeführerin ein Schaden ent- standen ist und ob zwischen der widerrechtlichen Handlung der Be- schwerdegegnerin und dem eingetreten Schaden ein natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang besteht. Wie bereits gesehen ist ein- zig jener Schaden zu ersetzen, welcher ihr auch bei der Durchfüh- rung eines ordentlichen Anfechtungsverfahrens entstanden wäre (vgl. Erwägung 3 hiervor). Die Beschwerdeführerin macht Vertretungs- kosten von Fr. 4'004.65 als Schaden geltend. 5.1. Die Haftung setzt den Nachweis voraus, dass der natürliche so- wie der adäquate Kausalzusammenhang gegeben sind. Der adäquate Kausalzusammenhang ist gegeben, wenn die schädigende Handlung nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und nach den allgemeinen Lebenserfahrungen geeignet ist, den tatsächlich eingetretenen Erfolg herbeizuführen oder jedenfalls zu begünstigen. Dieser Kausalzusam- menhang kann durch ein Selbstverschulden der geschädigten Person, durch ein Drittverschulden oder durch höhere Gewalt unterbrochen werden (K IESER , a.a.O., N. 30 zu Art. 78 ATSG mit Hinweisen). Auf- grund der Subsidiarität der Haftung nach Art. 78 ATSG kann ein Selbstverschulden etwa darin bestehen, dass die versicherte Person ein ihr zustehendes Rechtsmittel gegen einen leistungsverweigernden Entscheid des Durchführungsorgans nicht ergreift (BGE 133 V 14 E. 5 S. 16, K IESER , a.a.O., N. 3 und N. 30 zu Art. 78 ATSG). 2014 Obergericht, Abteilung Versicherungsgericht 56 5.2. Nachdem die Beschwerdeführerin am 15. November 2012 ihren Widerruf des Verzichts widerrufen hat, teilte ihr die Z Versicherung am 13. beziehungsweise am 14. Dezember 2012 mit, dass sie infolge ihres Rückzuges der IV-Anmeldung ihre vertraglich und gesetzlich (Art. 61 VVG) obliegende Schadenminderungspflicht verletzt habe und sie daher Fr. 13'920.00 zurückfordere. Ob diese Forderung berechtigt ist, ist vorliegend nicht relevant. Entscheidend ist, dass sie für die nicht vertretene Beschwerdeführerin nicht offensichtlich un- rechtmässig war. Obwohl die Beschwerdegegnerin der Beschwerde- führerin bestätigte, dass ihr Verzicht auf Leistungen der IV keine Leistungen anderer Versicherer beeinträchtigte, sah sie sich einer Rückforderung von Fr. 13'920.00 gegenüber. Unter diesen Um- ständen sah sich die Beschwerdeführerin dazu veranlasst, professio- nelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, um die Z Versicherung dazu zu bringen, von dieser Rückforderung abzusehen. Sämtliche Kosten, welche der Beschwerdeführerin entstanden sind, um die Z Versiche- rung von dieser Rückforderung abzubringen, sind sowohl natürlich als auch adäquat kausal zur widerrechtlichen Handlung der Be- schwerdegegnerin. Denn hätte die Beschwerdegegnerin die Be- schwerdeführerin nicht im Glauben gelassen, dass ihr Rückzug keine Interessen anderer Taggeldversicherungen beeinträchtige, hätte letz- tere ihren Widerruf des Verzichts nicht widerrufen, womit die Z Versicherung keinen Anlass gehabt hätte, Schadenersatz aufgrund der Verletzung der Schadenminderungspflicht zu fordern. (...)
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AG_VSG_001_AGVE-2014-6_2014-05-01
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2009 Versicherungsgericht 71 [...] 13 Art. 25 und 53 Abs. 2 ATSG Rückforderung von Leistungen: Bei der Einstellung einer Zusatzrente zur Invalidenrente und auch im Rahmen der ordentlichen Rentenrevisionen besteht für die IV-Stelle kein Anlass, sämtliche Berechnungsfaktoren zu überprüfen. Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 1. Kammer, vom 3. März 2009 in Sachen N.G. gegen SVA Aargau (VBE.2008.111/VBE.2008.208). Aus den Erwägungen 2.5. Rückforderung Nach Art. 25 Abs. 1 ATSG sind unrechtmässig bezogene Leis- tungen grundsätzlich zurückzuerstatten. Die Rückforderung zu Un- recht ausbezahlter Leistungen ist nur zulässig, wenn die Vorausset- zungen der Wiedererwägung oder der prozessualen Revision der ursprünglichen Verfügung (oder der formlosen Leistungszuspre- chung) erfüllt sind (BGE 129 V 110 Erw. 1.1. mit Hinweisen). Dies gilt auch unter der Herrschaft des Art. 25 ATSG, der an die Stelle der spezialgesetzlichen Rückerstattungsnormen getreten ist (vgl. BGE 130 V 319 Erw. 5.2 mit Hinweisen). 2.5.1. Nach Art. 53 Abs. 2 ATSG kann der Versicherungsträger auf formell rechtskräftige Verfügungen oder Einspracheentscheide zu- rückkommen, wenn diese zweifellos unrichtig sind und wenn ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist (Wiedererwägung). Dass die Leistungsausrichtung zweifellos unrichtig war, ist aufgrund der 2009 Versicherungsgericht 72 obigen Erwägungen offensichtlich. Zur Thematik der Erheblichkeit der Berichtigung der zweifellos unrichtigen Leistungsausrichtung lässt sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts eine allge- mein gültige betragliche Grenze nicht festlegen. Vielmehr sind die gesamten Umstände des Einzelfalles massgebend, wozu auch die Zeitspanne gehört, welche seit der zu Unrecht erfolgten Leistungsge- währung verstrichen ist. Weiter ist die Höhe des unrechtmässig ausbezahlten Betrages insofern von Bedeutung, als das Interesse der Verwaltung an der richtigen Durchführung des objektiven Rechts in der Regel umso weniger ins Gewicht fällt, je geringer die zu Unrecht ausgerichteten Leistungen sind (ZAK 1989 S. 518). Da in der Praxis bereits Beträge von Fr. 4'812.30 (Urteil des Bundesgericht vom 25. Januar 2006, C 264/05), von 3'160.30 (Urteil vom 25. März 2008 des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen, AVI 2007/99) sowie von Fr. 2'313.50 (Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 9. Januar 2007, S 06/98) als erheblich betrachtet wurden, ist der vorliegende Betrag von Fr. 50'622.-- offensichtlich als erheblich zu betrachten, womit die Voraussetzungen für eine Wie- dererwägung erfüllt sind. 2.5.2. Art. 25 Abs. 2 ATSG sieht vor, dass der Rückforderungsan- spruch mit Ablauf eines Jahres nachdem die Versicherungseinrich- tung davon Kenntnis erhalten hat, erlischt. Bei der einjährigen Frist gemäss Art. 25 Abs. 2 ATSG handelt es sich um eine Verwirkungs- frist. Gemäss Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsge- richts gilt dabei nicht der Zeitpunkt in dem der Fehler gemacht wird als fristauslösend, sondern der Zeitpunkt in dem die Verwaltung un- ter Anrechnung der ihr zumutbaren Aufmerksamkeit den Fehler hätte erkennen müssen; wobei das EVG nicht das erstmalige unrichtige Handeln der Verwaltung als fristauslösend hat genügen lassen. Viel- mehr stellte es auf jenen Tag ab, an dem sich die Amtsstelle später unter Anwendung der ihr zumutbaren Aufmerksamkeit über ihren Fehler hätte Rechenschaft ablegen müssen (vgl. Urteil des Verwal- tungsgerichts des Kantons Graubünden vom 16. Januar 2007, S 06/126 Erw. 3a mit Hinweisen). 2009 Versicherungsgericht 73 Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Beschwerdegegne- rin hätte den Fehler spätestens bemerken müssen, als die Kinderrente wegfiel, da sie sich mit dem Dossier habe auseinandersetzen müssen, womit die Rückforderung verspätet sei. Wie schon ausgeführt beträgt die Kinderrente nach Art. 35 ter AHVG 40 Prozent der dem mass- gebenden durchschnittlichen Jahreseinkommen entsprechenden Al- tersrente. So besteht bei Einstellen dieser Rente für die Verwaltung kein Anlass die Rentenberechnung zu überprüfen oder sich mit dem Dossier der versicherten Person auseinanderzusetzen. Der Einwand der Beschwerdeführerin geht daher fehl. Anlässlich der 4. IV-Revi- sion waren alle ganzen Renten bei einem Invaliditätsgrad unter 70% innerhalb eines Jahres nach dem Inkrafttreten dieser Gesetzesände- rung einer Revision zu unterziehen. Da der Invaliditätsgrad der Be- schwerdeführerin jedoch bei 100% liegt, bestand dazu keine Ver- anlassung. Schliesslich wendet die Beschwerdeführerin ein, die Be- schwerdegegnerin hätte den Fehler bei zumutbarer Aufmerksamkeit bei der ersten ordentlichen Rentenrevision im Jahre 2005/2006 er- kennen können. Bei der Rentenrevision wird lediglich überprüft, ob sich der Gesundheitszustand oder die Einkommensverhältnisse ver- ändert haben. Werden keine derartigen Veränderungen festgestellt, so besteht keine Veranlassung die Invaliditätsgradberechnung zu über- prüfen und ebenso wenig die Berechnung der Renten. Die Be- schwerdegegnerin musste sich erst wieder bei Eintritt des AHV-Al- ters des Ehemannes der Beschwerdeführerin mit der Rentenberech- nung auseinandersetzten. Dabei hat sie dann auch den begangenen Fehler bemerkt und korrigiert, was zur Rückforderung führte. Diese erfolgte innert Jahresfrist, womit die Rückforderung nicht verspätet war.
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2009 Versicherungsgericht 67 12 Art. 8 und 13 IVG Die Kreisschreiben des Bundesamtes für Sozialversicherungen stellen Ausführungsvorschriften dar, welche sich an die Durchführungsstellen richten; für das Versicherungsgericht sind sie nicht verbindlich. Bei der Beurteilung eines Leistungsanspruches ist zentral auf die medizinischen Unterlagen abzustellen. Den Berichten eines Hausarztes oder behandelnden Facharztes von vornherein jede Glaubwürdigkeit abzusprechen, ist willkürlich. Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 1. Kammer, vom 8. Septem- ber 2009 in Sachen S.F. gegen SVA Aargau (VBE.2009.74). Aus den Erwägungen 2. 2.1. Die Leistungspflicht bei verschiedenen Arten von Massnahmen hat das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) im Kreisschrei- ben über die medizinischen Eingliederungsmassnahmen der Invali- denversicherung (KSME) näher umschrieben. (...) 2.2. Verwaltungsweisungen des BSV sind keine eigenen Rechtsre- geln, sondern stellen nur eine Konkretisierung und Umschreibung der gesetzlichen und verordnungsmässigen Bestimmung dar. Es han- delt sich hierbei um Vorgaben an die Vollzugsorgane der Versiche- rung über die Art und Weise, wie diese ihre Befugnisse auszuüben haben. Als solche stellen Verwaltungsweisungen den Standpunkt der Verwaltung über die Anwendung der Rechtsregeln dar und dienen im Rahmen der fachlichen Aufsicht des BSV einer einheitlichen Rechts- 2009 Versicherungsgericht 68 anwendung, um eine Gleichbehandlung der Versicherten, aber auch die verwaltungsmässige Praktikabilität zu gewährleisten (BGE 129 V 204 Erw. 3 mit Hinw.; ZAK 1987 S. 581). Deshalb richten sich sol- che Ausführungsvorschriften rechtsprechungsgemäss nur an die Durchführungsstellen; für das Versicherungsgericht sind sie nicht verbindlich. Dieses soll sie bei seiner Entscheidung aber berücksich- tigen, sofern sie eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werden- de Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulas- sen. Das Gericht weicht folglich nicht ohne triftigen Grund von Ver- waltungsweisungen ab, wenn diese eine überzeugende Konkretisie- rung der rechtlichen Vorgaben darstellen. Insofern wird dem Bestre- ben der Verwaltung, durch interne Weisungen eine rechtsgleiche Ge- setzesanwendung zu gewährleisten Rechnung getragen (BGE 131 V 45 Erw. 2.3, 130 V 172 Erw. 4.3.1, 129 V 204 Erw. 3.2, 127 V 61 Erw. 3a, 126 V 68 Erw. 4b, 427 Erw. 5a). (...) 3.4. 3.4.1. Dem Argument der Beschwerdegegnerin, da die Lokomatthera- pie bereits eine physiotherapeutische Behandlung darstelle, sei kein Grund ersichtlich, im selben Bereich nochmals Kostengutsprache zu leisten, kann nicht gefolgt werden. Vielmehr liegen Umstände vor, welche eine erneute Verlängerung der Übernahme der Physiothera- piekosten durch die Beschwerdegegnerin infolge Geburtsgebrechens Nr. 390 rechtfertigen. Wie den medizinischen Berichten zu entneh- men ist, ist die Beschwerdeführerin ein mehrfach behindertes Kind. Prof. Dr. med. B. begründet ausführlich, dass mit den unterschiedli- chen Therapien verschiedene Defizite behandelt würden. Die Physio- therapie diene der Bewegungsbehandlung, dem Muskeltraining und behandle Gelenkkontrakturen. Hingegen werde mittels des Lokomat- trainings versucht, der Beschwerdeführerin eine geeignete Gangme- chanik anzuschulen. Der Arzt führt sodann aus, es sei aus medizini- scher Sicht nicht erwiesen, dass ein Lokomattraining nur bei mindes- tens drei Mal wöchentlichen Sitzungen einen Therapieerfolg ver- zeichnete. Nachvollziehbar legt der Arzt dar, Therapie sei nicht The- rapie, diese verfolgten vielmehr differenzierte Ziele. Diese Beur- 2009 Versicherungsgericht 69 teilung wird durch Dr. med. M. gestützt, welcher ausführt, die Loko- mattherapie sei ergänzend zur Physio- und Ergotherapie zu verord- nen. Zudem legte die behandelnde Physiotherapeutin ihre Wahrneh- mungen in begründeter und nachvollziehbarer Weise dar und erläu- terte zukünftige Therapieziele. Weiter bestehen auch keine Anhalts- punkte an der Einfachheit und Zweckmässigkeit der Therapie zu zweifeln, kann doch die Physiotherapie nicht durch das Lokomat- training ersetzt werden. Schliesslich steht dieser Auffassung kein wi- dersprechendes ärztliches Gutachten gegenüber. Die RAD-Ärztin G. begründete in ihrer Stellungnahme vom 18. September 2008 weder schlüssig noch nachvollziehbar, weshalb eine parallele Therapie nicht zweckmässig sei. Die Frage, ob überhaupt die Voraussetzungen für ein Aktengutachten vorgelegen haben, kann somit offen bleiben, da diese Stellungnahme die bundesgerichtlichen Anforderungen nicht erfüllt. Der Bericht von Prof. Dr. med. B. erfolgte in Kenntnis der me- dizinischen Akten. Sodann ist er nachvollziehbar und schlüssig, wes- halb ihm voller Beweiswert zukommt. Den Berichten eines Hausarz- tes oder behandelnden Facharztes kann nicht von vornherein jede Glaubwürdigkeit abgesprochen werden. Ein solches Vorurteil ist vielmehr offensichtlich willkürlich. Freilich trifft es zu, dass das Eid- genössische Versicherungsgericht (EVG, heute: Bundesgericht) in mehreren Entscheiden festgehalten hat, dass der Richter in Bezug auf Berichte von Haus- oder behandelnden Ärzten der Erfahrungstatsa- che Rechnung tragen dürfe und solle, dass diese Ärzte mitunter im Hinblick auf ihre auftragsrechtliche Vertrauensstellung in Zweifels- fällen eher zu Gunsten ihrer Patienten aussagen würden (BGE 125 V 351 Erw. 3b/cc mit Hinw.). Dieser Satz darf jedoch nicht so ver- standen werden, dass das Gericht solchen Berichten in jedem Fall misstrauen soll. Das Bundesgericht hat denn auch seine Aussage in dem Sinne relativiert, indem es festhielt, der Richter könne ebenso gut auf die speziellen, etwa dank der langjährigen Betreuung nur einem Hausarzt zugänglichen Kenntnisse des Gesundheitszustandes abstellen (vgl. Urteil des BGer vom 11. Juni 1997 [I 255/96] und Urteil vom 21. Dezember 2005 [4P 254.2005], Erw. 4.2). 2009 Versicherungsgericht 70 Unter diesem Gesichtspunkt erweist sich die Physiotherapie in Kumulation mit weiteren Therapien (Ergo-, Hippo- und Lokomatthe- rapie) nicht nur als zweckmässig, sondern auch als geeignetes und in diesem Sinne als einfaches Mittel. (...) 3.5. 3.5.1. Wie in Erw. 2.4 hievor festgehalten, zählt die Lokomattherapie zu den physiotherapeutischen Behandlungen. Nach den Ausführun- gen im KSME (insbesondere Ziffer 390.9) sind jeweils zwanzig Sit- zungen mit einer Behandlungsfrequenz von mindestens drei Sitzun- gen pro Woche zu verfügen. Dieser Regelung kann jedoch keine in jedem Fall abschliessende Bedeutung zukommen, da eine absolut verstandene zeitliche Limitierung den normativen Anspruchsvoraus- setzungen widerspräche, wonach sich die Behandlungsdauer nach den Grundsätzen der Notwendigkeit, Zweckmässigkeit und Einfach- heit richtet (Art. 2 Abs. 3 GgV). Vielmehr bleibt es der richterlichen Prüfung vorbehalten, ob im konkreten Einzelfall ausnahmsweise auch eine Behandlungsfrequenz von ein bis zwei Sitzungen pro Woche das therapeutische Ziel noch auf eine einfache und zweck- mässige Weise anstrebt (vgl. Erw. 2.2 hievor). 3.5.2. Prof. Dr. med. B. äusserte sich bereits mit Schreiben vom 27. Oktober 2008 erstaunt darüber, dass die Kosten für ein Lokomat- training nur ab einer Behandlungsfrequenz von mindestens drei Sit- zungen pro Woche übernommen würden. Er fügte am 16. März 2009 an, diese Regelung sei für ihn nicht nachvollziehbar. Da sich bei der Beschwerdeführerin eine Gehfähigkeit anbahne, sei das Lokomattrai- ning sinnvoll. Auch das BSV schreibt, die Kosten könnten für 20 Einheiten Gangtherapie mit dem Lokomat übernommen werden. Dass diese auf drei wöchentliche Sitzungen zu verteilen sind, geht aus dem Schreiben vom 9. Juli 2008 nicht hervor. 3.5.3. Unter diesen besonderen Umständen ist die Lokomattherapie auch bei zweimaliger Behandlung pro Woche als notwendige, den therapeutischen Erfolg in einfacher und zweckmässiger Weise anzu- 2009 Versicherungsgericht 71 strebende Vorkehr zu betrachten und von der Invalidenversicherung zu übernehmen. Indem die Beschwerdeführerin in der Reha Klinik Rheinfelden die Therapie absolviert, verletzt sie nicht - wie von der Beschwerdegegnerin behauptet - ihre Schadensminderungspflicht. Vielmehr kommt sie dieser nach, da die Fahrtkosten zu einer entfern- ten Klinik ebenfalls von der Invalidenversicherung zu übernehmen wären.
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Microsoft Word - 00698125.docx Versicherungsgericht 2. Kammer VBE.2020.457 / sb / ce Art. 225 Urteil vom 23. November 2020 Besetzung Oberrichterin Peterhans, Präsidentin Oberrichterin Schircks Denzler Oberrichterin Gössi Gerichtsschreiber Berner Beschwerde- führerin A. _ Beschwerde- gegnerin SVA Aargau, Ausgleichskasse, Kyburgerstrasse 15, 5001 Aarau 1 Gegenstand Beschwerdeverfahren betreffend EO (Einspracheentscheid vom 7. August 2020) - 2 - Das Versicherungsgericht entnimmt den Akten: 1. Die Beschwerdeführerin ist als selbständigerwerbende dipl. FH in eigener Praxis tätig. Am 23. April 2020 (Posteingang bei der ) meldete sie sich bei der Beschwerdegegnerin zum von Leistungen basierend auf der Verordnung vom 20. März 2020 über Massnahmen bei Erwerbsausfall im Zusammenhang mit dem Coronavirus (Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall) an. Mit Verfügung vom 2. Mai 2020 verneinte die Beschwerdegegnerin einen Anspruch der auf eine "Corona-Erwerbsersatzentschädigung". Die hiergegen am 17. Mai 2020 erhobene Einsprache wies sie mit Einspracheentscheid vom 7. August 2020 ab. 2. 2.1. Mit fristgerechter Beschwerde vom 12. September 2020 gegen den vom 7. August 2020 erneuerte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen sinngemäss ihr Leistungsbegehren. 2.2. Mit Vernehmlassung vom 5. Oktober 2020 beantragte die die Abweisung der Beschwerde. Die Beschwerdeführerin hielt mit weiteren Eingabe vom 12. Oktober 2020 im Wesentlichen an ihrem und dessen Begründung fest. Das Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. In ihrem Einspracheentscheid vom 7. August 2020 ( [VB] 5; vgl. auch die Verfügung der Beschwerdegegnerin vom 2. Mai 2020 in VB 2) hielt die Beschwerdegegnerin im Wesentlichen fest, dass die im Gesundheitswesen tätige Beschwerdeführerin nicht von der aufgrund der Covid-19-Pandemie bundesrätlich angeordneten Schliessung diverser öffentlicher Einrichtungen direkt betroffen gewesen sei. Ferner liege das hier zu berücksichtigende Einkommen der Beschwerdeführerin oberhalb der – für indirekt Betroffene relevanten – oberen Einkommensgrenze von Fr. 90'000.00. Diese habe daher keinen Entschädigungsanspruch gemäss Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall. Die Beschwerdeführerin bringt dagegen zusammengefasst sinngemäss vor, die Ausübung ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit sei nicht mehr gewesen, weshalb ihr Entschädigungsanspruch ausgewiesen sei. werde sie – falls man von bloss indirekter Betroffenheit ausginge – durch die Einkommensgrenze von Fr. 90'000.00 im Vergleich mit anderen - 3 - Selbständigerwerbenden oder den Unselbständigerwerbenden in nicht haltbarer Weise rechtsungleich behandelt. Damit ist streitig und nachfolgend zu prüfen, ob die Beschwerdegegnerin mit dem angefochtenen Einspracheentscheid vom 7. August 2020 zu Recht einen Entschädigungsanspruch der Beschwerdeführerin gemäss -Verordnung Erwerbsausfall verneint hat. 2. 2.1. Der Bundesrat hat am 20. März 2020 die Covid-19-Verordnung erlassen (AS 2020 871, rückwirkend in Kraft getreten auf den 17. März 2020) und in der Folge mehrfach rückwirkend angepasst. Gemäss Art. 2 Abs. 1 lit. d i.V.m. Art. 2 Abs. 1bis lit. c und Art. 2 Abs. 3 Covid-19- Erwerbsausfall in der vom 17. März 2020 (vgl. AS 2020 1257) bis zum 16. September 2020 (vgl. AS 2020 3705) gültigen Fassung haben Selbständigerwerbende im Sinne von Art. 12 ATSG Anspruch auf eine , die aufgrund einer Massnahme nach Art. 6 Abs. 1 und 2 der Verordnung 2 vom 13. März 2020 über die Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (Covid-19-Verordnung 2 [SR 818.101.24); aufgehoben mit Inkrafttreten der Verordnung 3 über die Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus [Covid-19-Verordnung 3; SR 818.101.24] am 22. Juni 2020 [vgl. AS 2020 2195]) in der jeweils massgeblichen Fassung einen erleiden und im Sinne des AHVG obligatorisch versichert sind. 2.2. Selbständigerwerbende im Sinne von Art. 12 ATSG, die nicht unter Art. 2 Abs. 3 COVID-19-Verordnung Erwerbsausfall fallen, sind , wenn sie aufgrund der bundesrätlichen Massnahmen zur des Coronavirus einen Erwerbsausfall erleiden und ihr für die der Beiträge der AHV massgebendes Einkommen für das Jahr 2019 zwischen Fr. 10'000.00 und Fr. 90'000.00 liegt (Art. 2 Abs. 3bis Covid- Erwerbsausfall in der vom 17. März 2020 [vgl. AS 2020 1257] bis zum 16. September 2020 [vgl. AS 2020 3705] in Kraft gestandenen Fassung). Für die Berechnung des massgebenden Einkommens für das Jahr 2019 gilt Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall sinngemäss. Dieser sieht in seiner vom 17. März 2020 (vgl. AS 2020 2223) bis zum 16. September 2020 (vgl. AS 2020 3705) gültigen Fassung vor, dass nach der Festlegung der Entschädigung eine Neuberechnung nur werden kann, wenn eine aktuellere Steuerveranlagung bis zum 16. September 2020 der anspruchsberechtigten Person zugestellt wird und diese den Antrag zur Neuberechnung bis zu diesem Datum einreicht. - 4 - 3. 3.1. Die Beschwerdegegnerin geht davon aus, dass die Tätigkeit der als dipl. Ergotherapeutin FH nicht unter Art. 2 Abs. 3 Covid- Erwerbsausfall fällt, sondern vielmehr Art. 2 Abs. 3bis Covid- Erwerbsausfall anwendbar ist (indirekte Betroffenheit). Die macht demgegenüber hauptsächlich geltend, sie sei von den bundesrätlich angeordneten Massnahmen direkt betroffen gewesen, womit der Anwendungsbereich von Art. 2 Abs. 3 Covid-19-Verordnung eröffnet sei. 3.2. Art. 2 Abs. 3 Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall setzt beim eine Betroffenheit von einer Massnahme nach Art. 6 Abs. 1 und 2 Covid-19-Verordnung 2 voraus (vgl. vorne E. 2.1.). Nachdem der anfänglich einzig Massnahmen Veranstaltungen betreffend ergriffen hatte (vgl. Art. 6 Abs. 1 und 2 Covid-19-Verordnung 2 in ihrer zwischen dem 13. und dem 16. März 2020 geltenden Fassung [AS 2020 773]), am 17. März 2020 öffentlich zugängliche Einrichtungen wie namentlich Betriebe mit personenbezogenen Dienstleistungen mit Körperkontakt für das Publikum geschlossen (vgl. Art. 6 Abs. 2 lit. e i.V.m. Art. 12 Abs. 6 -19-Verordnung 2 in ihrer ab dem 17. März 2020 geltenden Fassung [AS 2020 783]). Davon ausgenommen waren nach Art. 6 Abs. 3 lit. m -19-Verordnung 2 Gesundheitseinrichtungen wie Spitäler, Kliniken und Arztpraxen sowie Praxen und Einrichtungen von nach Bundesrecht und kantonalem Recht. Nach Art. 10a Abs. 2 -Verordnung 2 mussten jedoch Gesundheitseinrichtungen wie Spitäler und Kliniken, Arztpraxen und Zahnarztpraxen auf nicht dringend medizinische Eingriffe und Therapien verzichten. Gestützt auf diese Bestimmung hielt das Bundesamt für Gesundheit (BAG) in seinen zur Covid-19-Verordnung 2 (einsehbar auf <www.bag.admin.ch> unter der Rubrik Krankheiten / Infektionskrankheiten: Ausbrüche, , Pandemien / Aktuelle Ausbrüche und Epidemien / Coronavirus / und Verordnungen; zuletzt besucht am 5. November 2020) fest, dass Gesundheitsfachpersonen im Sinne von Art. 6 Abs. 3 lit. m Covid-19-Verordnung 2 nur ärztlich verordnete (S. 8 der ab dem 18. März 2020 gültigen Fassung 3 der Erläuterungen) respektive aus medizinischer Sicht dringende Behandlungen und Therapien (S. 9 der ab dem 21. März 2020 gültigen Fassung 5a der Erläuterungen) durchführen dürfen. Diese Einschränkung entfiel am 22. April 2020 wieder (vgl. S. 22 der ab dem 22. April 2020 gültigen Fassung 15a der Erläuterungen). Mit den vom 29. April 2020 wurden schliesslich personenbezogene mit Körperkontakt von der angeordneten Betriebsschliessung ausgenommen, sofern ein Schutzkonzept nach Art. 6a Covid-19- 2 vorgesehen und umgesetzt wird (vgl. Art. 6 Abs. 3 lit. d in seiner - 5 - ab dem 11. Mai 2020 gültigen Fassung [AS 2020 1401]). Mit weiteren vom 27. Mai 2020 wurde die Schliessung sodann per 6. Juni 2020 grundsätzlich aufgehoben, wobei Art. 6a Abs. 1 lit. d Covid-19- 2 für öffentlich zugängliche Einrichtungen und Betriebe wie Gesundheitseinrichtungen wie Spitäler, Kliniken und Arztpraxen sowie Praxen und Einrichtungen von Gesundheitsfachpersonen nach und kantonalem Recht weiterhin ein Schutzkonzept nach Art. 6d Covid-19-Verordnung 2 vorschrieb (vgl. AS 2020 1815). 3.3. Die Beschwerdeführerin ist dipl. Ergotherapeutin FH. Gestützt auf Art. 2 Abs. 1 lit. c des Bundesgesetzes über die Gesundheitsberufe (GesBG), worin die Gesundheitsberufe aufgelistet werden, sowie auf § 10 Abs. 1 lit. d der Verordnung des Kantons Aargau über die Berufe, Organisationen und Betriebe im Gesundheitswesen (VBOB; SAR 311.121 [Erfordernis einer Berufsausübungsbewilligung für die fachlich selbständige Ausübung Berufe]) ist sie daher als Gesundheitsfachperson nach beziehungsweise nach kantonalem Recht im Sinne von Art. 6 Abs. 3 lit. m Covid-19-Verordnung 2 zu qualifizieren. Sie war damit von der ab dem 17. März 2020 geltenden Schliessung öffentlich zugänglicher ausgenommen und folglich insoweit nicht direkt betroffen. Die bringt diesbezüglich vor, alle ihre Patienten gehörten in die Gruppe der nicht dringlichen Behandlungen, die Verordnung habe ihr ihre "Arbeit verboten" (vgl. Beschwerdeschrift) beziehungsweise sie habe aufgrund ihrer Klientel ab dem 17. März 2020 "de facto" schliessen ; sie habe 100 % ihrer Klienten absagen müssen (Eingabe vom 12. 2020). Diese Argumentation erscheint zwar aus subjektiver Sicht und auch angesichts der persönlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin durchaus verständlich. Dennoch wäre es ihr – anders als sogenannten Dienstleistern – theoretisch erlaubt gewesen, auch ab dem 17. März 2020 auf ärztliche Verordnung hin jedenfalls dringende durchzuführen. Folglich war sie rechtlich gesehen nicht verpflichtet, ihren Betrieb zu schliessen. Ein Entschädigungsanspruch nach Art. 2 Abs. 3 Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall fällt deswegen ausser . 4. 4.1. Es verbleibt damit die Prüfung eines möglichen Anspruchs für indirekt Selbständigerwerbende nach Art. 2 Abs. 3bis Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall. Die Beschwerdegegnerin begründet ihre Verneinung eines solchen damit, dass das beitragspflichtige Einkommen der aus selbständiger Erwerbstätigkeit gemäss Akontorechnung vom 30. Januar 2019 im Jahr 2019 Fr. 154'800.00 (vgl. VB 8) betragen habe, - 6 - was über der von Art. 2 Abs. 3bis Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall oberen Einkommensgrenze von Fr. 90'000.00 liege (vgl. den vom 7. August 2020 in VB 5, S. 2). 4.2. Zwischen den Parteien ist unumstritten, dass das nach Art. 2 Abs. 3bis -19-Verordnung Erwerbsausfall im Hinblick auf die Einkommensgrenzen von Fr. 90'000.00 massgebende AHV-Einkommen des Jahres 2019 mehr als Fr. 90'000.00 beträgt, was nach Lage der Akten denn auch zu keinen Weiterungen Anlass gibt. Es liegt damit über dem anspruchsbegründenden Einkommensbereich von Fr. 10'000.00 bis Fr. 90'000.00, womit kein nach Art. 2 Abs. 3bis Covid-19-Verordnung besteht. Entgegen der Beschwerdeführerin ist darin kein Verstoss gegen das Gleichbehandlungsgebot von Art. 8 BV zu erblicken. So haben die von Art. 2 Abs. 3 Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall erfassten von den bundesrätlichen Massnahmen direkt betroffenen – objektiv gesehen – wesentlich gravierendere ihrer Arbeitstätigkeit zu gewärtigen, als die von Art. 2 Abs. 3bis -Verordnung Erwerbsausfall erfassten indirekt betroffenen, womit Sachverhalte vorliegen, was die in masslicher Hinsicht ausgestalteten Entschädigungsfolgen für diese beiden Gruppen Selbständigerwerbender hinreichend objektiv zu begründen vermag (vgl. hierzu RAINER J. SCHWEIZER, in Ehrenzeller et al. [Hrsg.], Die Bundesverfassung – St. Galler Kommentar, 3. Aufl. 2014, N. 21 zu Art. 8 BV mit Hinweisen). Ähnliches gilt hinsichtlich der – nicht erst der Folgen von Covid-19 wegen eingeführten, jedoch vom Bundesrat mit der Verordnung über im Bereich der Arbeitslosenversicherung im Zusammenhang mit dem Coronavirus (Covid-19) vom 20. März 2020 (Covid-19-Verordnung [SR 837.033]) punktuell angepassten – gemäss Art. 31 ff. AVIG. So gilt zum einen entgegen der der Beschwerdeführerin auch für angestellte Erwerbstätige des für die Bemessung des Entschädigungsanspruchs Verdiensts ein Höchstbetrag (Fr. 148'200.00; vgl. Art. 34 Abs. 2 i.V.m. Art. 3 AVIG und Art.22 Abs. 1 UVV) und die Entschädigungsquote beläuft sich ebenfalls nicht auf 100 %, sondern bloss auf 80 % (Art. 34 Abs. 1 AVIG). Zum anderen dient das seit langem bestehende Institut der Kurzarbeitsentschädigung neben der Verhinderung des Eintritts von Ganzarbeitslosigkeit generell der Erhaltung von Arbeitsplätzen eines intakten Produktionsapparates über die Zeit der hinweg (vgl. BARBARA KUPFER BUCHER, Rechtsprechung des zum Sozialversicherungsrecht, Bundesgesetz über die Arbeitslosenversicherung und Insolvenzentschädigung, 5. Aufl. - 7 - 2019, S. 256 mit Hinweisen). Sie ist damit mit dem aufgrund der Covid- sehr kurzfristig eingeführten Institut von Art. 2 Abs. 3 und Abs. 3bis Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall nicht direkt vergleichbar, weshalb eine unterschiedliche Entschädigungsordnung nicht mit Art. 8 BV im Konflikt steht (vgl. zum Ganzen SCHWEIZER, a.a.O., N. 19 ff. zu Art. 8 BV mit Hinweisen). 5. 5.1. Nach dem Dargelegten ist die Beschwerdeführerin rechtlich gesehen als direkt Betroffene zu qualifizieren noch erfüllt sie – aufgrund der Höhe des Einkommens im Jahr 2019 – die Voraussetzungen für eine indirekt Betroffener. Somit ist die Beschwerde . 5.2. Das Verfahren ist kostenlos (Art. 61 lit. a ATSG). 5.3. Der Beschwerdeführerin steht nach dem Ausgang des Verfahrens (Art. 61 lit. g ATSG) und der Beschwerdegegnerin aufgrund ihrer Stellung als (BGE 126 V 143 E. 4 S. 149 ff.) kein Anspruch auf Parteientschädigung zu. Das Versicherungsgericht erkennt: 1. Die Beschwerde wird abgewiesen. 2. Es werden keine Verfahrenskosten erhoben. 3. Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen. Zustellung an: die Beschwerdeführerin die Beschwerdegegnerin das Bundesamt für Sozialversicherungen - 8 - Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Zustellung beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht werden (Art. 82 ff. in Verbindung mit Art. 90 ff. BGG). Die Frist steht während folgender Zeiten still: vom Tag vor Ostern bis und mit dem siebten Tag nach Ostern, vom 15. Juli bis und mit 15. August sowie vom 18. Dezember bis und mit dem 2. Januar (Art. 46 BGG). Die Beschwerdeschrift ist dem Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, zuzustellen. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines Vertreters zu enthalten; der angefochtene Entscheid sowie die als angerufenen Urkunden sind beizulegen, soweit die Partei sie in hat (Art. 42 BGG). Aarau, 23. November 2020 Versicherungsgericht des Kantons Aargau 2. Kammer Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber: Peterhans Berner
3,453
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AG_VSG_002
AG_VSG
AG
Northwestern_Switzerland
AG_VSG_002_-Sozialversicherungs_2020-11-23
https://www.ag.ch/media/kanton_aargau/jb/dokumente_6/gesetze___entscheide/gesetze_2/sozialversicherungsrecht/Entscheid_des_Versicherungsgerichts_vom_23._November_2020.pdf
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2005 Versicherungsgericht 89 21 § 32 Abs. 2 EG KVG, Art. 12 Abs. 3 KVG Die Krankentaggeldversicherungen nach VVG sind als Zusatzver- sicherungen zur obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu werten und gehören als solche in den Zuständigkeitsbereich des Versicherungs- gerichts. Praxisänderung. Aus dem Beschluss des Versicherungsgerichts, 4. Kammer, vom 20. September 2005 in Sachen L.G. gegen Krankenkasse H. Aus den Erwägungen 3.2. Gemäss bisheriger Praxis des Versicherungsgerichts war für Klagen betreffend Krankentaggeldversicherungen nach VVG nicht das Versicherungsgericht, sondern das Zivilgericht zuständig (vgl. publizierter Fall in AGVE 2001 103 f. mit Hinweisen). Begründet wurde diese Praxis insbesondere damit, dass es sich bei der Taggeld- versicherung nach VVG um ein rein privatrechtliches Rechtsverhält- nis und nicht um eine Sozialversicherung handle. Im 2. Titel des KVG würden die Zusatzversicherungen zur obligatorischen Kran- kenpflegeversicherung aufgelistet und im 3. Titel die freiwillige Taggeldversicherung nach KVG geregelt; darin nirgends geregelt seien die weitergehenden Taggeldversicherungen (nach VVG), wes- halb diese auch nicht als Zusatzversicherung zur sozialen Kranken- versicherung gelten könnten. 3.3. An dieser Praxis kann aus folgenden Gründen nicht mehr festgehalten werden: 3.3.1 (...) Um den Bedürfnissen von Versicherern und Versiche- rungsnehmern, insbesondere dem Interesse der Versicherten, ihren Verdienstausfall bei einer Krankheit oder Mutterschaft über eine längere Zeit und in einem höheren Ausmass zu decken, als dies die 2005 Versicherungsgericht 90 Taggeldversicherung nach KVG vorsieht, gerecht zu werden, bieten die dazu zugelassenen Versicherungsgesellschaften Krankentaggeld- versicherungen nach VVG an. Diese Taggeldversicherung beruht auf dem Grundsatz der Vertragsfreiheit und erlaubt daher im Rahmen des VVG einen grossen Gestaltungsfreiraum, so im Besonderen im Be- reich der Versicherungsvorbehalte und der Vertragsfreiheit, der Prä- miengestaltung, des Versicherungsfalles, etc. Mit der privatrechtli- chen Krankentaggeldversicherung, die eine eigenständige Versiche- rung darstellt, können die Bedürfnisse nach einer eigentlichen Absicherung des Erwerbsausfalles in Folge von Krankheit, Mutter- schaft und subsidiär Unfall abgedeckt werden, für die die soziale Krankenversicherung mit ihrer Ausgestaltung im KVG nur eine ungenügende Deckung gewährleistet (vgl. dazu Gebhard Eugster, Zum Leistungsrecht der Taggeldversicherung nach KVG, in: Jean- Louis Duc [Hrsg.], LAMal-KVG, Lausanne 1997, S. 509 f.; Alfred Maurer, Das neue Krankenversicherungsrecht, Basel 1996, S. 110). Entsprechend oft sind Erwerbstätige daher sowohl über ihren Arbeit- geber einer Taggeldversicherung nach KVG unterstellt als auch pri- vat mit einer Krankentaggeldversicherung nach VVG abgedeckt. Die Taggeldversicherung nach VVG ist entgegen der bisherigen Auffas- sung somit als Ergänzung der sozialen Krankenversicherung im Be- reich des Erwerbsausfalles, mithin als Zusatzversicherung zur sozia- len Krankenversicherung zu bezeichnen. 3.3.2 (...) Sowohl bei den Taggeldversicherungen nach KVG als auch den Krankentaggeldversicherungen nach VVG geht es aber in aller Regel um sehr ähnliche respektive die gleichen Rechtsfragen, so beispielsweise um die Beurteilung der (Rest-) Arbeitsfähigkeit. Nicht zuletzt um die Einheit der Rechtsprechung im Taggeld- versicherungsbereich zu gewährleisten, rechtfertigt es sich deshalb, die bisherige Praxis des Versicherungsgerichts zu ändern und die sachliche Zuständigkeit für die Krankentaggeldversicherungen nach VVG zu bejahen. 4. Es gilt demnach festzuhalten, dass die Krankentaggeld- versicherungen nach VVG als Zusatzversicherungen zur obligatori- schen Krankenpflegeversicherung zu werten sind und als solche in 2005 Versicherungsgericht 91 den Zuständigkeitsbereich des Versicherungsgerichts gehören (§ 32 Abs. 2 EG KVG).
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AG_VSG
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AG_VSG_001_AGVE-2005-21_2005-09-04
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2,017
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2017 Sozialversicherungsrecht 63 [...] 9 Art. 51 Abs. 1 lit. a, Art. 52 Abs. 1 AVIG; Art. 5 Abs. 2 AHVG; Art. 7 AHVV Fällt ein Arbeitgeber nach einer ordentlichen Kündigung, infolge welcher der Arbeitnehmer seine Restferien bezieht, in Konkurs, besteht Anspruch 2017 Obergericht, Abteilung Versicherungsgericht 64 auf Insolvenzentschädigung bis zur Eröffnung des Konkurses. Ferienzu- schläge sind dabei nur Bestandteil der Insolvenzentschädigung, wenn bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis eine Abgeltung hierfür erwartet wer- den könnte. Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 4. Kammer, vom 28. Februar 2017, i.S. O.K. gegen Öffentliche Arbeitslosenkasse (VBE.2016.647). Aus den Erwägungen 2. 2.1. Gemäss Art. 51 Abs. 1 AVIG haben beitragspflichtige Arbeit- nehmer von Arbeitgebern, die in der Schweiz der Zwangsvoll- streckung unterliegen oder in der Schweiz Arbeitnehmer beschäfti- gen, unter anderem dann Anspruch auf Insolvenzentschädigung, wenn gegen ihren Arbeitgeber der Konkurs eröffnet wird und ihnen in diesem Zeitpunkt Lohnforderungen zustehen (lit. a). Die Insol- venzentschädigung deckt Lohnforderungen für die letzten vier Monate des Arbeitsverhältnisses, für jeden Monat jedoch nur bis zum Höchstbetrag nach Art. 3 Abs. 2 AVIG. Als Lohn gelten auch die ge- schuldeten Zulagen (Art. 52 Abs. 1 AVIG). 2.2. Die Insolvenzentschädigung ist eine Lohnausfallversicherung bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Sie setzt eine Lohnforde- rung der versicherten Person gegenüber dem insolventen Arbeitgeber voraus, wobei die effektiven Lohnansprüche vom Versicherten zumindest glaubhaft zu machen sind (Art. 74 AVIV). Unter Lohnforderung im Sinne von Art. 52 Abs. 1 AVIG ist grundsätzlich der massgebende Lohn gemäss Art. 5 Abs. 2 AHVG zu verstehen, einschliesslich der geschuldeten Zulagen. Als zweiseitiger Vertrag verpflichtet der Arbeitsvertrag den Arbeitnehmer zur Leistung von Arbeit und den Arbeitgeber zur Entrichtung eines Lohnes. Die Rechtsfolge besteht aus arbeitslosenversicherungsrechtlicher Sicht darin, dass die Lohnforderung grundsätzlich an die Leistung von Ar- 2017 Sozialversicherungsrecht 65 beit gebunden ist. Der Schutzzweck der Insolvenzentschädigung er- streckt sich daher nur auf tatsächlich geleistete, aber nicht entlöhnte Arbeit. Dem Tatbestand der geleisteten Arbeit sind diejenigen Fälle gleichgestellt, in denen der Arbeitnehmer nur wegen Annahmever- zugs des Arbeitgebers im Sinne von Art. 324 OR keine Arbeit leisten konnte sowie diejenigen, in deren fraglicher Zeitspanne der Arbeit- nehmer Ferien und Feiertage bezog, sofern eine Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers besteht (T HOMAS N USSBAUMER , Arbeitslosenver- sicherung, in: Schweizerisches Bundessozialversicherungsrecht (SBVR), Soziale Sicherheit, Bd. XIV, 3. Aufl. 2016, S. 2453 Rz. 620 mit Hinweisen; Rz. A5 der AVIG-Praxis zur Insolvenzentschädigung (AVIG-Praxis IE) des Staatssekretariats für Wirtschaft (seco), in der ab 1. Januar 2017 gültigen Version; vgl. analog Urteil des Eidge- nössischen Versicherungsgerichts C 162/06 vom 27. Februar 2007 E. 3.3). Ansprüche, die der Arbeitgeber gerade wegen der Beendi- gung des Arbeitsverhältnisses schuldet, sind hingegen nicht von der Insolvenzentschädigung erfasst (N USSBAUMER , a.a.O., S. 2452 f. Rz. 620). Mit Blick auf den Schutzzweck hat die Insolvenzentschädigung diejenigen ausstehenden Forderungen des (ehemaligen) Arbeitneh- mers zu decken, welche erwartungsgemäss bei Fortbestand des Ar- beitsverhältnisses in den letzten vier Monaten gemäss Art. 52 Abs. 1 AVIG vom zahlungsunfähigen Arbeitgeber beglichen worden wären. Mit anderen Worten besteht der Sinn der Insolvenzentschädigung da- rin, der versicherten Person jene Lohnsumme sicherzustellen, mit der sie in den letzten vier Monaten des Arbeitsverhältnisses vor Eröff- nung des Konkurses über den Arbeitgeber rechnen durfte (BGE 137 V 96 E. 6.2 S. 100 mit Hinweisen). Massgebender Stichtag ist dabei das Datum des Konkurserkenntnisses nach Art. 175 Abs. 2 SchKG. Besteht in diesem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis noch, ist vom be- treffenden Datum aus zurückzurechnen, wobei dieses nicht mitgerechnet wird (N USSBAUMER , a.a.O., S. 2455 Rz. 625 f.; K UPFER B UCHER , Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozial- versicherungsrecht, Bundesgesetz über die obligatorische Arbeits- losenversicherung und Insolvenzentschädigung, 4. Aufl. 2013, S. 248). 2017 Obergericht, Abteilung Versicherungsgericht 66 3. 3.1. Den Akten ist zu entnehmen, dass dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 12. April 2016 infolge struktureller Anpassungen per 30. Juni 2016 ordentlich gekündigt wurde (...). Der Beschwerdefüh- rer hielt daraufhin mit Schreiben vom 19. April 2016 fest, gemäss der mündlichen Besprechung werde er vom 13. April 2016 bis und mit 7. Juni 2016 seine Restferien aus dem Jahr 2015 sowie Ferien- tage aus dem Jahr 2016 beziehen (...). Am 24. Mai 2016 wurde über die Arbeitgeberin des Beschwerdeführers, X. AG, Z., der Konkurs eröffnet (...), sodass der Beschwerdeführer am 1. Juni 2016 einen Antrag auf Insolvenzentschädigung stellte (...). Dabei gab er an, sei- nen letzten Lohn am 29. März 2016 erhalten zu haben (...). 3.2. Im Zeitpunkt der Konkurseröffnung am 24. Mai 2016 bestand das Arbeitsverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Arbeitgeberin X. AG noch und hätte bei Nichteintreten des Kon- kurses bis 30. Juni 2016 fortbestanden. Der letzte geleistete Arbeits- tag des Beschwerdeführers war zwar effektiv der 12. April 2016 (...). Erwartungsgemäss hätte der Beschwerdeführer bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses jedoch mindestens bis zur Eröffnung des Konkurses am 24. Mai 2016 während seiner bezogenen Ferien einen effektiven Lohnanspruch gegenüber seiner Arbeitgeberin gehabt. Es handelt sich entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin im vorliegenden Fall weder um nicht bezogene Ferien bzw. Ferienan- sprüche nach einer Freistellung bei vorzeitiger (gegenseitiger) Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch um eine fristlose Ent- lassung. Die Verweise der Beschwerdegegnerin auf die Bundesge- richtsentscheide BGE 121 V 381 E. 2b, C 167/99 vom 13. Januar 2000 sowie C 54/93 vom 3. August 1994 sind somit unbeachtlich. Der Beschwerdeführer stand mindestens bis zur Konkurseröffnung am 24. Mai 2016 immer noch in einem bestehenden Arbeitsverhält- nis, welches weder vom Beschwerdeführer noch von der Arbeitgebe- rin vorzeitig beendet wurde, womit es ihm nicht möglich oder zumutbar war, eine andere Arbeit anzunehmen. Daran ändert auch nichts, dass er in einem gekündigten Verhältnis stand (vgl. auch Ur- 2017 Sozialversicherungsrecht 67 teile des Eidgenössischen Versicherungsgerichts C 214-215/04 und 217-218/04 jeweils vom 15. April 2005 E. 5.1). Er war entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin nicht vermittlungsfähig. Dem Be- schwerdeführer ist folglich beizupflichten, dass er auch für die Zeit nach dem 12. April 2016 Anspruch auf eine Insolvenzentschädigung hat und zwar bis zur Konkurseröffnung am 24. Mai 2016. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die vier Monate ab diesem Zeitpunkt zurückzurechnen sind (E. 2.2.). 4. 4.1. Soweit die Beschwerdegegnerin dem Beschwerdeführer zudem einen "Anteil Ferien" für die Zeit von 13. bis 31. Dezember 2015 so- wie 1. Januar bis 12. April 2016 ausrichtete, ist festzuhalten, dass nur diejenigen ausstehenden Forderungen zu decken sind, auf dessen Auszahlung die versicherte Person bei Annahme eines fortbestehen- den Arbeitsverhältnisses und eines zahlungsfähigen Arbeitgebers be- rechtigte Aussichten hatte (E. 2.2.). Dazu gehört ein anteilsmässiger 13. Monatslohn, weil dieser pro rata temporis in Geld erworben wird, und die Arbeitnehmenden mit diesem normalerweise gegen Ende des Kalenderjahrs ausbezahlten Lohnanteil bereits anfangs Jahr rechnen können. Wie der 13. Monatslohn bilden auch die Ferien- und Über- stundenentschädigungen grundsätzlich einen Bestandteil des massge- benden Lohnes gemäss Art. 5 Abs. 2 AHVG i.V.m. Art. 7 AHVV. Al- lerdings sind Entschädigungen für noch nicht bezogene Ferien von ehemals im Monatslohn angestellt gewesenen Personen, welche keine Ferienlohnzuschläge beziehen dürfen und dementsprechend bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis auch keine Abgeltung der Ferien durch Geldleistungen erwarten können (Art. 329d Abs. 2 OR), nicht von der Insolvenzentschädigung gedeckt (BGE 137 V 96 E. 6.4 S. 102). Der Abgeltungsanspruch für nicht bezogene Ferien entsteht in diesem Fall erst, wenn diese nicht mehr in natura gewährt werden können (BGE 131 III 451 E. 2.2 S. 454), namentlich bei fristloser Auflösung des Arbeitsverhältnisses (BGE 137 V 96 E. 6.3.1 S. 102). 4.2. Dem Arbeitsvertrag des Beschwerdeführers ist zu entnehmen, dass er im Monatslohn zu 80 % angestellt war und Fr. 4'800.00 2017 Obergericht, Abteilung Versicherungsgericht 68 brutto zzgl. 13. Monatslohn erhielt (...). Nach Erhalt der ordentli- chen Kündigung per 30. Juni 2016 hielt der Beschwerdeführer mit Schreiben an seine Arbeitgeberin vom 19. April 2016 fest, er werde die Restferientage aus dem Jahr 2015 sowie die restlichen Ferientage aus dem Jahr 2016 vom 13. April bis und mit 7. Juni 2016 beziehen, sodass diese abgegolten seien (...). Anlässlich des Antrages auf eine Insolvenzentschädigung vom 1. Juni 2016 hielt der Beschwerdefüh- rer ebenfalls fest, vom 13. April bis 24. Mai (Konkurseröffnung) habe er Ferien bezogen (...). Bei Fortbestehen des Arbeitsverhält- nisses hätte er demnach keine Abgeltung erwarten dürfen, da er aus- weislich der Akten mangels fristloser Kündigung auch seine Rest- ferientage von 10.5 Tagen (...) in natura bezogen hätte (...). Da dem Beschwerdeführer für die Zeit seines Ferienbezuges nach dem 12. April 2016 eine Insolvenzentschädigung auszurichten ist (E. 3.2.), hat er neben seinem monatlichen Lohn und dem Anteil 13. Monatslohn folglich keinen zusätzlichen Anspruch auf einen aus- zugleichenden "Anteil Ferien". 4.3. Nach dem Dargelegten ergibt sich, dass der Beschwerdeführer Anspruch auf eine Insolvenzentschädigung bis zum massgebenden Stichtag der Konkurseröffnung am 24. Mai 2016 hat (E. 3.2.). Hier- von sind vier Monate zurückzurechnen, wobei der massgebende Stichtag nicht mitzuzählen ist. Bei Fortbestehen des Vertragsverhält- nisses wären die ausstehenden Ferientage sodann in natura abgegol- ten worden, sodass der Beschwerdeführer keine Abgeltung erwarten durfte, womit ihm kein "Anteil Ferien" auszurichten ist. Die Berech- nungen der Beschwerdegegnerin erweisen sich somit sowohl in der Dauer der ausgerichteten Insolvenzentschädigung als auch in deren Höhe als fehlerhaft. Die Sache ist deshalb an die Beschwerdegegne- rin zur Neuberechnung im Sinne der Erwägungen sowie zur neuen Entscheidung zurückzuweisen.
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AG_VSG
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Northwestern_Switzerland
AG_VSG_001_AGVE-2017-9_2017-02-04
http://agve.weblaw.ch/html//AGVE-2017-9.html
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2,007
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2007 Versicherungsgericht 59 13 Art. 6, 13, 16, 49 BVG; § 25 des Reglements der Aargauischen Pensions- kasse Obwohl im Obligatoriumsbereich der beruflichen Vorsorge eine Versiche- rungs- und damit Beitragspflicht bis zur Vollendung des 65. Altersjahres vorgesehen ist, ist es zulässig, reglementarisch das ordentliche Rentenal- ter auf 63 Jahre festzulegen und bei Weiterbeschäftigung des Versicher- ten den Arbeitgeber von der Beitragspflicht zu befreien. Dies sofern die reglementarischen Leistungen vor dem Günstigkeitsprinzip standhalten und die Leistungen nach BVG-Obligatorium übersteigen. Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 3. Kammer vom 18. Septem- ber 2007 in Sachen B.St. gegen Aargauische Pensionskasse APK und Kanton Aargau. Aus den Erwägungen 4.4. Die Versicherungsbedingungen der Aargauischen Pensionskasse APK (Beklagte 1) sehen für die Entstehung des Anspruchs auf Altersleistungen das vollendete 63. Altersjahr vor (§ 25 Abs. 2 VB). Ab diesem Zeitpunkt entfällt die Beitragspflicht (§ 25 Abs. 5 Satz 1 VB und § 2 Abs. 3 VB). Dementsprechend besteht eine Abweichung der reglementarischen von den gesetzlichen Bestimmungen. Wäh- rend Art. 13 Abs. 1 lit. a BVG das 65. Altersjahr für den Leistungsan- spruch festlegt und bis dahin Altersgutschriften in Lohnprozenten be- stimmt (Art. 16 BVG), sieht die Beklagte 1 als eine im Leistungspri- mat organisierte Vorsorgeeinrichtung die Ausrichtung einer vollen Altersrente und das Ende der Beitragszahlungen ab einem früheren Zeitpunkt vor. Zu prüfen ist daher, ob in den abweichenden Regle- mentsbestimmungen eine Gesetzverletzung zu erblicken ist. 2007 Versicherungsgericht 60 4.5. Gestützt auf § 25 VB ist die Finanzierung der Beklagten 1 auf das vollendete 63. Altersjahr ausgerichtet. In diesem Zeitpunkt ist das notwendige Deckungskapital zur Ausrichtung der vollen regle- mentarischen Altersleistung für die Versicherten geäufnet. Erfolgt nun kein Altersrücktritt im Alter von 63 Jahren, so werden keine weiteren Beiträge mehr abgeführt, da die maximale reglementarische Leistung bereits erreicht ist. Indes stellt sich die Frage, ob zumindest für den Obligatoriumsbereich das Altersguthaben entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen und abweichend vom Vorsorgeregle- ment weiter aufgebaut werden muss. Aufgrund des Charakters des BVG als Minimalgesetz mit Mindestvorschriften ist dies aber zu ver- neinen, solange die reglementarischen Leistungen vor dem Günstig- keitsprinzip standhalten und die Leistungen nach BVG-Obligatorium übersteigen (Art. 6 und 49 BVG). Es muss mittels Schattenrechnung ermittelt werden, ob das reglementarisch erworbene Altersguthaben höher als das BVG-Altersguthaben im Alter von 65 Jahren ist, wel- ches gestützt auf den gesetzlich koordinierten Lohn und unter Anwendung der in Art. 16 BVG enthaltenen Beitragsstaffelung er- zielt worden wäre (vgl. dazu ausführlich: Hans-Ulrich Stauffer, Obli- gatorium und Überobligatorium, in: Schaffhauser/Stauffer [Hrsg.], Berufliche Vorsorge 2006, Aktuelle Fragen, Lösungen und Perspekti- ven, St. Gallen 2006). Da vorliegend der Vergleich der reglementari- schen Altersleistungen im Alter von 63 Jahren mit den Leistungen gemäss BVG-Obligatorium im Alter von 65 Jahren deutlich höhere reglementarische Altersleistungen ergibt (vgl. Leistungsblatt per 30. November 2006 [Klageantwortbeilage 2 der Beklagten 1] sowie Berechnungsblatt der obligatorischen BVG-Altersleistungen [Klage- antwortbeilage 3 der Beklagten 1]), ist folglich in der Nichtentrich- tung von Beiträgen ab dem 63. Altersjahr keine Gesetzesverletzung zu erblicken. In Beachtung des Günstigkeitsprinzips und der Tatsa- che, dass die Vorsorgeeinrichtungen im Rahmen der BVG-Bestim- mungen in der Gestaltung der Leistungen, der Finanzierung und der Organisation frei sind (Art. 49 BVG), wird durch das Vorsorgeregle- ment der Beklagten 1 den Mindestvorschriften des BVG genüge ge- tan. Dafür spricht weiter, dass die Beklagte 1 als Leistungsprimats- 2007 Versicherungsgericht 61 kasse ihre Finanzierung auf das kollektive Äquivalenzprinzip aus- richtet. Somit entsprechen die Altersleistungen nicht notwendiger- weise den individuell geleisteten Beiträgen. Das Gleichgewicht zwi- schen Leistungen und Beiträgen wird vielmehr im Rahmen des jeweiligen versicherten Kollektivs hergestellt. Eine Weiterentrich- tung der Beiträge hätte keine höheren Altersleistungen zur Folge, sondern wäre als Solidaritätsleistung gegenüber jüngeren Versi- cherten zu betrachten. Unter diesem Blickwinkel macht eine regle- mentswidrige Weiterentrichtung der Beiträge für den Kläger keinen Sinn. Die von ihm vorgebrachte steuerliche Mehrbelastung wird durch den höheren Nettolohn ausgeglichen. Schliesslich stellt auch eine allfällige Steuerbegünstigung keine Leistung gemäss BVG dar, weshalb die entfallenden Abzüge nicht als Verstoss gegen das Obli- gatorium gewertet werden können (BGE 121 V 107 Erw. 4c). 4.6. Zusammengefasst hat der Beklagte 2 ab vollendetem 63. Alters- jahr des Klägers zu Recht keine BVG-Arbeitgeber- und Arbeitneh- merbeiträge an die Beklagte 1 entrichtet. Das Vorgehen der Beklag- ten erweist sich weder als willkürlich, noch als rechtswidrig.
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AG_VSG_001
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AG_VSG_001_AGVE-2007-13_2007-09-03
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2,011
de
2011 Versicherungsgericht 89 24 Art. 4 Abs. 3 FamZG; Art. 7, 8 FamZV; Art. 13 ATSG Ausbildungszulagen werden nur für Kinder mit Wohnsitz in der Schweiz erbracht. Der Wohnsitz definiert sich dabei nach zivilrechtlichen Grund- sätzen. Entgegen der Weisung des BSV darf nicht starr ab dem zweiten Ausbildungsjahr im Ausland auf eine Wohnsitznahme im Ausland ge- schlossen werden. Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 3. Kammer, vom 5. Juli 2011 in Sachen J.M. gegen SVA Aargau (VBE.2011.249). Aus den Erwägungen 1. 1.1. Seit Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Familienzulagen (FamZG) per 1. Januar 2009 sind die Grundsätze der Zulagenberech- tigung nicht mehr kantonal, sondern bundesrechtlich geregelt. Eben- falls anwendbar ist das Bundesgesetz über den allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; vgl. Art. 1 FamZG). 1.2. Die Familienzulagen umfassen die Kinderzulagen und die Aus- bildungszulagen (Art. 3 Abs. 1 FamZG). Ausbildungszulagen werden ab dem vollendeten 16. Altersjahr bis zum Abschluss der Ausbildung ausgerichtet, längstens jedoch bis zum Ende des Monats, in dem das 25. Altersjahr vollendet wird. Für im Ausland wohnhafte Kinder besteht ein Anspruch auf Zulagen längstens bis zur Vollendung des 16. Altersjahres (Art. 4 Abs. 3 FamZG i.V.m. Art. 7 Abs. 1 lit. d der Verordnung zum FamZG [FamZV]). 2011 Versicherungsgericht 90 2. 2.1. Der Beschwerdeführer bezog bis Ende 2010 Kinder- bzw. Aus- bildungszulagen für seine beiden Töchter J. und S. (geb. 1988). Beide begannen im September 2007 eine Ausbildung in den USA; zuerst an der Universität X., J. dann ab 2008 an der Universität Y. und S. an der Z. Universität. Die Beschwerdegegnerin kam zum Schluss, J. und S. hätten seit 1. Januar 2011 Wohnsitz in den USA, weshalb ab diesem Zeitpunkt kein Anspruch mehr auf Familienzula- gen bestehe. Sie stützte sich dabei auf die Wegleitung des Bundesam- tes für Sozialversicherungen (BSV) zum Bundesgesetz über die Fa- milienzulagen (FamZWL). Darin hält das BSV fest, für Kinder, die eine Ausbildung im Ausland absolvierten, welche länger als ein Jahr dauere, bestehe in der Regel ab Beginn des zweiten Jahres im Aus- land kein Anspruch auf Familienzulagen mehr (Rz. 301 FamZWL). Die Weisung wurde mit Geltung ab 1. Januar 2011 in die Wegleitung eingefügt. 2.2. In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Verwaltungsweisungen für den Sozialversicherungsrichter nicht verbindlich sind. Er soll sie bei seiner Entscheidung jedoch mit berücksichtigen, sofern sie eine dem Einzelfall angepasste und ge- recht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestim- mungen zulassen. Er weicht andererseits insoweit von Weisungen ab, als sie mit den anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen nicht vereinbar sind (BGE 126 V 64 E. 4b S. 68). 2.3. 2.3.1. Während Art. 4 Abs. 3 FamZG noch von im Ausland wohnhaf- ten Kindern spricht, konkretisiert dies Art. 7 und 8 FamZV als Wohn- sitz im Ausland. Eine Wohnsitzdefinition enthält das FamZG bzw. die FamZV nicht, jedoch das ATSG, welches durch den Verweis in Art. 1 FamZG lückenfüllend zur Anwendung gelangt. Gemäss Art. 13 Abs. 1 ATSG bestimmt sich der Wohnsitz einer Person nach den Art. 23 - 26 des Zivilgesetzbuches (ZGB). 2011 Versicherungsgericht 91 Weil Art. 13 Abs. 1 ATSG ausdrücklich auf die zivilrechtliche Regelung verweist, hat die Auslegung des Wohnsitzbegriffs nach zi- vilrechtlichen Grundsätzen (und nicht unter Berücksichtigung von sozialversicherungsrechtlichen Gesichtspunkten) zu erfolgen (U ELI K IESER , Kommentar zum ATSG, 2. Aufl. 2009, N. 8 zu Art. 13 ATSG). Damit ist die zu Art. 23 bis Art. 26 ZGB entwickelte Recht- sprechung massgebend für die Bestimmung des im Sozialversiche- rungsrecht massgebenden Wohnsitzes. Für die Begründung eines Wohnsitzes müssen somit zwei Merkmale erfüllt sein: ein objektives äusseres, der Aufenthalt, sowie ein subjektives inneres, die Absicht dauernden Verbleibens, wobei dieses letztgenannte Element aufgrund von erkennbaren Umständen objektiv bestimmt werden muss (K IESER , a.a.O., N. 8 zu Art. 13 ATSG mit Hinweisen). 2.3.2. Der Aufenthalt an einem Ort zum Zweck des Besuchs einer Lehranstalt begründet keinen Wohnsitz (Art. 26 ZGB). Diese Be- stimmung schliesst die Wohnsitznahme am Studienort zwar nicht aus, begründet aber eine widerlegbare Vermutung, der Lebensmittel- punkt der betreffenden Person sei nicht dorthin verlegt worden. So wird hinsichtlich des Aufenthaltsortes zu Studienzwecken angenom- men, dass Studenten, die regelmässig an den Wochenenden und in den Semesterferien zu ihren Eltern zurückkehren, den Wohnsitz der Eltern, bei denen sie früher gewohnt haben, beibehalten. Demgegen- über wird eine Wohnsitzverlegung an den Studienort bejaht, wenn zu diesem eine enge Beziehung besteht und Beziehungen zum bisheri- gen Wohnsitz stark gelockert sind; das kann sich insbesondere darin zeigen, dass der Student nur noch selten, namentlich auch nicht mehr in den Semesterferien, zu seinen Eltern zurückkehrt (Urteil des Bundesgerichts 2P.222/2006 vom 21. Februar 2007 E. 4.1. mit Hin- weisen). 2.4. 2.4.1. Nach dem Gesagten besteht im Falle von J. und S., welche beide von September 2007 bis Mai 2011 ein Studium in den USA ab- solvierten, die tatsächliche Vermutung, dass sie während ihrer Aus- bildungszeit keinen Wohnsitz in den USA begründet haben. Wie der 2011 Versicherungsgericht 92 Beschwerdeführer ausführt, verbrachten J. und S. ihre Semesterfe- rien, welche jeweils von Mai bis September dauerten, immer in der Schweiz. Auch in der übrigen Zeit reisten sie mehrmals pro Jahr in die Schweiz, da beide in der gleichen Sportart im Schweizer Na- tionalteam spielen und entsprechend für Trainings und Wettkämpfe anreisen mussten. Allein die Tatsache, dass Sportler in einem Natio- nalteam spielen, lässt allerdings keine Schlüsse auf den Wohnsitz zu, kommt es doch dabei allein auf die Staatsangehörigkeit an und werden die einzelnen Mitglieder des Teams nur sporadisch zusam- mengezogen. Dass J. und S. aber in den Semesterferien zu ihren El- tern in die Schweiz zurückkehrten und es deren Absicht war bzw. ist, die weitere Ausbildung nach Mai 2011 in der Schweiz zu absol- vieren, lässt auf eine enge und andauernde Bindung an die Schweiz schliessen. Es ist unter diesen Umständen davon auszugehen, dass sich die beiden insbesondere wegen der Möglichkeit, während vier Jahren in der amerikanischen College-Meisterschaft zu spielen, von 2007 bis 2011 in den USA aufhielten. Um dort zu spielen, bedarf es der Zugehörigkeit zu einer amerikanischen Universität, weshalb J. und S. eine entsprechende Ausbildung aufnahmen. Nach den vier Jahren, d.h. nach Ablauf der Spielberechtigung in den USA, reisten beide gemäss den Ausführungen des Beschwerdeführers in die Schweiz zurück, obwohl zumindest für J. der Studiengang noch bis Mai 2012 angedauert hätte. Zudem bewarben sie sich für das Winter- semester 2011 für ein Studium an einer Schweizer Hochschule bzw. Universität. In Würdigung der konkreten Tatsachen im Einzelfall ist davon auszugehen, dass die Absicht von J. und S. nicht darin bestand, in den USA ihren neuen Lebensmittelpunkt zu begründen oder dort engere Bindungen einzugehen. Vielmehr wurde der Auslandaufent- halt stets als befristet angesehen, zum Zweck der Ausbildung, und vor allem, um Sport und Ausbildung optimal zu kombinieren und sportlich zu profitieren. Ihre enge Beziehung zur Schweiz wurde während den vier Jahren nie wesentlich gelockert bzw. gar aufgelöst. 2.4.2. Gemäss den vorstehenden Erwägungen erweist sich die Wei- sung des BSV, wonach generell ab dem zweiten Ausbildungsjahr im 2011 Versicherungsgericht 93 Ausland von einer Wohnsitznahme im Ausland auszugehen ist, als zu starr bzw. insbesondere unter Miteinbezug von Art. 26 ZGB als nicht sachgerecht. Die Weisung wurde vom BSV denn auch vorrangig aus Praktikabilitätsgründen erlassen. So wurde seitens des BSV auf eine Mail-Anfrage der Beschwerdegegnerin ausgeführt: "Die Lösung wurde v.a. auch als Praktikabilitätsgründen so gewählt, weil nicht bei jedem Kind, dass länger im Ausland weilt, abgeklärt werden kann, ob es nun aufgrund der objektiv erkennbaren Umstände den Wohnsitz noch in der Schweiz oder bereits im Ausland hat." In seiner Antwort führt das BSV zwar auch Art. 26 ZGB an, geht jedoch nicht auf den Inhalt dieser Bestimmung ein. Zwar steht es den Einzelgesetzen frei zu erklären, ob der Wohnsitz überhaupt massgebend ist oder andere Anknüpfungen zu wählen (etwa den Wohnort) oder strengere Voraussetzungen festzulegen (etwa den tat- sächlichen Aufenthalt; U ELI K IESER , a.a.O., N. 12 zu Art. 13 ATSG). Tun sie das - wie im Falle des Familienzulagengesetzes - aber nicht, so haben sie sich an Art. 13 ATSG und den dazugehörigen Verweis zu halten. Für Abweichungen rein aus Praktikabilitätserwägungen bleibt dabei kein Raum.
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2009 Versicherungsgericht 79 [...] 16 § 17 Abs. 4 und 6 EG KVG Prämienverbilligung: Neubeurteilung des Anspruches infolge Einkom- mensminderung. Bei mehreren Änderungen der Einkommenssituation in- 2009 Versicherungsgericht 80 nerhalb einer Beurteilungsperiode ist zur Beantwortung der Frage, ob eine für den Prämienverbilligungsanspruch massgebliche Einkommens- minderung von mindestens 20 % vorliegt, das tatsächlich erzielte Ein- kommen nach der letzten Veränderung mit demjenigen der rechtskräf- tigen Steuerveranlagung zu vergleichen. Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 3. Kammer, vom 18. August 2009 in Sachen I.M. gegen SVA Aargau (VBE.2009.268). Aus den Erwägungen 2. Die Beschwerdeführerin beantragt die Ausrichtung von Prä- mienverbilligungsbeiträgen für das Jahr 2009. Ihr Gesuch reichte sie am 30. Mai 2008 bei der Gemeindezweigstelle der SVA Aargau in W. ein. Die letzte bis zum 31. Mai 2008 rechtskräftig eröffnete definitive Steuerveranlagung ist im vorliegenden Fall die Steuerveranlagung 2005. (...) 3.2.2. Eine weitere Veränderung der Erwerbssituation ergab sich durch den Studienbeginn der Beschwerdeführerin am 15. September 2007. Ab diesem Zeitpunkt war sie nurmehr teilzeitlich erwerbstätig. Da die vorgenannte Einkommensreduktion vom November 2006 bis Juni 2007 im Rahmen des Prämienverbilligungsgesuches nicht zu be- achten ist (da nicht innerhalb der 12monatigen Frist gemäss § 17 Abs. 5 EG KVG gemeldet), handelt es sich beim Studienbeginn und der Einschränkung der Erwerbstätigkeit per 15. September 2007 um einen normalen, erstmaligen Änderungstatbestand i.S.v. § 17 Abs. 4 EG KVG. Die Frage, ob und gegebenenfalls wie lange die vorherige Veränderung zurückliegt, stellt sich daher gar nicht bzw. ist irrele- vant. Sodann ist zu beachten, dass eine wesentliche Veränderung der Erwerbssituation i.S.v. § 17 Abs. 4 und 5 EG KVG dann vorliegt, wenn im Vergleich zur massgeblichen definitiven Steuerveranlagung 2009 Versicherungsgericht 81 eine Einkommensminderung von mindestens 20 % eintritt (§ 17 Abs. 6 EG KVG). Zu vergleichen ist somit nicht das Einkommen der Beschwerdeführerin ab 15. September 2007 mit dem Verdienst der Vormonate, sondern mit dem Einkommmen gemäss der Steuerver- anlagung 2005. Die Möglichkeit, durch einen Antrag nach § 17 Abs. 4 EG KVG den Prämienverbilligungsanspruch aufgrund der aktuel- len Verhältnisse abklären zu lassen, wurde geschaffen, um Verände- rungen der Einkommenssituation zwischen der Eröffnung der mass- geblichen Steuerveranlagung und dem Gesuchsjahr berücksichtigen zu können und unsachgemässe Entscheide, welche sich dadurch er- geben, dass auf eine möglicherweise mehrere Jahre zurückliegende Steuerveranlagung abgestellt werden muss, zu verhindern. Aus dem Sinn der Norm heraus ist daher abzuleiten, dass zur Beurteilung der Frage, ob veränderte Verhältnisse im Sinne von § 17 Abs. 4 und 5 EG KVG vorliegen, die aktuelle Einkommenssituation mit dem Ein- kommen der massgebenden Steuerveranlagung zu vergleichen ist und nicht mit dem Einkommen einer beliebigen Vorperiode bzw. der Monate vor der Veränderung. Damit ist es auch unerheblich, dass im vorliegenden Fall zwei Veränderungen kurz nacheinander eintraten (Reise ab November 2006 / Studienbeginn 15. September 2007). Jeder dieser Gründe erfüllt die Voraussetzungen der mindestens 20 %igen Einkommensreduktion - im Vergleich zur Steuerveranla- gung 2005 - über eine Dauer von mindestens sechs Monaten. Da das verminderte Einkommen mit dem Einkommen gemäss massgebender Steuerveranlagung zu vergleichen ist, kann dem Einwand der Beschwerdegegnerin, zwischen zwei Veränderungsgründen müsse eine Dauer uneingeschränkter Erwerbstätigkeit von mindestens sechs Monaten liegen, nicht gefolgt werden.
