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2,004
de
2004 Verwaltungsgericht 256 [...] 62 Alimentenbevorschussung. Inzidente Normenkontrolle. - Die Regelung von § 27 Abs. 1 lit. b SPV ist unzulässig, da § 33 lit. d SPG beim Anspruch auf Alimentenbevorschussung den vollumfängli- chen Einbezug von Einkommen und Vermögen des Stiefvaters des alimentenberechtigten Kindes nicht vorsieht. 2004 Sozialhilfe 257 Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 14. Mai 2004 in Sa- chen A.V. gegen Bezirksamt B. Aus den Erwägungen (In der Beschwerde ans Verwaltungsgericht wurde geltend ge- macht, § 27 Abs. 1 lit. b SPV widerspreche § 33 lit. d SPG und sei daher ungültig.) 3. a) Die Gerichte sind zur inzidenten oder akzessorischen Normenkontrolle verpflichtet (§ 95 Abs. 2 KV; § 2 Abs. 3 VRPG). Diese besteht in der vorfrageweisen Überprüfung einer anzuwenden- den generellen Norm unterer Stufe im Zusammenhang mit einem konkreten Rechtsanwendungsakt auf die Übereinstimmung mit Nor- men höherer Stufe. Ergibt sich, dass die überprüfte Norm mangelhaft ist, so führt dies - anders als im Verfahren der abstrakten Normen- kontrolle (§ 68 ff. VRPG) - nicht zu einer förmlichen Aufhebung, doch ist diese Norm im konkreten Anwendungsfall unbeachtlich und nicht anzuwenden (AGVE 2002, S. 164 f. mit Hinweisen; Kurt Eichenberger, Verfassung des Kantons Aargau, Kommentar, Aarau/Frankfurt a.M./Salzburg 1986, § 95 N 21). b) Der Regierungsrat darf rechtsetzende Bestimmungen in der Form der Verordnung erlassen. Dabei müssen aber der Zweck und die Grundsätze der inhaltlichen Gestaltung im Gesetz (oder im De- kret) festgelegt sein (§ 91 Abs. 2 KV). Zudem muss die Verordnung selbstverständlich die Schranken der Rechtsetzungsbefugnis einhal- ten: Sie darf weder gegen die Verfassung noch gegen das Gesetz verstossen und darf deren Inhalt nicht aufheben oder abändern, son- dern ihn nur spezifizieren (AGVE 1985, S. 124). c) Im eben angeführten Präjudiz ging es um die analoge Frage- stellung, bezogen auf die entsprechenden Bestimmungen des SHG und der SHV. § 33 Abs. 3 SHG lautete: "Ein Vorschuss wird ausge- richtet, soweit Brutto-Einkommen und Vermögen des obhutsberech- tigten Elternteils und des Kindes nicht eine vom Regierungsrat auf dem Verordnungsweg festzusetzende Grenze überschreiten.", nach § 36 Abs. 1 lit. c SHV wurde "beim verheirateten, nicht alimenten- 2004 Verwaltungsgericht 258 pflichtigen Elternteil oder bei eheähnlichem Partnerschaftsverhält- nis" das Bruttoeinkommen gesamthaft (also einschliesslich des Ein- kommens des neuen Ehe- bzw. des Konkubinatspartners) einbezo- gen. Im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens hob das Verwal- tungsgericht § 36 Abs. 1 lit. c SHV als gesetzwidrig auf (AGVE 1985, S. 128). Während die Beschwerdeführerin die Ansicht vertritt, es handle sich praktisch um den gleichen Sachverhalt, und hieraus auf die Ge- setzwidrigkeit von § 27 Abs. 1 lit. b SPV schliesst, soweit darin die Einkünfte des Stiefvaters der unterhaltsberechtigten Kinder vollum- fänglich angerechnet werden, hält der Regierungsrat seine Verord- nung für gesetzeskonform. d) aa) § 33 lit. d SPG ermächtigt den Regierungsrat, Grenzbe- träge für die voraussichtlichen Jahreseinkünfte und das steuerbare Vermögen "des nicht unterhaltsbeitragspflichtigen Elternteils und des Kindes" festzusetzen. Die Beschränkung auf diese beiden Personen ist klar und eindeutig; allein vom Gesetzeswortlaut her erscheint eine ausdehnende Auslegung nicht möglich. In dieser Hinsicht besteht - entgegen den Vorbringen des Regierungsrats - ein wesentlicher Un- terschied zur Zürcher Regelung, die Gegenstand der Überprüfung in BGE 112 Ia 251 ff. war und wo die Formulierung in § 21 Abs. 1 des Jugendhilfegesetzes lautete: "Die Bevorschussung erfolgt bis zu einem durch Verordnung festgelegten Höchstbetrag unter Berück- sichtigung von Einkommen und Vermögen des Kindes sowie des nicht verpflichteten Elternteils" (vgl. BGE 112 Ia 253). Dort war also der Höchstbetrag der Bevorschussung mittels Verordnung festzule- gen (unter Berücksichtigung der finanziellen Verhältnisse des nicht unterhaltsbeitragspflichtigen Elternteils und des Kindes), gemäss § 33 lit. d SPG sind demgegenüber in der Verordnung Grenzbeträge für Einkünfte und Vermögen des nicht unterhaltsbeitragspflichtigen Elternteils und des Kindes festzulegen, bei deren Überschreitung der Anspruch auf Bevorschussung entfällt. Es springt in die Augen, dass die Vorgabe in der zürcherischen Gesetzesbestimmung erheblich mehr Auslegungsspielraum bietet und namentlich ein weiter gehen- des Beachten von Zweck und Funktion der Alimentenbevorschus- sung als subsidiäre Hilfe erlaubt als § 33 lit. d SPG. 2004 Sozialhilfe 259 Weiterhin fällt in Betracht, dass der aargauische Gesetzgeber sich beim Erlass des SPG aufgrund des Normenkontrollverfahrens AGVE 1985, S. 120 ff. bewusst sein musste (in seiner Botschaft vom 30. Juni 1999 zum SPG [S. 31, zu § 32 des Entwurfs] wies der Re- gierungsrat ausdrücklich auf dieses Präjudiz hin), dass eine von § 33 Abs. 3 SHG abweichende Formulierung hätte gewählt werden müs- sen, um neu eine direkte Berücksichtigung der wirtschaftlichen Ver- hältnisse des Stiefvaters oder des Konkubinatspartners zu statuieren. Trotzdem übernahm der Regierungsrat - und ihm folgend der Grosse Rat - die Formulierung von § 33 Abs. 3 SHG, soweit hier von Be- deutung, ohne inhaltliche Änderung. Jedenfalls bezüglich der Unter- stützung durch einen Konkubinatspartner war die Meinung, diese falle im Rahmen von § 34 lit. a SPG in Betracht (Botschaft, S. 32, zu § 34). bb) Aus § 32, § 34 lit. a und § 35 SPG lässt sich ersehen, dass als allgemeiner Grundsatz die Alimentenbevorschussung nur dort zum Tragen kommen soll, wo die wirtschaftliche Situation des Kin- des es erfordert. Dies vermag jedoch nichts an der Auslegung der konkreten Regelung in § 33 lit. d SPG zu ändern. (Dagegen könnten die Argumente des Regierungsrats allenfalls dazu führen, bei den Einkünften der Mutter einen angemessenen Beitrag des Stiefvaters aufzurechnen.) Der Regierungsrat verzichtet zu Recht darauf, die Grundlage für § 27 Abs. 1 lit. b SPV aus § 34 lit. a SPG herzuleiten, sodass auf diese Möglichkeit nicht weiter einzugehen ist; die materielle Be- gründung findet sich schon in AGVE 1985, S. 127 f., und ausserdem ist § 27 SPV gemäss Marginalie ausdrücklich eine Ausführungsbe- stimmung zu § 33 SPG. cc) Unter diesen Umständen ist der Beschwerdeführerin beizu- pflichten, dass § 33 lit. d SPG keinen relevanten Unterschied zum vorher geltenden § 33 Abs. 3 SHG aufweist und dass keine Gründe für eine unterschiedliche Auslegung sprechen, was - wie analog schon in AGVE 1985, S. 120 ff. - zum Ergebnis führt, dass es für den direkten Einbezug der Einkünfte des Stiefvaters gemäss § 27 Abs. 1 lit. b SPV an einer genügenden gesetzlichen Grundlage fehlt.
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2008 Verwaltungsgericht 166 [...] 27 Anmerkung im Grundbuch gemäss § 163 BauG. - Verhältnis zwischen einer Anmerkung gemäss § 163 BauG und einem Erschliessungsplan. Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 28. Mai 2008 in Sachen M.K. und Mitb. gegen den Regierungsrat (WBE.2007.129). Aus den Erwägungen 3. 3.1. Sinn und Zweck einer Anmerkung im Grundbuch gemäss § 163 BauG bestehen darin, Dritte auf einen spezifisch parzellenbezogenen öffentlich-rechtlichen Tatbestand aufmerksam zu machen. Dritte sollen anhand der Anmerkung im Grundbuch erkennen können, dass für das betreffende Grundstück eine öffentlich-rechtliche Verpflich- tung besteht, die der Eigentümer zu beachten hat (AGVE 2005, S. 613). Anmerkungen dienen lediglich der Publizität. Sie geben über bestimmte Rechtsverhältnisse an einem Grundstück Auskunft. Die Anmerkung im Grundbuch hat aber keine konstitutive oder heilende Wirkung (BGE 124 III 211 Erw. 1a = Pra 1998, S. 935 f.). Sie unter- steht auch nicht der negativen Rechtskraft des Grundbuches (Art. 971 ZGB). Die betreffenden Rechtsverhältnisse bestehen auch 2008 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 167 ohne Anmerkung im Grundbuch (Dominik Scherrer, Anmerkung im Grundbuch unter Berücksichtigung des Bundesrechtes und des kan- tonal-st. gallischen Rechtes, Diss. Fribourg 1984, S. 307). 3.2. Der Rechtsgrundausweis für die Anmerkung und damit Grund- lage des öffentlich-rechtlichen Verhältnisses ist die mit Verfügung vom 31. Januar 1995 abgeänderte Auflage zur rückwärtigen Er- schliessung der Parzelle Nr. 000. Diese Verfügung ist eine behördli- che Anordnung, die gestützt auf das Baugesetz einseitig und für den Grundeigentümer verbindlich die Erschliessung vorschreibt, sofern die in der Verfügung vorgesehenen Bedingungen eintreten. Diese Anordnungen entfalteten verbindliche Rechtswirkungen zwischen dem Verfügungsadressaten - hier die Grundeigentümerin - und der Gemeinde. Die Verfügung des Gemeinderats vom 31. Januar 1995 entfaltet indessen keine Rechtswirkungen zwischen dem Gemeinwe- sen und Dritten in dem Sinne, dass sie Rechtsansprüche Dritter ge- gen die Gemeinde begründet. Wie bereits ausgeführt, ändert die An- merkung der verfügten Auflagen im Grundbuch nichts an dieser Rechtslage. Die Rechtsbeständigkeit (materielle Rechtskraft) einer Verfü- gung ist sodann nicht absolut, sondern beschränkt. Eine formell rechtskräftige Verfügung kann unter bestimmten Voraussetzungen einseitig aufgehoben oder abgeändert werden (vgl. Ulrich Häfelin / Georg Müller / Felix Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Auflage, Zürich / Basel / Genf 2006, Rz. 994 ff.). Die Vorinstanz ist davon ausgegangen, dass die Auflagen zur rückwirkenden Er- schliessung der Parzelle Nr. 000 mit dem Erschliessungsplan wieder- erwägungsweise aufgehoben wurden. Ob die Voraussetzungen für eine Wiedererwägung oder einen Widerruf (siehe dazu §§ 25 f. VRPG) vorliegen, ist wegen der planungsrechtlichen Situation nicht abschliessend zu prüfen. 4. 4.1. Art. 19 RPG verpflichtet die Gemeinden zur planmässigen Er- schliessung der Bauzonen, und § 16 Abs. 1 BauG hält den Grundsatz fest, dass die Erschliessung soweit nötig durch Erschliessung- und 2008 Verwaltungsgericht 168 Gestaltungspläne und entsprechende Vorschriften sichergestellt wird. Gemäss § 16 Abs. 3 BauG können die allgemeinen Nutzungspläne für bestimmte Gebiete die Sondernutzungsplanung vorsehen. In die- ser Bestimmung konkretisiert das BauG ausdrücklich den planungs- rechtlichen Grundsatz, dass sich die Erschliessung der Bauzonen nach den Nutzungsplänen zu richten hat (BGE 116 Ia 221 Erw. 4a; Bernhard Waldmann / Peter Hänni, Raumplanungsgesetz, Bern 2006, Art. 19 N 46 mit Hinweisen). Nutzungspläne sind "für jedermann verbindlich" und verpflichten auch das Gemeinwesen (Art. 21 Abs. 1 RPG). Die Nutzungspläne legen die zulässige Nutzung allgemein- verbindlich und parzellenscharf fest und schliessen jede andere als eine plankonforme Nutzung aus (Waldmann / Hänni, a.a.O., Art. 14 N 4). 4.2. Die Gemeindeversammlung X. beschloss am 7. Juni 2005 die Bauzonen- und Kulturlandplanänderung "A.". Diese wurde am 19. Oktober 2005 vom Regierungsrat genehmigt und ist rechtskräf- tig. Durch diese Änderung wurde die Parzelle Nr. 000 von der Wohn- und Gewerbezone mit Gestaltungsplanpflicht in die Wohnzone W2 umgezont. Die Zone wurde neu einer Erschliessungsplanpflicht un- terstellt. Mit dieser Änderung der Nutzungsplanung, namentlich mit der Erschliessungsplanpflicht, hat sich die raumplanerische Rechtslage der Parzelle Nr. 000 auch mit Bezug auf die Erschliessung verändert. Die Erschliessung setzt eine Erschliessungsplanung nach den für die Sondernutzungspläne geltenden Bestimmungen voraus. Damit ist eine Erschliessung auf der Grundlage der Verfügung vom 31. Januar 1995 ausgeschlossen, zumal die Parzelle Nr. 000 bereits mit der Teil- revision des Bauzonenplans vom 20. November 1998 und damit nach Rechtskraft der genannten Verfügung einer Gestaltungsplanpflicht unterstellt wurde. Die neuen planungsrechtlichen Vorschriften ver- pflichteten den Grundeigentümer und den Gemeinderat zur Sonder- nutzungsplanung, und eine Erschliessung gestützt auf die Auflagen von 1995 war mit Inkrafttreten der Planänderung am 12. Mai 1999 ausgeschlossen. Mit der Revision des Bauzonen- und Kulturland- plans "A." verlor die Verfügung, die zur Anmerkung im Grundbuch 2008 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 169 führte, ihre Rechtsgrundlage. Eine rückwärtige Erschliessung konnte nur noch in Frage kommen, soweit sie mit den Grundsätzen der Er- schliessungsplanung zu vereinbaren war. Mit der Erschliessungs- planpflicht wurden insbesondere auch die Bedingungen in lit. a-c der Verfügung vom 31. Januar 1995, welche die Voraussetzungen für die Pflicht der Grundeigentümer zur Erstellung einer rückwärtigen Er- schliessung umschrieben, hinfällig. Weder aufgrund einer Nut- zungsänderung noch einer Veräusserung der Parzelle Nr. 000 konn- ten die Erschliessungsanlagen erstellt werden.
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2015 Landwirtschaftsrecht 207 IX. Landwirtschaftsrecht 31 Art. 84 ff. DZV und § 37 VRPG - Zielsetzung der Übergangsbeiträge: Sicherstellung eines sozialver- träglichen Übergangs vom alten zum neuen Direktzahlungssystem durch temporären Ausgleich der Beitragsdifferenzen (Erw. 1.1). - Berechnung der Übergangsbeiträge anhand des Basiswerts (Erw. 1.2-1.4) - Im von der Landwirtschaft Aargau verwendeten Programm AGRICOLA waren die Grundlagen für die Bestimmung des Basis- werts falsch hinterlegt, woraus zu hohe Übergangsbeiträge resultier- ten (Erw. 1.5 und 1.6). - Eine formell rechtskräftige Verfügung, worin zuhanden des Adressa- ten ein fehlerhaft ermittelter Basiswert festgelegt wurde, kann nach den Voraussetzungen von § 37 Abs. 1 VRPG widerrufen bzw. abge- ändert werden (Erw. 3.1). - Es besteht ein erhebliches öffentliches Interesse an der Korrektur des Basiswerts, der zu einer überhöhten Beitragszahlung zu Lasten an- derer Beitragsberechtigten führen würde (Erw. 3.2). - Mangels nachteiliger Dispositionen geniesst der Beschwerdeführer keinen Vertrauensschutz, der einer Abänderung der Basiswertfest- stellungsverfügung entgegenstünde (Erw. 3.3). - Der Rechtssicherheit ist in der vorliegenden Konstellation kein we- sentliches Gewicht beizumessen (Erw. 3.4). Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 20. August 2015 in Sachen A. gegen das Departement Finanzen und Ressourcen, Land- wirtschaft Aargau (WBE.2015.22). Aus den Erwägungen II. 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 208 1. 1.1. Am 1. Januar 2014 trat im Zusammenhang mit der Agrarpolitik 14-17 die neue DZV Verordnung über die Direktzahlungen an die Landwirtschaft vom 23. Oktober 2013 (Direktzahlungsverordnung, DZV; SR 910.13) in Kraft und ersetzte die bisherige Verordnung vom 7. Dezember 1998. Das System der Direktzahlungen wurde durch die Agrarpolitik 14-17 komplett überarbeitet und neu gestaltet. Die Wirksamkeit und Effizienz der Direktzahlungen sollten dadurch verbessert werden, dass Massnahmen mit unspezifischer Zielausrich- tung durch zielgerichtete Instrumente ersetzt werden. Die früheren tierbezogenen Beiträge wurden deshalb in die Versorgungssicher- heitsbeiträge umgelagert und werden neu als flächenbezogene Zah- lungen unter Voraussetzung eines Mindesttierbesatzes ausgerichtet. Der allgemeine Flächenbeitrag wurde aufgehoben. Die dadurch frei werdenden Mittel werden einerseits für den Ausbau der Direktzah- lungsinstrumente in Bereichen mit Ziellücken (insbesondere im Hin- blick auf Biodiversität, Landschaftsvielfalt und ökologische Fort- schritte) und andererseits für die Übergangsbeiträge eingesetzt. Durch den Anstieg des Mittelbedarfs bei den zielorientierten Instru- menten im Lauf der Zeit wird sich im Gegenzug der Betrag, der für die Übergangsbeiträge zur Verfügung steht, reduzieren. Die Über- gangsbeiträge sollen so einen sozialverträglichen Wechsel vom alten auf das neue Direktzahlungssystem sicherstellen und innerhalb der nächsten voraussichtlich acht Jahre auslaufen (Botschaft Nr. 12.021 vom 1. Februar 2012 zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik in den Jahren 2014-2017 [Agrarpolitik 2014-2017], in: BBl 2012 2075 ff., S. 2190 ff., Ziff. 2.3.1). 1.2. Die in Art. 84 ff. DZV vorgesehenen Übergangsbeiträge sollen, wie gesagt, die durch den Systemwechsel verursachten Beitragsdiffe- renzen reduzieren und damit einen sozialverträglichen Übergang si- cherstellen. Grundsätzlich wird der für die Übergangsbeiträge zur Verfügung stehende Betrag aufgrund der unter altem Recht ausge- richteten allgemeinen Direktzahlungen gesamtschweizerisch verhält- nismässig auf die Betriebe verteilt. Massgebend sind die Direktzah- 2015 Landwirtschaftsrecht 209 lungen der Jahre 2011-2013, wobei für jeden Betrieb dasjenige Jahr mit den höchsten Beiträgen massgebend ist (Art. 86 Abs. 2 DZV). Die Summe der Direktzahlungen ergibt im Verhältnis zu den zur Ver- fügung stehenden Mitteln den Verteilfaktor. Eine Korrektur erfolgt allerdings dahingehend, dass von den altrechtlichen Direktzahlungen die neuen Kulturlandschafts- und Versorgungssicherheitsbeiträge, mit Ausnahme des Sömmerungsbeitrags, abgezogen werden (Art. 86 Abs. 1 DVZ). Die Kulturlandschafts- und Versorgungsbeiträge be- rechnen sich aufgrund der Flächen und Tierbestände desjenigen Jah- res, welches für die Bestimmung der altrechtlichen Direktzahlungen ausschlaggebend ist. Für die Beitragsansätze ist dagegen das Jahr 2014 massgebend (Art. 86 Abs. 3 DZV). Erst nach dieser Korrektur erfolgen die Berechnung des Verteilfaktors und die Aufteilung der Mittel. Die Differenz zwischen den altrechtlichen allgemeinen Direkt- zahlungen und den neuen Kulturlandschafts- und Versorgungssicher- heitsbeiträgen, mit Ausnahme des Sömmerungsbeitrags, ergibt pro Betrieb den Basiswert. Das gesamtschweizerische Total der Basis- werte im Verhältnis zu den insgesamt verfügbaren Mitteln ergibt den Verteilfaktor. Basiswert pro Betrieb und Faktor ergeben wiederum den Übergangsbeitrag für den einzelnen Betrieb. Die Übergangsbei- träge sind Teil der gesamten für die Direktzahlungen zur Verfügung stehenden Mittel. Die Zunahme des Mittelbedarfs bei den leistungs- bezogenen Direktzahlungen wird die für die Übergangsbeiträge ver- fügbaren Mittel im Laufe der Zeit sinken lassen, wobei von einem Zeithorizont von acht Jahren ausgegangen wird. Dementsprechend wird der Faktor für die Berechnung jährlich angepasst werden (Bot- schaft Agrarpolitik 2014-2017, BBl 2012 2075 ff., S. 2224 f., Ziff. 2.3.11). 1.3. Die Korrektur bei der Berechnung des Basiswerts um die Kul- turlandschafts- und Versorgungssicherheitsbeiträge ist dadurch be- gründet, dass die Übergangsbeiträge die Beitragsdifferenzen des Sys- temwechsels ausgleichen sollen. Wer neu (höhere) Kulturland- schafts- und Versorgungssicherheitsbeiträge erhält, soll nicht zusätz- lich auch von höheren Übergangsbeiträgen profitieren. Um dieses 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 210 Ziel zu erreichen, ist für die Bestimmung der massgebenden Flächen gemäss Art. 86 Abs. 3 DZV auf das massgebende Jahr der 3-Jahres- periode (2011-2013) abzustellen. Flächen mit Biodiversitätsbeiträgen nach Art. 55 DZV erhalten beispielsweise bei den Versorgungssicherheitsbeiträgen einen redu- zierten Ansatz (Art. 50 Abs. 2 DZV). Würde nun bei der Berechnung des Korrekturabzuges nach Art. 86 Abs. 1 DZV auf die Beitragsbe- rechtigung im Jahr 2014 abgestellt, wäre der entsprechende Korrek- turbetrag bei diesen Flächen tiefer, der Basiswert und damit auch der Übergangsbeitrag höher, als wenn auf die Beitragsberechtigung nach altem Recht abgestellt wird. Gleichzeitig profitieren diese Flächen aber von den neuen Biodiversitätsbeiträgen und wären somit doppelt begünstigt. Dies war nicht die Meinung des Gesetzgebers, weshalb, wie erwähnt, die Beitragsberechtigung in der alten Periode massge- bend ist, nicht diejenige im Jahr 2014. 1.4. Die Basiswerte nach Art. 86 DZV für die Betriebe sowie die ebenfalls zu bestimmende Standardarbeitskraft nach Art. 93 DZV wurden im Kanton Aargau durch das System AGRICOLA berechnet und den Landwirten Mitte 2014 mitgeteilt, so auch dem Beschwerde- führer mit Verfügung vom 27. Juni 2014. Nachdem in der Folge sämtliche Abrechnungen der Kantone beim Bund eingegangen wa- ren, stellte das BLW fest, dass in den AGRICOLA-Kantonen zu grosse Differenzen bei den festgesetzten Basiswerten im Vergleich zu den aufgrund der Daten früherer Jahre erwarteten Zahlen bestanden. Die Überprüfung der Daten ergab, dass den verfügten Basiswerten falsche Detailzahlen zu Grunde lagen. 1.5. Die Abklärungen des BLW deckten auf, dass die Grundlagen für die Berechnung der Basiswerte und in der Folge auch der Über- gangsbeiträge im Programm AGRICOLA falsch hinterlegt waren. Für die Bestimmung der Flächen, aufgrund welcher die neurechtli- chen Kulturlandschafts- und Versorgungssicherheitsbeiträge errech- net werden, wurde nicht nur auf den Beitragsansatz, sondern auch auf die Beitragsberechtigung im Jahr 2014 abgestellt. Dies führte dazu, dass Streueflächen, Hecken, Feld- und Ufergehölze, Buntbra- 2015 Landwirtschaftsrecht 211 chen, Rotationsbrachen und Saum auf Ackerflächen fälschlicherwei- se, weil im Jahr 2014 nicht mehr beitragsberechtigt, nicht berück- sichtigt wurden. Für extensive Weiden wurde ausserdem ein zu tiefer Ansatz (Fr. 450.00 / ha anstatt Fr. 900.00 / ha) verwendet. In der Fol- ge wurden die neurechtlichen Kulturlandschafts- und Versorgungs- sicherheitsbeiträge zu tief berechnet (entscheidend wäre gewesen, ob sie altrechtlich beitragsberechtigt waren bzw. gewesen wären), was wiederum zu grosse Differenzen (altrechtliche Direktzahlungen ab- züglich neurechtliche Kulturlandschafts- und Versorgungssicher- heitsbeiträge), zu hohe Basiswerte und damit zu hohe Übergangs- beiträge zur Folge hatte. 1.6. Auch beim Beschwerdeführer führte diese ursprünglich falsche Berechnung durch das Programm AGRICOLA zu einem zu hohen Basiswert. In der korrigierten Version ergab sich im November 2014 ein Basiswert von Fr. -511.80 und somit keine Auszahlung von Über- gangsbeiträgen. Die Richtigkeit dieser Berechnung wird vom Be- schwerdeführer nicht bestritten. Ihm geht es vielmehr darum, dass durch die Abteilung Landwirtschaft nicht korrekt kommuniziert wor- den sei. Zudem erachtet er es als unzulässig, dass eine rechtskräftige Verfügung einfach wieder aufgehoben wurde. 2. Gemäss § 37 Abs. 1 VRPG können Entscheide, die der Rechts- lage oder den sachlichen Erfordernissen nicht entsprechen, durch die erlassende Behörde oder die Aufsichtsbehörde geändert oder aufge- hoben werden, wenn das Interesse an der richtigen Rechtsanwendung die Interessen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes über- wiegt. Vorbehalten bleiben nach § 37 Abs. 2 VRPG Entscheide, die nach besonderen Vorschriften oder der Natur der Sache nicht oder nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen zurückgenommen wer- den können. Im Unterschied zu Erkenntnissen von Zivil- und Strafbehörden und im Verwaltungsrecht tätigen Justizbehörden kommt Verwal- tungsverfügungen keine materielle Rechtskraft zu, sondern nur, aber immerhin, Rechtsbeständigkeit, was bedeutet, dass sie - nur noch - unter bestimmten Voraussetzungen einseitig aufgehoben oder zum 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 212 Nachteil des Adressaten abgeändert werden dürfen (P IERRE T SCHANNEN /U LRICH Z IMMERLI /M ARKUS M ÜLLER , Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl., Bern 2014, § 31 N 8 f.). Wegen des Lega- litätsprinzips können Verwaltungsverfügungen nicht unumstösslich sein (BGE 100 Ib 299, Erw. 2; T SCHANNEN /Z IMMERLI /M ÜLLER , a.a.O., § 31 N 21; U LRICH H ÄFELIN /G EORG M ÜLLER /F ELIX U HLMANN , Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl., Zürich/ St. Gallen 2010, Rz. 994). Im Zusammenhang mit § 37 Abs. 2 VRPG kann ergänzend da- rauf hingewiesen werden, dass das Bundesgericht Fallgruppen von grundsätzlich nicht widerrufbaren Verfügungen gebildet hat, bei wel- chen das Interesse am Fortbestand der Verfügung in der Regel höher zu gewichten ist als das Interesse an der richtigen Durchsetzung des objektiven Rechts. Grundsätzlich nicht widerrufbar sind Verfügun- gen namentlich, wenn - darin ein subjektives Recht begründet wurde oder - sie in einem Verfahren ergangen sind, in dem die sich gegen- überstehenden Interessen allseitig zu prüfen und gegeneinan- der abzuwägen waren oder - der Private von einer eingeräumten Befugnis bereits Ge- brauch gemacht hat. Auch in diesen Fällen kommt aber ein Widerruf dann in Frage, wenn das entgegenstehende öffentliche Interesse besonders gewich- tig erscheint (vgl. BGE 137 I 69, Erw. 2.3; 121 II 273, Erw. 1a/aa). 3. 3.1. Der Basiswert wurde in der ursprünglichen Verfügung fehler- haft festgesetzt. Insbesondere aufgrund der Mitteilung des Vizedirek- tors des BLW vom 20. Oktober 2014 erscheint dies zweifellos erstellt und wird vom Beschwerdeführer auch nicht ernsthaft bestritten. Insofern ist die erste Voraussetzung eines Widerrufs gemäss § 37 Abs. 1 VRPG ("Entscheide, die der Rechtslage oder den sachlichen Erfordernissen nicht entsprechen"), ohne weiteres erfüllt. 3.2. Das öffentliche Interesse an der richtigen Rechtsanwendung ist in concreto als hoch zu bewerten. Da für die Übergangsbeiträge pro 2015 Landwirtschaftsrecht 213 Jahr ein bestimmter Maximalbetrag zur Verfügung steht, der auf die Kantone und weiter auf die berechtigten Betriebe verteilt wird, hat eine falsche Berechnung in einem oder mehreren Kantonen mit zu hohen Übergangsbeiträgen zur Folge, dass in den übrigen Kantonen für die dortigen Betriebe weniger Geld zur Verfügung steht. Zudem führt die ungleiche Anwendung der Verteilkriterien zu einer Un- gleichbehandlung der Betriebe. Die Nichteinhaltung der gesetzlichen Vorgaben (Legalitätsprinzip) hat demnach weitreichende Konsequen- zen für unzählige anspruchsberechtigte Betriebe in der gesamten Schweiz. 3.3. 3.3.1. Der in Art. 9 BV verankerte Grundsatz von Treu und Glauben verleiht einer Person Anspruch auf Schutz des berechtigten Vertrau- ens u.a. - wie im vorliegenden Fall - in eine Verfügung. Vorausge- setzt ist, dass die Person, die sich auf den Vertrauensschutz beruft, berechtigterweise auf diese Grundlage vertrauen durfte und gestützt darauf nachteilige Dispositionen getroffen hat, die sie nicht mehr rückgängig machen kann (BGE 137 I 69, Erw. 2.5.1, mit weiteren Hinweisen). 3.3.2. Der Beschwerdeführer beantragt einerseits die Auszahlung der ursprünglich berechneten Übergangsbeiträge. Bei einem Basiswert von Fr. 4'008.50 und einem Umrechnungsfaktor von 0,4724 für das Jahr 2014 wären dies Fr. 1'893.60 gewesen. Berücksichtigt man auch die Auszahlungen in den folgenden Jahren (voraussichtlich ca. 8 Jahre), wobei diese Auszahlungen degressiv sein werden, ergibt sich ein Gesamtbetrag, der nur geschätzt werden kann. Er dürfte aber vermutlich bei rund Fr. 8'000.00 bis Fr. 12'000.00 liegen. Der Beschwerdeführer macht anderseits geltend, die Abteilung Landwirtschaft habe nicht korrekt kommuniziert, weshalb ein Wider- ruf der Verfügung nicht zulässig sei. Die von ihm telefonisch im De- zember 2014 angeforderten Belege für die angeblich "ungenaue Ar- beit des Programms AGRICOLA" habe er nie erhalten. Das BLW habe ihm den Sachverhalt nicht so bestätigen können. Er sei zurück an den Kanton verwiesen worden. In der Replik ergänzte der Be- 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 214 schwerdeführer, der Vertreter des Kantons Aargau in der Fachgruppe Betriebsberechnung habe es verpasst, den Beitragsberechnungsser- vice BBS 14 korrekt anzuwenden. Aus der Mail des Vizedirektors des BLW vom 20. Oktober 2014 gehe klar hervor, dass nicht die unterschiedliche Interpretation, sondern ein Versäumnis eines Ar- beitsgruppenmitglieds für den Fehler verantwortlich gewesen sei. 3.3.3. Dem Beschwerdeführer wurde zwar mit Verfügung vom 27. Ju- ni 2014 der Basiswert für seinen Betrieb eröffnet. Dieser Basiswert sagt aber noch nichts aus über den genauen Betrag, den der Be- troffene als Übergangsbeitrag erhalten wird. Dieser Betrag kann erst errechnet werden, wenn dem BLW sämtliche Basiswerte aller Be- triebe in der Schweiz vorliegen. Erst gestützt auf diesen Gesamtwert kann, im Verhältnis zu den zur Verfügung stehenden Mitteln, der Ver- teilfaktor festgelegt und anschliessend der individuelle Anspruch be- rechnet werden. Das BLW legt jeweils erst Ende Oktober diesen Fak- tor fest, nachdem ihm von den Kantonen sämtliche Basiswerte gemeldet wurden. Die Verfügung vom 27. Juni 2014 hat somit noch gar keinen (geldwerten) Anspruch des Beschwerdeführers begründet. Folglich konnte er gestützt auf diese Verfügung noch kaum konkrete Dispositionen tätigen; tatsächlich behauptet er auch nicht, solche ge- troffen zu haben. Insofern besteht von vornherein kein Anspruch des Beschwerdeführers, in seinem Vertrauen in die ursprüngliche Festle- gung des Basiswerts geschützt zu werden. 3.3.4. (...) 3.4. Der Grundsatz der Rechtssicherheit weist eine enge Verwandt- schaft mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes (vgl. hierzu Erw. 3.3 vorne) auf. Beide verlangen den Schutz der Privaten, die auf eine bestimmte Rechtslage vertraut haben. Während aber der Ver- trauensschutz im Sinne des Grundsatzes von Treu und Glauben das individuelle Vertrauen der Privaten schützt, das diese in einem kon- kreten Fall aus ganz bestimmten Gründen in ein Verhalten der Behör- den haben, dient die Rechtssicherheit dazu, allgemein die Vorausseh- barkeit, Berechenbarkeit und Beständigkeit des Rechts zu gewähr- leisten (H ÄFELIN /M ÜLLER /U HLMANN , a.a.O, Rz. 628). 2015 Landwirtschaftsrecht 215 In concreto stehen - letztlich nicht sehr bedeutende - finanzielle Interessen auf dem Spiel. Zudem wurden diesbezüglich noch keine konkreten Beträge, sondern nur die individuellen Berechnungsgrund- lagen verfügt. Der Rechtssicherheit ist insofern kein wesentliches Gewicht beizumessen.
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2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 130 17 Baubewilligungsgebühr; Überwälzung der Kosten der externen Bauverwaltung auf die Bauherrschaft Ein Gebührenreglement, welches sich nicht einmal in den Grundzü- gen zur Bemessung der Kosten der externen Bauverwaltung äussert, genügt nicht als gesetzliche Grundlage. Die Kosten der externen Bauverwaltung müssen zwingend an die für die eigene Tätigkeit der Gemeinde erhobene Baubewilligungsgebühr angerechnet werden. Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 24. Oktober 2019, in Sachen A. gegen Gemeinderat B. und Departement Bau, Verkehr und Umwelt (WBE.2019.114). Aus den Erwägungen 2.3. Gestützt auf § 5 Abs. 2 BauG und § 20 Abs. 2 lit. i GG hat die Gemeindeversammlung der Gemeinde B. am 25. November 1998 das Gebührenreglement beschlossen. Dieses lautet: 1. Für die Behandlung von Baugesuchen und Gesuchen um Vorentschei- de sind folgende einmalige Gebühren zu entrichten: 2019 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 131 a) (...) b) Für bewilligte Baugesuche provisorisch 2 ? der errechneten Bausumme für Gebäude auf Grund der kubischen Berechnung der nach SIA-Normen geschätzten Baukosten, mindes- tens aber Fr. 100.00. definitiv (Endabrechnung) 2 ? der Summe der Gebäudeschätzung nach AVA, mindestens aber Fr. 100.00. (...) c) Für abgelehnte Baugesuche Nach dem Aufwand der Gemeindeverwaltung und dem Aufwand einer allfälligen externen Prüfung im Rahmen des Gebührensatzes für be- willigte Baugesuche. 2. (...) 3. Die effektiven Kosten einer externen Bauverwaltung für Profilkon- trolle, die baupolizeiliche Prüfung und Bearbeitung des Baugesuches einschliesslich Brand-, Lärm- und Zivilschutz sowie den Nachweis energetischer Massnahmen und die gesetzlich vorgeschriebenen Bau- kontrollen sind vom Baugesuchsteller zu bezahlen. 4. (...) 5. - 9. (...) 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 132 (...) 2.4. Die Vorinstanz erblickt in Ziffer 3 des Gebührenreglements eine hinreichende gesetzliche Grundlage für die Überwälzung der Kosten der externen Bauverwaltung auf die Beschwerdeführerin. Die Bestimmung wurde von der Gemeindeversammlung erlas- sen und erfüllt das Erfordernis der Gesetzesform. Die Grundlagen für die Bemessung der Kosten der externen Bauverwaltung müssen sich nicht zwingend aus der erwähnten Bestimmung ergeben, nachdem bei kostenabhängigen Kausalabgaben, insbesondere bei Verwal- tungsgebühren, als Surrogat für eine Bemessungsgrundlage in einem formellen Gesetz das Äquivalenz- und das Kostendeckungsprinzip herangezogen werden dürfen. Der Kreis der Abgabepflichtigen (Baugesuchsteller) und der Gegenstand der Abgabe (Einreichung eines Baugesuchs, für dessen Beurteilung der Gemeinderat die ex- terne Bauverwaltung beiziehen darf) werden in Ziffer 3 des Gebüh- renreglements i.V.m. mit § 48 BNO genügend bestimmt definiert. Das entbindet aber die Gemeinde nach dem oben Gesagten jedoch nicht davon, wenigstens in einem generell-abstrakten (delegierten, unterstufigen) Erlass (des Gemeinderats) zu regeln, wie die von der Bauherrschaft zu tragenden Kosten der externen Bauverwaltung be- messen werden. Es spricht nichts dagegen, zumindest den der exter- nen Bauverwaltung für ihre Tätigkeiten zu vergütenden Stundenan- satz generell-abstrakt zu regeln oder einen Kostenrahmen festzule- gen. Immerhin wird jedes Baugesuch durch die externe Bauverwal- tung bearbeitet, d.h. sie wird regelmässig für den Gemeinderat tätig. Es sind auch keine Praktikabilitätsgründe ersichtlich, die einer Fest- legung des Stundenansatzes oder eines Kostenrahmens in einem ge- nerell-abstrakten Erlass entgegenstünden, sei es im Gebührenregle- ment selber oder in dazugehörigen Ausführungsbestimmungen des Gemeinderats. Zudem wäre eine gewisse Schematisierung des für die Beurteilung eines Baugesuchs anfallenden Aufwands, allenfalls ab- gestuft nach Grösse und Bedeutung des Bauvorhabens, denkbar. In der jetzigen Fassung ist hingegen Ziffer 3 des Gebührenreg- lements mit Bezug auf die Bemessung der Kosten der externen Bau- verwaltung zu unbestimmt. Sie erlaubt es der Bauherrschaft nicht, 2019 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 133 diese Kosten vorgängig abzuschätzen, zumal die Diskrepanz zwi- schen der berechenbaren ordentlichen Baubewilligungsgebühr (Zif- fer 1 lit. b) und den Kosten der externen Bauverwaltung für die Be- handlung des Baugesuchs erheblich sein kann. Hier beträgt die ordentliche (Promille)Gebühr Fr. 382.00, während sich die Kosten der externen Bauverwaltung auf Fr. 2'924.10 belaufen. Die externen Kosten betragen somit mehr als das Siebenfache der ordentlichen Gebühr, was ein klares Missverhältnis darstellt. Dass für die Bemessung der Kosten die Schranken des Äquiva- lenz- und Kostendeckungsprinzips zu beachten sind, macht sie nicht unbedingt voraussehbarer, solange nicht bekannt ist, zu welchem Stundenansatz die externe Bauverwaltung abrechnet und wie gross der zeitliche Aufwand für die Prüfung eines Baugesuchs in etwa ist. Rein aufgrund der bestehenden gesetzlichen Vorgaben könnte die ex- terne Bauverwaltung jeweils unterschiedliche Stundenansätze an- wenden und es existiert für sie auch keinerlei Anreiz, den Aufwand möglichst gering zu halten. Schliesslich kann es den Rechtsunterwor- fenen nicht zugemutet werden, in jedem konkreten Anwendungsfall überprüfen zu müssen oder auf dem Rechtsweg überprüfen zu lassen, ob der von der externen Bauverwaltung konkret betriebene Aufwand gerechtfertigt war, was naturgemäss mit einem nicht unerheblichen Ermessensspielraum verbunden ist (zum Ganzen: VGE vom 15. Juli 2019 [WBE.2019.38], S. 3 ff.). Nachdem sich Ziffer 3 des Gebührenreglements, nicht einmal in den Grundzügen zur Bemessung der Kosten der externen Bauverwal- tung äussert und auch kein unterstufiger generell-abstrakter Erlass (des Gemeinderats) existiert, aufgrund dessen sich die Kosten für einen betroffenen Bauherrn vorab in etwa abschätzen lassen, ist das Legalitätsprinzip bzw. das Erfordernis der genügenden Bestimmtheit des Rechtssatzes verletzt. Soweit das Verwaltungsgericht in der Vergangenheit ähnliche Bestimmungen geschützt hat (vgl. AGVE 2003, S. 107 ff.), kann an dieser Praxis unter Hinweis auf vorstehende Begründung nicht mehr festgehalten werden. Es ist Sache der Gemeinde B., das bestehende Gebührenreglement entsprechend anzupassen. Zum einen ist für die Kosten der externen Bauverwaltung eine rechtsgenügliche Grundlage 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 134 zu schaffen, zum anderen ist das Verhältnis bzw. die Anrechnung der ordentlichen (Promille)Gebühr und den externen Bauverwaltungs- kosten zu klären. Offen bleiben kann, ob dem Bauherren die gesam- ten effektiven Kosten der externen Bauverwaltung überwälzt werden dürfen oder ob die Festlegung von Maximalwerten angezeigt ist. 2.5. (...) 3. Strittig ist schliesslich, ob der Gemeinderat B. neben einer Ge- bühr von neu Fr. 1'245.00 für die Tätigkeiten der externen Bauver- waltung gestützt auf Ziffer 1 lit. b eine Gebühr in Höhe von Fr. 382.00 in Rechnung stellen darf. Die effektiven Kosten der externen Bauverwaltung stellen nach der Konzeption von § 5 Abs. 2 BauG nicht (Expertise-)Kosten, sondern Gebühren für eine staatliche Tätigkeit (Prüfung des Bauge- suchs) dar. Daran ändert nichts, dass eine Gemeinde diese typische Bauverwaltertätigkeit auf externe regionale Stellen auslagert. Folge- richtig müssen die Kosten der externen Bauverwaltungen (für die Prüfung des Baugesuchs) zwingend an die gemäss Ziffer 1 lit. b des Gebührenreglements geschuldete, in Promille der Bausumme ausge- drückte Gebühr für das Baubewilligungsverfahren angerechnet wer- den. Das ergibt sich aus dem Äquivalenzprinzip. Verlangt nämlich die Gemeinde B. trotz Einsparung eigener Ressourcen im Bereich der Bauverwaltertätigkeit zusätzlich zur vollen Gebühr nach Ziffer 1 lit. b des Gebührenreglements, die ausdrücklich als Entgelt für die Prüfung von Baugesuchen gedacht ist ( Für die Behandlung von Baugesuchen [...] sind folgende Gebühren zu entrichten ), die Er- stattung der Kosten der externen Bauverwaltung, entsteht zwischen den vom Baugesuchsteller gesamthaft zu übernehmenden Gebühren und den staatlichen Leistungen, die er dafür empfängt, ein Missver- hältnis (zum Ganzen: VGE vom 7. Juli 2016 [WBE.2015.456], S. 11 ff.). Angaben über die Anzahl Stunden, welche der Gemeinde für eigene Bauverwaltertätigkeit für die Behandlung des Baugesuchs der Beschwerdeführerin aufwenden musste, fehlen im konkreten Fall. In seiner Beschwerdeantwort vom 22. Mai 2019 zählte der Gemeinderat die verschiedenen von der Gebühr erfassten Leistungen auf, dabei handelt es sich im Wesentlichen um administrative 2019 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 135 Tätigkeiten (Registrierung Baugesuch, Weiterleitung an externe Bauverwaltung, öffentliche Auflage usw.). Diese rechtfertigen jedoch nicht die (zu den Kosten der externen Bauverwaltung hinzukom- mende) zusätzliche Forderung der vollen Gebühr nach Ziffer 1 lit. b. Eine angemessene Reduktion ist im Hinblick auf das Äquivalenzprinzip zwingend geboten. Nachdem das Gebührenreg- lement eine Anrechnung weder vorgibt noch beziffert, kann - wie von der Beschwerdeführerin verlangt - im vorliegenden Fall auf die im Gebührenreglement festgelegte Minimalgebühr abgestellt werden. Die in der Beschwerdeantwort beschriebenen administrativen Tätig- keiten fallen unabhängig von der Grösse des Bauvorhabens bzw. der Bausumme an. Es ist davon auszugehen, dass diese mit der im Ge- bührenreglement festgelegten Minimalgebühr abgedeckt sind. (...)
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2009 KantonaleSteuern 137 29 Feststellungsverfügungen im Steuerrecht (Praxisverschärfung) - In Veranlagungen sind über die Festlegung der Steuerfaktoren hinausgehende rechtskraftfähige Feststellungen ausgeschlossen (Erw. 1). - Selbstständige Feststellungsverfügungen sind im Steuerrecht, abge- sehen vom Fall der Feststellung der Steuerpflicht, grundsätzlich aus- geschlossen (Erw. 2 f.). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 17. Juni 2009 in Sachen R.M. (WBE.2008.328). Aus den Erwägungen II. 1. Es fragt sich zunächst, ob und allenfalls wie weit Feststellungen wie die hier streitigen mit Bezug auf bestimmte für die Besteuerung wesentliche Rechtsfragen neben der Festlegung der Steuerfaktoren in einer Veranlagungsverfügung möglich sind. 1.1. Nach ständiger bundesgerichtlicher Praxis kommt einer Veran- lagung bei periodischen Steuern nur für die betreffende Periode Rechtskraft zu; sowohl die tatsächlichen als auch die rechtlichen Verhältnisse können in einem späteren Veranlagungszeitraum anders gewürdigt werden (Urteil des Bundesgerichts vom 9. Mai 2001 [2A.192/2000], Erw. 1b/bb mit Rechtsprechungshinweisen, vgl. auch Entscheide vom 18. Juni 2007 [2A.775/2006] und vom 23. Juni 2008 [2C_761/2007]). Das Bundesgericht anerkennt somit neben der Festsetzung der Steuerfaktoren keine Festlegung unanfechtbarer Be- rechnungsgrundlagen in Veranlagungsverfügungen. 1.2. 1.2.1. Das Verwaltungsgericht hat in seiner Praxis wiederholt festge- stellt, es bestehe im Steuerrecht - und zwar obwohl die blosse An- fechtung der Begründung einer Verfügung, ohne dass die Abände- 2009 Verwaltungsgericht 138 rung des Dispositivs verlangt wird, unzulässig ist (VGE II/113 vom 16. Dezember 2004 [BE.2004.374], Erw. 3a) - für gewisse grundle- gende Werte das Bedürfnis, sie so festzulegen, dass sie auch für zu- künftige Steuerperioden unanfechtbare Berechnungsgrundlagen bil- den (zum Beispiel Buchwerte; vgl. AGVE 1988, S. 231 ff. = StE 1989, B 96.22 Nr. 1; VGE II/15 vom 4. März 2004 [BE.2002.00294], Erw. 1a; vgl. auch den Überblick bei C ONRAD W ALTHER , Kommen- tar zum Aargauer Steuergesetz, 3. Aufl., Muri-Bern 2009, § 164 N 3 ff.). Im Ergebnis anerkennt das Verwaltungsgericht damit, dass neben den Steuerfaktoren in der Veranlagung bestimmte andere Werte festgelegt werden können. 1.2.2. Da die Rechtskraft einer Veranlagung sich nach der massgeben- den bundesgerichtlichen Rechtsprechung auf die Festlegung der Steuerfaktoren beschränkt, drängt es sich auf, die verwaltungsge- richtliche Praxis insoweit zu präzisieren, als derartige Festlegungen jedenfalls nicht in der Veranlagungsverfügung selbst erfolgen kön- nen. 2. Es kann sich damit höchstens fragen, ob die Feststellungen des Landwirtschaftsexperten, die keinen Einfluss auf die Festlegung der Steuerfaktoren für die Kantons- und Gemeindesteuern 2005 hatten, als eigene, selbstständig neben der Veranlagungsverfügung stehende Verfügung erlassen werden konnten. Einem Recht der Steuerbehörde zur Vornahme eigenständiger Feststellungsverfügungen müsste dabei ein entsprechender Anspruch des Steuerpflichtigen auf Erlass derartiger Feststellungsverfügungen korrespondieren. 2.1. Im DBG ist nicht ausdrücklich vorgesehen, dass die für die Vor- nahme der Veranlagung zuständigen Behörden über die Veranla- gungsverfügungen hinaus, abgesehen von der Feststellung der Steu- erpflicht und der Festlegung des Veranlagungsorts, Feststellungsver- fügungen treffen können (BGE 126 II 514 Erw. 3c, S. 517 f. mit Ausführungen dazu, dass es sich bei der Stempelsteuer, der Verrech- nungssteuer und der Mehrwertsteuer anders verhält). Dies hat das Bundesgericht als Indiz dafür gewertet, dass die Steuerbehörden über 2009 KantonaleSteuern 139 die gesetzlich vorgesehenen Feststellungsverfügungen hinaus grundsätzlich nicht zum Erlass von Feststellungsverfügungen befugt sind. 2.2. Ein Blick in das aargauische Steuergesetz zeigt das gleiche Er- gebnis wie das Recht der direkten Bundessteuer: Gemäss § 191 Abs. 1 StG legt die Veranlagungsbehörde in der Veranlagungsver- fügung die Steuerfaktoren (steuerbares Einkommen und Vermögen, steuerbarer Reingewinn und steuerbares Kapital), die Steuersätze und Steuerbeträge fest. § 164 Abs. 1 StG bestimmt sodann, dass in jeder Einwohnergemeinde zur Beurteilung der Steuerpflicht und zur Ver- anlagung der Einkommens-, Vermögens- und Grundstückgewinn- steuer eine Steuerkommission zu bestellen ist. Insbesondere der Wortlaut der zuletzt genannten Norm deutet darauf hin, dass die Steuerkommission als Veranlagungsbehörde jenseits der Vornahme von Veranlagungen grundsätzlich lediglich Verfügungen über die Feststellung der Steuerpflicht treffen kann. Für einen gleichen Umfang der Verfügungszuständigkeit der Steuerbehörden gemäss dem DBG und dem StG spricht auch das Interesse an der Vermeidung eines Auseinanderfallens des Umfangs der Verfügungszuständigkeit im Bereich der kantonalen Steuern und der vom Kanton administrierten direkten Bundessteuer. Es würde hinsichtlich der Einkommen- und Gewinnsteuer eine unzumutbare prozessuale Komplizierung bedeuten, wenn die Zuständigkeit der Steuerbehörden zum Erlass gesonderter, neben die Veranlagung tre- tender Verfügungen bei den kantonalen Steuern weiter wäre als bei der direkten Bundessteuer. 3. 3.1. Der Erlass einer Feststellungsverfügung setzt ein schutzwürdi- ges Feststellungsinteresse voraus. Es muss ein berechtigtes Bedürfnis an der unmittelbaren Klärung eines konkreten Rechtszustands bestehen. Dabei genügt auch ein tatsächliches Interesse, das in der Praxis etwa dann bejaht wird, wenn private Dispositionen vernünf- tigerweise erst vor dem Hintergrund eines amtlichen Bescheids in die Wege geleitet werden können (BGE 125 V 21 Erw. 1b; vgl. zum 2009 Verwaltungsgericht 140 Ganzen P IERRE T SCHANNEN /U LRICH Z IMMERLI , Allgemeines Ver- waltungsrecht, 2. Aufl., Bern 2005, § 28 N 61 S. 226). 3.2. Die bundesgerichtliche Praxis ist hinsichtlich des Rechts bzw. der Pflicht der Steuerbehörden zum Erlass von Feststellungsverfü- gungen im Bereich der direkten Bundessteuer äusserst zurückhal- tend. Das Bundesgericht hat bislang grundsätzlich nur Feststellungs- entscheide zur Abklärung der subjektiven Steuerpflicht und des Ver- anlagungsorts als zulässig erachtet (BGE 126 II 514 sowie BGE 124 II 383, in dem ein Feststellungsanspruch nur bejaht wurde, weil ge- setzlich ausdrücklich ein Anerkennungsverfahren für Produkte aus dem Bereich der Säule 3A vorgesehen war). Insbesondere hat das Bundesgericht in ständiger Praxis ein Feststellungsinteresse hin- sichtlich der Festlegung des Verlustvortrags verneint, solange der in- frage stehende Verlust nicht in einer Steuerperiode zur Verrechnung gebracht wird, d.h. sich die Höhe des Verlustvortrags nicht unmit- telbar auf die infrage stehende Veranlagung auswirkt (Urteil des Bundesgerichts vom 23. Juni 2008 [2C_761/2007], Urteil vom 18. Juni 2007 [2A.775/2006], Urteil vom 9. Mai 2001 [2A.192/2000]). 3.3. 3.3.1. Das Verwaltungsgericht ist in seiner bisherigen Praxis bei der Annahme eines ausreichenden Interesses am Erlass einer Feststel- lungsverfügung im Steuerrecht weniger zurückhaltend gewesen. So hat es, wie bereits dargelegt, etwa ein Bedürfnis zur Festlegung be- stimmter grundlegender Werte anerkannt, damit sie auch für zukünf- tige Steuerperioden unanfechtbare Berechnungsgrundlagen bilden. Ebenso hat es als möglich erachtet, dass ein Steuerpflichtiger einen Feststellungsentscheid zur Frage, ob Gewinne aus der Veräusserung von Grundstücken mit der Grundstückgewinnsteuer zu erfassen sind oder als Einkünfte aus gewerbsmässigem Liegenschaftenhandel der Einkommensteuer unterliegen, erwirkt (AGVE 1988, S. 235 ff.). Hingegen hat es ein Feststellungsinteresse hinsichtlich der Auftei- lung von wertvermehrenden gegenüber werterhaltenden Aufwen- dungen beim Liegenschaftenunterhalt, mit Bezug auf die Zugehö- 2009 KantonaleSteuern 141 rigkeit eines Vermögensgegenstands zum Privat- oder Geschäfts- vermögen sowie hinsichtlich der Festlegung der Höhe des Verlust- vortrags verneint (vgl. W ALTHER , a.a.O., § 164 N 4 und 6). Bereits mit Urteil vom 19. Dezember 2006 (VGE II/102 [WBE.2006.307] publ. in: AGVE 2006, S. 99 ff.) hat das Verwal- tungsgericht diese Praxis eingeschränkt, indem es ein besonders schutzwürdiges Interesse am Erlass eines Feststellungsentscheids verlangt hat. Das besonders schutzwürdige Interesse sah es damals mit Bezug auf die übergangsrechtliche Problematik für die Festle- gung der künftig zu berücksichtigenden Anlagekosten und Ab- schreibungen als gegeben an (Frage der Anwendbarkeit des alten oder neuen Rechts für Ermittlung eines allfälligen späteren Veräu- sserungsgewinns bei Ersatzbeschaffung eines landwirtschaftlichen Grundstücks). Aufgrund dieser Konstellation bejahte auch das Bun- desgericht ein schutzwürdiges Interesse (Urteil des Bundesgerichts vom 13. Juni 2008 [2A.116/2007]). Es fragt sich jedoch, insbeson- dere vor dem Hintergrund der strengeren Praxis des Bundesgerichts, ob die bisherige Praxis des Verwaltungsgerichts, welche bereits mit dem Urteil vom 19. Dezember 2006 eingeschränkt wurde nicht wei- ter präzisiert werden muss. 3.3.2. Für eine Präzisierung spricht zunächst der bereits erwähnte Umstand, dass für Bundes- und kantonale Steuern, welche das glei- che Steuerobjekt erfassen (Einkommen- und Gewinnsteuer), auch verfahrensmässig ein möglichst weitgehender Gleichlauf erreicht werden sollte. Es ist nur schwer vorstellbar, bestimmte Werte (z.B. kumulierte Abschreibungen auf einer landwirtschaftlichen Liegen- schaft, Buchwerte bestimmter Anlagegütern o.ä.) für die Zwecke der kantonalen Einkommensteuer in einer gesonderten Feststellungsver- fügung festzulegen, währenddem eine solche Festlegung für die di- rekte Bundessteuer von Bundesrechts wegen ausgeschlossen ist. 3.3.3. Ein Interesse am Erlass gesonderter Feststellungsverfügungen im Steuerrecht ist, abgesehen vom Fall der Feststellung der Steuer- pflicht, aber auch aus anderen Gründen jedenfalls grundsätzlich zu verneinen. 2009 Verwaltungsgericht 142 3.3.3.1. Dem Interesse des Steuerpflichtigen an Rechtssicherheit im Hinblick auf von ihm in Aussicht genommene Dispositionen, die möglicherweise Steuerfolgen nach sich ziehen, ist regelmässig mit der Einholung von Auskünften bei der zuständigen Behörde aus- reichend gedient. Darauf hat auch das Bundesgericht schon mehrfach aufmerksam gemacht. Auskünfte der Steuerbehörden führen, sofern die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind, dazu, dass der Steuerpflichtige in seinem Vertrauen darauf geschützt wird (vgl. dazu ausführlich BGE 126 II 514 Erw. 3e). Ein Interesse am Erlass eigen- ständiger Feststellungsverfügungen besteht daher in solchen Fällen regelmässig nicht. Dementsprechend fällt auch für die Steuerbehör- den ausser Betracht, aus eigener Initiative derartige Verfügungen zu treffen. Dabei ist nicht zu übersehen, dass der Steuerpflichtige biswei- len auch nach Vollzug eines Rechtsgeschäftes (insbesondere etwa bei Ersatzbeschaffungen, Betriebsübertragungen oder sonstigen Ge- schäften, bei denen die steuerrechtlichen Normen im Ergebnis einen Steueraufschub vorsehen) Sicherheit darüber möchte, welche Steu- erfolgen sich allenfalls bei einem späteren Geschäft (wenn der Steu- eraufschub infolge Realisation endet) ergeben. Ein solches Interesse ist indes nicht aktuell und kann damit höchstens Anlass für die Er- teilung einer Auskunft der Steuerbehörden, nicht hingegen für den Erlass einer Feststellungsverfügung bilden. 3.3.3.2. Im Hinblick auf Sachverhalte, die sich bereits verwirklicht ha- ben, ist ein Interesse am Erlass eigenständiger Feststellungsverfü- gungen noch weniger erkennbar. - Auch wenn die Durchführung eines Veranlagungsverfahrens für den Steuerpflichtigen in Einzelfällen mit grösserem Aufwand verbunden ist als wenn er vorgängig einen Grundsatzentscheid über bestimmte für die Besteuerung wesentliche Fragen erwirken könnte (vgl. z.B. die Konstellation in AGVE 1988, S. 235, wo es um die Frage ging, ob ein Gewinn aus der Veräusserung von Liegenschaften der Grundstückgewinn- oder der Einkommensteuer unterliegt), so vermag doch dieser grössere Aufwand des Steuerpflichtigen allein 2009 KantonaleSteuern 143 noch kein ausreichendes Interesse an einer Feststellungsverfügung zu begründen. - Eine Festlegung gewisser grundlegender Werte, insbesondere von Buchwerten, ist, wie bereits dargelegt, nach der Praxis des Bundesgerichts im Rahmen von Veranlagungsverfügungen generell, d.h. nicht nur beschränkt auf die direkte Bundessteuer, nicht möglich, da entsprechende Festlegungen nicht an der Rechtskraft der Veran- lagung teilnehmen und die Werte damit zu einem späteren Zeitpunkt immer wieder infrage gestellt werden können. Festlegungen (z.B. kumulierte Abschreibungen) können aber auch dann, wenn sie in separaten Feststellungsverfügungen getroffen werden, jedenfalls im Bereich der direkten Bundessteuer nicht verbindlich sein, würde doch ansonsten durch eine entsprechende Praxis die restriktive bun- desgerichtliche Rechtsprechung hinsichtlich der Zulässigkeit von Feststellungsverfügungen im Bereich der direkten Bundessteuer un- terlaufen. Liesse die Praxis separate Feststellungsverfügungen für bestimmte Werte zu, so könnten diese somit nur den Bereich der kantonalen Steuern beschlagen. Eine solche Lösung ist bereits aus Gründen eines einheitlichen Vollzugs des Steuerrechts abzulehnen. - Für die Annahme eines ausreichenden Interesses an einer Feststellungsverfügung werden bisweilen Beweisschwierigkeiten (aufwändige Abklärungen über weit zurückliegende Sachverhalte; vgl. W ALTHER , a.a.O., § 164 N 6) angeführt. Allfällige spätere Be- weisschwierigkeiten vermögen indessen für sich allein genommen nicht den Erlass einer Feststellungsverfügung zu rechtfertigen. Zum einen lassen sich diese Beweisschwierigkeiten im Bereich der direk- ten Bundessteuer, wie dargelegt, nicht mittels Feststellungsverfügun- gen beseitigen. Aber auch in kantonalrechtlich geregelten Materien wie etwa im Grundstückgewinnsteuerrecht ist nicht erkennbar, wel- che besonderen Vorteile die Möglichkeit des Erlasses von Feststel- lungsverfügungen mit sich bringen soll, die nicht auch auf andere Weise erreicht werden könnten. Im Hinblick auf die Beweissicherung steht nichts entgegen, dass die Steuerbehörde dem Pflichtigen für spätere Steuerperioden wichtige Werte mitteilt und sie damit be- weiskräftig festhält. Auch der Steuerpflichtige selbst kann gegenüber der Steuerbehörde vergleichbare Erklärungen abgeben bzw. Beweis- 2009 Verwaltungsgericht 144 mittel zu den Akten geben (bzw. bei sich selbst aufbewahren). Den Erlass einer gesonderten Feststellungsverfügung braucht es dafür nicht. 3.3.4. Zusammenfassend ist damit festzuhalten: Das Fehlen einer ge- setzlichen Regelung für den Erlass gesonderter Feststellungsverfü- gungen (1), das Interesse an einer Verfahrenseinheit beim Vollzug der Rechts der direkten Steuern des Bundes und jener des Kantons Aargau (2) sowie das Fehlen zwingender Gründe für eine liberalere Praxis beim Erlass von Feststellungsverfügungen als der vom Bun- desgericht für die direkte Bundessteuer vorgegebenen (3) gebieten folgende Präzisierung der bisherigen Rechtsprechung des Verwal- tungsgerichts mit Bezug auf die Zulässigkeit von Feststellungsverfü- gungen im Steuerrecht: In Veranlagungen sind über die Festlegung der Steuerfaktoren hinausgehende rechtskraftfähige Feststellungen ausgeschlossen. Ebenso sind selbstständige Feststellungsverfügungen im Steuerrecht, abgesehen vom Fall der Feststellung der Steuerpflicht, grundsätzlich ausgeschlossen. Nur aus zwingenden praktischen Gründen kann in besonderen Einzelsituationen die Vorwegnahme eines Entscheids über eine Rechtsfrage geboten sein, obwohl es mangels Verwirkli- chung eines Steuertatbestands noch nicht zu einer Veranlagung kommt. Für solche Sonderfälle ist ausnahmsweise das Recht auf bzw. die Pflicht zum Erlass einer selbstständigen Feststellungsverfü- gung vorzubehalten (vgl. z.B. Urteil des Bundesgerichts vom 13. Juni 2008 [2A.116/2007]).
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2009 Verwaltungsgericht 200 [...] 38 Zuschlagskriterien; Unterteilung in Sub- oder Teilkriterien - Subkriterien müssen sich einem in der Ausschreibung ausdrücklich aufgeführten Zuschlagskriterium zuordnen lassen bzw. davon mit- umfasst sein. Es dürfen hierbei keine neuen Zuschlagskriterien ge- schaffen oder herangezogen werden und die Anbietenden dürfen da- rauf vertrauen, dass die Vergabestelle die üblichen Zuschlagskrite- rien im herkömmlichen Sinn versteht. Andernfalls müssen sie bereits in den Ausschreibungsunterlagen möglichst detailliert umschrieben werden, damit die Anbietenden erkennen können, welchen Anforde- rungen sie bzw. ihre Angebote genügen müssen (Erw. 3.1. und 3.2.). - Ein Kriterium "(Anteil) Wertschöpfung in der Schweiz" ist ein un- zulässiges vergabefremdes Kriterium (Erw. 3.3.2.). - Die Anforderung, dass das Produkt bzw. die Anlage "aus der glei- chen Firma" stammen muss, ist im konkreten Fall unzulässig (Erw. 3.3.3.). Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 18. November 2009 in Sachen P. AG gegen Ortsbürgergemeinde G. (WBE.2009.160). Aus den Erwägungen 3. 3.1. Gemäss § 18 Abs. 3 SubmD sind die Zuschlagskriterien in der Ausschreibung oder in den Ausschreibungsunterlagen mit ihrer Ge- wichtung anzugeben. Allfällige Teilkriterien sind mit ihrer Ge- 2009 Submissionen 201 wichtung anzugeben. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsge- richts ist die Vergabestelle nicht gehalten, über die Anforderungen von § 18 Abs. 3 SubmD hinaus auch zum Voraus bekannt zu geben, wie sie die Zuschlagskriterien im Einzelfall zu bewerten gedenkt. Die nachträgliche Unterteilung der Zuschlagskriterien in Sub- oder Teilkriterien stellt wie eine Beurteilungsmatrix lediglich ein Hilfs- mittel für eine differenziertere Bewertung dar. Die einzelnen Sub- kriterien müssen sich gemäss dem Verwaltungsgericht allerdings ei- nem in der Ausschreibung ausdrücklich aufgeführten Zuschlagskri- terium zuordnen lassen bzw. davon mitumfasst werden. Es dürfen hierbei nicht etwa neue Zuschlagskriterien geschaffen oder herange- zogen werden. Weiter dürfen die Anbietenden darauf vertrauen, dass die Vergabestelle die üblichen Zuschlagskriterien - wie sie auch in § 18 Abs. 2 SubmD genannt sind - im herkömmlichen Sinn versteht. Andernfalls müssen sie bereits in den Ausschreibungsunterlagen möglichst detailliert umschrieben werden, damit die Anbietenden er- kennen können, welchen Anforderungen sie bzw. ihre Angebote ge- nügen müssen (AGVE 2001, S. 346 mit Hinweisen; 2002, S. 322 f. mit Hinweisen). So müssen die Anbietenden beispielsweise nicht er- warten, dass unter dem Zuschlagskriterium "Kompetenz" auch Um- weltaspekte beurteilt werden (AGVE 2002, S. 324). 3.2. 3.2.1. In der öffentlichen Ausschreibung und in den Submissionsun- terlagen hat die Vergabestelle einzig die Zuschlagskriterien Preis, Qualität und Referenzen mit einer Gewichtung von 50 %, 40 % und 10 % bekannt gegeben. Weitere Angaben zu den Zuschlagskriterien (Subkriterien, Bewertung) wurden nicht gemacht. Im Rahmen der Bewertung wurde das mit 40 % gewichtete Zuschlagskriterium "Qualität" in die beiden je mit 20 % gewichteten Subkriterien "Qua- lität" und "Wertschöpfung Schweiz" unterteilt. Unter dem Subkrite- rium "Qualität" wurde bewertet, ob das Produkt aus der gleichen Fir- ma stammt. Ob hier allenfalls auch noch weitere (qualitative) Ge- sichtspunkte beurteilt wurden, ist nicht bekannt. Den Akten und den Eingaben der Vergabebehörde lässt sich diesbezüglich nichts entneh- men. Beim Subkriterium "Wertschöpfung Schweiz" wurde der pro- 2009 Verwaltungsgericht 202 zentuale Anteil der Herstellung in der Schweiz ermittelt; entspre- chend der Höhe des Anteils wurden Rangpunkte vergeben. Der Be- griff "Wertschöpfung Schweiz" entspricht gemäss der Vergabebehör- de dem Begriff "Qualität Schweiz". Für die Bewertung beim Zu- schlagskriterium "Qualität" entscheidend war laut Vergabestelle, "dass das Produkt die 'Qualität Schweiz' hat und aus der gleichen Firma stammt". 3.2.2. Sowohl beim unter dem Subkriterium "Qualität" bewerteten Aspekt der Auftragserfüllung durch eine Firma (die Beschwerdefüh- rerin spricht hier zutreffend von der "Leistung aus der Hand eines Unternehmens") als auch beim Teilkriterium "Wertschöpfung Schweiz" handelt es sich um Gesichtspunkte, mit deren Berücksich- tigung und Bewertung die Anbietenden beim Zuschlagskriterium "Qualität" vernünftigerweise nicht rechnen mussten. Bei einem Lie- ferauftrag wie dem vorliegenden ist unter dem Zuschlagskriterium "Qualität" in erster Linie die Qualität des zu beschaffenden Produk- tes (Material, Ausführung, Übereinstimmung mit der technischen Spezifikation, Leistung, Verfügbarkeit etc.) selber zu beurteilen. Ob die zu beschaffende Förderbandanlage zum Transport von Wandkies von einem einzelnen Unternehmen hergestellt und geliefert wird oder von mehreren, beeinflusst die Qualität der Förderbandanlage als sol- che nicht. Dasselbe gilt grundsätzlich auch für die Herstellung der Anlage in der Schweiz oder im Ausland. Entgegen der Auffassung der Vergabestelle ist die Herstellung in der Schweiz nicht per se mit einer höherwertigen Qualität gleichzusetzen, die es erlauben würde, bei im Ausland hergestellten Produkten von vornherein und generell einen Bewertungsabzug vorzunehmen. Die Beschwerdeführerin weist - zumindest für den vorliegenden Fall - völlig zu Recht darauf hin, dass es hinsichtlich Qualität der Leistung in keinster Weise er- heblich sein könne, ob das Produkt in der Schweiz oder in Deutsch- land hergestellt worden sei. Weder die öffentliche Ausschreibung noch die Ausschreibungs- unterlagen enthalten im Übrigen einen Hinweis, dass die genannten beiden Gesichtspunkte bei der Bewertung der Angebote von Be- deutung sein würden. Der Umstand, dass im Leistungsverzeichnis 2009 Submissionen 203 bei den einzelnen Positionen jeweils auch nach dem Hersteller- ort / Herstellerland gefragt wurde, lässt sich jedenfalls nicht dahinge- hend interpretieren, dass der Ort der Herstellung für die Qualitätsbe- wertung von Bedeutung sein würde. Mithin handelt es sich um ver- gabefremde Aspekte, die sich - wie ausgeführt - weder dem Zu- schlagskriterium "Qualität" noch einem anderen in der vorliegenden Ausschreibung bekannt gegebenen Zuschlagskriterium zuordnen lassen. Ihre Berücksichtigung bei der Bewertung verbietet sich vor- liegend daher alleine schon aufgrund des Transparenzgebots, welches unter anderem auch verlangt, dass die Anbieter aufgrund der Aus- schreibung erkennen können, was die Vergabebehörde unter den be- kannt gegebenen Zuschlagskriterien genau versteht und welche Aspekte sie dabei zu bewerten gedenkt (vgl. AGVE 2005, S. 248 ff.; Peter Galli / André Moser / Elisabeth Lang / Evelyne Clerc, Praxis des öffentlichen Beschaffungsrechts, 1. Band: Landesrecht, 2. Aufla- ge, Zürich / Basel / Genf 2007, Rz. 624). Die beim Zuschlagskriterium "Qualität" gemachten Punkteab- züge beim Angebot der Beschwerdeführerin erweisen sich damit als unzulässig. 3.3. 3.3.1. Es stellt sich zudem die Frage nach der grundsätzlichen Zuläs- sigkeit der beiden genannten Subkriterien. 3.3.2. In Bezug auf das streitige Kriterium "Anteil Wertschöpfung in der Schweiz" ist festzuhalten, dass sich die Wirtschaftlichkeit des Angebots stets am Nutzen des Beschaffungsobjekts selbst zu messen hat. Ein fiskalischer Vorteil, der sich für den Staat aus einer Vergabe an schweizerische Unternehmen ergeben könnte, ist dementspre- chend kein Kriterium, das für die Ermittlung des günstigsten Ange- bots berücksichtigt werden darf. Im Weiteren gewährleistet das Submissionsrecht die Gleichbehandlung aller Anbieterinnen und An- bieter (vgl. § 1 Abs. 1 SubmD, Art. 1 Abs. 3 lit. b IVöB, Art. 11 lit. a IVöB; ferner Art. 5 Abs. 1 BGBM, Art. 1 Abs. 2, Art. 2 Abs. 3 und Art. 8 Abs. 1 lit. a BoeB, Art. III Ziffer 1 des GATT-Übereinkom- mens über das öffentliche Beschaffungswesen vom 15. April 1994 2009 Verwaltungsgericht 204 [Government Procurement Agreement, GPA; SR 0.632.231.422], Art. 6 des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossen- schaft und der Europäischen Gemeinschaft über bestimmte Aspekte des öffentlichen Beschaffungswesens vom 21. Juni 1999 [BilatAbk; SR 0.172.052.68]). Das betrifft sowohl die Gleichbehandlung der in- und ausländischen Anbieter als auch die Gleichbehandlung der in- ländischen Anbieter untereinander. Der Auftraggeber darf somit keine Kriterien wählen, die eine ungleiche Behandlung der Anbieter nach sich ziehen können. Massnahmen, welche die Sicherung von Wertschöpfungsanteilen in der Schweiz beinhalten, sind weder mit der schweizerischen Gesetzgebung noch mit dem Staatsvertragsrecht (GPA, BilatAbk) zu vereinbaren. Daraus erhellt, dass die Begünsti- gung oder Benachteiligung von Anbietern auf der Basis der Herkunft von Erzeugnissen oder Dienstleistungen nicht zulässig ist. Der Auftraggeber darf demzufolge den wirtschaftlichen Nutzen der zu prüfenden Angebote nicht aufgrund des Kriteriums "Anteil Wert- schöpfung in der Schweiz" bestimmen (vgl. zum Ganzen auch die Interpellation 00.3120 von Nationalrat Paul Kurrus vom 23. März 2000 und die Antwort des Bundesrates vom 19. Juni 2000, in: Curia Vista - Geschäftsdatenbank der Bundesversammlung http://www.parlament.ch/d/suche/seiten/geschaefte.aspx?gesch_id=2 0003120). Ein Kriterium "(Anteil) Wertschöpfung in der Schweiz" ist mithin ein unzulässiges vergabefremdes Kriterium. Soweit die Vergabebehörde den Begriff "Wertschöpfung Schweiz" mit "Qualität Schweiz". bzw. "Qualitätsmerkmal Schweiz" gleichsetzen will, kann grundsätzlich auf die bereits in Erw. 3.2.2. gemachten Ausführungen verwiesen werden. Die Qualität der Leistung - hier der offerierten Förderbandanlagen - ist bei jedem Angebot vor dem Hintergrund der nachgefragten Leistung / Produkte und deren Spezifikationen ungeachtet der Herkunft zu prüfen und zu bewerten. Allfällige Bewertungsabzüge bei der Qualität müssen sich sachlich begründen lassen. Die Fabrikation im Ausland bedeutet nicht per se schlechtere Qualität. Deshalb ist es nicht zulässig, bei im Ausland hergestellten Produkten generell und ohne konkrete Prüfung auf eine mindere Qualität zu schliessen und alleine wegen der Herstellung im Ausland beim Zuschlagskriterium "Qualität" einen 2009 Submissionen 205 Bewertungsabzug zu machen. Ein solches Vorgehen verstösst gegen das Gebot der Gleichbehandlung und stellt Diskriminierung auslän- discher Produkte (und gegebenenfalls auch der ausländischen An- bieter) dar. Die Vergabestelle begründet im vorliegenden Fall nicht einmal ansatzweise, weshalb eine in der Schweiz hergestellte För- derbandanlage in qualitativer Hinsicht höherwertig sein soll als eine in Deutschland oder in einem anderen Land hergestellte Anlage. 3.3.3. 3.3.3.1. Bei der weiteren unter dem Zuschlagskriterium "Qualität" be- urteilten Anforderung, dass das Produkt bzw. die Anlage (Stahlbau und Förderband) "aus der gleichen Firma" stammen muss, handelt es sich ebenfalls um einen Aspekt, der mit der Qualität des Produkts an sich nichts zu tun hat, und infolgedessen nicht bei diesem Zuschlags- kriterium beurteilt werden darf, schon gar nicht ohne entsprechende vorgängige Bekanntgabe in der Ausschreibung oder in den Aus- schreibungsunterlagen (vgl. oben Erw. 3.2.2.). Es ist nicht nachvoll- ziehbar und wird von der Vergabestelle denn auch nicht begründet, weshalb die Qualität einer Anlage grundsätzlich höher sein soll, wenn die Anlage durch eine Firma hergestellt wird. Die Vergabestelle begründet die Anforderung eines einzigen Herstellers vielmehr damit, dass es bei Unterhalt und Serviceleistungen / Reparaturar- beiten der Anlage, die eine Lebensdauer von 25 bis 30 Jahren habe, ein Nachteil sei, zwei verschiedene Ansprechpartner zu haben, man wolle dafür nur einen Ansprechpartner. Das Anliegen, für künftige Wartungs- und Reparaturarbeiten der gesamten Anlage einen einzi- gen, klar definierten Ansprechpartner zu haben, ist nachvollziehbar und erscheint auch sachlich begründet. Es wäre der Vergabestelle deshalb unbenommen gewesen, entsprechende Vorgaben in den Aus- schreibungsunterlagen zu machen und bei allfälligen Abweichungen auch Abzüge bei der Bewertung vorzunehmen. § 18 Abs. 2 SubmD nennt u. a. ausdrücklich die Zuschlagskriterien "Garantie- und Un- terhaltsleistungen" oder "Kundendienst". Die Vergabebehörde hätte daher in der Ausschreibung ohne Weiteres ein Zuschlagskriterium "Unterhaltsleistungen" festlegen und in diesem Kontext auch ver- langen können, dass für Unterhalt, Wartung und Reparaturen ein ein- 2009 Verwaltungsgericht 206 ziger Ansprechpartner gegeben sein muss. Diesfalls wäre für die An- bietenden von vornherein klar gewesen, dass dies für die Vergabebe- hörde ein entscheidender Punkt ist. Eine Berücksichtigung bei der "Qualität", wie es die Beschwerdeführerin vorliegend getan hat, ist hingegen nicht zulässig. 3.3.3.2. Die Vergabestelle ist berechtigt, in den Ausschreibungsunterla- gen die Bildung von Arbeitsgemeinschaften ausdrücklich auszu- schliessen, wenn sie solche im konkreten Fall als unzweckmässig er- achtet (§ 11 Abs. 3 SubmD). Unterlässt sie dies, so sind Arbeitsge- meinschaften zulässig. Die zugelassenen Arbeitsgemeinschaften sind gleich zu behandeln, wie die übrigen Anbieter. Dies folgt aus § 1 SubmD und dies schliesst es aus, Arbeitsgemeinschaften ungeachtet ihrer konkreten Organisation im Einzelfall generell und von vorn- herein schlechter zu bewerten als Einzelunternehmen (AGVE 2002, S. 347 f.). Im vorliegenden Fall wurde kein Ausschluss von Arbeitsge- meinschaften bekannt gegeben. Demzufolge waren solche zugelas- sen. Mithin war die grundsätzliche Schlechterbewertung von Ar- beitsgemeinschaften auch aus diesem Grund nicht zulässig. Vorliegend ist zudem einzig die Beschwerdeführerin als Anbie- terin in Erscheinung getreten, d. h. sie hat ein Angebot als "Einzel- firma" und nicht als Bietergemeinschaft eingereicht. In einer beige- fügten "Erklärung" wird zwar festgehalten, im Auftragsfalle würde die Beschwerdeführerin eine "unechte" Arbeitsgemeinschaft mit der Firma A. AG eingehen. Gegenüber der Bauherrschaft sei die Firma P. rechtlich verbindlicher Vertragspartner. Das heisst, im Fall des Zu- schlags würde der Vertrag einzig mit der Beschwerdeführerin abge- schlossen und nicht mit einer Arbeitsgemeinschaft. Die A. AG wäre in Bezug auf die Auftraggeberin somit Subunternehmerin. Zwischen ihr und der Auftraggeberin entstünden mithin keine vertraglichen Be- ziehungen. Insofern kann der Auffassung der Vergabebehörde, sie sei beim Angebot der Beschwerdeführerin mit zwei verschiedenen An- sprechpartnern konfrontiert, zumindest in rechtlicher Hinsicht nicht gefolgt werden. Ihre Vertragspartnerin ist einzig die Beschwerde- führerin.