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2000 Strafprozessrecht 81 26 § 184 Abs. 2 StPO In der Privatstrafklage wegen Übertretung eines allgemeinen Verbotes muss der Kläger den Beklagten namentlich bezeichnen. Unterlässt er dies, liegt in der Nichtanhandnahme der Klage und Weigerung des , ein Ermittlungsverfahren gemäss 183 StPO , keine Rechtsverweigerung. Aus dem Entscheid der Inspektionskommission vom 1. Dezember 2000 i.S. Y. Aus den Erwägungen 2. Der Beschwerdeführer macht sinngemäss eine von Gerichtspräsident X. geltend, weil dieser seine vom 9. respektive 11. Juni 2000 nicht an die Hand nehmen wolle. (...) a) (formelle Rechtsverweigerung; vgl. AGVE 2000 16 61, Ziff. 2/a) b) Gerichtspräsident X. führte in seinem Schreiben an den vom 16. Juni 2000 aus (...), eine Anhandnahme der Klagen sei nicht möglich, wenn der Kläger die fehlbaren Lenker nicht namentlich bezeichne, da dem Richter die Ermittlung der Lenker nicht obliege. Diese Gesetzesauslegung ist nicht zu . Die Strafprozessordnung (StPO; SAR 251.100) verweist die Ahndung der Übertretung eines allgemeinen Verbotes gemäss §§ 309 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO; SAR 221.100) in das (§ 181 Abs. 1 Ziff. 9 StPO) und § 184 Abs. 2 StPO verlangt vom Kläger im Privatstrafverfahren, den Beklagten zu bezeichnen sowie einen Antrag bezüglich des Strafmasses zu stellen. Die richterliche Anordnung eines Ermittlungsverfahrens bei Täterschaft kann nur bei einem schweren Angriff auf die Ehre, den Kredit oder ein anderes Rechtsgut, welches durch die in § 181 Abs. 1 Ziff. 1-6 StPO aufgeführten Gesetzesbestimmungen 82 Obergericht 2000 geschützt ist, erfolgen. Für die Ermittlung des unbekannten Lenkers, der ein richterliches Parkverbot missachtet (§ 181 Abs. 1 Ziff. 9 StPO), kann hingegen kein Ermittlungsverfahren angeordnet werden. Dessen Ermittlung obliegt vielmehr dem Eigentümer respektive . Auch wenn nicht zu verkennen ist, dass diesem nur beschränkte Möglichkeiten zur Verifizierung des Lenkers zur Verfügung stehen, besteht angesichts des klaren Wortlautes kein Raum für eine andere Anwendung der massgebenden Gesetzesbestimmungen. Das von Gerichtspräsident X., die Klagen des Beschwerdeführers nicht zu behandeln, solange dieser die Beklagten nicht namentlich zu bezeichnen vermag, ist demzufolge rechtmässig. Somit kann werden, dass keine Rechtsverweigerung vorliegt. 27 §§ 208 und 218 StPO. Die Einreichung einer Eingabe in fremder Sprache als integrierender der durch einen amtlichen Verteidiger eingereichten Berufung ist jedenfalls dann unzulässig, wenn der Angeklagte der deutschen Sprache mächtig ist und seinen amtlichen Verteidiger vor der Berufung ausreichend instruieren konnte. Aus dem Entscheid des Obergerichts, 1. Strafkammer, vom 26. Mai 2000 in Sachen StA gegen J.E. Aus den Erwägungen 1. Der Angeklagte hat mit seiner Berufung ein 36-seitiges Schreiben in hebräischer Sprache und Schrift einreichen und von seinem Verteidiger zum integrierenden Bestandteil der Berufung erklären lassen. Gleichzeitig liess er beantragen, dieses sei "allenfalls übersetzen zu lassen". Dem Angeklagten wurde ein amtlicher Verteidiger bestellt, der eine in sich vollständige und erschöpfende Berufung eingereicht hat. Wie darin ausgeführt wird, erfolgte diese nach den mündlichen und schriftlichen Instruktionen des Angeklagten. Offensichtlich nach
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36 Obergericht 2009 über Schuldbetreibung und Konkurs, Basel/Genf/München 1998, Art. 68 N. 4 mit Hinweisen). Dies verletzt den Anspruch des auf unentgeltliche Rechtspflege nicht, da der Minimalanspruch gestützt auf die Bundesverfassung (Art. 29 Abs. 3 BV) einzig den Zugang zum Gericht, d.h. die Befreiung von der , nicht aber die Übernahme der Verfahrenskosten im durch den Staat, d.h. die Befreiung von der Kostenauflage im Endentscheid, garantiert (BGE 122 I 322 ff.; Bühler/Edelmann/, Kommentar zur aargauischen Zivilprozessordnung, Aarau/ am Main/Salzburg 1998, Vorbem. §§ 124-134 N. 3 und § 126 N. 2 mit Hinweisen). Der weiter gehende Anspruch gemäss § 126 lit. a ZPO, welcher die (vorläufige) Befreiung von der Bezahlung der durch Urteil auferlegten Kosten vorsieht, wird durch Art. 68 SchKG ausgeschlossen. Nach dieser Bestimmung trägt der Schuldner die Betreibungskosten, welche vom Gläubiger vorzuschiessen sind und von ihm von den Zahlungen des Schuldners vorab erhoben werden können, was nicht möglich ist, wenn sie dem Schuldner in der unentgeltlichen Rechtspflege einstweilen vorgemerkt werden. Der Kostenspruch der Vorinstanz ist daher von Amtes wegen zu , weil er widersprüchlich ist und der Offizialmaxime untersteht (Bühler/Edelmann/Killer, a.a.O., § 121 N. 1). Der Minimalanspruch nach Art. 29 Abs. 3 BV (ebenso wie § 126 lit. b Ziff. 2 ZPO) befreit im Übrigen auch nicht von der Bezahlung einer Parteientschädigung an die Gegenpartei (BGE 122 I 322 ff.). 6 Art. 30 Abs. 1 BV, Art. 18, 19 und 20 KSG Gemäss Art. 18 Abs. 1 KSG i.V.m. Art. 34 Abs. 1 lit. b BGG besteht bei Schiedsgerichtsverfahren ein Ausstandsgrund, wenn ein Schiedsrichter in der gleichen Sache bereits in anderer Stellung, insbesondere als einer Partei, tätig war. Dieser Ausstandsgrund entspricht von § 2 lit. c ZPO; er ist somit von Amtes wegen zu beachten und wirkt absolut. Ein gemäss Art. 20 KSG verspätet gestelltes Ablehnungsbegehren, mit dem erwähnten Ausstandsgrund begründet wird, führt demnach auch im Schiedsverfahren nicht zur Verwirkung des Ablehnungsrechts. 2009 Zivilprozessrecht 37 Entscheid der Inspektionskommission vom 22. Mai 2009 i.S. MG c. M. M. (IVV.2008.49). 2009 Anwaltsrecht 39 III. Anwaltsrecht 7 Art. 8 und 12 lit. b BGFA Überprüfung Registereintrag bei Anstellung in einer Anwalts-AG: für Einhaltung der Erfordernisse - der Unabhängigkeit, - des Nichtbestehens von Verlustscheinen, - der Ausübung des Berufs in eigenem Namen und auf eigene Verant- wortung, - des Abschlusses einer Berufshaftpflichtversicherung sowie - der Einhaltung des Berufsgeheimnisses. Entscheid der Anwaltskommission vom 21. August 2009 i.S. T. S. und U. S. (AVV.2008.26). Aus den Erwägungen 1. (...) 1.1.2. (...) Die eingetragenen Anwälte bleiben an die Berufsregeln gebun- den und haben diese in ihrem Arbeitsalltag sicherzustellen. Es sich somit um eine statische Prüfung der eingereichten , insbesondere unter dem Aspekt der institutionellen . Änderungen müssen der Anwaltskommission gemeldet werden und führen in der Folge zu einer neuen Beurteilung der Sachlage. (...) 2. In einem ersten Schritt (Ziff. 3) ist zu prüfen, ob die Gesuchstel- ler auch nach der geplanten Umstrukturierung noch die für einen Registereintrag erfüllen, wenn sie sich für ihre An-
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38 Obergericht 2008 ein älteres Haus handelt, welches sich zwar heute in einem guten Zustand präsentiert, an dem aber viele Renovationen offenbar erst neueren Datums nach dem Verkauf getätigt wurden. Nachdem sich in der Klageantwort auch herausgestellt hat, dass die Liegenschaft zu einem Wert von lediglich Fr. 280'000.00 verkauft worden ist, hat der Beschwerdeführer in seiner Klage einen Wert für die Liegenschaft geltend gemacht, welcher offenbar absolut nicht dem Verkehrswert der Liegenschaft entsprochen hat. Aufgrund dieser Umstände war die Einklagung eines Verkehrswertes von Fr. 650'000.00 ohne weitere Abklärungen zu tätigen trotz Spielchen der Gegenpartei die guten Treuen verletzend. Der Beschwerdeführer hat demnach bezüglich des Wertes der Liegenschaft gestützt auf § 4 Abs. 4 AnwT ein zu hohes Begehren gestellt. Es ist somit bezüglich des Streitwertes auf den Wert des in den Akten ausgewiesenen abzustellen. Nachdem die Liegenschaft überdies überschuldet war, weist diese keinen Nettowert mehr auf. [...] [...] 3.2. Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass der Beschwerdeführer den güterrechtlichen Anspruch betreffend die Liegenschaft in der Höhe von Fr. 38'000.00 in guten Treuen nicht hat geltend machen dürfen, weshalb dieser Betrag für die nicht einberechnet werden kann. Der Streitwert berechnet sich demnach nach den übrigen geltend gemachten Ansprüchen in der Höhe von Fr. 15'000.00. Es ist somit von einem Grundhonorar gemäss § 3 Abs. 1 lit. a AnwT in der Höhe von Fr. 4'100.00 . 6 § 94 GOG: Honorar des unentgeltlichen Rechtsvertreters, Verzugszins Auf das genehmigte Honorar eines unentgeltlichen Rechtsvertreters kein Anspruch auf Verzugszins Entscheid der Inspektionskommission vom 8. Juli 2008 i.S. Y. gegen Gerichtspräsidium B. (IVV.2007.24) 2008 Anwaltsrecht 39 Aus den Erwägungen 2. Der Beschwerdeführer führt in seiner Beschwerde aus, wie seine chronologische Übersicht (vgl. Beschwerde S. 5) verdeutliche, habe es zweier, im Übrigen nachvollziehbar zusätzlichen Aufwand wie zusätzliche Kosten bewirkender Mahnschreiben seinerseits , bis immerhin neun Monate nach Eingabe der Kostennote die angefochtene Verfügung doch noch ergangen sei. Die Auszahlung sei bis jetzt noch nicht erfolgt. [...] Jedenfalls müsse es unter allen zulässig sein, die eine Entschädigung festzusetzende Instanz wie erfolgt zu mahnen, dies mit dem Ergebnis, dass ab Zeitpunkt der Mahnung zusätzlich zur Entschädigung ein Verzugszins von 5 % p.a. geschuldet und so vom Staat zusätzlich zu entschädigen sei. [...] 2.1. [...] 2.2. Der unentgeltliche Rechtsvertreter hat nur einen bedingten An- spruch auf Entschädigung durch die Gerichtskasse. Die Forderung wird erst mit ihrer Festsetzung begründet (RIES, a.a.O., S. 244). Mit ihrer Verfügung vom 4. April 2007 hat die Beschwerdegegnerin das Honorar des Beschwerdeführers festgesetzt. Gleichzeitig wurde die Gerichtskasse angewiesen, das Honorar erst nach Rechtskraft des Entscheides auszubezahlen. Nachdem der Beschwerdeführer erhoben hat, ist die Verfügung vom 4. April 2007 der Beschwerdegegnerin noch nicht in Rechtskraft erwachsen und die Auszahlung musste demnach noch nicht erfolgen. Es liegt kein Verzug vor. Zudem ist kein Zins geschuldet, da ein solcher gesetzlich nicht vorgesehen ist. Der Antrag auf Verzugszins ist somit abzuweisen. 40 Obergericht 2008 7 Art. 7 Abs. 1 lit. b und Abs. 3 BGFA, § 15 Abs. 1 lit. c EG BGFA, § 2 AnwV; Frage der hinreichenden rechtspraktischen Tätigkeit für die Zulassung zur Anwaltsprüfung: - Keine Anrechenbarkeit absolvierter beruflicher Tätigkeiten irgend- welcher Art, welche vor Abschluss eines juristischen Studiums mit dem Bachelor in Rechtswissenschaften absolviert wurden. - Keine Gleichstellung der Tätigkeiten in einem (eigenen) privaten (Leitung von Projekten für Gemeindeverwaltungen in den Bereichen Finanzverwaltung, Steuer- und Betreibungsämter) mit der Tätigkeit in einer Gemeindeverwaltung. - Keine Anrechnung von Tätigkeiten als "Wirtschaftsjurist" bei einer Treuhand- und Beratungsfirma. - Keine Anrechnung einer Tätigkeit als Fachrichter am ; die Fachrichter unterstützen vor allem mit ihrem Fachwissen in bestimmten Bereichen die juristisch geschulten Richter und sowie die Gerichtsschreiber und Gerichtsschreiberinnen und erhalten weder eine ausgeprägte juristische Ausbildung, noch sind sie selber ausgeprägt rechtspraktisch tätig. Zudem ist das "Pensum" im Nebenamt in den meisten Fällen sehr klein. Eine erst dreijährige Fachrichtertätigkeit, wie es beim der Fall ist, kommt in jedem Fall noch nicht in Frage für eine Anrechnung an die gemäss Prüfungsvoraussetzungen notwendige Praktikumsdauer. Entscheid der Anwaltskommission vom 19. August 2008 i.S. M.B. (AVV.2008.23) 8 Art. 12 lit. a BGFA Verpasste Rechtsmittelfrist: Keine Verletzung von Art. 12 lit. a BGFA, wenn ein Rechtsanwalt alle geeigneten Vorsichtsmassnahmen wie die Führung einer doppelten Fristenkontrolle sowie die genügende eines Kanzleimitarbeiters getroffen hat, um die Einhaltung von gewährleisten zu können. Entscheid der Anwaltskommission vom 28. Februar 2008 i.S. B.Z. (AVV.2007.25)
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2005 Strafprozessrecht 63 V. Strafprozessrecht 13 § 94 Abs. 1 GOG; Kostenbeschwerde Die Kostenbeschwerde ist auch möglich betreffend die Festsetzung des Honorars des freigewählten Verteidigers, der infolge Freispruchs aus der Staatskasse zu entschädigen ist. Aus dem Entscheid der Inspektionskommission vom 23. Juni 2005 i.S. R. D. c. Gerichtspräsidium Z. Aus den Erwägungen 1. a) [...] b) [...] c) Im vorliegenden Fall ist jedoch nicht die Höhe der Entschä- digung eines amtlichen Verteidigers, sondern die Höhe des Honorars eines frei gewählten Verteidigers, der infolge Freispruchs durch die Staatskasse zu entschädigen ist, zu beurteilen. In § 94 Abs. 1 GOG ist die Beschwerde gegen die Festsetzung der Höhe dieses Honorars nicht ausdrücklich erwähnt. Jedoch wird in der Botschaft des zum GOG vom 8. Dezember 1980 auf S. 17 ausgeführt, dass der Zweck der Kostenbeschwerde die Überprüfung der den im Rahmen des Kostenwesens übertragenen der Kostenfestsetzung ist. Wo jeweils die Höhe der Kosten, die der Staat zu tragen hat, ohne dass nebst der beschwerdeführenden eine weitere Partei unmittelbar davon betroffen ist, strittig ist, kommt die Kostenbeschwerde zur Anwendung; wo hingegen über die Höhe oder Tragung der Kosten zu entscheiden ist, durch die eine weitere Partei unmittelbar betroffen ist, gerät das Kostenwesen in den Bereich der Rechtsprechung und ist deshalb durch die prozessualen Rechtsmittel zu entscheiden. 64 Obergericht 2005 Diese gesetzgeberische Absicht findet sich auch in den der Strafprozessordnung (StPO; SAR 251.100) wieder. Die StPO regelt die Tragung und Verteilung der Kosten (vgl. § 164 StPO) sowie die dagegen einzulegenden Rechtsmittel, nicht aber die Höhe der durch den Staat zu tragenden Parteikosten. Diese werden durch das Dekret über die Entschädigung der Anwälte (Anwaltstarif [AnwT]; SAR 291.150) bestimmt. Bei der autoritativen Festsetzung der durch den Staat zu tragenden Parteikosten wird eine Verwaltungstätigkeit ausgeübt, da keine weitere Partei betroffen ist. Für Streitigkeiten über die Höhe dieser in Anwendung des Anwaltstarifes ist deshalb die zuständig, falls in der Sache selbst kein Rechtsmittel wird. Somit ist auf die Beschwerde einzutreten. 14 § 5a Abs. 1 StPO Die Zuständigkeit für die gerichtliche Beurteilung wird durch den Strafantrag in der Anklage und nicht durch das Urteil bestimmt. Aus dem Entscheid des Obergerichts, 1. Strafkammer vom 17. November 2005 i.S. Staatsanwaltschaft gegen U.C.-L. Aus den Erwägungen 1. Die Staatsanwaltschaft hatte mit Anklage vom 12. November 2003 beim Bezirksgericht Bremgarten Anklage gegen die Angeklagte erhoben und dabei eine Strafe von 18 Monaten Gefängnis beantragt. Die Angeklagte liess in ihrem schriftlichen Plädoyer einen , eventualiter eine Strafe von weniger als 10 Monate beantragen. 1.1. Der Gerichtspräsident von Bremgarten beurteilte den Fall als Einzelrichter in Strafsachen, wobei er auf eine Strafe von 6 Gefängnis und eine Busse von Fr. 5'000.-- erkannte. der sachlichen Zuständigkeit verweist das vorinstanzliche Urteil auf § 5a Abs. 1 StPO ohne hierzu weitere Ausführungen zu
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2010 Zivilprozessrecht 39 II. Zivilprozessrecht 2 § 196f Abs. 2 ZPO, Art. 146 ZGB. Bemessung des Honorars der Vertreterin (Amtsvormundin) eines Kindes im Eheschutzverfahren: Sinngemässe Anwendung der Verordnung über das Vormundschaftswesen; bei einer Geltendmachung eines Honorars nach Stundenaufwand gilt grundsätzlich der Stundenansatz gestützt auf § 15 Abs. 2 der Verordnung über das Vormundschaftswesen von Fr. 80.--. Aus dem Entscheid der Inspektionskommission vom 17. Dezember 2010 i.S. R.B. gegen das Gerichtspräsidium B. (IVV.2010.20) 2010 Anwaltsrecht 41 III. Anwaltsrecht 3 Art. 8 Abs. 2 BGFA. Tätigkeit als angestellter Anwalt für eine anerkannte gemeinnützige Organisation: Tätigkeit muss sich strikte auf den Zweck der Organisation beschränken. Bei einer Stiftung muss sich der massgebliche Zweck nachvollziehbar aus dem Stiftungsstatut ergeben. Nicht ausreichend ist eine Aufzählung in einem "Strategiepapier". Aus dem Entscheid der Anwaltskommission vom 25. Mai 2010 i.S. D. D. (AVV.2009.42) Aus den Erwägungen (... ) 3. Die Zulässigkeit der Anstellung eines Registeranwaltes bei einer gemeinnützigen Organisation (Art. 8 Abs. 2 BGFA) stellt eine Ausnahmebestimmung zur Regelung von Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA dar, wonach eine Anstellung grundsätzlich nur in Frage kommt, wenn auch der Arbeitgeber Registeranwalt ist. Es ergibt sich schon aus dem Wortlaut, dass sich die Tätigkeit des angestellten Anwaltes strikte auf den Stiftungszweck zu beschränken hat. Massgebend muss dabei der Stiftungszweck gemäss Stiftungsurkunde, vorliegend also gemäss Stiftungsstatut, sein. 3.1. Der Zweck gemäss Art. 2 Stiftungsstatut [...] liegt in der Hilfe für Menschen in wirtschaftlicher und sozialer Not im In- und . Dieser Stiftungszweck ist angesichts der sehr offenen Fassung auszulegen, wobei die Auslegung unter Berücksichtigung von Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA (strikte Beschränkung der Tätigkeit auf den Stif-
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2001 Strafprozessrecht 77 Ein Eingriff in das betreibungsrechtliche Existenzminimum steht dem Staat zur Deckung von Bussen, Verfahrens- und Vollzugskosten nicht zu (OGE, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 5. Februar 2001 i.S. F.W., Erw. 2b; vgl. auch ZR 90 [1991] Nr. 31 S. 103 ff.). Die Bestimmung ist zudem auch dann nur mit Zurückhaltung , wenn mit der Beschlagnahme die Resozialisierung eines Betroffenen akut gefährdet würde, indem dieser dadurch in eine Notlage gelangen würde (vgl. dazu auch Brühlmeier, Strafprozessordnung, Kommentar, 2. Aufl., Aarau 1980, S. 220). 25 §§ 164 Abs. 1 Satz 2, 198 Abs. 2 StPO; § 94 GOG. Kostenauflage beim Rückzug der Einsprache gegen einen Strafbefehl. - Bei einem Rückzug der Einsprache gegen einen Strafbefehl ist bei der Bemessung der Gerichtsgebühr, die zusätzlich zu den zu bezahlen ist, auf den bis zum Rückzug angefallenen Aufwand abzustellen. - Kostenbefreiung i.S.v. § 164 Abs. 1 Satz 2 StPO kann wegen nicht gewährt werden. Aus dem Entscheid der Inspektionskommission vom 25. April 2001 i.S. Z. Aus den Erwägungen 3. Die Kostenauflage im Urteil des Bezirksgerichts Z. vom 29. Juni 2000 stützt sich auf § 198 Abs. 2 StPO, wonach beim der Einsprache gegen einen Strafbefehl die entstandenen dem Einsprecher aufzuerlegen sind. Vorliegend zu prüfen ist, ob die Gerichtsgebühr von Fr. 400.-- im Hinblick auf diese gerechtfertigt ist. a) Der Beschwerdeführer bringt einerseits vor, die vom Z. verhängte Busse sei für sich allein schon viel zu hoch bemessen. Allein, die Beurteilung dieser Frage entzieht sich der der Inspektionskommission als Aufsichtsbehörde; dafür wäre der Rechtsmittelweg zu beschreiten. Durch den Rückzug der 78 Obergericht/Handelsgericht 2001 Einsprache liess der Beschwerdeführer die Busse aber rechtskräftig werden. Es kann daher auch nicht darauf ankommen, dass die „“ als Ganzes (Beschwerde, S. 3), mithin die Busse und die Gerichtskosten zusammen, nach Ansicht des Beschwerdeführers zu hoch ist, auch wenn nicht zu verkennen ist, dass sich der letztlich an diesem Gesamtbetrag stösst. Zu überprüfen ist vorliegend nach dem Gesagten lediglich die Höhe der . b) (...) Dass im Strafverfahren in der Regel nur bei einem Freispruch Kostenbefreiung für den Angeklagten resultiert, entspricht sodann § 164 StPO. Das Gericht kann allerdings aus besonderen Gründen auch bei einer Verurteilung von einer Kostenauflage ganz oder absehen (§ 164 Abs. 1 Satz 2 StPO). Zu denken ist hier an Ausnahmefälle; die Materialien zur StPO sprechen von Fällen Verurteilter respektive von Verurteilten, die seit von der öffentlichen Hand unterstützt werden (vgl. Protokoll der 7. Sitzung der Grossrats-Kommission für das Gesetz über die vom 2. Juli 1956, S. 3, Bemerkungen zu § 159 des ). Eine (teilweise) Kostenbefreiung wegen Rechtsunkenntnis aber lässt sich mit der ratio legis von § 164 Abs. 1 Satz 2 StPO nicht vereinbaren. Der Antrag des Beschwerdeführers, die Kosten der Urteilsbegründung seien auf die Staatskasse zu nehmen, ist daher abzuweisen. c) Der Beschwerdeführer rügt sodann, dass die Gerichtsgebühr sich im Vergleich zur Praxis an anderen Bezirksgerichten wie auch im Verhältnis zu anderen Fällen als übersetzt erweise. Als Beispiel führt er dabei das Bezirksgericht B. auf, welches für Einsprachen dieser Art Richtlinien erarbeitet habe, wonach bei Rückzug während der Hauptverhandlung (vgl. Berichtigung vom 7. November 2000) eine Gerichtsgebühr von nur Fr. 250.--, bei vollständiger des Verfahrens aber eine Gebühr von Fr. 500.-- auferlegt werde. Die Praxis anderer Bezirksgerichte zur Festsetzung der kann nicht ausschlaggebend sein. Das vom 24. November 1987/1. Januar 1999 (VKD, SAR 221.150) sieht für die Festsetzung der Gerichtsgebühr für das Straf- 2001 Strafprozessrecht 79 verfahren vor Bezirksgericht einen Kostenrahmen von Fr. 120.-- bis 6'000.-- vor (§ 17 Abs. 1 VKD), wobei die Gebühr bei einem der Einsprache bis auf Fr. 24.-- gesenkt werden kann (§ 19 VKD). Das Gericht ist in der Festlegung der Gerichtsgebühr frei. Immerhin darf aufgrund des verfassungsmässigen auf Rechtsgleichheit (Art. 8 BV; § 10 KV) sowie des auf willkürfreies staatliches Handeln (Art. 9 BV; § 22 KV) erwartet werden, dass ein Gericht für gleichgelagerte Fälle nach Massgabe der Gleichheit eine gleich hohe Gerichtsgebühr festsetzt respektive ungleiche Fälle nach Massgabe ihrer Ungleichheit ungleich behandelt (vgl. Häfelin/Müller, Grundriss des allgemeinen Verwaltungsrechts, 3. A., Zürich 1998, N 401, 410 f.). Der Beschwerdeführer rügt denn auch eine solche Gleichbehandlung zweier ungleicher Fälle. Einerseits rechtfertige sich eine volle in casu deshalb nicht, weil dem Gericht durch den eine freie halbe Stunde für ein anderes Geschäft zur Verfügung gestanden habe, andererseits weil dadurch derjenige, der eine Einsprache zurückziehe, schlechter gestellt sei als derjenige, der auf der Durchführung des Verfahrens beharre, weil ersterer zusätzlich zu den (vollen) Gerichtskosten die rechtskräftig gewordenen Kosten des Strafbefehls zu bezahlen habe, wohingegen dem zweiten nur die Kosten des Gerichtsverfahrens anfielen. aa) Bei einem Rückzug der Einsprache sind die Kosten nach dem durch die Einsprache entstandenen (Mehr-)Aufwand zu (§ 198 Abs. 2 StPO). Da bei einem Rückzug dem Gericht weniger Aufwand anfällt als bei vollständiger Durchführung des Verfahrens, rechtfertigt es sich in der Regel auch nicht, eine volle Gerichtsgebühr aufzuerlegen, wobei allerdings auf den abzustellen ist. Im vorliegenden Fall ist dem Bezirksgericht Z. durch die Einsprache in Form des Aktenstudiums sowie der , der Besprechung über den zu fällenden und schliesslich der Ausfertigung des Urteils Aufwand . Es steht im Ermessen des Bezirksgerichts, diese Umstände bei der Festsetzung der Gerichtsgebühr zu würdigen. Diesen hat das Bezirksgericht Z. bei seinem Entscheid vom 29. Juni 2000 genügend Rechnung getragen, indem es ausführte, im Ergebnis 80 Obergericht/Handelsgericht 2001 seien annähernd die gleichen Kosten entstanden wie bei einer der Verhandlung und Fällung eines Urteils, weshalb dem Angeklagten keine weitere Reduktion der Gerichtsgebühr gewährt werden könne (begründeter Beschluss vom 29. Juni 2000 Ziff. 2). Diesem Wortlaut ist zu entnehmen, dass entgegen der Annahme des Beschwerdeführers eine gewisse Gebührenreduktion gewährt und daher dem Rechtsgleichheitsgebot durchaus entsprochen wurde. Da der Rückzug erst am Tag der Hauptverhandlung erfolgte, obwohl die Mandatierung bereits rund einen Monat zuvor stattgefunden hatte (vgl. Mitteilung vom 30. Mai 2000/act. 17), ist die durch den enstandene Aufwandersparnis indessen gering. Dass dem Z. vorliegend eine Pause entstand, die es anderweitig nutzen konnte, stellt im Weiteren eine reine Vermutung des dar. bb) Der weitere Einwand des Beschwerdeführers schiesslich, er sei massiv schlechter gestellt als bei vollständiger durch das Gericht, ist nicht zu hören. Die Materialien zur StPO vom 11. November 1958 enthalten keinen Hinweis, dass § 198 Abs. 2 StPO in der Gesetzesberatung oder Vernehmlassung Grund zur Diskussion gegeben hätte. Eine historische Auslegung scheitert daher mangels entsprechender Aussagen. Also ist im Sinn einer Auslegung nach dem Sinn von § 198 Abs. 2 StPO zu forschen. Ratio dieser Bestimmung kann nur sein, dass der , der durch die Einsprache gegen den Strafbefehl das Verfahren selbst in Gang setzt und dann durch den Rückzug der Einsprache dennoch den Strafbefehl rechtskräftig werden lässt, für die dadurch entstehenden Kosten aufzukommen hat. Wie oben , ist dabei auf die bis dahin entstandenen Kosten abzustellen. Dass die Strafbefehlskosten bei dieser Konstellation zusätzlich zu bezahlen sind, entspricht der gesetzlichen Ordnung (§ 198 Abs. 1 StPO). d) Der Vorwurf, dass das Bezirksgericht Z. vorliegend gegen das Rechtsgleichheitsgebot verstossen hätte, erweist sich somit als unbegründet. Den Gerichten kommt bei der Gebührenfestsetzung innert des weiten Rahmens gemäss VKD ein erhebliches Ermessen zu, in das das Obergericht nicht ohne Not eingreift. Dieses Ermessen 2001 Strafprozessrecht 81 hat das Bezirksgericht Z. weder überschritten noch missbraucht. Vielmehr steht die vom Bezirksgericht Z. bestimmte Gerichtsgebühr im Einklang mit dem Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip. 26 § 164 Abs. 3 i.V.m. § 140 Abs. 3 StPO, Frist für die Stellung des Entschädigungsbegehrens im gerichtlichen Verfahren. Der Gesuchsteller hat die Frist in jedem Fall gewahrt und das Begehren ist als Entschädigungsbegehren zu betrachten, wenn er bereits im auf den zu ergehenden Gerichtsentscheid neben dem Antrag auf Freispruch auch einen solchen auf Parteikostenersatz stellt. Auszug aus dem Entscheid des Obergerichts, 2. Strafkammer, vom 26. Oktober 2001 i.S. E.St. Aus den Erwägungen 2. a) Gemäss § 167 Abs. 2 Ziff. 4 StPO hat der Richter den über die Entschädigung bereits mit dem Entscheid über die Einstellung oder den Freispruch zu treffen. Im Kreisschreiben des Obergerichts vom 8. Juni 1962 (KS C I 12.2) wird festgehalten, dass einem Angeklagten im gerichtlichen Verfahren gestützt auf § 164 Abs. 3 i.V.m. § 140 Abs. 3 StPO (zusätzlich) eine 30-tägige Nachfrist zur Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen zusteht, wie sie auch dem Beschuldigten bei der Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft zuerkannt wird. b) Nach der gesetzlichen Regelung des § 140 Abs. 3 StPO ist das Begehren innert 30 Tagen einzureichen, seitdem dem die Einstellungsverfügung zugestellt wurde oder, sofern eine schriftliche Einstellungsverfügung nicht erlassen wird, seitdem er vom Verzicht auf die Weiterverfolgung Kenntnis erhalten hat. Auf das gerichtliche Verfahren bezogen hält das Kreisschreiben fest, dass die Frist von 30 Tagen beim Freispruch durch das Bezirksgericht von der Zustellung des Dispositivs an zu laufen beginnt, beim Freispruch durch das Obergericht hat ein Angeklagter seine Ansprüche innert 30 Tagen seit der Zustellung des Urteils beim Bezirksgericht geltend
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2000 Zivilprozessrecht 61 Zivilprozessordnung ohne weitere Verfahrensschritte und ohne zu fällen hatte, eine Parteiverhandlung durchführen müsste. § 329 Abs. 1 ZPO ist demnach in solchen Fällen nicht . 16 Rechtsverweigerung; Begründungspflicht Der Erlass vorläufiger Massnahmen i.S.v. § 294 ZPO bedarf mangels Weiterzugsmöglichkeit keiner Begründung (Erw. 2/c-e). Aus dem Entscheid der Inspektionskommission vom 20. Dezember 2000 i.S. Y. Aus den Erwägungen 2. Die Beschwerdeführerin macht sinngemäss eine von Gerichtspräsident X. geltend, weil dieser mit der Abweisung ihres Begehrens um vorläufige Massnahmen im vom 19. Juni 2000 grundlegende Verfahrensgarantien in schwerwiegender Weise verletzt habe, sodass eine vorliege. Zu prüfen ist vorliegend, ob das Verhalten von Gerichtspräsident X. rechtmässig ist oder ob eine in Form einer Rechtsverweigerung vorliegt. Nicht Gegenstand dieses Verfahrens indessen ist mangels Zuständigkeit der die materielle Beurteilung der Begehren. a) Eine formelle Rechtsverweigerung begeht die in der Sache zuständige Behörde, wenn sie ein bei ihr gestelltes Gesuch nicht an die Hand nimmt und behandelt (BGE 102 Ib 237 mit weiteren Hinweisen). Als formelle Rechtsverweigerung gilt auch das Fehlen von Entscheidungsgründen, wo das Gesetz eine Begründungspflicht vorsieht oder wo es dem Betroffenen ohne Begründung nach den Umständen nicht möglich ist, sich ein Bild über die Tragweite der Verfügung zu machen und sie sachgemäss anzufechten (BGE 102 Ib 238, 98 Ia 464 ff. E. 5, 98 Ib 195 f. E. 2, je mit Hinweisen). 62 Obergericht 2000 b) Gerichtspräsident X. erliess am 21. Juni 2000 folgende : „1. Der Antrag auf Erlass vorläufiger Massnahmen ist . 2.-4.(...)“ Der Verfügung waren weder eine Darstellung der Anträge der Beschwerdeführerin noch eine eigentliche Begründung zu . c) Im Fall dringender Gefahr kann der Richter im Verfahren um Erlass vorsorglicher Verfügungen vor Anhörung der Gegenpartei vorläufige Massnahmen treffen (§ 294 Abs. 1 ZPO). Solche sind der Natur nach vorläufig und fallen mit Rechtskraft des Entscheides über das im Summarverfahren gestellte Begehren dahin (§ 294 Abs. 2 ZPO). Die Anordnung vorläufiger Massnahmen wird nicht rechtskräftig und kann vom Richter jederzeit aufgehoben oder abgeändert werden (Bühler/ Edelmann/Killer, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 2. A., Aarau/Frankfurt a.M./Salzburg 1998, N 5 zu § 294 ZPO). Weder die Anordnung noch die Ablehnung vorläufiger Massnahmen ist weiterziehbar (AGVE 1990 S. 71). d) Gerichtspräsident X. hat das Begehren der um Erlass einer vorläufigen Massnahme betreffend die Unterhaltsverpflichtung ihres Ehemannes mit Verfügung vom 21. Juni 2000 abgelehnt (Ziff. 1) und diesen Enscheid nicht . Eine Begründung beim Erlass vorläufiger Massnahmen ist in der ZPO nicht vorgesehen. Die Beschwerdeführerin leitet die Begründungspflicht aus den §§ 276 und 277 ZPO ab. Ihr ist indessen entgegenzuhalten, dass die Verfügung von Gerichtspräsident X. vom 21. Juni 2000 nicht einen Endentscheid, sondern einen – nicht weiterziehbaren - Zwischenentscheid darstellt, weshalb die Regeln von §§ 276 und 277 ZPO gar nicht zur Anwendung gelangen. e) Nun verlangt die Praxis, wie erwähnt, auch dann eine Begründung, wenn eine solche zwar nicht ausdrücklich vorgesehen ist, es dem Betroffenen ohne diese aber nach den Umständen nicht 2000 Zivilprozessrecht 63 möglich ist, sich ein Bild über die Tragweite der Verfügung zu machen und sie sachgemäss anzufechten. Vorliegend besteht diese Anfechtungsmöglichkeit eben gerade nicht. Die betroffene Verfahrenspartei hat somit kein geschütztes Interesse an einer vollständig begründeten Verfügung, da sie weder über die Tragweite der Verfügung im Ungewissen ist noch diese weiterziehen kann. Eine Rechtsverweigerung kann daher im Fehlen einer Begründung beim Erlass vorläufiger Massnahmen nicht erblickt werden. (...) 64 Obergericht 2000 B. Anwaltsrecht 17 Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsvertreters. Die Einforderung eines über die staatliche Entschädigung Honorars des unentgeltlichen Rechtsvertreters von der unentgeltlich vertretenen Partei stellt eine Standeswidrigkeit und Verletzung von § 14 Abs. 2 AnwG dar. Aus dem Entscheid der Anwaltskommission vom 27. Juni 2000. Aus den Erwägungen 2. a) Der unentgeltliche Rechtsvertreter übernimmt eine Aufgabe und tritt zum Staat in ein Rechtsverhältnis, aufgrund dessen er einen öffentlichrechtlichen Anspruch auf Entschädigung im Rahmen der anwendbaren kantonalen Vorschriften hat. Es ist ihm daher untersagt, sich von der vertretenen Partei entschädigen zu , und er ist insbesondere auch nicht befugt, sich eine zusätzliche Entschädigung zu derjenigen auszahlen zu lassen, welche er vom Staat erhält (BGE 122 I 325 f., 122 I 1, 117 Ia 22, 108 Ia 11; Walter Fellmann, in Berner Kommentar, Der einfache Auftrag (Art. 394 – 406 OR), Bern 1992, Art. 394 N 146, Bühler/Edelmann/Killer, Kommentar zur aargauischen Zivilprozessordnung, 1998, N 1 zu § 130 ZPO). Die Rechnungsstellung an die unentgeltlich vertretene Partei stellt eine Standeswidrigkeit dar (BGE 122 I 326, 108 Ia 13). Das Gebot des korrekten Abrechnens ergibt sich auch aus dem für die Ausübung des Anwaltsberufs in § 14 Abs. 2 AnwG, der Anwalt die Interessen seines Auftraggebers nach Recht und Billigkeit zu wahren hat. b) Der Vollständigkeit halber sei angefügt, dass es zwar möglich ist, dass ein Anwalt für seinen Klienten Leistungen erbringt, welche von der unentgeltlichen
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2011 Zivilprozessrecht 35 und bei fehlenden Prozessvoraussetzungen einen Prozessentscheid zu fällen. 3.2.2. Der Kläger hat gemäss Entscheid der Friedensrichterin des Kreises W. vom 15. Mai 2011 eine Forderung aus einem von insgesamt Fr. 2'384.90 eingeklagt. Die Friedensrichterin hatte somit keine Entscheidkompetenz gemäss Art. 212 ZPO und durfte folglich auch nicht einen Nichteintretensentscheid fällen, weil ihr die sachliche Zuständigkeit fehlte. Damit entbehrt auch der einer gesetzlichen Grundlage, weshalb er in der Beschwerde des Klägers aufzuheben ist. 5 § 2 lit. c ZPO: Befangenheitsgrund Vorbefassung Es liegt keine unzulässige Vorbefassung vor, wenn ein Richter mehrere Verfahren einer Partei betreut hat, von welchen die meisten im mit der Abwicklung desselben Vertrages standen, zumal der früheren Verfahren immer wieder andere Gegenparteien beteiligt waren. Aus dem Entscheid der Inspektionskommission vom 11. April 2011 in Sachen X.Y. gegen das Gerichtspräsidium Z. (IVV.2010.45). 6 Art. 326 ZPO. An der in den AGVE 1997 Nr. 27 S. 88 publizierten Praxis, in der vorbehaltlosen Stellungnahme zu unzulässigen Noven der einen konkludenten Verzicht auf das Novenverbot zu sehen, kann im Beschwerdeverfahren unter der Geltung der Schweizerischen nicht festgehalten werden. Aus dem Entscheid der 4. Zivilkammer des Obergerichts vom 29. 2011 in Sachen M.L. gegen F.L. (ZSU.2011.216).
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2002 Zivilprozessrecht 75 sich in sämtlichen zukünftigen Verfahren, in welchen der betreffende Anwalt als Rechtsvertreter auftritt, in den Ausstand begeben zu . Dies würde aber Art. 15 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte vom 23. Juni 2000 (BGFA; SR 935.61) widersprechen. Diese Bestimmung sieht für kantonale Gerichts- und Verwaltungsbehörden eine betreffend Verletzung von Berufsregeln vor. 23 Streitwert imArbeitsgerichtsverfahren Massgebend für den Streitwert im Arbeitsgerichtsverfahren ist der Betrag, unabhängig davon, ob es sich um den Brutto- oder handelt. Aus dem Entscheid der Inspektionskommission vom 18. November 2002 i.S. S. S. gegen Arbeitsgericht des Bezirks Muri Aus den Erwägungen 2. a) Das Bundesrecht sieht in Art. 343 Abs. 2 und 3 OR vor, dass die Kantone das Arbeitsgerichtsverfahren bis zu einem von Fr. 30'000.-- als einfaches und rasches Verfahren haben, in welchem keine Gerichtskosten auferlegt werden dürfen, unter Vorbehalt mutwilliger Prozessführung. Bei der nicht zu berücksichtigen ist ein allfälliges . Bezüglich der Parteikosten enthält das Bundesrecht keine Regelung. b) § 369 ZPO übernimmt die Regelung gemäss Art. 343 Abs. 2 OR und hält fest, dass bis zu einem Streitwert von Fr. 20'000.-- (der Betrag im OR wurde per 1. Juni 2001 auf Fr. 30'000.-- erhöht) keine Gerichtskosten erhoben werden. Über die bundesrechtliche Regelung hinaus wird ausserdem festgehalten, dass bis zum Betrag von Fr. 20'000.-- auch keine Parteikosten ersetzt werden. Dieser Betrag gilt bezüglich der Parteikosten - trotz Änderung des Bundesrechts - weiterhin, da das Bundesrecht diesbezüglich, wie bereits erwähnt, keine Regelung enthält. 76 Obergericht / Handelsgericht 2002 c) Für die Berechnung des massgeblichen Streitwertes ist grundsätzlich kantonales Recht massgebend, mit Ausnahme der im Bundesrecht vorgesehenen Nichtberücksichtigung von (Art. 343 Abs. 2 a.E. OR; A. Bühler / A. Edelmann / A. Killer, Kommentar zur aargauischen ZPO, Aarau 1998, § 369 N 1; a.M. Zürcher Kommentar, Der Arbeitsvertrag [Art. 319 - 362 OR], 3. A., Zürich 1996, Art. 343 N 22 [vollumfänglich nach Bundesrecht]). Abzustützen ist demnach auf die §§ 16 - 23 ZPO. Sowohl § 16 ZPO wie auch Art. 343 Abs. 2 OR verweisen für den Streitwert auf die "angehobene Klage" bzw. die "eingeklagte Forderung". Gemäss Lehre ist dabei vom eingeklagten Bruttolohn, also ohne Abzug der Arbeitnehmerbeiträge auszugehen. Allerdings hielt Rehbinder fest, der Bruttolohn sei mit dem Hinweis , dass sich dieser Betrag reduziere, soweit der Arbeitgeber , dass und in welchem Umfang er Sozialabzüge an die Instanzen abgeführt habe (M. Rehbinder, Berner , Der Arbeitsvertrag [Art. 331-355 OR], Bern 1992, Art. 343 N 13 a.E.; ebenso U. Streiff / A. von Kaenel, Arbeitsvertrag, 5. A., Zürich 1992, Art. 343 N 6 a.E.; Zürcher Kommentar, a.a.O., Art. 343 N 22). Weiter ist zu beachten, dass das Aargauische Obergericht in im Vergleich zu den erwähnten Kommentaren neueren von 1999 zum Schluss kam, die Pflicht des Arbeitgebers, die Arbeitnehmerbeiträge an die Sozialwerke weiterzuleiten, bestehe den Sozialwerken. Nicht der Arbeitnehmer sei Gläubiger, sondern die Sozialwerke. Demzufolge könne dem Arbeitnehmer im Urteil nur der Nettolohn zugesprochen werden (AGVE 1999 S. 40). Das Bundesgericht hat sich, soweit ersichtlich, zu dieser Frage bis jetzt noch nie geäussert. Es ist somit in Fällen, in welchen der Bruttolohn eingeklagt wurde, von diesem eingeklagten Bruttolohn als Streitwert . An diesem Grundsatz ändert der Entscheid des Aargauischen Obergerichts nichts, denn auch in anderen Fällen mit Überklagung, sei dies nun mangels Aktivlegitimation oder mangels materieller des Anspruchs, ist immer der eingeklagte Betrag für die Streitwertberechnung massgebend. 2002 Zivilprozessrecht 77 Das im Vergleich zur einschlägigen Literatur zeitlich jüngere aargauische Urteil muss jedoch konsequenterweise zur Folge haben, dass sich der Streitwert nach dem eingeklagten Nettolohn bemisst, wenn nur dieser eingeklagt wurde. Massgebend ist immer der Betrag, erst recht, wenn die Sozialabzüge, welche ohnehin nicht zugesprochen werden können, nicht eingeklagt wurden. (...) 3. a) Der Beschwerdeführer reichte am 16. November 2001 beim Arbeitsgericht Muri Klage ein. Es ging dabei grundsätzlich um seinen Lohn für die Zeit von Juli bzw. September 2001 bis Januar 2002. Er beschränkte aber seine Klage ausdrücklich auf den -Lohn. Bei einem Bruttomonatseinkommen von Fr. 30'769.-- er einen Netto-Lohnanspruch von zwischen Fr. 26'153.-- und Fr. 28'753.--, welchen er im Klagebegehren geltend machte, Verzugszinsen. Von diesen Zahlen ist für die Berechnung des Streitwertes auszugehen, wobei gemäss § 18 Abs. 2 ZPO die als Nebenforderung bei der Bestimmung des Streitwertes nicht in Betracht fallen. 78 Obergericht / Handelsgericht 2002 B. Anwaltsrecht 24 Grundhonorar für ein durchschnittliches Eheschutz- bzw. Gegen die Festsetzung eines Grundhonorars von Fr. 2'500.-- für ein durchschnittliches Eheschutz- bzw. Präliminarverfahren gestützt auf § 3 Abs. 1 lit. b AnwT ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Zusätzlich Rechtsschriften werden im Rahmen von § 6 Abs. 3 AnwT und mit entsprechenden Zuschlägen entschädigt. Sie führen nicht zur Erhöhung des Grundhonorars. Aus dem Entscheid der Inspektionskommission vom 19. August 2002 i.S. S. gegen Gerichtspräsidium L. 25 Ungebührliche Urteilskritik Der Vorwurf, man werde "den Eindruck nicht los, es handle sich um ein politisches, rassistisches und sexistisches Urteil", überschreitet die der zulässigen Urteilskritik und verstösst gegen § 14 Abs. 1 AnwG. Aus dem Entscheid der Anwaltskommission vom 12. August 2002 i.S. R. (bestätigt durch Urteil des Verwaltungsgerichts vom 19. Dezember 2002) Aus den Erwägungen 4. d) Der beschuldigte Anwalt führte in seiner gegen das Urteil des Gerichtspräsidiums X aus (S. 2/3), es sei derart einseitig, emotional, ja geradezu gehässig, dass es sich gerade selber disqualifiziere. Im Übrigen werde man den Eindruck nicht los, es handle sich um ein politisches, rassistisches und sexistisches . aa) In seinem Schreiben vom 28. Dezember 2001 stellte der beschuldigte Anwalt sich dann auf den Standpunkt, nicht behauptet zu haben, das Urteil sei politisch, rassistisch und sexistisch. Diese
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2011 Zivilprozessrecht 29 II. Zivilprozessrecht 2 § 2 lit. c ZPO: Befangenheitsgrund Vorbefassung Es liegt keine unzulässige Vorbefassung vor, wenn ein Richter, welcher in einem anderen Verfahren einer Partei eine Parteientschädigung hat, nun über ein definitives Rechtsöffnungsbegehren dieser Partei hinsichtlich der Parteientschädigung zu entscheiden hat. Aus dem Entscheid der Inspektionskommission vom 11. April 2011 i.S. X.Y. gegen das Gerichtspräsidium Z. (IVV.2010.51). Aus den Erwägungen 3.1.2. (...) Gegenstand des früheren Verfahrens war eine Klage des Ge- suchstellers betreffend Persönlichkeitsverletzung bzw. schlussendlich die Frage der Passivlegitimation. Der Gegenstand des summarischen Verfahrens betreffend Rechtsöffnung ist nunmehr die Prüfung, ob ein Rechtsöffnungstitel im Sinne von Art. 80 SchKG vorliegt, und ob der Schuldner allenfalls Einwendungen gemäss Art. 81 SchKG gegen den Rechtsöffnungstitel vorbringen kann. Der Gesuchsgegner als Rechtsöffnungsrichter hat dabei weder (nochmals) über die der Parteikosten noch über deren Höhe - darüber wurde bereits rechtskräftig entschieden - zu befinden. Sowohl die als auch die rechtlichen Fragen unterscheiden sich in diesen beiden Verfahren grundlegend. Auch wenn die Parteien im Rechtsöffnungsverfahren dieselben sind, sind der jeweilige und die zu prüfenden Rechtsfragen in den beiden Verfahren somit nicht identisch, weshalb das Rechtsöffnungsverfahren (...) noch als hinreichend offen erscheint. Eine Befangenheit seitens des 30 Obergericht 2011 Gesuchsgegners aufgrund einer unzulässigen Vorbefassung ist nicht gegeben. 3 Art. 29 Abs. 2 BV, Art. 124 Abs. 1 ZPO 1. Das Gericht hat dafür zu sorgen, dass einer Partei jede Eingabe der anderen vollständig und zuverlässig zugeht und sie Gelegenheit hat, darauf zu antworten. Wird die Klageantwort dem Kläger erst zusammen mit dem Entscheid zugestellt, ist dessen rechtliches Gehör verletzt. 2. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs kann im Beschwerdeverfahren nach Art. 319 ff. ZPO aufgrund der eingeschränkten Kognition nicht werden, wenn Tatfragen streitig sind. Aus dem Entscheid des Obergerichts, 3. Zivilkammer vom 20. Juni 2011, i.S. B.R. ca. N.F. (ZSU.2011.117). Aus den Erwägungen 1. Rechtsöffnungsentscheide können mit Beschwerde angefochten werden (Art. 319 lit. a i.V.m. Art. 309 lit. b Ziff. 3 ZPO). Mit der Beschwerde kann die unrichtige Rechtsanwendung sowie die unrichtige Feststellung des Sachverhaltes geltend gemacht werden (Art. 320 ZPO). Neue Anträge, neue Tatsachenbehauptungen und neue Beweismittel sind im Beschwerdeverfahren ausgeschlossen (Art. 326 Abs. 1 ZPO). Das Obergericht kann aufgrund der Akten entscheiden (Art. 327 Abs. 2 ZPO). 2. 2.1. 2.1.1. Aus dem verfassungsmässigen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) folgt das Recht einer Partei, sich im Rahmen eines Gerichtsverfahrens zu den Eingaben der anderen zu äussern. Dies bedeutet auch, dass ein Gericht jede bei ihm eingereichte Stellungnahme den Beteiligten zur Kenntnis zu bringen hat (BGE 133 I 98 ff. Erw. 2.1 und 2.2). Dieses Äusserungsrecht
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74 Obergericht / Handelsgericht 2002 des mündigen Kindes ist im summarischen Eheschutzverfahren den Eltern des Unterhaltsberechtigten daher ausgeschlossen (§ 171 Abs. 1 ZPO). Die Beschwerde ist daher insoweit gutzuheissen und Dispositiv-Ziffer 5b des Urteils der Vorinstanz aufzuheben. 22 Ablehnung; Anzeigeerstattung eines Gerichtspräsidenten gegenüber der Anwaltskommission Anzeigeerstattung durch einen Gerichtspräsidenten bei der führt in späteren Verfahren, in welchen der betreffende Anwalt auftritt, nicht ohne weiteres zu einemAblehnungsgrund. Aus dem Entscheid der Inspektionskommission vom 24. Juni 2002 i.S. E. C. gegen Gerichtspräsidium X. Aus den Erwägungen: 3. (...) a) (...) Die Tatsache, dass ein Gerichtspräsident in einem frühe- ren Verfahren mit dem Verhalten des Rechtsvertreters nicht war und deshalb eine Aufsichtsanzeige erstattete, ist für sich allein nicht geeignet, in späteren Verfahren, in welchen der Anwalt wieder auftritt, den Anschein der Befangenheit zu begründen, selbst wenn wiederum die gleiche, vom Anwalt bereits im ersten Verfahren vertretene Partei betroffen ist. Ansonsten würde für Anwälte, welche sich nicht an die Berufsregeln halten, schon bald einmal kein Richter mehr zur Verfügung stehen. Keine Rolle spielt dabei im Übrigen, ob der Anzeige des Gerichtspräsidenten letztlich stattgegeben wird oder nicht. Eine Ausnahme müsste höchstens in jenen Fällen gelten, wo eine Anzeige offensichtlich grundlos erfolgte und damit Ausdruck eines gestörten Verhältnisses zwischen dem Gerichtspräsidenten und demAnwalt ist. (...) Wollte man anders entscheiden, hätte dies zur Folge, dass ein Gerichtspräsident gegen einen sich seiner Meinung nach ungehörig aufführenden oder gegen die Berufsregeln verstossenden Anwalt keine Anzeige bei der Aufsichtsbehörde mehr machen könnte, ohne 2002 Zivilprozessrecht 75 sich in sämtlichen zukünftigen Verfahren, in welchen der betreffende Anwalt als Rechtsvertreter auftritt, in den Ausstand begeben zu . Dies würde aber Art. 15 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte vom 23. Juni 2000 (BGFA; SR 935.61) widersprechen. Diese Bestimmung sieht für kantonale Gerichts- und Verwaltungsbehörden eine betreffend Verletzung von Berufsregeln vor. 23 Streitwert imArbeitsgerichtsverfahren Massgebend für den Streitwert im Arbeitsgerichtsverfahren ist der Betrag, unabhängig davon, ob es sich um den Brutto- oder handelt. Aus dem Entscheid der Inspektionskommission vom 18. November 2002 i.S. S. S. gegen Arbeitsgericht des Bezirks Muri Aus den Erwägungen 2. a) Das Bundesrecht sieht in Art. 343 Abs. 2 und 3 OR vor, dass die Kantone das Arbeitsgerichtsverfahren bis zu einem von Fr. 30'000.-- als einfaches und rasches Verfahren haben, in welchem keine Gerichtskosten auferlegt werden dürfen, unter Vorbehalt mutwilliger Prozessführung. Bei der nicht zu berücksichtigen ist ein allfälliges . Bezüglich der Parteikosten enthält das Bundesrecht keine Regelung. b) § 369 ZPO übernimmt die Regelung gemäss Art. 343 Abs. 2 OR und hält fest, dass bis zu einem Streitwert von Fr. 20'000.-- (der Betrag im OR wurde per 1. Juni 2001 auf Fr. 30'000.-- erhöht) keine Gerichtskosten erhoben werden. Über die bundesrechtliche Regelung hinaus wird ausserdem festgehalten, dass bis zum Betrag von Fr. 20'000.-- auch keine Parteikosten ersetzt werden. Dieser Betrag gilt bezüglich der Parteikosten - trotz Änderung des Bundesrechts - weiterhin, da das Bundesrecht diesbezüglich, wie bereits erwähnt, keine Regelung enthält.
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2003 Strafprozessrecht 77 durch die schweizerischen noch durch die brasilianischen Behörden, sondern allein vom Gesuchsteller zu vertreten, der sich dem Auslieferungsbegehren zu Unrecht widersetzt und dadurch die fast 10-monatige Auslieferungshaft verursacht hat. Hätte er die nicht bekämpft, sondern anerkannt, so wäre er innert kurzer Zeit den schweizerischen Behörden überstellt worden und hätte jedenfalls weniger als die gegen ihn ausgesprochenen 6 Monate Gefängnis in Untersuchungshaft verbringen müssen. Ob sein Verhalten im schuldhaft (verwerflich oder leichtfertig) erfolgt ist, braucht nicht geprüft zu werden und kann offen bleiben. Jedenfalls musste nach der ungerechtfertigten Bekämpfung der Auslieferung durch den Gesuchsteller ein Gerichtsentscheid des obersten Bundesgerichtshofes in Brasilien ergehen, dieser dann im dafür vorgesehenen Amtsblatt veröffentlicht werden und in Rechtskraft erwachsen. Dies dauert erfahrungsgemäss längere Zeit, und hiefür hat allein der Gesuchsteller einzustehen. Zusammenfassend ist folglich die lange Dauer der nicht von den schweizerischen Behörden, sondern vom Gesuchsteller zu vertreten. Die Überhaft war demnach weder noch ungerechtfertigt, und eine Haftentschädigung bzw. Genugtuung ist nicht auszurichten. 24 § 41 lit. c StPO; Vorbefassung des Richters im Fall der Beurteilung eines Mittäters in einem früheren Zeitpunkt? Hat ein Richter einen Mittäter in einem früheren Zeitpunkt beurteilt, so ist er im nachfolgenden Verfahren gegen den anderen Mittäter nicht im Sinn von § 41 lit. c StPO. Aus dem Entscheid der Inspektionskommission vom 28. November 2003 i.S. K. B. c. Bezirksgericht X. Aus den Erwägungen 4. a) Vorerst ist die Frage zu beantworten, ob die Beurteilung eines allfälligen Mittäters in einem früheren Zeitpunkt in Bezug auf 78 Obergericht / Handelsgericht 2003 den nunmehr zu beurteilenden Angeklagten eine Vorbefassung und damit einen zwingend zu beachtenden Ausschliessungsgrund im Sinn von § 41 lit. c StPO darstellt. Vorbefassung im Sinne des Gesetzes bedeutet, dass der Richter eine ähnliche oder qualitativ gleiche Frage in einer anderen amtlichen Stellung in einem früheren Zeitpunkt bereits geprüft hat. Zudem stellt die Beteiligung als Zeuge, Sachverständiger oder Anwalt am Verfahren ebenfalls eine Vorbefassung dar. Entscheidend ist aber, dass es in diesen Fällen immer um ein und dieselbe Person geht. Davon unterscheidet sich der vorliegend zur Diskussion stehende Fall grundlegend, denn hier hatten die Richter im Jahr 2001 noch nicht mit dem Gesuchsteller, sondern mit H. zu tun. Dies ist aber keine Vorbefassung, denn im damaligen Verfahren mussten die Bezirksrichter den H. betreffenden Sachverhalt bzw. ihr Verhalten beurteilen. Ein zwingend zu Ausschliessungsgrund liegt nicht vor. b) (...) c) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass kein Ausschlies- sungsgrund aufgrund einer unzulässigen Vorbefassung der Richter gegeben ist. Aber auch Gründe, welche objektiv Zweifel an der Unbefangenheit der Richter aufkommen lassen, sind nicht ersichtlich. Erachtet das Bundesgericht die Beteiligung des an der Beurteilung eines Revisionsbegehrens bzw. die Beteiligung eines unterinstanzlichen Richters am Verfahren nach Aufhebung des ersten Entscheides im Rechtsmittelverfahren als unproblematisch, so muss dies grundsätzlich auch für Fälle gelten, in welchen mehrere Angeklagte bezüglich gemeinsam begangener zu verschiedenen Zeitpunkten zur Beurteilung kommen. Dies zumindest, solange sich nicht aufgrund der konkreten Umstände ein Anschein von Befangenheit ergibt. Das ist aber vorliegend, wie oben dargelegt, nicht der Fall, weshalb das Ablehnungsbegehren ist. 2003 Gerichtsorganisation 79 V. Gerichtsorganisation 25 §§ 28 Abs. 1, 30 GOG Ein Bezirksrichter darf erst dann als Stellvertreter des zum Einsatz kommen, wenn der Gerichtspräsident aus zwingenden Gründen (z.B. Krankheit, Ausstandspflicht) an der Ausübung seines verhindert ist und wenn auch der Vizepräsident sein Amt als Vertreter des Gerichtspräsidenten infolge Verhinderung nicht wahrnehmen kann. Eine Vertretung des Gerichtspräsidenten durch einen Bezirksrichter zur Entlastung wurde vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Aus dem Entscheid des Obergerichts, 3. Strafkammer, vom 14. November 2003 in Sachen Staatsanwaltschaft gegen D.B. Aus den Erwägungen 1. In formeller Hinsicht rügt der Angeklagte in der Berufung, die Verhandlung vor Vorinstanz sei weder vom Gerichtspräsidenten noch vom Vizepräsidenten geführt worden. Ein Bezirksrichter sei aber nur dann für die Verhandlungsführung zuständig, wenn der und der Vizepräsident aus zwingenden Gründen an der Ausübung des Amtes verhindert seien. Derartige Gründe lägen nicht vor. 2. a) Gemäss Art. 30 Abs. 1 BV hat jede Person, deren Sache in einem gerichtlichen Verfahren beurteilt werden muss, Anspruch auf ein durch Gesetz geschaffenes, zuständiges, unabhängiges und Gericht, wobei Ausnahmegerichte untersagt sind. Art. 30 Abs. 1 BV verlangt somit die generell-abstrakte Regelung der , Kompetenzen und der Organisation von den Gerichten im formellen Gesetz. Die Gewährleistung des ordentlichen Richters im Einzelfall erfordert darüber hinaus, dass auch die Besetzung des Gerichts jedem Verdacht der Manipulation oder irgendwie gearteter
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78 Obergericht / Handelsgericht 2002 B. Anwaltsrecht 24 Grundhonorar für ein durchschnittliches Eheschutz- bzw. Gegen die Festsetzung eines Grundhonorars von Fr. 2'500.-- für ein durchschnittliches Eheschutz- bzw. Präliminarverfahren gestützt auf § 3 Abs. 1 lit. b AnwT ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Zusätzlich Rechtsschriften werden im Rahmen von § 6 Abs. 3 AnwT und mit entsprechenden Zuschlägen entschädigt. Sie führen nicht zur Erhöhung des Grundhonorars. Aus dem Entscheid der Inspektionskommission vom 19. August 2002 i.S. S. gegen Gerichtspräsidium L. 25 Ungebührliche Urteilskritik Der Vorwurf, man werde "den Eindruck nicht los, es handle sich um ein politisches, rassistisches und sexistisches Urteil", überschreitet die der zulässigen Urteilskritik und verstösst gegen § 14 Abs. 1 AnwG. Aus dem Entscheid der Anwaltskommission vom 12. August 2002 i.S. R. (bestätigt durch Urteil des Verwaltungsgerichts vom 19. Dezember 2002) Aus den Erwägungen 4. d) Der beschuldigte Anwalt führte in seiner gegen das Urteil des Gerichtspräsidiums X aus (S. 2/3), es sei derart einseitig, emotional, ja geradezu gehässig, dass es sich gerade selber disqualifiziere. Im Übrigen werde man den Eindruck nicht los, es handle sich um ein politisches, rassistisches und sexistisches . aa) In seinem Schreiben vom 28. Dezember 2001 stellte der beschuldigte Anwalt sich dann auf den Standpunkt, nicht behauptet zu haben, das Urteil sei politisch, rassistisch und sexistisch. Diese
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64 Obergericht/Handelsgericht 2001 streckungsrichter. Die sich stellenden Rechtsfragen in den beiden sind nicht dieselben. In Bezug auf die zu beurteilenden Fragen kann das Verfahren daher als offen und nicht vorbestimmt angesehen werden. Dies gilt zufolge des im Zivilprozess- wie auch im Schuldbetreibungsrecht geltenden Wohnsitzprinzips auch für Fälle, in denen es um die Betreibung der Prozesskosten geht, die das Gerichtspräsidium im früheren Prozess dem Schuldner auferlegte und für die dessen Gerichtskasse im Namen des Kantons Aargau den Schuldner nun selbst betreibt. Entscheid der Inspektionskommission vom 5. April 2001. 18 Vorbefassung (§ 2 lit. c. ZPO) Keine Vorbefassung des Gerichtspräsidenten im ordentlichen Verfahren zur Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts, wenn dieser bereits zuvor das Summarbegehren um vorsorgliche Vormerkung des beurteilt hat. Aus dem Entscheid der Inspektionskommission vom 21. September 2001 i.S. X. Aus den Erwägungen 4. Die Gesuchsteller rügen, Gerichtspräsident X. und damit alle Richter seien aufgrund der Vorkommnisse im Zusammenhang mit der vorläufigen Eintragung des Pfandrechts voreingenommen. Eine Besorgnis der Voreingenommenheit und damit Misstrauen in das kann dann entstehen, wenn der Richter sich bereits in einem früheren Zeitpunkt mit der Angelegenheit befasste. Ausschlaggebend ist in solchen Fällen von Vorbefassung, dass das Verfahren in Bezug auf den konkreten Sachverhalt und die konkret zu beurteilenden gleichwohl als offen erscheint und kein Anschein der erweckt wird (BGE 119 Ia 221 E. 3 S. 226, 120 Ia 184 E. 2 S. 187). a) Art. 839 Abs. 2 ZGB verlangt die Eintragung des innert 3 Monaten nach Vollendung der Arbeiten. 2001 Zivilprozessrecht 65 Das mit dem Hauptprozess befasste Gericht muss die und Rechtzeitigkeit der Anmeldung zur Eintragung der prüfen. Gegenstand des Summarverfahrens ist die vorsorgliche Vormerkung des Pfandrechts, wobei der seinen Anspruch auf Eintragung lediglich glaubhaft zu machen hat. Gegenstand des ordentlichen Verfahrens hingegen ist die Prüfung des Anspruches auf die Werklohnforderung und die definitive Eintragung des Pfandrechts, das Vorliegen von deren Voraussetzungen hat der Bauhandwerker nunmehr zu . Der Gegenstand der beiden Verfahren ist somit nicht identisch. Die Konstellation, dass ein Gerichtspräsident im Summarverfahren einen Sachverhalt provisorisch beurteilen muss und nachher im Verfahren wiederum mit der Sache befasst ist, stellt keine Besonderheit dar (vgl. Präliminar- und , Vermittlungsverhandlung im Arbeitsgerichtsverfahren, ) und begründet für sich auch keinen (BGE 114 Ia 50 E. 3d S. 57 f.). Eine Vorbefassung liegt nicht vor. 66 Obergericht/Handelsgericht 2001 B. Anwaltsrecht 19 Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen durch einen Anwalt, insbesondere Verbot des Parteiwechsels (§ 15 AnwG) Aufgrund der Treuepflicht (§ 15 AnwG) ist dem Anwalt im Allgemeinen untersagt, widerstreitende Interessen zu vertreten. Ausschlaggebend ist nicht die Verwirklichung einer tatsächlichen Interessenkollision, vielmehr ist es schon verpönt, den Anschein einer solchen durch die reine des Mandates zu begründen. Fall eines Anwaltes, der im Rahmen eines Bauhandwerkerprozesses ein Mandat des Bauhandwerkers übernommen hat, obwohl er in einem früheren Bauhandwerkerprozess betreffend dieselbe Überbauung einen Eigentümer vertreten hat, der zwar nicht als Gegenpartei in der von ihm neu verfassten Klageschrift aufgeführt ist, gegen den der Bauhandwerker aber gleichzeitig mit der vom Anwalt verfassten, gegen die anderen Eigentümer gerichteten Klage eine selbst unterzeichnete, dem Wortlaut entsprechende Rechtsschrift eingereicht hat. Entscheid der Anwaltskommission vom 16. August 2001 20 Doppelvertretungsverbot (§ 14 Abs. 2 Satz 1 AnwG) Die Tätigkeit des Anwaltes als Vermittler oder Vertreter zweier Parteien ist zulässig, sofern beide Parteien zustimmen und jede Benachteiligung einer Partei ausgeschlossen ist (§ 11 Abs. 2 Standesregeln). Aus dem Entscheid der Anwaltskommission vom 27. August 2001 Aus den Erwägungen 3. c) Im Weiteren ist zu prüfen, ob der beschuldigte Anwalt die Interessen seiner Mandantin gehandelt hat. Der Anwalt hat die Interessen der Mandantschaft gewissenhaft und nach Recht und Billigkeit zu wahren (§ 14 Abs. 2 Satz 1 AnwG) und darf nicht Per-
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2003 Zivilprozessrecht 55 III. Zivilprozessrecht A. Zivilprozessordnung 12 Ablehnung, Befangenheit Die Strafanzeige eines Prozessbeteiligten gegen einen Richter oder Spruchkörper begründet nicht ohne weiteres dessen bzw. deren . Andernfalls hätte es eine Prozesspartei in der Hand, ihr Richter auch ohne Vorliegen eines Ausschlussgrundes faktisch . Aus dem Entscheid der Inspektionskommission vom 11. Juli 2003 i.S. H. A. c. Gerichtspräsidium B. Aus den Erwägungen: 3. Vorliegend begründet der Gesuchsteller sein mit der von ihm gegen die Vizepräsidentin eingereichten . a) Die Strafanzeige eines Prozessbeteiligten gegen einen oder Spruchkörper begründet, ebenso übrigens wie ein bei der Inspektionskommission, nicht ohne weiteres dessen bzw. deren Befangenheit. Andernfalls hätte es eine Prozesspartei in der Hand, ihr missliebige Richter auch ohne Vorliegen eines faktisch auszuschliessen (Bühler/Edelmann/Killer, Kommentar zur aargauischen Zivilprozessordnung, Aarau 1998, N 17 zu § 3; vgl. auch Hauser/Schweri, Schweizerisches , Basel 2002, N 4 zu § 30). Anders, wenn ein Richter als Folge einer Strafanzeige erklärt, sich nicht mehr unbefangen zu oder selbst Strafanzeige gegen eine Partei oder ihren erhebt. Dann wird man nicht darum herum kommen, den Anschein von Befangenheit zu bejahen. Durch die Einreichung der Strafanzeige allein ist noch nicht nachgewiesen, dass zwischen dem Gesuchsteller und der Vizepräsi- 56 Obergericht / Handelsgericht 2003 dentin ein ausgeprägtes feindschaftliches Verhältnis besteht, welches die richterliche Pflicht zur Unparteilichkeit und gefährden würde. Abgesehen von der Strafanzeige werden in casu keine konkreten Anhaltspunkte für das Vorliegen Gefühle der abgelehnten Richterin namhaft gemacht. 13 Zivilprozess, Sicherstellung der Parteikosten Parteien mit Wohnsitz auf den englischen Kanalinseln sind nicht von der Kautionspflicht gemäss § 105 lit. a ZPO befreit. Auszug aus der Verfügung des Instruktionsrichters des Handelsgerichts vom 28. Juli 2003 in Sachen W. gegen G. Ltd. Aus den Erwägungen 1. a) Gemäss § 105 lit. a ZPO hat die Partei, die als Kläger , der Gegenpartei auf deren Begehren für ihre Parteikosten zu leisten, sofern Letztere in der Schweiz keinen Wohnsitz hat und keine staatsvertragliche Vereinbarung sie von der befreit. b) Die Gesuchsgegnerin hat ihren Sitz in Jersey, einer , und damit im Ausland. Zu prüfen ist, ob sie gestützt auf einen Staatsvertrag von der Sicherstellungspflicht befreit ist. 2. a) Staatsverträge, die für eine Partei mit Sitz in Jersey gemäss § 105 lit. a ZPO in Betracht fallen, sind das Haager Übereinkommen über den internationalen Zugang zur Rechtspflege vom 25. Oktober 1980 (HUe 80; SR 0.274.133), die Haager vom 1. März 1954 (HUe 54; SR 0.274.12), das bilaterale britisch-schweizerische Abkommen vom 3. Dezember 1937 über Zivilprozessrecht (SR 0.274.183.671) sowie das internationale vom 17. Juli 1905 betreffend Zivilprozessrecht (HUe 05; SR 0.274.11). Zu prüfen ist überdies, ob das Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft und ihren anderseits über die Freizügigkeit (Abkommen über die Personen-
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36 Obergericht 2008 Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich bei der Vermittlungsverhandlung grundsätzlich um ein einfaches Verfahren und die Teilnahme an einer solchen Vermittlungsverhandlung bei vollständig durchgeführten Arbeitsgerichtsverfahren als im Grundhonorar abgegolten gilt (AGVE 2004 Nr. 14 S. 61), erscheint die durch den Beschwerdegegner vorgenommene Kürzung des Grundhonorars von 72%, mithin auf Fr. 1'840.00, als zulässig. Nach dem Gesagten ist erstellt, dass der Beschwerdegegner in Anbetracht der konkreten Umstände das Honorar zu Recht - wenn auch mit anderer Begründung - auf Fr. 1'979.85 (inkl. Auslagen und MwSt.) festgesetzt hat. Somit erweist sich die Beschwerde als und ist abzuweisen. 5 § 4 Abs. 1 und 4 AnwT Für die Berechnung des Streitwertes und somit des Grundhonorars des unentgeltlichen Rechtsvertreters wird nicht auf den geltend gemachten Wert der Liegenschaft abgestellt, wenn dieser offensichtlich nicht dem Wert der Liegenschaft entspricht. Entscheid der Inspektionskommission vom 13. Juni 2008 i.S. X. gegen B. (IVV.2007.16) Aus den Erwägungen 3.1.3. Der Beschwerdeführer klagte somit, was die güterrechtlichen Ansprüche betreffend die Liegenschaft angeht, eine bestimmte ein. Es ist nun zu prüfen, ob er bezüglich der Berechnung des Streitwertes diese Summe in guten Treuen hat geltend machen . Gemäss dem den Akten beiliegenden Grundbuchauszug war der Beklagte als Eigentümer der Liegenschaft eingetragen (vgl. [...]). Der Beschwerdegegner stellt sich auf den Standpunkt, der hätte, wenn er sich schon der Notwendigkeit eines Grundbuchauszuges bewusst gewesen sei (vgl. [...]), aufgrund der ihm obliegenden prozessualen Sorgfaltspflicht, im Zeitpunkt der 2008 Anwaltsrecht 37 Einleitung der Klage einen aktuellen Auszug anfordern müssen. wäre ihm bewusst geworden, dass die Liegenschaft mit Verlust verkauft worden sei. Aufgrund der vom Beschwerdeführer in der Kostenbeschwerde aufgeführten Umstände (Verkauf der Liegenschaft an den Bruder, Beklagter blieb in Liegenschaft wohnen) ist ihm beizupflichten, dass er nicht zwingend den neusten Grundbuchauszug als Beweis hat einreichen müssen. Die Klägerin bzw. der Beschwerdeführer konnte davon ausgehen, dass sich die Besitzverhältnisse nicht verändert haben, weshalb der alte Grundbuchauszug als Beweis, dass der Eigentümer der Liegenschaft war, ausreichte. Die des Beschwerdegegners, es hätte ein Grundbuchauszug beigezogen werden müssen, kann daher bei einer ehelichen , welche weiterhin von einem Ehegatten bewohnt wird, als nicht in der angeführten Absolutheit als den Grundsatz der guten Treuen verletzend erachtet werden. Der Beschwerdeführer durfte in guten Treuen noch von einem Eigentum des Ehemannes an der Liegenschaft ausgehen. Das Spiel des Ehemannes, die eheliche Liegenschaft mit einem Steuerwert von Fr. 392'900.00 bei einer Hypothekarbelastung von Fr. 574'000.00 für einen Preis von Fr. 280'000.00 an den eigenen Bruder zu verkaufen, und diese gleich wieder zurückzumieten, mehr als fragwürdig. Es muss dem Beschwerdeführer zu Gute gehalten werden, dass nicht einfach auf dieses "Manöver" werden konnte. Allerdings erscheint der klageweise geltend gemachte von Fr. 650'000.00 aus anderen Gründen trotz "Manöver" nicht mehr als in guten Treuen vertretbar. Auf welche Grundlagen der in seiner Klage den geschätzten Wert der von Fr. 650'000.00 stützt, legt er in seiner Klage nicht dar. Er führt lediglich aus, der Klägerin sei der exakte Wert der Liegenschaft nicht bekannt, sie schätze diesen aber auf Fr. 650'000.00. Die Liegenschaft wurde 1989 in einer absoluten Hochpreis- und gekauft. Die Hypothekarbelastung dürfte daher nahe oder über der Grenze des objektiven Verkehrswertes gelegen haben. Auch hat ein Augenschein ergeben, dass es sich bei der Liegenschaft um 38 Obergericht 2008 ein älteres Haus handelt, welches sich zwar heute in einem guten Zustand präsentiert, an dem aber viele Renovationen offenbar erst neueren Datums nach dem Verkauf getätigt wurden. Nachdem sich in der Klageantwort auch herausgestellt hat, dass die Liegenschaft zu einem Wert von lediglich Fr. 280'000.00 verkauft worden ist, hat der Beschwerdeführer in seiner Klage einen Wert für die Liegenschaft geltend gemacht, welcher offenbar absolut nicht dem Verkehrswert der Liegenschaft entsprochen hat. Aufgrund dieser Umstände war die Einklagung eines Verkehrswertes von Fr. 650'000.00 ohne weitere Abklärungen zu tätigen trotz Spielchen der Gegenpartei die guten Treuen verletzend. Der Beschwerdeführer hat demnach bezüglich des Wertes der Liegenschaft gestützt auf § 4 Abs. 4 AnwT ein zu hohes Begehren gestellt. Es ist somit bezüglich des Streitwertes auf den Wert des in den Akten ausgewiesenen abzustellen. Nachdem die Liegenschaft überdies überschuldet war, weist diese keinen Nettowert mehr auf. [...] [...] 3.2. Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass der Beschwerdeführer den güterrechtlichen Anspruch betreffend die Liegenschaft in der Höhe von Fr. 38'000.00 in guten Treuen nicht hat geltend machen dürfen, weshalb dieser Betrag für die nicht einberechnet werden kann. Der Streitwert berechnet sich demnach nach den übrigen geltend gemachten Ansprüchen in der Höhe von Fr. 15'000.00. Es ist somit von einem Grundhonorar gemäss § 3 Abs. 1 lit. a AnwT in der Höhe von Fr. 4'100.00 . 6 § 94 GOG: Honorar des unentgeltlichen Rechtsvertreters, Verzugszins Auf das genehmigte Honorar eines unentgeltlichen Rechtsvertreters kein Anspruch auf Verzugszins Entscheid der Inspektionskommission vom 8. Juli 2008 i.S. Y. gegen Gerichtspräsidium B. (IVV.2007.24)
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2008 Anwaltsrecht 33 III. Anwaltsrecht 4 § 3 Abs. 1 lit. a AnwT, § 4 Abs. 1 AnwT, § 6 Abs. 2 und 3 AnwT, § 7 Abs. 2 AnwT: Honorar im Arbeitsgerichtsverfahren - Forderungen aus einem Arbeitsverhältnis sind vermögensrechtliche Streitigkeiten im Sinne des Anwaltstarifs. - Für die Teilnahme an der arbeitsgerichtlichen Vermittlungsverhand- lung wird kein Zuschlag gemäss § 6 Abs. 3 AnwT gewährt. - Kürzung des Honorars gestützt auf § 6 Abs. 2 AnwT sowie § 7 Abs. 2 AnwT, nachdem das Arbeitsgerichtsverfahren in der durch einen gerichtlichen Vergleich erledigt wurde. Entscheid der Inspektionskommission vom 16. Juni 2008 i.S. D.S. gegen Arbeitsgericht des Bezirks L. (IVV.2007.18) Aus den Erwägungen 5. 5.1. Im Anwaltstarif sind für Verfahren vor den Arbeitsgerichten bzw. für Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis keine besonderen Regelungen enthalten. Forderungen aus einem Arbeitsverhältnis sind vermögensrechtliche Streitigkeiten im Sinne des Anwaltstarifs (§ 3 Abs. 1 lit. a und § 4 Abs. 1 AnwT). Auch wenn vorliegend das arbeitsgerichtliche Verfahren durch Abschluss eines Vergleiches in der Vermittlungsverhandlung beendet wurde und gemäss obergerichtlicher Praxis bei vollständiger eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens für die Teilnahme an der arbeitsgerichtlichen Vermittlungsverhandlung kein Zuschlag § 6 Abs. 3 AnwT gewährt wird (AGVE 2004 Nr. 14 S. 61), bedeutet dies nicht, dass der Beschwerdeführer vorliegend nach Auf- 34 Obergericht 2008 wand zu entschädigen ist. Der Aufwand für das macht lediglich einen gewissen Anteil des Grundhonorars aus. 5.2. Somit kann festgehalten werden, dass vorliegend das Anwalts- honorar grundsätzlich gemäss § 3 Abs. 1 lit. a AnwT nach Streitwert zu bemessen ist. In ihrer Klage vom 28. Juli 2006 stellte die Klägerin das , die Beklagte sei zu verpflichten, ihr Fr. 30'000.00 inkl. 5% seit 31.3.2006 zu bezahlen. Die Verzugszinsen fallen als Nebenforderung gemäss § 18 Abs. 2 ZPO bei der Bestimmung des Streitwertes nicht in Betracht. Somit ist von einem Streitwert von Fr. 30'000.00 auszugehen. Das Grundhonorar gemäss § 3 Abs. 1 lit. a AnwT beträgt daher Fr. 2'590.00 zuzüglich Fr. 3'600.00 (12% des Streitwertes), insgesamt somit Fr. 6'190.00. 6. 6.1. Gemäss 6 Abs. 2 AnwT vermindert sich das Honorar des An- waltes entsprechend seinen Minderleistungen, wenn das Verfahren nicht vollständig durchgeführt wurde. Ferner sieht § 7 Abs. 2 AnwT eine Verminderung des Honorars vor, wenn das Verfahren nur Aufwendungen erforderte. 6.2. 6.2.1. Bei der Arbeitsgerichtsbarkeit besteht die Besonderheit, dass auf eine Sühneverhandlung vor dem Friedensrichter verzichtet wird und das Vermittlungsverfahren in das Arbeitsgerichtsverfahren ist (ALFRED BÜHLER / ANDREAS EDELMANN / ALBERT KILLER, Kommentar zur aargauischen Zivilprozessordnung, Aarau / Frankfurt am Main / Salzburg, 1998, N 3 zu Vorbem. §§ 372 - 384, [zit. ]). Zumindest im Rahmen der Vermittlungsverhandlung handelt es sich um ein seiner Natur nach einfaches Verfahren, keine allzu grossen Schwierigkeiten bereitet und auch nicht sehr zeitaufwendig ist. Anlässlich der Vermittlungsverhandlung werden keine Parteivorträge vorgetragen, geht es doch analog zum Sühneverfahren einzig darum, zwischen den Parteien eine Einigung zu erzielen. Entgegen den Darstellungen des Be- 2008 Anwaltsrecht 35 schwerdeführers hat in Abweichung von den für das ordentliche geltenden formellen Anforderungen der Kläger die noch nicht mit der Klage zu bezeichnen und die noch nicht beizulegen, da diese erst nach erfolgloser und gestützt auf die Beweisanordnung des zu nennen bzw. vorzulegen sind (§ 376 ZPO; ZPO-Kommentar, a.a.O., N 5 zu § 372). Auch ist der gemäss § 372 Abs. 2 ZPO nur kurz zu begründen. Erst wenn die Bemühungen im Rahmen der Vermittlungsverhandlungen sind, wird ein eigentliches Behauptungsverfahren . Auch das zur Diskussion stehende Verfahren machte keinen ausserordentlichen Aufwand notwendig. Der Aufwand des bestand vorliegend im Verfassen der Klage sowie in der Teilnahme an der Vermittlungsverhandlung vom 8. November 2006, welche gemäss Protokoll von 17.00 bis 18.45 Uhr, mithin 1 3⁄4 Stunden, dauerte. Nach der Durchführung der wurde das Arbeitsgerichtsverfahren als durch den gerichtlichen Vergleich erledigt von der Kontrolle abgeschrieben. Aufgrund dieses Umstandes kann festgehalten werden, dass das arbeitsgerichtliche Verfahren nicht vollständig durchgeführt wurde, weshalb eine des Honorars gestützt auf § 6 Abs. 2 AnwT vorzunehmen ist. 6.2.2. Die Klageschrift umfasst neun Seiten, wobei die erste Seite (Rubrum) und die letzte Seite (Beilagenverzeichnis) nicht zu sind. Letztlich sind die Ausführungen betreffend und Materielles auf fünf Seiten, welche grosszügig ausgestaltet sind, zu finden. Auch wenn der Beschwerdeführer ausführt, die Sach- und Rechtslage habe sich als schwierig gestaltet (Zusammentragen und Berechnen von handschriftlich festgehaltenen Überstunden- und Überzeitsaldi der Klägerin von über einem Jahr; in der Sache sei es um einen "Anlehrvertrag", der vom Amt für Berufsbildung nicht anerkannt worden sei, gegangen), deuten die Ausführungen in der Klageschrift auf nicht allzu komplizierte rechtliche Abklärungen hin, sind die Ausführungen hierzu auf rund zwei Seiten zu finden. 36 Obergericht 2008 Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich bei der Vermittlungsverhandlung grundsätzlich um ein einfaches Verfahren und die Teilnahme an einer solchen Vermittlungsverhandlung bei vollständig durchgeführten Arbeitsgerichtsverfahren als im Grundhonorar abgegolten gilt (AGVE 2004 Nr. 14 S. 61), erscheint die durch den Beschwerdegegner vorgenommene Kürzung des Grundhonorars von 72%, mithin auf Fr. 1'840.00, als zulässig. Nach dem Gesagten ist erstellt, dass der Beschwerdegegner in Anbetracht der konkreten Umstände das Honorar zu Recht - wenn auch mit anderer Begründung - auf Fr. 1'979.85 (inkl. Auslagen und MwSt.) festgesetzt hat. Somit erweist sich die Beschwerde als und ist abzuweisen. 5 § 4 Abs. 1 und 4 AnwT Für die Berechnung des Streitwertes und somit des Grundhonorars des unentgeltlichen Rechtsvertreters wird nicht auf den geltend gemachten Wert der Liegenschaft abgestellt, wenn dieser offensichtlich nicht dem Wert der Liegenschaft entspricht. Entscheid der Inspektionskommission vom 13. Juni 2008 i.S. X. gegen B. (IVV.2007.16) Aus den Erwägungen 3.1.3. Der Beschwerdeführer klagte somit, was die güterrechtlichen Ansprüche betreffend die Liegenschaft angeht, eine bestimmte ein. Es ist nun zu prüfen, ob er bezüglich der Berechnung des Streitwertes diese Summe in guten Treuen hat geltend machen . Gemäss dem den Akten beiliegenden Grundbuchauszug war der Beklagte als Eigentümer der Liegenschaft eingetragen (vgl. [...]). Der Beschwerdegegner stellt sich auf den Standpunkt, der hätte, wenn er sich schon der Notwendigkeit eines Grundbuchauszuges bewusst gewesen sei (vgl. [...]), aufgrund der ihm obliegenden prozessualen Sorgfaltspflicht, im Zeitpunkt der
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2001 Zivilprozessrecht 63 chungsgrundsatzes haben vorrangig die Parteien das in Betracht Tatsachenmaterial dem Gericht zu unterbreiten und die zu nennen. So gesehen darf ihre Tragweite nicht werden (Max Guldener, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. A., Zürich 1979, S. 169). b) Dem Richter wird durch § 129 Abs. 1 ZPO die Befugnis , unter anderem weitere Berichte einzuholen. Eine dazu besteht nach dem Gesetzeswortlaut und den obgenannten Grundsätzen indessen nicht uneingeschränkt. Der mit dem aargauischen Prozessrecht vertraute Anwalt des Gesuchstellers weiss aufgrund seiner Praxis, welche Anforderungen an die Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege gestellt werden. Es liegt nicht der Fall vor, dass eine unbeholfene, rechtsunkundige Partei ein Gesuch ohne Beilegung irgendwelcher Unterlagen einreichte. c) Der Beklagte hat mit der Einreichung der Appellation vom 5. Februar 2001 das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das Appellationsverfahren nur rudimentär und begründet und darauf verwiesen, dass das vollständig Gesuch nach Erhalt der vollständigen Unterlagen separat nachgereicht würde. Dies hat er bis zum heutigen Tag unterlassen. Aus der Tatsache, dass der rechtskundige Anwalt für den ein derart rudimentäres Gesuch einreichte, ohne die in Aussicht gestellten Unterlagen nachzuliefern, ist zu schliessen, dass keine Unterlagen existieren, welche die Bedürftigkeit des ausweisen. Es erübrigt sich folglich, dem Gesuchsteller Frist für die Einreichung zusätzlicher Unterlagen anzusetzen. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist hierin nicht zu erblicken. Der Verweis in der Appellation auf ein steuerbares Einkommen aus dem Jahre 1997/98 ist für die Feststellung der Bedürftigkeit im Jahre 2001 untauglich. Das Gesuch ist deshalb mangels abzuweisen. 17 Die Tatsache, dass eine in Betreibung gesetzte Forderung auf Urteilen des nunmehr mit der Rechtsöffnung befassten Gerichtspräsidiums beruhen, begründet für sich allein keinen Ausstandsgrund (§§ 2 und 3 ZPO). Das Gerichtspräsidium amtete vormals als Sachrichter und jetzt als Voll- 64 Obergericht/Handelsgericht 2001 streckungsrichter. Die sich stellenden Rechtsfragen in den beiden sind nicht dieselben. In Bezug auf die zu beurteilenden Fragen kann das Verfahren daher als offen und nicht vorbestimmt angesehen werden. Dies gilt zufolge des im Zivilprozess- wie auch im Schuldbetreibungsrecht geltenden Wohnsitzprinzips auch für Fälle, in denen es um die Betreibung der Prozesskosten geht, die das Gerichtspräsidium im früheren Prozess dem Schuldner auferlegte und für die dessen Gerichtskasse im Namen des Kantons Aargau den Schuldner nun selbst betreibt. Entscheid der Inspektionskommission vom 5. April 2001. 18 Vorbefassung (§ 2 lit. c. ZPO) Keine Vorbefassung des Gerichtspräsidenten im ordentlichen Verfahren zur Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts, wenn dieser bereits zuvor das Summarbegehren um vorsorgliche Vormerkung des beurteilt hat. Aus dem Entscheid der Inspektionskommission vom 21. September 2001 i.S. X. Aus den Erwägungen 4. Die Gesuchsteller rügen, Gerichtspräsident X. und damit alle Richter seien aufgrund der Vorkommnisse im Zusammenhang mit der vorläufigen Eintragung des Pfandrechts voreingenommen. Eine Besorgnis der Voreingenommenheit und damit Misstrauen in das kann dann entstehen, wenn der Richter sich bereits in einem früheren Zeitpunkt mit der Angelegenheit befasste. Ausschlaggebend ist in solchen Fällen von Vorbefassung, dass das Verfahren in Bezug auf den konkreten Sachverhalt und die konkret zu beurteilenden gleichwohl als offen erscheint und kein Anschein der erweckt wird (BGE 119 Ia 221 E. 3 S. 226, 120 Ia 184 E. 2 S. 187). a) Art. 839 Abs. 2 ZGB verlangt die Eintragung des innert 3 Monaten nach Vollendung der Arbeiten.
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28 Obergericht 2005 B. Obligationenrecht 2 § 7 Abs. 2 VKD, Art. 343 Abs. 2 OR Kostenvorschuss in arbeitsgerichtlichen Verfahren; kein Abzug des Grenzbetrages von Fr. 30'000.-- gemäss Art. 343 OR bei der Berechnung des Grundansatzes gemäss § 7 Abs. 2 VKD. Aus dem Entscheid der Inspektionskommission vom 1. Juni 2005 i.S. R. R. c. Arbeitsgericht Z. Aus den Erwägungen 3. [...] d) Nach dem Gesagten beträgt der Streitwert im vorlie- genden Fall Fr. 35'150.--. Die Berechnung der Höhe des ist gestützt auf § 7 Abs. 2 VKD vorzunehmen. aa) Gemäss § 7 Abs. 2 VKD beträgt der Grundansatz in arbeitsgerichtlichen Streitsachen bei einem Streitwert zwischen Fr. 8'000.-- und Fr. 80'000.-- 7,5 % des um Fr. 8'000.-- verminderten Streitwertes. Im vorliegenden Fall ergibt sich somit folgende : Streitwert (Fr. 35'150.--) ./. Abzug (Fr. 8'000.--) * 7,5 % [...] bb) Die Ausführungen des Beschwerdeführers, es sei gestützt auf Art. 343 OR bei der Berechnung des Grundansatzes ein Abzug von Fr. 30'000.-- vorzunehmen, gehen an der Sache vorbei. Art. 343 OR normiert für einen Streitwert bis Fr. 30'000.--, dass den Parteien weder Gebühren noch Auslagen des Gerichts auferlegt werden. Jedoch derogiert Art. 343 OR bei einem Streitwert über Fr. 30'000.-- die Regelung von § 7 Abs. 2 VKD nicht. Ein Streitwertabzug von Fr. 30'000.-- findet im Gesetz keine Stütze und die Voraussetzungen für eine Auslegung gegen den Wortlaut von § 7 Abs. 2 VKD sind nicht erfüllt (vgl. Beschluss der 1. und 2. Zivilabteilung des Ober- 2005 Zivilrecht 29 gerichts des Kantons Aargau vom 18. November 1992 mit Hinw. auf BGE 114 II 406 Erw. 3, 113 Ia 444 Erw. 3, 113 V 1523 Erw. 3a). Eine solche Auslegung ist demnach abzulehnen. 3 Art. 322 und 349a OR; Arbeitsrecht Art. 349a Abs. 2 OR ist auch ausserhalb des Handelsreisendenvertrages analog auf andere Arbeitsverhältnisse anzuwenden. Abreden, dass der Lohn ganz oder überwiegend aus Provision bestehen soll, sind daher nur gültig, wenn die Provisionszahlungen ein angemessenes Entgelt für die Leistungen des Arbeitnehmers darstellen. Aus dem Entscheid des Obergerichts, 3. Zivilkammer, vom 6. Juni 2005, i.S. S.N. ca. V. GmbH Aus den Erwägungen 2. a) (...) b) Die Provision stellt als eine in der Regel in Prozenten ausgedrückte Beteiligung des Arbeitnehmers am Wert der einzelnen von ihm vermittelten oder abgeschlossenen Geschäfte eine besondere Lohnart dar. In der Regel ist sie zusätzlicher Bestandteil des Lohnes, sie kann aber auch als einzige Lohnart vereinbart sein (Staehelin/ Vischer, Zürcher Kommentar, 3. A., Zürich 1996, N 1 zu Art. 322b OR; Streiff/von Kaenel, Leitfaden zum Arbeitsvertragsrecht, 5. A., Zürich 1992, N 5 zu Art. 322b OR; Geiser, Arbeitsrechtliche Aspekte im Zusammenhang mit Leistungslohn, in: AJP 2001, S. 387). In Bezug auf den Handelsreisendenvertrag hat der Gesetzgeber in Art. 349a OR als zwingende Bestimmung vorgesehen, dass eine , welche als Lohn ausschliesslich oder vorwiegend eine vorsieht, nicht zulässig ist, wenn damit kein angemessenes Entgelt für die Tätigkeit erzielt wird. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung will diese Regelung sicherstellen, dass der auf Provisionsbasis Angestellte nicht schlechter gestellt ist, als jener mit einem festen Lohn (JAR 1987, S. 307 mit Hinweis auf BGE 83 II 78). Zwar findet sich eine entsprechende gesetzgeberische Regelung
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2008 Zivilprozessrecht 29 II. Zivilprozessrecht A. Zivilprozessordnung 3 § 2 lit. c ZPO: Befangenheit des Richters wegen Vorbefassung Ein laufendes Präliminarverfahren, in welchem unter anderem über die Abänderung von Unterhaltsbeiträgen zu entscheiden ist, erscheint nicht mehr als hinreichend offen, wenn sich der Richter in einem anderen derselben Parteien im Rahmen der Beurteilung eines zu leistenden Prozesskostenvorschusses bereits dahingehend geäussert hat, dass die im laufenden Präliminarverfahren massiv gekürzt . Entscheid der Inspektionskommission vom 15. Dezember 2008 i.S. A.S Gerichtspräsidium A. (IVV.2008.5) Aus den Erwägungen 3. Die Gesuchstellerin bzw. ihr Vertreter gründet den Verdacht der Befangenheit des Gesuchsgegners auf dessen Äusserungen im Urteil vom 21. November 2007. Damit habe der Gesuchsgegner zum gebracht, dass er über die Frage der Unterhaltsbeiträge im Verfahren bereits eine vorgefasste Meinung habe. Die macht den Ausstandsgrund der Vorbefassung geltend. 3.1. Gemäss § 2 lit. c ZPO hat ein Richter von Amtes wegen auch in den Ausstand zu treten, wenn er in einem früheren Zeitpunkt in oder nichtrichterlicher Funktion mit der konkreten schon einmal zu tun hatte (ALFRED BÜHLER / ANDREAS / ALBERT KILLER, Kommentar zur aargauischen , 2. Aufl., Aarau 1998, N 11 zu § 2 [zit. ZPO-Kommentar]). In einem solchen Fall sogenannter Vorbefassung stellt sich die Frage, ob sich ein Richter durch seine Mitwirkung an früheren Entscheidun- 30 Obergericht 2008 gen in einzelnen Punkten bereits in einem Mass festgelegt hat, die ihn nicht mehr als unvoreingenommen erscheinen lassen. Anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls muss untersucht werden, ob die zu entscheidende Rechtsfrage trotz Vorbefassung noch als offen . Zu berücksichtigen ist, unter welchen tatsächlichen und Umständen sich der Richter im früheren mit der Sache befasste bzw. sich später damit zu befassen hat. Von Bedeutung ist überdies, welche Fragen zu entscheiden sind und inwiefern sie miteinander zusammenhängen (BGE 126 I 68 Erw. 3c; 114 Ia 50 Erw. 3d; AGVE 1997 S. 98, Nr. 32). 3.2. [...] 3.2.1 - 3.2.3. [...] 3.3. Die obigen Ausführungen zeigen auf, dass es sich bei den bei- den Verfahren nicht um die gleiche Sache handelt. Im früheren Verfahren ging es insbesondere um die Frage der Zustimmung des Beklagten zur Sanierung der Heizung in der Liegenschaft der . Im noch zu entscheidenden laufenden sind unter anderem die Unterhaltsansprüche Gegenstand des Verfahrens. Dieser Sachverhalt und die damit verbundenen konkreten Rechtsfragen haben mit den Sach- und Rechtsfragen des rechtskräftig abgeschlossenen früheren Verfahrens nichts , weshalb grundsätzlich keine Vorbefassung vorliegt. 3.4. 3.4.1. Eine andere Frage ist, ob sich der Gesuchsgegner aufgrund der Ausführungen im Entscheid vom 21. November 2007, "Zudem ist davon auszugehen, dass die Unterhaltsbeiträge der Klägerin im Präliminarverfahren rückwirkend per September 2006 massiv gekürzt werden. Ab Rechtskraft dieses Urteils wird somit die für mehrere Monate keinen Unterhalt mehr vom Beklagten " (...), nicht mehr lösen und die Sache im laufenden Verfahren deshalb nicht mehr mit der nötigen Distanz und Objektivität kann. 2008 Zivilprozessrecht 31 3.4.2. Die beanstandeten Äusserungen erfolgten im Rahmen der Beur- teilung, ob die Gesuchstellerin auf einen Prozesskostenvorschuss des Beklagten angewiesen sei. Für die Beurteilung, ob die für die Leistung eines Prozesskostenvorschusses gegeben sind, stellte der Gesuchsgegner auf diverse Grundlagen aus anderen (Präliminarakten [...]; Eheschutzurteil vom 6. August 2001 [...]; Scheidungsverfahren [...]) ab. [...] Der daraufhin folgende Schriftenwechsel endete mit der Verfügung vom 11. März 2008, in welcher der (Vertreter) die Frist zur Erstattung der Widerklageduplik bis zum 20. März 2008 erstreckt wurde [...]. Die Widerklageduplik der Gesuchstellerin war noch ausstehend. Der Gesuchsgegner äusserte sich somit in seinem Entscheid vom 21. November 2007 in einem Zeitpunkt, in dem im laufenden Verfahren bereits wesentliche Teile der Rechtsschriften erstattet waren. Dass sich der Gesuchsgegner im früheren Verfahren auf ein anderes noch nicht abgeschlossenes Verfahren bezogen und die Kürzung der Unterhaltsbeiträge, welche ein zentrales Thema im Verfahren darstellen, als Begründung herangezogen hat, darauf hin, dass er sich in Bezug auf die Frage der bereits festgelegt hat. Auch insbesondere die Wortwahl, "Ab Rechtskraft dieses Urteils wird somit die Klägerin für mehrere Monate keinen Unterhalt mehr vom Beklagten erhalten", lässt keinen anderen Schluss zu als dass sich der Gesuchsgegner bereits in einem Mass festgelegt hat, so dass die Frage betreffend Unterhaltsbeiträge im laufenden Verfahren nicht mehr als offen erscheint. 4. [...] Das laufende Verfahren erscheint demnach nicht mehr als hinreichend offen. Die Befürchtung der Gesuchstellerin, der im laufenden Verfahren könne vom Gesuchsgegner nicht mehr unvoreingenommen geführt werden, erweist sich bei objektiver Betrachtung als begründet. Das Ablehnungsbegehren der 32 Obergericht 2008 Gesuchstellerin ist demnach gutzuheissen und der Gesuchsgegner hat in den Ausstand zu treten. 2008 Anwaltsrecht 33 III. Anwaltsrecht 4 § 3 Abs. 1 lit. a AnwT, § 4 Abs. 1 AnwT, § 6 Abs. 2 und 3 AnwT, § 7 Abs. 2 AnwT: Honorar im Arbeitsgerichtsverfahren - Forderungen aus einem Arbeitsverhältnis sind vermögensrechtliche Streitigkeiten im Sinne des Anwaltstarifs. - Für die Teilnahme an der arbeitsgerichtlichen Vermittlungsverhand- lung wird kein Zuschlag gemäss § 6 Abs. 3 AnwT gewährt. - Kürzung des Honorars gestützt auf § 6 Abs. 2 AnwT sowie § 7 Abs. 2 AnwT, nachdem das Arbeitsgerichtsverfahren in der durch einen gerichtlichen Vergleich erledigt wurde. Entscheid der Inspektionskommission vom 16. Juni 2008 i.S. D.S. gegen Arbeitsgericht des Bezirks L. (IVV.2007.18) Aus den Erwägungen 5. 5.1. Im Anwaltstarif sind für Verfahren vor den Arbeitsgerichten bzw. für Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis keine besonderen Regelungen enthalten. Forderungen aus einem Arbeitsverhältnis sind vermögensrechtliche Streitigkeiten im Sinne des Anwaltstarifs (§ 3 Abs. 1 lit. a und § 4 Abs. 1 AnwT). Auch wenn vorliegend das arbeitsgerichtliche Verfahren durch Abschluss eines Vergleiches in der Vermittlungsverhandlung beendet wurde und gemäss obergerichtlicher Praxis bei vollständiger eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens für die Teilnahme an der arbeitsgerichtlichen Vermittlungsverhandlung kein Zuschlag § 6 Abs. 3 AnwT gewährt wird (AGVE 2004 Nr. 14 S. 61), bedeutet dies nicht, dass der Beschwerdeführer vorliegend nach Auf-
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2001 Zivilprozessrecht 49 III. Zivilprozessrecht A. Zivilprozessordnung 9 §§ 16 und 19 ZPO; §§ 3 Abs. 1 und 4 AnwT. Bemessung des in Scheidungssachen. - Der in der Klage respektive Widerklage festgelegte Streitwert bleibt grundsätzlich für das ganze Verfahren massgebend, unabhängig , ob die Parteien in dessen Verlauf eine Scheidungskonvention . Aus dem Entscheid der Inspektionskommission vom 25. Oktober 2001. Aus den Erwägungen 3. In seiner Beschwerde vom 7. März 2001 beantragt der die Zusprechung eines (streitwertabhängigen) von total Fr. 14'015.85 statt des angewiesenen Honorars von Fr. 5'297.--. Strittig und im vorliegenden Verfahren vorab zu prüfen ist die Frage, ob es sich vorliegend um eine vermögensrechtliche Streitsache gemäss § 3 Abs. 1 lit. a AnwT oder um eine solche ohne vermögensrechtliche Wirkungen gemäss § 3 Abs. 1 lit. b AnwT handelt. a) Familienrechtliche Prozesse, wie eine Scheidungsklage, sind grundsätzlich nicht vermögensrechtliche Angelegenheiten ( Walther, Schweizerisches Zivilprozess- und , 2.A. Basel 1990, N. 783). Aus einer familienrechtlichen Beziehung kann ein Vermögensrecht entstehen, welches als des Gestaltungsurteils geregelt wird, wie der oder die güterrechtlichen Ansprüche. Der aargauische sieht in § 3 Abs. 1 lit. d ausdrücklich vor, dass die familienrechtlicher Unterhalts- und Unterstützungsbeiträge als nicht vermögensrechtliche Streitsache gilt, währenddem für güter- 50 Obergericht/Handelsgericht 2001 rechtliche Ansprüche lit. a und c zur Anwendung kommen, wonach sich das Honorar nach dem Streitwert bemisst. b) Gemäss § 4 Abs. 1 AnwT sowie § 16 und 19 ZPO bestimmt sich der Streitwert grundsätzlich nach den gestellten Begehren in der Klage respektive Widerklage (Guldener M., Schweizerisches , 3. A. Zürich 1979, S. 109 f.). Vorliegend verlangten beide Parteien in ihren Rechtsbegehren, es sei die güterrechtliche Auseinandersetzung vorzunehmen, ohne hierzu konkrete Anträge zu stellen (Klagebegehren, Ziff. 7 / Widerklagebegehren Ziff. 7). Daraus darf nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass keine Streitsache vorliegt, geht doch sowohl aus den Anträgen als auch den Ausführungen in Klage und Widerklage eindeutig , dass beide Parteien güterrechtliche Ansprüche erhoben und diese streitig waren. c) Die Vorinstanz vertritt im Weiteren die Ansicht, aufgrund des Abschlusses einer Scheidungskonvention zwischen den Parteien, worin sie sich als beim damaligen Besitzstand güterrechtlich erklärten, sei die vermögensrechtliche Natur der vorliegend entfallen. Wie oben ausgeführt, ist für die auf die in der Klage respektive Widerklage Begehren abzustellen. Der damit festgelegte Streitwert bleibt grundsätzlich für den ganzen Prozess massgebend, , -rückzüge oder -vergleiche sind ohne Einfluss auf die (Bühler/Edelmann/Killer, Kommentar zur Zivilprozessordnung, Aarau/Frankfurt a.M./Salzburg 1998, N 6 zu §§ 16/17). Dies entspricht auch dem Sinn von § 4 Abs. 1 AnwT, der auf die beim Prozessbeginn gestellten Begehren abstellt. Somit kann es für die Streitwertberechnung nicht darauf ankommen, ob die Parteien sich im Verlauf des Prozesses über die streitigen einigen. Mit Ziff. 6 der Scheidungskonvention (act. 93) die Parteien denn auch lediglich, dass sie sich über ihre Ansprüche geeinigt haben, und nicht, dass diese nicht bestanden hätten, weil nichts (mehr) zu teilen gewesen wäre. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es sich vorliegend um eine vermögensrechtliche Streitsache handelt und das Honorar des 2001 Zivilprozessrecht 51 Beschwerdeführers sich demgemäss grundsätzlich nach dem berechnet, unter Vorbehalt von § 3 Abs. 1 lit. c AnwT. 10 § 101 ff. ZPO. Eine obsiegende Partei kann im Rechtsmittelverfahren nicht die des vor Vorinstanz nicht verbrauchten Gerichtskostenvorschusses für die eigenen Parteikosten verlangen. Aus dem Entscheid des Obergerichts, 1. Zivilkammer, vom 27. April 2001 in Sachen Nachlass B.A. gegen M.Z. Aus den Erwägungen 3. Der Beklagte verlangt die Zusprechung des vor Vorinstanz nicht verbrauchten Kostenvorschusses. Die Zivilprozessordnung unterscheidet im Abschnitt der Prozesskosten zwischen den Gerichtskosten in der A (§§ 101 - 104 ZPO) und den Parteikosten in der Marginalie B (§§ 105 - 110 ZPO). Gemäss § 101 Abs. 1 ZPO hat die Partei, die als Kläger oder Widerkläger auftritt in jedem kostenpflichtigen einen angemessenen Anteil der mutmasslichen Gerichts- und Kanzleigebühren vorzuschiessen. Nach Rechtskraft des Urteils sind die Kostenvorschüsse einer nicht kostenpflichtigen Partei (§ 104 ZPO). Mit Kostenpflicht in § 104 ZPO können - im Gegensatz zur Regelung im Kanton Zürich - aufgrund einer Auslegung nur die Gerichtskosten gemeint sein. Eine Parteikostensicherheit ist gestützt auf §§ 105 ff. ZPO nur auf einen ein Kostensicherheitsbegehren einer Partei gutheissenden Entscheid des Instruktionsrichters hin zu leisten. Diesfalls ist ein Betrag bei der Gerichtskasse zu hinterlegen, der für die gegnerischen Parteikosten im Falle des Unterliegens haftet und der Gegenpartei bei einer Parteientschädigung von der Gerichtskasse auszurichten ist.
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B 2022_OG V 21 45. IV. Art. 87 Abs. 2 und 3 IVV. Wurde eine Rente wegen eines zu geringen Invaliditätsgrades rechtskräftig verweigert und meldet sich die versicherte Person erneut bei der Verwaltung an, ist das Gesuch (wie auch bei einem Revisionsgesuch) nur zu prüfen, wenn darin glaubhaft gemacht wird, dass sich der Grad der Invalidität in einer für den Anspruch erheblichen Weise geändert hat. Insoweit spielt der Untersuchungsgrundsatz im Verfahren der Neuanmeldung nicht. Den zeitlichen Referenzpunkt für die Prüfung einer anspruchserheblichen Änderung bildet bei der Neuanmeldung wie auch bei der Rentenrevision die letzte rechtskräftige Verfügung, welche auf einer materiellen Prüfung des geltend gemachten Rentenanspruchs mit rechtskonformer Sachverhaltsabklärung, Beweiswürdigung und Durchführung eines Einkommensvergleichs beruht. Zwischen den beiden Vergleichszeitpunkten hat sich die bundesgerichtliche Rechtsprechung geändert. Auch primäre Abhängigkeitssyndrome können neu einen invalidenversicherungsrechtlichen Gesundheitsschaden darstellen, was in einem strukturierten Beweisverfahren abzuklären ist. Die neue Rechtsprechung für sich allein bildet gemäss bundesgerichtlichem Leitentscheid jedoch keinen hinreichenden Anlass, um vom Grundsatz der Nichtanpassung eines formell rechtskräftigen Verwaltungsentscheides an eine geänderte Rechtspraxis abzuweichen und auf eine Neuanmeldung einzutreten. Obergericht, 8. April 2022, OG V 21 45 Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Wurde eine Rente wegen eines zu geringen Invaliditätsgrades rechtskräftig verweigert und meldet sich die versicherte Person erneut bei der Verwaltung an, ist das Gesuch (wie auch bei einem Revisionsgesuch) nur zu prüfen, wenn darin glaubhaft gemacht wird, dass sich der Grad der Invalidität in einer für den Anspruch erheblichen Weise geändert hat (Art. 87 Abs. 3 IVV). Diese Bestimmung beruht auf dem Gedanken, dass die Rechtskraft der früheren Verfügung einer neuen Prüfung so lange entgegensteht, als der seinerzeit beurteilte Sachverhalt sich in der Zwischenzeit nicht verändert hat. Damit soll verhindert werden, dass sich die Verwaltung nach vorangegangener rechtskräftiger Anspruchsbegründung immer wieder mit gleichlautenden und nicht näher begründeten, das heisst keine Veränderung des Sachverhalts darlegenden, Gesuchen befassen muss (BGE 130 V 64 E. 5.2.3). Im Verfahren der Neuanmeldung nach Art. 87 Abs. 2 und 3 IVV spielt der Untersuchungsgrundsatz (Art. 43 Abs. 1 ATSG) insoweit nicht, als die versicherte Person in Bezug auf das Vorliegen einer glaubhaften Änderung der tatsächlichen Verhältnisse seit der letzten rechtskräftigen Leistungsverweigerung eine Beweisführungslast trifft (BGer 9C_367/2016 vom 10.08.2016 E. 2.3). Mit dem Beweismass des Glaubhaftmachens sind herabgesetzte Anforderungen an den Beweis verbunden; die Tatsachenänderung muss also nicht nach dem im Sozialversicherungsrecht sonst üblichen Grad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit erstellt sein. Es genügt, dass für das Vorhandensein des geltend gemachten rechtserheblichen Sachumstandes wenigstens gewisse Anhaltspunkte bestehen, auch wenn durchaus noch mit der Möglichkeit zu rechnen ist, bei eingehender Abklärung werde sich die behauptete Änderung nicht erstellen lassen. Erheblich ist eine Sachverhaltsänderung, wenn angenommen werden kann, der Anspruch auf eine Invalidenrente (oder deren Erhöhung) sei begründet, falls sich die geltend gemachten Umstände als richtig erweisen sollten (BGer 9C_594/2018 vom 06.05.2019 E. 2.1). Ob eine anspruchsbegründende Änderung in den für den IV-Grad erheblichen Tatsachen eingetreten ist, beurteilt sich im Neuanmeldungsverfahren – analog zur Rentenrevision nach Art. 17 Abs. 1 ATSG – durch Vergleich des Sachverhaltes, wie er im Zeitpunkt der letzten rechtskräftigen Verfügung, welche auf einer materiellen Prüfung des Rentenanspruchs mit rechtskonformer Sachverhaltsabklärung, Beweiswürdigung und Durchführung eines Einkommensvergleichs beruht, bestanden hat, mit demjenigen zur Zeit der streitigen neuen Verfügung (BGE 133 V 108 E. 5.3, 130 V 71 E. 3.2.; AHI 1999 S. 84 E. 1b). Eine wesentliche Änderung kann nicht nur die Änderung des Gesundheitszustands bilden (vergleiche Ueli Kieser, Kommentar zum ATSG, 4. Aufl., Zürich 2020, Art. 17 Rz. 33 ff.). 2.2 X (nachfolgend: Beschwerdeführerin) hat im Vorbescheidverfahren bei der IV-Stelle Uri (nachfolgend: Beschwerdegegnerin) insgesamt vier Arztberichte eingereicht: Bericht von Dr. med. E, Facharzt Neurologie im Kantonsspital Uri vom 26. Mai 2020 (IV-act. 119), Bericht von Dr. med. M, Oberärztin Neurorehabilitation im Luzerner Kantonsspital vom 13. Januar 2017 (IV-act. 127, bereits in den Akten unter IV-act. 87 S. 7 f.), Austrittsbericht von Dr. med. K und dipl.-psych. N. der Triaplus AG, Klinik Zugersee, vom 17. November 2020 (IV-act. 133) und Bericht des behandelnden Psychotherapeuten B und Dr. med. M der Triaplus AG, Ambulante Psychiatrie und Psychotherapie Uri, vom 21. Mai 2021 (IV-act. 145). Sie führte in ihrer Einsprachebegründung vom 5. Mai 2021 insbesondere aus, dass aufgrund des Berichts von Dr. med. E vom 26. Mai 2020 glaubhaft gemacht sei, dass allein aufgrund der Fussproblematik und möglicher intellektueller Residuen relevante Einschränkungen bestehen würden, die Einfluss auf die Invaliditätsbemessung haben. Sie leide unter einer langjährigen polytoxikomanen Abhängigkeitsproblematik mit Alkohol-, Cannabis-, Kokain- und Benzodiazepine-Abhängigkeit und psychotischer Störung durch Alkoholmissbrauch. Sie habe circa zehn Entwöhnungskuren mit psychiatrischer Hospitalisation hinter sich und anlässlich der letztjährigen Einweisung habe während des gesamten Aufenthaltes eine erfolgreiche Abstinenz in Bezug auf Alkohol, Kokain und Cannabis erreicht werden können. Die diagnostizierte posttraumatische Belastungsstörung stelle zumindest ein Anhaltspunkt für eine Sachverhaltsänderung dar. Zudem habe sich die Rechtsprechung im Zusammenhang mit Suchtproblematiken geändert. Es sei zu prüfen, inwiefern sie überhaupt noch behandelbar sei. Eine Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse sei auch, dass sie bei der Triaplus AG, Ambulante Psychiatrie und Psychotherapie Uri, in Behandlung sei. Aufgrund des polymorbiden Gesundheitszustands mit erheblichen somatischen und psychischen Beeinträchtigungen sei anhand der eingereichten medizinischen Unterlagen glaubhaft nachgewiesen, dass eine Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei (IV-act. 140). Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde macht die Beschwerdeführerin geltend, dass sie mit den eingereichten Arztberichten sowohl neue Diagnosen (thorakovertebrales Schmerzsyndrom, neuropsychologische Einschränkungen) wie auch eine Veränderung in der Auswirkung der bekannten Diagnosen auf ihre Arbeitsfähigkeit (Chronifizierung) dargelegt habe. Die Beschwerdegegnerin hielt hingegen in der angefochtenen Verfügung vom 22. Juni 2021 fest, dass keine medizinischen Aspekte vorgebracht worden seien, welche eine Änderung der versicherungsmedizinischen Beurteilung zur Folge hätten (IV-act. 147). Mit Stellungnahme vom 1. Oktober 2021 macht sie geltend, wegen des Schmerzsyndroms bei Beinlängenverkürzung sei der Beschwerdeführerin ein orthopädischer Serienschuh abgegeben worden, womit deren Mobilität erhalten und der Fehlbelastung des Rückens entgegengewirkt werde. Eine neuropsychologische Testung sei vom Luzerner Kantonsspital bereits im Jahr 2016 empfohlen worden. Auch aus dem Bericht der Klinik Zugersee könne nicht gelesen werden, dass sich der Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin in einer für den Anspruch erheblichen Weise verändert habe (act. 3.2). 2.3 Zunächst ist zu prüfen, auf welchen Zeitpunkt für den Sachverhaltsvergleich zur Beurteilung des Vorliegens veränderter Verhältnisse abzustellen ist. Am 18. Mai 2018 schloss die IV-Stelle Schwyz ein Leistungsbegehren der Beschwerdeführerin wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht ab (IV-act. 98). Ob damit formell eine Abweisung oder ein Nichteintreten gemeint war, ist unklar. Allerdings hat die IV-Stelle Schwyz damals keine materielle Anspruchsprüfung vorgenommen, nachdem die Beschwerdeführerin auf die Auflage einer sechsmonatigen Alkohol- und Drogenabstinenz nicht reagiert hatte. Die Frage, ob damals im Vergleich zur letzten IV-Verfügung vom 7. Oktober 2016 eine wesentliche Verschlechterung eingetreten war oder nicht, wurde nicht beantwortet. Eine materielle Prüfung des Rentenanspruchs mit rechtskonformer Sachverhaltsabklärung, Beweiswürdigung und Durchführung eines Einkommensvergleichs fand nicht statt. Demnach ist die Verfügung vom 18. Mai 2018 keine materielle Verfügung im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung. Im Verfahren betreffend Verfügung vom 7. Oktober 2016 kam die IV-Stelle Schwyz gestützt auf mehrere Arztberichte und einer Beurteilung des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) zum Schluss, dass keine wesentliche Veränderung gegenüber der Situation im Jahr 2007 erkennbar sei (Feststellungsblatt vom 30.09.2016 IV-act. 62). Sie wies das Leistungsbegehren ab. Zum Sachverhaltsvergleich wird auf den Zeitpunkt der vorangehenden rechtskräftigen materiellen Verfügung vom 7. Oktober 2016 abgestellt. 2.5 Am 11. Juli 2019 liess das Bundesgericht in seinem Leitentscheid BGE 145 V 215 die frühere Rechtsprechung, wonach primäre Abhängigkeitssyndrome beziehungsweise Substanzkonsumstörungen von vornherein keine invalidenversicherungsrechtlichen relevanten Gesundheitsschäden darstellen können und ihre funktionellen Auswirkungen deshalb keiner näheren Abklärung bedürfen, fallen (E. 5.3.3). Es erklärte das strukturierte Beweisverfahren gemäss BGE 141 V 281 ausdrücklich auch bei Abhängigkeitssyndromen für anwendbar (E. 6.2). In BGE 147 V 234 entschied das Bundesgericht, dass die neue Rechtsprechung gemäss BGE 145 V 215 für sich allein keinen hinreichenden Anlass bildet, um vom Grundsatz der Nichtanpassung eines formell rechtskräftigen Verwaltungsentscheides an eine geänderte Rechtspraxis abzuweichen und auf eine Neuanmeldung einzutreten. Bei Vorliegen von Abhängigkeitssyndromen wären also heute wegen der geänderten bundesgerichtlichen Rechtsprechung von den IV-Stellen weitergehende Abklärungen vorzunehmen als im Zeitpunkt der ersten abweisenden Verfügung im Jahr 2007 und auch noch der letzten abweisenden Verfügung im Jahr 2016. Dies allein führt jedoch nicht dazu, dass auf die Neuanmeldung eingetreten werden müsste. 2.6 Bereits im Arztbericht der Psychiatrischen Klinik Zugersee vom 1. Juni 2015, der der letzten materiellen Verfügung der IV-Stelle Schwyz zugrunde lag, litt die Beschwerdeführerin unter einer langjährigen Abhängigkeitserkrankung mit bereits sieben stationären Aufenthalten zum Entzug. Die Tatsache, dass sie bei ihrem zehnten stationären Aufenthalt im Jahr 2020 während des gesamten Aufenthaltes eine Abstinenz erreichen konnte, stellt keine relevante Sachverhaltsänderung dar. Eine Chronifizierung lag bereits damals vor. Der Zeitablauf reicht nicht aus für die Annahme einer wesentlichen Veränderung. Auch subjektiv starke Schmerzen im Bein und mögliche langfristige neuronale Einschränkungen durch den langjährigen Alkohol- und Drogenkonsum waren damals bereits Thema. Im Bericht der Klinik Zugersee vom 1. Juni 2015 (IV-act. 42) wurden Konzentrations- und Gedächtnisstörungen erwähnt. Bereits in der letzten materiellen Verfügung wurde davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin in einer vorwiegend sitzenden und auch wechselbelastenden Tätigkeit arbeitsfähig sei (vergleiche IV-act. 62-4). So stellt die Feststellung von Dr. med. E im Bericht vom 26. Mai 2020, es bestehe in erster Linie keine Arbeitsfähigkeit für stehende und gehende Berufe aufgrund der Fussproblematik, keine neue Tatsache dar. Es bestehen sodann keinerlei Anhaltspunkte, dass die neue zusätzliche Diagnose der posttraumatischen Belastungsstörung, die in den neu eingereichten Arztberichten nicht näher erläutert wird, zu einer erheblichen Veränderung der rentenrelevanten Tatsachen geführt hätte. In der Gesamtwürdigung gelingt es der Beschwerdeführerin nicht, glaubhaft zu machen, dass sich der Sachverhalt in einer für den Anspruch erheblichen Weise geändert hat. Die Beschwerde ist abzuweisen.
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B 2022_OG V 22 33. Gesundheitsrecht. Art. 19 Abs. 1 lit. a Gesundheitsgesetz. Art. 50 Abs. 1 und Abs. 2 VRPV. Art. 19 lit. b Reglement über die Berufe und Organisationen im Gesundheitswesen. Widerruf der Berufsausübungsbewilligung als Podologin. Aufschiebende Wirkung; vorsorgliche Massnahmen. Die Gesundheits-, Sozial- und Umweltdirektion widerrief die an die Beschwerdeführerin rechtskräftig erteilte Berufsausübungsbewilligung als Podologin und entzog einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung. Der Regierungsrat als Beschwerdeinstanz erteilte die aufschiebende Wirkung teilweise wieder, indem er der Beschwerdeführerin die Behandlung von Nicht-Risikopatientinnen und - patienten während des Beschwerdeverfahrens erlaubte, die Behandlung von Risikopatientinnen und -patienten aber untersagte. Die Beschwerdeführerin war Inhaberin des eidgenössischen Fähigkeitszeugnisses (EFZ) in Podologie, verfügte aber nicht über die für die selbstständige Berufsausübung gesetzlich vorgeschriebenen Zusatzdiplome. Die Erteilung der Berufsausübungsbewilligung basierte auf einem Irrtum der Behörde. Im Kanton Uri waren aber gemäss Angaben der Bewilligungsbehörde Podologinnen und Podologen tätig, die nur über eine EFZ verfügten und gestützt auf altes Recht oder das Binnenmarktgesetz eine Berufsausübungsbewilligung erhalten hatten. Die Beschwerdeführerin war überdies während Monaten ohne Beanstandung podologisch tätig. Die Annahme, das Interesse am Schutz der öffentlichen Gesundheit sei unmittelbar und dringlich gefährdet, wenn die Beschwerdeführerin während des Beschwerdeverfahrens vor dem Regierungsrat weiterhin uneingeschränkt podologische Dienstleistungen erbringe, liess sich nicht aufrechterhalten. Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde und Erteilung der aufschiebenden Wirkung. Obergericht, 11. November 2022, OG V 22 33 Aus den Erwägungen: 3. 3.1 Die Verwaltungsbeschwerde an die Vorinstanz (Regierungsrat) gegen eine Verfügung einer Behörde, die der Vorinstanz mittelbar oder unmittelbar unterstellt ist, hat aufschiebende Wirkung, wenn die verfügende Behörde nicht aus wichtigen Gründen etwas anderes anordnet (Art. 50 Abs. 1 i.V.m. Art. 44 Abs. 1 VRPV). Die Beschwerdeinstanz kann eine gegenteilige Verfügung treffen; somit die aufschiebende Wirkung wiedererteilen, wenn die verfügende Behörde sie entzogen hat oder die aufschiebende Wirkung entziehen, wenn die verfügende Behörde von einem Entzug abgesehen hat. Bei Kollegialbehörden ist in dringenden Fällen der Vorsitzende dazu ermächtigt (Art. 50 Abs. 2 VRPV). 3.2 Der Entzug der aufschiebenden Wirkung muss durch eine erhebliche und unmittelbare Gefährdung wichtiger öffentlicher oder privater Interessen geboten sein. Einer Beschwerde kann der Suspensiveffekt nur entzogen werden, wenn die Gründe, die für die sofortige Vollstreckung sprechen, den Vorrang beanspruchen können, diese somit vordringlich beziehungsweise gewichtiger sind als die Interessen an einem Aufschub (Entscheid Obergericht des Kantons Uri vom 27.05.2009, OG V 09 22, publ. in Rechenschaftsbericht über die Rechtspflege des Kantons Uri in den Jahren 2008 und 2009, Nr. 18 S. 112). Durch die Ergreifung der Beschwerde bedingte zeitliche Verzögerungen alleine können nicht als wichtige Gründe im Sinne von Art. 50 Abs. 1 VRPV angeführt werden (vergleiche Zwischenentscheid Obergericht des Kantons Uri vom 20.07.2018, OG V 18 23 betreffend ein kantonales Strassenbauprojekt). 3.3 Der Entscheid über die aufschiebende Wirkung beruht auf einer einzelfallbezogenen Interessenabwägung ohne weitere Beweiserhebungen unter Berücksichtigung der Aktenlage; die Prüfung ist eine summarische. Es genügt für einen negativen Entscheid, dass eine Gefährdung des öffentlichen Interesses aufgrund einer summarischen Prüfung als wahrscheinlich oder doch überwiegend möglich erscheint, auch wenn das Sachverfahren in der Folge allenfalls zu einem abweichenden Resultat führen sollte (BGer 2C_465/2015 vom 08.09.2015 E. 3.3.1). Eine nicht überwiegend mögliche oder sogar lediglich theoretische Gefährdungsmöglichkeit rechtfertigt den Entzug der aufschiebenden Wirkung nicht. Es muss sich um wirklich überzeugende Anliegen handeln, weil den Interessen, ein umstrittenes Rechtsverhältnis in der Schwebe zu halten, erhebliche Bedeutung zukommt (Daum/Rechsteiner, in Herzog/Daum [Hrsg.], Kommentar zum bernischen VRPG, Bern 2020, N. 23 zu Art. 68). Auch das Verhalten der betroffenen Personen kann eine Rolle spielen (zum Beispiel Missachten von Ermahnungen und Auflagen). Weiter kann ein während Jahren geduldeter oder gar bewilligter Zustand noch einige Zeit andauern, wenn nicht konkrete und dringliche Anliegen eine sofortige Korrektur als unumgänglich erscheinen lassen, was allenfalls zu verneinen ist bei unerlaubtem Ausüben eines Berufs, wenn keine grosse Publikumsgefährdung besteht (vergleiche Daum/Rechsteiner, a.a.O., N. 24 zu Art. 68). 5. 5.1 Das Bundesgesetz über den Binnenmarkt (Binnenmarktgesetz [BGBM, SR 943.02]) gewährleistet, dass Personen mit Niederlassung oder Sitz in der Schweiz für die Ausübung ihrer Erwerbstätigkeit auf dem gesamten Gebiet der Schweiz freien und gleichberechtigten Zugang zum Markt haben (Art. 1 Abs. 1 BGBM). Als Erwerbstätigkeit gilt jede nicht hoheitliche, auf Erwerb gerichtete Tätigkeit (Art. 1 Abs. 3 BGBM). Jede Person hat das Recht, Waren, Dienstleistungen und Arbeitsleistungen auf dem gesamten Gebiet der Schweiz anzubieten, soweit die Ausübung der betreffenden Erwerbstätigkeit im Kanton oder der Gemeinde ihrer Niederlassung oder ihres Sitzes zulässig ist (Art. 2 Abs. 1 BGBM). Jede Person, die eine Erwerbstätigkeit rechtmässig ausübt, hat das Recht, sich zwecks Ausübung dieser Tätigkeit auf dem gesamten Gebiet der Schweiz niederzulassen und diese Tätigkeit unter Vorbehalt von Artikel 3 nach den Vorschriften des Ortes der Erstniederlassung auszuüben (Art. 2 Abs. 4 BGBM). Bei der Anwendung dieser Grundsätze gelten die kantonalen beziehungsweise kommunalen Marktzugangsordnungen als gleichwertig (Art. 2 Abs. 5 BGBM). Die Gleichwertigkeitsvermutung kantonaler und kommunaler Marktzugangsordnungen bildet die ideelle Grundlage des Herkunftsortsprinzips. Sie ist insbesondere mit Blick auf allfällige Marktzugangsbeschränkungen durch die Behörde des Bestimmungsortes nach Massgabe von Art. 3 Abs. 1 BGBM bedeutsam. Beschränkungen fallen von vornherein ausser Betracht, wenn gleichwertige Marktzugangsordnungen vorliegen, was sich aus einem Vergleich der beidseitig geltenden, generell-abstrakten Marktzugangsregeln sowie der darauf gründenden Praxis ergibt, unter Berücksichtigung der zu schützenden öffentlichen Interessen. Die Anforderungen an den Nachweis der fehlenden Gleichwertigkeit und damit für eine Widerlegung der Gleichwertigkeitsvermutung werden hoch angesetzt (zum Ganzen: Oesch/Renfer, Wettbewerbsrecht II Kommentar, 2. Aufl., Zürich 2021, Rz. 4 zu Art. 2 BGBM). Da die Gleichwertigkeit der Marktzugangsordnungen vermutet wird, ist ein Nachweis der Ungleichwertigkeit durch die Behörde des Bestimmungsorts zu erbringen (Oesch/Renfer, a.a.O., Rz. 4 zu Art. 2 BGBM; BGer 2C_57/2011 vom 03.05.2011 E. 3.3). Ist von der Gleichwertigkeit der Marktzugangsordnungen auszugehen, besteht kein Raum mehr für eine Auflage oder Bedingung gemäss Art. 3 Abs. 1 BGBM (BGE 135 II 12 E. 2.2 ff.). 5.2 Die fachlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Berufsausübungsbewilligung zur selbstständigen Ausübung des Podologenberufs sind kantonal unterschiedlich geregelt. Während zahlreiche Kantone einen Abschluss auf Stufe Höhere Fachschule (Diplom HF) fordern (etwa Basel-Landschaft, Aargau etc.), reicht in anderen Kantonen (zum Beispiel Graubünden, Luzern etc.) das eidgenössische Fähigkeitszeugnis (EFZ) aus (siehe die aktenkundige Übersicht «Kantonale Bewilligungsvoraussetzungen im Berufsfeld der Podologie» des Schweizerischen Podologen-Verbands SPV vom Januar 2022). Verfügt ein Podologe oder eine Podologin über eine Berufsausübungsbewilligung eines Kantons und ersucht er oder sie um eine Berufsausübungsbewilligung in einem weiteren Kanton, müsste Letzterer, falls er die Bewilligung verweigern oder an Auflagen und Bedingungen knüpfen wollte, aufgrund der Vermutung der Gleichwertigkeit der Marktzugangsordnungen den Nachweis der Ungleichwertigkeit erbringen, wobei die Hürde für den Nachweis hoch ist und mithin triftige Gründe erforderlich sind (vergleiche E. 5.1 hievor). 5.3 Die GSUD führte in ihrer Widerrufsverfügung vom 31. August 2022 aus (E. 8), dass im Kanton Uri aktuell nebst der Beschwerdeführerin sechs Personen über eine Berufsausübungsbewilligung als Podologin/Podologe verfügen würden. Alle würden unter eine der folgenden Kategorien fallen: Die Bewilligungsvoraussetzungen seien vollumfänglich erfüllt; die Berufsausübungsbewilligung sei unter altem Recht erteilt worden; Die Berufsausübungsbewilligung sei gestützt auf das BGBM erteilt worden. In der Besprechung vom 4. August 2022 wurde von Seiten der GSUD ausgeführt, Podologinnen und Podologen im Kanton Uri, die mit einer EFZ-Ausbildung tätig sein dürften, hätten die Berufsausübungsbewilligung entweder altrechtlich bekommen oder nach Binnenmarktgesetz. Aus diesen Äusserungen der GSUD muss im Rahmen des vorsorglichen Rechtsschutzes geschlossen werden, dass im Kanton Uri erstens aktuell tatsächlich Podologinnen und Podologen selbstständig tätig sind, welche «nur» über ein EFZ verfügen, und der Kanton Uri zweitens Bewilligungen an Bewerber erteilt hat, welche zwar nicht über ein Zusatzdiplom zum EFZ verfügen, jedoch über eine Bewilligung aus einem anderen Kanton und deshalb im Kanton Uri ebenfalls eine Bewilligung erhalten haben (Bewilligungen gestützt auf das BGBM). Damit ist davon auszugehen, dass die GSUD auch Marktzugangsordnungen von Kantonen als gleichwertig erachtet, die tiefere fachliche Anforderungen an die Bewerberinnen und Bewerber einer Berufsausübungsbewilligung als selbstständige Podologin/selbstständiger Podologe stellen. Im Rahmen des vorsorglichen Rechtsschutzes ist auch weder geltend gemacht noch für das Gericht ersichtlich, inwiefern die Vermutung der Gleichwertigkeit der Marktzugangsordnungen zu widerlegen wäre. 6. Ist nach dem Gesagten davon auszugehen, dass im Kanton Uri gegenwärtig tatsächlich Podologinnen und Podologen selbstständig tätig sind, die «nur» über ein EFZ in Podologie verfügen und ist ausserdem davon auszugehen, dass schon morgen weitere Personen, die «nur» über ein EFZ in Podologie verfügen, gestützt auf das Binnenmarktgesetz eine Berufsausübungsbewilligung im Kanton Uri erhalten könnten, lässt sich die Annahme, die öffentliche Gesundheit sei durch die einstweilige Tätigkeit der Beschwerdeführerin während des Beschwerdeverfahrens unmittelbar und dringlich gefährdet, nicht aufrechterhalten. Dafür spricht auch, dass die Beschwerdeführerin als Inhaberin eines EFZ in Podologie auch nach Entdeckung des Widerrufsgrundes seit Monaten podologische Dienstleistungen an Risikopatientinnen und -patienten erbracht und ihre Tätigkeiten oder ihr sonstiges Verhalten zu keinerlei Beanstandungen geführt hat. Das Verhalten der betroffenen Person, welches hier, wie gesagt, zu keinen Beanstandungen Anlass gegeben hat, ist in die Beurteilung miteinzubeziehen (vergleiche E. 3.3 hievor). Es ist zwar mit der GSUD und der Vorinstanz davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse am Schutz der öffentlichen Gesundheit hohes Gewicht hat. Im vorliegenden Fall erscheint dieses Interesse aber nicht unmittelbar und dringlich gefährdet, wenn die Beschwerdeführerin während des hängigen Beschwerdeverfahrens ihre Tätigkeit einstweilen uneingeschränkt weiterführt, zumal sowohl in der Fachwelt als auch in den Kantonen nicht unumstritten zu sein scheint, inwieweit Inhaber eines EFZ nicht selbstständig auch Risikopatienten sollten behandeln können. In einer Gesamtbetrachtung überwiegt das private Interesse an der Weiterführung der bisherigen Tätigkeit und damit das ebenfalls nicht unerhebliche Interesse, das umstrittene Rechtsverhältnis in der Schwebe zu halten (vergleiche E. 3.3 hievor). Der angefochtene Beschluss ist somit aufzuheben und der Verwaltungsbeschwerde ist die aufschiebende Wirkung zu erteilen. Der Vollständigkeit halber ist damit auch die Veröffentlichung des Widerrufs der Berufsausübungsbewilligung im Amtsblatt zu untersagen (vergleiche Art. 24 GG). Der Entscheid über die aufschiebende Wirkung ist provisorischer Natur und kann bei veränderten Verhältnissen abgeändert werden (vergleiche BGer 2C_1109/2018 vom 13.02.2019 E. 2.3). Sollte sich die Lage in einer relevanten Art verändern, kann mithin auf den Entscheid unter Umständen zurückgekommen werden.
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B 2022_OG V 22 6. Bürgerrecht. Art. 8 ZGB. Art. 10 Abs. 1 aBüG. Verwirkung des Schweizer Bürgerrechts. Beweislastverteilung. Das im Ausland geborene Kind eines schweizerischen Elternteils, das noch eine andere Staatsangehörigkeit besitzt, verwirkt das Schweizer Bürgerrecht mit Vollendung des 22. Lebensjahres, wenn es nicht bis dahin einer schweizerischen Behörde im Ausland oder Inland gemeldet worden ist oder sich selber gemeldet hat oder schriftlich erklärt, das Schweizer Bürgerrecht beibehalten zu wollen. Als rechtsaufhebende und gleichzeitig negative Tatsache ist die fehlende Meldung von der staatlichen Behörde zu beweisen, wobei der Beweisgrad auf die überwiegende Wahrscheinlichkeit herabgesetzt ist. Im konkreten Fall gab es erhebliche Indizien, dass die erforderliche Meldung vor dem massgebenden Stichtag tatsächlich erfolgt ist, auch wenn eine explizite schriftliche Meldung nicht aktenkundig war. Die fehlende Meldung war daher nicht rechtsgenügend nachgewiesen, weshalb die Verwirkungsfolge nicht eintreten konnte. Gutheissung der Beschwerde, Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Feststellung, dass der Beschwerdeführer im Besitze des Schweizer Bürgerrechts, des Urner Kantonsbürgerrechts sowie des Bürgerrechts einer Urner Gemeinde ist. Obergericht, 5. Dezember 2022, OG V 22 6 Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Die Vorinstanz hat im angefochtenen Beschluss erwogen, der im Ausland geborene Beschwerdeführer habe zwar zum Zeitpunkt seiner Adoption im Jahr 1986 durch einen Schweizer Bürger das Gemeindebürgerrecht einer Urner Gemeinde, das Urner Kantonsbürgerrecht sowie das Schweizer Bürgerrecht erworben. Aufgrund fehlender rechtzeitiger Meldung sei das Schweizer Bürgerrecht mit Vollendung des 22. Lebensjahres per 5. Dezember 1999 jedoch verwirkt gewesen. Es sei deshalb nicht zu beanstanden, dass das Amt für Justiz festgestellt habe, dass der Beschwerdeführer das Schweizer Bürgerrecht verwirkt habe. Die Vorinstanz bezog sich bei ihrer Beurteilung auf Art. 10 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts vom 29. September 1952 (aBüG). Das revidierte Bundesgesetz über das Schweizer Bürgerrecht vom 20. Juni 2014 (Bürgerrechtsgesetz, BüG, SR 141.0) sei nicht anwendbar. 2.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei nach seiner Adoption durch den Schweizer Stiefvater 1988 als Elfjähriger in die Schweiz eingereist. Er habe in der Schweiz die Primarschule und Oberstufe besucht und somit die Kinder- und Jugendjahre in der Schweiz verbracht. 2004 sei er zudem Vater einer Tochter geworden. Es treffe grundsätzlich zu, dass er kein Schriftstück als Nachweis vorlegen könne, in welchem explizit eine Meldung im Sinne von Art. 10 Abs. 1 aBüG erfolgt sei. Jedoch gebe es mehrere amtliche Dokumente, welche stets die Urner Gemeinde des Adoptivvaters als Heimatort des Beschwerdeführers aufgeführt hätten. Diese Dokumente seien allesamt von staatlichen Stellen, unter anderem einer kantonalen Staatsanwaltschaft und einer Kantonspolizei, aber auch von eidgenössischen Stellen (Bundesamt für Justiz), ausgestellt worden. Es könne schlechthin nicht angenommen werden, dass sich die Behörden auf die Angaben der befragten Person, also des Beschwerdeführers, verlassen hätten und diese nicht weiter überprüften. Es müsse ein kantonales Register gegeben haben, worauf sich die entsprechenden Behörden gestützt hätten. Die amtlichen Dokumente seien teilweise aus der Zeit vor Vollendung des 22. Lebensjahres des Beschwerdeführers. Die Behörden hätten somit vor dem 22. Lebensjahr des Beschwerdeführers Kenntnis von dessen Adoption gehabt. Anstelle einer ausdrücklichen Meldung der Adoption gebe es sechs amtliche Dokumente, welche alle nachweislich die Urner Gemeinde des Adoptivvaters als Heimatort aufführen würden. Damit sei der Nachweis erbracht, dass die amtlichen Stellen Kenntnis von der Adoption gehabt hätten. Es gebe keine andere Erklärung dafür, weshalb amtliche Stellen, insbesondere auch eidgenössische, Kenntnis von diesen Personendaten hatten, als dass sie diese Information von einer kantonalen Datenbank bezogen hätten. 3. 3.1 Vorab ist auf die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz zu verweisen, wonach sich die Beurteilung der vorliegenden Angelegenheit nach Art. 10 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts vom 29. September 1952 (aBüG) richtet. Das revidierte Bundesgesetz über das Schweizer Bürgerrecht vom 20. Juni 2014 (Bürgerrechtsgesetz, BüG, SR 141.0) trat erst am 1. Januar 2018 in Kraft und sieht ausdrücklich die Nichtrückwirkung vor (Art. 52 Abs. 2, Art. 50 Abs. 1 BüG). Sowohl der Zeitpunkt der Adoption (1986) als auch der Vollendung des 22. Lebensjahres (1999) sowie der Zeitpunkt der vorinstanzlich angenommenen und unbestritten gebliebenen ersten expliziten Meldung (2016), liegen vor Inkrafttreten des revidierten BüG. Da die genannten Zeitpunkte entscheidende Sachumstände für den Eintritt des Tatbestandes von Art. 10 Abs. 1 aBüG sind, ist das erst am 1. Januar 2018 in Kraft getretene revidierte BüG nicht anwendbar (vergleiche Art. 50 Abs. 1 BüG). 3.2 Gemäss Art. 10 Abs. 1 aBüG verwirkt das im Ausland geborene Kind eines schweizerischen Elternteils, das noch eine andere Staatsangehörigkeit besitzt, das Schweizer Bürgerrecht mit der Vollendung des 22. Lebensjahres, wenn es nicht bis dahin einer schweizerischen Behörde im Ausland oder Inland gemeldet worden ist oder sich selber gemeldet hat oder schriftlich erklärt, das Schweizer Bürgerrecht beibehalten zu wollen. Die ratio legis dieser Bestimmung liegt darin, dass bei der Personenkategorie der im Ausland geborenen Kinder Schweizerischer Staatsangehöriger eine – wenn auch minimale – Verbindung und Bindung an die Schweiz sichergestellt werden soll (vergleiche BGE 107 Ib 1 E. 3). Art. 10 aBüG will den Verlust des Schweizerbürgerrechts «beim Fehlen jeder inneren Beziehung zur Schweiz» herbeiführen (BGE 91 I 382 E. 3). Entsprechend sind die Anforderungen an die Meldung im Sinne von Art. 10 Abs. 1 aBüG respektive an die Meldungsmöglichkeiten im Sinne von Art. 10 Abs. 3 aBüG, welche nicht abschliessend sind («namentlich»), nicht hoch anzusetzen und der Begriff weit auszulegen (zum wortlautidentischen Art. 7 BüG: Fanny de Weck, in Marc Spescha [Hrsg.], Kommentar Migrationsrecht, 5. Aufl., Zürich 2019, Art. 7 BüG Rz. 1 mit Hinweis auf die Rechtsprechung zum aBüG). Die Praxis soll «weitherzig» sein können in der Anerkennung von Zeichen der Verbundenheit mit der Schweiz, die den Untergang des Schweizerbürgerrechts verhindern; die Verwirkung soll nicht eintreten, wenn eine auch nur bescheidene tatsächliche Bindung fortbesteht (Botschaft des Bundesrates vom 09.08.1951, BBl 1951 II 669, S. 693). Von einer gültigen Meldung, welche die erforderliche «minimale Verbindung» impliziert, ist dann auszugehen, wenn die Familie die Geburt ihres Kindes einer schweizerischen Vertretung im Ausland oder einer Behörde im Inland meldet oder wenn sich das Kind bei einem schweizerischen Konsulat anmeldet, um Dokumente bittet oder auf andere Weise seinen Willen bekundet, in der Schweiz zu bleiben (BGE 107 Ib 1 E. 3; siehe auch Botschaft a.a.O. S. 679, wonach Voraussetzung [für die Verwirkung] stets sei, dass keine «tatsächliche Bindung» an die Schweiz mehr fortbestehe). Gesagtes impliziert, dass die Meldung nicht strikt an eine Form gebunden wäre, sondern auch konkludent erfolgen kann. 3.3 Nach der Rechtsprechung ist hinsichtlich der rechtsgenügenden Meldung jede Strenge bei der Würdigung von Beweisen und Indizien ausgeschlossen, da der Verlust des Schweizer Bürgerrechts durch Verwirkung nur in Extremfällen eintreten sollte (BGE 112 Ib 65 E. 2). Aus dieser Formulierung ist abzuleiten, dass die Beweisanforderungen respektive das Beweismass für den Nachweis einer rechtsgenügenden Meldung herabgesetzt sind. Im Zweifelsfall ist das Fortbestehen des Schweizerbürgerrechts anzunehmen (Botschaft a.a.O., S. 693). Was schliesslich die Beweislastverteilung angeht, ergibt sich, dass die fehlende Meldung vor dem 22. Lebensjahr, welche zur Verwirkung des bis dahin bestehenden Schweizer Bürgerrechts führt, als rechtsaufhebende Tatsache nach der allgemeinen Beweislastregel von Art. 8 ZGB, welche auch im öffentlichen Recht gilt (BGE 142 II 433 E. 3.2.6), von der staatlichen Behörde zu beweisen ist (vergleiche BGE 141 III 241 E. 3.1). Als negative Tatsache muss die fehlende Meldung immerhin nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit bewiesen sein (vergleiche BGer 2C_38/2009 vom 05.06.2009 E. 4.1). Gelingt der Beweis nicht, hat der Staat die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen. 4. 4.1 Unbestritten und aufgrund der Akten hinreichend belegt ist, dass der Beschwerdeführer seit Ende der 1980er Jahre in der Schweiz lebte und nach wie vor hier lebt. Er hat in der Schweiz die Schulen besucht und kam verschiedentlich im Jugendalter schon (insbesondere vor Vollendung des 22. Lebensjahres) mit Schweizerischen Behörden in Kontakt. In den Akten liegen Auszüge von amtlichen Dokumenten, in welchen durchgehend die Urner Gemeinde des Adoptivvaters als Heimatort und die Schweiz als Heimatstaat des Beschwerdeführers vermerkt sind; so etwa das Rubrum des Urteils des Jugendgerichts Bezirk Horgen vom 12. Juni 1996 (Beschwerdebeilage 4), die Auszüge aus dem Strafregister vom 25. Oktober 2002 und 13. Juni 2004 ausgestellt vom Bundesamt für Justiz (Beschwerdebeilage 5 und 6) und ein Bericht der Kantonspolizei Zürich vom 25. Februar 2000 (Beschwerdebeilage 7). Unbestritten ist ferner, dass der Beschwerdeführer im Ausland geboren wurde, jedoch aufgrund der Adoption durch den Adoptivvater, welcher Schweizer Bürger ist, das Schweizer Bürgerrecht erworben hatte. Umstritten ist, ob genügend Indizien bestehen, um annehmen zu können, eine rechtsgenügende Meldung im Sinne von Art. 10 Abs. 1 aBüG sei vor Vollendung des 22. Lebensjahres des Beschwerdeführers nicht erfolgt. Die rechtsgenügend nachgewiesene Nicht-Meldung hätte die Verwirkung des Schweizer Bürgerrechts des Beschwerdeführers zur Folge. Gelingt es dem Staat jedoch nicht, mit genügend Indizien zu beweisen, dass eine solche Meldung tatsächlich nicht erfolgte, kann die Verwirkungsfolge nicht eintreten und dem Beschwerdeführer verbliebe das Schweizer Bürgerrecht (vergleiche E. 3.3 hievor). 4.2 4.2.1 Wie auch der Beschwerdeführer zugesteht, lässt sich den Akten keine explizite schriftliche Meldung entnehmen. Auch trifft zu, dass sich im (2005 durch die digitale Datenbank «Infostar» abgelösten) Familienregister der Urner Gemeinde, in welcher der Adoptivvater des Beschwerdeführers heimatberechtigt ist, unter der Rubrik «Kinder» keine Eintragung findet, was sicherlich als Indiz für eine fehlende (explizite) Meldung angeführt werden kann. Andererseits ist dem Beschwerdeführer beizupflichten, dass es prima vista seltsam anmutet, dass verschiedene schweizerische Strafbehörden von der betreffenden Urner Gemeinde als Heimatort und von der Schweiz als Heimatstaat ausgegangen sein sollen, ohne dass diese Angaben anhand genügend belastbarer Beweise je amtlich überprüft worden wären. Die Vorinstanz führt hierzu aus, die damalige Strafprozessordnung des Kantons Zürich und auch die heute geltende eidgenössische Strafprozessordnung würden vorsehen, dass Angaben der einvernommenen Person zu ihren Personalien nur im Zweifelsfall mittels weiterer Dokumente überprüft würden. Die Annahme des Amtes für Justiz, die Erwähnung des Heimatortes in den aktenkundigen strafbehördlichen Unterlagen sei einzig gestützt auf die Aussagen während der Einvernahmen erfolgt, sei deshalb nicht zu beanstanden. 4.2.2 Die Argumentation der Vorinstanz ist spekulativ. Ihre Annahme, die Angaben zu Heimatort und -staat in den verschiedenen behördlichen Dokumenten basierten einzig auf Angaben des Beschwerdeführers, begründet sie nicht konkret anhand der Akten, sondern mittels abstrakter Überlegungen zu Bestimmungen der damals respektive heute geltenden Strafprozessordnungen. Schon auf der abstrakten Ebene mindestens genauso wahrscheinlich, wenn nicht wahrscheinlicher, kann jedoch angenommen werden, dass die Behörden die damaligen Angaben des Beschwerdeführers anhand von genügend belastbaren Beweisen überprüft haben. Auch heute ist es denn auch nach Erfahrung des Gerichts durchaus üblich, dass Angaben zu den Personalien amtlich überprüft werden (vergleiche auch Gunhild Godenzi, in Donatsch/Lieber/Summers/Wohlers [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 3. Aufl., Zürich 2020, N. 21 zu Art. 143). Die konkreten Beweiserhebungen des Gerichts bestätigen sodann die auf der abstrakten Ebene getroffene Annahme, dass es unwahrscheinlich ist, dass die damaligen Angaben nicht überprüft wurden: Gemäss Aussagen des Beschwerdeführers gegenüber dem Gericht anlässlich der Parteibefragung vom 18. November 2022 legte der Beschwerdeführer der Jugendanwaltschaft seinerzeit die in spanischer Sprache abgefasste Adoptionsurkunde vor, aus der hervorging, dass der Beschwerdeführer von einem Schweizer adoptiert worden war. Die Jugendanwaltschaft sei fortan davon ausgegangen, dass er, der Beschwerdeführer, Schweizer Bürger sei (siehe OG-act. 5.7 S. 16 f.). Diese Aussagen erscheinen dem Gericht glaubhaft, zumal sie plausibel die Diskrepanz zwischen fehlendem Registereintrag (vergleiche E. 4.2.1 hievor) und den Angaben zum Heimatort des Beschwerdeführers auf den verschiedenen (straf-)behördlichen Dokumenten erklären. Die Aussagen des Beschwerdeführers passen sich ausserdem besser ein in die Überlegung des Gerichts, wonach es wahrscheinlicher ist, dass die Behörden damals nicht einfach auf die Angaben des Beschwerdeführers abstellten, sondern sie vielmehr die Personalien und insbesondere das Bürgerrecht anhand von zusätzlichen handfesteren Beweisen verifizierten. Offenbar taten die Behörden dies damals anhand der gleichsam inzident anerkannten (vergleiche Art. 29 Abs. 3 IPRG) Adoptionsurkunde. Dass die Angaben zu den Personalien damals einzig auf Angaben des Beschwerdeführers beruht hätten, wie die Vorinstanz annimmt, überzeugt somit weder abstrakt noch aufgrund der konkret vorgenommenen Abklärungen. Indem die Vorinstanz weiter annimmt, die Heimatangaben hätten damals einzig auf Angaben des Beschwerdeführers beruht, und sie ausführt, die Angaben würden von den Strafbehörden nur im Zweifelsfall überprüft, nimmt sie implizit an, beim Beschwerdeführer habe dannzumal kein solcher Zweifelsfall bestanden. Auch dies ist Spekulation und steht ausserdem ebenfalls in Widerspruch zu den Aussagen des Beschwerdeführers, wonach die Erwähnung des Bürgerrechts in den Unterlagen der Jugendstrafbehörden gerade nicht ausschliesslich auf seinen Angaben beruht hatte, sondern auf einer Prüfung der Adoptionsurkunde. Ausser aufgrund der Aussagen des Beschwerdeführers – welche dem Gericht jedoch glaubhaft erscheinen – können die Umstände, wie es zu den Heimatangaben in den Unterlagen der Jugendstrafbehörden kam, ohnehin nicht mehr belegt werden (dazu E. 4.2.3 nachfolgend). 4.2.3 Wie der Informationsfluss im Einzelnen war, namentlich auch wie die Informationsbeschaffung zu den Heimatangaben damals vor den entsprechenden Behörden vonstattenging, ob sie (einzig) auf Angaben des Beschwerdeführers beruhte oder auch auf amtlichen Überprüfungen, kann heute nicht mehr restlos eruiert werden. Das zeigen die erfolglosen Bemühungen der Vorinstanz, die Akten der damaligen Strafverfahren erhältlich zu machen. Die betreffenden Behörden teilten mit, dass die Aktenaufbewahrungsfrist nach kantonalem Recht abgelaufen sei und die Akten heute nicht mehr vorhanden seien, weshalb es sich ihrer Kenntnis entziehe, aufgrund welcher Unterlagen und Abklärungen die Heimatangaben damals Eingang in die Akten gefunden hätten (siehe Schreiben der Oberjugendanwaltschaft Zürich vom 04.08.2021). Immerhin liegen aber die Aussagen des Beschwerdeführers zu den entsprechenden Vorgängen vor: Gemäss den Aussagen des Beschwerdeführers gegenüber dem Gericht haben die Strafbehörden damals seine Angaben anhand einer Prüfung der Adoptionsurkunde verifiziert. Die Aussagen des Beschwerdeführers hierzu erachtet das Gericht als nachvollziehbar und glaubhaft. Ohne abschliessend beurteilen zu müssen, ob und wie die Überprüfung der Heimatangaben damals vorgenommen worden war, kann immerhin gesagt werden, dass die durchaus glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers hierzu die Annahme der Vorinstanz, welche auf spekulativen Überlegungen beruht, in erhebliche Zweifel ziehen und daher beweismässig erschüttern. Der Vorinstanz gelingt es mit anderen Worten nicht, den Nachweis zu führen, dass die Heimatangaben, wie von ihr angenommen, damals einzig gestützt auf die Angaben des Beschwerdeführers Eingang in die Akten fanden. Gestützt auf die allgemeine Beweislastregel kann die Vorinstanz somit nicht für sich in Anspruch nehmen, ihre Sachverhaltsfeststellung sei die zutreffende (vergleiche E. 3.3 hievor). Das bedeutet in rechtlicher Hinsicht, dass die Vorinstanz ihre Annahme, es habe vor dem Stichtag keine Meldung im Sinne von Art. 10 Abs. 1 aBüG vorgelegen, nicht auf die Vorgänge im Zusammenhang mit den damaligen Einvernahmen und Behördenkontakten stützen kann. 4.3 Angesichts der herabgesetzten Anforderungen an die Meldung im Sinne von Art. 10 Abs. 1 aBüG sowohl in begrifflicher als auch beweisrechtlicher Hinsicht (vergleiche E. 3.2 f. hievor) kann schliesslich der Vorinstanz nicht gefolgt werden, soweit sie annimmt, nur explizite schriftliche Mitteilungen im Hinblick auf die Eintragung in die heimatlichen Register, auf die Immatrikulation oder die Ausstellung von Ausweisschriften genügten als Meldung im Sinne von Art. 10 Abs. 1 aBüG (angefochtener Beschluss, E. 5.4). Indem die Vorinstanz das Vorliegen der Meldung verneint, nimmt sie implizit an, der Beschwerdeführer habe seinen Willen, in der Schweiz zu bleiben, vor dem massgebenden Stichtag nicht genügend, unter Umständen auch konkludent, bekundet. Denn dies ist als Meldung im Sinne von Art. 10 Abs. 1 aBüG erforderlich, aber auch ausreichend (vergleiche E. 3.2 in fine hievor). Der Beschwerdeführer lebte jedoch seit Ende der 1980er Jahre in der Schweiz, besuchte hier die Schulen, konnte in verschiedenen amtlichen Dokumenten lesen, dass sein Heimatort die Urner Gemeinde seines Adoptivvaters war und war offenbar der Meinung, dass der Umstand seiner Adoption respektive seines Bürgerrechts auch den Behörden bekannt war. So sagte der Beschwerdeführer gegenüber der Kantonspolizei Zürich, dass er seines Wissens 1989 eingebürgert worden sei, als er in die Schweiz gekommen sei und die Polizei im Übrigen seine Mutter oder «Amtsstellen» fragen müsse (siehe Anschlussbericht der Kantonspolizei Zürich vom 25.02.2000). Ausserdem sagte der Beschwerdeführer an der Parteibefragung vom 18. November 2022 aus, dass seine Eltern in den 90er Jahren nach der Einreise in die Schweiz bei der Heimatgemeinde des Adoptivvaters mündlich vorgesprochen hätten mit der Absicht, die ausländische Adoption anerkennen zu lassen. Dort auf der Gemeinde seien sie dann an die diplomatische Vertretung der Schweiz im betreffenden Land verwiesen worden. Da der Prozess der Anerkennung respektive die Beschaffung der nötigen Dokumente (Übersetzung, Beglaubigung etc.) sehr teuer gewesen wäre und sich die Familie mit ihren fünf Kindern dies nicht habe leisten können, sei dieser Prozess dannzumal nicht weiterverfolgt worden (OG-act. 5.7 S. 30). Auch diese Aussagen erachtet das Gericht als glaubhaft und stimmig. Auch erklärte der Beschwerdeführer plausibel, wie er sich in all den Jahren jeweils mit pragmatisch-praktischen Lösungen über seine Identität ausgewiesen hatte; immer in der Meinung, dass er an sich das Schweizer Bürgerrecht aufgrund der Adoption durch den Schweizer Adoptivvater hatte. Aufgrund der glaubhaft dargelegten mündlichen Vorsprache der Eltern bei der Heimatgemeinde des Adoptivvaters ist somit davon auszugehen, dass noch vor dem Stichtag (vergleiche E. 3.2 hievor) die Adoption der Heimatgemeinde gemeldet, angesichts der finanziellen Verhältnisse der Familie aber der formelle Anerkennungs- und Eintragungsprozess nicht fortgesetzt wurde, was auch den fehlenden Eintrag im Register der Gemeinde erklärt. Angesichts all dieser Umstände gibt es erhebliche Indizien, dass der Beschwerdeführer vor Vollendung des 22. Lebensjahres seinen Willen in der Schweiz zu bleiben genügend bekundet hat, zumal diesbezüglich die Beweisanforderungen herabgesetzt sind (vergleiche E. 3.3 hievor). Es ist denn auch nicht von einem «Extremfall» auszugehen, wie ihn die Rechtsprechung für die Anwendung der Verwirkungsfolge voraussetzt (vergleiche E. 3.3 hievor). Die vorliegende Fallkonstellation ist insbesondere nicht vergleichbar mit denjenigen in den Leitentscheiden des Bundesgerichts, in welchen die Betroffenen jahrelang landesabwesend waren (vergleiche BGE 107 Ib 1 E. 3, 91 I 382 Sachverhalt Bst. A.; siehe auch Entscheid Verwaltungsgericht des Kantons Zürich vom 16.12.2021, VB.2021.00617, E. 3.2 in Sachen eines 1982 in den USA geborenen und dort wohnhaften Beschwerdeführers sowie Botschaft a.a.O. S. 679, wo das Beispiel einer Familie angeführt wird, die während Generationen im Ausland lebt). 4.4 Aus den vorstehend aufgeführten Gründen, gelingt es der Vorinstanz nicht nachzuweisen, dass der Beschwerdeführer vor der Vollendung seines 22. Lebensjahres keine Meldung im Sinne von Art. 10 Abs. 1 aBüG erstattet hätte. Vielmehr bestehen umgekehrt erhebliche Indizien, dass eine rechtsgenügende Meldung tatsächlich erfolgt ist. Damit kann die Verwirkungsfolge im Sinne von Art. 10 Abs. 1 aBüG nicht eintreten und der Beschwerdeführer ist nach wie vor im Besitze seines Schweizer Bürgerrechts und als Folge davon auch seines Kantons- und Gemeindebürgerrechts (Art. 11 aBüG). Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist antragsgemäss gutzuheissen.