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2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 168 24 Baubewilligungspflicht; Asylbewerberunterkunft Die Umnutzung eines Mehrfamilienhauses in eine Unterkunft für Asylbe- werber gilt als Wohnnutzung und benötigt in der vorliegenden Wohn- / Gewerbezone WG 3A keine Baubewilligung. Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 4. Juni 2015 in Sachen Einwohnergemeinde A. gegen Kanton Aargau sowie Gemeinderat A. und De- partement Bau, Verkehr und Umwelt (WBE.2014.293). Aus den Erwägungen 2.2. Bauten und Anlagen dürfen nur mit behördlicher Bewilligung errichtet oder geändert werden (Art. 22 Abs. 1 RPG). Alle Bauten und Anlagen und ihre im Hinblick auf die Anliegen der Raument- wicklung, des Umweltschutzes oder der Baupolizei wesentliche Um- gestaltung, Erweiterung oder Zweckänderung sowie die Beseitigung von Gebäuden bedürfen der Bewilligung durch den Gemeinderat (§ 59 Abs. 1 BauG). Massstab dafür, ob eine bauliche Massnahme erheblich genug ist, um sie dem Baubewilligungsverfahren zu unter- werfen, ist die Frage, ob mit der Realisierung der Baute oder Anlage 2015 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 169 im Allgemeinen, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge, so wich- tige räumliche Folgen verbunden sind, dass ein Interesse der Öffent- lichkeit oder der Nachbarn an einer vorgängigen Kontrolle besteht (BGE 139 II 139 f.; 120 Ib 384; Urteil des Bundesgerichts vom 27. August 2014 [1C_790/2013], Erw. 2.3.; AGVE 2007, S. 426; 2001, S. 288). Zweckänderungen liegen vor, wenn sich die in einer Baute ausgeübte Nutzung wandelt. Zweck- bzw. Nutzungsänderungen kön- nen wegen vermehrter Einwirkungen auf die Umgebung, wegen er- höhter Anforderungen an die Erschliessung oder aus andern Gründen einer baupolizeilichen Bewilligung bedürfen, auch wenn mit ihnen bauliche Änderungen nicht verbunden sind. Ob eine Zweckänderung vorliegt, entscheidet sich durch Vergleich der neuen mit der ur- sprünglich bewilligten Nutzung (AGVE 1993, S. 357; 1990, S. 246; E RICH Z IMMERLIN , Baugesetz des Kantons Aargau, Kommentar, 2. Auflage, Aarau 1985, § 150 N 2d; A NDREAS B AUMANN , Kom- mentar zum Baugesetz des Kantons Aargau, Bern 2013, § 59 N 17). Auch für Zweckänderungen gilt, dass sie keiner Baubewilligung bedürfen, wenn sie nur nebensächlicher Natur sind. Der Begriff der Zweckänderung ist dabei nicht kleinlich auszulegen. Keine solche Änderung liegt vor, wenn die neue Nutzung weder anderen Bauvor- schriften unterliegt noch erhöhte, gegebenenfalls auch neue Ge- fahren, Nachteile oder Auswirkungen für die Nachbarschaft mit sich bringt (AGVE 1993, S. 357; 1991, S. 544; 1990, S. 246; Z IMMERLIN , a.a.O., § 150 N 3; B AUMANN , a.a.O., § 59 N 17). 2.3. (...) 2.4. 2.4.1. Das streitige Mehrfamilienhaus liegt in der Wohn- / Gewerbe- zone WG 3A (vgl. § 6 Abs. 1 und § 8 der Bau- und Nutzungsordnung der Gemeinde A. vom 21. Juni 2001/15. Mai 2002 [BNO]). Der WG 3A ist die Empfindlichkeitsstufe III gemäss Art. 43 LSV zuge- wiesen. Die WG 3A ist für Wohnen sowie mässig störende Gewerbe- und Dienstleistungsbetriebe bestimmt; verboten sind Betriebe des Sexgewerbes wie Massagesalons, Erotikmärkte und dergleichen (§ 8 Abs. 1 BNO). Die streitbetroffene Liegenschaft wurde vor Jahr- 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 170 zehnten erstellt und diente stets ausschliesslich zu Wohnzwecken. Wie dargelegt erteilte der Gemeinderat am 8. Juni 2012 die Baube- willigung für die Sanierung des Mehrfamilienhauses und den Ausbau des Dachgeschosses in zwei 5 - Zimmer Wohnungen. Die dies- bezüglichen Bauarbeiten sind abgeschlossen. Insgesamt umfasst die Liegenschaft zwölf 3 - Zimmer Wohnungen und zwei 5 - Zim- mer Wohnungen. Der Beschwerdegegner beabsichtigt, im Mehrfamilienhaus bis zu 90 Asylsuchende unterzubringen. Dabei handle es sich vor allem um Familien oder Frauen mit Kindern, wobei die Zuweisung des Wohnraums abhängig von den Asylsuchenden sei, welche dem Kan- ton durch die Bundesbehörden zugewiesen würden. Aktuell bestehe ein grosses Bedürfnis, Asylsuchenden aus Syrien eine Unterkunft an- zubieten, wobei diese Entwicklung zum Teil raschen Änderungen un- terworfen sei. Die Asylsuchenden würden auf die Wohnungen aufge- teilt. Sie würden sich dort aufhalten und leben, sie würden dort schla- fen, im Familienverbund kochen (keine Gemeinschaftsküche) und sich verpflegen. Tagsüber könnten die Asylsuchenden an Beschäfti- gungsprogrammen teilnehmen, sofern dafür ausreichend Plätze vor- handen seien. Zudem könnten sie Deutschkurse besuchen. Schul- pflichtige Kinder besuchten aufgrund der allgemeinen Schulpflicht die Schule. Zusätzlich zu den Wohnungen der Asylsuchenden sei im Erdgeschoss ein kleines Büro für die Betreuung vorgesehen. Dort würden tagsüber ein bis zwei Personen tätig sein. Es liegt auf der Hand, dass die beschriebene Nutzung grund- sätzlich eine Wohnnutzung darstellt, wie dies auch z.B. bei Studen- tenunterkünften und bei Wohngemeinschaften der Fall ist. Im frag- lichen Mehrfamilienhaus werden (wie bis anhin) Menschen zum Wohnen untergebracht. Dass zu einer Nutzungsart übergegangen würde, die nicht mehr dem Wohnen im eigentlichen Sinne zugerech- net werden kann, ist nicht ersichtlich. Dass die Räumlichkeiten an- stelle von Nichtasylsuchenden durch Asylsuchende bewohnt werden, bringt keine raumrelevanten Auswirkungen mit sich. Insbesondere kommt es nicht zu zusätzlichen Auswirkungen auf die Umwelt, die Erschliessung und den Verkehr. Dem Baurecht ist es zudem fremd, dass einzig je nach Art der Bewohner eine neue Bau- bzw. Nutzungs- 2015 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 171 bewilligung einzuholen wäre. Dass eine Wohngelegenheit für Men- schen geschaffen wird, die einer andern sozialen Gruppe angehören, ist unter dem rein baupolizeilichen Gesichtspunkt an sich irrelevant. Massgebend ist vielmehr, wie eine bestimmte Baute aufgrund ihrer Bauweise, Gestaltung etc. genutzt werden kann (vgl. AGVE 1991, S. 544). Zwar trifft es vorliegend zu, dass eine Belegung von bis zu 90 Personen höher als eine durchschnittliche Belegung von Wohn- räumen ist. Die Intensivierung der Wohnnutzung bildet für sich allein betrachtet jedoch ebenso wenig wie die Art der Bewohner eine Baubewilligungspflicht (vgl. AGVE 1991, S. 544 f.; Entscheid des BVU vom 7. Juli 2014 [BVURA.14.327], Erw. 3.3 mit Hinweisen). Das Verwaltungsgericht hielt dazu in einem kürzlich gefällten Ent- scheid fest, dass die Auffassung, wonach über die Ausnützungsziffer eine Art Bewohnernutzungsdichte definiert würde, im Recht keine Grundlage finde. Eine solche Auffassung widerspräche auch den Raumplanungszielen, insbesondere der haushälterischen Nutzung des Bodens (vgl. Art. 75 Abs. 1 BV; Art. 1 Abs. 1 RPG) und dem Ansin- nen, verdichtetes Bauen zu fördern (vgl. § 46 BauG) (VGE III/5 vom 23. Januar 2014 [WBE.2013.113], S. 14). 2.4.2. Die Beschwerdeführerin nimmt weiterhin Bezug zu AGVE 1994, S. 367 ff. und beruft sich auf die "Bewohnerdichte". Im genannten Entscheid wurde ein Erstaufnahmezentrum für Asyl- suchende aufgrund der Bewohnerdichte und der Tatsache, dass ein Erstaufnahmezentrum auch von der Art des Betriebs mit einer her- kömmlichen Wohnnutzung nur wenig gemeinsam habe, in einer rei- nen Wohnzone als nicht zonenkonform qualifiziert. Die vorliegend beabsichtigte Nutzung und die zugrunde liegende Zonierung unter- scheiden sich vom genannten Entscheid jedoch massgeblich: Zum einen stand im genannten Entscheid ein Erstaufnahme- zentrum für Asylsuchende und nicht die Unterbringung von asylsu- chenden Menschen in Wohnungen zur Beurteilung. Diese Nutzungen sind nicht vergleichbar: Im genannten Erstaufnahmezentrum hätten sich die Asylbewerber durchschnittlich lediglich während einer kur- zen Zeitdauer von acht bis zehn Tagen aufgehalten; es herrscht Betriebsamkeit (vgl. AGVE 1994, S. 371 und 373). Demgegenüber 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 172 leben und wohnen die Asylsuchenden in einer kantonalen oder Gemeindeunterkunft bzw. in durch den Kanton angemieteten Woh- nungen bis zum definitiven Abschluss des Asylverfahrens während längerer Zeit, was von wenigen Wochen bzw. Monaten bis zu meh- reren Jahren dauern kann. Hier herrscht an sich Sesshaftigkeit und Beständigkeit (vgl. AGVE 1994, S. 373). Zum andern weisen kantonale oder Gemeindeunterkünfte wie auch durch den Kanton angemietete Wohnungen zwar eine etwas er- höhte Bewohnerdichte auf, diese ist jedoch, wie der Beschwerdegeg- ner nachvollziehbar darlegt, von vornherein nicht vergleichbar mit der Bewohnerdichte in einem Erstaufnahmezentrum, wo viele Perso- nen auf relativ geringem Raum untergebracht werden. Auch von er- höhten Lärmemissionen ist ausweislich der Akten nicht auszugehen. Ohnehin befindet sich die Liegenschaft in einer Zone mit Lärm- empfindlichkeitsstufe III. Sodann bestehen auch bezüglich der Zonierung wesentliche Unterschiede: Das im zitierten Entscheid beurteilte Erstaufnahme- zentrum sollte in einer reinen Wohnzone (Zone W2D gemäss damaligem § 36 BO der Gemeinde Brittnau) betrieben werden (vgl. AGVE 1994, S. 370). Die vorliegend zu beurteilende Liegenschaft befindet sich demgegenüber in der Wohn- und Gewerbezone WG 3A von A. (§ 8 BNO). Bei der WG 3A handelt es sich um eine gemischte Zone, die neben dem Wohnen auch für mässig störende Gewerbe- und Dienstleistungsbetriebe bestimmt ist; entsprechend ist ihr die Lärmempfindlichkeitsstufe III zugewiesen (§ 6 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 BNO). Die WG 3A lässt mehr zu als eine reine Wohnzone. Festzustellen ist schliesslich, dass sich Unterkünfte für Asylsu- chende regelmässig in reinen Wohnzonen befinden. Gemäss dem zi- tierten Entscheid befanden sich rund die Hälfte der Asylunterkünfte in reinen Wohnzonen (vgl. AGVE 1994, S. 372). Die vorliegend zu beurteilende Liegenschaft befindet sich von der Zonierung her - im Vergleich zu einer reinen Wohnzone - in einem weniger sensiblen Gebiet (nämlich der WG 3A von A.). Dieser Umstand untermauert umso mehr, dass die vorliegende Nutzung in der WG 3A von A. zo- nenkonform ist. 2.4.3. 2015 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 173 Zusammenfassend entspricht die Nutzung der Wohnungen durch Asylsuchende einer Wohnnutzung und ist in der Wohn- und Gewerbezone WG 3A von A. zonenkonform. Eine baubewilligungs- pflichtige Zweck- bzw. Nutzungsänderung liegt nicht vor. (Hinweis: Das Bundesgericht hat eine Beschwerde in öffent- lich-rechtlichen Angelegenheiten gegen diesen Entscheid abgewie- sen, soweit es darauf eingetreten ist; Urteil des Bundesgerichts vom 7. Dezember 2015 [1C_395/2015])
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2015 Polizeirecht 155 V. Polizeirecht 22 Art. 4 und 5 Hooligan-Konkordat Rayonverbote müssen durch ein das private Interesse des Betroffenen überwiegendes öffentliche Interesse gerechtfertigt sein. Dessen Höhe hängt namentlich davon ab, welche Rechtsgüter im Rahmen der Anlass- tat tangiert wurden, wie gravierend die Handlung des Betroffenen war und wie hoch die Rückfallgefahr einzustufen ist. Lautet der Vorwurf auf Beteiligung an einem Massendelikt (insb. Landfriedensbruch), ist bei der Gewichtung der Tathandlung nicht nur darauf abzustellen, inwieweit der Betroffene selber Gewalttätigkeiten (an Personen und/oder Sachen) ver- übt hat, sondern auch darauf, ob und inwieweit er das Massenverhalten beeinflusst hat und beeinflussen konnte. Wer als Anführer einer militan- ten Fangruppierung auftritt, trägt die Hauptverantwortung für sämtliche Handlungen, die durch seine Gruppierung ausgeführt werden (Erw. 5.4.2.2). Eine Maximaldauer des Rayonverbots von drei Jahren ist in casu unverhältnismässig (Erw. 5.4.4). Aus dem Entscheid des Einzelrichters des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 2. September 2015 in Sachen A. gegen das Departement Volkswirtschaft und Inneres, Kantonspolizei (WPR.2015.26). Sachverhalt (Zusammenfassung) A. Im Anschluss an das Super-League-Spiel zwischen dem FC Aa- rau und dem FC St. Gallen vom 18. Oktober 2014 fanden vor einem Pub in Aarau gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen den bei- den Fanlagern statt. Die Tumulte mussten unter Polizeieinsatz aufge- löst werden, wobei es zu gewalttätigen Übergriffen gegen Polizisten kam. B. 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 156 Am 21. Januar 2015 verfügte das Departement Volkswirtschaft und Inneres des Kantons Aargau (DVI), Kantonspolizei, gestützt auf Art. 4 und 5 des Konkordats über Massnahmen gegen Gewalt anläss- lich von Sportveranstaltungen vom 15. November 2007 (Konkordat; SAR 533.100) und § 3 Abs. 1 lit. l PolG gegen A. ein sich über einen Zeitraum von drei Jahren erstreckendes, in den Schranken des räumlichen Geltungsbereichs des Konkordats schweizweit gültiges Rayonverbot für den jeweiligen Veranstaltungsort der Spiele der 1. Mannschaft des FC St. Gallen. A. wurde vorgeworfen, er habe sich als Anführer einer Fangrup- pierung gewaltbereiter Fans des FC St. Gallen an Ausschreitungen beteiligt und sei Teil einer Zusammenrottung von FC St. Gallen Fans gewesen, welche noch während des Fussballspiels das Stammlokal der FC Aarau Fans besetzt und dort Sachbeschädigungen begangen hatten. C. Gegen das durch die Kantonspolizei verfügte Rayonverbot reichte A. beim Verwaltungsgericht des Kantons Aargau Beschwerde ein und verlangte dessen Aufhebung. D. (...) Aus den Erwägungen 3.2. Dass sich der Beschwerdeführer des Landfriedensbruchs schul- dig gemacht hat, wird nicht bestritten und ergibt sich auch aus der in- zwischen rechtskräftigen Verurteilung durch die Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau vom 20. April 2015. Damit steht fest, dass der Be- schwerdeführer eine tatbestandsmässige Handlung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 lit. h des Konkordats begangen hat und die Vorausset- zung für eine Sanktionierung gestützt auf Art. 4 des Konkordats er- füllt ist. 4. (...) 5. 2015 Polizeirecht 157 5.1.-5.3. (...) 5.4. 5.4.1. Umstritten und nachfolgend zu klären ist, ob sich das verfügte Rayonverbot als verhältnismässig im engeren Sinne erweist. Mit an- deren Worten ist zu klären, ob das Rayonverbot in einem vernünfti- gen Verhältnis zwischen dem angestrebten Ziel und dem durch die betroffene Person zu erduldenden Eingriff steht. Die Massnahme muss durch ein das private Interesse überwiegendes öffentliches Inte- resse gerechtfertigt sein. Mit Blick auf die Verhältnismässigkeit im engeren Sinne darf ein Rayonverbot umso länger ausgesprochen wer- den, je höher das öffentliche Interesse zu veranschlagen und je klei- ner das private Interesse einzustufen ist. 5.4.2. 5.4.2.1. Hat eine Person eine Anlasstat im Sinne von Art. 2 Abs. 1 des Konkordats begangen und damit G rund zum Erlass eines Rayonver- bots gestützt auf Art. 4 des Konkordats gegeben, ist grundsätzlich von einem grossen öffentlichen Interesse auszugehen, dieser Person für eine gewisse Zeit zu verbieten, sich vor, während und nach einer Sportveranstaltung in deren Umfeld aufzuhalten. Dieses grosse öf- fentliche Interesse erhöht sich zudem aufgrund der konkreten Um- stände des Einzelfalles, wobei die Erhöhung insbesondere davon ab- hängt, welche Rechtsgüter im Rahmen der Anlasstat tangiert wurden, wie gravierend die Handlungen der betroffenen Person waren und wie gross die Rückfallgefahr einzustufen ist. Je gravierender die tan- gierten Rechtsgüter einzustufen sind und je gravierender die Hand- lungen waren, umso höher ist das öffentliche Interesse zu qualifizie- ren. Gleiches gilt in Bezug auf die Rückfallgefahr. Zudem ist von ei- nem erhöhten öffentlichen Interesse auszugehen, wenn eine betroffe- ne Person wiederholt mit einem Rayonverbot belegt werden muss oder in einem früheren Verfahren zwar auf den Erlass eines Rayon- verbots verzichtet, jedoch eine Verwarnung ausgesprochen wurde. Wird der betroffenen Person Landfriedensbruch vorgeworfen, bemisst sich das öffentliche Interesse zudem daran, ob und wenn ja, in welchem Ausmass Personen zu Schaden gekommen sind bzw. 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 158 welche Sachschäden zu verzeichnen sind. Überdies ist das öffentli- che Interesse umso höher zu veranschlagen, je gewichtiger die Rolle der betroffenen Person im Rahmen der Zusammenrottung zu qualifi- zieren ist und/oder je massgeblicher ihr Tatbeitrag an den Personen- oder Sachschäden war. 5.4.2.2. Der Beschwerdeführer wurde rechtskräftig wegen einer Anlass- tat im Sinne von Art. 2 Abs. 1 des Konkordats verurteilt, weshalb be- reits deshalb von einem grossen öffentlichen Interesse am Erlass ei- nes Rayonverbots auszugehen ist. Dem rechtskräftigen Strafbefehl vom 20. April 2015 ist zu ent- nehmen, dass sich die Fans des FC St. Gallen während des Fussball- spiels FC Aarau gegen FC St. Gallen vom 18. Oktober 2014 ins Stammlokal "Penny Farthing" des FC Aarau an der Bahnhofstrasse in Aarau begaben und dieses besetzten, wobei ein Sachschaden von ca. CHF 5'000.00 entstand. Im weiteren Verlauf kam es im Rahmen des durch den Beschwerdeführer begangenen Landfriedensbruchs zu massiven tätlichen Auseinandersetzungen zwischen den Fans des FC St. Gallen und des FC Aarau und die Polizei musste Gummi- schrot und Reizstoffe einsetzen, um die Fanlager zu trennen. Die Fans traktierten sich mit Faust- und Beinschlägen und bewarfen sich mit Gläsern, Flaschen und pyrotechnischen Gegenständen. Zudem wurden Handlichtfackeln und Rauchpetarden gezündet, wodurch es zu Verkehrsbehinderungen kam und weshalb der öffentliche Verkehr umgeleitet werden musste. Aufgrund der im Rahmen des Landfrie- densbruchs tangierten Rechtsgüter (Gefährdung von Leib und Leben, Sachbeschädigung, Störung des öffentlichen Verkehrs) ist von einem erhöhten öffentlichen Interesse auszugehen. Was den Tatbeitrag und die Rolle des Beschwerdeführers be- trifft, ist Folgendes festzuhalten: Dem Beschwerdeführer werden keine konkreten Handlungen im Zusammenhang mit Sachbeschädigungen oder der Gefährdung von Personen vorgeworfen. Den beigezogenen Strafakten, insbeson- dere dem darin enthaltenen Video, ist einzig zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer sich eines Gartenstuhls bemächtigte, um sich ge- gen Wurfgegenstände zu schützen und damit die Beschädigung des 2015 Polizeirecht 159 Gartenstuhls in Kauf nahm. Diesbezüglich ist höchstens von einem leicht erhöhten öffentlichen Interesse auszugehen. Eine vollkommen andere Beurteilung ergibt sich aber aufgrund der Rolle des Beschwerdeführers, welcher dieser im Rahmen der Fangruppierung des FC St. Gallen einnimmt. Der Beschwerdeführer ist Anführer (Capo) der sogenannten Ultras des FC St. Gallen. Wie der Stellenleiter der Fanarbeit St. Gallen zutreffend darlegt, ist der Capo einer ultra-orientierten Fankurve Koordinator und Vorsänger während eines Spiels und geht dem Corteo (Fanmarsch vor und nach dem Spiel) voraus. Er ist Ansprechpartner für die verschiedenen Ak- teure (Vertreter des Fussballclubs, Polizei, Fanbetreuer) rund um ein Spiel. Ein Capo hat, wie dies aus dem Namen hervorgeht, als Kopf seiner Ultra-Gruppierung sehr grossen Einfluss auf die Mitglieder. Er bestimmt mit seinen engsten Vertrauten, wie sich die Gruppierung vor, während und nach einem Spiel verhält. Ohne Zustimmung des Capo setzt sich der Corteo zum Beispiel nicht in Bewegung oder hält auf seinen Befehl an und führt Aktionen durch. Damit trägt der Capo, zusammen mit seinen engsten Vertrauten, die Hauptverantwortung für sämtliche Handlungen, welche durch seine Gruppierung ausge- führt werden. Unabhängig davon, ob er einzelne Handlungen direkt ausgeführt hat, liegen diese in seinem Verantwortungsbereich und sind ihm zuzurechnen. Nach dem Gesagten besteht in Bezug auf den Beschwerdeführer ein erheblich erhöhtes öffentliches Interesse am Erlass eines Rayonverbots. Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, ändert daran nichts. Insbesondere kann keine Rede davon sein, der Beschwerde- führer sei nur während einiger Sekunden Teil der Zusammenrottung gewesen und sein auf dem Video zu sehendes Verhalten wirke unbe- holfen. Als seine Gruppierung mit Gegenständen beworfen wurde, begab sich der Beschwerdeführer während einiger Sekunden in De- ckung, behändigte einen Gartenstuhl und stellte sich bewusst wieder in die Schusslinie. Dieses Verhalten ist einerseits provokativ und sta- chelt andererseits die Mitglieder der eigenen Gruppierung dazu an, standhaft Widerstand zu leisten. Ebenso wenig greift der Versuch des Beschwerdeführers, der Polizei die Verantwortung für die Eskalation zuschieben zu wollen. Wäre der Beschwerdeführer seiner Verantwor- 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 160 tung als Capo gerecht geworden, hätte er seine Gruppierung, der Aufforderung der Polizei rechtzeitig Folge leistend, zum Bahnhof geführt und wäre abgereist. Dass sich der Beschwerdeführer nicht vermummt hat, relativiert sein Verhalten und seine Verantwortung überdies nicht. Als Capo ist der Beschwerdeführer den Szenekennern derart gut bekannt, dass ein Vermummen ohnehin nutzlos gewesen wäre. Auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben erheblich alkoholisiert war, bedeutet entgegen seiner An- nahme nicht, dass das öffentliche Interesse an der Anordnung eines Rayonverbots relativiert würde. Im Gegenteil ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer seinen Alkoholkonsum nicht unter Kon- trolle hat, obschon er sich in einer Führungsfunktion befindet und da- mit Vorbildfunktion hat, was eher für ein noch höheres öffentliches Interesse spricht. Mit Blick auf die Rückfallgefahr wird der Beschwerdeführer zwar durch ein Geschäftsleitungsmitglied des FC St. Gallen und den Stellenleiter Fanarbeit in einem positiven Licht dargestellt. Dies än- dert aber nichts daran, dass die Wahrscheinlichkeit einer Teilnahme des Beschwerdeführers an Zusammenkünften seiner Ultra-Gruppie- rung bei Heim- und bei Auswärtsspielen des FC St. Gallen als sehr hoch einzustufen ist. Die Gefahr, dass sich der Beschwerdeführer da- bei an Zusammenrottungen beteiligt, welche zu Ausschreitungen füh- ren und er somit anlässlich einer Sportveranstaltung erneut Landfrie- densbruch begeht, ist als sehr hoch einzustufen. Bekanntermassen lassen sich Ultras trotz Stadionverboten nicht davon abhalten, ihre Gruppierung zu Heim- und Auswärtsspielen zu begleiten. Insgesamt ist aufgrund der tangierten Rechtsgüter, der im Rah- men des Landfriedensbruchs begangenen Delikte und vor allem der Rolle des Beschwerdeführers als Capo der Fangruppierung sowie der hohen Rückfallgefahr von einem grossen bis sehr grossen öffentli- chen Interesse am Erlass eines Rayonverbots auszugehen. 5.4.3. 5.4.3.1. Das private Interesse an der Aufhebung oder der zeitlichen bzw. örtlichen Beschränkung des Rayonverbots bemisst sich primär daran, inwiefern die betroffene Person durch das Rayonverbot in ihren indi- 2015 Polizeirecht 161 viduellen Tätigkeiten eingeschränkt wird. Entscheidend ist dabei ins- besondere die Häufigkeit der Einschränkung und die Frage, ob es für die betroffene Person zumutbar ist, im Einzelfall oder für eine be- stimmte Tätigkeit eine Ausnahmebewilligung einzuholen. Demgegenüber fällt die grundsätzliche Einschränkung, d.h. jede Einschränkung bezüglich Örtlichkeiten, die kein Gebiet betreffen, in dem sich die Person üblicherweise aufhält, nicht sonderlich ins Ge- wicht. Dies umso weniger, als die Benutzung öffentlicher Verkehrs- mittel zur Durchreise auch innerhalb des grundsätzlich verbotenen Rayons möglich ist. 5.4.3.2. Der Beschwerdeführer bringt nichts vor, was auf eine individu- elle Einschränkung bezüglich der verbotenen Rayons ausserhalb der Stadt St. Gallen hindeuten würde, weshalb sich weitere Ausführun- gen hierzu erübrigen. Nachdem der Beschwerdeführer in St. Gallen wohnt, ist ihm grundsätzlich ein erhebliches privates Interesse zuzubilligen, sich in St. Gallen frei bewegen zu können. Einschränkungen sind nur soweit notwendig zu verfügen. Das Rayonverbot in der Stadt St. Gallen umfasst die drei Teilge- biete Rayon A (West), Rayon B (Ost) und Rayon C (Nord). Auch wenn der Beschwerdeführer in Rayon B wohnt, stellt dies für ihn keine Einschränkung dar, da sich das Stadion des FC St. Gallen in Rayon A befindet und es dem Beschwerdeführer somit bei Heimspie- len des FC St. Gallen nicht verwehrt ist, sich frei in den Rayons B und C zu bewegen. In Rayon A befindet sich aber unter anderem auch die Sportanlage Gründenmoos. Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei aktives Mitglied des FC B. und spiele für diesen Ver- ein in der dritten und fünften Liga. Da die Heimspiele auf den Kunstrasenplätzen der Sportanlage Gründenmoos ausgetragen wür- den, sei es ihm verwehrt, an Heimspieltagen des FC St. Gallen Spiele mit seinem Fussballclub zu bestreiten. Dies und der Umstand, dass er an den besagten Tagen keine Zeit mit seinem Freundes- und Kolle- genkreis verbringen könne, stelle eine Beeinträchtigung dar, die weit über das bezweckte Verbot, d.h. den Besuch von Spielen des FC St. Gallen, hinausgehe. Konsultiert man die Homepage des FC B. 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 162 (zuletzt besucht am 1. September 2015) fällt zunächst auf, dass der Verein weder eine Mannschaft in der dritten noch in der zweiten Liga hat. Die beiden aktiven Mannschaften spielen vielmehr in unter- schiedlichen Gruppen in der 4. Liga, wobei die beiden Mannschaften seit Beschwerdeeinreichung wohl auf- bzw. abgestiegen sein dürften. Bei genauer Betrachtung fällt zudem auf, dass der Beschwerdeführer weder als Mitglied der 1. Mannschaft noch der 2. Mannschaft aufge- führt wird und - soweit ersichtlich - auch keine offizielle Funktion innerhalb des Vereins ausübt. Sollte die Behauptung effektiv zutref- fen, dass der Beschwerdeführer bei einer der Mannschaften des FC B. zum Einsatz kommt, handelt es sich bestenfalls um gelegentli- che Aufgebote. Sollte ein derartiges Aufgebot effektiv mit einem Heimspiel des FC St. Gallen zusammenfallen, wäre es dem Be- schwerdeführer problemlos zumutbar, sich gegebenenfalls bei der Kantonspolizei St. Gallen um eine Ausnahmebewilligung zu bemü- hen. Nach dem Gesagten ist dem Beschwerdeführer bezüglich Rayon A bestenfalls ein kleines privates Interesse an der Aufhebung des Ra- yonverbots zuzubilligen. 5.4.4. Zusammenfassend steht fest, dass dem grossen öffentlichen In- teresse an der Anordnung eines Rayonverbots lediglich untergeord- nete private Interessen gegenüberstehen, weshalb von einem über- wiegenden öffentlichen Interesse auszugehen ist und sich das Rayon- verbot grundsätzlich als verhältnismässig erweist. Fraglich ist hinge- gen, ob dies auch auf die Festlegung des Rayonverbots für die Maxi- maldauer von drei Jahren zutrifft. Zwar ist von einer sehr grossen Rückfallgefahr auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer anläss- lich einer Sportveranstaltung erneut einer Zusammenrottung an- schliesst und Landfriedensbruch begeht. Nachdem es aber im Rah- men des am 18. Oktober 2014 begangenen Landfriedensbruchs nicht zu massiven Gewalttätigkeiten oder zu einer erheblichen Gefährdung von Leib und Leben gekommen ist und sich die Sachschäden in Grenzen halten, wäre die Anordnung eines Rayonverbots für die ma- ximal zulässige Dauer von drei Jahren unverhältnismässig. Dies um- so mehr, als sich der Beschwerdeführer nicht aktiv an Gewalttätig- keiten beteiligt hat und auch kein wiederholter Verstoss gegen das 2015 Polizeirecht 163 Konkordat vorliegt. Das verfügte Rayonverbot ist nach dem Gesag- ten auf zwei Jahre zu beschränken.
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2002 Strassenverkehrsrecht 143 III. Strassenverkehrsrecht 41 Vorsorglicher Führerausweisentzug; Gutachterkosten; Kostenvorschuss. - Der vorsorgliche Sicherungsentzug ist ein Zwischenentscheid, welcher mittels Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden kann (Erw. I/1/b/bb). - Der vorsorgliche Sicherungsentzug kann nicht losgelöst vom eigentli- chen Entzugsverfahren verfügt werden. Es muss ein Endentscheid folgen (Erw. II/2/a). - Im Entzugsverfahren stellen Gutachterkosten Verfahrenskosten dar (Erw. II/2/b). - Auf das Begehren um Fortsetzung des Verfahrens betreffend Siche- rungsentzug ist auch dann einzutreten, wenn der vorsorgliche Führer- ausweisentzug in Rechtskraft erwachsen ist (Erw. II/2/c). - Keine Kostenvorschusspflicht für Gutachterkosten bei Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege (Erw. II/3/a). - Zulässigkeit der Androhung von Säumnisfolgen bei Verweigerung der Bezahlung des Kostenvorschusses (Erw. II/3/b). - In besonderen Fällen, bei denen eine Begutachtung unumgänglich er- scheint, der Betroffene jedoch die Leistung des Kostenvorschusses verweigert, kann das Gutachten unter Verzicht auf einen Kostenvor- schuss in Auftrag gegeben werden (Erw. II/3/c). - Das Kriterium der Nichtaussichtslosigkeit ist im nichtstreitigen Siche- rungsentzugsverfahren erfüllt, wenn im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege noch offen ist, ob das Verfahren auch wirklich zu einem Entzug führen wird (Erw. II/5/c/bb). 2002 Verwaltungsgericht 144 Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 5. Juni 2002 in Sachen E.F. gegen den Entscheid des Departements des Innern. Aus den Erwägungen I. 1. b) bb) Das Strassenverkehrsamt hat dem Beschwerdeführer mit Verfügung vom 7. Mai 1997 den Führerausweis gestützt auf Art. 16 Abs. 1 SVG sowie Art. 35 Abs. 3 und Art. 36 Abs. 1 VZV "bis zur Abklärung von Ausschlussgründen auf unbestimmte Zeit" entzogen. Es handelte sich dabei unbestrittenermassen um eine vor- läufige Massnahme bis zum definitiven Entscheid über einen allfälli- gen Sicherungsentzug. Das Verfahren wurde daraufhin nicht fortge- setzt und blieb gleichsam "in der Schwebe", weil sich der Beschwer- deführer - mit der Begründung, er könne die Kosten für das Gut- achten nicht aufbringen - der in Ziff. 2 der Verfügung angeordneten fachärztlichen Begutachtung nicht unterzog. Auf das Begehren des Beschwerdeführers um Fortsetzung des Verfahrens (Verzicht auf Kostenvorschuss für das fachärztliche Gut- achten) trat das Strassenverkehrsamt nicht ein. Eine gegen diese Ver- fügung gerichtete Beschwerde wurde vom Departement des Innern abgewiesen. Dieser (Zwischen-) Entscheid stellt für den Beschwer- deführer einen tatsächlichen Nachteil dar, wirkt sich doch der vor- sorgliche Entzug des Führerausweises und das Belassen des Verfah- rens im "Schwebezustand" für ihn faktisch wie ein definitiver Siche- rungsentzug aus (vgl. AGVE 1991, S. 195 f.; 1982, S. 214 f.). Das Verwaltungsgericht ist somit für die vorliegende Beschwerde sach- lich zuständig. 2. (...) 3. (...) II. 1. a) Hauptgegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet das Begehren des Beschwerdeführers um Fortsetzung des Admini- strativverfahrens betreffend Sicherungsentzug des Führerausweises. Der Beschwerdeführer macht geltend, der Führerausweis sei ihm mit Verfügung des Strassenverkehrsamts vom 7. Mai 1997 im Sinne einer vorläufigen Sicherungsmassnahme entzogen worden. Dieses 2002 Strassenverkehrsrecht 145 Verfahren sei jedoch nie ordentlich beendet worden. Dies sei nicht zulässig. Gemäss verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung sei das Administrativverfahren mit einem formellen Entscheid zu beenden, auch wenn der Betroffene einen solchen Antrag nicht stelle. Der Sicherungsentzug eines Führerausweises stelle einen schweren Eingriff in den Persönlichkeitsbereich des Betroffenen dar. Bevor die Administrativbehörde einen solchen Entzug ausspreche, habe sie von Amtes wegen und in jedem Falle den Sachverhalt baldmöglichst abzuklären. Die Fortführung und Beendigung des Verfahrens dürfe nicht von der Leistung eines Kostenvorschusses für das fachärztliche Gutachten abhängig gemacht werden; solches würde eine Rechtsverweigerung darstellen. Der Beschwerdeführer beruft sich auch auf § 22 KV, wonach alle Bürger Anspruch auf faire Behand- lung durch die Behörden haben und ihnen wegen Unbeholfenheit oder Prozessarmut kein Nachteil entstehen darf. b) Das Strassenverkehrsamt nahm das Begehren des Be- schwerdeführers um Fortsetzung des Verfahrens als Begehren um "Wiederwägung resp. Widerruf resp. Wiederaufnahme" entgegen und trat darauf nicht ein. Zur Begründung führte es an, der Beschwerde- führer habe die Verfügung vom 7. Mai 1997 nicht angefochten. Er hätte sein Begehren im Rahmen einer Beschwerde gegen jene Verfü- gung geltend machen müssen. Mangels Anfechtung sei die Verfü- gung vom 7. Mai 1997 in Rechtskraft erwachsen. Gründe für eine Wiedererwägung lägen nicht vor. Der Rechtsbehelf der Widererwä- gung dürfe nicht dazu dienen, eine unterlassene förmliche Be- schwerde zu ersetzen. Im vorliegenden Verfahren wies das Stras- senverkehrsamt darauf hin, dass zwischen dem vorsorglichen Siche- rungsentzug am 7. Mai 1997 und der angefochtenen Verfügung vom 7. August 1997 lediglich eine kurze Zeitspanne verflossen sei. c) Das Departement des Innern begründete die Zulässigkeit des Zuwartens mit dem definitiven Entscheid damit, dass die Durchfüh- rung der angeordneten ärztlichen Untersuchung angesichts der gege- benen hohen Wahrscheinlichkeit eines Ausschlussgrundes im alleini- gen Interesse des Beschwerdeführers gelegen habe. Die Entzugsbe- hörde sei nicht zur Vornahme weiterer Massnahmen verpflichtet gewesen, um dem Beschwerdeführer wieder eine Zulassung zum 2002 Verwaltungsgericht 146 Verkehr zu ermöglichen. Entsprechend dem Verursacherprinzip und seinem alleinigen Interesse an der Sache folge, dass dem Beschwer- deführer grundsätzlich die Kosten des ärztlichen Gutachtens vor- schussweise auferlegt werden könnten. Unter Berufung auf den Bun- desgerichtsentscheid vom 25. März 1997 in Sachen A.M. (2A.408/1996) führte das Departement des Innern zudem aus, dass der Vorschuss des Arzthonorars nicht zu den Verfahrenskosten zu zählen sei; dies ergebe sich aus der Rechtsnatur des Führerausweises als einer polizeilichen Bewilligung. 2. a) Gemäss Art. 17 Abs. 1 bis SVG (i.V.m. Art. 14 Abs. 2 lit. b, c und d SVG) wird der Führerausweis auf unbestimmte Zeit ent- zogen, wenn der Führer wegen Trunksucht oder anderer Suchtkrank- heiten, aus charakterlichen oder anderen Gründen nicht geeignet ist, ein Motorfahrzeug zu führen (Sicherungsentzug). Bis zur Abklärung von Ausschlussgründen kann der Fahrausweis sofort vorsorglich ent- zogen werden (Art. 35 Abs. 3 VZV). Der vorsorgliche Ausweisent- zug kann nicht losgelöst vom eigentlichen Entzugsverfahren verfügt werden, sondern erfolgt im Rahmen eines Sicherungsentzugs. Der auf Art. 35 Abs. 3 VZV gestützte Führerausweisentzug stellt eine vorsorgliche Massnahme zur Sicherstellung der gefährdeten Interes- sen der Verkehrssicherheit bis zum Abschluss des Hauptverfahrens dar und ist damit eine Zwischenverfügung (vgl. hiezu auch BGE 122 II 359 ff.). Weil die Anordnung des vorsorglichen Führer- ausweisentzugs eine vorläufige Massnahme darstellt, muss dieser ein Endentscheid über die definitive Durchführung des Sicherungsentzu- gs oder über den Verzicht auf einen Sicherungsentzug folgen (BGE 125 II 396). Dabei entspricht eine Praxis, bei der solche vorsorgli- chen Massnahmen über längere Zeit aufrechterhalten werden, nicht den gesetzlichen Bestimmungen (AGVE 2000, S. 126). b) Das Departement des Innern ist der Auffassung, im vorlie- genden Verfahren stellten die Gutachterkosten keine Verfahrenskos- ten dar. Es beruft sich dabei auf den Bundesgerichtsentscheid vom 25. März 1997 in Sachen A.M. (2A.408/1996). In jenem Entscheid ging es um die Wiedererteilung des Führerausweises nach einem bereits definitiv verfügten Sicherungsentzug. Das Wiedererteilungs- verfahren hat in jedem Fall vom Betroffenen auszugehen. In seinem 2002 Strassenverkehrsrecht 147 Gesuch hat der Gesuchsteller nachzuweisen, dass der Eignungs- mangel, der zum Entzug des Führerausweises führte, nicht mehr gegeben ist und er die Voraussetzungen zum Führen einer be- stimmten Kategorie von Fahrzeugen wieder erfüllt. Den Gesuchstel- ler trifft die Beweisführungslast. Der Nachweis der neuerlichen Fahr- tauglichkeit, die einen Anspruch auf Erteilung des Führerausweises begründet, ist somit Bestandteil der Substantiierung des Gesuchs. Beim Wiedererteilungsverfahren fallen somit die Kosten für die Er- stellung eines ärztlichen Gutachtens als mit der Substantiierungs- pflicht zusammenhängende Parteikosten vor Einleitung des Admi- nistrativverfahrens an und sind demgemäss keine Verfahrenskosten (René Schaffhauser, Grundriss des Schweizerischen Strassenver- kehrsrechts, Bd. III: Die Administrativmassnahmen, Bern 1995, Rz. 2222; erwähnter BGE vom 25. März 1997, S. 7). Beim vorliegenden Fall handelt es sich jedoch - im Unterschied zum angeführten Bundesgerichtsentscheid - nicht um ein Wiedererteilungsverfahren, sondern um ein Entzugsverfahren. Dieses wird vollständig von der Offizialmaxime beherrscht, wonach die Ver- waltungsbehörde die Herrschaft über die Einleitung eines Verfahrens hat (Schaffhauser, a.a.O., Rz. 2647). Sofern an der Fahreignung eines stark alkoholisierten Fahrzeuglenkers ernstliche Zweifel bestehen, muss die Entzugsbehörde zwingend einen Sicherungsentzug ins Auge fassen (BGE 126 II 185 f.; 125 II 400). Sodann gilt der Untersuchungsgrundsatz, wonach der Sachverhalt von Amtes wegen zu ermitteln ist (Schaffhauser, a.a.O., Rz. 2649). Die Verwaltungs- behörde hat deshalb von Amtes wegen die persönlichen Verhältnisse des Betroffenen abzuklären und in der Regel ein ärztliches Gutachten einzuholen (BGE 127 II 125; 125 II 400; 104 Ib 48; vgl. § 20 Abs. 1 VRPG). Die damit verbundenen Kosten fallen erst nach Anhebung des Verfahrens durch die Verwaltungsbehörde an und bilden deshalb Verfahrenskosten. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz sind deshalb im vor- liegenden Verfahren die Gutachterkosten zu den Verfahrenskosten zu zählen. c) Das Strassenverkehrsamt berief sich darauf, dass der Be- schwerdeführer die Verfügung vom 7. Mai 1997 nicht angefochten 2002 Verwaltungsgericht 148 habe, wodurch diese rechtskräftig geworden sei. Es weigerte sich deshalb, auf das Begehren des Beschwerdeführers um Fortsetzung des Verfahrens einzutreten. aa) In diesem Zusammenhang stellt sich vorab die Frage, wie Ziff. 2 jener Verfügung auszulegen sei. Das Strassenverkehrsamt hat den Beschwerdeführer mit Verfü- gung vom 7. Mai 1997 zur Bezahlung von Fr. 700.-- auf das Konto des ärztlichen Gutachters aufgefordert und festgehalten, dass diese Kosten "zu seinen Lasten" gehen würden (Ziff. 2). Bezüglich Verfah- renskosten wurde in der gleichen Verfügung festgehalten, dass über diese erst bei Erlass der definitiven Verfügung entschieden werde (Ziff. 5). Vom Wortlaut scheinen diese beiden Bestimmungen einen Widerspruch zu enthalten: Während mit der ersten Bestimmung (Ziff. 2) - wörtlich verstanden - bereits Kosten verlegt wurden, ist mit der zweiten Bestimmung (Ziff. 5) die Kostenverlegung auf den Endentscheid hin aufgeschoben worden. Daher und weil die Gut- achterkosten wie bereits ausgeführt zu den Verfahrenskosten gehö- ren, kann Ziffer 2 nur so ausgelegt werden, dass dem Beschwerde- führer lediglich die Pflicht zur Leistung eines Kostenvorschusses für das Gutachten auferlegt, jedoch noch nicht über die endgültige Kos- tentragungspflicht hinsichtlich derselben entschieden wurde. Diese Auslegung drängt sich auch deshalb auf, weil das Strassenverkehrs- amt den genauen Kostenbetrag für das Gutachten jeweils erst nach Rechnungsstellung durch den Gutachter kennt; aus diesem Grund wurde in der fraglichen Ziff. 2 ausdrücklich festgehalten, die Kosten würden "derzeit" Fr. 700.-- betragen. Da Ziff. 2 der Verfügung vom 7. Mai 1997 als Verpflichtung zur Bezahlung eines Kostenvorschusses verstanden werden muss, handelt es sich dabei um eine prozessleitende Anordnung, welche jederzeit abänderbar ist (vgl. Michael Merker, Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, Kommentar zu den §§ 38 - 72 VRPG, Zürich 1998, § 44 N 41). In Rechtskraft erwachsen ist einzig der vorsorgliche Entzug des Führerausweises. bb) Der Beschwerdeführer hat mit seiner Eingabe lediglich verlangt, dass das Strassenverkehrsamt auf die Leistung des ver- 2002 Strassenverkehrsrecht 149 langten Kostenvorschusses verzichte und das Verfahren betreffend Sicherungsentzug fortsetze. Die Aufhebung des rechtskräftig ange- ordneten vorsorglichen Sicherungsentzugs wurde nicht verlangt. Auch gegen die Anordnung, sich ärztlich begutachten zu lassen, hatte der Beschwerdeführer keine Einwände. Da es sich bei der Ver- pflichtung zur Leistung eines Kostenvorschusses lediglich um eine jederzeit abänderbare prozessleitende Anordnung handelte, war es nicht zulässig, dass sich das Strassenverkehrsamt in diesem Punkt einfach auf die Rechtskraft seiner Verfügung vom 7. Mai 1997 berief und sich mit dieser Begründung weigerte, auf das Begehren des Be- schwerdeführers um Fortsetzung des Verfahrens einzutreten. 3. Aus den dargelegten Erwägungen (siehe vorne Erw. 2) ergibt sich, dass das richtige Vorgehen auf das Gesuch des Beschwerde- führers vom 21. Juli 1997 hin folgendermassen gewesen wäre: a) Grundsätzlich hätte das Strassenverkehrsamt auf das Begeh- ren um Fortsetzung des Sicherungsentzugsverfahrens eintreten und zuerst das Gesuch um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege behandeln müssen. Im Falle einer Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege - aufgrund der Prüfung der diesbezüglichen Vorausset- zungen (Mittellosigkeit und Nichtaussichtslosigkeit) - hätte das Strassenverkehrsamt seine Verfügung vom 7. Mai 1997 in Ziff. 2 ab- ändern, d.h. die Kostenvorschusspflicht aufheben und die Durchfüh- rung einer ärztlichen Begutachtung des Beschwerdeführers unter Verzicht auf die Leistung eines Kostenvorschusses anordnen müssen. (...) b) Falls jedoch das Strassenverkehrsamt bei der Prüfung des Gesuchs um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege zum Schluss gekommen wäre, diese könne nicht gewährt werden, hätte es in einer weiteren Verfügung dem Beschwerdeführer für die Bezah- lung des Kostenvorschusses eine Frist ansetzen und die Verfügung mit der Androhung verbinden können, dass bei Nichtbezahlung des Vorschusses innert der angesetzten Frist ohne Vorliegen eines Gut- achtens über den definitiven Sicherungsentzug entschieden werde. Zwar prüfen die Behörden den Sachverhalt unter Beachtung der Vor- bringen der Beteiligten von Amtes wegen und stellen die hiezu not- wendigen Ermittlungen an (Untersuchungsgrundsatz [§ 20 Abs. 1 2002 Verwaltungsgericht 150 VRPG]; vgl. vorne Erw. 2/b). Den Beteiligten obliegt jedoch eine Mitwirkungspflicht (§ 21 VRPG). Es muss deshalb grundsätzlich zulässig sein, einem Betroffenen, der die Bezahlung des Kostenvor- schusses für das Gutachten oder die Mitwirkung bei der Erstellung des Gutachtens verweigert, Säumnisfolgen anzudrohen. Auch das Bundesgericht erachtet ein solches Vorgehen als zulässig (vgl. den erwähnten Bundesgerichtsentscheid vom 25. März 1997, Erw. 2/b). c) In besonderen Fällen, bei denen eine Begutachtung unum- gänglich erscheint, der Betroffene jedoch die Leistung des Kosten- vorschusses verweigert, kann das Strassenverkehrsamt das Gutachten auch selber - unter Verzicht auf einen Kostenvorschuss - in Auftrag geben. Dies ergibt sich aus der im Sicherungsentzugsverfahren herrschenden Offizial- und Untersuchungsmaxime (vgl. Alfred Kölz / Jürg Bosshart / Martin Röhl, Kommentar zum Verwaltungsrechts- pflegegesetz des Kantons Zürich, 2. Auflage, Zürich 1999, § 15 N 9 und § 7 N 29). 4. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Stras- senverkehrsamt im vorliegenden Fall verpflichtet gewesen wäre, das Verfahren betreffend Sicherungsentzug in der dargelegten Weisen (vorne Erw. 3/a) fortzusetzen und nach Eingang des Gutachtens mit einer definitiven Verfügung abzuschliessen. Die Beschwerde ist des- halb diesbezüglich gutzuheissen und die Sache zur Fortsetzung des Verfahrens an das Strassenverkehrsamt zurückzuweisen. 5. a) Der Beschwerdeführer rügt ferner, die Vorinstanzen hätten ihm ungerechtfertigterweise die Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege versagt, obwohl das Verfahren nicht aussichtslos und der Beschwerdeführer prozessarm sei. Das Strassenverkehrsamt lehnte das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wegen Aussichtlosigkeit und unter Hinweis auf die sehr einfache Rechtslage ab. Das Departement des Innern erklärte, bei den Gut- achterkosten handle es sich nicht um Verfahrenskosten, weshalb dafür das Armenrecht nicht beansprucht werden könne. b) aa) Die Voraussetzungen für die Gewährung der unentgeltli- chen Rechtspflege für die Verfahrenskosten sind die Mittellosigkeit des Beschwerdeführers und die Nichtaussichtslosigkeit der Rechts- begehren. Bei den Gutachterkosten handelt es sich im vorliegenden 2002 Strassenverkehrsrecht 151 Fall - wie bereits dargelegt wurde (siehe vorne Erw. 2/b) - um Ver- fahrenskosten. bb) Für die unentgeltliche Verbeiständung bildet die in § 35 Abs. 3 VRPG umschriebene Notwendigkeit der Verbeiständung durch einen Anwalt eine zusätzliche Voraussetzung (vgl. zum Gan- zen AGVE 1998, S. 437 ff. mit Hinweisen). In seiner neueren Recht- sprechung hat das Bundesgericht den verfassungsmässigen Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege in besonderen Fällen auch für das nichtstreitige Verwaltungsverfahren bejaht und festgehalten, dass grundsätzlich jedes staatliche Verfahren, in welches der Ge- suchsteller einbezogen werde oder dessen er zur Wahrung seiner Rechte bedürfe, der unentgeltlichen Rechtspflege zugänglich sei (erwähnter BGE vom 25. März 1997 mit Hinweisen [siehe vorne Erw. 2/b]). Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung schliesst sodann die Geltung der Offizialmaxime die unentgeltliche Verbei- ständung nicht aus (BGE 125 V 34 f. mit Hinweisen). Für die Beur- teilung eines Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege ist grund- sätzlich auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem das Gesuch gestellt wird (BGE 124 I 307). c) aa) Die Mittellosigkeit des Beschwerdeführers steht ausser Frage; auch die Vorinstanzen sind von dieser Annahme ausgegangen. bb) Zu prüfen ist ferner das Kriterium der Nichtaussichtslosig- keit. aaa) Vorab ist festzuhalten, dass die Nichtgewährung der unent- geltlichen Rechtspflege nicht damit begründet werden kann, dass das Hauptbegehren des Beschwerdeführers um Fortsetzung des Verfah- rens von vornherein aussichtslos war. Das Strassenverkehrsamt war verpflichtet, das Sicherungsentzugsverfahren fortzusetzen und durch einen definitiven Entscheid abzuschliessen (siehe vorne Erw. 1/b und 4). bbb) Als aussichtslos sind nach der Rechtsprechung Prozess- begehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernst- haft bezeichnet werden können. Dagegen hat ein Begehren nicht als aussichtslos zu gelten, wenn Gewinnaussichten und Verlustgefahren sich ungefähr die Waage halten oder sie nur wenig geringer sind als 2002 Verwaltungsgericht 152 diese. Massgebend ist dabei, ob eine Partei, die über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung zu ei- nem Prozess entschliessen oder davon absehen würde (AGVE 1998, S. 438). Diese Umschreibung ist allerdings auf streitige Verfahren zugeschnitten, bei denen es dem Beschwerdeführer anheimgestellt wird, ob er eine Verfügung anfechten will oder nicht, während im vorliegenden nichtstreitigen Verfahren die Administrativbehörde das Verfahren von Amtes wegen einleitet und der Beschwerdeführer ohne seinen Willen einbezogen wird. Das Kriterium der Nichtaus- sichtslosigkeit ist in einem solchen Verfahren betreffend Siche- rungsentzug des Führerausweises erfüllt, wenn im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege noch offen ist, ob das Verfahren auch wirklich zu einem Entzug führen wird. Im vorliegenden Fall wurde das Gesuch vor Erstellung des Gut- achtens gestellt; in einem Zeitpunkt, als noch nicht ärztlich abgeklärt war, ob beim Beschwerdeführer wirklich eine Trunksucht vorliegt. Zwar bestanden erhebliche Indizien für das Vorliegen einer Trunksucht (was zur Anordnung des vorsorglichen Entzugs und der Erstellung eines Gutachtens führte). Der Verfahrensausgang war aber insofern offen, als der definitive Entzug von einem ärztlichen Gut- achten abhängig gemacht wurde. Damit war das Verfahren für den Beschwerdeführer "nicht aussichtslos" in dem Sinne, dass die Admi- nistrativbehörde auf Grund des Gutachtens zum Schluss kommen konnte, eine Trunksucht liege - entgegen den vorhandenen Indizien - nicht vor. cc) Die Rechtslage in einem Verfahren betreffend Sicherungs- entzug ist zumindest im erstinstanzlichen Verfahren in der Regel nicht derart kompliziert, dass die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsvertreters gerechtfertigt erscheint. Im vorliegenden Fall zog der Beschwerdeführer eine Anwältin bei, weil er wünschte, dass das Strassenverkehrsamt das Entzugsverfahren fortsetze, sich aber fi- nanziell nicht in der Lage sah, den für die Erstellung des Gutachtens (und damit für die Fortsetzung des Verfahrens) verlangten Kosten- vorschuss zu bezahlen. Angesichts dieser ungewöhnlichen Rechts- lage erscheint die unentgeltliche Verbeiständung des Beschwerdefüh- rers im Sicherungsentzugsverfahren (Hauptverfahren) jedenfalls bis 2002 Strassenverkehrsrecht 153 zum Zeitpunkt des heutigen Urteils, mit welchem das Strassenver- kehrsamt zur Fortsetzung dieses Verfahrens verpflichtet wird, ge- rechtfertigt. Auch die Anwältin des Beschwerdeführers ist dieser Meinung; sie verlangt die unentgeltliche Verbeiständung nicht für die ganze Zeit bis zum Abschluss des Hauptverfahrens, sondern nur so- lange bis sichergestellt ist, dass das Strassenverkehrsamt das Ver- fahren fortsetzt.
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2008 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 153 [...] 26 Baubewilligung. - Der Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens ist nicht auf den Ge- genstand der Einsprache beschränkt (Erw. 2). - Auswirkungen der Aufnahme im ISOS auf die Gemeindeautonomie (Erw. 3). Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 13. Mai 2008 in Sachen Katholische Kirchgemeinde Hägglingen gegen M. und K. (WBE.2005.288). Sachverhalt Die katholische Kirchgemeinde Hägglingen möchte im Dorf- kern von Hägglingen, zwischen Kirche und Pfarrhaus, einen Pfarr- saal realisieren. Kirche und Pfarrhaus stehen unter kantonalem Denk- malschutz. Dem Ortsbild von Hägglingen wird im Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS) regionale Bedeutung attestiert. Aus den Erwägungen II. 1. (...) 2. 2.1. In formeller Hinsicht macht die Beschwerdeführerin weiter gel- tend, die Vorinstanz habe unberücksichtigt lassen, dass es den damaligen Beschwerdeführern (den heutigen Beschwerdegegnern) in einzelnen Punkten ihrer Verwaltungsbeschwerde an der formellen Beschwer gefehlt habe. Die Vorinstanz habe nämlich über Beschwer- depunkte entschieden, die von den beiden Einsprachen nicht mehr 2008 Verwaltungsgericht 154 gedeckt gewesen seien. Das gelte für die Punkte «Einpassung in die Umgebung» und «Ortsbildschutz», welche die Beschwerdegegner in ihren Einsprachen nicht gerügt hätten. Der Gemeinderat Hägglingen schliesst sich in seiner Vernehmlassung dieser Begründung an. Die Vorinstanz führt demgegenüber in ihrer Vernehmlassung aus, die Beschwerdegegner hätten Einsprache erhoben und damit am gemeinderätlichen Verfahren teilgenommen. Es stehe ihnen offen, sich im Beschwerdeverfahren mit einer gegenüber dem Einsprache- verfahren anderen oder erweiterten Begründung ihrer Beschwerde gegen das Bauprojekt zur Wehr zu setzen. Es treffe nicht zu, dass eine Ergänzung oder teilweise Substitution der Begründung in der Verwaltungsbeschwerde zu einem teilweisen Nichteintreten wegen mangelnder formeller Beschwer führe. Die Beschwerdegegner halten dafür, Einsprachen hätten einen Antrag und eine Begründung zu enthalten. Diese müssten mindestens ansatzweise vorhanden sein. Bei Einsprachen von juristischen Laien dürften an die formellen Voraussetzungen keine allzu hohen Anfor- derungen gestellt werden. Es genüge, wenn sich der Wille und die Absicht des Einsprechers mindestens sinngemäss seiner Eingabe ent- nehmen lasse. Die Beschränkung der Beschwerde beziehe sich auf die Anträge und nicht auf die Begründung. Es stehe der Rechtsmit- telinstanz frei, ihren Entscheid anders zu begründen und allenfalls auch auf Gründe zurückzugreifen, die im Einspracheverfahren noch nicht vorgebracht worden seien. 2.2. Wer es unterlässt, Einsprache zu erheben, obwohl Anlass dazu bestanden hätte, kann nach § 4 Abs. 2 BauG den ergehenden Ent- scheid nicht anfechten. Damit gewährt das Baugesetz die Be- schwerdebefugnis nur demjenigen, der vorgängig bereits Einsprache erhoben hat. Zur Frage, ob und inwieweit der Streitgegenstand be- reits im Einspracheverfahren fixiert wird, äussert sich das Baugesetz nicht ausdrücklich. Soweit ersichtlich hatte sich auch das Verwal- tungsgericht mit diesem Problem bis anhin noch nie im Detail zu be- fassen. In einem Entscheid aus dem Jahr 1998 hielt es immerhin fest, an der Einsprache als formeller Voraussetzung für die spätere Be- schwerdebefugnis sei festzuhalten. Diese fehle nicht nur einem Be- 2008 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 155 schwerdeführer, der keine Einsprache erhoben habe, sondern auch ei- nem Einsprecher, der seine Einsprache wieder zurückgezogen habe. Das Verwaltungsgericht begründete dies mit der Pflicht, die Einspra- che mit Antrag und Begründung zu versehen und mit dem Aspekt der Verfahrensbeschleunigung. Inwieweit der Streitgegenstand schon durch die Begründung der Einsprache verbindlich festgelegt wird, liess das Verwaltungsgericht in diesem Entscheid jedoch ausdrück- lich offen (AGVE 1998, S. 450 ff.). Dieses Problem lässt sich unter verschiedenen Aspekten betrachten. Für eine frühe Fixierung des Streitgegenstandes sprechen insbe- sondere drei Gesichtspunkte: - Eine frühe Eingrenzung des Prozessthemas würde zunächst der beförderlichen Prozesserledigung und damit der Prozessökono- mie dienen (vgl. Michael Merker, Rechtsmittel, Klage und Nor- menkontrollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege [VRPG] vom 9. Juli 1968, Diss., Zü- rich 1998, § 39 N 16; Christoph Auer, Streitgegenstand und Rü- geprinzip im Spannungsfeld der verwaltungsrechtlichen Pro- zessmaximen, Diss., Bern 1997, S. 30 f.; Isabelle Häner / Mo- nika Mörikofer, Eine neue Einsprache im baurechtlichen Bewil- ligungsverfahren?, in: Zürcher Zeitschrift für öffentliches Bau- recht [PBG] 2005 [4], S. 5 ff. [S. 10]; für das planungsrechtliche Rechtsschutzverfahren AGVE 1999, S. 267). Indem der Gesetz- geber die Beschwerdebefugnis in § 4 Abs. 2 BauG an die Vor- aussetzung knüpfte, dass der Beschwerdeführer zuvor Einspra- che erhoben hat, erhoffte er sich eine Verfahrensbeschleunigung (Protokoll GR vom 10. März 1992, Art. 1637, S. 2733 [Votum Regierungsrat Pfisterer]; vgl. auch Protokoll der Spezialkom- mission Baugesetzrevision, 22. Sitzung vom 26. September 1991, S. 309 [Votum Regierungsrat Pfisterer]). Kennt der Bau- herr die Positionen der Einsprecher in einem frühen Verfahrens- stadium, hat er die Möglichkeit, das Bauvorhaben an die Vor- stellungen der Einsprecher anzupassen und damit ein Be- schwerdeverfahren zu verhindern (vgl. Merker, a.a.O., § 38 N 148; Häner / Mörikofer, a.a.O., S. 10]). Auf der anderen Seite könnte die Möglichkeit, mit der Beschwerde über den Gegen- 2008 Verwaltungsgericht 156 stand der Einsprache hinaus zu gehen, den Einsprecher bzw. Be- schwerdeführer dazu verleiten, seine Argumente ratenweise im Laufe des Rechtsmittelzuges vorzutragen, was dem Gedanken der Prozessökonomie ebenfalls widerspräche (vgl. Merker, a.a.O., § 38 N 146, Fussnote 332 am Schluss). Diese Gefahr ei- ner ratenweisen Ausdehnung des Streitgegenstandes darf freilich nicht überbewertet werden. Sie wird insbesondere durch die Tat- sache abgeschwächt, dass die Möglichkeit einer Ausdehnung des Streitgegenstandes während des verwaltungsinternen und -externen Verfahrens nach gefestigter Lehre und Praxis be- schränkt ist (vgl. etwa VGE II/65 vom 28. Oktober 2003, S. 7 f. [BE.2002.00308]; IV/1 vom 21. Februar 2003, S. 8 [BE.2002.00154]; Merker, a.a.O., § 39 N 12 ff.). - Sodann erscheint eine frühe Fixierung des Streitgegenstandes unter dem Aspekt der funktionellen Zuständigkeit wünschens- wert (vgl. Merker, a.a.O., § 38 N 148; Alfred Kölz / Jürg Boss- hart / Martin Röhl, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegege- setz des Kantons Zürich, 2. Aufl., Zürich 1999, Vorbem. zu §§ 19-28 N 87; vgl. auch Häner / Mörikofer, a.a.O., S. 11). Wenn der Einsprecher seine Einwendungen gegen ein Bauvorhaben schon im Einspracheverfahren vorbringen muss, ist gewährleis- tet, dass die erstinstanzlich zuständige Baubewilligungsbehörde, die teilweise über eine verfassungsrechtlich geschützte Autono- mie verfügt, über die Rügen befinden kann. Mit § 4 Abs. 2 BauG, der die Beschwerdebefugnis an die vorgängige Erhebung einer Einsprache knüpft, wollte der Gesetzgeber denn auch eine Gesamtbeurteilung durch den Gemeinderat erreichen und damit die Gemeindeautonomie schützen (Protokoll GR vom 10. März 1992, Art. 1637, S. 2733 [Votum Regierungsrat Pfisterer]). Auch das Argument der Zuständigkeitsordnung bzw. der Gemeindeau- tonomie lässt sich jedoch entkräften: Will die Beschwerdein- stanz die Streitsache unter neuen Elementen des Sachverhalts oder neuen Rechtsnormen beurteilen, kann und muss sie die Be- teiligten vorgängig anhören (vgl. auch AGVE 2005, S. 338; Thomas Merkli / Arthur Aeschlimann / Ruth Herzog, Kommen- tar zum Gesetz vom 23. Mai 1989 über die Verwaltungsrechts- 2008 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 157 pflege des Kantons Bern, Bern 1997, Art. 51 N 3). In Bereichen, in denen die Gemeinde über Autonomie verfügt, kann und muss die Beschwerdeinstanz der Vernehmlassung des Gemeinderats besonderes Gewicht beimessen. - Schliesslich liegt es grundsätzlich auch im Interesse der Rechts- sicherheit und der Fairness, dass der Bauherr schon in einem frühen Verfahrensstadium weiss, wer sich mit welchen Argu- menten einem Bauvorhaben widersetzt (vgl. in anderem Kontext AGVE 1999, S. 267; Merker, a.a.O., § 38 N 148). Auch diese Gedanken kommen in den Materialien zu § 4 Abs. 2 BauG zum Ausdruck (Protokoll GR vom 10. März 1992, Art. 1637, S. 2733 [Votum Regierungsrat Pfisterer]). Zusammenfassend sprechen die Aspekte der Prozessökonomie, der Zuständigkeitsordnung, der Rechtssicherheit und der Fairness tendenziell für eine Fixierung des Streitgegenstands durch die Einsprache. 2.2.2. Gegen eine solche Eingrenzung des Streitgegenstands lassen sich insbesondere drei Argumente anführen: - Erstens lässt sich gegen eine frühe Fixierung des Streitgegen- stands einwenden, dass sie gesetzlich nicht ausdrücklich vorge- sehen ist. Eine Beschränkung der Beschwerdebefugnis auf den Gegenstand der Einsprache bedürfte aber wohl einer klaren ge- setzlichen Grundlage (so Häner / Mörikofer, a.a.O., S. 7 und 12). Ebenso wenig lässt sich eine Beschränkung des Streitge- genstands aus den allgemeinen Verfahrensgrundsätzen ableiten. Im Gegenteil: Nach § 20 Abs. 1 VRPG prüfen die Behörden den Sachverhalt unter Beachtung der Vorbringen der Beteiligten von Amtes wegen und stellen die hiezu notwendigen Ermittlungen an. Sie würdigen das Ergebnis der Untersuchung frei und wen- den das Recht von Amtes wegen an. Der Gemeinderat hat somit als Baubewilligungsbehörde von Amtes wegen nicht nur den Sachverhalt abzuklären, sondern auch das Recht anzuwenden. Im Rahmen der Rechtsanwendung hat er selbständig alle für ei- nen bestimmten Tatsachenkomplex anwendbaren Rechtsnormen zu suchen, diese auszulegen und die daraus sich ergebenden 2008 Verwaltungsgericht 158 rechtlichen Folgen zu ziehen (vgl. AGVE 2005, S. 337). Im (erstinstanzlichen) Baubewilligungsverfahren verdrängen die Untersuchungsmaxime und der Grundsatz der Rechtsanwen- dung von Amtes wegen das Rügeprinzip, nach welchem die rechtsanwendende Behörde nur die von den Parteien geltend ge- machten Rechtsverletzungen und tatsächlichen Einwände prüfen muss oder darf (vgl. Merkli / Aeschlimann / Herzog, a.a.O., Art. 51 N 1 f.; zum Rügeprinzip Ulrich Häfelin / Georg Müller / Felix Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl., Zürich 2006, Rz. 1632). Auch dürfen die Grundsätze, welche Lehre und Praxis im Zusammenhang mit der Beschwerdeerweiterung und -änderung entwickelt haben, nicht unbesehen auf das Einspracheverfahren übertragen werden. Der Grund liegt in der unterschiedlichen Funktion, welche die Baueinsprache und die Verwaltungsbe- schwerde erfüllen. Die Baueinsprache ist zwar Voraussetzung für eine spätere Beschwerdebefugnis (vgl. § 4 Abs. 2 BauG), sie besitzt aber nach der Konzeption des Baugesetzes im Gegensatz zur Verwaltungsbeschwerde nicht die Funktion eines Rechtsmit- tels, sondern dient der formalisierten Gewährung des Gehörsan- spruches (AGVE 2000, S. 216; Merker, a.a.O., § 45 N 11). Die Baueinsprache unterstützt die Vorbereitung eines Verwal- tungsaktes und stellt ein Hilfsinstrument der Baubewilligungs- behörde im Rahmen der Sachverhaltsermittlung bzw. der Ent- scheidfindung dar (vgl. AGVE 2000, S. 216; Auer, a.a.O., S. 146 f.; Merkli / Aeschlimann / Herzog, a.a.O., Art. 53 N 1; Häner / Mörikofer, a.a.O., S. 10). Weil die Baueinsprache das Risiko vermindern kann, dass der vorgängig Angehörte gegen den nachfolgenden Entscheid ein Rechtsmittel einlegt, stellt sie ein Mittel des präventiven, vorgelagerten Rechtsschutzes dar (vgl. Michele Albertini, Der verfassungsmässige Anspruch auf rechtliches Gehör im Verwaltungsverfahren des modernen Staa- tes, Diss., Bern 2000, S. 78). Dagegen bezieht sich der Begriff des Rechtsmittels nach herkömmlicher Terminologie in erster Linie auf Einrichtungen des Prozessrechts, die der Überprüfung eines Entscheides und damit dem nachträglichen Rechtsschutz 2008 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 159 dienen (vgl. Merker, a.a.O., § 45 N 3). Aufgrund der Funktion, die den Baueinsprachen nach dem Baugesetz zukommt, handelt es sich bei ihnen nicht um Einsprachen im Rechtssinn, sondern um Einwendungen, welche vor Erlass einer Verfügung erhoben werden (vgl. zur Terminologie auch Häfelin / Müller / Uhlmann, a.a.O., Rz. 1815 ff.; Alfred Kölz / Isabelle Häner, Verwaltungs- verfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl., Zürich 1998, Rz. 467). Dementsprechend soll nach dem Ent- wurf zur Teilrevision des Baugesetzes vom 3. November 2006 der Begriff der Einsprachen in § 4 Abs. 2 BauG durch denjeni- gen der Einwendungen ersetzt werden (§ 4 Abs. 2 des Entwurfes vom 3. November 2006 zur Teilrevision des Baugesetzes). Da die Baueinsprache dem Erlass der anfechtbaren Verfü- gung zeitlich vor- und das Beschwerdeverfahren dieser nachge- lagert ist, beziehen sich auch die Regeln über die Zulässigkeit einer Erweiterung oder Änderung von Beschwerdeanträgen auf die Zeit nach Erlass einer ersten beschwerdefähigen Verfügung. Ob eine unzulässige Ausdehnung von Beschwerdeanträgen vor- liegt, entscheidet sich mithin aufgrund des Sachverhalts, der nach Erlass einer beschwerdefähigen Verfügung bzw. zu Beginn des Beschwerdeverfahrens eingebracht wurde (vgl. Merker, a.a.O., § 39 N 13 und 17). Würden die Regeln über die Zulässig- keit einer Beschwerdeerweiterung oder -änderung auf das Ein- spracheverfahren übertragen, hätte dies zur Folge, dass der Streitgegenstand schon vor Erlass der ersten beschwerdefähigen Verfügung fixiert wird, was problematisch erscheint. Es wäre dogmatisch nicht schlüssig, wenn der Einsprecher bereits vor Erlass des Anfechtungsobjekts den Streitgegenstand bestimmen müsste (vgl. Auer, a.a.O., S. 147 und 152). Da sich die Baube- willigung von Gesetzes wegen mit sämtlichen relevanten Aspekten eines Bauvorhabens zu befassen hat, ist das Baube- willigungsverfahren ohnehin nicht auf den Gegenstand der Ein- sprache begrenzt. - Zweitens widerspräche eine Begrenzung des Streitgegenstands durch die Einsprache auch der bisherigen Praxis, welche das ganze Einspracheverfahren relativ formlos abgewickelt hat 2008 Verwaltungsgericht 160 (Erich Zimmerlin, Baugesetz des Kantons Aargau vom 2. Feb- ruar 1971, Kommentar, 2. Aufl., Aarau 1985, § 151 N 5 i.V.m. § 4 N 5). Für diese Praxis bestehen aber durchaus sachliche Gründe, weil Einsprachen häufig von juristischen Laien erhoben werden (vgl. auch Auer, a.a.O., S. 153). Für dieses Verfahrens- stadium gilt es deshalb speziell zu verhindern, dass rechtlich un- beholfene Parteien durch formelle Fehler Nachteile erleiden (vgl. § 20 Abs. 2 VRPG). - Drittens liesse sich eine Beschränkung der Beschwerdebefugnis auf den Gegenstand der Einsprache jedenfalls nicht ohne Aus- nahme verwirklichen, weshalb auch der Gesichtspunkt der ho- mogenen Rechtsanwendung gegen eine solche Lösung spricht: Ist ein Baubewilligungsentscheid mit einem erheblichen Fehler belastet, wiegt das Interesse an der Durchsetzung des materiel- len Rechts stärker als die Anliegen, die sich für eine frühe Be- schränkung des Streitgegenstands vortragen lassen. Dies zeigt auch die Entstehungsgeschichte von § 4 Abs. 2 BauG. So hielt Regierungsrat Pfisterer für den Fall, dass ein Bauvorhaben bei- spielsweise die zulässige Anzahl Geschosse überschreiten sollte, vor dem Grossen Rat sinngemäss das Folgende fest: In einer solchen Situation müsse einem betroffenen Nachbarn die Be- schwerdebefugnis selbst dann zustehen, wenn er sich auf einen Bauabschlag durch die zuständige Baubewilligungsbehörde verlassen und deswegen keine Einsprache erhoben habe (Proto- koll GR vom 10. März 1992, Art. 1637, S. 2731 und 2733 [Vo- ten M. Studer und Regierungsrat Pfisterer]). Diese Lösung har- moniert mit der Praxis des Verwaltungsgerichts, die Ausnahmen vom Rügeprinzip dann zulässt, wenn ein Fehler des angefochte- nen Entscheides erheblich oder leicht erkennbar ist (vgl. VGE IV/44 vom 14. August 2001 [BE.2000.00380], S. 5 f.; VGE III/74 vom 30. August 1996 [BE.95.00010], S. 8]; vgl. auch Merker, a.a.O., § 49 N 9 mit Hinweis). Mithin korrigiert das Verwaltungsgericht einen solchen Mangel auch dann, wenn ihn der Beschwerdeführer nicht gerügt hat. Eine Beschränkung des Streitgegenstands auf die Einsprachegründe könnte im Übri- gen auch dann nicht durchgesetzt werden, wenn es um Fragen 2008 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 161 des Bundesrechts geht (BGE vom 14. März 2002 [1A.114/2001 + 1P.418/2001], E. 4.3; Häner / Mörikofer, a.a.O., S. 12 f. mit weiteren Hinweisen). Zusammenfassend sprechen der Aspekt der fehlenden gesetzli- chen Grundlage, der Grundsatz der Rechtsanwendung von Amtes wegen, die Untersuchungsmaxime, die Fürsorgepflicht der rechtsan- wendenden Behörden und der Aspekt der homogenen Rechtsanwen- dung gegen die Begrenzung der Beschwerdebefugnis auf den Gegen- stand der Einsprache. 2.3. Die Aspekte, die gegen eine Begrenzung der Beschwerdebefug- nis auf den Gegenstand der Einsprache angeführt wurden, wiegen schwerer als die Gegenargumente (im Ergebnis anders VGE III/40 vom 23. Mai 2006 [WBE.2003.247/251], S. 15 f.; Merker, a.a.O., N 16 zu § 45 VRPG). Eine Beschränkung des Streitgegenstands liesse sich auf dieser Verfahrensstufe auch dogmatisch nicht schlüssig begründen. Es ist deshalb anzunehmen, dass nach aargaui- schem Baurecht die Beschwerdebefugnis nicht auf den Gegenstand der Einsprache beschränkt ist. Mithin bildet das gesamte in der Bau- bewilligung geregelte Rechtsverhältnis den beschwerdeweise weiter- ziehbaren Anfechtungsgegenstand. Mit diesem Ergebnis lässt sich im Übrigen auch der Wortlaut von § 4 Abs. 2 BauG vereinbaren. Er be- schränkt nämlich die Beschwerdebefugnis nicht auf den Gegenstand der Einsprache, sondern knüpft die Beschwerdebefugnis lediglich an die Voraussetzung, dass der Beschwerdeführer überhaupt Einsprache erhoben hat. Ist diese Voraussetzung erfüllt, steht es einem Be- schwerdeführer unter Vorbehalt des Rechtsmissbrauches offen, im Beschwerdeverfahren neue Begehren zu stellen und neue Argumente vorzutragen, die aus seiner Sicht der Baubewilligung entgegen ste- hen. An diesem Ergebnis ändert auch die Tatsache nichts, dass die Baueinsprache von Gesetzes wegen mit einem Antrag und einer Be- gründung zu versehen ist. Mit diesen formellen Anforderungen hat sich der Gesetzgeber zwar an das Beschwerdeverfahren angelehnt, aus den Materialien ergeben sich jedoch keine Hinweise darauf, dass er die Baueinsprache gleichzeitig mit den prozessualen Wirkungen 2008 Verwaltungsgericht 162 einer Beschwerde ausstatten wollte. Insbesondere sind in den Ma- terialien keine Anhaltspunkte für die Annahme vorhanden, der Ge- setzgeber habe an die Baueinsprache eine Präklusionswirkung an- knüpfen wollen mit der Folge, dass die Beschwerdebefugnis des Ein- sprechers auf den Gegenstand seiner Einsprache beschränkt wäre. Vielmehr entsprach es dem erkennbaren Wunsch des Gesetzgebers, die formellen Anforderungen an eine Einsprache eher tief zu halten, damit der Bürger nicht schon im Einspracheverfahren einen Anwalt beiziehen muss (Protokoll der Spezialkommission Baugesetzrevi- sion, 22. Sitzung vom 26. September 1991, S. 309 [Voten Magon und Kuhn]). Ausgangspunkt für die Forderung nach einem Antrag und ei- ner Begründung bildete offenbar der Umstand, dass Einsprachen zu- weilen missbräuchlich und vorsorglich erhoben werden. Dieses Risi- ko wollte der Gesetzgeber eindämmen, indem er den Einsprecher zu einem Antrag und einer Begründung seiner Einsprache verpflichtete (Protokoll der Spezialkommission Baugesetzrevision, 22. Sitzung vom 26. September 1991, S. 309 [Voten Magon, Kocher, Woodtli und Regierungsrat Pfisterer]). Gleichzeitig wurde jedoch in den Beratungen der Spezialkommission darauf hingewiesen, dass die aar- gauische Praxis und diejenige der Bundesbehörden hinsichtlich der formellen Anforderungen an Antrag und Begründung einer Be- schwerde «äussert grosszügig» seien (Protokoll der Spezialkommis- sion Baugesetzrevision, 22. Sitzung vom 26. September 1991, S. 309 [Votum Regierungsrat Pfisterer]). Die Materialen zeigen somit, dass der Gesetzgeber die formellen Anforderungen an Einsprachen nicht überspannen wollte, damit diese auch Laien offen stehen. Diesem Gedanken hätte es widersprochen, wenn der Gesetzgeber die Bauein- sprache mit der für (Rechtsmittel typischen) Präklusionswirkung aus- gestattet hätte. Eine solche prozessuale Wirkung würde den Einspre- cher, der sich für den weiteren Verlauf des Verfahrens nichts verge- ben will, in vielen Fällen dazu zwingen, bereits im Einspracheverfah- ren einen Anwalt beizuziehen. 2.4. Da es sich bei der Einsprache (wie gesagt) nicht um ein Rechts- mittel handelt, das den Streitgegenstand des nachfolgenden Beschwerdeverfahrens begrenzt, und sich die Baubewilligungsbe- 2008 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 163 hörde von Gesetzes wegen mit allen relevanten Aspekten eines Bau- vorhabens zu befassen hat, ist die Beschwerdebefugnis des vormali- gen Einsprechers bei näherer Betrachtung auch nicht vom Nachweis einer formellen Beschwer abhängig. Damit erweist sich der Einwand der Beschwerdegegner, wonach die Vorinstanz auf einzelne Be- schwerdebegehren mangels formeller Beschwer nicht hätte eintreten dürfen, als unbegründet. Der angefochtene Entscheid ist unter diesem Gesichtspunkt nicht zu beanstanden. 3. 3.1.-3.5. (...) 3.6. Der Kirchbezirk prägt nicht nur das Ortsbild, die Katholische Pfarrkirche, das Pfarrhaus und deren Umgebung stehen auch unter kantonalem Denkmalschutz. Nach § 11 Abs. 3 DSD können in der Umgebung von unter Schutz gestellten Denkmälern Bauten, techni- sche Anlagen und sonstige Vorkehren, die ein solches Objekt in sei- ner Wirkung beeinträchtigen, durch das Departement Bildung, Kultur und Sport untersagt werden. Im konkreten Fall erteilte dieses Departement seine Zustimmung zum Bauvorhaben am 13. Oktober 2004 unter Auflagen. Am 2. November 2004 stimmte auch die Ko- ordinationsstelle Baugesuche dem Bauvorhaben zu. 3.7. 3.7.1. Gemäss § 40 Abs. 1 BauG sind die Erhaltung, die Pflege und die Gestaltung von Landschaften, Gebieten und Objekten des Natur- und Heimatschutzes, von Ortsbildern, Aussichtspunkten sowie Kulturdenkmälern, Sache des Kantons und der Gemeinden. Sie tref- fen insbesondere Massnahmen, um Ortsbilder entsprechend ihrer Be- deutung zu bewahren und Siedlungen so zu gestalten, dass eine gute Gesamtwirkung entsteht. Das Denkmalschutzdekret teilt die Zustän- digkeiten in diesem Bereich zwischen Kanton und Gemeinde wie folgt auf: Der Ortsbildschutz ist Sache der Gemeinde (vgl. § 16 Abs. 1 DSD), was sich im Allgemeinen auch auf deren Entscheidungsfrei- heit auswirkt: Dem Gemeinderat steht bei der Anwendung des kom- munalen Rechts und von Ästhetikvorschriften ein erheblicher Ermes- 2008 Verwaltungsgericht 164 sensspielraum zu; die Gemeinde darf den verfassungsrechtlichen Schutz beanspruchen, der ihr gestützt auf die Gemeindeautonomie zusteht (§ 106 Abs. 1 KV). Es obliegt in erster Linie den örtlichen Behörden, über den architektonischen Aspekt zu wachen, weshalb sie diesbezüglich über einen breiten Ermessensspielraum verfügen. Die Rechtsmittelinstanzen haben sich deshalb bei der Überprüfung ein- schlägiger gemeinderätlicher Entscheide zurückzuhalten. Wo eine Regelung unbestimmt ist und verschiedene Auslegungsergebnisse rechtlich vertretbar erscheinen, sind die kantonalen Rechtsmittelin- stanzen gehalten, das Ergebnis der gemeinderätlichen Rechtsausle- gung zu respektieren und nicht ohne Not ihre eigene Rechtsauffas- sung an die Stelle der gemeinderätlichen zu setzen (siehe etwa BGE 115 Ia 118 f. = Pra 78/1989, S. 796 f.; AGVE 2006, S. 187 f.; 2003, S. 190). Die Grenze zwischen erlaubter Zweckmässigkeitsprü- fung und autonomieverletzendem eigenem Ermessensentscheid der Rechtsmittelinstanz ist nicht leicht zu ziehen (BGE vom 28. Oktober 2003 [1P.464/2003], Erw. 3.2). Die Praxis zieht die Grenze zunächst dort, wo sich eine Auslegung mit dem Wortlaut sowie mit Sinn und Zweck des Gesetzes nicht mehr vereinbaren lässt (AGVE 2006, S. 188; 2005, S. 152; 2003, S. 190; 2001, S. 299 f.). Nach der Praxis des Verwaltungsgerichts können auch überwiegende private Interes- sen eine Korrektur des gemeinderätlichen Entscheides rechtfertigen (vgl. AGVE 1995, S. 334; 1993, S. 382). Schliesslich erscheint ein Eingriff dann als zulässig, wenn sich die Beurteilung der Gemeinde- behörden auf Grund überkommunaler öffentlicher Interessen als un- zweckmässig erweist oder wenn sie den wegleitenden Grundsätzen und Zielen der Raumplanung nicht entspricht oder unzureichend Rechnung trägt (BGE 116 Ia 227; BGE vom 28. Oktober 2003 [1P.464/2003], Erw. 3.2). Je weiter die öffentlichen Interessen am Ortsbildschutz über den lokalen Bereich hinausgehen, desto kleiner wird die Entscheidungsfreiheit der Gemeinde. Verfügt die Gemeinde über ein Ortsbild von nationaler Bedeutung ist sie an den im ISOS definierten Schutzgrad gebunden, so dass sie sich insofern nicht auf die Gemeindeautonomie berufen kann. Für diese Auffassung spricht auch der kantonale Richtplantext, nach welchem die Ortsbilder von nationaler Bedeutung in ihrer Einstufung nach ISOS anerkannt und 2008 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 165 festgesetzt werden. Eine solche kantonalrechtliche Anerkennung fehlt zwar für Ortsbilder, denen das ISOS (wie im konkreten Fall) re- gionale Bedeutung attestiert. Die Einstufung gemäss ISOS stellt in solchen Fällen immerhin ein starkes Indiz dafür dar, dass die Interes- sen am Ortsbildschutz über den rein lokalen Bereich hinausgehen. Auch eine solche Einstufung kann daher zu einer teilweisen Ein- schränkung der Gemeindeautonomie führen. 3.7.2. Anders ist die rechtliche Ausgangslage beim Denkmalschutz. Der Schutz von Kulturdenkmälern, deren Bedeutung über die Gemeindegrenze hinaus ragt, ist Sache des Kantons. Der Denkmal- schutz beruht auf einer kantonalen Regelung und wird durch kanto- nale Behörden vollzogen (vgl. DSD). Die Gemeinden können den kantonalen Schutz von Baudenkmälern im kommunalen Recht aus- weiten, nicht aber schmälern. Insofern ist die Autonomie der Ge- meinden eingeschränkt. 3.7.3. Da zum Schutz eines Denkmales auch eine Rücksichtnahme auf dessen Umgebung gehört (vgl. § 1 Abs. 2 lit. a und § 12 Abs. 3 DSD), besteht zwischen den Fragen des Denkmal- und Orts- bildschutzes dann ein enger Zusammenhang, wenn die Umgebung des Denkmals zugleich ortsbildprägend ist. Das ist hier der Fall, kommt doch dem Kirchbezirk mit den denkmalgeschützten Bauten und ihrer denkmalgeschützten Umgebung auch in ortsbildlicher Hin- sicht hohe Bedeutung zu. Der Vertreter der kantonalen Ortsbildpflege brachte dies an der Verhandlung vom 6. November 2007 mit den Worten zum Ausdruck, der Kirchbezirk liege in der «Linse», die für das Ortsbild sehr prägend sei. Die Eidgenössischen Kommissionen [Eidgenössische Kommission für Denkmalpflege und Eidgenösische Kommission für Natur- und Heimatschutz] sprechen im Zusammen- hang mit dem Kirchbezirk vom «siedlungsbaulichen Nucleus des Dorfes». Angesichts des Sachzusammenhangs der verschiedenen mate- riellrechtlichen Vorschriften bedarf es in Fällen der vorliegenden Art einer Gesamtbetrachtung aus der Sicht des Denkmal- und Ortsbild- schutzes. Sofern und soweit in einer solchen Konstellation die kanto- 2008 Verwaltungsgericht 166 nalen Interessen am Denkmalschutz eine Überprüfung des Vorhabens verlangen, kann sich die Gemeinde nicht auf ihre Autonomie in Orts- bildfragen berufen. Da überkommunale Interessen am Denkmal- und Ortsbildschutz tangiert sind, rechtfertigt sich eine umfassende Prü- fung, die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren allerdings von Gesetzes wegen auf die Rechtskontrolle (unter Einschluss der un- richtigen oder unvollständigen Sachverhaltsfeststellung) beschränkt ist. Im Übrigen indiziert im konkreten Fall die Einstufung gemäss ISOS die regionale Bedeutung des Ortsbilds, was die Entscheidungs- freiheit der Gemeinde im Bereich des Ortsbildschutzes relativiert (siehe vorne Erw. 3.7.1).
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2005 Kantonale Steuern 121 [...] 29 Einkommenssteuer für selbstständige Anstalten des Kantons (§ 159 Abs. 1 StG). - Die Ablieferung der AGVA an den Staat (§ 34a GebVG) stellt keine Ausschüttung für betriebsfremde Zwecke dar und ist nicht steuer- pflichtig. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 16. November 2005 in Sachen Gemeinderat X. gegen Steuerrekursgericht und AGVA. Aus den Erwägungen 3.1. Objekt der Steuer nach § 159 Abs. 1 StG sind die für be- triebsfremde Zwecke vorgenommenen Ausschüttungen. Darunter fallen als klassischer Anwendungsfall Gewinnausschüttungen. Ste- hen den Geldzahlungen oder Naturalleistungen jedoch (gleichwer- tige) Gegenleistungen gegenüber, so handelt es sich um geschäftlich 2005 Verwaltungsgericht 122 begründete Aufwendungen; es fehlt bereits an der für die Besteue- rung vorausgesetzten Ausschüttung für betriebsfremde Zwecke (vgl. zum Ganzen auch Béatrice Blum, in: Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, Band 2, 2. Auflage, Muri/Bern 2004, § 159 N 8 ff.). Zu untersuchen ist damit, ob der von der AGVA gestützt auf § 34a GebVG an die Staatskasse abgelieferte Anteil des Jahresüber- schusses als (steuerbare) Gewinnausschüttung oder als Abgeltung einer Gegenleistung zu qualifizieren ist. 3.2. Dem Kanton kommt bei der Gebäudeversicherung im Be- reich der Feuer- und Elementarschadenversicherung - aus der die vorliegend streitige Ausschüttung unbestrittenermassen stammt - Monopolstellung zu. Er hat das Recht zur Ausübung dieser Tätigkeit der AGVA übertragen, welche im Kanton in diesem Bereich allein und zwingend zu berücksichtigende Anbieterin ist (siehe BGE 124 II 11 ff. zur Verfassungsmässigkeit dieses Monopols und der Ablieferungspflicht). Es liegt deshalb die Prüfung nahe, ob es sich bei der in § 34a GebVG vorgesehenen Zahlungsverpflichtung um eine Abgeltung für die Übertragung dieses Rechts, also um eine sog. Konzessionsgebühr handelt. 3.3. Die Konzessionsgebühr (bzw. Regal- oder Monopolgebühr) ist das Entgelt für die Verleihung des Rechtes zur Ausübung einer dem Gemeinwesen durch Regal oder Monopol vorbehaltenen Tätig- keit oder für ein Sondernutzungsrecht an einer öffentlichen Sache (Adrian Hungerbühler, in ZBl 104/2003, S. 509 mit Hinweis; Ulrich Häfelin/Georg Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2002, Rz. 2633). Der Beschwerdeführer bestrei- tet, dass es sich bei der Ablieferung nach § 34a GebVG um eine Konzessionsgebühr handle, da sie nicht mit der Einräumung des Versicherungsmonopols im Bereich Feuer- und Elementarschäden verknüpft sei und eine Konzessionsgebühr regelmässig unabhängig vom wirtschaftlichen Erfolg erhoben werde. 3.4. Bei der Aufnahme der Ablieferungspflicht ins Gesetz stand anlässlich der Teilrevision des GebVG vom 18. Juni 1996 die Ab- geltung der wirtschaftlichen Vorteile im Vordergrund, die der AGVA dank ihrer Monopolstellung zukommen. Sie sollte in dieser Hinsicht mit dem AEW und der Kantonalbank, die damals beide als Anstalten 2005 Kantonale Steuern 123 des Kantons der Ablieferungspflicht unterstanden, gleichgestellt werden (Botschaft des Regierungsrats vom 5. April 1995 [1. Le- sung], S. 10 ff.; Protokoll der Grossratskommission vom 8. Juni 1995, S. 5). Diese Zielsetzung wurde in der Beratung nie in Frage gestellt. Zu Diskussionen Anlass gab vielmehr, ob die Ablieferungs- pflicht - nachdem eine entsprechende Vorlage 1978 in einer Volksab- stimmung verworfen worden war - überhaupt Aufnahme ins Gesetz finden solle und falls ja, wie die Höhe des abzuliefernden Betrags zu bestimmen wäre (Protokoll des Grossen Rats vom 7. November 1995 [1. Lesung], Art. 1347, S. 2534; Botschaft des Regierungsrats vom 1. Mai 1996 [2. Lesung], S. 12 f.; Protokoll der Grossratskommission vom 20. Mai 1996 [2. Lesung], S. 22 ff.; Protokoll des Grossen Rats vom 18. Juni 1996 [2. Lesung], Art. 1727, S. 153 ff.). Es ist beab- sichtigt, diese Abgabe mit gleicher Zielsetzung auch im Rahmen der Revision des GebVG beizubehalten (Botschaft des Regierungsrats vom 26. Oktober 2005 zur Revision des Gebäudeversicherungsge- setzes [1. Lesung], S. 13 f.). 3.5. Dieser hinter der Ablieferungspflicht stehende gesetzgebe- rische Wille ist für die rechtliche Qualifikation der in § 34a GebVG vorgesehenen Abgabe nicht verbindlich, stellt jedoch ein gewichtiges Indiz für deren Einordnung dar. Der im Rahmen der Gesetzesbera- tung vorgegebene Zweck von § 34a GebVG deutet klar darauf hin, dass mit der Abgabe die Abgeltung der wirtschaftlichen Vorteile bezweckt wurde, die mit der (bei der Gesetzesrevision vom 18. Juni 1996) aufrecht erhaltenen Monopolstellung im Bereich der Feuer- und Elementarschäden verbunden sind. Damit ist der Behauptung des Beschwerdeführers, die Abgabe sei nicht mit dem Versiche- rungsmonopol verknüpft, der Boden entzogen. Die konkrete Ausge- staltung mag atypisch sein, da Konzessionsgebühren in der Regel unabhängig vom wirtschaftlichen Erfolg geschuldet sind. Doch zwingt dies nicht zu einer abweichenden rechtlichen Qualifikation. Ohnehin ist es nicht völlig unüblich, die Höhe der Konzessionsge- bühren von den jährlichen Geschäftsergebnissen anhängig zu ma- chen (vgl. AGVE 1978, S. 390 für das AEW). Im Ergebnis steht ausser Frage, dass es sich dabei um eine Abgeltung für das vom Kanton eingeräumte Exklusivrecht handelt. 2005 Verwaltungsgericht 124 3.6. Die limitierte Abgabe nach § 34a GebVG stellt nach den gemachten Erwägungen eine Gegenleistung für die Verleihung des dem Kanton durch Monopol vorbehaltenen Rechts dar, Gebäude gegen die Risiken von Feuer- und Elementarschäden zu versichern. Damit fehlt es an der für die Besteuerung im Sinne von § 159 Abs. 1 StG vorausgesetzten Ausschüttung für betriebsfremde Zwecke.
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2011 Verwaltungsgericht 262 62 Vollstreckung - Eine Entscheidung über baurechtliche Fragen nach § 159 Abs. 1 BauG ist im Vollstreckungsverfahren unzulässig. - Erfolgt die Zwangsandrohung in der zu vollstreckenden Beseiti- gungsanordnung selbst (§ 81 Abs. 2 VRPG), handelt es sich um Ne- benpunkte des (Haupt-) Entscheides über die Beseitigung. - Die Zuständigkeit der Rechtsmittelinstanzen ergibt sich aus dem Grundsatz, dass eine Zuständigkeit, die in der Hauptsache gegeben ist, sich auch auf Nebenpunkte erstreckt. Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 25. Oktober 2011 in Sa- chen A. gegen Gemeinderat B. (WBE.2011.262). Aus den Erwägungen 1. Im angefochtenen Entscheid hat der Gemeinderat B. vom Be- schwerdeführer alternativ die Einreichung eines Baugesuches oder die Beseitigung der umstrittenen Baute innert 30 Tagen verlangt. Das Vorliegen einer andern Sachverfügung, welche vollstreckt werden könnte, wird vom Gemeinderat nicht geltend gemacht und ergibt sich auch nicht aus den Akten. Die Beschwerde gegen den angefochtenen Entscheid hat grund- sätzlich aufschiebende Wirkung (§ 46 Abs. 1 VRPG). Während der Dauer des Beschwerdeverfahrens ist die Beseitigungsanordnung daher nicht vollstreckbar. Eine Vollstreckungsmassnahme kann bis zum rechtskräftigen Entscheid über die Bewilligungsfähigkeit und die Beseitigung des umstrittenen Autounterstandes nicht angeordnet werden. Die Vollstreckungsanordnungen in der Verfügung vom 11. Juli 2011 sind mit andern Worten davon abhängig, dass die Be- seitigungsverfügung zuerst in formelle Rechtskraft erwächst bzw. der Beschwerdeführer innert Frist kein Baugesuch einreicht. Dem Wort- laut nach erfasst der Entscheid auch die Ersatzvornahme für die Einreichung eines Baugesuchs, was wohl kaum beabsichtigt ist. 2011 Verwaltungsrechtspflege 263 Kann eine Sachverfügung mangels formeller Rechtskraft oder Rechtsbeständigkeit nicht vollstreckt werden, fehlen die Vorausset- zungen für eine Vollstreckung. Zwangsmassnahmen gegen den Be- schwerdeführer können zurzeit und solange keine rechtskräftige An- ordnung über die Beseitigungspflicht hinsichtlich des Autounter- standes besteht, weder angedroht noch angeordnet werden. Die Beschwerde ist daher begründet und gutzuheissen. 2. 2.1. Der Gemeinderat hat in Anwendung von § 159 Abs. 1 BauG den Beschwerdeführer aufgefordert, entweder ein Baugesuch einzu- reichen oder den Autounterstand zu entfernen. Die Zwangsmassnah- men im angefochtenen Entscheid beziehen sich auf die Beseiti- gungsalternative. Der Gemeinderat geht im angefochtenen Entscheid implizit davon aus, dass der bestehende Unterstand nicht bewilli- gungsfähig ist. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts darf eine Beseitigung gestützt auf § 159 BauG erst angeordnet werden, wenn feststeht, dass eine eigenmächtig ausgeführte Baute dem objektiven Baurecht widerspricht (vgl. AGVE 2004, S. 157, mit Hinweisen). Voraussetzung einer Beseitigung ist also die materielle Rechtswid- rigkeit, die einer nachträglichen Bewilligung entgegensteht, sowie der Entscheid, dass der rechtsmässige Zustand wiederherzustellen ist. Eine Beseitigungsanordnung geht über die technische Umset- zung einer Verpflichtung hinaus und hat den Charakter eines neuen Sachentscheids, da sie neue Pflichten (Beseitigung und Herstellung) anordnet, über die noch nicht materiell-rechtlich entschieden worden ist. Die Entscheidung über diese Rechtsfragen ist vorliegend offen. Über die materielle Rechtswidrigkeit als Grundvoraussetzung einer in Anwendung von § 159 Abs. 1 BauG auf Herstellung des rechts- mässigen Zustandes abzielenden Anordnung ist im ordentlichen Verwaltungsverfahren zu entscheiden. Eine Entscheidung über die baurechtlichen Fragen ist im Voll- streckungsverfahren unzulässig. Die Vollstreckung und das Be- schwerdeverfahren gemäss § 83 Abs. 1 VRPG sind besondere Ver- fahren (VGE IV/64 vom 23. September 2011 [WBE. 2011.204], S. 2011 Verwaltungsgericht 264 10 f.). Bei der Prüfung der Baubewilligungspflicht und im nachträg- lichen Bewilligungsverfahren sind - anders als in der Zwangsvoll- streckung - auch die Interessen und Verfahrensrechte von Nachbarn zu wahren. Im Regelfall werden daher die Pflicht zur Beseitigung gemäss § 159 Abs. 1 BauG und die Zwangsvollstreckung einer rechtskräftigen Beseitigungsanordnung in zwei verschiedenen Ver- fahren angeordnet. Von der Zweiteilung des Entscheidverfahrens, das zur Beseitungspflicht einerseits und zur Zwangsvollstreckung ander- seits führt, geht grundsätzlich auch das Baugesetz aus (§ 159 Abs. 1 und 2 BauG). Entsprechend ist eine Gabelung des Rechtsmittelweges ausgeschlossen, da der Beseitungsentscheid mit Beschwerde beim Departement Bau, Verkehr und Umwelt (BVU), allenfalls beim Re- gierungsrat (§ 61 Abs. 1 und 2 der Bauverordnung vom 25. Mai 2011 [BauV; SAR 713.121]) anfechtbar ist. 2.2. Das Verwaltungsrechtspflegegesetz sieht die Möglichkeit vor, dass die Zwangsandrohung in der Sachentscheidung (Voll- streckungs-) Entscheid ergehen kann (§ 81 Abs. 2 VRPG). Werden die Zwangsmassnahmen in der Sachverfügung angedroht, handelt es sich um Nebenpunkte des (Haupt-) Entscheides über die Beseitigung. Die Androhung ist von der Rechtsbeständigkeit und Vollstreckbarkeit der Beseitigungsanordnung abhängig. Die Zuständigkeit der Rechts- mittelinstanzen ergibt sich aus dem Grundsatz, dass eine Zuständig- keit, die in der Hauptsache gegeben ist, sich auch auf Nebenpunkte erstreckt (AGVE 1973, S. 267; 1991, S. 195; 2000, S. 352; Michael Merker, Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, Kommentar zu den §§ 38-72 VRPG, Zürich 1998, § 44 N 11). Eine Gabelung des Rechtsweges findet dementsprechend auch in diesen Fällen nicht statt.
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2001 Verwaltungsgericht 230 56 Anstaltseinweisung; Beschwerdelegitimation. - Der Ehemann ist als nahestehende Person gemäss Art. 397d ZGB zur Beschwerde legitimiert (Erw. 2/a). - Fehlendes Rechtsschutzinteresse nach Übertritt in eine andere Klinik (Erw. 2/b). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 12. Juni 2001 in Sachen H.U. gegen Verfügung des Bezirksarzts Z. Aus den Erwägungen 2. Verfügungen und Entscheide kann jedermann durch Be- schwerde anfechten, der ein schutzwürdiges eigenes Interesse gel- tend macht (§ 38 Abs. 1 VRPG). a) Zunächst muss der Beschwerdeführer in seinem eigenen In- teresse "berührt", d.h. durch die falsche Rechtsanwendung irgendwie in seiner Interessensphäre in höherem Masse als jedermann bzw. die Allgemeinheit beeinträchtigt sein, weil er eine besondere, beach- tenswerte, nahe Beziehung zur Streitsache aufweist. Dies ist vorlie- gend zweifellos der Fall: Der Beschwerdeführer als Ehemann gilt als nahestehende Person im Sinne von Art. 397d ZGB und ist deshalb zur Beschwerdeführung berechtigt (Thomas Geiser, in: Basler Kom- mentar zum Schweizerischen Privatrecht, Basel/Genf/München 1999, Art. 397d ZGB N 13). b) aa) Zweite Voraussetzung der Legitimation ist die Schutz- würdigkeit des Interesses. "Schutzwürdig" ist das Interesse, wenn der Ausgang des Rechtsmittelverfahrens dem Beschwerdeführer einen naheliegenden, praktischen Nutzen bringt; dazu gehört im Allgemei- nen, dass das Rechtsschutzinteresse aktuell oder in einem qualifi- zierten Sinne künftig ist. Der Beschwerdeführer muss nicht bloss beim Einreichen der Beschwerde, sondern auch noch im Zeitpunkt der Urteilsfällung ein aktuelles, praktisches Interesse an der Aufhe- bung oder Änderung des angefochtenen Entscheids haben. Damit soll sichergestellt werden, dass die rechtsanwendende Behörde kon- krete und nicht bloss theoretische Fragen entscheidet. Fehlt es am 2001 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 231 aktuellen Interesse im Zeitpunkt der Beschwerdeeinreichung, ist auf das Rechtsmittel nicht einzutreten. Fällt das aktuelle Interesse nach Beschwerdeeinreichung aber vor der Urteilsfällung weg, ist die Be- schwerde als gegenstandslos von der Kontrolle abzuschreiben AGVE 1996, S. 329; Michael Merker, Rechtsmittel, Klage und Normen- kontrollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwal- tungsrechtspflege vom 9. Juli 1968, Diss. Zürich 1998, § 38 N 139 ff. mit Hinweisen). bb) Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts fällt das Rechtsschutzinteresse an der Beurteilung einer Verfügung betreffend fürsorgerische Freiheitsentziehung bei Entlassung oder Entweichung aus der Klinik dahin. Dafür sind folgende Erwägungen massgebend (AGVE 1997, S. 247 f.; AGVE 1987, S. 217 f., mit Verweisungen; AGVE 1983, S. 124 f.): aaa) Das Verwaltungsgericht ist bei der fürsorgerischen Frei- heitsentziehung eingesetzt, um im Rechtmittelverfahren darüber zu befinden, dass niemand ohne ausreichenden Grund in einer Anstalt bleiben muss. Dagegen ist es nicht Sinn des Beschwerdeverfahrens gegen eine Einweisung, die Voraussetzungen für eine allfällige Schadenersatzklage nach Art. 429a ZGB zu prüfen. Für die Beurtei- lung entsprechender Ansprüche ist der Zivilrichter zuständig (§ 67s EG ZGB). Allenfalls ist die Rechtmässigkeit der fürsorgerischen Freiheitsentziehung in einem späteren Haftungsprozess vorfrage- weise zu überprüfen. Nach Aufhebung der fürsorgerischen Freiheits- entziehung bzw. nach Entlassung oder Entweichung aus der Klinik besteht deshalb kein rechtliches Interesse des Betroffenen mehr, die Nichtigkeit oder die Unrichtigkeit des Einweisungsentscheids fest- stellen zu lassen. bbb) Ohne materielle Prüfung der Beschwerde erwächst dem Beschwerdeführer kein erheblicher und deshalb unzumutbarer Nachteil. Wenn die entlassene oder entwichene Person in die Anstalt zurückgebracht wird, kann eine allfällige neue Einweisungsverfü- gung oder die Abweisung eines jederzeit möglichen Entlassungsge- suchs erneut mit Beschwerde angefochten werden; in diesem Fall wird ohnehin aufgrund des dannzumaligen Sachverhalts zu entschei- den sein. 2001 Verwaltungsgericht 232 ccc) Im Falle einer Entweichung wäre die gemäss Art. 397f Abs. 3 ZGB erforderliche mündliche Einvernahme der von der für- sorgerischen Freiheitsentziehung betroffenen Person in der Regel gar nicht durchführbar. cc) Im vorliegenden Fall war die Ehefrau des Beschwerdefüh- rers bereits im Zeitpunkt der Beschwerdeeinreichung aus der PKK entlassen und in die Klinik Littenheid verlegt worden. Eine zwangs- weise Rückversetzung in die Klinik Königsfelden ist gestützt auf die angefochtene bezirksärztliche Verfügung vom 26. Mai 2001 nicht möglich. Deshalb besteht kein aktuelles Rechtsschutzinteresse an der materiellen Prüfung der fürsorgerischen Freiheitsentziehung (Erw. 2/b/bb vorstehend). Auf die Beschwerde kann deshalb nicht einge- treten werden.