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B Kantonales Verfahrensrecht. Art. 7 lit. d Gesetz über den Ausstand. Art. 64 i.V.m. Art. 46 Abs. 1 lit. a, Art. 58 VRPV. Anzeigern kommt im anwaltsrechtlichen Disziplinarverfahren keine Parteistellung und damit auch keine Beschwerdeberechtigung zu. Ausstandsgründe sind unverzüglich nach deren Kenntnisnahme geltend zu machen, anderenfalls verwirkt der Anspruch auf spätere Anrufung. Neue Tatsachen und Beweismittel können im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zwar zulässig sein. Vorbringen, die auf nachlässiger Prozessführung beruhen oder der Verschleppung des Prozesses dienen, sind aber ausser Acht zu lassen. Die Beschwerdeführerin war im anwaltsaufsichtsrechtlichen Disziplinarverfahren bloss Anzeigerin. Ihr kam keine Beschwerdeberechtigung gegen den Entscheid der kantonalen Anwaltsaufsichtsbehörde zu. Die geltend gemachten Ausstandsgründe wurden treuwidrig und verspätet vorgebracht. Das Einbringen eines neuen Beweismittels beruhte auf nachlässiger Prozessführung. Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, soweit darauf einzutreten war. Obergericht, 11. Februar 2020, OG V 19 63 Aus den Erwägungen: 1. b) Zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist berechtigt, wer durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat (Art. 64 i.V.m. Art. 46 Abs. 1 lit. a VRPV). Die kantonale Legitimationsbestimmung lehnt sich an die bundesrechtlichen Bestimmungen zur Rechtsmittellegitimation an (siehe Bericht und Antrag des Regierungsrats vom 16.02.1994 an den Landrat zur Verordnung über die Verwaltungsrechtspflege [VRPV], S. 28). Insofern kann die Lehre und Rechtsprechung zu Art. 89 Abs. 1 BGG und Art. 48 VwVG bei der Auslegung der kantonalen Bestimmung herangezogen werden. Demgemäss sind die Kunden von Banken, Notaren, Anwälten und dergleichen in aufsichtsrechtlichen Verfahren nur Anzeiger ohne Parteistellung, da die Aufsicht nur öffentlichen Interessen dient und die Kunden daneben zivilrechtliche Möglichkeiten haben, ihre Ansprüche durchzusetzen (BGE 142 II 458 E. 3.4.3; Isabelle Häner, in Auer/Müller/Schindler [Hrsg.], VwVG-Kommentar, 2. Aufl., Zürich 2019, Art. 48 Rn. 17 mit Hinweisen). Mit der fehlenden Parteistellung entfällt auch die Beschwerdeberechtigung; das heisst, dass Anzeiger in aufsichtsrechtlichen Verfahren mangels Parteistellung auch nicht im Sinne von Art. 64 i.V.m. Art. 46 Abs. 1 lit. a VRPV beschwerdelegitimiert sind. Die Beschwerdelegitimation ist eine Sachentscheidungsvoraussetzung. Fehlt sie, ist auf das Rechtsmittel nicht einzutreten. Die Beschwerdeführerin ist ehemalige Mandantin des Beschwerdegegners. Die Vorinstanz eröffnete das Disziplinarverfahren gegen den Beschwerdegegner wegen Verletzung von anwaltlichen Berufsregeln auf Anzeige der Beschwerdeführerin. Diese war somit am anwaltsaufsichtsrechtlichen Verfahren als Anzeigerin beteiligt. Als solche wird sie zwar über den Ausgang des Verfahrens informiert (Art. 11 Abs. 3 AnV). Ihr kommt aber keine Parteistellung und damit keine Beschwerdeberechtigung zu. Mangels Beschwerdeberechtigung ist auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde daher nicht einzutreten.
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B Planungs- und Baurecht. Art. 28, Art. 96 PBG. Art. 48 Bauordnung Altdorf. Zone für öffentliche Bauten und Anlagen. Ausnahmebewilligung innerhalb der Bauzone. Die Einwohnergemeinde verfügt bei der Auslegung des vom kantonalen Recht vorgegebenen und der kommunalen Bauordnung übernommenen Begriffs des öffentlichen Interesses über Autonomie. Nach vertretbarer kommunaler Beurteilung war die streitige Nutzung weder von einem öffentlichen Interesse getragen noch konnte sie als private Nutzung von untergeordneter Natur gelten, womit die Nutzung nicht zonenkonform war. Nachdem aber immerhin zwei mutmasslich zonenkonforme Alternativnutzungen ernsthaft geprüft wurden, entsprechende Lösungen aber gescheitert sind und überdies auch die Gemeinde selber keinen Bedarf angemeldet hat, stand jedoch ernsthaft im Raum, dass eine sinnvolle zonenkonforme Nutzung eventuell nicht möglich war. Ob die bestehende private Nutzung tatsächlich als praktisch alternativlos angesehen werden musste, wäre durch die kommunale Baubehörde näher zu prüfen gewesen. Teilweise Gutheissung der Beschwerde und Rückweisung der Sache an die kommunale Baubehörde zur Neubeurteilung. Obergericht, 2. Dezember 2022, OG V 22 11 Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Die Vorinstanz hat im angefochtenen Beschluss erwogen, es sei offensichtlich, dass die Nutzung der streitbetroffenen Halle als Einstellhalle für Wohnwagen und Wohnmobile weder eine öffentliche noch eine den öffentlichen Interessen dienende Baute oder Anlage darstelle. Es handle sich um eine private Nutzung. Als solche sei diese in der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen nur zulässig, wenn sie von untergeordneter Natur sei und die zonenkonforme Nutzung nicht beeinträchtige. Um als untergeordnet gelten zu können, bedürfe es eines engen sachlichen Zusammenhangs mit der öffentlichen Hauptnutzung. Die Hauptnutzung diene vorliegend dem öffentlichen Interesse der veterinärmedizinischen Grundversorgung. Die Einstellhalle für Wohnwagen und Wohnmobile stelle keine notwendige Ergänzung zur Gross- und Nutztierpraxis dar und es sei nicht ersichtlich, dass diese betrieblich indiziert wäre. Es handle sich bei der Einstellhalle als Parkierungsfläche für Wohnwagen und Wohnmobile um eine private Nutzung, die überwiegend der Erfüllung privater (Gewinn-)Interessen diene. Der sachliche Zusammenhang mit der öffentlichen Hauptnutzung fehle, weshalb die beantragte Nutzung nicht als untergeordnete private Nutzung zu betrachten und somit nicht zonenkonform sei. 2.2 Die Beschwerdeführerin macht geltend, die im Planungs- und Baugesetz enthaltene Aufzählung zulässiger öffentlicher Nutzungen sei nicht abschliessend. Wie der Betrieb einer Recyclinganlage durch Private sei auch der Betrieb einer Parkierungsanlage für Wohnwagen und Wohnmobile, die allen Interessierten offenstehen würde, die ein entsprechendes Fahrzeug besässen, im öffentlichen Interesse. Auch die BK Altdorf habe ein «gewisses» öffentliches Interesse nicht verneint. Sie habe in der Antwort auf eine Voranfrage am 6. Februar 2013 geäussert, dass eine private Nutzung nur möglich sei, wenn das Gelände oder Gebäude nicht für eine öffentliche oder dem öffentlichen Interesse dienende Nutzung benötigt werde und mitgeteilt, eine Einstellhalle ziehe kein massives Verkehrsaufkommen nach sich und lasse auch sonst keine Immissionen befürchten, weshalb diese private Nutzung denkbar sei. Vorliegend sei es gerade so, dass die Einstellhalle nicht für eine klassische öffentliche Nutzung benötigt werde und Versuche, die Einstellhalle für Sport- oder andere öffentliche Zwecke nutzbar zu machen, seien aufgrund des ungünstigen Grundrisses der Halle mehrfach gescheitert. Wenn die Einstellhalle nicht für Wohnwagen und Wohnmobile genutzt würde, würde sie leer stehen und niemandem etwas nützen. 3. 3.1 Gemäss Art. 28 PBG und Art. 48 Bauordnung Altdorf (BO, Altdorfer Rechtsbuch 40.11) sind in der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen öffentliche oder öffentlichen Interessen dienende Bauten und Anlagen zulässig (Abs. 1). Als öffentliche oder öffentlichen Interessen dienende Bauten und Anlagen gelten insbesondere Bauten der öffentlichen Verwaltung, Schulhäuser, Spitäler, Heime, Kirchen, Klöster, Friedhöfe, Versorgungs- und Entsorgungsanlagen sowie öffentliche Sport- und Erholungsanlagen (Abs. 2). Private Nutzungen sind zulässig, wenn sie von untergeordneter Natur sind und die zonenkonforme Nutzung nicht beeinträchtigen (Abs. 3). 3.2 Inhalt und genaue Tragweite des Begriffes des öffentlichen Interesses lassen sich nicht in eine einfache allgemein gültige Formel fassen. Verfassung und gesetzliche Zielbestimmungen geben Anhaltspunkte. Ob ein ausreichendes öffentliches Interesse zu Grunde liegt, ist oft nur von Fall zu Fall nach Massgabe der jeweils gegebenen Umstände zu bestimmen (Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl., Zürich 2016, Rz. 462). Beim Begriff des «öffentlichen Interesses» handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff (Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., Rz. 463), welcher vorliegend im Zusammenhang mit der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen vom kantonalen Recht bloss exemplarisch und nicht abschliessend geregelt wird (vergleiche das verwendete Wort «insbesondere» in der gesetzlichen Aufzählung, E. 3.1 hievor). Den Gemeinden ist der erstinstanzliche Vollzug der kantonalen baurechtlichen Bestimmungen übertragen und sie erlassen für sich im Rahmen des kantonalen Gesetzes eine eigene Bauordnung (vergleiche Art. 4 Abs. 1, Art. 17 Abs. 1, Art. 102 Abs. 1 PBG). Ihnen kommt bei der Beurteilung des Begriffes des «öffentlichen Interesses» eine durch die Gemeindeautonomie geschützte relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit zu, dergestalt, dass sie den Begriff zwar nicht einschränkender, unter Umständen aber weiter verstehen dürfen, als in der kantonalrechtlichen Aufzählung zum Ausdruck gebracht (vergleiche zur insoweit vergleichbaren Rechtslage: BGE 136 I 395 E. 3.2.3). Die Einwohnergemeinde Altdorf respektive die für sie hoheitlich handelnde BK Altdorf verfügt somit bei der Auslegung des (von Art. 28 PBG vorgegebenen und von Art. 48 BO übernommenen) Begriffs des öffentlichen Interesses und damit bei der Beurteilung der Zonenkonformität der umstrittenen Nutzung über Autonomie. 4. 4.1 Die hier streitbetroffene Halle ist Bestandteil des sich auf der Liegenschaft Nr. 2381 an der Giessenstrasse 46 in Altdorf befindlichen dreigeschossigen Gebäudes. Die Halle befindet sich im Erdgeschoss. Sie ist rund 5.60 Meter hoch und hat eine Grundfläche von 526 m2. Die Grundfläche der Halle entspricht etwa der Hälfte der Fläche des Erdgeschosses. Auf der anderen Hälfte der Erdgeschossfläche ist eine Gross- und Nutztierpraxis untergebracht. Die Liegenschaft Nr. 2381 liegt gemäss kommunalem Nutzungsplan in der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen. Im Gebäude auf der Liegenschaft Nr. 2381 sind demnach grundsätzlich nur öffentliche oder öffentlichen Interessen dienende Nutzungen zulässig. Private Nutzungen sind nur zulässig, wenn sie von untergeordneter Natur sind und die zonenkonforme Nutzung nicht beeinträchtigen (vergleiche E. 3.1 f. hievor). 4.2 Die Vorinstanz ging im angefochtenen Beschluss davon aus, dass die mit Baugesuch vom 21. November 2018 beantragte und seit 1. August 2017 bereits gelebte Nutzung der Halle als Einstellhalle für Wohnwagen und Wohnmobile nicht öffentlichen Interessen diene und schützte damit die entsprechende Auffassung der BK Altdorf in ihrem in Anwendung von Art. 28 PBG respektive Art. 48 BO ergangenen Bauentscheid vom 24. Februar 2021. Dass die betreffende Nutzung nicht öffentlichen Interessen dient, entspringt somit kommunaler Beurteilung in einem Bereich, in welchem die Gemeinde über Autonomie verfügt. Die Beschwerdeführerin vermag nichts Stichhaltiges aufzuzeigen, weshalb diese Beurteilung nicht vertretbar wäre. Der Vergleich mit der Recyclinganlage geht an der Sache vorbei. Dass eine entsprechende Anlage im Auftrag der öffentlichen Hand auch von Privaten geführt werden kann (wobei hier nichts darüber ausgesagt wird, ob und unter welchen Voraussetzungen dies möglich wäre), ändert nichts daran, dass Entsorgungsanlagen gemäss ausdrücklicher gesetzlicher Regelung dem öffentlichen Interesse dienen, während dies bei einer Parkierungsanlage für Wohnmobile nicht der Fall ist und nach vertretbarer kommunaler Beurteilung auch nicht der Fall sein müsste. Die Beschwerdeführerin führte in der vorinstanzlichen Beschwerdeschrift selber aus, dass die Wohnmobile, wenn sie nicht wie bisher in der Einstellhalle parkiert werden könnten, auf den Grundstücken der betreffenden Fahrzeugeigentümer parkiert werden müssten. Von einer akuten Mangellage bezüglich Wohnmobilparkplätzen kann somit nicht gesprochen werden, wobei offengelassen werden kann, ob im gegenteiligen Fall, das heisst bei Bestehen einer Mangellage, von einem öffentlichen Interesse ausgegangen werden müsste. Grundsätzlich liegt es in der Selbstverantwortung der betreffenden Fahrzeugeigentümer, für ihr Fahrzeug eine geeignete Abstellmöglichkeit zu finden oder dann – bei Fehlen entsprechender Möglichkeiten – auf ein solches Fahrzeug zu verzichten. Das Halten eines Wohnmobils oder Wohnwagens stützt sich nicht auf ein allgemeines Grundbedürfnis, auch wenn sich das Camping-Hobby zunehmender Beliebtheit erfreuen mag. Vielmehr handelt es sich – jedenfalls nach insofern vertretbarer kommunaler Beurteilung – um private Partikular- und nicht um öffentliche Interessen. 5. Nachdem die hier streitbetroffene Nutzung der Halle als Einstellhalle für Wohnwagen und Wohnmobile nicht als öffentlichen Interessen dienend bezeichnet werden kann, gilt sie als private Nutzung. Als solche könnte sie in der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen nur zulässig sein, wenn sie von untergeordneter Natur wäre und die zonenkonforme Nutzung nicht beeinträchtigen würde (siehe E. 3.1 hievor). Die Beschwerdeführerin äussert sich in ihrer Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht zu den diesbezüglichen Erwägungen der Vorinstanz. Sie rügt somit nicht, die Vorinstanz habe die untergeordnete Natur der privaten Nutzung zu Unrecht verneint. Das Gericht braucht sich deshalb – mangels offensichtlicher Mängel im angefochtenen Beschluss – mit dieser Frage und insbesondere auch mit der Frage, ob zwischen der privaten Nutzung und der öffentlichen Interessen dienenden Hauptnutzung ein sachlicher Zusammenhang bestehen muss, nicht eingehend zu befassen (vergleiche E. 1.4 hievor). Ausserdem geht aus den Akten hervor, dass die hier fragliche Halle als Bestandteil des dreigeschossigen Gebäudes rund 5.60 Meter hoch ist und eine Grundfläche von 526 m2 aufweist. Die Grundfläche der Halle, welche sich im Erdgeschoss befindet, entspricht dabei etwa der Hälfte der gesamten Fläche des Erdgeschosses (vergleiche E. 4.1 hievor). Die Halle macht somit einen bedeutenden Teil des auf dem hier streitgegenständlichen Grundstück gelegenen Gebäudes aus. Auch unabhängig von einem sachlichen Zusammenhang zur Hauptnutzung erscheint es nicht offensichtlich unrichtig, die vollständige private Nutzung der Halle als Parkierungsanlage für Wohnmobile und Wohnwagen unter diesen Umständen als nicht mehr untergeordneter Natur zu beurteilen. 6. Nachdem feststeht, dass die von der Beschwerdeführerin beantragte Nutzung weder von einem öffentlichen Interesse getragen ist noch als private Nutzung von untergeordneter Natur gelten kann, muss die Nutzung in Übereinstimmung mit der Vorinstanz und der BK Altdorf als nicht zonenkonform bezeichnet werden. Der angefochtene Beschluss hält insofern einer Überprüfung stand. 7. 7.1 Die Vorinstanz prüfte weiter, ob die Voraussetzungen zur Erteilung einer Ausnahmebewilligung erfüllt sind und verneinte dies. Gemäss Art. 96 PBG können Ausnahmen von einzelnen Bauvorschriften und Plänen des Kantons oder der Gemeinden bewilligt werden, wenn wichtige Gründe das rechtfertigen (lit. a); und keine überwiegenden öffentlichen oder privaten Interessen entgegenstehen (lit. b). 7.2 7.2.1 Eine Ausnahmebewilligung bezweckt, im Einzelfall Härten und offensichtliche Unzweckmässigkeiten, das heisst offensichtlich ungewollte Wirkungen zu beseitigen, die mit dem Erlass der Regel nicht beabsichtigt waren. Sie darf dagegen nicht eingesetzt werden, um generelle Gründe zu berücksichtigen, die sich praktisch immer anführen liessen, weil auf diesem Wege das Gesetz selber abgeändert würde (BGE 117 Ia 146 E. 4; vergleiche auch BGer 1C_396/2018 vom 12.04.2019 E. 5.1, 1C_425/2016 vom 09.05.2017 E. 3.5). Die Durchbrechung der bau- und planungsrechtlichen Ordnung darf daher mit Rücksicht auf deren Wirksamkeit und Rechtssicherheit nur in besonders begründeten Einzelfällen zugelassen werden. Die Bewilligungspraxis muss zurückhaltend sein, damit die Ausnahme Ausnahme bleibt und nicht zur Regel wird. Nicht Gegenstand der Ausnahmebewilligung kann daher die systematische Korrektur einer allgemein unbefriedigenden Vorschrift sein; eine solche muss im ordentlichen Gesetzgebungs- beziehungsweis Nutzungsplanverfahren geändert werden (Ludwig/Stalder, Bernisches Verwaltungsrecht, 2. Aufl. Bern 2013, S. 501 Rz. 89). 7.2.2 Als Ausnahmegrund kommen Verhältnisse in Betracht, die sich auf Zweck, Umfang oder Gestaltung des konkreten Bauvorhabens beziehen und in den geltenden Vorschriften keine genügende Berücksichtigung finden. Die Gewährung einer Ausnahme ist beim Vorliegen objektiver Besonderheiten erlaubt (zum Beispiel Lage und Form der Parzelle, Beschaffenheit des Baugrundes, Art des Bauvorhabens, technische Besonderheiten der Nutzung etc.) (Zaugg/Ludwig, Kommentar zum Baugesetz des Kantons Bern, 5. Aufl., Bern 2020. N. 4b und 5 zu Art. 26-27). Ein eine Ausnahmebewilligung rechtfertigender Härtefall kann etwa vorliegen, wenn eine sinnvolle zonenkonforme Überbauung (oder Nutzung) eines Grundstückes ohne Ausnahmebewilligung nicht mehr möglich ist (vergleiche BGer 1C_396/2018 a.a.O. E. 5.2; vergleiche auch BVR 1999 S. 211 E. 4b). In jedem Fall müssen aber spezielle, vom Normalfall abweichende Umstände vorliegen. Der blosse Wunsch nach optimaler, gewinnbringender Nutzung eines Grundstücks oder einfach besserer Lösung stellt keinen Ausnahmegrund dar (Zaugg/Ludwig, a.a.O., N. 5 zu Art. 26-27). 7.3 In der Beschwerde wird vorgebracht, die Beschwerdeführerin habe die Halle nicht etwa selbst gebaut, um eine spätere Nutzung zu erzwingen, sondern die Halle sei schon bestehend gewesen, ziemlich verrusst nach dem Brand des GreenPower Uri-Kraftwerks. Auch habe es mehrfach Interessenten gegeben, die eine Nutzung der Halle für Sportzwecke in Betracht gezogen hätten. Es sei aber immer an der gegebenen Bauweise mit den vielen Säulen gescheitert. Darum sei es wirklich so: Die Halle werde nicht für eine klassische öffentliche Nutzung benötigt. Wenn sie nicht als Einstellhalle für Wohnwagen und Wohnmobile genutzt würde, würde sie leer stehen und niemandem etwas nützen. 7.4 Die Beschwerdeführerin macht mit ihren Darlegungen letztlich geltend, dass eine sinnvolle zonenkonforme Nutzung der streitbetroffenen Halle nicht (mehr) möglich sei. Damit macht die Beschwerdeführerin „wichtige Gründe“ im Sinne von Art. 96 lit. a PBG geltend. Ihre diesbezüglichen Argumente sind – entgegen der Vorinstanz – nicht zum Vornherein offensichtlich unbegründet und ohne nähere Prüfung abzuweisen. Immerhin hat auch die BK Altdorf (ohne dies freilich explizit so zu bezeichnen) mit ihren bisherigen befristeten Bewilligungen die fragliche Nutzung im Sinne einer Ausnahme bewilligt und damit der Sache nach Ausnahmebewilligungen erteilt. In ihrem Bewilligungsentscheid vom 20. Mai 2019 führte die BK Altdorf denn auch aus, die Einstellhalle werde nicht zonenkonform genutzt. Die BK sei aber bereit, die bestehende Nutzung der Einstellhalle als Zwischennutzung zu bewilligen, bis eine geeignete öffentliche Nutzung gefunden werde. Damit gab die BK Altdorf zum Ausdruck, dass sie die nicht zonenkonforme Nutzung ausnahmsweise zulasse. 7.5 Dass die BK Altdorf die bestehende Nutzung bisher ausnahmsweise bewilligt hat, bedeutet freilich noch nicht, dass für die bestehende Nutzung eine zeitlich unbefristete Ausnahmebewilligung zu erteilen wäre. Zu beachten ist aber Folgendes. 7.5.1 Wie sich den Akten entnehmen lässt, befand sich auf dem Grundstück der heutigen Tierarztpraxis ehemals das Gebäude des Biomassenkraftwerks der Green Power AG. Am 3. November 2012 brannte dieses Gebäude nieder. Die Beschwerdeführerin gibt unwidersprochen zu bedenken, dass die heutige Halle im Gebäude an der Giessenstrasse 46 auf der schon vorbestehenden Halle des ehemaligen Gebäudes des GreenPower Uri- Kraftwerks basiert. Die Überreste der Halle, welche nach Angaben der Beschwerdeführerin „ziemlich verrusst“, aber offenbar in ihrem Grundriss noch einigermassen intakt waren, wurden somit – wiederum nach Angaben der Beschwerdeführerin – in das heutige Gebäude integriert. Treffen die Angaben der Beschwerdeführerin zu, so wäre ihre Auffassung, sie habe die Halle nicht selbst gebaut, um eine spätere Nutzung zu erzwingen, nachvollziehbar und bei der weiteren Beurteilung, ob ein wichtiger Grund für eine Ausnahme vorliegt, zu berücksichtigen. Die Situation wäre jedenfalls nicht vergleichbar mit der Situation, in welcher die Beschwerdeführerin das heutige Gebäude von Grund auf neu gebaut hätte. Es war im ausdrücklichen Interesse der Gemeinde, dass das Areal des ehemaligen Biomassenkraftwerks wiederum einer sinnvollen Nutzung im Interesse der Öffentlichkeit zugeführt wird. Der Aufbau und Betrieb einer Gross- und Nutztierpraxis wurde als sinnvolle Nutzung erachtet (vergleiche Beschluss des Gemeinderats Altdorf vom 02.11.2015). Ebenfalls sinnvoll und letztlich den Interessen, auf der betreffenden Parzelle wieder eine sinnvolle Nutzung zu ermöglichen, dienend kann auch der Umstand gewertet werden, dass das heutige Gebäude auf den Restmauern des vormaligen Gebäudes errichtet wurde. Es wäre kaum nachhaltig und wenig sinnvoll gewesen, von der Beschwerdeführerin zu verlangen, die Überreste des abgebrannten Gebäudes komplett zu beseitigen anstatt darauf aufbauend das neue Gebäude zu konzipieren und die Überreste darin zu integrieren. Wenn dies schlussendlich zu einer Halle führte, von der heute festgestellt werden muss, dass sie nur schwer einer öffentlichen Nutzung zuführbar ist, so ist dies nicht ausschliesslich durch die Beschwerdeführerin selbstverschuldet, wie man das bei einem kompletten Neubau allenfalls eher annehmen könnte. Der heutige Grundriss der Halle ist somit ein nicht ausschliesslich selbstverschuldeter und heute gegebener Sachzwang, welcher eine sinnvolle öffentliche Nutzung offenbar erschwert. 7.5.2 In Anschlag zu bringen ist schliesslich, dass die Beschwerdeführerin in der Vergangenheit mindestens zwei Alternativnutzungen ernsthaft geprüft hat, von welchen anzunehmen ist, dass sie als Sportnutzung dem Zonenzweck entsprochen hätten. Aus den Akten ergibt sich, dass diese Bemühungen letztlich aber an wirtschaftlichen Überlegungen seitens der involvierten Sportorganisationen und dem ungünstigen Grundriss der Halle gescheitert sind. Wesentlich für die Frage, ob eine sinnvolle zonenkonforme Nutzung (noch) möglich ist, ist insbesondere die ausreichende Prüfung von Alternativvarianten. Eine Ausnahmebewilligung rechtfertigt sich namentlich nicht, wenn zumutbare Alternativen zur Verfügung stehen (vergleiche Zaugg/Ludwig, Kommentar zum Baugesetz des Kantons Bern, 5. Aufl., Bern 2020. N. 5 zu Art. 26-27). Ob die Sache vorliegend an diesen Punkt gelangt ist und die heute gelebte private Nutzung tatsächlich als praktisch alternativlos angesehen werden muss, kann an dieser Stelle offengelassen werden. Es ist nicht am Gericht, gleichsam erstinstanzlich darüber zu befinden. Nachdem aber immerhin zwei mutmasslich zonenkonforme Alternativnutzungen ernsthaft geprüft wurden, entsprechende Lösungen aber gescheitert sind und überdies auch die Gemeinde selber keinen Bedarf angemeldet hat, steht doch ernsthaft im Raum, dass eine sinnvolle zonenkonforme Nutzung eventuell nicht möglich ist. Sollte dies der Fall sein und tatsächlich zutreffen, was die Beschwerdeführerin zu bedenken gibt („Wenn die Halle nicht als Einstellhalle für Wohnwagen und Wohnmobile genutzt würde, würde sie leer stehen“), dann sähe das Gericht nicht, inwiefern das Vorliegen eines „wichtigen Grundes“ abzusprechen wäre, denn es konnte beim Erlass der hier vorliegenden Zonenordnung kaum eine gewollte Wirkung gewesen sein, eine grundsätzlich nutzbare und bestehende Halle leerstehend und ungenutzt zu lassen (vergleiche E. 7.2.1 hievor). Vielmehr dürfte eine leerstehende und ungenutzte Halle den Zonenzweck noch weniger erfüllen als eine privat genutzte Halle, zumal die Zone für öffentliche Bauten und Anlagen eine Bauzone darstellt und in einer solchen ungenügend genutzte Flächen möglichst vermieden werden sollten (vergleiche Art. 3 Abs. 3 lit. abis RPG). 7.6 Nach dem Gesagten ergibt sich zusammenfassend, dass in der vorliegenden Sache die Erteilung einer Ausnahmebewilligung ernsthaft in Betracht fällt. Dabei ist es nicht am Gericht, gleichsam erstinstanzlich zu prüfen, ob die Umstände für einen „wichtigen Grund“ im Sinne der gesetzlichen Ausnahmebestimmung vorliegend schon gegeben sind; namentlich, ob eine sinnvolle zonenkonforme Nutzung noch möglich erscheint oder ob dies nicht der Fall ist, wobei Letzteres unter anderem daran anknüpfen muss, ob genügend zonenkonforme, aber letztlich nicht umsetzbare Alternativnutzungen geprüft worden sind. Die Sache ist deshalb zur Prüfung einer Ausnahmebewilligung an die BK Altdorf zurückzuweisen. Hierbei könnte die BK Altdorf auch eine bedingte Bewilligung in Betracht ziehen, das heisst, die Bewilligung zwar unbefristet erteilen, aber an die Bedingung knüpfen, dass nicht eine geeignete im öffentlichen Interesse stehende Nutzung bestehe und die Bewilligung dann widerrufen werde, wenn sich eine sinnvolle im öffentlichen Interessen stehende Nutzung ergeben sollte (Art. 106 Abs. 1 PBG; vergleiche BGer 1C_8/2019 vom 20.05.2019 E. 3.4).
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B 2022_OG V 22 19. IV. Art. 43 Abs. 1 ATSG. Art. 13 Abs. 1, Art. 14ter Abs. 1 lit. b IVG. Art. 3bis IVV. Ziff. 404 GgV-EDI. KSME Anhang 4. Die Voraussetzungen des Geburtsgebrechens 404 können als erfüllt gelten, wenn vor dem 9. Geburtstag mindestens Störungen des Verhaltens im Sinne krankhafter Beeinträchtigung der Affektivität oder Kontaktfähigkeit, des Antriebes, des Erfassens (perzeptive Funktionen), der Konzentrationsfähigkeit sowie der Merkfähigkeit (kumulativ, aber nicht unbedingt gleichzeitig) ausgewiesen sind. Der Mottier-Test ist grundsätzlich zur Erfassung (unter anderem) der auditiven Merkfähigkeit geeignet. Selbst wenn das schlechte Abschneiden im Mottier- Test (auch) durch eine andere Ursache erklärt werden kann, heisst das nicht zwingend, dass eine Merkfähigkeitsstörung als (weitere) Ursache hierfür auszuschliessen ist. Der Versicherungsträger hat die Begehren zu prüfen, die notwendigen Abklärungen von Amtes wegen vorzunehmen und die erforderlichen Auskünfte einzuholen. Die Behörde hat aus eigener Initiative vorzugehen und darf Parteivorbringen nicht mit der Begründung abtun, diese seien nicht belegt worden. Die Untersuchungsmaxime ist unter anderem dann verletzt, wenn die Behörde Hinweise solcher Art hat, dass diesen nachzugehen ist und ihnen nicht nachgegangen wird. Auf das Ergebnis versicherungsinterner ärztlicher Abklärungen – zu denen die RAD-Berichte gehören – kann (ohne Einholung eines externen Gutachtens) nicht abgestellt werden, wenn auch nur geringe Zweifel an ihrer Zuverlässigkeit und Schlüssigkeit bestehen. Die beweisrechtliche Frage, ob die rechtzeitig gestellte Diagnose eines POS zutrifft, darf auch mit erst nach dem neunten Altersjahr vorgenommenen ergänzenden Abklärungen beantwortet werden. Obergericht, 16. Dezember 2022, OG V 22 19 Aus den Erwägungen: 6. 6.1 Nach Rz. 404.5 Kreisschreiben über die medizinischen Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung (KSME) können die Voraussetzungen von Ziffer 404 GgV-EDI als erfüllt gelten, wenn vor dem 9. Geburtstag mindestens Störungen des Verhaltens im Sinne krankhafter Beeinträchtigung der Affektivität oder Kontaktfähigkeit, des Antriebes, des Erfassens (perzeptive Funktionen), der Konzentrationsfähigkeit sowie der Merkfähigkeit (kumulativ, aber nicht unbedingt gleichzeitig) ausgewiesen sind (Ziff. 2.1 KSME Anhang 4). 8.5 Wie die Beschwerdeführerin zutreffend vorbringt, ist nach dem Gesagten lediglich das Vorliegen einer Merkfähigkeitsstörung umstritten. 9. Die Parteien sind sich einig, dass der Mottier-Test eine Minderleistung aufgezeigt hat. Streitig ist jedoch, ob diese Minderleistung auf eine Störung der auditiven Merkfähigkeit zurückzuführen ist, beziehungsweise ob sich der Mottier-Test – bei Vorliegen einer auditiven Wahrnehmungsstörung – überhaupt zur Prüfung der auditiven Merkfähigkeit eignet. 9.1 Störungen der Merkfähigkeit werden meist definiert als eine Beeinträchtigung des Kurzzeitgedächtnisses, wobei das akustische Kurzzeitgedächtnis mit sehr vielen Tests geprüft werden kann: "Zahlen Nachsprechen, Wortreihen, Anweisungen, Mottier Silben" (Ziff. 2.1.5 KSME Anhang 4). Somit ist der Mottier-Test grundsätzlich zur Erfassung (unter anderem) der auditiven Merkfähigkeit geeignet, was denn auch von verschiedenen Autoren bestätigt wird. 9.1.1 "Der Mottier-Test prüft im Hinblick auf minimale zerebrale Dysfunktion die akustische Differenzierungs- und Merkfähigkeit des auditiven Kurzzeitgedächtnisses" (https://www. spektrum.de/lexikon/psychologie/mottier-test/10045 [abgerufen am 16.11.2022]). https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/mottier-test/10045 https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/mottier-test/10045 9.1.2 "Der Mottier-Test ist Bestandteil der AVWS-Diagnostik (Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung). Er überprüft die auditive Merkspanne und gibt Hinweise auf Probleme in der phonologische Verarbeitungsfähigkeit (auditive Lautdifferenzierung)" (https://hno-lehel.de/glossareinträge/mottier-test [abgerufen am 16.11.2022]). 9.1.3 Hans Gamper, Ursula Keller, Nadine Messerli, Monique Moser und Johannes Wust halten im Studienbericht "Normen für den Mottier-Test bei 4- bis 12-jährigen Kindern" von Juni 2012 fest, dass der "Mottier-Test von allen Autoren als ökonomisches Screeningverfahren zur Erfassung der phonologischen Lautdifferenzierung und der auditiven Merkfähigkeit angesehen" werde (S. 6 unten). Einen festgestellten Anstieg der Leistungen im Alter zwischen fünf und sieben Jahren begründen sie mit der zunehmend besser werdenden Merkfähigkeit beziehungsweise des Arbeitsgedächtnisses (https://docplayer.org/25529012- Normen-fuer-den-mottier-test [abgerufen am 16.11.2022], S. 6 und S. 14). 9.1.4 Auch gemäss Nicole Wild und Christine Fleck prüft der Test die verbal auditive Differenzierungs- und Merkfähigkeit. Die "Neunormierung des Mottier-Tests" biete aktuelle Screening-Daten vom 5. bis zum 17. Lebensjahr, welche aufzeigen würden, wie gut die angebotenen Silben verbal-auditiv gespeichert und sequenziert werden könnten (https://docplayer.org/147340-Neunormierung-des-mottier-tests-fuer-5-bis-17-jaehrige- kinder-mitdeutsch-als-erst-oder-als-zweitsprache [abgerufen am 16.11.2022], S. 153 und 155). 9.2 In Anhang 4 des KSME wird unter Ziff. 2.1.3 (Störungen des Erfassens) darauf hingewiesen, dass bei einem allein quantitativ unterdurchschnittlichen Resultat im Mottier- Test nicht ohne weiteres auf eine Differenzierungsstörung geschlossen werden könne, da der Befund auch gut mit einer Beeinträchtigung des Arbeitsgedächtnisses erklärt werden könne. Hier müssten zusätzliche Abklärungen erfolgen, um auditiv perzeptive Teilleistungsstörungen zu belegen, zum Beispiel mit der Lautdifferenzierung im Wahlverfahren nach Monroe (Wortunterscheidungstest WUT), oder der Wortpaarliste nach Nickisch. Dass es zum Nachweis einer Merkfähigkeitsstörung (Ziff. 2.1.5) nebst dem (als Beispiel genannten) Mottier-Test ebenfalls zusätzlicher Testverfahren bedürfte, wird demgegenüber nirgends erwähnt. 10. Da die für die Anerkennung des Geburtsgebrechens 404 vorausgesetzten Symptome nicht gleichzeitig auftreten müssen, schliesst die Verneinung einer Merkfähigkeitsstörung durch Dr. med. Ph. Trefny das Auftreten einer solchen in einem späteren Zeitpunkt nicht von vorneherein aus. Vorausgesetzt ist lediglich, dass diese vor dem 9. Geburtstag (hier: 24.04.2022) aufgetreten ist (vergleiche E. 6.1 hievor). 10.1 Gemäss Ziff. 2.3 KSME Anhang 4 ist es Sache des Untersuchers, zur Beantwortung der ihm unterbreiteten Fragestellung geeignete Testverfahren auszuwählen und nach den Regeln der Kunst einzusetzen. Es versteht sich, dass Testverfahren nach den anerkannten Grundsätzen der Testpsychologie standardisiert und normiert sein sollten. 10.2 Der Mottier-Test wird in Ziff. 2.1.5 KSME Anhang 4 explizit als Beispiel für die Prüfung der auditiven Merkfähigkeit genannt, wobei hier – anders bei den Störungen des Erfassens – kein Hinweis auf allenfalls notwendige zusätzliche Abklärungen erfolgt. Frau A. Wolter erachtete den Mottier-Test denn auch trotz Vorliegens einer auditiven Wahrnehmungsstörung als geeignet, die auditive Merkfähigkeit nachzuweisen. 10.3 Kommt für das schlechte Abschneiden beim Mottier-Test eine andere Ursache ebenfalls in Betracht (siehe E. 7.6 hievor), so kann dies allenfalls den Nachweis einer Merkfähigkeitsstörung erschweren. Dadurch wird jedoch das Vorliegen einer solchen nicht ausgeschlossen. 10.4 Soweit die RAD-Ärztin das Vorliegen einer Merkfähigkeitsstörung mit dem Argument – der klinische Eindruck einer auditiven Störung der Merkfähigkeit könnte auch durch eine mangelhafte Konzentration im Rahmen der Aufmerksamkeitsstörung oder durch Zwangsgedanken bedingt sein – ausschliessen will, kann ihr aus demselben Grund nicht folgt werden. 11. Nach Art. 43 Abs. 1 ATSG hat der Versicherungsträger die Begehren zu prüfen, die notwendigen Abklärungen von Amtes wegen vorzunehmen und die erforderlichen Auskünfte https://hno-lehel.de/glossareintr%C3%A4ge/mottier-test/ https://hno-lehel.de/glossareinträge/mottier-test/ https://docplayer.org/25529012-Normen-fuer-den-mottier-test https://docplayer.org/25529012-Normen-fuer-den-mottier-test https://docplayer.org/147340-Neunormierung-des-mottier-tests-fuer-5-bis-17-jaehrige-kinder-mitdeutsch-als-erst-oder-als-zweitsprache https://docplayer.org/147340-Neunormierung-des-mottier-tests-fuer-5-bis-17-jaehrige-kinder-mitdeutsch-als-erst-oder-als-zweitsprache einzuholen. Der Grundsatz der Rechtsanwendung von Amtes wegen steht in einem engen Zusammenhang mit dem Untersuchungsprinzip. Nach dem Untersuchungsgrundsatz hat die Behörde den rechtserheblichen Sachverhalt von Amtes wegen abzuklären, ohne dabei an Anträge der Parteien gebunden zu sein. Sie hat deshalb aus eigener Initiative vorzugehen und darf Parteivorbringen nicht mit der Begründung abtun, diese seien nicht belegt worden. Was notwendig ist, ergibt sich zum einen daraus, in welchem Umfang Abklärungen vorzunehmen sind, und zum anderen daraus, in welcher Tiefe dies der Fall ist. Die Untersuchungsmaxime ist unter anderem dann verletzt, wenn die Behörde Hinweise solcher Art hat, dass diesen nachzugehen ist und ihnen nicht nachgegangen wird (Ueli Kieser, ATSG-Kommentar, 4. Aufl., Zürich 2020, Art. 43 Rz. 10 ff. mit Hinweisen). 11.1 Die Beweiserhebung kann abgeschlossen werden, wenn feststeht, dass im Rahmen der Beweiswürdigung ein Beweisgrad erreicht ist, der die Beurteilung der massgebenden Frage erlaubt. Deshalb dauert die Untersuchungspflicht so lange, bis über die für die Beurteilung des streitigen Anspruchs erforderlichen Tatsachen hinreichende Klarheit besteht (BGer 8C_794/2016 vom 28.04.2017 E. 4.1; Ueli Kieser, a.a.O., Art. 43 Rz. 52). 11.2 Dementsprechend erfolgt, falls die Befunde nach Beurteilung des RAD die Anerkennungskriterien nach Rz. 404.5 nicht ausreichend erfüllen, in der Regel vorerst keine Ablehnung des Antrages, sondern eine Nachfrage an den Antragsteller mit der Bitte, ungenügend dokumentierte Punkte eingehender und präziser, beziehungsweise ergänzt mit zusätzlichen neuropsychologischen Testresultaten nachvollziehbar zu belegen. Der RAD kann diese zusätzlichen Abklärungen verlangen und/oder veranlassen (Ziff. 2.3 KSME Anhang 4). 11.3 Obschon die RAD-Ärztin das Kriterium der Merkfähigkeit als nicht ausgewiesen erachtete, verlangte sie weder ergänzende Belege von der Beschwerdeführerin, noch veranlasste sie weitere Abklärungen. Solche wären jedoch vorliegend notwendig gewesen. Denn selbst wenn die auditive Wahrnehmungsstörung das schlechte Abschneiden im Mottier-Test erklären kann, heisst das nicht zwingend, dass eine Merkfähigkeitsstörung als (weitere) Ursache hierfür auszuschliessen ist (siehe E. 10.3 und 10.4 hievor). Indem die Beschwerdegegnerin trotz dieser unvollständigen Beweislage auf weitere Untersuchungen verzichtete und den Antrag mit Verfügung vom 11. Mai 2022 abwies, verletzte sie die Abklärungspflicht (Art. 43 ATSG). 11.4 Nach der Rechtsprechung ist es dem Sozialversicherungsgericht nicht verwehrt, gestützt auf im Wesentlichen oder sogar ausschliesslich durch den Versicherungsträger intern eingeholte medizinische Unterlagen zu entscheiden. In solchen Fällen sind an die Beweiswürdigung jedoch strenge Anforderungen in dem Sinne zu stellen, dass bei auch nur geringen Zweifeln an der Zuverlässigkeit und Schlüssigkeit der ärztlichen Feststellungen ergänzende Abklärungen vorzunehmen sind (siehe E. 5.3.3 hievor). 11.5 Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass die beweisrechtliche Frage, ob die (wie vorliegend) rechtzeitig gestellte Diagnose eines POS zutrifft, auch mit erst nach dem neunten Altersjahr vorgenommenen ergänzenden Abklärungen beantwortet werden darf (BGE 122 V 113 E. 2f).
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B 2022_OG V 21 11. Strassenbau. Art. 4 Abs. 1 und 2, Art. 25 Abs. 1 und 2, Art. 26 Abs. 1 und 2 StrG. Art. 25 Abs. 1 VRPV. Koordination. Leitverfahren. Es gilt grundsätzlich jenes Verfahren als Leitverfahren, das eine frühzeitige und umfassende Prüfung des Vorhabens ermöglicht. Geht es um den Bau von Kantonsstrassen, Gemeindestrassen und Korporationsstrassen ist das Genehmigungsverfahren nach Strassengesetz das Leitverfahren und der Regierungsrat die Leitbehörde. Inwiefern ein Teilbauprojekt noch zu einem Strassenbauprojekt zu zählen oder als eigenständiges Bauprojekt zu beurteilen ist, kann nicht abstrakt bestimmt werden, sondern ergibt sich aus den gesamten Umständen des Einzelfalls. Entscheidend ist, ob das Teilbauprojekt sinnvoll unabhängig vom übrigen Strassenbauprojekt gedacht werden kann. Das Teilbauprojekt «Umgestaltung Umgebung Kollegium» konnte nicht sinnvoll unabhängig vom übrigen Strassenbauprojekt (Aus- und Umbau von Bushaltestellen auf angrenzenden Kantonsstrassen) gedacht werden. Die Umgestaltung der Umgebung war vielmehr notwendige Folge des Strassenbauprojekts und somit untrennbar mit diesem verbunden. Eine «Auslagerung» der Genehmigung des Teilbauprojekts an die kommunale Baubewilligungsbehörde rechtfertigte sich nicht. In der Sache ergab sich, dass der Regierungsrat als Plangenehmigungsbehörde mit Bezug auf den Aus- und Umbau der Bushaltestellen auf den Kantonsstrassen ein wesentliches Interesse (Baumbestand) nicht ausreichend ermittelt und beurteilt hatte. Zudem hatte er ernsthaft in Betracht fallende Alternativvarianten nicht näher geprüft. Aufhebung der angefochtenen Plangenehmigungsbeschlüsse und Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung an den Regierungsrat. Die Entscheide der kommunalen Baubewilligungsbehörde zum «ausgelagerten» Teilbauprojekt waren aufgrund fehlender sachlicher Zuständigkeit nichtig. Obergericht, 26. November 2021, OG V 21 11 Aus den Erwägungen: 3. 3.1 Der Beschwerdeführer beanstandet vorab die Aufteilung des Umbauprojektes in drei Teilprojekte. Die beiden Umbauprojekte betreffend die Bushaltestellen Kollegium Klausenstrasse und Gotthardstrasse sowie das Projekt zur Umgestaltung der Umgebung des Kollegi-Schulareals würden miteinander in unteilbarem Zusammenhang stehen. Sie würden sich gegenseitig bedingen und in einem derart engen Sachzusammenhang stehen, dass sie nicht getrennt und unabhängig voneinander beurteilt werden könnten, denn ohne den Umbau der Bushaltestellen würde keine Notwendigkeit bestehen, das Areal des Kollegiums zu verändern, Mauern zu verschieben oder Bäume zu fällen. Dementsprechend hätte die Vorinstanz (Regierungsrat) als Leitbehörde bei Strassenbauprojekten über das Projekt als Ganzes befinden müssen. Die Angelegenheit sei an die Vorinstanz zurückzuweisen, um ein koordiniertes Verfahren über alle drei Teilprojekte durchzuführen. 3.2 Die Vorinstanz führt hierzu in den angefochtenen Beschlüssen aus, für die Frage der Koordination sei nicht das Planungs- und Baugesetz massgebend, sondern das Reglement über die Koordination im Verwaltungsverfahren. Gemäss dessen Anhang sei ersichtlich, dass für Strassenbauprojekte der Regierungsrat Leitbehörde sei und für die anderen, nicht speziell erwähnten Bauten und Anlagen die zuständige Gemeindebehörde. Die Verfahren seien daher nicht weiter zu koordinieren, als bereits geschehen. 3.3 Das kantonale Verwaltungsverfahrensrecht sieht eine Koordinationspflicht vor und verweist diesbezüglich auf Art. 25a RPG (Art. 24 VRPV). Danach ist eine Behörde zu bezeichnen, die für ausreichende Koordination sorgt, soweit die Errichtung oder die Änderung einer Baute oder Anlage Verfügungen mehrerer Behörden erfordert (Art. 25a RPG). Diesem Sinn und Geist folgend, sieht Art. 25 VRPV die Bestimmung eines Leitverfahrens vor. Es gilt grundsätzlich jenes Verfahren als Leitverfahren, das eine frühzeitige und umfassende Prüfung des Vorhabens ermöglicht, wobei der Regierungsrat in einem Reglement das Leitverfahren für die verschiedenen Vorhaben bestimmt (Art. 25 Abs. 1 VRPV). Dazu hat der Regierungsrat das Reglement über die Koordination im Verwaltungsverfahren (RB 2.3323, nachfolgend: Regl.) erlassen. Geht es um den Bau von Kantonsstrassen, Gemeindestrassen oder Korporationsstrassen ist das Genehmigungsverfahren nach Art. 30 StrG das Leitverfahren und der Regierungsrat die Leitbehörde (Art. 4 Abs. 2 Regl. i.V.m. Ziff. 1.1 Regl. Anhang). 3.4 Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass der Regierungsrat für Strassenbauprojekte die Leitbehörde ist. Die Vorinstanz stellt sich jedoch auf den Standpunkt, dass «für die anderen, nicht speziell erwähnten Bauten und Anlagen» die Gemeindebaubehörde zuständig sei. Im Ergebnis erachtet die Vorinstanz die Gemeindebaubehörde als zuständig, über das Teilprojekt «Umgestaltung Umgebung Kollegium» zu befinden. Damit stellt die Vorinstanz in Abrede, dass dieses Teilprojekt Bestandteil des Strassenbauprojekts ist. Wie es sich damit verhält, ist nachfolgend zu prüfen. Unbestritten ist, dass die Teilprojekte «Umbau Bushaltestellen Kollegium Klausenstrasse» sowie «Umbau Bushaltestellen Kollegium Gotthardstrasse» Strassenbauprojekte sind und der Regierungsrat zu deren Genehmigung zuständig ist (vergleiche Art. 30 Abs. 4 StrG sowie E. 3.3 hievor). 3.5 Gemäss Art. 25 Abs. 1 StrG gelten als Strassenbau der Neubau sowie der wesentliche Ausbau und die wesentliche Änderung von öffentlichen Strassen. Der Strassenbau umfasst die Planung und die Ausführung (Art. 25 Abs. 2 StrG). Zur öffentlichen Strasse gehören alle Bauten und Anlagen, die zu ihrer Funktion aus technischen, betrieblichen oder gestalterischen Gründen notwendig sind (Art. 4 Abs. 1 StrG). Dazu gehören namentlich die Verkehrsflächen, Signale und Markierungen, Entwässerungsanlagen, Gehwege und Trottoirs, die Beleuchtung, Anlagen für den Immissionsschutz, Ausweichs- und Haltebuchten sowie Personenunterstände für den öffentlichen Verkehr, Busspuren, Radwege, Neben- und Unterhaltsanlagen, trennende Grünstreifen und Bepflanzungen (Art. 4 Abs. 2 StrG). Inwiefern ein (Teil-)Bauprojekt noch zu einem Strassenbauprojekt zu zählen oder als eigenständiges Bauprojekt zu beurteilen ist, kann nicht abstrakt bestimmt werden, sondern ergibt sich aus den gesamten Umständen des Einzelfalls. Entscheidend ist, ob das Teilbauprojekt unabhängig vom übrigen Strassenbauprojekt gedacht werden kann. Hat das Strassenbauprojekt nicht nur einen «gewissen Zusammenhang» mit dem Teilbauprojekt, sondern übt das Strassenbauprojekt auf das Teilprojekt einen direkten und wesentlichen Einfluss aus, was die Ausgestaltung der geplanten Bauten und Anlagen betrifft, sodass eine klare Trennung zwischen Strassen- und Teilbauprojekt nicht sinnvoll möglich ist, so liegt ein nicht trennbares einziges Strassenbauprojekt vor (vergleiche BGer 1C_283/2016 vom 11.01.2017 E. 3.2, 1C_350/2014 vom 13.10.2015 E. 2.5). 3.6 Im Technischen Bericht vom 4. September 2020 zum Projekt «Umgestaltung Umgebung Kollegium» wird ausgeführt (S. 5), dass sich direkt angrenzend an das Schulareal an der Klausen- respektive Gotthardstrasse die Bushaltestellen «Kollegium» befänden. Diese würden einen wichtigen Knotenpunkt im öffentlichen Verkehrsnetz des Kantons Uri bilden. Der behindertengerechte Umbau dieser Bushaltestellen sei auch Anlass zur Umgestaltung des Schulareals gewesen. Aus dem Baubewilligungsentscheid der kommunalen Baubewilligungsbehörde ist ersichtlich, dass die Gemeindebaubehörde diese Beurteilung teilt. Auch im separaten Einspracheentscheid der Baubewilligungsbehörde zur Einsprache des Beschwerdeführers wird nochmals festgehalten, dass der behindertengerechte Umbau der Bushaltestellen der Anlass zur Umgestaltung des Schulareals gewesen sei. In der Begründung wird allerdings ausgeführt, die Verfahren würden verschiedene Objekte (Bushaltestellen und Umgebung Kollegium) betreffen. Auch wenn die Projekte in der Planung zusammenhängen würden, seien sie inhaltlich gesondert zu betrachten. Letzterem kann mit Blick auf die Ausführungen im Technischen Bericht vom 4. September 2020 und unter Berücksichtigung der Planunterlagen (dazu sogleich E. 3.7 hernach) nicht gefolgt werden. 3.7 Der Projektperimeter des Projektes «Umgestaltung Umgebung Kollegium» erstreckt sich im Norden über die bestehende Parkierungsanlage, den Zugang zur Turnhalle und den Sportplatz, im Westen über den bestehenden Pausenplatz und im Süden über den Vorplatz des Geräteschuppens (Technischer Bericht a.a.O. S. 7). Der Projektperimeter erstreckt sich im Wesentlichen entlang der Grenzen des Schulareals, welche durch die Klausen- und Gotthardstrasse gebildet werden respektive dem Verlauf der betreffenden Kantonsstrassen geschuldet sind. Die Umgestaltung betrifft namentlich nicht das Innere des Schulareals. Dabei ist offensichtlich, dass zahlreiche Umgestaltungsmassnahmen entlang der Schularealgrenze, wie etwa der Abbruch von Mauern sowie die Verschiebung von Ein- und Ausfahrten, die Rodung von Bäumen entlang der westlichen und nördlichen Grundstücksgrenze, einzig oder zumindest überwiegend deshalb vorgenommen werden sollen, weil die Bushaltestellen auf der Klausen- und der Gotthardstrasse aus- beziehungsweise behindertengerecht umgebaut werden sollen. Namentlich brauchen die Bushaltestellen mehr Platz, was hauptsächlich zulasten des Schulareals gehen soll. Auch sollen die Bushaltestellen teilweise anders angeordnet werden, was insbesondere die Verschiebung der heutigen Ein- und Ausfahrt auf der nördlichen Seite des Schulareals zur Folge hätte. Ausserdem soll die Fussgängerführung entlang der Gotthardstrasse nicht wie bisher über ein Trottoir, sondern neu über das Areal des Kollegiums erfolgen. Bei dieser Massnahme handelt es sich offensichtlich um eine solche der Strassenplanung (siehe E. 3.5 hievor «Gehwege und Trottoirs»). Nicht umsonst wird im Technischen Bericht a.a.O. ausgeführt (S. 19), die Umgestaltung des Schulareals sei «stark abhängig» vom Projekt «behindertengerechter Umbau Bushaltestellen Kollegium». Aufgrund der Abhängigkeiten sei eine Ausführung jeweils nur in Kombination möglich. Aus diesen Gründen kann das Teilbauprojekt «Umgestaltung Umgebung Kollegium» nicht sinnvoll unabhängig vom übrigen Strassenbauprojekt gedacht werden. Vielmehr ist die «Umgestaltung Umgebung Kollegium» geradezu notwendige Folge des Strassenbauprojekts und somit untrennbar mit diesem verbunden. Handelt es sich beim Teilprojekt «Umgestaltung Umgebung Kollegium» bei Lichte betrachtet somit um einen Teil des Strassenbauprojekts Bushaltestellen, ist für dessen Genehmigung einzig der Regierungsrat als Leitbehörde in Strassenbausachen zuständig. Die «Auslagerung» dieses Teils des Strassenbauprojekts an die Gemeindebaubehörde verletzt Art. 4 Abs. 2 Regl. i.V.m. Ziff. 1.1 Regl. Anhang (vergleiche E. 3.3 hievor). 3.8 Nach dem Gesagten hätte der Regierungsrat als Vorinstanz gesamthaft, das heisst unter Einbezug des Teilprojekts «Umgestaltung Umgebung Kollegium», über das Strassenbauprojekt Bushaltstellen befinden müssen. Eine Verletzung der Gemeindeautonomie, wie die Vorinstanz zu bedenken gibt, liegt darin nicht, sieht doch die kantonale Gesetzgebung für Strassenbauprojekte ausdrücklich den Regierungsrat als Leitbehörde vor und handelt es sich hier – wie aufgezeigt – beim Teilprojekt «Umgestaltung Umgebung Kollegium» gerade nicht um «übrige Bauten und Anlagen», sondern aufgrund der untrennbaren Verknüpfung um einen Teil des Strassenbauprojekts. 4. 4.1 Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, den Behörden stehe beim Strassenbau ein erheblicher Handlungsspielraum offen. Die Bewilligungsbehörde habe daher eine sorgfältige und umfassende Interessenabwägung zwischen den Interessen am Projekt (hindernisfreie Ausgestaltung von Bushaltestellen) und den anderen öffentlichen Interessen vorzunehmen und diese Interessenabwägung in der Begründung darzulegen. Gegen dieses Erfordernis habe die Vorinstanz verstossen. Eine Interessenabwägung sei nicht vorgenommen worden. Eine solche sei aber umso erforderlicher gewesen, als die angestrebten Ziele vorliegend auch mit Massnahmen hätten erreicht werden können, welche mit deutlich geringeren Eingriffen zulasten der Fuss- und Velowege und des Baumbestandes einhergehen würden. Mit den im Einspracheverfahren eingebrachten Lösungsvorschlägen setze sich die Vorinstanz ebenfalls nicht auseinander. 4.2 Die Vorinstanz führt aus, es seien die Interessen ausreichend ermittelt, beurteilt und berücksichtigt worden. Diverse Fachstellen seien zur Ämterkonsultation eingeladen worden. So seien namentlich der gesetzliche Auftrag (hindernisfreie Ausgestaltung von Bushaltestellen) wie auch die Verkehrssicherheit, das Raumplanungsrecht inklusive Umwelt- , Ortsbild- und Landschaftsschutz als Interessen ermittelt worden. In den vorliegenden Projekten würden etliche Massnahmen umgesetzt, um sämtlichen Interessen gerecht zu werden. 4.3 Gemäss Art. 26 Abs. 1 StrG sind öffentliche Strassen verkehrssicher, raumplanungsgerecht sowie umwelt-, ortsbild- und landschaftsschonend zu bauen. In diesem Rahmen richtet sich der Strassenbau gemäss Art. 26 Abs. 2 StrG nach seiner Zweckbestimmung (lit. a), dem Interesse des öffentlichen Verkehrs (lit. b), dem Schutz der schwächeren Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer (lit. c), dem Verkehrsaufkommen (lit. d), der Wirtschaftlichkeit (lit. e), dem jeweiligen Stand der Technik (lit. f.). Die Strassenplanung setzt eine umfassende Interessenabwägung voraus, bei der unter anderem geprüft werden muss, welche Alternativen und Varianten in Betracht fallen, wobei nur ernsthaft in Betracht fallende Varianten näher zu prüfen sind (siehe zur Kognition des Gerichts: E. 2.3 f. hievor sowie BGer 1C_556/2013 vom 21.09.2016 E. 5.2, 1C_560/2010 vom 14.07.2011 E. 7). Welche Varianten geprüft wurden und welche Überlegungen und Abklärungen zur Überzeugung führten, die genehmigte Variante sei diejenige, welche die verschiedenen Interessen am besten wahrt, ist aufgrund der Aktenführungspflicht aktenkundig zu machen (Art. 16 VRPV; vergleiche BGE 130 II 473 E. 4.1). Wurde die Aktenführungspflicht verletzt, indem wesentliche Abklärungen nicht aktenkundig gemacht wurden, erscheint die Pflichtmässigkeit der Ermessensausübung durch die Plangenehmigungsbehörde einer gerichtlichen Überprüfung nicht zugänglich. Es liegt insoweit (auch) eine unzureichende Sachverhaltsfeststellung vor, was grundsätzlich zur Rückweisung an die Plangenehmigungsbehörde führt (Art. 62 Abs. 2 VRPV; Entscheid Obergericht des Kantons Schaffhausen vom 23.02.2021, 60/2018/23, E. 5.3.2). Dasselbe gilt, wenn die Pflicht zur umfassenden Interessenabwägung verletzt wurde (vergleiche BGE 123 II 88 E. 2d). 4.4 Unter dem Aspekt der umfassenden Interessenabwägung erscheint vorab problematisch, dass eine Aufteilung des Projektes in Teilprojekte erfolgte und insbesondere ein Teilprojekt an eine andere Behörde «ausgelagert» wurde. Zwar lässt die Rechtsprechung mitunter zu, dass zur Beurteilung einzelner der materiellen Koordination bedürftiger Rechtsfragen verschiedene erstinstanzliche Behörden zuständig sind. Diesfalls ist aber jedenfalls erforderlich, dass qualitativ ein gleichwertiges Koordinationsergebnis erzielt wird (BGE 116 Ib 50 E. 4b). Werden etwa die getrennt zu treffenden Entscheide zwar zeitlich und inhaltlich koordiniert, aber getrennt eröffnet, so ist trotz dieses Vorgehens ebenfalls dasjenige Rechtsmittel offenzuhalten, welches gegen den Entscheid besteht, der im Leitverfahren getroffen wird (BGE 116 Ib 50 E. 4b). Übertragen auf den vorliegenden Fall könnte gestützt auf diese Rechtsprechung der vorstehend festgestellte Mangel (E. 3.7 f. hievor) allenfalls geheilt werden, soweit unter Berücksichtigung des gemeindlichen Bauentscheids im Ergebnis insgesamt dennoch von einer umfassenden Interessenabwägung ausgegangen werden könnte (vergleiche hierzu auch: BGer 1A.79/2002 vom 25.04.2003 E. 3.5). Wie es sich damit abschliessend verhält, kann indessen offenbleiben, denn wie die nachfolgenden Erwägungen zeigen werden, ist die Interessenabwägung im Ergebnis unzureichend vorgenommen worden. 5. 5.1 Der Beschwerdeführer bringt vor, die Pläne der Vorinstanz sähen vor, dass auf dem Areal des Kollegiums 51 Bäume gefällt und als Kompensation sechs neue gepflanzt werden sollen. Die meisten der zu fällenden Bäume würden zum geschützten Baumbestand gemäss Reglement über den Baumschutz in der Gemeinde Altdorf und dem Altdorfer Schutzplan Bäume gehören. Gemäss diesem Reglement könne die Bewilligung für die Fällung eines Baumes nur erteilt werden, wenn eindeutig überwiegende öffentliche oder private Interessen die Beseitigung des Baumes erforderten. Diese Interessenabwägung habe die Vorinstanz zu Unrecht nicht vorgenommen mit dem vorgeschobenen Argument, die Fällung der Bäume sei nicht Bestandteil des Umbauprojektes der Bushaltestellen, sondern des von der Gemeinde geleiteten Verfahrens zur Umgestaltung der Umgebung Kollegium. Bei den zu fällenden Bäumen handle es sich grösstenteils um alte Bäume. Diese seien prägend für das Ortsbild und sie seien Nahrungslieferanten für zahlreiche Vogel- und Schmetterlingsarten und könnten als Anschauungsmaterial für den Biologieunterricht beigezogen werden. Der Erhalt der Bäume stelle ein gewichtiges öffentliches Interesse dar. 5.2 Die Vorinstanz führt vernehmlassungsweise aus, es sei seit Projektierungsbeginn stets grosse Rücksicht auf den Baumbestand genommen worden. Bereits im Vorprojekt sei der Garten- und Landschaftsplaner einbezogen worden. Auch das kantonale Amt für Raumentwicklung sei einbezogen worden. Bereits im Vorprojekt sei der gesamte Baumbestand auf dem Schulareal Kollegium durch einen Experten aufgenommen und begutachtet worden. Durch den Experten sei eine Zustandsbewertung vorgenommen und es sei beurteilt worden, ob der jeweilige Baum erhaltenswert sei oder nicht. Unter den zu fällenden Bäumen würden sich sowohl nicht einheimische Bäume als auch Neophyten befinden. Dass alle Bäume als erhaltenswert einzustufen seien, sei daher nicht korrekt. Im Übrigen übertreibe der Beschwerdeführer. Vorgesehen sei, dass insgesamt 35 Bäume auf dem Areal des Kollegiums sowie im Bereich der Gotthardstrasse gefällt würden und zusätzlich fünf Stück im Strassenbereich, nicht 50 Stück, so wie der Beschwerdeführer behaupte. 26 Stück der zu fällenden Bäume würden sich in dem durch das Reglement der Gemeinde Altdorf geschützten Bereich befinden. Mit dem Kollegium sei vereinbart worden, dass alle Bäume des Lehrpfades (Anschauungsmaterial für Biologieunterricht) auf dem Areal ersetzt würden. Bereits in den ersten Planungsphasen seien mehrmals Ökobilanzen (Lebensraumbilanzen) erstellt worden, da die Wichtigkeit dieses Aspekts allen Beteiligten von Anbeginn klar gewesen sei. Es seien hierbei sowohl die Quantität als auch die naturschutzfachliche Bedeutung berücksichtigt worden. Es sei auch eine abschliessende Bilanzierung erarbeitet worden, welche positiv ausfalle. Auch seien die Rodungen anlässlich mehrerer Sitzungen mit der Gemeinde Altdorf im Detail besprochen worden. Auf Antrag der Gemeinde seien auch alternative Varianten geprüft worden. Die vorliegende Variante sei aufgrund der Randbedingungen priorisiert worden. 5.3 Zahlreiche von der Vorinstanz erwähnte Abklärungsmassnahmen sind nicht aktenkundig. So etwa die erwähnten Ökobilanzierungen, insbesondere die abschliessende, welche angeblich positiv ausgefallen sein soll. Aber auch etwa die auf Antrag der Gemeinde Altdorf geprüften Varianten lassen sich dem Aktendossier nicht entnehmen. Die Vorinstanz verweist auch nicht auf hinreichend präzise Aktenstellen, sondern begnügt sich mit allgemeinen Ausführungen; dass etwa Ökobilanzen erstellt und Varianten geprüft worden seien, ohne aber konkreter zu werden. Das Gericht kann diese nicht weiter spezifizierten und nicht aktenkundigen Geschehnisse und Abklärungen vorliegend nicht berücksichtigen, sondern wird sich ausschliesslich auf die in den Akten vorhandenen Unterlagen stützen (vergleiche oben E. 4.3). 5.4 Aus dem Technischen Bericht vom 4. September 2020 zur Umgestaltung Umgebung Kollegium ergibt sich (S. 11), dass sich auf dem Schulareal verschiedenste Baumarten befinden würden, welche grösstenteils Bestandteil des Baumlehrpfades seien. Aus dem Plan «Situation Baumbestand 1:200» vom 11. September 2020 ist hierzu ersichtlich, dass sich innerhalb des Projektperimeters 20 Bäume des Lehrpfades befinden. Davon sollen zehn erhalten und zehn gefällt werden. Insgesamt sollen 40 Bäume auf dem Schulareal gefällt werden, wovon sich 26 innerhalb des Schutzplanes der Gemeinde Altdorf befinden. Aus dem Technischen Bericht a.a.O. ist weiter ersichtlich (S. 13), dass auf die Bäume besonders acht zu geben sei. Es sollen nur kranke oder artenfremde Bäume gefällt werden. Der bestehende Baumlehrpfad sei zu erhalten. Bezüglich Ersatzpflanzungen sei ein Konzept in Zusammenarbeit mit der Lehrerschaft der kantonalen Mittelschule zu erstellen. Ebenfalls sei vorgesehen, dass eine Ökobilanz zu erstellen sei (a.a.O. S. 20). Aus dem Bericht vom 8. Oktober 2020, welchen das kantonale Amt für Raumentwicklung im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens zuhanden der gemeindlichen Baubewilligungsbehörde erstattet hat, ergibt sich (S. 2), dass mit der Umgestaltung der Umgebung des Kollegiums die vorhandenen wertvollen Lebensräume teilweise verändert beziehungsweise gar zerstört würden. Das Projekt verändere die bestehende Situation im Bereich Natur und Landschaft wesentlich. In den Projektunterlagen würden für die zerstörten Biotope einzelne Ersatzmassnahmen bei der Bepflanzung vorgeschlagen (Gehölzstrukturen). Detaillierte Angaben zu diesen Gehölzstrukturen wie auch zu den Grünflächen und Natursteinmauern würden aber leider fehlen. Als Auflage sei daher vorzusehen, dass ein detaillierter Umgebungsplan vor Baubeginn nachzureichen sei. Vor Baubeginn sei zudem eine detaillierte Ökobilanz nachzureichen, welche zumindest ausgeglichen sein müsse. Weiter seien vor Baubeginn detaillierte Angaben zu den Gehölzarten (Bäume und Sträucher) mit einer vollständigen Artenliste, detaillierte Angaben zu den Grünflächen (Magerwiesen und Ruderalflächen) inklusive Bodenaufbau und detaillierte Angaben zu weiteren Strukturen (Kleinstrukturen) nachzureichen. 5.5 5.5.1 Aus den vorstehend wiedergegebenen Unterlagen geht im Wesentlichen zweierlei hervor. Erstens entspricht der Erhalt von möglichst vielen Bäumen und der Erhalt des Lehrpfades für den Biologieunterricht nicht nur einem erklärten Ziel des aufgelegten Projektes. Die Schonung des Baumbestandes und die Erhaltung des Lehrpfades entsprechen auch einem gewichtigen öffentlichen Interesse. Dies wird insbesondere dadurch unterstrichen, dass sich die Mehrzahl der Bäume, welche gefällt werden soll, innerhalb des Schutzplanes des Reglements über den Baumschutz in der Gemeinde Altdorf (Altdorfer Rechtsbuch 40.14; nachfolgend: Baumschutzregl.) befindet. Nebst den in Art. 5 lit. a bis d Baumschutzregl. aufgeführten Gründen wird die Bewilligung für die Beseitigung eines Baumes gemäss lit. e dann erteilt, wenn andere eindeutig überwiegende öffentliche oder private Interessen die Beseitigung des Baumes erfordern. Im Rahmen der Interessenabwägung ist namentlich der Wert des zur Beseitigung beantragten Baums für das Orts- und Landschaftsbild sowie seine ökologische Bedeutung und die Möglichkeit eines vollwertigen Ersatzes durch Neuanpflanzung zu berücksichtigen. 5.5.2 Nebst dem Umstand, dass es sich beim Erhalt des Baumbestandes um ein gewichtiges öffentliches Interesse handelt, geht aus den aktenkundigen Unterlagen zweitens hervor, dass wesentliche Abklärungen hierzu nicht erfolgt sind. So verlangte das Amt für Raumentwicklung umfangreiche Abklärungen zu den zu fällenden Bäumen und der Ausgeglichenheit der Ökobilanz und hat im kommunalen Baubewilligungsverfahren entsprechende Auflagen beantragt. Die verlangten Abklärungen erscheinen berechtigt, können aber nicht bloss als Auflage verfügt werden, denn sie sind grundlegend, um die Fragen zum Baumbestand überhaupt beantworten respektive das entsprechende Interesse überhaupt sinnvoll einordnen und gegenüber anderen Interessen abwägen zu können. Diese Abklärungen sind mit anderen Worten wesentlich, um die Genehmigungsfähigkeit des Strassenbauprojektes beurteilen zu können (vergleiche Art. 26 Abs. 1 StrG sowie E. 4.3 hievor) und können dementsprechend nicht auf nach der Genehmigung verschoben werden. Im Übrigen ergibt sich aus den Akten nicht, dass beispielsweise nur kranke und artenfremde Bäume gefällt werden sollen, was an sich einem Projektziel entsprechen würde (vergleiche E. 5.4 hievor). Auch ist nicht ersichtlich, dass der Baumlehrpfad erhalten bliebe; im Gegenteil sollen zehn Bäume des Lehrpfades gefällt werden, ohne dass klar ist, ob und wie die Bäume ersetzt werden sollen. Aus den Projektunterlagen ist lediglich ersichtlich, dass als Kompensation sechs Bäume neu gepflanzt werden sollen. Würde man unter dem Aspekt der Lehrpfaderhaltung annehmen, es könnten diese sechs Bäume in den Lehrpfad integriert werden, so verbliebe immer noch ein Defizit von vier Bäumen. Es ist weder ersichtlich, wie dieses Defizit ausgeglichen werden könnte, noch lässt sich den Akten oder den angefochtenen Entscheiden entnehmen, inwiefern aus überwiegenden anderen Interessen ein solches Defizit allenfalls hinzunehmen wäre. Somit ergibt sich, dass bei der Plangenehmigung ein wesentliches Interesse nicht ausreichend ermittelt und beurteilt wurde, weshalb die Plangenehmigung schon aus diesem Grund aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen ist (vergleiche E. 4.3 hievor). Aus prozessökonomischen Gründen rechtfertigt es sich, nachfolgend dennoch auf einige weitere Beschwerdepunkte einzugehen. 6. 6.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, es sei eine valable Variante, die Bushaltestelle an der Klausenstrasse Richtung Bürglen unmittelbar nach dem Kreisel ungefähr an der Stelle, wo sich die Bushaltestelle heute befinde, anzuordnen. Die von der Vorinstanz als erforderlich erachtete Länge der Haltestelle von 74,5 Metern gelte wohl für eine Haltestelle mit Busbucht, nicht aber für eine gerade Fahrbahnhaltestelle, wie vom Beschwerdeführer vorgeschlagen. Es stimme nicht mit dem Lösungsvorschlag des Beschwerdeführers überein, dass für die Lösung des Beschwerdeführers mehr Bäume gefällt werden müssten. Im Vorschlag gemäss der Einsprache vom 19. Oktober 2019 sei kein Multifunktionsstreifen vorgesehen, weshalb keine Bäume gefällt werden müssten. In den Beilagen zum Protokoll der Einigungsverhandlung 201218-1 habe der Beschwerdeführer eine Variante gezeichnet, die einen bis drei Bäume betreffe. In der Variante Verlegung der Bushaltestelle vor den Kreisel seien gar keine Bäume betroffen. Die Vorinstanz mache geltend, die Integration der Bushaltestelle in die Kreiselausfahrt würde zu einer massiv verbreiterten Fahrbahn führen, weshalb der Fussgängerstreifen aufgrund der grossen Strassenbreite sowie der eingeschränkten Sichtverhältnisse auf den Wartebereich des Fussgängerstreifens aufgehoben werden müsste. Dies könnte jedoch, wie der Beschwerdeführer geltend macht, durch eine verbreiterte Mittelinsel kompensiert werden. Mit Verweis auf die Sichtverhältnisse im Wartebereich des Fussgängerstreifens bei der Feinbäckerei Hauger weise die Vorinstanz den Vorschlag des Beschwerdeführers ab. Hierbei verkenne sie, dass die Sichtverhältnisse insbesondere auch von der Geschwindigkeit abhängen würden. Mit dem vom Beschwerdeführer geforderten Tempo 30 könnten allfällig reduzierte Sichtverhältnisse kompensiert werden. Die erforderliche Sichtweite sinke bei Tempo 30 auf 25 Meter gegenüber 55 Meter bei Tempo 50. Weiter sei der Fussverkehr sehr umwegsensibel. Wenn kein Fussgängerstreifen vorhanden sei, werde die Strasse ohne Querungshilfe auf dem kürzesten Weg überquert. Dies stelle ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. 6.2 Die Vorinstanz führte im angefochtenen Beschluss Nr. 2021-4 vom 12. Januar 2021 betreffend Umbau Bushaltestellen Kollegium Klausenstrasse zur strittigen Belassung der Bushaltestelle Richtung Bürglen am heutigen Standort aus, es müssten beim Vorschlag des Beschwerdeführers im Bereich des Kreisels Kollegium circa fünf bis sechs Bäume gefällt werden. Hierdurch könnten dann maximal sechs Alleebäume erhalten werden, da aufgrund der erforderlichen Länge der Bushaltestelle (74,5 Meter) mindestens vier Alleebäume entfernt werden müssten. Sollte die Bushaltestelle in die Kreiselausfahrt integriert werden, so würde hieraus eine massiv verbreiterte Fahrbahn resultieren. Der Fussgängerstreifen in diesem Bereich müsste aufgrund der grossen Strassenbreite und der eingeschränkten Sichtverhältnisse aufgehoben werden, was ebenfalls eine Verschlechterung der Fussweg- verbindung bedeuten würde. Zudem müsste der Fussgängerstreifen bei der Feinbäckerei Hauger weiter Richtung Bürglen verschoben werden, da der Abstand zwischen dem Kreisel Kollegium und dem vorhandenen Fussgängerstreifen nicht ausreichend sei, um die geplante Bushaltestelle ausbilden zu können. Die geplanten Fusswegverbindungen seien durch den Verkehrsplaner hinsichtlich der Zumutbarkeit überprüft und als akzeptabel angesehen worden. Durch die Aufwertung des Fussgängerstreifens bei der Feinbäckerei Hauger sowie der geplanten direkten Verbindung der beiden Bushaltestellen über das Areal des Kollegiums werde die Aufhebung des Fussgängerstreifens bei der Kreiselausfahrt Richtung Bürglen kompensiert. 6.3 In der Vernehmlassung vom 12. März 2021 an das Gericht führt die Vorinstanz aus, die geplante Länge der Bushaltestelle von 74,5 Meter sei nötig. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Variante der geraden Anfahrt sei nicht umsetzbar. Dies sei auch der Fall, wenn man davon ausginge, dass die Bushaltestelle als Fahrbahnhaltestelle ausgebildet würde. Gemäss der Projektierungsrichtlinie für Infrastrukturanlagen Nr. 4.03.01c der Basler Verkehrsbetriebe müsse auch bei einer Fahrbahnhaltestelle von einer Projektierungslänge von 73 bis 83 Meter ausgegangen werden (Annahme Fall R, Anfahrt ab Schattdorf). Es sei eine ausreichend dimensionierte geradlinige Anfahrtsstrecke notwendig. Es müsse berücksichtigt werden, dass der Bus den Randstein im Haltestellenbereich nicht mehr wie heute üblich überschwenken könne. Der Fussgängerstreifen bei der Feinbäckerei Hauger müsste ausserdem weiter Richtung Bürglen verschoben werden, da der Abstand zwischen dem Kreisel Kollegium und dem vorhandenen Fussgängerstreifen nicht ausreichend sei, um die geplante Bushaltestelle ausbilden zu können. Bei der Umsetzung des Lösungsvorschlags des Beschwerdeführers könnte zudem keine Schutzinsel ausgebildet werden. Sollte die Bushaltestelle in die Kreiselausfahrt integriert werden, so würde hieraus eine massiv verbreiterte Fahrbahn resultieren. Der Fussgängerstreifen müsste in diesem Bereich aufgrund der grossen Strassenbreite und der eingeschränkten Sichtverhältnisse aufgehoben werden. Um zumindest die Sichtverhältnisse auf den südlichen Wartebereich des Fussgängerstreifens gewährleisten zu können, müsste der komplette Kurveninnenbereich beim Kreisel Kollegium abgetragen werden. 6.4 6.4.1 Aus den Planunterlagen ergibt sich, dass die Bushaltestelle Kollegium auf der Klausenstrasse Richtung Bürglen im Vergleich zum heutigen Standort rund 50 Meter Richtung Osten beziehungsweise Richtung der Ortschaft Bürglen verschoben werden soll. Am neuen Standort befinden sich heute Alleebäume (Rosskastanien), welche sich innerhalb des kommunalen Schutzplanes befinden (vergleiche E. 5.5 hievor). Diese müssten der neuen Bushaltestelle weichen und gerodet werden. Heute befindet sich die Bushaltestelle wenige Meter nach der Kreiselausfahrt unmittelbar nach dem Fussgängerstreifen, welcher zwischen Kreiselausfahrt und Bushaltestelle markiert ist. Dem heutigen Fussgängerstreifen an dieser Stelle kommt eine erhebliche Bedeutung zu, nachdem an dieser Stelle ein starker Querungswunsch durch Umsteiger besteht (siehe Studie Kreisel Kollegium vom 06.09.2019 A3). Dass ein starker Querungswunsch besteht, erscheint nachvollziehbar, befindet sich in unmittelbarer Nähe des Fussgängerstreifens auf der nördlichen Seite der Klausenstrasse die Bushaltestelle in Richtung Altdorf, sodass Buspassagiere, welche von Bürglen nach Schattdorf gelangen wollen, hauptsächlich hier die Strasse überqueren, um zur Gotthardstrasse zu gelangen, wo sich die Haltestelle des Busses Richtung Schattdorf befindet. Die Bushaltestelle auf der Klausenstrasse Richtung Altdorf wird gemäss aufgelegtem Projekt auch in Zukunft am heutigen Standort verbleiben. Der Fussgängerstreifen soll jedoch verschwinden; die Fussgänger beziehungsweise die Umsteiger sollen in Zukunft über den Fussgängerstreifen gehen, welcher ausgangs des nördlichen Kreiselarms markiert ist, oder dann den Fussgängerstreifen bei der Feinbäckerei Hauger benutzen (dazu sogleich E. 6.4.2) und über das Schulareal zur Gotthardstrasse gelangen. Die beiden Bushaltestellen Kollegium Klausenstrasse und Gotthardstrasse sollen nämlich eine Verbindung, welche über das Schulareal verläuft, erhalten (vergleiche Plan «Situation Gestaltung 1:200» vom 04.09.2020 im Dossier Umgestaltung Umgebung Kollegium). 6.4.2 Weiter ist geplant, dass der Fussgängerstreifen auf der Klausenstrasse bei der Feinbäckerei Hauger am heutigen Standort verbleibt. Dieser Fussgängerstreifen befindet sich Richtung Bürglen rund 50 Meter vom Kreisel entfernt. Er stellt ungefähr auf der Höhe der Feinbäckerei Hauger, welche sich auf der nördlichen Seite der Klausenstrasse befindet, die Fussgängerquerung für den Fussgängerverkehr zwischen Altdorf (von der Hochmühlegasse kommend) und Schattdorf sowie umgekehrt sicher (Studie Kreisel Kollegium vom 06.09.2019 A3). Der Fussgängerstreifen soll gemäss aufgelegtem Projekt neu mit einer Schutzinsel versehen werden. 6.4.3 Der Beschwerdeführer hat im Einspracheverfahren vorgebracht (Einsprache vom 19.10.2020, S. 7), gemäss den Richtlinien des Kantons Aargau sollten Bushaltestellen nach Kreiseln möglichst nahe beim Kreisel liegen (siehe Kanton Aargau, Departement Bau, Verkehr und Umwelt, Abteilung Tiefbau, Empfehlungen Bushaltestellen vom 23.01.2017, S. 7, online einsehbar [nachfolgend: Empfehlungen Aargau]). Als Lösungsvorschlag wurde eine Variante vorgeschlagen, in welcher der Kurvenradius der vorspringenden «Nase» des Kreisels zwischen Gotthard- und Klausenstrasse etwas verkleinert werde, womit sich eine direktere Anfahrt der Busse an die Haltestelle Richtung Bürglen ergebe. Diese Variante sähe die Bushaltestelle – anders als das aufgelegte Projekt – ungefähr an der heutigen Stelle vor. Im Zusammenhang mit dieser Variante wies der Beschwerdeführer auf eine deutsche Publikation hin, in welcher das Beispiel einer Bushaltestelle nach einem Kreisel skizziert wird. Diesem Beispiel folgend würde die vorspringende «Nase» des Kreisels praktisch komplett abgetragen und die Bushaltestelle gleichsam in die Kreiselausfahrt integriert. Diese Variante entsprach allerdings nicht einem eigentlichen Alternativvorschlag des Beschwerdeführers. Vielmehr sollte damit die Problematik mit dem Kurvenradius aufgezeigt werden, welcher gemäss tatsächlich vorgeschlagener Variante des Beschwerdeführers lediglich «etwas» zu verkleinern sei. Im angefochtenen Beschluss Nr. 2021-4 vom 12. Januar 2021 wird in dieser Hinsicht teilweise nicht differenziert. So wird ausgeführt, dass bei einer Umsetzung des Lösungsvorschlags des Beschwerdeführers im Bereich des Kreisels fünf bis sechs Bäume gefällt werden müssten und eine massiv verbreiterte Fahrbahn resultieren würde, sollte die Bushaltestelle in die Kreiselausfahrt integriert werden. Dabei übersieht die Vorinstanz, dass der Beschwerdeführer eine solche (tatsächlich mit massiven Eingriffen verbundene) Variante gar nicht eigentlich vorgeschlagen hat. Die Variante des Beschwerdeführers (siehe Variante 201218-1, Beschwerdebeilage 5) sieht viel geringere Eingriffe vor und propagiert nicht eine komplette Integration der Bushaltestelle in die Kreiselausfahrt. Soweit die Vorinstanz auf die ernsthaft in Betracht fallende Alternativvariante des Beschwerdeführers (dazu die weiteren Erwägungen nachfolgend) insoweit nicht ausreichend eingeht, verletzt sie ihre Pflicht zur sorgfältigen und transparenten Prüfung solcher Varianten (vergleiche E. 4.3 hievor). 6.5 Aus der Studie Kreisel Kollegium vom 6. September 2019 ist ersichtlich (B1), dass die Sollsichtweite auf den südlichen Wartebereich des Fussgängerstreifens an der östlichen Kreiselausfahrt (siehe E. 6.4.1 hievor) bei einer signalisierten Höchstgeschwindigkeit von 50 Km/h 25 Meter beträgt. Aus der Studie ist weiter ersichtlich (C1), dass im Sinne einer Optimierung des östlichen Kreiselastes durch eine relativ geringe Erweiterung des Strassenraumes zulasten des Kollegiareals die Sollsichtweite offenbar gewährleistet werden kann. So sei durch die Verbesserung der Befahrbarkeit und Anordnung einer Fussgängerquerung (inklusive Sicherstellung der Sichtverhältnisse) eine Erweiterung auf das Kollegi-Areal erforderlich. Aufgrund der planerischen Darstellung erscheint diese Erweiterung, wie gesagt, relativ gering. Insofern kann die Feststellung der Vorinstanz, die Sichtweiten am betreffenden Fussgängerstreifen könnten nur mit einer «kompletten Abtragung» des Kurveninnenbereichs sichergestellt werden, nicht nachvollzogen werden. Auch erscheint damit das Hauptargument der Vorinstanz gegen diesen Fussgängerstreifen widerlegt. Die Studie a.a.O. geht jedenfalls unter Ausführung der aufgezeigten, prima vista eher moderaten Optimierungsmassnahmen von der Markierung eines Fussgängerstreifens an dieser Stelle aus. Wie der Beschwerdeführer zudem zurecht vorbringt, sind die Sichtweiten unter anderem abhängig von der signalisierten Geschwindigkeit. Namentlich verringert sich in der Regel die erforderliche Sichtweite bei der Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit beispielsweise von 50 auf 30 Km/h (vergleiche Entscheid Obergericht des Kantons Uri vom 07.07.2017, OG V 16 43, publ. in Rechenschaftsbericht über die Rechtspflege des Kantons Uri in den Jahren 2016 und 2017, Nr. 31 S. 137 E. 7c). Insofern wäre die Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit allenfalls eine prüfenswerte Option, soweit die Sichtweiten mit dem höheren Geschwindigkeitsregime ohne verhältnismässige bauliche Anpassungen nicht zu erreichen wären. Da die Sichtweite gemäss der Studie a.a.O. mit einer relativ geringen Anpassung des Strassenraumes bei einer signalisierten Geschwindigkeit von 50 Km/h erreicht werden zu können scheint, scheint sich in der vorliegenden Sache die Anordnung einer herabgesetzten Höchstgeschwindigkeit – zumindest mit Bezug auf die Sichtweitenproblematik auf den südlichen Wartebereich des Fussgängerstreifens – aber nicht aufzudrängen. Die Sichtweitenproblematik scheint mit anderen Worten mit verhältnismässigen Anpassungen auch mit einem Geschwindigkeitsregime von 50 Km/h lösbar zu sein. Da sich die Vorinstanz mit dieser Frage nicht genügend auseinandersetzt und stattdessen mit nicht nachvollziehbaren Motiven davon ausgeht, dass die Sichtweiten nur unter massiven Eingriffen (komplette Abtragung Kurveninnenbereichs) gewährleistet werden können, kann nicht abschliessend beurteilt werden, wie es sich damit letztlich verhält. Jedenfalls aber hat die Vorinstanz eine valable Alternative nicht ausreichend geprüft. Die Vorinstanz legt jedenfalls nicht schlüssig dar, weshalb die Sichtweiten an der hier betroffenen Stelle mit den Anpassungen gemäss der Studie a.a.O. nicht erreicht werden könnten. Bei der erneuten Prüfung des Projekts wird sich die Vorinstanz mit dieser Frage befassen müssen. 6.6 6.6.1 Die Vorinstanz geht weiter davon aus, dass die Projektierungslänge der Bushaltestelle von insgesamt 74,5 Meter zwingend notwendig sei. Diese Länge setzt sich aus einer freien Anfahrtslänge von 40 bis 50 Metern, einer Haltekantenlänge von 15 Metern sowie einer freien Wegfahrtslänge von 18 Metern zusammen (Vernehmlassung Vorinstanz vom 12.03.2021 S. 13). Die Vorinstanz stützt sich hierbei auf die Projektierungsrichtlinie Nr. 4.03.01c der Basler Verkehrsbetriebe (siehe E. 6.3 hievor). Eine Konsultation dieser Richtlinie ergibt, dass es sich hierbei lediglich um eine Grobbeurteilung der Befahrbarkeit handelt. Die Tabellen zu den An- und Wegfahrten respektive den entsprechenden An- und Wegfahrtslängen unterteilt nach Bustypen würden eine «erste grobe Einschätzung zur Befahrbarkeit mit den verschiedenen Bustypen» geben. Die Haltestelle selbst sei von allen Bustypen befahrbar. Für bestimmte Bustypen wird die Befahrung bei abnehmender An- respektive Wegfahrtlänge «kritisch», wobei dann eine vertiefte Prüfung der Befahrung vorzusehen sei, oder aber nicht oder nur mit Einschränkungen möglich, wobei dann eine alternative Lösung oder normale Haltekanten mit h=16cm vorzusehen seien. Die Richtlinie ist mithin als grobe Orientierung tauglich, welche anzugeben vermag, ab welcher An- und Wegfahrtlänge die An- und Wegfahrt jedenfalls, unterteilt nach Bustypen, unproblematisch ist (nämlich in allen in den Tabellen grün eingefärbten Bereichen) und wann eine Befahrbarkeit näher zu prüfen ist (orange oder rot eingefärbte Bereiche). Wenn eine Befahrung nicht möglich sein sollte, sind gemäss Richtlinie alternative Lösungen zu suchen; das heisst, es sind unter Berücksichtigung aller massgeblichen Interessen allenfalls auch Kompromisse einzugehen. Die Richtlinie gibt somit nicht in einem starren Sinne vor, dass eine bestimmte An- und Wegfahrtlänge in jedem Fall durchzusetzen wäre. Sie ist vielmehr als Richtlinie für eine durchgehend hohe (h=22cm) Haltekante konzipiert. Sie sagt nichts darüber aus, ob aus überwiegenden anderen Interessen allenfalls einer Haltekante von nur 16cm oder einer Kombination von hoher (22cm) und gesenkter (16cm) Haltekante der Vorzug zu geben ist, weil die An- und Wegfahrtlängen für eine durchgehende hohe Haltekante nicht mit verhältnismässigen Mitteln umsetzbar sind. Unter Aspekten der behindertengerechten Anpassung von Bushaltestellen sind denn auch verschiedene Varianten abweichend von der Ideallösung denkbar, soweit sich eine solche aufgrund der örtlichen Verhältnisse – namentlich zu erhaltender Bäume, die eine Anpassung der Kantenhöhe verhindern – nicht umsetzen lässt (Verband öffentlicher Verkehr [VÖV], Leitfaden barrierefreie Bushaltestellen, Ausgabe Mai 2019, S. 11 Ziff. 4.3). Eine denkbare Alternativvariante wäre beispielsweise eine «Kissenlösung», welche eine Erhöhung der Haltekante auf 22cm nur, aber immerhin, im Bereich des Einstiegs durch Rollstuhlfahrer vorsähe, ansonsten aber mit einer Haltekante von 16cm ausgerüstet wäre (siehe Beilage zur Arbeitshilfe BehiG im Kanton Graubünden, Muster-Bushaltestellen, Version 1.0 vom 26.03.2019, Nr. 14, online einsehbar). Dies erlaubte es, einen Teil der Haltekante zu überwischen, was bei unzureichender An- und Wegfahrtlänge allenfalls erforderlich wäre. 6.6.2 Was die Frage der Überwischung der Haltekante betrifft, ist im Weiteren Folgendes festzustellen: Aus der Studie a.a.O. ist ersichtlich, dass verschiedene Schleppkurven geprüft wurden. Unter anderem wurde die Schleppkurve eines Standardbusses von 12 Metern Länge geprüft (B5). Aus der entsprechenden Darstellung ist ersichtlich, dass der Bus (Fahrbeziehung Schattdorf - Bürglen) den Rand des südlichen Trottoirs auf der Klausenstrasse lediglich zwischen Kreiselausfahrt und heutigem Standort der Bushaltestelle mit der Karrosserie (Sicherheitsabstand) leicht überschleppt. Es ist nicht ohne Weiteres ersichtlich, warum zur Sicherstellung der Überschleppung in diesem Bereich als Kompromiss nicht eine überwischbare tiefere Haltekante von 16cm und erst anschliessend eine Erhöhung der Haltekante auf 22cm vorgesehen werden könnte, zumal der Hauptteil der Bushaltestelle erst nach der kritischen Stelle des Überschwischens zu liegen käme. Aus der Studie a.a.O. ist weiter ersichtlich, dass auch die Schleppkurven eines Gelenkbusses mit einer Länge von 18,75 Metern geprüft wurden (B4). Dies allerdings nicht auf der Fahrbeziehung Schattdorf - Bürglen. Das ist insofern bemerkenswert, als dass die angemessene Ausgestaltung einer Bushaltestelle unter anderem vom Bustyp abhängig ist, welcher die Bushaltestelle anfährt (siehe E. 6.6.1 hievor). Offenbar scheinen die Planer davon ausgegangen zu sein, dass auf der Klausenstrasse, Fahrbeziehung Schattdorf - Bürglen, auf absehbare Zeit keine Gelenkbusse zum Einsatz kommen werden (so wie dies im Übrigen heute der Fall ist). Insoweit könnte offenbleiben, ob die Überschleppproblematik der Busse über die Befahrbarkeit mit dem Standardbus hinaus für die Planung der konkreten Bushaltestelle überhaupt eine Relevanz hätte. Wollte man dennoch hilfsweise auf die Schleppkurven eines Lastwagens mit Anhänger (Studie a.a.O. B2) abstellen, so ergäbe sich aber ebenfalls, dass sich lediglich im Bereich zwischen Kreiselausfahrt und beginnender Bushaltestelle eine Überschleppung ergäbe. Hernach, das heisst im Hauptbereich der Bushaltestelle, ist ein Überschleppen nicht ersichtlich, weshalb nicht ohne Weiteres nachvollziehbar ist, weshalb in diesem Bereich nicht eine nicht überschleppbare höhere Haltekante von 22cm sollte realisiert werden können. 6.6.3 Die Ausführungen zeigen, dass die vorinstanzliche Annahme, die Bushaltestelle müsse zwingend über eine Projektierungslänge von 74,5 Metern verfügen, einer Überprüfung nicht standhält. Gestützt auf eine Grobbeurteilung (vergleiche E. 6.6.1 hievor) und ohne ausreichende Ermittlung der massgeblichen Interessen (insbesondere Baumbestand) kann eine grundsätzlich vielversprechende Alternativvariante (Bushaltestelle ungefähr an der heutigen Stelle) jedenfalls nicht ausgeschlossen werden. Insoweit die Vorinstanz gestützt auf die Projektierungslänge von 74,5 Metern weiter davon ausgeht, dass der Fussgängerstreifen bei der Feinbäckerei Hauger weiter Richtung Bürglen verschoben werden müsste, wenn die Bushaltestelle am heutigen Standort verbliebe, ist auch diese Feststellung in Frage zu stellen, nachdem fraglich ist, ob die geltend gemachte Projektierungslänge tatsächlich zwingend ist. Im Übrigen dürfte eine moderate Verschiebung des Fussgängerstreifens Richtung Bürglen nicht a priori entscheidend ins Gewicht fallen. Der Fussgängerstreifen hat gewiss eine Bedeutung für den Fussgängerverkehr zwischen Altdorf und Schattdorf (vergleiche Studie a.a.O. A3). Indessen dürfte dieser Fussgängerverkehr nicht gleich umwegsensibel sein wie derjenige im Zusammenhang mit umsteigenden Buspassagieren. Namentlich dürfte ein Umweg von wenigen Metern kaum entscheidend ins Gewicht fallen, wenn andererseits eine Bushaltestelle realisiert werden könnte, welche die verschiedenen anderen Interessen besser in Einklang bringen könnte; namentlich – bei gleichzeitig ausreichender Berücksichtigung der Interessen des behindertengerechten Zustiegs – den geschützten Baumbestand besser schonte. 6.7 6.7.1 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Vorinstanz nicht nachvollziehbar aufzeigt, weshalb eine Variante, welche die Realisierung der Bushaltestelle auf der Klausenstrasse Richtung Bürglen ungefähr am heutigen Standort vorsähe, ausscheiden müsste und nur die Variante gemäss aufgelegtem Projekt die Interessen möglichst allseitig wahrt. Sie zeigt insbesondere nicht auf, inwiefern eine abgestufte Haltekante allenfalls unter moderater Verschiebung des Fussgängerstreifens bei der Feinbäckerei Hauger unter Umständen eine vertretbare Alternativlösung sein könnte. Immerhin könnte mit der Realisierung der Bushaltestelle am heutigen Standort womöglich ein relativ erheblicher Eingriff in den geschützten Baumbestand auf dem Kollegiareal vermieden werden, weshalb eine solche Variante einen erheblichen Vorteil bringen könnte. Auch wäre die Bushaltestelle näher bei der Haltestelle auf der Gotthardstrasse, was für Umsteiger zweifellos ein Vorteil wäre und den Interessen des öffentlichen Verkehrs diente. Auch scheint eine Verbindung über das Kollegiareal zwischen der Bushaltestelle auf der Klausenstrasse am heutigen Standort und der Bushaltestelle auf der Gotthardstrasse nicht schlechterdings unumsetzbar, auch wenn dem Vorschlag des Beschwerdeführers, die Fussgänger seien hinter dem Spitzahorn durchzuführen, nicht stattzugeben wäre. Sowohl am Standort der heutigen Bushaltestelle auf der Klausenstrasse als auch am Standort der heutigen und zukünftigen Bushaltestelle auf der Gotthardstrasse besteht genügend Durchlässigkeit, um eine Fussgängerverbindung über das Kollegiareal unter Schonung des Baumbestandes vorzusehen. Jedenfalls liegt Gegenteiliges ohne nähere Abklärungen nicht auf der Hand. 6.7.2 Die Vorinstanz ist verpflichtet, ernsthafte Alternativvarianten zu prüfen und ihre Gründe darzulegen, weshalb eine solche allenfalls dennoch zu verwerfen ist. Die Vorinstanz wird deshalb nach Durchführung ergänzender Abklärungen in einem Variantenentscheid aufzuzeigen haben, inwiefern die Realisierung der Bushaltestelle auf der Klausenstrasse Richtung Bürglen am gemäss aufgelegtem Projekt vorgesehenen Standort der Realisierung der Bushaltestelle am heutigen Standort vorzuziehen ist. Allenfalls ergibt der Variantenentscheid unter Berücksichtigung aller massgeblicher Interessen aber auch, dass die Bushaltestelle ungefähr am heutigen Standort zu realisieren ist. Die Sache ist deshalb zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die weiteren in diesem Zusammenhang in der Beschwerde vorgebrachten und hier nicht bereits abgehandelten Überlegungen sind von dieser erneuten Prüfung abhängig, weshalb hier nicht weiter darauf einzugehen ist. 7. 7.1 Der Beschwerdeführer bringt weiter vor, die Bushaltestelle an der Gotthardstrasse Richtung Altdorf beanspruche sehr viel Platz, weil Bushaltestelle, Radstreifen und Fussweg nebeneinander vorgesehen seien. Es sei in der Einsprache vom 19. Oktober 2020 vorgeschlagen worden, die Velos über die Bushaltestelle zu leiten. So könne Platz gespart werden und die Rodung von direkt hinter der Kollegimauer stehenden Bäumen könne verhindert werden. Die Vorinstanz habe diesen Einsprachepunkt in keinem der angefochtenen Beschlüsse behandelt, obwohl er sich auf das angefochtene Projekt beziehe. 7.2 In den angefochtenen Beschlüssen, namentlich im Beschluss Nr. 2021-3 zur Bushaltestelle auf der Gotthardstrasse, finden sich keine Ausführungen zu diesem Thema. Das lässt sich dadurch erklären, dass die Vorinstanz davon ausging, dass die entsprechende Problematik nicht Teil des Strassenbauprojekts sei, sondern des gemeindlichen Baubewilligungsverfahrens. Mit Blick auf das zuvor Ausgeführte (E. 3.6 ff. hievor) hält dies einer Überprüfung nicht stand. Nachdem sich auch die Gemeindebaubehörde zu diesem Einsprachepunkt materiell nicht geäussert hatte, blieben diese Einwände respektive die damit verbundenen Alternativvorschläge unbeurteilt. In der Vernehmlassung an das Gericht vom 12. März 2021 (S. 17 f.) wird eine kurze Begründung hierzu nachgereicht. Damit hat die Vorinstanz zumindest eine summarische Prüfung des Einsprachepunktes respektive der Alternativvarianten vorgenommen. Sollten die Einwände beziehungsweise Vorschläge des Beschwerdeführers mit gewichtigen Nachteilen verbunden sein oder keine wesentlichen Vorteile aufweisen, könnte der Mangel in den vorinstanzlichen Beschlüssen allenfalls geheilt werden (vergleiche BGer 1C_556/2013 vom 21.09.2016 E. 5.2). 7.3 Die Vorinstanz führt in ihrer Vernehmlassung vom 12. März 2021 aus (S. 17 f.), auch durch den Lösungsvorschlag des Beschwerdeführers könnten keine Bäume im Bereich der eigentlichen Haltestelle erhalten werden, da auch bei dieser Variante die Natursteinmauern tangiert würden. Es müsse sogar davon ausgegangen werden, dass mehr Bäume in diesem Bereich gerodet werden müssten. Grundsätzlich sollten Velostreifen zudem im Bereich der Bushaltestelle nicht unterbrochen werden. Durch die Unterbrechung der Radstreifen ergebe sich keine Kontinuität für Radfahrer. Weiter könne die maschinelle Schneeräumung auf dem neuen innenliegenden Trottoir bei der Variante des Beschwerdeführers nicht umgesetzt werden, da die Platzverhältnisse und Radien nicht eingehalten würden. In jedem Fall müsste der Bereich (auch direkt vor dem Haupteingang der kantonalen Mittelschule) asphaltiert werden, was wiederum aus denkmalschützerischer Sicht problematisch werde. 7.4 7.4.1 Die Vorinstanz bezieht sich bei ihrer Aussage, Velostreifen sollten im Bereich der Bushaltestelle nicht unterbrochen werden, auf die Arbeitshilfe Anlagen für den Veloverkehr des Kantons Bern vom 1. September 2021 (online einsehbar; nachfolgend Arbeitshilfe Bern). Der Vorinstanz ist zunächst entgegenzuhalten, dass gemäss der erwähnten Arbeitshilfe Bern bei Fahrbahnhaltestellen durchaus eine Unterbrechung des Velostreifens durch eine Bushaltestelle als adäquat erachtet wird (a.a.O. S. 20). Zutreffend ist, dass gemäss der Arbeitshilfe Bern bei Busbuchten ein durchgehender Radstreifen anzustreben ist, wobei dies bloss, aber immerhin, eine Richtlinie und nicht eine starre Vorgabe darstellt; namentlich ist ein Alternativfall 2 mit Unterbrechung des Velostreifens durchaus auch denkbar (a.a.O. S. 21). Dem Plan Objekt K2 Gotthardstrasse «Situation Geometrie 1:200» vom 18. September 2020 sowie dem Plan «Situation Baumbestand 1:200» vom 11. September 2020 (aus dem Dossier Umgestaltung Umgebung Kollegium) kann entnommen werden, dass für den neuen Personenunterstand und die nördlich anschliessende Anpassung der Mauer vier im kommunalen Schutzplan enthaltene Bäume (Sumpfzypresse, Bergahorn, Fächerahorn, Schwarzföhre) gefällt werden müssten. Bei der Variante des Beschwerdeführers würden die Velos über die Bushaltestelle geleitet; das heisst, der Velostreifen würde nicht zusätzlich neben der Bushaltestelle vorbeiführen, sondern in diese münden, sodass die Velofahrer in diesem Bereich über die Bushaltestelle fahren würden. Da der Velostreifen respektive der Veloverkehr gleichsam in die Bushaltestelle integriert würde, könnte diese beziehungsweise der Personenunterstand und die Haltekante grundsätzlich um die Breite des Velostreifens Richtung Strasse verschoben werden, ohne die Auto- und Lastwagenspur zu beeinträchtigen. Diese Verschiebung scheint durchaus geeignet zu sein, zumindest die Sumpfzypresse, den Fächerahorn und die Schwarzföhre zu erhalten. Damit könnten im Vergleich zum aufgelegten Projekt drei von vier Bäumen erhalten werden, was unter Aspekten des Interesses der Erhaltung des Baumbestandes ein gewichtiger Vorteil wäre. Inwiefern alle vier Bäume, welche immerhin im kommunalen Schutzplan enthalten sind, aus überwiegenden Interessen dennoch zu fällen wären, wird von der Vorinstanz nicht plausibel erklärt. Der Hinweis auf die Arbeitshilfe Bern ist jedenfalls alleine nicht zielführend, weil diese Richtlinie abweichende Kompromiss-Varianten, welche aufgrund von anderen Interessen – zum Beispiel des Erhalts des Baumbestandes – notwendig erscheinen, nicht ohne Weiteres ausschliesst. 7.4.2 Die Vorinstanz verweist weiter darauf, dass die maschinelle Schneeräumung auf dem neuen innenliegenden Trottoir in der Variante des Beschwerdeführers nicht umgesetzt werden könnte. Diese sähe vor, dass die Fussgänger auf dem bestehenden Fussweg südlich des Haupteinganges des Kollegiums geführt würden. Die Argumente der Vorinstanz erweisen sich jedoch – zumindest in der Form wie sie im vorliegenden Verfahren vorgetragen wurden – als spekulativ. Das ergibt sich auch aus der Aktennotiz zur Einspracheverhandlung vom 25. November 2020, in welcher die Vorinstanz die maschinelle Schneeräumung noch als «vermutlich» nicht umsetzbar bezeichnete. Warum das in diesem Bereich nicht möglich sein sollte, erscheint dem Gericht allerdings nicht ohne Weiteres nachvollziehbar. Der heutige Fussgängerdurchgang auf dem Kollegiareal südlich des Haupteinganges ist ungefähr drei Meter breit. Der gemäss aufgelegtem Projekt Richtung Schattdorf geplante Fussgängerdurchgang im Anschluss an die Bushaltestelle, welcher ungefähr parallel zum heutigen Durchgang realisiert werden soll, weist gemäss Projekt- plänen eine Breite von rund zwei Metern auf (vergleiche Plan Objekt K2 Gotthardstrasse «Situation Geometrie 1:200» vom 18.09.2020). An der Breite kann es somit nicht liegen, dass die Schneeräumung nicht möglich sein sollte, dürfte doch ein breiterer Weg diesbezüglich vorteilhafter sein. Auch was die Radien betrifft, so ist nicht ohne Weiteres einsichtig, warum auf dem weitgehend geraden bestehenden Fussweg auf dem Kollegiareal hierzu ein Problem bestehen sollte. Sofern beim Durchgang zum Haupteingang bei der «Abzweigung» Richtung Süden diesbezüglich ein Problem bestehen sollte, ist nicht ohne Weiteres nachvollziehbar, weshalb hier nicht durch eine verhältnismässige Abflachung des Radius Abhilfe geschaffen werden könnte. Immerhin sieht das aufgelegte Projekt an dieser Stelle ohnehin die Rodung von bestehenden Bäumen (Buchs und Berberitze) vor, sodass eine Abflachung des Kurvenbereichs nicht a priori unmöglich erscheint. Im Übrigen spezifiziert die Vorinstanz nicht näher, wie die Schneeräumung vonstattengehen soll, weshalb letztlich nicht überprüfbar ist, ob die Schneeräumung tatsächlich nicht möglich sein sollte, wenn dem Vorschlag des Beschwerdeführers gefolgt würde. Weiter scheint die Vorinstanz davon auszugehen, dass die maschinelle Schneeräumung nur auf asphaltiertem Grund möglich ist. Auch dies ist in dieser pauschalen Form nicht nachzuvollziehen. Es dürfte zahlreiche Beispiele von nicht asphaltierten Flächen geben, welche maschinell geräumt werden (Fussgängerzonen in Altstädten etc.), sodass der Hinweis auf die Asphaltierung ohne nähere Einordnung nicht plausibel erscheint. 7.4.3 Im Ergebnis hat die Vorinstanz eine Variante, welche gewichtige Vorteile bringen könnte, mit einer bloss summarischen Begründung verworfen, welche zudem nicht überzeugt. Damit hat die Vorinstanz ihre Pflicht zur Prüfung von ernstzunehmenden Alternativvarianten auch hinsichtlich der Bushaltestelle auf der Gotthardstrasse Richtung Altdorf verletzt. Die Sache ist auch diesbezüglich zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 8. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist aufgrund dieser Erwägungen begründet. Die weiteren in der Beschwerde vorgebrachten und hier nicht bereits abgehandelten Überlegungen sind im Wesentlichen von der erneuten Prüfung abhängig, weshalb hier nicht weiter darauf einzugehen ist. Das ist auch insofern sachgerecht, weil der Plangenehmigungsbehörde bei der Strassenplanung ein erheblicher Ermessensspielraum zukommt, welcher von der gerichtlichen Behörde nicht unnötig eingeschränkt werden soll. Namentlich verbleibt der Vorinstanz als Plangenehmigungsbehörde dadurch bei der vorliegend notwendigen Neubeurteilung der Sache respektive beim vorliegend notwendigen Variantenentscheid im Zusammenhang mit den Bushaltestellen auf der Klausenstrasse Richtung Bürglen sowie auf der Gotthardstrasse Richtung Altdorf ein grösserer Handlungsspielraum. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist somit dahingehend gutzuheissen, als dass die angefochtenen Beschlüsse der Vorinstanz Nr. 2021-3 und Nr. 2021-4 vom 12. Januar 2021 aufzuheben sind und die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen ist. Da die Entscheide der Baukommission Altdorf vom 13. Januar 2021 über die Erteilung der Baubewilligung für die Umgestaltung der Umgebung Kollegium und die Behandlung der Einsprache des Beschwerdeführers ausserhalb ihrer sachlichen Zuständigkeit ergangen sind, ist der guten Ordnung halber deren Nichtigkeit festzustellen (zum Nichtigkeitsgrund der sachlichen Unzuständigkeit und der jederzeitigen Beachtung der Nichtigkeit von Amtes wegen: BGE 137 I 273 E. 3.1).
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B 2022_OG Z 22 8. Zivilprozessordnung. Art. 5 lit. a ZPO i.V.m. Art. 37a Abs. 1 lit. a GOG. Art. 223 Abs. 2 ZPO. Sachliche Zuständigkeit der zivilrechtlichen Abteilung des Obergerichts für Streitigkeiten im Zusammenhang mit geistigem Eigentum. Hat es die beklagte Partei versäumt eine Klageantwort einzureichen, kann das Gericht die Tatsachenbehauptungen der klagenden Partei grundsätzlich als unbestritten betrachten. Ein Sachurteil zugunsten des Klägers ergeht, wenn er mit Blick auf die anwendbaren Rechtsnormen die erforderlichen Tatsachenbehauptungen aufgestellt, den Klagegrund substantiiert vorgetragen hat und keine erheblichen Zweifel an der Richtigkeit seiner Sachdarstellung bestehen. Vorliegend bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit der Tatsachenbehauptungen und der vorgebrachten Beweise. Urheberrecht. Art. 19, Art. 20, Art. 40 ff. und Art. 59 URG. Vergütungsanspruch für veröffentlichte Werke. Wahrnehmung des Vergütungsanspruchs durch zugelassene Verwertungsgesellschaften. Veröffentlichte Werke dürfen zum Eigengebrauch verwendet werden. Erlaubt ist dabei insbesondere auch das Vervielfältigen von Werkexemplaren in Betrieben für die interne Information oder Dokumentation. Wer sich dieser Form des Eigengebrauchs bedient, schuldet jedoch hierfür eine Vergütung. Für diese Ansprüche sieht das Gesetz zwingend die kollektive Verwertung vor. Die Ansprüche können nur von zugelassenen Verwertungsgesellschaften geltend gemacht werden. Die Klägerin hat als Verwertungsgesellschaft die Vergütungsansprüche wahrzunehmen und die Vergütung einzuziehen und stützt ihre Forderung auf die gemäss Art. 59 URG von der Eidgenössischen Schiedskommission genehmigten Gemeinsamen Tarife 8 und 9. Wer ein Kopiergerät besitzt und von einem Pauschaltarif erfasst wird, ist ohne Rücksicht auf die Zahl der tatsächlich angefertigten Kopien aus geschützten Werken vergütungspflichtig, dafür aber auch unabhängig vom Betrag der zu leistenden Vergütungen uneingeschränkt nutzungsberechtigt, dies gilt auch bei betriebsinternen Netzwerkvergütungen. Vorliegend wird die Klage gutgeheissen. Obergericht, 23. Dezember 2022, OG Z 22 8 Aus den Erwägungen: 1. 1.1 Die Klägerin ist eine der der Bundesaufsicht unterstellten Verwertungsgesellschaften im Sinne von Art. 40 ff. Bundesgesetz über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz, URG [SR 231.1]). Sie besitzt vom Eidgenössischen Institut für geistiges Eigentum (IGE), Bern, die Bewilligung für die Geltendmachung der gesetzlichen Vergütungsansprüche gemäss Art. 13, Art. 20, Art. 22, Art. 22a, Art. 22b und Art. 24c URG und ist somit aktivlegitimiert. 1.2 Der Beklagte betreibt eine geschäftliche Niederlassung. Der von der Klägerin gestützt auf Art. 19 und Art. 20 URG geltend gemachte Anspruch aus Urheberrecht für Reprografie- und Netzwerkvergütungen leitet sich aus dem Betrieb der Niederlassung durch die Beklagte ab. Die Beklagte ist gemäss Art. 19 und Art. 20 URG verpflichtet, für ihre urheberrechtlichen Nutzungen eine Vergütung zu bezahlen. Die Beklagte ist trotz mehrmaliger Mahnungen ihrer Zahlungspflicht nicht nachgekommen. Gemäss Art. 12 ZPO ist für Klagen aus dem Betrieb einer geschäftlichen oder beruflichen Niederlassung oder einer Zweigniederlassung das Gericht am Wohnsitz oder Sitz der beklagten Partei oder Ort der Niederlassung zuständig. Die Beklagte hat in Schattdorf/UR ihre geschäftliche Niederlassung. Somit sind die Gerichte im Kanton Uri örtlich zuständig. 1.3 Gemäss Art. 5 lit. a ZPO bezeichnet das kantonale Recht das Gericht, welches als einzige kantonale Instanz zuständig ist für Streitigkeiten im Zusammenhang mit geistigem Eigentum. Gemäss Art. 37a Abs. 1 lit. a GOG entscheidet die zivilrechtliche Abteilung des Obergerichtes alle Streitigkeiten, die nach Bundesrecht einer einzigen kantonalen Instanz vorbehalten sind. Somit ist die sachliche Zuständigkeit der zivilrechtlichen Abteilung des Obergerichtes des Kantons Uri für die Beurteilung der vorliegenden Klage gegeben. Sämtliche Sachentscheidungsvoraussetzungen (Art. 59 ZPO) sind erfüllt, auf die Klage ist einzutreten. 2. 2.1 Nachdem die Beklagte auch innert der ihr gestützt auf Art. 223 Abs. 1 ZPO gewährten kurzen Nachfrist keine Klageantwort einreichte, trifft das Gericht, sofern die Angelegenheit spruchreif ist, einen Endentscheid (Art. 223 Abs. 2 ZPO). Dabei ist die (materielle beziehungsweise formelle) Spruchreife gegeben, sofern der massgebliche Sachverhalt aufgrund der Klage bereits soweit erstellt ist, dass über die Rechtsbegehren mit ausreichender rechtlicher Begründung entschieden werden kann. Das Verfahren ist jedoch dann nicht spruchreif, wenn die Behauptungen der klagenden Partei unklar, widersprüchlich oder offensichtlich unvollständig sind, sodass die Ausübung der richterlichen Fragepflicht (Art. 56 ZPO) als notwendig erscheint (Daniel Willisegger, in Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 3. Aufl., 2017, Art. 223 N. 20 mit Hinweisen). Die Vorbringen der Klägerin sind vorliegend klar, eindeutig und vollständig. Das Verfahren ist somit spruchreif. 2.2 Ein Sachurteil zugunsten des Klägers ergeht, wenn er mit Blick auf die anwendbaren Rechtsnormen die erforderlichen Tatsachenbehauptungen aufgestellt, den Klagegrund substantiiert vorgetragen hat und keine erheblichen Zweifel an der Richtigkeit seiner Sachdarstellung bestehen (Daniel Willisegger, a.a.O., Art. 223 N. 23). Das Obergericht hat vorliegend keine Zweifel an der Richtigkeit der Tatsachenbehauptungen und der vorgebrachten Beweise (e contrario Art. 153 Abs. 2 ZPO). Weitere Beweise sind keine zu erheben. Betreffend Sachverhalt ist demnach von den Ausführungen in der Klageschrift (E. II. a Ziffer 6 - 10 inklusive der Beilagen), wozu insbesondere auch die Übersicht der offenen Rechnungen gehört, auszugehen. Der Einfachheit halber wird hiermit darauf verwiesen. 3. Veröffentlichte Werke dürfen zum Eigengebrauch verwendet werden (Art. 19 Abs. 1 URG). Erlaubt ist dabei insbesondere auch das Vervielfältigen von Werkexemplaren in Betrieben für die interne Information oder Dokumentation (Art. 19 Abs. 1 lit. c URG). Wer sich dieser Form des Eigengebrauchs bedient, schuldet jedoch dem Urheber oder der Urheberin hierfür eine Vergütung (Art. 20 Abs. 2 URG). Das Recht auf solche Kopiervergütungen gehört, neben anderen (Art. 13, Art. 20 Abs. 3 und Art. 35 URG), zu den Vergütungsansprüchen, die das am 1. Juli 1993 in Kraft getretene URG eingeführt hat, um Urheber und ausübende Künstler an den Erträgen von unkontrollierbaren Massennutzungen ihrer Werke und Darbietungen teilhaben zu lassen. Für diese Ansprüche sieht das Gesetz zwingend die kollektive Verwertung vor: Sie können nur von zugelassenen Verwertungsgesellschaften (Art. 40 ff. URG) – wie beispielsweise der Klägerin – geltend gemacht werden (Art. 13 Abs. 3, Art. 20 Abs. 4, Art. 35 Abs. 3 URG). Die Verwertungsgesellschaften, die für diesen Aufgabenbereich unter Bundesaufsicht stehen, sind verpflichtet, gestützt auf entsprechende Tarife (Art. 46 f. und Art. 55 ff. URG) die Vergütungsansprüche wahrzunehmen (Art. 44 URG) und ihre Verwertung nach festen Regeln und nach dem Gebot der Gleichbehandlung zu besorgen (Art. 45 Abs. 2 URG) (BGer 4A_41/2020 vom 17.04.2020 E. 2.2.1, 4A_39/2020 vom 17.04.2020 E. 2.2.1; BGE 125 III 142 E. 3). Die Klägerin hat als zugelassene Verwertungsgesellschaft nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, für die Vergütung entsprechende Tarife aufzustellen, die Vergütungsansprüche wahrzunehmen und die Vergütungen einzuziehen. Die Klägerin stützt ihre Forderung auf die gemäss Art. 59 URG von der Eidgenössischen Schiedskommission genehmigten Gemeinsamen Tarife 8 und 9, welche für die Gerichte verbindlich sind (Art. 59 Abs. 3 URG). Der Gemeinsame Tarif 8 (Fotokopiervergütung) umschreibt dabei den Verwendungsbereich, die Bedingungen und die Vergütungen für das Vervielfältigen urheberrechtlich geschützter und veröffentlichter Werke auf Papier mittels dazu geeigneter Geräte (Fotokopiergeräte, Telefaxgeräte, Multifunktionsgeräte, Drucker usw.) ab einer Papier- oder digitalen Vorlage. Der Gemeinsame Tarif 9 (betriebsinterne Netzwerkvergütung) umschreibt den Verwendungsbereich, die Bedingungen und die Vergütungen für das digitale Vervielfältigen und Verbreiten von geschützten Werken und geschützten Leistungen in elektronischer Form zum Eigengebrauch mittels betriebsinterner Netzwerke im Dienstleistungsbereich. Die Klägerin hat die Fotokopiervergütung sowie die betriebsinterne Netzvergütung gegenüber der Beklagten aufgrund des fehlenden Eingangs des Erhebungsformulars gestützt auf Ziffer 6 ff. und Ziffer 8.3 des Gemeinsamen Tarifs (GT) 8 sowie Ziffer 8.3 des Gemeinsamen Tarifs (GT) 9 eingeschätzt. Gemäss Ziffer 8.3 der vorerwähnten GT‘s gilt die Schätzung als anerkannt, wenn die beklagte Partei die Schätzung nicht innert 30 Tagen reklamiert. Die Beklagte liess sich in der Folge – wie im Übrigen auch im vorliegenden Klageverfahren – nicht vernehmen. Somit gilt die Einschätzung als anerkannt. Auch die folgenden Mahnschreiben blieben ohne Erfolg. Wer ein Kopiergerät besitzt und von einem Pauschaltarif erfasst wird, ist ohne Rücksicht auf die Zahl der tatsächlich angefertigten Kopien aus geschützten Werken vergütungspflichtig, dafür aber auch unabhängig vom Betrag der zu leistenden Vergütung uneingeschränkt nutzungsberechtigt (vergleiche dazu BGE 125 III 145 ff. E. 4b mit Hinweisen). Was, wie vorerwähnt für den GT 8 gilt, hat auch bei betriebsinternen Netzwerkvergütungen (GT 9) Geltung (vergleiche dazu BGE 4A_203/2015 vom 30.06.2015 E. 3.4.2 mit Hinweisen). Gesagtes erhellt, dass sich damit die Klage als begründet erweist und entsprechend gutzuheissen ist.
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B 2022_OG V 21 48. Kommunale Steuern. Art. 4 ff., Art. 15 Reglement über den Tourismus in den Gemeinden Andermatt, Hospenthal und Realp. Beherbergungsgebühr für Zweitwohnungen. Kostenanlastungssteuer. Der Ertrag der Beherbergungsgebühr muss der Finanzierung von Ausgaben dienen, die den Touristen einen Nutzen bringen. Der Ertrag darf nicht für die Tourismusförderung (Marketing) verwendet werden. «Duale» Aufwandpositionen (Aufwände dienen sowohl dem Tourismusbetrieb als auch der Tourismusförderung), insbesondere «dual» tätiges Personal, also solches, welches notwendigerweise beide Aspekte touristischer Tätigkeit in sich vereinigt, darf vollständig aus Erträgen der Kostenanlastungssteuer finanziert werden. Eine Aufteilung dieser Aufwände ist kostenanlastungssteuerlich nicht vorgeschrieben. Eine Prüfung der Mittelverwendung unter diesen Voraussetzungen ergab, dass die Andermatt-Urserntal Tourismus GmbH, welche für die Gemeinden im Urserntal die kommunalen Aufgaben im Bereich Tourismus wahrnimmt, in den betreffenden Veranlagungsjahren die Erträge der Beherbergungsgebühr nicht unzweckmässig verwendet hat. Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde eines Abgabepflichtigen. Obergericht, 4. November 2022, OG V 21 48 Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Bei der hier Streitgegenstand bildenden Beherbergungsgebühr Andermatt handelt es sich bekanntlich um eine Kostenanlastungssteuer (vergleiche zuletzt BGer 2C_406/2019 vom 25.02.2020 E. 3.2; Entscheid Obergericht des Kantons Uri vom 29.03.2019, OG V 18 24, E. 2b je in Sachen des Beschwerdeführers). Als solche muss sie ihrem Kostenanlastungszweck – dem Tourismusbetrieb – dienen und darf nicht zur Finanzierung der Tourismusförderung (Tourismuswerbung, Marketing) oder zur Finanzierung allgemeiner Gemeindeaufgaben herangezogen werden (BGer 2C_406/2019 a.a.O. E. 3.3; Entscheid Obergericht a.a.O. E. 2b; vergleiche auch E. 3.3.1 hernach). In diesem Sinne gilt auch das Kostendeckungsprinzip; das heisst, dass der Gebührenertrag die gesamten Kosten des betreffenden Verwaltungszweigs nicht oder nur geringfügig übersteigen darf (BGer 2C_406/2019 a.a.O. E. 3.4; Entscheid Obergericht a.a.O. E. 2b). 3. 3.1 Durch Kostenanlastungssteuern in Form der hier vorliegenden Beherbergungsgebühr dürfen nach der Rechtsprechung Einrichtungen finanziert werden, die für Ortseinwohner allein nicht geschaffen und betrieben würden. Dazu zählen etwa der Personal- und Sachaufwand für ein mit allen modernen Hilfsmitteln ausgerüstetes, reich dokumentiertes und dem Besucher mit Gratisauskünften dienendes Verkehrsbüro, Beiträge an Sportorganisationen, Sporteinrichtungen und Sportanlässe für ein (internationales) Publikum, der Aufwand für das Kurorchester, der Unterhalt von Spazierwegen, Ruhebänken und Skipisten sowie der Bau und Unterhalt einer Reithalle, eines Hallenschwimmbades oder einer Kunsteisbahn (BGer 2C_854/2018 vom 22.08.2019 E. 4.1, 2C_1051/2017 vom 15.04.2019 E. 5.1 mit zahlreichen Hinweisen). Auch Kulturveranstaltungen wie Theater, Konzerte und Ausstellungen können durch eine Abgabe wie der hier vorliegenden zulässig (mit-)finanziert werden (vergleiche BGE 93 I 17 E. 5b; Entscheid Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden vom 19.09.2019, A 19 33, E. 4.3). 3.2 Im Leitentscheid BGE 102 Ia 143, auf welchen das Bundesgericht auch in jüngsten Entscheiden Bezug nimmt (vergleiche etwa BGer 2C_854/2018 vom 22.08.2019 E. 4.1), hat das Bundesgericht im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Verkehrsbüros ausgeführt (E. 3b), dass sich die Dienste eines solchen keineswegs in der Tätigkeit der Tourismusförderung/Marketing erschöpften und auch soweit eine solche Tätigkeit ausgeübt werde, dies im wohlverstandenen Interesse des ganzen Kurortes liege. Jedenfalls handle es sich beim Verkehrsbüro um eine Einrichtung, die um der ortsansässigen Bevölkerung willen niemals unterhalten würde, was zur Rechtfertigung der Verwendung von Kurtaxeneinnahmen ausreiche. Das Obergericht hat aus diesem Entscheid abgeleitet, dass duale Aufwandpositionen (Aufwände dienen sowohl dem Tourismusbetrieb als auch der Tourismusförderung) als tourismusbetriebsdienend anerkannt sind und dies insbesondere (auch) auf das touristisch tätigte Personal angewendet. Personal, welches sowohl im Bereich Tourismusbetrieb als auch im Bereich Tourismusförderung tätig ist, darf aus den Erträgen der Kostenanlastungssteuer finanziert werden. Das Bundesgericht hat diese Sichtweise zumindest implizit geschützt (vergleiche BGer 2C_406/2019 vom 25.02.2020 E. 4.7.2). Das Obergericht hält an dieser Sichtweise aus den bereits dargelegten und den nachfolgenden Gründen fest. 3.3 3.3.1 Die Beherbergungsgebühr wird vorliegend von den betroffenen Gemeinden veranlagt. Die Gebührenerträge fliessen aber der Andermatt-Urserntal Tourismus GmbH (AUT) zu, welche für die Gemeinden die kommunalen Aufgaben im Bereich des Tourismus wahrnimmt (Art. 28 Reglement über den Tourismus in den Gemeinden Andermatt, Hospenthal und Realp vom 28.10.2010; nachfolgend: Tourismusreglement). Zu diesen Aufgaben gehören nach der Konzeption des Tourismusreglements einerseits die Entwicklung und der Betrieb eines attraktiven touristischen Angebots, welches durch die Beherbergungsgebühr finanziert werden darf (vergleiche Art. 15 Tourismusreglement), und andererseits das Marketing für die Tourismusdestination Urserntal (vergleiche Art. 24 Tourismusreglement), zu dessen Finanzierung die Beherbergungsgebühr nicht verwendet werden darf. 3.3.2 Der Betrieb einer professionellen Tourismusgesellschaft, welche die aufgezeigten Aufgaben erfüllen soll, beinhaltet notwendigerweise die Anstellung von qualifiziertem Personal. Dabei erscheint klar, dass Personal, welches ausschliesslich für den Bereich Marketing und Tourismusförderung tätig ist, aus der Beherbergungsgebühr, welche einzig dem Tourismusbetrieb zugutekommen soll, nicht finanziert werden darf. Da die AUT ihrer Konzeption nach aber eine einzige Gesellschaft für alle kommunalen touristischen Aufgaben ist und hierzu auch Marketingaufgaben gehören, führt dies unweigerlich dazu, dass es Mitarbeiter gibt, welche Tätigkeiten für beide Bereiche ausführen. Zu nennen ist beispielsweise administratives Personal, wie Mitarbeiter im HR und den Finanzen. So muss sich ein Mitarbeiter im HR beispielsweise sowohl um die Personalangelegenheiten eines Mitarbeiters im Bereich Tourismusbetrieb als auch um diejenigen eines Mitarbeiters im Bereich Tourismusförderung/Marketing kümmern. Ein weiteres Beispiel ist die Tätigkeit des Tourismusdirektors, welche sowohl dem Tourismusbetrieb dienende als auch dem Marketing dienende Aspekte beinhaltet, nachdem der Tourismusdirektor der gesamten AUT und damit auch den Mitarbeitern im Marketing vorsteht und beispielsweise die repräsentativen Funktionen des Direktors zumindest teilweise Marketingcharakter tragen. Entscheidend für die Zulässigkeit der Finanzierung des Tourismusdirektors und des übrigen «dualen» Personals durch die Beherbergungsgebühr ist, dass dieses Personal, selbst wenn es Aspekte des Tourismusmarketings beinhaltet, niemals um der ortsansässigen Bevölkerung willen unterhalten würde. Das «duale» Personal ist vielmehr notwendige Voraussetzung für eine insgesamt funktionierende Tourismusgesellschaft, was im Interesse des ganzen Tourismusortes ist. Es erhellt denn auch ohne Weiteres, dass die Stelle eines Tourismusdirektors oder die administrativen Stellen der Tourismusgesellschaft niemals für die Gemeinden des Urserntals geschaffen worden wären, wenn kein Tourismus vor Ort stattfinden würde. Die Situation ist insoweit vergleichbar mit dem Betrieb eines Verkehrsbüros, welches ebenfalls beide Aspekte der touristischen Tätigkeit vereinigt und trotzdem aus den Erträgen der Kostenanlastungssteuer (mit-)finanziert werden darf (vergleiche E. 3.2 hievor). Zutreffend führte insofern das Verwaltungsgericht Graubünden in ähnlichem Zusammenhang aus, eine bestimmte Einrichtung verliere ihre Kurtaxenfähigkeit nicht deshalb, weil sie ebenfalls von Einheimischen und nicht nur von Gästen benützt werde; entsprechende Einrichtungen dürften vollständig aus Gästetaxen finanziert werden (Entscheid Verwaltungsgericht Graubünden vom 25.10.2017, A 16 8, E. 7d und 7e cc, bestätigt durch BGer 2C_1050/2017 vom 15.04.2019 E. 5.5.1; vergleiche zur Problematik der Doppelbenützung auch: BGer 2C_406/2019 vom 25.02.2020 E. 4.7.2). Nichts Anderes kann für «dual» tätiges Personal gelten: Personal, welches notwendigerweise beide Aspekte touristischer Tätigkeit in sich vereinigt, verliert nicht die Kurtaxen- respektive Beherbergungsgebührenfähigkeit und darf vollständig aus Erträgen der Kostenanlastungssteuer finanziert werden.
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Aus dem Protokoll des Regierungsrates des Kantons Aargau Sitzung vom 05.12.2001 X, Rechtsanwalt und Notar, in Y; Wohnsitz im Kanton als Voraussetzung für die bzw. den Bestand und den Erhalt der Berufsausübungsbewilligung als Notar; § 21 der Notariatsordnung; akzessorische Normenkontrolle Sachverhalt 1. X, Rechtsanwalt und Notar, mit Büro in Y und Wohnsitz in Z (Bezirk Baden), unterbreitete mit Schreiben vom 21. März 2001 der Notariatskommission die Frage, ob die in § 21 der aargauischen Notariatsordnung (NO) vom 28. Dezember 1911 statuierte Wohnsitzpflicht im Kanton Aargau, die unter anderem als Bedingung zum Erhalt und zum Bestand der Berufsausübungsbewilligung als aargauischer Notar vorausgesetzt ist, heute vor Art. 24 BV (Niederlassungsfreiheit) noch standhält. X hat die Gelegenheit, aus der Bekanntschaft ein Grundstück zu Vorzugsbedingungen im Kanton Zürich zu erwerben. Weiter vermerkt er, dass er stets Wohnsitz im Kanton Aargau hatte, hier auch die Ausbildung absolvieren durfte und somit stark im Kanton Aargau verwurzelt sei; zudem seien die Distanzen nach der Wohnsitzverlegung in den Nachbarkanton kurz. Er beruft sich auf die Rechtsprechung, welche die Einschränkung der Niederlassungsfreiheit an immer strengere Voraussetzungen knüpft. Rechtsvergleichend verweist er auf die des Kantons Bern, wonach die Bewilligung zur Ausübung des Berufes als Notar erhält, wer (unter anderem) Wohnsitz in der Schweiz hat. 2. Aufgrund des Wortlauts von § 21 NO stellt die Wohnsitznahme im Kanton Aargau eine unerlässliche Voraussetzung für die Erteilung der Berufsausübungsbewilligung dar. Jeder Notar muss somit vor der Erteilung der Berufsausübungsbewilligung einen festen innerhalb der Kantonsgrenzen nachweisen. Blosser Aufenthalt im Kanton Aargau oder der Nachweis eines Geschäftsdomizils innerhalb der Kantonsgrenzen genügt nach dem Wortlaut von § 21 der Notariatsordnung nicht. Fehlt es an einem festen Wohnsitz im Kanton, kann die Berufsausübungsbewilligung verweigert werden. Gibt der Notar seinen Wohnsitz im Kanton Aargau nach Erhalt der Berufsausübungsbewilligung auf und einen ausserkantonalen Wohnsitz, so ist ihm, unter Androhung des Entzugs der Berufsausübungsbewilligung, Frist zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes (Wohnsitznahme im Kanton Aargau) anzusetzen. Gestützt auf die Eingabe von X, die jüngere bundesgerichtliche Rechtsprechung und Überlegungen äussert die Notariatskommission Bedenken bezüglich der der genannten Bestimmung und vertritt die Ansicht, dass ein allfälliger Patententzug gestützt auf die Verletzung der in § 21 NO verankerten Wohnsitzpflicht rechtlich nicht haltbar sei. Sie unterbreitet deshalb die Angelegenheit dem Regierungsrat zur vorfrageweisen Prüfung. Erwägungen 1. - 2 - Der Regierungsrat ist gehalten, Erlassen die Anwendung zu versagen, die Bundesrecht, kantonalem Verfassungs- oder Gesetzesrecht widersprechen (§ 90 Abs. 4 KV). Die durch den Regierungsrat ist von Amtes wegen und vorfrageweise . Die Überprüfung der Verfassungs- und Gesetzeskonformität eines Erlasses ist Gegenstand der akzessorischen Normenkontrolle. Sie ist kein eigenständiges Verfahren, sondern wird bei Gelegenheit einer Rechtsanwendung in einem beliebigen vorfrageweise durchgeführt. Dass das Hauptverfahren, in dessen Zusammenhang sich die akzessorische Normenkontrolle abwickelt, ein verwaltungsinternes sein müsste, ist nicht nötig. Es braucht überhaupt kein formalisiertes , sondern es genügt ein wie auch immer veranlasster und gearteter Vorgang der Rechtsanwendung (Kurt Eichenberger, Verfassung des Kantons Aargau, Textausgabe mit Kommentar, Aarau und Frankfurt am Main 1986, N 18 zu § 90 Abs. 4 KV). Unter diesen Voraussetzungen kann die Verfassungsmässigkeit von § 21 NO im mit der schriftliche Anfrage von Notar X überprüft werden. Es würde auch wenig Sinn machen, auf die formelle Anfrage von Notar X nicht einzutreten und ihn praktisch dazu zu verleiten, seinen Wohnsitz in den Nachbarkanton zu verlegen, um damit ein und schliesslich ein Beschwerdeverfahren einzuleiten. Gemäss §§ 90 Abs. 4 und 95 Abs. 2 KV dürfen nur der Regierungsrat und die Gerichte Normen auf ihre Verfassungsmässigkeit hin überprüfen. Die Notariatskommission verfügt über keine diesbezüglichen Kompetenzen. 2. Gemäss § 21 NO kann der Notar seine Befugnisse ausüben, sobald er das erhalten und im Kanton Aargau festen Wohnsitz genommen hat. Diese auch Residenzpflicht des aargauischen Notars tangiert die Niederlassungsfreiheit gemäss Art. 24 BV. Der Niederlassungsfreiheit in § 16 der Kantonsverfassung kommt keine selbständige Bedeutung zu, da sie nicht weiter geht als die bundesrechtlichen . Die Niederlassungsfreiheit ist das Recht jedes Schweizer Bürgers, sich an jedem Ort der Schweiz niederzulassen oder aufzuhalten und den bisherigen Niederlassungsort jederzeit wieder zu verlassen. Die Niederlassungsfreiheit gilt innerkantonal und interkantonal. Die Niederlassungsfreiheit (Art. 24 BV) gehört, wie die Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) und die Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV), zu den klassischen Freiheitsrechten, welche von der Bundesverfassung, der Kantonsverfassung sowie der Europäischen (EMRK) direkt gewährleistet sind. Der Einzelne kann sich direkt auf die berufen und Gerichte sowie Verwaltungsbehörden haben , die Freiheitsrechte gewährleisten, direkt anzuwenden. Dank der Ausgestaltung der Freiheitsrechte geniesst der Einzelne einen umfassenden Rechtsschutz. Werden verfassungsmässige Rechte des Einzelnen verletzt, steht ihm mittels der staatsrechtlichen Beschwerde an das Bundesgericht (Art. 189 Abs. 1 lit. a BV und Art. 84 Abs. 1 lit. a OG) ein entsprechender Rechtsbehelf zur Verfügung. 3. Gemäss Art. 36 BV bedürfen Einschränkungen von Grundrechten einer gesetzlichen Grundlage. Schwerwiegende Einschränkungen müssen im Gesetz selbst vorgesehen sein. Ausgenommen sind Fälle ernster, unmittelbarer und nicht anders abwendbarer (Abs. 1). Einschränkungen von Grundrechten müssen ausserdem durch ein Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt sein (Abs. - 3 - 2). Schliesslich müssen Einschränkungen von Grundrechten verhältnismässig sein (Abs. 3). Für bestimmte Personen (Polizeibeamte, Soldaten, etc.) können sich aus ihrer speziellen Beziehung zum Staat (Sonderstatusverhältnis) zusätzliche Beschränkungen bestimmter Freiheitsrechte ergeben. Auch beim Vorliegen von Sonderstatusverhältnissen sind jedoch die obigen Grundsätze zu beachten. So darf beispielsweise das in Frage stehende nicht stärker beschränkt werden, als es das Sonderstatusverhältnis im erfordert. Gewisse Einschränkungen der Niederlassungsfreiheit können sich somit beim Vorliegen von Sonderstatusverhältnissen ergeben. 4. Die Beschränkung eines Freiheitsrechtes bedarf einer genügenden gesetzlichen . Bezüglich der Rechtsetzungsstufe, das heisst, ob ein Gesetz im formellen Sinne notwendig ist oder eine Verordnung (Gesetz im materiellen Sinne) ausreicht, gilt der Grundsatz, dass je schwerer der Eingriff in das in Frage stehende Freiheitsrecht wirkt, desto besser er demokratisch abgestützt sein muss. Die in Frage stehende Wohnsitzpflicht der Notare ergibt sich aus § 21 NO. Bei der , welche in Vollziehung von § 4 des EGZGB erlassen wurde, handelt es sich um ein grossrätliches Dekret. Angesichts der Schwere des Eingriffs des in Frage Freiheitsrechts muss die Festschreibung der Wohnsitzpflicht für die Notare auf selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Notare letztlich ihre zur Berufsausübung vom Kanton erhalten und der Staat die Aufsicht über die Notare innehat, als ungenügend bezeichnet werden. Dekrete unterliegen nämlich gemäss § 78 Abs. 2 der Kantonsverfassung keiner Volksabstimmung. Die Wohnsitzpflicht stellt einen schweren Eingriff in die Niederlassungsfreiheit dar, der eine Grundlage in einem Gesetz im formellen Sinn erfordert. Dies gilt in diesem Fall umso mehr, als sich die nicht ohne Weiteres aus der Natur der Aufgaben eines Notars ergibt. 5. a) Ein zureichendes öffentliches Interesse zur Einschränkung der Niederlassungsfreiheit liegt nach Auffassung des Bundesgerichts nicht nur vor, wenn − wie z.B. bei Polizisten oder Berufsfeuerwehrleuten – die Art des Dienstes eine erhöhte Bereitschaft am erfordert, sondern wird auch dort angenommen, wo eine gewisse Verbundenheit von Beamten mit der Bevölkerung für die sachgerechte Aufgabenerfüllung von Bedeutung ist (wie etwa bei Lehrern oder Gemeindeschreibern, namentlich in kleineren Gemeinden). Als Beispiele werden in BGE 103 Ia 457 weiter angeführt: „Verwurzelung des Beamten in der Gemeinschaft, für welche er arbeitet; Ortskenntnisse, Bürgernähe, etc.“. Selbst das einer Residenzpflicht aus rein fiskalischen Interessen war nach Ansicht des Bundesgerichts zulässig. Immerhin ist festzuhalten, dass die vorstehende des Bundesgerichtes von der Lehre heftig kritisiert worden ist. Im selben Entscheid wurde auch festgestellt, dass Art. 8 Ziff. 1 EMRK, der jedermann einen Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs einräumt, nicht tangiert wird. Ebenso wird die persönliche Freiheit nach Art. 27 ZGB nicht übermässig beschränkt, wenn der Betroffene seinen Wohnsitz innerhalb des ganzen Kantons frei wählen kann. An dieser Praxis wurde auch im Entscheid BGE 106 Ia 28 . Obwohl in BGE 111 Ia 214 die Beschwerde eines Professors gutgeheissen wurde, an die Universität Genf berufen wurde, sich jedoch weigerte, im Kanton Genf Wohn - 4 - sitz zu nehmen, hielt das Bundesgericht im Grundsatz an seiner bisherigen, in BGE 103 Ia 455 festgelegten Rechtsprechung fest. Der öffentlichrechtliche Arbeitgeber verfügte somit auf Grund der damals geltenden Rechtsprechung über relativ weitreichende , die Niederlassungsfreiheit seiner Beamten durch das Vorschreiben von einzuschränken. Mit BGE 118 Ia 410 präzisierte und änderte das Bundesgericht seine Praxis und verlangte für eine Einschränkung der Niederlassungsfreiheit der Beamten zwingende Gründe des Dienstes oder das Erfordernis besonderer Beziehungen zur Bevölkerung. Eine einer Ausnahmebewilligung von der Wohnsitzpflicht, beruhend auf allgemeinen oder bloss fiskalischen Gründen, sei nicht mehr zulässig. b) Gemäss Art. 55 SchlT ZGB bestimmen die Kantone, wie das Beurkundungswesen auf ihrem Gebiete geregelt ist. Der Kanton Aargau kennt das freie Berufsnotariat. § 27 Ziff. 2 NO schreibt nämlich vor, dass die dauernde Anstellung im Staatsdienste mit der nicht vereinbar sei. Freiberuflich tätige Urkundspersonen erhalten die Beurkundungsbefugnis von ihrem Kanton verliehen. Kraft dieser Verleihung unterstehen sie der Aufsicht und den Weisungen der kantonalen Aufsichtsbehörde über das . Sie können sich der Aufsichts- und Weisungskompetenz des Staates nicht unter Berufung auf die Wirtschaftsfreiheit oder auf die persönliche Freiheit entziehen (Christian Brückner, Schweizerisches Beurkundungsrecht, Zürich 1993, N 485 ff. zu § 16). Das notarielle Handeln ist ein solches für den Staat, jedoch zugunsten und auf Kosten der Klientschaft. Für die Qualifikation der Tätigkeit der Urkundsperson als Amtstätigkeit oder als privatvertraglich erbrachte Leistung ist nicht das Vorliegen oder Fehlen eines massgebend, sondern das Ziel, auf welches die Tätigkeit ist. Dieses Kriterium ist massgebend für den Entscheid, ob eine Dienstleistung oder eine Nebenleistung des Notars als amtliche Tätigkeit oder nach allgemeinen Privatrecht, insbesondere nach dem Auftragsrecht, beurteilt wird. Im Gegensatz zum Grundbuchverwalter, der Angestellter des Staates ist, steht der Notar im Kanton Aargau in keinem Angestelltenverhältnis zum Staat. Der Notar hat gegen den Staat keinen Anspruch auf Lohn und kann von ihm auch nicht entlassen werden. Der Staat kann nur indirekt durch die Festlegung von Tarifen (vgl. Notariatstarif) Einfluss auf das Einkommen des Notars nehmen bzw. dem Notar durch Entzug der die Erwerbsgrundlage entziehen. Obwohl der Staat die Aufsicht über das Beurkundungswesen ausübt und den Urkundspersonen Weisungen erteilen kann, schliesst das Verantwortlichkeitsgesetz die Haftung des Kantons für patentierte Berufe ausdrücklich aus (§ 3 VG). Die Haftung richtet sich nach privatrechtlichen Grundsätzen. c) Die bundesgerichtliche Rechtsprechung, wonach für eine Einschränkung der der Beamten zwingende Gründe des Dienstes oder das Erfordernis Beziehungen zur Bevölkerung im Sinne eines öffentlichen Interesses bestehen müssen, lässt sich auf Grund des vorhin Gesagten nicht auch auf den freien Berufsnotar übertragen. Im Weiteren bestehen keinerlei Einschränkungen, wo der Notar seinen Wohnsitz der Kantonsgrenzen begründet. Die innerkantonale Freizügigkeit ist garantiert. Ebenso unterliegt er keiner Regelung, an welchem Ort im Kanton er seinen Arbeitsort wählt. Es ist dem Notar somit unbenommen, seinen Wohnsitz in Sins (Bezirk Muri) zu begründen und in Rheinfelden eine Notariatskanzlei zu betreiben. Aus den Materialien - 5 - lassen sich die Gründe, die den historischen Gesetzgeber veranlassten, eine (absolute) Wohnsitzpflicht für die aargauischen Notare in der Notariatsordnung festzulegen, nicht mehr eruieren. Mit Sicherheit kann auf Grund des vorhin Gesagten ausgeschlossen , dass die Kriterien „Bürgernähe, „Ortskenntnisse“, etc. letztlich den Ausschlag für die Einführung einer Residenzpflicht für die aargauischen Notare bildeten. Bei nüchterner Betrachtung standen wohl bereits damals vor allem fiskalische Interessen im . Demnach erscheint es zweifelhaft, dass die Wohnsitzpflicht gemäss § 21 NO öffentliches Interesse beanspruchen kann. Eine Verweigerung einer Ausnahmebewilligung von der Wohnsitzpflicht wäre zudem, beruhend auf allgemeinen oder bloss fiskalischen Gründen nach bundesgerichtlicher Rechtssprechung nicht mehr zulässig. In gleicher Richtung zielt die Aussage von Christian Brückner (Schweizerisches Beurkundungsrecht, N 3456), der feststellt, dass „schweizerische Staatsangehörigkeit und zivilrechtlicher Wohnsitz im Kanton der Amtsausübung nicht aufgrund allgemeiner Grundsätze des gefordert werden könne.“ 6. a) Die Frage nach der Verhältnismässigkeit einer Einschränkung eines Freiheitsrechts stellt sich nur, wenn an ihr überhaupt ein zulässiges öffentliches Interesse besteht. Erst dann ist zu prüfen, ob sie das geeignete und erforderliche Mittel ist, um dieses Interesse zu verwirklichen, und ob die dadurch bewirkte Freiheitsbeschränkung nicht in einem zum angestrebten Zweck steht. In den vorstehenden Erwägungen wurde , dass die Wohnsitzpflicht gemäss § 21 NO nicht im öffentlichen Interesse liegt. Insofern besteht für die Einschränkung gar kein Ziel, auf welches hingewirkt werden soll, womit sich die Prüfung der Voraussetzungen der Verhältnismässigkeit an sich erübrigen würde. Der Vollständigkeit halber werden diese jedoch gleichwohl geprüft. b) Jeder staatliche Eingriff in ein Freiheitsrecht darf auf Grund des Prinzips der nicht weiter gehen, als es das öffentliche Recht erfordert. Sofern die eine unverhältnismässige Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellt, hat der Betroffene einen verfassungsmässigen Anspruch auf Wohnsitznahme ausserhalb des Dienstortes. Eine Residenzpflicht wird zwar grundsätzlich als zulässig betrachtet, doch müssen im konkreten Fall die privaten Interessen gegen die öffentlichen abgewogen werden. Ferner ist bei dieser Interessenabwägung auch zu berücksichtigen, dass die Wahl des Familienwohnsitzes von den Ehegatten gemeinsam bestimmt wird. c) Sofern im seinerzeitigen Gesetzgebungsverfahren der Grundgedanke der der Urkundspersonen zum Entstehen der Wohnsitzpflicht in § 21 der vom 28. Dezember 2001 beitrug, ist Folgendes dazu zu bemerken: Gegenstand der staatlichen Aufsicht im engeren Sinne bilden in erster Linie die Beurkundungstätigkeit und die damit zusammenhängenden Nebenpflichten (Führung von Tagebüchern, Einhaltung des Tarifs). Im weiteren Sinne unterliegen der staatlichen Aufsicht auch die des Notars und dessen allgemeines Geschäftsgebaren. Von Belang für die Beaufsichtigung der Notare ist daher einzig der Ort, an welchem der Beurkundungsakt als solcher vorgenommen wird. Gemäss geltendem Recht muss der Beurkundungsakt auf aargauischem Staatsgebiet vorgenommen werden. Als Anknüp - 6 - fungspunkt für ein Aufsichtsverfahren ist der Wohnsitz des Notars somit weder geeignet noch erforderlich, da die öffentlichen Beurkundungen gewöhnlich in den des Notars vorgenommen werden. Andererseits kann beispielsweise ein Notar, welcher seine Steuern nicht oder zu spät bezahlt oder in seiner Gemeinde Bauten ohne Baubewilligung erstellt auf Grund der Notariatsordnung disziplinarisch auch nicht belangt werden. Es kann zu Recht davon ausgegangen werden, dass die Wohnsitzpflicht für die Wahrnehmung der Aufsicht gegenüber dem Notar nicht geeignet noch erforderlich ist. Die in § 21 NO statuierte Verpflichtung des Notars, Wohnsitz im Kanton Aargau zu , führt keine Verwurzelung in der Gesellschaft oder spezielle Ortskenntnisse herbei, wenn wie bereits erwähnt, die Urkundsperson ihren Wohnsitz in Sins und den Arbeitsort in Rheinfelden frei wählen kann. Damit wäre das Argument der Bürgernähe widerlegt. Auch aus diesem Grunde ist die Wohnsitzpflicht in § 21 der NO nicht geeignet, eine gewisse Verbundenheit mit der Bevölkerung für die sachgerechte Aufgabenerfüllung zu erreichen. Eine wertende Abwägung, welche im konkreten Fall das öffentliche Interesse an der Massnahme und die durch den Eingriff beeinträchtigten privaten Interessen des miteinander vergleicht, kann vorliegend nicht vorgenommen werden, weil der wie bereits ausgeführt kein öffentliches Interesse zugrunde liegt. Zudem würde der Eingriff in die Niederlassungsfreiheit des im Kanton Aargau tätigen Notars derart schwer wiegen und wäre nicht gerechtfertigt, weshalb das Freiheitsrecht in seinem Kern zu schützen wäre. 7. Während sich die örtliche und sachliche Zuständigkeit des Notars auf das gesamte erstreckt (§§ 19 und 20 NO), bestehen für den urkundsberechtigten diesbezüglich Schranken. So darf dieser keine familienrechtlichen Verträge, Erbverträge und Testamente beurkunden und seine Zuständigkeit zur Vornahme Beurkundungen erstreckt sich nur auf die in seiner Gemeinde gelegenen (vgl. §§ 22 und 23 der Notariatsordnung). Seine Urkundsberechtigung ist auch in zeitlicher Hinsicht beschränkt, indem er seine Urkundsbefugnis nur so lange ausüben kann, als er als Gemeindeschreiber gewählt ist. Interessant ist nun festzustellen, dass für die urkundsberechtigten Gemeindeschreiber keine Wohnsitzpflicht innerhalb der Kantonsgrenzen verlangt wird. Der wird zwar in den meisten Fällen in seiner Gemeinde Wohnsitz nehmen. Es ist aber durchaus denkbar und von der Notariatsordnung oder anderen kantonalen Erlassen nicht ausgeschlossen, dass ein urkundsberechtigter Gemeindeschreiber in einem seinen Wohnsitz begründet und in einer Aargauer Gemeinde als gewählter öffentliche Beurkundungen vornimmt. Diese Rechtsungleichheit dem Notar und dem urkundsberechtigten Gemeindeschreiber bezüglich der gilt es zu vermeiden. 8. Ein Vergleich mit anderen Kantonen zeigt, dass früher praktisch jeder Kanton eine für „seine“ Urkundspersonen vorsah. In jüngerer Vergangenheit haben jedoch mehrere Kantone die Wohnsitzpflicht auf die ganze Schweiz ausgedehnt (z.B. , Bern) oder sehen Ausnahmen von der Residenzpflicht vor (z.B. Kanton Solothurn, der entweder den Wohnsitz oder die Führung eines Geschäftsdomizils innerhalb der Kantonsgrenzen verlangt). Im Kanton Basel-Landschaft wird nur der Geschäftssitz des Kantons vorausgesetzt. Besonders erwähnenswert ist der Kanton Bern, wo die Wohnsitzpflicht mit der Revision des Notariatsgesetzes 1997 auf die ganze Schweiz wurde. Gleichzeitig wurde die Bestimmung aufgehoben, dass der Notar nur in - 7 - seinem Amtsbezirk Grundstücksgeschäfte beurkunden konnte. Weiterhin gilt für ihn aber, dass er seine Beurkundungstätigkeiten nur in einem von der Aufsichtsinstanz geprüften Notariatsbüro ausüben darf. Hier wird implizit vorausgesetzt, dass der bernische Notar ein Geschäftsdomizil innerhalb der Kantonsgrenzen begründet. Nicht zu vergleichen ist dies mit dem Kanton Zürich, wo seit je her das Amtsnotariat und nicht das freie Notariat wie im Kanton Aargau herrscht. Dort können nur Stimmberechtigte für die Wahl als Notar werden. Für diese besteht insofern noch eine Wohnsitzpflicht. 9. Auf Grund der vorstehenden Erwägungen kommt der Regierungsrat zum Schluss, dass die in § 21 NO verankerte Wohnsitzpflicht der Notare im Kanton Aargau zum Erhalt und zum Bestand der Berufsausübungsbewilligung Art. 24 BV verletzt. Weder ist die genannte Norm rechtlich genügend abgestützt noch ist sie geeignet und erforderlich, um die dem Staat obliegende Aufsicht über die Notare ausüben zu können. Im Übrigen rechtfertigen rein fiskalische Interessen einen derart schweren Eingriff in die Niederlassungsfreiheit nicht. Beschluss: 1. Es wird festgestellt, dass § 21 der Notariatsordnung vom 28. Dezember 1911, soweit für aargauische Notare eine Wohnsitzpflicht im Kanton statuiert wird, gegen höherstufiges Recht verstösst; dieser Norm ist deshalb im vorliegenden Zusammenhang die zu versagen und X ist von der Wohnsitzpflicht für Notare zu befreien. ...