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2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 112 15 § 96 und 102 StG Berücksichtigung eines Wohnrechts, welches beim Kauf eines Grund- stücks durch den Verkäufer vorbehalten wurde und in der Folge erlosch (infolge Todes des Berechtigten), bei der Gewinnermittlung im Falle des späteren Verkaufs des Grundstücks (Wert des Wohnrechts Teil der Anla- gekosten?). Urteil des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 31. März 2015, i.S. KStA gegen X. (WBE.2014.381). Aus den Erwägungen 1. 1.1. Behält sich der Veräusserer eines Grundstücks die Nutzniessung oder ein Wohnrecht am veräusserten Grundstück vor, fragt sich zu- nächst: Stellt dieser Vorgang einen Verkauf mit anschliessender ent- geltlicher Einräumung der Personaldienstbarkeit durch den Käufer oder den Verkauf eines mit einer Personaldienstbarkeit (sog. Vorbe- haltsnutzniessung bzw. -wohnrecht) belasteten Grundstücks dar? Dem Gesetz ist keine direkte Antwort auf diese Frage zu entnehmen. Die ältere aargauische Praxis zu § 102 StG betreffend den Erlös bei der Grundstückgewinnsteuer behandelte den Barwert der entsprechenden Nutzniessung bzw. des Wohnrechts als Bestand- teil des Erlöses, d.h. rechnete den Barwert zu diesem hinzu (vgl. dazu M ARIANNE K LÖTI -W EBER , in: M ARIANNE K LÖTI -W EBER / D AVE S IEGRIST /D IETER W EBER [Hrsg.], Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, 4. Aufl., Muri 2015, § 102 N 9). Im Ergebnis ging die ältere Praxis somit davon aus, dass der Verkäufer zunächst das un- belastete Grundstück veräussere und sich unmittelbar anschliessend daran ein Wohnrecht an diesem einräumen lasse. Eine solche Praxis, welche das Bundesgericht in einem Entscheid vom 23. Januar 2002 2015 Kantonale Steuern Migrationsrecht 113 (2P.253/2001) mit Bezug auf den Kanton Uri für haltbar befunden hat, befolgen auch heute noch verschiedene Kantone (so ins- besondere der Kanton Zürich; vgl. dazu ausführlich F ELIX R ICHNER /W ALTER F REI /S TEFAN K AUFMANN /H ANS U LRICH M EUTER , Kommentar zum Zürcher Steuergesetz, 3. Aufl., Zürich 2013, § 220 N 40 ff.). In einem Urteil vom 9. Februar 2000 (StE 2000 B 26.26 Nr. 3) stellte das Bundesgericht hingegen für den Bereich der direkten Bun- dessteuer fest, bei der Vorbehaltsnutzniessung werde nicht etwa ein Grundstück veräussert und hernach an diesem durch den Erwerber ein Nutzniessungsrecht zugunsten des Veräusserers bestellt. Vielmehr werde ein bereits - durch den Veräusserer - mit einem Nutznies- sungsrecht belastetes Grundstück verkauft. Im Anschluss an dieses in der Folge bestätigte (vgl. Urteil vom 31. Januar 2002 [= StE 2002 B 25.3 Nr. 28 = StR 2002, 322]; seitherige konstante bundesgerichtli- che Praxis; vgl. zuletzt Urteil vom 6. September 2010 [2C_256/2010 = StE 2011 B 25.3 Nr. 37] Erw. 2.2.2 mit Nachweisen) und von der Lehre begrüsste Urteil (vgl. dazu T HOMAS S TADELMANN , Grund- stückveräusserung mit gleichzeitiger Begründung eines Nutzungs- rechts, Jusletter vom 25. November 2002, sowie M ADELEINE S IMONEK , Die steuerrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 2002, Direkte Bundessteuer, ASA 73, S. 11 mit Hinweis; vgl. dagegen zum Festhalten an der bisherigen Praxis im Kanton Zürich R ICHNER /F REI /K AUFMANN /M EUTER , a.a.O., § 220 N 41) wurde die Praxis im Kanton Aargau geändert und wird seither nur der Wert des übertragenen (nackten) Eigentums, nicht jedoch der Wert eines anlässlich eines Verkaufs vom Veräusserer begründeten Wohnrechts als Erlös gemäss § 102 Abs. 1 StG berücksichtigt (so auch K LÖTI -W EBER , a.a.O., § 102 N 9). 1.2. An dieser Praxis zum Erlösbegriff gemäss § 102 Abs. 1 StG bzw. der ihr zugrunde liegenden Antwort auf die Frage nach der Be- handlung der Vorbehaltsnutzniessung ist festzuhalten, da allein sie der wirtschaftlichen Realität entspricht. Zwar verändert sich der objektive Wert der Liegenschaft durch die Begründung der Vorbe- haltsnutzniessung nicht. Hingegen kommt dem Grundstück aus der 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 114 Perspektive des Erwerbers als Folge der Vorbehaltsnutzniessung ein geringerer Wert zu, als wenn er die Liegenschaft unbelastet erworben hätte. Der Wert erholt sich aus seiner Sicht vollständig erst wieder mit dem Erlöschen von Nutzniessung bzw. Wohnrecht (vgl. dazu auch P ETER L OCHER , Besteuerung von Renten und rentenähnlichen Rechtsverhältnissen in der Schweiz, SJZ 1991, S. 187 [zit. Renten]). Der Käufer - im zu beurteilenden Fall die Beschwerdegegnerin - er- wirbt ein mit einer Personaldienstbarkeit belastetes Grundstück und zahlt dementsprechend weniger dafür als für ein unbelastetes Grund- stück. Dass in Kaufverträgen häufig (und auch hier) der Wert der Personaldienstbarkeit beziffert wird, ändert nichts. Darin liegt entge- gen der Auffassung der Beschwerdegegnerin - und auch entgegen dem Merkblatt des KStA zur Grundstückgewinnsteuer vom 9. Dezember 2002 (vgl. Merkblatt, S. 19 Ziff. 8.1.) - keine weitere Leistung gemäss § 102 Abs. 1 StG. 2. 2.1. Gemäss § 96 Abs. 2 lit. c StG ist der Veräusserung gleichge- stellt "die Belastung eines Grundstückes mit privatrechtlichen Dienstbarkeiten oder öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkun- gen, wenn diese die unbeschränkte Bewirtschaftung oder den Ver- äusserungswert des Grundstückes dauernd und wesentlich beein- trächtigen und dafür ein Entgelt entrichtet wird". Die Personalser- vituten (Nutzniessung und Wohnrecht) erfüllen, weil sie naturgemäss von beschränkter Dauer sind, das Erfordernis der dauernden Belas- tung nicht (K LÖTI -W EBER , a.a.O., § 96 N 45 mit Hinweisen). Die entgeltliche Einräumung einer Nutzniessung oder eines Wohnrechts berührt somit nach aargauischer Praxis die Substanz des betroffenen Grundstücks nicht (bzw. nicht in einem ausreichend erheblichen Umfang). Daher ist darin keine die Grundstückgewinnsteuer aus- lösende (Teil-)Veräusserung zu erblicken. Es ist nicht auszuschliessen, dass diese Praxis nicht in allen Fäl- len die wirtschaftliche Realität exakt widerspiegelt. Zwar liegt näm- lich auf der Hand, dass z.B. eine bloss für eine relativ kurze Zeit- spanne (sei es nun durch fixe Bestimmung des Zeitraums oder weil die Lebenserwartung des Berechtigten nicht hoch ist) eingeräumte 2015 Kantonale Steuern Migrationsrecht 115 Personaldienstbarkeit keine erhebliche Werteinbusse für das be- troffene Grundstück bedeutet. Umgekehrt ist ebenso klar, dass bei Einräumung einer Personaldienstbarkeit für einen langen Zeitraum zwar nicht der objektive, aber doch der subjektive Wert der belaste- ten Liegenschaft für deren Eigentümer eine erhebliche Einbusse er- fährt. Dementsprechend rechtfertigt sich die bisherige Praxis jeden- falls für voraussichtlich zeitlich absehbare Personaldienstbarkeiten. Der Anwendungsbereich der Grundstückgewinnsteuer würde über- dehnt, würde die entgeltliche Begründung einer zeitlich relativ be- schränkten Personaldienstbarkeit als Veräusserungsvorgang behan- delt. Nicht zu beantworten ist hier im Übrigen die Frage, ob bei der Einräumung zeitlich langwährender Personaldienstbarkeiten eine Unterstellung unter die Grundstückgewinnsteuer zutreffend wäre. 2.2. Die dargelegte Praxis zu § 96 Abs. 1 lit. c StG - keine Grund- stückgewinnsteuerfolgen bei entgeltlicher Begründung einer Per- sonaldienstbarkeit, weil kein oder nur unwesentlicher Substanzein- griff - hat auch Bedeutung für die unentgeltliche Begründung von Dienstbarkeiten; eine solche erfolgte hier im Zusammenhang mit dem Erwerb der Liegenschaft durch die Beschwerdegegnerin im Jahr 2008 (vgl. zur Unentgeltlichkeit der Vorbehaltsnutzniessung bzw. des -wohnrechts P ETER L OCHER , a.a.O., S. 187 Ziff. 3.3.3.). Wirtschaftlich betrachtet unterscheiden sich nämlich entgeltli- che Einräumung einer Personaldienstbarkeit und unentgeltliche Be- gründung einer solchen mit Bezug auf die Werteinbusse des betroffe- nen Grundstücks nicht. Auch bei der Errichtung eines Vorbehalts- wohnrechts (der Eigentümer behält wirtschaftlich gesehen den Nut- zungswert seiner Liegenschaft) und der unentgeltlichen Einräumung eines Wohnrechts durch den Eigentümer an einen Dritten ist nach Begründung der Personaldienstbarkeit im Ergebnis wirtschaftlich ge- sehen der Wert des Grundstücks für den Eigentümer in gleicher Weise wie bei entgeltlicher Begründung des gleichen Rechts belastet: beim Vorbehaltswohnrecht für den Erwerber, bei der unentgeltlichen Einräumung einer Personaldienstbarkeit für den Eigentümer. Auch wenn sich in diesen Fällen die Frage nach einer Anwendung der Grundstückgewinnsteuer naturgemäss nicht stellt - es fehlt nicht nur 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 116 an einer Veräusserung, sondern an deren Entgeltlichkeit -, so liegt doch auf der Hand, dass auch in diesen Fällen zumindest bei zeitlich absehbarer Länge der eingeräumten bzw. vorbehaltenen Personal- dienstbarkeit kein wesentlicher Substanzeingriff in das betroffene Grundstück (bzw. in dessen Wert) resultiert. Führt aber die Errichtung einer Personaldienstbarkeit zu keiner Substanzminderung beim betroffenen Grundstück, so kann konse- quenterweise auch bei Erlöschen oder Ablösung einer solchen keine Substanzzunahme angenommen werden. Dieser Überlegung folgt denn auch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern (Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 3. Mai 1993 [NStP 1993, 96 ff.]; vgl. zur Kritik an diesem Entscheid P ETER L OCHER , Nutzniessungsbelastungen, Bemerkungen zum VGE vom 3. Mai 1993, [Bemerkungen] BN 1994, S. 214 ff.; vgl. auch M ARKUS L ANGENEGGER , in: C HRISTOPH L EUCH /P ETER K ÄSTLI / M ARKUS L ANGENEGGER [Hrsg.], Praxiskommentar zum Berner Steuergesetz, Muri 2011, Art. 137 N 47). 3. Diese Überlegung hat zur Folge, dass entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin der Wert des beim Erwerb der Liegenschaft im Jahr 2008 vorbehaltenen Wohnrechts bei der Berechnung des aus der Weiterveräusserung des Grundstücks im Jahre 2013 resultieren- den Grundstückgewinns ausser Betracht fällt bzw. nicht als Anlage- kosten angerechnet werden kann. Es fehlt eben wie dargelegt, jeden- falls nach aargauischer Auffassung, an einer Substanzzunahme, wel- che im Rahmen des Grundsatzes der vergleichbaren Verhältnisse (vgl. dazu ausführlich P ETER L OCHER , Das Objekt der bernischen Grundstückgewinnsteuer, Bern 1976, S. 66 ff; L OCHER vertritt frei- lich hinsichtlich des Erlöschens von Personaldienstbarkeiten die Auf- fassung, dabei handle es sich um eine zu berücksichtigende Substanzzunahme; diese Auffassung ist für das aargauische Grund- stückgewinnsteuerrecht wie erwähnt abzulehnen) zu berücksichtigen wäre. Das führt zur Gutheissung der Beschwerde des KStA und zur Aufhebung des Urteils des Spezialverwaltungsgerichts vom 18. September 2014. Damit wird ohne weitere Anordnung der Ein- 2015 Kantonale Steuern Migrationsrecht 117 spracheentscheid der Steuerkommission Y. vom 30. April 2014 wie- derhergestellt.
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AG_VG_001_AGVE-2015-15_2015-03-02
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2001 Submissionen 311 XII. Submissionen 69 Rechtsmissbräuchliche Beschwerdeführung; Wahl der Verfahrensart; Konsequenzen eines verfrühten Vertragsabschlusses. - Bei der Wahl einer nicht den Vorschriften entsprechenden Verfah- rensart handelt es sich um einen schwerwiegenden Rechtsmangel, der auch zu berücksichtigen ist, wenn er nicht gerügt wird; der Vorwurf der rechtsmissbräuchlichen Beschwerdeführung ist nicht beachtlich (Erw. I/4). - Ausnahmecharakter einer freihändigen Vergabe gestützt auf § 8 Abs. 3 lit. b-h SubmD; für die freihändige Vergabe und den damit verbundenen Ausschluss des freien Wettbewerbs müssen stets sach- liche Gründe vorliegen (Erw. II/1). - Ein unter Verletzung von § 21 Abs. 1 SubmD verfrüht abgeschlosse- ner Vertrag befindet sich bis zur Rechtskraft des Zuschlags bzw. bis zum Entzug der aufschiebenden Wirkung einer Submissionsbe- schwerde durch die Rechtsmittelinstanz in einem Schwebezustand und entfaltet keine Rechtswirkungen (Erw. II/2). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 8. März 2001 in Sachen G. AG gegen den Beschluss des Gemeinderats B. Aus den Erwägungen I. 4. a) Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, der Auftrag für die Modernisierung des Gemeinschaftsantennenanlage- netzes hätte nicht freihändig vergeben werden dürfen, sondern hätte öffentlich ausgeschrieben werden müssen. Die Vergabestelle be- zeichnet die Rüge als rechtsmissbräuchlich, da die Beschwerdeführe- rin von Anfang an darüber im Bild gewesen sei, dass der Auftrag freihändig vergeben werde; zudem habe sie eine Offerte einreichen können, für die sie mit Fr. 5'000.-- entschädigt worden sei. Auf die 2001 Verwaltungsgericht 312 Beschwerde sei daher gar nicht einzutreten. Die Darstellung der Ver- gabestelle wird von der Beschwerdeführerin ausdrücklich bestritten. Sie sei von der Vergabestelle stets im Glauben gelassen worden, dass nach Einreichung der ,,Projektstudie" und der ,,Richtofferte" eine dekretsgemässe Submission stattfinden werde. b) Den Akten lässt sich Folgendes entnehmen: Die Beschwer- degegnerin reichte im Mai 1999 zunächst ein ,,detailliertes Richt- projekt mit Kostenberechnung für den Umbau des Gemeinschafts- netzes auf die Bandbreite von 606 MHz" ein; die dadurch entstehen- den Kosten wurden mit Fr. 410'276.40 veranschlagt. Im Oktober 1999 offerierte die Beschwerdegegnerin den Umbau der ,,Gross-Ge- meinschafts-Anlage auf 860 MHz inkl. Einbau Retourweg" zum Preis von Fr. 600'584.--. Ein weiteres Angebot der Beschwerdegeg- nerin, diesmal über Fr. 558'254.70, datiert vom 21. März 2000. Der Gemeinderat B. beschloss am 13. September 1999, die Beschwerde- führerin gegen eine Entschädigung von Fr. 5'000.-- mit der Erstel- lung ,,eines Projekts für den Umbau der GA B. ab Hub Schulanlage bis zu den einzelnen optischen/elektrischen Wandlern mit einer Bandbreite von 5 - 606 MHz" zu beauftragen. Als Option war der Ausbau auf eine erweiterte Bandbreite von 862 MHz zu berechnen. Die Beschwerdeführerin reichte daraufhin am 20. Januar 2000 eine ,,Projektstudie über Zweiweg-Kommunikation mit LWL-Übertra- gung" und eine ,,Richtofferte GGA B." zum Preis von Fr. 569'988.-- ein; am 16. März 2000 folgte ein redimensioniertes Projekt, wie- derum verbunden mit einer Richtofferte mit Gesamtkosten von Fr. 394'965.--. Am 7. Juni 2000 genehmigte die Einwohnergemein- deversammlung das Kreditbegehren über Fr. 550'000.--. Das dargestellte Vorgehen der Vergabestelle kann objektiv be- trachtet auch dahingehend verstanden werden, dass es zunächst nur um das Erstellen von Projekten und Richtofferten für die Moderni- sierung der Anlage (namentlich für den Kreditantrag zuhanden der Einwohnergemeindeversammlung), nicht aber um die Vergabe der Ausführung ging. Namentlich die Tatsache, dass in den Akten mehr- fach von ,,Richtprojekt", ,,Richtofferte" oder auch ,,Mitarbeit wäh- rend der Projektphase" die Rede ist, aber auch der Umstand, dass die Beschwerdeführerin für die Ausarbeitung ihrer Unterlagen - abwei- 2001 Submissionen 313 chend vom Grundsatz, dass die Ausarbeitung der Angebote ohne Vergütung erfolgt (§ 14 Abs. 2 SubmD) - mit Fr. 5'000.-- entschädigt wurde, lassen ihre Darstellung, sie sei von der nachfolgenden Durch- führung einer dekretskonformen Submission ausgegangen, zumin- dest nicht als unglaubhaft erscheinen, auch wenn die Vergabestelle eine öffentliche Ausschreibung des Auftrags offensichtlich nie beab- sichtigte (vgl. auch Erw. II/2/b hienach). Wie es sich damit verhält, kann für die Eintretensfrage aber offen bleiben. Nach der Rechtspre- chung des Verwaltungsgerichts handelt es sich bei der Wahl einer nicht den Vorschriften entsprechenden Verfahrensart um einen derart schwerwiegenden Rechtsmangel, dass er auch dann zu berücksichti- gen ist, wenn er nicht gerügt wird, gegebenenfalls sogar gegen den Willen des Beschwerdeführers (AGVE 1997, S. 343 f.; VGE III/113 vom 28. November 1997 [BE.97.00249] in Sachen D. C., S. 6 ff.; vgl. auch Entscheid der Eidgenössischen Rekurskommission für das öffentliche Beschaffungsrecht [ERKB] vom 19. Juli 1999, in: VPB 64/2000 Nr. 8, S. 81 f.). Nur so kann eine Umgehung des Gebots der öffentlichen Ausschreibung für grössere Beschaffungen (vgl. Art. 5 BGBM; Erw. II/1/a hienach) wirksam verhindert und der freie Wett- bewerb sichergestellt werden. Der Vorwurf der rechtsmissbräuchli- chen Prozessführung (§ 3 Abs. 2 VRPG) erweist sich vor diesem Hintergrund als nicht beachtlich, und auf die Beschwerde ist einzu- treten. Die Verfahrenswahl ist demzufolge zu überprüfen. II. 1. a) Nach Art. 5 Abs. 2 BGBM sorgen die Kantone und Gemeinden sowie andere Träger kantonaler und kommunaler Aufga- ben dafür, dass die Vorhaben für umfangreiche öffentliche Einkäufe, Dienstleistungen und Bauten sowie die Kriterien für Teilnahme und Zuschlag amtlich publiziert werden. Diesem Auftrag ist der Kanton Aargau nachgekommen, indem in § 7 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SubmD vorgesehen ist, dass im offenen oder selektiven Verfahren zu vergebende Aufträge öffentlich auszuschreiben sind (vgl. §§ 12 Abs. 1 und 34 Abs. 1 SubmD; vgl. auch Botschaft des Regierungsrats vom 13. Oktober 1999 zur Teilrevision des SubmD, S. 1 f.). Gemäss § 8 Abs. 1 SubmD sind Aufträge dann im offenen oder selektiven Verfahren zu vergeben, wenn der geschätzte Wert des Einzelauftrags bei Aufträgen des Bauhauptgewerbes Fr. 500'000.-- (lit. a) bzw. bei 2001 Verwaltungsgericht 314 Lieferungen, Dienstleistungen und Aufträgen des Baunebengewerbes Fr. 250'000.-- (lit. b) erreicht. § 8 Abs. 3 SubmD regelt die Fälle, in denen ein Auftrag freihändig vergeben werden darf. b) Gegenstand der vorliegenden Submission bildet die Moder- nisierung des örtlichen CATV-Verteilnetzes auf 860 MHz. Der Auf- trag umfasst im Wesentlichen die folgenden Leistungen: ,,Netzmo- dernisierung auf 860 MHz, inkl. Tiefbauarbeiten, schlüsselfertig projektiert und installiert. HF-Material, HF-Installations- und Tief- bauarbeiten, Einbau Retourweg. Inbetriebnahme und Einpegelungs- arbeiten." Es handelt sich somit um einen kombinierten bzw. ,,ge- mischten" Bau-, Liefer- und Dienstleistungsauftrag. Es ist seitens der Verfahrensbeteiligten zu Recht unbestritten, dass die Vergabe dieses Auftrags durch die Gemeinde als Eigentümerin der Antennenanlage und des CATV-Netzes dem Submissionsdekret untersteht. Die Ein- wohnergemeindeversammlung hat am 7. Juni 2000 einem Kreditbe- gehren über Fr. 550'000.-- für die Modernisierung der Gemein- schaftsantennenanlage zugestimmt. Gemäss Beschluss des Gemein- derats ist der Auftrag zum Preis von Fr. 505'000.-- an die Beschwer- degegnerin erteilt worden. Die vom Submissionsdekret für die Ver- gabe im offenen oder selektiven Verfahren in § 8 Abs. 1 vorgesehe- nen Schwellenwerte von Fr. 500'000.-- bzw. Fr. 250'000.-- sind somit in jedem Fall überschritten, zumal der Anteil an den dem Bauhaupt- gewerbe zuzurechnenden Tiefbauarbeiten verhältnismässig klein und somit der tiefere Schwellenwert von § 8 Abs. 1 lit. b SubmD im Vor- dergrund steht. Offen bleiben kann, ob der Auftrag auch in den Anwendungsbe- reich der Interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaf- fungswesen (IVöB) vom 25. November 1994, welcher der Kanton Aargau mit Beschluss des Grossen Rates vom 26. November 1996 beigetreten ist, und unter das GATT/WTO-Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen vom 15. April 1994 (GPA [= Go- vernment Procurement Agreement]), in Kraft getreten für die Schweiz am 1. Januar 1996, fällt. Die interkantonalen und internatio- nalen Bestimmungen sind, unabhängig von ihrer Geltung für die vorliegende Vergabe, jedenfalls für die Auslegung des Submissions- dekrets beizuziehen (vgl. AGVE 1998, S. 406 f.). 2001 Submissionen 315 c) Auch ein die Schwellenwerte des Submissionsdekrets für das offene oder selektive Verfahren überschreitender Auftrag kann frei- händig vergeben werden, wenn ein Grund im Sinne von § 8 Abs. 3 lit. b - h SubmD gegeben ist. Auch Art. 5 Abs. 2 BGBM steht dem grundsätzlich nicht entgegen (Verwaltungsgericht Zürich, in: Bau- rechtsentscheide [BEZ] 20/2000 Nr. 26, S. 52). aa) Die Vergabestelle beruft sich auf § 8 Abs. 3 lit. e und lit. g SubmD. Gemäss § 8 Abs. 3 lit. e SubmD ist die freihändige Vergabe zulässig, wenn auf Grund der technischen oder künstlerischen Be- sonderheiten oder wegen Schutzrechten des geistigen Eigentums nur eine Person als Anbietende in Frage kommt. § 8 Abs. 3 lit. g SubmD gestattet die freihändige Vergabe, wenn im Zusammenhang mit einem vergebenen Auftrag Ergänzungsarbeiten, -lieferungen oder - dienstleistungen notwendig werden. bb) aaa) Die Vergabestelle macht im Wesentlichen geltend, das Kabelnetz der Gemeinde B. werde seit Jahren durch die Beschwer- degegnerin betreut und ausgebaut. Im heiklen Bereich der elektroni- schen Signalübertragung wolle der Gemeinderat bei der Modernisie- rung die gleichen technischen Komponenten verwenden, wie sie im bestehenden Netz schon vorhanden seien. Dabei handle es sich um spezifische Produkte der Beschwerdegegnerin. Hinzu komme, dass quer durch die Gemeinde B. das Hauptkabel der Beschwerdegegne- rin verlaufe; die Beschwerdegegnerin könne daher ihre bestehenden Verbindungen benutzen. Einer Konkurrenzfirma stünden diese Ka- belleitungen nicht oder nur gegen entsprechende Bedingungen zur Verfügung. bbb) Auch die Beschwerdegegnerin beruft sich auf technische Besonderheiten des Auftrags, die eine freihändige Vergabe rechtfer- tigten. Netzeigentümerin sei zwar die Einwohnergemeinde B.; die Programmzulieferung erfolge jedoch durch die Beschwerdegegnerin von einer von dieser betriebenen Kopfstation aus. Die Beschwerde- gegnerin besorge auch den technischen Unterhalt der Anlage. Ferner habe die Beschwerdegegnerin im Schulhaus K. einen Hub (Über- gangsstation) installiert. Von dort führe die neue Glasfaser-Versor- gungsleitung Richtung D. und L. Neben der digitalen Versorgung solle der Ausbau des Netzes im weiteren zu einer Zweiwegtauglich- 2001 Verwaltungsgericht 316 keit führen, welche die von der Beschwerdegegnerin angebotenen Einführung des Highspeed-Internets ermögliche. Wenn bei der vor- handenen Konstellation - Anlageeigentum der Gemeinde, Pro- grammzulieferung und Wartung der Anlage durch die Beschwerde- gegnerin - für die bauliche Erweiterung eine andere Firma zum Zuge käme, entstünden massive technische Probleme. Eine derartige Dreiteilung liege auch nicht im Interesse der angeschlossenen Teil- nehmer. Angesichts der verschiedenen Verantwortlichkeiten würde unklar, an wen Störungsmeldungen zu richten seien und wer für die Behebung zuständig sein würde. Diese Situation würde zu Differen- zen führen, die sich zu Lasten der Abonnenten auswirken würden. Bei der Fehlereingrenzung entstünden wohl auch Geheimhaltungs- probleme. Schliesslich befänden sich im Rohrblock der Gemeinde Kabel der Beschwerdegegnerin, die von der Gemeinde wieder mit- benützt würden. cc) aaa) Abgesehen von den öffentlichen Beschaffungen von geringem Wert gemäss § 8 Abs. 3 lit. a SubmD sind Aufträge grund- sätzlich zwingend im offenen, selektiven oder Einladungsverfahren zu vergeben. Bei den in § 8 Abs. 3 lit. b - h SubmD aufgeführten Fällen handelt es sich um Ausnahmen, in denen der freie Wettbewerb eingeschränkt und der Auftrag freihändig vergeben werden kann. Bei der Anwendung der Ausnahmebestimmungen ist daher eine gewisse Zurückhaltung geboten. Die einzelnen Ausnahmefälle sind allerdings zum Teil so umschrieben, dass der Vergabebehörde ein erheblicher Ermessensspielraum bleibt. Dieser darf jedoch nicht dazu miss- braucht werden, den Auftrag direkt an einen bevorzugten Anbieter zu vergeben (vgl. Peter Gauch/Hubert Stöckli, Vergabethesen 1999, Thesen zum neuen Vergaberecht des Bundes, Freiburg 1999, S. 38, Ziff. 15.4). Für die freihändige Vergabe und den damit verbundenen Ausschluss des freien Wettbewerbs müssen stets sachliche Gründe bestehen (AGVE 1998, S. 407). Das GATT-Übereinkommen (Art. XV GPA), die Verordnung des Bundesrats über das öffentliche Beschaffungswesen vom 11. Dezember 1995 (Art. 13 VoeB) sowie die Vergaberichtlinien aufgrund der IVöB vom 1. Dezember 1995 (§ 8 VRöB) enthalten mit § 8 Abs. 3 lit. b - h SubmD vergleichbare Regelungen. Auch bei diesen Bestimmungen wird der Ausnahme- 2001 Submissionen 317 charakter betont (vgl. z.B. Musterbotschaft zur Interkantonalen Ver- einbarung über das öffentliche Beschaffungswesen, in: Schweizeri- sche Rechtserlasse, Öffentliches Beschaffungsrecht, Submissions- recht, hrsg. von Christian Bock, Basel/Frankfurt a. M.1996, S. 238; Peter Galli/Daniel Lehmann/Peter Rechsteiner, Das öffentliche Be- schaffungswesen in der Schweiz, Zürich 1996, Rz. 181, 188 ff.; Ver- waltungsgericht Zürich, in: BEZ 20/2000 Nr. 26, S. 26). bbb) Nach der von der Vergabestelle angerufenen Bestimmung von § 8 Abs. 3 lit. e SubmD kann ein Auftrag ohne öffentliche Aus- schreibung vergeben werden, wenn aufgrund der technischen oder künstlerischen Besonderheiten oder wegen Schutzrechten des geisti- gen Eigentums nur eine Person als Anbietende in Frage kommt (vgl. auch die vergleichbaren Formulierungen in § 8 Abs. 1 lit. c VRöB; Art. XV lit. b GPA; Art. 13 Abs. 1 lit. c VoeB). Dieser Ausnahmetat- bestand ist erst dann erfüllt, wenn der Auftrag aufgrund der genann- ten Besonderheiten nur an einen bestimmten Auftraggeber erteilt werden kann, d.h. wenn dieser als einziger in der Lage ist, ein ent- sprechendes Produkt zu liefern bzw. eine entsprechende Bau- oder Dienstleistung zu erbringen (vgl. Verwaltungsgericht Zürich, in: BEZ 20/2000, Nr. 26, S. 53). Diese Voraussetzung ist vorliegend zweifel- los nicht erfüllt. Weder die Vergabestelle noch die Beschwerdegegne- rin selbst behaupten, die Beschwerdegegnerin sei als einzige Anbie- terin in der Lage, die fraglichen Leistungen zur Modernisierung des CATV-Netzes zu erbringen, und eine öffentliche Ausschreibung des Auftrags habe sich mangels weiterer Anbieter erübrigt. Die Vergabestelle und die Beschwerdegegnerin machen aber geltend, der Verzicht auf eine öffentliche Ausschreibung rechtfertige sich vor allem durch die Tatsache, dass die Beschwerdegegnerin Signallieferantin sei und bislang auch für den Ausbau und den tech- nischen Unterhalt der Antennenanlage verantwortlich gewesen sei. Durch die Vergabe des Erweiterungs- bzw. Modernisierungsauftrags an eine Drittfirma würden in erheblichem Mass technische Probleme und Koordinationsschwierigkeiten entstehen. Sie bringen somit vor, die konkrete Situation in Bezug auf die Anlage in B. lasse vernünfti- gerweise nur eine Arbeitsvergabe an die Beschwerdegegnerin in Be- tracht kommen. 2001 Verwaltungsgericht 318 ccc) Fest steht, dass die Einwohnergemeinde B. Eigentümerin der 1981 erstellten Gemeinschaftsantennenanlage ist. Die Gemeinde verfügt heute über ein 450-MHz-Netz (teilweise 606 MHz) für die Radio-TV-Übertragung. An das Kabelnetz angeschlossen sind rund 1'550 Abonnenten. Signallieferantin ist gestützt auf einen Signallie- fervertrag vom 5./18. Mai 1993 zwischen der Gemeinde B. und der H. AG (einer Rechtsvorgängerin der Beschwerdegegnerin) die Be- schwerdegegnerin. Die Anlieferung der CATV-Programme erfolgt derzeit - sie soll voraussichtlich im Jahr 2001 ausser Betrieb genom- men werden - noch ab der Kopfstation R., die der Beschwerdegegne- rin gehört. Die Instandhaltung der Gemeinschaftsantennenanlage (Sekundärnetz und Verteilnetz bis zu den Hausübergabestellen) wird ebenfalls durch die Beschwerdegegnerin wahrgenommen. Umfasst werden namentlich Reparaturarbeiten und der Betrieb eines Stö- rungsdienstes. Weiter besteht zwischen der Einwohnergemeinde B. und der Beschwerdegegnerin eine Vereinbarung vom 31. Mai / 15. Juni 1999 bezüglich gemeinsamer Grabarbeiten und Benützung von Rohranlagen sowie der zugehörigen Verteilanlagen auf dem Ge- meindegebiet. Daraus ergibt sich vorab die Berechtigung der Be- schwerdegegnerin, für die Verlegung von Kabeln teilweise Rohran- lagen der Gemeinde B. mitzubenützen. Die Beschwerdegegnerin hat schliesslich im Schulhaus K. einen Raum gemietet, der als techni- scher Raum bzw. als Knotenpunkt im Kommunikationsnetz (Hub) der Beschwerdegegnerin benützt wird. Von dieser Übergangsstation führt eine neue Glasfaser-Versorgungsleitung, die von der Kopfsta- tion R. gespiesen wird, Richtung D. und L. Es ist offensichtlich, dass die Beschwerdegegnerin derzeit für den Betrieb und den Unterhalt der Gemeinschaftsantennenanlage eine gewichtige Rolle übernom- men hat. Diese Sachlage verlangt nun aber nicht, auch den Auftrag für die Modernisierung der Anlage zwingend der Beschwerdegegnerin zu vergeben. Art. 3.1 des Signallieferungsvertrags ist beispielsweise zu entnehmen, dass sich die Signalbezügerin, d.h. die Gemeinde B. verpflichtet, ,,beim Bau bzw. Ausbau ihrer örtlichen Verteilanlagen Material zu verwenden, welches den jeweils gültigen Vorschriften der PTT für Gemeinschaftsantennenanlagen entspricht". Diese Ver- 2001 Submissionen 319 pflichtung spricht klarerweise gegen die Annahme, nur die Be- schwerdegegnerin als Signallieferantin sei technisch zum Ausbau des Netzes in der Lage und die Gemeinde dürfe nicht ein Drittunterneh- men damit beauftragen. Dadurch wird überdies auch die Feststellung der Vergabestelle relativiert, man wolle im heiklen Bereich der elekt- ronischen Signalübertragung die gleichen technischen Komponenten, d.h. spezifische Produkte der Beschwerdegegnerin verwenden, wie sie im bestehenden Netz schon vorhanden seien. Die Verwendung dieser Produkte ist technisch offensichtlich nicht zwingend. Weder der Signallieferungsvertrag noch der Instandhaltungsvertrag enthalten irgendwelche sonstigen Anhaltspunkte, die aus technischer Sicht den Ausbau der Anlage nur durch die Beschwerdegegnerin in Betracht kommen lassen. Die von der Vergabestelle und der Be- schwerdegegnerin angeführten Gründe zeigen zwar, dass eine Ver- gabe der Modernisierung an die Beschwerdegegnerin die notwendige Koordination erleichtern würde. Diese kann indessen - wie die Be- schwerdeführerin zu Recht vorbringt - durchaus auch anderweitig sichergestellt werden. Koordinationsfragen von mehr oder weniger grosser Tragweite stellen sich letztlich bei jeder Sanierung, Erweite- rung oder Modernisierung einer bestehenden Baute oder technischen Anlage. Weder der ursprüngliche Ersteller noch der mit dem Betrieb oder der Instandhaltung beauftragte Unternehmer können deswegen solche Aufträge für sich beanspruchen, obschon mit einer direkten Vergabe zweifellos gewisse Vorteile verbunden sind. Solche Aufträge sind, soweit sie die massgeblichen Schwellenwerte erreichen, im Normalfall öffentlich auszuschreiben. Die von der Vergabestelle und von der Beschwerdegegnerin vorgebrachten Argumente zeigen zwar auf, dass eine Auftragserteilung an die Beschwerdegegnerin mit gewissen Vorteilen verbunden und aus ihrer Sicht wünschbar ist. Indessen handelt es sich hierbei nicht um ,,technische Besonderhei- ten" im Sinne von § 8 Abs. 3 lit. e SubmD, welche die Auftragser- teilung an die Beschwerdegegnerin unabdingbar machen und eine Vergabe an einen Dritten vernünftigerweise nicht in Betracht kom- men lassen. ddd) Ebenfalls nicht anwendbar ist im vorliegenden Fall § 8 Abs. 3 lit. g SubmD, der es im Zusammenhang mit einem bereits 2001 Verwaltungsgericht 320 vergebenen Auftrag gestattet, notwendige Ergänzungsarbeiten, -lieferungen oder -dienstleistungen freihändig (an den Zuschlags- empfänger des Hauptauftrags) zu vergeben, und auf den sich die Vergabestelle ebenfalls beruft. Der Bau der Gemeinschaftsantennen- anlage ist im Jahr 1981 erfolgt. Wer die Anlage seinerzeit gebaut hat, ist nicht bekannt, spielt für das vorliegende Verfahren aber auch keine Rolle. Die rund 19 Jahre später erfolgende Modernisierung und Erweiterung der Anlage lassen sich zweifellos nicht als ,,notwendige Ergänzungsarbeiten" im Zusammenhang mit einem vergebenen Auf- trag im Sinne von § 8 Abs. 3 lit. g SubmD qualifizieren. Gemeint sein können damit (auch wieder im Sinne des Ausnahmecharakters dieser Art von freihändiger Vergabe [Erw. c/cc/aaa hievor]) nur Leis- tungen, die einen unmittelbaren sachlichen und zeitlichen Zusam- menhang zum Hauptauftrag aufweisen. Gegen die Annahme von blossen Ergänzungsarbeiten, -lieferungen oder -dienstleistungen spricht schliesslich auch der mehr als 0,5 Mio. betragende Wert des zu vergebenden Auftrags. dd) Die Voraussetzungen für eine freihändige Vergabe gestützt auf § 8 Abs. 3 lit. e und g SubmD sind somit nach dem Gesagten nicht erfüllt. Andere Ausnahmegründe gemäss § 8 Abs. 3 SubmD fallen hier nicht in Betracht. Der Verzicht auf die öffentliche Aus- schreibung des Auftrags und die Vornahme einer freihändigen Ver- gabe mit lediglich zwei Anbietern waren damit nicht gerechtfertigt. Der der Beschwerdegegnerin erteilte Zuschlag erweist sich infolge- dessen nicht nur als dekretswidrig, sondern verstösst auch gegen Art. 5 Abs. 2 BGBM. 2. a) aa) Gemäss § 27 Abs. 1 SubmD kann das Verwaltungsge- richt die Aufhebung der Verfügung beschliessen und sie an die Ver- gabestelle mit oder ohne verbindliche Anordnungen zurückweisen (vgl. auch § 37 Abs. 4 SubmD). Dies gilt jedenfalls dann uneinge- schränkt, wenn zwischen der Vergabestelle und dem Zuschlagsemp- fänger noch kein (privatrechtlicher) Vertrag abgeschlossen worden ist. Ist der Vertrag jedoch bereits (rechtsgültig) abgeschlossen, bleibt der Beschwerdeinstanz bei Gutheissung der Beschwerde gemäss Art. 9 Abs. 3 BGBM und Art. 18 Abs. 1 und 2 IVöB nur die Mög- lichkeit, die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verfügung festzu- 2001 Submissionen 321 stellen (vgl. auch Art. 32 Abs. 2 des Bundesgesetzes über das öffent- liche Beschaffungswesen [BoeB] vom 16. Dezember 1994). Das Submissionsdekret selbst enthält für diesen Fall keine ausdrückliche Regelung, und es kennt überdies im Unterschied zur IVöB oder zum BoeB den automatischen Suspensiveffekt der Beschwerde (vgl. Art. 17 IVöB; Art. 28 BoeB; § 26 SubmD). Es will also einen er- höhten und möglichst wirksamen Rechtsschutz gewähren. Aus diesen Umständen kann nun allerdings nicht gefolgert werden, für das Verwaltungsgericht sei die Tatsache eines bereits geschlossenen pri- vatrechtlichen Vertrags schlechterdings bedeutungslos, und es sei dessen ungeachtet in jedem Fall befugt, einen sich als rechtsfehler- haft erweisenden Zuschlag aufzuheben. Vielmehr hat auch das Ver- waltungsgericht das Faktum des zivilrechtlichen Vertragsschlusses im Rahmen des Beschwerdeverfahrens zu würdigen (siehe VGE III/110 vom 20. August 1999 [BE.1999.00114] in Sachen H., S. 8 f.; statt vieler: Verfügung vom 9. Januar 2001 im Verfahren S. AG ge- gen Gemeinderat F. [BE.2000.00405]). bb) Beim Beschaffungsvertrag eines Gemeinwesens, das in die- ser Phase nicht mehr hoheitlich handelt, unterstehen Vertragsab- schluss und Vertrag in der Regel dem privaten Vertragsrecht und nicht dem öffentlichen Recht (vgl. Gauch/Stöckli, a.a.O., S. 70). Nach den anwendbaren Regeln des privaten Vertragsrechts, d.h. ins- besondere den Vorschriften des Obligationenrechts (OR) vom 30. März 1911, bestimmen sich namentlich Zustandekommen und Gültigkeit des Vertrags. Der Abschluss des Vertrags geschieht ge- mäss Art. 1 Abs. 1 OR durch Austausch übereinstimmender Willens- erklärungen. Damit ist der Vertrag zustande gekommen, und es tritt grundsätzlich die Vertragswirkung ein. Der abgeschlossene Vertrag kann aber auch an einem Mangel leiden, der ihn ungültig macht (vgl. dazu Peter Gauch/Walter Schluep/Jörg Schmid/Heinz Rey, Schwei- zerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Band I, 7. Auflage, Zürich 1998, Rz. 286 ff.). Es kann nun nicht Sache des Verwaltungs- gerichts sein, sich im Rahmen eines Submissionsbeschwerdeverfah- rens in umfassender Weise mit der Gültigkeit des zivilrechtlichen Vertrags auseinanderzusetzen. Dies ist gegebenenfalls Aufgabe des Zivilrichters. Das Verwaltungsgericht hat sich daher nur, aber im- 2001 Verwaltungsgericht 322 merhin, vorfrageweise von der Tatsache des Vertragsschlusses und davon zu überzeugen, dass keine Anhaltspunkte für die Unwirksam- keit oder Nichtigkeit des Vertrags (vgl. Art. 20 OR), die von Amtes wegen und auch gegen den Willen der Vertragsparteien zu berück- sichtigen wären, gegeben sind (erwähnter VGE vom 20. August 1999 in Sachen H., S. 9; vgl. auch ERKB, in: VPB 62/1998 Nr. 79, S. 796; Peter Galli, Rechtsprechung der Eidgenössischen Rekurskommission über das öffentliche Beschaffungsrecht [BRK], Die ersten Entscheide und ihre Tragweite, in: Nicolas Michel/Roger Zäch, Submissionswesen im Binnenmarkt Schweiz, Zürich 1998, S. 112; Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 3. Februar 1999, in: Freiburgische Zeitschrift für Rechtsprechung 1999, S. 117). cc) Gelangt das Verwaltungsgericht aufgrund seiner vorfrage- weisen Prüfung zum Schluss, der privatrechtliche Vertrag leide nicht an derart erheblichen Rechtsmängeln, dass sie ihn unwirksam ma- chen, kann es somit gestützt auf Art. 9 Abs. 3 BGBM den Zuschlag nicht mehr aufheben, sondern lediglich dessen Rechtswidrigkeit feststellen (vgl. Erw. a/aa hievor). Im Anschluss an eine festgestellte Rechtswidrigkeit kann dann bei der Beschwerdeinstanz ein Schaden- ersatzbegehren gestellt werden, wobei der Schadenersatz allerdings auf die Aufwendungen, die den Anbietenden im Zusammenhang mit dem Vergabe- und Rechtsmittelverfahren erwachsen sind, beschränkt ist (§ 38 SubmD; Art. 34 VRöB). Eine weitergehende Ersatzpflicht der Vergabebehörde könnte sich allenfalls aus der zivilrechtlichen Haftung bei culpa in contrahendo ergeben (Gauch/Schluep/Schmid, a.a.O., Rz. 1062). Ergibt demgegenüber die Prüfung, dass der bereits geschlossene Vertrag an einem erheblichen Rechtsmangel leidet, der ihn unwirk- sam macht, kann das Verwaltungsgericht folgerichtig den Zuschlag trotz des Vertragsschlusses aufheben, falls sich die erfolgte Vergabe - wie in diesem Fall - als rechtwidrig erweist. Im Anschluss daran hätte die Vergabestelle über das weitere Vorgehen zu befinden (vgl. dazu AGVE 1997, S. 360). b) Im vorliegenden Fall haben der Gemeinderat B. und die Be- schwerdegegnerin am 4. bzw. 11. September 2000 einen Werkvertrag über die Modernisierung des örtlichen CATV-Verteilnetzes auf 860 2001 Submissionen 323 MHz inkl. Retourweg zum Pauschalpreis von Fr. 505'000.-- unter- zeichnet. Aufgrund der Akten muss daher von einem bereits in der ersten Septemberhälfte 2000 abgeschlossenen Werkvertrag zwischen dem Einwohnergemeinde B. als Bauherrin und der Beschwerdegeg- nerin als (General)unternehmerin ausgegangen werden. Der Be- schwerdeführerin wurde mit Schreiben vom 7. September 2000 mit- geteilt, dass der Gemeinderat den Auftrag für die Modernisierung des Netzes an die Beschwerdegegnerin erteilt hat. Erst am 2. Oktober 2000 (auf ausdrückliches Verlangen der Beschwerdeführerin) erliess der Gemeinderat einen Vergabebeschluss, mit dem der Beschwerde- führerin die anderweitige Auftragsvergabe förmlich eröffnet wurde. Die unzutreffende Rechtsauffassung des Gemeinderats B. (Erw. II/1/c hievor) führte dazu, dass er sich als Vergabestelle durch den Abschluss des Werkvertrags bereits am 4./11. September 2000, d.h. noch vor der formlosen Mitteilung an die Beschwerdeführerin, über § 21 Abs. 1 SubmD hinweggesetzt hat, wonach der Vertrag mit den Anbietenden erst abgeschlossen werden darf, wenn die Be- schwerdefrist unbenutzt abgelaufen ist (lit. a) oder wenn die Be- schwerdeinstanz einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung ent- zogen hat (lit. b). § 21 Abs. 1 SubmD verbietet es der Vergabestelle, unmittelbar nach dem Zuschlag den Vertrag abzuschliessen, um auf diese Weise eine spätere Aufhebung des Zuschlags durch die Rechtsmittelinstanz unmöglich zu machen (vgl. auch Art. 14 Abs. 1 IVöB). Auch im freihändigen Verfahren ist der sofortige Vertrags- schluss nur dann zulässig, wenn lediglich ein Angebot vorhanden ist. Liegen hingegen zwei oder mehrere gültige Offerten vor, weil die Vergabestelle im Sinne von § 8 Abs. 4 SubmD eine Wettbewerbssi- tuation geschaffen hat, muss sie den Zuschlag den Beteiligten zu- nächst korrekt eröffnen (vgl. § 20 SubmD) und beim Vertragsab- schluss § 21 Abs. 1 SubmD beachten. Diese Vorschriften hat der Gemeinderat B. nicht eingehalten. c) aa) Das Submissionsdekret äussert sich nicht ausdrücklich zu den Konsequenzen der Verletzung von § 21 SubmD durch die Verga- bestelle. Es werden - mit Ausnahme von § 28 Abs. 2 SubmD, wo- nach Widerhandlungen gegen Vergabebestimmungen durch eine subventionierte Vergabestelle durch den ganzen oder teilweisen Ent- 2001 Verwaltungsgericht 324 zug der Subventionen geahndet werden können - keine weiteren Sanktionsmöglichkeiten genannt. Zusätzlich muss die Vergabestelle aber gegebenenfalls mit Schadenersatzforderungen rechnen, und wenn sie sich bewusst über § 21 SubmD hinwegsetzt, kommt jeden- falls eine Anzeige bei der zuständigen Aufsichtsbehörde wegen rechtswidrigen Verhaltens in Betracht (vgl. Urteil des Verwaltungs- gerichts Freiburg vom 16. November 1999, 2A 99 38, in Sachen Fir- ma F, S. 8). Insbesondere aber stellt sich die Frage, welche Folgen die Verletzung von § 21 Abs. 1 SubmD für den verfrüht geschlosse- nen Werkvertrag hat. Es ist zu prüfen, ob damit ein Mangel vorliegt, der den Vertrag - ungeachtet des Parteiwillens - unwirksam und da- mit für das Verwaltungsgericht unbeachtlich macht (vgl. Erw. a/bb und cc hievor). bb) aaa) Gemäss Art. 20 Abs. 1 OR ist ein Vertrag nichtig, wenn er einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst. Der Verstoss gegen eine objektive Norm des öffentlichen Rechts führt nur dann zur Vertragsnichtigkeit nach Art. 20 OR, wenn diese Nichtigkeitsfolge vom Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist oder sich aus dem Sinn und Zweck der verletzten Norm ergibt (BGE 119 II 224). bbb) Die Frage, ob die Verletzung öffentlichrechtlicher Verga- beregeln einen Nichtigkeitsgrund im Sinne von Art. 20 OR darstellen kann, ist in Rechtsprechung und Lehre umstritten. Die Eidgenössi- sche Rekurskommission für das öffentliche Beschaffungsrecht geht davon aus, dass der verfrühte Abschluss des Vertrags unter Umstän- den ein Mangel ist, der die Annahme der Nichtigkeit des abgeschlos- senen Vertrags rechtfertigen kann (Entscheid der ERKB vom 7. No- vember 1997, publiziert in: VPB 62/1998 Nr. 32.II). Gegen diese Rechtsprechung äussert namentlich Peter Gauch schwerwiegende Bedenken, die insgesamt zu überzeugen vermögen (Peter Gauch, Zur Nichtigkeit eines verfrüht abgeschlossenen Beschaffungsvertrages [im Folgenden: Nichtigkeit], in: Baurecht 1998, S. 119 ff.). Ein Ver- trag ist gemäss Art. 20 Abs. 2 OR nur dann widerrechtlich, wenn sein Gegenstand, der Abschluss mit dem vereinbarten Inhalt oder sein mittelbarer Zweck gegen objektives Recht verstösst. Dabei kann es sich sowohl um Bundesrecht als auch um kantonales Recht handeln. 2001 Submissionen 325 Die Rechtsfolge der Nichtigkeit muss jedoch in der betreffenden Norm ausdrücklich vorgesehen sein oder sich aus Sinn und Zweck der verletzten Norm ergeben (BGE 119 II 224 mit Hinweisen; Gauch in: Baurecht 1998, S. 119 ff.; Gauch/Schluep/Schmid, a.a.O., Rz. 640 ff.). Peter Gauch weist darauf hin, dass die Auftraggeberin, die den Vertrag abschliesse, bevor sie ihn nach dem anwendbaren Vergaberecht abschliessen dürfe, zwar gegen eine objektive Norm des öffentlichen Rechts verstosse, die indessen den Abschluss des Vertrags nicht wegen seines Inhalts untersage. Der vorzeitige Ver- tragsschluss bewirke daher keine Nichtigkeit im Sinne von Art. 20 OR (Gauch, Nichtigkeit, S. 121 mit Hinweisen). Auch § 21 Abs. 1 SubmD regelt einzig die Frage, ab welchem Zeitpunkt (nach dem Zuschlag) und dannzumal unter welchen Voraussetzungen (entweder unbenutzter Ablauf der Beschwerdefrist oder Entzug der aufschie- benden Wirkung) der Vertragsschluss zulässig ist; er bezieht sich einzig auf die äusseren, zeitlichen Umstände, aber in keiner Art und Weise auf den Inhalt des vereinbarten Vertrags. Sanktionen gegen einen verfrühten Vertragsschluss werden wie erwähnt in § 21 SubmD jedoch nicht normiert, und auch Sinn oder Zweck der Bestimmung rechtfertigen die Rechtsfolge der Nichtigkeit nicht (vgl. Ernst A. Kramer, Berner Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Band VI [Art. 19-22 OR. Allgemeine Bestimmungen], Art. 19-20, N 141 und 148 f.). cc) aaa) Peter Gauch vertritt die Auffassung, die Vollmacht der staatlichen Funktionäre zum Vertragsabschluss könne allenfalls (auch) durch das anwendbare Vergaberecht beschränkt werden. Er knüpft dabei an Art. 33 Abs. 1 OR an, wonach die Ermächtigung, im Namen eines andern Rechtshandlungen vorzunehmen, soweit sie aus Verhältnissen des öffentlichen Rechts hervorgeht, sich nach den Vor- schriften des öffentlichen Rechts des Bundes und der Kantone beur- teilt. Nach dieser Betrachtungsweise wirkt z.B. die Regelung von Art. 22 Abs. 1 BoeB, wonach der Vertrag mit dem Anbieter (noch) nicht abgeschlossen werden darf, wenn einer Beschwerde die auf- schiebende Wirkung erteilt wurde, auch als Vollmachtbeschränkung. Der Vertreter des öffentlichen Auftraggebers ist nicht ermächtigt, den Vertrag abzuschliessen, bevor Art. 22 Abs. 1 BoeB den Vertragsab- 2001 Verwaltungsgericht 326 schluss erlaubt. Das in Art. 22 Abs. 1 BoeB statuierte ,,Abschluss- verbot" wirkt somit zugleich als Vollmachtbeschränkung. Schliesst der Vertreter den Vertrag trotzdem ab, handelt er ohne Vertretungs- macht (Gauch, Nichtigkeit, S. 123; Peter Gauch, Das öffentliche Beschaffungsrecht der Schweiz, recht 1997, S. 173 f.; ferner Ver- waltungsgericht Zürich, in: ZBl 100/1999, S. 381). bbb) Im vorliegenden Fall hat der Gemeinderat den Werkver- trag als Vertreter der Einwohnergemeinde B. abgeschlossen. Gemäss § 36 Abs. 2 GG vertritt der Gemeinderat die Gemeinde nach aussen und wird seinerseits durch den Gemeindeammann und den Gemein- deschreiber vertreten. Dazu gehört u. a. auch die rechtsgeschäftliche Vertretung der Gemeinde, d.h. die Befugnis, sowohl auf dem Gebiet des privaten wie auch des öffentlichen Rechts für die Gemeinde zu handeln. Es handelt sich bei diesem Vertretungsrecht nach § 36 Abs. 2 GG um eine organschaftliche Vertretung nach öffentlichem Recht (vgl. Andreas Baumann, Die Kompetenzordnung im aargau- ischen Gemeinderecht, Diss. Aarau 1986, S. 219 f.). Die Befugnis des Gemeinderats zum Abschluss der privatrechtlichen Verträge im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens (als Vollzug des er- teilten Zuschlags) ergibt sich somit gestützt auf § 36 Abs. 2 in Ver- bindung mit § 37 Abs. 2 lit. l GG (wonach dem Gemeinderat die Vergebung öffentlicher Arbeiten und Lieferungen obliegt). Wie bereits festgestellt, ist der Vertragsschluss durch den Ge- meinderat B. nun allerdings in Verletzung von § 21 Abs. 1 SubmD erfolgt (Erw. b hievor). Vor dem Hintergrund der von Peter Gauch hauptsächlich im Hinblick auf das Bundesvergaberecht (Art. 22 Abs. 1 BoeB) vertretenen Lehrmeinung stellt sich die Frage, ob nicht auch § 21 SubmD als gesetzliche Vollmachtsbeschränkung aufzufas- sen ist, welche die Vertretungsmacht der Gemeindeorgane zum Ab- schluss von Werkverträgen im Verkehr mit Dritten rechtswirksam zu beschränken vermag. Die Annahme einer solchen Vollmachtsbe- schränkung hätte zur Folge, dass der vorzeitig abgeschlossene privat- rechtliche Vertrag - zumindest vorübergehend - an einem schwerwie- genden Rechtsmangel leiden und keine Wirksamkeit entfalten würde. Dagegen lässt sich allerdings mit guten Gründen einwenden, dass § 21 SubmD nach seinem Wortlaut der Vergabestelle (also z.B. Kan- 2001 Submissionen 327 ton, Gemeinde [vgl. dazu § 5 SubmD]) den vorzeitigen Vertragsab- schluss an sich untersagt und damit nicht das Verhältnis zwischen der Vergabestelle und dem jeweils für sie handelnden Organ (z.B. Ge- meinderat) betrifft; insofern erscheint der Rückgriff auf die durch das Vergaberecht beschränkte Vertretungsmacht konstruiert. Es kann letztlich aber offen bleiben, ob § 21 Abs. 1 SubmD als gesetzliche Vollmachtbeschränkung im Sinne der von Peter Gauch vertretenen Betrachtungsweise verstanden werden könnte. Aufgrund der kon- kreten Formulierung vom § 21 Abs. 1 SubmD, wonach der Vertrag mit dem Anbietenden erst nach dem Zuschlag geschlossen werden darf, wenn entweder die Beschwerdefrist unbenutzt abgelaufen ist (lit. a) oder die Beschwerdeinstanz einer Beschwerde die aufschie- bende Wirkung entzogen hat (lit. b), stellt sich nämlich die Frage, ob § 21 Abs. 1 SubmD im Hinblick auf den Vertragsschluss nicht viel eher die Bedeutung einer sogenannten Rechtsbedingung (condicio iuris) zukommt. dd) aaa) Im Privatrecht wird unter einer Bedingung zunächst ein objektiv ungewisses zukünftiges Ereignis verstanden, von dem nach dem Willen der Parteien die Wirksamkeit eines Vertrages oder eines sonstigen Rechtsgeschäfts abhängt (vgl. Art. 151 ff. OR). Bedingun- gen können dabei ausdrücklich vereinbart werden oder stillschwei- gend von beiden Parteien gewollt sein (statt vieler: Felix Ehrat, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht I, Basel 1996, Vorbemerkun- gen zu Art. 151-157, N 1 ff.). Die Rechtsbedingungen sind keine Bedingungen in diesem Sinne. Darunter sind vielmehr Voraussetzungen eines Rechtsge- schäfts zu verstehen, die direkt auf dem Gesetz beruhen und zu den Willensäusserungen der Parteien hinzutreten. Nicht jede Vorausset- zung, an die das Gesetz die Entstehung, Veränderung oder den Un- tergang von Rechten knüpft, kann Rechtsbedingung sein, sondern nur eine solche, die einen Schwebezustand auslöst. Es handelt sich um eine Wirksamkeitsvoraussetzung, die beim Geschäftsabschluss noch fehlt, aber nachgeholt werden kann (Hermann Becker, Berner Kommentar, Band IV [Art. 1-183 OR. Allgemeine Bestimmungen], Bern 1945, N 2 f.). Beispiele sind die Verfügungsmacht des Verfü- genden, die rechtzeitige Mängelrüge des Käufers als Voraussetzung 2001 Verwaltungsgericht 328 der kaufrechtlichen Gewährleistung, der Bestand einer zu sichernden Forderung als Voraussetzung einer gültigen Verbürgung und Ver- pfändung, die Zustimmung eines Dritten, sofern dies von Gesetzes wegen zur Gültigkeit eines Rechtsgeschäfts erforderlich ist oder auch die staatliche Bewilligung für den Grundstückkauf durch Ausländer als (Rechts-) Bedingung für das Wirksamwerden des Vertrages (Ehrat, a.a.O., N 12). Fehlt bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts eines dieser Erfordernisse und kann es nachgeholt werden, so ent- steht bezüglich der Wirksamkeit dieses Rechtsgeschäfts, wie bei den Bedingungen im Sinne von Art. 151 ff. OR, ein Schwebezustand, der aber nicht den Regeln des Bedingungsrechts untersteht (Andreas von Tuhr/Hans Peter, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligatio- nenrechts, Zürich 1979, S. 260). Für die sehr verschiedenartigen Fälle gelten besondere Regeln, die sich aus den einschlägigen Geset- zesvorschriften oder aus der Natur der Sache ergeben. Allenfalls kann sich eine analoge Anwendung des Bedingungsrechts aufdrän- gen, wobei das betreffende Rechtsgeschäft erst vom Zeitpunkt der Genehmigung bzw. der Konvaleszenz an Rechtswirkungen entfalten kann (von Tuhr/Peter, a.a.O., S. 260; vgl. auch für das deutsche Recht: Manfred Wolf, in: Soergel-Siebert [Herausgeber]: Bürgerli- ches Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Stutt- gart 1999, N 8 vor § 153 BGB). bbb) Wie das Beispiel der staatlichen Bewilligung von Grund- stücksgeschäften mit ausländischer Beteiligung nach der Lex Fried- rich zeigt, kann die Gültigkeit von privatrechtlichen Rechtsgeschäf- ten auch vom Vorliegen einer öffentlichrechtlichen Wirksamkeitsvor- aussetzung abhängen. Der Bewilligungsvorbehalt gemäss Bundesge- setz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewG) vom 16. Dezember 1983 hat dabei unmittelbare Bedeutung für die Gültigkeit des Schuldvertrags, der dem Grundstückerwerb zugrunde liegt, indem Art. 26 BewG selbst die Unwirksamkeit bzw. Nichtigkeit des Kaufvertrages normiert, so u.a. wenn der ,,Erwerber das Rechtsgeschäft vollzieht, ohne um die Bewilligung nachzusu- chen oder bevor die Bewilligung in Rechtskraft tritt". Fehlt es an der Bewilligung, so bleibt der abgeschlossene Schuldvertrag ,,schwe- bend" unwirksam, bis entweder die Bewilligung für den vereinbarten 2001 Submissionen 329 Erwerb rechtskräftig erteilt oder der Vertrag nichtig wird, wobei die Bewilligung auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zurückwirkt (Gauch/Schluep/Schmid, a.a.O., Rz. 723). Mithin ordnet die Lex Friedrich selbst die Rechtsfolgen bei bewilligungslosem Grundstück- serwerb. ccc) Im Unterschied dazu normiert das SubmD selbst keine Sanktionsfolgen, es ordnet insbesondere nicht die Nichtigkeit eines in Verletzung von § 21 SubmD geschlossenen Vertrages an (siehe Erw. c/bb/bbb hievor). Dies hindert allerdings die Qualifikation des in § 21 Abs. 1 SubmD statuierten Erfordernisses des rechtskräftigen Zuschlags oder des Entzugs der aufschiebenden Wirkung als Rechts- bedingung für die Wirksamkeit des Werkvertrags im Grundsatz nicht. Der aargauische Submissionsdekretgeber wollte den bisher schon bestehenden Rechtsschutz bewahren bzw. (im Vergleich zum interkantonalen Recht) ausbauen und - auch mit der Normierung eines automatischen Suspensiveffekts der Submissionsbeschwerde - wirksam verhindern, dass die Vergabestelle allein durch den Ab- schluss des privatrechtlichen Vertrages dem Verwaltungsgericht die Aufhebung des Zuschlags im Beschwerdeverfahren verunmöglichen und es auf die Feststellung der Widerrechtlichkeit des Zuschlages beschränken kann (vgl. Erw. a/aa hievor). Dieses klar dokumentierte Ziel des Dekretgebers lässt es gerechtfertigt und sachlich richtig erscheinen, den unbenutzten Ablauf der Beschwerdefrist - d.h. die Rechtskraft des Zuschlags - oder den Entzug der aufschiebenden Wirkung einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde als öffentlichrechtli- che Wirksamkeitsvoraussetzungen für den Abschluss des privat- rechtlichen Vertrages zu betrachten. ddd) Stellt § 21 Abs. 1 SubmD also eine Rechtsbedingung im Sinne einer öffentlichrechtlichen Wirksamkeitsvoraussetzung für den im Anschluss an den Zuschlag abzuschliessenden Werkvertrag dar, so befindet sich der unter Verletzung von § 21 Abs. 1 SubmD ver- früht abgeschlossene Vertrag bis zur Rechtskraft des erfolgten Zu- schlags (entweder durch unbenützten Ablauf der Beschwerdefrist oder infolge Abweisung der Beschwerde) bzw. bis zum Entzug der aufschiebenden Wirkung einer Submissionsbeschwerde durch die 2001 Verwaltungsgericht 330 Beschwerdeinstanz in einem Schwebezustand und entfaltet keine Rechtswirksamkeit. d) Nachdem im vorliegenden Vergabeverfahren weder die Rechtskraft des erteilten Zuschlags durch Ablauf der Beschwerdefrist eingetreten ist noch das Verwaltungsgericht der Beschwerde die aufschiebende Wirkung entzogen hat, waren die in § 21 Abs. 1 SubmD vorgesehenen Bedingungen für einen Vertragsschluss nicht erfüllt. Damit vermag der zwischen der Einwohnergemeinde B. und der Beschwerdegegnerin abgeschlossene Werkvertrag derzeit keine Rechtswirksamkeit zu entfalten. Er steht demzufolge auch der Auf- hebung des widerrechtlich erteilten Zuschlags durch das Verwal- tungsgericht nicht entgegen (Erw. a/cc hievor).
9,998
7,930
AG_VG_001
AG_VG
AG
Northwestern_Switzerland
AG_VG_001_AGVE-2001-69_2001-03-03
http://agve.weblaw.ch/html//AGVE-2001-69.html
https://agve.weblaw.ch/pdf/AGVE-2001-69.pdf
AGVE_2001_69
null
nan
7d6ca752-1c00-5b24-a193-0304c6c83a10
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412
871,765
1,028,332,800,000
2,002
de
2002 Verwaltungsgericht 318 [...] 77 Termin als Vergabekriterium. - Dem Termin kann sowohl die Bedeutung eines Zuschlagskriteriums als auch die Bedeutung eines Ausschlusskriteriums zukommen. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 15. August 2002 in Sachen P. GmbH gegen Gemeinderat Schafisheim. Aus den Erwägungen 3. b) Im Katalog gemäss § 18 Abs. 2 SubmD ist u.a. auch der "Termin" als Zuschlagskriterium aufgeführt. Bestimmt eine Verga- bestelle in der Ausschreibung oder in den Ausschreibungsunterlagen den Termin als eines der massgebenden Zuschlagskriterien , ist dies dahingehend zu verstehen, dass demjenigen Anbieter der Vorzug ge- bühren darf, welcher eine schnellere Ausführung als die gemäss Aus- schreibung oder Ausschreibungsunterlagen geforderte zum gleichen Preis offeriert als derjenige Anbieter, der (lediglich) die Termine ge- mäss Unterlagen einzuhalten verspricht (Urteil des Verwaltungsge- richts des Kantons Graubünden vom 6. April 2000 [U 00 35] E. 2b). Eine raschere Arbeitsausführung kann mit andern Worten unter Um- ständen, d.h. bei entsprechender Festsetzung und Gewichtung der Zuschlagskriterien, einen Mehrpreis kompensieren. Dem Termin kann aber auch die Bedeutung eines Ausschlusskriteriums zukom- men. Diesfalls ist derjenige Anbieter, welcher die Einhaltung der von 2002 Submissionen 319 der Vergabestelle für die Arbeitsausführung zwingend vorgegebenen Termine nicht gewährleisten kann, vom Vergabeverfahren auszu- schliessen bzw. (im selektiven Verfahren) nicht zuzulassen. Insoweit kann ihm auch die Eignung zur Ausführung des konkret zu vergeben- den Auftrags abgesprochen werden, z.B. wegen der zum vorgesehe- nen Ausführungszeitpunkt fehlenden zeitlichen Verfügbarkeit oder fehlenden personellen Kapazität. Als Ausschlusskriterium verstanden kommt dem Termin absoluten Charakter zu: Er kann entweder einge- halten oder nicht eingehalten werden; dazwischen gibt es nichts (vgl. das erwähnte Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden, E. 2b). c) Die vorliegenden Ausschreibungsunterlagen enthalten unter der Position "000 000 Bedingungen" auch terminliche Vorgaben. Danach müssen die immissionsintensiven Arbeiten - dazu gehören Arbeiten, die mit schwerem Gerät, Lärm und Staub verbunden sind - in den vier Wochen Sommerferien erledigt werden, damit der Schul- betrieb nicht gestört wird. Pflanzarbeiten werden erst im Spät- herbst/Winter durchgeführt. Auch im Einladungs- bzw. Begleit- schreiben zum Devis vom 27. Mai 2002 wurden die Anbieter aus- drücklich auf "den zwingend einzuhaltenden Baubeginn vom 15. Juli (Schulferienbeginn) sowie das Beenden der immissionsträchtigen Ar- beiten (schweres Gerät, Lärm, Staub) in den 4 Wochen Schulferien" aufmerksam gemacht. In Ziffer 8 der Submissionsbestimmungen ("Termine/Personaleinsatz") hatten die Anbietenden dementspre- chend Fragen nach dem frühstmöglichen Arbeitsbeginn, Dauer/Einhaltung der genannten Termine, vorgesehenem Perso- naleinsatz sowie nach Betriebsferien und Unterbrüchen zu beant- worten. Beim Erfordernis, die immissionsträchtigen Arbeiten während der Sommerferien zu erledigen, handelt es sich um ein Ausschluss- kriterium und nicht etwa um ein Zuschlagskriterium. Für den Zu- schlag können nach dem klar erkennbaren Willen der Vergabestelle, wie er in den Ausschreibungsunterlagen und im zugehörigen Begleit- schreiben zum Ausdruck kommt, einzig Anbieter in Frage kommen, die diese Vorgabe einzuhalten vermögen. Wer dazu nicht in der Lage ist, scheidet von vornherein aus. Als Zuschlagskriterien dürfen die 2002 Verwaltungsgericht 320 Termineinhaltung und der Personalbestand hingegen keine Rolle spielen, da sie nicht als solche bezeichnet und bekannt gegeben worden sind. Ihre Berücksichtigung würde eine nachträgliche Än- derung der Zuschlagskriterien bedeuten, was nicht zulässig ist. Für den Zuschlag darf im vorliegenden Fall einzig der Preis eine Rolle spielen. Er muss notwendigerweise demjenigen Anbieter erteilt wer- den, der die Arbeitsausführung unter Einhaltung der vorgegebenen Termine zum tiefsten Preis offeriert hat. Eine schnellere Arbeitsaus- führung innerhalb der gesetzten Termine vermag mit andern Worten einen tieferen Preis nicht aufzuwiegen. d) Die Beschwerdeführerin hat unbestrittenermassen das preis- günstigste Angebot eingereicht. Somit muss der Auftrag an sie ver- geben werden, es sei denn, es stehe fest, dass sie gar nicht in der Lage ist bzw. gewesen wäre, die vorgegebenen Termine einzuhalten. Dafür bestehen indessen keine Anhaltspunkte. Die Beschwerdeführe- rin beantwortete die unter Ziffer 8 ("Termine/Personaleinsatz") ge- stellten Fragen lückenlos. Als Arbeitsbeginn gab sie - wie im Schrei- ben vom 27. Mai 2002 verlangt - den 15. Juli 2002 an. Die Frage, ob sie die genannten Termine für die Ausführung bzw. Lieferung einhal- ten könne und imstande sei, mit dem üblichen Baufortgang Schritt zu halten, bejahte sie vorbehaltlos. In Bezug auf den vorgesehenen Per- sonaleinsatz gab sie zwei bis vier Personen an, und schliesslich er- wähnte sie die Betriebsferien vom 29. Juli bis 2. August 2002. Allein aus diesen Angaben abzuleiten, die Beschwerdeführerin sei nicht in der Lage, die ausgeschriebenen Arbeiten unter Einhaltung der vor- gegebenen Termine auszuführen, ist rechtlich nicht haltbar. Die Be- schwerdeführerin hat ausdrücklich (und mit ihrer Unterschrift) be- stätigt, dass sie die ihr bekannt gegebenen Termine wahren kann. Wenn bei der Vergabebehörde bzw. beim sie beratenden Architekten wegen der erwähnten Betriebsferien und dem vorgesehenen Perso- naleinsatz Zweifel bestanden, ob dies wirklich der Fall sei, so hätte dies - im Rahmen der Offertbereinigung (§ 17 Abs. 2 SubmD) - zunächst einer entsprechenden Rückfrage bedurft. Hätte die Be- schwerdeführerin die Bedenken der Vergabestelle hinsichtlich Ter- mineinhaltung in der Folge nicht ausräumen können, sondern hätten sich diese erhärtet, so wäre ihr Ausschluss vom Verfahren ungeachtet 2002 Submissionen 321 der Tatsache, dass sie das preisgünstigste Angebot eingereicht hatte, gerechtfertigt gewesen. Wie sich aus der Beschwerde und auch aus der Vernehmlassung des Gemeinderats ergibt, wäre die Beschwerde- führerin allerdings durchaus in der Lage gewesen, die diesbezügli- chen Befürchtungen der Vergabebehörde zu zerstreuen. Im vorlie- genden Fall war die Vergabestelle, wie sich den Unterlagen entneh- men lässt, zudem ganz offensichtlich bereits während des Vergabe- verfahrens nicht der Meinung, die Beschwerdeführerin müsse vom Wettbewerb ausgeschlossen werden, da sie die vorgegebenen Ter- mine nicht einhalten könne. Sie war vielmehr der Auffassung, die Vorteile (bzw. die grössere Sicherheit), welche die (ortsansässige) S. AG in terminlicher Hinsicht wegen des fehlenden Arbeitsunter- bruchs und des grösseren Personaleinsatzes biete, würden die nur ge- ringe Preisdifferenz von ca. 1% ohne weiteres aufwiegen. Ein solches Vorgehen war indessen, da es sich bei der Einhaltung der Terminvorgaben - wie ausgeführt - nicht um ein (zu bewertendes) Zuschlags-, sondern um ein Ausschlusskriterium handelt, und für den Zuschlag einzig der Preis von Bedeutung ist, nicht statthaft. Die Vergabestelle hat sich damit in Widerspruch zu ihren Aus- schreibungsunterlagen gesetzt, die den Termin nicht als Zuschlags- kriterium nannten. Der an die S. AG, die preislich nur das zweit- günstigste Angebot eingereicht hat, erteilte Zuschlag ist deshalb aufzuheben. In diesem Sinne ist die Beschwerde gutzuheissen.
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AG_VG_001
AG_VG
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Northwestern_Switzerland
AG_VG_001_AGVE-2002-77_2002-08-03
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2011 Taxirecht 199 VII. Taxirecht 50 Taxiwesen; Voraussetzungen der Vergabe von Standplätzen - Ein Taxireglement des Gemeinderates mit einer generellen Bewilli- gungspflicht für das Anbieten von Taxifahrten ist verfassungswidrig. - Gestützt auf das Baugesetz kann der Gemeinderat die Benützung öf- fentlicher Standplätze einer Bewilligungspflicht unterstellen. - Ein guter Leumund ist ein zulässiges Kriterium bei der Vergabe ei- nes Taxistandplatzes auf öffentlichem Grund. Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 20. Mai 2011 in Sachen A. gegen Stadtrat B. und Departement Volkswirtschaft und Inneres (WBE.2011.35). Aus den Erwägungen 1. 1.1. Art. 50 Abs. 1 BV gewährleistet die Gemeindeautonomie nach Massgabe des kantonalen Rechts. Gemäss § 106 Abs. 1 KV sind die Gemeinden im Rahmen von Verfassung und Gesetz befugt, sich selbst zu organisieren, ihre Behörden und Beamten zu wählen, ihre Aufgaben nach eigenem Ermessen zu erfüllen und ihre öffentlichen Sachen selbständig zu verwalten. Nach der Praxis des Bundesge- richts liegt Gemeindeautonomie dort vor, wo das kantonale Recht einen Sachbereich nicht abschliessend ordnet, sondern ihn ganz oder teilweise der Gemeinde zur Regelung überlässt und der Gemeinde dabei einen relativ erheblichen Entscheidungsspielraum einräumt (BGE 129 I 294, 320 und 413, je mit Hinweisen; 128 I 7 f. mit Hin- weisen; 126 I 136 mit Hinweisen; 124 I 226 f. mit Hinweisen; 122 I 290 mit Hinweisen; AGVE 2003, S. 470 mit Hinweisen; Ulrich Häfelin / Georg Müller / Felix Uhlmann, Allgemeines Verwaltungs- 2011 Verwaltungsgericht 200 recht, 6. Auflage, Zürich / Basel / Genf 2010, Rz. 1392 mit Hinwei- sen). Ob und wieweit eine Gemeinde in einem gewissen Bereich au- tonom ist, bestimmt sich also nach dem kantonalen Verfassungs- und Gesetzesrecht (BGE 129 I 413 mit Hinweisen; AGVE 2003, S. 470; Ulrich Häfelin / Georg Müller / Felix Uhlmann, a.a.O., Rz. 1393 mit Hinweisen). Im Kanton Aargau enthält dieses über das Taxiwesen keine Vorschriften. Insofern fällt die Reglementierung des Taxiwe- sens in den Kompetenzbereich der Gemeinden (AGVE 2003, S. 470). 1.2. In der Stadt B. ist das Taxiwesen im Reglement über das Taxi- wesen vom 1. Dezember 2005 (nachfolgend: Reglement über das Taxiwesen) geregelt. Die gewerbsmässige Personenbeförderung mit Taxifahrzeugen bedarf einer Betriebsbewilligung des Stadtrats; diese wird auf den Namen des Betriebsinhabers ausgestellt und ist nicht frei übertragbar (§ 1 Abs. 1 Reglement über das Taxiwesen). Die Be- willigungsvoraussetzungen, die Dauer sowie der Entzug der Be- triebsbewilligung sind in den §§ 3-7 des Reglements über das Taxi- wesen geregelt: (...) 1.3. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 27 BV stellt die Statuierung einer Bewilligungspflicht für die Ausübung eines Berufes einen schweren Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit dar und bedarf zumindest hinsichtlich ihrer Grundzüge stets einer ge- setzlichen Grundlage im formellen Sinn (Urteil des Bundesgerichts vom 26. Februar 2010 [2C_564/2009], Erw. 7.1). Die Vorinstanz hat festgehalten, dass das Taxireglement der Stadt B. vom Stadtrat und nicht vom Einwohnerrat erlassen worden sei. Daher sei festzustellen, dass diejenigen Bestimmungen im Regle- ment, welche an eine generelle Bewilligungspflicht für die gewerbs- mässige Personenbeförderung in der Stadt B. anknüpfen, verfas- sungswidrig seien. Dies betreffe insbesondere die Bestimmungen über die Betriebsbewilligung B, welche zum Anbieten von Taxifahr- ten ab privaten Standplätzen berechtige. Das Beschwerdeverfahren betreffe jedoch nicht die Erteilung der Bewilligung als solche, son- 2011 Taxirecht 201 dern die Zuteilung von Standplätzen auf öffentlichem Grund bzw. die Betriebsbewilligung A, welche zum Anbieten von Taxifahrten ab zugeteilten öffentlichen Standplätzen berechtige. 1.4. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann sich auf die Wirtschaftsfreiheit berufen, wer zur Ausübung eines Gewerbes öffentliche Sachen zum gesteigerten Gemeingebrauch beansprucht. Bei der Gewährung von A-Taxi-Bewilligungen handelt es sich um die Bewilligung zur Ausübung eines gesteigerten Gemeingebrauchs, wobei den kommunalen und kantonalen Behörden ein weiter Ermes- sensspielraum zukommt. Eine Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit ergibt sich bei A-Taxi-Bewilligungen aus der Tatsache, dass die Zahl der Standplätze nicht beliebig erhöht werden kann, was eine Be- schränkung der Bewilligungszahl pro Bewerber und nötigenfalls so- gar eine Auswahl unter den Bewerbern erfordert. Aufgrund der Be- nützung des öffentlichen Grundes, welche der kantonalen und kom- munalen Gesetzgebung unterliegt, sind die Gemeinden und Kantone somit befugt, durch Gesetze (im materiellen Sinne) die Wirtschafts- freiheit von Taxi-Haltern in verschiedener Hinsicht zu beschränken (vgl. BGE 108 Ia 135, Erw. 3). Nach Art. 36 BV müssen die Ein- griffe insbesondere im öffentlichen Interesse liegen und den Grund- satz der Verhältnismässigkeit wahren. Nach Art. 9 BV muss der Eingriff ferner auf sachlich vertretbaren Kriterien beruhen. Der in der Wirtschaftsfreiheit enthaltene Grundsatz der Gleichbehandlung von Gewerbegenossen, welcher sich auf das Verhältnis zwischen direkten Konkurrenten bezieht, ist ebenfalls zu beachten (Urteil des Bundes- gerichts vom 26. Februar 2010 [2C_564/2009]). 1.5. Das vom Stadtrat B. erlassene Reglement über das Taxiwesen vom 1. Dezember 2005 wurde auf § 37 des Gesetzes über die Ein- wohnergemeinden vom 19. Dezember 1978 (Gemeindegesetz; SAR 171.100) und die §§ 103 und 104 BauG abgestützt. Das Bun- desgericht hat im Entscheid 2C_564/2009 vom 26. Februar 2010 be- treffend eine aargauische Gemeinde festgehalten, der Stadtrat könne als kommunale Exekutivbehörde gestützt auf das kantonale Bauge- setz die Benützung eines Standplatzes gestatten oder die Bewilligung 2011 Verwaltungsgericht 202 hierzu verweigern und hierzu sachdienliche Kriterien entwickeln. Das Reglement über das Taxiwesen der Stadt B. setzt für die Bewilli- gungserteilung zur Benutzung von öffentlichen Standplätzen unter anderem Handlungsfähigkeit, einen guten Leumund sowie die per- sönliche Eignung des Bewerbers voraus. Aufgrund der beschränkt zur Verfügung stehenden Standplätze war der Stadtrat berechtigt, die Bewilligungsvoraussetzungen im Reglement zu umschreiben. Diese Bewilligungspflicht steht dem bedingten Anspruch der Bewerber auf Zuteilung eines Standplatzes und damit der Ausübung des gesteiger- ten Gemeingebrauchs an einer öffentlichen Sache nicht entgegen. Die rechtliche Grundlage im Reglement, welche sich auf das Bauge- setz abstützen kann, erweist sich aufgrund der darin enthaltenen Vorgaben zudem als genügend bestimmt und zur Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit als ausreichend. 2. 2.1.-2.4. (...) 2.5. 2.5.1. Nach § 5 des Taxireglementes der Stadt B. setzt die Betriebs- bewilligung A unter anderem einen guten Leumund voraus. Hierbei handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff (vgl. Ulrich Häfelin / Georg Müller / Felix Uhlmann, a.a.O., Rz. 445 ff.). Eine Einschränkung der richterlichen Überprüfung, wie sie etwa bei grös- serer Nähe und Vertrautheit der Verwaltungsbehörden mit den tat- sächlichen Verhältnissen erfolgt, rechtfertigt sich indessen nicht. 2.5.2. Die Erlaubnis zur Benützung der städtischen Taxistandplätze stellt unter anderem wegen der bevorzugten Lage der Standplätze ein wirtschaftlich interessantes Sonderrecht für den Taxiunternehmer dar (Urteil des Bundesgerichts vom 26. Februar 2009 [2C_564/2009], Erw. 8.1). Die öffentlichen Gemeindestrassen sind im Eigentum der Gemeinden. Der Gemeinderat kann durch eine Bewilligung ("Er- laubnis" gemäss § 104 BauG) den gesteigerten Gemeingebrauch, wie dies Standplätze für Taxi darstellen, regeln. Aufgrund seiner Stras- senhoheit ist er frei, zu welchen Bedingungen er die Benützung re- gelt. Stehen, wie in der Stadt B., nur eine beschränkte Anzahl Stand- 2011 Taxirecht 203 plätze zur Verfügung und übersteigt die Nachfrage das Angebot, ist eine Auswahl erforderlich. Die Auswahl muss nach sachlichen Kri- terien und rechtsgleich erfolgen. Nach der Rechtsprechung kann für die Bewilligung nicht nur ein guter automobilistischer Leumund, sondern ganz allgemein ein guter Leumund gefordert werden (vgl. BGE 99 Ia 392). Das Ver- waltungsgericht hat in einem Urteil vom 30. Juni 2009 erwogen, dass es sich bei der Ausübung des Berufes des Taxichauffeurs um eine Erwerbstätigkeit handle, bei der ein besonderes Interesse an einer seriösen Berufsausübung bestehe, weil der unerfahrene Kunde sonst beispielsweise leicht ausgebeutet werden könnte (VGE IV/43 vom 30. Juni 2009 [WBE.2009.49], Erw. 2.2, mit Verweis auf: Beat Zürcher, Das Taxigewerbe aus verwaltungsrechtlicher Sicht, Diss., Zürich 1978, S. 29). Allgemein lässt sich zum Auswahlsystem sagen, dass die Zuteilung der Plätze die Erwartungen der Taxikunden hinsichtlich Qualität und Zutrauenswürdigkeit einer Dienstleistung mit behördlicher Bewilligung erfüllen muss. Ein guter Leumund ist angesichts der Erwartungen des Publikums ein zulässiges Kriterium und dient auch dem Schutz des Publikums.
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AG_VG_001
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AG_VG_001_AGVE-2011-50_2011-05-04
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2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 360 [...] 61 Vergleich Ein Vergleich im Beschwerdeverfahren setzt eine Einigung aller Parteien voraus, einschliesslich der Vorinstanz. Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 19. November 2013 in Sa- chen A. AG gegen Gemeinderat B. und BVU (WBE.2013.277). 2013 Verwaltungsrechtspflege 361 Aus den Erwägungen 4.3. Ein Vergleich im öffentlichen Recht kann praxisgemäss zum Urteil erhoben werden, wenn er sich als gesetzmässig erweist und allfällige Zugeständnisse der Parteien innerhalb des Spielraums blei- ben, den das Gesetz ohnehin gewährt (vgl. AGVE 1991, S. 383 f.; 1982, S. 287). Die Vereinbarkeit des Vergleichs mit den öffentlichen Interessen prüft das Verwaltungsgericht summarisch (§ 19 Abs. 1 VRPG). Das Verfahren wird durch Sachentscheid abgeschlossen (§ 19 Abs. 2 VRPG). Infolge der fehlenden Unterschrift der Vorinstanz ist die Verein- barung formell kein gemeinsamer Antrag aller Parteien (vgl. dazu § 13 Abs. 2 VRPG). Eine Beurteilung der Anträge in Anwendung von § 19 VRPG ist daher nicht zulässig.
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AG_VG_001
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AG_VG_001_AGVE-2013-61_2013-11-03
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2014 Migrationsrecht 117 16 Ausschaffungshaft; Verhältnismässigkeit Die Bitte eines Familienvaters, der Vollzug der Wegweisung seiner Fami- lie solle in einer Form erfolgen, welche die Ehefrau nicht unnötig belaste, ist nicht als Weigerung zur selbständigen Ausreise zu qualifizieren. Bei der Beurteilung, ob der Vollzug der Wegweisung im konkreten Fall ge- fährdet erscheint, ist einzig das Verhalten der betroffenen Person massge- bend. Ein allfällig obstruktives Verhalten anderer Personen (i.c. der Ehe- frau) darf dem Betroffenen nicht angelastet werden (Erw. 5.3.). Aus dem Entscheid des Einzelrichters des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 27. Juni 2014 in Sachen Amt für Migration und Integration gegen A. (WPR.2014.112). 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 118 Aus den Erwägungen 5.3. Dem MIKA ist insofern zuzustimmen, als es, das Bundesgericht zitierend, ausführt, dass der objektivierte Haftgrund von Art. 76 Abs. 1 lit. b AuG gerade kein vorwerfbares bzw. obstruktives Verhal- ten des Ausländers voraussetze, weshalb das Nichtvorhandensein eines solchen Verhaltens auch nicht zur Folge haben könne, dass eine darauf gestützte Haft von vornherein unverhältnismässig wäre (Urteil des Bundesgerichts vom 18. Juli 2012 [2C_698/2012]). Dennoch muss, wie bereits dargelegt, die Haft verhältnismässig und somit not- wendig sein. Gemäss MIKA ist keine mildere Massnahme dazu geeignet, den Wegweisungsvollzug tatsächlich sicherzustellen. Begründet wird dies damit, dass sich der Gesuchsgegner der Ausschaffung entziehen wolle. Ein Anzeichen dafür sei der Umstand, dass der Gesuchsgegner und seine Ehefrau trotz Wissen um die Dublin-Zuständigkeit in der Schweiz ein zweites Asylgesuch eingereicht hätten, nachdem in Frankreich alle Rechtswege ausgeschöpft gewesen seien und sie dort die Ausschaffung in ihren Heimatstaat hätten befürchten müssen. Weiter erachtet das MIKA die Aussage des Gesuchsgegners, er sei zur selbständigen Ausreise bereit, als Schutzbehauptung. Dies weil sie in krassem Widerspruch zur immer wieder vorgebrachten Klage des Ehepaars stehe, man habe in Frankreich seit Monaten auf der Strasse leben müssen und könne keinesfalls zurückkehren. Hierzu gilt es Folgendes zu sagen: Zwar erwähnte der Gesuchsgeg- ner anlässlich der Vorsprache beim MIKA vom 28. Februar 2014, welcher er im Übrigen vorladungsgemäss nachkam, tatsächlich, dass sie in Frankreich hätten sechs Monate auf der Strasse leben müssen. Er erklärte aber nicht, dass er nicht zurückreisen würde. Vielmehr äusserte er den Wunsch, die Rückkehr nach Frankreich solle in einer Form erfolgen, die für seine Frau möglichst wenig Aufregung mit sich bringe, weshalb er eine (vorzugsweise selbständige) Reise im Zug einer Ausreise per Flugzeug vorziehe. Anlässlich des rechtlichen Gehörs betreffend die Anordnung einer Ausschaffungshaft gab der Gesuchsgegner zwar zu, lieber nicht nach Frankreich zurückkehren 2014 Migrationsrecht 119 zu wollen. Er räumte aber auch ein, dass keine andere Möglichkeit bleibe, und er schlug vor, dass man ihm und seiner Frau einen Ter- min geben solle, an welchem sie ausreisen würden. Dem Gesuchsgegner kann - entgegen der Auffassung des MIKA - auch nicht vorgeworfen werden, dass er sich im Zeitpunkt des geplanten Zugriffs für die Zuführung an den Grenzposten zwecks Ausschaffung nicht in der Unterkunft befand. Der Gesuchsgegner war nie über die Zustimmung der französischen Behörden zu einer Rückführung auf dem Landweg informiert worden, so dass er auch nicht mit einem unmittelbar bevorstehenden Wegweisungsvollzug rechnen musste und aus der Nichtanwesenheit beim Zugriffsversuch auch nicht auf ein Untertauchen geschlossen werden kann. Die Notwendigkeit der Inhaftierung lässt sich insbesondere auch nicht daraus ableiten, dass eine Rückführung unter Umständen - wie vom MIKA anlässlich des rechtlichen Gehörs angedeutet - am Widerstand der Ehefrau des Gesuchsgegners scheitern könnte. Denn wie im bereits zitierten Entscheid des Rekursgerichts ausgeführt, muss der Wegweisungsvollzug aufgrund einer Einzelfallbeurteilung durch das Verhalten der betroffenen Person minimal gefährdet er- scheinen, damit eine Ausschaffungshaft angeordnet werden darf. Ein allenfalls dahingehndes Verhalten seiner Ehefrau darf nicht dem Ge- suchsgegner zugerechnet werden. 5.4. Die Tatsache, dass der Gesuchsgegner in Kenntnis des Dublin- Verfahrens und der damit irgendwann drohenden Ausschaffung nach Frankreich auf Vorladung jeweils beim MIKA erschienen ist, ist als gewichtiges Indiz für seine Bereitschaft zur selbständigen und kon- trollierten Ausreise zu gewichten. Seine Inhaftierung erweist sich un- ter den konkreten Umständen als nicht notwendig und widerspricht damit dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit. Der Gesuchsgegner ist daher unverzüglich aus der Ausschaffungshaft zu entlassen.
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AG_VG_001
AG_VG
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Northwestern_Switzerland
AG_VG_001_AGVE-2014-16_2014-06-02
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2002 Verwaltungsgericht 430 [...] 107 Vorsorglicher Führerausweisentzug; Gutachterkosten; Kostenvorschuss. - Der vorsorgliche Sicherungsentzug ist ein Zwischenentscheid, welcher mittels Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden kann (Erw. I/1/b/bb). - Der vorsorgliche Sicherungsentzug kann nicht losgelöst vom eigentlichen Entzugsverfahren verfügt werden. Es muss ein Endent- scheid folgen (Erw. II/2/a). - Im Entzugsverfahren stellen Gutachterkosten Verfahrenskosten dar (Erw. II/2/b). - Auf das Begehren um Fortsetzung des Verfahrens betreffend Sicherungsentzug ist auch dann einzutreten, wenn der vorsorgliche Führerausweisentzug in Rechtskraft erwachsen ist (Erw. II/2/c). - Keine Kostenvorschusspflicht für Gutachterkosten bei Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege (Erw. II/3/a). - Zulässigkeit der Androhung von Säumnisfolgen bei Verweigerung der Bezahlung des Kostenvorschusses (Erw. II/3/b). - In besonderen Fällen, bei denen eine Begutachtung unumgänglich erscheint, der Betroffene jedoch die Leistung des Kostenvorschusses verweigert, kann das Gutachten unter Verzicht auf einen Kostenvor- schuss in Auftrag gegeben werden (Erw. II/3/c). - Das Kriterium der Nichtaussichtslosigkeit ist im nichtstreitigen Sicherungsentzugsverfahren erfüllt, wenn im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege noch offen ist, ob das Verfahren auch wirklich zu einem Entzug führen wird (Erw. II/5/c/bb). vgl. AGVE 2002 41 143
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2003 Kantonale Steuern 119 IV. Kantonale Steuern 35 Beweismittelausschluss. - Der Beweismittelausschluss (§ 147 Abs. 2 aStG) setzt die entspre- chende Androhung im Einspracheverfahren voraus. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 26. Februar 2003 in Sachen R.W. gegen Entscheid des Steuerrekursgerichts. Aus den Erwägungen 3. a) Nach pflichtgemässem Ermessen veranlagte Steuerpflich- tige haben im Einspracheverfahren die Unrichtigkeit der Veranla- gung nachzuweisen (§ 147 Abs. 2 Satz 1 aStG), sofern sie im Ver- anlagungsverfahren auf diese Rechtsfolge ausdrücklich aufmerksam gemacht wurden (AGVE 1996, S. 235 = StE 1996, B 93.3 Nr. 5; AGVE 1987, S. 156; VGE II/52 vom 18. Mai 1998 [BE.1995.00213] in Sachen V.U., S. 5 f.; Jürg Baur, in: Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, Muri/BE 1991, § 144 N 29). Unterlagen und Beweis- mittel, die im Einspracheverfahren trotz Aufforderung und Hinweis auf die Säumnisfolgen fahrlässig oder vorsätzlich nicht vorgelegt werden, können im Rekurs- und Beschwerdeverfahren nicht mehr berücksichtigt werden (§ 147 Abs. 2 Satz 2 aStG). Damit der Be- weismittelausschluss zum Tragen kommt, müssen nach der Recht- sprechung folgende formelle Voraussetzungen erfüllt sein (vgl. AGVE 1989, S. 177 f. mit Hinweisen): - Die verlangten Beweismittel müssen zur Sachverhaltsabklä- rung tauglich und voraussichtlich erheblich sein. - Die vom Steuerpflichtigen beizubringenden Unterlagen sind klar und verständlich zu umschreiben, soweit dies der Steuerbehörde möglich ist. 2003 Verwaltungsgericht 120 - Auf die Folgen des Beweismittelausschlusses muss rechtzei- tig, d.h. im Einspracheverfahren, hingewiesen worden sein. Unterlässt es die Steuerkommission, im Einspracheverfahren auf den Beweismittelausschluss für das Rekursverfahren hinzuwei- sen, so wird er für die nächsten Instanzen nicht wirksam, selbst wenn er im Veranlagungsverfahren angekündigt worden war (AGVE 1980, S. 435 f.). Der Steuerpflichtige soll zusammen mit der Einforderung der Beweismittel auf die Folgen der Nichterfüllung hingewiesen werden; ein schon im Veranlagungsverfahren, also gegebenenfalls lange vorher erfolgter Hinweis allein hält ihm diese Folgen nicht genügend eindrücklich vor Augen. b) Es ist unbestreitbar, dass die vom Beschwerdeführer erst im Rekursverfahren mit Eingabe vom 9. April 2002 eingereichte um- fangreiche Dokumentation zum Nachweis seines Lebensaufwandes schon im Einspracheverfahren hätte ins Recht gelegt werden können. Es handelt sich ausnahmslos um Belege der Jahre 1997 und 1998, welche bereits seit Jahren vorhanden waren. Indessen wurde der Beweismittelausschlusses nur einmalig im Veranlagungsverfahren (2. Mahnung vom 12. Juli 2000), nicht aber im Einspracheverfahren angedroht. Über die Besprechung vom 28. Februar 2001 wurde le- diglich eine interne Aktennotiz des Steuerkommissärs angefertigt; die damals mündlich erwähnten Unterlagen wurden nicht formell und mit Hinweis auf den Beweismittelausschluss einverlangt. Nach der vorne dargestellten Rechtsprechung, von der abzuweichen kein Anlass besteht, ist der Beweismittelausschluss nicht eingetreten und die im Rekursverfahren nachgereichten Unterlangen müssen berück- sichtigt werden. Das Steuerrekursgericht hat sie zu Unrecht unbe- rücksichtigt gelassen.
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2012 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 113 III. Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 18 Mobilfunkantenne Grundsätze der Standortevaluation gemäss § 26 EG UWR Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 28. November 2012 in Sa- chen A. AG gegen Regierungsrat sowie Gemeinderat B. (WBE.2011.208). Aus den Erwägungen 2. Es ist unstreitig, dass die geplante Mobilfunkanlage mit den im Standortdatenblatt angegebenen Sendeleistungen und Neigungs- winkel die Anlage- und Immissionsgrenzwerte der Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung vom 23. Dezember 1999 (NISV; SR 814.710) rechnerisch einhält. Ebenfalls unbestritten ist die Zonenkonformität der Anlage. Streitig ist im vorliegenden Verfahren einzig die Bedeutung von § 26 EG UWR und die Frage, ob eine rechtsgenügende Standortevaluation im Sinne der Bestim- mung stattgefunden hat. § 26 EG UWR lautet: "Der am besten geeignete Standort von Antennen, die den bundesrechtlichen Vorschriften über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung unterstehen, ist ge- stützt auf eine Abwägung der Interessen der Betreiberinnen beziehungsweise der Betreiber und der Standortgemeinde sowie gegebenenfalls betroffener Nachbarge- meinden zu wählen. Die Interessenabwägung berücksichtigt insbesondere Aspekte des Landschafts- und des Ortsbildschutzes sowie der Siedlungsentwicklung." 3. (...) 4. 4.1. Der Beschwerdeführerin ist dahingehend zu folgen, dass ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Baubewilligung besteht, wenn ein 2012 Verwaltungsgericht 114 Bauvorhaben sämtliche Bewilligungsvoraussetzungen erfüllt (vgl. Art. 22 Abs. 2 und 3 RPG). Gemäss bundesgerichtlicher Recht- sprechung sind Gemeinden und Kantone jedoch im Rahmen ihrer Zuständigkeiten grundsätzlich befugt, Bau- und Zonenvorschriften zu Mobilfunkanlagen zu erlassen, sofern sie die bundesrechtlichen Schranken beachten, die sich insbesondere aus dem Umwelt- und Fernmelderecht ergeben. Unter Vorbehalt der gewährleisteten Grund- versorgung mit Fernmeldediensten ist es beispielsweise zulässig, baupolizeilich eine Standortevaluation als Voraussetzung der Er- stellung von Mobilfunkantennen vorzuschreiben, wobei der Standort in einer umfassenden Interessenabwägung festzulegen sei (BGE 133 II 353, Erw. 4.2). Der Kanton Aargau hat mit § 26 EG UWR die erforderliche Grundlage geschaffen, welche am 1. September 2008 in Kraft getre- ten ist. 4.2. 4.2.1. Die Beschwerdeführerin bestreitet, dass § 26 EG UWR eine ge- nügende gesetzliche Grundlage darstelle und bringt im Wesentlichen vor, es handle sich um eine Norm mit weitgehend programmati- schem Charakter, welche nicht genügend bestimmt sei. Sie weise keiner Partei spezifische Rechte oder Pflichten zu und unterlasse es sowohl die Beweislast bzw. Nachweispflicht für den besten Standort zu regeln als auch der Baubehörde oder einem anderen Beteiligten das "letzte Wort" zuzuweisen. Ferner sei sie rein raumplanungsrecht- lich motiviert. Dagegen erfasse sie keineswegs irgendeine Form von Radioplanung, welche nicht zum Gegenstand des Baubewilligungs- verfahrens gemacht werden könne. Entsprechend sei die Betreiberin nicht verpflichtet eine spezifische Standortkoordination mit beste- henden und zukünftigen Mobilfunkantennen vorzunehmen oder ei- nen Bedürfnisnachweis zu erbringen. Sie müsse weder eine Netzab- deckungslücke nachweisen noch Aufschluss über die konkrete Ab- deckungssituation geben. 4.2.2. Ein Rechtssatz, auf den sich eine Verfügung stützt, muss genü- gend bestimmt sein. Gemäss Bundesgericht muss das Gesetz so prä- 2012 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 115 zis formuliert sein, dass der Bürger sein Verhalten danach einrichten und die Folgen eines bestimmten Verhaltens mit einem den Umstän- den entsprechenden Grad an Gewissheit erkennen kann (BGE 109 IA 273, Erw. 4d; vgl. zum Ganzen Ulrich Häfelin/Georg Müller/Felix Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Auflage, Zürich/ St. Gallen 2010, Rz. 387). Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin erfüllt die Re- gelung gemäss § 26 EG UWR diese Voraussetzungen. Die Bestim- mung legt fest, dass die Errichtung jeder Mobilfunkanlage auch innerhalb der Bauzone am bestgeeigneten Standort zu erfolgen hat, wobei sich dieser aus einer Abwägung sowohl der Interessen der Betreiberinnen als auch jener der Standortgemeinde sowie allenfalls betroffener Nachbargemeinden ergibt. Konkretisierend statuiert sie, dass insbesondere die Aspekte des Landschafts- und des Ortsbild- schutzes sowie der Siedlungsentwicklung zu berücksichtigen sind. Sie setzt ferner die kantonale Kompetenz zur Standortsteuerung von Mobilfunkanlagen um, für welche gemäss Rechtsprechung des Bun- desgerichts ausdrücklich Raum besteht (siehe oben, Erw. 4.1). Ihr Grad an Bestimmtheit erinnert durchaus auch an andere baurechtli- che Bestimmungen; zu denken ist etwa an die Standortprüfung und Interessenabwägung gemäss Art. 24 RPG. Mithin ordnet sie als Voraussetzung der Bewilligung und nicht bloss programmatisch an, dass kein die relevanten Interessen insgesamt besser wahrender Standort für eine Anlage vorhanden sein darf. Sinn und Zweck von § 26 EG UWR ist, die Standorte von Mobilfunkanlagen aus raum- planerischer Sicht zu optimieren (Botschaft des Regierungsrats des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 17. Januar 2007, 07.17, S. 29). § 26 EG UWR allein bietet in keinem Fall Hand dazu, eine Mobilfunkanlage gänzlich zu verhindern, bildet aber die Grundlage dafür, diese dem bestgeeigneten Standort zuzuführen. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin verhindert die Bestimmung inso- fern, dass die Bewilligungsbehörde eine Anlage ohne weiteres am vom Betreiber gewählten Standort zu bewilligen hat, obschon sie zonenkonform ist und alle sonst anwendbaren Bauvorschriften und Grenzwerte einhält (vgl. Benjamin Wittwer, Bewilligung von Mobil- funkanlagen, 2. Auflage, Zürich 2008, S. 119 ff.). Die Interessenab- 2012 Verwaltungsgericht 116 wägung kann dabei lediglich im Rahmen bundesrechtlicher Schran- ken, namentlich des Umweltrechts, erfolgen: Insbesondere darf das Kriterium der Minimierung der Strahlenbelastung (etwa in einem Wohngebiet) keine Rolle spielen, da der Schutz vor nichtionisieren- der Strahlung in der NISV unter Festlegung von Grenzwerten ab- schliessend geregelt ist (Botschaft des Regierungsrats, a.a.O., S. 29; vgl. Wittwer, a.a.O., S. 92, 97). Entsprechend sind auch rein subjek- tive Befindlichkeiten oder Gesundheitsbedenken der Anwohner nicht zu berücksichtigen. Im Rahmen der Abwägung stehen sich einerseits die raumplanerischen Interessen der Standortgemeinde - je nach Standort auch der Nachbargemeinden - und andererseits die privaten Interessen der Betreiber unter Beachtung ihrer Wirtschaftsfreiheit und der auch bundesrechtlich bezweckten Versorgung der Bevölke- rung mit Fernmeldediensten gegenüber. Die Materialien machen deutlich, dass der Gesetzgeber auch die Verminderung der Verkaufs- chancen von Liegenschaften und den (objektiven) Attraktivitätsver- lust von Wohnquartieren als planerisch relevante Auswirkungen ver- stand (Botschaft Regierungsrat, a.a.O., S. 29). Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist eine aus- drückliche Bezeichnung der pflichtigen Rechtssubjekte durch den Gesetzeswortlaut weder im Lichte des Bestimmtheitsgebots notwen- dig noch entspricht sie der Regel bei anderen bewilligungsrelevanten Vorschriften (siehe bereits Art. 22 RPG). Einsichtigerweise obliegt es der zuständigen Baubehörde, das Baugesuch unter Vornahme der Interessenabwägung zu prüfen und über die Bewilligungsfähigkeit des Bauvorhabens zu entscheiden. Insofern (und nur insofern) hat sie "das letzte Wort", wie es die Beschwerdeführerin ausdrückt. Soweit die Beschwerdeführerin eine Regelung der "Beweislast" bzw. "Nachweispflicht" vermisst, greifen zunächst die allgemein und in jedem baurechtlichen Verfahren anwendbaren Verfahrensgrundsätze. So trifft die Bauherrschaft eine Mitwirkungspflicht (§ 23 VRPG), welche der Ermittlung des Sachverhalts von Amtes wegen (§ 17 VRPG) Schranken setzt. Insbesondere muss das Baugesuch die für die Beurteilung notwendigen Angaben, Pläne, Begründungen und Unterlagen enthalten (§ 31 ABauV; § 51 BauV), damit die relevanten 2012 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 117 Vorschriften überhaupt angewendet und die Bewilligungsvorausset- zungen überprüft werden können. Entsprechend ist der Beschwerdeführerin zwar darin zuzustim- men, dass § 26 EG UWR raumplanerische Optimierung und nicht behördliche "Radioplanung" bezweckt. Doch hat die gesetzlich vor- geschriebene Interessenabwägung nicht nur raumplanerische, son- dern auch die privaten Interessen der Betreiberinnen respektive jenes an guter Versorgung einzubeziehen, was bedingt, dass diese nach- weis- und ermittelbar sind. Entsprechend ist die Gemeinde darauf angewiesen, dass ihr die Betreiberinnen ihre relevanten Bedürfnisse offen legen (vgl. auch den Leitfaden Mobilfunk für Gemeinden und Städte, Hrsg.: Bundesamt für Umwelt [BAFU] et al., Bern 2010, S. 32). Beispielsweise kann die Abwägung zu Gunsten der Betreibe- rin ergeben, dass die raumplanerischen Interessen an einem Alterna- tivstandort aufgrund seiner geringen funktechnischen Geeignetheit, mangels tatsächlicher bzw. rechtlicher Verfügbarkeit des Standorts oder infolge wirtschaftlicher Nachteile der Betreiberin nicht durch- zuschlagen vermögen. Nach dem Gesagten obliegt es der Mobilfunkbetreiberin zu- nächst, im Baugesuch respektive in einem begründeten Standort- evaluationsbericht überprüfbare Grundlagen dazu beizubringen, in angemessenem Umkreis den aus ihrer Sicht bestgeeigneten von mehreren realistischen Standorten gewählt zu haben. Dabei ist die Versorgungssituation und der funktechnische Nutzen im ent- sprechenden Gebiet - soweit für die Interessenabwägung relevant und technisch zumutbar - mit Hilfe von Simulationsmodellen zu veranschaulichen. In diesem Sinne ist auch ausreichend detailliertes Kartenmaterial notwendig. Die Standortevaluation ist aber keines- wegs allein Sache der Betreiberinnen, zumal § 26 EG UWR der Ge- danke der Kooperation zugrunde liegt (siehe unten, Erw. 4.3) und eine Hilfestellung seitens der mit den örtlichen Verhältnissen am besten vertrauten Baubehörde erwartet werden kann. Die zuständige Baubehörde kann mit Blick auf die planerischen öffentlichen Interes- sen einzelne und aus ihrer Sicht besser geeignete Alternativstandorte innert nützlicher Frist einbringen und der Betreiberin in geeigneter Form zur Stellungnahme vorlegen. Zudem hat sie für ein beförderli- 2012 Verwaltungsgericht 118 ches Verfahren zu sorgen und fehlende Grundlagen rechtzeitig einzu- fordern. Die zuständige Baubehörde hat die Interessen am beantrag- ten Standort pflichtgemäss gegenüber denjenigen an einem Alterna- tivstandort abzuwägen und - insbesondere bei einem vom anbegehr- ten abweichenden Standort - detailliert und nachvollziehbar zu be- gründen, inwieweit die planerischen Interessen dort besser gewähr- leistet sind. 4.2.3. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin zeigt sich die Konkreti- sierungsbedürftigkeit von § 26 EG UWR auch darin, dass es entge- gen dem Wortlaut der Norm kaum je für eine Antenne den einen geeignetsten Standort, sondern stets eine Mehrzahl von möglichen Standorten gebe, wovon sich manche besser, manche schlechter eig- nen. Der Einwand sticht ins Leere: Zwar können sich durchaus meh- rere Standorte als grundsätzlich geeignet erweisen. Die gemäss § 26 EG UWR gebotene Interessenabwägung zielt indes gerade darauf ab, auch unter mehreren möglichen den am besten geeigneten Standort zu bestimmen, welcher den gegenübergestellten Interessen insgesamt am besten Rechnung trägt. Hat die Abwägung tatsächlich im Einzel- fall zum Ergebnis, dass mehrere nahezu gleichermassen geeignete Standorte existieren, so steht der Gemeinde im Einklang mit der Ansicht der Beschwerdeführerin kein "Zuweisungsrecht" zu. Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit (Art. 5 Abs. 2 BV) und die Wirt- schaftsfreiheit (Art. 27 BV) gebieten, dass die Mobilfunkbetreiberin unter gleichermassen geeigneten Standorten wählen kann. Steht kein besser geeigneter Alternativstandort zur Verfügung, ist die Verweige- rung der Baubewilligung für den beantragten Standort unverhältnis- mässig bzw. unrechtmässig. Durch verfassungskonforme Auslegung von § 26 EG UWR im besagten Sinne ergibt sich ferner, dass ein Standort nicht bereits aufgrund jedes noch so geringfügigen Unter- schieds zum Alternativstandort als besser geeignet gelten kann. Vielmehr muss sich die graduelle Abstufung an Geeignetheit nach- vollziehbar und klar begründbar aus der Abwägung ergeben. Auch unter diesem Aspekt lässt sich die genügende Bestimmt- heit von § 26 EG UWR demgemäss nicht in Frage stellen. Vielmehr stellt die Norm eine genügende Gesetzesgrundlage dar. 2012 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 119 4.3. Hinzuweisen ist darauf, dass die Absicht des Gesetzgebers bei Erlass von § 26 EG UWR in erster Linie war, ein möglichst frühzei- tiges Zusammenwirken zwischen Mobilfunkbetreibern und Behörden zu fördern. Die planerischen Auswirkungen einer Mobilfunkanlage sollen bereits vor einem öffentlichen Bewilligungsverfahren eine Optimierung erfahren und die Betreiberinnen schon vor Einreichung des Baugesuchs zur Kontaktaufnahme mit der Standortgemeinde angehalten sein (Botschaft Regierungsrat, a.a.O., S. 29; vgl. auch den Leitfaden Mobilfunk für Gemeinden und Städte, a.a.O., S. 33; BGE 133 II 353, Erw. 4.2). Ziel ist dabei, dass das Baugesuch bereits für jenen Standort eingegeben wird, der vor Einleitung des Ver- fahrens als bestgeeigneter aus der Evaluation hervorgegangen ist. Das Gesagte bildet gleichsam klare Leitlinie für das gebotene Vorgehen und befördert die Prozessökonomie. Der entsprechenden Umsetzung dient in diesem Stadium auch die "Vereinbarung über die Standortevaluation und -koordination" zwischen dem Departement Bau-, Verkehr und Umwelt des Kantons Aargau und den Mobil- funkbetreibern inklusive Beschwerdeführerin (siehe insbesondere Art. 2 f.), welche im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt der Gesuchs- einreichung noch nicht in Kraft stand. Wo wie vorliegend ausnahmsweise und entgegen der gesetzge- berischen Intention kein eigentliches Evaluationsverfahren vor dem Baubewilligungsverfahren stattgefunden hat, ist die Standortprüfung in letzterem - grundsätzlich erstinstanzlich - nachzuholen. Gegen- teiliges lässt sich aus § 26 EG UWR mangels entsprechender Ein- schränkung nicht ableiten. Zudem erscheint naheliegend, dass die Betreiberinnen sich nicht durch vor dem Verfahren unterlassene Ko- operation einer Standortevaluation entziehen können. Umgekehrt sind die Behörden genauso zur Kooperation angehalten. Insbeson- dere entspricht es nicht dem Zweck von § 26 EG UWR, den Verfah- rensverlauf unverhältnismässig zu erschweren. So ist es den Ge- meinden beispielsweise verwehrt, ein Zusammenwirken in Bezug auf betreiberseits vorgeschlagene Standorte zu verweigern oder im Laufe des Verfahrens gestaffelt immer "neue" mögliche Standorte in den Raum zu stellen. Auch Schwierigkeiten der Verfahrenskoordination 2012 Verwaltungsgericht 120 oder unnötig angestrengte Verfahren sind tunlichst zu vermeiden. Ebenfalls kann nicht Sinn von § 26 EG UWR respektive der Koope- rationspflicht sein, dass sich verschiedene Gemeinwesen gegenseitig Standorte geradezu "zuzuschieben" versuchen. Die Bestimmung hat grundsätzlich auch keine Änderung der gesetzlichen Zuständigkeits- ordnung zum Inhalt. Ausdrücklich ist schliesslich darauf hinzuwei- sen, dass hinsichtlich der Alternativstandorte, die während des hän- gigen Baubewilligungsverfahrens ins Auge gefasst werden, die Rechte und Rechtsmittelwege der dort Betroffenen respektive Ein- wendungsberechtigten nicht beschnitten werden dürfen (in Bezug auf Alternativstandorte ist vorab an die Veröffentlichung und Auflage gemäss § 60 BauG zu denken). Es ist ihnen die Ausübung jener Rechte zu ermöglichen, die ihnen auch zuteil würden, wenn das Baugesuch für den Alternativstandort eingereicht worden wäre. Dies bedeutet auch, dass die Gemeinde das Verfahren für ursprünglich im Baugesuch bezeichnete Standorte nicht vorab erledigen darf und rechtskräftige Entscheide über nur einzelne Standorte zu verhindern hat. Vielmehr hat sie die Beurteilung sämtlicher in Frage stehender Standorte unter Beachtung der Rechtsgleichheit in demselben for- mellen Entscheid gleichzeitig zu eröffnen und dazu entsprechende Massnahmen der Verfahrenskoordination vorzunehmen. 5. 5.1. Im vorliegenden Fall stellt sich ferner die Frage, ob der Ge- meinderat gestützt auf § 26 EG UWR trotz innerhalb der Bauzone anbegehrten Standorts auch einen solchen ausserhalb der Bauzone (hier auf dem Hochspannungsmast Nr. ...) in die Standortprüfung einbeziehen durfte. Auf dem rund 200 m vom ersuchten Standort entfernten Mast sind unbestrittenermassen bereits die Antennenanla- gen der anderen Betreiberinnen errichtet. 5.2. Der Beschwerdeführerin ist ohne weiteres darin zuzustimmen, dass die kantonalrechtlich vorgeschriebene Evaluation des bestge- eigneten Standorts nicht die Grenze zwischen Bau- und Nichtbauge- biet aufheben kann. Zum Vornherein steht fest, dass nicht auf einen Alternativstandort ausserhalb der Bauzone ausgewichen werden 2012 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 121 kann, wenn für die Anlage keine bundesrechtlich geregelte Ausnah- mebewilligung im Sinne von Art. 24 RPG erteilt werden könnte. Dies trifft namentlich zu, wenn es ihr an der erforderlichen Standort- gebundenheit (Art. 24 lit. a RPG) fehlt. Mobilfunkanlagen aber sind in der Bauzone zonenkonform, soweit sie der Abdeckung dienen (BGE 133 II 353, Erw. 4.2). In der Regel sind sie nicht auf einen Standort ausserhalb der Bauzone angewiesen und dort entsprechend nicht bewilligungsfähig. Als Ausnahme vorbehalten sind Deckungs- oder Kapazitätslücken, welche aus funktechnischen Gründen mit einem oder mehreren Standorten innerhalb der Bauzone nicht genü- gend beseitigt werden können (BGE 133 II 321, Erw. 4.3.3; Urteil des Bundesgerichts vom 29. Januar 2009 [1C_345/2008], Erw. 2.3 mit Hinweisen). Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung können Mobilfunkantennen ausserhalb der Bauzone aber auch darüber hinaus unter besonderen qualifizierten Umständen ausnahmebewilli- gungsfähig sein: Werden sie nämlich auf bereits bestehenden Bauten und Anlagen (insbesondere Antennen- und Hochspannungsmasten) angebracht und nehmen folglich - im Unterschied zu anderen Bauten und Anlagen - kein neues unüberbautes Nichtbauzonenland in An- spruch, kann sich eine Mobilfunkantenne ausserhalb der Bauzone dann als standortgebunden im Sinne von Art. 24 lit. a RPG erweisen, wenn sich der Standort unter Abwägung aller Interessen gegenüber jenen innerhalb der Bauzone als wesentlich geeigneter erweist. Voraussetzung ist dabei, dass die Anlage keine erhebliche Zweck- entfremdung von Nichtbauzonenland bewirkt und nicht störend in Erscheinung tritt (Urteil des Bundesgerichts vom 28. August 2009 [1C_478/2008], Erw. 4.1; BGE 133 II 321, Erw. 4.3.3). Auch vorlie- gend steht mit dem vom Gemeinderat alternativ vorgeschlagenen Hochspannungsmasten eine bestehende Anlage zur Errichtung der Mobilfunkanlage in Frage, wobei offenbar aufgrund der Akten zu- mindest Aussicht auf eine Ausnahmebewilligung bestünde: Die Ab- teilung für Baubewilligungen des BVU jedenfalls führte in der Ver- nehmlassung vom 6. Oktober 2010 zu den entsprechenden Voraus- setzungen aus, dass eine Zweckentfremdung von Nichtbauzonenland oder eine störende Erscheinung der Antennenanlage wohl ausge- schlossen werde könne. 2012 Verwaltungsgericht 122 5.3. Danach bleibt zu prüfen, ob § 26 EG UWR den Einbezug von Alternativstandorten ausserhalb der Bauzone in die Standortprüfung nicht nur vor Einleitung des Verfahrens, sondern auch nach Ein- reichung eines ordentlichen Baugesuchs zulässt. Die Standortprüfung nach Art. 24 RPG und jene gemäss § 26 EG UWR beruhen auf un- terschiedlichen Rechtsgrundlagen. Offen gelassen werden kann je- doch, ob sich im Sinne der Vorinstanzen die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu ausserhalb der Bauzone beantragten Ausnahme- bewilligungen auf § 26 EG UWR übertragen lässt, dergemäss - für die Standortprüfung im Rahmen von Art. 24 RPG - sowohl Standorte innerhalb wie ausserhalb der Bauzone zu berücksichtigen sind (BGE 133 II 409, Erw. 4.2.; BGE 133 II 321, Erw. 4.3.3; Urteil des Bundesgerichts vom 24. April 2012 [1C_405/2011], Erw. 3.1). § 26 EG UWR jedenfalls enthält keine Einschränkung der Standortprü- fung auf das Baugebiet für den Fall der Einreichung eines ordentli- chen Baugesuchs. Soweit wie hier eine Installation auf bestehenden Antennenstandorten ausserhalb des Siedlungsgebiets in Frage steht, kann der entsprechende Standort folglich (unter Voraussetzung der Bewilligungsfähigkeit) durchaus einbezogen werden (vgl. auch Wittwer, a.a.O., S. 119). Zu beachten sind aber insbesondere die im vorliegenden Entscheid statuierten Grundsätze der Verfahrensfüh- rung (siehe oben, Erw. 4.3). Ferner bedeutet dies zum Vornherein nicht, dass die Mobilfunkbetreiberinnen Standorte ausserhalb der Bauzone aus eigener Initiative zu evaluieren verpflichtet sind. Demgemäss ist für das vorliegende Bauvorhaben zu evaluieren, ob der alternative Standort auf dem Hochspannungsmast oder der von der Beschwerdeführerin beantragte Standort sich als geeigneter erweist.
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2002 Verwaltungsgericht 200 [...] 61 Einweisung zur Untersuchung; Abklärungsauftrag; Zwangsmassnahmen grundsätzlich nicht zulässig. - wird eine Einweisung zur Untersuchung angeordnet, ist das Ergebnis der Untersuchung der Einweisungsbehörde sofort mitzuteilen, damit diese die definitive Anstaltsunterbringung oder die Entlassung des Be- troffenen verfügt. - Einweisung zur Untersuchung nur mit konkretem Abklärungsauftrag zulässig. - bei einer Einweisung zur Untersuchung steht noch nicht fest, ob die Voraussetzungen für eine fürsorgerische Freiheitsentziehung gegeben sind, weshalb Zwangsmassnahmen bei der Einweisung zur Untersu- chung grundsätzlich nicht zulässig sind. Verfügung des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 6. Februar 2002 in Sachen F.S. gegen Verfügung des Bezirksarztes L. und Entscheid der Klinik Königsfelden. Aus den Erwägungen: A. Der Bezirksarzt hat die Zurückbehaltung des Beschwerde- führers in der PKK zur Untersuchung angeordnet. Nach § 67d EG ZGB ist eine Einweisung (oder Zurückbehaltung) zur Untersuchung möglich, wenn genügend objektive Anhaltspunkte vorliegen, wonach eine fürsorgerische Freiheitsentziehung überhaupt ernsthaft in Betracht kommt. Im Weiteren ist erforderlich, dass der für die Ein- weisung zuständigen Behörde noch wesentliche Grundlagen für einen definitiven Einweisungsentscheid fehlen, dass die Klinik über das notwendige Fachwissen verfügt, um die verlangte Untersu- chung/Abklärungen vorzunehmen, und dass die Untersuchung nicht ambulant durchgeführt werden kann (AGVE 1983, S. 108 ff.; 1984, S. 216 f.; 1995, S. 248). Die Untersuchung muss möglichst zügig 2002 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 201 durchgeführt werden (§ 67d Abs. 3 EG ZGB; AGVE 1989, S. 186), das Ergebnis der Untersuchung ist der Einweisungsbehörde sofort mitzuteilen und diese hat darauf unverzüglich entweder die definitive Anstaltsunterbringung zu verfügen oder den Betroffenen zu entlassen (AGVE 1984, S. 217; 1994, S. 351). B. Welche Grundlagen der Einweisungsbehörde noch fehlen, kann nur diese selbst bestimmen. Sie muss deshalb bei einer Einwei- sung zur Untersuchung genau und eindeutig festhalten, was zu unter- suchen bzw. abzuklären ist (AGVE 1994, S. 351). Ohne einen kon- kreten Abklärungsauftrag an die PKK ist die Einweisung zur Unter- suchung unvollständig und muss aus diesem Grund aufgehoben werden. Allerdings ist es sachgerecht, der Einweisungsbehörde zunächst eine kurze Frist zur Verbesserung einzuräumen. C. Zwangsmassnahmen dürfen nur im Rahmen einer fürsorgeri- schen Freiheitsentziehung angeordnet und vorgenommen werden (§ 67 e bis Abs. 3 EG ZGB). Bei einer Einweisung zur Untersuchung steht gerade noch nicht fest, ob die Voraussetzungen für eine (de- finitive) fürsorgerische Freiheitsentziehung und damit für eine Zwangs behandlung gegeben sind. Dies spricht dagegen, Zwangs- massnahmen auch bei einer Einweisung zur Untersuchung als zuläs- sig zu erachten. Vielmehr bleiben die Möglichkeiten der PKK - wie auch sonst, wenn sich Personen in der Klinik befinden, ohne dass bereits eine fürsorgerische Freiheitsentziehung verfügt wurde - auf die Anordnung von Notfallmassnahmen beschränkt.
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2009 Bau-,Raumplanungs-undUmweltschutzrecht 169 [...] 33 Überbautes Gebiet; Enteignung; Zuweisung zum Baugebiet - Baulücke, weitgehend überbautes Gebiet - Siedlungszusammenhang im ländlichen Raum Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 19. Januar 2009 in Sachen W.M. gegen Schätzungskommission (WBE.2008.103). Aus den Erwägungen 3. 3.1. Im neuen Zonenplan wurde die Parzelle Nr. Z. mit rund 1,3 ha der Zone W3, 2. Etappe, und teilweise der Uferschutzzone sowie mit ca. 0,3 ha der OE zugewiesen. Eine Fläche von rund 0,09 ha in der Uferschutzzone wurde im Jahre 2003 an den Kanton abgetreten. Die verbleibenden Flächen im Baugebiet unterliegen besonderen Son- dernutzungsplanpflichten gemäss § 16 Abs. 2 und 3 BNO betreffend Erschliessung und gemäss § 21 Abs. 2 BNO betreffend Gestaltungs- plan. Die "Bleiwiese" ist unüberbaut und grenzt im Osten und Nor- den unmittelbar an Parzellen, die in der W3 oder in der Dorfzone 2009 Verwaltungsgericht 170 (DZ) liegen. Im weiteren Umkreis befinden sich überbaute Grund- stücke in der Wohnzone 2 (W2), in der Ein- und Zweifamilienhaus- zone (E2) sowie in der OE. Nach Westen grenzt die Parzelle an die Surb und die Surbtalstrasse. Entlang der Surb wird die Bauzonen- grenze durch die Uferschutzzone bestimmt. Jenseits der Surb bzw. der Surbtalstrasse befinden sich weitere Parzellen der Gewerbezone, der Wohn- und Gewerbezone (WG), der W2 und der DZ. Die ge- nannten Parzellen in der (näheren und weiteren) Umgebung der "Bleiwiese" sind mehrheitlich überbaut, wobei entlang der Surbtal- strasse eine Bautiefe in der Zone W2 lärmvorbelastet und nicht über- baut ist. Die Parzelle des Beschwerdeführers grenzt lediglich an ihrer nordwestlichen Ecke an einen schmalen Streifen Landwirt- schaftsland. Die Parzelle ist nahe dem Dorfzentrum und wird heute noch landwirtschaftlich genutzt. Die Zuweisung zum Baugebiet im Rahmen der Nutzungspla- nung 1994/96 führt nicht gleichsam "automatisch" dazu, dass in ent- eignungsrechtlicher Hinsicht von einem Einzonungsgebot auszuge- hen ist. Vielmehr ist aus der Retrospektive zu beurteilen, ob eine Einzonung am massgebenden Stichtag (5. März 1996) nach den Be- stimmungen des RPG zu erwarten war (BGE 132 II 218 Erw. 2.3.1). 3.2. Von einem Einzonungsgebot, das eine Entschädigungspflicht auslöst, ist u.a. dann auszugehen, wenn sich das fragliche Grund- stück im weitgehend überbauten Gebiet befindet. Der bundesrechtli- che Begriff des weitgehend überbauten Gebiets im Sinne von Art. 15 lit. a RPG bezeichnet im Wesentlichen den geschlossenen Siedlungs- bereich mit eigentlichen Baulücken (...; vgl. dazu BGE 1C_111/2009 Erw. 3.1 - 5 [auszugsweise unten abgedruckt] und BGE 132 II 218 Erw. 4 mit zahlreichen Hinweisen; BGE 122 II 455 Erw. 6.a; AGVE 2003, S. 235 f.; AGVE 2003, S. 235 f.) 3.3. Die Siedlungsqualität einer unüberbauten Fläche wird von der sie umgebenden Überbauung umso weniger beeinflusst, je grösser sie ist. Bei der quantitativen Betrachtungsweise sind sodann städti- sche und ländliche Verhältnisse zu unterscheiden (Alexandre Flückiger, in: Heinz Aemisegger / Alfred Kuttler / Pierre Moor / 2009 Bau-,Raumplanungs-undUmweltschutzrecht 171 Alexander Ruch [Hrsg.], Kommentar zum Bundesgesetz über die Raumplanung [RPG-Kommentar], Zürich 1999, Art. 15 N 63 FN 108). In ländlichen Verhältnissen - die Gemeinde X. ist eine Ge- meinde im ländlichen Raum (vgl. Richtplantext 1996, Kapitel S 1.1 Beschluss 1.1) - hat das Verwaltungsgericht in seiner Rechtspre- chung in Bezug auf eine auf drei Seiten von Bauzonen umgebene Fläche von ca. 1,2 ha das Vorliegen einer Baulücke unter anderem mit dem Hinweis auf die Grösse und die fehlende Prägung durch die umliegenden Bauten verneint (VGE IV/33 vom 5. Juli 2000 [BE.1998.00072], S. 9 f.). Den Baulückencharakter ebenfalls abge- sprochen hat das Verwaltungsgericht sodann Flächen von rund 0,8 ha (VGE IV/17 vom 22. Juni 1998 [BE.1996.00336], S. 8 f.), 1,5 ha (VGE IV/18 vom 22. Juni 1998 [BE.1996.00327], S. 9 f.), ca. 2,5 ha (VGE III/49 vom 30. Juni 1997 [BE.1995.00021], S. 9 f.) oder 2,7 ha (VGE IV/63 vom 24. November 2000 [BE.1997.00100], S. 10 f.) sowie 2,2 ha (VGE IV/48 vom 24. August 2001 [BE.1999.00157], S. 11 ff.; siehe hiezu BGE vom 22. Januar 2002 [1P.692/2001], Erw. 3, in: ZBl 2003, S. 651 ff.). In einer Agglomerationsgemeinde wurde eine Baulücke für eine Grundstücksfläche von 0,9 ha bejaht, weil die umliegenden Gebäude und die Erschliessungsanlagen der strittigen Fläche einen eigenständigen Charakter nahmen (AGVE 2003, S. 235 ff.). Das Bundesgericht scheint in seiner neueren Recht- sprechung die im erwähnten BGE vom 22. Januar 2002 als Richt- schnur angeführte (Maximal-) Grösse für eine Baulücke von 1 ha (siehe Erw. 3.4.1 des genannten BGE) zu relativieren (BGE 132 II 218 Erw. 4.2.5; BGE vom 24. November 2006 [1A.126/2006], Erw. 4; BGE vom 4. November 2003 [1A.72/2003], Erw. 4.1.1; vgl. hiezu die Kritik von Rudolf Kappeler, Die bundesgerichtliche Ent- schädigungspraxis bei materieller Enteignung infolge Bauverbotszo- nen, Zürich / St. Gallen 2007, Rz. 106 f.). Allein die Grösse des Grundstücks von 1,66 ha spricht vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtsprechung gegen die Annahme einer Baulücke, weshalb das Verwaltungsgericht die vorinstanzliche Feststellung einer Baulücke nicht teilen kann. Die "Bleiwiese" ist eher eine "grössere unüberbaute Fläche im Siedlungsgebiet" 2009 Verwaltungsgericht 172 (BGE vom 24. August 2004 [1A.21/2004], Erw. 3.7.1; BGE vom 4. November 2003 [1A.72/2003], Erw. 4.1.1). Der Siedlungszusammenhang und der Siedlungscharakter sprechen nicht zwingend für eine Zuweisung zum Baugebiet. Das Siedlungsgebiet der Gemeinde X. konzentriert sich um die zwei (historischen) Dorfkerne, Ober- und Unter-Gemeinde X.. Nebst der peripher gelegenen Wohnzone E im Gebiet "Steigächer" und der Ge- werbezone "Unterwiese" sowie den Weilern ("Degernmoos", "Vogel- sang", "Himmelrich", "Husen") hat sich das Siedlungsgebiet, wie dies bei Strassendörfern im Aargau typisch ist, zwischen den beiden Dorfzentren und entlang der Kantonsstrasse (Surbtalstrasse) ausge- dehnt. Jenseits der Surbtalstrasse ist das (lärmvorbelastete) Gebiet nicht überbaut. Die Surb und die Surbtalstrasse trennen das Sied- lungsgebiet zwischen Ober- und Unter-Gemeinde X.. Diese Tren- nungsfunktion, welche auch mit der Uferschutzzone Eingang in die Planung gefunden hat, hat auch für das Gebiet "Bleiwiese" eine landschaftsfunktionale Prägung. Die isolierte, inselartige Gewerbe- zone ist relativ klein, und seine Bauten prägen die "Bleiwiese" nicht. Eine relevante Prägung vermag auch der Gärtnereibetrieb als Ein- zelbaute im Norden nicht zu vermitteln. Gleiches gilt für die eher lockere Überbauung im nach Osten und Norden angrenzenden Bau- gebiet. Die Dorfzone wiederum ist kompakt und beschränkt auf den eigentlichen Dorfkern von Ober-Gemeinde X.. Die "Bleiwiese" prä- sentiert sich nicht als isolierte Insel im Siedlungsgebiet, und der Nähe zum Dorfzentrum von Ober-Gemeinde X. kommt angesichts der ländlichen Siedlungsstruktur keine entscheidende Bedeutung zu (siehe hiezu BGE vom 11. November 1997 [1A.200/1997], Erw. 4.c, in: ZBl 1999, S. 38). In der Praxisarbeit des Gemeindeschreibers, die vom Gemeinderat den Grundeigentümern als gute Grundlage für eine künftige Erschliessung im Gebiet "Bleiwiese" zugestellt wurde, wird auf die Bedeutung von Grünflächen und Parkanlagen innerhalb des Siedlungsgebiets hingewiesen. Sodann verlangen auch die Ge- staltungsplanvorschriften für die "Bleiwiese" in § 21 Abs. 2 BNO zusammengefasste Freiräume und deren sorgfältige Gestaltung. Es kann jedenfalls nicht gesagt werden, dass die "Bleiwiese" von der sie umgebenden Überbauung vor allem mit Einfamilienhäusern in einer 2009 Bau-,Raumplanungs-undUmweltschutzrecht 173 Weise geprägt würde, dass nur eine Zuweisung zu einer Bauzone in Betracht käme. Für eine eigenständige gestalterische Funktion sprechen - nebst der Uferschutzzone - die planerischen Entwick- lungsvorstellungen der Gemeinde X.. Die Etappierung der Bauzone erfolgte zur Koordination der Siedlungsentwicklung und zur Siche- rung des Handlungsspielraums für eine künftige kontinuierliche bau- liche Entwicklung, und die Gestaltungsplanvorschriften sind in der Bedeutung der "Bleiwiese" für die Gemeinde begründet. Nach der Zuweisung einer grösseren Fläche der "Bleiwiese" in die W3 steht für die "zusammengefassten" Freiräume nach den Gestaltungsplan- vorschriften bzw. die Grünflächen oder Parkanlagen insbesondere die Teilfläche in der OE im Vordergrund, so dass mit Bezug auf diese Teilfläche auch eine landschafts- bzw. siedlungsgestalterische Funk- tion gegen die zwingende Zuweisung zum Baugebiet spricht (siehe BGE 116 Ia 335 Erw. 4; BGE vom 22. Januar 2002 [1P.692/2001], Erw. 3.4.1, in: ZBl 2003, S. 652). Die Erschliessung ist auf das Ende der Planungsperiode vorgesehen, und die "Bleiwiese" wird als lang- fristige Baulandreserve behandelt. Angesichts des Reservecharakters wäre damit auch eine Zuweisung zu einer Übergangszone gemäss § 170 Abs. 2 BauG planungsrechtlich nicht zu beanstanden (siehe hiezu VGE IV/48 vom 24. August 2001 [BE.1999.00157], S. 8 ff.). 4. 4.1. Die Vorinstanz hat festgehalten, der "Bleiwiese" fehle es an ei- ner genügenden verkehrsmässigen Erschliessung. Die Weidstrasse, die an das Grundstück des Beschwerdeführers heranführe, entspreche mit rund 3,5 m Breite und einer blossen Oberflächenteerung den Vorgaben der Vereinigung Schweizerischer Strassenfachleute (VSS) nicht. Zudem sei die Wasserversorgung nicht gesichert. Der nächst- gelegene Hydrant stehe auf Parzelle Nr. Z.. Sodann gebe es eine Wasserleitung in der Bodenstrasse, an die aber nur unter Inan- spruchnahme eines Durchleitungsrechts über eines der Nachbar- grundstücke angeschlossen werden könnte. Auch für die abwasser- mässige Erschliessung müsste privates Land in Anspruch genommen werden. Zusammenfassend hält die Vorinstanz fest, die "Bleiwiese" sei ungenügend erschlossen. 2009 Verwaltungsgericht 174 Was den Kanalisationsanschluss anbelangt, so liegt der nächste Kanalisationsanschlusspunkt gemäss dem Generellen Entwäs- serungsplan (GEP) der Gemeinde X., Stand November 2003, in der nordwestlichen Ecke der "Bleiwiese". Die (umstrittene) Frage, ob die 30-jährige Leitung genügend Kapazität aufweist, d.h. ob sie den Anforderungen der Gewässerschutzgesetzgebung entspricht, kann offen gelassen werden, da die Voraussetzungen der groben Erschlos- senheit und der getätigten Investitionen (siehe hinten Erw. 4.2) oh- nehin nicht erfüllt sind, die drei Erfordernisse aber kumulativ vor- liegen müssen. 4.2. In Bezug auf die Frage nach den für die Erschliessung und Überbauung seines Lands getätigten Investitionen, äusserte sich der Beschwerdeführer anlässlich des Augenscheins der Vorinstanz wi- dersprüchlich: Einerseits stellte er sich auf den Standpunkt, er habe in sein Land investiert, andererseits führte seine Rechtsvertreterin aber aus, der Beschwerdeführer habe noch keine Vorfinanzierung der Erschliessung geleistet. Der Beschwerdeführer hat nicht näher definiert, worin die von ihm geltend gemachten Investitionen liegen. Mangels gegenteiligen Nachweises ist daher mit der Vorinstanz da- von auszugehen, dass allfällige Aufwendungen angesichts der Tatsa- che, dass die Parzelle Nr. Z. bei weitem nicht erschlossen ist, kein erhebliches Ausmass angenommen haben. 4.3. Der Beschwerdeführer macht auch vor Verwaltungs- und Bun- desgericht nicht geltend, sein Grundstück sei im Zeitpunkt der Rechtskraft der Nutzungsplanung 1994/1996 erschlossen gewesen bzw. dass ihm die zur Erreichung der Erschliessung erforderlichen Rechte von Dritten abgetreten worden sind. Ebenso wenig werden die Feststellungen der Vorinstanz zu den fehlenden Investitionen und zu den Rechtswirkungen der Sondernutzungsplanung, sowie den erforderlichen Hochwasserschutzmassnahmen beanstandet. 5. (...) 6. Die unüberbaute Parzelle des Beschwerdeführers kann aufgrund ihrer Grösse (ca. 1,66 ha) und ihrer Lage nicht als Baulücke bezeich- 2009 Bau-,Raumplanungs-undUmweltschutzrecht 175 net werden. Der Beschwerdeführer macht auch nicht geltend, er- hebliche Kosten für die Erschliessung oder Überbauung seiner Par- zelle aufgewendet zu haben. Sodann sind auch keine besonderen Vertrauenstatbestände erkennbar, auf deren Grundlage der Be- schwerdeführer mit einer Einzonung des Grundstücks in die Bauzone hätte rechnen können. Die Ausführungen der Vorinstanz, wonach der Beschwerdefüh- rer die Parzelle Nr. Z. - infolge der ungenügenden Erschliessung und der fehlenden erheblichen Aufwendungen - nicht aus eigener Kraft innert absehbarer Frist hat erschliessen und überbauen können, ist daher im Ergebnis nicht zu beanstanden. Auch wenn aufgrund der unbestrittenen Erschliessungspflicht der Gemeinde X. innerhalb der Planungsperiode eine Erschliessung vorgesehen ist, ist vorliegend ein Realisierungszeitpunkt unter zehn Jahren auszuschliessen, weshalb auch das Erfordernis einer Überbauung in "naher Zukunft" nicht er- füllt ist. Die "Bleiwiese" hätte somit anlässlich der Nutzungsplanung 1994/96 entschädigungslos einer Nichtbauzone zugewiesen werden dürfen, weshalb auch die Zuweisung der Teilfläche von 0,3 ha in die OE, welcher überdies auch landschafts- bzw. siedlungsgestalterische Funktion zukommt (siehe vorne Erw. 3.3), keine materielle Enteig- nung begründen kann. Die Begehren um Entschädigung für materielle Enteignung hin- sichtlich der Zuweisung der Teilfläche zur Zone OE ist daher abzu- weisen. (Hinweis: Das Bundesgericht hat die Beschwerde gegen das Urteil vom 19. Januar 2009 mit Entscheid vom 6. Juli 2009 abgewie- sen [1C_111/2009]. Aus den Erwägungen: 3.3. Die Ausführungen (des Verwaltungsgerichts) lassen keine Ver- letzung von Bundesrecht erkennen. Sowohl die Grösse des unüber- bauten Gebiets (insgesamt 1.6 ha) als auch seine Lage an der Surb und der Surbtalstrasse, an der Trennlinie zwischen den beiden histo- rischen Siedlungsgebieten der Gemeinde X., sprechen für eine eigen- ständige Bedeutung dieser unüberbauten Fläche und damit gegen das Vorliegen einer Baulücke. 2009 Verwaltungsgericht 176 4. Das Verwaltungsgericht hat weiter festgehalten, dass die Blei- wiese zum Stichtag nicht grob erschlossen war und der Beschwerde- führer auch nicht nachgewiesen habe, erhebliche Investitionen für die Erschliessung und Überbauung seines Landes aufgewendet zu haben. 4.1. Der Beschwerdeführer bringt dagegen nur vor, dass eine Er- schliessung möglich gewesen sei, nicht aber, dass sie bereits bestand. Soweit er der Gemeinde X. vorwirft, ihrer Erschliessungspflicht nicht nachgekommen zu sein, kann auf den Rückweisungsentscheid vom 14. März 2008 verwiesen werden. 4.2. Hinzu kommt, dass die Parzelle Nr. Z. am Stichtag (März 1996) stark hochwassergefährdet war. Noch heute, nach den im Jahr 2003 von Kanton und Gemeinde durchgeführten Hochwasserschutzmass- nahmen, weist die Bleiwiese ein Schutzdefizit auf und wurde deshalb von der Schätzungskommission als nicht baureif betrachtet. )
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2013 Personalrecht 327 [...] 52 Besoldung von Lehrpersonen; Aufschub der Mutterschaftsentschädigung bei längerem Spitalaufenthalt des Neugeborenen - Während dem Aufschub der Mutterschaftsentschädigung besteht nach Massgabe des GAL sowie dessen Folgeerlassen kein Anspruch auf eine Lohnfortzahlung für die Mutter, die ihrerseits krank ist und/oder deren ständige Verfügbarkeit zugunsten des Kindes gewährleistet sein muss. - Die Beurteilung, ob für die Lehrpersonen die Minimalansprüche des Schweizerischen Obligationenrechts eingehalten sind (§ 4 Abs. 3 GAL), darf sich nicht auf eine isolierte Betrachtung beschränken (Erw. 6.). 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 328 Urteil des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 8. November 2013 i.S. K.B. gegen Kanton Aargau (WKL.2013.15). Aus den Erwägungen II. 1. Die Tochter der Klägerin wurde am 20. September 2012 gebo- ren. Gemäss dem Bericht des Kantonsspitals X. vom 24. Januar 2012 war sie aufgrund einer extremen Frühgeburt bis am 24. Januar 2013 auf der Neonatologie hospitalisiert. Die tägliche Anwesenheit und zeitgerechte Verfügbarkeit der Mutter resp. der Eltern war dringend erforderlich. Mit ärztlichem Zeugnis des Kantonsspitals X. vom 23. Oktober 2012 wurde der Klägerin infolge Krankheit vom 20. September 2012 bis zum 27. Dezember 2012 eine Arbeitsunfähigkeit von 100 % at- testiert. 2. 2.1. Gemäss § 18 GAL richtet sich der Anspruch auf Lohn, Lohn- fortzahlung, Entschädigungen und Vorsorgeleistungen nach den De- kreten des Grossen Rates. Sowohl zur Lohnfortzahlung bei Krank- heit als auch zur Entschädigung während des Mutterschaftsurlaubs enthält das LDLP diverse Bestimmungen (vgl. insbesondere §§ 19 ff.). Der Aufschub des Mutterschaftsurlaubs wird darin nicht thematisiert. 2.2. § 43 VALL ("Urlaub bei Schwangerschaft und Mutterschaft") lautet wie folgt: " 1 Lehrerinnen haben Anspruch auf Schwangerschafts- und Mutterschaftsurlaub während 13 Schulwochen. 2 Mindestens 14 Wochen des bezahlten Schwangerschafts- und Mutterschaftsurlaubs sind ab der Niederkunft zu beziehen. Er wird durch die in den Urlaub fallenden Schulferien entsprechend verlängert. 2013 Personalrecht 329 2bis Schiebt die Lehrerin den Anspruch auf Mutterschaftsent- schädigung gemäss Art. 16c Abs. 2 des Bundesgesetzes über den Erwerbsersatz für Dienstleistende und bei Mutterschaft (Erwerbs- ersatzgesetz, EOG) vom 25. September 1952 zufolge längeren Spitalaufenthalts des Neugeborenen auf, wird der bezahlte Urlaub unterbrochen. Für die betreffende Zeit ist unbezahlter Urlaub zu beziehen. 3 Während des Schwangerschafts- und Mutterschaftsurlaubs und den davon berührten Schulferien ruhen die dem Berufsauf- trag zugrunde liegenden Pflichten." Unter unbezahltem Urlaub (vgl. Art. 43 Abs. 2 bis VALL) ver- steht man die vorübergehende Suspendierung von der Arbeitspflicht einerseits und der Lohnzahlungspflicht andererseits. Das Arbeitsver- hältnis besteht auch während des unbezahlten Urlaubs; der Anspruch auf Lohnfortzahlung entfällt jedoch (vgl. zum Ganzen U LLIN S TREIFF / A DRIAN VON K AENEL /R OGER R UDOLPH , Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319-362 OR, 7. Auflage, Zürich 2012, Art. 329a N 11). Wird die Bestimmung in Art. 43 Abs. 2 bis VALL entsprechend ihrem Wortlaut angewandt, so hat folglich die Klägerin für die Zeit zwischen der Geburt ihres Kindes und dessen Spital- entlassung keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung gegenüber ihrem Arbeitgeber. 2.3. § 34a PLV enthält für das Verwaltungspersonal folgende Rege- lung: " 1 Mindestens 14 Wochen des bezahlten Schwangerschafts- und Mutterschaftsurlaubes sind ab der Niederkunft zu beziehen. 2 Schiebt die Mitarbeiterin den Anspruch auf die Mutter- schaftsentschädigung gemäss Art. 16c Abs. 2 EOG zufolge längeren Spitalaufenthaltes des Neugeborenen auf, wird der bezahlte Urlaub unterbrochen. Für die betreffende Zeit sind Überstunden zu kompensieren, Ferien zu beziehen, positive Gleitzeitsaldi abzubauen, oder es ist unbezahlter Urlaub zu beziehen." 3. (...) 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 330 4. 4.1. Gestützt auf Art. 16b ff. EOG haben alle erwerbstätigen Mütter für eine Dauer von 14 Wochen ab dem Zeitpunkt der Geburt An- spruch auf eine Mutterschaftsentschädigung in Form eines Taggelds. Die Einführung der Mutterschaftsentschädigung im Jahre 2005 dient der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die Finanzierung erfolgt über Beiträge der Arbeitgeber und Arbeitnehmer an die Er- werbsersatzordnung (EO) (vgl. zum Ganzen BBl 2002, S. 7523 ff. [Parlamentarische Initiative Revision Erwerbsersatzgesetz. Auswei- tung der Erwerbsersatzansprüche auf erwerbstätige Mütter. Bericht der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des National- rates vom 3. Oktober 2002]). Art. 16h EOG sieht vor, dass die Kantone höhere oder längere Mutterschaftsentschädigungen vorsehen können (Art. 16h EOG). Der Kanton Aargau hat darauf verzichtet, eine entsprechende Regelung zu treffen. Zum Verhältnis zum Lohnfortzahlungsanspruch nach OR wird im erwähnten Kommissionsbericht Folgendes vermerkt (BBl 2002, S. 7550): "Der Entschädigungsanspruch während des Mutterschafts- urlaubs richtet sich neu nach dem EOG. Artikel 324a Absatz 3 OR hat für die Zeit nach der Niederkunft keine Bedeutung mehr und wird so angepasst, dass er sich nunmehr ausschliesslich auf Ar- beitsverhinderungen infolge von Schwangerschaft der Arbeitneh- merin bezieht." 4.2. Der Entschädigungsanspruch entsteht grundsätzlich am Tag der Niederkunft (Art. 16c Abs. 1 EOG). Bei längerem Spitalaufenthalt des neugeborenen Kindes kann die Mutter beantragen, dass die Mut- terschaftsentschädigung erst ausgerichtet wird, wenn das Kind nach Hause kommt (Art. 16c Abs. 2 EOG). Dabei muss durch ein Arzt- zeugnis nachgewiesen werden, dass das Neugeborene kurz nach der Geburt mindestens drei Wochen im Spital verbleiben muss (Art. 24 Abs. 1 lit. b EOV). 2013 Personalrecht 331 Im erwähnten Kommissionsbericht (BBl 2002, S. 7545 f.) wird zum Thema Aufschub des Mutterschaftsurlaubs Folgendes ausge- führt: "Der Mutterschaftsurlaub soll nicht nur zur Erholung der Mutter von Schwangerschaft und Niederkunft dienen, sondern ihr auch die nötige Zeit einräumen, sich in den ersten Monaten in- tensiv um ihr Neugeborenes zu kümmern. Muss jedoch das Kind nach der Geburt aus gesundheitlichen Gründen länger im Spital bleiben, würde sich die Zeitspanne des Mutterschaftsurlaubs ver- kürzen, in der sich die Mutter zuhause um das Kind kümmern könnte. In diesen Fällen soll der Mutter die Möglichkeit einge- räumt werden, den Entschädigungsanspruch des Kindes aufzu- schieben, bis dieses das Spital verlassen kann. Der Mutterschafts- urlaub ist aber auch in diesem Fall auf maximal 14 Wochen (98 Tage) nach Anspruchsbeginn beschränkt. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass sich bei dieser Regelung wegen des vom Arbeitsgesetz vorgeschriebenen 8-wöchigen Arbeitsverbots für die Mutter in gewissen Fällen Einkommenslücken ergeben kön- nen, da ja die EO während dem Aufschub keine Leistungen er- bringt und eine Lohnfortzahlung nicht in jedem Fall gesichert ist." 4.3. Gestützt auf die obigen Erwägungen ergibt sich, dass die Kläge- rin für die Zeit zwischen Geburt und Beginn des aufgeschobenen Mutterschaftsurlaubes keine Mutterschaftsentschädigung geltend ma- chen kann. Tatsächlich ist dies zwischen den Parteien unbestritten. Zu prüfen bleibt im Folgenden die Frage, ob gestützt auf das kantonale Personalrecht - entgegen dem Wortlaut von § 43 Abs. 2 bis VALL (vgl. Erw. II/2.2) - ein Anspruch auf Lohnfortzahlung besteht, wenn der Beginn des Mutterschaftsurlaubes hinausgeschoben wird und in der Zwischenzeit die Mutter krank und/oder das Kind auf die zeitgerechte Verfügbarkeit der Mutter angewiesen ist. 5. 5.1. § 4 Abs. 3 GAL lautet wie folgt: "Die Minimalansprüche zum Schutz der Lehrpersonen ent- sprechen denjenigen des Schweizerischen Obligationenrechts und 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 332 sind in jedem Fall einzuhalten. Vorbehalten bleiben die Bestim- mungen in diesem Gesetz." Die Bestimmung ist identisch mit derjenigen in § 4 Abs. 3 PersG. 5.2. In der Botschaft des Regierungsrates des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 19. Mai 1999, 99.102, betreffend das Personal- gesetz wurde im Zusammenhang mit der erwähnten Formulierung in § 4 Abs. 3 PersG Folgendes festgehalten (S. 16): "Im Sinne einer Anpassung an das privatrechtliche Arbeits- recht werden diejenigen Bereiche, die zum Schutze der Arbeit- nehmerinnen und Arbeitnehmer der Disposition der Parteien ent- zogen sind, ebenfalls übernommen. Abs. 3 stellt dies sicher, in- dem er die zu Gunsten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufgestellten zwingenden Bestimmungen des Obligationenrechts als anwendbar erklärt. Das sog. OR-Minimum als Kernbestand des arbeitsrechtlichen Schutzprinzips soll vom Kanton als Arbeit- geber nur dann ausser Acht gelassen werden, wenn das Personal- recht für die zu entscheidende Einzelfrage ausdrücklich eine eigenständige Norm bereitstellt. (...)" Im Rahmen der parlamentarischen Beratung wurde die ur- sprüngliche Formulierung insofern verschärft, als nunmehr allfällige Abweichungen vom OR-Minimum nicht allgemein im Personalrecht, sondern im Personalgesetz selber ("... in diesem Gesetz.") vorgese- hen sein müssen (Protokoll der nichtständigen grossrätlichen Kom- mission Nr. 17 "Personalvorlagen" vom 3. Juni 1999, S. 41). Die entsprechende Formulierung findet sich auch in § 4 Abs. 3 GAL. In der diesbezüglichen Botschaft des Regierungsrates des Kantons Aar- gau an den Grossen Rat vom 24. Mai 2000, 00.187, wurde unter anderem ausgeführt (S. 16 f.), es liesse sich nicht rechtfertigen, wenn dem Staat als Arbeitgeber weniger als Privaten abverlangt würde, wenn nicht wichtige Gründe dafür vorlägen. 5.3. Gemäss Art. 362 OR darf unter anderem weder durch Abrede, Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag zuungunsten der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers von Art. 324a Abs. 1 und 3 2013 Personalrecht 333 OR (Lohn bei Verhinderung des Arbeitnehmers) abgewichen werden. Die letztgenannte Bestimmung gehört mithin zu den Minimalan- sprüchen gemäss OR, welche gemäss § 4 Abs. 3 GAL in jedem Fall - unter Vorbehalt abweichender Bestimmungen im GAL selber - ein- zuhalten sind. Der Beklagte bringt dagegen vor, das Personalgesetz und das GAL würden gestützt auf § 94 Abs. 1 KV die Grundzüge des Per- sonalrechts regeln. Demgegenüber habe der Grosse Rat in alleiniger Kompetenz gestützt auf § 82 Abs. 1 lit. e KV in LD und LDLP Bestimmungen betreffend den Lohn, Lohnfortzahlungsansprüche etc. erlassen. Daraus folgert der Beklagte, dass § 4 Abs. 3 GAL nicht auf Bereiche ausgedehnt werden dürfe, die in LD und LDLP geregelt seien. Vielmehr beziehe sich der Verweis nur auf die einschlägigen Regelungen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses; dies ergebe sich auch aus dem Anhang zum GAL. Im Übrigen überlasse das Bundesrecht (Art. 6 Abs. 1 ZGB) dem kantonalen Gesetzgeber die Regelung seiner öffentlich-rechtlichen Befugnisse. Diese Argumente vermögen nicht zu überzeugen. Der Verweis in § 4 Abs. 3 GAL auf das OR-Minimum ist grundsätzlicher Natur und enthält keine Einschränkung auf die Regelungen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses; der Anhang zum GAL bezieht sich auf § 7 (vgl. den expliziten Wortlaut dieser Bestimmung) und nicht auf § 4 Abs. 3 GAL. Im Weiteren kann vorliegend offen gelassen werden, ob und gegebenenfalls in welchem Masse der Grosse Rat - trotz seiner alleinigen Kompetenz zur Regelung der Besoldungsfragen - beim Erlass des LDLP an den Grundsatz in § 4 Abs. 3 GAL gebunden ist. Tatsache ist, dass der Grosse Rat bezüglich der vorliegend relevanten Frage einer allfälligen Lohnfortzahlungspflicht bei Aufschub des Mutterschaftsurlaubes gar keine Regelung getroffen hat; die massge- bende Bestimmung befindet sich vielmehr in § 43 Abs. 2 bis VALL. Der Regierungsrat ist beim Erlass des VALL, soweit das GAL und das LDLP (in Bezug auf Besoldungsfragen) nichts anderes vorsehen, selbstverständlich an die Vorgabe von § 4 Abs. 3 GAL gebunden. Gänzlich irrelevant ist im vorliegenden Zusammenhang Art. 6 Abs. 1 ZGB: Eine originäre Anwendbarkeit von 324a OR steht ausser Dis- kussion; es geht einzig um eine Anwendung kraft des Verweises in 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 334 § 4 Abs. 3 GAL. Verweise im öffentlichen Personalrecht auf das Privatrecht sind häufig und lassen sich grundsätzlich nicht beanstan- den. 6. 6.1. Die Beurteilung, unter welchen Voraussetzungen "die Minimal- ansprüche zum Schutz der Lehrpersonen" denjenigen des Obligati- onenrechts entsprechen (§ 4 Abs. 3 GAL), ist heikel. Die Frage- stellung erscheint ähnlich zu derjenigen, ob nach Massgabe von Art. 362 OR eine Regelung zugunsten oder zuungunsten der Arbeit- nehmenden ist (vgl. auch die Formulierung in Art. 324a Abs. 4 OR: "... wenn sie für den Arbeitnehmer mindestens gleichwertig ist."); in beiden Fällen erfolgt - nach Massgabe der Auswirkungen auf die Mitarbeitenden - ein Vergleich zwischen den arbeitsrechtlichen Bestimmungen des Obligationenrechts einerseits und einer hiervon abweichenden Lösung andererseits. Bezüglich Art. 362 OR werden folgende Gesichtspunkte als relevant angesehen (S TREIFF / VON K AENEL / R UDOLPH , a.a.O., Art. 362 OR N 3): Zunächst kommt es nicht auf die subjektive Meinung des Betroffenen an, sondern auf diejenige von normalen, loyalen Arbeitnehmenden. Es gilt mithin ein objektivierter Massstab. Sodann wird die Gleichwertigkeit nicht aufgrund der gegebenen, konkreten Situation beurteilt, sondern sie ist aus abstrakter Warte zu bestimmen. Schliesslich kommt es nicht auf einen Gesamtvergleich zwischen der gesetzlichen und der vertragli- chen Regelung an, aber auch nicht auf eine völlig isolierte Betrach- tungsweise nur einer einzigen Abmachung. Am angemessensten wird das Resultat, wenn man einen sog. Gruppenvergleich vornimmt und z.B. die Ferienregelung als Ganzes oder die Lohnfortzahlungsrege- lung als Ganzes betrachtet. 6.2. Gemäss § 19 Abs. 1 LDLP gilt bei nachgewiesener Arbeitsun- fähigkeit zufolge Krankheit und Unfall die Regel, dass der Lohn während sechs Monaten in vollem Umfang ausgerichtet wird. Der Arbeitgeber stellt bei Krankheit und Unfall die Lohnersatzleistung für weitere 18 Monate sicher (§ 19a Abs. 1 LDLP), wobei die Mitar- beitenden die Hälfte der dafür erforderlichen Prämien zahlen (§ 19a 2013 Personalrecht 335 Abs. 2 LDLP). Im Weiteren gilt der Grundsatz, dass während Mili- tär-, Zivilschutz-, Feuerwehrdienst und zivilem Ersatzdienst, zu wel- chem die Lehrpersonen aufgrund ihrer Einteilung und ihres Grads verpflichtet sind, der Lohn ausbezahlt wird (§ 20 Abs. 1 LDLP). Bei Schwangerschafts- und Mutterschaftsurlaub wird den betroffenen Lehrerinnen der bisherige Lohn während 13 Schulwochen bezahlt (§ 21 Abs. 1 LDLP); zusammen mit den anfallenden Schulferien er- geben sich in jedem Fall mindestens 16 Wochen Urlaub (Botschaft des Regierungsrates des Kantons Aargau an den Grossen Rat 17. De- zember 2003, 03.349, S. 45 f.) Art. 324a OR sieht in Bezug auf die Verhinderung der Arbeit- nehmerin bzw. des Arbeitnehmers infolge Krankheit, Unfall, Erfül- lung gesetzlicher Pflichten oder Ausübung eines öffentlichen Amtes im Grundsatz vor, dass der Arbeitgeber für eine beschränkte Zeit den darauf entfallenden Lohn zu entrichten hat (Abs. 1). Soweit durch Abrede, Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag nicht länge- re Zeitabschnitte bestimmt sind, so hat der Arbeitgeber im ersten Dienstjahr den Lohn für drei Wochen und nachher für eine angemes- sene längere Zeit zu entrichten (Abs. 2). Gemäss den diesbezüglich entwickelten Berner, Basler und Zürcher Skala (S TREIFF / VON K AENEL / R UDOLPH , a.a.O., Art. 324a/b OR N 7) wird ein Anspruch auf eine Lohnfortzahlung während mindestens 6 Monaten frühestens nach 20 Dienstjahren erreicht. Ist die Arbeitnehmerin bzw. der Ar- beitnehmer aufgrund gesetzlicher Vorschrift gegen die wirtschaftli- chen Folgen unverschuldeter Arbeitsverhinderung obligatorisch ver- sichert, so hat der Arbeitgeber den Lohn nicht zu entrichten, wenn die für die beschränkte Zeit geschuldeten Versicherungsleistungen mindestens vier Fünftel des darauf entfallenden Lohns decken (Art. 324b Abs. 1 OR). Sind die Versicherungsleistungen geringer, so hat der Arbeitgeber die Differenz zwischen diesen und vier Fünfteln des Lohnes zu entrichten (Abs. 2); werden die Versicherungsleis- tungen erst nach einer Wartezeit gewährt, so hat der Arbeitgeber für diese Zeit mindestens vier Fünftel des Lohnes zu entrichten (Abs. 3). In Bezug auf den Mutterschaftsurlaub ergibt sich aus Art. 324b OR insbesondere, dass grundsätzlich kein über die Leistungen nach EOG hinausgehender Anspruch besteht (eine Ausnahme besteht nament- 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 336 lich dort, wo der Maximalbetrag gemäss EOG von Fr. 196.00 pro Tag weniger als 80 % des Lohnes beträgt und folglich der Arbeit- geber zu einer entsprechenden Differenzzahlung verpflichtet ist). 6.3. Die Gegenüberstellung unter Erw. 6.2 zeigt, dass die Lohnfort- zahlungspflicht des Kantons gemäss §§ 19 ff. LDLP grundsätzlich deutlich weiter geht als diejenige nach OR. Dies gilt namentlich auch bei einer isolierten Betrachtung der Lohnfortzahlung bei Mutter- schaft, wird doch hier der volle Lohn (und nicht nur 80 % hiervon) über mindestens 16 (und nicht nur 14) Wochen entrichtet. Aufgrund dieser Ausgangslage kann vorliegend offen bleiben, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen bzw. in wel- chem Umfang im Privatrecht bei Aufschub des Mutterschaftsurlaubs eine Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers besteht (vgl. zur ent- sprechenden Kontroverse A NGELA H ENSCH , Sonderregelungen für schwangere und stillende Arbeitnehmerinnen im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis, in: AJP 2012, S. 1088 ff., Ziff. 3.2.1.4 mit zahlrei- chen Hinweisen). Selbst wenn eine entsprechende Pflicht zu bejahen wäre, vermöchte dies - da Frühgeburten mit langer Spitalbehandlung des Neugeborenen und/oder Krankheit der Mutter selten vorkommen - die Gesamtbeurteilung, wonach objektiv das LDLP für die Arbeit- nehmenden in Bezug auf die Lohnfortzahlung (sowohl generell als auch in Bezug auf die Mutterschaft) zumindest nicht ungünstiger ist, nicht in Frage zu stellen. (...) 6.4. Zusammenfassend ergibt sich, dass § 43 Abs. 2 bis VALL nicht gegen § 4 Abs. 3 GAL verstösst und daher die Klägerin aus der letzt- genannten Bestimmung keine Ansprüche in Bezug auf die Lohnfort- zahlungspflicht abzuleiten vermag. 7. Andere Gründe, weshalb die Bestimmung von § 43 Abs. 2 bis VALL nicht entsprechend ihrem klaren Wortlaut angewandt werden dürfte, sind nicht erkennbar. Da längere Spitalaufenthalte von Neuge- borenen regelmässig eine hohe zeitliche Verfügbarkeit der Mutter erfordern, verbietet sich die Annahme, der Verordnungsgeber habe nicht an diese Möglichkeit gedacht bzw. es liege eine planwidrige 2013 Personalrecht 337 Unvollständigkeit der Verordnung (sog. Gesetzeslücke) vor. Bezeich- nenderweise wird dies von der Klägerin auch gar nicht geltend ge- macht. Im Weiteren liegt auch kein Verstoss gegen das LDLP vor; weder diesem Dekret selber noch den entsprechenden Materialien lassen sich Hinweise darauf entnehmen, dass bei einem aufgeschobe- nen Mutterschaftsurlaub unter Umständen eine Lohnfortzahlungs- pflicht bestehen würde. Die Klage ist demzufolge abzuweisen. Das vorliegende Urteil mag insofern unbillig erscheinen, als die Klägerin in der vorliegenden Konstellation einen geringeren Schutz geniesst als in einem Krankheitsfall, der sich ohne zeitlichen Zusam- menhang mit dem Schwangerschafts- oder Mutterschaftsurlaub er- eignet. Zudem erschiene es wünschbar, wenn Mütter in der schwieri- gen Situation, welche extreme Frühgeburten regelmässig hervorru- fen, von zusätzlichen finanziellen Problemen verschont bleiben könnten. Ein Anspruch auf eine grosszügigere Lösung besteht indes- sen - wie gesehen - nicht; vielmehr bedürfte es diesbezüglich einer Dekrets- oder Verordnungsänderung.
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AG_VG_001
AG_VG
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2002 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 201 [...] 62 Anstalt; ambulante Behandlung. - Der Externe Psychiatrische Dienst (EPD) ist keine Anstalt im Sinne von Art. 397 a Abs. 1 ZGB (Erw. 2 d). - Die ambulante, psychiatrische (Nach-)behandlung gestützt auf eine Weisung im Rahmen einer Entlassung aus der FFE ist keine Zwangs- massnahme im Sinne von § 67 e bis EG ZGB (Erw. 2 d). 2002 Verwaltungsgericht 202 Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 12. März 2002 in Sa- chen R.S. gegen Entscheid des Bezirksamts A. Aus den Erwägungen 2. a) Gemäss Art. 397a Abs. 1 ZGB darf eine mündige oder entmündigte Person wegen Geisteskrankheit, Geistesschwäche, Trunksucht, anderen Suchterkrankungen oder schwerer Verwahrlo- sung in einer geeigneten Anstalt untergebracht oder zurückbehalten werden, wenn ihr die nötige persönliche Fürsorge nicht anders erwie- sen werden kann. Der Begriff der Anstalt ist dabei weit zu fassen, sodass als geeignete Anstalt jede Einrichtung gilt, in der einer Person ohne oder gegen deren Willen persönliche Fürsorge unter spürbarer Einschränkung der Bewegungsfreiheit erbracht werden kann (BGE 121 III 308). Zudem braucht es sich nicht um eine geschlossene An- stalt zu handeln, sondern es genügt, wenn der entsprechenden Person ein Entweichen entweder tatsächlich nicht ohne weiteres möglich oder aber verboten ist (Thomas Geiser, in: Basler Kommentar, ZGB I/2, Basel/Genf/München 1999, Art. 397a N 22). b) Der Beschwerdeführer macht geltend, dass er explizit aus der Klinik entlassen worden sei und seinen Aufenthaltsort frei wählen könne. So habe er am 11. Februar 2002 eine eigene Wohnung bezo- gen. Trotzdem bleibe die fürsorgerische Freiheitsentziehung beste- hen, was das Bezirksamt im Dispositiv seiner Verfügung vom 13. Februar 2002 dadurch zum Ausdruck bringe, dass lediglich eine "Entlassung aus der stationären Massnahme, bzw. deren Änderung in eine ambulante Massnahme" erfolge. Zudem stehe diese Begrifflich- keit in keinem Zusammenhang mit dem Recht der fürsorgerischen Freiheitsentziehung, sondern sei dem Strafrecht entlehnt. Die Anord- nung einer "ambulanten Massnahme" im Rahmen einer fürsorgeri- schen Freiheitsentziehung finde im Gesetz keine Stütze und sei daher aufzuheben. c) Das Bezirksamt vertritt in seiner Vernehmlassung den Stand- punkt, dass unter dem Begriff "Anstalt" eine von der öffentlichen oder privaten Körperschaft getragene, mit den erforderlichen Mitteln 2002 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 203 ausgestattete Institution zur dauernden Erfüllung der vorgegebenen Aufgaben zu verstehen sei. Diese Definition gelte gleichermassen für die Psychiatrische Klinik Königsfelden, wie auch für den EPD Stütz- punkt B. Der Beschwerdeführer wechsle aus der stationären Be- handlung in die ambulante Behandlung beim EPD B., wodurch ihm einerseits ermöglicht werde, seine wirtschaftliche Selbständigkeit wahrzunehmen, andererseits die psychiatrische Kontrolle im Rahmen einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung aufrechterhalten bleibe. Diese Kontrolle sei erforderlich und daher gerechtfertigt bzw. die Weiterführung einer angeordneten ambulanten Massnahme im Rah- men einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung unter Aufsicht der geeigneten Fachpersonen sei bisher in der aargauischen Rechtspraxis nicht nur grundsätzlich, sondern auch mit Erfolg angewendet und anerkannt worden. d) Der Beschwerdeführer wurde auf Grund seiner wirtschaftli- chen Selbständigkeit sowie seiner Bereitschaft, im Rahmen einer ambulanten Nachbehandlung durch den EPD, Stützpunkt B. regel- mässige Kontrollen des Blutspiegels zum Nachweis der Medikamen- teneinnahme durchführen zu lassen, aus der Klinik Königsfelden entlassen. In der Zwischenzeit wohnt der Beschwerdeführer in einer eigenen Wohnung, und er geht einer geregelten Arbeit nach. Er ist somit in seiner Bewegungsfreiheit trotz Wahrnehmung der ambulan- ten Termine beim EPD, Stützpunkt B. in keiner Weise mehr spürbar eingeschränkt, gleich wie dies beim Besuch einer privaten psychia- trischen Arztpraxis der Fall wäre. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass der EPD, Stützpunkt B. die ambulante Nachbehandlung des Beschwerdeführers gegen seinen Willen nicht durchsetzen kann, zumal es sich bei der vorliegenden ambulanten Nachbehandlung nicht um eine Zwangsmassnahme im Sinne von § 67e bis EG ZGB handelt. Eine solche ist nur im Rahmen einer rechtmässigen und uneingeschränkten fürsorgerischen Freiheitsentziehung mit stationä- rem Zwangsaufenthalt in der Psychiatrischen Klinik Königsfelden zulässig (AGVE 2000, S. 188 f.). Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass es sich beim EPD, Stützpunkt B. nicht um eine Anstalt im Sinne von Art. 397a Abs. 1 ZGB handelt und es sich schon von 2002 Verwaltungsgericht 204 daher nicht um eine vollumfängliche fürsorgerische Freiheitsentzie- hung handeln kann, wie es das Bezirksamt geltend macht.
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2017 Steuern 93 15 Steuersatzbestimmung bei beschränkter Steuerpflicht aufgrund im Kanton gelegener Grundstücke (§ 19 Abs. 1 und 2 StG) Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 3. Juli 2017, i.S. KStA gegen T.I. (WBE.2017.220) Aus den Erwägungen 2. Die Vorinstanz hat § 19 Abs. 2 StG in einem zweiten Schritt je- doch die Anwendung versagt, soweit diese zu einem höheren satzbe- stimmenden als steuerbaren Einkommen führt. Unter Berufung auf die Lehre ist die Vorinstanz zur Auffassung gelangt, die Anwendung der Bestimmung führe zu einem Methodendualismus, welcher einer- seits sowohl das Diskriminierungsverbot in den von der Schweiz abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) als auch das Rechtsgleichheitsgebot von Art. 8 BV verletze. Dies habe zur Folge, dass die Bemessungsgrundlage bei beschränkt Steuerpflichtigen stets nach der objektmässigen Methode zu bestimmen sei. Beschränkt Steuerpflichtige seien immer (nur) zu dem Steuersatz zu besteuern, der sich aus den in der Schweiz steuerbaren Faktoren ergebe. 2.1. Das Bundesgericht hat in seiner neueren Rechtsprechung mehr- fach festgehalten, das StHG behandle in Art. 3 StHG die Steuer- pflicht aufgrund persönlicher Zugehörigkeit, enthalte jedoch keine Regel mit Bezug auf das Ausmass der Steuerpflicht. Insbesondere regle das Gesetz nicht die Frage, ob im Ausland erlittene Verluste von der Bemessungsgrundlage abzugsfähig seien. Dieses Schweigen des Gesetzes könne für sich allein genommen nicht so verstanden werden, dass den Kantonen damit ein autonomer Regelungsbereich mit Bezug auf eine Thematik offen stehe, für welche von Verfas- sungs wegen ausdrücklich die Harmonisierung vorgesehen sei. Das 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 94 Bundesgericht hat jedoch in den angeführten Entscheiden die Frage offen gelassen, ob den Kantonen insoweit ein Autonomiebereich offen steht (vgl. BGE 140 II 141 E. 8 S. 155 f.; ebenso BGE 140 II 157 E. 5.1 S. 159 sowie Urteil 2C_1201 + 1202/2013 vom 15. Januar 2015 E. 10). Diese Überlegung muss auch mit Bezug auf die fehlende Rege- lung im StHG betreffend das Ausmass der Steuerpflicht aufgrund wirtschaftlicher Zugehörigkeit - hier des Umstands, dass die Be- schwerdegegnerin eine Liegenschaft im Kanton Aargau besitzt und Einkünfte daraus erzielt - gelten. Das bedeutet, dass nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht klar ist, ob der Kanton Aargau überhaupt eine inhaltlich von Art. 7 Abs. 2 DBG abwei- chende Regelung hinsichtlich des Umfangs der beschränkten Steuer- pflicht treffen könnte. Mit § 19 Abs. 2 StG hat der kantonale Gesetz- geber wie dargelegt die gleiche Lösung wie im Bundesrecht gewählt. Sollte - wie vom Bundesgericht immerhin angedeutet - insoweit für die Kantone kein autonomer Regelungsbereich bestehen, so wäre § 19 Abs. 2 StG bereits aufgrund des Massgeblichkeitsgebots von Art. 190 BV anzuwenden, und zwar unabhängig davon, ob die Be- stimmung gegen die Bundesverfassung verstösst (so denn auch aus- drücklich das Bundesgericht in BGE 140 II 141 E. 8 am Ende; vgl. auch Urteil 2C_ 1201 + 1202/2013 vom 15. Januar 2015 E. 7). 2.2. Auch wenn dem Kanton ein autonomer Regelungsbereich mit Bezug auf das Ausmass der beschränkten Steuerpflicht zukommt, ist entgegen der Auffassung der Vorinstanz, jedenfalls soweit es um die hier infrage stehende Anwendung von § 19 Abs. 2 StG auf eine qua Eigentum an einem im Kanton Aargau gelegenen Grundstück (§ 17 Abs. 1 lit. b StG) beschränkt steuerpflichtige Ausländerin geht, nicht erkennbar, inwiefern § 19 Abs. 2 StG gegen das Diskriminierungs- verbot und/oder das Gleichbehandlungsgebot von Art. 8 BV verstos- sen sollte. 2.2.1. Das Diskriminierungsverbot ist in Art. 25 des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundes- republik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf 2017 Steuern 95 dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 (DBA CH-D) geregelt. Dabei verbietet zunächst Art. 25 Abs. 1 DBA D-CH die Diskriminierung der Staatsangehöri- gen eines Vertragsstaates; Abs. 2 enthält das Betriebsstättediskrimi- nierungsverbot; Abs. 3 und 4 beschlagen schliesslich das Verbot der Diskriminierung mit Blick auf gewisse Zahlungen an nichtansässige Personen sowie die Diskriminierung aufgrund fremder Beherr- schung. Für die hier zu beurteilende Situation einer Rentnerin mit Wohnsitz in Deutschland und Grundeigentum in der Schweiz kann sich höchstens die Frage stellen, ob § 19 Abs. 2 StG das Diskriminie- rungsverbot hinsichtlich der Staatsangehörigkeit verletzt. Der Be- schwerdeführer weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass eine Verletzung des Diskriminierungsverbots insoweit schon deshalb ausser Betracht fällt, weil weder Art. 7 Abs. 2 DBG noch § 19 Abs. 2 StG an die Staatsangehörigkeit anknüpfen. Die Vorinstanz beanstandet den mit der Anwendung von § 19 Abs. 2 StG verbundenen Methodendualismus, indem Auslandsverluste nicht ein- mal satzbestimmend berücksichtigt werden, während positives Aus- landseinkommen stets satzerhöhend wirkt. Dieser Methodendualis- mus trifft die davon berührten Steuerpflichtigen unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit: Auch ein Schweizer Staatsbürger mit Wohnsitz im Ausland und nur beschränkter Steuerpflicht in der Schweiz ist in gleicher Weise davon betroffen wie die Beschwerde- gegnerin mit Wohnsitz in Deutschland; bei hinsichtlich der Ansässig- keit gleichen Verhältnissen resultiert somit aus der Anwendung von § 19 Abs. 2 StG keine Diskriminierung (vgl. zum Erfordernis der gleichen Verhältnisse S TEFAN O ESTERHELT , in: M ARTIN Z WEIFEL /M ICHAEL B EUSCH /R ENÉ M ATTEOTTI [Hrsg.], Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Internationales Steuerrecht, Basel 2015, Art. 24 N 17 f.; ebenso für das DBA USA-D Urteil des deut- schen Bundesfinanzhofs vom 30. März 2011, in: K URT L OCHER /W ALTER M EIER /R UDOLF VON S IEBENTHAL /A NDREAS K OLB [Hrsg.], Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz-Deutschland [Loseblatt] Art. 25.1 Nr. 31 E. 2a; so auch ausdrücklich H EIKO K UBAILE , in: H ANS F LICK /F RANZ W ASSERMEYER /M ICHAEL K EMPERMANN [Hrsg.], Doppelbesteuerungsabkommen Deutsch- 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 96 land-Schweiz, Köln, Loseblatt ab 1981, Art. 25 N 19 [Lfg. 38 Juni 2013]) und liegt somit keine Verletzung des Diskriminierungsverbots vor. Dass die Dinge mit Blick auf eine inländische Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens und das Betriebsstättediskrimi- nierungsverbot von Art. 25 Abs. 2 DBA CH-D allenfalls anders lie- gen, ändert nichts (vgl. dazu Stefan O ESTERHELT /S USANNE S CHREIBER in: M ARTIN Z WEIFEL /M ICHAEL B EUSCH [Hrsg.], Kom- mentar zum Schweizerischen Steuerrecht, DBG, 3. Auflage, Zürich 2017, Art. 7 N 14 mit Hinweisen). 2.2.2. Abgesehen vom Diskriminierungsverbot wird in der Literatur die Frage diskutiert, ob der Methodendualismus - bei insgesamt negativen Steuerfaktoren infolge eines Auslandsverlusts Abstellen nur auf die Progression auf dem schweizerischen Steuerobjekt, bei insgesamt positiven Steuerfaktoren Besteuerung mit Gesamtprogres- sion - nicht gegen das Gebot der Gleichbehandlung von Art. 8 BV verstosse. Peter Locher führt in diesem Zusammenhang aus, dass dann, wenn die nicht überprüfbaren Auslandsunterlagen genügten, um eine höhere Progression zu rechtfertigen, Analoges auch im umgekehrten Fall gelten sollte (P ETER L OCHER , Kommentar zum DBG, I. Teil., Therwil 2001, Art. 7 N 11). Da vorliegend jedoch nicht negative sondern positive Steuerfaktoren im Ausland zu beurteilen sind, erübrigt sich eine vertiefte Auseinandersetzung mit dieser The- matik. 2.2.3. Selbst wenn angenommen wird, § 19 Abs. 2 StG verstosse in bestimmten Fallkonstellationen gegen das Gleichbehandlungsgebot von Art. 8 BV, rechtfertigt dies nicht, die Norm auch dann, wenn sie wie hier zu sachgerechten Ergebnissen führt, nicht zur Anwendung zu bringen. 2.2.3.1. Zum einen ist schon zweifelhaft, ob die Argumentation, wonach ausländische Faktoren schwer zu ermitteln und deshalb ganz ausser Acht zu lassen seien, generell zutrifft. Hinsichtlich in- wie ausländi- scher Liegenschaften erscheint es durchaus als möglich, die zentralen Parameter für den Liegenschaftenertrag (Mieteinnahmen, Unterhalts- 2017 Steuern 97 aufwendungen, Schuldzinsen auf Hypotheken) bei Inland- wie bei Auslandsachverhalten zu ermitteln. Auch die Ermittlung von Renten- einkünften, wie sie bei der Beschwerdegegnerin vorliegen, begegnet keinen grundsätzlichen Schwierigkeiten; zumindest ähnlich dürfte sich die Sachlage bei ausländischen Einkünften aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit darstellen (auch wenn naturgemäss nicht die Mög- lichkeit der Einforderung eines Lohnausweises offensteht). All diese Einkünfte bzw. damit zusammenhängende Aufwendungen lassen sich in aller Regel anhand einfacher, aussagekräftiger Dokumente be- legen. Soweit der beschränkt Steuerpflichtige bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlagen nicht mitwirkt, steht im Übrigen - wie ge- rade die hier zu beurteilende Angelegenheit zeigt - ebenso wie bei den unbeschränkt Steuerpflichtigen das Instrument der Ermessensveranlagung offen. Allfällige praktische Schwierigkeiten bei der Ermittlung der genannten Einkunftsarten sind jedenfalls kaum mit den möglichen Problemen der Überprüfung des Gesamter- gebnisses eines vorwiegend im Ausland tätigen Unternehmens mit schweizerischer Betriebsstätte vergleichbar. Insoweit überzeugt es durchaus, wenn Peter Locher nur für Geschäftsbetriebe und Betriebs- stätten auf die Berücksichtigung des ausländischen Ergebnisses ver- zichten will, ausländische Faktoren aber bei beschränkter Steuer- pflicht wegen inländischem Immobilienbesitz durchgängig heranzie- hen will (vgl. L OCHER , a.a.O., I. Teil, Art. 7 N 13; dieser Aspekt wird übersehen von M ADELEINE S IMONEK , Wirkungen einer nachrangi- gen Ansässigkeit auf die Steuerpflicht in der Schweiz, in: J ÜRG -B EAT A CKERMANN /F ELIX B OMMER [Hrsg.], Liber Amicorum für Dr. Martin Vonplon, Zürich 2009, S. 303). 2.2.3.2. Hinzu kommt aber vor allem ein vom Beschwerdeführer aufge- griffener Punkt: Würden beschränkt Steuerpflichtige generell nur für ihr in der Schweiz erzieltes Einkommen und Vermögen zu dem ent- sprechenden Steuersatz besteuert, liefe dies auf eine systematische Schlechterstellung der in der Schweiz unbeschränkt Steuerpflichtigen hinaus. Insbesondere in einem anderen Kanton unbeschränkt Steuer- pflichtige, die qua Liegenschaftenbesitz im Kanton Aargau der be- schränkten Steuerpflicht unterliegen, wären gegenüber den im Aus- 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 98 land unbeschränkt, jedoch im Kanton Aargau beschränkt Steuer- pflichtigen massiv benachteiligt. Die Lösung für das von der Vorin- stanz skizzierte Problem des Methodendualismus bei beschränkter Steuerpflicht kann daher nicht in der generellen Zugrundelegung - sowohl für das steuerbare als auch für das satzbestimmende Einkom- men - nur der inländischen Faktoren liegen. Wenn überhaupt stellt sich die Frage einer Korrektur der vom Gesetzgeber getroffenen Lö- sung wegen eines allfälligen Verstosses gegen das Gleichbehandlungsgebot nicht in Konstellationen wie der hier zu be- urteilenden, wo im In- und Ausland Einkommen erzielt wird. Zu einer Korrektur unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten könnte höchstens die Situation Anlass geben, da im Ausland Verluste resultieren. Ob in einer solchen Konstellation allein die fehlende Überprüfbarkeit der Angaben des Steuerpflichtigen über seine ausländischen Verluste einen ausreichenden Grund für die steuerliche Erfassung mindestens der Inlandfaktoren sein kann, ist hier indessen nicht zu entscheiden. 2.3. Die angestellten Überlegungen gelten, worauf der Beschwerde- führer zutreffend hinweist auch hinsichtlich positiver bzw. negativer Vermögensbestandteile, so dass der Anwendung von § 19 Abs. 2 StG in der hier zu beurteilenden Angelegenheit auch insoweit nichts ent- gegensteht. Es trifft ausserdem zu, dass - wie der Beschwerdeführer ebenfalls ausführt - die objektmässige Ausscheidung nicht per se zu tieferen Steuern führt. So kann z.B. bei objektmässiger Ausscheidung je nach Lage der Aktiven bei selbstfinanziertem Inland- und fremd- finanziertem Auslandseigentum eine höhere Steuerlast als bei pro- portionaler Ausscheidung resultieren. Der Entscheid der Vorinstanz, der die objektmässige Methode bei beschränkter Steuerpflicht durch- gehend zur Anwendung bringen will, verletzt damit nicht nur § 18 Abs. 3 StG, welcher nicht nur im Verhältnis zu anderen Kantonen, sondern auch im Verhältnis zum Ausland die Ausscheidung nach den Grundsätzen des Bundesrechts über das Verbot der interkantonalen Doppelbesteuerung und damit auch im Verhältnis zum Ausland die Verlegung von Schulden und Schuldzinsen nach der proportionalen Methode gesetzlich vorschreibt. Darüber hinaus kann die von der 2017 Steuern 99 Vorinstanz vertretene Auffassung sogar zu einer rechtsungleichen Schlechterstellung des beschränkt Steuerpflichtigen gegenüber dem unbeschränkt Steuerpflichtigen führen. Auch insoweit erweist sich der Entscheid der Vorinstanz somit als rechtsfehlerhaft.
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2000 Verwaltungsrechtspflege 347 [...] 79 Rechtsmittel, Formerfordernis der Schriftlichkeit. - Ein mittels Fax eingereichtes Rechtsmittel ist ungültig, da die Originalunterschrift fehlt. Eine Nachfrist zur Verbesserung ist nicht anzusetzen (Bestätigung der Rechtsprechung) (Erw. 1-3). - Dies gilt auch für die Einsprache gegen die Steuerveranlagung (Erw. 3/c). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 18. Oktober 2000 in Sachen KStA gegen Entscheid des Steuerrekursgerichts (betreffend H.L.). Zur Publikation vorgesehen in StE 2001. (Redaktioneller Hinweis: Gegen diesen Entscheid ist staats- rechtliche Beschwerde erhoben worden.)