4,191
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AG_GB_001
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AG
Northwestern_Switzerland
AG_GB_001_AGVE-2001-S--563-Nr-_2001-12-05
https://www.ag.ch/media/kanton-aargau/dvi/dokumente/arp/grundbuch/entscheide/20011205-aufhebung-wohnsitzpflicht.pdf
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2,015
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Verwaltungsgericht 2. Kammer WBE.2015.198 / fl / we (DVIARPGN.14.214-1/44.02.02) Art. 101 Urteil vom 29. Oktober 2015 Besetzung Verwaltungsrichter Berger, Vorsitz Verwaltungsrichterin Gersbach Verwaltungsrichter Huber Gerichtsschreiber Lüthy A. _ gegen Departement Volkswirtschaft und Inneres, Abt. Register und Personenstand, Bahnhofplatz 3c, 5001 Aarau Grundbuchamt des Bezirks X._ Gegenstand Beschwerdeverfahren betreffend Abgaben- und Gebührenrechnung des Grundbuchamts des Bezirks X. vom 24. Oktober 2015 Entscheid des Departements Volkswirtschaft und Inneres vom 30. März 2015 - 2 - Das Verwaltungsgericht entnimmt den Akten: A. Das Grundbuchamt des Bezirks X. stellte Notar A. am 24. Oktober 2014 für die Bearbeitung des Geschäftsfalls TB_ vom 20. Oktober 2014 (Zuweisung der Liegenschaft Y. Nr. 698 von der Erbengemeinschaft B. an den Miterben C. aufgrund des partiellen Erbteilungsvertrags vom 3. September 2014) Abgaben und Gebühren von total Fr. 2'290.00 (Handänderung Fr. 2'240.00, Ergänzung Fr. 40.00 und direkte Auslagen Fr. 10.00) in Rechnung. Zur Berechnung der Grundbuchabgabe für die Handänderung von Fr. 2'240.00 stellte das Grundbuchamt auf den im Erbteilungsvertrag genannten Übernahmepreis von Fr. 560'000.00 ab. B. Am 12. November 2014 focht A. die Abgaben- und Gebührenrechnung des Grundbuchamts des Bezirks X. vom 24. Oktober 2014 mit Beschwerde beim Departement Volkswirtschaft und Inneres, Abteilung Register und Personenstand, an. Er beantragte, die Grundbuchabgabe für die Handänderung sei auf maximal Fr. 1'492.00 festzusetzen. Das Departement Volkswirtschaft und Inneres, Abteilung Register und Personenstand, entschied mit Verfügung vom 30. März 2015: "1. In teilweiser Gutheissung der Beschwerde wird die Abgaben- und des Grundbuchamts des Bezirks X. vom 24. Oktober 2014 für den Geschäftsfall TB_ aufgehoben und der geschuldete Abgaben- und Gebührenbetrag auf Fr. 1'914.00 festgesetzt. Das Grundbuchamt des Bezirks X. wird angewiesen, nach Eintritt der Rechtskraft dieses Entscheids für den Geschäftsfall TB _ eine neue Abgaben- und Gebührenrechnung in der Höhe des neu festgesetzten Abgaben- und Gebührenbetrages und unter Berücksichtigung bereits geleisteter Zahlungen zu erlassen. 2. Die Kosten des vorliegenden Beschwerdeverfahrens, bestehend aus einer Staatsgebühr von Fr. 1'600.00 sowie Kanzleigebühren und in der Höhe von Fr. 89.00, gesamthaft Fr. 1'689.00, werden dem auferlegt. 3. Es wird kein Parteikostenersatz zugesprochen." - 3 - C. 1. Gegen diese Verfügung erhob A. am 7. Mai 2015 (Postaufgabe) Beschwerde beim Verwaltungsgericht und beantragte: "Die Verfügung des Departementes Volkswirtschaft und Inneres vom 30. März 2015 sei aufzuheben und die Gebührenrechnung des X. vom 24. Oktober 2014 sei auf maximal Fr. 1'492.-- festzulegen, und auf die Erhebung von Kosten des sei zu verzichten, resp. auf die Staatskasse zu nehmen." 2. Das Grundbuchamt des Bezirks X. ersuchte mit Beschwerdeantwort vom 26. Mai 2015 (Postaufgabe) um Abweisung der Beschwerde. 3. Das Departement Volkswirtschaft und Inneres, Abteilung Register und Personenstand, stellte mit Beschwerdeantwort vom 16. Juni 2015 () den Antrag, die Beschwerde sei unter Kostenfolge zu Lasten des Beschwerdeführers vollumfänglich abzuweisen. 4. Das Verwaltungsgericht hat den Fall am 29. Oktober 2015 beraten und entschieden. Das Verwaltungsgericht zieht in Erwägung: I. 1. Das Verwaltungsgericht beurteilt Beschwerden gegen Entscheide des Departements Volkswirtschaft und Inneres über Beschwerden gegen der Grundbuchämter (§ 54 Abs. 1 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 4. Dezember 2007 [VRPG; SAR 271.200] i.V.m. § 30 Abs. 2 des Gesetzes über die Grundbuchabgaben vom 7. Mai 1980 [GBAG; SAR 725.100] sowie § 9 Abs. 1 und 3 und § 10 Abs. 1 lit. c über die Delegation von Kompetenzen des Regierungsrats vom 10. April 2013 [DelV; SAR 153.113]). Es ist somit zur Behandlung des vorliegenden Falls zuständig und überprüft den angefochtenen Entscheid auf unrichtige oder unvollständige Feststellung des Sachverhalts sowie Rechtsverletzungen (§ 55 Abs. 1 VRPG). 2. Gemäss § 30 Abs. 2 GBAG ist die Beschwerde innert 30 Tagen seit des Entscheids beim Verwaltungsgericht einzureichen. - 4 - Die angefochtene Verfügung wurde dem Beschwerdeführer am 1. April 2015 zugestellt (act. 49). Die vorliegende Beschwerde wurde am 7. Mai 2015 der Post übergeben und damit - unter Berücksichtigung des vom siebten Tag vor Ostern bis zum siebten Tag nach Ostern (§ 28 Abs. 1 und 2 VRPG i.V.m. Art. 145 Abs. 1 lit. a der Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO; SR 272]) - innert der gesetzlichen Frist . 3. Die übrigen Eintretensvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist somit einzutreten. II. 1. 1.1. B., von Y., geboren 1928, verstarb 2014. Zum Nachlass gehörte unter anderem die Liegenschaft Y. Nr. 698. Am 3. September 2014 schlossen seine Erben C., D. und E. einen vom Beschwerdeführer öffentlich beurkundeten partiellen Erbteilungsvertrag, mit welchem sie die Übertragung der Liegenschaft Y. Nr. 698 aus dem Gesamteigentum der Erbengemeinschaft B. in das Alleineigentum von C. vereinbarten (act. 8). Unter "III. Übernahmepreis" wurde folgende Vereinbarung getroffen (act. 9): " Die Übernahme der Liegenschaft Y. Nr. 698 durch Herr C. erfolgt zu einem Übernahmepreis von pauschal Fr. 560'000.-- (Franken fünfhundertsechzigtausend). Auf Anrechnung an den Übernahmepreis übernimmt der neue zu alleinigen Verzinsung und Rückzahlung die auf der Y. Nr. 698 im ersten Rang aufhaftenden Grundpfandschulden gemäss Namen-Papier-Schuldbrief im ersten Rang gegenüber der Raiffeisenbank Villmergen, im restanzlichen Betrage von Fr. 180'000.00 (Franken einhundertachtzigtausend), mit Zinspflicht ab Nutzen- und Schadenbeginn. Die Abrechnung über die Restanz des Übernahmepreises erfolgt im Rahmen der separaten Erbteilung über den Gesamtnachlass." 1.2. Das Grundbuchamt des Bezirks X. legte seiner Berechnung der Grundbuchabgabe für die Handänderung den im partiellen vom 3. September 2014 als Übernahmepreis genannten Betrag von Fr. 560'000.00 zugrunde. Es ging davon aus, dass es sich dabei um das Entgelt handelte, welches C. seinen Miterbinnen D. und E. für die Übernahme der Liegenschaft in sein Alleineigentum schuldete. Auf dem Betrag von Fr. 560'000.00 erhob das Grundbuchamt des Bezirks X. in von § 8 Abs. 1 und § 11 GBAG eine Handänderungsabgabe von 4 ‰, ausmachend Fr. 2'240.00. Ausserdem stellte es eine Gebühr für - 5 - die Ergänzung von Fr. 40.00 und die direkten Auslagen von Fr. 10.00 in Rechnung (act. 2 und 19). 1.3. Die Vorinstanz führte in ihrem Beschwerdeentscheid vom 30. März 2015 aus, aus dem im Beschwerdeverfahren eingereichten separaten gehe hervor, dass es sich bei den Fr. 560'000.00 um den Anrechnungswert der Gesamtliegenschaft in der Erbteilung und nicht um die den Miterbinnen geschuldete Gegenleistung von C. für die Übertragung der Liegenschaft aus dem Gesamteigentum in sein Alleineigentum handle. Massgebende Berechnungsgrundlage für die Grundbuchabgabe sei indessen der Verkehrswert, wobei in der Praxis behelfsmässig oftmals auf den steuerlichen Verkehrswert abgestellt werde, wodurch die Parteien von der Obliegenheit, auf eigene Kosten eine fachmännische Verkehrswertschätzung einzuholen, entbunden seien. Ausgehend vom steuerlichen Verkehrswert der Liegenschaft (Fr. 699'391.00) resultiere eine Grundbuchabgabe von Fr. 1'864.00 (4 ‰ von 2/3 von Fr. 699'000.00). Hinzu kämen die Gebühren für die von Fr. 40.00 und die direkten Auslagen von Fr. 10.00, womit sich der vom Beschwerdeführer geschuldete Betrag auf Fr. 1'914.00 belaufe. Entsprechend wurde die Verwaltungsbeschwerde des Beschwerdeführers teilweise gutgeheissen. 1.4. Der Beschwerdeführer macht in seiner Beschwerde an das im Wesentlichen geltend, C. sei gemäss gesetzlicher Erbfolge (Art. 457 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches vom 10. Dezember 1907 [ZGB; SR 210]) im internen Verhältnis zu 1/3 an der Erbschaft beteiligt gewesen. Durch die Auflösung des Gesamteigentums und die Übertragung der Liegenschaft von der Erbengemeinschaft an C. zu Alleineigentum seien demzufolge Gesamthandsanteile von 2/3 der Liegenschaft von den beiden Schwestern des Erwerbers übertragen worden. Die Grundbuchgebühr sei daher nicht vom gesamten Übernahmepreis, sondern nur vom Anteil des neuen Alleineigentümers, den er von seinen Miterbinnen erworben habe, d.h. 2/3 des Werts der Liegenschaft, zu berechnen. Art. 617 ZGB sehe vor, dass Grundstücke den Erben zum Verkehrswert, der ihnen im Zeitpunkt der Teilung , anzurechnen seien. Im separaten Erbteilungsvertrag über den Gesamtnachlass sei die übertragene Liegenschaft mit einem von Fr. 560'000.00 eingesetzt worden. Gemäss Willen sämtlicher Vertragsparteien sei die Festlegung des mit Fr. 560'000.00 erfolgt. Die Vertragsparteien erachteten demzufolge den einvernehmlich vereinbarten Übernahmepreis als i.S.v. Art. 617 ZGB. Es sei deshalb nicht haltbar, dass die Vorinstanz den massgebenden Verkehrswert auf Fr. 699'391.00 habe. - 6 - 2. 2.1. Gemäss § 8 Abs. 1 GBAG beträgt die Grundbuchabgabe bei 4 ‰ der Kauf- oder Übernahmesumme, mindestens aber Fr. 100.00. Wird in der Vertragsurkunde kein Preis genannt oder liegt unterhalb des Steuerwerts, ist Letzterer massgebend. Fehlt ein Steuerwert, haben die Parteien auf Verlangen des Grundbuchamts auf ihre Kosten eine nach anerkannten Regeln erstellte vorzulegen. Weicht der Wert dieser Schätzung gegenüber der Kauf- oder Übernahmesumme um mehr als 10 % nach oben ab, ist die Abgabe vom Schätzungswert zu erheben (§ 8 Abs. 2 GBAG). Bei vertraglicher Begründung sowie bei ganzer oder teilweiser Auflösung von Gesamthandsverhältnissen wie Erbengemeinschaft, oder einfacher Gesellschaft ist die Abgabe vom Wert der , welche auf den Erwerber übergehen, zu entrichten (§ 11 GBAG). § 8 Abs. 2 GBAG ist auf die Berechnung der Abgabe § 11 GBAG nicht anwendbar. Dies ergibt sich - wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat (angefochtene Verfügung, Erw. II/2.1) - aus den Beratungen und Beschlussfassungen des Grossen Rats des Kantons Aargau zum "Finanzpaket 98", in deren Verlauf auf die Ausdehnung der Regelung von § 8 Abs. 2 GBAG unter anderem auf die Fälle von § 11 GBAG bewusst verzichtet wurde (Botschaft des Regierungsrats des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 23. Dezember 1998, 98, Massnahmen der Gruppe 2, Gesetz über Massnahmen des Finanzpakets 1998, Bericht und Entwurf zur 2. Beratung [GR.99.2], S. 6). Unter dem Begriff "Wert der Gesamteigentumsanteile" ist somit - wie bis anhin - der Verkehrswert zu verstehen (vgl. Botschaft, S. 5 f.). 2.2. An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass zwischen Steuerwert, steuerlichem Verkehrswert und effektivem Verkehrswert unterschieden werden muss. Unbestritten ist der steuerliche Verkehrswert der Y. Nr. 698, der in der Neuschätzung vom 8. Januar 1999 auf Fr. 699'391.00 festgesetzt wurde (act. 20). Der effektive Verkehrswert liegt in aller Regel über dem steuerlichen Verkehrswert und dürfte 1999 sogar noch gestiegen sein. Der Übernahmepreis von Fr. 560'000.00 entspricht somit nicht dem Verkehrswert, sondern stellt denjenigen Wert dar, zu dem die Liegenschaft in der Erbteilung wurde. Im vorliegenden Fall geht es um die Grundbuchabgabe für die an einem Grundstück im Rahmen der Auflösung einer . Die Berechnung der Grundbuchabgabe erfolgt somit nach § 11 GBAG. Nach dem Gesagten (Erw. 2.1) ist dafür nicht auf die - 7 - zwischen den Parteien vereinbarte Gegenleistung abzustellen, da § 8 Abs. 2 GBAG hier nicht anwendbar ist, sondern auf den Verkehrswert. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist der von den Erben in der Erbteilung festgelegte Übernahmepreis von Fr. 560'000.00 nicht massgebend, da dieser nicht dem Verkehrswert entspricht. Nichts zu seinen Gunsten ableiten kann der Beschwerdeführer sodann aus Art. 617 ZGB, wonach Grundstücke den Erben zum Verkehrswert sind, der ihnen im Zeitpunkt der Teilung zukommt, da diese Bestimmung dispositiver Natur ist und ihr Vereinbarungen der Erben über die Bewertung gemäss Art. 607 Abs. 2 ZGB vorgehen (Urteil des vom 6. Juli 2009 [5A_311/2009], Erw. 3.2; PETER C. SCHAUFELBERGER/KATRIN KELLER LÜSCHER, in: Basler Kommentar, II, 5. Auflage, Basel 2015, Art. 617 N 2). Folglich ist unter dem in Art. 617 ZGB verwendeten Begriff "Verkehrswert" nicht der Wert zu verstehen, zu dem die Erben das Grundstück in der Erbteilung berücksichtigen, sondern der Marktwert des Grundstücks, der bei einer Veräusserung an einen unabhängigen Dritten als Erlös dafür würde und einen Mischwert aus Real- und Ertragswert darstellt (SCHAUFELBERGER/KELLER LÜSCHER, a.a.O., Art. 617 N 3 und 5 ff.). 2.3. 2.3.1. Die Vorinstanz berechnete die Grundbuchabgabe anhand des von den Grundbuchämtern oftmals behelfsmässig verwendeten steuerlichen und nicht aufgrund des (höheren) effektiven Verkehrswerts, was sich zugunsten des Beschwerdeführers auswirkte. Ob diese Praxis vor § 11 GBAG standhält, kann vorliegend offen bleiben, denn das auf einen höheren Wert als den von der Vorinstanz steuerlichen Verkehrswert von Fr. 699'391.00 ist dem aufgrund des in § 48 Abs. 2 VRPG statuierten Verbots der " in peius" von vornherein verwehrt. 2.3.2. C. ist einer von drei Nachkommen des Erblassers B., welche gemäss Art. 457 Abs. 2 ZGB alle zu gleichen Teilen erben. Er ist zufolge Erbteilung Alleineigentümer der Liegenschaft Y. Nr. 698 geworden, womit die auf die beiden anderen Erbinnen entfallenden 2/3 des Verkehrswerts der Liegenschaft auf ihn übergegangen sind. Die Vorinstanz hat daher 2/3 des steuerlichen Verkehrswerts von Fr. 699'391.00 als Grundlage für die Bemessung der Grundbuchabgabe verwendet, was § 11 GBAG entspricht. Nach § 4 GBAG sind die Summen, von denen die Abgabe berechnet wird, auf jeweils Fr. 1'000.00 auf- oder abzurunden. Demgemäss beträgt die Grundbuchabgabe im vorliegenden Fall gemäss § 11 i.V.m. § 8 Abs. 1 GBAG 4 ‰ von Fr. 466'000.00, somit Fr. 1'864.00. - 8 - Hinzu kommen die Gebühren für die Ergänzung von Fr. 40.00 und die direkten Auslagen von Fr. 10.00, welche je unangefochten geblieben sind. Demnach hat die Vorinstanz die Grundbuchabgabe samt Auslagen auf insgesamt Fr. 1'914.00 festgesetzt. Die Beschwerde ist in diesem Punkt abzuweisen. 3. 3.1. Der Beschwerdeführer beanstandet weiter, dass ihm die Vorinstanz die Kosten des Beschwerdeverfahrens trotz seines teilweisen Obsiegens vollumfänglich auferlegt hat. Die Vorinstanz begründete die vollumfängliche Kostenauflage damit, dass das Grundbuchamt des Bezirks X. durch die Umschreibung des Anrechnungswerts der Gesamtliegenschaft als "Übernahmepreis" im Erbteilungsvertrag habe davon ausgehen dürfen und müssen, dass es sich hierbei um die Gegenleistung für die übertragenen handle. Der Beschwerdeführer habe durch die von ihm Formulierung zu verantworten, dass das Grundbuchamt die auf einer falschen Bemessungsgrundlage, nämlich auf dem Betrag von Fr. 560'000.00, habe erheben müssen. Das Angebot einer habe der Beschwerdeführer ausgeschlagen. 3.2. Nach § 31 Abs. 2 VRPG werden im Beschwerdeverfahren die in der Regel nach Massgabe des Unterliegens und Obsiegens auf die Parteien verlegt. Das Prinzip der Kostenverteilung nach dem Unterliegen bzw. Obsiegen stellt einen allgemeinen prozessualen Grundsatz dar. Als Ausnahme sieht § 31 Abs. 4 VRPG vor, dass Zusatzaufwand, der durch das Verhalten einer Partei entstanden ist, dieser auferlegt werden kann. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die (ganz oder teilweise) obsiegende Partei Kosten verursacht hat, indem sie Verfahrensvorschriften verletzt oder Tatsachen oder Beweismittel nachträglich vorgebracht hat, die sie bereits früher hätte geltend machen können (KASPAR PLÜSS, in: ALAIN GRIFFEL [Hrsg.], Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 3. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2014, § 13 N 55 ff., vgl. die Kasuistik in N 58 f.; ALFRED KÖLZ/ISABELLE HÄNER/MARTIN BERTSCHI, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des , 3. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2013, N 1173). Ausserdem können gemäss § 31 Abs. 4 VRPG die Kosten von Expertisen in jeder Instanz den Parteien belastet werden, soweit ihr Interesse an der Sache dies rechtfertigt. Schliesslich können Gründe vorliegen, die es aus Billigkeit angezeigt erscheinen lassen, im Einzelfall vom Grundsatz der Kosten- - 9 - verlegung nach dem Unterliegen bzw. Obsiegen abzuweichen (PLÜSS, a.a.O., § 13 N 63, vgl. insbesondere die Kasuistik in N 64). 3.3. 3.3.1. Die vom Grundbuchamt des Bezirks X. angebotene Wiedererwägung hätte zum gleichen Resultat geführt wie der vorinstanzliche . Das Angebot der Wiedererwägung erfolgte jedoch nicht vor Erhebung der Beschwerde oder zu Beginn des vorinstanzlichen Beschwerdeverfahrens, sondern erst in der Duplik (act. 35 ff.) und damit am Ende des Schriftenwechsels. Dem Beschwerdeführer kann daher nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er die Wiedererwägung und stattdessen ein unnötiges Beschwerdeverfahren einleitete bzw. weiterführte. Hinzu kommt, dass die Wiedererwägung nicht verbindlich zugesichert war. Vielmehr erklärte sich das Grundbuchamt des Bezirks X. lediglich "allenfalls bereit", die angefochtene Abgaben- und Gebührenrechnung in Wiederwägung zu ziehen. Die allfällige Wiedererwägung wurde zudem an diverse Bedingungen geknüpft (schriftliches, begründetes Begehren des Beschwerdeführers und Einreichung eines von den Erben unterzeichneten, öffentlich beurkundeten Nachtrags zum partiellen vom 3. September 2014, in dem deren "tatsächlicher Wille ausformuliert zur Darstellung" gelangen sollte). Diese Bedingungen sind gesetzeswidrig und überspitzt formalistisch, da die Wiedererwägung § 39 VRPG kein schriftliches und begründetes Gesuch voraussetzt, sondern auch von Amtes wegen erfolgen kann, und im vorinstanzlichen Beschwerdeverfahren bereits sämtliche tatsächlichen Grundlagen für eine Neubeurteilung erstellt waren. Die verlangte Vertragsergänzung wäre völlig unnötig gewesen, da es auf den in der Erbteilung vereinbarten "Übernahmepreis" für die Abgabenberechnung überhaupt nicht ankommt (dazu im Einzelnen Erw. 3.3.2. hienach). Der steuerliche Verkehrswert des Grundstücks war dem Grundbuchamt des Bezirks X. gemäss seinen eigenen Ausführungen im Amtsbericht vom 2. Dezember 2014 (act. 20 f.) schon seit der Anmeldung des Erbgangs am 11. August 2014 bekannt. Angesichts der vom Grundbuchamt des Bezirks X. aufgestellten rechtswidrigen Bedingungen kann dem Beschwerdeführer erneut nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er sich nicht auf das Angebot einer (allfälligen) Wiedererwägung einliess. Die Ablehnung der Wiedererwägung rechtfertigt es somit nicht, dem die vorinstanzlichen Verfahrenskosten trotz seines Obsiegens vollumfänglich aufzuerlegen. - 10 - 3.3.2. Das Grundbuchamt des Bezirks X. berechnete die Grundbuchabgabe unzutreffenderweise auf dem in Ziff. III. des partiellen Erbteilungsvertrags genannten "Übernahmepreis" von Fr. 560'000.00. Dieser kann in den Fällen von § 11 GBAG wie dem vorliegenden von vornherein nicht als Bemessungsgrundlage für die Grundbuchabgabe dienen, da stets auf den Verkehrswert abzustellen ist. Die (möglicherweise missverständliche) Formulierung von Ziff. III. des partiellen Erbteilungsvertrags ist für die Berechnung der Grundbuchabgabe folglich irrelevant und vermag deshalb eine vollumfängliche Kostenauflage zulasten des Beschwerdeführers trotz seines teilweisen Obsiegens ebenfalls nicht zu rechtfertigen. 3.3.3. Andere Gründe, welche es rechtfertigen würden, die Kosten des Beschwerdeverfahrens abweichend von der in § 31 Abs. 2 VRPG aufgestellten Regel der Kostenauflage nach Unterliegen bzw. zu verlegen, wurden von der Vorinstanz nicht genannt und sind auch nicht ersichtlich (zu den möglichen Gründen im Einzelnen PLÜSS, a.a.O., § 13 N 55 ff. und N 63 f.). 3.3.4. Entgegen dem Antrag des Beschwerdeführers wurde die von der Vorinstanz nicht um Fr. 798.00, sondern lediglich um Fr. 376.00 reduziert. Der Beschwerdeführer hat vor der Vorinstanz somit etwa zur Hälfte obsiegt. Demzufolge hat er die Kosten des Beschwerdeverfahrens von Fr. 1'689.00 zur Hälfte mit Fr. 844.50 zu tragen. Insoweit ist der Entscheid der Vorinstanz entsprechend . 4. In teilweiser Gutheissung der Beschwerde ist somit Dispositiv-Ziff. 2 des angefochtenen Entscheids aufzuheben und die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind dem Beschwerdeführer lediglich zur Hälfte aufzuerlegen, während der Rest auf die Staatskasse zu nehmen ist. Im Übrigen ist die Beschwerde abzuweisen. III. Entsprechend dem Verfahrensausgang sind die verwaltungsgerichtlichen Verfahrenskosten dem Beschwerdeführer zu 1/3 aufzuerlegen und im Übrigen auf die Staatskasse zu nehmen (§ 31 Abs. 2 VRPG). fällt ausser Betracht (§ 29 i.V.m. § 32 Abs. 2 VRPG). - 11 - Das Verwaltungsgericht erkennt: 1. 1.1. In teilweiser Gutheissung der Beschwerde wird Dispositiv-Ziff. 2 der des Departements Volkswirtschaft und Inneres, Abteilung Register und Personenstand, vom 30. März 2015 aufgehoben und wie folgt neu gefasst: 2. Die Kosten des vorliegenden Beschwerdeverfahrens, bestehend aus einer Staatsgebühr von Fr. 1'600.00 sowie Kanzleigebühren und in der Höhe von Fr. 89.00, gesamthaft Fr. 1'689.00, werden dem zur Hälfte mit Fr. 844.50 auferlegt. Der Rest wird auf die Staatskasse genommen. 1.2. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. 2. Die verwaltungsgerichtlichen Verfahrenskosten, bestehend aus einer Staatsgebühr von Fr. 800.00 sowie der Kanzleigebühr von Fr. 144.00 und den Auslagen von Fr. 47.00, gesamthaft Fr. 991.00, sind vom zu 1/3 mit Fr. 330.35 zu bezahlen. Die restlichen trägt der Staat. 3. Es werden keine Parteikosten ersetzt. Zustellung an: den Beschwerdeführer Mitteilung an: den Regierungsrat des Kantons Aargau das Departement Volkswirtschaft und Inneres das Grundbuchamt des Bezirks X. Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten Dieser Entscheid kann wegen Verletzung von Bundesrecht, Völkerrecht, kantonalen verfassungsmässigen Rechten sowie interkantonalem Recht innert 30 Tagen seit der Zustellung mit Beschwerde in öffentlich- Angelegenheiten beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, angefochten werden. Die Frist steht still vom 7. Tag - 12 - vor bis und mit 7. Tag nach Ostern, vom 15. Juli bis und mit 15. August und vom 18. Dezember bis und mit 2. Januar. Die unterzeichnete muss das Begehren, wie der Entscheid zu ändern sei, sowie in gedrängter Form die Begründung, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt, mit Angabe der Beweismittel enthalten. Der angefochtene und als Beweismittel angerufene Urkunden sind beizulegen (Art. 82 ff. des Bundesgesetzes über das Bundesgericht [, BGG; SR 173.110] vom 17. Juni 2005). Aarau, 29. Oktober 2015 Verwaltungsgericht des Kantons Aargau 2. Kammer Vorsitz: Gerichtsschreiber: Berger Lüthy
5,358
3,879
AG_GB_001
AG_GB
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Northwestern_Switzerland
AG_GB_001_--11-GBAG--Wert-der-_2015-10-29
https://www.ag.ch/media/kanton-aargau/dvi/dokumente/arp/grundbuch/entscheide/20151029-grundbuchabgaben-wert-gesamteigentumsanteile.pdf
§_11_GBAG;_Wert_der_Gesamteigentumsanteile
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de
verwaltungsgerichtsurteil_§10_gbag_anonymisierte_fassung.d-205 Verwaltungsgericht 2. Kammer WBE.2006.37 / GI / sk (085663/44.2-2) Art. 72 Urteil vom 23. August 2007 Besetzung Verwaltungsrichter Iberg, Präsident Verwaltungsrichter Gnädig Verwaltungsrichterin Kink Gerichtsschreiberin Fedeli Rechtspraktikantin Ritter Rechtspraktikantin Urech 1 X 2 Y 3 Muster AG Gegenstand Beschwerdeverfahren betreffend Grundbuchabgabe Entscheid des Departements Volkswirtschaft und Inneres vom 22. Dezember 2005 - 2 - Das Verwaltungsgericht entnimmt den Akten: A. 1. Dem Baukonsortium Neudorf wurde am 26. Oktober 2004 die erteilt, in der Gemeinde Wyla auf der Parzelle Nr. 6000 der Muster AG im Rahmen der Überbauung Neudorf 9 Einfamilienhäuser zu erstellen. (Mit Verfügung vom 24. November 2004 zog der Gemeinderat Wyla zwei Punkte der Baubewilligung [Kostenübernahme bei Anpassung der Zufahrten; Aufstockungsverbot] in Wiedererwägung.) 2. X und Y schlossen am 22. Februar 2005 mit der am 24. Januar 2005 gegründeten Neudorf AG einen "Generalunternehmer-Werkvertrag" (im Folgenden: GU-Vertrag) ab. Dieser hatte die Erstellung eines schlüsselfertigen Einfamilienhauses mit Doppelgarage auf der Parzelle Nr. 1000, die im Rahmen der vorgesehenen Parzellierung der erwähnten, im Eigentum der Muster AG stehenden Parzelle Nr. 6000 entstehen sollte, zum Inhalt. Für die Werkleistungen wurde ein Preis von Fr. 634'000.-- vereinbart. Mit öffentlich beurkundetem Kaufvertrag vom 28. Februar 2005 kauften X und Y von der Muster AG die unüberbaute Parzelle Nr. 1000 zu einem Preis von Fr. 161'000.--. Die Kosten des Grundbuchamtes wurden von der Verkäuferin und den Käufern je zur Hälfte getragen. 3. Am 8. April 2005 wurde der Kaufvertrag dem Grundbuchamt des Bezirks Wyla zum grundbuchlichen Vollzug gemeldet. Nachdem dieses zusätzlich den GU-Vertrag einverlangt hatte, erhob es mit Abgaben- und Gebührenrechnung vom 26. April 2005 eine Gebühr von Fr. 4'021.--, wobei die Handänderungsabgabe auf Fr. 3'975.-- festgesetzt wurde. Bei der Berechnung dieser Abgabe ging es von einem Kauf- bzw. Übernahmepreis von Fr. 795'000.-- aus, weil es in Anwendung von § 10 Abs. 1 des Gesetzes über die Grundbuchabgaben vom 7. Mai 1980 (GBAG; SAR 725.100) den Kaufpreis von Fr. 161'000.-- mit dem Werklohn von Fr. 634'000.-- zusammenrechnete. B. Die gegen diese Abgaben- und Gebührenrechnung von X, Y und der Muster AG erhobene Beschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Verfügung und der Herabsetzung der Handänderungsabgabe auf Fr. 805.-- (5‰ von Fr. 161'000.--) wies das Departement Volkswirtschaft und Inneres (DVI) mit Entscheid vom 22. Dezember 2005 ab. - 3 - C. 1. Gegen diesen Entscheid liessen X, Y und die Muster AG mit Eingabe vom 30. Januar 2006 Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit den Anträgen: 1. Die angefochtene Verfügung sei aufzuheben und die im Geschäft TB/A-Nr. 500 sei auf Fr. 805.-- (5‰ von CHF 161'000.00) herabzusetzen. 2. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen." Auf die Begründung wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen . 2. Mit Vernehmlassung vom 30. März 2006 beantragte das DVI die der Beschwerde unter Kostenfolge. 3. Mit Eingabe vom 29. Mai 2006 nahmen die Beschwerdeführer zur des DVI Stellung und hielten an den gestellten Anträgen fest. Das DVI äusserte sich dazu am 13. Juni 2006. Mit Eingabe vom 29. Juni 2006 liess es dem Verwaltungsgericht einen Entscheid des Bern vom 28. März 2006 zukommen, der sich zur Frage des Einbezugs des Werklohns bei der Bemessung der äussert. Die Beschwerdeführer bezogen dazu am 7. August 2006 Stellung. D. Das Verwaltungsgericht hat den Fall nach Beizug der der Überbauung Neudorf am 23. August 2007 beraten und . Das Verwaltungsgericht zieht in Erwägung: I. 1. Entscheide des DVI über Abgabenrechnungen der Grundbuchämter an das Verwaltungsgericht weitergezogen werden (§ 30 Abs. 2 GBAG i.V.m. § 2 Abs. lit. a der Verordnung über die Delegation von des Regierungsrates vom 8. November 1982 [SAR 153.111]; § 52 Ziffer 1 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 9. Juli - 4 - 1968 [VRPG; SAR 271.100]). Das Verwaltungsgericht ist somit zur des vorliegenden Falles zuständig. Es überprüft den Entscheid vollumfänglich (§ 56 Abs. 2 lit. a VRPG). 2. Der angefochtene Entscheid des DVI wurde den Beschwerdeführern am 27. Dezember 2005 zugestellt. Die 20-tägige Beschwerdefrist (§ 30 Abs. 2 GBAG) lief unter Berücksichtigung der vom 20. Dezember bis zum 10. Januar dauernden Gerichtsferien (§ 31 VRPG i.V.m. § 89 Abs. 1 lit. c und § 90 Abs. 1 der Zivilprozessordnung vom 18. Dezember 1984 [ZPO; SAR 221.100] am 31. Januar 2006 ab. Die wurde am 30. Januar 2006 und damit fristgerecht eingereicht. 3. Die übrigen Eintretensvoraussetzungen sind offensichtlich erfüllt. Auf die Beschwerde ist somit einzutreten. II. 1. 1.1. Auf allen grundbuchlichen Vorgängen wird eine Abgabe erhoben (§ 1 GBAG). Bei Handänderungen an Grundstücken beträgt die Abgabe 5‰ der Kauf- oder Übernahmesumme (§ 8 Abs. 1 GBAG). Die stellt eine sogenannte Gemengsteuer dar, die Steuer- und teils Gebührencharakter aufweist und deren Höhe somit nicht durch das Kostendeckungs- und das Äquivalenzprinzip begrenzt wird (vgl. Gerichts- und Verwaltungsentscheide [AGVE] 1979, S. 103 ff.; Ulrich Häfelin/Georg Müller, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 4. Auflage, Zürich 2002, Rz. 2687; Ernst Blumenstein/Peter Locher, System des schweizerischen Steuerrechts, 6. Auflage, Zürich 2002, S. 7 f., 204 f.; Botschaft des Regierungsrates vom 30. April 1979 zum GBAG, S. 1; Botschaft des Regierungsrates vom 26. März 1979 zur Änderung des Grundbuchtarifes, S. 1). 1.2. Gemäss § 10 Abs. 1 GBAG erstreckt sich die Abgabepflicht auf alle Leistungen, welche die Parteien zu erbringen haben, auch wenn sie im beurkundeten Kaufpreis nicht inbegriffen sind, aber den Wert der Liegenschaft erhöhen. Die Beschwerdeführer führen ins Feld, dass es für eine Zusammenrechnung von Kaufpreis und Werklohn an einer gesetzlichen Grundlage fehle, wenn der Baulandverkäufer und der Werkunternehmer nicht rechtlich oder zumindest wirtschaftlich seien, was vorliegend nicht der Fall sei. Die Vorinstanz vertritt die Auffassung, der Kauf- und der Werkvertrag bildeten eine Einheit, sodass § 10 Abs. 1 GBAG zur Anwendung komme. - 5 - 2. Das Verwaltungsgericht hatte in dem von der Vorinstanz und den angerufenen Entscheid zur Zusammenrechnung von Kaufpreis und Werklohn ausgeführt (Entscheid des Verwaltungsgerichts II/91 vom 11. Dezember 2002 [BE.2001.00391], S. 6 f.): "Gemäss den Gesetzesmaterialien soll § 10 Abs. 1 GBAG bei der der Grundbuchabgabe eine möglichst rechtsgleiche gewährleisten. Es soll keinen Unterschied ausmachen, ob ein überbautes Grundstück gekauft wird oder eine noch unüberbaute Parzelle, wenn gleichzeitig ein Werkvertrag für die Erstellung einer Baute abgeschlossen und damit im Ergebnis ebenfalls ein Grundstück mit fertigen Haus erworben wird (AGVE 1984, S. 191 f.; vgl. Botschaft des Regierungsrates vom 17. Dezember 1979 zum GBAG [zweite ], S. 3). Die Handänderungsabgabe ist demnach nicht nur auf dem Kaufpreis für das Bauland, sondern auch auf dem Werklohn zu erheben, wenn nicht das fertige Haus verkauft wird, sondern zunächst nur das Land unter gleichzeitigem Abschluss eines Werkvertrages, sofern zwischen dem Grundstückverkäufer und dem Unternehmer (Ersteller des Werks) eine wirtschaftliche Identität besteht (AGVE 1984, S. 192 ff.). Auf die äussere Form und Bezeichnung der Verträge kommt es dabei nicht an, und es ist auch nicht zwingend erforderlich, dass die Verträge von den gleichen Parteien abgeschlossen worden sind (ASA 50, S. 450 f.). Die gegenseitige Abhängigkeit kann sich aus den Umständen des ergeben. Es genügt, dass das Geschäft nach seinem Gehalt dem Verkauf einer fertigen Baute gleichkommt ( Verwaltungsrechtsprechung [BVR] 2001, S. 553). Die unmittelbare zeitliche Abfolge der beiden Vertragsabschlüsse, die Identität von Veräusserer und Unternehmer und der Umstand, dass bereits bei oder unmittelbar nach Abschluss der Verträge mit der Errichtung der Baute begonnen wird, sind nur erhebliche Indizien für den erforderlichen Zusammenhang. Bedingungen im Rechtssinne für die der Praxis sind sie jedoch nicht (Luzerner Gerichts- und [LGVE] 1998 II Nr. 32, S. 274). Es genügt, wenn die Indizien insgesamt, wie sie sich namentlich aus dem Text der Verträge, ihrem gleichzeitigen Abschluss und der Zahlungsweise ergeben können, für eine Einheit des Geschäftes sprechen (AGVE 1984, S. 194 mit ). Mit der dargelegten Auslegung, wonach § 10 Abs. 1 GBAG anwendbar ist, sofern die Kombination eines Grundstücksverkaufsvertrages mit Werkvertrag nach seinem wirtschaftlichen Gehalt dem Verkauf einer fertigen Baute gleichkommt, wird das Erfordernis einer genügend gesetzlichen Grundlage für Abgaben nicht verletzt. Die hält sich im Gegenteil eng an den Wortlaut und geht nicht über die wirtschaftlichen Gegebenheiten hinaus. Angesichts der verschiedenen Konstruktionen, die gewählt werden können, um Abgaben zu sparen, es einer umfassenden Formulierung." (Siehe zu dieser Problematik auch BGE 131 II 724 f.; Der Steuerentscheid [StE] 2007, B 44.1 Nr. 11 und 12; unpublizierte Entscheide des vom 4. Dezember 2003, Erw. 3.1 [2P.208/2003] und 8. November 2002 [2P.204/2002], Erw. 3.2; Urteil des Verwaltungsgerichts Bern vom - 6 - 28. März 2006, eingereicht von der Vorinstanz mit Eingabe vom 29. Juni 2006.) 3. 3.1. Die Beschwerdeführer führen im Hauptstandpunkt aus, es fehle an der wirtschaftlichen Identität zwischen der Muster AG als Landverkäuferin und der Neudorf AG als Werkunternehmerin. (Dass diese beiden rechtlich nicht identisch sind, bedarf keiner Erörterung.) 3.2. Vorwegzunehmen ist, dass für die Zusammenrechnung nicht einfach die rechtliche oder wirtschaftliche Identität zwischen Landverkäuferin und Werkunternehmerin massgebend ist. Das Bundesgericht hat denn auch wiederholt entschieden, es sei nicht willkürlich, die auf dem Werklohn zu fordern, auch wenn keine Identität zwischen Verkäufer und Unternehmer gegeben sei (vgl. BGE vom 29. November 1980, in: ZGBR 65/1984, S. 33 f., 37 ff.). Wie sich aus dem erwähnten VGE vom 11. Dezember 2002 sowie AGVE 1984, S. 190 ff. ergibt, hängt es entscheidend davon ab, ob die Indizien - wie namentlich der Text der Verträge, deren zeitlicher und inhaltlicher Zusammenhang, die - insgesamt für eine Einheit des Geschäfts sprechen. Dabei kommt es auf die äussere Form und Bezeichnung der Verträge nicht an. Es ist auch nicht zwingend erforderlich, dass die Verträge von den gleichen Parteien abgeschlossen worden sind; sind Verkäufer und Unternehmer nicht identisch, wird sich allerdings nur bei wirtschaftlichen Verflechtungen oder gemeinsamen bzw. gleichgerichteten Interessen auf ein schliessen lassen. Liegen genügend Indizien für eine Einheit des Geschäfts vor, ist eine Zusammenrechung von Kaufpreis und gerechtfertigt (auf diese Indizien wird im Folgenden eingegangen). 4. 4.1. Im GU-Vertrag wird auf die Parzelle Nr. 1000 "des Bestellers" Bezug . Diese existierte aber bei Vertragsschluss noch gar nicht, da die Anmeldung zur Parzellierung durch die Muster AG erst einige Tage später erfolgte (Akten Vorinstanz, act. 134 ff.). Der GU-Vertrag nimmt mehrfach auf den Kaufvertrag Bezug. So nennt Art. 2 GU-Vertrag als Vertragsgrundlagen: "Die Vertragsurkunde geht allen übrigen Vertragsverhältnissen vor. Die Unterlagen gelten als ergänzende Vertragsbestandteile. sich einzelne Vertragsbestandteile, so gilt folgende Rangordnung: (2.1 - 2.5: Baubewilligung, Baubeschrieb, Pläne, SIA-Normen, Zahlungs- plan) - 7 - 2.6 Kaufvertrag der Parzelle 1000 Folgende im Kaufvertrag der Parzelle 1000 umschriebenen zu Lasten des Käufers sind im vorliegenden Werkvertrag nicht : - Kosten 1⁄2 Kaufvertrag - Kosten Schuldbrieferrichtung Folgende im Kaufvertrag der Parzelle umschriebenen Leistungen zu Lasten des Käufers sind im vorliegenden Werkvertrag inbegriffen: - Die privaten Hausanschlüsse ab den Strassenleitungen. - Kosten der Parzellierung - Begründung der Näher- und Grenzbaurechte" In Art. 7.1 GU-Vertrag wurde unter dem Titel "Werkpreis" Folgendes : "Der Werkpreis für die schlüsselfertige Erstellung des Hauses inkl. , auf Grund des vorliegenden Werkvertrages beträgt: Grundstück (Direktzahlung an Muster AG) Fr. 161'000.00 GU-Pauschale = Werklohn (Zahlung an Neudorf AG) Bestehend aus: 1 Vorarbeiten (Strasse Erschliessung) 2 Gebäude 4 Umgebung 5 Nebenkosten Fr. 634'000.00 Total Anlagekosten Fr. 795'000.00" Im Zahlungsplan in Art. 7.2 GU-Vertrag ist als 1. Akonto-Zahlung : "Bauland Fr. 161'000.--, Direktzahlung an Muster AG". Unter dem Titel "Inkrafttreten" (Art. 17) vereinbarten die Parteien, dass der GU-Vertrag nur in Kraft tritt, wenn der Kaufvertrag über die zum Haus Nr. 12 gehörende Parzelle Nr. 1000 unterzeichnet und im Grundbuch ist. 4.2. In Ziff. III/2 des Kaufvertrages vom 28. Februar 2005 über die Parzelle Nr. 1000 bestätigen die Beschwerdeführer X und Y, den "Werkvertrag (GU-Vertrag)" mit der Neudorf AG bereits abgeschlossen zu haben. Weiter wird der GU-Vertrag nicht erwähnt. 4.3. Die gegenseitige Abhängigkeit von GU-Vertrag und Kaufvertrag ist allein durch die Bedingung, dass Ersterer erst in Kraft trete (bzw. genauer: wird [Art. 151 Abs. 1 OR]), wenn Letzterer unterzeichnet und im Grundbuch eingetragen ist, offensichtlich. Die ausdrückliche Erwähnung des Kaufvertrags als "Vertragsgrundlage" (Art. 2.6) sowie des Kaufpreises samt Zahlungsmodalitäten für das Grundstück als Teil des Werkpreises - 8 - (Art. 7.1 und 7.2) sind wie die Regelung, welche Käuferpflichten des Grundstückkaufvertrages im GU-Vertrag übernommen werden, für einen reinen Werkvertrag über die Erstellung eines Einfamilienhauses, wie ihn die Beschwerdeführer verstanden haben wollen, unnötig, ja abwegig. Dies gilt umgekehrt auch für den Hinweis im Kaufvertrag, der Werkvertrag () mit der Neudorf AG sei bereits abgeschlossen worden. Diese Bestimmungen zeigen aber mit aller Deutlichkeit, dass die beiden für die Parteien zusammen gehörten, was sich auch aus dem engen zeitlichen Zusammenhang des Abschlusses der beiden Verträge ergibt. Anders lassen sich die Verweisungen nicht erklären. Für ein wirtschaftlich betrachtet einheitliches Kaufgeschäft spricht auch, dass unmittelbar nach dem Abschluss der Verträge Ende Februar 2005 bereits im März 2005 mit den Aushubarbeiten begonnen wurde (erwähnte Rechnung vom 27. Juni 2005 der Tiefbau-Muster AG). Die unterschiedliche Regelung von Nutzen und Schaden im Kaufvertrag per 28. Februar 2005 (Ziff. III/1) und dem Bezugstermin gemäss Werkvertrag per Ende September 2005 (Art. 3.2) genügt entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer (Beschwerde, S. 16) angesichts der dargestellten Verknüpfung der beiden Verträge nicht, um auf zwei unabhängig voneinander geschlossene Verträge zu schliessen. 5. 5.1. 5.1.1. Die personellen und wirtschaftlichen Verknüpfungen der im vorliegenden Verfahren involvierten Gesellschaften und Personen sind verzweigt. Zum besseren Verständnis wird, im Sinne eines Überblickes, kurz auf die Personen, juristische wie natürliche, hingewiesen, um deren untereinander klarer aufzuzeigen. Die "Muster Unternehmung", genauer die Muster Holding AG (gegründet 2003), hält alle Aktien der Muster AG (diese ist Eigentümerin der Neuparzellen 6000 und 1000-1009) und ist an der Tiefbau-Muster AG (beides als Sachübernahme bei der Gründung) wie auch an der AG beteiligt (Beschwerde, S. 9; Handelsregisterauszug vom 15. März 2006 [Vorakten, act. 16]; Aktionärsverzeichnis vom 23. Juni 2005 [Vorakten, act. 79]). Bei den vorgenannten Gesellschaften ist Dr. Q. Präsident (bei Fracht-Muster AG und Tiefbau-Muster AG seit 2002, bei Muster AG und Muster Holding AG seit 2005) und Hans Muster Mitglied (teils Vizepräsident, teils auch Delegierter) des Verwaltungsrats. Hans Muster wird im (Internet-) Prospekt der Neudorf AG als "Inhaber der Muster Unternehmungen" bezeichnet. 5.1.2. Die Baubewilligung vom 26.10.2004 wurde dem Baukonsortium Neudorf erteilt. Dieses besteht aus der P. GmbH, deren Inhaber Otto und Anna P. - 9 - sind, und der R. Architekten AG. Auf die Zusammensetzung des Baukonsortiums wird in Erw. 5.2.1 noch näher eingegangen. 5.1.3. Die Neudorf AG, welche die Überbauung erstellte, ist gemäss aus dem Handelsregister des Kantons Aargau eine , welche am 17. Januar 2005 gegründet wurde, kurz vor des GU-Vertrages am 22. Februar 2005. Verwaltungsräte und Aktionäre sind: Dr. Q. (Muster Unternehmung), Hans Muster (Muster Unternehmung), Otto P. (P. GmbH) und Fritz R. (R. Architekten AG). Zu erwähnen ist, dass die Neudorf AG bereits bei der Gründung die Parzellen 1000-1008 und 6000 (= gesamte ursprüngliche Parzelle 6000 ohne Neuparzelle 1009) als Sachübernahme zu übernehmen beabsichtigte und dies sowohl in den Statuten als auch im Handelsregister eintragen liess. 5.2. 5.2.1. Die Vorinstanz ging davon aus, dass das Baukonsortium Neudorf (vgl. Erw. 3.3.2) aus der R. Architekten AG, der P. GmbH, Dr. Q. und der Muster AG bestand, als es das Baugesuch einreichte (angefochtener Entscheid, S. 5). Sie stützt sich dabei auf eine Auskunft des Bauverwalters der Gemeinde Wyla (Vernehmlassung, S. 4), ohne dass ersichtlich wäre, wie sie zu dieser Information gekommen ist. Die Beschwerdeführer bestreiten dies; Gesellschafter des Baukonsortiums Neudorf seien einzig die R. Architekten AG und die P. GmbH gewesen; die Muster AG habe weder an der Planung noch am Baubewilligungsverfahren teilgenommen (Stellungnahme vom 29. Mai 2006, S. 3 f.; vgl. auch Beschwerde, S. 14 f.). Die Frage, ob die Muster AG dem Baukonsortium Neudorf angehört, war schon Thema des vorinstanzlichen Verfahrens (vgl. , S. 14) und für die Vorinstanz ein Argument dafür, dass die Muster AG "im ganzen Planungsprozess des Baukonsortiums 'Neudorf' mitwirkte" (angefochtener Entscheid, S. 7). Es ist deshalb schwer verständlich, weshalb sich die Vorinstanz damit begnügte, dieser Frage nur durch telefonische Erkundigungen ohne Erstellung einer nachzugehen (siehe zu dieser Problematik und einer allfälligen der Verletzung des rechtlichen Gehörs: AGVE 2002, S. 416 f.). Mit dieser Vorgehensweise hat die Vorinstanz den Gehörsanspruch verletzt. Die anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer haben es unterlassen, formellen Mangel zu rügen. Dennoch muss das Verwaltungsgericht aufgrund der Offizialmaxime von Amtes wegen die Verletzung und eine Heilung des Anspruches auf rechtliches Gehör prüfen. Da dieser Frage kein entscheidendes Gewicht zukommt (siehe dazu Erw. 5.2.2) und die Beschwerdeführer zu diesem Punkt Stellung - 10 - nehmen konnten (Stellungnahme vom 29. Mai 2006, S. 6 f.), ist von einer Aufhebung des angefochtenen Entscheids und Rückweisung des an die Vorinstanz abzusehen. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs ist jedoch beim Kostenentscheid zu berücksichtigen (hinten Erw. III). 5.2.2. Wie sich aus den beigezogenen Baugesuchsakten ergibt, gehörten dem Baukonsortium Neudorf ausschliesslich die P. GmbH und die R. Architekten AG an (Begleitschreiben zum Baugesuch der R. Architekten AG vom 12. Juli 2004 an die Bauverwaltung Wyla; Beschwerde des Baukonsortiums Neudorf gegen die Baubewilligung). Die Muster AG ist auf dem Baugesuch lediglich als Grundeigentümerin und nicht als Bauherrin angegeben. Dass zwischen der Muster AG und dem Baukonsortium Neudorf aber bereits in der Planungs- und Abreden bestanden haben mussten, ist offensichtlich. Dies ergibt sich schon allein daraus, dass das Baukonsortium eine auf dem im Eigentum der Muster AG stehenden Grundstück plante. Zudem mussten die Überbauung und die vorgesehene Parzellierung der Bauparzelle aufeinander abgestimmt werden. Die Muster AG hatte nach eigenen Angaben ein Interesse daran, dass die zukünftigen Parzellen in ihrem Sinn überbaut würden. Um einen Wertverlust der in der hinteren Reihe am Hang gelegenen Bauparzellen zu verhindern, wenn die vorderen Häuser ihnen die Aussicht nahmen, war sie daran interessiert, dass die zu bauenden Häuser nur zweigeschossig sein dürfen und ein Flachdach haben müssen (Verwaltungsbeschwerde, S. 6; Beschwerde, S. 17). Die Baueingabe des Baukonsortiums Neudorf beachtete diese Vorgaben, was - wie die Vorinstanz zutreffend ausführte - darauf lässt, dass die Muster AG auf die Planung und den Baubeschrieb Einfluss nehmen konnte. Die erteilte Baubewilligung bezog sich auf eine einheitliche Überbauung. Da die Beschwerdeführer X und Y den Grundstückkaufvertrag und den Werkvertrag erst nachher schlossen, blieb ihnen in diesem Rahmen praktisch gesehen - abgesehen von "Projektänderungen, Ausbauwünschen und individueller " (Kundenzeitung der Muster Unternehmung vom Mai 2005 [Vorakten, act. 11]) - allein die Möglichkeit, das Einfamilienhaus nach den Plänen zu realisieren. Dies ergibt sich auch daraus, dass die Muster AG mit öffentlicher Urkunde vom 25. Februar 2005 neben der des Grundstücks Nr. 6000 auf den dadurch neu entstandenen Parzellen Dienstbarkeiten wie Näherbaurechte, Grenzbau- und für Nebenbauten (Garagen), Fuss- und Fahrwegrecht, und Ausnützungsübertragungen begründete, die alle auf die bewilligte Überbauung zugeschnitten waren. Davon gehen im Übrigen auch die Beschwerdeführer aus (Stellungnahme, S. 4). - 11 - 5.2.3. Es ist unbestritten, dass Hans Muster beim Abschluss der Verträge mit den Beschwerdeführer X und Y sowohl bei der Muster AG als auch bei der Neudorf AG Verwaltungsrat war und dies auch heute noch ist. Die Beschwerdeführer bestreiten eine gegenseitige Beteiligung dieser beiden Gesellschaften als auch eine Verbindung in Form einer Person, die Aktien an beiden hält (Beschwerde, S. 13). Dies ist angesichts von Art. 707 OR, wonach nur Aktionäre Verwaltungsräte sein können, unglaubwürdig, kann aber offen bleiben. Wie selbst die Beschwerdeführer einräumen, trat die Neudorf AG am Markt als Generalunternehmerin für den Bau von Einfamilienhäusern auf. In ihrer damals aufgeschalteten Homepage (www.neudorf-ueberbauung.ch) fand sich eine Dokumentation der Überbauung Neudorf, wobei in der Preisliste für das vorliegend in Frage stehende Haus 12 ein Preis von Fr. 797'000.-- inkl. Garage von Fr. 50'000.-- angegeben war (Akten Vorinstanz, act. 100). Dass es sich dabei um den Verkaufspreis inkl. Grundstück handelt, ist offenkundig (vgl. Beschwerde, S. 17). Die Angabe des Gesamtpreises verdeutlicht das der Neudorf AG und der Muster AG, gemeinsam die einzelnen Einfamilienhäuser zu verkaufen. Diese Vorgehensweise klarerweise der von den Beschwerdeführern behaupteten klaren Trennung zwischen der Muster AG als Landverkäuferin einerseits und der Neudorf AG als Werkerstellerin andererseits. Gewiss mag es im Interesse der Kaufinteressenten liegen, von Anfang an um den Gesamtpreis zu wissen (Stellungnahme, S. 5), und es mag für sie auch erkennbar gewesen sein, dass es sich bei der Muster AG und der Neudorf AG um zwei separate Gesellschaften handelte und sie von Ersterer das Grundstück erwarben und mit Letzterer den Werkvertrag abschlossen (Beschwerde, S. 10). Dies ändert aber nichts daran, dass es ihnen um den Erwerb des Einfamilienhauses ging, was durch den Marktauftritt der Neudorf AG und der Formulierung im Werkvertrag (Art. 7.1) bekräftig wird. Dass je unterschiedliche Vertreter für die Muster AG und die Neudorf AG den Werk- bzw. Grundstückkaufvertrag unterzeichneten (Beschwerde, S. 11), ist als reine Formalie zur Bestreitung der wirtschaftlichen Gemeinsamkeit untauglich. Die wirtschaftliche Verflechtung der Unternehmen untereinander als Indiz für die Einheit des lässt sich nicht von der Hand weisen. 5.3. Die Beschwerdeführer machen geltend, der vorliegende Sachverhalt sich von demjenigen, der im VGE vom 11. Dezember 2002 zur Beurteilung stand, dadurch, dass der Muster AG ein wirtschaftliches Interesse an der Überbauung gefehlt und sie auch nicht daran mitgewirkt habe. Ihr Interesse reiche nur so weit, als sie ihre Bauparzelle habe können (Beschwerde, S. 12). Richtig ist, dass der Bauaushub nicht durch die Muster AG selbst erfolgt ist, wie von der Vorinstanz (Vernehmlassung, S. 4), sondern von der Tiefbau-Muster AG - 12 - (Rechnung der Tiefbau-Muster AG vom 27. Juni 2005 an die Neudorf AG [Beilage 3 zur Stellungnahme der Beschwerdeführer]). Diese lieferte der Neudorf AG auch den zur Hinterfüllung erforderlichen Kies und Kiessand (erwähnte Rechnung der Tiefbau-Muster AG). Die Tiefbau-Muster AG gehört der Muster-Gruppe an (Stellungnahme, S. 3). Das Interesse der Muster-Gruppe als Konzern an der Überbauung Neudorf ist durch die Aushubarbeiten sowie die Lieferung von Kies offensichtlich. Es wäre wirklichkeitsfremd, anzunehmen, dass Hans Muster als der Muster Holding AG einerseits und der Muster AG, Tiefbau-Muster AG und Fracht-Muster AG (bzw. als "Inhaber der Muster Unternehmungen" [vorne Erw. 4.3.1]) keinen Einfluss darauf genommen hätte, dass diese Arbeiten und Lieferungen innerhalb des Konzerns vergeben werden. Dass es ihm seine Position als Verwaltungsrat der Neudorf AG zumindest erleichterte, die Aushub-, Kieslieferungs- und Transportverträge der Muster-Gruppe , lässt sich nicht ernsthaft bestreiten, auch wenn dem der Neudorf AG noch drei zusätzliche Verwaltungsräte angehören (vgl. Beschwerde, S. 11). 5.4. Damit steht fest, dass die Muster AG und die Neudorf AG im Hinblick auf den Verkauf der Einfamilienhäuser eng zusammenwirkten. 6. Zusammenfassend ergibt sich, dass der GU-Vertrag mit dem derart verbunden ist, dass die beiden Verträge zusammen als wirtschaftliche Einheit den Erwerb eines schlüsselfertigen Hauses . Die Zusammenrechnung von Landpreis und Werklohn bei der der Grundbuchabgabe ist zu Recht erfolgt. Dies führt zur der Beschwerde. III. Die Beschwerdeführer unterliegen und hätten bei diesem die Verfahrenskosten zu tragen (§ 33 Abs. 2 VRPG) und keinen auf Parteikostenersatz (§ 36 Abs. 1 VRPG). Die Verletzung des rechtlichen Gehörs durch die Vorinstanz (vorne Erw. II/5.2.1) rechtfertigt es, den Beschwerdeführern nur 2/3 der Verfahrenskosten im Beschwerdeverfahren aufzuerlegen, dementsprechend sie Anspruch auf Ersatz von 1/3 ihrer Parteikosten. Das Verwaltungsgericht erkennt: - 13 - 1. Die Beschwerde wird abgewiesen. 2. Die verwaltungsgerichtlichen Verfahrenskosten, bestehend aus einer Staatsgebühr von Fr. 300.-- sowie der Kanzleigebühr und den Auslagen von Fr. 336.--, gesamthaft Fr. 636.--, sind von den Beschwerdeführern zu 2/3 mit Fr. 424.-- unter solidarischer Haftbarkeit zu bezahlen. Die Verfahrenskosten trägt der Staat. 3. Die Obergerichtskasse wird angewiesen, den Beschwerdeführern ihre richterlich auf Fr. 1'936.80 (einschliesslich Fr. 136.80 MWSt) Parteikosten im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren zu 1/3 mit Fr. 645.60 zu ersetzen. Zustellung an: die Beschwerdeführer (Vertreter) Mitteilung an: den Regierungsrat das Departement Volkswirtschaft und Inneres das Grundbuchamt des Bezirks Wyla die Obergerichtskasse Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten Dieser Entscheid kann wegen Verletzung von Bundesrecht, Völkerrecht, kantonalen verfassungsmässigen Rechten sowie interkantonalem Recht innert 30 Tagen seit der Zustellung mit Beschwerde in öffentlich- Angelegenheiten beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, angefochten werden. Die unterzeichnete Beschwerde muss das Begehren, wie der Entscheid zu ändern sei, sowie in gedrängter Form die Begründung, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt, mit der Beweismittel enthalten. Der angefochtene Entscheid und als Beweismittel angerufene Urkunden sind beizulegen (Art. 82 ff. des über das Bundesgericht [Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR 173.110] vom 17. Juni 2005). - 14 - Aarau, 23. August 2007 Verwaltungsgericht des Kantons Aargau 2. Kammer Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: i.V. Iberg Fedeli Postversand: 4. Oktober 2007
6,355
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AG_GB_001
AG_GB
AG
Northwestern_Switzerland
AG_GB_001_--10-GBAG--Zusammenr_2007-08-23
https://www.ag.ch/media/kanton-aargau/dvi/dokumente/arp/grundbuch/entscheide/20070823-grundbuchabgaben-kauf-werkpreis.pdf
§_10_GBAG;_Zusammenrechnung_von_Kauf-_und_Werkpreis_bei_der_Abgabenerhebung