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2003 Bau-, Planungs- und Umweltschutzrecht 171 [...] 48 Ausstandsregeln im Nutzungsplanungsverfahren. - Gestützt auf Bundesrecht besteht keine Ausstandspflicht von betroffe- nen Grundeigentümern für die Mitwirkung in Planungskommissionen oder im Gemeinderat (Erw. 2/c). - An der Gemeindeversammlung und bei der Genehmigung im Grossen Rat müssen direkt von Planungsmassnahmen betroffene Grundeigen- tümer nicht in den Ausstand treten (Erw. 2/d). 2003 Verwaltungsgericht 172 - Den Entscheidungen der kommunalen Planungskommission bei der Festsetzung oder Abgrenzung der Bauzone kommt so entscheidende Bedeutung zu, dass deren Mitglieder in den Ausstand treten müssen, wenn sie oder ihnen nahestehende Personen von einem konkret um- strittenen Planungsentscheid betroffen sind (Erw. 2/d/aa-ff). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 1. November 2002, in Sachen R. AG und Mitb. gegen den Grossen Rat und den Regierungsrat. Aus den Erwägungen 2. a) Einen formellen Mangel der Nutzungsplanung sehen die Beschwerdeführerinnen in der Tatsache, dass der Gemeindeammann A. sowohl als Präsident der Planungskommission als auch als Ge- meinderat an der Ausarbeitung des Zonenplanentwurfs massgeblich beteiligt gewesen sei, obwohl seine Frau als Miterbin Eigentümerin der Parzelle Nr. X sei, welche im umstrittenen Gebiet "M." liege. Darin liege eine Verletzung der Ausstandspflicht durch den Gemein- deammann. Dies umso mehr, als das Baudepartement, Abteilung Raumentwicklung, der Gemeinde im Vorprüfungsverfahren noch nahegelegt habe, die Baugebietsgrösse zusätzlich im Gebiet "M." zu reduzieren, womit die Parzelle Nr. X aus dem Baugebiet herausge- fallen wäre. b) Die umstrittene Parzelle Nr. X gehörte dem Schwiegervater des Gemeindeammanns, Herrn B. Dieser ist am 23. Mai 2000, somit einen Monat vor der Gemeindeversammlung über die Nutzungspla- nung, verstorben. Zur Erbengemeinschaft gehört unter anderen auch die Ehefrau des Gemeindeammanns. Der Gemeindeammann präsi- dierte die Planungskommission, welche den Entwurf für die neue Nutzungsplanung zuhanden des Gemeinderates vorbereitete. In sei- nem Amt als Gemeindeammann leitete er auch die Sitzungen des Gemeinderates während des Planungsverfahrens (§ 43 Abs. 1 GG). Im Laufe des Einspracheverfahrens ist er auf Verlangen der Beschwerdeführerinnen in den Ausstand getreten. Unbestritten ist jedoch, dass er bei der Gestaltung des definitiven Planentwurfs auch 2003 Bau-, Planungs- und Umweltschutzrecht 173 hinsichtlich des Gebiets "M." sowohl in der Planungskommission als auch im Gemeinderat mitgewirkt hat. c) Das Bundesgericht hat in konstanter Praxis festgehalten, dass gestützt auf Art. 8 und 29 Abs. 1 BV hinsichtlich der Ausstands- pflicht für Mitglieder der Behörden in kleineren Landgemeinden keine allzu strengen Anforderungen gestellt werden dürfen. In ländli- chen Verhältnissen komme es häufig vor, dass Mitglieder des Gemeinderates durch eine Planungsmassnahme, welche im öffentli- chen Interesse erfolge, in ihrer Eigenschaft als Grundeigentümer selber irgendwie betroffen werden, sei es im positiven oder im nega- tiven Sinne. Die Selbstverwaltung der Gemeinden im Bau- und Pla- nungswesen würde erheblich erschwert, nähme man in all diesen Fällen eine Ausstandspflicht gestützt auf Bundesrecht an (Bundesge- richt, in: ZBl 103/2002, S. 37 f. mit Hinweis auf ZBl 80/1979, S. 488 f.). Eine Ausstandspflicht des Gemeindeammanns in der Pla- nungskommission und im Gemeinderat bestand gestützt auf Bundes- recht nicht. d) Auf kantonaler Ebene haben nach der Rechtsprechung die Grundeigentümer, welche direkt von einer Planungsmassnahme be- troffen sind, an der Gemeindeversammlung beim Beschluss über die Zonenplanung entgegen § 25 Abs. 1 GG nicht in den Ausstand zu treten. Dies gilt selbst für Teilrevisionen, bei denen nur einzelne Grundstücke betroffen sind (VGE III/4 vom 31. Januar 1973 in Sa- chen R. AG, S. 8; AGVE 1994, S. 547; 1985, S. 531; 1980, S. 497). Gemäss § 30 Abs. 3 des Gesetzes über die Organisation des Grossen Rates und über den Verkehr zwischen dem Grossen Rat, dem Regie- rungsrat und dem Obergericht [GVG; SAR 152.200] vom 19. Juni 1990) gilt auch beim Erlass und bei der Genehmigung eines Nut- zungsplanes durch den Grossen Rat keine Ausstandspflicht. aa) § 25 Abs. 1 GG verlangt, dass im kommunalen Gesetzge- bungsverfahren diejenigen Stimmberechtigten das Versammlungs- lokal vor der Abstimmung zu verlassen haben, welche ein unmittel- bares und persönliches Interesse an einem Verhandlungsgegenstand der Einwohnergemeindeversammlung haben, weil dieser für sie di- rekte und genau bestimmte, insbesondere finanzielle Folgen bewirkt. Diese Ausstandspflicht trifft nicht nur die persönlich interessierten 2003 Verwaltungsgericht 174 Personen selbst, sondern ebenso deren Ehegatten, Eltern und Kinder mit ihren Ehegatten. Ziel und Zweck dieser Bestimmung ist, dass niemand, der vom Ausgang eines Geschäfts in seinen persönlichen Rechten oder materiellen Interessen betroffen ist, durch seine Anwe- senheit numerisch das Stimmenverhältnis verändern oder im Rahmen des politischen Entscheidungsprozesses Einfluss nehmen kann. So soll verhindert werden, dass sachfremde Argumente das demokrati- sche Rechtsetzungsverfahren beeinflussen. In seinem Kerngehalt geht es bei diesen Ausstandspflichten darum, den durch die Verfassung den Stimmberechtigten gewährleis- teten Anspruch auf ein unverfälschtes Abstimmungsresultat, das den freien und unverfälschten Willen zum Ausdruck bringt, zu gewähr- leisten (Bernhard Ehrenzeller/Philippe Mastronardi/ Rainer J. Schweizer/Klaus A. Vallender, Die schweizerische Bundesverfas- sung, Kommentar, Zürich 2002, Art. 34 N 10 f. mit Hinweisen). Da- mit soll andererseits auch gewährleistet werden, dass der massgebli- che Wille der Gemeindeversammlung korrekt ermittelt und die demokratische und pluralistische Abstimmung auf einem offenen und transparenten Meinungsbildungsprozess beruht. Die Abstim- mungsfreiheit beinhaltet insoweit auch eine institutionelle Garantie. bb) Beim Beschluss der Gemeindeversammlung über allge- meine Nutzungspläne und -vorschriften ergeben sich einerseits aus der Rechtsnatur des Planes (vgl. hiezu Pierre Moor, in: Heinz Aemi- segger/Alfred Kuttler/Pierre Moor/Alexander Ruch [Hrsg.], Kom- mentar zum Bundesgesetz über die Raumplanung, Zürich 1999, Art. 14 N 4 ff.; Ulrich Häfelin/Georg Müller, Allgemeines Verwal- tungsrecht, 4. Auflage, Zürich 2002, Rz. 939 ff.) und andererseits aus dem Planungsablauf Besonderheiten. Diesen Besonderheiten gerade im Hinblick auf die Abstimmungsfreiheit trägt § 25 Abs. 1 BauG insoweit Rechnung, als die Einspracheentscheide des Gemeinderates der Gemeindeversammlung bzw. dem Einwohnerrat bekannt zugeben sind und andererseits der Gemeinderat verpflichtet ist, die Gemeindeversammlung als zuständiges Organ über die von ihm vorgeschlagenen Abweichungen zum kantonalen Vorprüfungsbericht (vgl. § 23 Abs. 1 BauG) nicht nur zu orientieren, sondern diese Dif- ferenzen auch zu begründen. 2003 Bau-, Planungs- und Umweltschutzrecht 175 Der Ablauf eines Planungsverfahrens von den ersten Entwürfen, in der Regel eines beauftragten Planungsbüros, über die Behandlun- gen in kommunalen Planungskommissionen, im Gemeinderat mit der üblichen Begleitung durch das Baudepartement (§ 23 Abs. 2 BauG) und das institutionalisierte Mitwirkungsverfahren (§ 22 BauG), des- sen Ergebnisse im Mitwirkungsbericht des Gemeinderates ebenfalls öffentlich sind und der Abstimmungsfreiheit dienen, über das Einspracheverfahren bis zum Antrag des Gemeinderates an die Ge- meindeversammlung lässt erkennen, dass massgebende Grundsteine und Entscheidungen gerade über die Zonierung in der Entwurf- und Beurteilungsphase vor der Planungskommission stattfinden. In der Planungskommission werden vor dem Mitwirkungsverfahren insbe- sondere umstrittene Einzelpunkte der zukünftigen Nutzungsordnung behandelt. In dieser Kommission, zu deren Sitzungen auch der zuständige kantonale Raumplaner beigezogen werden kann, können auch Differenzen in gegenläufigen Interessen diskutiert und im Schosse der Planungskommission einer Entscheidung zugeführt wer- den. Nicht ausgeschlossen ist, dass bereits in dieser Phase alternative Planungsentscheide oder Varianten unter Mitwirkung des Gemeinde- rates entschieden werden, bevor der Entwurf der Nutzungsplanung öffentlich aufgelegt und das eigentliche Mitwirkungsverfahren und die (abschliessende) Vorprüfung durch die kantonalen Behörden stattfindet. Der den Stimmberechtigten an der Gemeindeversamm- lung unterbreitete Nutzungsplanentwurf ist damit das Resultat eines Planungsprozesses am Ende des Mitwirkungs-, Vorprüfungs- und Einspracheverfahrens. Der Abstimmung in der Gemeindeversamm- lung mit ihren Bestimmungen zur Transparenz geht so eine entschei- dende Phase in der Planungskommission voraus. In der Ge- meindeversammlung kommt naturgemäss das gesamte Plangefüge zur Diskussion, ohne dass einzelne Entscheidungen noch einmal ver- tieft diskutiert werden. So ist es denn auch ausgesprochen schwierig, in der Entwurfphase getroffene Entscheidungen über die Zonierung einzelner Grundstücke an der Gemeindeversammlung noch zu än- dern, weil als Folge davon oft weitere Grundstücke einer anderen Nutzungsordnung zugeführt werden müssten. Daraus erhellt, dass den Mitgliedern der Planungskommission und ihren Entscheidungen 2003 Verwaltungsgericht 176 beim Entwurf der Nutzungsplanung, insbesondere bei der Festset- zung der Bauzone nach Art. 15 RPG und deren Abgrenzung eine her- ausragende Bedeutung zukommt. Faktisch wird das planerische Er- messen, welches der Gemeinde bei der Festsetzung der Bauzone zusteht (vgl. dazu § 106 Abs. 1 KV i.V.m. § 13 Abs. 1 BauG; AGVE 1980, S. 204; Peter Hänni, Planungs- Bau- und besonderes Umwelt- recht, 4. Auflage, Bern 2002, S. 218) im umfassenden Sinne von der Planungskommission ausgeübt. Sie entscheidet - allenfalls unter Mitwirkung des Gemeinderates - insbesondere über die Grösse und die Abgrenzung sowie die Nutzung des Baugebietes. Vor allem be- stimmt die Planungskommission, welche Grundstücke am Siedlungs- rand ein- oder ausgezont werden, allenfalls welche ausgezont werden müssen. Ist eine Gemeinde zur Reduktion der Bauzone auf Grund von Art. 15 lit. b RPG verpflichtet, kann es über Gebiete, welche die rechtlichen Vorgaben und planerischen Parameter zwar erfüllen, zu Interessenabwägungen mit involvierten Grundeigentümerinteressen kommen, denen unter Umständen entscheidende Bedeutung zuge- messen wird. Zu prüfen ist daher im vorliegenden Fall, ob die Mitwirkung des Gemeindeammanns in der Planungskommission bei der Festset- zung der Bauzone und deren Abgrenzung im umstrittenen Gebiet objektiv geeignet war, den der Gemeindeversammlung schliesslich unterbreiteten Entwurf massgeblich zu beeinflussen. cc) Der Schwiegervater des Gemeindeammanns und ab 23. Mai 2000 seine Ehefrau als Mitglied der Erbengemeinschaft waren u.a. Eigentümer der Parzelle Nr. X im Gebiet "M.", welches in der Bau- zone 2. Etappe lag. Sowohl für den Schwiegervater als auch für die Ehefrau des Gemeindeammanns hatte die konkrete Zonierung im Gebiet "M." direkte finanzielle Folgen. Wäre die umstrittene Parzelle Nr. X nicht mehr der Bauzone zugeteilt worden, hätte dies zu einem erheblichen Minderwert der Parzelle geführt. Das Baudepartement hat in seinem provisorischen Vorprüfungs- bericht vom 11. Januar 1999 der Gemeinde eine weitere Reduktion der Bauzone empfohlen und als geeignete Fläche für diese Reduktion den obersten Teil des Gebiets "M." (u.a. Parzelle Nr. X) genannt, da aus "landschaftlichen und biologischen Gründen" eine weitere Ver- 2003 Bau-, Planungs- und Umweltschutzrecht 177 breiterung des Grüngürtels zwischen den Gemeinden O. und U. anzustreben sei. Die Planungskommission hat an ihrer Sitzung vom 19. Januar 1999 in Anwesenheit des Gemeindeammanns den provisorischen Vorprüfungsbericht behandelt. Der Planer hat dabei auf die von den kantonalen Behörden vorgeschlagene Reduktion der Wohn- und Mischzonen im Gebiet "M." hingewiesen und die Möglichkeiten einer Verschiebung der Baugrenze aufgezeigt. Die Kommission beschloss, an der Grösse des Baugebietes festzuhalten und hat bei der Behandlung von Eingaben die privaten Auszo- nungsbegehren für das Gebiet "M." ausdrücklich abgelehnt. Eine weitere Sitzung der Planungskommission in Anwesenheit des zu- ständigen Raumplaners fand am 16. März 1999 statt. Unter Traktan- dum 4 wurde das Gebiet "M." behandelt. Der von der Gemeinde beauftragte Planer zeigte Fotografien über ein Baugespann und der Raumplaner des Kantons erläuterte die kantonale Auffassung, dass trotz der vorgenommenen Rückzonung das ausgeschiedene Bauge- biet immer noch zu gross und eine weitere Reduktion des Baugebie- tes anzustreben sei. In dieser Diskussion hat der Gemeindeammann die kantonalen Zahlen in Frage gestellt. Der definitive Vorprüfungsbericht der Abteilung Raumplanung (heute Abteilung Raumentwicklung) vom 14. Juli 1999 erwähnt un- ter Ziff. 3.1 zwar die, nach kantonaler Auffassung, bestehende Über- grösse der Bauzone, kommt aber zum Ergebnis, dass auf Grund des Flächenverbrauchs in den letzten 15 Jahren die rechnerische Über- grösse der Bauzone akzeptiert werden kann. An der Sitzung vom 21. Juli 1999 hat die Planungskommission den Vorprüfungsbericht zur Kenntnis genommen; Diskussionen über das Gebiet "M." fanden nicht mehr statt. Somit ist festzuhalten, dass mit Bezug auf die konkrete Zonie- rung der im Gebiet "M." liegenden Parzelle Nr. X noch im provisori- schen Vorprüfungsbericht eine Differenz zu den kantonalen Behör- den bestand. Die Planungskommission hat den Vorschlag der kanto- nalen Behörden diskutiert und in ablehnendem Sinn entschieden. Diese Differenz war im definitiven Vorprüfungsbericht nicht mehr aufgeführt und demgemäss entfiel eine Orientierung über diese Dif- ferenz und deren Begründung zuhanden der Gemeindeversammlung. 2003 Verwaltungsgericht 178 Anerkannt ist, dass der Gemeindeammann bei der Festlegung der Zonierung des Gebietes "M." nicht in den Ausstand getreten ist. In der Einladung zur Einwohnergemeindeversammlung vom 23. Juni 2000 wird zwar der provisorische Vorprüfungsbericht erwähnt, ohne indessen inhaltliche Differenzen zwischen Kanton und Gemeinde zu erläutern. Diese Differenzen in der Zonierung des Gebiets "M." wurden auch an der Gemeindeversammlung vom 23. Juni 2000 nicht thema- tisiert. dd) Aus den Gemeinderatsprotokollen ergeben sich keine Hin- weise dafür, dass der Gemeinderat über die Zonierung des Gebiets "M." gesondert beraten und entschieden hat. ee) Zusammenfassend kommt das Verwaltungsgericht zum Er- gebnis, dass im vorliegenden Fall, wo es beim Entscheid über eine Bauzone und deren Abgrenzung am Zonenrand in der Planungskom- mission zu einer Differenz mit dem Kanton über Grundstücke ge- kommen ist, welche im Eigentum einer im Sinne von § 25 GG nahe- stehenden, verwandten Person eines Mitglieds der Planungskommis- sion steht, die Abstimmungsfreiheit in ihrer institutionellen Mei- nungsbildungskomponente tangiert ist. Der objektive Anschein, dass bei diesem Planungsentscheid mit einer solcherart konkret beurteil- ten Planfestsetzung die Interessenabwägung in der Planungskommis- sion durch persönliche Interessen eines Kommissionsmitglieds be- einflusst wurde, was ausserdem im Entwurf zuhanden der Gemein- deversammlung nicht mehr transparent gemacht wurde, erscheint dem Verwaltungsgericht gegeben. Ob sich der Gemeindeammann tatsächlich mehr von privaten Interessen statt vom Gemeindewohl leiten liess, ist irrelevant und wird damit nicht unterstellt. Der Ge- meindeammann hätte somit an den beiden Sitzungen der Planungs- kommission vom 19. Januar bzw. 16. März 1999 beim Beschluss der Planungskommission über die Differenz zum provisorischen Vorprü- fungsbericht in den Ausstand treten müssen. Dieses Ergebnis ent- spricht auch dem Zweckgedanken, wonach der Gemeinderat die Ge- meindeversammlung über Differenzen zum kantonalen Vorprüfungs- bericht zu orientieren hat. In diesem Zusammenhang ist auch darauf 2003 Bau-, Planungs- und Umweltschutzrecht 179 hinzuweisen, dass das Baugesetz keinen provisorischen Vorprüfungs- bericht vorsieht. An diesem Ergebnis vermag nichts zu ändern, dass eine andere Parzelle der Erbengemeinschaft, an welcher die Ehefrau des Gemein- deammanns beteiligt ist, einer Nichtbauzone zugewiesen wurde und bereits bei früheren Planungsrevisionen Teilflächen im Eigentum der Erbengemeinschaft ausgezont wurden. Zutreffend ist, dass in ländli- chen Gemeinden die Ausstandspflicht im Interesse der Gemeinde nicht leicht zu bejahen ist. Die hier erfolgte Mitwirkung des Gemein- deammanns unterscheidet sich sodann vom Normalfall einer Totalrevision insofern, als vorliegend in der Planungskommission konkret über das Gebiet mit dem Grundstück der ihn zumindest indi- rekt betreffenden Erbengemeinschaft diskutiert und über deren Zo- nierung separat beschlossen wurde. Keinen Einfluss auf die Beurtei- lung der Ausstandspflicht kann die an sich zutreffende Auffassung haben, dass die Beschwerdeführerinnen aus der Verletzung der Aus- standspflicht keinen Anspruch auf Zuweisung ihrer Parzellen in die Bauzone ableiten können. Wie erwähnt, geht es bei dieser Frage um die Garantie der institutionellen Meinungsbildungsfreiheit der Stimmberechtigten. ff) Das Verwandtschaftsverhältnis des Gemeindeammanns zu seinem Schwiegervater begründet analog zur Regelung in § 25 Abs. 1 GG eine Befangenheit infolge verwandtschaftlicher Nähe. Der Kreis der Ausstandspflichtigen vorliegend enger zu fassen, rechtfertigt sich auch in Anbetracht anderer prozessualer Ausstands- vorschriften nicht (vgl. § 5 VRPG, § 2 ZPO und Art. 22 OG). Redaktionelle Anmerkung: Das Bundesgericht hat mit Urteil vom 14. Oktober 2003 (1P.316/2003) eine staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid vom 1. November 2002 abgewiesen. Aus den Erwägungen des Bundesgerichts 3.5 Gemäss § 5 Abs. 1 VRPG dürfen Behördemitglieder und Sachbearbeiter beim Erlass von Verfügungen und Entscheiden nicht 2003 Verwaltungsgericht 180 mitwirken, wenn ein Ausstandsgrund im Sinne der Zivilprozessord- nung vorliegt. Abs. 2 der zitierten Bestimmung sieht vor, dass Be- hördemitglieder und Sachbearbeiter sich insbesondere in den Aus- stand zu begeben haben, wenn sie selbst oder ihnen nahe verbundene Personen an der Verfügung oder dem Entscheid persönlich interes- siert sind, sowie in Angelegenheiten von juristischen Personen, deren Verwaltung sie oder ihnen nahe verbundene Personen angehören, ferner wenn sie in der Sache schon in einer untern Instanz oder als Berater oder Vertreter eines Beteiligten mitgewirkt haben. Nach § 2 Abs. 1 lit. a ZPO ist der Richter u.a. von der Ausübung seines Amtes ausgeschlossen in Streitsachen, in denen er selbst oder sein Ehegatte Partei sind, auch wenn die Ehe aufgelöst worden ist (Ziff. 1) oder in denen Personen, die mit ihm oder seinem Ehegatten in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis zum Grad der Geschwisterkinder verwandt oder verschwägert sind, Partei sind (Ziff. 2). Nachdem der Gemeindeammann sowohl in der Planungskom- mission als auch im Gemeinderat in präsidierender Funktion tätig war bei einer Planung, von welcher sein Schwiegervater resp. seine Ehefrau direkt betroffen waren, ist nicht ersichtlich, inwiefern das Verwaltungsgericht in Anwendung der zitierten Normen willkürlich gehandelt hätte. Das Argument der Beschwerdeführerin, § 25 Abs. 1 GG lasse sich nicht auf die Verhandlungen in der Planungs- kommission anwenden, da diese Bestimmung lediglich verlange, der Betroffene habe das Verhandlungslokal vor der Abstimmung zu verlassen, überzeugt nicht. Das Verwaltungsgericht hat die Ausstandsregeln von § 25 Abs. 1 GG im Sachzusammenhang mit § 5 Abs. 1 Satz 3 BauG angewandt: Gemäss § 25 Abs. 1 Satz 3 BauG orientiert der Gemeinderat das zuständige Organ über die von ihm vorgeschlagenen Abweichungen vom (definitiven) Vorprüfungsbe- richt und begründet sie. Die Organisation und das Verfahren in der Planungskommission sind gesetzlich nicht explizit geregelt. Es ist indessen unbestritten, dass die Planungskommission vom provisori- schen Vorprüfungsbericht des Kantons abgewichen ist. Diese Abwei- chung wurde an der Gemeindeversammlung vom 23. Juni 2000 nicht erwähnt. Wenn das Verwaltungsgericht in Anbetracht der Stellung, welche der Planungskommission als vorbereitender kommunaler 2003 Bau-, Planungs- und Umweltschutzrecht 181 Behörde im Nutzungsplanverfahren zukommt, die Ausstandsbestim- mungen des Verwaltungsrechtspflegegesetzes in Verbindung mit dem Gemeindegesetz analog anwendet, ist dies nicht zu beanstanden. Zudem ist schwerlich in Abrede zu stellen, dass die Ehefrau (als Mitglied der Erbengemeinschaft) resp. zuvor der Schwiegervater als dem Präsidenten nahestehende Personen ein direktes Interesse daran hatten, dass die Parzelle der Bauzone zugeteilt wird. Dass Ausstands- regeln im Übrigen auch für die Vorbereitung von Entscheiden gelten, ist weitgehend unbestritten (Michael Merker, Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, Kommentar zu den §§ 38 - 72 VRPG, Zürich 1998, § 50 N 8). Steht fest, dass sich das Verwaltungsgericht zulässigerweise auf die genannten kantonalen Ausstandsregeln berufen hat, ist zu prüfen, ob die Teilnahme des Planungskommissionspräsidenten und Gemein- deammanns an der Planung im Gebiet "M." geeignet war, den An- schein von Befangenheit zu erwecken. 3.6 3.6.1 Die vom Verwaltungsgericht zitierten kantonalen Verfah- rensbestimmungen verfolgen den gleichen Sinn und Zweck wie auf Verfassungsstufe Art. 8 Abs. 1 und Art. 29 Abs. 1 BV. Nach der bun- desgerichtlichen Praxis können Stellung und Aufgaben von Regie- rungs- und Verwaltungsbehörden eine differenzierte Ausstandsre- gelung nahe legen. Politische Behörden (Kantonsregierungen, Ge- meindeexekutiven usw.) sind auf Grund ihres Amtes, anders als ein Gericht, nicht allein zur (neutralen) Rechtsanwendung oder Streitent- scheidung berufen. Sie tragen zugleich eine besondere Verantwor- tung für die Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben (Urteil 2A.364/1995 des Bundesgerichtes vom 14. Februar 1997 in: ZBl 99/1998 S. 289 E. 3b). Das Bundesgericht hat denn auch wieder- holt entschieden, dass Behördenmitglieder nur dann in den Ausstand zu treten haben, wenn sie an der zu behandelnden Sache ein persönli- ches Interesse haben (BGE 107 Ia 135 E. 2b S. 137; 125 I 119 E. 3b- e S. 123 f.); nimmt ein Behördenmitglied jedoch öffentliche Interes- sen wahr, so besteht grundsätzlich keine Ausstandspflicht (Urteil 2003 Verwaltungsgericht 182 1P.426/1999 des Bundesgerichtes vom 20. Juni 2000 in: ZBl 103/2002 S. 36 E. 2a S. 37 mit Hinweisen). 3.6.2 Im vorliegenden Fall gilt es zu beachten, dass der Ge- meindeammann nicht einfach Mitglied der Planungskommission und des Gemeinderates war, sondern in beiden Behörden die leitende Funktion innehatte. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht erwogen, dass die massgeblichen Entscheide und Interessenabwägungen im Nutzungsplanverfahren in der vorberatenden Planungskommission gefällt werden. In der Planungskommission wird insbesondere die Siedlungsabgrenzung ein erstes Mal festgelegt, wird beraten und entschieden, wo die Bauzone vergrössert oder reduziert werden soll. Selbst wenn der Gemeinderat das Geschäft von Anfang an formell in den Händen hält, werden im Gemeinderat doch hauptsächlich die Vorschläge der Planungskommission besprochen, allenfalls noch abgeändert und dann beschlossen. Im Stadium, da die Planung in der Gemeindeversammlung zur Abstimmung gelangt, werden kaum mehr Änderungen angebracht. Zu schwierig scheint es, Entscheidun- gen über die Zonierung einzelner Grundstücke zu diesem Zeitpunkt noch umzustossen, weil dies wiederum zur Folge hätte, dass allen- falls weitere Grundstücke einer anderen Zone zuzuweisen wären, womit die gesamte Planung in Frage gestellt würde. Dieser Verfah- rensablauf zeigt auf, welche entscheidende Stellung den jeweils prä- sidierenden Mitgliedern der Planungskommission und des Gemein- derates zukommt. Übt eine Person beide Ämter aus, werden die Ein- flussmöglichkeiten noch erheblich verstärkt. Zwar ist eine solche Ämterkumulierung nicht schon an sich unzulässig, da der Amtsinha- ber in erster Linie öffentliche Interessen wahrzunehmen hat. Gibt allerdings eine (Teil-)Planung Anlass zu kontroversen Diskussionen und haben dem Präsidenten nahestehende Personen oder er selbst direkte Interessen, welche dieser auf Grund seiner leitenden Funktion relativ einfach gleichsam nebenher wahrnehmen kann, lässt sich der Anschein der Befangenheit kaum unterdrücken. Damit ist freilich auch gesagt, dass dann, wenn der Gemeindeammann oder eine ihm nahestehende Person Grundeigentum im Gemeindegebiet besitzt und die planerische Zukunft des betreffenden Grundstücks im Rahmen einer Ortsplanung unbestritten ist, sich nicht schon auf Grund dieser 2003 Bau-, Planungs- und Umweltschutzrecht 183 Interessenkonstellation eine Ausstandspflicht des Gemeindeammanns aufdrängt. Anders entscheiden hiesse die Arbeit der kommunalen Behörde verunmöglichen. 3.6.3 (...) Unbestritten gab das Gebiet "M.", welches im Plan- verfahren der Bauzone zugewiesen wurde, zu vertieften Diskussio- nen Anlass. Der objektive Anschein, dass bei diesem Planungsent- scheid private Interessen des Kommissionspräsidenten und Gemein- deammanns mitgespielt haben, lässt sich nicht unterdrücken. Dies umso weniger, als der Gemeindeversammlung das Abweichen von der (ursprünglichen) Meinung des Kantons bei der Präsentation des Entwurfs nicht aufgezeigt wurde. Zwar ist dem Gemeindeammann zu Gute zu halten, dass er bei der Behandlung der Einsprachen auf Wunsch der Einsprecherinnen in den Ausstand getreten ist. Bei den massgeblichen Entscheidfindungen hingegen war er sowohl in der Planungskommission als auch im Gemeinderat in führender Rolle anwesend. Damit wird dem Gemeindeammann nicht unterstellt, er hätte in der Tat die privaten Interessen seiner Frau (und indirekt seine eigenen) zu stark gewichtet - jedoch genügt der objektive Anschein von Befangenheit. 3.7 Das Verwaltungsgericht hat die Verletzung der Ausstandsre- geln zu Recht bejaht. Mithin hat es die Gemeindeautonomie nicht verletzt, denn die Gemeinde muss verfassungsrechtlich festgelegte Verfahrensgrundsätze auch im Rahmen ihrer Autonomie beachten.
5,602
4,547
AG_VG_001
AG_VG
AG
Northwestern_Switzerland
AG_VG_001_AGVE-2003-48_2002-11-04
http://agve.weblaw.ch/html//AGVE-2003-48.html
https://agve.weblaw.ch/pdf/AGVE-2003-48.pdf
AGVE_2003_48
null
nan
8210dbfb-428a-5ae3-bffb-a9aff06aeb8b
1
412
870,183
1,520,035,200,000
2,018
de
2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 190 16 Art. 36a GSchG; Art. 41a und b sowie ÜbgBest GSchV Der Gewässerraum nach Art. 36a GSchG und Art. 41a und b GSchV ist in einem raumplanerischen Verfahren festzulegen, das eine Würdigung der konkreten Verhältnisse und eine umfassende Interessenabwägung un- ter Einbezug aller interessierten Kreise, insbesondere auch der betroffe- nen Grundeigentümer, erlaubt. Denselben Anforderungen unterliegt der Verzicht auf die Festlegung von Gewässerraum (für künstlich angelegte Gewässer). Eine generell-abstrakte Bezeichnung von Gewässerraum oder ein generell-abstrakter Verzicht auf solchen wird diesen Anforderungen nicht gerecht; ebenso wenig eine kantonale Fachplanung, der keine Ab- klärung der konkreten Verhältnisse und eine umfassende Interessenab- wägung vorangegangen ist. Eine auf Stufe der Nutzungsplanung erlassene kommunale Abstandsvor- schrift gegenüber einer Gewässerparzelle, mit welcher die in Art. 41a GSchV für den Gewässerraum von Fliessgewässern vorgesehenen Min- destmasse unterschritten werden, ohne dass die einem Verzicht auf die Ausscheidung von Gewässerraum entgegenstehenden (ökologischen) Inte- ressen genügend geprüft und gewürdigt wurden, ist bundesrechtswidrig und muss aufgehoben werden. 2018 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 191 Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 1. März 2018, in Sachen A. und B. gegen Einwohnergemeinde C. und Regierungsrat (WBE.2017.224). Sachverhalt (Zusammenfassung) A. Vom 19. Januar 2015 bis 17. Februar 2015 legte der Gemeinde- rat C. die Teiländerung 2013 der Bau- und Nutzungsordnung (BNO) und des Zonenplans auf. Die Teiländerung der BNO bezweckt in ers- ter Linie die Anpassung der Begriffe und Messweisen an die Inter- kantonale Vereinbarung über die Harmonisierung der Baubegriffe (IVHB). Daneben wird u.a. für den S.-Bach eine kommunale Ab- standsregelung vorgesehen, die den folgenden Wortlaut aufweist: § 29b (neu) Gegenüber der S.-Bachparzelle sind mindestens die zonengemässen Grenzabstände - und nicht die Gewässerabstände - einzuhalten. Der Ge- meinderat legt die Abstände anhand des Naturwertes der Ufer und der si- tuationsgerechten Einpassung der Bauten in die Quartierstruktur fest. B. Namentlich gegen diese Bestimmung erhoben A. und B. zu- nächst eine Einwendung, die vom Gemeinderat C. am 13. April 2015 abgewiesen wurde, und alsdann - nach Annahme durch die Gemein- deversammlung C. am 18. Juni 2015, Ablauf der Referendumsfrist und Publikation der Teilrevision der BNO im kantonalen Amtsblatt vom 14. August 2015 - Beschwerde beim Regierungsrat. Dieser wies die Bechwerde am 22. März 2017 ab und genehmigte die ange- fochtene Bestimmung. Gegen den Genehmigungsentscheid erhoben A. und B. Beschwerde beim Verwaltungsgericht und verlangten des- sen Aufhebung. 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 192 Aus den Erwägungen 1. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet die Verein- barkeit des von der Einwohnergemeindeversammlung C. am 18. Juni 2015 beschlossenen und von der Vorinstanz am 22. April 2017 ge- nehmigten § 29b nBNO mit höherrangigem Recht. (...) 2. 2.1. Gemäss Art. 36a GSchG legen die Kantone nach Anhörung der betroffenen Kreise den Raumbedarf der oberirdischen Gewässer (Ge- wässerraum) fest, der für die Gewährleistung folgender Funktionen erforderlich ist: (a) die natürlichen Funktionen der Gewässer; (b) den Schutz vor Hochwasser; (c) die Gewässernutzung (Abs. 1). Der Bun- desrat regelt (in der GSchV) die Einzelheiten (Abs. 2). Die Kantone sorgen dafür, dass der Gewässerraum bei der Richt- und Nutzungs- planung berücksichtigt sowie extensiv gestaltet und bewirtschaftet wird (Abs. 3 Satz 1). In Gebieten ausserhalb von Biotopen von nationaler Bedeutung, kantonalen Naturschutzgebieten, Moorlandschaften von besonderer Schönheit und nationaler Bedeutung, Wasser- und Zugvogelreserva- ten von internationaler und nationaler Bedeutung sowie Landschaf- ten von nationaler Bedeutung und kantonalen Landschaftsschutzge- bieten im Sinne von Art. 41a Abs. 1 GSchV muss die Breite des Ge- wässerraums mindestens betragen: (a) für Fliessgewässer mit einer Gerinnesohle von weniger als 2 m natürlicher Breite 11 m; (b) für Fliessgewässer mit einer Gerinnesohle von 2-15 m natürlicher Breite die 2,5-fache Breite der Gerinnesohle plus 7 m (Art. 41a Abs. 2 GSchV). Die nach den Absätzen 1 und 2 berechnete Breite des Ge- wässerraums muss erhöht werden, soweit dies erforderlich ist zur Gewährleistung: (a) des Schutzes vor Hochwasser; (b) des für eine Revitalisierung erforderlichen Raums; (c) der Schutzziele von Ob- jekten nach Absatz 1 sowie anderer überwiegender Interessen des Natur- und Landschaftsschutzes; (d) einer Gewässernutzung 2018 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 193 (Art. 41a Abs. 3 GSchV). Soweit der Hochwasserschutz gewährleis- tet ist, kann die Breite des Gewässerraums den baulichen Gegeben- heiten in dicht überbauten Gebieten angepasst werden (Art. 41a Abs. 4 lit. a GSchV). Auf die Festlegung des Gewässerraums kann verzichtet werden, wenn das Gewässer künstlich angelegt ist, soweit keine überwiegenden Interessen entgegenstehen (Art. 41a Abs. 5 lit. c GSchV). Im Gewässerraum dürfen nach Art. 41c Abs. 1 GSchV vorbehältlich der dort genannten Ausnahmen nur standortgebundene, im öffentlichen Interesse liegende Anlagen wie Fuss- und Wanderwe- ge, Flusskraftwerke oder Brücken erstellt werden. Die Kantone legen den Gewässerraum gemäss den Art. 41a und 41b GSchV bis zum 31. Dezember 2018 fest. Solange sie den Ge- wässerraum nicht festgelegt haben, gelten die Vorschriften für Anla- gen nach Art. 41c Absätze 1 und 2 GSchV entlang von Gewässern auf einem beidseitigem Streifen mit einer Breite von je: (a) 8 m plus die Breite der bestehenden Gerinnesohle bei Fliessgewässern mit einer Gerinnesohle bis 12 m Breite; (b) 20 m bei Fliessgewässern mit einer bestehenden Gerinnesohle von mehr als 12 m Breite; (c) 20 m bei stehenden Gewässern mit einer Wasserfläche von mehr als 0,5 ha (Übergangsbestimmungen zur Änderung [der GSchV] vom 4. Mai 2011 [ÜbgBest GSchV], Abs. 1 und 2). Die beidseitigen, gleich brei- ten Uferstreifen unterscheiden sich insofern vom Gewässerraum ge- mäss Art. 41a GSchV, als letzterer ein Korridor ist, in dem das Ge- wässer nicht in der Mitte fliessen muss (Erläuternder Bericht des Bundesamts für Umwelt [BAFU] vom 20. April 2011 zu A. Parla- mentarische Initiative Schutz und Nutzung der Gewässer [07.492] - Änderung der Gewässerschutz-, Wasserbau-, Energie- und Fischerei- verordnung, B. Versickerung von Abwasser - Änderung der Gewäs- serschutzverordnung, C. Anpassung der Fischnahmen - Änderung der Fischereiverordnung [nachfolgend: Erläuternder Bericht BAFU], S. 10 und 30; CHRISTOPH FRITSCHE, in: PETER HETTICH/LUC JAN- SEN /ROLAND NORER [HRSG.], Kommentar zum Gewässerschutzge- setz und zum Wasserbaugesetz, Zürich/Basel/Genf 2016, Art. 36a GSchG N 70). 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 194 2.2. Die Vorinstanz ist der Auffassung, der Kanton Aargau habe den Gewässerraum gemäss den Art. 41a und 41b GSchV festgelegt. Da- mit bleibe kein Raum für eine Anwendung der ÜbgBest GSchV. (...) 2.3. 2.3.1. Vorab ist der Vorinstanz darin beizupflichten, dass die Kantone bezüglich des Instrumentariums für die Festlegung des Gewässer- raums einen Spielraum erhalten haben (vgl. HANS W. STUTZ, Uferstreifen und Gewässerraum - Umsetzung durch die Kantone, in: URP 2012, S. 90 ff., S. 116). Ob dieser Spielraum darin begründet liegt, dass der Bund in diesem Bereich allenfalls nur über eine Grundsatzgesetzgebungskompetenz gemäss Art. 76 Abs. 2 BV ver- fügt (a.M. FRITSCHE, a.a.O., vor Art. 36a-44 GSchG N 16, wonach Art. 36a GSchG seine Verfassungsgrundlage in Art. 76 Abs. 3 BV habe), kann dahingestellt bleiben. Ähnlich wie in anderen Umweltbereichen kann die Festlegung des Gewässerraums mittels einer kantonalen Fachplanung erfolgen. Damit ist eine kantonsweit einheitliche Festlegung des Gewässer- raums gewährleistet. Insbesondere ergeben sich an den Gemeinde- grenzen keine Abstimmungsschwierigkeiten. Aufgrund von Art. 36a Abs. 3 GSchG ist der so festgelegte Gewässerraum für die Richt- und Nutzungsplanung, im Baubewilligungsverfahren und bei den übrigen raumwirksamen Tätigkeiten der kantonalen und kommunalen Behör- den verbindlich. Auch eine direkte Bestimmung des Gewässerraums in der kommunalen Nutzungsplanung ist möglich. Der Gewässer- raum kann ferner mit einem kantonalen Nutzungsplan festgelegt wer- den. Denkbar ist sodann ein Zusammenwirken von Kanton und Ge- meinden, indem etwa der Kanton Richtlinien für die Festlegung des Gewässerraums erlässt, die von den Gemeinden in der Nutzungspla- nung umgesetzt werden müssen (STUTZ, a.a.O., S. 116 f.; BGE 139 II 470, Erw. 4.3). Es ist nicht anzunehmen, dass das BAFU den dargelegten Spielraum mit seinen Ausführungen im Erläuternden Bericht vom 20. April 2011, wonach die Kantone den Gewässerraum in einer Gewässerraumkarte festlegen (die bei der Richt- und Nut- 2018 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 195 zungsplanung berücksichtigt wird) (a.a.O., S. 13), auf ein bestimmtes Planungsinstrument eingrenzen wollte. Im von der Bau-, Planungs- und Umweltdirektoren-Konferenz (BPUK), der Konferenz der Land- wirtschaftsämter der Schweiz (KOLAS), dem BAFU, dem Bundes- amt für Landwirtschaft (BLW) und dem Bundesamt für Raument- wicklung (ARE) erarbeiteten, von der BPUK-Hauptversammlung am 20. September 2012 genehmigten Synthesebericht (nachfolgend: Synthesebericht) heisst es jedenfalls, die definitive Festlegung der Gewässerräume könne über behördenverbindliche Planungen wie Gewässerrauminventare oder -karten geschehen, sofern die Grenzen des Gewässerraums darin klar ersichtlich sind und als Nutzungsein- schränkungen angewendet werden können (a.a.O., S. 3). So oder so ist die Sicherung des Gewässerraums nach den In- tentionen des Bundesgesetzgebers in einem raumplanerischen Ver- fahren zu vollziehen, das einerseits die konkreten Verhältnisse wür- digt und andererseits - im Dienste einer umfassenden Interessenab- wägung (vgl. Erw. 2.3.3 hinten) - die Anhörung und Mitwirkung der betroffenen Kreise, insbesondere auch der Grundeigentümer und Grundstücksbenutzer, gewährleistet (vgl. dazu schon den VGE vom 21. Juni 2017 [WBE.2016.451/ 452], Erw. II/3.2.2; VGE vom 27. September 2012 [WNO.2012.2], Erw. II/4.4.1, S. 12 f. mit Hin- weisen). In der gegenwärtigen Ausgestaltung trifft dies aus Sicht des Verwaltungsgerichts am ehesten auf die kommunale Nutzungspla- nung zu. Ein entsprechender Ausbau der kantonalen Fachplanung könnte zu gewissen Doppelspurigkeiten führen. Eine rein generell-abstrakte Festlegung des Gewässerraums ist demgegenüber unzulässig. Die Art. 41a und 41b GSchV erheischen zwingend die Berücksichtigung von Kriterien, die eine Betrachtung der konkreten Situation erfordern. Eine flächendeckend einheitliche Regelung, wie sie die vom kantonalen Recht abzulösende ÜbgBest GSchV vorsehen, würde dem Sinn und Zweck des Bundesrechts nicht entsprechen. Mit einer generell-abstrakten Regelung liesse sich auch kein befriedigendes Gesamtergebnis erzielen, das die konkreten Bedürfnisse (pro Gewässerabschnitt) und alle berechtigten Interessen angemessen berücksichtigt (FRITSCHE, a.a.O., Art. 36a GSchG N 34; STUTZ, a.a.O., S. 117 f.). Wie viel Raum für den Hochwasserschutz, 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 196 die Ökologie oder die Gewässernutzung benötigt wird, ist von Fall zu Fall verschieden. Dasselbe gilt für die baulichen Gegebenheiten und die planerisch gewünschte Siedlungsentwicklung, die sich von Ort zu Ort unterschiedlich gestaltet (JEANETTE KEHRLI, Gewässer- raum festlegen - Worauf die Kantone in Recht und Praxis achten müssen, in: Raum & Umwelt, VLP-ASPAN, November 4/17, S. 24). Dem ist bereits bei der Festlegung der Gewässerräume Rechnung zu tragen. Vor diesem Hintergrund bildet die in § 127 Abs. 1 BauG ver- ankerte, von der Vorinstanz beschriebene Definition des Gewässer- raums einzig anhand der Gewässerbreite bzw. Gewässerfläche keine den Anforderungen von Art. 41a und 41b GSchV gerecht werdende Gewässerraumfestlegung. 2.3.2. Unter Verweis auf die Entstehungsgeschichte von Art. 36a GSchG und dessen Wortlaut, der sich praktisch vollständig mit der bis zum 1. Juni 2011 in Kraft stehenden Fassung von Art. 21 Abs. 2 und 3 der Verordnung über den Wasserbau vom 2. November 1994 (Wasserbauverordnung, WBV; SR 721.100.1) decke, hält die Vorinstanz fest, das zweistufige Prozedere mit der in Art. 36a Abs. 1 GSchG normierten Festlegung der Gewässerräume (erster Schritt) und deren späteren Ausscheidung in der (kommunalen) Nutzungsplanung gemäss Art. 36a Abs. 3 GSchG (zweiter Schritt) sei im Gesetz selber angelegt. In der Rechtsprechung und Lehre würden die beiden Stufen zum Teil nicht sauber auseinandergehalten und die Begrifflichkeiten miteinander vermengt. Die Kantone seien nicht verpflichtet, bei der Gewässerraumfestlegung für alle Gewässer Einzelfalllösungen zu treffen. Auf Stufe der Nutzungsplanung könne der in § 127 BauG und der Fachkarte festgelegte Gewässerraum den konkreten Verhältnissen in einem gewissen Ausmass noch angepasst werden. Dort könnten sich auch alle Betroffenen einbringen, mit Rechtsmitteln dagegen zur Wehr setzen und es habe eine umfassende Interessenabwägung in Kenntnis aller Argumente der Betroffenen stattzufinden. Dies im Gegensatz zur Festlegung des Gewässerraums gemäss Art. 36a Abs. 1 GSchG, die auch ohne Rechtsmittelverfahren erfolgen könne. Es seien lediglich die betroffenen Kreise anzuhören, was formlos geschehen könne. Vor Erlass von § 127 BauG seien alle 2018 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 197 interessierten Kreise (Bauernverband, Umweltverbände, Gewerbe- verband, Hauseigentümerverband, Ortsbürgergemeindeverband usw.) angehört worden, wobei die Basis und die Berechnungsweise für die Gewässerraumkarte bekannt gewesen seien. Die Gewässerraumkarte sei zwar nicht direkt grundeigentümerverbindlich, müsse aber von den Baupolizeibehörden bei allen raumwirksamen Tätigkeiten, insbesondere bei der Erteilung von Baubewilligungen, berücksichtigt werden. Dadurch sei der Rechtsschutz gewährleistet. (...) Die sich aus Art. 36a Abs. 3 GSchG ergebende Pflicht, den notwendigen Gewässerraum in der Richt- und Nutzungsplanung zu berücksichtigen, sei ohnehin eine permanente Aufgabe, die mit dem erstmaligen Ausscheiden der Gewässerräume in der Nutzungspla- nung nicht an Aktualität einbüsse. Mit Bezug auf Einzelprojekte könne sich später durchaus Anpassungsbedarf ergeben. Deswegen rechtfertige es sich jedoch nicht, auf Vorrat Gewässerraum auszu- scheiden, mit allen damit verbundenen Einschränkungen für die Be- wirtschaftung. Die ÜbgBest GSchV stellten namentlich ohne eine zeitliche Limitierung, wie sie etwa für Planungszonen gemäss Art. 27 RPG gelte, einen schweren Eingriff in die Eigentumsfreiheit dar, vor allem in der nicht dicht überbauten Bauzone, wo ein Gewässer einge- dolt, künstlich angelegt oder sehr klein sei und daher im Normalfall keinen Gewässerraum benötige. Ein derartiger Eingriff müsste seine Grundlage in einem formellen Gesetz haben. Spätestens seit dem 1. Juni 2016 (fünf Jahre nach Inkrafttreten) seien die ÜbgBest GSchV nicht mehr verfassungskonform, was das Verwaltungsgericht im Rahmen einer inzidenten Normenkontrolle festzustellen habe, falls es zum Schluss gelange, dass die ÜbgBest GSchV im Kanton Aargau nach wie vor anwendbar seien. 2.3.3. Diese rechtsstaatlichen Bedenken der Vorinstanz können nicht geteilt werden. Art. 36a GSchG und die ausführenden Bestimmungen in der GSchV dienen wichtigen öffentlichen Anliegen (Gewährleis- tung der natürlichen Funktion der Gewässer, Schutz vor Hochwasser und Gewässernutzung). Mit den ÜbgBest GSchV soll sichergestellt werden, dass im Gewässerraum keine unerwünschten neuen Anlagen mehr errichtet werden, welche diese Anliegen durchkreuzen 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 198 (BGE 139 II 470, Erw. 4.2; FRITSCHE, a.a.O., Art. 36a GSchG N 73). Dabei muss man sich auch vor Augen halten, dass die Kantone auf- grund der von der Vorinstanz selber ins Spiel gebrachten WBV (Art. 21 Abs. 2 und 3) schon seit 1999 verpflichtet sind, einen ausrei- chenden Gewässerraum für Gewässer festzulegen. Die fachlichen Anliegen hinter diesem Bundesauftrag sind seit langem bekannt (KEHRLI, a.a.O., S. 5). Würde die ÜbgBest GSchV aufgrund der Säumnis eines Kantons im Bereich der Gewässerraumfestlegung we- sentlich länger als bis zum 31. Dezember 2018 gelten, wäre allenfalls eine Entschädigungspflicht aus materieller Enteignung näher zu prü- fen (FRITSCHE, a.a.O., Art. 36a GSchG N 166). Solange jedoch Pla- nungszonen, Bausperren und dergleichen vorübergehender Natur sind und nicht mehr als maximal zehn Jahre dauern, begründen sie nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung grundsätzlich keinen Anspruch aus materieller Enteignung (BGE 123 II 481, Erw. 9; BGE 109 Ib 20, Erw. 4a; Urteil des Bundesgerichts vom 14. März 2008 [1C_317/2007], Erw. 2). Ein schwerer Eingriff in die Eigen- tumsgarantie, für den eine (kompetenzgemäss erlassene) Verordnung als Rechtsgrundlage nicht genügt, wird vom Bundesgericht in der Regel erst angenommen, wenn Grundeigentum zwangsweise entzo- gen oder der bisherige oder künftig mögliche bestimmungsgemässe Gebrauch des Grundstücks (auf Dauer) verunmöglicht oder stark er- schwert wird (ULRICH HÄFELIN/GEORG MÜLLER/FELIX UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Auflage, Zürich/St. Gallen 2016, Rz. 2344 mit Hinweisen). Zutreffend ist aber, dass die Kantone ein evidentes Interesse da- ran haben, den Gewässerraum zwecks Ablösung der ÜbgBest GSchV möglichst rasch festzulegen (FRITSCHE, a.a.O., Art. 36a GSchG N 69; KEHRLI, a.a.O., S. 9; Synthesebericht, S. 7). In diesem Sinne wurde den Kantonen von den involvierten Bundesämtern zugestan- den, dass der Gewässerraum als hinreichend festgelegt gilt und die ÜbgBest GSchV nicht mehr gelten, sobald der Gewässerraum samt genauem Grenzverlauf in behördenverbindlichen Planungen wie Ge- wässerrauminventaren oder -karten ausgewiesen wird (Synthesebe- richt, S. 3 und 7). Nichtsdestotrotz kennt das Bundesrecht prozessua- le Vorgaben, die vom kantonalen Recht respektiert werden müssen. 2018 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 199 Dazu gehört das in Art. 36a Abs. 1 GSchG statuierte Anhörungsrecht der betroffenen Kreise . Dieses Anhörungsrecht ist als eine Art Ver- nehmlassungsverfahren zu verstehen, das zwar relativ formlos ausge- staltet werden kann und den Betroffenen keine Rechtsmittelmöglich- keit bietet. Das bedeutet allerdings nicht, dass nur Verbände anzuhö- ren wären. Der Einbezug der betroffenen Kreise ermöglicht die not- wendige Breite der Interessenabwägung und bildet damit eine wichti- ge Grundlage für den sachgerechten Planungsentscheid. Daher ist der Kreis der einzubeziehenden Personen nicht zu eng zu ziehen, son- dern sind in der Regel nicht nur die Grundeigentümer, sondern auch Mieter, Pächter (Bewirtschafter) und die betroffenen Gemeinden an- zuhören (FRITSCHE, a.a.O., Art. 36a GSchG N 28 f.). Auf diese Weise besteht eher Gewähr dafür, dass der Kanton nicht an den Inte- ressen der Betroffenen vorbeiplant und seine Planung in den Nut- zungsplanungen im grossen Stil überarbeitet werden muss. Daraus ergibt sich, dass die umfassende Interessenabwägung nicht - wie von der Vorinstanz propagiert - auf die der Gewässer- raumplanung des Kantons nachfolgende Stufe der kommunalen Nut- zungsplanung mit der definitiven, direkt grundeigentümerverbind- lichen Ausscheidung der Gewässerräume verlagert werden kann, die Ablösung der ÜbgBest GSchV jedoch bereits zu einem früheren Zeitpunkt erfolgt. Dies gilt namentlich dort, wo das Bundesrecht für die Festlegung von Gewässerraum oder den Verzicht darauf explizit an eine Interessenabwägung anknüpft. Das ist beispielsweise bei Art. 41a Abs. 5 lit. c GSchV der Fall, wonach bei künstlich angeleg- ten Gewässern auf die Festlegung des Gewässerraums verzichtet werden kann, soweit keine überwiegenden Interessen entgegenste- hen. Das lässt sich letztlich nur anhand einer umfassenden Interes- senabwägung beurteilen. Wird diese nicht schon vom Kanton beim Verzicht auf die Festlegung von Gewässerraum durch entsprechende Kennzeichnung des künstlich angelegten Gewässers in der Gewäs- serraumkarte vorgenommen, kann das Verfahren zur Gewässerraum- festlegung in diesem Zeitpunkt nicht als vollendet betrachtet werden; die ÜbgBest GSchV zur Sicherung des Gewässerraums bleiben daher anwendbar. Die gegenteilige Annahme würde dazu führen, dass für alle künstlich angelegten Gewässer mit (vorläufigem) Verzicht des 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 200 Kantons auf die Festlegung eines Gewässerraums (in der Gewässer- raumkarte) kein Gewässerraum mehr gesichert ist, bevor überhaupt genügend ergründet wurde, ob es im Einzelfall und unter Würdigung der konkreten Verhältnisse nicht doch überwiegende Interessen gibt, welche die Festlegung von Gewässerraum (wenigstens abschnitts- weise) erfordern. Die Nutzungsplanung der Gemeinden, in deren Rahmen allenfalls Bedarf nach einem Gewässerraum für ein künst- lich angelegtes Gewässer erkannt würde, käme dann unter Umstän- den zu spät. Durch die Bewilligung von Bauten im Gewässerraum, die sich in dieser Konstellation nicht unter Hinweis auf die kantonale Planung bzw. die Gewässerraumkarte verhindern liessen, könnten bereits Fakten geschaffen worden sein, die mit den Schutzzielen der Gewässerraumvorschriften nicht zu vereinbaren sind. Demgemäss braucht es für einen gültigen, die ÜbgBest GSchV ablösenden Verzicht auf die Festlegung von Gewässerraum in An- wendung von Art. 41a Abs. 5 lit. c GSchV eine umfassende Interes- senabwägung (vgl. auch KEHRLI, a.a.O., S. 18), sei dies auf Stufe der Fachplanung des Kantons - (vorerst) ohne Rechtsmittelmöglichkeit - oder der anschliessenden Nutzungsplanung der Gemeinden, in deren Rahmen die (vorstrukturierte) Interessenabwägung (des Kantons) ab- geschlossen und im Rechtsmittelverfahren überprüft werden kann. Das bedeutet, dass die verschiedenen öffentlichen und privaten Inte- ressen, die für oder gegen die Festlegung oder Ausscheidung von Ge- wässerraum für ein künstlich angelegtes Gewässer sprechen, sorgfäl- tig gegeneinander abgewogen werden müssen. Überwiegende Inte- ressen, die eine Festlegung des Gewässerraums bei künstlich ange- legten Gewässern notwendig machen, sind auch hier insbesondere Interessen des Hochwasserschutzes sowie die allenfalls vorhandene ökologische Bedeutung des Gewässers. Bei künstlich angelegten Ge- wässern, die eine ökologische Bedeutung haben (z.B. Binnenkanäle entlang kanalisierter Flüsse wie dem Alpenrhein, Gewässer, die eine Bedeutung als Lebensraum oder für die Vernetzung von Lebensräu- men haben), ist ein Gewässerraum auszuscheiden (Erläuternder Be- richt BAFU, S. 13). 2018 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 201 2.3.4. 2.3.4.1. In Erw. 6.8 f. des Beschwerdeentscheids führt die Vorinstanz aus, die Kennzeichnung der künstlich angelegten Gewässer in der Gewässerraumkarte als solche ohne besondere ökologische Bedeu- tung beruhe auf einer Einzelfallbeurteilung für jedes betroffene Ge- wässer. Die ersten Weichen seien schon im Gesetzgebungsverfahren (zu § 127 BauG) gestellt worden. Dort seien die vorhandenen Inte- ressen ermittelt und mithilfe ausgewiesener Massstäbe beurteilt wor- den. Am 16. März 2016 habe der Regierungsrat die Gewässerraum- karte beschlossen. Die vom Regierungsrat vorgenommene Interes- senabwägung habe dazu geführt, den S.-Bach in der Gewässerraum- karte als Fliessgewässer im Sinne von § 127 Abs. 1bis lit. a BauG (künstlich angelegt und ohne besondere ökologische Bedeutung) zu klassieren. Er habe sich insbesondere von den Überlegungen des BVU (Abteilung für Baubewilligungen) leiten lassen, das am 17. Juli 2015 für ein Bauvorhaben am S.-Bach die Zustimmung erteilt habe. Die erwähnten Überlegungen des BVU werden auf S. 16 f. des Beschwerdeentscheids wiedergegeben. Zu den öffentlichen Interes- sen, die einem Verzicht auf die Festlegung von Gewässerraum für den S.-Bach entgegenstehen könnten, heisst es dort: Beim S.-Bach D. ist die Hochwassergefährdung kein Thema, da die Wassermenge beim Bachabschlag reguliert wird. Es ist definiert, wie viel Wasser im Maximum dem S.-Bach zugeführt werden kann, so dass keine Hochwassergefährdung entstehen kann. Dem S.-Bach D. wird aus Sicht des Kantons nur eine geringe ökologi- sche Bedeutung zugewiesen, da der Bach auf weiten Strecken hart ver- baut ist und es nie eine durchgehende Vernetzung bis zur Mündung ge- ben wird. Es ist klar, dass der S.-Bach im Siedlungsgebiet eine Vernet- zungsachse darstellt und abschnittsweise einem im dicht besiedelten Raum wichtigen Lebensraum darstellt, der punktuell auch ökologisch aufgewertet wurde. Aufgrund seiner Entstehung und im Vergleich zu na- türlichen Gewässern hat der S.-Bach jedoch eine zu kleine ökologische Bedeutung, als dass wegen dieser eine Festlegung eines Gewässerraums verlangt würde. 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 202 In der Botschaft Nr. 15.18 des Regierungsrats an den Grossen Rat zur Änderung des BauG, Teilrevision Umsetzung des Gewäs- serraums gemäss Bundesrecht vom 14. Januar 2015, fehlen Anga- ben zum S.-Bach von C. und D. Es wird bloss allgemein festgehal- ten, dass diejenigen künstlich angelegten Gewässer, die keine beson- dere ökologische Bedeutung haben, in der Gewässerraumkarte spe- ziell gekennzeichnet würden, wozu auf Abb. 7 (auf S. 14) verwiesen wird. Gegenüber diesen Kanälen und künstlich angelegten Gewässer- läufen (z.B. Wasserkraftwerks- oder Industriekanäle, Be- und Ent- wässerungsgräben, Stadtbäche) seien keine vorgegebenen Abstände einzuhalten (a.a.O., S. 13). An der Vernehmlassung, die vom 26. März 2014 bis Ende Juni 2014 dauerte, beteiligten sich zehn Par- teien, zwölf regionale Planungsverbände, 14 andere Verbände, 80 Gemeinden und vier Einzelpersonen. Ob und inwieweit dabei § 127 Abs. 1bis lit. a BauG oder sogar einzelne künstlich angelegte Gewäs- ser thematisiert wurden, geht aus der Botschaft (S. 7 f.) nicht hervor. Unbekannt ist ferner, ob und inwieweit der Regierungsrat entspre- chende Äusserungen beim Entscheid über die ökologische Bedeu- tung der einzelnen künstlich angelegten Gewässer einbezogen und gewürdigt hat. Für die betroffenen Grundeigentümer war im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens sodann kaum absehbar, welche Konse- quenzen bzw. Auswirkungen auf die Nutzung ihres Eigentums diese Gesetzesbestimmungen konkret haben würden. 2.3.4.2. Die Beschwerdeführer weisen zu Recht darauf hin, dass die oben (Erw. 2.3.4.1 vorne) zitierte Stellungnahme des BVU zum ge- ringen ökologischen Wert des S.-Bachs wenig fundiert erscheint. Es lässt sich nicht nachvollziehen, welche Datenlage dieser Einschät- zung zugrunde liegt. So werden beispielsweise keine (detaillierten) Angaben zum zahlenmässigen Verhältnis des verbauten zum nicht verbauten Teil des S.-Bachs oder dazu gemacht, auf welchen Ab- schnitten und für welche Arten (von Pflanzen oder Tieren) der S.- Bach einen wichtigen Lebensraum bildet. Die Beschwerdeführer ver- langen von den Behörden in diesem Zusammenhang Bestandesauf- nahmen, Begehungsprotokolle und dergleichen, die auch im vorlie- genden Verfahren nicht beigebracht wurden. Das vermittelt den Ein- 2018 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 203 druck, dass der Sachverhalt im Vorfeld der Verabschiedung der Ge- wässerraumkarte gar nicht oder zu wenig vertieft abgeklärt wurde, um eine auf den konkreten Fall des S.-Bachs zugeschnittene, umfas- sende Interessenabwägung zu ermöglichen. An mehr Datenmaterial hätte man unter Umständen gelangen können, wenn man die Natur- schutzorganisationen zum beabsichtigten Verzicht auf die Festlegung eines Gewässerraums für den S.-Bach angehört hätte. Stattdessen wurden die Umweltverbände offenbar auf das Nutzungsplanungsver- fahren verwiesen. Von vornherein unzulässig wäre es, den (geringen) ökologi- schen Wert des S.-Bachs aus seiner Entstehungsgeschichte abzulei- ten. Die Art und Weise der Entstehung ( künstlich angelegt ) ist nur das eine Tatbestandsmerkmal, das für den Verzicht auf die Festle- gung von Gewässerraum in Anwendung von Art. 41a Abs. 5 lit. c GSchV und § 127 Abs. 1bis lit. a BauG erfüllt sein muss; das Fehlen überwiegender Interessen, die einem solchen Verzicht entgegenste- hen, das andere Kriterium, das gesondert geprüft werden muss. Es ist zumindest nicht aktenkundig, dass der Verabschiedung der Gewäs- serraumkarte durch den Regierungsrat im Fall des S.-Bachs eine ein- gehende und einzelfallbezogene Prüfung derartiger Interessen voran- gegangen ist. Folglich ist darauf abzustellen, dass die Gewässerraum- karte mit Bezug auf den S.-Bach, der darin als künstlich angelegtes Gewässer ohne besondere ökologische Bedeutung gekennzeichnet wird, die ÜbgBest GSchV mit den gemäss Abs. 2 grundsätzlich freizuhaltenden Uferstreifen nicht abzulösen vermochte. Das heisst aber entgegen der Meinung der Beschwerdeführer nicht notwendigerweise, dass die ÜbgBest GSchV für den S.-Bach weiterhin gelten. Sie könnten durch eine planerische Festlegung auf Stufe der kommunalen Nutzungsplanung, die nach umfassender Inte- ressenabwägung zustande gekommen ist und den materiellen Krite- rien von Art. 36a GSchG und Art. 41a und 41b GSchV, namentlich Art. 41a Abs. 5 lit. c GSchV entspricht, verdrängt worden sein (FRITSCHE, a.a.O., Art. 36a GSchG N 74). 2.3.4.3. Die Vorinstanz und die Beschwerdeführer gehen übereinstim- mend davon aus, dass die Gemeinde C. bis anhin nicht auf Stufe der 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 204 Nutzungsplanung auf die Ausscheidung von Gewässerraum für den S.-Bach verzichtet hat. Tatsächlich hat die Einwohnergemeinde C. Stand heute weder sich mit der Ausscheidung von Gewässerraum im Allgemeinen be- fasst noch Bestimmungen erlassen, mit denen auf die Ausscheidung eines Gewässerraums für den S.-Bach verzichtet wird. Mit dem Be- schluss des umstrittenen § 29b nBNO hat sie jedoch gegenüber der S.-Bachparzelle (mindestens) einzuhaltende (zonengemässe) Grenz- abstände definiert, mit denen ein von Überbauungen grundsätzlich freizuhaltender Gewässerraum mit den Mindestmassen nach Bundes- recht und im Übrigen auch mit den vom Kanton in § 127 Abs. 1 BauG festgelegten Ausmassen nicht gewährleistet ist. (...) Insofern hat die Einwohnergemeindeversammlung C. implizit auf die Aus- scheidung von Gewässerraum für den S.-Bach verzichtet. Dies gilt umso mehr, als den Gemeindebehörden die Thematik durch die Ein- wendung der Beschwerdeführer bekannt war. An der Einwen- dungsverhandlung vom 19. März 2015 wurde darüber debattiert, ob für den S.-Bach ein Gewässerraum ausgeschieden werden muss. Dem Protokoll zum Einwendungsentscheid vom 13. April 2015 ist zu entnehmen, dass sich die Gemeinde gegen eine Festlegung von Gewässerraum wehre, keine Hochwassergefährdung bestehe und die ökologische Bedeutung des S.-Bachs nicht überbewertet werden dür- fe. Auf der Gegenseite beharrten die Beschwerdeführer darauf, dass der S.-Bach ein ökologisch wertvolles Gewässer sei, für das ein Ge- wässerraum ausgeschieden werden müsse. Setzen sich Gemeindebehörden - wie der Gemeinderat C. - im Rahmen einer Teilrevision der Nutzungsplanung mit der Frage ausei- nander, ob für ein künstlich angelegtes Gewässer Gewässerraum aus- geschieden werden muss, und entscheiden sie sich (in Anwendung von Art. 41a Abs. 5 lit. c GSchV) gegen die Ausscheidung von Ge- wässerraum, reicht ein solches Vorgehen, um die ÜbgBest GSchV abzulösen, sofern die Voraussetzungen für einen Verzicht auf die Festlegung von Gewässerraum erfüllt sind. Insofern ist § 29b nBNO nicht auf seine Übereinstimmung mit den ÜbgBest GSchV, die bei einem gültigen Verzicht auf die Ausscheidung von Gewässerraum ohnehin wegfielen, sondern vielmehr auf diejenige mit Art. 41a 2018 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 205 Abs. 5 lit. c GSchV zu überprüfen. Dass Art. 41a Abs. 5 lit. c GSchV einen expliziten Verzicht in Form einer BNO-Bestimmung (wonach für ein bestimmtes Gewässer kein Gewässerraum ausgeschieden werde) oder einer (ohnehin bloss orientierenden) Kennzeichnung im Zonenplan (analog derjenigen in der Gewässerraumkarte des Kan- tons) verlangen würde, ist nicht ersichtlich. Auch braucht ein Ver- zicht gemäss Art. 41a Abs. 5 lit. c GSchV nicht zwingend mit der Festlegung oder Ausscheidung von Gewässerraum für andere Ge- wässer zeitlich koordiniert zu werden. 3. 3.1-3.2. (Prüfung der Frage, ob auf Stufe der Nutzungsplanung die nach Art. 41a Abs. 5 lit. c GSchV für den Verzicht auf die Aus- scheidung von Gewässerraum für den S.-Bach erforderliche Interes- senabwägung stattgefunden hat) 4. Zusammenfassend ist der Verzicht auf die Festlegung von Ge- wässerraum für den S.-Bach auf Ebene der Fachplanung des Kantons durch dessen Kennzeichnung in der Gewässerraumkarte als künstlich angelegtes Gewässer ohne besondere ökologische Bedeutung nicht nach einer umfassenden Interessenabwägung zustande gekommen, weshalb dieser planerische Entscheid die ÜbgBest GSchV mit den in Abs. 2 vorgesehenen grundsätzlich freizuhaltenden Uferstreifen nicht abzulösen vermochte. Auf Stufe der kommunalen Nutzungsplanung gibt es zwar durch den Beschluss von § 29b nBNO einen weiteren planerischen Entscheid, mit welchem implizit auf die Ausscheidung von Gewässerraum für den S.-Bach verzichtet wurde. Doch liegt die- sem Entscheid eine ungenügende Interessenabwägung zugrunde, die den Anforderungen von Art. 41a Abs. 5 lit. c GSchV nicht entspricht. Ungenügend ist die Interessenabwägung insofern, als der Sachverhalt zur Beurteilung des ökologischen Werts des S.-Bachs unzureichend abgeklärt und unvollständig gewürdigt wurde. Das beruht insbeson- dere auf den Fehlannahmen, dass einem künstlich angelegten Gewäs- ser ohne Vernetzungsfunktion zwischen natürlichen Fliessgewässern a priori keine ökologische Bedeutung beigemessen werden kann, die einem Verzicht auf die Festlegung von Gewässerraum entgegenste- hen könnte, und dass die Gewässerraumvorschriften zu wenig flexi- 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 206 bel handhabbar sind, um mit einer abschnittsweisen Lagebeurteilung sowohl dem Interesse am Schutz der natürlichen Funktionen als auch demjenigen am Erhalt des Ortsbilds und der städtebaulichen Ent- wicklung des S.-Bachs Rechnung tragen zu können. Solange kein rechtsgenügender Verzicht auf die Festlegung von Gewässerraum für den S.-Bach vorliegt, erweist sich § 29b nBNO mit einer Bachab- standsvorschrift, die einen potenziellen Verstoss gegen die Gewässer- raumgesetzgebung respektive die darin vorgeschriebenen Mindest- masse für Gewässerräume beinhaltet, als bundesrechtswidrig. In teilweiser Gutheissung der vorliegenden Beschwerde ist so- mit der im Rahmen der Teilrevision BNO C. eingeführte, von der Gemeindeversammlung am 18. Juni 2015 beschlossene § 29b nBNO von der Genehmigung durch den Regierungsrat (...) auszunehmen und aufzuheben. (...)
8,064
6,265
AG_VG_001
AG_VG
AG
Northwestern_Switzerland
AG_VG_001_AGVE-2018-16_2018-03-03
http://agve.weblaw.ch/html//AGVE-2018-16.html
https://agve.weblaw.ch/pdf/AGVE-2018-16.pdf
AGVE_2018_16
null
nan
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871,410
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2,006
de
2006 Verwaltungsgericht 112 [...] 24 Geschäfts-/Privatvermögen. - Beteiligung (Aktienzeichnung, Darlehensgewährung) des Inhabers einer Einzelfirma, zwecks Diversifikation, an einer AG mit völlig an- derem Tätigkeitsbereich. Auch in einem solchen Fall ist Geschäfts- vermögen nicht von vornherein ausgeschlossen; vielmehr hängt die Zuordnung der Beteiligung zum Geschäfts- oder Privatvermögen auch hier von der Gesamtheit der objektiv feststellbaren tatsächli- chen Verhältnisse ab. - Geringe Bedeutung der buchhalterischen Behandlung als Geschäfts- vermögen, wenn im Zeitpunkt der Einbuchung der Verlust bereits absehbar oder sogar eingetreten ist. 2006 Kantonale Steuern 113 Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 19. Dezember 2006 in Sachen R.W. gegen Steuerrekursgericht. Publikation in StE 2007 vorgesehen.
174
143
AG_VG_001
AG_VG
AG
Northwestern_Switzerland
AG_VG_001_AGVE-2006-24_2006-12-02
http://agve.weblaw.ch/html//AGVE-2006-24.html
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AGVE_2006_24
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2,014
de
2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 120 17 Ausschaffungshaft; Haftverlängerung; Beschleunigungsgebot Das Beschleunigungsgebot ist verletzt, wenn die Behörden betreffend Pa- pierbeschaffung während Monaten untätig geblieben sind und die pen- denten Anträge bei der ausländischen Behörde nicht mahnten (Erw. 5.). Aus dem Entscheid des Einzelrichters des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 16. September 2014 in Sachen Amt für Migration und Integration gegen A. (WPR.2014.147). Aus den Erwägungen 5. Gemäss Art. 76 Abs. 4 AuG sind die für den Vollzug der Weg- oder Ausweisung notwendigen Vorkehren umgehend zu treffen. Insbesondere in Haftfällen ist dem Beschleunigungsgebot besondere Beachtung zu schenken. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtspre- chung liegt eine Verletzung des Beschleunigungsgebots vor, wenn während rund zwei Monaten keinerlei geeignete Vorkehren im Hin- blick auf die Ausschaffung getroffen werden, ohne dass die Verzöge- rung auf das Verhalten der ausländischen Behörden oder des Betroffenen zurückzuführen ist (vgl. BGE 124 II 49, Erw. 3a, S. 51). Dies gilt nicht nur während einer laufenden Ausschaffungshaft, son- dern auch, wenn sich ein Betroffener im Strafvollzug befindet und der Entlassungszeitpunkt absehbar ist. Der Gesuchsgegner befindet sich seit dem 19. März 2014 in Ausschaffungshaft. Am 25. Februar 2014 beantragte das MIKA beim BFM eine Priorisierung betreffend die Papierbeschaffung des Ge- suchsgegners. Mit Schreiben vom 28. Februar 2014 kam das BFM dem Priorisierungsantrag des MIKA nach und monierte den seit 13. Mai 2013 hängigen Indentifizierungsantrag bei der tunesischen Vertretung. Anlässlich des rechtlichen Gehörs vom 3. Juni 2014 betreffend die Verlängerung der Ausschaffungshaft fand der letzte Kontakt zu den tunesischen Behörden, in casu ein telefonischer Kontakt zwi- schen dem Gesuchsgegner und der tunesischen Botschaft, statt. Aus 2014 Migrationsrecht 121 der am 10. September 2014 vom MIKA eingereichten Stellungnahme geht hervor, dass vom 28. Februar 2014 bis zum 10. September 2014 seitens der Schweizer Behörden keine Kontaktaufnahme mit der tunesischen Vertretung erfolgte und somit das ausstehende Laissez- passer weit über sechs Monate nicht moniert wurde. Die nach- gewiesenen Bemühungen des MIKA beschränkten sich auf eine Nachfrage beim BFM am 17. Juli 2014 in Bezug auf den offenen An- trag um Ausstellung von Ersatzreisepapieren. Letzteres teilte am 21. Juli 2014 lediglich mit, dass repetitives Mahnen von offenen An- trägen bei der tunesischen Vertretung kontraproduktiv sei. Auch wenn die Bemerkung des BFM zutreffend sein dürfte, dass repetitives Mahnen von offenen Anträgen bei der tunesischen Vertretung kontraproduktiv sei und von den Schweizer Behörden ef- fektiv nicht verlangt werden kann, stur alle zwei Monate bei der tunesischen Vertretung das ausstehende Ersatzreisedokument zu rü- gen, geht es nicht an, derart lange, in casu über sechs Monate, untätig zu sein. Dies umso weniger, als weder das MIKA noch das BFM dar- legt, weshalb trotz Untätigkeit im konkreten Fall nach wie vor von einem schwebenden Verfahren im Sinne von Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK auszugehen ist. Nach dem Gesagten liegt eine Verletzung des Beschleunigungs- gebots vor, wobei anzumerken bleibt, dass die Untätigkeit des BFM vollumfänglich dem MIKA zuzurechnen ist, da unerheblich ist, wel- che der involvierten Behörden für die Nichteinhaltung des Beschleunigungsgebots verantwortlich ist (vgl. BGE 124 II 49, Erw. 3a, S. 50). Die Verletzung des Beschleunigungsgebots führt im vorliegen- den Fall zu Entlassung des Gesuchsgegners aus der Ausschaffungs- haft.
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AG_VG_001
AG_VG
AG
Northwestern_Switzerland
AG_VG_001_AGVE-2014-17_2014-09-02
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2,017
de
2017 Submissionen 188 [...] 34 Bewertung der Angebote; "Strafabzüge" Unzulässigkeit von "Strafabzügen" für Offertmängel im Rahmen der Offertbewertung Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 31. Mai 2017, i.S. A. AG gegen Stadt B. (WBE.2016.540) Aus den Erwägungen 4.2.5.2. Die Beschwerdeführerin hat es insbesondere bei den Referenz- projekten Nrn. 1 und 3 unterlassen, detaillierte Informationen zur Bandbreite der ausgeführten Arbeitsleistungen bzw. zu den Arbeits- gattungen zu machen, was jeweils zu einer "Bewertung" mit 0 Punkten geführt hat (mit der Begründung "nicht vergleichbar" bzw. "unklar"). Die Beschwerdeführerin macht in diesem Kontext geltend, 2017 Submissionen 189 die Vergabestelle hätte die aus ihrer Sicht fehlenden oder unklaren Angaben entweder bei ihr oder bei den angegebenen Referenzperso- nen einholen können. Ersteres war vom Ingenieurbüro, welches das Submissionsverfahren und die Auswertung durchführte, auch tat- sächlich beabsichtigt. So wurde die Beschwerdeführerin mit E-Mail vom 10. November 2016 zur Präzisierung ihrer Referenzangaben aufgefordert, damit die Bandbreite der Arbeitsleistungen mit dem ausgeschriebenen Projekt verglichen und angemessen beurteilt wer- den könnten. Aus der Beschreibung der verschiedenen Referenz- projekte sei nicht genau ersichtlich, welche Arbeitsleistungen abge- deckt worden seien. Das E-Mail wurde später zurückgerufen und der Beschwerdeführerin vom Stadtbauamt (...) mit E-Mail vom 14. No- vember 2016 mitgeteilt, die Referenzobjekte würden jeweils anhand der Beschreibung in der Offerte, Beilage B.2, bewertet. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts ist es unzulässig, fehlende oder ungenügende Angaben in der Offerte mit formal begründeten "Strafabzügen" zu bewerten. Erweisen sich vor- handene Mängel eines Angebots als nicht derart gravierend, dass das Angebot deswegen auszuscheiden wäre, und verzichtet die Vergabe- stelle auch auf entsprechende Rückfragen, ist sie also der Auffas- sung, dass die Offerte in der Form, wie sie eingereicht worden ist, durchaus mit den anderen vergleichbar sei und einer sachlich haltba- ren Bewertung unterzogen werden könne, müssen formal motivierte Abzüge, soweit sie sich nicht (auch) sachlich, d.h. unter dem Aspekt der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots begründen lassen, unterbleiben (vgl. AGVE 1998, S. 397 ff.). Im vorliegenden Fall war die Vergabestelle bzw. vielmehr das von ihr mit der Bewer- tung beauftragte Ingenieurbüro der Auffassung, die Angaben der Be- schwerdeführerin insbesondere in Bezug auf die erbrachten Arbeitsleistungen seien ungenügend und unpräzis, weshalb ein Ver- gleich und eine sachliche Bewertung nicht möglich seien. Mithin fehlten für eine korrekte materielle Bewertung der Referenzprojekte wesentliche Grundlagen, nämlich die Angaben der Beschwerdeführe- rin zu den beim jeweiligen Projekt effektiv ausgeführten Arbeits- gattungen bzw. zum geleisteten Arbeitsumfang. Dass die Beschwer- deführerin die von ihr genannten Projekte tatsächlich ausgeführt hat 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 190 oder dafür jedenfalls in erheblichem Ausmass Baumeisterarbeiten erbracht hat, stellt auch die Vergabestelle nicht in Frage. Schon deshalb dürfte sich eine Bewertung mit 0 Punkten sachlich nicht rechtfertigen. Unklar ist lediglich, um welche Arbeiten bzw. Arbeits- gattungen es sich konkret gehandelt hat. In dieser Situation hätte die Vergabestelle die fehlenden Angaben nachträglich einholen müssen, um eine sachgerechte Bewertung vornehmen zu können, was wie erwähnt zuerst auch beabsichtigt war. Die bei den Referenzprojekten Nr. 1 (...) und Nr. 3 (...) mit den fehlenden Angaben über die Band- breite der Bauleistungen begründete Bewertung mit 0 Punkten beim Aspekt "Bandbreite Arbeitsleistungen" ist somit einzig aus formalen und nicht aus sachlichen Gründen erfolgt, was wie vorstehend aus- geführt unzulässig ist. Daran ändert auch nichts, dass die Vergabe- stelle in den Ausschreibungsunterlagen ausdrücklich darauf hin- gewiesen hat, dass fehlende oder unpräzise Angaben zu Arbeitsgat- tungen oder Umfang der Arbeiten zu einer niedrigeren Punktzahl bei der Bewertung des Zuschlagskriteriums führen würden. Es kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass eine entsprechende Rückfrage oder Abklärung zu einer wesentlich besseren Bewertung der Beschwerdeführerin in den genannten beiden Punkten und damit beim Zuschlagskriterium "Referenzen Firma" insgesamt geführt hätte.
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AG_VG_001
AG_VG
AG
Northwestern_Switzerland
AG_VG_001_AGVE-2017-34_2017-05-03
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AGVE_2017_34
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870,335
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2,016
de
2016 Wahlen und Abstimmungen 243 IX. Wahlen und Abstimmungen 40 Gemeindebeschwerde Sachbezogenheit eines Antrags zu einer Budgetposition an der Gemeinde- versammlung Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 29. Februar 2016, i.S. R.M. und M.M. gegen Einwohnergemeinde X. (WBE.2016.48). Aus den Erwägungen 2. Jeder Stimmberechtigte hat das Recht, zu den in der Traktandenliste aufgeführten Sachgeschäften Anträge zur Geschäfts- ordnung und zur Sache zu stellen (§ 27 Abs. 1 GG). 2.1. Dieses Antragsrecht unterscheidet sich vom Vorschlagsrecht ge- mäss § 28 GG, mit welchem jeder Stimmberechtigte befugt ist, der Versammlung die Überweisung eines neuen Gegenstandes an den Gemeinderat zum Bericht und Antrag vorzuschlagen (Abs. 1). Der vom Gemeinderat zu prüfende Gegenstand ist auf die Traktandenliste der nächsten Versammlung zu setzen (Abs. 2). Während sich das Vorschlagsrecht gemäss § 28 GG auf alle Gegenstände bezieht, wel- che in die Kompetenz der Gemeindeversammlung fallen, bezieht sich das Antragsrecht gemäss § 27 Abs. 1 GG nur auf ordnungsge- mäss angekündigte Verhandlungsgegenstände (A NDREAS B AUMANN , Aargauisches Gemeinderecht, 3. Aufl., Zürich 2005, S. 447). Um zu- lässig zu sein, muss ein Antrag somit einen sachlichen Zusammen- hang mit einem traktandierten Geschäft haben (AGVE 2002, 630). Mit Bezug auf Anträge zum Budget hat dabei der Regierungsrat in seiner Praxis seit jeher zutreffend verlangt, dass einzig solche An- träge zum Budget zulässig sind, die darauf abzielen, einen konkreten 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 244 Budgetposten, soweit es sich dabei nicht um eine sog. gebundene Ausgabe handelt, zu streichen oder betragsmässig zu erhöhen resp. herabzusetzen (AGVE 2000, 533; 1992, 490; 1986, 489; 1984, 630 f.), nicht aber solche, die "neue" Budgetposten einführen wollen (ausdrücklich AGVE 1986, 489). 2.2. Das Antragsrecht gemäss § 27 Ab. 1 GG ist aktuell, d.h. folgt die Versammlung einem von einem Stimmbürger zu den traktandier- ten Geschäften gestellten Antrag, insbesondere einem Antrag zu einer genau bezeichneten Budgetposition, so hat das unmittelbare Wirkung. Im Gegensatz dazu beschränkt sich das Vorschlagsrecht gemäss § 28 GG darauf, dass im Fall der Gutheissung des ent- sprechenden Antrags durch die Versammlung der Gemeinderat an- gewiesen wird, zum betreffenden Gegenstand der nächsten Gemein- deversammlung Bericht und Antrag vorzulegen (Zweistufigkeit des allgemeinen Vorschlagsrechts; vgl. B AUMANN , a.a.O., S. 443). 3. 3.1. Das Budget der Einwohnergemeinde X. enthielt für den Bereich des Asylwesens eine Ausgabenposition von Fr. 290'000.00. Aus den schriftlichen Erläuterungen zu dieser Position ebenso wie aus den Er- läuterungen des Versammlungsleiters anlässlich der Einwohner- gemeindeversammlung vom 27. November 2015 ergibt sich, dass dieser Betrag nicht etwa für die Unterbringung von Personen verwendet werden sollte. Er war vielmehr dafür bestimmt, zu er- wartende Kosten für eine Kostenpauschale für Ersatzvornahmen ge- mäss § 17d SPV zu decken. Gemäss § 17a Abs. 2 SPG sind die Gemeinden in der Regel zu- ständig für die Unterbringung, Unterstützung und Betreuung von vorläufig Aufgenommenen ohne Flüchtlingseigenschaft. Der Kanton weist den Gemeinden die gemäss § 17 Abs. 2 SPG in deren Zu- ständigkeit fallenden Personen zu. Mit der Zuweisung werden die Ersatzvornahme und deren Kosten angedroht (§ 18 Abs. 1 und 1 bis SPG). Die Kostenpauschale für Ersatzvornahmen ist damit ein vom Kanton erhobener Betrag für den Fall, dass eine Gemeinde ihrer Auf- nahmepflicht gemäss § 17a Abs. 2 SPG nicht nachkommt. Die 2016 Wahlen und Abstimmungen 245 Kostenpauschale beträgt ab 1. Januar 2016 Fr. 110.00 pro Person und Tag. Der Gemeinderat legte seiner Berechnung der Budgetposition von Fr. 290'000.00 eine Übernahmepflicht für sechs bis sieben Perso- nen zugrunde. Da er nicht bereit war, dieser Übernahmepflicht nachzukommen, reservierte er einen Betrag für einen entsprechen- den, an den Kanton zu überweisenden Betrag (6 Personen x 365 Tage x Fr. 110.00 = Fr. 240'900.00; 7 Personen x 365 Tage x Fr. 110.00 = 281'050.00). Mit dem gemäss der Klärung durch den Versammlungsleiter be- reinigten Antrag Y. wurde beantragt, den Gemeinderat zu beauftra- gen, sich nicht seiner rechtlichen Übernahmepflicht gemäss § 17 Abs. 2 SPG zu widersetzen, sondern dem Kanton seine Bereitschaft zur Aufnahme von Personen zu signalisieren. Für aufzunehmende Personen sollte der Betrag von Fr. 290'000.00 reserviert bleiben. 3.2. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer - und des Gemeinderats - war der Antrag Y. damit sachbezogen und zulässig. Mit der Formulierung "Flüchtlinge", resp. "Asylbewerber" im Antrag Y. (gemeint ist vorläufig Aufgenommene ohne Flüchtlingseigen- schaft) wurde nicht etwa ein generelles Bekenntnis des Gemeinderats verlangt, Asylbewerber, Flüchtlinge oder vorläufig Aufgenommene mit oder ohne Flüchtlingseigenschaft aufnehmen zu wollen. Der Antrag beschränkte sich vielmehr darauf, den Gemeinderat für das Jahr 2016 zu beauftragen, seiner Aufnahmepflicht gemäss § 17a Abs. 2 SPG nachzukommen und die der Gemeinde zugeteilten Personen aufzunehmen. Dass dabei im Antrag von Asylbewerbern gesprochen wurde, obwohl sich die Aufnahmepflicht der Gemeinde von Gesetzes wegen nur auf vorläufig Aufgenommene ohne Flüchtlingseigenschaft beschränkt, spielt dabei keine Rolle, zumal auch niemand seitens des Gemeinderats auf die ohnehin nur beschränkte Aufnahmepflicht der Gemeinde aufmerksam machte. Der Antrag Y. verlangte damit zwar weder eine Streichung noch eine Herabsetzung oder Erhöhung des infrage stehenden Budgetpostens, sondern wollte diesen vielmehr gerade beibehalten. Der Betrag von Fr. 290'000.00 sollte aber nicht etwa für einen gänzlich anderen 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 246 Zweck eingestellt bleiben, was - vergleichbar mit dem Fall, da ein Stimmbürger die Aufnahme eines gänzlich neuen, zusätzlichen Budgetposten verlangt - unzulässig gewesen wäre (AGVE 1986, 489). Der Sachzusammenhang zwischen dem Antrag des Gemeinderats (Reservierung eines an den Kanton abzuführenden Betrags wegen einer in Aussicht genommenen Nichterfüllung der Aufnahmepflicht gemäss § 17a Abs. 2 SPG) und dem Antrag Y. (Reservierung des gleichen Betrags für zu erwartende Kosten im Zu- sammenhang mit der Erfüllung der Aufnahmepflicht der Gemeinde) ist hier vielmehr derart eng, dass der Antrag, worauf auch das DVI in seiner Stellungnahme zutreffend hinweist, klarerweise zulässig war; von der Verletzung einer von den Beschwerdeführern und vom Gemeinderat in seiner Vernehmlassung zur Beschwerde postulierten sog. "Einheit der Materie" kann keine Rede sein. Auch dass der Wechsel des Verwendungszwecks für den zu reservierenden Betrag in der Gemeindeversammlung grundsätzlich umstritten war, ändert an der Zulässigkeit des Antrags Y. nichts. Die Gemeinde- versammlung hatte nicht generell über die künftige "Marsch- richtung" der Gemeinde mit Bezug auf die Flüchtlingsproblematik zu entscheiden - auch wenn naturgemäss die Diskussion in der Gemein- deversammlung stark durch diese generelle Fragestellung geprägt wurde. Die Aufgabe der Gemeindeversammlung war entsprechend dem Antrag des Gemeinderats zur Budgetposition von Fr. 290'000.00 wesentlich beschränkter: Sie hatte lediglich über diese Budget- position zu befinden. Indem der Antrag Y., ebenso wie jener des Gemeinderats, sich in diesem beschränkten Rahmen hielt, war er un- abhängig von der allenfalls dahinter stehenden Grundhaltung der Antragstellerin und der Mitglieder der IG Z. und den durch den Antrag ausgelösten grundsätzlichen Diskussionen in der Gemeinde- versammlung ohne weiteres zulässig. Das führt zur Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden darf.
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AG_VG_001
AG_VG
AG
Northwestern_Switzerland
AG_VG_001_AGVE-2016-40_2016-02-02
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de
2011 Kantonale Steuern 123 32 Steuerrecht - Rechtsmittelverfahren im Steuerstrafrecht: Kein Anspruch auf Durchführung einer Parteiverhandlung aus § 252 StG und Art. 6 EMRK (Erw. 1.2.2 f.) - Bagatellstrafverfahren erfordern in der Regel keine erneute münd- liche Verhandlung in der Rechtsmittelinstanz (Erw. 1.2.3). Urteil des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 7. Dezember 2011 in Sachen B. (WBE.2011.283). Aus den Erwägungen 1. 1.1. Die Beschwerdeführerin beantragt, es sei in Anwendung von Art. 6 EMRK eine Parteianhörung durchzuführen. 1.2. 1.2.1. Selbst wenn Art. 6 EMRK auch in Verfahren betreffend Bussen wegen Verfahrenspflichtverletzungen im ordentlichen Veranlagungs- verfahren zur Anwendung gelangen würde, was in Lehre und Recht- sprechung umstritten ist (ablehnend, weil es sich um einen blossen Verwaltungszwang handle: Urteil der Bundessteuer-Rekurskommis- sion Zürich vom 11. März 1992, publ. in StE 1992, B 101.1 Nr. 6 so- wie N ICCOLO R ASELLI , Ordnungsbussen wegen Verletzung steuer- licher Verfahrensvorschriften, in SteuerRevue 46/1991 S. 443 ff.; befürwortend: Urteil des Verwaltungsgerichts Aargau in: StE 1992 B 101.1 Nr. 5; D IETER E GLOFF in: M ARIANNE K LÖTI -W EBER /D AVE S IEGRIST /D IETER W EBER (Hrsg.), Kommentar zum Aargauer Steuer- gesetz, 3. Auflage, Muri-Bern 2009, § 235 N 5; S TEFAN O STERHELT , Anwendbarkeit von Art. 6 EMRK auf Steuerverfahren, in ASA 75 (2006/2007), S. 607), ist der Antrag der Beschwerdeführerin auf eine (erneute) mündliche Parteianhörung abzuweisen. 2011 Verwaltungsgericht 124 1.2.2. Der aargauische Gesetzgeber hat - mit dem Ziel, den Anforde- rungen der EMRK gerecht zu werden - die Bestimmungen des Steu- erstrafverfahrens im StG per 1. Januar 2001 neu formuliert (vgl. Bot- schaft des Regierungsrats des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 21. Mai 1997, 97.002968, S. 129). Insbesondere sieht § 249 Abs. 1 StG für das Verfahren vor Steuerrekursgericht die Durchfüh- rung einer mündlichen und öffentlichen Verhandlung vor. Ein An- spruch auf die Durchführung einer (Haupt-)Verhandlung im Rechts- mittelverfahren vor Verwaltungsgericht ergibt sich aus dem StG demgegenüber nicht (§ 252 StG). 1.2.3. Art. 6 EMRK fordert ebenfalls nicht, dass in jeder Instanz ein öffentliches Verfahren stattfindet. Ob das Unterbleiben der Verhand- lung gerechtfertigt ist, ist in einer Gesamtbetrachtung des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Besonderheiten des betreffenden Verfah- rens zu beurteilen (C HRISTOPH G RABENWARTER , Europäische Men- schenrechtskonvention, 4. Auflage, München 2009, S. 377 f.). Eine öffentliche Verhandlung in zweiter Tatsacheninstanz ist entbehrlich, wenn der Fall ohne Beeinträchtigung des Prinzips eines fairen Ver- fahrens nach Aktenlage entschieden werden kann und vorausgesetzt, dass in erster Instanz eine Verhandlung durchgeführt wurde (J OCHEN A BR . F ROWEIN /W OLFGANG P EUKERT , EMRK-Kommentar, 3. Auf- lage, Kehl am Rhein 2009, Art. 6 N 195). Bagatellstrafverfahren erfordern in der Regel keine mündliche Verhandlung in der Beru- fungsinstanz (so auch G RABENWARTER , a.a.O, S. 378). 1.3. Die Vorinstanz hat am 23. Mai 2011 eine Parteiverhandlung durchgeführt und die Beschwerdeführerin angehört. Darin konnte die Beschwerdeführerin ihre Standpunkte ausreichend darlegen, womit den verfahrensrechtlichen Ansprüchen der Beschwerdeführerin Ge- nüge getan wurde. Dazu kommt, dass es sich hier - in Anbetracht der Bussenhöhe von lediglich noch Fr. 50.00 - um ein Bagatellstrafver- fahren handelt, in welchem in der Regel keine mündliche Verhand- lung in der Berufungsinstanz erforderlich ist.
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AG_VG_001
AG_VG
AG
Northwestern_Switzerland
AG_VG_001_AGVE-2011-32_2011-12-02
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de
2013 Verwaltungsrechtspflege 345 XV. Verwaltungsrechtspflege 54 Vorsorglicher Sicherungsentzug Kostenregelung bei Gegenstandslosigkeit eines Verfahrens betreffend vorsorglicher Sicherungsentzug des Führerausweises (Präzisierung von AGVE 2009, S. 280 ff.) Beschluss des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 18. Dezember 2013 in Sachen St. J. gegen den Entscheid des Departements Volkswirtschaft und Inneres (WBE.2013.475). Aus den Erwägungen 5.2. Das Verwaltungsgericht hat in seiner Rechtsprechung bezüglich Kostenverteilung bei Gegenstandslosigkeit eines Verfahrens betref- fend vorsorglicher Sicherungsentzug festgehalten, dass sachgerecht darauf abzustellen ist, wer das Verwaltungs- und Beschwerdeverfah- ren veranlasst hat (summarische Prüfung), und in welchem Stadium (vor welcher Instanz) das Verfahren gegenstandslos geworden ist, wobei sich für das Verfahren vor dieser Instanz eine pauschale Kostenaufteilung aufdrängt, während der Kostenentscheid der Vorin- stanz nicht zu korrigieren ist. Beim vorsorglichen Sicherungsentzug wird die Gegenstandslosigkeit des Verfahrens nämlich regelmässig dadurch verursacht, dass die angeordnete Abklärung der Fahrtaug- lichkeit als Voraussetzung für den Hauptentscheid durchgeführt wor- den ist, und die Verwaltungsbehörde den definitiven Entscheid über den Sicherungsentzug zu fällen hat (AGVE 2009, S. 280). Diese pau- schale Kostenaufteilung gemäss der zitierten verwaltungsgerichtli- chen Rechtsprechung ist insofern zu korrigieren, als dass im Ergeb- nis die Auferlegung der halben Verfahrenskosten an den Beschwer- deführer und aufgrund der Verrechungspraxis entgegen AGVE 2009, 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 346 S. 280 ff. das Wettschlagen der Parteikosten zu erfolgen hat (AGVE 2009, S. 279).
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289
AG_VG_001
AG_VG
AG
Northwestern_Switzerland
AG_VG_001_AGVE-2013-54_2013-12-01
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2005 Verwaltungsgericht 248 [...] 51 Zuschlagskriterien; "Vorstellungsgespräch" als Zuschlagskriterium. - Die Verwendung eines inhaltlich so unbestimmten Zuschlagskriteri- ums erfordert eine nähere Umschreibung z.B. durch Sub- oder Teil- kriterien, die den Bewerbern rechtzeitig, d.h. grundsätzlich in der Ausschreibung oder den Ausschreibungsunterlagen, spätestens aber mit der Einladung zur Präsentation, bekannt gegeben werden müssen (Erw. 7.1). 2005 Submissionen 249 - Das Transparenz- und das Gleichbehandlungsgebot verlangen, dass das Ergebnis von Präsentationen schriftlich festgehalten wird (Erw. 7.2). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 29. September 2005 in Sachen K. AG gegen Gemeinderat Fischbach-Göslikon. Aus den Erwägungen 7. Die Beschwerdeführerin wehrt sich auch gegen die Bewer- tung des Zuschlagskriteriums "Vorstellungsgespräch". Aus den Ausschreibungsunterlagen sei nicht ersichtlich gewesen, was unter diesem Kriterium bewertet worden sei. Der Grundsatz der Transpa- renz gebiete, dass ein derart unbestimmtes Zuschlagskriterium in den Ausschreibungsunterlagen z.B. durch Subkriterien näher um- schrieben werde, damit die Anbietenden erkennen können, auf wel- che Aspekte die Vergabestelle Wert lege. Fehlten solche Angaben sei die Bewertung letztlich nicht mehr nachvollziehbar. So sei für die Beschwerdeführerin auch nach Einsicht in die Akten in keiner Weise verständlich, wie sich ihre Bewertung mit lediglich 23.6 von 30 möglichen Punkten sachlich begründen lasse. Unklar sei auch, wes- halb sie beim Lösungsvorschlag "Schutzgebiet" lediglich 14 Punkte und die Zuschlagsempfängerin 20 Punkte erhalten habe. Es müsse davon ausgegangen werden, dass die Vergabestelle ihren Er- messensspielraum nicht korrekt wahrgenommen habe. Protokolle oder sonstige schriftliche Aufzeichnungen über die einzelnen Vor- stellungsgespräche fehlten, was gegen § 17 Abs. 2 SubmD verstosse. Ein grosses Fragezeichen sei auch deshalb zu machen, weil die An- bieter von einem Gremium beurteilt worden seien, welches sich überwiegend aus Nichtfachleuten zusammensetze. Es sei deshalb fraglich, ob dieses Gremium in der Lage gewesen sei, die Fachkom- petenz der Anbieter zu beurteilen. Man müsse vermuten, dass per- sönliche Sympathien und nicht objektive, sachbezogene Kriterien ausschlaggebend gewesen seien. 2005 Verwaltungsgericht 250 Die Vergabestelle bestreitet die Vorwürfe. Die Mitglieder des Gremiums seien sehr wohl in der Lage gewesen, die gut vorbereite- ten Gespräche mit den Anbietern richtig zu bewerten. Eine vor- gängige Bekanntgabe der Aufgabenstellung habe die Vergabestelle mit Blick auf den für die Anbieter unverhältnismässig hohen Auf- wand als nicht sinnvoll erachtet. Die Anbieter seien vom Ge- sprächsleiter über den Ablauf des Gesprächs die Themen, die Beur- teilungskriterien und das Zeitraster informiert worden. Der Vorwurf der mangelnden Transparenz müsse daher zurückgewiesen werden. Auch seien die gestellten Fragen absolut sachlich gewesen und hätten nichts mit Emotionen und dergleichen zu tun gehabt. 7.1. Die Verwendung eines inhaltlich derart unbestimmten und nichtssagenden Zuschlagskriteriums wie "Vorstellungsgespräch" erfordert zwangsläufig eine nähere Umschreibung z.B. durch Sub- oder Teilkriterien, die den Bewerbern rechtzeitig, d.h. grundsätzlich in der Ausschreibung oder den Ausschreibungsunterlagen, im vorlie- genden Fall spätestens mit der Einladung zur Präsentation, bekannt gegeben werden müssen. Nur so können die Anbieter auch erkennen, was die Vergabebehörde unter dem betreffenden Zuschlagskriterium genau versteht und welche Aspekte sie dabei zu bewerten gedenkt, und ist eine transparente, sachlich begründete, objektiv nachvoll- ziehbare Bewertung der Angebote möglich (siehe VGE III/52 vom 16. Juni 2003 [BE.2003.00075], S. 14). Vorliegendenfalls verstösst die Handhabung des erwähnten Kriteriums klarerweise gegen das Transparenzgebot. Die Anbieter hatten keinerlei Kenntnisse davon, wie das Vorstellungsgespräch ablaufen würde und welche Aspekte der Fragebeantwortung für die Vergabebehörde von Bedeutung waren. Weder die Ausschreibungs- unterlagen, die Fragenbeantwortung noch die Einladung enthielten entsprechende Hinweise. Die Anbieter wurden vielmehr erst zu Be- ginn des Vorstellungsgesprächs über die Beurteilungskriterien in Kenntnis gesetzt. Der Einwand der Vergabestelle, bei vorgängiger Bekanntgabe der Aufgabenstellung hätten die Anbieter einen unver- hältnismässig grossen Vorbereitungsaufwand auf sich nehmen müssen, überzeugt nicht; wer sich in Kenntnis des Zuschlagskri- teriums "Vorstellungsgespräch" bewirbt, muss wissen, dass damit 2005 Submissionen 251 möglicherweise eine zusätzliche zeitliche Beanspruchung verbunden ist. Zu beachten ist auch, dass das inhaltlich völlig unbestimmte Kriterium nicht etwa von untergeordneter marginaler Bedeutung ist, sondern dass ihm ein Gewicht von 30 von gesamthaft 100 möglichen Punkten zukommt. Die Rüge der Beschwerdeführerin erweist sich somit als begründet. 7.2. Gerügt wird auch das Fehlen von Protokollen oder anderen schriftlichen Aufzeichnungen über die Vorstellungsgespräche. Auch wenn es sich nicht um eine Offertbereinigung im Sinne von § 17 SubmD handelte, gilt mit Blick auf das Transparenz- und Gleichbe- handlungsgebot auch hier der Grundsatz, dass das Ergebnis von Prä- sentationen schriftlich festzuhalten ist (§ 17 Abs. 2 SubmD). Auch wenn an die Protokollführung nicht allzu hohe Ansprüche zu stellen sind, muss das Protokoll doch zumindest so detailliert sein, dass für einen Anbieter nachvollziehbar ist, weshalb sein Angebot die fragli- che und nicht eine höhere Punktzahl erhalten hat; nur so können Missbräuche ausgeschlossen werden und kann sich der nicht berück- sichtigte Anbieter gegen die Bewertung zur Wehr setzen (siehe VGE III/110 vom 14. Juli 2000 [BE.2000.00165], S. 16 mit Hin- weisen; Peter Galli / André Moser / Elisabeth Lang, Praxis des öffentlichen Beschaffungsrechts, Zürich 2003, Rz. 359). Die von der Vergabestelle eingereichten Bewertungsblätter - andere schriftliche Aufzeichnungen existieren offenbar nicht - ge- nügen diesen Anforderungen nicht. Ihnen kann lediglich entnommen werden, wie viele Punkte ein Anbieter bei den vier Bewer- tungsaspekten (Lösungsvorschlag Burkhalter, Lösungsvorschlag Schutzgebiet, Fachkompetenz, Kommunikation) von den einzelnen Mitgliedern des Bewertungsgremiums erhielt. Die Gründe für die Bewertungen werden nicht dargelegt. Für den einzelnen Anbieter ist somit in der Tat nicht ersichtlich, weshalb er bei einem bestimmten Aspekt nicht die volle Punktzahl erhält und bezeichnenderweise konnte auch die Vergabestelle die Gründe für die Schlechterbewer- tung der Beschwerdeführerin in ihrer Vernehmlassung nicht darle- gen. Auch dem Verwaltungsgericht als Rechtsmittelinstanz ist es unter diesen Umständen nicht möglich, die Richtigkeit der Bewer- 2005 Verwaltungsgericht 252 tung der Beschwerdeführerin bei diesem Zuschlagskriterium zu überprüfen. 7.3. Nicht folgen kann das Verwaltungsgericht der Kritik an der Zusammensetzung des Gremiums. Angesichts ihrer Ausbildung und ihrer teils langjährigen Erfahrung als Gemeinderäte bzw. Gemeinde- schreiber kann den Mitgliedern des Gremiums die Fähigkeit zur Be- urteilung einer solchen Präsentation nicht abgesprochen werden. Es muss allerdings auch gewährleistet sein, dass nicht persönliche Prä- ferenzen einzelner Mitglieder des Auswahlgremiums in die Evalua- tion einfliessen können, sondern eine objektive Meinungsbildung stattfindet. Dies kann durch das Mitwirken von Fachpersonen sicher- gestellt werden; zudem sollte das Gremium eine genügende Anzahl Mitglieder aufweisen (VGE III/103 vom 5. August 1998 [BE.98.00009], S. 13). Diese Voraussetzungen waren vorliegenden- falls erfüllt. 7.4. Der Verstoss gegen das Transparenzgebot einerseits (vorne Erw. 7.1) und die ungenügende Protokollierung der Präsentationen andererseits (vorne Erw. 7.2) führen zur Aufhebung des an die M. AG erteilten Zuschlags.
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AG_VG_001
AG_VG
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AG_VG_001_AGVE-2005-51_2005-09-03
http://agve.weblaw.ch/html//AGVE-2005-51.html
https://agve.weblaw.ch/pdf/AGVE-2005-51.pdf
AGVE_2005_51
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2016 Personalrecht 281 [...] 46 Forderung auf Lohnnachzahlung - Es ist unzulässig, mittels eines (negativen) Feststellungsbegehrens eine Beschwerdefrist zu umgehen (Erw. I/2). - Eine den materiellen Verfügungsbegriff erfüllende Anordnung ist mit Beschwerde anzufechten; die Beschwerdefrist begann im konkreten Fall aus Vertrauensschutzgründen erst mit der Mandatierung eines 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 282 Rechtsanwaltes zu laufen; dieser hätte aber mit der notwendigen Umsicht erkennen können und müssen, dass es sich bei der Anord- nung auf Rückzahlung von Weiterbildungskosten um eine Verfügung handelte, auch wenn diese nicht als solche bezeichnet und mit keiner Rechtsmittelbelehrung versehen war (Erw. I/2). - Der zusätzliche Antrag auf Abänderung von Lohnverfügungen stellt im Vergleich zu einer Lohnnachzahlungsforderung, die auf eine Abänderung der darin festgelegten Besoldung hinauslaufen würde, keine unzulässige Beschwerdeänderung dar. Die Erhöhung der Forderung auf Lohnnachzahlung ist jedoch vor Verwaltungsgericht unzulässig (Erw. I/3). - Die (formelle) Rechtskraft von Lohnverfügungen steht einer Lohnnachzahlungsforderung (vorbehältlich der fünfjährigen Verjäh- rungsfrist) nicht entgegen, wenn die Forderung aus geschlechts- spezifischer Lohndiskriminierung abgeleitet wird. Demgegenüber verleiht das allgemeine Rechtsgleichheitsgebot keinen rückwirken- den Anspruch auf rechtsgleiche Besoldung (Erw. I/4). Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 2. November 2016 in Sachen A. gegen Stadtrat B. (WBE.2015.311). Aus den Erwägungen I. 2. 2.1. Die Beschwerdeführerin verlangt in Antrag 5 die Feststellung, dass "wegen der Kündigung aus wichtigen Gründen von Seiten der Beschwerdeführerin keine Rückzahlungsverpflichtung aufgrund der Weiterbildungsvereinbarung vom 28. Juli 2013 besteht". Dieser An- trag deckt sich inhaltlich mit dem Feststellungsantrag, der schon Ge- genstand des "Lohnnachzahlungsbegehrens" an den Stadtrat B. vom 15. April 2015 bildete (dortiger Antrag 2). 2016 Personalrecht 283 2.2. Eine Feststellungsverfügung ist dann zu erlassen, wenn der Ge- suchsteller ein schützenswertes Interesse an der Feststellung des Be- stehens oder Nichtbestehens eines konkreten (öffentlich-rechtlichen) Rechtsverhältnisses nachweisen kann und keine öffentlichen oder privaten Interessen entgegenstehen. Negative Voraussetzung des Feststellungsanspruchs ist die fehlende Möglichkeit, alternativ eine vollstreckbare Leistung verlangen zu können, da der Feststellungs- entscheid subsidiärer Natur ist (BGE 135 III 378, Erw. 2.2; 123 III 49, Erw. 1a; 118 II 254 = Pra 82/1993 Nr. 110, Erw. 1c; Urteil des Bundesgerichts vom 19. Februar 2016 [5A_1000/2015], Erw. 1.2; Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 8. November 2006 [PB.2006.00021], Erw. 2; M ICHAEL M ERKER , Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aar- gauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege vom 9. Juli 1968 [aVRPG], Diss. Zürich 1998, § 38 N 27 f.; J ÜRG B OSSHART /M ARTIN B ERTSCHI , in: A LAIN G RIFFEL [H RSG .], Kommentar zum Verwal- tungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich [VRG], 3. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2014, § 19 N 24 ff.). Steht die Beschwerde, die verwaltungsgerichtliche Klage oder das Gesuch um eine gestaltende Verfügung offen, besteht kein Feststellungsanspruch. Eine Um- gehung von Fristen mittels Feststellungsbegehren ist unzulässig (M ERKER , a.a.O., § 38 N 28). 2.3. 2.3.1. Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage, ob sich die Be- schwerdeführerin schon früher (als mit dem erstmaligen [negativen] Feststellungsbegehren an den Stadtrat B. vom 15. April 2015) gegen die Verpflichtung zur Rückzahlung von Weiterbildungskosten hätte zur Wehr setzen können und müssen, nämlich mittels (fristgerechter) Beschwerde gegen den ihr mit Schreiben vom 15. Januar 2015 mitgeteilten Entscheid der Leiter der Abteilungen (...), wonach sie ihrem Arbeitgeber wegen ihres freiwilligen Austritts während der Verpflichtungszeit (von 36 Monaten nach Abschluss der Weiterbil- dung) Weiterbildungskosten von Fr. 23'808.00 zurückzuerstatten 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 284 habe. Voraussetzung dafür ist, dass dem Schreiben vom 15. Januar 2015 Verfügungscharakter zukommt. 2.3.2. In inhaltlicher Hinsicht lässt sich dieses mit "Rückzahlungsver- pflichtung" betitelte Schreiben durchaus als Verfügung qualifizieren. Es enthält eine hoheitliche, einseitige, individuell-konkrete Anord- nung einer Behörde, die in Anwendung von Verwaltungsrecht (§ 19 der Personalverordnung für das Pesonal der Stadt B. vom [...]) ergangen und auf Rechtswirkungen (Begründung der Rückzahlungs- verpflichtung der Beschwerdeführerin) ausgerichtet ist. Die Anord- nung könnte grundsätzlich ohne weitere Konkretisierung vollstreckt werden, wäre mithin erzwingbar (zum materiellen Verfügungsbegriff vgl. die Legaldefinition in Art. 5 Abs. 1 VwVG, die nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts mit dem kantonalrecht- lichen Verfügungsbegriff übereinstimmt [AGVE 2010, S. 235; 1978, S. 300; 1972, S. 339; M ERKER , a.a.O., § 38 N 3]; vgl. auch U LRICH H ÄFELIN /G EORG M ÜLLER /F ELIX U HLMANN , Allgemeines Verwal- tungsrecht, 7. Auflage, Zürich/St. Gallen 2016, Rz. 849 ff.). 2.3.3. Beabsichtigt die Verwaltungsbehörde, eine Verfügung zu erlas- sen, so hat sie bestimmte Formvorschriften einzuhalten. Sie muss die Betroffenen vor Erlass einer Verfügung ins Verfahren miteinbezie- hen, ihnen Einsicht in die massgebenden Akten gewähren, sie anhö- ren und sich mit ihren Argumenten auseinandersetzen (H ÄFELIN /M ÜLLER /U HLMANN , a.a.O., Rz. 963). Aus dem Recht auf vorgängige Anhörung folgt, dass die Behörden die Äusserungen der Betroffenen tatsächlich zur Kenntnis nehmen und sich damit in der Entscheidfindung und -begründung auseinandersetzen müssen. Um den Betroffenen eine (schriftliche) Stellungnahme (zu den Grundla- gen des Entscheids, insbesondere zum Sachverhalt und den anwend- baren Rechtsnormen) zu ermöglichen, muss ihnen die Verwaltungs- behörde den voraussichtlichen Inhalt der Verfügung (zumindest die wesentlichen Elemente) bekanntgeben (H ÄFELIN /M ÜLLER /U HL - MANN , a.a.O., Rz. 1010 f., mit Hinweisen auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung). Eine Verfügung muss sodann als solche bezeich- net, begründet und mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen werden 2016 Personalrecht 285 (§ 26 VRPG). Dies ermöglicht den Betroffenen eine sachgerechte Anfechtung (H ÄFELIN / M ÜLLER /U HLMANN , a.a.O., Rz. 963). Es ist nicht aktenkundig, ob die Beschwerdeführerin vor der Zustellung des Schreibens vom 15. Januar 2015 zur Frage der Rück- erstattung von Weiterbildungskosten angehört wurde. Widrigenfalls wäre darin wohl eine Verletzung des aus Art. 29 Abs. 2 BV, § 22 Abs. 1 KV und § 21 VRPG fliessenden Anspruchs auf rechtliches Gehör zu erblicken. Doch auch das Schreiben als solches weist for- melle Mängel auf, die es für einen juristischen Laien nicht als (an- fechtbare) Verfügung erkennbar machen. Die Bezeichnung als Verfü- gung und eine Rechtsmittelbelehrung fehlen. 2.3.4. Die oben (Erw. 2.3.3) angeführten Formvorschriften sind aller- dings nicht Voraussetzung, sondern Folge der Verfügung. Anders ausgedrückt: Auch eine den Formvorschriften widersprechende Ver- fügung bleibt eine Verfügung. Form- oder Eröffnungsfehler führen nicht zum Wegfall des Verfügungscharakters (H ÄFELIN /M ÜL - LER /U HLMANN , a.a.O., Rz. 871 und 1078, je mit Hinweisen). Die formell mangelhafte Verfügung muss (innerhalb der vorgesehenen Frist mit dem zulässigen Rechtsmittel) angefochten werden. Nichtig- keit wird nur ausnahmsweise - im Falle von schwerwiegenden Form- und Eröffnungsfehlern - angenommen (H ÄFELIN /M ÜL - LER /U HLMANN , a.a.O., Rz. 1078). Kein Nichtigkeitsgrund ist gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung eine fehlende Rechtsmittelbe- lehrung (BGE 104 V 162, Erw. 3; Urteil des Bundesgerichts vom 29. August 2011 [1C_270/2011], Erw. 5.2). Auch die Verweigerung des rechtlichen Gehörs zieht nicht ohne weiteres die Nichtigkeit der Verfügung nach sich (H ÄFELIN /M ÜLLER /U HLMANN , a.a.O., Rz. 1116). Dies gilt in concreto umso mehr, als die Rückzahlungsver- pflichtung bereits im Voraus detailliert geregelt worden war und da- her der Gewährung des rechtlichen Gehörs keine gewichtige Bedeu- tung zukam. Auf alle Fälle darf den Parteien aus der mangelhaften Eröffnung der Verfügung keinerlei Rechtsnachteil erwachsen (H ÄFELIN /M ÜLLER /U HLMANN , a.a.O., Rz. 1079 und 1120). Eine Rechtsmittelfrist beginnt daher erst im Zeitpunkt zu laufen, in wel- chem der Betroffene von der Verfügung Kenntnis nehmen konnte, 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 286 wobei der Fristenlauf nicht beliebig hinausgezögert werden kann. Es wäre mit Treu und Glauben nicht zu vereinbaren, wenn eine Verfü- gung wegen mangelhafter Eröffnung jederzeit angefochten werden könnte; vielmehr muss eine solche Verfügung innerhalb einer vernünftigen Frist in Frage gestellt werden (H ÄFELIN /M ÜLLER / U HLMANN , a.a.O., Rz. 1079). Rechtssuchende geniessen keinen Vertrauensschutz, wenn der Mangel für sie bzw. ihren Rechtsver- treter allein schon durch Konsultierung der massgeblichen Ver- fahrensbestimmungen ersichtlich ist (BGE 134 I 199, Erw. 1.3.1). Als juristische Laiin konnte die Beschwerdeführerin selber kaum erkennen, dass das Schreiben vom 15. Januar 2015 eine Verfü- gung der Leiter der Abteilungen (...) darstellt, die sie (gestützt auf § 55 Abs. 1 des Personalreglements für die Stadtverwaltung B. vom [...]; nachfolgend: Personalreglement) mit Beschwerde bei der Stadtpräsidentin hätte anfechten müssen, wenn sie mit der Verpflichtung zur Rückzahlung von Weiterbildungskosten nicht einverstanden ist (vgl. Erw. 2.3.3 vorne). Gegen Ende Januar 2015 hat die Beschwerdeführerin jedoch ihren Rechtsvertreter mandatiert. Hätte dieser § 55 PR konsultiert, hätte er erkennen können, dass personalrechtliche Streitigkeiten zwischen der Stadt B. und ihren Mitarbeitern auf den Beschwerdeweg verwiesen werden, und daraus auf den Verfügungscharakter des Schreibens vom 15. Januar 2015 schliessen müssen. Dass er dieses Schreiben wohl effektiv als Verfügung taxiert hat, zeigt sich daran, dass er sich überhaupt veranlasst sah, beim Stadtrat ein negatives Feststellungsbegehren zu stellen. Hätte es sich beim Schreiben vom 15. Januar 2015 aus seiner Sicht um eine blosse Zahlungsaufforderung ohne jede Rechtsverbindlichkeit gehandelt, hätte auf Seiten der Beschwerde- führerin keinerlei Bedarf an einem negativen Feststellungsbegehren (an den Stadtrat) bestanden. Er hätte zuwarten können, bis von Seiten der Stadt weitere Schritte ergriffen würden, entweder auf dem Klageweg oder durch den Erlass einer anfechtbaren Rückzah- lungsverfügung. 2.4. Konnte also der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin mit der notwendigen Umsicht erkennen, dass das Schreiben vom 15. Januar 2016 Personalrecht 287 2015 eine Verfügung darstellt, ist ihr die Berufung auf Vertrauens- schutz verwehrt. Die Beschwerdeführerin muss sich deshalb anrech- nen lassen, dass die 30-tägige Beschwerdefrist (nach § 44 Abs. 1 VRPG) für die Anfechtung der für ihren Rechtsvertreter als solche erkennbaren Rückzahlungsverfügung vom 15. Januar 2015 mit des- sen Konsultierung am 29. Januar 2015 zu laufen begonnen hat und im Zeitpunkt des beim Stadtrat eingereichten "Lohnnachzahlungsbe- gehrens" bzw. dem darin enthaltenen Feststellungsantrag längst un- benützt abgelaufen war. Insofern ist schon der Stadtrat B. zu Recht nicht auf das negative Feststellungsbegehren der Beschwerdeführerin eingetreten; zum einen hätte die Verfügung als solche angefochten werden müssen (anstatt bloss ein subsidiäres Feststellungsbegehren zu stellen), zum anderen war die massgebende Frist abgelaufen. Da- mit bleibt auch kein Raum dafür, dass das Verwaltungsgericht auf den entsprechenden Feststellungsantrag ("Es sei festzustellen, dass wegen der Kündigung aus wichtigen Gründen von Seiten der Be- schwerdeführerin keine Rückzahlungsverpflichtung aufgrund der Weiterbildungsvereinbarung vom 28. Juli 2013 besteht.") eintreten könnte. 3. 3.1. Die von der Beschwerdeführerin vor Verwaltungsgericht ge- stellten Anträge weichen insofern von denjenigen im vorinstanzli- chen Verfahren ab, als die Beschwerdeführerin zusätzlich - explizit - die Aufhebung, eventuell Abänderung ("Berichtigung"), sämtlicher Anstellungsverfügungen ab dem 30. September 2010 verlangt, und als sie ihre Lohnnachzahlungsforderung von ursprünglich Fr. 85'166.00 auf Fr. 131'156.46 erhöht hat. 3.2. Vor Verwaltungsgericht sind sowohl Beschwerdeänderungen als auch Beschwerdeerweiterungen grundsätzlich unzulässig. Eine Be- schwerdeänderung liegt vor, wenn gestützt auf denselben Sachver- halt etwas Neues, qualitativ Anderes verlangt wird, oder wenn zwar an den in den Anträgen formulierten Begehren festgehalten wird, die behaupteten Rechtsfolgen aber auf einen anderen, ausserhalb des Streitgegenstands liegenden Sachverhalt abgestützt werden. Die Ab- 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 288 grenzung von inner- und ausserhalb des Streitgegenstands gelegenem Sachverhalt ist nicht ganz einfach und muss am konkreten Einzelfall entschieden werden. Neue tatsächliche Vorbringen bewirken keine Änderung des Streitgegenstands, wenn sie in einem engen Sachzu- sammenhang stehen. Der massgebliche Sachverhalt, auf den sich die Argumentation des Beschwerdeführers ohne Beschwerdeänderung abstützen kann, ist der zu Beginn des Verfahrens eingebrachte Sach- verhalt, aus dem die in den Beschwerdeanträgen behaupteten Rechts- folgen abgeleitet werden, sowie der Sachverhalt, der mit dem Streit- gegenstand in einem engen Sachzusammenhang steht. Innerhalb des so definierten Streitgegenstands können die Anträge des Beschwer- deführers im verwaltungsinternen Verfahren quantitativ variieren (Beschwerdeerweiterung), nicht hingegen vor Verwaltungsgericht, wo im Grundsatz auch kein quantitatives Mehr verlangt werden kann (M ERKER , a.a.O., § 39 N 12 ff.). Dahinter steht die Überlegung, dass nur beschwert ist, wer im vorinstanzlichen Verfahren nicht obsiegt hat. Wer mit den ursprünglich gestellten Anträgen vollständig durch- dringt, kann vor Verwaltungsgericht nicht Zusätzliches verlangen. Die Beachtung der funktionellen Zuständigkeit spielt bei Beschwer- den ans Verwaltungsgericht, das ausserhalb der Verwaltungsorganisa- tion steht und keine Aufsichtsfunktion ausübt, eine entscheidende Rolle und schliesst die erstinstanzliche Behandlung neu vorgebrach- ter oder erweiterter Begehren aus (M ERKER , a.a.O., § 39 N 28 f.). Gegenstand des Beschwerdeverfahrens kann nur sein, was auch Ge- genstand der erstinstanzlichen Verfügung war bzw. nach richtiger Gesetzesauslegung hätte sein müssen. Nach herrschender Auffassung sind die Beschwerdebegehren, nicht deren Begründung massgebend zur Bestimmung des Streitgegenstands. Die Begründung bildet zwar nicht Bestandteil des Streitgegenstands, ist jedoch allenfalls als Hilfsmittel zur Konkretisierung des Begehrens heranzuziehen (M ARTIN B ERTSCHI , in: A LAIN G RIFFEL [H RSG .], Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich [VRG], a.a.O., Vorbemerkungen zu §§ 19-28a N 44 ff.; M ARCO D ONATSCH , in: A LAIN G RIFFEL [H RSG .], Kommentar zum Verwaltungsrechtspflege- gesetz des Kantons Zürich [VRG], a.a.O., § 20a N 9 f.). 2016 Personalrecht 289 3.3. Im von der Beschwerdeführerin mit dem "Lohnnachzahlungs- begehren" an den Stadtrat B. vom 15. April 2015 gestellten Antrag, die Stadt B. sei zu verpflichten, Lohnnachzahlungen in der Höhe von Fr. 85'166.00 brutto zuzüglich Zins (...) zu bezahlen (Antrag 1), ist implizit auch das Begehren enthalten, in Bezug auf den Lohn sämtli- che Anstellungsverfügungen ab 30. September 2010 abzuändern. Das erhellt insbesondere auch aus der Begründung des "Lohnnachzah- lungsbegehrens", worin die Beschwerdeführerin ausführen liess, sie sei angesichts ihrer Führungsfunktion, ihrer Verantwortung, ihres Einflussbereichs und ihrer Ausbildung ab 1. Oktober 2010 zu Un- recht in das Gehaltsband 5 mit einem Bruttojahreslohn von Fr. 91'999.70 anstatt in das Gehaltsband 8 mit einem Bruttojahres- lohn von wenigstens Fr. 117'000.00 eingestuft worden. Die Be- schwerdeführerin rügte mit anderen Worten schon vor dem Stadtrat eine Falscheinstufung, die notgedrungen nur über eine nachträgliche inhaltliche Modifikation der Anstellungsverfügungen vom 30. Sep- tember 2010, 30. Oktober 2011 und 30. Dezember 2011 korrigiert werden kann. Würde der Beschwerdeführerin die geforderte Lohn- nachzahlung gewährt, würde dies sachlogisch eine entsprechende Abänderung der erwähnten Anstellungsverfügungen bzw. der darin festgelegten Besoldung bedeuten. In diesem Sinne kann zwar in Be- zug auf den Antrag auf Aufhebung, nicht aber in Bezug auf den Eventualantrag auf Abänderung ("Berichtigung") sämtlicher Anstel- lungsverfügungen ab dem 30. September 2010 gesagt werden, er lie- ge ausserhalb des (durch das "Lohnnachzahlungsbegehren" der Be- schwerdeführerin) fixierten Streitgegenstandes. Andernfalls hätte sich der Stadtrat auch nicht veranlasst gesehen, auf das "Lohnnach- zahlungsbegehren" mit der Begründung nicht einzutreten, die An- stellungsverfügungen seien nicht rechtzeitig angefochten worden und damit in Rechtskraft erwachsen, und - in einer Eventualbegründung - dennoch die Rechtmässigkeit der (in den Anstellungsverfügungen angeordneten) Gehaltseinstufung zu überprüfen. Von Anfang an bil- dete Thema des vorliegenden Rechtsstreits, ob die Beschwerdeführe- rin mit Wirkung ab 1. Oktober 2010 gehaltsmässig richtig eingestuft war. Die Lohnnachzahlungsforderung ist letztlich nichts anderes als 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 290 die finanzielle Konsequenz aus der von der Beschwerdeführerin be- haupteten Falscheinstufung. Eine unzulässige Beschwerdeänderung liegt somit nur in Bezug auf den Antrag auf Aufhebung, nicht aber in Bezug auf den Eventualantrag auf Abänderung ("Berichtigung") sämtlicher Anstellungsverfügungen ab dem 30. September 2010 vor. Mit der Erhöhung der Lohnnachzahlungsforderung von Fr. 85'166.00 auf Fr. 131'156.46 wird gestützt auf den nämlichen Sachverhalt (Einstufung in ein zu tiefes Gehaltsband in absoluter Hinsicht [d.h. bezogen auf die Funktion der Beschwerdeführerin] und im Vergleich mit anderen [leitenden] Angestellten der Abteilung [...] der Stadtverwaltung B. [Lohndiskriminierung]) eine quantitative Mehrleistung verlangt. Die Erhöhung der Lohnnachzahlungsforde- rung ist demnach nicht als Beschwerdeänderung, sondern als Be- schwerdeerweiterung zu verstehen, auf die das Verwaltungsgericht allerdings ebenso wenig eintreten darf. Das heisst, dass der Be- schwerdeführerin vor Verwaltungsgericht maximal der schon im vor- instanzlichen Verfahren geforderte Betrag in Höhe von Fr. 85'166.00 zugesprochen werden könnte. 4. 4.1. Auf die Lohnnachzahlungsforderung und die damit - implizit - verbundenen Anträge auf entsprechende Abänderung der Anstel- lungsverfügungen vom 30. September 2010, 30. Oktober 2011 und 30. Dezember 2011 ist die Vorinstanz, wie gesehen (Erw. 3.3 vorne), nicht eingetreten, mit der Begründung, die Anstellungsverfügungen seien nicht rechtzeitig angefochten worden und damit in Rechtskraft erwachsen. Es könne nicht darauf zurückgekommen werden. 4.2. (...) 4.3. Es wurde bereits in Erw. 2.3.4 vorne dargelegt, dass den Partei- en aus der mangelhaften Eröffnung einer Verfügung keinerlei Rechtsnachteil erwachsen darf (H ÄFELIN /M ÜLLER /U HLMANN , a.a.O., Rz. 1079 und 1120). Erneut ist aber auch an dieser Stelle zu betonen, dass der Rechtsmittelfristenlauf nicht beliebig hinausgezö- gert werden kann. Es wäre mit Treu und Glauben nicht zu vereinba- ren, wenn eine Verfügung wegen mangelhafter Eröffnung jederzeit 2016 Personalrecht 291 angefochten werden könnte; vielmehr muss eine solche Verfügung innerhalb einer vernünftigen Frist in Frage gestellt werden (H ÄFE - LIN /M ÜLLER /U HLMANN , a.a.O., Rz. 1079). Rechtssuchende genies- sen keinen Vertrauensschutz, wenn der Mangel für sie bzw. ihren Rechtsvertreter allein schon durch Konsultierung der massgeblichen Verfahrensbestimmungen ersichtlich ist (BGE 134 I 199, Erw. 1.3.1). Die Anstellungsverfügungen vom 30. September 2010, 30. Oktober 2011 und 30. Dezember 2011 enthalten keine Rechtsmit- telbelehrung und sind deshalb mit einem Eröffnungsfehler behaftet. Mangels Rechtsmittelbelehrung konnte die Beschwerdeführerin als juristische Laiin nicht unbedingt wissen, dass diese Verfügungen mit Beschwerde anfechtbar sind, wer Beschwerdeinstanz ist und welche Formalien einzuhalten sind. Deswegen begann die Rechtsmittelfrist nicht unmittelbar mit der Mitteilung der Anstellungsverfügungen an die Beschwerdeführerin zu laufen. Spätestens in dem Zeitpunkt, in dem sich die Beschwerdeführerin bei ihrem Rechtsvertreter juris- tischen Rat geholt hat, also ab Ende Januar 2015, wäre es ihr jedoch zumutbar gewesen, die Anstellungsverfügungen innerhalb der Be- schwerdefrist von 30 Tagen formgerecht anzufechten, was nicht ge- schehen ist. Das "Lohnnachzahlungsbegehren" an den Stadtrat vom 15. April 2015 erfolgte klar ausserhalb der Beschwerdefrist. Auch aus dem Umstand, dass sie offenbar gegenüber ihren Vorgesetzten mehrfach ein zu tiefes Gehalt rügte, kann die Beschwerdeführerin nichts zu ihren Gunsten ableiten, im Gegenteil: Spätestens dann, als diese Rügen nichts fruchteten, wäre zu erwarten gewesen, dass sie sich eingehend damit auseinandersetzen würde, wie rechtlich ein höherer Lohn eingefordert werden könnte. Aus all diesen Gründen sind die Anstellungsverfügungen vom 30. September 2010, 30. Oktober 2011 und 30. Dezember 2011 noch vor Einreichung des "Lohnnachzahlungsbegehrens" vom 15. April 2015 rechtskräftig ge- worden. (...) Folglich ist nicht zu beanstanden, dass der Stadtrat auf den mit der Lohnnachzahlungsforderung der Beschwerdeführerin implizit verbundenen Antrag auf Abänderung der Anstellungsverfügungen vom 30. September 2010, 30. Oktober 2011 und 30. Dezember 2011 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 292 nicht eingetreten ist. Der vorinstanzliche Entscheid ist in diesem Punkt zu bestätigen und die dagegen erhobene Verwaltungsgerichts- beschwerde abzuweisen, ohne dass das Verwaltungsgericht die mate- rielle Begründetheit der Beschwerde insoweit überprüfen, d.h. über die Rechtmässigkeit der Anstellungsverfügungen befinden könnte. Die grundsätzliche Unabänderlichkeit der Anstellungsverfügun- gen vom 30. September 2010, 30. Oktober 2011 und 30. Dezember 2011 bedeutet nun aber nicht, dass der Beschwerdeführerin jegliche Lohnnachzahlungsforderung für den Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis zur Beendigung ihres Anstellungsverhältnisses per Ende April 2015 verwehrt wäre. Nach der Praxis des Bundesgerichts stellt das Gebot der Lohngleichheit zwischen Mann und Frau ein unmittelbar anwendbares, justiziables subjektives Individualrecht dar, welches als solches - unter Vorbehalt der Verjährung von Lohnnachzahlungs- forderungen (nach fünf Jahren) - grundsätzlich noch nachträglich geltend gemacht werden kann. Das Vorliegen einer (rechtskräftigen) Anstellungsverfügung steht dem nicht entgegen; ebenso wenig das Rechtsmissbrauchsverbot, solange kein gültiger Verzicht auf einen diskriminierungsfreien Lohn in eindeutiger Form vorliegt (BGE 131 I 105, Erw. 3.3; 125 I 14, Erw. 3; 124 II 436, Erw. 10). Anders verhält es sich mit ungleichen Besoldungen, die nicht ge- schlechtsspezifisch bedingt diskriminierend sind. Aus dem allgemei- nen Rechtsgleichheitsgebot ergibt sich kein direkter bundesrechtli- cher Anspruch auf rückwirkende Ausrichtung einer rechtsgleichen Besoldung, wie dies für den Bereich der Lohngleichheitsgarantie für Mann und Frau der Fall ist; von Verfassungs wegen kann lediglich verlangt werden, dass der rechtsungleiche Zustand auf geeignete Weise und in angemessener Frist behoben wird. Was die Angemes- senheit der Frist anbelangt, darf in vertretbarer Weise berücksichtigt werden, wann sich ein Betroffener erstmals gegen die beanstandete Rechtsungleichheit gewehrt hat. Es ist nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung zulässig und mit dem allgemeinen Rechtsgleich- heitsgebot vereinbar, einen rechtsungleichen Zustand erst mit Wir- kung ab jenem Zeitpunkt zu korrigieren, in dem durch den Betroffe- nen ein entsprechendes Begehren überhaupt erst gestellt worden ist. Das gilt erst recht, wenn der zu niedrige Lohn - wie hier - in Form 2016 Personalrecht 293 einer anfechtbaren und in Rechtskraft erwachsenen Verfügung festgesetzt worden ist (BGE 131 I 105, Erw. 3.7). 5. Demgemäss ist auf die vorliegende, gegen den Entscheid des Stadtrats B. vom 29. Juni 2015 frist- und formgerecht eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde nur insoweit einzutreten, als die Be- schwerdeführerin eine geschlechtsspezifische Lohndiskriminierung oder eine allgemeine, nicht geschlechtsindizierte lohnmässige Un- gleichbehandlung für die kurze Zeit zwischen der Einreichung ihres "Lohnnachzahlungsbegehrens" am 15. April 2015 und der Beendi- gung ihres Anstellungsverhältnisses am 30. April 2015 rügt und dar- aus eine Lohnnachzahlungsforderung von maximal Fr. 85'166.00 so- wie die entsprechende Änderung früherer Lohnverfügungen ableitet .
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2001 Normenkontrolle 115 I. Normenkontrolle 36 Brandschutz; inzidente Normenkontrolle. - § 90 Abs. 4 KV hat den Sinn eines "Verwerfungsmonopols" (Erw. 4/a). - Prüfung von § 48 Abs. 2 BSV auf seine Verfassungs- und Gesetzmäs- sigkeit: Gesetzliche Vorgaben zum baulichen und betrieblichen Brandschutz (Erw. 4/b/bb); § 48 Abs. 2 BSV als Ausnahmeregelung für Büro- und Schulbauten (Erw. 4/b/cc/aaa); Begründung für die schematisierende Festlegung eines Grundflächen-Schwellenwerts hin- sichtlich der Zulassung offener Treppenanlagen (Erw. 4/b/cc/bbb); die Differenzierung zwischen Büro- und Schulbauten in Bezug auf das Grundflächenkriterium ist vor dem Hintergrund der unterschied- lichen mobilen Brandbelastung sachlich gerechtfertigt (Erw. 4/b/cc/aaa). - Rechtsanwendung: Ausbildung eines Treppenhauses mit Fluchtweg- funktion als Brandabschnitt nach Massgabe von § 48 Abs. 1 Satz 1 BSV (Grundvariante; Erw. 5/a); keine Ersatzmassnahmen nach § 6 Abs. 2 und 3 BSG, weil der Personenschutz die Bereitstellung eines zweiten Fluchtwegs erfordert (Erw. 5/b); Erstellung einer zweiten aussenliegenden Fluchttreppe als Alternativvariante (Erw. 5/c). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 6. Juni 2001 in Sachen F. AG gegen Baudepartement. Aus den Erwägungen 1. a) Gegenstand des Verfahrens bildet die Bewilligungsfähig- keit des Projektänderungsgesuchs der Beschwerdeführerin 1 vom 2. Juni 1998 unter dem Gesichtspunkt des Brandschutzes. Ursprüng- lich war vorgesehen, im viergeschossigen Büroneubau ein gegen die Büroräumlichkeiten und gegen den Lichthof als Brandabschnitt aus- 2001 Verwaltungsgericht 116 gebildetes Treppenhaus zu erstellen. Neu sollen nun anstelle eines geschlossenen, innenliegenden Treppenhauses ein offenes, mit dem Lichthof kombiniertes Treppenhaus sowie zusätzlich an der Nordfas- sade eine Aussentreppe erstellt werden. Mit Verfügung vom 6. Juli 1998 wies das AVA dieses Gesuch zurück. (...) 4. Die Beschwerdeführerinnen verlangten schon vor dem Bau- departement und verlangen auch vor Verwaltungsgericht, dass § 48 Abs. 2 BSV einer inzidenten Normenkontrolle zu unterziehen sei, soweit er Büro- und Schulbauten hinsichtlich der zulässigen Grund- fläche ungleich behandle. a) Das Baudepartement hat zum erwähnten Begehren ausge- führt, der Regierungsrat nehme praxisgemäss eine Normenkontrolle nur vor, wenn eine untergeordnete Verwaltungsstelle ernsthafte Zweifel an der Rechtmässigkeit der von ihr anzuwendenden Norm habe; solche Zweifel bestünden im vorliegenden Falle nicht. Die Be- schwerdeführerinnen erblicken hierin eine Gehörsverweigerung, welche die Aufhebung des Baudepartementsentscheids nach sich ziehen müsse. Gemäss § 90 Abs. 4 KV ist der Regierungsrat gehalten, Erlassen die Anwendung zu versagen, die Bundesrecht oder kantonalem Verfassungs- oder Gesetzesrecht widersprechen. Während die akzes- sorische Normenkontrollgewalt allen kantonalen Gerichten zu- kommt, ist sie in der Exekutive beim Regierungsrat konzentriert. Ziel dieser Regelung ist es, u.a. zu vermeiden, dass vom Regierungsrat erlassene Rechtssätze durch untergeordnete Verwaltungsstellen un- anwendbar erklärt werden (Kurt Eichenberger, Verfassung des Kan- tons Aargau, Textausgabe mit Kommentar, Aarau 1986, § 90 N 22). Dieser ratio entspricht die untergeordnete Verwaltungsstelle, solange sie die in Frage stehende Norm - wie im vorliegenden Fall - als ver- fassungskonform beurteilt; das ,,Verwerfungsmonopol" des Regie- rungsrats wird damit nicht tangiert. Ein subjektiver Anspruch auf inzidente Normenkontrolle durch den Regierungsrat kann aus § 90 Abs. 4 KV nicht abgeleitet werden (Eichenberger, a.a.O., § 90 N 19; vgl. auch den VGE III/113 vom 26. August 1999 [BE.97.00243] in 2001 Normenkontrolle 117 Sachen R. u. M., S. 7 f.). Damit kann dem Baudepartement auch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs angelastet werden. b) aa) Gemäss § 95 Abs. 2 KV sind die Gerichte gehalten, Er- lassen die Anwendung zu versagen, die Bundesrecht oder kantona- lem Verfassungs- oder Gesetzesrecht widersprechen (vgl. dazu Ulrich Häfelin/Walter Haller, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 4. Auflage, Zürich 1998, Rz. 1801; Eichenberger, a.a.O., § 95 N 21 ff.). Zu überprüfen ist im vorliegenden Falle § 48 BSV, der, soweit hier wesentlich, folgenden Wortlaut trägt: ,, 1 Als Fluchtweg dienende Treppenhäuser sind als Brandabschnitte mit dem für das Tragwerk erforderlichen Feuerwiderstand, aber min- destens F 60 zu erstellen. Treppenläufe und Podeste sind nichtbrenn- bar zu erstellen. Zweigeschossige Bauten, welche der kommunalen Bewilligungspflicht unterstehen, sind von dieser Bestimmung ausge- nommen. 2 In Bürobauten mit höchstens 4 Geschossen und nicht mehr als 600 m 2 Grundfläche sowie in Schulbauten mit höchstens 4 Geschossen unge- achtet der Grundfläche sind offene Treppenanlagen (Korridore ohne Brandabschlüsse gegen das Treppenhaus) zulässig. (...)" bb) Die Kompetenz zum Erlass von § 48 BSV ergibt sich aus § 3 Abs. 2 BSG; danach erlässt der Regierungsrat Vorschriften über die erforderlichen Massnahmen zur Sicherstellung des baulichen und betrieblichen Brandschutzes. Die materiellen Vorgaben zum bauli- chen und betrieblichen Brandschutz finden sich in Abs. 1 und Abs. 3 von § 3 BSG, die wie folgt lauten: ,, 1 Gebäude, Lager und andere Anlagen sind zusammen mit den Be- triebseinrichtungen so zu erstellen, zu betreiben und zu unterhalten, dass a) der Entstehung von Bränden und Explosionen sowie der Ausbrei- tung von Flammen, Hitze und Rauch ausreichend vorgebeugt wird; b) die Sicherheit von Personen gewährleistet ist; c) Umwelt- und Gesundheitsschäden als Folge von Bränden vermie- den werden; d) Tiere und Sachgüter genügend geschützt sind; e) eine wirksame Brandbekämpfung ermöglicht wird. 2001 Verwaltungsgericht 118 (...) 3 Für die Art und den Umfang der Massnahmen bei Gebäuden sind in erster Linie massgebend: a) Zahl und Schutzbedürftigkeit der Personen, die sich im Gebäude aufhalten, b) Zweckbestimmung und Bauart des Gebäudes, seine Lage und die Zugänglichkeit für die Feuerwehr, c) Grösse (Grundfläche und Höhe), d) Brandbelastung, Brennbarkeit der Materialien und Verqualmungs- gefahr, e) Gefahr der Bildung gefährlicher chemischer Verbindungen unter Hitzeeinwirkung, f) Korrosionsgefahr, g) Aktivierungsgefahr (Zündquellen), h) Brandbekämpfungsmöglichkeiten." cc) Die Beschwerdeführerinnen wenden sich gegen die Vor- schrift in § 48 Abs. 2 BSV, wonach offene Treppenanlagen, d.h. Kor- ridore ohne Brandabschlüsse gegen das Treppenhaus, in (maximal viergeschossigen) Bürobauten nur zulässig sind, wenn die Grundflä- che nicht mehr als 600 m 2 beträgt. aaa) Vertikalverbindungen wie Treppenhäuser sind in Brandab- schnitte abzutrennen (§ 32 Abs. 2 lit. d BSV). Dient das betreffende Treppenhaus - wie im vorliegenden Falle - als Fluchtweg, so ist es als Brandabschnitt zudem mit dem für das Tragwerk erforderlichen Feuerwiderstand, aber mindestens F 60 zu erstellen (§ 48 Abs. 1 Satz 1 BSV). § 48 Abs. 2 BSV stellt vor dem Hintergrund dieser Bestim- mungen eine Ausnahmeregelung dar, aufgrund derer bei Bürobauten (begrenzt auf maximal vier Geschosse und maximal 600 m 2 Grund- fläche pro Geschoss) und Schulbauten (begrenzt auf maximal vier Geschosse) eine nicht als separater Brandabschnitt konzipierte Trep- penanlage als Fluchtweg anerkannt wird. Diese Privilegierung der Büro- und Schulbauten stellt eine spezifische Aargauer Regelung dar; in den Brandschutzvorschriften der VKF findet man sie nicht (vgl. Art. 18 der Brandschutznorm, Ausgabe 1993). bbb) Mit der Festlegung des Schwellenwerts von 600 m 2 enthält § 48 Abs. 2 BSV eine schematisierende Regelung. Derartige Sche- 2001 Normenkontrolle 119 matismen sind auch in andern Rechtsgebieten häufig anzutreffen, etwa im öffentlichen Abgaberecht. Schematisierungen und Pauscha- lierungen werden dort vom Bundesgericht im Interesse der Praktika- bilität seit jeher als zulässig erachtet (BGE 125 I 196, 201 mit Hin- weisen). Sie dienen letztlich der Rechtssicherheit und Rechtsgleich- heit (AGVE 1985, S. 322, betreffend die Bedeutung von Verwal- tungsrichtlinien) sowie einer beförderlichen Fallerledigung (BGE 108 Ib 55), müssen aber anderseits sachlich nachvollziehbar sein und dürfen keine rechtlichen Unterscheidungen treffen, für die ein ver- nünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist (BGE 121 I 51; AGVE 1987, S. 150 f.; VGE III/77 vom 25. No- vember 1976 in Sachen F. AG, S. 31 f.). Deshalb muss im Einzelfall unter Umständen eine vom Schema abweichende Lösung getroffen werden (AGVE 1999, S. 206, betreffend die Handhabung techni- scher Normalien). Es steht nichts entgegen, auch auf dem Gebiet des öffentlichen Brandschutzes im erwähnten Sinne nach schematischen, aufgrund der Durchschnittserfahrung aufgestellten Massstäben Recht zu setzen, wo es opportun erscheint. Der innere Grund für die Festlegung des Schwellenwerts bei 600 m 2 hat offensichtlich einerseits mit der Brandbelastung und an- derseits mit der Fluchtweglänge zu tun. § 48 Abs. 2 BSV verlangt wie erwähnt (Erw. aaa hievor) entgegen der Regel kein als Brandab- schnitt ausgebildetes Treppenhaus; demzufolge erscheint es logisch und konsequent, mit der Begrenzung der Geschossfläche auch die damit korrelierende Brandbelastung zu limitieren. Im Weitern kann bei einem konventionellen Grundriss mit einer Grundfläche von maximal 600 m 2 in der Regel von jedem Punkt aus die Norm- Fluchtweglänge von höchstens 35 m gemäss § 46 Abs. 3 Satz 1 BSV eingehalten werden. Das Problem stellt sich analog im Zusammen- hang mit der erforderlichen Anzahl der Treppenanlagen, die sich ebenfalls nach der Geschossfläche richtet (vgl. Art. 47 Abs. 1 lit. a der Brandschutznorm der VKF in Verbindung mit den einschlägigen Skizzen auf S. 33 der Brandschutzrichtlinie ,,Schutzabstände, Brand- abschnitte, Fluchtwege" der VKF [Ausgabe 1993], die beispielhaft auf einem Geschoss mit einer Länge von 40 m und einer Breite von 15 m basieren). Namentlich die erwähnten Skizzen zeigen, dass der 2001 Verwaltungsgericht 120 Schwellenwert von 600 m 2 auch mit der Fluchtwegsituation zusam- menhängt. Insgesamt beruht dieser Wert somit auf einer plausiblen Begründung. Es erscheint demnach gerechtfertigt, den Normalfall aufgrund des Flächenkriteriums zu beurteilen. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle führt dies zu sachgerechten Entscheiden. Der ,,Einzelfallgerechtigkeit" kann in ausreichendem Mass mit der bereits in den einschlägigen Erlassen angelegten Möglichkeit Rech- nung getragen werden, statt der vorgeschriebenen Standardmass- nahme(n) Ersatzmassnahmen zu realisieren. § 6 BSG (in der Fassung vom 18. Juni 1996) bestimmt diesbezüglich unter dem Randtitel ,,Normalfall und Abweichungen": ,, 1 Die gesetzlich vorgesehenen Massnahmen gehen von derjenigen Brandgefahr aus, die im Normalfall zu erwarten ist. 2 An die Stelle vorgeschriebener Massnahmen können Alternativen treten, soweit sie für das Einzelobjekt gleichwertig sind. 3 Weicht die Brandgefahr im Einzelfall so vom Normalfall ab, dass die gesetzlich vorgesehenen Massnahmen als ungenügend oder als unver- hältnismässig erscheinen, können die zu treffenden Massnahmen an- gemessen erweitert oder reduziert werden." In verfahrensmässiger Hinsicht ergänzt § 2 BSV wie folgt: ,, 3 Im Brandschutzgesuch ist darzustellen, mit welchen Massnahmen der gesetzliche Brandschutz erfüllt wird. Sind Alternativmassnahmen zu den vorgeschriebenen Massnahmen vorgesehen, hat der Gesuch- steller schriftlich in ausreichender Weise aufzuzeigen, dass sein Kon- zept als gleichwertig erachtet werden kann." ddd) Die Beschwerdeführerinnen erblicken darin, dass § 48 Abs. 2 BSV bei Schulbauten keine Grundflächenbeschränkung vor- sieht, eine ungerechtfertigte Privilegierung. aaaa) Das AVA begründet die Differenzierung mit der unter- schiedlich hohen mobilen Brandbelastung, und zwar nicht in den Korridoren, welche unabhängig von der Nutzung nur minimale Brandbelastungen aufweisen dürften, sondern in den angrenzenden Räumen; aus einer in den ,,Begriffserläuterungen" (Anhang zur BSV) reproduzierten Tabelle gehe hervor, dass in Schulen mit einer mobilen Brandbelastung von 300 MJ/m 2 , in Büros hingegen mit 600- 800 MJ/m 2 zu rechnen sei. Das Baudepartement hat daraufhin durch 2001 Normenkontrolle 121 die G. AG gutachtlich abklären lassen, ob es zutreffe, dass Schulhäu- ser im Bereich der Schulzimmer und der Fluchtwege wesentlich geringere Brandlasten und Aktivierungsgefahren aufwiesen, als dies bei Bürobauten der Fall sei. Die Expertin führte in der Folge in acht aargauischen Schulhäusern Brandlasterhebungen durch, wobei sie sich auf die mobilen Brandlasten konzentrierte, weil sich Schulhäu- ser und Bürogebäude bezüglich der immobilen Brandlasten nach § 48 Abs. 5 BSV (Verkleidung von Wänden und Decken mit nicht- brennbaren Materialien, für Bodenbeläge je nach Nutzung brennbare Materialien) kaum unterschieden. Festgestellt wurde dabei in den Schulzimmern eine Brandbelastung zwischen 350 und 570 MJ/m 2 (Minimalwert 170 MJ/m 2 , Maximalwert 1'140 MJ/m 2 ), wogegen die SIA-Dokumentation 81 für technische Büroräume eine Brandbela- stung von 600 MJ/m 2 , für kaufmännische Büros eine solche von 800 MJ/m 2 angebe. In den Fluchtkorridoren von Schulhäusern gebe es neben schwer entzündlichen Materialien (Bänke, Anschlagbretter, Stellwände, Ausstellungsvitrinen, Kleider usw.) auch Schränke, Stühle und Tische; von einer minimalen Brandbelastung könne hier nicht gesprochen werden. In den Korridoren von Bürobauten seien ebenfalls Schränke, Kopiergeräte usw. aufgestellt, die eine beträcht- liche Brandbelastung bewirkten. Gesamthaft betrachtet wiesen Schulhäuser effektiv kleinere Risiken auf als Bürobauten in einer vergleichbaren Umgebung, weshalb eine Erleichterung bei der Aus- bildung der Fluchtwege gerechtfertigt sei. bbbb) Die Beschwerdeführerinnen bestreiten in keiner ihrer Eingaben, dass die durchschnittlichen Brandbelastungen in Schul- häusern geringer sind als in Bürobauten. Auch für das Verwaltungs- gericht ist nicht erkennbar, weshalb den diesbezüglichen Feststellun- gen der Expertin, die einerseits auf eigenen Untersuchungen, ander- seits auf anerkannten Erfahrungswerten basieren, nicht sollte gefolgt werden können. Stellung zu nehmen ist lediglich noch zum Einwand, sowohl in Bezug auf die Ausgestaltung der Korridore als auch in Bezug auf die konkrete Brandbelastung entspreche das Bürogebäude der Beschwerdeführerin 2 eher einem Schulhaus, was mit einem Augenschein belegt werden könne. Dem ist entgegenzuhalten, dass es hier in erster Linie um die mobilen Brandlasten geht und sich 2001 Verwaltungsgericht 122 Schulhäuser und Bürogebäude bezüglich der immobilen Brandlasten kaum unterscheiden (vgl. § 48 Abs. 5 BSV und die ,,Begriffserläute- rungen" im Anhang zur BSV [Stichwort ,,Brandbelastung"]). Die mobile Brandbelastung ist nun aber naturgemäss Schwankungen unterworfen, weshalb diesbezüglich Schematisierungen unausweich- lich sind; eine ,,Momentaufnahme", wie sie die Beschwerdeführerin- nen mit ihrem Beweisantrag auf Durchführung eines Augenscheins vorschlagen, brächte nichts, weshalb füglich davon abgesehen wer- den darf. Im Übrigen lässt sich die unterschiedliche Behandlung von Büro- und Schulbauten auch damit rechtfertigen, dass die ,,schlei- chende" Umnutzung eines Bürogebäudes erfahrungsgemäss erheb- lich wahrscheinlicher ist als jene eines Schulhauses. cccc) Die von den Beschwerdeführerinnen in Frage gestellte Differenzierung in Bezug auf das Grundflächenkriterium kann sich demgemäss auf triftige, ernsthafte Gründe stützen; sie ist sachlich begründet (vgl. BGE 121 I 100 mit Hinweisen). § 48 Abs. 2 BSV verletzt daher den Grundsatz der Rechtsgleichheit (Art. 8 BV) nicht, weshalb er sich entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen als anwendbar erweist. 5. a) Mit 674 m 2 Grundfläche (pro Geschoss) übersteigt das in Frage stehende Bürogebäude unbestrittenermassen den Schwellen- wert von 600 m 2 gemäss § 48 Abs. 2 BSV. Die ausnahmsweise Zu- lassung einer (gegen die Korridore) offenen Treppenanlage kommt daher hier nicht in Betracht. Vielmehr ist das - als Fluchtweg die- nende - Treppenhaus nach Massgabe von § 48 Abs. 1 Satz 1 BSV als Brandabschnitt mit einem Feuerwiderstandswert von mindestens F 60 zu erstellen, wie es im ersten Projekt auch vorgesehen war. Re- alisiert wurden statt dessen - nach Massgabe des Projektänderungs- gesuchs - eine offene Treppenanlage sowie eine zusätzliche aussen- liegende Fluchttreppe. Die Beschwerdeführerinnen sind der Mei- nung, als Alternativmassnahme müsse dies den Brandschutzanfor- derungen ebenfalls genügen, wenn die bereits installierte Brand- meldeanlage mit berücksichtigt werde. Die Fluchtwegsituation werde trotz der Grundflächenüberschreitung von 12% wesentlich verbes- sert, indem nun ein zweiter Fluchtweg existiere. Qualitativ sei die Alternativlösung wesentlich besser als die Standardmassnahme ge- 2001 Normenkontrolle 123 mäss § 48 Abs. 2 BSV. Sämtliche Räume im Erdgeschoss hätten - unabhängig vom Hauptkorridor - einen separaten Ausgang direkt ins Freie. Die Länge des Fluchtwegs dürfe im vorliegenden Falle gemäss § 46 Abs. 3 Satz 2 BSV 50 m nicht übersteigen. 83,3% der Grund- fläche liege nun aber im Fluchtwegbereich von 35 m der Aussen- treppe, und die offene Treppenanlage decke mit dem 35 m-Abstand die ganze Grundfläche ab. Im fraglichen Bürogebäude werde mit der Brandmeldeanlage ein Brandsicherheitsquotient von 3,85 erreicht, wogegen Schulhäuser bis 700 m 2 Grundfläche lediglich einen Quo- tienten von 2,20 aufwiesen. Im Eventualfall könnte, sofern dies not- wendig sei, was bestritten werde, eine zweite identische Aussen- treppe auf der Südseite des Gebäudes angebracht werden. Das AVA lehnt die Projektänderungsvariante mit folgender Be- gründung ab: Unter Verweisung auf § 46 BSV wird ausgeführt, mit der realisierten aussenliegenden Wendeltreppe an der Nordfassade stehe lediglich ein vorschriftsgemässer Fluchtweg zur Verfügung. Stünden wie im vorliegenden Falle die vier übereinanderliegenden Bürogeschosse untereinander über einen zu den Korridoren nicht abgetrennten Lichthof in offener Verbindung, so müsse die erforder- liche Anzahl von mit Feuerwiderstand F 60 abgetrennten Treppen- häusern vorhanden sein. Einzig die Aussentreppe biete, weil sie im Freien liege, eine ausreichende, einem abgetrennten Treppenhaus entsprechende Sicherheit, während die Benutzbarkeit der offenen Treppenanlage im Gebäudeinnern durch ein Ereignis an einer belie- bigen Stelle im zusammenhängenden Brandabschnitt Korri- dore/Lichthof/Treppenanlage/Anmeldung beeinträchtigt werde. Die eine Aussentreppe würde nur ausreichen, wenn sie unter Einhaltung der maximal zulässigen Fluchtwegdistanz, die gemäss § 46 Abs. 3 BSV bei Vorhandensein nur einer Treppenanlage 35 m betrage, von jeder Stelle aus erreicht werden könnte. Die effektive Flucht- weglänge betrage nun aber 44 m. b) Brandschutz ist in erster Linie Personenschutz; Gebäude usw. sind so zu erstellen, zu betreiben und zu unterhalten, dass die Sicher- heit von Personen gewährleistet ist (§ 3 Abs. 1 lit. b BSG; vgl. AGVE 1996, S. 328). Die rechtsanwendenden Behörden haben es bisher zu Recht nicht zugelassen, dass in Bezug auf diesen Schutz 2001 Verwaltungsgericht 124 substantielle Abstriche vorgenommen werden (vgl. VGE III/3 vom 26. Februar 1986 in Sachen E., S. 10 [Hotelbetrieb]; VGE III/79 vom 15. November 1988 in Sachen A. SA, S. 13 [Geschäftshaus mit Tep- pichlager und -ausstellung]; Entscheide des Regierungsrats vom 26. Juni 1989 [Art. Nr. 1554] in Sachen Einwohnergemeinde W., S. 8 [Asylantenunterkunft], und vom 10. Juli 1989 [Art. Nr. 1696] in Sachen Einwohnergemeinde A., S. 11 f. [Altersheim]; ferner Bun- desgericht, in: ZBl 88/1987, S. 264). Als Grundpfeiler des Personen- schutzes können dabei im Bereich des baulichen Brandschutzes die Prinzipien der Brandabschnittsbildung und der Fluchtwegsicherung bezeichnet werden (vgl. die §§ 32 ff. und 44 ff. BSV; Art. 32 ff. und 44 ff. der Brandschutznorm der VKF). Vor diesem Hintergrund erweist sich die behördliche Forderung nach einem zweiten normgerechten Fluchtweg als verhältnismässig. Die Bereitstellung von Fluchtwegen gehört wie erwähnt zu den we- sentlichen Personenschutzmassnahmen. Eine Brandmeldeanlage rechtfertigt darum keine Erleichterungen, weil sie den Brandschutz nicht auf der gleichen Ebene gewährleistet wie ein Fluchtweg. Dieser ermöglicht es den von einem Brand Überraschten im Sinne einer baulichen Direktmassnahme, innert nützlicher Frist ins Freie zu ge- langen und sich dort in Sicherheit zu bringen. Demgegenüber wird mit der Brandmeldeanlage nur eine frühzeitige Alarmierung im Ge- bäude bewirkt. Die Expertin weist zu Recht darauf hin, dass die ge- fährdeten Personen damit noch nicht in Sicherheit sind; der Alarm muss verstanden werden und eine zeitgerechte Evakuierung möglich sein. Es bedarf also zusätzlicher organisatorischer Massnahmen in- nerhalb des Betriebs, deren Vollzug wesentlich davon abhängt, ob der Betrieb seine Eigenverantwortlichkeit permanent wahrnimmt; die Auflage, einen Fluchtweg bereitzustellen, ist frei von derartigen Un- sicherheiten und Unwägbarkeiten und namentlich deshalb wesentlich einfacher durchzusetzen. Abgesehen davon lässt sich ein technisches Versagen des Alarmierungssystems nie gänzlich ausschliessen. Die Argumentation der Beschwerdeführerinnen vermag gegen diese Überlegungen nicht aufzukommen; sie krankt im Wesentlichen daran, dass die offene Treppenanlage nach Massgabe von § 46 Abs. 4 sowie § 48 Abs. 1 und 2 BSV die brandschutzrechtlichen An- 2001 Normenkontrolle 125 forderungen an einen Fluchtweg eben nicht erfüllt. Die vorge- schlagene Ersatzmassnahme ist damit nicht ,,für das Einzelobjekt gleichwertig" (§ 6 Abs. 2 BSG). Daran ändert auch nichts, dass das abgeänderte (und realisierte) Projekt mit 3,85 einen höheren Brand- sicherheitsquotienten aufweist als das vom AVA am 16. März 1998 bewilligte Projekt mit 2,85 und dass die mit dem Verfahren gemäss SIA-Dokumentation 81 bewertete allgemeine Brandsicherheit auch höher ist als bei vergleichbaren Bürobauten, bei denen ein Brand- sicherheitsquotient von 2,4 bis 3,6 angestrebt wird; die Fluchtwege gehören wie bereits erwähnt zu den wesentlichen Personenschutz- massnahmen, deren vorschriftsgemässe Realisierung zu den Grund- voraussetzungen gehört. Die SIA-Dokumentation sagt dazu Folgen- des aus (S. 6): ,,Die vorliegende Publikation beschreibt eine Methode für die quanti- tative Beurteilung des Brandrisikos und der Brandsicherheit nach ein- heitlichen Bewertungsgrundlagen. Das Verfahren setzt voraus, dass allgemeine Sicherheitsbestimmungen wie Schutzabstände zu benachbarten Objekten und vor allem die Massnahmen zum Personenschutz wie Fluchtwege , Notbeleuchtung und dgl. sowie die einschlägigen Sicherheitsvorschriften für die tech- nischen Einrichtungen eingehalten sind. Diese können nicht durch an- dere Massnahmen ersetzt werden ." Eine Anwendung von § 6 Abs. 2 und 3 BSG fällt somit ausser Be- tracht. c) Subsubeventualiter verlangen die Beschwerdeführerinnen, die kantonale Brandschutzbewilligung sei unter der Bedingung zu erteilen, dass eine zweite identische aussenliegende Fluchttreppe auf der Südseite des Gebäudes erstellt wird. Das AVA hat bereits in sei- nem Schreiben vom 16. Juni 1998 Hand zu einer solchen Variante geboten (,,Je endständig eine Aussentreppe zusätzlich zur offenen Treppe anordnen"). Die Vorschrift von § 46 Abs. 3 Satz 2 BSV, wel- che den Fluchtweg auf maximal 50 m festsetzt, wenn die Fluchtwege zu mindestens zwei voneinander entfernten Treppenanlagen bzw. Ausgängen ins Freie führen, kann so eingehalten werden; die Flucht- weglänge beträgt unbestrittenermassen 44 m. Der Subsubeventual- antrag kann daher gutgeheissen werden.
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2004 Verwaltungsgericht 186 [...] 48 Ausnützungsziffer (§ 9 Abs. 2 ABauV). - Die Aussenterrasse eines Restaurants ohne Seitenwände und Dach- konstruktion stellt keine anrechenbare Geschossfläche dar. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 6. November 2003 in Sachen H. gegen Baudepartement. Aus den Erwägungen 2. a) Der Beschwerdeführer rügt, dass die geplante Terrasse des Restaurants nicht zur anrechenbaren Bruttogeschossfläche gezählt worden sei. Eine gewerblich genutzte Terrasse, welche 44 Personen Platz biete, könne nicht einfach mit einem Balkon, einem Sitzplatz, einer Dachterrasse oder einer Erdgeschosshalle im Sinne von § 9 Abs. 2 lit. a ABauV verglichen werden. Nur wenn gewerbliche Flächen nicht mit Auswirkungen auf die Umgebung (Arbeitsplätze, Publikumsverkehr) verbunden seien, werde die Bruttogeschossfläche nicht tangiert. Es sei in diesem Zusammenhang irrelevant, ob die Terrasse nur bei guter Witterung benutzt werde und somit lediglich als "Ersatzfläche für diese Zeit" zu verstehen sei. Folglich müsse die Terrasse in die Berechnung der Ausnützungsziffer miteinbezogen werden. Ob der Beschwerdegegnerin für das vorliegende Bauprojekt eine Ausnützungsziffer von 1.0 zur Verfügung stehe, müsse das Verwaltungsgericht prüfen. In der Arealüberbauung sei ein Gartenrestaurant jedenfalls nicht vorgesehen gewesen. In formeller Hinsicht bemängelt der Beschwerdeführer, dass in den 2004 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 187 Baugesuchsunterlagen keine nachvollziehbare Berechnung der Ausnützungsziffer vorhanden sei. b) aa) Die Ausnützungsziffer ist die Verhältniszahl zwischen der anrechenbaren Bruttogeschossfläche und der anrechenbaren Grundstücksfläche (§ 9 Abs. 1 ABauV). Sie ist ein zonenplanerisches Mittel, um im Verein mit anderen namentlich die bauliche Dichte zu begrenzen und ermöglicht so einer Gemeinde, die Intensität der Besiedlung, d.h. die Zahl der Wohnungen und Arbeitsstätten, also praktisch die Grösse der wohnenden und arbeitenden Bevölkerung, bezogen auf eine bestimmte Fläche zu beeinflussen. Abgesehen von soziologischen und wirtschaftlichen Aspekten dient diese Beschränkung zunächst vorwiegend polizeilichen Zielen (Erhaltung von Licht, Luft, Sonne, in gewissem Sinne auch der Gewährleistung der Wohnhygiene). Ferner erlaubt es die Ausnützungsziffer, die Fol- gewirkungen der privaten Bautätigkeit für die Öffentlichkeit zu be- einflussen: Sie ist ein Mass für die Belastung der Infrastruktur (Art, Distanz bzw. Länge und Auslastung der Anlagen) sowie der Umwelt (Immissionen, Orts- und Landschaftsbild usw.). Städtebauliche Be- deutung hat die Ausnützungsziffer, indem sie es erleichtert, Nut- zungsdifferenzierungen (Wohnanteile, Begrünungsanteile) zu um- schreiben, und die Zonenplanung befähigt, durch eine Differenz zwi- schen grosszügigeren Abstandsvorschriften und anderen linearen Gebäudebegrenzungen einerseits und einer restriktiveren Ausnüt- zungsziffer anderseits einen Gestaltungsspielraum des privaten Bau- herrn in der Bestimmung des Baukörpers zu eröffnen und so zu einer insoweit differenzierten Überbauung zu gelangen (siehe AGVE 1979, S. 243 f. mit Hinweisen). Diese Grundsätze haben auch heute noch Gültigkeit (siehe Walter Haller / Peter Karlen, Raumplanungs-, Bau- und Umweltrecht, Band I, 3. Auflage, Zürich 1999, Rz. 619, 625 f.). bb) Als anrechenbare Bruttogeschossfläche gilt die Summe aller ober- und unterirdischen Geschossflächen , einschliesslich der Mauer- und Wandquerschnitte (§ 9 Abs. 2 ABauV). Grundlegende Voraussetzung für die Anrechenbarkeit einer Fläche ist also deren Qualifikation als Geschossfläche. Als Geschossflächen gelten dabei ungeachtet ihrer Nutzung alle unter- oder oberirdischen Innenräume 2004 Verwaltungsgericht 188 eines Gebäudes einschliesslich der Mauer- und Wandquerschnitte sowie die zum Gebäude gehörenden Aussenräume. Der Zweckbe- stimmung der Ausnützungsziffer entsprechend (Steuerung der bauli- chen Dichte, Wahrung polizeilicher Interessen, Durchsetzung städte- baulicher Anliegen; siehe vorne Erw. aa), sind nur jene Aussenräume zu berücksichtigen, die sich innerhalb der Gebäudehülle befinden. Hierzu zählen beispielsweise Erdgeschosshallen, überdeckte Sitzplätze, Balkone oder Dachterrassen. Handelt es sich demgegen- über wie im vorliegenden Fall um eine Terrasse ausserhalb des Bau- körpers, ohne eigene Seitenwände und Dachkonstruktion (d.h. ohne jeden Gebäudecharakter), liegt keine Geschossfläche im Sinne von § 9 Abs. 2 ABauV, sondern ein nicht anrechenbarer Aussenraum vor, den der Bauherr im Rahmen der Zonenvorschriften beispielsweise als Autoabstellplatz, Terrasse oder Grünfläche beliebig nutzen kann. Somit fällt die Fläche der Terrasse des Restaurants bei der Berech- nung der anrechenbaren Bruttogeschossfläche von Vornherein ausser Betracht. Weil auch die Verschiebung der Autoabstellplätze und Velounterstände sowie der Teilabbruch des Ladenvorbaus nicht aus- nützungsrelevant sind bzw. nicht zu einer Erhöhung der anrechenba- ren Bruttogeschossfläche führen, hat das hier zu beurteilende Bau- vorhaben keinerlei Einfluss auf die Ausnützungsziffer. Die Be- schwerdegegnerin war daher auch nicht verpflichtet, ihrem Bauge- such eine Ausnützungsberechnung beizulegen.
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2002 Submissionen 321 [...] 78 Bekanntgabe von Subkriterien. - Die Vergabebehörden sind nach der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts nicht verpflichtet, im Voraus bekanntzugeben, wie sie die Zuschlagskriterien im Einzelnen zu bewerten gedenken (Erw. 2/a/bb). - Die nachträgliche Unterteilung der Zuschlagskriterien in Subkriterien stellt lediglich ein Hilfsmittel für eine differenzierte Bewertung dar; die einzelnen Subkriterien müssen sich einem in der Ausschreibung ausdrücklich aufgeführten Zuschlagskriterium zuordnen lassen bzw. davon mitumfasst werden (Erw. 2/a/bb). - Frage einer Praxisänderung im Hinblick auf die neuere bundesge- richtliche Rechtsprechung offen gelassen (Erw. 2/a/bb). 2002 Verwaltungsgericht 322 Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 15. August 2002 in Sachen A. AG gegen Baudepartement. Aus den Erwägungen 2. a) aa) In Ziffer 8 der öffentlichen Ausschreibung wurden als massgebende Zuschlagskriterien mit ihrer jeweiligen Gewichtung genannt: Kompetenz 40% Preis 40% Termin 20% In den Ausschreibungsunterlagen wurde darauf hingewiesen, dass die einzelnen Kriterien anhand von Teilkriterien bewertet wür- den. Für die Bewertung wurden die Zuschlagskriterien wie folgt in (ebenfalls gewichtete) Teilkriterien und Teilaspekte unterteilt: [Ta- bellarische Übersicht über die Zuschlagskriterien, Teilkriterien und Teilaspekte]. bb) Die Vergabebehörden sind nach der bisherigen Rechtspre- chung des Verwaltungsgerichts grundsätzlich nicht verpflichtet, zum Voraus bekannt zu geben, wie sie die Zuschlagskriterien im Ein- zelnen zu bewerten gedenken. Die nachträgliche Unterteilung der Zuschlagskriterien in Sub- oder Teilkriterien stellt wie eine Bewer- tungsmatrix lediglich ein Hilfsmittel für eine differenzierte Bewer- tung dar. Die einzelnen Subkriterien müssen sich gemäss Verwal- tungsgericht allerdings einem in der Ausschreibung ausdrücklich aufgeführten Zuschlagskriterium zuordnen lassen bzw. davon mitum- fasst werden. Es dürfen hierbei nicht etwa neue Zuschlagskriterien geschaffen oder herangezogen werden. Weiter dürfen die Anbieter darauf vertrauen, dass die Vergabestelle die üblichen Zuschlagskrite- rien - wie sie auch in § 18 Abs. 2 SubmD genannt sind - im her- kömmlichen Sinn versteht. Andernfalls müssen sie in den Aus- schreibungsunterlagen möglichst detailliert umschrieben werden, damit die Anbieter erkennen können, welchen Anforderungen sie 2002 Submissionen 323 bzw. ihre Angebote genügen müssen (VGE III/82 vom 9. August 2001 [BE.2001.00206] in Sachen Z. AG, S. 9 f. mit Hinweisen). Die Verwaltungsgerichte anderer Kantone gehen zum Teil we- sentlich weiter, indem auch die Angabe allfälliger Subkriterien und die Bekanntgabe der Bewertungsmatrix in den Ausschreibungsunter- lagen verlangt wird (Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 25. August 2000, in: LGVE 2000 II Nr. 13 E. 5c; Ent- scheid des Obergerichts des Kantons Uri vom 5. Mai 1999, in: Rechenschaftsbericht über die Rechtspflege des Kantons Uri in den Jahren 1998 und 1999 Nr. 28 E. 6a mit weiteren Hinweisen; vgl. auch Matthias Hauser, Zuschlagskriterien im Submissionsrecht, in: AJP 2001, S. 1410 mit Hinweisen). Das Bundesgericht hat zu dieser Problematik in einem Urteil vom 24. August 2001 (2P.299/2000) in Sachen B., S. 5 Folgendes ausgeführt: "Es ist in Lehre und Praxis anerkannt, dass die Vergabebehörde nach dem Transparenzgebot nicht nur dazu verpflichtet ist, die entscheiden- den Zuschlagskriterien zu nennen, sondern bei der Ausschreibung zu- dem die Massgeblichkeit der einzelnen Zuschlagskriterien nach ihrer Priorität, d.h. deren relative Gewichtung, bekannt zu geben (BGE 125 II 86 E. 7c S. 101 ff., mit zahlreichen Hinweisen auf die Lehre). Es ist nicht notwendig, hier näher auf die Frage einzugehen, in welcher Form die relative Gewichtung bekannt zu geben ist. Aus dem Trans- parenzgebot ergeben sich zumindest folgende zwei Regeln, die für den vorliegenden Fall massgeblich sind: Wenn die Behörde für eine bestimmte auszuschreibende Arbeit schon konkret Unterkriterien auf- gestellt und ein Schema mit festen prozentualen Gewichtungen fest- gelegt [Hervorhebung beigefügt] hat, was für standardisierte Dienst- leistungen wie Vermessungsarbeiten leicht möglich erscheint, und wenn sie für die Bewertung der Offerten grundsätzlich auch darauf abzustellen gedenkt, muss sie dies den Bewerbern zum Voraus be- kannt geben. Es ist ihr sodann verwehrt, derart bekannt zu gebende Kriterien nach erfolgter Ausschreibung, insbesondere nach Eingang der Angebote, noch wesentlich abzuändern (BGE 125 II 86 E. 7c S. 102), so beispielsweise die festgelegten Prozentsätze nachträglich zu verschieben." 2002 Verwaltungsgericht 324 Ob das Verwaltungsgericht angesichts dieser Rechtsprechung des Bundesgerichts, die sich vorab auf den allgemein gültigen Trans- parenzgrundsatz stützt, auch zukünftig noch an seiner derzeitigen Praxis, wonach die Subkriterien nicht im Voraus bekannt gegeben werden müssten, festhalten kann, erscheint fraglich, braucht im vor- liegenden Fall aber nicht entschieden zu werden, da die Beschwer- deführerin weder die Auswahl noch die Gewichtung der Zuschlags- kriterien und der Teilkriterien in irgend einer Weise beanstandet, sondern ausschliesslich ihre eigene Bewertung als nicht richtig er- folgt rügt. Immerhin ist zur Auswahl und Gewichtung der Kriterien gene- rell zu bemerken, dass das in den Ausschreibungsunterlagen im vor- liegenden Fall - anders als z.B. in VGE III/33 vom 30. April 2002 (BE.2002.00041) in Sachen ARGE Argovia A1 Baregg West - nicht näher umschriebene Zuschlagskriterium "Kompetenz" sehr allge- mein gehalten und inhaltlich wenig bestimmt ist. Insbesondere müs- sen die Anbieter gemeinhin nicht erwarten, dass unter der "Kompe- tenz" auch Umweltaspekte beurteilt werden (erwähnter VGE in Sa- chen ARGE Argovia A1 Baregg West, S. 27, 74). Sodann vermag auch die Berücksichtigung der Lehrlingsausbildung als Teilaspekt des Subkriteriums Schlüsselpersonal nicht zu überzeugen, gehören die Lehrlinge nach herkömmlicher Auffassung doch gerade nicht zum Schlüsselpersonal (erwähnter VGE in Sachen Z. AG, S. 10). Sowohl bei den Umweltaspekten als auch bei der Lehrlingsausbil- dung handelt es sich um vergabefremde Zuschlagskriterien, die in § 18 Abs. 2 SubmD aber ausdrücklich erwähnt und daher grundsätz- lich zulässig sind. Der Grundsatz der Transparenz gebietet es aller- dings, dass solche Zuschlagskriterien mitsamt ihrer Gewichtung in der öffentlichen Ausschreibung (oder den Ausschreibungsunterlagen) aufgeführt werden, wenn die Vergabebehörde sie berücksichtigen will (erwähnter VGE in Sachen Z. AG, S. 10 f.). Wieso im vor- liegenden Fall insbesondere die Umweltverträglichkeit nicht als ei- genes Zuschlagskriterium festgelegt wurde, ist schon deshalb wenig einleuchtend, weil die Vergabestelle in der Vernehmlassung betont, es seien besondere Anforderungen an den Umweltschutz und den naturnahen Wasserbau gestellt.
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2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 260 [...] 46 Einteilung der Jagdreviere; Begründungspflicht - Die Einteilung der Jagdreviere erfolgt unter Berücksichtigung jagd- licher und wildbiologischer Kriterien (§ 3 Abs. 1 AJSG). - Eine von der Empfehlung der Fachstelle abweichende Jagdrevierein- teilung bedarf einer eingehenden Begründung. Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 4. Oktober 2017, i.S. Jagdgesellschaft A. gegen Regierungsrat (WBE.2017.254) Aus den Erwägungen 1. 1.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des rechtlichen Ge- hörs, mitunter der Begründungspflicht. Die Vorinstanz weiche in nicht nachvollziehbarer und widersprüchlicher Weise vom Vorschlag der Fachstelle ab. 1.2. Die Vorinstanz begründete ihren Entscheid wie folgt: Der von der Fachstelle vorgeschlagene Zusammenschluss der Jagdreviere Nr. 153 (Magden-West), Nr. 158 (Olsberg-Nord) und Nr. 162 (Rhein- felden-West) mache jagdlich und wildbiologisch Sinn. Er entspreche den in § 3 Abs. 1 AJSG vorgegebenen Kriterien. Aufgrund des Widerstands der Jagdgesellschaft B. und der Gemeinde C. und des alternativen Vorschlags der Jagdgesellschaft B. werde ( indessen ) das Jagdrevier Nr. 153 (Magden-West) mit dem von der Jagdgesellschaft B. vorgeschlagenen Jagdrevier Nr. 161 (Rheinfelden-Süd) zusam- mengeschlossen. 1.3. 2017 Verwaltungsrechtspflege 261 Gemäss § 26 Abs. 2 VRPG sind Entscheide grundsätzlich schriftlich zu begründen. Die Begründungspflicht folgt aus dem An- spruch auf rechtliches Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 BV. Die Begrün- dung eines Entscheids entspricht den diesbezüglichen Anforde- rungen, wenn die Betroffenen dadurch in die Lage versetzt werden, die Tragweite der Entscheidung zu beurteilen und sie in voller Kenntnis der Umstände an eine höhere Instanz weiterzuziehen. Die Behörde ist aber nicht verpflichtet, sich zu allen Rechtsvorbringen der Parteien zu äussern. Vielmehr kann sie sich auf die für den Ent- scheid wesentlichen Gesichtspunkte beschränken. Es genügt, wenn ersichtlich ist, von welchen Überlegungen sich die Behörde leiten liess (U LRICH H ÄFELIN /G EORG M ÜLLER /F ELIX U HLMANN , Allge- meines Verwaltungsrecht, 7. Auflage, Zürich/St. Gallen 2016, Rz. 1071; K ASPAR P LÜSS , in: A LAIN G RIFFEL [Hrsg.], Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 3. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2014, § 10 N 25). An die Begründungspflicht werden höhere Anforderungen ge- stellt, je weiter der den Behörden durch die anwendbaren Normen er- öffnete Entscheidungsspielraum und je komplexer die Sach- und Rechtslage ist (vgl. H ÄFELIN /M ÜLLER /U HLMANN , a.a.O., Rz. 1072; G EROLD S TEINMANN , in: B ERNHARD E HRENZELLER /B ENJAMIN S CHINDLER /R AINER J. S CHWEIZER /K LAUS A. V ALLENDER [Hrsg.], Die schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, 3. Auflage, 2014, Art. 29 N 49). Mit der Pflicht zur Offenlegung der Entscheidungsgründe kann insbesondere verhindert werden, dass sich die Behörde von unsachgemässen Motiven leiten lässt (vgl. A LFRED K ÖLZ /I SABELLE H ÄNER /M ARTIN B ERTSCHI , Verwaltungs- verfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 3. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2013, Rz. 629; F ELIX U HLMANN , Das Willkürverbot [Art. 9 BV], Bern 2005, Rz. 366 ff.). 1.4. Die Abteilung Wald teilte im Gespräch vom 24. August 2016 der Jagdgesellschaft B. sowie dem Gemeinderat C. mit, aufgrund der jagdlichen und wildbiologischen Situation bzw. der zusammen- hängenden Lebensräume sehe sie die Zusammenlegung der Jagdre- viere Nrn. 153 (Magden-West), 158 (Olsberg-Nord) und 162 (Rhein- 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 262 felden-West) vor. An dieser Absicht wurde im Schreiben vom 10. Januar 2017 an die Jagdgesellschaft B. festgehalten. Die Vorin- stanz erwog ebenfalls, dass dieser Vorschlag jagdlich und wildbiolo- gisch sinnvoll sei. Dennoch wich sie davon ab und ordnete den Zu- sammenschluss der Reviere Nrn. 153 (Magden-West) und 161 (Rheinfelden-Süd) an. Die diesbezügliche Begründung, welche sich darauf beschränkt, pauschal auf "Widerstand" einer betroffenen Jagdgesellschaft und einer Gemeinde zu verweisen, ist offensichtlich nicht ausreichend. Dies gilt umso mehr, als es einer (triftigen) Begründung bedarf, wenn von Auskünften und Empfehlungen einer Fachstelle abgewichen wird (vgl. K ÖLZ /H ÄNER /B ERTSCHI , a.a.O., Rz. 485). Demgegenüber geht aus dem angefochtenen Entscheid nicht hervor, aus welchen sachlichen Überlegungen vom Vorschlag der Fachstelle Abstand genommen wurde. Insbesondere wird nicht aufgezeigt, ob der verfügte Zusammenschluss der Reviere Nrn. 153 und 161 jagdlichen und wildbiologischen Kriterien (vgl. § 3 Abs. 1 AJSG) entspricht bzw. welche Variante diesbezüglich die bessere ist. Die Gründe, weshalb sich eine Jagdgesellschaft und eine Gemeinde gegen die ursprünglich vorgesehene Lösung wehrten, werden im angefochtenen Entscheid mit keinem Wort erwähnt. Schliesslich wird auf den "alternativen Vorschlag" der Jagdgesellschaft B. hinge- wiesen, ohne dass auf dessen Inhalt eingegangen wird. Insgesamt vermag der Entscheid der Vorinstanz den Anforderungen an die Be- gründungpflicht klarerweise nicht zu genügen. 1.5. Eine Heilung des Gehörsmangels, wie sie die Rechtsprechung zulässt, wenn die unterlassene Begründung in einem Rechts- mittelverfahren nachgeholt wird, das eine Prüfung im gleichen Umfang wie durch die Vorinstanz erlaubt, ist vorliegend ausgeschlos- sen (vgl. H ÄFELIN /M ÜLLER /U HLMANN , a.a.O., Rz. 1174 ff.; K ÖLZ /H ÄNER /B ERTSCHI , a.a.O., Rz. 548). Einerseits handelt es sich um eine schwerwiegende Verletzung des Gehörsanspruchs und anderseits kann das Verwaltungsgericht, welches lediglich eine Rechts- und Sachverhaltskontrolle vornimmt (vgl. § 55 Abs. 1 VRPG), nicht gewissermassen anstelle der verfügenden Behörde de- ren Entscheid begründen. 2017 Verwaltungsrechtspflege 263 Damit ist der angefochtene Beschluss aus formellen Gründen aufzuheben. Ein Entscheid in der Sache durch das Verwaltungsge- richt ist ausgeschlossen, weshalb die Angelegenheit zum Erlass eines hinreichend begründeten Entscheids an die Vorinstanz zurückzuwei- sen ist (vgl. § 49 VRPG). Beweismittel sind bei diesem Ergebnis nicht zu erheben. 2. Zusammenfassend erweist sich die Beschwerde als begründet. Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben und die Angelegenheit zum Erlass eines genügend motivierten Entscheids an den Regierungsrat zurückzuweisen. Beim Erlass ihres Entscheids wird die Vorinstanz ihre Ent- scheidgrundlagen offenzulegen haben. Will sie an ihrem Entscheid festhalten, wird sie zur Begründung des Revierzusammenschlusses wesentlich auf jagdliche und wildbiologische Kriterien (§ 3 Abs. 1 AJSG) abzustellen haben. Diese können insbesondere anhand der topographischen Verhältnisse, Landschaftskammern und Waldgebiete aufgezeigt werden (vgl. dazu das Schreiben der Abteilung Wald, wo Mindestgrösse, Reviergrenzen, Bejagbarkeit, Lebensraumnutzung und Schutzgebiete als Kriterien genannt werden). Wie ausgeführt, ist eine von der Empfehlung der Fachstelle abweichende Entscheidung eingehender zu begründen. Der erwähnte "Widerstand" einer be- troffenen Gemeinde und Jagdgesellschaft ist konkretisierungsbe- dürftig und kann mit Blick auf das Anhörungsrecht bei der Revier- einteilung (§ 3 Abs. 2 AJSG) bzw. im Hinblick auf die Mitbestim- mung bei der künftigen Pachtvergabe (§ 4 Abs. 2 AJSG) Berücksich- tigung finden.
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2003 Registerrecht 301 IX. Registerrecht 72 Kognitionsbefugnis des Handelsregisteramtes. - Die Prüfungsbefugnis des Handelsregisterführers ist beschränkt. Selbst wenn er auf die Möglichkeit eines ungerechtfertigten Eintrags aufmerksam gemacht wird, hat er bloss auf die Einhaltung jener zwingenden Gesetzesbestimmungen zu achten, die im öffentlichen Interesse oder zum Schutz Dritter aufgestellt sind. - Weder das OR noch die HRegV verlangen einen besonderen Beschluss des Verwaltungsrates über die Anmeldung einer Zeichnungsberech- tigung beim Handelsregisteramt. Vielmehr genügt für die Anmeldung schon eine durch alle Mitglieder des Verwaltungsrates unterzeichnete Handelsregisteranmeldung. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 16. Mai 2003 in Sachen T. gegen das Departement des Innern. Publiziert im Jahrbuch des Handelsregisters 2003.
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2017 Bau-,Raumentwicklungs-undUmweltschutzrecht 163 [...] 30 Inanspruchnahme von Grund und Boden durch Fernmeldeeinrichtungen In Fahrbahnschächten platzierte Geräte, welche die optischen Signale aus Glasfaserkabeln in ein elektromagnetisches Signal für die Weitergabe an Kupferkabel umwandeln (sog. optisch-elektrische Umwandler), bilden 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 164 Leitungsbestandteil im Sinne von Art. 35 Abs. 1 FMG. Demnach sind die- se Geräte bzw. deren Platzierung in Fahrbahnschächten zu bewilligen, so- fern der Gemeingebrauch der Strasse durch den Einbau und den an- schliessenden Betrieb nicht beeinträchtigt wird. Das Bundesrecht regelt die Bewilligungsvoraussetzungen im Anwendungsbereich von Art. 35 Abs. 1 FMG abschliessend. Für abweichendes kantonales Recht bleibt kein Raum. Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 7. April 2017, i.S. A. AG gegen Regierungsrat (WBE.2016.424) Aus den Erwägungen 1. Die Beschwerdeführerin hat sich zum Ziel gesetzt, bis Ende 2020 bzw. bis Ende 2023 85 % bzw. 95 % der Schweizer Bevölke- rung mit Ultrabreitband zu erschliessen. Zu diesem Zweck bedient sie sich Glasfasertechnologien unterschiedlicher Ausbaustufen. Der Vollausbau bis in die Wohnung der Kunden ("Fiber to the home" [FTTH]), ist die teuerste Variante, die vor allem in den Städten, in Kooperation mit lokalen Betreibern oder Energieversorgungsunter- nehmen angewandt wird. Die Technologie "Fiber to the building" (FTTB), bei welcher die Glasfaserkabel bis zum Hausanschlusskas- ten im Gebäude gezogen werden, findet vor allem bei Mehrfamilien- häusern mit mehr als 12 Wohnungen Anwendung. Die Technologie "Fiber to the Street" (FTTS) schliesslich beinhaltet, dass bis zu einem Schacht in der Strasse, der sich nicht mehr als 200 m von den Kunden entfernt befindet, Glasfaserkabel verlegt werden, während die Hausanschlüsse weiterhin aus Kupferleitungen bestehen. Die Verbindung zwischen Glasfaserkabel und Kupferleitung geschieht über einen sog. optisch-elektrischen Umwandler (MicroCAN [nach- folgend: μCAN]), der das optische Signal aus den Glasfaserkabeln in ein elektromagnetisches Signal umwandelt. Für die Platzierung die- ser μCANs sind vorbestehende Infrastrukturelemente, u.a. mit Erd- reich und Betonabdeckplatten überdeckte, bisher für die Spleissung 2017 Bau-,Raumentwicklungs-undUmweltschutzrecht 165 der Kupferkabel des Stamm- oder Feederkabels mit dem Drop- oder Verteilnetz verwendete Plattenschächte (PS) im Strassenraum vorge- sehen. Um die Zugänglichkeit zu den μCANs zu erleichtern, möchte die Beschwerdeführerin die Plattenschächte bis auf das Fahr- bahnniveau anheben und dann mit verschraubten, ebenerdigen, recht- eckigen Schachtdeckeln mit einem Ausmass von 0,85 x 1,86 m ver- schliessen. Auf diese Weise wäre gewährleistet, dass nicht bei jedem Zugriff auf die Leitungen oder die dazugehörigen Ausrüstungs- elemente der Strassenbelag mittels Grabarbeiten aufgebrochen wer- den muss. Die Schachtdeckel würden ihrerseits von einem Beton- kranz von 1,4 m oder 1,9 m Breite und 1,9 m oder 2,4 m Länge um- fasst. Nach dem beschriebenen Umbau wird die gesamte Konstruk- tion als Kleineinstiegsschacht (KES) bezeichnet. Aufgrund seiner be- schränkten Höhe (1,1 bis 1,3 m) kann in einem KES nur bei offenem Schachtdeckel gearbeitet werden; dies im Gegensatz zum begeh- baren Einstiegsschacht (ES) mit einer lichten Höhe von in der Regel mindestens 1,8 m, in den durch eine runde Deckelöffnung mit einem Durchmesser von 60 cm hineingestiegen wird. In B. hat die Beschwerdeführerin vier sich in der Kantonsstras- se (...) befindliche Plattenschächte ohne Wissen und Zustimmung der kantonalen Behörden zu KES umgebaut. Die μCANs sind derzeit noch nicht installiert. Zwei der umgebauten Schächte sind im Geh- wegbereich situiert, die anderen beiden im Fahrbahnbereich. Die Ab- teilung Tiefbau des BVU befürchtet, dass sich die Letzteren nachtei- lig auf den Verkehrsfluss, die Verkehrssicherheit und die Lärment- wicklung auswirken. Diese Befürchtung deckt sich mit dem Inhalt eines Schreibens der Konferenz der Kantonsingenieure an die Anbie- terinnen von Fernmeldediensten vom 27. Januar 2015, wonach gross- flächige Abdeckungen von Plattenschächten in Fahrbahnen aus den genannten Gründen abgelehnt werden. Infolgedessen hat die Abteilung Tiefbau die Beschwerdeführe- rin zur Einreichung eines nachträglichen Gesuchs für den Umbau des bei der Einmündung des C.-Wegs in die D.-Strasse (...) situierten Schachts aufgefordert und die Erteilung der Bewilligung anschlies- send verweigert. Als Alternative zum Rückbau sieht die Verfügung der Abteilung Tiefbau den Umbau zu einem Einstiegsschacht mit 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 166 runder Abdeckung oder die Verlegung des KES in den Gehwegbe- reich vor. (...) 2. 2.1. Geht es um den Bau und Betrieb von Leitungen für Fernmelde- dienste unter Inanspruchnahme von Boden im Gemeingebrauch (wie Strassen, Fusswege, öffentliche Plätze, Flüsse, Seen sowie Ufer), be- urteilen sich die Bewilligungsvoraussetzungen abschliessend nach Bundesrecht, nämlich nach Art. 35 FMG; für die Anwendung (wider- sprechenden) kantonalen Rechts, insbesondere der §§ 103 ff. BauG, bleibt in diesem Fall kein Raum (M ARKUS R ÜSSLI , Nutzung öffentli- cher Sachen für die Verlegung von Leitungen, in: ZBl 102/2001, S. 360; J ÜRG R UF , Infrastrukturbauten [§ 21], in: P ETER M ÜNCH /P E - TER K ARLEN /T HOMAS G EISER [Hrsg.], Handbücher für die Anwalts- praxis IV, Beraten und Prozessieren in Bausachen, Basel/Genf/München 1998, S. 918 f.). Die gegenteilige Auffassung der Vorinstanz, wonach die §§ 103 ff. BauG anstelle von Art. 35 FMG anwendbar seien, wenn eine Strasse (durch die Verlegung von Leitungen) in einem über den Gemeingebrauch hinausgehenden Mass beansprucht werde, kann nicht geteilt werden. Die Inanspruch- nahme von Boden im Gemeingebrauch für den Bau und Betrieb von Leitungen für Fernmeldedienste stellt regelmässig einen gesteigerten Gemeingebrauch bzw. sogar eine Sondernutzung dar (vgl. § 47 Abs. 1 lit. a BauV; R ÜSSLI , a.a.O., S. 359 f.; H ANS R UDOLF T RÜEB /S AMUEL K LAUS , Telekommunikationswegerechte in der Schweiz, in: T HOMAS H OEREN [Hrsg.], Handbuch Wegerechte und Telekommunikation, München 2007, S. 403, Rz. 16). Ohne gestei- gerten Gemeingebrauch / Sondernutzung bestünde keine Bewilli- gungspflicht. Bei der Bewilligung zur Benutzung von Boden im Ge- meingebrauch zur Verlegung von Leitungen für Fernmeldedienste handelt es sich wie bei der Bewilligung zum gesteigerten Gemeinge- brauch um eine Bewilligung sui generis. Sie dient insbesondere der Koordination der verschiedenen Aktivitäten auf öffentlichem Grund und Boden. Im Unterschied zur Bewilligung zum gesteigerten Ge- meingebrauch und zur Sondernutzungskonzession besteht Anspruch 2017 Bau-,Raumentwicklungs-undUmweltschutzrecht 167 auf Erteilung der Bewilligung. Insoweit deckt sich diese Bewilligung mit der Polizeierlaubnis, bei der man ebenfalls einen Rechtsanspruch auf Erteilung besitzt, wenn die gesetzlich festgelegten Voraussetzun- gen erfüllt sind (R ÜSSLI , a.a.O., S. 360). Die Vorinstanz liegt demnach falsch mit ihrer Auffassung, es spiele keine Rolle, ob die sog. μCANs Leitungsbestandteil sind oder nicht. Bilden die μCANs (zusammen mit den Schächten, in die sie eingebaut werden sollen) Leitungsbestandteil, ist für die Bewilli- gungsfähigkeit allein Art. 35 FMG massgebend. Dieser besagt, dass die Eigentümerinnen und Eigentümer von Boden im Gemeinge- brauch verpflichtet sind, den Anbieterinnen von Fernmeldediensten die Benutzung dieses Bodens für den Bau und Betrieb von Leitungen und öffentlichen Sprechstellen zu bewilligen, sofern diese Einrich- tungen den Gemeingebrauch nicht beeinträchtigen (Abs. 1). Falls also die von der Beschwerdeführerin zu KES umgebauten Schächte im Fahrbahnbereich und die darin installierten μCANs den Gemein- gebrauch einer Strasse nicht beeinträchtigen, müsste die Bewilligung gemäss Art. 35 Abs. 1 FMG erteilt werden (T RÜEB /K LAUS , a.a.O., S. 404, Rz. 20). Eine Anwendung von § 103 Abs. 2 BauG (Bedürf- nisnachweis; keine schwerwiegende Nachteile für die Strasse und den Verkehr) wäre wegen der derogatorischen Kraft des Bundes- rechts (Art. 49 Abs. 1 BV) ausgeschlossen. 2.2. Die Vorinstanz erwog, der Wortlaut von Art. 35 Abs. 1 FMG be- ziehe sich lediglich auf "Leitungen". Geräte und andere zur fernmel- detechnischen Übertragung von Informationen bestimmte Einrich- tungen, die zusammen mit den Leitungen unter den Oberbegriff der "Fernmeldeanlagen" fielen (Art. 3 lit. d FMG), würden darin nicht erwähnt. Aus dem Wortlaut von Art. 35 Abs. 1 FMG könnte man da- her schliessen, dass diese Bestimmung nicht für die Installation von μCANs (in zu KES umgebauten Schächten) gelte. Eine solche Wort- lautauslegung würde jedoch zu kurz greifen; denn beim Erlass der Norm sei diese Technik dem Gesetzgeber noch nicht bekannt gewe- sen. Da der Gesetzeswortlaut den aktuellen technischen Entwicklun- gen (allenfalls) nicht entspreche, sei im Rahmen einer teleologischen Auslegung nach dem Sinn und Zweck von Art. 35 Abs. 1 FMG zu 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 168 fragen. In diesem Zusammenhang falle auf, dass bei der Gesetzesrevision vom 24. März 2006 darauf verzichtet worden sei, den Geltungsbereich von Art. 35 Abs. 1 FMG explizit auf den da- mals neu eingeführten Begriff "Kabelkanalisationen" (Art. 3 lit. e ter FMG) auszudehnen. Es könne jedoch ausgeschlossen werden, dass der Gesetzgeber nur Leitungen, nicht aber unterirdische Rohre für den Einzug von Leitungen (Kabelkanalisationen) von der Regelung in Art. 35 Abs. 1 FMG habe profitieren lassen wollen. Der Gesetzge- ber habe wohl bewusst darauf verzichtet, in Art. 35 Abs. 1 FMG ne- ben den Leitungen auch alle anderen Einrichtungen zu erwähnen, welche für den Bau und Betrieb von Leitungen benötigt würden, weil er es als selbstverständlich erachtet habe, dass dafür ebenfalls Boden im Gemeingebrauch in Anspruch genommen werden dürfe. Niemand zweifle beispielsweise daran, dass die in Art. 35 Abs. 1 FMG eben- falls nicht explizit genannten Zugangsschächte, die für den Bau und Betrieb von Leitungen benötigt würden, in öffentlichen Strassen in- stalliert werden dürften, sofern sie den Gemeingebrauch nicht beein- trächtigten. Ob in öffentlichen Strassen bestehende Plattenschächte in KES mit Flächenabdeckung umgebaut und neue Zugangsschächte mit grossflächiger Abdeckung auf Fahrbahnniveau erstellt werden dürften, und ob die Installation von μCANs in solchen Schächten be- willigungsfähig sei, hänge also davon ab, ob diese Massnahmen für den Bau und Betrieb von Leitungen erforderlich seien und den Ge- meingebrauch nicht beeinträchtigten. In der Folge äusserte sich die Vorinstanz nicht eindeutig zur Frage, ob μCANs aus ihrer Sicht von Art. 35 Abs. 1 FMG erfasste Leitungsbestandteile sind. Zum einen stellte sie fest, dass μCANs zu- sammen mit den dafür erforderlichen Zugangsschächten grundsätz- lich als technisch notwendige und damit von der Regelung in Art. 35 Abs. 1 FMG profitierende Leitungsbestandteile zu betrachten seien. Relativierend fügte sie jedoch an, dass am Ende von vieladrigen Sammelleitungen, wo nur noch einzelne Kupferkabel zu den einzel- nen Abonnenten geführt würden, eher von Quartierverteilgeräten auszugehen sei, deren Platzierung am Strassenrand oder auch ausser- halb der Strassenparzelle zumutbar sei. 2017 Bau-,Raumentwicklungs-undUmweltschutzrecht 169 2.3. 2.3.1. Diese Differenzierung ist weder hinreichend klar noch vermag sie zu überzeugen. Entweder man gesteht den μCANs als technische Verbindungselemente zwischen Glasfaserkabeln und Kupferleitun- gen den Charakter als Leitungsbestandteil zu und wendet konsequent Art. 35 Abs. 1 FMG mit den darin formulierten Bewilligungsvoraus- setzungen an, oder man behandelt die μCANs nicht als Leitungsbe- standteil im Sinne von Art. 35 Abs. 1 FMG und bewilligt sie nach Massgabe des kantonalen Rechts. In den Erwägungen 2.4 und 2.5 des angefochtenen Entscheids wird zum Teil nicht sauber zwischen der Frage nach dem sachlichen Geltungsbereich von Art. 35 FMG und den dort statuierten Bewilligungsvoraussetzungen getrennt. 2.3.2. Mit der Beschwerdeführerin ist davon auszugehen, dass der Be- griff der "Leitung" im Sinne von Art. 35 FMG in einem weiten Sinne zu verstehen ist, mithin nicht eng ausgelegt werden darf. Mit der Re- gelung in Art. 35 FMG wird nämlich bezweckt, Behinderungen des Netzausbaus durch kantonale und kommunale Partikularitäten zu verhindern. Der Weiterausbau des Telekommunikationsnetzes wird in der Botschaft des Bundesrates zum revidierten Fernmeldegesetz vom 10. Juni 1996 (in: BBl 1996 III, S. 1405 ff.) als im Gesamtinte- resse liegendes Ziel definiert, das weiter vorangetrieben werden soll (S. 1438). Es liegt auf der Hand, dass der Netzausbau nicht - wie be- absichtigt - vorangetrieben werden kann, wenn nur die Leitungen als solche, nicht aber dazugehörige Einrichtungen/Geräte wie Wartungs- schächte oder Verbindungselemente zwischen Glasfaser- und Kup- ferleitungen unter den Leitungsbegriff des Art. 35 Abs. 1 FMG fal- len. Das würde zu dem von der Beschwerdeführerin auf S. 10 ihrer Verwaltungsgerichtsbeschwerde skizzierten unhaltbaren Zustand füh- ren, dass die Kabel selber im Boden im Gemeingebrauch verlegt werden dürfen, während die für die Verbindung von Glasfaser- und Kupferkabeln unabdingbaren μCANs unter Umständen ausserhalb des Bodens im Gemeingebrauch installiert werden müssten. Der Lei- tungsbau würde auf diese Weise erheblich erschwert, wenn nicht gar verunmöglicht, was dem Sinn und Zweck von Art. 35 FMG eindeutig 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 170 zuwiderläuft. Demnach ist auf einen funktionalen Leitungsbegriff ab- zustellen, der all diejenigen Anlageteile umfasst, die für die Über- mittlung der Signale auf dem Glasfaser- und Kupferkabelnetz der Fernmeldedienstanbieterinnen benötigt werden. Entsprechend schrieb der Bundesrat in einer Stellungnahme vom 14. Juni 2002 auf eine parlamentarische Interpellation von Na- tionalrat Yves Christen vom 22. März 2002, der Ausdruck "Leitun- gen" im Sinne von Art. 35 FMG sei grosszügig zu interpretieren und umfasse alles, was in technischer Hinsicht einen unentbehrlichen, in- tegrierenden Bestandteil einer Leitung darstelle, insbesondere ein- schliesslich der Kabelschächte, der Entwässerungskanäle und der Lüftungsanlagen (Interpellation Nr. 02.3162 vom 22. März 2002, einsehbar auf www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/ge- schaeft?/AffairID= 20023162). Auch in der Lehre wird ein gleicher- massen weit zu verstehender Leitungsbegriff postuliert (P IERRE - Y VES G UNTER , Les infrastructures, in: R OLF H. W EBER [Hrsg.], Neues Fernmelderecht - Erste Orientierung, Zürich 1998, S. 51 ff., S. 56 f.; O TTO G ERBER , Die Benützung öffentlichen Bodens für Tele- grafen und Telefonlinien, in: Technisches Bulletin PTT, 1952, S. 252 ff., S. 252; H ANS R UDOLF T RÜEB , Der Bau von Fernmelde- anlagen, in: Schweizerische Baurechtstagung [BRT] 2001, S. 105 f.). 2.3.3. In Anbetracht dessen, dass es für die Umwandlung der opti- schen Signale aus den Glasfaserkabeln in elektromagnetische Signale für die Kupferleitungen zwingend Transformatoren bedarf, steht un- zweifelhaft fest, dass die von der Beschwerdeführerin hierfür ver- wendeten μCANs nach dem oben Gesagten Bestandteil der Leitun- gen im Sinne von Art. 35 FMG bilden. Dasselbe gilt für die Zugangs- schächte, in welche die μCANs platziert werden müssen, und zwar unabhängig davon, welche Bauart diese Schächte aufweisen. Die Bauart hat bestenfalls Einfluss auf die Bewilligungsfähigkeit, die - wie bereits dargelegt - ausschliesslich nach der Fernmeldegesetzge- bung zu beurteilen ist.