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Urteil Verwaltungsgericht 2. Kammer WBE.2009.XX / SW / jb (DVIJAGN.XXXX/44.2) Art. 85 Urteil vom 21. Oktober 2009 Besetzung Verwaltungsrichter Berger, Präsident Verwaltungsrichter Bodmer Verwaltungsrichterin Kink Gerichtsschreiberin Weber 1 A. 2 B. beide vertreten durch C. gegen Grundbuchamt F. Departement Volkswirtschaft und Inneres, Justizabteilung, Bleichemattstrasse 1, Postfach 2254, 5001 Aarau Gegenstand Beschwerdeverfahren betreffend Grundbuchabgaben Entscheid des Departements Volkswirtschaft und Inneres vom 19. Februar 2009 - 2 - Das Verwaltungsgericht entnimmt den Akten: A. 1. Die A. mit Sitz in D. bezweckt den Betrieb eines Strassen-, Hoch- und Tiefbauunternehmens. Sie ist Eigentümerin einer Baulandfläche in D., die ursprünglich rund X ar umfasste. Am X Dezember 2004 schlossen die A. und die Einwohnergemeinde D. für dieses Gebiet einen "Infrastrukturvertrag mit vorvertraglichen Vereinbarungen betreffend Landabtretung (Erschliessung und Überbauung des Gebiets 'X')" (nachfolgend: Infrastrukturvertrag) ab, in dem neben Bestimmungen über die Erschliessung auch die zu bildenden X Baufelder im Umfang von minimal X ar bis maximal X ar festgelegt wurden. Im Anschluss daran beauftragten die A. und die Gemeinde D. das Architekturbüro E. in J. (nachfolgend: E.) mit der Erarbeitung einer Strategie, eines Bebauungskonzeptes und eines Gestaltungsplans für das Gebiet. Die E. erarbeitete in der Folge auch für das erste Baufeld "Wohnen" ein Vorprojekt mit Kostenberechnung. Dieses Vorprojekt mit rund X Wohnungen und X Autoeinstellplätzen bildete die Grundlage für die Investorensuche. 2. 2.1. In der B. mit Sitz in H. (nachfolgend: B.) konnte eine mögliche Investorin gefunden werden. Im Hinblick auf ihren definitiven Investitionsentscheid verlangte die B. die Einhaltung verschiedener Rahmenbedingungen (rechtskräftiger Gestaltungsplan, rechtskräftige Baubewilligung, ausreichende Nettorendite, garantierte Termine etc.). Ausserdem machte sie ihren Investitionsentscheid davon abhängig, dass die I. in J. (: I.) als Totalunternehmerin beigezogen würde. 2.2. Am X Juni 2005 schlossen die A. und die B. einen Vorvertrag auf Abschluss eines späteren Kaufvertrages über das Land des ersten Baufelds "Wohnen" (rund X ar der Parzelle GB D. Nr. X, Plan X, Parz. X; Vorakten, act. 72 ff.). Es wurde festgelegt, dass der Kaufvertrag abgeschlossen werde, sobald die rechtskräftige Baubewilligung vorliege. Die B. behielt sich ausserdem das Recht vor, den Kaufvertrag nicht abzuschliessen, wenn bestimmte von ihr aufgestellte Wirtschaftlichkeitsvorgaben nicht erreichbar seien. Als Preis vereinbarten die Parteien Fr. X pro m2, d.h. rund Fr. X. Ausserdem wurden folgende Vereinbarungen getroffen: • Die B. verpflichtete sich, die gemäss Infrastrukturvertrag zu bezah- lende Summe von Fr. X/m2 oder Fr. X (= X m2 x Fr. X) plus Zins ab X - 3 - Januar 2005 auf dem Teilbetrag von Fr. X/m2 gemäss dem genannten Vertrag direkt der D. zu entgelten (Vorvertrag Ziff. III./3.; Vorakten, act. 76). • Die B. verpflichtete sich, die Architekturarbeiten des Projektes an die E. zu vergeben (Vorvertrag Ziff. IV./3.; Vorakten, act. 75). • Die B. verpflichtete sich, im Rahmen der Überbauung sämtliche Hochbau-, Tiefbau- und Umgebungsarbeiten an die A. zu vergeben (Vorvertrag Ziff. V./4.; Vorakten, act. 74). 2.3. Ebenfalls am X Juni 2005 schlossen die B. und die I. einen Vorvertrag zu einem späteren Totalunternehmervertrag. Gegenstand des Totalunternehmervertrags bildete die Erstellung von X mit insgesamt X Wohnungen und X Autoeinstellplätzen auf dem Land des ersten Baufelds "Wohnen". Auch in dieser Vereinbarung wurde ausdrücklich erwähnt, dass die B. bzw. die I. verpflichtet ist, für die Projektierung und Planung des Projekts die E. zu berücksichtigen und alle Hoch- und Tiefbauarbeiten an die A. zu vergeben. 2.4. In einem von der I. am X Juni 2005, d.h. einen Tag nach Abschluss der Vorverträge, unterzeichneten Vertrag mit der E. vereinbarten die Parteien, das Projekt "X" gemeinsam weiterzuentwickeln, wobei die E. es übernahm, zunächst für ein Honorar von Fr. X ein bewilligungsfähiges Bauprojekt auszuarbeiten. Ausserdem wurde die E. von der I. mit der Fertigstellung und Fortführung der Planung der ersten Bauetappe X beauftragt und es wurde dafür ein Honorar von Fr. X vereinbart (von dem das Teilhonorar für das bewilligungsfähige Bauprojekt in Abzug zu bringen war, d.h. Gesamthonorar Fr. X). 3. 3.1. Nachdem der von der E. ausgearbeitete Gestaltungsplan genehmigt und die Baubewilligung erteilt worden war, schlossen die A. und die B. am X Juli 2006 einen Kaufvertrag über das inzwischen parzellierte Grundstück der ersten Bauetappe X (GB D. Nr. X Parzelle X im Halt von X ar; Kaufpreis Fr. X). Im Kaufvertrag verpflichtete sich die B. wiederum wie im Vorvertrag: • die gemäss Infrastrukturvertrag zu bezahlende Summe von Fr. X/m2 oder Fr. X (= X m2 x Fr. X) plus Zins ab X Januar 2005 auf dem Teilbetrag von Fr. X/m2 gemäss dem genannten Vertrag direkt der Einwohnergemeinde D. zu entgelten (Kaufvertrag Ziff. III./4.; Vorakten, act. 23), sowie - 4 - • im Rahmen der Überbauung sämtliche Hochbau-, Tiefbau- und Umge- bungsarbeiten an die A. zu vergeben (Kaufvertrag Ziff. IV./4.; Vorakten, act. 22). 4. Das Grundbuchamt F. veranlagte mit Rechnung vom X Juli 2006 für die Handänderung am Grundstück GB D. Nr. X Parzelle X eine Grundbuchabgabe von Fr. X. Der Veranlagung legte es neben dem Kaufpreis für das Land (Fr. X) gestützt auf § 10 des Gesetzes über die Grundbuchabgaben vom 7. Mai 1980 (Grundbuchabgabengesetz; GBAG; SAR 725.100) die gesamte Bausumme gemäss Baubewilligung (Fr. X) und die gesamte im Vertrag erwähnte Erschliessungsabgeltung (Fr. X) zugrunde. Im Einzelnen ergab sich folgende Berechnung: Kaufpreis Land Fr. X Vertraglich übernommene Erschliessungskosten Fr. X Bausumme gemäss Baubewilligung Fr. X Fr. X gerundet Fr. X Grundbuchabgabe (5‰) Fr. X 5. Am X Oktober 2006 schlossen die B. und die I. den mit einem Totalwerkpreis von Fr. X ab (Vorakten, act. 157 ff.). B. Eine Beschwerde der A. und der B. gegen diese Veranlagung hiess das Department Volkswirtschaft und Inneres (DVI) am 19. Februar 2009 teilweise gut. Das Department bezog die Bausumme nicht mehr in die Berechnungsgrundlage für die Grundbuchabgabe ein. Es hielt indessen am Einbezug der Erschliessungsabgeltung fest. Ausserdem bezog es in die Berechnungsgrundlage neu das Entgelt für die Leistungen der E. (Fr. X) sowie für die von der A. im Zusammenhang mit der Überbauung ausgeführten Bauleistungen (Fr. X) ein. Im Einzelnen ergab sich folgende Berechnung: Kaufpreis Land Fr. X Vertraglich übernommene Erschliessungskosten Fr. X Entgelt Bauarbeiten A. Fr. X Entgelt Arbeiten E. Fr. X X - 5 - gerundet Fr. X Grundbuchabgabe (5 ‰) Fr. X C. 1. Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 25. März 2009 beantragten die A. und die B.: "1. Ziff. 1 des angefochtenen Entscheides sei dahingehend zu ändern, dass die Grundbuchabgabe auf Fr. X zuzüglich Fr. X unbestrittene Gebühren festzusetzen ist und das Grundbuchamt F. anzuweisen ist, eine neue Rechnung über (total) Fr. X auszustellen. 2. Die vorinstanzliche Kostenregelung in Ziff. 2 sei entsprechend zu korrigieren und der Kostenanteil der Beschwerdeführerinnen auf Fr. X festzusetzen (31 % statt 38 %). 3. Die Parteientschädigung gemäss Ziff. 3 des Entscheides sei entspre- chend zu erhöhen auf Fr. X (69 % obsiegt statt 62 %). 4. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen für das Verfahren vor Verwatungsgericht zu Lasten des Staates." 2. Das DVI schloss in seiner Vernehmlassung vom 29. April 2009 auf der Beschwerde. 3. Das Grundbuchamt F. liess sich nicht vernehmen. 4. Das Verwaltungsgericht hat den Fall am 21. Oktober 2009 beraten und entschieden. Das Verwaltungsgericht zieht in Erwägung: I. 1. Auf den 1. Januar 2009 ist das totalrevidierte Gesetz über die vom 4. Dezember 2007 (; VRPG; SAR 271.200) in Kraft getreten. Es ersetzt das bisherige Verwaltungsrechtspflegegesetz vom 9. Juli 1968. Gemäss der von § 84 Satz 1 VRPG werden die beim Inkrafttreten des revidierten VRPG bereits hängigen Verfahren nach bisherigem Recht zu Ende geführt. Für Entscheide, die nach Inkrafttreten dieses Gesetzes eröffnet werden, bestimmen sich die Weiterziehbarkeit und das Verfahren - 6 - in der Rechtsmittelinstanz nach neuem Recht. Der angefochtene erging am 19. Februar 2009 und wurde den Parteien am 23. Februar 2009 (Vorakten, act. 234) eröffnet. Demnach gelangen die Vorschriften des VRPG zur Anwendung. 2. Entscheide des DVI über Abgabenrechnungen der Grundbuchämter an das Verwaltungsgericht weitergezogen werden (§ 54 Abs. 1 VRPG; § 30 Abs. 2 GBAG i.V.m. § 2 Abs. 1 lit. a der Verordnung über die Delegation von Kompetenzen des Regierungsrates vom 8. November 1982 [SAR 153.111]). Das Verwaltungsgericht überprüft den Entscheid auf unrichtige und unvollständige Feststellung des sowie Rechtsverletzungen hin (§ 55 Abs. 1 VRPG). II. 1. 1.1. Auf allen grundbuchlichen Vorgängen wird eine Abgabe erhoben (§ 1 GBAG). Bei Handänderungen an Grundstücken beträgt die Abgabe hier (noch) 5 ‰ der Kauf- oder Übernahmesumme (§ 8 Abs. 1 GBAG gemäss der bis am 30. Juni 2009 in Kraft stehenden Fassung [Botschaft des Regierungsrats des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 18. Juni 2008 [08.175]]; ab 1. Juli 2009: 4 ‰ gemäss Fassung des Gesetzes vom 25. November 2008, in Kraft seit 1. Juli 2009, vgl. Aargauische Gesetzessammlung [AGS] 2009 S. 105). Die stellt eine Gemengsteuer dar, die Steuer- und aufweist und deren Höhe somit nicht durch das - und das Äquivalenzprinzip begrenzt wird (vgl. BGE 130 III 225 Erw. 2.5, S. 230; Aargauische Gerichts- und Verwaltungsentscheide [AGVE] 1979, S. 103 ff.; ULRICH HÄFELIN / GEORG MÜLLER / FELIX UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl., Zürich 2006, Rz. 2687; ERNST BLUMENSTEIN / PETER LOCHER, System des schweizerischen Steuerrechts, 6. Aufl., Zürich 2002, S. 7 f., 204 f.; Botschaft des Regierungsrates vom 30. April 1979 zum GBAG, S. 1; Botschaft des Regierungsrates vom 26. März 1979 zur Änderung des Grundbuchtarifes, S. 1). 1.2. Wo eine Steuernorm an wirtschaftliche Sachverhalte anknüpft, ist auch ihre Auslegung, selbst wenn die Norm zivilrechtliche Begriffe enthält, durch eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geprägt. Dies ist nicht mit einer ausdehnenden Auslegung gleichzusetzen (sondern mag lediglich so erscheinen, wenn die Begriffe ausschliesslich mit ihrem Gehalt betrachtet werden). Allerdings ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise kein Freipass, um den Rahmen der Auslegung zu überschreiten und so zu Ergebnissen zu gelangen, die im Gesetz, seinem - 7 - Wortlaut und Sinn gemäss, nicht enthalten sind (vgl. dazu ERNST BLUMENSTEIN / PETER LOCHER, a.a.O., S. 30 ff.). Bei Beachtung dieser Schranken wird der Grundsatz der Gesetzmässigkeit der Steuer durch eine wirtschaftliche Betrachtungsweise nicht verletzt, wie das (Archiv für Schweizerisches Abgaberecht [ASA] 50 [1981-82], S. 445 ff. mit Hinweisen) gerade auch hinsichtlich der Anwendung und Auslegung der Vorschriften über die Handänderungssteuer festgehalten hat (Entscheid des Verwaltungsgerichts [VGE] II/91 vom 11. Dezember 2002 [BE.2001.00391], S. 6). 1.3. Gemäss § 10 Abs. 1 GBAG erstreckt sich die Abgabepflicht auf alle Leistungen, welche die Parteien zu erbringen haben, auch wenn sie im beurkundeten Kaufpreis nicht inbegriffen sind, aber den Wert der Liegenschaft erhöhen. Diese Norm gewährleistet eine möglichst rechtsgleiche Behandlung. Es soll keinen Unterschied ausmachen, ob ein bereits überbautes Grundstück gekauft wird oder eine noch unüberbaute Parzelle, wenn gleichzeitig ein Werkvertrag für die Erstellung einer Baute abgeschlossen und damit im Ergebnis ebenfalls ein Grundstück mit einem fertigen Haus erworben wird. Diese Auslegung, wonach in Anwendung von § 10 Abs. 1 GBAG die Handänderungsabgabe sowohl auf dem als auch auf dem Werklohn zu erheben ist, sofern die Kombination eines Kaufvertrags mit einem Werkvertrag wirtschaftlich gesehen dem Verkauf einer fertigen Baute gleichkommt, verletzt das Erfordernis einer genügend bestimmten gesetzlichen Grundlage für Abgaben nicht (VGE II/72 vom 23. August 2007 [WBE.2006.37], S. 5 f., mit Verweis auf VGE II/91 vom 11. Dezember 2002 [BE.2001.00391], S. 6 f., jeweils mit Hinweisen). 1.4. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts (vgl. zuletzt VGE III/8 vom 19. Februar 2009 [WBE.2008.294] sowie VGE III/7 vom 19. Februar 2009 [WBE.2008.301]) ist für die Anwendbarkeit von § 10 Abs. 1 GBAG entscheidend, ob sich die infrage stehenden Geschäfte unter aller in Betracht fallenden Indizien als Einheit darstellen und die entgoltenen Leistungen den Wert der Liegenschaft erhöhen. Wie das DVI in zutreffender Interpretation der verwaltungsgerichtlichen ausführt (vgl. angefochtener Entscheid, S. 8 f. Ziff. 5), ist dabei dann von einer Einheit verschiedener infrage stehender Geschäfte auszugehen, wenn anzunehmen ist, der Verkäufer habe das Grundstück nur zusammen mit der Überbauung bzw. zusammen damit zwingend zu beziehenden Überbauungsleistungen verkaufen wollen und der Käufer letztlich nicht ein leeres, sondern ein ganz oder teilweise überbautes Grundstück übernehmen müssen. Die wirtschaftliche Identität zwischen Landverkäufer und Überbauer ist dabei nicht eine zwingende für die Annahme einer Einheit. Sind Verkäufer und Unternehmer - 8 - nicht wirtschaftlich identisch, wird sich allerdings nur bei wirtschaftlichen Verflechtungen oder gemeinsamen bzw. gleichgerichteten Interessen auf ein Zusammenwirken schliessen lassen. Liegen insgesamt genügend für eine Einheit des Geschäfts vor, ist eine Zusammenrechnung von Kaufpreis und Werklohn gerechtfertigt (VGE II/72 vom 23. August 2007 [WBE.2006.37], S. 5, mit weiteren Hinweisen). 2. 2.1. Nicht mehr strittig ist, dass der der I. gemäss dem zwischen ihr und der B. abgeschlossenen Totalunternehmervertrag geschuldete pauschale Werkpreis für die Projektierung, Erstellung und Übergabe der Wohnüberbauung X nicht Bestandteil der Bemessungsgrundlage gemäss § 10 Abs. 1 GBAG bildet. Unbestritten ist weiter, dass das Entgelt für die von der Beschwerdeführerin 1 im Rahmen der Überbauung ausgeführten Bauarbeiten zum Kaufpreis hinzuzurechnen ist. 2.2. Der Streit dreht sich nur noch darum, ob die gesamten gemäss dem Kaufvertrag übernommenen Zahlungen an die Einwohnergemeinde D. für Erschliessungsleistungen (Leistungen gemäss Infrastrukturvertrag, dazu nachfolgend Erw. 3), und die Leistungen der E. (dazu nachfolgend Erw. 4) zum Kaufpreis für das Land hinzuzurechnen sind. 3. 3.1. Mit Bezug auf die im Kaufvertrag übernommene Verpflichtung zur von Direktzahlungen an die Einwohnergemeinde D. für sind die Beschwerdeführerinnen der Auffassung, sei zum Kaufpreis nur jener Teilbetrag dieser Kosten , der auf die bei Vertragabschluss bereits ausgeführten entfalle. Hingegen dürfe nicht auch jener Teil der Infrastrukturkosten zum Kaufpreis hinzugerechnet werden, der zukünftige Leistungen betreffe, für welche die Gemeinde Abgaben ( o.ä.) erhebe. Nie und nimmer käme es einem in den Sinn, bei Baulandverkauf die Wasser- und gemäss den einschlägigen Reglementen zu schätzen und dann darauf Grundbuchabgaben zu erheben. Nur weil im Fall ein öffentlich-rechtlicher Vertag bestehe, welcher die "Gebühr" bzw. deren Surrogat auf die Quadratmeter des Baulandes umrechne, könne hier nichts anderes gelten. Im Übrigen habe sich das DVI verhalten, indem es vorerst signalisiert habe, dem Standpunkt der Beschwerdeführerinnen folgen zu wollen, woraufhin diese in Kleinarbeit erst die bei Vertragsschluss bereits ausgeführten und deren Kosten ermittelt hätten. Es verstosse Treu und Glauben, wenn das DVI anschliessend eine Kehrwende - 9 - vollzogen und die gesamte Entschädigung für Infrastrukturkosten zum Kaufpreis hinzugerechnet habe. 3.2. Mit dem zwischen der Einwohnergemeinde D. einerseits und der Beschwerdeführerin 1 sowie einem weiteren Landeigentümer am X Dezember 2004 abgeschlossenen Infrastrukturvertrag sollten im Hinblick auf die Überbauung des gesamten – gemäss der Bau- und Nutzungsordnung der Einwohnergemeinde D. neu der Wohn- und Arbeitszone zugewiesenen – Gebiets von rund X ar dessen Erschliessung sowie weitere Rahmenbedingungen für die Überbauung vertraglich geregelt werden. Es handelte sich (wie in Ziff. III./2. S. 2 des Vertrags [Vorakten, act. 143] auch ausgeführt ist) um einen öffentlichrechtlichen Vertrag gemäss § 37 Abs. 3 des Gesetzes über Raumplanung, und Bauwesen vom 19. Januar 1993 (Baugesetz; BauG; SAR 713.100). Im Vertrag übernahm die Einwohnergemeinde D. die Erstellung von Infrastrukturanlagen und die Grundeigentümer verpflichteten sich im Gegenzug, die bereits erstellten und die noch zu erstellenden Erschliessungsanlagen mit einer pauschal berechneten von Fr. X pro m2 zu entschädigen (Vertrag, Ziff. IV./E, S. 9 [Vorakten, act. 129 ff.]). 3.3. Aus dem zwischen der Einwohnergemeinde D. und den geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrag ergibt sich klar, dass die Erschliessungsabgaben gestützt auf die vertragliche von den Vertragsparteien – und damit auch der Beschwerdeführerin 1 – geschuldet sind. Ob die Beschwerdeführerin 1 im Zeitpunkt der der noch ausstehenden Arbeiten noch Grundeigentümerin sein würde, spielt dafür keine Rolle. Verpflichtet aus dem Vertrag mit der war sie und nicht ein allfälliger Käufer. Es ist daher auch ohne weiteres nachvollziehbar, dass die Beschwerdeführerin 1 mit dem Abschluss des Kaufvertrages die entsprechende Verpflichtung auf die 2 übertrug, würde ja nicht mehr sie, sondern diese den Nutzen aus den entsprechenden Anlagen ziehen. Damit steht entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen fest, dass die 2 mit Abschluss des Kaufvertrags von der Beschwerdeführerin 1 (wie das DVI zutreffend feststellt durchaus vergleichbar mit der einer Hypothekarschuld) zusammen mit der Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises eine weitere Verpflichtung übernahm und dafür auch einen Gegenwert erhielt. Daher ist auch der ganze Betrag von Fr. X im Rahmen der Anwendung von § 10 Abs. 1 GBAG zum Kaufpreis hinzuzurechnen. - 10 - 3.4. Der hier zu beurteilende Sachverhalt lässt sich entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen nicht mit jenem vergleichen, bei dem ein un- oder nur teilweise erschlossenes Grundstück veräussert wird, der Käufer dieses in der Folge (vollständig) erschliesst und in diesem Erschliessungsabgaben (einschliesslich Anschlussgebühren) an das Gemeinwesen zu entrichten hat. In einem solchen Fall besteht bei des Kaufvertrags für den Verkäufer noch keine – wenigstens noch keine aktuelle – Verpflichtung zur Entrichtung von Erschliessungsabgaben (und auch nicht ohne weiteres ein entsprechender Anspruch auf von Erschliessungsanlagen gegenüber dem Gemeinwesen). Die fehlenden Erschliessungsanlagen werden in einem solchen Fall eben nicht nur erst nach der Veräusserung des Grundstücks erstellt, sondern auch die Verpflichtung zur Bezahlung der Erschliessungsabgaben auch erst in der Person des neuen Eigentümers. Es ist daher nur konsequent, wenn in einem solchen Fall keine Hinzurechnung erfolgt, der Käufer doch das Grundstück nicht nur ohne die entsprechenden Anlagen, sondern es ist auch an ihm, selbst für die weitere Erschliessung besorgt zu sein. So verhielt es sich hier aber gerade nicht. Die 2 übernahm nämlich nicht nur die Verpflichtung aus dem mit der Einwohnergemeinde D., sondern konnte nach Lage der Dinge auch davon ausgehen, dass die Gemeinde ihrer vertraglich übernommenen Pflicht zur Erstellung der Erschliessungsanlagen werde. Bei dieser Sachlage erübrigt sich insbesondere auch die Abnahme der von den Beschwerdeführerinnen im Verfahren zusätzlich beantragten Beweise (vgl. Beschwerdeschrift, S. 10 f.). 3.5. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen kann auch im des DVI im Zusammenhang mit der Hinzurechnung der Verpflichtung zur Zahlung der Erschliessungsabgaben kein gegen Treu und Glauben erblickt werden. Es muss einer erlaubt sein, auf dem Weg zur Rechtsfindung verschiedene Varianten in Erwägung zu ziehen und im Zusammenhang damit auch die erforderlichen Abklärungen zu treffen. Ein besonderer Vertrauensschutz wird dadurch in aller Regel nicht begründet. Hier kann auch keine Rede davon sein, dass den Beschwerdeführerinnen durch das Vorgehen des DVI ein unverhältnismässig grosser Aufwand entstanden wäre, zumal es für eine solche Annahme an einer substanziierten Sachdarstellung fehlt, geschweige denn Beweis angeboten wurde. Es ist daher nicht zu , wenn das DVI zunächst in Erwägung gezogen hat, nur die bei Vertragsschluss bereits ausgeführten Erschliessungsarbeiten zu , d.h. einen Teil der übernommenen Zahlungsverpflichtung von Fr. X für die Erschliessung des Grundstücks nicht zum Kaufpreis hinzuzurechnen. Auch der von den Beschwerdeführerinnen in diesem - 11 - Zusammenhang erhobene Vorwurf der Gehörsverletzung erweist sich im Übrigen als offensichtlich unbegründet. Sie hatten ausreichend Gelegenheit, sich zur Sache zu äussern. Nachdem für die erkennbar geworden war, dass das DVI voraussichtlich bei seinem Entscheid den gesamten Betrag von Fr. X hinzurechnen werde, bestand kein Anlass, sie nochmals zur Frage des Umfangs der Hinzurechnung anzuhören. 4. 4.1. Die Beschwerdeführerinnen wenden sich schliesslich auch gegen die Hinzurechnung des Honorars von Fr. X der E., indem sie sowohl einen entsprechenden Mehrwert bestreiten als auch die Auffassung vertreten, hier fehle es an der von der Rechtsprechung verlangten wirtschaftlichen Interessenidentität zwischen der Beschwerdeführerin 1 als Verkäuferin und der E. 4.2. Das DVI hat im angefochtenen Entscheid (Erw. 8.2, S. 13) überzeugend dargelegt (und belegt), dass die E. und die Beschwerdeführerin 1 die Überbauung des gesamten Areals von rund X ar von Anfang an gemeinsam betrieben und dafür eine Vorgehensstrategie entwickelten. Ebenso hat das DVI im angefochtenen Entscheid zwischen die klaren sowohl im Vorvertrag der Beschwerdeführerin 1 mit der 2 als auch im Vertrag der Beschwerdeführerin 2 mit der I. hingewiesen. Daraus ergibt sich klar, dass die Beschwerdeführerin 2 sich gegenüber der Beschwerdeführerin 1 verpflichtete, die der E. zu übergeben, und dass die Beschwerdeführerin 2 dieser Verpflichtung auch nachkam, indem sie ihrerseits die I. als verpflichtete, eine entsprechende Vereinbarung mit der E. zu treffen. Bei dieser Sachlage kann es keinem Zweifel unterliegen, dass die E. und die Beschwerdeführerin 1 gemeinsame bzw. gleichgerichtete Interessen hatten, die im Zusammenhang mit der und Überbauung des Grundstücks auf ein Zusammenwirken schliessen lassen. 4.3. Was die Beschwerdeführerinnen dagegen vorbringen vermag nichts an der zutreffenden Beurteilung durch das DVI zu ändern. 4.3.1. So liegt zunächst entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen auf der Hand, dass die Planungs- und Architekturleistungen der E. im Gesamtbetrag von Fr. X infolge der Realisierung des Bauvorhabens zu einem Mehrwert geführt haben. Die I. hätte die entsprechenden Leistungen der E. kaum honoriert, wenn sie nicht für die Überbauung - 12 - erforderlich gewesen wären. Die Beschwerdeführerinnen beschränken sich auch in diesem Punkt wiederum auf eine bloss pauschale und damit unbehelfliche Bestreitung der Werthaltigkeit der Leistungen der E., ohne im einzelnen darzulegen, dass und allenfalls in welchem Umfang die Leistungen der E. unbrauchbar gewesen wären oder aus anderen Gründen nicht zur Werterhöhung der Parzelle beigetragen hätten. 4.3.2. Als unbegründet erweisen sich auch die Ausführungen der im Zusammenhang mit der nach ihrer Auffassung fehlenden Voraussetzung der Interessenidentität für die Zusammenrechnung. der Auffassung der Beschwerdeführerinnen verlangt das in seiner neueren Praxis keine eigentliche wirtschaftliche Identität zwischen dem Veräusserer und dem Erbringer der Leistungen, sondern begnügt sich mit dem Vorhandensein bzw. gleichgerichteter Interessen am infrage stehenden (VGE vom 19. Februar 2009 [WBE.2008.294]). Nur soweit reicht denn auch das Erfordernis einer wirtschaftlichen Verflechtung des Veräusserers und des Erbringers der hinzuzurechnenden Leistungen. Die erforderliche Verflechtung muss eben gerade nicht in einer positiv in (schriftlichen) Gesellschaftsvertrag verankerten Verbindung , welche die gemeinsame Lastentragung und Erfolgsbeteiligung an dem infrage stehenden Bauvorhaben definiert. Insbesondere ist daher auch nicht erforderlich, dass der Gewinn aus der Veräusserung und Überbauung allein dem Verkäufer zufliesst oder dass dieser am Entgelt auch nur beteiligt ist. Es genügt vielmehr, wenn der Veräusserer und ein oder mehrere Unternehmer in erkennbarer Weise das gemeinsame Ziel der Überbauung verfolgen und sich auf dem Weg dazu in der Weise zusammentun, dass die mit dem Kaufvertrag Eigentumsübertragung der Liegenschaft und die zusätzlich Leistungen als Einheit erscheinen. Es spielt daher hier auch keine Rolle, dass die Beschwerdeführerin 1 und die E. nicht aneinander beteiligt oder sonst wirtschaftlich miteinander verbunden sind. Ebenso ist unerheblich, dass die Beschwerdeführerin 1 an einem allfälligen Gewinn der E. aus dem mit der I. abgeschlossen Vertrag nicht partizipiert. Einzig entscheidend ist vielmehr, dass – wie das DVI zutreffend darlegt – klar erkennbar ist, dass die Beschwerdeführerin 1 und die E. das Projekt der Überbauung des gesamten Areals gemeinsam betrieben, die Beschwerdeführerin 1 sich diese Art des Vorgehens im Vorvertrag mit der Beschwerdeführerin 2 absichern liess, die Beschwerdeführerin 2 in Befolgung der übernommenen Verpflichtung diese der I. überband und die I. als Totalunternehmerin schliesslich eine entsprechende Vereinbarung mit der E. abschloss. Diese Verknüpfung der einzelnen Verträge ergibt sich bereits aus deren zeitlicher Abfolge und geht ausserdem klar aus den Vertragstexten hervor. Dagegen erweist - 13 - sich der von den Beschwerdeführerinnen unter Berufung auf die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung erhobene Einwand, die Arbeitsvergabe an die E. habe keine conditio sine qua non für den Abschluss des Kaufvertrags dargestellt, als nicht stichhaltig. Wie es sich damit verhält, lässt sich als innere Tatsache, welche den Willen der des Vorvertrags betreffend den Landkauf betrifft, kaum zuverlässig eruieren und muss deshalb auch dahin gestellt bleiben. Entscheidend ist vielmehr, dass es sich bei der Verpflichtung im Vorvertrag, die E. zu berücksichtigen, entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen, nicht um eine geringfügige Nebenpflicht der Beschwerdeführerin 2 aus dem Vorvertrag, sondern angesichts des Auftragsvolumens von Fr. X um eine substantielle Vertragspflicht handelte. Ob am bisherigen Erfordernis der Rechtsprechung zuhalten ist, wonach die Verknüpfung zwischen Eigentumsübertragung und weiteren Leistungen erst dann ausreichend ist, wenn die Vereinbarung der zusätzlichen Leistungen eine eigentliche conditio sine qua non für den Vertragsabschluss selbst darstellt, braucht nicht entschieden zu werden. Hier ist jedenfalls angesichts der gesamten Umstände von einem so weit gehenden Gleichlauf der Interessen der Beschwerdeführerin 1 und der E. auszugehen, dass insoweit ein einheitliches Geschäft vorliegt und das Entgelt für die Leistungen der E. von Fr. X gemäss § 10 Abs. 1 GBAG zum Kaufpreis hinzuzurechnen ist. III. Die Beschwerdeführerinnen unterliegen und haben bei diesem die Verfahrenskosten zu tragen (§ 31 Abs. 2 VRPG) und keinen Anspruch auf Parteikostenersatz (§ 32 Abs. 2 VRPG). Das Verwaltungsgericht erkennt: 1. Die Beschwerde wird abgewiesen. 2. Die verwaltungsgerichtlichen Verfahrenskosten, bestehend aus einer Staatsgebühr von Fr. 1'200.-- sowie der Kanzleigebühr und den Auslagen von Fr. 248.--, gesamthaft Fr. 1'448.--, sind von den unter solidarischer Haftbarkeit zu bezahlen. 3. Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen. Zustellung an: die Beschwerdeführerinnen (Vertreter) - 14 - das Departement Volkswirtschaft und Inneres (DVI) Mitteilung an: das Grundbuchamt F. Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten Dieser Entscheid kann wegen Verletzung von Bundesrecht, Völkerrecht, kantonalen verfassungsmässigen Rechten sowie interkantonalem Recht innert 30 Tagen seit der Zustellung mit Beschwerde in öffentlich- Angelegenheiten beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, angefochten werden. Die unterzeichnete Beschwerde muss das Begehren, wie der Entscheid zu ändern sei, sowie in gedrängter Form die Begründung, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt, mit Angabe der Beweismittel enthalten. Der angefochtene Entscheid und als Beweismittel angerufene Urkunden sind beizulegen (Art. 82 ff. des Bundesgesetzes über das Bundesgericht [, BGG; SR 173.110] vom 17. Juni 2005). Aarau, 21. Oktober 2009 Verwaltungsgericht des Kantons Aargau 2. Kammer Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: Berger Weber Postversand: 16. November 2009 HEADER1 VF_DAT_ENTSCHEID TN_AUTOTEXT_START TN_AUTOTEXT_ERSATZ TN_AUTOTEXT_GS TN_AUTOTEXT_RICHTER RU_AUTOTEXT_KLÄGER_N RU_AUTOTEXT_KLÄGER_X_A RU_AUTOTEXT_PART_N BT_GLOSS_ALIAS_START BT_AUTOTEXT_VRTR_A RU_AUTOTEXT_PART_X_B P8_0 P9_68 GA_KOPIE_AN GA_KOPIE_AN_ST VERTEILER_TITEL GA_INST_ER2
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1,497,322
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2,002
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anonymisierter Entscheid Betreibungsamt X Versteigerung.doc Betreibungsamt X; Grundbuchbeschwerde vom 15. Mai 2002 gegen die Abweisungsverfügung des Grundbuchamtes des Bezirks Y vom 22. April 2002 betreffend Anmeldung zur Eintragung des Eigentumsübergangs von Grundstück, Parzelle B zufolge Zuschlags im Zwangsvollstreckungsverfahren; Verfügung vom 12. September 2002 des Departementes des Innern; Gutheissung I. Sachverhalt 1. Mit Datum vom 16. April 2002 meldete das Betreibungsamt X die Eintragung des Eigentumsüberganges von Grundstück, Parzelle B an die ... (Bank) aufgrund einer am Vortag erfolgten Versteigerung im Zwangsvollstreckungsverfahren an. Das Grundstück wurde der Bank zu einem Preis von 560'000 Franken zugeschlagen. oder Grundlasten wurden der Ersteigerin keine überbunden. Auch Forderungen wurden keine abgeschrieben. In Ziffer 6 c der Anmeldung wurde vermerkt, dass der Ersteigerin keine Dienstbarkeiten und Grundlasten zu überbinden seien. Ausdrücklich festgehalten wurde: „Die Lasten „Einfriedigungsrecht an die Grenze zG Parz. A“, „Fuss- und beschr. Fahrwegrecht zG Parz. C“ und „Einfriedigungsrecht an die Grenze zG Parz. C“ sind zu löschen.“ Das Grundbuchamt des Bezirks Y wies die Anmeldung mit Verfügung vom 22. April 2002 jedoch mit der Begründung ab, dass bei den in Ziff. 6 zur Löschung angemeldeten Dienstbarkeiten nicht berücksichtigt wurde, dass sie im Grundbuch als Recht und Last eingetragen und voneinander abhängig sind und nur gemeinsam gelöscht werden können. Bezüglich der Löschung der Last „Fuss- und beschr. Fahrwegrecht zG Parz. C“ bemerkte der Grundbuchverwalter, dass es sich hierbei um einen erweiterten Ausfahrtsradius handle und es später wohl möglich sei, dass der Eigentümer des versteigerten Grundstückes vom Nachbarn bei einem Bauvorhaben auch einmal ein solches Recht benötigen könnte. Sofern diese Dienstbarkeit gelöscht würde, werde der Nachbar in einem späteren Zeitpunkt nicht entgegenkommen. Der Grundbuchverwalter empfahl der Erwerberin die Sache etwas gesamtheitlicher zu betrachten. Weiter bemängelte er, dass aus den Unterlagen nicht hervorgehe, dass ein Doppelaufruf stattgefunden habe. Denn nur unter dieser Voraussetzung könnten nachgehende Lasten gelöscht werden. 2. Mit Eingabe vom 15. Mai 2002 legte das Betreibungsamt X beim Departement des Innern gegen die Abweisungsverfügung Beschwerde ein. Zur Begründung führte es im Wesentlichen an, dass die Ersteigerin nach Aufnahme des Lastenverzeichnisses den doppelten Aufruf des Grundstückes für alle drei Lasten verlangte und anlässlich der Steigerung ein Zuschlag ohne Lasten erfolgte. Rechtlich begründete es, dass lediglich der Eintrag der Dienstbarkeit auf dem belasteten Grundstück notwendig sei und derjenige auf dem berechtigten Grundstück einzig die Bedeutung einer Anmerkung zukomme und ihm somit der konstitutive Charakter fehle. Dienstbarkeiten, welche somit als Recht und Last eingetragen seien, könnten daher nicht nur gemeinsam gelöscht werden. Im Weiteren führte das Betreibungsamt X aus, dass das Grundbuchamt infolge Doppelaufruf lediglich den Vollzug der Löschung der Dienstbarkeit auf dem belasteten Grundstück „Fuss- und beschr. Fahrwegrecht zG Parz. C“ vorzunehmen habe und keine Ausführungen über Seite 2 deren Sinn und Zweck der Löschung zu treffen habe. Ferner habe das Betreibungsamt dem Grundbuchamt gegenüber den Doppelaufruf nicht zu belegen. Ein durch unberechtigtes Löschen einer Last entstandener Schaden wäre durch die Staatshaftung nach Art. 5 SchKG gedeckt. 3. Am 11. Juni 2002 erstattete der Grundbuchverwalter zur Beschwerde einen Amtsbericht. Sinngemäss hielt er an der in der Abweisungsverfügung vertretenen Auffassung fest und beantragte die vollumfängliche Abweisung der Beschwerde. Insbesondere führte er an, dass die als Recht und Last eingetragenen Dienstbarkeiten jeweils als eine gegenseitige Dienstbarkeit begründet und im Grundbuch eingetragen worden seien. Eine gegenseitig begründete Dienstbarkeit sei nicht mehr gegenseitig, wenn einseitig ein Teil davon gelöscht werde. 4. Das Betreibungsamt X erklärte in seiner Stellungnahme vom 2. Juli 2002, dass in der seinerzeitigen Aufnahme der Dienstbarkeit im Grundbuch auf das Wort „gegenseitig“ hätte verzichtet werden können, wenn das Recht sowie die Last einzeln aufgeführt worden wären. Die vorliegende Diskussion hätte sich dann erübrigt. Aufgrund des Doppelaufrufes sei einzig die Last zu löschen. Das Recht aus der Dienstbarkeit sei nicht tangiert und sei nicht wie dies der Grundbuchverwalter ausführe, zu löschen. Weiter wurden die Beteiligten, d.h. die Grundeigentümer der involvierten Nachbarparzellen ins Lastenbereinigungsverfahren miteinbezogen. Die Prüfungspflicht des gehe nur soweit, als dass er kontrollieren dürfe, ob eine Last überhaupt Gegenstand eines Doppelaufrufes sein könne. 5. In der Duplik vom 10. Juli 2002 machte der Grundbuchverwalter geltend, dass erst mit der Abtrennung eines Teils der Dienstbarkeit, der Last, eine Werteinbusse beim anderen Grundstück entstehe. Für Eintragungen im Grundbuch herrsche zudem das ; die Löschung des Wortes „gegenseitig“ hätte ausdrücklich erfolgen müssen. 6. Die Duplik des Grundbuchverwalters wurde dem Betreibungsamt X am 15. Juli 2002 zur Kenntnisnahme zugestellt. Der Rechtsschriftenwechsel war damit abgeschlossen. Auf die einzelnen Rechtsschriften wird – soweit erforderlich – in den Erwägungen noch näher eingegangen. Seite 3 II. Erwägungen 1. Gegen die Abweisungsverfügung einer Grundbuchanmeldung kann innert 30 Tagen, gerechnet ab deren Zustellung, bei der kantonalen Aufsichtsbehörde Beschwerde geführt werden (vgl. Art. 103 Abs. 1 GBV). Beschwerdebefugt sind der Anmeldende sowie alle weiteren Personen, die von der Abweisungsverfügung berührt sind. Die Eingabe der Beschwerde erfolgte fristgerecht und das Betreibungsamt X ist legitimiert. Das Departement des Innern als kantonale Aufsichtsbehörde über die Grundbuchämter ist zur Behandlung der Beschwerde zuständig (vgl. Art. 956 ZGB i.V.m. § 1 Abs. 1 lit. a der Delegationsverordnung (SAR 153.111). Auf die Beschwerde ist somit einzutreten. 2. Die Bestimmung von Art. 812 Abs. 2 ZGB besagt, dass das Grundpfandrecht einer später ohne Zustimmung der Pfandgläubiger auf das Grundstück gelegten Dienstbarkeit oder Grundlast vorgeht, und dass die spätere Belastung zu löschen sei, sobald bei der ihr Bestand den vorgehenden Pfandgläubiger schädigt. Der hat also einen Anspruch darauf, nachgehende, den Wert des verpfändeten Grundstücks schmälernde Lasten löschen zu lassen, wenn er wegen der neuen Last eine weniger gute Deckung erhält. Für diesen Fall ist ein doppelter Aufruf gemäss Art. 142 SchKG vorgesehen. Diese Bestimmung ist auch im Grundpfandverwertungsverfahren anwendbar (Art. 156 SchKG). Im Übrigen wird die Anordnung eines Doppelaufrufes von einem Begehren von Pfandgläubigern abhängig gemacht, wofür ihnen bei Zustellung des Lastenverzeichnisses Frist anzusetzen ist. Für die Durchführung der Verwertung nach dem Prinzip des Doppelaufrufes enthält Art. 56 VZG nähere Anweisungen, die nach Art. 102 VZG auch bei der Grundpfandverwertung gelten (BGE 81 III 62 f., 121 III 242; weiter auch Markus Häusermann/Kurt Stöckli/Andreas Feuz, Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, SchKG II, Basel 1998, N 4 zu Art. 142 SchKG; Heinz Rey, Das Sachenrecht, Bern 1981, S. 79 f., N 254 ff.). 3. Aufgrund von Art. 140 Abs. 2 SchKG hat das Betreibungsamt im den Beteiligten das Verzeichnis der Lasten zuzustellen und ihnen Frist zur Bestreitung zu setzen. Der Begriff des Beteiligten bestimmt sich nach Art. 139 SchKG und meint den Gläubiger, den Schuldner, ein allfälliger dritter Eigentümer des Grundstücks sowie alle im Grundbuch der betreffenden Parzelle eingetragenen Personen. Der Vorrang eines Grundpfandrechtes vor einer Dienstbarkeit ergibt sich aus dem Grundbuch und wird dementsprechend im Lastenverzeichnis aufgenommen (Art. 34 Abs. 1 lit. b VZG). Dem Grundpfandgläubiger wird gemäss Art. 142 Abs. 1 SchKG zusammen mit der Mitteilung des Lastenverzeichnisses darauf aufmerksam gemacht, dass er binnen zehn Tagen nach Zustellung desselben den Aufruf sowohl mit als auch ohne Last verlangen könne. In den Steigerungsbedingungen muss ein solches Begehren entsprechend vermerkt werden (Art. 45 Abs. 1 lit. c VZG). Seite 4 Eine nachgehende Dienstbarkeit kann in der Zwangsverwertung den Grundpfand-gläubiger insofern schädigen, als dass ein geringerer Verwertungserlös erzielt wird. Erfährt ein Gläubiger in der Versteigerung durch das Höchstgebot (oder allenfalls durch sofortige Bezahlung des Fehlbetrags durch den Dienstbarkeitsberechtigten) im ersten Aufruf mit der Dienstbarkeit nicht volle Deckung, erfolgt ein zweiter Aufruf ohne die Dienstbarkeit. Ergibt sich dabei ein höheres Angebot, so wird das Grundstück ohne die Dienstbarkeit zugeschlagen (Art. 56 lit. b VZG) und die Dienstbarkeit muss im Grundbuch gelöscht werden (Rey N. 256). Der ausserbuchliche Erwerb des Eigentums vollzieht sich im Betreibungsverfahren mit dem Zuschlag des Betreibungsamtes (Art. 656 Abs. 2 ZGB). Die Anmeldung des Eigentumsübergangs erfolgt von Amtes wegen nach Art. 66 VZG. Gemäss Art. 18 Abs. 2 lit. c GBV wird der Ausweis für die Eigentumsübertragung im Falle der durch die vom Betreibungsamt ausgestellte Bescheinigung des Zuschlags erbracht, versehen mit der Ermächtigung zur Eintragung. Aus der Bescheinigung muss der Ersteigerer ersichtlich sein (Roland Pfäffli, Der Ausweis für die Eigentumseintragung im Grundbuch, Langenthal 1999, S. 127f.). 4. Gemäss Art. 150 Abs. 3 SchKG veranlasst das Betreibungsamt bei die erforderlichen Löschungen und Änderungen von Dienstbarkeiten, Grundlasten, Grundpfandrechten und vorgemerkten persönlichen Rechten im Grundbuch. Im Speziellen sieht Art. 68 Abs. 1 lit. b VZG vor, dass gleichzeitig mit der Anmeldung des Eigentumsübergangs zur Eintragung im Grundbuch das Betreibungsamt die Lasten, die nicht überbunden werden konnten, zur Löschung anzumelden hat. Die Anmeldung dazu geschieht von Amtes wegen, gleich wie die Anmeldung zur Löschung nicht überbundener Lasten. Bei den Dienstbarkeiten und Grundlasten, welche konstitutiv auf den angewiesen sind, bedeutet dies automatisch den vollständigen Untergang. Diese Bestimmung ist keine Kann-Vorschrift, sondern verpflichtet das Betreibungsamt zur Anmeldung der Löschung. Es hat ganz allgemein dafür zu sorgen, dass im Grundbuch der Zustand hergestellt wird, der dem materiellen Ergebnis der rechtskräftigen Versteigerung entspricht (Kurt Amonn/Dominik Gasser, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, Bern 1997, N 63 zu § 28; Urs Hess-Odini, Der Doppelaufruf nach Art. 142 SchKG und das neue Miet- und Pachtrecht in SJZ 87, 146 ff., insbesondere S. 149). 5. Da im vorliegenden Fall die Anmeldung durch eine Behörde erfolgt, hat der ihre Zuständigkeit zu überprüfen (Art. 17 GBV). Dies ist zweifelsohne gegeben. Der Grundbuchverwalter ist vornehmlich Vollzugsorgan der von einer anderen Behörde erlassenen Anordnung. Er kann weder die Rechtmässigkeit des Zuschlags noch allgemein die Rechtsgültigkeit einer Anordnung im Vollstreckungsverfahren überprüfen (Bettina Deillon-Schegg, Grundbuchanmeldung und Prüfungspflicht des Grundbuchverwalters im Eintragungsverfahren, Zürich 1997, S. 92, 331; Pfäffli, S. 128 f.). Es kann somit nicht die Meinung sein, dass die zweite Behörde den Entscheid der ersten, welche diese in ihrem eigenen sachlichen Zuständigkeitsbereich erlassen hat, nochmals überprüft. Der Grundbuchverwalter hat daher nur noch eine eingeschränkte Prüfungsmöglichkeit, ob die Massnahme nicht in klarem Widerspruch zur Rechtsordnung steht (z.B. Mängel mit Nichtigkeitsfolgen). Seite 5 Im Folgenden muss beachtet werden, dass der Bund die Aufsicht über die Konkurs- und Betreibungsämter eigens geregelt hat und der Kanton hierzu ausführende Bestimmungen erlassen hat (Art. 13 ff. SchKG; § 10 ff. AG SchKG). Der Grundbuchverwalter hat im Rahmen von Art. 965 ZGB einzig die Anmeldungen zur Eintragung zu überprüfen. einer Grundbuchanmeldung hat der Grundbuchverwalter zu prüfen, ob die beiden Ausweise über das Verfügungsrecht und über den Rechtsgrund erbracht werden (vgl. Art. 965 ZGB). Die Kognition des Grundbuchverwalters beschränkt sich im auf die Prüfung der grundbuchlichen Voraussetzungen und der Formerfordernisse. Die Überprüfung materiellen Rechts steht ihm nicht zu. Er hat eine Anmeldung nur dann abzuweisen, wenn sich diese auf einen offensichtlich nichtigen Rechtstitel stützt. Ferner muss er prüfen, ob das angemeldete Recht sich seiner Natur nach zur Aufnahme ins Grundbuch eignet (BGE 119 II 17 f.) 6. Zum Untergang von beschränkten dinglichen Rechten im Zwangsvollstreckungsverfahren äussert sich das Bundesgericht in BGE 106 II 194 f. folgendermassen: „Es entspricht indessen nicht der in der Schweiz gebräuchlichen Gesetzgebungstechnik, bei der zivilrechtlicher Verhältnisse in umfassender Weise auch die Fragen zu regeln. Das im SchKG und seinen Nebenerlassen enthaltene muss daher allgemein als vorbehalten gelten, wenn im Zivilrecht nicht ausdrücklich eine besondere Regelung aufgestellt wird. So führt z.B. das Sachenrecht des ZGB die Zwangsvollstreckung nicht als möglichen Untergangsgrund der beschränkten dinglichen Rechte an und enthält diesbezüglich auch keinen Verweis auf das SchKG. Niemand würde aber aus dem Fehlen einer ausdrücklichen Regelung im ZGB schliessen, das Vollstreckungsverfahren könne nicht zum Untergang dinglicher Rechte führen.“ Deshalb ist es auch nur konsequent, wenn bei einer Versteigerung eines Grundstückes Pfandrechte für fällige Forderungen, die aus dem Erlös nicht gedeckt werden, endgültig gelöscht werden. Die Realisierung eines Grundpfandrechtes führt dazu, dass das Pfandrecht gelöscht werden muss. Niemand hätte ein Interesse am Erwerb einer Sache, wenn die Pfandrechte für fällige Forderungen, die aus dem Erlös nicht gedeckt werden, nicht endgültig gelöscht werden. Auch eine Neueintragung kommt nicht in Frage (vgl. BGE 106 II 189 f.). Ebenso verhält es sich mit Dienstbarkeiten, welche dem Pfandrecht nachgehen und im doppelten Aufruf mit der Dienstbarkeitslast keine Deckung ergeben und daher zu Recht gelöscht werden müssen. Dienstbarkeiten haben nämlich einen direkt negativen Einfluss auf den Wert einer Liegenschaft, deshalb hat der Grundpfandgläubiger einen Schutz, wenn nachträglich auf das Grundstück Lasten gelegt werden, ohne dass der zugestimmt hat (Hess-Odini, S. 146 f.). Die Bestimmung von Art. 812 Abs. 2 ZGB spielt auch unabhängig davon, ob der aus der nachträglichen heraus Berechtigte um die Gefährdung der Gläubigerinteressen gewusst hat oder nicht. Dies bedeutet, dass die nachträgliche Belastung des Grundstückes von Gesetzes wegen untergeht, bzw. wirkungslos ist, wenn die Voraussetzungen gemäss Art. 812 Abs. 2 ZGB erfüllt sind. Die Norm von Art. 142 SchKG geht der Bestimmung von Art. 812 Abs. 2 ZGB vor (Hess-Odini S. 148). Seite 6 7. Beim Einfriedigungsrecht an die Grenze mit der Parzelle A sowie C handelt es sich Grundbuchverwalter jeweils um eine „gegenseitige Dienstbarkeit“. In den beiden Dienstbarkeitsverträgen vom 1. Juni 1992 verpflichteten sich die damaligen Eigentümer der Parzellen A und B sowie B und C gegenseitig ein Einfriedigungsrecht einzuräumen. Inhalt dieses Vertrages bildeten jeweils zwei voneinander unabhängig Dienstbarkeiten mit gleichem Regelungssachverhalt. Auf beiden wurden je zwei Dienstbarkeiten mit dem Vermerk „Recht und Last“ eingetragen. Diese Dienstbarkeiten sind nicht gegenseitig, im Sinne von untrennbar miteinander . Die Bemerkung bezieht sich nur auf die gegenseitige Einräumung der Dienstbarkeit durch die seinerzeitigen Vertragspartner. Es ist erklärlich, dass sich im Gesetz wie auch in der Literatur der Ausdruck der „gegenseitigen Dienstbarkeit“ nicht auffinden lässt. Peter Liver misst der Gegenseitigkeit der Belastung und Berechtigung auch keine rechtliche Besonderheit zu (Kommentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, Die Dienstbarkeiten und Grundlasten, Zürich, 1968, N 54 zu Art. 730 ZGB). Infolgedessen kann bei der Löschung der entsprechenden Lasten auf der Parzelle B das Wort „gegenseitig“ gelöscht werden. Im gleichen Zug kann diese Korrektur auch auf den Parzellen A und C erfolgen. Bei dieser isolierten Betrachtungsweise der zwei separaten Dienstbarkeiten resultiert aus der bestehenden Last „Einfriedigungsrecht an die Grenze mit Parzelle A“ sowie „C“ auf der Parzelle B eine Werteinbusse. Im vorliegenden Zwangsvollstreckungsverfahren wurden gemäss Auskunft des sämtliche Beteiligten miteinbezogen. Insbesondere den , d.h. den Grundeigentümern der Parzellen A und C wurde das zugestellt. Im Übrigen hätten sie die Möglichkeit gehabt, anlässlich der im ersten Aufruf den Fehlbetrag, der die Folge aus der Dienstbarkeitsbelastung darstellt, sofort zu bezahlen, damit die Dienstbarkeiten auf die neue Erwerberin worden wären (vgl. BGE 81 III 63). Der Sinn und Zweck des Doppelaufrufverfahrens besteht eben darin, dass spätere des Grundstückes zu löschen sind, wenn ihr Bestand den vorangehenden Pfandgläubiger schädigen (Art. 812 Abs. 2 ZGB iVm. 142 SchKG). Das Betreibungsamt hatte aufgrund des Zuschlages im doppelten Aufruf das Grundstück zur Eintragung des Eigentumsüberganges ohne die Last „Einfriedigungsrecht an die Grenze mit Parzelle A“ sowie „C“ angemeldet. Weiter wurde im Doppelaufrufverfahren das Grundstück ohne die Last „Fuss- und beschränktes Fahrwegrecht z.G. Parzelle C“ der Erwerberin . Die drei Lasten sind daher zu löschen. Entsprechend sind auch auf den Grundstücken Parzellen A und C die dazugehörenden Rechte zu löschen. Auf Parzelle B bleiben die Rechte natürlich bestehen. Aus der Anmeldung zur Eintragung des Eigentumsübergangs eines Grundstücks zufolge Zuschlags im Zwangsvollstreckungsverfahren des Betreibungsamtes vom 16. April 2002 ist aus Ziffer 6 c ersichtlich, dass dem Ersteigerer keine Dienstbarkeiten und Grundlasten überbunden werden (mit Verweis auf den Grundbuchauszug). Insbesondere wurde festgehalten, dass die Lasten „Einfriedigungsrecht an die Grenze zG Parzelle A“ sowie „zG Parzelle C“ und „Fuss- und beschr. Fahrwegrecht zG Parzelle C“ zu löschen seien. Es konnte davon ausgegangen werden, dass ein Doppelaufruf stattgefunden haben musste. Seite 7 8. Die Beschwerde erweist sich somit als begründet. Das Grundbuchamt Y ist anzuweisen, nach Eintritt der Rechtskraft des vorliegenden Entscheides, die Anmeldung des von Grundstück, Parzelle B zufolge Zuschlags im Zwangsvollstreckungsverfahren zu vollziehen. 9. Bei diesem Verfahrensausgang sind gemäss § 33 Abs. 2 und 35 Abs. 1 VRPG die Kosten des Beschwerdeverfahrens auf die Staatskasse zu nehmen. Das Betreibungsamt hat keinen Ersatz seiner Aufwendungen geltend gemacht. Zudem wurde es auch nicht anwaltlich vertreten (vgl. § 36 VRPG), weshalb ein Parteikostenersatz entfällt. Demgemäss wird verfügt: 1. In Gutheissung der Beschwerde vom 15. Mai 2002 gegen die Abweisungsverfügung vom 22. April 2002 wird das Grundbuchamt Y angewiesen, die Anmeldung des von Grundstück, Parzelle B zufolge Zuschlags im zu vollziehen. 2. Das Grundbuchamt des Bezirks Y wird angewiesen, die Lasten „Gegenseitiges an die Grenze z.G. Parzelle A“, „Gegenseitiges Einfriedigungsrecht an die Grenze z.G. Parzelle C“ sowie „Fuss- und beschr. Fahrwegrecht z.G. Parzelle C“ auf der Parzelle B zu löschen. 3. Das Grundbuchamt des Bezirks Y wird angewiesen, die Rechte aus dem „gegenseitigen Einfriedigungsrecht an die Grenze mit Parzelle B“ auf den Grundstückblättern von Parzelle A und C sowie die Bemerkung „gegenseitig“ zu löschen. Weiter ist das Recht auf Parzelle C „Fuss- und beschr. Fahrwegrecht z.L. Parzelle B“ zu löschen. Seite 8 4. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden zu Lasten der Staatskasse . 5. Es wird keine Parteientschädigung ausgerichtet.
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https://www.ag.ch/media/kanton-aargau/dvi/dokumente/arp/grundbuch/entscheide/20020912-betreibungsamt-x-versteigerung.pdf
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anonymisierter_beschwerdeentscheid_2_22_gbag Departement Volkswirtschaft und Inneres Justizabteilung DVIJAGN.08.57-1/44.02/vA Verfügung vom 22. April 2009 in Sachen A., Notar, in B.; Beschwerde gegen die Abgaben- und Gebührenrechnung TB-/A-Nr. XXX des Grundbuchamtes C. vom 16. Juni 2008; Abweisung I. Sachverhalt 1. Im Rahmen einer Unternehmensumstrukturierung wurden durch Sacheinlagevertrag vom XXXX 2008 sämtliche Aktiven und Passiven der X. & Co., Kommanditgesellschaft mit Sitz in Y., in die neu gegründete X. AG in Y. eingebracht. Durch separaten Teilvertrag vom XXXX 2008, beurkundet von A., Notar in B., wurde überdies via Sacheinlage das GB Y. Nr. 100 im Halte von XXX Aren zum Buchwert per 31. Dezember 2007 von Fr. XXXX.− auf die neu gegründete X. AG übertragen. Sachenrechtlich stand das , bevor es in die X. Aktiengesellschaft eingebracht wurde, im Alleineigentum des D. X. . Buchhalterisch wurde das Grundstück indes bei der geführt und auch seit 2001 jeweils in den Büchern der Gesellschaft unter den Bilanzaktiven aufgelistet. Am 13. Juni 2008 meldete Notar A. den erwähnten Sacheinlagevertrag vom XXXX 2008 über das Grundstück Nr. 100 dem Grundbuchamt C. zum Vollzug im Grundbuch an. 2. Am 16. Juni 2008 veranlagte das Grundbuchamt C. für die Handänderung am Grundstück Nr. 100 eine Grundbuchabgabe von Fr. XXXX.−, wobei es seiner Rechnung den Tarif für gewöhnliche Handänderungen zugrunde legte. Die Rechnung wurde am 17. Juni 2008 Notar A. zuhanden der Vertragsparteien zugestellt. Seite 2 3. Nach Ablehnung eines Wiedererwägungsgesuches am 30. Juni 2008 erhob Notar A. die Abgabenrechnung des Grundbuchamtes C. am 7. Juli 2008 beim Departement Volkswirtschaft und Inneres (DVI) Beschwerde und stellte die folgenden Anträge: 1. Die Grundbuchabgabe sei gemäss § 22 Abs. 2 lit. a des Abgabengesetzes zu be- rechnen und mit Fr. 1'000.− festzulegen. 2. Eventuell sei die Grundbuchabgabe mit Fr. 2'000.− festzulegen. Unter Kosten- und Entschädigungsfolge. 4. Am 17. Juli 2008 nahm das Grundbuchamt C. in einem Amtsbericht zur Beschwerde . Es hielt an seiner Abgabenberechnung fest und beantragte die vollständige der Beschwerde. 5. Zum Amtsbericht äusserte sich Notar A. in einer Replik vom 19. August 2008. Er hielt an seiner bereits in der Beschwerde dargelegten Ansicht fest. Das Grundbuchamt C. auf eine anschliessende Duplik (Brief vom 12. September 2008). Der Rechtsschriftenwechsel war damit abgeschlossen. Auf den Inhalt der einzelnen Rechtsschriften wird − sofern erforderlich − in den Erwägungen noch näher eingegangen. II. Erwägungen 1. Gemäss § 30 Abs. 1 des Gesetzes über die Grundbuchabgaben (GBAG) vom 7. Mai 1980 in seiner bis am 31. Dezember 2008 gültigen Fassung kann gegen der Grundbuchämter innert 20 Tagen seit Zustellung beim Beschwerde geführt werden. Die Befugnis zum Entscheid solcher Beschwerden wurde gemäss § 2 Abs. 1 lit. a der Verordnung über die Delegation von Kompetenzen des vom 8. November 1982 (SAR 153.111) vom Regierungsrat an das DVI . Innerhalb des DVI nimmt die Justizabteilung die Instruktion und Entscheidung von Grundbuchabgaben- und -gebührenbeschwerden wahr. Die Justizabteilung des DVI ist somit zur Beurteilung der vorliegenden Beschwerde zuständig. Zur Beschwerde legitimiert sind sowohl die Parteien als auch die Urkundsperson, die ein Geschäft angemeldet hat (§ 30 Abs. 1 Satz 2 GBAG). Im vorliegenden Fall erhebt Notar A. in eigenem Namen als beurkundender und Notar gegen die Abgabenrechnung vom 16. Juni 2008 Beschwerde. Die erfolgte frist- und formgerecht. Auf die Beschwerde ist somit einzutreten. Seite 3 2. Gemäss § 1 GBAG wird im Kanton Aargau auf allen grundbuchlichen Vorgängen eine Grundbuchabgabe erhoben. Bei Handänderungen an Grundstücken beträgt die 5 ‰ der Kaufs- oder Übernahmesumme, mindestens jedoch Fr. 100.− (§ 8 Abs. 1 GBAG). Im Falle von Handänderungen bei Umstrukturierung von Unternehmen die Abgabe Fr. 1'000.− pro betroffenes Grundstück, maximal Fr. 20'000.− für die Umstrukturierung (§ 22 Abs. 1 GBAG). 3. Streitig ist im vorliegenden Fall, ob bei der Erhebung der Grundbuchabgabe für die am Grundstück GB Y. Nr. 100 der Tarif für gewöhnliche Handänderungen, § 8 GBAG, oder der privilegierte Abgabensatz bei Umstrukturierungen, § 22 GBAG, zur gelangt. Notar A. (nachfolgend «der Beschwerdeführer») ist der Ansicht, dass das Grundstück GB Y. Nr. 100 im Rahmen einer Umstrukturierung (Umwandlung der Kommanditgesellschaft X. & Co. in die X. AG) die Hand gewechselt hat und daher § 22 GBAG zur Anwendung gelangt (Buchstabe a von § 22 Abs. 2, allenfalls auch Buchstabe b). Das Grundbuchamt C. ist dagegen der Auffassung, dass die Handänderung unter § 8 GBAG fällt, da das besagte Grundstück, bevor es auf die X. AG überging, nicht im der Kommanditgesellschaft X. & Co. stand, sondern Herrn D. X. als Alleineigentümer gehörte. Mit der Übertragung des sachenrechtlichen Alleineigentums von Herrn D. X. auf die X. AG lag nach Ansicht des Grundbuchamtes keine Umstrukturierung, sondern eine gewöhnliche Handänderung vor. 4. § 22 des Grundbuchabgabengesetzes privilegiert abgabenmässig gewisse an Grundstücken, die im Zusammenhang mit Umstrukturierungen von Unternehmen erfolgen. Die Handänderungen, die unter den Privilegierungstatbestand fallen, werden im § 22 GBAG in dessen Absatz 2 unter den Buchstaben a bis e abschliessend aufgelistet. Im vorliegenden Fall ist zu prüfen, ob mit der Übertragung des Grundstücks auf die X. AG ein Tatbestand des § 22 Abs. 2 Buchstabe a gegeben ist. § 22 Abs. 2 Buchstabe b GBAG fällt dagegen ausser Betracht, da es vorliegend an einem eigentlichen (Fusion) fehlt. Weitere Buchstaben des § 22 Abs. 2 GBAG kommen ihres Wortlauts von vorne herein nicht in Frage. 5. § 22 Abs. 2 Buchstabe a GBAG lautet wörtlich wie folgt: «Als Handänderungen im Zusammenhang mit Umstrukturierungen gelten: Seite 4 a) Handänderungen infolge Umwandlung einer Einzelfirma oder einer Personen- gesellschaft in eine juristische Person oder infolge Umwandlung einer juristischen Person in eine andere juristische Person, wenn es sich um einen Geschäftsbetrieb handelt, dieser beibehalten wird und die Beteiligungsverhältnisse wertmässig grund- sätzlich gleich bleiben;» 6. Vorliegend macht der Beschwerdeführer geltend, dass bezüglich des Grundstücks Nr. 100 eine Handänderung durch Umwandlung der Kommanditgesellschaft X. & Co. in eine Aktiengesellschaft stattgefunden habe. Die Voraussetzungen zur Anwendung des § 22 Abs. 2 Buchstabe a GBAG bei einer einer Kommanditgesellschaft in eine Aktiengesellschaft sind: a) dass ein Grundstück von einer Kommanditgesellschaft auf eine Aktiengesellschaft übergeht und b) dieser Übergang im Rahmen einer Umwandlung der Kommanditgesellschaft in Aktiengesellschaft geschieht, was bedingt, dass von der ein Betrieb mit Aktiven und Passiven steuerneutral auf die übertragen wird, dieser Betrieb beibehalten wird und die Beteiligungsverhältnisse bei der Aktiengesellschaft weitgehend denjenigen bei der Kommanditgesellschaft entsprechen. 7. Unbestritten ist im hier zu beurteilenden Fall zunächst einmal, dass das aargauische Steueramt die Überführung der Aktiven und Passiven von der Kommanditgesellschaft X. & Co. auf die X. AG als steuerneutrale Umwandlung im Sinne des § 28 des aargauischen Steuergesetzes vom 15. Dezember 1998 eingestuft hat (Auskunft des aargauischen Steueramtes vom 2. April 2009). Für das Steueramt war wesentlich, dass anlässlich der Übertragung der Aktiven und Passiven auf die X. AG keine stillen Reserven realisiert . Das Grundstück Nr. 100 wurde dabei aufgrund seiner Auflistung in der Bilanz der X. & Co. als dieser Gesellschaft zugehörig betrachtet. Die Betriebseigenschaft sowie die grundsätzlich gleich gebliebenen Beteiligungsverhältnisse wurden vom Steueramt bejaht. Die soeben dargelegte Einstufung des Steueramtes kann allerdings nicht unbesehen auch für das Grundbuchabgabengesetz übernommen werden, wenn auch grundsätzlich eine gewisse Harmonie in der Anwendung dieser beiden Gesetze anzustreben ist. Es existieren jedoch zwischen dem Steuergesetz und dem GBAG grundlegende : Das Steuergesetz stellt wesentlich auf wirtschaftliche Sachverhalte ab. So war es für das Steueramt offenbar ausreichend, dass das Grundstück Nr. 100 in der Bilanz der Kommanditgesellschaft aufgeführt war. Dass das sachenrechtliche Eigentum am , und damit die rechtliche Herrschaftsgewalt über das Grundstück, nicht bei der Kommanditgesellschaft lag, war für das Steueramt ohne Belang. Das GBAG andererseits stützt jeweils wesentlich ab auf die sachenrechtlichen Verhältnisse, so wie sie sich aus dem Grundbuch ergeben. So werden beispielsweise Veräusserungen einer an einer Immobilien-AG nicht der Grundbuchabgabe unterworfen, obwohl da- Seite 5 durch − wirtschaftlich gesehen − ein Handwechsel an Grundstücken stattfindet. geschieht allerdings durch die Übertragung der Aktien der Gesellschaft nichts, weshalb eine Grundbuchabgabe entfällt. 8. Die Grundbuchabgabe bzw. generell die Handänderungssteuer ist von ihrem Wesen her eine Rechtsverkehrssteuer. Besteuert wird ein bestimmter Rechtsvorgang, der im seinen Niederschlag findet (Verhältnisse Kanton Aargau). Im vorliegenden Fall wird der Eigentumsübergang am Grundstück Nr. 100 auf die Aktiengesellschaft besteuert. Damit ein privilegierender Tatbestand nach § 22 Abs. 2 Bst. a GBAG angenommen kann, ist es erforderlich, dass die Verfügungsgewalt über das in Frage stehende Grundstück von der (im Anschluss zu liquidierenden) Kommanditgesellschaft auf die übergeht. Solchermassen liesse sich in Bezug auf das Grundstück sagen, dass sich durch die Umwandlung der Gesellschaft grundsätzlich nichts an der geändert hat, ausser, dass nicht mehr die Kommanditgesellschaft (welche liquidiert wird) über das Grundstück verfügt, sondern deren Nachfolge-Gesellschaft, die Aktiengesellschaft. Eine solch gleich gebliebene Verfügungsmacht, die vorher bei der Kommanditgesellschaft und hernach durch Umwandlung bei der Aktiengesellschaft liegt, würde die Anwendung eines privilegierenden Tatbestandes rechtfertigen. 9. Bezüglich der Verfügungsmacht über das Grundstück sind nun bei der Ermittlung der Grundbuchabgabe bzw. Handänderungssteuer die Verhältnisse gemäss Grundbuch massgeblich. Das Grundbuch ist jenes vom Gesetz vorgesehene Publizitätsmittel, zuverlässig über die Eigentums- und Berechtigungsverhältnisse an Grundstücken Auskunft gibt. An den Eintrag im Grundbuch knüpfen denn auch verschiedene Wirkungen und Folgen an. So wird gegen aussen der im Grundbuch eingetragene Eigentümer als Verfügungsberechtigter angesehen (vgl. Art. 965 Abs. 2 ZGB), auch wenn er intern seine Befugnisse auf einen Dritten übertragen hat oder seine Befugnisse mit Dritten teilt. Auch im Konkurs einer Gesellschaft, zum Beispiel einer Kommanditgesellschaft, würde des Einbezugs von Grundstücken in die Konkursmasse darauf abgestellt, wer als im Grundbuch verzeichnet ist. Grundstücke, welche im Grundbuch nicht auf die Firma der Kommanditgesellschaft lauten, würden − auch wenn sie in der Bilanz der unter den Aktiven aufgeführt werden − nicht in den Konkurs der einbezogen (vgl. auch Auskunft des aargauischen Konkursamtes vom 2. April 2009). 10. Haben es die Beteiligten − aus welchen Gründen auch immer − versäumt, die internen Berechtigungsverhältnisse an einem Grundstück mit den im Grundbuch eingetragenen Berechtigungsverhältnissen in Einklang zu bringen, können sie sich, jedenfalls in des Sachen- und Grundbuchrechts sowie in Belangen des Grundbuchabgabenrechts, nicht auf die ausserhalb des Grundbuchs bestehenden Verhältnisse berufen. Sie müssen sich die im Grundbuch eingetragenen Verhältnisse entgegen halten lassen. Dies die Veranlagung der Handänderungssteuern von der Veranlagung der allge- Seite 6 meinen Unternehmenssteuern, wo in einzelnen Belangen auf rein wirtschaftliche , wie eben etwa auf die Auflistung eines Grundstücks in der Bilanz einer trotz Fehlens der sachenrechtlichen Verfügungsmacht, abgestellt wird. 11. Vorliegend ist unbestritten, dass vor der Übertragung des Grundstücks Nr. 100 auf die X. AG D. X. als natürliche Person und Alleineigentümer des Grundstücks Nr. 100 im Grundbuch verzeichnet war und demnach sachenrechtlich über die Eigentumsrechte an diesem Grundstück verfügte. Diese Eigentumsrechte gehen nun mittels des vom XXXX 2008 direkt von der Einzelperson D. X. auf die X. AG über. Damit nun aber in Bezug auf das Grundstück eine Umwandlung im Sinne des § 22 Abs. 2 Bst. a GBAG hätte angenommen werden können, wäre zwingend notwendig gewesen, dass das sachenrechtliche Eigentum am Grundstück vor der Übertragung auf die Aktiengesellschaft bei der Kommanditgesellschaft lag. Dies war jedoch unbestrittenermassen nicht der Fall. Die Kommanditgesellschaft übertrug damit auf die Aktiengesellschaft keine Befugnisse, sondern diese gingen direkt von einer Drittperson auf die über. Unter diesen Umständen fehlt es an einer wesentlichen Voraussetzung zur Anwendung des § 22 Abs. 2 Bst. a GBAG, weshalb eine Veranlagung gestützt auf diesen Paragraphen nicht in Betracht kommen kann. Der Hauptantrag des ist demgemäss abzuweisen. Da die Anwendung von § 22 Abs. 2 Bst. a GBAG bereits am genannten Erfordernis der Übertragung der sachenrechtlichen Befugnisse von der Kommanditgesellschaft auf die Aktiengesellschaft scheitert, muss nicht mehr geprüft werden, ob die weiteren des § 22 Abs. 2 Bst. a GBAG, insbesondere die wertmässig grundsätzlich gleich gebliebenen Beteiligungsverhältnisse in concreto gegeben waren oder nicht. In der Tat sind die grundsätzlich gleich gebliebenen Beteiligungsverhältnisse im vorliegenden Fall fraglich, da der Kreis der Personen, welcher an der Kommanditgesellschaft X. & Co. war, nicht mehr identisch ist mit den Aktionären der neu gegründeten X. AG (zum Beispiel ist E. X., welche vormals Kommanditärin der X. & Co. war, an der X. AG nicht mehr beteiligt; desgleichen war die neue Aktionärin, F. X., vormals an der noch nicht beteiligt). 12. Bleibt noch als Letztes zu prüfen, ob dem Eventualantrag des Beschwerdeführers, es sei maximal eine Grundbuchabgabe von Fr. 2'000.− zu erheben, gefolgt werden kann. Der Beschwerdeführer begründet seinen Eventualantrag damit, dass man mit der direkten Grundstücksübertragung von D. X. auf die X. AG quasi in einem Schritt zwei vorgenommen habe, erstens die Handänderung von D. X. auf die X. & Co. und zweitens die Handänderung von der Kommanditgesellschaft auf die X. AG. Da nach Ansicht des Beschwerdeführers im Falle der beiden beschriebenen Handänderungen einzeln je eine Grundbuchabgabe von Fr. 1'000.− angefallen wäre, nunmehr, wenn die beiden Handänderungen in einem Schritt zusammengefasst , keine höhere Abgabe als Fr. 2'000.− resultieren. Dieser Ansicht des Beschwerdeführers kann nicht gefolgt werden: Im Rahmen der wird stets ein Rechtsvorgang beurteilt, der sich so auch tatsächlich ereig- Seite 7 net hat. Nur dieser konkret erfolgte Rechtsvorgang bildet das Steuerobjekt und den Gegenstand der Betrachtung. Vorliegend ist der zu beurteilende die Handänderung am Grundstück Nr. 100 infolge Direktübertragung des von D. X. auf die X. AG. Andere sachenrechtliche Vorgehensweisen, die auch möglich gewesen wären, um zum gleichen Endresultat (Eigentum der X. AG am ) zu gelangen, konkret aber nicht gewählt wurden, wie die vom Beschwerdeführer geschilderte mögliche Übertragung des Grundstücks in zwei Schritten auf die X. AG, für die Bestimmung der Höhe der Grundbuchabgabe eines anderen Sachverhalts nicht massgebend sein. Die Grundbuchabgabe bemisst sich stets nach dem im konkreten Fall gewählten sachenrechtlichen Vorgehen und ist, je nach Weg, den die Parteien zur Erreichung des von ihnen gewünschten Endresultates eingeschlagen haben, . Die vom Beschwerdeführer vertretene Auffassung würde darauf hinauslaufen, dass die Grundbuchabgaben auch bei unterschiedlich gewählten sachenrechtlichen stets die gleichen wären, was dem Wesen der Handänderungssteuer als Rechtsverkehrssteuer widerspricht. Da die vom Beschwerdeführer aufgezeigte in zwei Schritten effektiv nicht erfolgt ist, kann diese auch nicht abgabenbestimmend für die Direktübertragung des Grundstücks sein. Der Eventualantrag des ist somit abzulehnen. Ganz abgesehen davon wäre es im vorliegenden Fall auch nicht klar gewesen, ob die vom Beschwerdeführer geschilderte Übertragung in zwei Schritten (Übertragung des Grundstücks zunächst von der Einzelperson auf die Kommanditgesellschaft und von der Kommanditgesellschaft auf die Aktiengesellschaft) lediglich mit Fr. 2'000.− Grundbuchabgabe veranlagt worden wäre. Ob nämlich die vom gedachte erste Handänderung − die Übertragung des Grundstück von der auf die Kommanditgesellschaft − ohne Weiteres unter den von § 22 GBAG gefallen wäre, ist äusserst fraglich, da die Einbringung eines Grundstück von einer Einzelperson in eine Kommanditgesellschaft nicht a priori als gilt (vgl. hierzu auch den Wortlaut von § 22 Abs. 2 Bst. a GBAG). Letztlich kann diese Frage aber offen bleiben, da − wie oben aufgezeigt − bereits der Grundgedanke, auf dem der Eventualantrag des Beschwerdeführers basiert, als falsch abzulehnen ist. 13. Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass die Übertragung des Nr. 100 von der Einzelperson D. X. auf die X. AG grundbuchlich nicht als (Umwandlung) eingestuft werden kann. Damit eine Umwandlung hätte werden können, wäre zwingend notwendig gewesen, dass das sachenrechtliche Eigentum am Grundstück vor der Übertragung auf die Aktiengesellschaft bei der lag. Da dies vorliegend nicht der Fall war, gelangt der privilegierte von § 22 GBAG nicht zur Anwendung. Die Abgabe berechnet sich vielmehr nach dem Normaltarif von § 8 Abs. 1 GBAG. Die vom Grundbuchamt errechnete (5 ‰ von Fr. XXXX.− = Fr. XXXX.−) ist nicht zu beanstanden. Die Beschwerde ist demnach abzuweisen. 14. Bei diesem Verfahrensausgang hat der Beschwerdeführer die Verfahrenskosten zu tragen (§ 31 Abs. 2 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege [Verwal- Seite 8 tungsrechtspflegegesetz, VRPG] vom 4. Dezember 2007). Es wird kein zugesprochen (§ 32 Abs. 2 VRPG). III. Demgemäss wird verfügt: 1. Die Beschwerde wird abgewiesen. 2. Die Verfahrenskosten, bestehend aus einer Staatsgebühr von Fr. 1'600.– sowie den Kanzleigebühren und Auslagen in der Höhe von Fr. 112.25, gesamthaft Fr. 1'712.25, sind vom Beschwerdeführer zu bezahlen. 3. Es wird kein Parteikostenersatz zugesprochen. Oliver Werthmüller Chef Rechtsdienst Justizabteilung Zustellung an: - (2) Herrn A., Notar, in B., gegen Rückschein und unter Beilage der Original-Rechnung des Grundbuchamtes C. vom 16. Juni 2008 (Verfügung für sich und die Parteien des vom XXXX 2008) - Grundbuchamt C., gegen Empfangsbescheinigung, A-Post; Mitteilung nach Rechtskraft - Rechnungsführerin des Departements Volkswirtschaft und Inneres, Justizabteilung (nach Rechtskraft), zur Ausstellung der entsprechenden Rechnung gemäss Ziffer 2 des Seite 9 Rechtsmittelbelehrung 1. Gegen diesen Entscheid kann innert einer nicht erstreckbaren Frist von 30 Tagen seit Zustellung beim Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, Obere Vorstadt 40, 5001 Aarau, Beschwerde geführt . Die Frist steht still vom Samstag vor Palmsonntag bis Ostermontag, vom 1. Juli bis 15. August und vom 20. Dezember bis 10. Januar. 2. Die Beschwerdeschrift ist von der Partei selbst oder von einer Anwältin bzw. einem Anwalt zu verfassen, welche(r) gemäss dem Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (, BGFA) vom 23. Juni 2000 zur Vertretung von Parteien vor Gericht berechtigt ist. Die Beschwerdeschrift muss einen Antrag und eine Begründung enthalten, d.h., es ist a) anzugeben, wie das Verwaltungsgericht entscheiden soll, und b) darzulegen, aus welchen Gründen diese andere Entscheidung verlangt wird. 3. Auf eine Beschwerde, welche den Anforderungen gemäss den Ziffern 1 oder 2 nicht entspricht, wird nicht eingetreten. 4. Der angefochtene Entscheid ist anzugeben, allfällige Beweismittel sind zu bezeichnen und soweit möglich beizulegen. Die Beschwerdeschrift ist zu unterzeichnen. 5. Das Beschwerdeverfahren ist mit einem Kostenrisiko verbunden, d.h., die unterliegende Partei hat in der Regel die Verfahrenskosten sowie gegebenenfalls die gegnerischen Anwaltskosten zu bezahlen.