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2002 Schulrecht 137 [...] 40 Anspruch auf Schulgeld für den Besuch einer Privatschule. - Weder Verfassung noch Gesetz begründen einen Anspruch eines hochbegabten Kindes auf Leistung von Schulgeldern für den Besuch einer Privatschule. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 2. Juli 2002 in Sachen D. gegen Einwohnergemeinde N. Aus den Erwägungen 2. a) Gemäss Art. 13 Abs. 1 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UNO-Pakt I; SR 0.103.1) anerkennen die Vertragsstaaten das Recht eines jeden 2002 Verwaltungsgericht 138 auf Bildung. Im Hinblick auf die volle Verwirklichung dieses Rechts muss der Grundschulunterricht für jedermann Pflicht und allen un- entgeltlich zugänglich sein (Abs. 2 lit. a UNO-Pakt I). Das interna- tionale Übereinkommen über die Rechte des Kindes vom 20. November 1989 (SR 0.107) anerkennt in Art. 28 Abs. 1 das Recht des Kindes auf Bildung und verpflichtet die Vertragsstaaten, zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit den Besuch der Grundschule zur Pflicht und unentgeltlich zu machen (Art. 28 Abs. 1 lit. a des Abkommens). In der Bundesverfassung ist der Anspruch auf ausreichenden und unentgeltlichen Grundschulun- terricht in Art. 19 BV als Grundrecht gewährleistet. Dieses Grund- recht ist, wie sich aus dem Zusammenhang und der Entstehungsge- schichte ergibt, im Rahmen der bundesstaatlichen Kompetenzen ge- währleistet. Inhaltlich entspricht diese Bestimmung Art. 27 Abs. 2 aBV und war im bundesrätlichen Verfassungsentwurf in die Bestim- mungen über das Schulwesen integriert. In den parlamentarischen Beratungen wurde der Anspruch auf Grundschulunterricht in den Grundrechtskatalog aufgenommen (vgl. Botschaft des Bundesrates über eine neue Bundesverfassung vom 20. November 1996 [Bot- schaft], S. 277). Die Bundesverfassung 1999 hat an der Schulhoheit der Kantone nichts geändert (Art. 62 Abs. 1 BV) und verpflichtet die Kantone, für einen ausreichenden Grundschulunterricht zu sorgen, der allen Kindern offen steht. Der (kantonale) Grundschulunterricht ist obligatorisch und untersteht staatlicher Leitung oder Aufsicht. An öffentlichen Schulen ist er unentgeltlich (Art. 62 Abs. 2 BV; Bot- schaft, S. 277 f.). Der nach der Verfassung und den erwähnten inter- nationalen Verträgen bestehende Anspruch der Kinder auf eine obli- gatorische, genügende und unentgeltliche Grundausbildung besteht daher gegenüber den Kantonen. Der Anspruch kann mit Inkrafttreten der neuen Bundesverfassung (1. Januar 2000) vor Bundesgericht geltend gemacht werden. b) Der Kanton Aargau schreibt in § 34 Abs. 1 KV vor, dass der Unterricht an öffentlichen Schulen und Bildungsanstalten für Kan- tonseinwohner unentgeltlich ist; dies gilt für alle öffentlichen Schu- len (AGVE 1991, S. 160). Gemäss § 3 Abs. 3 SchulG (in der Fas- sung vom 9. März 1998, in Kraft seit 1. August 1999), ist der Unter- 2002 Schulrecht 139 richt an den öffentlichen Volks- und Mittelschulen für Kinder und Jugendliche mit Aufenthalt im Kanton unentgeltlich. Die Kantonsverfassung hat im Weiteren das allgemeine Staats- bzw. Sozialziel, jedem die Bildung und Weiterbildung nach seinen Fähigkeiten und Neigungen zu ermöglichen, in einer Gewährlei- stungsnorm für das Kind konkretisiert (§ 25 Abs. 2 lit. a KV). Ge- mäss § 28 Abs. 1 KV hat jedes Kind Anspruch auf eine seinen Fähig- keiten angemessene Ausbildung. Der Anspruch richtet sich an den Gesetzgeber und die Vollzugsorgane und verschafft dem Kind keine klagbare Grundrechtsposition. (Kurt Eichenberger, Verfassung des Kantons Aargau, Textausgabe mit Kommentar, Aarau/Frankfurt a.M./Salzburg 1986, § 28 N 1). In seinem Kerngehalt entspricht diese Bestimmung dem Sozialziel in Art. 41 lit. f BV: Bund und Kantone setzen sich dafür ein, dass sich Kinder und Jugendliche sowie Perso- nen im erwerbsfähigen Alter nach ihren Fähigkeiten bilden, aus- und weiterbilden können. c) Das Schulgesetz in der Fassung, welche im Zeitpunkt des vorliegenden Versetzungsentscheides der Schulpflege N. galt bzw. anwendbar war, enthielt noch keine Bestimmungen, welche die Be- sonderheiten der Schüler mit besonderen Begabungen ausdrücklich regelte. Die allgemeine Bestimmung in § 10 SchulG verpflichtet die Volksschule, alles zu unternehmen, damit ein Kind gesund heran- wachsen kann (Satz 1). Sie fördert jeden einzelnen Schüler und legt dabei gleiches Gewicht auf die Entwicklung seines Geistes, seines Gemütes und seiner körperlichen Fähigkeiten (Satz 2). Sie vermittelt dem Schüler die Grundausbildung (Satz 3). Daraus ergibt sich aller- dings kein Anspruch auf individuellen Unterricht, sondern § 10 SchulG stellt einzig entsprechende Anforderungen an den Regelun- terricht, bzw. legt programmatisch fest, welchen Anforderungen die Volksschule zu genügen hat. d) Der ausreichende Grundschulunterricht in der Bundesverfas- sung ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, bei dessen Konkretisierung den Kantonen ein weites Ermessen zusteht (vgl. Marco Borghi, Kommentar zur Schweizerischen Bundesverfassung, Stand Juni 1988, Zürich/Basel/Bern, Art. 27 N 31 ff.). Die Kantonsverfassung definiert den Volksschulunterricht und die elementare (Schul-)Bil- 2002 Verwaltungsgericht 140 dung ebenfalls nicht, sondern überlässt die Festlegung und Um- schreibung dem Gesetzgeber (Eichenberger, a.a.O., § 28 N 6). Der kantonale Gesetzgeber muss die Ziele, die Organisation und Lern- methoden der Schule sowie die Ausbildung der Lehrer definieren. Verfassungsrechtlich hat er einen Mindeststandard einzuhalten, wel- cher die Kinder und Jugendlichen befähigt, die Anforderungen eines modernen Erwachsenen-Alltags selbständig zu meistern, einen Beruf zu erlernen und auszuüben sowie am demokratischen Gemeinwesen zu partizipieren (Borghi, a.a.O., Art. 27 N 33; Andreas Auer/Giorgio Malinveri/Michel Hottelier, Droit constitutionnel suisse, Vol. II: Les droits fondamentaux, Bern 2000, Rz. 1519; Regina Kiener, Bildung, Forschung und Kultur, in: Daniel Thürer/Jean-François Aubert/Jörg Paul Müller (Hrsg.), Verfassungsrecht der Schweiz, Zürich 2001, § 57 Rz. 7a mit Hinweisen). Bei der Auslegung dieses unbestimmten Rechtsbegriffes sind - insbesondere im Hinblick auf die Hochbega- bung - ein Wandel der Anschauungen und die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen zu berücksichtigen (Borghi, a.a.O., Art. 27 N 31; VPB 59/1995 Nr. 58). In jüngster Zeit ist in der Öffentlichkeit das Bewusstsein ge- wachsen, dass hochbegabte Kinder der gezielten Förderung bedür- fen. Seitens der Schulbehörden wird zunehmend versucht, in diesem Zusammenhang gezielte pädagogische und organisatorische Mass- nahmen zu treffen. Die per 1. Oktober 2000 in Kraft getretene neue Norm in § 15 Abs. 4 SchulG sieht ausdrücklich vor, dass Schüler mit besonderen Begabungen, die durch den ordentlichen Unterricht nicht genügend gefördert werden können und für die das Überspringen von Klassen nicht angezeigt ist, in der Regelklasse mit geeigneter Unterstützung gefördert werden können. Der Regierungsrat hat am 28. Juni 2000 die Verordnung über die Förderung von Kindern und Jugendlichen mit besonderen schulischen Bedürfnissen (SAR 421.331) erlassen und darin auch Bestimmungen zur Förde- rung Hochbegabter eingeschlossen. Gemäss § 20 Abs. 1 dieser Ver- ordnung ist dafür zu sorgen, dass die Begabungsförderung in erster Linie innerhalb der bestehenden Schulorganisation und mit den zur Verfügung stehenden Mitteln vor Ort sichergestellt ist. Die Schul- pflege kann hochbegabten Schülern den Besuch von Lektionen in 2002 Schulrecht 141 einer höheren Klasse, in einem andern Schultyp oder Gruppen- und Einzelangebote in Ergänzung zur bestehenden Schulorganisation einrichten. An dieser Stelle sei auch darauf hingewiesen, dass es sich beim Überspringen von Klassen nicht um eine Förderungsmass- nahme handelt, sondern dass dadurch vielmehr versucht wird, bei Schülerinnen und Schülern mit überdurchschnittlichen Fähigkeiten psychische Beeinträchtigungen zu begrenzen oder zu verhindern, die durch anhaltende Unterforderung entstehen können. Der Anspruch auf ausreichenden Grundschulunterricht ist indessen auch nach den neuen Bestimmungen nicht gleichbedeutend mit dem Bedürfnis auf die optimalste bzw. geeignetste Schulung des einzelnen Kindes. Bis zu einem gewissen Grad müssen im Sinne der Organisation und des vernünftig Machbaren auch Defizite hingenommen werden, die sich zum Beispiel durch eine gewisse Klassengrösse, deren Zusammen- setzung oder durch andere Gründe ergeben (AGVE 1998, S. 604). Die Volksschule hat im Rahmen ihres Auftrags mit Hilfe von interes- sens- und begabungsgeleiteter Individualisierung und Differenzie- rung des Unterrichts und der schulischen Angebote den individuellen Lern- und Entwicklungsbedürfnissen der Kinder gebührend Rech- nung zu tragen und gegebenenfalls Sondermassnahmen zu treffen (§ 28 Abs. 1 KV). Sind solche erforderlich, bedeutet dies jedoch nicht, dass bei der Prüfung verschiedener Varianten nur eine gewählt werden darf, sofern mehrere der in Frage stehenden Möglichkeiten tauglich und für das betreffende Kind zumutbar sind. Insbesondere ist das Gemeinwesen daher auch nach diesen Bestimmungen nicht zur Kostenübernahme verpflichtet, wenn der Besuch einer Privat- schule nur eine von verschiedenen Möglichkeiten darstellt, welche den Begabungen im Einzelfall gerecht wird. Es können mit anderen Worten keine Kosten für den Besuch einer Privatschule übernommen werden, wenn sich die besonderen Bedürfnisse eines hochbegabten Kindes durch gezielte Massnahmen im Rahmen des Besuchs der öffentlichen Schule befriedigen lassen (vgl. auch Urteil der Schulre- kurskommission des Kantons Zürich vom 14. August 2000, in: ZBl, 102/2001, S. 498 ff.; bestätigt durch das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich am 22. November 2000).
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2002 Verwaltungsgericht 410 96 Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts. - Keine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts für Beschwerden gegen Beschwerdeentscheide des Verwaltungsrates der AGVA. - Zur Beurteilung von Schadenersatzansprüchen gegen die AGVA ge- stützt auf das GebVG ist das Verwaltungsgericht im Klageverfahren zuständig. - Der Verwaltungsrat der AGVA kann im Rechtsmittelverfahren nach § 14 Abs. 3 GebVG keine rechtskraft- und vollstreckungsfähigen Verfügungen über vermögensrechtliche Streitigkeiten erlassen. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 12. April 2000 in Sa- chen H. gegen Entscheid der Aargauischen Gebäudeversicherungsanstalt und Entscheid des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 6. Dezember 2002 in Sachen H. gegen die Aargauische Gebäudeversicherungsanstalt. Aus den Erwägungen 1. a) Nach Auffassung des Beschwerdeführers folgt die sachli- che Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts aus § 52 Ziff. 20 VRPG, da es sich beim gegenüber der AGVA geltend gemachten Schadener- satzanspruch um einen zivilrechtlichen Anspruch nach Art. 6 EMRK handle. Die AGVA vertritt demgegenüber die Ansicht, der Entscheid des Verwaltungsrats sei kantonal letztinstanzlich, ein kantonales Rechtsmittel somit nicht gegeben. b) Das Verwaltungsgericht beurteilt Beschwerden gegen letztin- stanzliche Verfügungen und Entscheide von Verwaltungsbehörden über Anordnungen im Einzelfall, bei denen Art. 6 Ziff. 1 EMRK einen Anspruch auf richterliche Überprüfung gewährt und weder im Kanton noch im Bund eine konventionsgemässe richterliche Prüfung besteht (§ 52 Ziff. 20 VRPG). Geht es nun aber wie im vorliegenden Falle um finanzielle Ansprüche, ist die Frage zu prüfen, ob nicht die verwaltungsgerichtliche Klage nach § 60 VRPG zu ergreifen wäre, bevor aus § 52 Ziff. 20 VRPG eine Ersatzzuständigkeit abgeleitet werden kann. Das Verwaltungsgericht urteilt gemäss § 60 Ziff. 3 VRPG als einzige kantonale Instanz u.a. über vermögensrechtliche 2002 Verwaltungsrechtspflege 411 Streitigkeiten, an denen der Kanton, eine Gemeinde oder eine öffent- lich-rechtliche Körperschaft oder Anstalt des kantonalen oder kom- munalen Rechts beteiligt ist, sofern nicht die Verwaltungsgerichtsbe- schwerde gegeben oder das Zivilgericht zuständig ist. Zum Verhältnis der beiden Subsidiaritäten der Verwaltungsge- richtsbeschwerde nach § 52 Ziff. 20 VRPG und der verwaltungsge- richtlichen Klage nach § 60 Ziff. 3 VRPG hat das Verwaltungsgericht in einem kürzlich ergangenen Entscheid erwogen, mit der Ergänzung des Kompetenzkatalogs von § 52 VRPG durch eine Ziff. 20 gemäss Dekret vom 24. September 1996 (Inkraftsetzung am 15. Februar 1997) habe der Dekretsgeber ausschliesslich sicherstellen wollen, dass das Ergreifen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde möglich sei, wenn die EMRK ein Rechtsmittel an ein Gericht vorschreibe und dies auf Grund der bestehenden Normen nicht vorgesehen sei (vgl. dazu und zum Folgenden: AGVE 1999, S. 375 ff.). § 52 Ziff. 20 VRPG sei demzufolge im Sinne einer absoluten Subsidiarität auch subsidiär gegenüber der in § 60 Ziff. 3 VRPG normierten Subsidia- rität der verwaltungsgerichtlichen Klage. Dies bedeute, dass ein Be- schwerdeverfahren mit Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts ge- stützt auf § 52 Ziff. 20 VRPG ausser Betracht falle, wenn die Vor- aussetzungen einer verwaltungsgerichtlichen Klage gemäss § 60 Ziff. 3 VRPG erfüllt seien. Ein EMRK-konformes Gerichtsverfahren sei mit der verwaltungsgerichtlichen Klage sichergestellt. c) Nach dem Gesagten ist daher vorab zu prüfen, ob die Voraus- setzungen der verwaltungsgerichtlichen Klage gemäss § 60 Ziff. 3 VRPG erfüllt sind. aa) Bei der AGVA handelt es sich um eine juristische Person des kantonalen öffentlichen Rechts; sie ist ein selbständiges staatli- ches Unternehmen zur Versicherung der Gebäude im Kantonsgebiet (§ 1 Abs. 1 GebVG [in der Fassung vom 18. Juni 1996]). Als selb- ständige Anstalt des öffentlichen Rechts fällt sie unter § 60 Ziff. 3 VRPG. bb) In den Anwendungsbereich von § 60 Ziff. 3 VRPG fallen ausschliesslich vermögensrechtliche Streitigkeiten. Vermögensrecht- licher Natur sind Klagen über behauptete Rechte, die zum Vermögen gehören; die in der Klage anbegehrte Leistung muss sich dabei un- 2002 Verwaltungsgericht 412 mittelbar auf das Vermögen des Klägers auswirken (Michael Merker, Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aar- gauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, Kommentar zu den §§ 38-72 VRPG, Zürich 1998, § 60 N 31). Gemäss § 2 lit. b GebVG ersetzt die AGVA an den versicherten Gebäuden entstandene Schäden, soweit diese nach Massgabe der in der gleichen Bestim- mung enthaltenen Aufzählung ersatzpflichtig sind. Beim Schadener- satzanspruch des Versicherten gestützt auf das GebVG handelt es sich um einen finanziellen Anspruch. Vorliegend geht es zwar (noch) nicht um die Höhe einer Entschädigungsleistung, sondern vorerst um die Klärung der Rechtsfrage, ob überhaupt ein versichertes Ereignis vorliegt bzw. ob ein Entschädigungsanspruch des Beschwerdeführers gegen die Anstalt besteht. Dass es sich dabei um eine vermögens- rechtliche Streitigkeit im Sinne von § 60 Ziff. 3 VRPG handelt, kann indessen nicht bezweifelt werden. Der Umstand, dass die Schaden- höhe derzeit noch nicht genau bezifferbar ist, ändert am vermögens- rechtlichen Charakter des geltend gemachten Anspruchs ebenfalls nichts und schliesst die verwaltungsgerichtliche Klage nicht aus (vgl. auch Art. 42 Abs. 2 OR). cc) Die verwaltungsgerichtliche Klage in vermögensrechtlichen Streitigkeiten ist nur zulässig, sofern nicht die Verwaltungsgerichts- beschwerde gegeben ist; dies gilt aber wie dargelegt nicht im Ver- hältnis zur absolut subsidiären Zuständigkeit gemäss § 52 Ziff. 20 VRPG (siehe vorne, Erw. b). Eine andere sachliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts als Beschwerdeinstanz ist vorliegend nicht ge- geben; weder der Zuständigkeitskatalog des § 52 VRPG noch ein Sondererlass (§ 51 Abs. 1 und 2 VRPG) kennen eine entsprechende Bestimmung. Insbesondere sieht auch das GebVG die Beschwerde an das Verwaltungsgericht nicht vor. Auch unter diesem Gesichts- punkt ist die verwaltungsgerichtliche Klage somit zulässig. Daran vermag im Übrigen auch das Urteil des Bundesgerichts vom 10. März 1999 in Sachen M. (2P.341/1997), auf das sich die AGVA beruft, nichts zu ändern. Das Bundesgericht stellt darin zwar fest, beim angefochtenen Entscheid des Verwaltungsrats der AGVA handle es sich um einen kantonal letztinstanzlichen Entscheid, wes- halb die staatsrechtliche Beschwerde zulässig sei; indessen betraf der 2002 Verwaltungsrechtspflege 413 fragliche Entscheid der AGVA die Nichtzusprechung einer "Härte- fallsubvention" für den Bau einer Brandmauer, mithin die Ausrich- tung von Staatsbeiträgen, für die § 60 Ziff. 3 Satz 2 VRPG die ver- waltungsrechtliche Klage explizit ausschliesst. d) Als Zwischenergebnis ist demnach festzuhalten, dass die Verwaltungsgerichtsbeschwerde im vorliegenden Falle nicht gegeben ist, was zu einem Nichteintretensentscheid führt. 2. Der Beschwerdeführer macht geltend, der Verwaltungsrat der AGVA habe eine Verfügung erlassen, zu der er kompetent gewesen sei und die es nun aufzuheben gelte. Dies sei im verwaltungsgericht- lichen Klageverfahren, das zur ursprünglichen Verwaltungsgerichts- barkeit gehöre, nicht möglich; dieses komme nur zum Zug, wenn der betroffenen Verwaltungsbehörde im betreffenden Sachbereich keine Verfügungskompetenz zukomme. Gemäss § 14 Abs. 3 GebVG können Verfügungen des Direktors der AGVA (bzw. der an seiner Stelle handelnden Abteilungsleiter) mit Beschwerde beim Verwaltungsrat der AGVA angefochten werden (vgl. auch die §§ 3 und 8 der Verordnung über die Organisation des Aargauischen Versicherungsamtes vom 15. Oktober 1997). Dieser anstaltsinterne Rechtsmittelweg macht im Rahmen der Führungs- aufgabe, welche der Verwaltungsrat wahrzunehmen hat, durchaus Sinn. Richtigerweise ist aber dieser Instanzenzug in vermögens- rechtlichen Streitigkeiten nicht mit einer rechtskraft- und voll- streckungsfähigen Verfügung abzuschliessen, sondern es hat die Ab- lehnung des Anspruchs durch die AGVA zu erfolgen, zusammen mit dem Hinweis, dass der Gebäudeeigentümer verwaltungsgerichtliche Klage erheben könne (so wie es im umgekehrten Fall, nämlich bei Abzügen von der Versicherungsentschädigung, in § 49 GebVG aus- drücklich vorgesehen ist, wobei dort die AGVA klagen muss). § 14 Abs. 3 GebVG ist einer solchen Auslegung durchaus zugänglich. Wird nun - wie im vorliegenden Falle - fälschlicherweise eine eigentliche Verfügung erlassen (wie dies das AGVA selber annimmt), so kann dies die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts als Klagein- stanz nicht ausschliessen (vgl. Merker, a.a.O., § 60 N 36; AGVE 1979, S. 272 ff.). Anderseits muss dem Beschwerdeführer ein ausrei- chendes Rechtsschutzinteresse an der gerichtlichen Feststellung zu- 2002 Verwaltungsgericht 414 gebilligt werden, dass der von ihm angefochtene Entscheid der AGVA nicht vollstreckungsfähig ist. Analog wird - aus praktischen Gründen - bei behauptungsweise nichtigen Verfügungen vorgegan- gen, obwohl es dort bei bejahter Nichtigkeit streng logisch an einem Anfechtungsobjekt fehlt (vgl. BGE 115 Ia 4; AGVE 1981, S. 147; VGE III/76 vom 4. Juni 1999 [BE.97.00279] in Sachen S. AG, S. 4; VGE II/100 vom 26. Oktober 1999 [BE.99.00029] in Sachen S., S. 9 f.; Merker, a.a.O., § 38 N 14). Insoweit ist auf die Beschwerde ein- zutreten und eine entsprechende Feststellung in das Dispositiv auf- zunehmen.
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AG_VG_001_AGVE-2002-96_2000-04-03
http://agve.weblaw.ch/html//AGVE-2002-96.html
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AGVE_2002_96
null
nan
84fd790f-4363-5070-a551-cd3f7ecbb3ea
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412
871,307
1,230,768,000,000
2,009
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2009 Strassenverkehrsrecht 95 I. Strassenverkehrsrecht 22 Entzug des Führerausweises; vorsorglicher Sicherungsentzug - Kostenregelung gemäss Verwaltungsrechtspflegegesetz vom 4. De- zember 2007 bei Gegenstandslosigkeit eines Verfahrens betreffend vorsorglicher Sicherungsentzug des Führerausweises. - Es ist sachgerecht darauf abzustellen, wer das Verwaltungs- und Be- schwerdeverfahren veranlasst hat (summarische Prüfung), und in welchem Stadium (vor welcher Instanz) das Verfahren gegenstands- los geworden ist, wobei sich für das Verfahren vor dieser Instanz eine pauschale Kostenaufteilung aufdrängt, während der Kostenentscheid der Vorinstanz nicht zu korrigieren ist (Bestätigung der Recht- sprechung, vgl. AGVE 1998, S. 160 ff.). vgl. AGVE 2009 52 280
175
132
AG_VG_001
AG_VG
AG
Northwestern_Switzerland
AG_VG_001_AGVE-2009-22_2009
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AGVE_2009_22
null
nan
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870,462
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2,003
de
2004 Verwaltungsgericht 164 45 Projektänderung während des Beschwerdeverfahrens. Ausstand (§ 5 VRPG). - Wesentliche nachträgliche Änderungen am Projekt eines regionalen Sport-, Freizeit- und Begegnungszentrums, die eine nochmalige öffentliche Auflage erfordern (Erw. 1/b). - Grundsätze der Ausstandspflicht (Erw. 2/b). Rechtsanwendung: Feh- len der Voraussetzung, dass die Mitwirkung in einer "andern In- stanz" (§ 2 lit. c ZPO i.V.m. § 5 Abs. 1 VRPG) bzw. "untern Instanz" (§ 5 Abs. 2 VRPG) erfolgt ist (Erw. 2/c). Fehlerhafte Mitwirkung von Gemeinderäten, welche Exekutivfunktionen in dem als Bauherr auf- tretenden Gemeindeverband ausüben, am betreffenden Baubewilli- gungsentscheid (Erw. 2/d). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 15. Dezember 2003 in Sachen B. und Mitb. gegen Regierungsrat. Aus den Erwägungen 1. a) aa) Das geplante regionale Sport-, Freizeit- und Begeg- nungszentrum "Burkertsmatt" umfasst im Wesentlichen · eine Dreifach-Sporthalle mit einem Haupttrakt (64.9 m x 53.2 m x 6.7 m; Turnhalle, Geräteräume, Mannschaftsgarde- roben, Leiterzimmer, Toilettenanlagen und Technikbereich mit Holzschnitzelheizung im Erdgeschoss, Zuschaueranla- gen, Eingangshalle/Foyer, Büro/Regie und Kü- che/Office/Vorräte im Obergeschoss) und einem einge- schossigen Nebentrakt (41.0 m x 9.0 m x 4.5 m; Veranstal- tungsraum, Jugendkafi mit Küche und WC, Büro/Sitzung, Basteln/Werkstatt und Stauraum), · im Aussenbereich eine Leichtathletik-Anlage mit Rasenfeld (100 m x 64 m) und sechs 400 m-Rundbahnen, ein weiteres Rasenfeld (100 m x 64 m), zwei Rasen-Trainingsfelder (je 55 m x 40 m), ein Beachvolleyball-Feld (28 m x 24 m), eine Halfpipe (9 m x 6 m), einen Asphaltplatz für Streetball (40 m x 20 m), einen Kinderspielplatz mit verschiedenen Spiel- 2004 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 165 geräten (26.0 m x 17.0 m), eine Parkierungsanlage mit 99 PW-Abstellplätzen und zwei Bus-Abstellplätzen, einen ge- deckten Velounterstand sowie insgesamt sechs 18 m und neun 16 m hohe Beleuchtungsmasten. Die approximativen Baukosten werden im Baugesuch vom 29. Juni 2001 mit 20 Millionen Franken angegeben, der umbaute Raum mit 46'300 m 3 . bb) Der Pflanzerbach durchfliesst auf dem Weg von seiner Quelle am "Hasenberg" bis zur Mündung in die Reuss das Grenzge- biet zwischen den Gemeinden Widen und Rudolfstetten-Friedlisberg und dort u.a. auch die Bauparzelle Nr. 143, in welchem Bereich er seit der Güterregulierung von 1930 eingedolt ist. Das im Zusammen- hang mit dem Bauvorhaben des regionalen Sport-, Freizeit- und Be- gegnungszentrums "Burkertsmatt" entstandene Bauprojekt sieht nun vor, den Bach zwischen der Unterquerung der Hasenbergstrasse (Kantonsstrasse K 412) und dem Areal des regionalen Altersheims auf einer Gesamtlänge von ca. 600 m neu zu führen und gleichzeitig zu öffnen. Dabei sind vier Durchlässe (Erlenmattweg, Zufahrten Sportanlage Nord und Süd sowie Kirchweg) nötig. Im Zuge der Of- fenlegung soll auch die bestehende Bachleitung saniert werden. b) aa) Anlässlich der Augenscheinsverhandlung des regie- rungsrätlichen Rechtsdiensts vom 3. Juli 2002 stellte sich heraus, dass bezüglich der Aussenanlagen der öffentlich aufgelegte Situati- onsplan 1:500 vom 29. Juni 2001 mit dem bewilligten Situationsplan 1:500 vom 12. Dezember 2001 (letztes Revisionsdatum) nur teil- weise übereinstimmt. Änderungen sind hinsichtlich der folgenden Anlagen vorgenommen worden: · Halfpipe (Verlegung vom Standort nördlich der Leichtathle- tik-Anlage neben die Parkierungsanlage, Verkleinerung von 127.8 auf 54 m 2 ); · Beachvolleyball (Verschiebung um rund 20 m in südwestli- cher Richtung, Anpassung an internationale Standards mit Vergrösserung von 442 auf 672 m 2 ); · Kinderspielplatz (Verlegung vom Standort südöstlich der Dreifach-Sporthalle nordwestlich davon); 2004 Verwaltungsgericht 166 · Velounterstand (Verlegung von der Nordwestfassade der Dreifach-Sporthalle neben die Parkierungsanlage); · Retentionsbecken südwestlich der Leichtathletik-Anlage (neu); · Parkierungsanlage (Erhöhung von 97 auf 99 PW-Abstell- plätze, leicht geänderte Anordnung und teilweise Verschie- bung in nordwestlicher Richtung). Der Regierungsrat hat unter Hinweis darauf, dass sich die Di- mensionen der Anlage und ihre Nutzungsart gleich geblieben seien, die Änderung als geringfügig und eine erneute öffentliche Auflage demzufolge als nicht erforderlich betrachtet. Die Beschwerdeführer I sind demgegenüber der Meinung, dass die Planänderungen nach Massgabe von § 59 Abs. 1 BauG zwingend einer Baubewilligung bedürften, weshalb die öffentliche Auflage wiederholt werden müsse; (...). bb) Das Verwaltungsgericht lässt Projektänderungen im Grund- satz zu, auch wenn sie erst bei oder nach Einreichung der Verwal- tungsgerichtsbeschwerde vorgenommen wurden (AGVE 1986, S. 304 ff.). Voraussetzung ist, dass die Interessen Dritter und der Öffentlichkeit gewahrt bleiben (AGVE 1986, S. 305). Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn auch das abgeänderte Projekt publiziert und öffentlich aufgelegt wird (§ 60 Abs. 2 und 3 BauG i.V.m. den §§ 34 f. ABauV; Erich Zimmerlin, Baugesetz des Kantons Aargau, Kommentar, Aarau 1985, § 151 N 4; siehe zum Ganzen auch: VGE III/15 vom 8. Februar 2001 [BE.1998.00045] in Sachen G. u. Mitb., S. 13) oder wenn wegen der Geringfügigkeit des Bauvor- habens keine öffentliche Auflage erforderlich ist. Im vereinfachten Verfahren kann der Gemeinderat Bauvorhaben, die weder nachbar- liche noch öffentliche Interessen berühren, nach schriftlicher Mittei- lung an direkte Anstösser ohne Auflage, Veröffentlichung und Profilierung bewilligen (§ 61 BauG). Das Verwaltungsgericht legt diese Bestimmung dahingehend aus, dass hier Bagatellprojekte gemeint sind, die aufgrund ihrer Art, Grösse, Zweckbestimmung und Immissionsträchtigkeit generell kaum geeignet erscheinen, sich negativ auf das benachbarte Grundeigentum auszuwirken und die Interessen Dritter zu verletzen; es können von ihnen höchstens 2004 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 167 direkte Anstösser betroffen sein (AGVE 1997, S. 326 f.; siehe auch AGVE 1986, S. 304 f.). In der Kasuistik sind etwa folgende Fälle einschlägig: Die öffentliche Auflage der Projektänderung wurde hinsichtlich der Verlegung einer Zufahrt für Zweiradfahrzeuge zu einem Spielsalon (VGE III/17 vom 18. März 1993 [BE.1992.00055] in Sachen M., S. 11 f.) oder hinsichtlich der Erhöhung der Leistung einer Antennenanlage für Mobilfunk (VGE III/15 vom 8. Februar 2001 [BE.1998.00045] in Sachen G. u. Mitb., S. 13) verlangt. Die Fälle, in welchen das vereinfachte Verfahren gemäss § 61 BauG als genügend erachtet wurde, betrafen allesamt Projektänderungen, welche sich für die Betroffenen vorteilhaft oder zumindest nicht nachteilig auswirkten (VGE III/33 vom 26. April 1995 [BE.1994.00038] in Sachen Erbengemeinschaft B. u. Mitb., S. 10 f. betreffend gebäudeinterne Umgestaltungen; VGE III/39 vom 26. Mai 1997 [BE.1996.00247] in Sachen B., S. 12 f. betreffend Herabsetzung der Kniestockhöhe; VGE III/105 vom 12. Juli 2000 [BE.1998.00101] in Sachen S. AG u. Mitb., S. 13 f. betreffend Weglassung von Dachfenstern; VGE III/49 vom 27. Mai 2003 [BE.2002.00304] in Sachen B., S. 8 betreffend Änderung einer Stützmauer). Die Auffassung des Regierungsrats, die fraglichen Projekt- änderungen seien geringfügig, ist mit der angeführten Praxis des Verwaltungsgerichts nicht vereinbar. Richtig ist zwar, dass die geän- derte Anordnung der genannten Anlagen in gestalterischer Hinsicht nicht sehr bedeutend ist. In Bezug auf die Lärmeinwirkungen kann die Änderung für die Anwohner aber durchaus von Belang sein. Trotz der relativ grossen Entfernungen zwischen den Sportanlagen und den Liegenschaften der Beschwerdeführer I erweist sich na- mentlich etwa die Verlegung der Halfpipe als kritisch; die Aktivitäten auf dieser Anlage werden sowohl vom Beschwerdeführer II als auch von den Verfassern der Lärmprognose unter den "erwartungsgemäss dominierenden Lärmquellen" eingestuft. Besonders betroffen ist diesbezüglich der Beschwerdeführer K., war doch dessen Wohnhaus auf der Parzelle Nr. 413 gemäss dem bewilligten Situationsplan vom 29. Juni 2001 von der erwähnten Anlage durch die Sporthalle abgeschirmt, aufgrund des neuen Standorts gemäss dem Situations- 2004 Verwaltungsgericht 168 plan Nr. 976-05 B vom 12. Dezember 2001 (letztes Revisionsdatum) nicht mehr; die Lärmfachleute gehen hier zwar davon aus, dass eine beträchtliche Hinderniswirkung vorhanden ist, doch ist anderseits zu bedenken, dass bereits die Möglichkeit einer Beeinträchtigung legi- timationsbegründend ist, und eine solche Möglichkeit kann ange- sichts der topographischen Verhältnisse nicht verneint werden. Auch das südwestlich der Leichtathletik-Anlage neu geplante Retentions- becken mit einem Volumen von 530 m 3 ist für benachbarte Grundei- gentümer und Anstösser des Pflanzerbachs keineswegs ohne Bedeu- tung. Mögliche zusätzliche Beeinträchtigungen sind jedenfalls nicht auszuschliessen. Abgesehen davon, dass die hier in Frage stehende Projektänderung nicht den "Bagatellfällen" zugeordnet werden kann, wäre das vereinfachte Verfahren gemäss § 61 BauG in Fällen wie dem vorliegenden, wo am Hang gegenüber dem Bauprojekt ein gan- zes Wohnquartier gelegen ist, kaum durchführbar, da die Frage, wer "direkter Anstösser" ist, nicht eindeutig geklärt werden kann. Auch aus diesem Grunde lässt sich eine öffentliche Auflage der Projekt- änderung nicht umgehen. Zu diesem Zwecke ist der Baubewilli- gungsentscheid vom 23. Januar 2002 aufzuheben. (...) 2. a) Die Beschwerdeführer I rügen hinsichtlich verschiedener Personen die Verletzung von Ausstandspflichten. (...). b) Der aus Art. 30 Abs. 1 BV sowie aus Art. 6 Ziffer 1 EMRK fliessende Anspruch auf einen unabhängigen und unparteiischen Richter bezieht sich nur auf die Beurteilung von Streitsachen durch Gerichte. Wann Mitglieder einer Administrativbehörde in den Aus- stand zu treten haben, bestimmt sich ausschliesslich nach dem kanto- nalen Verfahrensrecht sowie nach den aus Art. 8 Abs. 1 und 29 Abs. 1 BV herzuleitenden Grundsätzen. Nach der bundesgerichtli- chen Praxis haben Behördenmitglieder entsprechend diesen Grund- sätzen nur dann in den Ausstand zu treten, wenn sie an der zu be- handelnden Sache ein persönliches Interesse haben; nimmt ein Be- hördenmitglied jedoch öffentliche Interessen wahr, so besteht grund- sätzlich keine Ausstandspflicht (BGE vom 20. Juni 2000 [1P.426/1999], in: ZBl 103/2002, S. 37 mit Hinweis). 2004 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 169 Im aargauischen Verfassungs- und Verfahrensrecht ist die Frage des Ausstands geregelt. So haben sich Mitglieder von Behörden und Beamte bei Geschäften, die sie unmittelbar betreffen, in den Aus- stand zu begeben (§ 69 Abs. 5 KV). Im Weitern bestimmt § 5 VRPG, der u.a. für das Verfahren vor den Verwaltungsbehörden des Kantons und der Gemeinden gilt (§ 1 Abs. 1 VRPG) und auf den auch § 19 Abs. 1 des Organisationsgesetzes (Gesetz über die Organisation des Regierungsrates und der kantonalen Verwaltung) vom 26. März 1985 (SAR 153.100) betreffend die Verhandlungen des Regierungsrates verweist, konkretisierend: " 1 Behördemitglieder und Sachbearbeiter dürfen beim Erlass von Verfügungen und Entscheiden nicht mitwirken, wenn ein Aus- standsgrund im Sinne der Zivilprozessordnung vorliegt. 2 Sie haben sich insbesondere in Ausstand zu begeben, wenn sie selbst oder ihnen nahe verbundene Personen an der Verfügung oder dem Entscheid persönlich interessiert sind, sowie in Angelegen- heiten von juristischen Personen, deren Verwaltung sie oder ihnen nahe verbundene Personen angehören, ferner wenn sie in der Sache schon in einer untern Instanz, oder als Berater oder Vertreter eines Beteiligten mitgewirkt haben. 3 (...)" c) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer I war Regie- rungsrat X. bei der Beschlussfassung über das Bachöffnungsprojekt nicht zum Ausstand verpflichtet. Ein Ausstandsgrund im Sinne von § 2 ZPO bzw. von § 5 Abs. 2 VRPG liegt nicht vor. Namentlich hat Regierungsrat X. nicht bereits "in einer andern Instanz" bzw. einer "untern Instanz" mitgewirkt (§ 2 lit. c ZPO i.V.m. § 5 Abs. 1 VRPG; § 5 Abs. 2 VRPG). Entscheidungsträger war hier ausschliesslich der Regierungsrat, d.h. eine untere Instanz im Sinne der erwähnten Be- stimmungen gab es gar nicht; allein dies ist aber entscheidend, denn in der verwaltungsinternen Rechtspflege und erst recht in einem erstinstanzlichen Verfahren, wo nicht die gleich strengen Massstäbe gelten wie in Bezug auf die verwaltungsunabhängigen Organe (Thomas Merkli / Arthur Aeschlimann / Ruth Herzog, Kommentar zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege im Kanton Bern, Bern 1997, Art. 9 N 8), rechtfertigt es sich, den Begriff der "Mitwirkung" 2004 Verwaltungsgericht 170 in einem rein formalen Sinne aufzufassen (AGVE 2000, S. 394 f. mit Hinweis). Selbst wenn - über diese Praxis hinausgehend - dem Gemeinderat W., der die öffentliche Auflage des Bauprojekts durch- führte, deswegen mehr als eine blosse Hilfsfunktion zugeschrieben würde, wäre dies darum nicht von Belang, weil Regierungsrat X. dem erwähnten Behördengremium nie angehörte. Somit könnte ein- zig noch der Fall gegeben sein, dass Regierungsrat X. am "Entscheid persönlich interessiert" war (§ 5 Abs. 2 VRPG; siehe auch Bundesgericht in ZBl 103/2002, S. 37). Die Beschwerdeführer I machen in dieser Hinsicht geltend, der Anschein der Befangenheit sei bei Regierungsrat X. deshalb gegeben, weil dieser den als Bauherr auftretenden Gemeindeverband als ehemaliger Gemeindeammann von B. mitbegründet habe und der Verband wegen des engen Sachzusammenhangs mit dem Sportplatzprojekt vom Ausgang des Wasserbauprojektverfahrens betroffen sei. Eine solche Behauptung erachtet das Verwaltungsgericht als abwegig. Dass Regierungsrat X. seinerzeit die Satzungen des Gemeindeverbands mitunterzeichnet hat, indiziert in keiner Weise, dass er beim Projektgenehmigungs- entscheid vom 18. Dezember 2002 andere als rein öffentliche Interessen wahrgenommen hat. Einem Regierungsratsmitglied muss und darf zugetraut werden, sich mit einem Geschäft unvorein- genommen auseinander zu setzen, auch wenn es damit in unterge- ordnetem Rahmen schon früher einmal befasst war (VGE III/58 vom 25. Juli 1989 in Sachen F. AG u. Mitb., S. 21; siehe auch BGE 107 Ia 136 f.). d) aa) Anders stellt sich die Rechtslage in Bezug auf die Ge- meinderäte Y. und Z. dar. Y. ist Vizepräsident des Gemeindeverbands und Präsident der im Hinblick auf das Projekt "Burkertsmatt" gebil- deten internen Baukommission, Z. Vorstandsmitglied des Gemeinde- verbands und Vizepräsident der erwähnten Kommission. Als Vize- präsident des Verbands ist Y. zudem (neben dem Präsidenten) zeich- nungsberechtigt. Der Richter (bzw. über die Verweisung von § 5 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 VRPG u.a. das einzelne Gemeinderatsmit- glied) ist nun aber von der Ausübung seines Amtes ausgeschlossen in Streitsachen, in denen Gemeinden oder andere öffentlich-rechtliche Körperschaften oder Anstalten, deren Verwaltungsorganen er oder 2004 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 171 sein Ehegatte angehört, Partei sind (§ 2 lit. a Ziff. 7 ZPO). Eine solche Konstellation ist hier klarerweise gegeben. Ein Gemeinde- verband ist eine aus verschiedenen Gemeinden bestehende Körper- schaft des öffentlichen Rechts (§ 74 GG). Der Vorstand des Gemein- deverbands ist dessen Verwaltungs- und Vollzugsbehörde (§ 80 Abs. 1 Satz 1 GG); auch im Zusammenhang mit dem vorliegenden Baugesuch führt er die Geschäfte des Gemeindeverbands und vertritt ihn nach aussen. Somit hätten Y. und Z. nach Massgabe von § 2 lit. a Ziffer 7 ZPO am Baubewilligungsentscheid vom 23. Januar 2002 nicht mitwirken dürfen. Die in § 2 ZPO geregelten Ausschliessungsgründe unterschei- den sich von den in § 3 ZPO aufgeführten Ablehnungsgründen da- durch, dass das betreffende Behördenmitglied bei ihrem Vorliegen ohne weitere Voraussetzung, d.h. ohne entsprechenden Antrag, in den Ausstand treten muss. Sie wirken insofern absolut, als der unter Mitwirkung eines ausstandspflichtigen Behördenmitglieds zustande gekommene Entscheid anfechtbar bleibt, auch wenn ein erkennbarer Ausstandsgrund während des Verfahrens nicht sofort gerügt wurde oder unbemerkt blieb. Auch die erst im Rechtsmittelverfahren ge- rügte Nichtbeachtung der Ausstandspflicht führt zur Aufhebung des Entscheids (Alfred Bühler / Andreas Edelmann / Albert Killer, Kommentar zur aargauischen Zivilprozessordnung, 2. Auflage, Aarau 1998, § 2 N 1). Vor diesem Hintergrund kann von vornherein nicht von Belang sein, dass sich die Beschwerdeführer I seinerzeit mit der Leitung der Einspracheverhandlung durch Gemeinderat Z. ausdrücklich einverstanden erklärt hatten und dass sie später kein Ausstandsbegehren stellten. (...). bb) Auch die weiteren in diesem Zusammenhang vorgebrachten Gegenargumente erweisen sich nicht als stichhaltig: aaa) Der Regierungsrat sowie die Gemeinderäte von R. und W. vergleichen den vorliegenden Fall mit jenem, in welchem ein Ge- meinderat ein Baugesuch der Einwohner- oder Ortsbürgergemeinde zu beurteilen hat. Richtig ist, dass die zuständigen Baubewilligungs- behörden praxisgemäss auch dann rechtsanwendend tätig werden dürfen, wenn sie ein Bauvorhaben des von ihnen vertretenen Ge- meinwesens zu beurteilen haben, obwohl selbstverständlich auch in 2004 Verwaltungsgericht 172 diesen Fällen ein Anwendungsfall von § 2 lit. a Ziffer 7 ZPO vor- liegt. Eine Ausnahme von dieser Vorschrift drängt sich ausschliess- lich aus einem institutionellen Sachzwang heraus auf, denn allge- meine Baubewilligungsbehörde ist der Gemeinderat (§ 59 Abs. 1 BauG), und eine besondere Regelung für die Beurteilung von kom- munalen Bauvorhaben hat der Gesetzgeber nicht getroffen. Die Aus- standsbestimmungen und das Prinzip der Gesetzmässigkeit der Ver- waltung lassen sich nicht gleichzeitig befolgen, und das Rechtsver- weigerungsverbot verlangt, dass trotzdem verfügt wird. Der daraus entstehende Konflikt lässt sich in diesen Fällen nur adäquat lösen, indem die Ausstandspflicht dem Prinzip der Gesetzmässigkeit der Verwaltung und dem Rechtsverweigerungsverbot "geopfert" wird (VGE III/82 vom 23. November 1994 [BE.92.00379] in Sachen VCS u. Mitb., S. 49). In Fällen wie dem vorliegenden dagegen besteht der erwähnte Konflikt nicht; es verhält sich hier nicht so, dass das be- hördliche Handeln bei Beachtung der Ausstandsvorschriften faktisch lahmgelegt würde. Ein Sachzwang liegt auch insoweit nicht vor, als in den Vorstand des Gemeindeverbands nicht nur Mitglieder der Gemeinderäte der Verbandsgemeinden wählbar sind (Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 11 Abs. 1 Satz 3 der Satzungen). bbb) Die Gemeinderäte von R. und W. weisen darauf hin, dass der Ausstand von Y. und Z. am Entscheidergebnis nichts geändert hätte, weil der Beschluss vom 23. Januar 2002 je einstimmig gefasst worden sei. Abgesehen davon, dass sich eine derartige Heilung des Verfahrensmangels mit der Absolutheit der rechtlichen Konsequen- zen einer Verletzung der Ausstandspflicht (vorne Erw. aa) schlecht verträgt, ist zu bedenken, dass die Mitwirkung an einem Entscheid nicht nur die Teilnahme an der Abstimmung als solcher, sondern namentlich auch die Möglichkeit der Beeinflussung während der Beratung des betreffenden Sachgeschäfts umfasst (Michael Merker, Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aar- gauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege [Kommentar zu den §§ 38-72], Zürich 1998, § 50 N 8 a.E.; BGE vom 14. Oktober 2003 [1P.316/2003] in Sachen Einwohnergemeinde U., S. 9 f.; AGVE 1984, S. 698). 2004 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 173 3. a) Als Zwischenergebnis ist mithin festzuhalten, dass in Gut- heissung der Beschwerde der Beschwerdeführer I der Baubewilli- gungsentscheid der Gemeinderäte R. und W. vom 23. Januar 2002 wegen Verletzung der Verfahrensvorschriften (§ 60 Abs. 2 und 3 BauG) und der Ausstandspflicht (§ 5 Abs. 1 VRPG i.V.m. § 2 lit. a Ziff. 7 ZPO) aufzuheben ist. Die beiden Gemeinderäte werden im Sinne der Erwägungen neu entscheiden müssen.
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AG_VG_001
AG_VG
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AG_VG_001_AGVE-2004-45_2003-12-03
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412
870,145
1,083,369,600,000
2,004
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2004 Verwaltungsgericht 242 [...] 59 Rechtliches Gehör, nichtiger Zwangsmassnahmenentscheid (ZME); Anordnung und Ausgestaltung der Isolation. - Anspruch auf rechtliches Gehör beinhaltet Anhörung der betroffenen Person vor jedem Zwangsmassnahmenentscheid (Erw. 3/a/bb-ff). 2004 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 243 - Anordnung einer neuen Zwangsmassnahme nach Fristablauf nur durch neuen Zwangsmassnahmenentscheid (Erw. 3/a/ee). - Rechtsgültige Eröffnung, bzw. ordnungsgemässe Zustellung einer Ver- fügung bedeutet, dass ein Zwangsmassnahmenentscheid der betroffe- nen Person sowohl mündlich zu eröffnen als auch schriftlich zuzu- stellen ist (Erw. 3/b/aa-cc). - Nichtige Verfügung bei einer Häufung von erheblichen Verfahrens- mängeln (Erw. 3/c/aa-bb). - Eine zum Schutz der betroffenen Person zwangsweise angeordnete Isolation ist nur dann verhältnismässig, wenn sie unter Beachtung der Menschenwürde geeignet ist, den für die betroffene Person erforderli- chen Schutz zu bieten (Erw. 4/b/aa-cc). - Isolation einer suizidalen Person nur so lange verhältnismässig als akute Selbstgefährdung besteht (Erw. 4/c/aa). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 11. Mai 2004 in Sa- chen L.R. gegen den Entscheid der Klinik Königsfelden. Aus den Erwägungen 3. (...) a) (...) aa) (...) bb) Der Anspruch auf rechtliches Gehör dient nicht nur der Sachaufklärung, sondern ist auch ein persönlichkeitsbezogenes Mit- wirkungsrecht des Einzelnen beim Erlass eines in seine Rechtsstel- lung eingreifenden Entscheides (BGE 122 II 287). Er umfasst na- mentlich das Recht des Betroffenen, sich grundsätzlich vor Erlass eines in seine Rechtsstellung eingreifenden Entscheids zur Sache zu äussern (BGE 122 II 286 mit Hinweisen). Dabei soll der Einzelne ge- mäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung eigenverantwortlich an ihn betreffenden Entscheidprozessen beteiligt sein (BGE 127 I 14). Die Tragweite des Anspruchs auf rechtliches Gehör bestimmt sich nach der konkreten Interessenlage im Einzelfall. Das Bedürfnis, vor Erlass einer Verfügung angehört zu werden, ist dort besonders intensiv und 2004 Verwaltungsgericht 244 daher unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten schutzwürdig, wo die Gefahr besteht, dass jemand durch einen staatlichen Hoheits- akt beschwert werden könnte (BGE 111 Ia 274; 105 Ia 197; Ulrich Häfelin / Georg Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Auflage, Zürich 2002, Rz. 1310 ff.; Jörg Paul Müller, Grundrechte in der Schweiz, 3. Aufl., Bern 1999, S. 520 ff.). Insbesondere in einem Verfahren betreffend Zwangsmassnahmen, in dem es um Grund- rechtseingriffe und damit um eine besondere Eingriffsschwere geht, muss Gewähr bestehen, dass sich die betroffene Person vor Erlass der Verfügung wirksam wehren kann. cc) Das Bundesgericht geht in seiner Praxis davon aus, dass der Umfang des rechtlichen Gehörs zunächst durch die kantonalen Verfahrensvorschriften umschrieben wird. Nur dort, wo sich der kantonale Rechtsschutz als ungenügend erweist, greifen subsidiär die unmittelbar aus Art. 29 Abs. 2 BV folgenden bundesrechtlichen Verfahrensregeln zur Sicherung des rechtlichen Gehörs Platz (BGE 121 I 232 mit Hinweisen). Die Verweigerung des rechtlichen Gehörs hat grundsätzlich zur Folge, dass die angefochtene Verfügung aufzuheben ist (AGVE 1989, S. 191 mit Hinweisen). dd) Während §§ 15 ff. VRPG allgemeine Verfahrensvorschrif- ten zur Gewährung des rechtlichen Gehörs vor Erlass einer Verfü- gung statuieren, enthält § 67 e bis Abs. 3 EG ZGB ausdrücklich die für den Erlass eines Zwangsmassnahmen-Entscheids zu beachtenden Verfahrensvorschriften. Diese lauten: "Vor dem Entscheid sind die Patienten vom zuständigen entschei- dungsberechtigten Arzt anzuhören. Der Entscheid ist der betroffenen Person auch nach mündlicher Mitteilung mit Begründung und mit Rechtsmittel- belehrung schriftlich zu eröffnen, unter Mitteilung an den Kantonsarzt. Dieser führt ein entsprechendes Verzeichnis." ee) Wenn seitens der Klinik geltend gemacht wird, es habe sich lediglich um eine Verlängerung einer ersten Zwangsmassnahme gehandelt, so ändert dies nichts am Erfordernis der Gewährung des rechtlichen Gehörs. Der erste ZME (vom 19. April 2004) war wegen akuter Suizidgefahr zum Schutz und zur Lebenserhaltung der Be- schwerdeführerin bis zum 26. April 2004 befristet worden. Nach Ablauf dieser Frist durfte eine Verlängerung der Isolation nur durch 2004 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 245 Erlass eines neuen ZME angeordnet werden. Insbesondere musste die Frage, ob nach wie vor eine akute Selbstgefährdung der Be- schwerdeführerin bestand und deshalb eine Verlängerung der Isola- tion gerechtfertigt war, vor Erlass eines neuen ZME durch den Lei- tenden Arzt umfassend abgeklärt und mit der Beschwerdeführerin besprochen werden. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gemäss § 67e bis Abs. 3 EG ZGB besteht für einen Patienten bei jedem Ent- scheid. Gemäss ZME vom 26. April 2004 war der einzige Zweck der weiteren Isolation der Schutz und die Lebenserhaltung der Be- schwerdeführerin. Ob bei der Beschwerdeführerin aber am 26. April 2004 und damit nach Ablauf der siebentägigen Isolation tatsächlich noch eine akute Suizidgefahr bestand, konnte nur auf Grund einer persönlichen Anhörung festgestellt werden. Wie die Beschwerdefüh- rerin anlässlich der Verhandlung glaubwürdig ausführte, hatte sie seit dem 24. April 2004 keine Suizidgedanken mehr. Da die Anhörung unterblieb, blieb einerseits die Stellungnahme der Beschwerdeführe- rin im ZME vom 26. April 2004 unberücksichtigt (bzw. es wurde eine tatsachenwidrige Stellungnahme aufgeführt) und andererseits war es der Beschwerdeführerin verwehrt, sich gegen diese "Verlän- gerung" der Isolation vom 26. April 2004 bis zum 15. Mai 2004 zur Wehr zu setzen. Bei korrekter Gewährung des rechtlichen Gehörs am 26. April 2004 hätte sich gezeigt, dass die Beschwerdeführerin mit der Zwangsmassnahme der Isolation nicht mehr einverstanden war. Entsprechend hätte das Formular ausgefüllt und der Beschwer- deführerin ausgehändigt werden müssen, sofern der zuständige Arzt die Isolation trotzdem noch für notwendig befunden und angeordnet hätte. Mit grosser Wahrscheinlichkeit hätte die Beschwerdeführerin bei korrekter Vorgehensweise viel früher ein Rechtsmittel ergriffen. ff) Zusammenfassend ergibt sich, dass eine krasse Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehörs erfolgt ist, da eine Anhörung der Beschwerdeführerin vor Erlass der angefochtenen Verfügung unterblieben ist. Dieser Verfahrensfehler erscheint um so gewichti- ger, als dass im Formular fälschlicherweise aufgeführt ist, eine An- hörung der Beschwerdeführerin sei erfolgt, sie sei mit der Mass- nahme einverstanden und über die Beschwerdemöglichkeit orientiert worden. 2004 Verwaltungsgericht 246 b) (...) aa) Die Eröffnung einer Verfügung ist eine empfangsbedürftige, aber nicht annahmebedürftige einseitige Rechtshandlung. Die Rechtsmittelfrist beginnt deshalb nicht mit der tatsächlichen Kennt- nisnahme, sondern im Zeitpunkt der ordnungsgemässen Zustellung zu laufen. Als ordnungsgemässe Zustellung gilt grundsätzlich die tatsächliche Aushändigung der Verfügung an den Adressaten (VGE II/18 vom 27. März 2001 [BE.2000.00289] in Sachen A., S. 12; Max Imboden/René A. Rhinow, Schweizerische Verwaltungs- rechtsprechung, Band I, 6. Auflage, Basel/Frankfurt a.M. 1986, Nr. 84 B I; René A. Rhinow/Beat Krähenmann, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Basel/Frankfurt a.M. 1990, Nr. 84 I f. mit Hinweisen; Michael Merker, Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege [Kommentar zu den §§ 38-72 VRPG], Diss., Zürich 1998, § 40 N 6 Anm. 18). bb) Die vom Gesetz geforderte mündliche Eröffnung des Ent- scheids an die Beschwerdeführerin ist erwiesenermassen unterblie- ben. So hat auch nach dem 26. April 2004 nie ein Gespräch des Lei- tenden Arztes mit der Beschwerdeführerin über seinen Entscheid, die "Verlängerung der Isolation" vom 26. April 2004 bis zum 15. Mai 2004 anzuordnen, stattgefunden. Eine korrekte schriftliche Eröffnung des Entscheids, bzw. eine tatsächliche Aushändigung des ZME unterblieb ebenfalls. Eine Eröffnung erfolgte insbesondere auch nicht am 30. April 2004, obwohl aktenmässig erstellt ist, dass die Beschwerdeführerin an diesem Tag ausdrücklich die Entlassung aus der Isolation beantragt hatte, weil dieser Schutz nicht mehr nötig sei. Die Beschwerdeführerin hat anlässlich der Verhandlung ausgeführt, sie habe schon früher aus dem Isolationszimmer austreten wollen, habe aber keine Gelegenheit gehabt, ihr Begehren anzubringen, da die Oberarztvisite ausgefallen sei. cc) Damit ist erstellt, dass es an einer ordnungsgemässen Zu- stellung des ZME vom 26. April 2004 fehlt, es liegt ein schwerwie- gender Eröffnungsfehler vor. Auch bei diesem Verfahrensfehler kommt erschwerend hinzu, dass auf dem Formular selber tatsachen- 2004 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 247 widrig angekreuzt ist, die Patientin sei über die Beschwerdemöglich- keit informiert worden. c) aa) Die normale Folge der Fehlerhaftigkeit von Verwal- tungsakten ist ihre Anfechtbarkeit. Nur ausnahmsweise ist auf Nichtigkeit zu schliessen, so, wenn der Mangel besonders schwer wiegt, wenn er offensichtlich oder zumindest leicht erkennbar ist und wenn die Rechtssicherheit durch die Annahme der Nichtigkeit nicht ernsthaft gefährdet wird. Als Nichtigkeitsgründe fallen hauptsächlich schwere Verfahrensmängel in Betracht (vgl. BGE 122 I 98 f.; 118 Ia 340; 116 Ia 219; AGVE 1994, S. 217 mit Hinweisen; vgl. auch Imboden/Rhinow, a.a.O.; Rhinow/Krähenmann, je Nr. 40 B IV/V; Häfelin/Müller, Rz. 769). So hat das Verwaltungsgericht auf- grund einer Häufung von erheblichen Verfahrensmängeln - wegen einer krassen Verletzung des rechtlichen Gehörs und wegen schwer- wiegenden Eröffnungsfehlern - einen Entscheid für nichtig erklärt (AGVE 1981, S. 274 f.). bb) Aufgrund der vorstehenden Ausführungen ist erwiesen, dass die vom ZME vom 26. April 2004 betroffene Beschwerdeführerin weder vorgängig dazu angehört wurde (obwohl auf dem Formular so aufgeführt), noch dass ihr der Entscheid in gesetzmässiger Weise eröffnet worden ist. Diese sehr schweren Verfahrensmängel sind derart gewichtig, dass der angefochtene Entscheid als nichtig zu bezeichnen ist. In Gutheissung der Beschwerde ist die angeordnete Isolation daher sofort aufzuheben und es ist die Nichtigkeit des ZME vom 26. April 2004 festzustellen. 4. (...) a) (...) b) aa) Gemäss § 67e bis Abs. 1 EG ZGB dürfen im Rahmen ei- ner fürsorgerischen Freiheitsentziehung in der Psychiatrischen Klinik Königsfelden Behandlungen und andere Vorkehrungen, die nach Massgabe des Einweisungsgrundes medizinisch indiziert sind, auch gegen den Willen der betroffenen Person vorgenommen werden, wenn die notwendige Fürsorge auf andere Weise nicht gewährleistet werden kann. Beim Entscheid über den Einsatz von Zwangsmass- nahmen kann auch das Schutzbedürfnis Dritter in die Beurteilung miteinbezogen werden. Ziel und Zweck jeder Zwangsmassnahme ist 2004 Verwaltungsgericht 248 der Schutz der betroffenen Person und deren Mitmenschen vor kör- perlichen und seelischen Schäden. In Anwendung des Verhältnismässigkeitsprinzips muss eine solche Massnahme "ultima ratio" sein, indem der betroffenen Person die notwendige Fürsorge nicht auf andere Weise gewährleistet werden kann. Der Begriff der "notwendigen persönlichen Fürsorge" beinhaltet nicht nur den Schutz der Öffentlichkeit vor Fremdaggressionen, sondern umfasst auch den Schutz eines Menschen, der sich in einem Zustand der Urteilsunfähigkeit selbst verletzt oder tötet (AGVE 2000, S. 168). Eine Zwangsmassnahme ist namentlich dann unverhältnismässig, wenn eine ebenso geeignete mildere Anordnung für den angestrebten Erfolg ausreicht. bb) Für die Verhältnismässigkeit von Grundrechtseingriffen liefert der in Art. 7 BV statuierte Schutz der Menschenwürde einen Massstab. Das Bundesgericht hat dazu ausgeführt, dass die Men- schenwürde nach Art. 7 BV im staatlichen Handeln ganz allgemein zu achten und zu schützen ist. Diese Bestimmung ist Leitsatz für jegliche staatliche Tätigkeit und bildet als innerster Kern zugleich die Grundlage der Freiheitsrechte (BGE 127 I 6). Die Menschenwürde ist beizuziehen, um den Kerngehalt von Grundrechten zu bestimmen (Philippe Mastronardi, in: Die schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, Zürich/Basel/Genf 2002, Art. 7 N 28). Der grundrechtliche Anspruch auf menschenwürdige Behandlung - wie er übrigens auch in Art. 3 EMRK enthalten ist - gilt für alle Menschen, unabhängig von ihrer Urteilsfähigkeit oder ihrer körperlichen Konstitution, d.h. auch für psychisch Kranke (Markus Schefer, Die Kerngehalte von Grundrechten, Geltung, Dogmatik, inhaltliche Aus- gestaltung, Bern 2001, S. 22). Eine Konkretisierung findet dieser An- spruch nebst §§ 9 und 15 der aargauischen Kantonsverfassung, wel- che für staatliches Handeln die Wahrung der Menschenwürde statuie- ren und menschenunwürdige Behandlung verbieten, im aargauischen Gesundheitsgesetz, welches in § 49 regelt, dass Spitäler die persönli- che Freiheit und die Persönlichkeitsrechte ihrer Patienten zu wahren haben. Das aargauische Dekret über die Rechte und Pflichten der Krankenhauspatienten vom 21. August 1990 [PD; SAR 333.110] hält in § 3 fest, dass Untersuchung, Behandlung und Pflege des Patienten 2004 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 249 sich nach den Regeln der Fachkunde zu richten und die Menschen- würde zu respektieren haben. cc) Für die Isolation, welche den Schutz der betroffenen Person - und damit einhergehend den Schutz ihrer Mitmenschen - vor kör- perlichen und seelischen Schäden bezweckt, bedeutet dies, dass sie auf Grund der vorstehenden Ausführungen nur verhältnismässig sein kann, wenn sie unter Beachtung der Menschenwürde geeignet ist, den für die betroffene Person erforderlichen Schutz zu bieten und in zeitlicher Hinsicht auf die absolut notwendige Dauer beschränkt wird (AGVE 2001, S. 233). Entsprechend hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass eine Isolation sich in aller Regel nur während kur- zer Frist als rechtmässig erweisen kann, weshalb im Voraus maximal eine Isolation für die Dauer von sieben Tagen angeordnet werden darf (AGVE 2001, S. 234). Bereits unter diesem Aspekt hält der ZME vom 26. April 2004, der bis zum 15. Mai 2004 befristet wurde, vor der Rechtsordnung nicht stand. c) Gemäss Wortlaut des ZME vom 26. April 2004 war das Ziel der angeordneten Isolation "Schutz, Lebenserhaltung" der Be- schwerdeführerin. Die aufschiebende Wirkung wurde verweigert mit der Begründung "Suizidalität". aa) Die Beschwerdeführerin bestätigte selber, dass sie aufgrund einer akuten Krise mit Suizidalität am 19. April 2004 mit der Mass- nahme der Isolation im Auszeitzimmer einverstanden gewesen war. Dieser Schutz vor selbstschädigendem Verhalten kann eine massive Einschränkung der persönlichen Freiheit rechtfertigen, in dem die gefährdete Person mittels Isolation vor Entweichung, gefährlichen Gegenständen etc. geschützt wird. Eine Isolation ist unter diesen Umständen als ultima ratio verhältnismässig, allerdings nur so lange, als akute Selbstgefährdung besteht. Dabei erfordern die zentral betroffenen Verfassungsrechte, dass die Selbstgefährdung nicht nur abstrakt möglich ist, sondern dass sie gestützt auf die tatsächlichen Verhältnisse konkret in Betracht fällt (BGE 130 I 24). Selbst in der psychiatrischen Literatur ist anerkannt, dass nur die sichtbare und konkrete Suizidgefährdung eine restriktive Massnahme gegen den Willen des Patienten rechtfertigt (Asmus Finzen, Suizidprophylaxe bei psychischen Störungen, Bonn 1997, S. 128).
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2003 Schulrecht 95 I. Schulrecht 30 Anspruch auf Schulgeld für den Besuch einer Privatschule. - In erster Linie ist die Schulpflege verpflichtet, für ein sonderschulbe- dürftiges Kind eine geeignete Sonderschule zu finden. Kann sie keine Alternative zu einer Privatschule aufzeigen, liegen wichtige Gründe für die ausnahmsweise Übernahme von Schulgeldern für den Besuch einer Privatschule vor. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 27. März 2003 in Sa- chen D. gegen die Einwohnergemeinde A. Aus den Erwägungen 1. a) Gegenstand der Klage ist die Forderung der Kläger betref- fend die Übernahme des Schulgeldes für die Privatschule B für das Schuljahr 2002/2003. (...) 2. a) Gemäss § 34 Abs. 1 KV ist der Unterricht an öffentlichen Schulen und Bildungsanstalten für Kantonseinwohner unentgeltlich (vgl. auch § 3 Abs. 3 SchulG). § 6 Abs. 1 SchulG sieht vor, dass die Schulpflicht in der Regel in der öffentlichen Schule der Wohnge- meinde oder des Schulkreises, zu dem die Wohngemeinde gehört, zu erfüllen ist. Im Gegenzug dazu werden die Gemeinden verpflichtet, die Volksschule selbst zu führen oder sich an einer entsprechenden Kreisschule zu beteiligen bzw. das Schulgeld für Kinder mit Aufent- halt auf ihrem Gebiet zu übernehmen (§ 52 Abs. 1 SchulG). Ein Anspruch auf auswärtigen Schulbesuch besteht folglich einerseits dann, wenn die Aufenthaltsgemeinde die betreffende Schulstufe oder den entsprechenden Schultyp nicht führt, und anderseits in Fällen, wo ausnahmsweise aus triftigen Gründen von der Regel des Schulbe- suchs in der Aufenthaltsgemeinde abgewichen werden muss (AGVE 2001, S. 155 ff. mit Hinweisen). 2003 Verwaltungsgericht 96 b) Für den entgeltlichen Unterricht an Privatschulen haben die Betroffenen indessen grundsätzlich selber aufzukommen (§ 3 Abs. 3 SchulG e contrario). Das Gemeinwesen wird ausnahmsweise dann kostenpflichtig, wenn ausserordentliche Situationen Sonderheiten herbeiführen, welche den unterhaltspflichtigen Eltern unverhältnis- mässige Lasten aufbürden würden. Als solche Ausnahmen fallen namentlich abseits gelegener Wohnort, soziale Benachteiligung oder Invalidität, die insbesondere die Unterrichtung Schulpflichtiger in Sonderschulen und Heimen erfordern, in Betracht (AGVE 2001, S. 156). c) aa) § 10 SchulG verpflichtet die Volksschule alles zu unter- nehmen, damit ein Kind gesund heranwachsen kann (Satz 1). Sie fördert jeden einzelnen Schüler und legt dabei gleiches Gewicht auf die Entwicklung seines Geistes, seines Gemüts und seiner körperli- chen Fähigkeiten (Satz 2). Sie vermittelt dem Schüler die Grundaus- bildung (Satz 3). Daraus ergibt sich allerdings kein Anspruch auf individuellen Unterricht, sondern § 10 SchulG stellt einzig entspre- chende Anforderungen an den Regelunterricht bzw. legt programma- tisch fest, welchen Anforderungen die Volksschule zu genügen hat. bb) Kann ein Kind in den Regelstufen bzw. -klassen der Volkschule (Primarschule, Oberstufe, Kleinklasse) nicht seiner Bil- dungsfähigkeit entsprechend geschult werden, so sind die Schulbe- hörden zu entsprechenden Abklärungen verpflichtet (§ 11 Abs. 1 der Verordnung über die Sonderschulung [Sonderschulverordnung; SAR 428.511] vom 2. Mai 1988). Die Schulpflege ordnet die vorzuneh- menden Untersuchungen an und bestimmt die Fachstelle (§ 11 Abs. 2 Sonderschulverordnung). Im Anschluss an die Abklärung erlässt sie nach Anhörung der Eltern eine Einweisungsverfügung in eine geeig- nete Sonderschule (§ 12 Abs. 1 Sonderschulverordnung). Bei ausser- kantonalen Platzierungen hat sie die erforderliche Zustimmung des Departements Bildung, Kultur und Sport einzuholen (§ 12 Abs. 2 Sonderschulverordnung). Nicht von der Schulpflege veranlasste Einweisungen in Sonderschulen und Heime gelten als Privatschulung und jede Leistungspflicht von Gemeinden und Kanton entfällt (§ 11 Abs. 6 Sonderschulverordnung). 2003 Schulrecht 97 d) S. D. besucht eine Privatschule, für die grundsätzlich kein Anspruch auf Schulgelder besteht. Zu prüfen ist, ob Gründe vorlie- gen, welche die ausnahmsweise Übernahme von Schulkosten einer Privatschule rechtfertigen. 3. a) aa) S. wurde im Februar 2000 in die Kleinklasse versetzt, was sich jedoch nicht als ihren Fähigkeiten entsprechend erwies. Eine Sonderschulung stellte sich als die einzige, S. wirklich för- dernde und gerecht werdende Lösung heraus. Es fand sich jedoch keine geeignete, von der IV anerkannte Sonderschule im Kanton Aargau. Es wurden auch geeignete ausserkantonale, von der IV an- erkannte Sonderschulen angefragt, jedoch ohne Erfolg. In Zusam- menarbeit mit der Kleinklassenlehrerin, der Kinder- und Jugend- psychiaterin Dr. G., dem Jugendpsychologischen Dienst des Bezirks M. und der Schulpflege A. konnte die Privatschule B gefunden wer- den. Die beigezogenen Fachleute unterstützten die Zuweisung von S. an diese Schule vollumfänglich. bb) Trotz aller Bemühungen konnte auch für das Schuljahr 2002/2003 kein Platz für S. an einer IV-anerkannten Sonderschule gefunden werden. S. war unter diesen Umständen darauf angewie- sen, in der Privatschule B zu verbleiben. b) Die Sonderschulbedürftigkeit von S. ist aus den Akten er- stellt und wird auch von der Beklagten nicht bestritten. Die Beklagte anerkennt, dass S. weder in einer Kleinklasse noch in der Realschule hätte platziert werden können. Sie bestreitet auch nicht, dass es trotz intensiver Bemühungen der Schulpflege und anderer Fachstellen nicht gelang, einen Platz in einer geeigneten, IV-anerkannten kanto- nalen oder ausserkantonalen Sonderschule zu finden und hielt in ihrer Verfügung vom 29. April 2002 selber fest, dass ein Verbleib von S. in der Privatschule B um ein weiteres Jahr die einzig anwendbare und vertretbare Lösung für das Kind sei. Bereits in ihrem Beschluss vom 5. Juni 2001, wo es um die Kostenübernahme für dieselbe Schule für das Schuljahr 2001/2002 ging, hielt sie fest, dass für S. keine freie IV-anerkannte Schule habe gefunden werden können, weshalb andere Privatschulen kontaktiert worden seien. In beiden Entscheiden sprach sie zwar einen Teilbetrag zu, dies jedoch ohne 2003 Verwaltungsgericht 98 Präjudiz und unter Hinweis darauf, dass die Gemeinde grundsätzlich keine Schulgelder an Privatschulen bezahle. c) Steht fest, dass der Schulwechsel von S. in die Privatschule B nicht freiwillig erfolgte, kein anderes Sonderschulangebot bestand und S. ihre Schulpflicht nach der Beurteilung der Schulpflege, der Kläger und der Kinder- und Jugendpsychiaterin Dr. G. die Schul- pflicht (§ 4 Abs. 1 SchulG) nur an dieser Privatschule erfüllen konnte, sind die wichtigen Gründe für die ausnahmsweise Über- nahme des Schulgeldes für die Privatschule B erfüllt. Der Jugend- psychologische Dienst des Bezirks M. und der Kinder- und Jugend- psychiatrische Dienst W. bestätigten die Notwendigkeit einer Son- derschulung und die Eignung der B. Die Schulpflege hat die Wahl dieser Privatschule den schulischen Bedürfnissen von S. als ange- messen beurteilt und deren Besuch als Erfüllung der Schulpflicht erkannt. Es kann offen gelassen werden, ob damit eine Zustimmung erteilt wurde. Massgebend ist in diesem Zusammenhang, dass in erster Linie die Schulpflege verpflichtet ist, die geeignete Sonder- schule zu finden (siehe vorne, Erw. 2/c) und sie im vorliegenden Fall keine Alternative zur Privatschule B aufzeigen konnte. Unter diesen Umständen kann es für die Leistungspflicht der Gemeinde nicht auf die fehlende formelle Einwilligung gemäss § 11 Abs. 6 Sonderschul- verordnung ankommen. Liegen die wichtigen Gründe im Sinne von § 6 Abs. 2 SchulG vor, ist das zuständige Gemeinwesen aus dem Grundsatz der Unentgeltlichkeit verpflichtet, das klageweise gefor- derte Schulgeld zu übernehmen.
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2000 Verwaltungsgericht 352 [...] 85 Zuständigkeit. Beschwerdelegitimation. Kostenauflage. - Ist die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts im Hauptpunkt ge- geben, so erstreckt sie sich auch auf Nebenpunkte wie die Kosten- verlegung; der Kostenpunkt kann auch allein angefochten werden (Erw. I/1). - Schutzwürdiges Interesse als Voraussetzung der Beschwerdelegiti- mation: Gegeben, soweit die Befreiung von Verfahrenskosten verlangt wird, nicht aber hinsichtlich der Frage, wer sonst die Kosten zu tragen hat (Erw. I/2). - Kostenauflage an den obsiegenden Beschwerdeführer wegen ver- späteten Vorbringens von Sachverhaltselementen, aber in der Regel nicht wegen verspäteten Vorbringens rechtlicher Argumente (Erw. II). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 7. Dezember 2000 in Sachen M.J.M. gegen Entscheid des Steuerrekursgerichts. Zur Publikation vorgesehen in StE 2001. Sachverhalt Der Steuerpflichtige M. zog aus der Gemeinde V. nach W. Dort wurde er zu einer Jahressteuer veranlagt, deren Tatbestand sich be- reits vor dem Umzug verwirklicht hatte. Er erreichte im Rekursver- fahren, dass die Veranlagung der Steuerkommission W. wegen örtli- cher Unzuständigkeit aufgehoben wurde. Das Steuerrekursgericht auferlegte ihm gleichwohl die Kosten des Rekursverfahrens, mit der Begründung, er habe dieses Argument im Einspracheverfahren vor der Steuerkommission W. nicht vorgebracht und dadurch das Re- 2000 Verwaltungsrechtspflege 353 kursverfahren verursacht. Mit Beschwerde beantragte M., die Kosten des Rekursverfahrens seien der Gemeinde W. aufzuerlegen. Aus den Erwägungen I. 1. Das Verwaltungsgericht beurteilt Beschwerden gegen sämtliche Entscheide des kantonalen Steuerrekursgerichts in Staats- und Gemeindesteuersachen (§ 54 Abs. 1 VRPG). Ist die Zuständig- keit im Hauptpunkt gegeben, so erstreckt sie sich auch auf Neben- punkte, wie insbesondere die Verlegung der Verfahrenskosten; der Kostenpunkt kann auch für sich allein angefochten werden (AGVE 1983, S. 230). Das Verwaltungsgericht ist somit zur Behandlung des vorliegenden Falles zuständig und überprüft den angefochtenen Entscheid im Rahmen der Beschwerdeanträge vollumfänglich (§ 56 Abs. 3 VRPG). 2. Gemäss § 38 Abs. 1 VRPG setzt die Beschwerdeführung ein schutzwürdiges eigenes Interesse voraus; ein solches liegt vor, wenn die tatsächliche oder rechtliche Situation des Beschwerdeführers durch den Ausgang des Verfahrens beeinflusst werden kann (vgl. Michael Merker, Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege [Kommentar zu den §§ 38-72 VRPG], Zürich 1998, § 38 N 129 f.). Die Legitimation des Beschwerdeführers ist gegeben, soweit er die Befreiung von den auferlegten Verfahrenskosten beantragt. Wer die Kosten diesfalls zu tragen hat, ob der Staat oder die Einwohnerge- meinde W., berührt ihn dagegen nicht (VGE II/54 vom 26. Juli 2000 in Sachen A.W., S. 4). Es ist denn auch anzunehmen, dass es ihm in erster Linie darum geht, von der Kostenauflage befreit zu werden. II. 1. Gemäss § 138 Abs. 1 StG werden die amtlichen Kosten des Rekurs- und des Beschwerdeverfahrens der unterliegenden Partei auferlegt. In Abweichung hiervon können die Gerichtskosten unab- hängig vom Ausgang des Verfahrens verteilt werden, wenn der 2000 Verwaltungsgericht 354 unterliegende Steuerpflichtige das Rechtsmittel in guten Treuen er- griffen hat oder wenn der obsiegende Steuerpflichtige das Rekurs- oder Beschwerdeverfahren durch sein Verhalten in der Vorinstanz verursacht hat (§ 138 Abs. 3 StG; vgl. auch § 33 Abs. 2 VRPG). Die (ausnahmsweise) Kostenauflage an den obsiegenden Steu- erpflichtigen kommt namentlich dann in Frage, wenn er sich trö- lerisch oder widersprüchlich verhalten hat, wenn er die ihm obliegen- den Mitwirkungs- und Verfahrenspflichten trotz Mahnung nicht er- füllt hat (vgl. Jürg Baur, in: Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, Muri/BE 1991, § 138 N 11), allgemein, wenn er wesentliche Sach- verhaltselemente, die den Steuerbehörden nicht bekannt sind, ver- spätet vorbringt oder Beweismittel zu spät vorlegt. Bei verspäteter Geltendmachung von rechtlichen Argumenten ist eine Kostenauflage zwar auch nicht völlig ausgeschlossen. Sie ist aber auf diejenigen Fälle zu beschränken, wo die Steuerbehörde - in aller Regel im Zusammenhang mit neuen tatbeständlichen Aspekten - zu einer neuen rechtlichen Beurteilung gelangt, nachdem sie zuvor keinen Anlass hatte, diesen Rechtsstandpunkt in Betracht zu ziehen. In den anderen Fällen kann nicht gesagt werden, der Steuerpflichtige habe das Rechtsmittelverfahren verursacht, zumal die korrekte Rechts- anwendung der Behörde von Amtes wegen obliegt (§ 1 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 2 VRPG; vgl. auch Baur, a.a.O., § 127 N 2, 24). Wo es vorwiegend oder ebensosehr der Steuerbehörde anzu- lasten ist, dass das Rechtsmittelverfahren erforderlich wurde, ist es nicht gerechtfertigt, dem obsiegenden Steuerpflichtigen Kosten auf- zuerlegen. 2. b) ... Dass der Beschwerdeführer die erhaltene Kapitalleis- tung in seiner in W. abgegebenen Steuererklärung deklarierte, war korrekt. Die Steuerkommission W. hätte ihre örtliche Zuständigkeit hinsichtlich der Jahressteuer von Amtes wegen prüfen müssen (Bernhard Meier, in: Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, § 60 N 3). Somit kann nicht gesagt werden, der Beschwerdeführer habe durch sein Verhalten im Veranlagungs- und Einspracheverfahren das 2000 Verwaltungsrechtspflege 355 Rekursverfahren verursacht oder es liege überwiegend an ihm, dass das Rekursverfahren notwendig wurde, auch wenn er erst in seinem Rekurs auf die Zuständigkeit der Gemeinde V. hinwies. 3. Die Auferlegung der Kosten des Rekursverfahren an den Be- schwerdeführer erweist sich somit als nicht gerechtfertigt. In Gut- heissung der Beschwerde sind ihm diese Kosten abzunehmen. Pra- xisgemäss sind sie vom Staat zu tragen (vgl. § 35 Abs. 1 VRPG).
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2008 Strassenverkehrsrecht 61 [...] 15 Entzug des Führerausweises; Sicherungsentzug. - Keine Ausnahmebewilligung bei Visusmangel aufgrund Unfallfrei- heit, wenn nicht eine kompensierende Fähigkeit nachgewiesen ist (Erw. 2.5 und Erw. 2.6). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 9. Juli 2008 in Sachen L.G. gegen den Entscheid des Departements Volkswirtschaft und Inneres (WBE.2008.145). 2008 Verwaltungsgericht 62 Aus den Erwägungen 1. 1.1. Eine Grundvoraussetzung für die Erteilung des Führerausweises ist die sogenannte Fahreignung. Diese umfasst die körperlichen und geistigen Voraussetzungen des Individuums zum sicheren Lenken ei- nes Motorfahrzeugs im Strassenverkehr (vgl. BGE 133 II 384 Erw. 3.1 mit weiteren Hinweisen). Ausweise und Bewilligungen sind zu entziehen, wenn festgestellt wird, dass die gesetzlichen Vorausset- zungen zur Erteilung nicht oder nicht mehr bestehen (Art. 16 Abs. 1 SVG). Art. 16d Abs. 1 lit. a SVG sieht die Entziehung des Führer- ausweis einer Person auf unbestimmte Zeit vor, wenn ihre körperli- che und geistige Leistungsfähigkeit nicht oder nicht mehr ausreicht, ein Motorfahrzeug sicher zu führen. 1.2. Gemäss Art. 25 Abs. 3 lit. a SVG stellt der Bundesrat nach An- hörung der Kantone Vorschriften auf über die Mindestanforderungen, denen der Motorfahrzeugführer in körperlicher und psychischer Hin- sicht genügen muss. Nach Art. 7 Abs. 1 VZV muss, wer einen Füh- rerausweis erwerben will, die medizinischen Mindestanforderungen nach Anhang 1 VZV erfüllen. Für die Ausweiskategorie der dritten Gruppe (unter anderem Führerausweis-Kategorien A und B) muss die Sehschärfe des einen Auges korrigiert minimal 0.6 und die des anderen korrigiert minimal 0.1 betragen. Weiter darf das Gesichtsfeld horizontal nicht weniger als 140° erfassen und kein Doppelsehen vorhanden sein. 1.3. Die am 18. Dezember 2007 beim Strassenverkehrsamt einge- gangene ärztliche Begutachtung des Beschwerdeführers durch Dr. med. X. hielt fest, die Sehschärfe des Beschwerdeführers betrage korrigiert 0.4 (rechtes Auge) und 0.3 (linkes Auge). Dr. med. Y. kon- statierte am 4. Dezember 2007 eine bestkorrigierte Sehschärfe von 0.5 (rechtes Auge) und 0.2 (linkes Auge). 2008 Strassenverkehrsrecht 63 1.4. Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer die medizini- schen Mindestanforderungen bezüglich Sehschärfe von Anhang 1 VZV nicht erreicht, weshalb gemäss Art. 16 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 16d Abs. 1 lit. a SVG der Führerausweis grundsätzlich zu entziehen ist. 2. 2.1. Gemäss Art. 7 Abs. 3 VZV kann die kantonale Behörde von den medizinischen Mindestanforderungen abweichen, wenn eine mit Spezialuntersuchungen betraute Stelle dies beantragt und soweit nicht ein Ausschlussgrund nach Art. 14 SVG vorliegt. Nur wenn da- von ausgegangen werden kann, dass ein Motorfahrzeugführer trotz seines Gebrechens fähig ist, ein Motorfahrzeug sicher zu führen, kommt ein Abweichen von den medizinischen Mindestanforderun- gen in Frage. Gemäss Bundesgericht ist dies nur dann der Fall, wenn die Verkehrssicherheit trotz der mangelnden Sehschärfe gewähr- leistet ist bzw. ein Mangel im Visus durch eine besondere Fähigkeit in einem anderen Bereich ausgeglichen werden kann (BGE vom 31. Juli 2000 [6A.16/2000], Erw. 3 und 4b). Da die Bestimmungen über die medizinischen Mindestanforderungen an Motorfahrzeugfüh- rer im Hinblick auf eine erhöhte Sicherheit im Strassenverkehr ver- schärft worden sind, darf von diesen Anforderungen nicht leichtfertig abgewichen werden (erwähnter BGE vom 31. Juli 2000, Erw. 3). Ist trotz entsprechender Auflagen und Beschränkungen keine Gewähr gegeben, dass ein Fahrzeuglenker sein Motorfahrzeug im Sinne von Art. 16d Abs. 1 lit. a SVG sicher zu führen vermag, muss ihm der Führerausweis aus Sicherheitsgründen zwingend entzogen werden (erwähnter BGE vom 31. Juli 2000, Erw. 3; 103 Ib 29 Erw. 1a). 2.2. Der Beschwerdeführer führt an, vorliegend sei in Anwendung von Art. 7 Abs. 3 VZV eine Abweichung der medizinischen Min- destanforderungen nach Anhang 1 VZV angebracht. Sowohl der ärztliche Bericht von Dr. med. Y. als auch derjenige von Dr. med. X. würden dem Beschwerdeführer Fahrtauglichkeit mit der Auflage des Tagfahrens und einer halbjährlichen ärztlichen Kontrolle bescheini- 2008 Verwaltungsgericht 64 gen. Diese ärztlichen Aussagen seien verbindlich und eine Abwei- chung dürfe nicht ohne Not und nur unter qualifizierter Begrün- dungspflicht erfolgen. Der eigens vom Strassenverkehrsamt für die Untersuchung des Beschwerdeführers eingesetzte Gutachter Dr. med. X. habe im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung unter Er- wähnung der vom Beschwerdeführer erfüllten jahrelangen unfall- freien Fahrpraxis einen Antrag auf Sonderbewilligung im Sinne von Art. 7 Abs. 3 VZV gestellt. Es sei willkürlich zu behaupten, ein An- trag im Sinne von Art. 7 Abs. 3 VZV liege nicht vor, zumal das Stra- ssenverkehrsamt Dr. med. X. zu dieser Thematik gar nicht befragt habe. 2.3. Das DVI führt mit Verweis auf die bundesgerichtliche Recht- sprechung an, ein Abweichen von den medizinischen Mindestanfor- derungen sei nur möglich, wenn ein Mangel im Visus durch eine be- sondere Fähigkeit in einem anderen Bereich ausgeglichen werden könne. Weder Dr. med. X. noch Dr. med. Y. hätten eine ent- sprechende Fähigkeit des Beschwerdeführers dargelegt. Die von Dr. med. X. erwähnte jahrelange unfallfreie Fahrpraxis rechtfertige ein Abweichen von den medizinischen Mindestanforderungen nicht. Weiter äussere Dr. med. X. in seinem Bericht an das Strassenver- kehrsamt lediglich die Bitte, praktisch zu prüfen, inwiefern eine Sonderregelung möglich wäre; daher überlasse er die Beurteilung, ob ein Abweichen von den medizinischen Mindestanforderungen ge- rechtfertigt sei, letztlich dem Strassenverkehrsamt, weshalb kein Antrag im Sinne von Art. 7 Abs. 3 VZV vorliege. 2.4. Dr. med. X. beurteilt den Beschwerdeführer am 18. Dezember 2007 als nicht tauglich als Motorfahrzeugführer der Gruppe 3. Mit Blick auf den die Fahrtauglichkeit eindeutig verneinenden ärztlichen Bericht ist die Aussage des Beschwerdeführers, Dr. med. X. beschei- nige ihm Fahrtauglichkeit, nicht nachvollziehbar. Dr. med. X. emp- fiehlt lediglich eine praktische Prüfung durch das Strassenverkehrs- amt. Diese kann aber einen eindeutigen Antrag einer mit Spezialun- tersuchungen betrauten Stelle im Sinne von Art. 7 Abs. 3 VZV nicht ersetzen. Dr. med. Y. führt in seiner Begutachtung vom 4. Dezember 2008 Strassenverkehrsrecht 65 2007 aus, der Beschwerdeführer erfülle die medizinischen Mindest- anforderungen knapp nicht; er sei aus augenärztlicher Sicht fahr- tauglich (mit Ausnahme in der Nacht). Es ist nicht ersichtlich, worauf Dr. med. Y. die Festestellung der Fahrtauglichkeit stützt, nachdem er gerade selber konstatiert hat, die medizinischen Mindestanforderun- gen seien nicht erfüllt. Sicherlich kann in dieser unbegründeten Fest- stellung kein Antrag auf eine Ausnahmebewilligung gesehen werden, zumal im Kanton Aargau grundsätzlich ausschliesslich die Kliniken der Kantonsspitäler und die Psychiatrische Klinik Königsfelden für verkehrsmedizinische Spezialabklärungen zuständig sind (vgl. § 19 Abs. 1 lit. c SVV). Ein Antrag auf Abweichung von den medizini- schen Mindestanforderungen im Sinne von Art. 7 Abs. 3 VZV liegt somit eindeutig nicht vor. Deshalb geht auch die Rüge des Be- schwerdeführers, es liege Rechtsverweigerung vor, weil das Gutach- ten von Dr. med. X. einen Antrag im Sinne von Art. 7 Abs. 3 VZV darstelle und nicht behandelt worden sei, ins Leere. 2.5. Dr. med. X. schreibt in seinem Bericht vom 18. Dezember 2007, da der Beschwerdeführer offenbar jahrelang unfallfrei gefah- ren sei, bitte er, praktisch zu prüfen, inwiefern eine Sonderregelung (Fahren tagsüber mit Brille) möglich wäre. Wie das DVI richtig dar- legt, kann die mangelnde Sehschärfe des Beschwerdeführers nicht durch eine jahrelange unfallfreie Fahrpraxis wettgemacht werden. Ist der Beschwerdeführer in der Vergangenheit unfallfrei gefahren, lässt sich dadurch nicht auf eine künftige Gewährleistung der Verkehrs- sicherheit schliessen. Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer be- reits vor einem Jahr ungenügende Visuswerte aufwies und seither keinen verkehrssicherheitsrelevanten Vorfall verursachte, vermag da- ran nichts zu ändern. Vielmehr wäre gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung eine besondere, den Visusmangel ausgleichende Fähigkeit in einem anderen Bereich gefordert. Eine solche wird von keinem ärztlichen Gutachten dargelegt und wird vom Beschwerde- führer weder behauptet noch bewiesen. 2.6. Ein Antrag auf eine Ausnahmebewilligung liegt somit nicht vor und es ist auch nicht bewiesen, dass der Mangel im Visus durch eine 2008 Verwaltungsgericht 66 besondere Fähigkeit des Beschwerdeführers in einem anderen Be- reich ausgeglichen wird. Unfallfreiheit genügt zweifellos nicht, um einen Ausnahmetatbestand zu begründen. Unter diesen Umständen besteht keine Gewähr, dass der Beschwerdeführer sein Motorfahr- zeug sicher zu führen vermag. Eine Ausnahmebewilligung im Sinne von Art. 7 Abs. 3 VZV ist bei dieser Sachlage nicht angebracht.