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AG_GB_001_--8-und-22-GBAG--Ums_2009-04-22
https://www.ag.ch/media/kanton-aargau/dvi/dokumente/arp/grundbuch/entscheide/20090422-grundbuchabgaben-umstrukturierung.pdf
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Microsoft Word - Entscheid vom 23.02.2004 Verein X. doc.doc Verein X; Grundbuchbeschwerde vom 11. Juni 2003 gegen die Abweisungsverfügung des Grundbuchamtes A. vom 21. Mai 2003 i.S. Kaufvertrag und Begründung einer Dienstbarkeit; Verfügung des Departementes des Innern vom 23. Februar 2004; Abweisung I. Sachverhalt 1. Mit Datum vom 20. Mai 2003 meldete der vom Verein X beauftragte Y die Begründung einer Dienstbarkeit und einen Kaufvertrag zur Eintragung im Grundbuch an. Gemäss Vertrag vom 10. April 2003 räumen die jeweiligen Eigentümer von GB Nr. Zzz, einer Stockwerkeigentumseinheit, dem Verein X ein selbständiges und dauerndes Benutzungsrecht an einem eingeschossigen Atelier mit WC im Erdgeschoss ein. Hiefür würde gemäss Vertrag ein eigenes Grundbuchblatt angelegt. Das selbständige und dauernde Benutzungsrecht wird zu einem Kaufpreis von 52'000 Franken an B. verkauft. Das Grundbuchamt A. wies die Anmeldung mit Verfügung vom 21. Mai 2003 jedoch mit der Begründung ab, dass der Kaufvertrag für den Verein X eine übermässige Belastung darstelle, da mit dem Verkauf des selbständigen und dauernden Benutzungsrechts eine Aushöhlung des Grundeigentums bewirkt werde. Zudem sei auch fraglich, ob damit nicht die Vorschriften der Nutzniessung unterlaufen würden. 2. Mit Eingabe vom 11. Juni 2003 legte der durch Y vertretene Verein X beim Departement des Innern gegen die Abweisungsverfügung Beschwerde ein. Zur Begründung führte er im Wesentlichen an, dass sich für das selbständige und dauernde Benutzungsrecht eine Bodenfläche von 41,19 m2 ergebe und die gesamte Fläche der Stockwerkeinheit zweigeschossig sei und somit betrage die mit der Dienstbarkeit belastete Bodenfläche ca. 20% der Gesamtfläche. Von einer übermässigen Belastung oder gar einer Aushöhlung des Grundeigentums könne nicht die Rede sein. Mit Verweis auf Lehre und Rechtsprechung führt der Beschwerdeführer an, dass die bestellte Dienstbarkeit auf Grund von Art. 781 Abs. 1 ZGB zulässig sei. Im Weiteren würden die Vorschriften über die Nutzniessung nicht verletzt; erstens, weil kein Bundesgerichtsentscheid existiere, der ein Rechtsgeschäft wie das vorliegende als unzulässig bezeichnen würde; zweitens, weil in der neueren Literatur die Ansicht vertreten würde, dass die Beschränkung der Nutzniessung auf einzelne Teile eines Grundstücks zulässig sei (insbes. im Hinblick auf Art. 11 BGBB); drittens werden bei allen Grundbuchämtern des Kantons Aargau Autoabstellplätze, Kellerabteile usw. als ausschliessliche Benutzungsrechte und damit als übertragbare irreguläre Dienstbarkeiten nach Art. 781 ZGB ausgestaltet und im Grundbuch eingetragen; viertens habe der vom Beschwerdeführer beauftragte Notar selbst schon ein absolut analoges Geschäft beim Grundbuchamt B. angemeldet; fünftens entspreche das Rechtsgeschäft einem legitimen Bedürfnis im Grundstücksverkehr und stelle kein Umgehungsgeschäft vor. 3. Am 7. Juli 2003 erstattete der Grundbuchverwalter zur Beschwerde einen Amtsbericht. Sinngemäss hielt er an der in der Abweisungsverfügung vertretenen Auffassung fest und beantragte die vollumfängliche Abweisung der Beschwerde. Insbesondere führte er an, dass es nicht zulässig sei, die geltenden Beschränkungen, wie sie sich aus dem Sachenrecht ergeben, mit Hilfe der allgemeinen Bestimmungen von Art. 730 ff. und 781 ZGB auszuschalten. Ein Wohnrecht könne bspw. nicht über Art. 730 ZGB als Grunddienstbarkeit oder über Art. 781 ZGB zu einer übertragbaren Personaldienstbarkeit ausgestaltet werden, wobei gleichzeitig eine unübertragbare Nutzungsdienstbarkeit i.S.v. Art. 781 ZGB mit Beschränkung auf einen Gebäudeteil – als Ersatz für eine solcherart begrenzte Nutzniessung, welche als unzulässig angesehen wird – als zulässig betrachtet werde. Die hier in Frage stehende Stockwerkeigentumseinheit leite sich aus dem Grundstück GB Nr. Z, auf welchem ein selbständiges und dauerndes Baurecht für die Erstellung und Beibehaltung von Reihen- und Mehrfamilienhäusern, befristet bis 30.06.2075, verselbständigt unter GB Nr. Zz, eingetragen sei. Es sei unzulässig eine über die Baurechtsdauer dauernde Dienstbarkeit einzutragen. Die beabsichtigte irreguläre Personalservitut sei nach Art. 781 ZGB nur in Interdependenz zur maximalen Baurechtsdauer vom 30.06.2075 und unter Berücksichtigung der maximalen Nutzniessungsdauer nach Art. 749 Abs. 2 ZGB zulässig, was zur Folge hätte, dass dieses, je nachdem, zeitlich befristet und unübertragbar sein müsste. Ein Wohnrecht sei zudem nur für natürliche Personen zulässig und eine Nutzniessung könne sich nicht auf einzelne Teile einer Liegenschaft beschränken. Die vom Beschwerdeführer vorgelegten behaupteten vergleichbaren Fälle haben natürliche Personen betroffen, was zur Folge habe, dass diese nicht herangezogen werden könnten. Zudem gelte der Grundsatz, dass kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht bestehe. 4. Der Beschwerdeführer erklärte in seiner Stellungnahme vom 19. August 2003, dass gemäss Art. 734 ZGB jede Grunddienstbarkeit mit dem vollständigen Untergang des belasteten oder des berechtigten Grundstückes untergehe. Dieser Grundsatz gelte gemäss Art. 781 Abs. 3 ZGB auch für irreguläre Personaldienstbarkeiten. Daraus folge, dass auf Baurechtsgrundstücken ohne weiteres dauernde Dienstbarkeiten auf unbestimmte Zeit eingetragen werden könnten. Das Grundbuchamt A. trage auch auf Baurechtsdienstbarkeiten immer wieder Dienstbarkeiten auf unbefristete Dauer ein. Vorschriften über die Nutzniessung werden mit dem angemeldeten Geschäft nicht verletzt. Das Bundesgericht habe einen analogen Fall noch nie zu beurteilen gehabt und die neuere Literatur erachte die Beschränkung der Nutzniessung auf einzelne Teile eines Grundstücks als zulässig, zudem gehe auch Art. 11 Abs. 3 BGBB von der Teilbarkeit aus. Alle Grundbuchämter des Kantons Aargau würden die Ausgestaltung von Autoeinstellplätzen, Kellerabteilen usw. als ausschliessliche Benutzungsrechte und damit als übertragbare irreguläre Dienstbarkeiten nach Art. 781 ZGB zulassen. 5. In der Duplik vom 11. September 2003 weist der Grundbuchverwalter zusätzlich darauf hin, dass im vorliegenden Fall Art. 734 ZGB nicht anwendbar sei, und die vom Beschwerdeführer zitierte Literatur nicht einschlägig sei. Insbesondere dürften die Bestimmungen von Art. 730 ff. und 781 ZGB nicht ausgeschaltet werden. ... II. Erwägungen 1. Gegen die Abweisungsverfügung einer Grundbuchanmeldung kann innert 30 Tagen, gerechnet ab deren Zustellung, bei der kantonalen Aufsichtsbehörde Beschwerde geführt werden (vgl. Art. 103 Abs. 1 GBV). Beschwerdebefugt sind der Anmeldende sowie alle weiteren Personen, die von der Abweisungsverfügung berührt sind. Die Eingabe der Beschwerde erfolgte fristgerecht und der Beschwerdeführer ist legitimiert. Das Departement des Innern als kantonale Aufsichtsbehörde über die Grundbuchämter ist zur Behandlung der Beschwerde zuständig (vgl. Art. 956 ZGB i.V.m. § 1 Abs. 1 lit. a der Delegationsverordnung (SAR 153.111)). Auf die Beschwerde ist somit einzutreten. 2. Damit die Zulässigkeit des selbständigen und dauernden Benutzungsrecht im konkreten Fall beurteilt werden kann, wird in Folge die Bestimmung von Art. 781 ZGB ausgelegt. Art. 781 Abs. 1 ZGB statuiert, dass Dienstbarkeiten anderen Inhaltes zugunsten einer beliebigen Person oder Gemeinschaft an Grundstücken bestellt werden können, so oft diese in bestimmter Hinsicht jemandem zum Gebrauch dienen können, wie für die Abhaltung von Schiessübungen oder für Weg und Steg. 3. Die irreguläre Personaldienstbarkeit nach Art. 781 ZGB ist eine persönliche Dienstbarkeit. Sie ist im Gegensatz zu den anderen persönlichen Dienstbarkeiten wie Wohnrecht und Nutzniessung nicht unlösbar mit einer Person verbunden. Während bei der irregulären Personaldienstbarkeit die Übertragbarkeit und Vererblichkeit festgelegt werden kann (Art. 781 Abs. 2 ZGB), hat das Wohnrecht höchst persönlichen Charakter. Übertragbarkeit und Vererblichkeit sind ausgeschlossen (Art. 776 Abs. 2 ZGB). Es äussert sich auch darin, dass beim dinglichen Wohnrecht nur natürliche Personen Berechtigte sein können, während die irreguläre Personaldienstbarkeit sowohl zu Gunsten natürlicher wie auch juristischer Personen errichtet werden kann (Felix Zurbriggen, Die irregulären Personaldienstbarkeiten (Art. 781 ZGB), Diss. Freiburg 1981, S. 99, 157). 4. a) Belastungsgegenstand der irregulären Personaldienstbarkeit kann nur die Liegenschaft als Ganze sein. Bestimmte abgegrenzte Flächen einer Liegenschaft (reale Teile) oder ideelle Teile können nicht Objekte der Belastung sein. Wohl kann aber vertraglich und durch den Wortlaut der Eintragung die Ausübung der irregulären Personaldienstbarkeit auf einen räumlich begrenzten Teil der Liegenschaft beschränkt werden (Zurbriggen S. 24 f.; RVJ 1987 S. 197). Faktisch ist somit regelmässig nur ein Teil der Liegenschaft mit der irregulären Personaldienstbarkeit belastet, de iure aber liegt die Last auf der ganzen Liegenschaft. Durch die irreguläre Personaldienstbarkeit wird zwar die ganze Grundbuchparzelle belastet, nur ein Teil des Grundstücks wird aber meistens durch ihre Ausübung in Anspruch genommen. Dieser Teil kann durch fortwährende Ausübung der irregulären Personaldienstbarkeit festgelegt werden. Häufiger aber ist die Ausübungsstelle im Dienstbarkeitsvertrag vereinbart und zudem im Grundbuchplan durch Einzeichnung der Dienstbarkeitsgrenzen örtlich genau festgelegt (Zurbriggen S. 109). Das Grundstück kann bei der irregulären Personaldienstbarkeit somit nur in bestimmter Hinsicht belastet werden (Art. 781 Abs. 1 ZGB). Dieser Grundsatz der Begrenztheit der Belastung unterscheidet nämlich die Grunddienstbarkeiten und die irregulären Personaldienstbarkeiten von der Nutzniessung, welche dem Nutzniesser den vollen Genuss des Gegenstandes gewährt (Art. 745 Abs. 2 ZGB; Zurbriggen S. 130). Sowohl Art. Art. 781 wie auch 730 ZGB, der analog für die irregulären Personaldienstbarkeiten gilt, legen das Kriterium der Begrenztheit der Belastung fest und verhindern die vollständige Entleerung des Eigentums. Sie besteht lediglich in einer partiellen Sachherrschaft. b) Da bei den irregulären Personaldienstbarkeiten ein herrschendes Grundstück regelmässig nicht vorhanden ist, sind – unter Vorbehalt anderer Abrede – gemäss Art. 781 Abs. 2 ZGB für die Bemessung ihres Inhalts lediglich die persönlichen, und zwar die gewöhnlichen, durchschnittlichen Bedürfnisse der berechtigten Person massgebend. c) Art. 781 ZGB ist vom Gesetzgeber inhaltlich sehr offen formuliert, so dass den Parteien eine genügend grosse Freiheit bleibt, eben auch andere Personaldienstbarkeiten als z.B. eine Nutzniessung und ein Wohnrecht zu errichten. Den irregulären fehlt jede gesetzliche Umschreibung. Ihr Inhalt wird durch die Vertragsparteien grundsätzlich frei bestimmt (BGE 116 II 281; Jörg Schmid/Bettina Hürlimann-Kaupp, Sachenrecht, Zürich 2003, N. 1324). „Andere Dienstbarkeiten“ gemäss Marginalie von Art. 781 ZGB sind weder -, noch Wohnrechte noch Grunddienstbarkeiten. Mit den Grunddienstbarkeiten stimmen sie in ihrem Inhalt aber überein (Abs. 3). Ihr Inhalt, ihre Existenz und ihre Veränderung werden nach grunddienstbarkeitsrechtlichen Vorschriften beurteilt (Art. 730 ff. ZGB). Jede Belastung, die als Grunddienstbarkeit möglich ist, kann also auch als Dienstbarkeit nach Art. 781 ZGB begründet werden. Schliesslich ist der beim Wohnrecht durch das Gesetz (Art. 776 Abs. 1 ZGB) konkretisiert, während bei den irregulären Personaldienstbarkeiten der Inhalt durch einen Dienstbarkeitsvertrag wird. Mit den persönlichen Dienstbarkeiten treffen sich diese anderen Dienstbarkeiten im Subjekt, in der Person des Berechtigten. (BGE 78 II 27; Zurbriggen, S. 13, 18, 99, 132, 157; Tuor/Schnyder/Schmid/Rumo-Jungo, Das Schweizerische , Zürich 2002, S. 964; RVJ 1987 S. 196 f.). d) Vorliegend stellt sich die Frage nach dem Verhältnis der zwingenden Bestimmungen über Nutzniessung und Wohnrecht zu den „anderen Dienstbarkeiten“ (vgl. auch Hans-Peter Friedrich, Zum Inhalte von Nutzungsdienstbarkeiten, in: Basler Festgabe zum Juristentag 1963, S. 37 ff.). Ein Wohnrecht und eine Nutzniessung, welche an einem Grundstück begründet werden, stehen sich in ihrer Struktur her betrachtet sehr nahe. Die Nutzniessung gestattet grundsätzlich dieselbe Sachnutzung wie ein Wohnrecht. Die strukturelle Ähnlichkeit zeigt sich auch darin, dass das ZGB die Bestimmungen über die Nutzniessung für das Wohnrecht als subsidiär anwendbar erklärt (Art. 776 Abs. 3 ZGB). Beides sind Personaldienstbarkeiten. Die Lehre hat deshalb schon früher die Beschränkung der Ausübung einer Nutzniessung auf einen bestimmten Gebäudeteil für zulässig erachtet (Friedrich; Heinz Rey, Funktionen des Dienstbarkeitsvertrages in ZBGR 64 S. 263; vgl. Gesetzesnovelle in Art. 745 Abs. 3 ZGB). „Andere Dienstbarkeiten“ können grundsätzlich mit beliebigen Inhalten begründet werden. Der Typenzwang verbietet lediglich die Ausgestaltung eines gesetzlich typisierten (beschränkten) dinglichen Rechtes als „andere Dienstbarkeit“ zwecks Umgehung derjenigen Einschränkungen, welche der Gesetzgeber bei diesen bestimmten Typen (beschränkter) dinglicher Rechte vorgesehen hat. Was bei den bestimmten Dienstbarkeiten ausgeschlossen wurde, weil er darin eine übermässige Beschränkung des Eigentums liegt, kann nicht Gegenstand einer irregulären Personaldienstbarkeit bilden. Namentlich beziehen sich diese Dienstbarkeiten – anders als die Nutzniessung – nur auf einzelne bestimmte Nutzungs- und Gebrauchsrechte. Vom System des Typenzwangs her steht fest, dass der Inhalt der Dienstbarkeit nicht so ausgestaltet werden kann, dass damit der Eigentümer sein Recht in zeitlicher und sachlicher Hinsicht überhaupt aufgibt. Eine solche Dienstbarkeit darf somit nicht im Ergebnis auf die Übertragung des Eigentums hinauslaufen und nicht so ausgestaltet werden, dass das Eigentum völlig seines Gehalts entleert wird. Daraus (und aus Art. 776 Abs. 2 ZGB) folgt z.B., dass die Parteien auch unter dem Gesichtspunkt von Art. 781 ZGB keine Personaldienstbarkeit vereinbaren können, welche auf ein übertragbares und vererbliches Wohnrecht hinausläuft (BGE 116 II 281, 290; Jörg Schmid/Bettina Hürlimann-Kaupp, Sachenrecht, Zürich 2003, N. 1324; E. Petitpierre, N. 12 f. zu ZGB 781; vgl. Urteil des Kantonsgerichts Graubündens vom 30. August 1976 in PKG 1976, 4, S. 33 f.). So ist es beispielsweise nicht zulässig, als Dienstbarkeit im Sinne von Art. 781 ZGB ein zeitlich unbefristetes und übertragbares Nutzungsrecht an bestimmten Räumen eines Hauses zu begründen, weil damit die Bestimmung umgangen würde (Typenfixierung), dass ein Wohnrecht unübertragbar und befristet ist (BGE 116 II 289 ff.). Nach herrschender Lehre ist nämlich beim Wohnrecht, im Gegensatz zur Nutzniessung, nicht nur das Recht als solches, sondern auch dessen Ausübung nicht übertragbar (BGE 116 II 289). Vor der Gesetzesrevision in Art. 745 Abs. 3 ZGB galt, dass eine auf einzelne Teile eines Grundstücks beschränkte Nutzungsdienstbarkeit nicht als Nutzniessung, sondern nur als andere Dienstbarkeit im Sinne von Art. 781 ZGB im Grundbuch eingetragen werden kann. Demgegenüber liess es das Bundesgericht zu eine nutzniessungsähnliche Dienstbarkeit, die sich auf einzelne Teile eines Grundstücks beschränkt, als andere Dienstbarkeit i. S. von Art. 781 ZGB zu errichten. Das eingeräumte Herrschaftsrecht muss aber immer ein beschränktes bleiben, dies entspricht der Regelung der Grunddienstbarkeiten (BGE 116 II 289 f.; Jörg Schmid/Bettina Hürlimann-Kaupp, Sachenrecht, Zürich 2003, N. 1324, 1429, Petitpierre, N. 12 f. zu ZGB 781; Hans Michael Riemer, Die beschränkten dinglichen Rechte, Bern 2000, § 13 N. 1; Tuor/ Schnyder/Schmid/Rumo-Jungo, S. 964). e) Grundsätzlich wird die Möglichkeit einer Belastung einer Stockwerkeigentumseinheit mit einer irregulären Personaldienstbarkeit nicht bestritten. Der Mangel eines körperlichen Stubstrats wie bei den Miteigentumsanteilen besteht bei den Stockwerkeigentums- einheiten gerade nicht. Objekt der irregulären Personaldienstbarkeit ist der Anteil, Inhalt der irregulären Personaldienstbarkeit ist die Belastung jener Teile, welche zu Sonderrecht ausgeschieden sind. Abgelehnt wird aber zu Recht die Errichtung solcher Dienstbarkeiten, durch welche die Ausübung von Befugnissen der Gemeinschaft beeinträchtigt wird, nämlich die Veräusserung des Grundstücks, die Nutzung und Verwaltung gemäss bestehenden Zweckbestimmung sowie Änderung der Zweckbestimmung. Der Schutz der Stockwerkeigentumsgemeinschaft geht hier vor. Dies führt vor allem zur Ablehnung von affirmativen irregulären Personaldienstbarkeiten, welche die Entscheidungsfreiheit der Gemeinschaft in irgendeiner Weise beeinträchtigen. Der Belastete müsste Handlungen dulden, die er als Stockwerkeigentümer abwehren könnte. Er müsste ferner auch als Folge von Art. 737 Abs. 3 ZGB alles unterlassen, was die Ausübung der Dienstbarkeit verhindern oder erschweren würde. Er hätte demnach gegen all jene Beschlüsse der Stockwerkeigentumsgemeinschaft zu stimmen, welche die Ausübung der Dienstbarkeit erschweren oder verhindern würden, was sich aber unter Umständen – insbesondere beim Einstimmigkeitsprinzip – als Beschränkung der Freiheit der Stockwerkeigentümer auswirken könnte. Als Beispiel einer abzulehnenden affirmativen irregulären Personaldienstbarkeit kann man hier ein Platzrecht zugunsten einer Möbelfabrik anführen, das den belasteten Stockwerkeigentümer verpflichtet, die Benutzung seiner Räume zur Lagerung von Holz zu dulden. Sollte nun das Gesamtgebäude aus wirtschaftlichen Gründen einer Zweckänderung unterworfen werden (z.B. in ein Hotel umgewandelt werden), so müsste der belastete Stockwerkeigentümer als Folge des Art. 737 Abs. 3 ZGB gegen diesen Beschluss stimmen, obwohl er vielleicht von der wirtschaftlichen Notwendigkeit dieser Umwandlung überzeugt ist. Ist für die Zweckänderung des Gebäudes Einstimmigkeit erforderlich (vgl. Art. 648 Abs. 2 ZGB), so würde der belastete Stockwerkeigentümer dieses Vorhaben der Umwandlung vereiteln und damit den übrigen Stockwerkeigentümern unter Umständen schweren Schaden zufügen (Zurbriggen, S. 39 ff.). Deshalb vertritt die neuere Lehre einhellig die Auffassung, das ZGB lasse eine dienstbarkeitsrechtliche Ersatzlösung für das Stockwerkeigentum, die dem Dienstbarkeitsrecht widerspricht, nicht zu. Das Wohnrecht sei in den Artikeln 776 bis 778 abschliessend geregelt, es sei gemäss Art. 776 Abs. 2 ZGB weder vererblich noch übertragbar. Es sei deshalb nicht zulässig, ein dem Wohnrecht inhaltlich entsprechendes Benützungsrecht in der Form von Art. 781 ZGB als übertragbare irreguläre Personaldienstbarkeit zu begründen. Will man ein übertragbares Wohnrecht als dingliches Recht begründen, bietet das Gesetz nur das Stockwerkeigentum an (Zurbriggen S. 158; Tuor/Schnyder/Schmid/Rumo-Jungo, S. 959; BGE 103 II 176, 181 f.). Das Bundesgericht betrachtet übertragbare irreguläre Personalservitute, die inhaltlich einem Wohnrecht gleichkommen, als mit dem Gesetz unvereinbar und daher als nichtig (BGE 103 II 183). Es verstösst nämlich gegen zwingende Grundsätze des Sachenrechts, vor allem das Prinzip der Typengebundenheit, ein mit dem Stockwerkeigentum vergleichbares Benützungsrecht an einem Stockwerk oder an einer Wohnung als übertragbare und vererbliche Personalservitut im Sinne des Art. 781 ZGB nach der Einführung des Stockwerkeigentums im Jahre 1965 ins Grundbuch eintragen zu lassen. Der Gesetzgeber hat sich mit der Einführung der Ablehnung von übertragbaren irregulären Personalservituten mit dem Inhalt des Wohnrechts oder der Nutzniessung durch die neuere Lehre angeschlossen (vgl. Urteil des Kantonsgerichts Graubündens vom 30. August 1976 in PKG 1976, 4, S. 30 ff.; Heinz Rey, Schweizerisches Stockwerkeigentum, Zürich 2001, N 206). De facto geht es hier in diesem Sachverhalt um die Einräumung einer in einer bereits bestehenden Stockwerkeigentumseinheit. Sie erfüllte aber nicht die Voraussetzungen hiefür, weil der Zugang nicht über einen Gemeinschaftsraum möglich wäre (Art. 712b Abs. 1 ZGB), sondern nur über die bereits bestehende Stockwerkeigentumseinheit erfolgen würde. 5. Das Bundesgericht stützt sich in seinen Ausführungen in BGE 116 II 281 vor allem auf den Artikel von Hans-Peter Friedrich, Zum Inhalte von Nutzungsdienstbarkeiten, in: Basler Festgabe zum Juristentag 1963, S. 37 ff. Der Argumentation von Friedrich kann daher für den vorliegenden Entscheid mit entsprechender kritischer Würdigung gefolgt werden. Der Gebrauch und die Nutzung des Grundstücks sollen mit der Errichtung einer irregulären Personaldienstbarkeit nicht, wie bei der Nutzniessung, in vollem Umfange dem Eigentümer entzogen werden können. Der Genuss der Sache muss dem Eigentümer zum mindesten teilweise erhalten bleiben (Friedrich S. 40). Die Dienstbarkeit darf nicht dazu führen, dass der Eigentümer sein Recht in zeitlicher und sachlicher Hinsicht überhaupt aufgibt. Unter dem System des Typenzwangs wird die Sachenrechtsordnung keine beschränkte dingliche Rechte zulassen, deren Einräumung im Ergebnis auf die Übertragung des Eigentums als solchem hinausläuft (Friedrich S. 45). Wird eine Dienstbarkeit auf unbestimmte, also unbeschränkte Zeit bestellt, so kann sich daraus eine Belastung für das Grundstück ergeben, die einem dauernden Entzug der dem Eigentümer zustehenden Befugnisse gleichkommt (Friedrich S. 47). Wenn eine Dienstbarkeit das Grundstück in sachlicher Hinsicht, wie etwa bei der Einräumung umfassender Nutzungsrechte, sehr weitgehend belastet, jedoch diese Last in zeitlicher Hinsicht beschränkt ist, so kann hierin eine Belastung in bestimmter Hinsicht i.S.v. 781 iVm. 730 ZGB gesehen werden. Als Massstab einer Belastung sollte im Vergleich immer berücksichtigt werden, dass bei einer Nutzniessung das persönliche Moment zurückgedrängt wird (z.B. Art. 758 ZGB), und bei einem Baurecht die zeitliche Komponente kaum einschränkend wirkt (Art. 779l Abs. 1 ZGB; auf höchstens 100 Jahre). Eine umfassende Dienstbarkeit, die auf beschränkte Zeit begründet wird, also keine dauernde Belastung des Grundstücks bedeutet, kann als partielle und damit zulässige Beschränkung der Herrschaftsbefugnisse des Grundeigentümers erscheinen. 6. a) Die Voraussetzung für die Aufnahme als „Grundstück“ ins Grundbuch ist, dass die Dienstbarkeit als selbständige (nicht zu Gunsten eines herrschenden Grundstücks oder ausschliesslich zu Gunsten einer bestimmten Person) und dauernde (auf mind. 30 Jahre oder unbestimmte Zeit9 errichtet worden ist (Art. 7 GBV; Tuor/Schnyder/Schmid/ S. 965; Schmid/Hürlimann-Kaupp, N. 1437). Im Gesetz ist nicht abschliessend aufgezählt, welche Fälle als selbständige und dauernde Rechte ins Grundbuch aufgenommen werden dürfen (vgl. Art. 7 Abs. 1 GBV). Nach herrschender Lehre ist die Verliegenschaftung jedes dinglichen Nutzungsrechts an Grundstücken möglich, sofern es selbständigen und dauernden Charakter hat (Zurbriggen S. 178). Von Gesetzes wegen ist das Wohnrecht nicht übertragbar (Art. 776 Abs. 2 ZGB); es kann somit nicht als selbständiges und dauerndes Recht ins Grundbuch aufgenommen werden, ebenso die Nutzniessung, die der Substanz nach unübertragbar ist (lediglich die Ausübung ist übertragbar, vgl. Tuor/Schnyder/Schmid/Rumo-Jungo S. 959; Besprechung von BGE 116 II 281 in Berner Notar 1991, S. 192 ff., 200). Die irreguläre Personaldienstbarkeit kann durch Vereinbarung nach Art. 781 Abs. 2 ZGB übertragbar ausgestaltet werden, somit erfüllt sie die eine Voraussetzung der Selbständigkeit. Wenn sie weiter auch auf mindestens 30 Jahre errichtet wird, hat sie auch dauerhaften Charakter (siehe Zurbriggen S. 182). b) Im vorliegenden Beschwerdefall wurde die irreguläre Personaldienstbarkeit, das selbständige und dauernde Benutzungsrecht betr. Atelier mit WC, auf unbeschränkte Zeit errichtet. Am Grundstück Nr. Zz, ein selbständiges und dauerndes Baurecht, sind die einzelnen Stockwerkeigentümer beteiligt. Das Baurecht ist bis 30. Juni 2075 befristet. Das selbständige und dauernde Benützungsrecht betr. Atelier mit WC würde somit erst mit dem Untergang des belasteten Hauptblattes, vorerst Grundstück Nr. Zzz, dem Stockwerkeigentumsanteil, und schlussendlich Nr. Zz untergehen (Art. 734 ZGB). Gemäss Art. 734 ZGB geht jede Grunddienstbarkeit unter mit dem vollständigen Untergang des belasteten oder des berechtigten Grundstücks. Dieser Grundsatz gilt auch für irreguläre Personaldienstbarkeiten (Art. 781 Abs. 3 ZGB; Mattia Tonella, Die Löschung eine bedeutungslos gewordenen Dienstbarkeit, ZBGR 2003 S. 231). Längstens würde die irreguläre Personaldienstbarkeit bis zum 30. Juni 2075 bestehen. Diese umfassende Nutzungsdienstbarkeit würde vorliegend mit der Anlegung eines eigenen Grundbuchblattes (Art. 7 GBV) auf unbeschränkte Zeit begründet und bedeutete somit eine dauernde Belastung des Hauptgrundstücks (vgl. Friedrich S. 48). Damit würde der Eigentümer sein Recht in zeitlicher und sachlicher Hinsicht überhaupt aufgeben. Zum Wesen einer Grunddienstbarkeit wie der „anderen Dienstbarkeiten“ gehört es, dass sie nur einzelne bestimmte Nutzungs- und Gebrauchsbefugnisse zum Gegenstand haben (vgl. Art. 781 ZGB), so dass alle übrigen Gebrauchsbefugnisse dem Eigentümer des belasteten Grundstückes verbleiben, dieser also von der Benutzung weder seines ganzen Grundstücks noch eines Teils desselben völlig ausgeschlossen ist. Denn eine Dienstbarkeit, die dem Berechtigten ein unbegrenztes Gebrauchsrecht verliehe, würde das Eigentum seiner Substanz berauben. Die Nutzung auf Grund der Personaldienstbarkeit würde zudem wesentliche Teile des Stockwerkeigentumsanteil belasten. Es würde dem Eigentümer auf dem belasteten Grundstück das nackte Eigentum verbleiben. Eine Verfügbarkeit über die Liegenschaft wäre wesentlich herabgesetzt. Eine derart schwerwiegende Beeinträchtigung der Eigentümerbefugnisse in sachlicher und zeitlicher Hinsicht sprengt den zulässigen Inhalt der Dienstbarkeit (vgl. auch Friedrich S. 50; PKG 1976, 4, S. 33 f.). c) In BGE 116 II 281 ff. wurde festgehalten, dass es nicht zulässig sei, als Dienstbarkeit im Sinne von Art. 781 ZGB ein zeitlich unbefristetes und übertragbares Nutzungsrecht an bestimmten Räumen eines Hauses zu begründen, weil damit die Bestimmung umgangen würde, dass ein Wohnrecht unübertragbar und befristet ist. Vorliegend wurde das mit einem Wohnrecht vergleichbaren Benützungsrecht zwar nicht zu Gunsten einer natürlichen Person, sondern dem Verein X, einer juristischen Person, eingeräumt. Diese wiederum verpflichtete sich das selbständige und dauernde Benutzungsrecht an eine natürliche Person zu verkaufen. Da die Nutzniessung und auch das Wohnrecht nicht übertragbar sind, kann die irreguläre Personaldienstbarkeit nach Art. 781 ZGB nicht im Sinne von Art. 7 GBV ausgestaltet werden. 7. Wenn eine Behörde in einem Fall eine vom Gesetz abweichende Entscheidung getroffen hat, gibt das den Privaten, die sich in der gleichen Lage befinden, grundsätzlich keinen Anspruch darauf, ebenfalls von der Norm abweichend behandelt zu werden (kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht, vgl. Ulrich Häfelin/Georg Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, Zürich 2002, N 518 mit Verweis auf die bundesgerichtliche Praxis). Das vom Beschwerdeführer vorgebrachte seines Erachtens analoge Geschäft, welches nach der Anmeldung beim Grundbuchamt B. eingetragen wurde, kann deshalb nicht angeführt werden. Der vorliegende Sachverhalt kann zudem auch nicht mit Autoabstellplätzen verglichen werden, wie dies der Beschwerdeführer geltend macht. 8. Unter diesen Voraussetzungen war die Abweisungsverfügung vom 21. Mai 2003 richtig ergangen. Die Anmeldung der irregulären Personaldienstbarkeit nach Art. 781 ZGB und deren anschliessende Ausgestaltung zu einem selbständigen und dauernden Benutzungsrecht an einem eingeschossigen Atelier mit WC im Sinne von Art. 7 GBV verstösst gegen die zwingende Sachenrechtsordnung. ... Demgemäss wird verfügt: 1. Die Beschwerde vom 11. Juni 2003 gegen die Abweisungsverfügung des Grundbuchamtes A. vom 21. Mai 2003 i.S. Kaufvertrag und Begründung einer Dienstbarkeit wird abgewiesen. ...
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AG_GB_001
AG_GB
AG
Northwestern_Switzerland
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anonymisierter_beschwerdeentscheid_vger._1_10_gbag Verwaltungsgericht 3. Kammer WBE.2008.XXX / NW / sk (Nr. XXXXX/44.2-2/vA) Art. 8 Urteil vom 19. Februar 2009 Besetzung Verwaltungsrichter Winkler, Präsident Verwaltungsrichter Gysi Verwaltungsrichterin Lang Gerichtsschreiber Cotti Rechtspraktikant Wuillemin 1 A. 2 B. 1 und 2 vertreten durch C. Gegenstand Beschwerdeverfahren betreffend Grundbuchabgabe Entscheid des Departements Volkswirtschaft und Inneres vom 27. August 2008 - 2 - Das Verwaltungsgericht entnimmt den Akten: A. 1. Am XXXX 2005 reichte die damalige X. AG (heute: Y. AG), als Bauherrin ein Baugesuch für die Überbauung Z. in D. ein (Baugesuch Nr. XX). Darin war u.a. vorgesehen, in D. auf der im Eigentum der B. stehenden Parzelle Nr. 100 X Mehrfamilienhäuser mit insgesamt X Wohnungen zu erstellen. 2. Mit öffentlich beurkundetem Kaufvertrag vom XXXX 2005 kaufte die A. von der B. u.a. die erwähnte Parzelle Nr. 100 zu einem Preis von Fr. XXXX.--. Gleichentags schlossen die A., als Bestellerin, und die X. AG (nachfolgend: Totalunternehmerin) einen Totalunternehmervertrag (nachfolgend: TU-Vertrag) ab. Dieser sah die Erstellung der Überbauung Z. in D. auf der erwähnten Parzelle Nr. 100 zu einem Werklohn von Fr. XXXX.-- vor. 3. Mit Verfügung vom XXXX 2006 bewilligte der Gemeinderat D. das Baugesuch vom XXXX 2005. Diese Verfügung erwuchs am XXXX 2006 in Rechtskraft. 4. Am XXXX 2006 meldete Notar E. den Kaufvertrag über die Parzelle Nr. 100 dem Grundbuchamt F. zum grundbuchlichen Vollzug. Nachdem dieses zusätzlich den TU-Vertrag einverlangt hatte, erhob es mit Abgaben- und Gebührenrechnung vom XXXX 2006 eine Gebühr von Fr. XXXX.--, wobei es die Handänderungsabgabe auf Fr. XXXX.-- festsetzte. Dabei ging es von einem Kauf- bzw. Übernahmepreis von Fr. XXXX.-- aus, weil es den Werklohn von Fr. XXXX.-- mit dem Kaufpreis von Fr. XXXX.-- zusammenrechnete. B. Auf Beschwerde der B. und der A. hin entschied das Departement Volkswirtschaft und Inneres (DVI) am 27. August 2008: - 3 - "1. Die Beschwerde gegen die Abgaben- und Gebührenrechnung TB-/. XXX des Grundbuchamtes F. vom XXXX 2006 wird abgewiesen. 2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens, bestehend aus einer von Fr. 1'600.-- und den Kanzleigebühren und direkten Auslagen des Departementes Volkswirtschaft und Inneres in Höhe von Fr. 260.--, total Fr. 1'860.--, sind von den Beschwerdeführerinnen - je zur Hälfte und unter solidarischer Haftbarkeit - zu bezahlen. Die diesbezügliche erfolgt mit separater Post an den Vertreter der , C., Rechtsanwalt, in G." C. Gegen den am 28. August 2008 zugestellten Entscheid liessen die B. und die A. mit Eingabe vom 16. September 2008 fristgerecht erheben mit den Anträgen: "1. Die Verfügung sei aufzuheben, und die Grundbuchabgabe für die 1 und 2 sei auf je CHF XXXX festzusetzen. 2. Die Kosten seien auf die Staatskasse zu nehmen, und den 1 und 2 sei eine angemessene Parteientschädigung ." Mit Vernehmlassung vom 27. Oktober 2008 beantragte das DVI, die sei unter Kostenfolgen abzuweisen. Mit Schreiben vom 6. Oktober 2008 verzichtete das Grundbuchamt F. auf eine Vernehmlassung. Mit Eingabe vom 24. November 2008 äusserten sich die Beschwerdeführerinnen nochmals und hielten an ihren fest. D. Das Verwaltungsgericht hat den Fall am 19. Februar 2009 beraten und entschieden. Das Verwaltungsgericht zieht in Erwägung: I. 1. Auf den 1. Januar 2009 ist das totalrevidierte Gesetz über die vom 4. Dezember 2007 (, VRPG; SAR 271.200) in Kraft getreten. Es ersetzt das bisherige Verwaltungsrechtspflegegesetz vom 9. Juli 1968. Gemäss der von § 84 Satz 1 VRPG werden die beim Inkrafttreten des revidierten VRPG bereits hängigen Verfahren nach bisherigem Recht zu Ende geführt. Das vorliegende Beschwerdeverfahren ist beim Verwal- - 4 - tungsgericht am 16. September 2008 (Postaufgabe der Beschwerde) rechtshängig gemacht worden. Mithin gelangen die Vorschriften des VRPG in der Fassung vom 9. Juli 1968 (nachfolgend: aVRPG) zur . 2. Entscheide des DVI über Abgabenrechnungen der Grundbuchämter an das Verwaltungsgericht weitergezogen werden (§ 30 Abs. 2 des Gesetzes über die Grundbuchabgaben vom 7. Mai 1980 [GBAG; SAR 725.100] i.V.m. § 2 Abs. 1 lit. a der Verordnung über die Delegation von Kompetenzen des Regierungsrates vom 8. November 1992 [SAR 153.111]; § 52 Ziff. 1 aVRPG). Das Verwaltungsgericht ist somit zur Behandlung des vorliegenden Falles zuständig. Es überprüft den angefochtenen Entscheid vollumfänglich (§ 56 Abs. 2 lit. a aVRPG). 3. Die Beschwerdeführerinnen sind zur Beschwerde legitimiert (§ 30 Abs. 1 GBAG). II. 1. 1.1. Auf allen grundbuchlichen Vorgängen wird eine Abgabe erhoben (§ 1 GBAG). Bei Handänderungen an Grundstücken beträgt die Abgabe 5 ‰ der Kauf- oder Übernahmesumme (§ 8 Abs. 1 GBAG). Die stellt eine Gemengsteuer dar, die Steuer- und aufweist und deren Höhe somit nicht durch das - und das Äquivalenzprinzip begrenzt wird (vgl. BGE 130 III 230; Aargauische Gerichts- und Verwaltungsentscheide [AGVE] 1979, S. 103 ff.; Ulrich Häfelin / Georg Müller / Felix Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl., Zürich 2006, Rz. 2687; Ernst Blumenstein / Peter Locher, System des schweizerischen Steuerrechts, 6. Aufl., Zürich 2002, S. 7 f., 204 f.; Botschaft des Regierungsrates vom 30. April 1979 zum GBAG, S. 1; Botschaft des Regierungsrates vom 26. März 1979 zur Änderung des Grundbuchtarifes, S. 1). 1.2. Wo eine Steuernorm an wirtschaftliche Sachverhalte anknüpft, ist auch ihre Auslegung, selbst wenn die Norm zivilrechtliche Begriffe enthält, durch eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geprägt. Dies ist nicht mit einer ausdehnenden Auslegung gleichzusetzen (sondern mag lediglich so erscheinen, wenn die Begriffe ausschliesslich mit ihrem Gehalt betrachtet werden). Allerdings ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise kein Freipass, um den Rahmen der Auslegung zu überschreiten und so zu Ergebnissen zu gelangen, die im Gesetz, seinem Wortlaut und Sinn gemäss, nicht enthalten sind (vgl. dazu Blumenstein / - 5 - Locher, a.a.O., S. 30 ff.). Bei Beachtung dieser Schranken wird der Grundsatz der Gesetzmässigkeit der Steuer durch eine wirtschaftliche Betrachtungsweise nicht verletzt, wie das Bundesgericht (Archiv für Schweizerisches Abgaberecht [ASA] 50 [1981-82], S. 445 ff. mit ) gerade auch hinsichtlich der Anwendung und Auslegung der über die Handänderungssteuer festgehalten hat (Entscheid des Verwaltungsgericht [VGE] II/91 vom 11. Dezember 2002 [BE.2001.00391], S. 6). 1.3. Gemäss § 10 Abs. 1 GBAG erstreckt sich die Abgabepflicht auf alle Leistungen, welche die Parteien zu erbringen haben, auch wenn sie im beurkundeten Kaufpreis nicht inbegriffen sind, aber den Wert der Liegenschaft erhöhen. Diese Norm gewährleistet eine möglichst rechtsgleiche Behandlung. Es soll keinen Unterschied ausmachen, ob ein bereits überbautes Grundstück gekauft wird oder eine noch unüberbaute Parzelle, wenn gleichzeitig ein Werkvertrag für die Erstellung einer Baute abgeschlossen und damit im Ergebnis ebenfalls ein Grundstück mit einem fertigen Haus erworben wird. Diese Auslegung, wonach in Anwendung von § 10 Abs. 1 GBAG die Handänderungsabgabe sowohl auf dem als auch auf dem Werklohn zu erheben ist, sofern die Kombination eines Kaufvertrags mit einem Werkvertrag wirtschaftlich gesehen dem Verkauf einer fertigen Baute gleichkommt, verletzt das Erfordernis einer genügend bestimmten gesetzlichen Grundlage für Abgaben nicht (VGE II/72 vom 23. August 2007 [WBE.2006.37], S. 5 f., mit Verweis auf VGE II/91 vom 11. Dezember 2002 [BE.2001.00391], S. 6 f., jeweils mit Hinweisen). 2. 2.1. Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, vorliegend hätten insofern gleichgerichtete Interessen bestanden, als die Beschwerdeführerin 2 Land habe verkaufen und die Totalunternehmerin für den Käufer habe bauen wollen. Aufgrund der Praxis des Verwaltungsgerichts reiche dies dem Vorgehen der Vorinstanz jedoch nicht zur Zusammenrechnung von Kaufpreis und Werklohn aus, da ein gemeinsames bzw. Interesse im Lichte früherer Entscheide des Verwaltungsgerichts (AGVE 1984, S. 190 ff.) nur dann zur Aufrechnung genüge, wenn der Landverkäufer am wirtschaftlichen Erfolg der Überbauung teilhabe bzw. wenn dem Landverkäufer direkt oder indirekt auch der Erlös für das Haus zugute komme. Anders als in den von der Vorinstanz zitierten (VGE II/91 vom 11. Dezember 2002 [BE.2001.00391]; VGE II/72 vom 23. August 2007 [WBE.2006.37]) würden Totalunternehmer und vorliegend nicht von denselben Personen beherrscht, ebenso wenig habe die Totalunternehmerin eine Konzerngesellschaft des Verkäufers als Subunternehmer beauftragt (Beschwerde, S. 4 ff., 10). - 6 - Demgegenüber vertritt die Vorinstanz die Auffassung, die 2 (Landverkäuferin) und die Totalunternehmerin besässen bzw. gleichgerichtete Interessen, weshalb bei der vorliegenden der Verträge Kaufpreis und Werklohn als Berechnungsgrundlage für die Handänderungssteuer zusammenzurechnen seien (vorinstanzlicher Entscheid, S. 10, 14). 2.2. In Anwendung der Richtlinie Nr. 3 des DVI (Richtlinie Nr. 3 vom 16. September 2003 zur Anwendung von § 10 Abs. 1 GBAG; dabei es sich um eine Verwaltungsanweisung im Hinblick auf eine möglichst einheitliche und rechtsgleiche Verwaltungspraxis, der aber nicht zukommt; vgl. BGE vom 18. Mai 2004 [2P.105/2004], Erw. 4.1; VGE II/91 vom 11. Dezember 2002 [BE.2001.00391], S. 8 f.) muss anhand des Inhalts der Verträge bzw. des sich daraus ergebenden der Vertragspartner beurteilt werden, ob ein einheitliches vorliegt. Nebst der Frage der Identität von Landverkäufer und Werkunternehmer sowie dem zeitlich nahe beieinander liegenden von Kauf- und Werkvertrag sprechen folgende Indizien, die nicht kumulativ vorliegen müssen, für eine Einheit des Geschäfts: • Der Abschluss des Werkvertrags ist Kaufbedingung. • Ein Pauschalpreis für Land und Baute ist vereinbart. • Der Werkvertrag wird zum integrierenden Bestandteil des Kaufver- trags erklärt. • Im Kaufvertrag wird vereinbart, dass bei Rücktritt vom Werkvertrag eine hohe Konventionalstrafe geschuldet werde. • Im Kaufvertrag sind Hinweise auf die geplante Überbauung (z.B. in Form von Ausnützungsrevers, Durchleitungsrechten, Näher- und Grenzbaurechten) vorhanden. • Der Antritt wird auf den Zeitpunkt der Bauvollendung . • Im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ist der Bau bereits weit . • Bei Vertragsabschluss liegt bereits ein detailliert ausgearbeitetes Projekt vor. • Der Verkauf schlüsselfertiger Häuser wurde inseriert. Entscheidend bleibt zu bestimmen, ob die Verträge so voneinander , dass es ohne den einen nicht zum Abschluss des andern wäre und das Geschäft zudem als Ganzes dem Verkauf einer schlüsselfertigen Baute gleichkommt (Felix Richner / Walter Frei / Stefan Kaufmann, Kommentar zum harmonisierten Zürcher Steuergesetz, Zürich 1999, § 230 N 6). Für die Anwendung von § 10 Abs. 1 GBAG muss keine Umgehungsabsicht vorliegen (AGVE 1988, S. 147). Gemäss Zürcher - 7 - Praxis ist eine Zusammenrechnung praktisch stets dann vorzunehmen, wenn auf dem Kaufgrundstück bereits vor der Handänderung eine erteilt worden ist und der Landkäufer anlässlich des einen Werkvertrag, basierend auf den bereits bewilligten Plänen über die Erstellung von Bauten auf dem Kaufgrundstück, mit dem oder mit einem als Werkunternehmer auftretenden Dritten (Richner / Frei / Kaufmann, a.a.O., § 230 N 10 f.). 2.3. Der Argumentation der Beschwerdeführerinnen ist entgegen zu halten, dass die Frage der Einheit der Verträge nicht mit derjenigen nach der Identität von Landverkäufer und Werkunternehmer gleichgesetzt werden darf. Nach der Praxis des Verwaltungsgerichts ist auch bei fehlender rechtlicher und wirtschaftlicher Identität ein Zusammenrechnen von und Werklohn nicht von vornherein ausgeschlossen. Vielmehr ist entscheidend, ob die Indizien insgesamt für eine Einheit des Geschäfts sprechen. Sind Verkäufer und Unternehmer nicht identisch, wird sich nur bei wirtschaftlichen Verflechtungen oder gemeinsamen bzw. gleichgerichteten Interessen auf ein Zusammenwirken schliessen lassen. Liegen insgesamt genügend Indizien für eine Einheit des Geschäfts vor, ist eine Zusammenrechnung von Kaufpreis und Werklohn gerechtfertigt (VGE vom 23. August 2007 [WBE.2006.37], S. 5, mit weiteren ). Im von den Beschwerdeführerinnen zitierten früheren Entscheid des (AGVE 1984, S. 190 ff.) hielt dieses auch fest, dass Kaufpreis und Werklohn nicht zusammengerechnet werden, wenn es sich nicht faktisch um ein Vertragsverhältnis zwischen zwei Parteien, dem Landerwerber bzw. Werkbesteller einerseits und dem Landveräusserer und Unternehmer andererseits, handelt (S. 195). In diesem Sinne erfolgt auch gemäss Praxis des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich eine Zusammenrechnung, wenn Landveräusserer und Werkunternehmer eine einfache Gesellschaft vereinbart haben mit dem Zweck, auf dem des Veräusserers geplante oder weitgehend vollendete Bauten zu verkaufen. Dabei ist entscheidend, dass Veräusserer und Werkunternehmer dem Erwerber gemeinsam eine schlüsselfertige Baute verkaufen wollen; der Erwerber einerseits vom Landveräusserer das reine Land nicht erhalten würde, wenn er nicht gleichzeitig mit dem einen Werkvertrag abschliessen würde; der Erwerber diesen Werkvertrag aber nicht abschliessen würde, wenn er nicht gleichzeitig das Land erwerben könnte (Richner / Frei / Kaufmann, a.a.O., § 230 N 15). Ist der erwähnte Zusammenhang zwischen den beiden Verträgen , so kommt es bei der Handänderungssteuer nicht darauf an, ob die - 8 - Parteien des Kauf- und Werkvertrags identisch sind (BGE 131 II 725, mit weiteren Hinweisen). 3. Die Handänderungssteuer ist dann zu Recht sowohl auf dem Kaufpreis als auch auf dem Werklohn erhoben worden, wenn der Kaufvertrag vom XXXX 2005 und der gleichentags vereinbarte TU-Vertrag eine Einheit im Sinne der dargestellten Rechtsprechung bilden, sodass gemeinsame bzw. gleichgerichtete Interessen der Beschwerdeführerin 2 (Landverkäuferin) sowie der Totalunternehmerin auf ein Zusammenwirken schliessen lassen. 3.1. Beide Verträge wurden am XXXX 2005 in D. unterzeichnet, weshalb zumindest ein zeitlicher und örtlicher Zusammenhang zwischen den Verträgen besteht. Der Einwand der Beschwerdeführerinnen, wonach der gleichzeitige Abschluss der Verträge in der Natur der Sache liege, weil die Beschwerdeführerin 1 die Totalunternehmerin nicht beauftragt hätte, ein fremdes Grundstück zu überbauen (Verwaltungsgerichtsbeschwerde, S. 14), vermag daran nichts zu ändern. Vielmehr liefert er einen Hinweis, dass die Beschwerdeführerin 1 den Erwerb eines Grundstücks mitsamt geplanter Überbauung erreichen wollte. 3.2. Im Kaufvertrag vom XXXX 2005 war vorgesehen, dass dieser erst dem Grundbuch zur Eintragung anzumelden ist, wenn die bereits Baubewilligung für X Mehrfamilienhäuser auf der Parzelle Nr. 100 rechtskräftig vorliegt (Kaufvertrag, Kapitel III Ziff. 2, Vorakten 134). Der Kaufvertrag wäre ohne die Baubewilligung ersatzlos dahingefallen (Kaufvertrag, Kapitel III Ziff. 3, Vorakten 134). Die Bewilligung des am XXXX 2005 durch die Totalunternehmerin eingereichten Baugesuchs war somit Bedingung für die Landveräusserung. Auch die Zahlung des Kaufpreis war erst innert 14 Tagen nach Rechtskraft der Baubewilligung zu leisten (Kaufvertrag, Kapitel III Ziff. 4, Vorakten 134). Diese (damals noch ausstehende) Baubewilligung und der Kaufvertrag bildeten Bestandteile des TU-Vertrags (TU-Vertrag, Ziff. 3.2.1 und 3.2.3, Vorakten 79). Ohne die rechtskräftige Bewilligung des von der Totalunternehmerin Baugesuchs wäre der Kaufvertrag zwischen der 1 und der Beschwerdeführerin 2 gemäss expliziter Abrede dahingefallen. Bezüglich TU-Vetrag ist folglich davon auszugehen, dass dieser ohne dessen integrierende Bestandteile Baubewilligung inkl. Pläne und Kaufvertrag nicht fortbestanden hätte. - 9 - Die Beschwerdeführerinnen wenden ein, der vereinbarte Landpreis habe sich auf Bauland für ein rechtskräftig bewilligtes Projekt bezogen. Die 1 hätte diesen Preis nicht zahlen wollen, wenn die verweigert würde (Verwaltungsgerichtsbeschwerde, S. 10). Aus diesem Einwand geht einzig hervor, dass eine enge Verbindung dem Kaufvertrag und der Baubewilligung - und somit auch Kauf- und TU-Vertrag - bestanden hat. Obschon formell zwei getrennte Verträge vorliegen, sind sie sowohl als auch von der Bewilligung des Baugesuchs derart , dass die zu erstellenden Mehrfamilienhäuser mitsamt der Parzelle Nr. 100 als eigentlicher Vertragsgegenstand erscheint. 3.3. Der TU-Vertrag war als solcher bindend. Somit genügte der Umstand des gleichzeitigen Abschlusses der Verträge, um sicherzustellen, dass der Kaufvertrag nicht ohne den TU-Vertrag abgeschlossen wurde. Nachdem die Baubewilligung am XXXX 2006 rechtskräftig vorlag, konnte der grundbuchlich vollzogen werden; die Totalunternehmerin war für die Einhaltung des TU-Vertrags genügend abgesichert. Hätte sich später wider Erwarten eine rechtliche Möglichkeit ergeben, vom TU-Vertrag , hätte wohl auch der Kaufvertrag als dessen integrierender Bestandteil rückgängig gemacht werden können. Auf jeden Fall müsste eine allfällige Möglichkeit eines getrennten Schicksals des TU-Vertrags im Vollzug als solche Ausnahmesituation betrachtet werden, dass sie beim Abschluss der Verträge irrelevant war (vgl. BGE vom 20. November 1980, in: ASA 50 [1981-82], S. 451). Diese Verbindungen zwischen Kauf-, TU-Vertrag und Baubewilligung führten dazu, dass die Verträge in ihrer Erfüllung ein einheitliches Schicksal hatten. 3.4. Der TU-Vertrag verweist bezüglich Altlasten, historische Funde und auf Kap. V des Kaufvertrags (TU-Vertrag, Ziff. 2.4 Abs. 1, Vorakten 78). Dort (Vorakten 136 ff.) wird ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin 2 (Landverkäuferin) bis zu einem festgelegten Schwellenwert die Risiken trägt. Darüber hinaus hat die Beschwerdeführerin 1 (Landkäuferin) die Mehrkosten zu übernehmen. Gemäss Abrede im TU-Vertrag trägt die Totalunternehmerin die den Schwellenwert überschreitenden Kosten der Beschwerdeführerin 1 (TU-Vertrag, Ziff. 2.4 Abs. 2, Vorakten 78). Somit trägt die Beschwerdeführerin 1 weder als Käuferin noch als Bestellerin diesbezügliche Risiken. Im TU-Vertrag verpflichtet sich die Totalunternehmerin weiter, die aus dem Grundstückgeschäft von der Beschwerdeführerin 1 zu tragende - 10 - Hälfte der Handänderungskosten zu übernehmen, d.h. diese sind im Werklohn inbegriffen (TU-Vertrag, Ziff. 6.3, Vorakten 83). Somit fallen der Beschwerdeführerin 1 auch für die Handänderung weder Notariats- noch Grundbuchkosten an. Vielmehr teilen sich die Beschwerdeführerin 2 (Landverkäuferin) und die Totalunternehmerin diese Kosten. Die Beschwerdeführerinnen machen in diesem Zusammenhang geltend, die Risikoübernahme der Totalunternehmerin gegenüber der 1 belege, dass die Beschwerdeführerin 2 möglichst wenig mit dem Bauprojekt zu tun haben wollte (Verwaltungsgerichtsbeschwerde, S. 14). Dieser Einwand erklärt nicht, warum ein Werkunternehmer dem Werkbesteller solche Risiken übernimmt; weiter verkennt er, dass durch die Kostenverteilung im TU-Vertrag das Risiko der 2 als Landverkäuferin nicht geringer wurde. Vielmehr ist der Vorinstanz beizupflichten in der Annahme, dass eine derartige bzw. Kostenverteilung durch einen Werkunternehmer im Rahmen eines Werkvertrags ungewöhnlich ist. Durch das Vorliegen eines einheitlichen Geschäfts hingegen ist eine solche Abrede begründbar (vgl. vorinstanzlicher Entscheid, S. 12). Bezeichnenderweise übernimmt die Totalunternehmerin selbst dann die Grundbuchgebühren, wenn diese nicht nur auf dem Kaufpreis, sondern auch auf dem Werklohn erhoben werden (TU-Vertrag, Ziff. 6.3, Vorakten 83). 3.5. Wie die Vorinstanz ausführt, haben die Beschwerdeführerin 2 und die Totalunternehmerin im Gebiet Z. in D. neben der Überbauung der Parzelle Nr. 100 auf den benachbarten Parzellen Nr. 101 - 108, 110, 112, 114 und 116 zusammen weitere Bauprojekte realisiert. Dass sich die Beschwerdeführerin 2 nun mittels Ausschreibung an verschiedene Bauunternehmungen wendet, um weitere Parzellen im Gebiett Z. zu überbauen, ändert nichts an der engen Zusammenarbeit zwischen der Totalunternehmerin und der Beschwerdeführerin 2 bezüglich der bisher erstellten Überbauungen, wozu auch die X Mehrfamilienhäuser auf der Parzelle Nr. 100 zu zählen sind. Der Vorinstanz ist zuzustimmen, wenn sie festhält, die Kooperation der Beschwerdeführerin 2 mit der Totalunternehmerin hätte ein bestimmtes Ziel verfolgt: Das zur Verfügung stehende Gebiet (die im Eigentum der Beschwerdeführerin 2 stehenden Grundstücke) mit Wohnbauten zu überbauen, um diese anschliessend zu veräussern oder zu vermieten. Vorliegend bleibt unerheblich, dass die Vermietung bzw. Vermittlung durch Dritte erfolgt ist (vgl. vorinstanzlicher Entscheid, S. 10 f.; Vernehmlassung der Beschwerdeführerinnen vom 24. November 2008, Rz. 14). Das Baugesuch für die Erstellung der Mehrfamilienhäuser auf der Nr. 100 (zugleich wurden auch um die Überbauung der Parzellen Nr. 101 - 108 und 118 ersucht) ging bei der Bauverwaltung D. am XXXX 2005 - 11 - ein. Die Totalunternehmerin war als Bauherrin und die Beschwerdeführerin 2 als Grundeigentümerin aufgeführt. Die Baukosten (ohne Land) beliefen sich auf Fr. XXXX.--. Die Beschwerdeführerin 1 wird auf der Baugesuchseingabe nicht erwähnt und ist auch in den übrigen Baugesuchsunterlagen nirgends aufgeführt (Baugesuch vom XXXX 2005, Vorakten 45; Aktennotiz der Vorinstanz vom 6. August 2008, Vorakten 42). 3.6. Die Projektierung eines Bauvorhabens mitsamt Plänen ist kostspielig. Die Einreichung eines Baugesuchs mit einer hohen Bausumme zieht beträchtliche Gebühren nach sich. Ein derartiger Aufwand nimmt nur jemand in Kauf, der damit rechnen kann, das Bauvorhaben tatsächlich zu realisieren. Somit musste sich die Totalunternehmerin sicher sein, dass die Beschwerdeführerin 2 die Parzelle Nr. 100 nur an jemanden verkaufen würde, der auch die Überbauung durch die realisieren liess. Nach der Baubewilligung vereinbarten die Beschwerdeführerin 2 und die Totalunternehmerin mit der 1 einen Kauf- bzw. TU-Vertrag betreffend die Parzelle Nr. 100, wobei die Verträge inhaltlich aufeinander Bezug nahmen und jeweils auch eine Verbindung zum Baugesuch bestand (vgl. vorne Erw. 3.2 - 3.4). Unter diesen Umständen macht das gemeinsame Vorgehen der mit der Beschwerdeführerin 2 nur Sinn, wenn der Abschluss des TU-Vertrags zwischen der Beschwerdeführerin 1 und der für die Landverkäuferin (Beschwerdeführerin 2) einen subjektiv wesentlichen Vertragsbestandteil und damit Voraussetzung für den des Kaufvertrags über die Parzelle Nr. 100 darstellte. Auf der anderen Seite war der Erwerb einer schlüsselfertig zu erstellenden Ziel der Beschwerdeführerin 1; gemäss deren Anlagereglement sind als Anlagearten Immobilien, nicht aber unüberbaute Grundstücke, zulässig (vgl. Ziff. XX des Anlagereglements A., Vorakten 147). Erklärtermassen hätte sie mit der Totalunternehmerin auch keinen abgeschlossen, ohne von der Beschwerdeführerin 2 die Parzelle Nr. 100 zu erwerben. Der Einwand der Beschwerdeführerinnen, wonach der gleichzeitige Abschluss der Verträge in der Natur der Sache liege, weil die Beschwerdeführerin 1 die Totalunternehmerin nicht beauftragt hätte, ein fremdes Grundstück zu überbauen (, S. 14), liefert einen weiteren Hinweis darauf, dass die 1 den Erwerb eines Grundstücks mitsamt geplanter Überbauung erreichen wollte. 3.7. Die Kooperation im Rahmen des Gebiets Z. im Allgemeinen und anlässlich des Verkaufs und der Überbauung der Parzelle Nr. 100 im Speziellen kann nicht als Abrede ohne Rechtsbindungswillen dargestellt - 12 - werden. Die Grösse und der finanzielle Umfang des Projekts lassen eine Zusammenarbeit auf der Basis unverbindlicher Abreden nicht zu. haben die Beschwerdeführerin 2 und die Totalunternehmerin eng zusammengewirkt, um gemeinsam den Abschluss von Kauf- und über die geplanten X Mehrfamilienhäuser zu erreichen. wiesen sie gemeinsame bzw. gleichgerichtete Interessen auf. 3.8. Der eine Vertrag wäre ohne den andern nicht zustande gekommen resp. nicht vollzogen worden (siehe Erw. 3.2, 3.3 und 3.6). Wirtschaftlich liegt ein faktisches Vertragsverhältnis zwischen zwei Parteien, der Beschwerdeführerin 1 (Landerwerberin bzw. Werkbestellerin) einerseits und der Beschwerdeführerin 2 (Landverkäuferin) sowie der andererseits vor. Wird - wie vorliegend - ein innerer der beiden Verträge bejaht, kommt es nicht darauf an, ob die Landverkäuferin und die Totalunternehmerin identisch sind (BGE 127 II 725). Die Bewilligung des eingereichten Baugesuchs war Bedingung für den grundbuchlichen Vollzug des Kaufvertrags und für das Fortbestehen des TU-Vertrags: Der Kaufvertrag wäre ohne rechtskräftige Baubewilligung ersatzlos dahingefallen und auch der TU-Vertrag hätte ohne dessen Bestandteile Kaufvertrag und Baubewilligung inkl. Pläne nicht fortbestanden (siehe vorne Erw. 3.2). Dadurch ist die vorliegende derjenigen gleichzusetzen, bei welcher auf dem Kaufgrundstück bereits vor der entsprechenden Handänderung eine Baubewilligung erteilt wird, und der Landkäufer anlässlich des Landkaufs einen Werkvertrag, basierend auf den bereits bewilligten Plänen über die Erstellung von Bauten auf dem Kaufgrundstück, mit dem Verkäufer oder mit einem als Total- oder Generalunternehmer auftretenden Dritten abschliesst. Ob das Baugesuch bereits vor Abschluss der Verträge bewilligt wurde oder ob die Wirksamkeit der Verträge von der Bewilligung des Baugesuchs abhängt, läuft auf das Gleiche hinaus. Auch beim zweiten, hier vorliegenden Fall wird - wenn das Baugesuch bewilligt wird - im Ergebnis ein Grundstück mitsamt einer auf der Grundlage der bewilligten Plänen erstellten Baute verkauft. Andernfalls - sofern sich das Baugesuch als nicht erweist - fallen beide Rechtsgeschäfte gemeinsam dahin. 4. Zusammenfassend kommt die Kombination des Kaufvertrags vom XXXX 2005 mit dem gleichentags abgeschlossenen TU-Vertrag wirtschaftlich betrachtet dem Verkauf der X Mehrfamilienhäuser auf der Parzelle Nr. 100 gleich. Der eine Vertrag wäre ohne den Abschluss des andern nicht zustande gekommen. Diesbezüglich bestanden zwischen der Beschwerdeführerin 2 und der Totalunternehmerin gemeinsame bzw. gleichgerichtete Interessen. Die Handänderungsabgabe vorliegend so- - 13 - wohl auf dem Kaufpreis als auch auf dem Werklohn zu erheben, verletzt den Wortlaut und Sinn von § 10 Abs. 1 GBAG nicht. Die ist zu Recht und in Nachachtung der Rechtsprechung erfolgt. Dies führt zur Abweisung der Beschwerde. III. Die Beschwerdeführerinnen unterliegen und haben bei diesem die Verfahrenskosten zu tragen (§ 33 Abs. 2 aVRPG) und keinen Anspruch auf Parteikostenersatz (§ 36 Abs. 1 aVRPG). Das Verwaltungsgericht erkennt: 1. Die Beschwerde wird abgewiesen. 2. Die verwaltungsgerichtlichen Verfahrenskosten, bestehend aus einer Staatsgebühr von Fr. 7'000.-- sowie der Kanzleigebühr und den Auslagen von Fr. 302.--, gesamthaft Fr. 7'302.--, sind von den unter solidarischer Haftbarkeit zu bezahlen. 3. Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen. Zustellung an: die Beschwerdeführerinnen (Vertreter) das Grundbuchamt F. Mitteilung an: den Regierungsrat das DVI (Justizabteilung) - 14 - Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten Dieser Entscheid kann wegen Verletzung von Bundesrecht, Völkerrecht, kantonalen verfassungsmässigen Rechten sowie interkantonalem Recht innert 30 Tagen seit der Zustellung mit Beschwerde in öffentlich- Angelegenheiten beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, angefochten werden. Die unterzeichnete Beschwerde muss das Begehren, wie der Entscheid zu ändern sei, sowie in gedrängter Form die Begründung, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt, mit der Beweismittel enthalten. Der angefochtene Entscheid und als Beweismittel angerufene Urkunden sind beizulegen (Art. 82 ff. des über das Bundesgericht [Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR 173.110] vom 17. Juni 2005). Aarau, 19. Februar 2009 Verwaltungsgericht des Kantons Aargau 3. Kammer Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: Winkler Cotti Postversand: 25. März 2009
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AG_GB_001
AG_GB
AG
Northwestern_Switzerland
AG_GB_001_--10-GBAG--Zusammenr_2009-02-19
https://www.ag.ch/media/kanton-aargau/dvi/dokumente/arp/grundbuch/entscheide/20090219-grundbuchabgaben-kauf-werkpreis-1.pdf
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Microsoft Word - VGE vom 11.12.2002.doc 2001/2/074 BE.2001.00391-K2 Art. Nr. 91 Verwaltungsgericht des Kantons Aargau 2. Kammer Urteil vom 11. Dezember 2002 Mitwirkend: Verwaltungsrichter Iberg (Präsident), Verwaltungsrichter Gnädig, Verwaltungsrichterin Kink, Gerichtsschreiber Roth. ----------- Verwaltungsgerichtl iches Beschwerdeverfahren der 1. F . A G , 2. B . A G , 3. E.B., 4. D. und N.S., al le vertreten durch l ic. iur. Marcel Aebi, Fürsprecher, Niederlenz, gegen den Entscheid des Departements des Innern vom 25. Oktober 2001 betreffend Grundbuchabgaben 2 Den Akten wird entnommen: A. Am 15. Februar 2001 schlossen die F. AG, die B. AG und E.B. als Miteigentümer zu je einem Drittel mit den Eheleuten D. und N.S. einen öffentl ich beurkundeten Kaufvertrag über die unüberbauten Parzellen x und y. Der Kaufpreis für die total 359 m2 betrug Fr. 136'420.--. Am 22. Februar 2001 schloss das Ehepaar S. mit A.F. als Generalunternehmer einen Werkvertrag über ein auf diesen Parzellen zu erstellendes, schlüsselfertiges Einfamil ienhaus mit Fertiggarage zu einem Pauschalpreis von Fr. 512'580.-- ab. Am 21. Februar 2001 wurde der Kaufvertrag über die beiden Grundstücke dem Grundbuchamt des Bezirks Lenzburg zum grundbuchlichen Vollzug angemeldet. Gestützt auf den nachträglich eingereichten Werkvertrag stel lte das Grundbuchamt für die Handänderung eine Abgaben- und Gebührenrechnung in der Höhe von Fr. 3'335.--, wobei die Handänderungsabgabe auf Fr. 3'245.-- (5 ‰ von Fr. 649'000.--) festgesetzt wurde. B. Gegen die Abgaben- und Gebührenrechnung vom 2. März 2001 erhoben die Vertragsparteien Beschwerde mit dem Antrag, die Handänderungsabgabe sei auf Fr. 680.-- (5 ‰ von Fr. 136'420.--) herabzusetzen. Mit Entscheid vom 25. Oktober 2001 hiess das Departement des Innern die Beschwerde teilweise gut und setzte die Handänderungsabgabe auf Fr. 2'975.-- fest; die Reduktion erfolgte, weil der Werkpreis wegen Minderleistungen nachträglich auf Fr. 458'580.-- herabgesetzt worden war. C. a) Gegen diesen Entscheid l iessen die F. AG, die B. AG, E.B. sowie D. und N.S. ( im Folgenden: Beschwerdeführer) mit Eingabe vom 19. November 2001 Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben mit den Anträgen: "1. Die angefochtene Verfügung sei aufzuheben. 2. Die Handänderungsabgabe im Geschäft TB Nr. 692/01 Grundbuchamt Lenzburg sei auf Fr. 680.-- zu reduzieren. 3. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen." Auf die Begründung wird, soweit erforderl ich, in den nachfol- genden Erwägungen eingegangen. 3 b) Das Departement des Innern beantragte mit Vernehmlassung vom 24. Januar 2002 die kostenfäll ige Abweisung der . c) Die Beschwerdeführer nahmen am 9. Apri l 2002 zur Vernehm- lassung Stellung und hielten an den gestellten Anträgen fest. Das Departement des Innern hielt seinerseits mit Eingabe vom 2. Mai 2002 am Antrag auf Abweisung der Beschwerde fest. d) Mit Instruktionsverfügung vom 12. November 2002 wurden die Baubewil l igungsakten beigezogen und die Beschwerdeführer aufgefordert, gewisse Darstellungen im angefochtenen Entscheid detail l iert zu bestreiten, fal ls sie nicht anerkannt würden. Mit Eingabe vom 26. November 2002 nahmen die Beschwerdeführer umfassend Stellung. D. Das Verwaltungsgericht hat den Fall am 11. Dezember 2002 beraten und entschieden. Das Verwaltungsgericht zieht in Erwägung: I. 1. Entscheide des Departements des Innern über der Grundbuchämter können an das Verwaltungsgericht weitergezogen werden (§ 30 Abs. 2 des Gesetzes über die Grundbuchabgaben [GBAG] vom 7. Mai 1980 i.V.m. § 2 Abs. l i t . a der Verordnung über die Delegation von Kompetenzen des Regierungsrates vom 8. November 1992; § 52 Ziffer 1 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege [VRPG] vom 9. Juli 1968). Das ist somit zur Behandlung des vorl iegenden Falles zuständig. Es überprüft den angefochtenen Entscheid vollumfänglich (§ 56 Abs. 2 l i t . a VRPG). 2. Die angefochtene Verfügung des Departements des wurde den Beschwerdeführern am 29. Oktober 2001 zugestellt. Die 20-tägige Beschwerdefr ist (§ 30 Abs. 2 GBAG) endete an sich am 18. November 2001, wurde aber, da dieser Tag auf einen Sonntag fiel, bis zum folgenden Montag verlängert (§ 31 VPRG i.V.m. § 81 Abs. 3 des Zivi lrechtspflegegesetzes [Zivilprozessordnung; ZPO] vom 18. 4 Dezember 1984). Die Beschwerde wurde am Montag, 19. November 2001, und damit fr istgerecht aufgegeben. 3. Die übrigen Eintretensvoraussetzungen sind offensichtl ich erfüllt. Auf die Beschwerde ist somit einzutreten. I I . 1. a) Auf allen grundbuchlichen Vorgängen wird eine erhoben (§ 1 GBAG). Bei Handänderungen an Grundstücken beträgt die Abgabe 5 ‰ der Kauf- oder Übernahmesumme (§ 8 Abs. 1 GBAG). Die Handänderungsabgabe stellt eine sogenannte dar, die Steuer- und tei ls Gebührencharakter aufweist und deren Höhe somit nicht durch das Kostendeckungs- und das Äquivalenzprinzip begrenzt wird (vgl. Aargauische Gerichts- und Verwaltungsentscheide [AGVE] 1979, S. 103 ff.; Ulrich Häfelin/Georg Müller, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 4. Auflage, Zürich 2002, Rz. 2678; Ernst Blumenstein/Peter Locher, System des schweizerischen Steuerrechts, 6. Auflage, Zürich 2002, S. 7 f., 204 f.; Botschaft des Regierungsrates vom 30. Apri l 1979 zum GBAG, S. 1; Botschaft des Regierungsrates vom 26. März 1979 zur Änderung des Grundbuchtarifes, S. 1). b) Gemäss § 10 Abs. 1 GBAG erstreckt sich die icht auf al le vertraglichen Leistungen, welche die Parteien zu haben, auch wenn sie im beurkundeten Kaufpreis nicht sind, aber den Wert der Liegenschaft erhöhen. Die bringen vor, die im Steuerrecht immanente wirtschaftl iche Betrachtungsweise könne nicht über den Bereich der wirtschaftl ichen Identität hinaus ausgedehnt werden. Durch die im vorl iegenden Fall vorgenommene Auslegung von § 10 Abs. 1 GBAG, mit der darüber hinweggegangen werde, dass die Parteien des Kauf- und des nicht identisch seien, fehle es an der geforderten Klarheit und Bestimmtheit der gesetzl ichen Grundlage. Deshalb sei es vorl iegend unzulässig, zur Bemessung der Grundbuchabgabe den Werkpreis zum Grundstückkaufspreis aufzurechnen. Die Vorinstanz vertri t t dagegen die Auffassung, der Kauf- und der Werkvertrag bildeten eine wirtschaftl iche Einheit, sodass § 10 Abs. 1 GBAG zur Anwendung komme. 2. a) In erster Linie ist das Gesetz nach seinem Wortlaut auszulegen. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Ausle- 5 gungen möglich, muss unter Berücksichtigung aller nach seiner wahren Tragweite gesucht werden. Vom eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut darf nur ausnahmsweise werden, wenn trift ige Gründe dafür vorl iegen, dass der Wortlaut nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung, aus ihrem Grund und Zweck oder aus dem Zusammenhang mit anderen Vorschriften ergeben (BGE 124 II 268; 120 V 102). Wo eine Steuernorm an wirtschaftl iche Sachverhalte , ist auch ihre Auslegung, selbst wenn die Norm zivi lrechtl iche Begriffe enthält, durch eine wirtschaftl iche Betrachtungsweise geprägt. Dies ist nicht einfach mit einer ausdehnenden Auslegung gleichzusetzen (sondern mag lediglich so erscheinen, wenn die Begriffe ausschliesslich mit ihrem zivi lrechtlichen Gehalt betrachtet werden). Allerdings ist eine wirtschaftl iche Betrachtungsweise kein Freipass, um den Rahmen der Auslegung zu überschreiten und zu Ergebnissen zu gelangen, die im Gesetz, seinem Wortlaut und Sinn gemäss, nicht enthalten sind (vgl. dazu Blumenstein/Locher, a.a.O., S. 30 ff.). Bei Beachtung dieser Schranken wird der Grundsatz der Gesetzmässigkeit der Steuer durch eine wirtschaftl iche Betrachtungsweise nicht verletzt, wie das Bundesgericht gerade auch hinsichtl ich der Anwendung und Auslegung der Vorschriften über die Handänderungssteuer festgehalten hat (Archiv für Schweizerisches Abgaberecht [ASA] 50/1981-82, S. 445 ff. mit Hinweisen). b) Gemäss den Gesetzesmaterial ien soll § 10 Abs. 1 GBAG bei der Veranlagung der Grundbuchabgabe eine möglichst rechtsgleiche Behandlung gewährleisten. Es soll keinen Unterschied ausmachen, ob ein bereits überbautes Grundstück gekauft wird oder eine noch unüberbaute Parzelle, wenn gleichzeit ig ein Werkvertrag für die Erstellung einer Baute abgeschlossen und damit im Ergebnis ebenfalls ein Grundstück mit einem fert igen Haus erworben wird (AGVE 1984, S. 191 f.; vgl. Botschaft des Regierungsrates vom 17. Dezember 1979 zum GBAG [zweite Lesung], S. 3). Die Handänderungsabgabe ist demnach nicht nur auf dem Kaufpreis für das Bauland, sondern auch auf dem Werklohn zu erheben, wenn nicht das fert ige Haus verkauft wird, sondern zunächst nur das Land unter gleichzeit igem Abschluss eines Werkvertrages, sofern zwischen dem Grundstückverkäufer und dem Unternehmer (Ersteller 6 des Werks) zumindest eine wirtschaftl iche Identität besteht (AGVE 1984, S. 192 ff.). Auf die äussere Form und Bezeichnung der Verträge kommt es dabei nicht an, und es ist auch nicht zwingend erforderl ich, dass die Verträge von den gleichen Parteien abgeschlossen worden sind (ASA 50, S. 450 f.). Die gegenseit ige Abhängigkeit kann sich aus den Umständen des Vertragschlusses ergeben. Es genügt, dass das Geschäft nach seinem wirtschaftl ichen Gehalt dem Verkauf einer fert igen Baute gleichkommt (Bernische Verwaltungsrechtsprechung [BVR] 2001, S. 553). Die unmittelbare zeit l iche Abfolge der beiden Vertragsabschlüsse, die Identität von Veräusserer und Unternehmer und der Umstand, dass bereits bei oder unmittelbar nach Abschluss der Verträge mit der Errichtung der Baute begonnen wird, sind nur erhebliche Indizien für den erforderlichen ursächlichen Zusammenhang. Bedingungen im Rechtssinne für die Anwendung der Praxis sind sie jedoch nicht (Luzerner Gerichts- und Verwaltungsentscheide [LGVE] 1998 II Nr. 32, S. 274). Es genügt, wenn die Indizien insgesamt, wie sie sich namentl ich aus dem Text der Verträge, ihrem gleichzeit igen Abschluss und der Zahlungsweise ergeben können, für eine Einheit des Geschäftes sprechen (AGVE 1984, S. 194 mit Hinweisen). c) Mit der dargelegten Auslegung, wonach § 10 Abs. 1 GBAG anwendbar ist, sofern die Kombination eines mit einem Werkvertrag nach seinem wirtschaftl ichen Gehalt dem Verkauf einer fert igen Baute gleichkommt, wird das einer genügend bestimmten gesetzlichen Grundlage für nicht verletzt. Die Auslegung hält sich im Gegenteil eng an den Wortlaut und geht nicht über die wirtschaftl ichen Gegebenheiten . Angesichts der verschiedenen Konstruktionen, die gewählt werden können, um Abgaben zu sparen, bedarf es einer umfassenden Formulierung. d) Die Beschwerdeführer bringen vor, der habe § 10 Abs. 1 GBAG ohne einen verbindlichen Massstab über die wirtschaftl iche Identität hinaus ausgelegt und damit den Grundsatz der Rechtsgleichheit verletzt. Der seit November 1982 existierenden Richtl inie für Grundbuchverwalter zur Anwendung des GBAG (im Folgenden: Richtl inien GBAG), welche als "Erläuterungen und Berechnungsbeispiele" vom damaligen Grundbuchinspektor Hans Zehnder verfasst worden seien, komme keine Rechtsverbindlichkeit zu, da diese nicht publiziert worden seien. 7 Das Handeln der Verwaltung wird nur in seltenen Fällen abschliessend durch das Gesetz determiniert. Der Gesetzgeber legt das Gesetz als Rahmen fest. Zwischen dem Akt der Gesetzgebung und den vollziehenden Einzelakten besteht eine Kluft, die im Prozess der Rechtsverwirkl ichung durch Gesetzeskonkretisierung und Wahrnehmung der Vollzugsverantwortung zu überbrücken ist. In erster Linie hat die polit isch verantwortl iche Spitze der Verwaltung Leitvorstellungen betreffend die zweckmässige Gesetzeshandhabung und Ermessensausübung zu formulieren. Wird darauf verzichtet, überträgt sie damit implizit die Sorge für die sachgemässe Rechtsverwirkl ichung der nachgeordneten Verwaltungsinstanzen. Damit kommt der Exekutive im Prozess der Rechtsverwirkl ichung eine Komplementärfunktion zu, welche sie mit administrativem Ergänzungsrecht erfül len kann (Giovanni Biaggini, Die vollzugslenkende Verwaltungsverordnung: Rechtsnorm oder Faktum?, in: Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Verwaltungsrecht [ZBl] 98/1997, S. 12 f.). Die Richtl inien GBAG sind darauf angelegt, für eine l iche, gleichmässige und sachrichtige Praxis des Gesetzesvollzuges zu sorgen. Auch ohne Publikation sind sie geeignet, eine rechtsgleiche Anwendung des Gesetzes zu fördern. Es wäre widersinnig, wie es die Beschwerdeführer verlangen, zunächst die Richtl inien als unbeachtl ich zu bezeichnen und als Folge die von den einzelnen Grundbuchverwaltern vorgenommene Gesetzesauslegung zu , weil die Auslegung nicht einheit l ich erfolge. Die Frage der rechtsgleichen Anwendung stellt sich nur, wenn im konkreten von den Richtl inien abgewichen wird. Allerdings sind die Richtl inien nicht in dem Sinne ich, dass sie auch eine unzutreffende Auslegung des Gesetzes rechtfert igen könnten. Das Verwaltungsgericht hält sich an Richtl inien der Verwaltung, soweit ihre sachliche Überzeugungskraft reicht, sie nach ihren Voraussetzungen anwendbar sind und im Einzelfal l keine im Lichte des posit iven Verfassungs-, Gesetzes- oder Verordnungsrechts wesentl ichen, besonderen Umstände vorl iegen (AGVE 1995, S. 347; 1987, S. 310; vgl. auch Häfelin/Müller, a.a.O., Rz. 128 mit Hinweisen). 3. a) Unter dem Titel "Vertragsgegenstand" wird in Ziffer 1.1 des Werkvertrages vom 22. Februar 2001 in seiner ursprünglichen Fassung (der Werkvertrag wurde wegen Minderleistungen des Generalunternehmers unter gleichbleibendem Datum abgeändert) 8 festgehalten, der Preis für das Land betrage Fr. 136'420.--. In Ziffer 5.1 dieses Vertrages ist festgelegt, dass der Grundstückskaufpreis gemäss notariel lem Vertrag fäll ig werde; erst Ziffer 5.2 legt dann den Zahlungsplan für den Werkpreis fest: Fr. 50'000.-- seien "bei ", Fr. 462'580.-- "bei Bezugsbereitschaft" zu bezahlen. In Ziffer 9.2 wird der Antrittstermin für das Haus auf den 31. März 2002 festgelegt, wobei hinzugefügt wird, dass der Grundbucheintrag vorher erfolgen könne. Alle die genannten Verweisungen im Werkvertrag auf die Geltung des Kaufvertrages und dessen Regelungen sind unnötig. Wahrscheinlich sind sie darauf zurückzuführen, dass der Entwurf für den Werkvertrag bereits vorlag, als der Kaufvertrag unterzeichnet wurde. Jedenfalls zeigen sie in aller Deutl ichkeit, dass für die Parteien die beiden Verträge zusammengehörten. Anders lassen sich diese Verweisungen nicht erklären. Im Abschnitt IV/Ziffer 1 des Kaufvertrages ist bestimmt, dass Nutzen und Schaden an den Kaufsobjekten per 1. Apri l 2002 auf die Käuferschaft übergehen. Wie erwähnt, ist im Werkvertrag der 31. März 2002 als Bezugstermin festgehalten. Zumindest soweit es um den Übergang von Nutzen und Schaden geht, bezog sich dieser nach den Absichten der Parteien auf das mit dem geplanten Haus überbaute Grundstück. Ziffer 11.2 des Werkvertrages bestimmt, dass die im Werkvertrag gelten, wenn sie im Grundstück- und Werkvertrag unterschiedlich gestaltet seien. Deutl icher lässt sich die unmittelbare Verknüpfung der beiden Verträge kaum ausdrücken. Auch wenn im Kaufvertrag, dem verfolgten Zweck , keine Verpfl ichtung zum Abschluss des Werkvertrages statuiert wurde, ist es aufgrund der engen Verknüpfung der Verträge offensichtl ich, dass das Land nicht verkauft worden wäre, wenn die Käufer nicht auch gleichzeit ig die Verpfl ichtung zur Übernahme einer Baute auf dem Grundstück übernommen hätten. Bezeichnenderweise tei l te das mit der Planung der Überbauung beauftrage Architekturbüro F. & Partner (an dem A.F. Teilhaber ist) dem Gemeinderat im Baubewil l igungsverfahren am 9. März 2001 (also längst bevor das Haus gebaut war) mit, dass zwischenzeit l ich das Gegenstand dieses Verfahrens bildende "Haus A1 verkauft worden" sei. 9 b) aa) Die Beschwerdeführer berufen sich wiederholt darauf, dass die Verkäufer und der Generalunternehmer persönlich nicht identisch seien. Dies ist zutreffend. Da die gewählte Konstruktion mit A.F. als Generalunternehmer diesem jedoch erlaubte, die Verkäufer als (Sub-)Unternehmer in die Erstellung des Werks einzubeziehen, ist die wirtschaftl iche Identität zwischen Verkäufern und Werkerstellern näher zu prüfen (bereits in AGVE 1984, S. 193 stellte das Verwaltungsgericht fest, es seien schon viele Konstruktionen versucht worden, um den Verkäufer und den Ersteller des Hauses als voneinander verschiedene Personen erscheinen zu lassen und so Handänderungsabgaben zu sparen). bb) Die Verkäufer führten unter Einschaltung des erwähnten Architekturbüros (siehe vorne Erw. a) die ganze Planung der Überbauung und das Baubewil l igungsverfahren durch und hatten am 19. Juni 2000 die Bewil l igung für die Erstellung von vier ienhäusern auf der (später parzell ierten) Parzelle z erhalten. Die Baubewil l igung wurde für eine einheit l iche Überbauung erteilt; die Käufer S. mussten das Einfamil ienhaus nach den genehmigten Plänen erstellen bzw. erstellen lassen; sie hätten nicht damit rechnen können, auf den erworbenen Parzellen x und y ein anderes Projekt zu verwirkl ichen, schon gar nicht innert nützl icher Frist. Durch die schon weit konkretisierte Planung war praktisch vorgespurt, dass die an der Planung Beteil igten auch mit der Erstellung beauftragt werden würden, wie dies durch den Werkvertrag mit A.F. denn auch geschah bzw. ermöglicht wurde. Die Verkäufer sind alle im Immobil iengeschäft tätig (A. AG, mit A.F. als einzigem Verwaltungsrat und Hauptaktionär: Handel mit und Überbauung von Grundstücken, Liegenschaftsverwaltung / B. AG: Maler-, Gipser- und Gerüstgeschäft / E.B.: Immobil ienhändler und -vermitt ler im Rahmen der B.+ Partner Immobil ien). Es wäre völl ig wirkl ichkeitsfremd anzunehmen, dass sie nicht durch Absprachen mit A.F. dafür gesorgt hätten, bei der Erstellung und Veräusserung der von ihnen in die Wege geleiteten Überbauung ihres Grundstücks im Rahmen ihrer Geschäftsinteressen zum Zuge zu kommen. Es ist denn auch unbestritten, dass die B. AG bei den fraglichen Einfamil ienhäusern jedenfalls die Gerüst- und Malerarbeiten ausführte und die L. GmbH, mit Nennung von E.B. als Kontaktperson, in einem Zeitungsinserat von Ende Dezember 2000 "Einfamil ienhausobjekte in Z." zum Verkauf anbot (Stellungnahme der Beschwerdeführer vom 26. November 2002, S. 1, 10 3). Irreführend sind in diesem Zusammenhang die Ausführungen der Beschwerdeführer, wonach A.F. nie Geschäftsführer bzw. Zeichnungsberechtigter der L. GmbH gewesen sei ... Tatsache ist vielmehr, dass A.F. in der Vorbereitungsphase des vorl iegenden Geschäftsabschlusses als Gesellschafter und Geschäftsführer der L. GmbH ... einen massgeblichen Einfluss hatte. cc) Wie bereits erwähnt, bestimmt Ziffer 12 des , dass bei Differenzen zwischen dem Grundstücksverkaufs- und dem Werkvertrag die Detailregelungen im Werkvertrag gelten. Eine solche Bestimmung, die tendenziell auf Änderungen des hinausläuft, konnte A.F. nur eingehen, wenn er sich der Zustimmung der Verkäufer sicher war, diese also im Verborgenen auch am Werkvertrag beteil igt waren. dd) Die wirtschaftl iche Identität der Grundstücksverkäufer und der Werkersteller ist damit erwiesen. Dass vereinzelt auch ohne diese Verflechtung Grundstücke verkauft und überbaut wurden, mag zutreffen, vermag jedoch an der Beurteilung des vorliegenden Falles nichts zu ändern. ee) Die Beschwerdeführer berufen sich vergeblich auf das Präjudiz von AGVE 1984, S. 190 ff. und verlangen Gleichbehandlung. Dort veräusserte die Einwohnergemeinde die Bauparzelle. An der der Baute an sich hat die Gemeinde in aller Regel kein l iches Interesse, sondern vielmehr am Zuzug der Erwerber (und damit lediglich ein indirektes an der Bautätigkeit). Für die iche Identität zwischen Grundstücksverkäufer und Werkersteller bedarf es des direkten wirtschaftl ichen Interesses an der Baute. Ungewöhnlich ist beim genannten Präjudiz einzig der Umstand, dass die Gemeinde den Grundstückskäufern vorschrieb, wen sie mit der Erstellung ihres Hauses beauftragen müssten, und bei einer Beteil igung der Gemeinde am Baukonsortium hätte wohl auch dort die wirtschaftl iche Identität bejaht werden müssen. Etwas derart iges ist dem Entscheid indessen nicht zu entnehmen. Dass der Erstel ler vorgeschrieben wurde, dürfte vielmehr darin begründet sein, dass es sich um eine Reiheneinfamil ienhaus-Überbauung handelte, bei der es unumgänglich war, dass sie durch einen einzigen Ersteller realisiert wurde. c) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Werkvertrag mit dem Grundstückskaufvertrag derart verbunden wurde, dass die 11 beiden Verträgen zusammen den Erwerb eines schlüsselfert igen Hauses regelten. Der Kauf- und der Werkvertrag hängen so eng , dass der eine den Beweggrund für den Abschluss des darstel l te. 4. Damit erweist sich der angefochtene Entscheid als . Dies führt zur Abweisung der Beschwerde. II I . Bei diesem Ausgang des Verfahrens haben die die Verfahrenskosten zu tragen (§ 33 Abs. 2 VRPG). Parteikostenansatz fäl l t ausser Betracht (§ 36 Abs. 1 VRPG). Demgemäss wird erkannt: 1. Die Beschwerde wird abgewiesen. 2. Die Beschwerdeführer haben die verwaltungsgerichtl ichen Verfah- renskosten, bestehend aus einer Staatsgebühr von Fr. 500.-- sowie der Kanzleigebühr und den Auslagen von Fr. 288.--, zusammen Fr. 788.--, unter solidarischer Haftbarkeit zu bezahlen. 3. Es wird kein Parteikostenersatz zugesprochen. Zustellung an: - die Beschwerdeführer (Anwalt) Mittei lung an: - den Regierungsrat - das Departement des Innern - das Grundbuchamt Lenzburg Aarau, 11. Dezember 2002 Im Namen des Verwaltungsgerichts 2. Kammer Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
4,915
3,705
AG_GB_001
AG_GB
AG
Northwestern_Switzerland
AG_GB_001_--10-GBAG--Zusammenr_2002-12-11
https://www.ag.ch/media/kanton-aargau/dvi/dokumente/arp/grundbuch/entscheide/20021211-grundbuchabgaben-kauf-werkpreis.pdf
§_10_GBAG;_Zusammenrechnung_von_Kauf-_und_Werkpreis_bei_der_Abgabenerhebung
null
nan