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2017 Verwaltungsrechtspflege 253 XII. Verwaltungsrechtspflege 44 Gutachten Im erstinstanzlichen Verwaltungsverfahren ist grundsätzlich keine Beleh- rung des Sachverständigen über die Strafbarkeit eines falschen Gutach- tens vorzunehmen; eine unzureichende Instruktion des Experten führt nicht zur Unverwertbarkeit des Gutachtens und ist im Rahmen der Be- weiswürdigung zu berücksichtigen. Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 7. Juni 2017, i.S. A. gegen Regierungsrat (WBE.2016.246) Aus den Erwägungen 3. 3.1. In formeller Hinsicht rügt der Beschwerdeführer schliesslich, vor der Erstellung des psychiatrischen Gutachtens sei keine Inpflicht- nahme der Gutachterin erfolgt. Die Sachverständige sei zuvor nicht auf die Wahrheitspflicht, das Amtsgeheimnis und die Neutralitäts- pflicht hingewiesen worden. Auch ein Hinweis auf die Straffolgen des falschen Gutachtens sei unterblieben. Entgegen den vorinstanzli- chen Erwägungen sei die Inpflichtnahme aufgrund des Verweises auf das Zivilprozessrecht Voraussetzung für die Verwertung des Gutach- tens. Die Inpflichtnahme habe sich umso mehr aufgedrängt, als das Gutachten der PDAG nicht durch den Chefarzt Dr. B., sondern durch dipl. psych. C., Psychologin FSP Forensik, erstattet worden sei. Es sei nicht verwertbar. 3.2. Gemäss § 24 Abs. 1 VRPG kann sich die Behörde jener Beweismittel bedienen, die sie nach pflichtgemässem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann insbeson- 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 254 dere Expertisen anordnen (lit. d). § 24 Abs. 4 Satz 1 VRPG verweist auf das Zivilprozessrecht, wenn die Unterschiede der beiden Verfah- rensarten dies nicht ausschliessen. Soweit der Beschwerdeführer vorbringen lässt, die Fachstelle SIWAS der Kantonspolizei hätte die Gutachterin entsprechend Art. 184 Abs. 2 ZPO auf die Strafbarkeit eines falschen Gutachtens nach Art. 307 StGB hinweisen müssen, trifft dies nicht zu. Im erstin- stanzlichen Verwaltungsverfahren unterliegen Sachverständige grundsätzlich keiner Wahrheitspflicht gemäss Art. 307 StGB (vgl. K ASPAR P LÜSS , in: A LAIN G RIFFEL [Hrsg.], Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 3. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2014, § 7 N 74). Die Anwendbarkeit dieses Arti- kels auf Verfahren vor Beamten setzt entsprechend Art. 309 StGB deren ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung zur Zeugenbefragung voraus (vgl. V ERA D ELNON /B ERNHARD R ÜDY , in: Basler Kommen- tar, Strafgesetzbuch II, Art. 111-401 StGB, 2003, Art. 309 N 3). Ge- mäss § 24 Abs. 2 VRPG ist die Zeugeneinvernahme bei Verwal- tungsverfahren nur im Rechtsmittelverfahren zulässig, weshalb die Strafbestimmung im Grundsatz nur dort zur Anwendung gelangt (vgl. AGVE 1986, S. 338). Art. 184 Abs. 2 ZPO betreffend die In- pflichtnahme des Sachverständigen unter Hinweis auf die Straffolgen eines falschen Gutachtens ist somit im erstinstanzlichen Verwal- tungsverfahren grundsätzlich nicht analog anwendbar. Damit können fehlende Hinweise auf die Pflichten von Sachverständigen im Gut- achtensauftrag nicht zur Unverwertbarkeit des Gutachtens führen. Hingegen stellt sich die Frage nach der analogen Anwendbar- keit der übrigen Grundsätze von Art. 183 ff. ZPO, wenn erstinstanz- liche Verwaltungsbehörden gestützt auf § 24 Abs. 1 lit. d VRPG Ex- pertisen anordnen (vgl. A LFRED K ÖLZ /J ÜRG B OSSHART /M ARTIN R ÖHL , Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2. Auflage, Zürich 1999, § 7 N 27 f.). Nachdem der Be- schwerdeführer keine Befangenheit der Gutachterin geltend macht und sich die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs bezüglich der Einholung des Gutachtens als unbegründet erwies, können Vor- schriften betreffend die vorgängige Anhörung (vgl. Art. 183 Abs. 1 Satz 2 und 185 Abs. 2 ZPO) und Ausstandsgründe (vgl. Art. 183 2017 Verwaltungsrechtspflege 255 Abs. 2 ZPO) nicht tangiert sein. Relevant sein können hingegen Modalitäten der Instruktion der sachverständigen Person (vgl. Art. 185 Abs. 1 ZPO) sowie fehlende Hinweise auf deren Pflichten gemäss Art. 184 Abs. 1 ZPO. Das Verwaltungsverfahrensrecht wird von der Untersuchungs- maxime beherrscht, d.h. die Behörden ermitteln den Sachverhalt (un- ter Beachtung der Vorbringen der Parteien) von Amtes wegen und stellen die dazu notwendigen Untersuchungen an (§ 17 Abs. 1 VRPG). Der Sachverhaltsabklärung dient unter anderem die Exper- tise (§ 24 Abs. 1 VRPG). Deren Beweiskraft (bzw. generell das Ergebnis der Untersuchung) würdigt die Behörde frei (§ 17 Abs. 2 VRPG). Die sachverständige Person ist von Gesetzes wegen zur Wahrheit verpflichtet (Art. 184 Abs. 1 ZPO); eines zusätzlichen Hin- weises durch die den Auftrag erteilende Verwaltungsbehörde bedarf es nicht. Die Vorschrift, wonach die sachverständige Person gebüh- rend zu instruieren ist (Art. 185 Abs. 1 ZPO), bildet - im Gegensatz zur Strafbarkeitsbelehrung gemäss Art. 184 Abs. 2 ZPO bei gericht- lichen Gutachten - keine Verwertbarkeitsvoraussetzung. Aus diesen Gründen ist es allein eine Frage der Beweiswürdigung, welche Kon- sequenzen allenfalls daraus zu ziehen sind, dass der Sachverständige nicht explizit auf die Wahrheitspflicht hingewiesen und/oder von der Verwaltungsbehörde nicht gehörig instruiert worden ist. Dasselbe gilt in Bezug auf eine allfällige Verletzung der Ausstandsvorschriften (vgl. Art. 183 Abs. 2 ZPO). Wurden die erwähnten Vorschriften ver- letzt, so ist dem entsprechenden Gutachten unter Umständen ein deutlich geringerer Beweiswert zuzumessen als einem gerichtlichen Gutachten; andernfalls mag der Beweiswert unter Umständen ver- gleichbar sein. Im konkreten Fall darf aufgrund der regelmässig von den PDAG erstatteten Gutachten davon ausgegangen werden, dass deren Verantwortliche mit den Pflichten von Sachverständigen ver- traut sind. Insbesondere sind vorliegend keine Anhaltspunkte für eine fehlende Neutralität der Gutachterin ersichtlich. Weiter ergibt sich aus dem Gutachten, dass der Expertin die Aufgabenstellung hinrei- chend klar war. Aufgrund der Praxis ist überdies notorisch, dass psychiatrischen Begutachtungen durch die PDAG in zahlreichen Ge- bieten des Verwaltungsrechts grosse Bedeutung zukommt. Es ist da- 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 256 her unter formellen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz auf das von der Kantonspolizei angeordnete Gutachten abstellte und diesem einen hohen Stellenwert beimass.
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2005 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 259 VI. Fürsorgerische Freiheitsentziehung 53 Verhältnismässigkeit der fürsorgerischen Freiheitsentziehung trotz fehlender Behandlungsfähigkeit; Anstaltseinweisung zur Sicherstellung der persönlichen Fürsorge. - Geistesschwäche bei Demenz (Erw. 2.3.). - Trotz fehlender Behandlungsfähigkeit ist eine fürsorgerische Frei- heitsentziehung dann verhältnismässig, wenn ein konkretes Fürsor- gebedürfnis vorliegt, welches im ambulanten Rahmen nicht mehr abgedeckt werden kann (Erw. 3.2.2.). - Anstaltsunterbringung zur Sicherung eines menschenwürdigen Da- seins, wenn nötige persönliche Fürsorge nur noch durch langfristigen Aufenthalt in geeigneter Anstalt sichergestellt werden kann (Erw. 3.3.3.). - Psychiatrische Klinik als geeignete Anstalt bei (Alzheimer-) Demenz (Erw. 4.). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 2. Dezember 2005 in Sachen H. Z. gegen Entscheid der Klinik Königsfelden. Sachverhalt H.Z., der mit seiner Lebenspartnerin R.S. in deren Einfamilien- haus zusammen lebt, wurde nach diversen Konflikten vom Be- zirksarzt wegen Hinweisen auf ein fortgeschrittenes dementielles Syndrom in die Klinik Königsfelden eingewiesen. Die Klinikärzte diagnostizierten bei Klinikeintritt eine beginnende Alzheimer-De- menz kombiniert mit depressivem Syndrom. Den ärztlichen Angaben zufolge stünden Gedächtnisstörungen im Vordergrund, zudem be- stehe ein schweres bis mittelgradiges Defizit in der Krankheitsein- sicht und in der Selbstbeurteilung. Der Beschwerdeführer habe in den letzten Jahren eine Wesensveränderung durchgemacht. Im Vor- 2005 Verwaltungsgericht 260 dergrund stehe auch eine Wahnhaftigkeit. Zudem sei ein depressives Syndrom diagnostiziert worden. Der Verlauf sei nicht sehr erfreulich. Der jetzige Zustand sei wohl das Maximum, das erreicht werden könne. Die Desorientierung und die Vergesslichkeit seien Faktoren, welche die Wahnhaftigkeit noch verstärkten. Das sei typisch für De- menzerkrankungen. Der Patient finde Sachen nicht mehr und verar- beite dies wahnhaft. Zusammen mit der fehlenden Impulskontrolle werde der Beschwerdeführer unberechenbar. Aufgrund dieser ärztli- chen Befunde steht für das Verwaltungsgericht die Diagnose einer kortiko-subkortikalen Demenz gemischter Genese (Alzheimer/vasku- lär) fest, was bedeutet, dass eine psychische Krankheit besteht. Aus den Erwägungen 2.3. 2.3.1. Weil die medizinische Betrachtungsweise, d.h. die Frage, ob eine psychische Erkrankung vorliegt, nicht mit der Definition der Geisteskrankheit bzw. Geistesschwäche nach ZGB übereinstimmt, sondern sich letztere nach dem äusseren Erscheinungsbild richtet, kann die juristische Beurteilung von der medizinischen abweichen (AGVE 1985, S. 205 mit Hinweis; Eugen Spirig, in: Zürcher Kom- mentar, Art. 397a - 397f ZGB, Zürich 1995, Art. 397a N 32 mit Hinweisen). 2.3.2. 2.3.2.1. Gemäss einem Bericht des Sozialdienstes X. vom 28. Oktober 2005 sei die Problematik des Beschwerdeführers und R.S. der Gemeinde und dem Sozialdienst schon länger bekannt ge- wesen. Nach ihrer Einschätzung sei der Beschwerdeführer dement. Dies äussere sich in einem extremen Misstrauen, in Wutausbrüchen mit weggeschmissenen Sachen und in Drohungen gegenüber R.S. wie: "Ich zünde das Haus an", "ich jage das Haus in die Luft", "ich besorge mir eine Waffe, dann wirst Du sehen, was passiert". R.S. wünsche sich seit längerer Zeit, dass der Beschwerdeführer ausziehe. Bisher ausgesprochene Kündigungen habe er ignoriert. In letzter Zeit 2005 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 261 habe sich die Situation verschärft. Laut R.S. sei auch ein tätlicher Angriff erfolgt. 2.3.2.2. Anlässlich eines Familiengesprächs in der Klinik Kö- nigsfelden am 8. November 2005 gab R.S. an, der Beschwerdeführer habe sich seit mindestens vier Jahren zunehmend verändert. Be- gonnen habe es damit, dass er beim Autofahren nicht mehr gewusst habe, wohin und er rechts und links verwechselt habe. Trotz Aus- weisentzug im August 2003 sei er weiterhin Auto gefahren, seither sei es "bergab" gegangen. Er habe zunehmend Bestehlungsideen ent- wickelt. Zudem habe er plötzlich geglaubt, das von R.S. 1990 ge- kaufte Haus gehöre ihm. Er habe auch vermehrt sein Geld irgendwo im Haus versteckt, um es nachher nicht mehr zu finden. Insbesondere nachts habe der Beschwerdeführer jeweils Suchaktionen nach ver- schiedenen Dingen gestartet. Es habe in den letzten Jahren und ins- besondere Monaten zunehmend "Auswüchse" im Sinne von Beschul- digungen, Beschimpfungen und aggressiven Ausbrüchen gegeben. Der Beschwerdeführer meinte, er wisse nichts von den Vorfällen. Zudem gehöre das Haus weiterhin ihm. Das sei Diebstahl, wenn das Haus nicht mehr ihm gehören würde. Er wisse auch nichts davon, dass er hätte Miete bezahlen müssen. 2.3.2.3. (...) 2.3.2.4. Gemeindeammann Y. berichtete an der heutigen Ver- handlung, der Beschwerdeführer habe am 28. Oktober 2005 zwei Mal geäussert, dass er R.S. umbringen wolle. Im Vorfeld sei es bereits zu einer Tätlichkeit gekommen. 2.3.2.5. Der Beschwerdeführer wusste anlässlich der Verhand- lung auf sehr viele Fragen keine Antwort zu geben. Zum Beispiel auf die Fragen, welches seine letzte Arbeitsstelle vor der Pensionierung gewesen sei, ob er Vermögen habe, wann seine Scheidung gewesen sei, warum er keinen Kontakt mehr zu seinen Söhnen habe, seit wann er bei R.S. wohne und wie viel Miete er bezahle. Darauf ange- sprochen, ob er mit dem Gedächtnis ein Problem habe, verneinte er und sagte, dass man etwas vergesse, wenn man es vergessen wolle. Bei mehreren Fragen bat er R.S. oder Y., ihm bei der Beantwortung zu helfen. Der Beschwerdeführer gab zu, gedroht zu haben, das Haus von Frau S. anzuzünden und meinte, das sei etwas, das man in einer 2005 Verwaltungsgericht 262 angespannten Diskussion so sage. Obwohl R.S. wünscht, dass der Beschwerdeführer auszieht, äusserte dieser mehrmals, er wolle zu ihr zurückgehen. Auf das Altersheim Z. angesprochen meinte der Be- schwerdeführer, wenn er dahin müsse, dann passiere etwas, eher gehe er in den Rhein als ins Altersheim. Unverständlich war, dass der Beschwerdeführer behauptete, das Einfamilienhaus gehöre ihm und R.S., obwohl er nicht wusste, wer von beiden im Grundbuch eingetragen ist. 2.3.3. Gesamthaft betrachtet zeigen der Bericht des Sozial- dienstes X. vom 28. Oktober 2005, die von der Lebenspartnerin ge- machten glaubwürdigen Schilderungen sowie die Äusserungen des Beschwerdeführers an der Verhandlung erhebliche Auffälligkeiten seiner Denk- und Verhaltensweisen. Da diese schon länger andauern und über weite Strecken befremdend und schwer nachvollziehbar sind, ist zumindest das Vorliegen einer Geistesschwäche im juristi- schen Sinne zu bejahen. 3.1. Allein die Tatsache, dass eine Person an einer Geistes- schwäche im Sinne des ZGB leidet, genügt nicht zur Anordnung und Aufrechterhaltung einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung. Diese einschneidende Massnahme ist nur dann zulässig, wenn das Fürsor- gebedürfnis des Betroffenen unter Berücksichtigung seiner eigenen Schutzbedürftigkeit und der Belastung der Umgebung sie erfordert und andere, weniger weitgehende Vorkehren nicht genügen (Art. 397a Abs. 1 und 2 ZGB; AGVE 1997, S. 240; 1992, S. 276; 1990, S. 223; Thomas Geiser in: Basler Kommentar, ZGB I/2, 2. Auflage, Basel/Genf/München 2002, Art. 397a N 12 f.; Spirig, a.a.O., Art. 397a N 259 f.). 3.2. 3.2.1. Eine Verwaltungsmassnahme muss geeignet sein, das im öffentlichen Interesse angestrebte Ziel zu erreichen (Ulrich Häfe- lin/Georg Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Auflage, Zü- rich/Basel/Genf 2002, Rz. 581). Sie muss im Hinblick auf das im öf- fentlichen Interesse angestrebte Ziel erforderlich sein und darf in sachlicher, räumlicher, zeitlicher und personeller Beziehung nicht über das Notwendige hinausgehen (Häfelin/Müller, a.a.O., Rz. 591, 594) und sie muss durch ein das private überwiegendes öffentliches 2005 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 263 Interesse gerechtfertigt sein (Häfelin/Müller, a.a.O., Rz. 615). Dies gilt auch im Falle einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung. Dass dabei die Verhältnismässigkeit gewahrt werden muss, drückt Art. 397a ZGB mit den Worten aus: "...wenn ihr die nötige persönli- che Fürsorge nicht anders erwiesen werden kann". Die fürsorgerische Freiheitsentziehung muss also ultima ratio bleiben (Spirig, a.a.O., Art. 397a N 258 f.). 3.2.2. In der Regel soll der Klinikaufenthalt eine (meist medi- kamentöse) Behandlung ermöglichen, die notwendig erscheint und wegen des Zustands und Verhaltens der betroffenen Person nicht ambulant erfolgen kann. Das Verwaltungsgericht hat in seiner bishe- rigen Rechtsprechung daher festgehalten, die fürsorgerische Frei- heitsentziehung sei unverhältnismässig, wenn nur vage Aussichten auf einen Behandlungserfolg bestünden und der Betroffene nicht in hohem Masse selbst- oder fremdgefährlich sei (AGVE 1993, S. 310 ff.). Bei Gefahr eines sofortigen Rückfalls könne jedoch keine Ent- lassung erfolgen (AGVE 1994, S. 352 ff.). Es sei - namentlich in schweren Fällen - zu prüfen, ob die Behandlungsfähigkeit der be- troffenen Person gegeben ist. Der mit dem Freiheitsentzug verbun- dene Eingriff in die persönliche Freiheit sei in der Regel unverhält- nismässig, wenn der Freiheitsentzug weitgehend den Charakter einer blossen Verwahrung annimmt (AGVE 1988, S. 265). Diese Recht- sprechung ist zugeschnitten auf die Vielzahl der Fälle fürsorgerischer Freiheitsentziehungen von psychisch kranken Menschen, die in einem akuten Zustand (z.B. wegen Exazerbation einer paranoiden Schizophrenie) in eine Psychiatrische Klinik zur stationären Be- handlung eingewiesen werden. Das Ziel ist in diesen Fällen eine Verbesserung des Zustands und eine Stabilisierung durch medika- mentöse Behandlung, um danach die Patienten wieder aus der Klinik zu entlassen und in einem ambulanten Rahmen weiter zu behandeln. Daneben umfasst Art. 397a ZGB aber auch andere Situationen, in denen einer psychisch kranken (bzw. süchtigen oder verwahrlos- ten) Person die notwendige persönliche Fürsorge nur noch durch eine stationäre Betreuung und Pflege erwiesen werden kann, ansonsten ihr ein menschenwürdiges Leben verunmöglicht wird. Diese Voraus- setzung kann unabhängig vom Vorliegen einer Behandlungsfähigkeit 2005 Verwaltungsgericht 264 erfüllt sein. Zu denken ist beispielsweise an Personen mit einer De- menzerkrankung, welchen aufgrund dieser Geistesschwäche bzw. Geisteskrankheit ein selbständiges Wohnen verunmöglicht ist (z.B. wegen Vergesslichkeit, Orientierungslosigkeit, körperlicher Pflege- bedürftigkeit, Verwahrlosungsgefahr, Selbstgefährdung) und welche an einer Krankheit leiden, die im heutigen Zeitpunkt weder durch Therapie noch durch medikamentöse Behandlung geheilt werden kann. Das Fürsorgebedürfnis solcher Patienten, welche z.B. aufgrund einer Alzheimer-Demenz an einer Geisteskrankheit im juristischen Sinne leiden, kann in einer engmaschigen Betreuung, Pflege und Kontrolle bestehen, die unter Umständen nur noch in einem professionellen stationären Rahmen erwiesen werden kann, weil eine 1:1 Betreuung im privaten Umfeld aufgrund der Belastung der Umgebung einerseits und der Schutzbedürftigkeit des Betroffenen andererseits oft nicht mehr möglich ist. Fehlt es somit an einer ei- gentlichen Behandlungsfähigkeit, so ist im Rahmen der Verhältnis- mässigkeitsprüfung abzuklären, ob das konkrete Fürsorgebedürfnis eine fürsorgerische Freiheitsentziehung rechtfertigt, d.h. ob dieses in einem ambulanten Rahmen nicht mehr abgedeckt werden kann. Diese konstante Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts ent- spricht der neueren Lehre. So führt Elisabeth Scherwey aus: "Die Freiheitsentziehung muss die persönliche Fürsorge sicherstellen und hat die Anstaltsentlassung innert nützlicher Frist herbeizuführen. Eine Relativierung erfährt diese Aussage bei unheilbaren Zuständen, wenn Ziel und Zweck der fürsorgerischen Freiheitsentziehung, näm- lich die Wiedererlangung der Selbstständigkeit und Eigenverant- wortung einer Person, nicht erreicht werden kann, die Anordnung einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung sich aber gleichwohl auf- drängt und rechtfertigt. Dies kann beispielsweise auf Personen mit altersbedingter Verwirrtheit zutreffen. Hier ist die Anstaltsunter- bringung zur Erbringung der notwendigen persönlichen Betreuung und zur Sicherung eines menschenwürdigen Daseins trotz fehlender Behandelbarkeit zulässig. In solchen Einzelfällen steht nicht mehr die Entlassung im Vordergrund, sondern die Sicherung eines men- schenwürdigen Daseins (unter Umständen mit ständigem Aufenthalt in der hiefür geeigneten Anstalt). Welcher Art die persönliche Für- 2005 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 265 sorge zu sein hat und in welchem Umfang sie zu gewähren ist, hängt von den Umständen und Bedürfnissen des Einzelfalles ab" (Elisabeth Scherwey, Das Verfahren bei der vorsorglichen fürsorgerischen Frei- heitsentziehung, Diss. Lachen 2004, S. 15 f.; vgl. auch dazu Geiser, a.a.O, Vor Art. 397a-f, N 9). 3.3. 3.3.1. Am Zustandsbild und am Verhalten des Beschwerdefüh- rers hat sich seit der Abweisung des Entlassungsgesuches am 16. November 2005 bis zur heutigen Verhandlung nichts Wesent- liches verändert. Die medikamentöse Behandlung ändert nichts am Vorliegen einer kortiko-subkortikalen Demenz, sie führt einzig zu einer gewissen Beruhigung des Beschwerdeführers und damit zu einer besseren Sozialverträglichkeit. Die Frage der Rechtsmässigkeit der Abweisung des Entlassungsgesuchs kann deshalb gleichzeitig mit der Frage einer allfälligen Entlassung im Urteilszeitpunkt überprüft werden. Die betroffene Person muss entlassen werden, sobald ihr Zustand es erlaubt (Art. 397a Abs. 3 ZGB; § 67f EG ZGB). Es ist demnach zu prüfen, ob der Beschwerdeführer im heutigen Zeitpunkt entlassen werden kann (AGVE 1992, S. 276, 285; 1990, S. 224; Gottlieb Iberg, Aus der Praxis der fürsorgerischen Freiheitsentzie- hung, in: Schweizerische Juristenzeitung 79/1983, S. 297). 3.3.2. Der Beschwerdeführer verlangt sinngemäss die sofortige Entlassung aus der Klinik, er fühle sich nicht krank und werde in der Klinik zu Unrecht behandelt. Anlässlich der Verhandlung erklärte der Beschwerdeführer, er wolle nach seiner Entlassung zu R.S. zurück. Darauf angesprochen, dass er nicht mehr zu R.S. zurückkönne, meinte der Beschwerdeführer, wenn er das Geld bekomme, das im Haus stecke, dann gehe er in die Ostschweiz. Zudem erwähnte der Beschwerdeführer eine Familie H.. Frau H. habe ihm vor langer Zeit anerboten, er könne zu ihr kommen. Auf das Altersheim Z. ange- sprochen meinte der Beschwerdeführer, dahin wolle er nicht, sonst passiere etwas, dann gehe er eher in den Rhein. 3.3.3. 3.3.3.1. Nach Aussagen des zuständigen Assistenzarztes habe sich das Zustandsbild des Beschwerdeführers seit der Einweisung nicht gross verändert. Der behandelnde Oberarzt fügte an, der jetzige 2005 Verwaltungsgericht 266 Zustand sei wohl das Maximum, das erreicht werden könne. Die Desorientierung und die Vergesslichkeit seien Faktoren, welche die Wahnhaftigkeit verstärkten. Zusammen mit der fehlenden Impuls- kontrolle werde der Beschwerdeführer unberechenbar. Solange der Beschwerdeführer in der Klinik sei und behandelt werde, sei er rela- tiv ruhig, die Situation könne aber schnell eskalieren. Er beurteile die Selbstgefährdung des Beschwerdeführers als hoch, dieser sei sehr impulsiv, das habe mit der vaskulären Komponente der Demenz zu tun. Der Beschwerdeführer habe eine Hemmschwäche, so dass er Impulse direkt umsetze. Dabei handle es sich um eine organische Hirnschädigung, weshalb dies nicht verbessert werden könne. Eine Verlegung ins Altersheim Z. zum jetzigen Zeitpunkt könnte er nicht verantworten, was aber nicht heisse, dass der Beschwerdeführer zu einem späteren Zeitpunkt nicht verlegt werden könnte. 3.3.3.2. Für das Verwaltungsgericht steht aufgrund der Kran- kengeschichte, der ärztlichen Aussagen und des an der heutigen Ver- handlung gewonnenen Eindrucks fest, dass trotz adäquater medika- mentöser Behandlung des Beschwerdeführers nicht mit einem gross- artigen Behandlungserfolg gerechnet werden kann. Alzheimer-De- menz wird durch einen fortschreitenden Verlust von Zellen im Ge- hirn ausgelöst. Bis heute gibt es keine Behandlung, die Alzheimer- Demenz heilen oder aufhalten könnte (vgl. Dörner/Plog/Teller/ Wendt, Irren ist menschlich, Lehrbuch der Psychiatrie/ Psychothera- pie, Bonn, 2002, S. 417). Der Beschwerdeführer ist aufgrund seiner Vergesslichkeit, wahnhaften Verarbeitung und fehlenden Impulskon- trolle fürsorgebedürftig. Diese drei Komponenten verunmöglichen ein selbstständiges Wohnen. Glaubwürdig schilderte die Lebens- partnerin die Abhängigkeit des Beschwerdeführers sowie sein Un- vermögen, selbstständig einen Haushalt zu führen. Auch an der Ver- handlung zeigten sich massive Defizite der Gedächtnisleistung, die Verstärkung der Wahnsymptomatik aufgrund der Vergesslichkeit und die glaubwürdige Suizidandrohung, falls der Beschwerdeführer beispielsweise ins Altersheim Z. verlegt würde. Unter diesen Um- ständen ist trotz der Diagnose einer leichten bis mittelgradigen Demenz eine engmaschige Betreuung notwendig, die ausserhalb einer geschlossenen Anstalt eine 1:1 Betreuung rund um die Uhr mit 2005 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 267 zusätzlicher fachlicher Hilfe bedeuten würde. Das Fürsorgebedürfnis des Beschwerdeführers wurde in den letzten Jahren von R.S. erfüllt. Dies erweist sich heute aber als unmöglich. R. S. äusserte anlässlich der Verhandlung, es sei definitiv, dass der Beschwerdeführer nicht zu ihr zurückkehren könne, sie habe Angst vor ihm. Zudem erlaubt es ihr Gesundheitszustand nicht, dem Beschwerdeführer die notwendige persönliche Fürsorge zukommen zu lassen. Eine Entlassung ins Einfamilienhaus von R.S. kommt somit nicht in Frage. Eine andere Möglichkeit im Umfeld des Beschwerdeführers gibt es nicht. Die nötige persönliche Fürsorge kann offensichtlich nur durch einen langfristigen Aufenthalt in einer geeigneten Anstalt sichergestellt werden. Eine weitere stationäre Betreuung und kontrollierte Medikation kann dem Beschwerdeführer auf längere Sicht mehr Freiheiten und eine bessere Lebensqualität ermöglichen als eine Entlassung. 3.4. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Aufrechterhal- tung der fürsorgerischen Freiheitsentziehung gerechtfertigt und verhältnismässig ist. 4. 4.1. Die Unterbringung muss in einer "geeigneten Anstalt" er- folgen. Zu diesem Begriff gibt es keine Legaldefinition. Der mit der fürsorgerischen Freiheitsentziehung verfolgte primär therapeutische Zweck gibt jedoch hinreichend darüber Aufschluss, was unter einer geeigneten Anstalt zu verstehen ist. Eine Anstalt ist dann "geeignet", wenn sie mit den ihr normalerweise zur Verfügung stehenden orga- nisatorischen und personellen Mitteln in der Lage ist, wesentliche Bedürfnisse nach Fürsorge und Betreuung des Eingewiesenen zu befriedigen (BGE 112 II 487 f.). Dabei muss das konkrete Behand- lungskonzept genügend Erfolg versprechen, d.h. die Aussicht be- stehen, dass die Gründe, welche zur Einweisung führten, auf irgend eine Weise behoben oder doch zumindest mit einer gewissen Er- folgsaussicht behandelt werden können. Eine Anstalt, welche diese Anforderungen nicht erfüllt, kann nicht als "geeignet" angesehen werden (Spirig, a.a.O., Art. 397a N 129 f., 203, 205; AGVE 1993, S. 316 mit Hinweisen; 1992, S. 279). 2005 Verwaltungsgericht 268 Es handelt sich bei diesem Begriff um ein eigenes Tatbe- standsmerkmal. Deshalb ist die fürsorgerische Freiheitsentziehung in Fällen, wo eine Anstaltsunterbringung zwar grundsätzlich gerechtfer- tigt und angezeigt wäre, aber keine geeignete und zur Aufnahme des Betroffenen bereite oder verpflichtete Anstalt gefunden werden kann, unzulässig. Eine Einweisung in eine nicht geeignete Anstalt würde zudem eine untaugliche Massnahme darstellen und damit auch gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit verstossen (AGVE 1993, S. 317; Gottlieb Iberg, Aus der Praxis der fürsorgerischen Freiheits- entziehung, in: Schweizerische Juristenzeitung 79/1983, S. 296 f. mit Hinweisen). 4.2.Es stellt sich die Frage, ob die Klinik Königsfelden eine ge- eignete Anstalt für die Unterbringung des Beschwerdeführers ist, oder ob es eine besser geeignete Institution gibt. Das Verwaltungsgericht stimmt dem zuständigen Oberarzt zu, dass momentan aufgrund der fehlenden Impulskontrolle in Verbin- dung mit der Wahnsymptomatik des Beschwerdeführers sowie unter Berücksichtigung der Belastung für die Umgebung ein Übertritt in ein offenes Pflegeheim wie z.B. das Altersheim Z. nicht in Frage kommt. Dabei wäre das Risiko sehr gross, dass der Beschwerdefüh- rer aus der offenen Institution entweichen und sich selbst gefährden würde bzw. dass er versuchen würde, R.S. aufzusuchen und sie zu drängen, ihn wieder aufzunehmen. Vorderhand ist die Klinik Königs- felden die geeignete Anstalt, da hier die Möglichkeit besteht, den Beschwerdeführer in einem geschlossenen Teil unterzubringen und nötigenfalls - z.B. bei Impulsdurchbrüchen oder akuter Suizidalität - adäquate Zwangsmassnahmen anzuordnen. Eine konstante psychia- trische Betreuung ist sodann in der aktuellen Phase ebenfalls notwen- dig, weshalb keine andere Institution als die Klinik Königsfelden geeignet ist, dem Beschwerdeführer die notwendige persönliche Fürsorge zu erweisen. 4.3. Zusammenfassend ergibt sich, dass es zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Alternative zu einer stationären Behandlung und Betreuung des Beschwerdeführers in der Klinik Königsfelden gibt, weshalb die Beschwerde abzuweisen ist.
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AG_VG_001
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AG_VG_001_AGVE-2005-53_2005-12-01
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2005 Verwaltungsgericht 292 [...] 60 Verweigerung der materiellen Hilfe wegen fehlender Notlage. - Die Haltung der Hilfe suchenden Person und ihr fehlender Wille zur Aufnahme einer Arbeitstätigkeit schliessen einen Anspruch auf ma- terielle Hilfe nicht grundsätzlich aus (Erw. 2.4). - Aufgrund des Eingriffs in die Existenzsicherung der gesuchstellenden Person bedarf die Verweigerung materieller Hilfe einer eingehenden 2005 Sozialhilfe 293 und sorgfältigen Prüfung der arbeitsmarktlichen Chancen und der konkreten finanziellen Situation (Erw. 2.5 und 2.6). Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 12. August 2005 in Sachen R.H. gegen das Bezirksamt Baden. Aus den Erwägungen 2.4. Der Rechtsanspruch auf Sozialhilfe besteht nach der Ver- fassung (Art. 12 BV und § 39 KV) und den gesetzlichen Be- stimmungen für die Existenzsicherung (§ 4 Abs. 1 SPG i.V.m. § 3 Abs. 1 SPV) unter der Voraussetzung, dass eine Notlage besteht und derjenige, der in Not gerät, nicht in der Lage ist, rechtzeitig für sich zu sorgen (BGE 130 I 71 Erw. 4.3, 121 I 367 Erw. 3c und d; BGE vom 4. März 2003 [2P.148/2002], Erw. 2.3; Jörg Paul Müller, Grund- rechte in der Schweiz, 3. Auflage, Bern 1999, S. 169 ff.). Das Recht auf die Existenzsicherung durch die Sozialhilfe entlastet den Einzel- nen nicht von der Verpflichtung, die eigene Arbeitskraft zu mobili- sieren und die Sozialhilfe erst in Anspruch zu nehmen, wenn er objektiv darauf angewiesen ist (vgl. Kathrin Amstutz, Das Grund- recht auf Existenzsicherung, Bern 2002, S. 172). Die unterstützungs- bedürftige Person hat somit kein Wahlrecht zwischen dem Einsatz der eigenen Arbeitskraft und der Inanspruchnahme der Sozialhilfe (Richtlinien für die Ausgestaltung und Bemessung der Sozialhilfe, herausgegeben von der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe [SKOS-Richtlinien], Dezember 2000, Kapitel A.4). Andererseits sind für den Anspruch auf materielle Hilfe die Gründe, welche zur Notlage einer Hilfe suchenden Person führten, für die Gewährung materieller Unterstützung weder bei der Prüfung der Anspruchsvoraussetzung ("Notlage") noch für die Festsetzung der materiellen Hilfe relevant (vgl. BGE 121 I 367 Erw. 3b). Die Haltung des Beschwerdeführers und sein fehlender Wille zur Auf- nahme einer Arbeitstätigkeit schliessen daher einen Anspruch nicht grundsätzlich aus. Entscheidend ist, ob der Beschwerdeführer bei objektiver Betrachtungsweise in der Lage ist, durch eigene Bemü- 2005 Verwaltungsgericht 294 hungen eine finanzielle Notlage zu beheben, welche eintreten kann, sobald die elterliche Unterstützung entfällt. 2.5. Der Entscheid der Kerngruppe A stellt im Ergebnis eine Verweigerung der materiellen Unterstützung in einer möglichen tatsächlichen Notlage dar. Die Verweigerung materieller Hilfe in einer Notlage unterliegt verfassungsrechtlichen Schranken. Nach Art. 12 BV dürfen einer bedürftigen Person diejenigen Mittel, wel- che für eine menschenwürdige Existenz notwendig sind, unter keinen Umständen entzogen werden. Der Kerngehalt der Verfassungsbe- stimmung garantiert damit ein (absolutes) Existenzminimum, in das behördliche Eingriffe untersagt sind. Kürzungen der materiellen Hilfe sind gemäss § 15 Abs. 2 SPV in zeitlicher und betraglicher Hinsicht begrenzt zulässig. Vorbehalten bleibt nur der Rechtsmissbrauch (§ 15 Abs. 2 Satz 3 SPV). Gemäss § 15 Abs. 4 Satz 2 SPV ist der Rechtsmissbrauch - nicht ab- schliessend - mit einem Verhalten definiert, das einzig darauf ausge- richtet ist, in den Genuss von materieller Hilfe zu gelangen. Entsprechend dem Eingriff in das Verfassungsrecht bedarf die Verweigerung materieller Hilfe zufolge fehlender Anspruchsvoraus- setzungen einer eingehenden und sorgfältigen Prüfung. Ein Verlust des Rechts bei Rechtsmissbrauch wird nur in Ausnahmefällen in Frage kommen (vgl. BGE 130 I 71 Erw. 4.3.; 121 I 367 Erw. 3b und c; Botschaft über eine neue Bundesverfassung vom 20. November 1996, BBl 1997 I 150). Damit untersteht auch die Nichtgewährung bzw. Verweigerung von Sozialhilfeleistungen grundsätzlich den SKOS-Richtlinien und dem für Leistungskürzungen vorgesehenen Regime (vgl. SKOS-Richtlinien, Kapitel A.8.3). Bei der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen der materiellen Hilfe, insbesondere einer Notlage, die wegen ungenügender Selbsthilfe verneint wird, drängt sich ein analoges Vorgehen nach den Bestimmungen der Kürzung und Verweigerung wegen Rechtsmissbrauchs auf. Bei der Abklärung des Sachverhalts, insbesondere des Rechtsmissbrauchs, gilt ein strenger Massstab, da in die Existenzsicherung einer gesuchstellen- den Person eingegriffen wird. Immerhin ist festzuhalten, dass dem Beschwerdeführer bei der Abklärung von Amtes wegen (§ 20 VRPG) Mitwirkungspflichten obliegen (§ 21 VRPG; AGVE 2002, S. 431). 2005 Sozialhilfe 295 Den für Rechtsmissbrauch anwendbaren Massstab sowie die Regeln über die Kürzung gilt es auch bei der Prüfung der Notlage einzuhalten. 2.6. Den bisherigen Akten lässt sich zur konkreten finanziellen Situation des Beschwerdeführers und zu seinen arbeitsmarktlichen Chancen wenig entnehmen. So ist unklar, ob die Eltern des Be- schwerdeführers per Ende August 2004 oder zu einem späteren Zeit- punkt die Unterstützungsleistungen tatsächlich eingestellt haben. Ebenso wenig ist ersichtlich, welche realen Möglichkeiten der Be- schwerdeführer hat, um als Tennislehrer eine Teilzeitanstellung zu finden. (...) Fraglich ist schliesslich, wie sich die vom Beschwerde- führer vorgetragenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf seine Möglichkeiten zur Tätigkeit als Tennislehrer auswirken. Bestehen aber für den Beschwerdeführer keine realen Aussichten, sich als Tennislehrer zu betätigen, kann das Gesuch um materielle Hilfe nicht unter Hinweis auf diese Selbsthilfemöglichkeit abgewiesen werden. Zulässig ist in solchen Fällen, dem Beschwerdeführer Auflagen und Weisungen zu erteilen und ihm gleichzeitig die Kürzung der mate- riellen Hilfe bei Missachtung solcher Weisungen anzudrohen. Den Akten lässt sich auch nicht entnehmen, dass für den Be- schwerdeführer andere Arbeitsstellen objektiv in Frage kommen, wobei auch die eindeutigen Hinweise auf bestehende psychische Probleme noch zu prüfen sind, da sie geeignet erscheinen, die Chan- cen des Beschwerdeführers auf dem Arbeitsmarkt zu beeinträchtigen. Jedenfalls erlauben die Akten nicht zwingend den Schluss, der Be- schwerdeführer habe es ausschliesslich darauf angelegt, keiner Er- werbstätigkeit nachzugehen und von der Sozialhilfe zu leben (vgl. oben Erw. 2.4).
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2000 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 175 [...] 48 Verhältnismässigkeit von Zwangsmedikationen; Notfallmassnahmen nach Patientendekret im Rahmen fürsorgerischer Freiheitsentziehung be- schwerdefähig? Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 13. Juni 2000 in Sachen D.V. gegen Verfügung des Bezirksarzt-Stellvertreters L. und Ent- scheide der Klinik Königsfelden. Aus den Erwägungen 3. a) Die Beschwerdeführerin wurde erstmals am 23. Mai 2000 als Notfallmassnahme mit 150 mg Clopixol acutard intramuskulär und einer Ampulle Temesta à 4 mg intravenös zwangsmediziert. Mit Zwangsmassnahme-Entscheid vom 26. Mai 2000 ordnete die Klinik eine Behandlung der Beschwerdeführerin mit Clopixol-Depot 250 mg intramuskulär und Clopixol acutard 150 mg intramuskulär an. Als Grund für die Massnahme wurde angegeben: "Verweigerung jeglicher Medikation bei aggressivem, fremdgefährlichen Zustands- bild". b) Wie bereits aufgezeigt, sind die Voraussetzungen einer für- sorgerischen Freiheitsentziehung erfüllt und es ist erstellt, dass die Beschwerdeführerin an einer chronischen paranoiden Schizophrenie leidet. Es bleibt daher zu prüfen, ob die angefochtene Zwangsbe- 2000 Verwaltungsgericht 176 handlung in einem sachlichen Zusammenhang mit dieser Geistes- krankheit steht, medizinisch indiziert und verhältnismässig ist. 4. Die Beschwerdeführerin wurde seit 1988 in mehr oder weni- ger regelmässigen Abständen im Zusammenhang mit der bei ihr festgestellten Schizophrenie immer wieder medikamentös behandelt. Nach ihrer ersten Hospitalisation in der Klinik Königsfelden wurde sie über Jahre mit Fluanxol-Depot behandelt. Sie brach diese Be- handlung zu einem nicht genau bestimmbaren Zeitpunkt aufgrund der Nebenwirkungen wieder ab und musste in der Folge erneut in die Klinik eingewiesen werden. Nach ihrem Austritt leistete sie der Empfehlung der Klinik, unter ärztlicher Kontrolle Clopixol Depot einzunehmen, keine Folge und setzte auch eine anderweitige Medi- kation nach kurzer Zeit wieder ab, weil sie von den "ovalen, braune Kapseln" angeblich müde wurde. Genauere Angaben zu diesem Zeit- raum liegen nicht vor. Der Vorfall, welcher zu ihrer erneuten, aktuel- len Hospitalisation führte, und der gesamte Krankheitsverlauf bewei- sen, dass die Beschwerdeführerin zur Stabilisierung ihres Zustandes und zur Behandlung der Schizophrenie einer medikamentösen Be- handlung bedarf. Insofern und auch nach Ansicht des Fachrichters ist erwiesen, dass die von der Klinik verfügte Zwangsbehandlung im Zusammenhang mit der bei der Beschwerdeführerin vorliegenden paranoiden Schizophrenie steht und medizinisch indiziert ist. 5. a) aa) Eine neuroleptische Zwangsmedikation stellt zweifel- los einen schweren Eingriff in die persönliche Freiheit dar und darf daher nur erfolgen, wenn der Beschwerdeführerin die notwendige Fürsorge auf andere Weise nicht gewährleistet werden kann. Die Zwangsbehandlung kann nur verhältnismässig sein, wenn die per- sönliche Freiheit der Beschwerdeführerin auf längere Sicht durch die Verabreichung dieser Medikamente eindeutig weniger eingeschränkt wird als durch andere erforderliche Ersatzmassnahmen. So hat auch das Bundesgericht ausgeführt, eine Zwangsmedikation berühre den Kerngehalt des Grundrechtes der persönlichen Freiheit, weshalb von einer derart weitgehenden Massnahme nur mit der gebotenen Zu- 2000 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 177 rückhaltung Gebrauch gemacht werden dürfe. Damit der Richter in der Lage sei, die Verhältnismässigkeit solcher Eingriffe zu beurtei- len, seien an die Aussagekraft einer Krankengeschichte hohe Anfor- derungen zu stellen. Je schwerer ein Eingriff wiege, desto sorgfälti- ger sei er folglich zu begründen (BGE 124 I 304). In der Lehre wird überdies die Meinung vertreten, dass das Verhältnismässigkeitsprin- zip für eine Zwangsbehandlung voraussetzt, dass die Vorteile der Massnahme die Nachteile eindeutig überwiegen (Thomas Geiser, Die fürsorgerische Freiheitsentziehung als Rechtsgrundlage für eine Zwangsbehandlung?, in: Familie und Recht, Festgabe der Rechtswis- senschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg für Bernhard Schnyder, Freiburg 1995, S. 311). bb) Grundsätzlich bedarf jede Behandlung und jeder medizini- sche Eingriff der Zustimmung des betreffenden Patienten, in Notfäl- len darf die Zustimmung vermutet werden (§ 15 Abs. 1 und 3 PD). Die Vermutung der Zustimmung rechtfertigt vorerst einen sofortigen notfallmässigen Eingriff, schliesst indes die nachträgliche Verhält- nismässigkeitsprüfung der zwangsweise angewandten Massnahme nicht aus. § 67e bis Abs. 1 EG ZGB bezieht sich konkret auf Be- handlungen und Vorkehrungen, die - unter gegebenen Voraussetzun- gen - gegen den Willen der betroffenen Person im Rahmen einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung in der Psychiatrischen Klinik Königsfelden vorgenommen werden. Damit muss § 67e bis EG ZGB als lex specialis § 15 PD vorgehen. Auch trat § 67e bis EG ZGB am 3. Dezember 1999 als lex posterior im Wissen um die älteren Rege- lungen des Patientendekrets (Inkrafttreten: 1. September 1990) in Kraft (vgl. Ulrich Häfelin/Georg Müller, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 3. Auflage, Zürich 1998, Rz. 179). Auch der Rechtsschutzgedanke verlangt, dass eine notfallmässig angewandte Zwangsbehandlung ebenfalls der Verhältnismässigkeitsprüfung zu unterstellen ist. Somit muss eine notfallmässig durchgeführte Zwangsbehandlung allen gesetzlichen Voraussetzungen genügen und 2000 Verwaltungsgericht 178 unterliegt insbesondere auch der Beschwerdemöglichkeit gemäss § 67e bis Abs. 4 EG ZGB. b) Die erstmalige als Notfallintervention erfolgte Zwangsbe- handlung vom 23. Mai 2000 ist gesondert von der am 26. Mai 2000 ordnungsgemäss von der PKK verfügten Zwangsmassnahme zu prü- fen. Die Beschwerdeführerin zeigte am 23. Mai 2000 ein stark psy- chotisches Zustandsbild und hat durch ihr Verhalten mehrere Ange- stellte der PKK massiv gefährdet, worauf eine notfallmässige Zwangsbehandlung als unumgänglich erachtet wurde. Weil sich die hochgradig psychotische und fremdgefährliche Beschwerdeführerin nach der Flucht der Psychiatrie-Lehrschwester alleine mit den übri- gen Insassen auf der geschlossenen Abteilung befand, lag eine Aus- nahmesituation vor, die ein schnelles Eingreifen erforderlich machte. Die Tatsache, dass sich die Beschwerdeführerin nach erfolgter Zwangsmedikation innert kurzer Zeit beruhigte und damit die Situa- tion entschärft werden konnte, belegt, dass die Zwangsmassnahme geeignet war und zum gewünschten Resultat führte. Unter den ge- schilderten Umständen und in Anbetracht der Tatsache, dass die Be- schwerdeführerin nur mit Hilfe mehrer Leute überwältigt werden konnte und dabei versuchte, einer Person in den Hals zu beissen, kam kein milderes Mittel als eine Zwangsmedikation in Betracht. Im vorliegenden Fall war die Anordnung einer Zwangsmassnahme auch im Hinblick auf das Schutzbedürfnis der übrigen Insassen der ge- schlossenen Abteilung und des Klinikpersonals angebracht (vgl. § 67e bis Abs. 1 EG ZGB; § 15 Abs. 1 und 3 PD). Die notfallmässige durchgeführte Zwangsbehandlung vom 23. Mai 2000 genügt somit den gesetzlichen Anforderungen und ist als zulässig zu erachten. c) Weil die Beschwerdeführerin weiterhin aggressiv und fremd- gefährlich erschien und jegliche Medikation verweigerte, entschied die Klinik am 26. Mai 2000, die Beschwerdeführerin gegen ihren Willen mit Clopixol Depot 250 mg und Clopixol acutard 150 mg zu behandeln (Zwangsmassnahmen-Entscheid vom 26. Mai 2000). Ins- gesamt erhielt die Beschwerdeführerin bereits drei kurz wirksame 2000 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 179 und zwei lang wirksame Spritzen, die nächste Depotspritze war für den 19. Juni 2000 vorgesehen. Der behandelnde Oberarzt führte anlässlich der Verhandlung aus, dass die Aggressionen nicht auf die Behandlung zurückzuführen seien, sondern immer dann auftreten würden, wenn das Klinikpersonal die Wünsche der Beschwerdefüh- rerin nicht erfülle. Zudem sei von der Behandlung eine erhebliche Besserung und auch eine Krankheitseinsicht zu erwarten. Er sei nach wie vor von der Notwendigkeit der Zwangsbehandlung überzeugt. Nach der nächsten Depotspritze vom 19. Juni 2000 sei allenfalls ein "Gentleman-Agreement" mit der Beschwerdeführerin denkbar. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass ein Abbruch der medika- mentösen Behandlung regelmässig zu einer erneuten Exazerbation der bestehenden chronischen paranoiden Schizophrenie führte. Weil die Beschwerdeführerin dies aber selbst nicht einsieht und sich kon- stant weigert, ihre Medikamente freiwillig einzunehmen, besteht keine andere Möglichkeit als die Zwangsmedikation, um ihr die nö- tige Fürsorge zukommen zu lassen. Namentlich in Anbetracht der prognostizierten guten Besserungschancen und der gleichzeitigen schlechten Compliance der Beschwerdeführerin, scheint eine medi- kamentöse Behandlung, wenn nötig während einer gewissen Zeit auch gegen den Willen der Beschwerdeführerin, ein geeignetes und erfolgsversprechendes Mittel hierzu. Ohne entsprechende Behand- lung hätte die Beschwerdeführerin mit einem wesentlich längeren Zwangsaufenthalt in der Klinik zu rechnen. d) Zusammenfassend ist die Beschwerde gegen die von der Klinik am 23. Mai durchgeführten bzw. 26. Mai 2000 angeordneten Zwangsmassnahmen abzuweisen. Die Zwangsmassnahmen stehen in einem sachlichen Zusammenhang mit der paranoiden schizophrenen Erkrankung der Beschwerdeführerin, sind medizinisch indiziert und verletzen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit nicht.
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2009 Bau-,Raumplanungs-undUmweltschutzrecht 153 IV. Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 31 Gestaffelte und terrassierte Bauweise - Begriffe der Staffelung und der Terrassierung im Sinne von § 12 Abs. 3 Satz 2 ABauV. Anwendungsfall einer gestaffelten Baute. Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 2. März 2009 in Sachen G. gegen das Departement Bau, Verkehr und Umwelt (WBE.2008.161). Aus den Erwägungen 2.2. 2.2.1. Allseits unbestritten ist, dass sich das geplante Gebäude in einer Hanglage (vgl. § 12a ABauV) befindet. Am Hang werden Gebäude- höhe, Firsthöhe und Geschosszahl talseitig gemessen (§ 12 Abs. 3 Satz 1 ABauV). Bei gestaffelten und terrassierten Bauten werden sie für jeden Gebäudeteil einzeln gemessen (§ 12 Abs. 3 Satz 2 ABauV). Mit dieser Sonderregelung wird bezweckt, Treppenüberbauungen an Hanglagen zu ermöglichen. Andernfalls würden nämlich die Höhen- vorschriften der Nutzungsordnung regelmässig bei Weitem über- schritten. Rechtfertigen lässt sich dabei die auf den einzelnen Gebäu- deteil bezogene Betrachtungsweise deshalb, weil der Eindruck einer einheitlichen Gebäudefront bei derartigen Treppenüberbauungen wegen der Versetzung der einzelnen Gebäudestufen und deren An- lehnung an den Hangverlauf massgeblich abgeschwächt wird; dies ist denn auch der Grund, weshalb die Praxis die Voraussetzung geschaf- fen hat, dass die Terrassenfläche ein bestimmtes Verhältnis zur Wohnfläche nicht unterschreiten darf (siehe nachfolgend Erw. 2.2.2.). § 12 Abs. 3 Satz 2 ABauV ist also auf eine ganz be- stimmte Art von Bauten, nämlich eben Treppenbauten an Hanglagen, bei denen die versetzte Anordnung der einzelnen Gebäudestufen auf 2009 Verwaltungsgericht 154 einem baulichen Sachzwang beruht, zugeschnitten (AGVE 2005, S. 156 mit Hinweis). 2.2.2. Zu den Begriffen der gestaffelten bzw. terrassierten Bauweise (siehe § 12 Abs. 3 Satz 2 ABauV) lässt sich Folgendes festhalten: Eine "Staffelung" liegt vor, wenn der betreffende Bauteil oder -körper sich in einem gewissen Masse optisch verselbständigt hat; andernfalls liesse es sich nicht rechtfertigen, die Bauhöhen und die Geschosszahl einzeln, separat zu messen. Massgebend muss danach das äussere Erscheinungsbild einer Baute sein (AGVE 1999, S. 215 f. mit Hinweis; VGE III/103 vom 9. Dezember 2002 [BE.2001.00378/BE.2002.00053], S. 17). Eine Staffelung kann etwa vorliegen bei markant unterschiedlichen Gebäudeformen, Propor- tionen oder versetzter Anordnung der verschiedenen Gebäudeteile (vgl. Handbuch zum Bau und Nutzungsrecht [BNR], 2. Auflage, Aarau 2003, Ziff. 4.3.1). Als "terrassiert" gelten der Hangneigung nach erstellte Gebäu- destufen von einem oder mehreren übereinanderliegenden Geschos- sen, wobei jede Stufe in der Regel eine selbständige Wohneinheit nach dem Modell eines Einfamilienhauses bildet. Die einzelnen Ge- bäudestufen der Terrassenbaute liegen also senkrecht übereinander, wenn auch nur teilweise; deshalb gelten sie nicht als "senkrecht übereinander liegend". Der Raum über der unteren Stufe dient dabei der oberen Stufe als verhältnismässig geräumiger Vorplatz oder Garten, nicht bloss als überdimensionierter Balkon. Die Terrasse muss daher eine minimale Grösse im Verhältnis zum Volumen des Hauses, dem sie dient, aufweisen, um ihre Funktionen überhaupt er- füllen zu können; die Regel ist hier ein Verhältnis von Terrassen- fläche zur Wohnfläche von mindestens 1:3. Senkrecht übereinander befinden sich demgegenüber Geschosse, die praktisch mit der ganzen Fläche übereinander liegen, mit Ausnahme von Vorbauten wie Treppen, Erkern, Balkonen oder Gebäudevorsprüngen oder ent- sprechenden nebensächlichen Rückversetzungen (AGVE 2005, S. 155 mit Hinweisen; AGVE 1997, S. 330 mit Hinweisen; VGE III/55 vom 31. August 2006 [WBE.2005.289], S. 7; VGE III/152 vom 14. Dezember 2000 [BE.1999.00270], S. 10). 2009 Bau-,Raumplanungs-undUmweltschutzrecht 155 2.2.3. Gestützt auf die bei den Akten liegenden Fotos des Baumodells sowie die Projektpläne ist festzustellen, dass die treppenförmige Baute visuell aus drei versetzt angeordneten, verselbständigten Ge- bäudeteilen bzw. -kuben besteht: - Den untersten und westlichsten Gebäudeteil bildet der Kubus bestehend aus den beiden Wohneinheiten im Erdgeschoss und im 1. Obergeschoss (jeweils inkl. deren Kellerräumlichkeiten). Diese beiden Wohneinheiten bilden optisch eine Einheit. - Den mittleren, zweiten Gebäudeteil bildet die Wohneinheit im 2. Obergeschoss sowie die dazugehörenden Keller- / Eingangs- räumlichkeiten, welche auf der Ebene des 1. Obergeschosses liegen. Dieser Gebäudeteil liegt von der Bergseite her ""-för- mig auf dem untersten Kubus. Gleichzeitig ist er gegenüber dem darunter liegenden Gebäudekubus als Ganzes um 1.5 m Richtung Osten versetzt. - Der oberste, dritte Gebäudeteil besteht aus der Wohneinheit im 3. Obergeschoss (als "Attika" bezeichnet), welche auf der Ebene des 2. Obergeschosses über weitere Räumlichkeiten und auf der Ebene des 1. Obergeschosses über Kellerräume verfügt, sich mithin über drei Stockwerke erstreckt. Diese Wohneinheit bzw. dieser Gebäudeteil liegt von der Bergseite her ""-förmig auf dem Gebäudeteil mit der Wohneinheit des 2. Obergeschosses. Gleichzeitig ist der Gebäudeteil gegenüber dem darunter lie- genden Gebäudeteil um 1.5 m Richtung Osten versetzt. Da die treppenförmig übereinander liegenden Gebäudeteile bzw. -kuben gleichzeitig je seitlich versetzt angeordnet sind, tritt die Baute optisch als eine aus drei verselbständigten Baukörpern bestehende Baute in Erscheinung. Der unterste Gebäudekubus beherbergt die untersten zwei Wohneinheiten und die beiden treppenförmig darüber liegenden, gleichzeitig je seitlich um 1.5 m Richtung Osten ver- setzten Gebäudekörper bestehen je aus einer abgeschlossenen Wohneinheit. Dies zeigen die Fotos des Baumodells und die Fassadenpläne illustrativ auf. Von der äusseren Erscheinung her ist die Baute mithin gestaffelt aufgebaut (unabhängig davon, ob die treppenförmige Anordnung eine "Terrassierung" darstellt); sie be- 2009 Verwaltungsgericht 156 steht aus drei verselbständigten Gebäudeteilen bzw. -körpern, welche am Hang seitlich versetzt angeordnet sind. Aufgrund der gestaffelten Bauweise sind Gebäudehöhe, Firsthöhe und Geschosszahl für jeden Gebäudeteil einzeln zu messen (§ 12 Abs. 3 ABauV). Die Parameter sind somit bei den Koten 436.89, 438.02 und 439.40 je neu zu messen. Dabei ist festzustellen, dass der hinterste bzw. oberste Gebäudekörper bei Kote 439.40 dreigeschossig ist, was in der HW2 unzulässig ist.
1,530
1,182
AG_VG_001
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AG_VG_001_AGVE-2009-31_2009-03-03
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2017 Steuern 99 [...] 16 Liegenschaftsunterhaltskosten (§ 39 Abs. 2 StG) Umbau von Ein- in Zweifamilienhaus als umfassende Instandstellung, bei welcher kein Unterhaltsabzug gewährt wird (kein Unterhaltsanteil; Quasi-Neubau-Praxis) Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 3. Juli 2017, i.S. R.J. und B.J. gegen KStA (WBE.2017.21) Aus den Erwägungen 1. 1.1. Streitgegenstand bildet die Höhe der abzugsfähigen Unterhalts- kosten für die Liegenschaft bei der Kantons- und Gemeindesteuer 2012. In diese Periode fallen von den gesamten Kosten von Fr. 1'250'000.00 lediglich Fr. 26'407.00. Das Spezialverwaltungs- gericht ging davon aus, dass es sich beim Umbau der Liegenschaft um eine umfassende Instandstellung handelte, welche sämtliche we- sentlichen Bereiche der Liegenschaft betraf und deren Nutzungswert im Vergleich zum Standard beim Erwerb erheblich erhöhte. Es taxierte die Renovation im Sinne einer Gesamtbetrachtung als wert- vermehrende Investition und dementsprechend als nicht abziehbar. 1.2. Die Beschwerdeführer machen geltend, die Renovations- resp. Umbaukosten hätten Fr. 830'000.00 betragen und nicht Fr. 1'250'000.00. Die Kosten für den Anbau, den alleinstehenden Carport sowie die Kosten im Zusammenhang mit dem abparzellier- 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 100 ten Grundstück (Teichanlage, Stützmauer) seien nicht zu berück- sichtigen. Für diese habe man auch keinen Abzug verlangt. Die Lie- genschaft sei dauernd bewohnt und in einem gut unterhaltenen Zu- stand gewesen; wenn auch nicht mehr dem heutigen Standard entsprechend. Der Standard der Liegenschaft habe sich mit dem Um- bau nicht erhöht und der umgebaute Teil habe keine Wertsteigerung erfahren. Die Kosten seien daher zum Abzug zuzulassen. 2. 2.1. Das Spezialverwaltungsgericht hat die gesetzlichen Grundlagen zu den abzugsfähigen und nicht abzugsfähigen Kosten von Arbeiten an Liegenschaften richtig dargestellt. Auch der Hinweis, wonach bei der Ausscheidung von werterhaltenden und wertvermehrenden Auf- wendungen grundsätzlich eine Einzelbetrachtung und nur ausnahms- weise eine Gesamtbetrachtung erfolgt, ist korrekt und lediglich mit einem Verweis auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu ergän- zen (Urteil vom 4. September 2014 [2C_153/2014] Erw. 2.2 mit zahlreichen Hinweisen). 2.2. Beim Entscheid, ob es sich um nicht abziehbare Um- und Aus- baukosten oder um abziehbare Liegenschaftsunterhaltskosten han- delt, ist der Zweck der baulichen Massnahme wegleitend. Dient die Massnahme in erster Linie oder ganz überwiegend einer Ausweitung der Nutzung, so ist in aller Regel auf reine Um- bzw. Ausbaukosten zu schliessen. Dagegen liegen zumindest hinsichtlich des nicht klar wertvermehrenden Anteils baulicher Massnahmen Liegenschafts- unterhaltskosten vor, wenn die infrage stehenden Arbeiten insgesamt gesehen keine massgebliche Nutzungserweiterung zur Folge haben. Die Grenze zum Umbau dürfte indessen dann überschritten sein, wenn zusätzlicher Wohnraum geschaffen wird, d.h. wenn aus den baulichen Massnahmen zusätzliche Raumeinheiten resultieren. So- bald diese eine gewisse Grösse übersteigen, überwiegt der Um- bzw. Ausbaucharakter, so dass ein Unterhaltsabzug ausser Betracht fällt (Urteil des Verwaltungsgerichts vom 17. Dezember 2013 [WBE.2013.245] Erw. 3.4). 2017 Steuern 101 2.3. Bei der Unterscheidung von werterhaltenden und wertvermeh- renden Aufwendungen besteht eine grosse Begriffsvielfalt. Zuweilen ist auch von Modernisierungen die Rede. Diese können, müssen aber nicht Wertvermehrung darstellen: Das Wesen der Modernisierung, welche noch als Instandstellung bezeichnet werden kann, besteht da- rin, dem Gebäude den zeitgemässen Komfort wiederzugeben, den es ursprünglich besessen, durch den technischen Fortschritt und die Veränderung der Lebensgewohnheiten jedoch verloren hatte. Die Aufwendungen für die Instandstellung oder Modernisierung eines Grundstücks, welche einer eigentlichen Neueinrichtung gleich- kommt, sind dagegen nicht als Unterhaltskosten abzugsfähig. Wird ein Gebäude umfassend erneuert, spricht die Vermutung dafür, dass die gesamten Aufwendungen wertvermehrenden Charakter haben (F ELIX R ICHNER /W ALTER F REI /S TEFAN K AUFMANN /H ANS U LRICH M EUTER , Handkommentar zum DBG, 3. Auflage, Zürich 2016, Art. 32 N 49 ff.). 3. 3.1. Das Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung liessen die Be- schwerdeführer in ein Zweifamilienhaus umbauen und daran Stock- werkeigentum begründen. Dazu musste die innenliegende Treppe ab- gebrochen und mussten die Eingangsbereiche neu konzipiert werden, sodass jede Wohnung danach über einen eigenen Eingang verfügte. Weiter wurde die gesamte Haustechnik und der Innenausbau entfernt, sodass bloss noch der Rohbau vorhanden war. In etwa die Hälfte der Innenwände mussten weichen und zudem fand ein Eingriff in die tra- gende Struktur des Gebäudes statt. Die beiden Wohnungsgrundrisse wurden grundlegend umgestaltet - Küchen und Nasszellen erhielten einen anderen Standort. Schliesslich vergrösserte sich das Volumen der Wohnliegenschaft durch einen zusätzlichen Anbau gemäss den Berechnungen der Beschwerdeführer um 24,4%. Durch den Anbau von je zwei zusätzlichen Zimmern entstanden nach dem Umbau zwei 5-Zimmer-Wohnungen. Schliesslich liessen sie einen Carport mit Geräteschuppen und auf dem abparzellierten Grundstück eine Teich- anlage sowie eine Stützmauer erstellen. 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 102 3.2. Entgegen den Beschwerdeführern ist das vom Spezialverwal- tungsgericht zitierte Urteil des Bundesgerichts vom 23. Februar 2015 (2C_286/2014) für die Beurteilung ihres Falles einschlägig, obwohl der Sachverhalt nicht identisch ist. Das Spezialverwaltungsgericht hat denn auch bloss die auch auf den vorliegenden Fall zutreffenden allgemeingültigen Ausführungen in Erwägung 3.4 des Bundes- gerichtsurteils wiedergegeben. Von einer Ruine, welche 30 Jahre un- bewohnt war, ist das Spezialverwaltungsgericht klarerweise nicht ausgegangen. Zu relativieren ist einzig der Vorhalt im angefochtenen Urteil, wonach die Renovation deutlich mehr gekostet habe als die Liegenschaft - spielte sich der Kauf doch innerhalb der Familie ab, wobei meist Vorzugspreise zur Anwendung kommen. Wie im zitier- ten Bundesgerichtsurteil wurden aber auch bei der Liegenschaft der Beschwerdeführer Heizung, elektrische Installationen, sanitäre Anla- gen und Fenster mit kostspieligen Arbeiten auf einen Schlag erheb- lich verbessert. Sämtliche wesentlichen Bereiche der Liegenschaft waren betroffen, womit es sich nicht mehr um eine partielle, sondern um eine umfassende Instandstellung handelte. Ein Bündel derartiger Baumassnahmen hebt den Standard eines Gebäudes gegenüber seinem Zustand beim Erwerb und führt zu einer Wertvermehrung (R ICHNER UND ANDERE , a.a.O., Art. 32 N 53). In- standstellungs- und Modernisierungsmassnahmen, die für sich allein noch als Unterhaltsmassnahmen zu beurteilen wären, können in ihrer Gesamtheit zu einer Wertvermehrung führen, wenn dadurch der Ge- brauchswert (das Nutzungspotenzial) des Gebäudes gegenüber dem ursprünglichen Zustand (im Zeitpunkt des Erwerbs bzw. der Herstel- lung) deutlich erhöht wird (R ICHNER UND ANDERE , a.a.O. Art. 32 N 52). Dies trifft auf die Liegenschaft der Beschwerdeführer zu, denn mit dem Ausbau zu zwei separaten Wohnungen hat sich das Nutzungspotenzial verdoppelt. Das Spezialverwaltungsgericht hat damit die Abzugsfähigkeit der geltend gemachten Kosten zu Recht verneint. 3.3. Auch im Hinblick auf die in Erw. 2.2. dargelegte verwaltungs- gerichtliche Rechtsprechung (WBE.2013.245) erscheint die vorin- 2017 Steuern 103 stanzliche Würdigung überzeugend. Im Ergebnis geht das Spezial- verwaltungsgericht davon aus, dass ein Umbau der Liegenschaft vor- liegt, durch den die Art der Nutzung der Liegenschaft zwar nicht grundlegend verändert, aber doch merklich ausgeweitet worden ist, weshalb keine Kosten zum Abzug zuzulassen sind. Aufgrund der er- heblichen Umbaumassnahmen, der hohen Kosten und des Umstands, dass anstelle des Einfamilienhauses mit Einliegerwohnung neu zwei separate Eigentumswohnungen bestehen, sowie der vorgenommenen Abparzellierung wäre überdies die Annahme einer grundlegenden Neugestaltung und somit eines Neubaus - wie von der Steuerkommission angenommen - ebenfalls nicht abwegig. Da je- doch das Resultat (Nichtabziehbarkeit der Kosten) dasselbe bleibt, erübrigen sich weitere Ausführungen dazu. 3.4. Das Spezialverwaltungsgericht liess schliesslich offen, ob beim Umbau eines Einfamilienhauses mit Einliegerwohnung in ein Zwei- familienhaus mit gleichzeitiger Wohnraumerweiterung eine Nutzungsänderung vorliegt. Gemäss ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist immer dann von einer Wertvermehrung auszuge- hen, wenn die Renovation zu einer Nutzungsänderung führt (B ERNHARD Z WAHLEN /A LBERTO L ISSI , in: M ARTIN Z WEIFEL /M ICHAEL B EUSCH [Hrsg.], Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, 3. Auflage, Basel 2017, Art. 32 N 13, mit Verweis auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung). Die Beschwerdeführer haben die obere Wohnung von den unte- ren Räumlichkeiten durch den Abbruch der innenliegenden Verbin- dungstreppe abgetrennt, im Erd- wie auch im Untergeschoss die Wohnfläche erweitert, die beiden Wohnungen mit separaten neuen Hauseingängen erschlossen und an den beiden Einheiten schliesslich Stockwerkeigentum begründet. Das vormals im Eigentum der Be- schwerdeführer stehende Untergeschoss gehört neu ihrer Tochter und deren Ehemann. Es fand somit eine Nutzungsänderung statt. So ge- sehen stand auch hier nicht der Erhalt der Einkommensquelle im Vordergrund, sondern die Schaffung einer neuen Einkommensquelle, welche die Beschwerdeführer allerdings mit dem Verkauf der Stock- werkeinheit wieder abgestossen haben. Die Liegenschaft wurde ent- 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 104 sprechend umfunktioniert, was zur Verweigerung der Abzugsfähig- keit der geltend gemachten Kosten führt (Urteil des Bundesgerichts vom 28. Juli 2011 [2C_233/2011] Erw. 3.2; Urteil des Bundesge- richts vom 4. September 2009 [2C_153/2014]). Damit ist der bean- tragte Abzug auch deshalb zu verwehren, weil mit dem umstrittenen Umbau auch eine Nutzungsänderung einherging. 4. Was die Beschwerdeführer gegen das angefochtene Urteil über- dies noch einwenden, ändert an der Nichtabziehbarkeit der geltend gemachten Kosten nichts. 4.1. Die Kosten des neu erstellten Carports mit Geräteschuppen, des Anbaus und der Umgebungsarbeiten sind entgegen den Beschwerde- führern nicht einfach separat zu behandeln, auch wenn klar ist, dass die drei Positionen keine Unterhaltskosten darstellen. Die Kosten gehören zum Gesamtprojekt und die Arbeiten wurden in derselben Zeit realisiert, wie die Arbeiten am Einfamilienhaus. Das Spezialver- waltungsgericht ist zu Recht von einer Bausumme von Fr. 1'250'000.00 ausgegangen bei der Beurteilung, ob eine Gesamtbe- trachtung vorzunehmen ist oder nicht. 4.2. Nicht zu beanstanden ist auch die von den Beschwerdeführern kritisierte Begriffsverwendung des Spezialverwaltungsgerichts, wel- ches die Umbauarbeiten als umfassende Instandstellung qualifizierte (die Beschwerdeführer erachten den Begriff Instandhaltung für kor- rekt). Denn bezüglich der Rechtsfolgen ist die begriffliche Unterscheidung von Instandstellung und Instandhaltung mit Abschaf- fung der Dumont-Praxis bedeutungslos geworden (D IETER E GLOFF , in: M ARIANNE K LÖTI -W EBER /D AVE S IEGRIST /D IETER W EBER [Hrsg.], Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, 4. Auflage, Muri/Bern 2015, § 39 N 43). In § 39 Abs. 2 StG werden die In- standstellungskosten zudem explizit als abziehbar erwähnt. Handelt es sich jedoch um umfassende Instandstellungskosten, bei welchen die Ausweitung der Nutzung im Vordergrund steht, können diese Kosten, wie bereits ausgeführt, nicht abgezogen werden (siehe vorne Erw. 3.2). 2017 Steuern 105 4.3. Die Beschwerdeführer weisen ausserdem auf den gut unterhaltenen Zustand der Liegenschaft vor Ausführung der Arbeiten hin. Das Haus sei ohne jegliche Investitionen weiter bewohnbar gewesen. In den letzten sieben Jahren vor dem Umbau seien Fr. 59'081.00 investiert worden. Diese Summe ist jedoch zu relativie- ren: Aus den Steuerveranlagungen geht hervor, dass in fünf von sie- ben Jahren lediglich der Pauschalabzug von 20% geltend gemacht worden ist. Für ihre eigene Berechnung haben sie zudem die höheren Ansätze für die direkte Bundessteuer verwendet. Der Pauschalabzug sagt offensichtlich nichts darüber aus, ob und wie hoch tatsächlich Unterhaltskosten angefallen sind. Zudem spricht die Tatsache, wo- nach die Liegenschaft trotz des behaupteten gut unterhaltenen Zu- stands dennoch umfassend erneuert worden ist, nicht für das Vorlie- gen von abzugsfähigen Unterhaltskosten, sondern für Einkommens- verwendung, respektive Lebenshaltungskosten. Als solche gelten der Ersatz von Installationen kurz nach deren Investition (R ICHNER UND ANDERE , a.a.O., Art. 32 N 78). Letztendlich ändert dies nichts daran, dass die Beschwerdeführer die Liegenschaft 2012 und 2013 umfas- send erneuert haben. Die Beschwerdeführer widersprechen sich zudem hinsichtlich des Standards, wenn sie einerseits ausführen, der Standard habe teil- weise nicht mehr dem heutigen entsprochen und andererseits anmer- ken, der Standard der Liegenschaft habe sich nicht erhöht. Sind die wesentlichen Einrichtungen (Heizungs-, Sanitär- und Elektroinstalla- tionen sowie Fenster) im Zeitpunkt der Anschaffung nur im nötigen Umfang und/oder in einem technisch überholten Zustand vorhanden, handelt es sich um einen einfachen Wohnungsstandard. Wenn im Zug von Baumassnahmen diese Einrichtungen nicht nur in zeitgemässer Form ersetzt, sondern darüber hinaus in ihrer Funktion (Gebrauchs- wert) deutlich erweitert und ergänzt werden und dadurch der Wohn- komfort des Hauses insgesamt deutlich gesteigert wird (bspw. Ersatz einfach verglaster Fenster durch Isolierglasfenster, höhere Zahl von Elektroanschlüssen und neue Multimedia-Anschlüsse, Ersatz tech- nisch überholter Heizungsanlage durch eine dem Stand der Technik entsprechende Heizungsanlage), dann wird ein Wohnhaus dadurch 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 106 wesentlich verbessert (R ICHNER UND ANDERE , a.a.O., Art. 32 N 52 f.). Wie bereits ausgeführt, haben die Beschwerdeführer sämtli- che wesentlichen Einrichtungen der Liegenschaft auf einmal er- neuert. Damit wurde das Wohnhaus insgesamt wesentlich verbessert, weshalb die damit zusammenhängenden Kosten nicht Liegenschafts- unterhalt, sondern Umbaukosten darstellen. 4.4. Die Beschwerdeführer machen mit Verweis auf ihren Rekurs geltend, vom Eigenmietwert müssten die Kosten für den Anbau und den Carport in Abzug gebracht werden, dann falle die Erhöhung des Eigenmietwerts niedriger aus, was gegen die Annahme von nicht ab- zugsfähigen Umbaukosten spreche. Diese Überlegung geht fehl. Im Eigenmietwert sind die Kosten von Anbau und Carport nicht spiegelbildlich enthalten und können daher auch nicht einfach so herausgerechnet werden. Zudem handelt es sich bei den ausgeführten Arbeiten um eine umfassende In- standstellung, wofür eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen ist. Diese kann nicht mittels Umweg über ein beliebiges Herausrechnen von Positionen aus dem Eigenmietwert umgangen werden. Damit gilt nach wie vor Folgendes: Erhöht sich der Eigenmietwert einer Liegenschaft infolge von Arbeiten an dieser, besteht kein Zusammen- hang zwischen den dafür aufgewendeten Kosten und dem bis dahin versteuerten Ertrag der Liegenschaft. Im Umfang der zusätzlichen Nutzungsmöglichkeit und deren Ertrag liegen daher keine Liegen- schaftsunterhaltskosten mehr vor (WBE.2013.245 Erw. 3.2 mit Ver- weis auf Urteil des Bundesgerichts vom 2. Februar 2005 [2A.480/2004]). Vorliegend hat sich der Eigenmietwert von Fr. 24'816.00 des Einfamilienhauses mit Einliegerwohnung auf Fr. 46'979.00 für das Zweifamilienhaus erhöht, wobei für die Woh- nung im Erdgeschoss ein Eigenmietwert von Fr. 24'139.00 und für diejenige im Untergeschoss ein solcher von Fr. 22'840.00 festgelegt worden ist. Der Eigenmietwert hat sich für die gesamte Liegenschaft beinahe verdoppelt. Hinsichtlich der Wohnung im Erdgeschoss ist der Eigenmietwert zwar annähernd gleich hoch geblieben, flächenmässig hat sich diese jedoch mit dem Wegfall der Nutzungs- möglichkeit im Untergeschoss beinahe halbiert. Eine Erhöhung des 2017 Steuern 107 Eigenmietwerts in diesem Umfang überschreitet die Schwelle der Wesentlichkeit der Nutzungserweiterung klar, womit keine Kosten zum Abzug zuzulassen sind.
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AG_VG
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AG_VG_001_AGVE-2017-16_2017-07-02
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2000 Kantonales Steuerrecht 157 [...] 41 Zustellung an gemeinsam steuerpflichtige Ehegatten. - Ist nur einer der Ehegatten vertreten, muss die Zustellung an dessen Vertreter und an den anderen Ehegatten separat erfolgen. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 7. Juni 2000 in Sachen B.A. und S.A. gegen Entscheid des Steuerrekursgerichts. Zur Publikation vor- gesehen in StE 2001. 2000 Verwaltungsgericht 158 Aus den Erwägungen 1. Gemäss § 134 bis StG erfolgen Zustellungen an - wie vorlie- gend - gemeinsam steuerpflichtige Ehegatten in einem Exemplar an beide Ehegatten gemeinsam; separate Zustellungen sind vorge- schrieben, wenn die Voraussetzungen für eine getrennte Besteuerung erfüllt sind und ein entsprechendes Gesuch vorliegt. Die Frage, ob nicht über § 134 bis Abs. 2 StG hinaus eine separate Zustellung generell erforderlich ist, wenn Eheleute tatsächlich nicht am gleichen Ort wohnen, kann hier offen bleiben. Die Beschwerdeführerin ist seit April 1997 entmündigt. Zustellungen, die sie betreffen, müssen an ihren (gesetzlichen) Vertreter, den Vormund gerichtet werden (AGVE 1997, S. 226 = StE 1998, B 93.6 Nr. 17 mit Hinweisen). Wo nur ein Ehegatte vertreten ist, genügt eine gemeinsame Zustellung nicht; richtet sie sich an den Vertreter, ist nicht sichergestellt, dass der unvertretene Ehegatte davon Kenntnis erhält; richtet sie sich an den unvertretenen Ehegatten, so läuft dies auf eine Ausschaltung des Vertreters des anderen Ehegatten hinaus. Schon die Veranlagung und der Einspracheentscheid hätten somit auch an den Vormund der Be- schwerdeführerin zugestellt werden müssen; beim Rekursentscheid wurde die Unterlassung nachgeholt. Ein Nachteil ist dadurch offen- sichtlich nicht entstanden, und die Beschwerdeführerin (bzw. ihr Vor- mund) macht denn auch nichts Derartiges geltend. Die Beschwer- deführung durch den Ehemann, mit dem Risiko der Kostenauflage, hätte sie nicht verhindern können (vgl. AGVE 1998, S. 206 f.).
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AG_VG_001
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AG_VG_001_AGVE-2000-41_2000-06-02
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2018 Steuern 77 II. Steuern 7 Feststellung Steuerpflicht Kein Anspruch auf Feststellung der unbeschränkten Steuerpflicht, wenn unstreitig mindestens eine beschränkte Steuerpflicht besteht Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 28. Februar 2018, in Sachen A. gegen KStA und Gemeinderat Y. (WBE.2017.490). Aus den Erwägungen 1. Das Spezialverwaltungsgericht hat im angefochtenen Entscheid zunächst geprüft, ob die Steuerkommission Y. einen negativen Fest- stellungsentscheid betreffend die unbeschränkte Steuerpflicht des Beschwerdeführers hätte fällen dürfen. Dabei ist es zum Ergebnis ge- langt, dass in der hier vorliegenden Konstellation - unbestrittenes Bestehen einer Steuerpflicht, wobei einzig streitig ist, ob (nur) eine beschränkte oder eine unbeschränkte Steuerpflicht besteht - kein An- lass für eine separate Feststellung der Steuerpflicht besteht. Dement- sprechend hat das Spezialverwaltungsgericht den angefochtenen Ent- scheid aufgehoben und die Angelegenheit zur Veranlagung des Be- schwerdeführers an die Steuerkommission Y. zurückgewiesen. 1.1. Wie bereits im verwaltungsgerichtlichen Urteil vom 17. Juni 2009 (WBE.2008.328 = AGVE 2009, S. 137) festgehalten, ist das Verwaltungsgericht bei Fehlen einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage für den Erlass von Feststellungsentscheiden im kantona- len Steuerrecht hinsichtlich der Zulässigkeit solcher Entscheide in Anlehnung an die insoweit sehr restriktive Praxis des Bundesgerichts ebenfalls sehr zurückhaltend: In Veranlagungen sind über die Festle- gung der Steuerfaktoren hinausgehende rechtskraftfähige Feststel- 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 78 lungen ausgeschlossen. Ebenso sind selbstständige Feststellungsver- fügungen im Steuerrecht, abgesehen vom Fall der Feststellung der Steuerpflicht, grundsätzlich ausgeschlossen. Nur aus zwingenden praktischen Gründen kann in besonderen Einzelsituationen die Vor- wegnahme eines Entscheids über eine Rechtsfrage geboten sein, ob- wohl es mangels Verwirklichung eines Steuertatbestands noch nicht zu einer Veranlagung kommt. Nur für solche Sonderfälle behält die verwaltungsgerichtliche Praxis das Recht bzw. die Pflicht zum Erlass einer selbstständigen Feststellungsverfügung vor. 1.2. Hier steht fest, dass der Beschwerdeführer per 31. Dezember 2014 im Kanton Aargau steuerpflichtig war. Streitig ist einzig, ob er (nur) qua wirtschaftlicher Zugehörigkeit (Eigentum an der Liegen- schaft in Y.; § 17 Abs. 1 lit. b StG) der beschränkten Steuerpflicht oder qua Wohnsitz in Y. (§ 16 Abs. 1 StG) im Kanton Aargau der un- beschränkten Steuerpflicht unterliegt. Für interkantonale Verhältnisse hat das Bundesgericht mit Blick auf doppelbesteuerungsrechtlich erhebliche Sachverhalte aus dem Verbot der interkantonalen Doppelbesteuerung gemäss Art. 127 Abs. 3 BV direkt, d.h. ohne dass es dafür einer weiteren gesetzlichen Grundlage im Bundes- oder kantonalen Recht bedürfte, einen An- spruch des Bürgers auf Vorausbeurteilung der Steuerhoheitsfrage ab- geleitet (BGE 137 I 273 Erw. 3.3.2 S. 278; Urteil des Bundesgerichts 2C_1025/2016 vom 14. November 2016 Erw. 3.2). Ist die Steuer- hoheit im interkantonalen Verhältnis bestritten, so kann und muss die kantonale Steuerverwaltung, die sich zur Besteuerung zuständig er- achtet, in dieser Frage einen Feststellungentscheid erlassen, ehe sie das Veranlagungsverfahren fortsetzen kann. Zur Begründung dieser Praxis hat das Bundesgericht darauf verwiesen, dass derjenige, der die Steuerhoheit eines Kantons gemäss dem Doppelbesteuerungs- verbot bestreite, in diesem Kanton weder mit einer Steuer belegt noch auch nur in ein Steuerveranlagungsverfahren einbezogen wer- den dürfe. Daher müsse dem zur Veranlagung Herangezogenen ein Anspruch auf einen Vorentscheid darüber zustehen, ob er einer be- stimmten Steuerhoheit überhaupt unterliegt. 2018 Steuern 79 Ein solcher Entscheid muss und darf aber nur dann gefällt werden, wenn die kantonale Steuerhoheit als solche, d.h. der Bestand der subjektiven Steuerpflicht, in Frage steht. Ist das Bestehen einer subjektiven Steuerpflicht ohnehin zu bejahen und lediglich noch streitig, ob eine der Steuerhoheit eines Kantons unterworfene Person beschränkt oder unbeschränkt steuerpflichtig ist, so betrifft dies nicht den Bestand, sondern den Umfang der subjektiven Steuerpflicht. Ein Vorentscheid betreffend den Umfang der subjektiven Steuerpflicht ist somit weder bundes- noch kantonalrechtlich geboten und, wie die Vorinstanz zutreffend erkannt hat, auch gar nicht zulässig (ebenso bereits das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, Urteil vom 31. Januar 1997 = StE 1997 B 11.3 Nr. 10; vgl. auch Urteil vom 18. Dezember 2002 = StE 2003 B 92.51 Nr. 9; ausserdem PETER LOCHER, Kommentar DBG, I. Teil, Therwil 2004, Einführung zu Art. 3 ff. N 10 sowie MARTIN ZWEIFEL/HUGO CASANOVA, Schwei- zerisches Steuerverfahrensrecht, Zürich 2008, S. 256 § 20 Rz 9). Zu Recht hat die Vorinstanz daher den Feststellungsentscheid der Steuerkommission Y., wonach der Beschwerdeführer in Y. lediglich der beschränkten Steuerpflicht unterliegt, aufgehoben und damit den Rekurs implizit teilweise gutgeheissen.
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2019 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 99 IV. Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 13 Ausnahmebewilligung zur Unterschreitung des Strassenabstands Die Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach § 67 Abs. 1 BauG kann sich ohne das Vorliegen eines Härtefalls rechtfertigen, wenn namhafte öf- fentliche Interessen eine Baute oder Anlage innerhalb des Strassenab- stands als angezeigt erscheinen lassen und insofern ausserordentliche Verhältnisse gegeben sind; Zusammenfassung der bisherigen Praxis zu § 67 Abs. 1 BauG. Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 22. Februar 2019, in Sachen Einwohnergemeinde A. gegen B., C., D. und Regierungsrat (WBE.2018.147). Aus den Erwägungen 2.4. 2.4.1. Das Verwaltungsgericht hatte sich schon verschiedentlich mit der Frage zu befassen, ob für Bauvorhaben im Unterabstand zu einer Strasse eine Ausnahmebewilligung nach § 67 Abs. 1 BauG erteilt werden kann. Meistens, aber nicht immer, ging es dabei um Bauvor- haben privater Bauherren. Nach dem Wortlaut der erwähnten Be- stimmung kommt eine Ausnahme nur bei Vorliegen ausserordent- licher Verhältnisse oder eines Härtefalls in Betracht, wenn es mit dem öffentlichen Wohl sowie Sinn und Zweck der Rechtssätze ver- einbar ist, unter billiger Abwägung der beteiligten Interessen. § 67 Abs. 1 BauG verlangt somit nicht nur eine Interessenabwägung, son- dern setzt kumulativ das Vorliegen ausserordentlicher Verhältnisse oder einer unzumutbaren Härte voraus (AGVE 2006, S. 167; VGE vom 19. September 2014 [WBE.2013.537], Erw. II/2.4.1; VGE vom 25. Mai 2010 [WBE.2009.293], Erw. II/4.1). Ein Ausnahmetatbe- 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 100 stand lässt sich nicht allein damit begründen, es bestünden keine öffentlichen (oder privaten) Interessen an der Einhaltung des Stras- senabstands bzw. die Ausnahme sei mit dem Sinn und Zweck des Rechtssatzes (von dem abgewichen wird) vereinbar. Es bedarf darüber hinaus ausserordentlicher Verhältnisse oder eines Härtefalls, die eine Ausnahme rechtfertigen (VGE vom 19. September 2014 [WBE.2013.537], Erw. II/2.4.1; VGE vom 27. April 2013 [WBE.2012.68], Erw. II/2.4; VGE vom 25. Mai 2010 [WBE.2009.293], Erw. II/4.1; VGE vom 22. August 2008 [WBE.2007.333], Erw. II/2.5; VGE vom 19. Juni 2008 [WBE.2007.136], Erw. II/3.5). Das gilt auch dann, wenn öffentliche Interessen (an einem Bauwerk) beteiligt sind. Das Verwaltungsge- richt hat in seiner bisherigen Praxis stets strenge Anforderungen an das Vorliegen einer Ausnahmesituation gestellt; eine solche darf nicht leichthin angenommen werden, auch nicht in Bezug auf den gesetzlichen Strassenabstand (AGVE 2001, S. 296, 298; VGE vom 30. März 2005 [BE.2004.00160], Erw. II/3b). Die Frage, ob ausserordentliche Verhältnisse vorliegen, beurteilt sich einerseits nach der Interessenlage: Die Umschreibung der Norm- tatbestände richtet sich an durchschnittlichen Lebenssituationen aus. Dem Gesetz liegt eine Interessenbeurteilung zugrunde, die der Ge- setzgeber für diese typische Lebenssituation durchgeführt hat. Ein- schränkungen, die sich aus dieser Beurteilung ergeben, muss der Be- troffene hinnehmen. Der zu entscheidende Sachverhalt kann indessen von der Interessenlage her so ausserordentlich sein, dass angenom- men werden muss, der Gesetzgeber habe diesen Einzelfall still- schweigend ausgeschlossen, sei es, dass der Gesuchsteller durch die Einhaltung der Norm wesentlich schwerer getroffen wird, als dies dem Gesetzgeber bei der Normierung des Regelfalls vorschwebte, oder sei es, dass die öffentlichen oder privaten Interessen, welche normalerweise die Eigentumsbeschränkung verlangen, im konkreten Fall gar nicht vorliegen. Die Verhältnisse sind aussergewöhnlich, wenn der konkrete Fall nach der Interessenlage von der durchschnitt- lichen Lebenssituation abweicht, die der Gesetzgeber geregelt hat. Unter diesem Gesichtspunkt hat die Behörde, die eine Ausnahme in Erwägung zieht, zu prüfen, in welchem Mass die Verhältnisse des 2019 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 101 Einzelfalls von der Interessenbeurteilung abweichen, die der Gesetz- geber vorgenommen hat (vgl. zum Ganzen: AGVE 1997, S. 314 f., S. 332; 1992, S. 348 und 355, je mit Hinweisen). Sieht sich ein Bau- herr Sachzwängen gegenüber, die er durch bauliche Vorkehren selber geschaffen und zu vertreten hat, vermag dies noch keine Ausnahme- situation zu begründen (AGVE 1992, S. 348). Bei der Beurteilung der Frage, ob aussergewöhnliche Verhält- nisse vorliegen, ist ausserdem die im Gesetz angelegte Aufgabentei- lung zwischen Legislative und Exekutive zu beachten. Die rechtsan- wendende Behörde hat im Normalfall die gesetzliche Grundordnung zu respektieren, die der Gesetzgeber in generell-abstrakter Form er- lassen hat. Die Exekutivbehörde darf § 67 BauG nicht dazu miss- brauchen, die gesetzliche Grundordnung auszuhöhlen oder das ge- setzlich vorgegebene Verhältnis von Regel und Ausnahme zu korri- gieren (ähnlich ERICH ZIMMERLIN, Baugesetz des Kantons Aargau vom 2. Februar 1971 [aBauG], Kommentar, 2. Auflage, Aarau 1985, § 155 N 2). Das wäre dann der Fall, wenn die Behörde die Ausnah- mebestimmung so anwendet, dass die Regel zur Ausnahme wird, oder Ausnahmen auf Gründe stützt, die sich in einer Vielzahl der Fälle anführen lassen (AGVE 2006, S. 167; 2001, S. 296; 1978, S. 248 f.; vgl. auch ZIMMERLIN, a.a.O., § 155 N 1 mit Hinweisen). So stellt etwa die optimale Nutzung des Baugrundstücks ein allge- meines (privates) Interesse dar, das für sich allein keinen ausreichen- den Grund für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung bilden kann (AGVE 2001, S. 296). Hätte der Gesetzgeber Gesichtspunkte be- rücksichtigen wollen, die in einer Vielzahl der Fälle geltend gemacht werden können, hätte er die Grundordnung angepasst oder um ge- setzliche Ausnahmegründe erweitert. Nach der gesetzlich vorgegebe- nen Aufgabenteilung zwischen Legislative und Exekutive bietet § 67 BauG keine rechtliche Handhabe, in jedem Einzelfall eine individua- lisierte Würdigung der Interessen vorzunehmen. Sonst würde die ge- setzliche Grundordnung ihres Anwendungsbereichs beraubt. Nur in besonders gelagerten Situationen darf und soll gestützt auf § 67 BauG eine individualisierte Interessenbeurteilung eingreifen (vgl. zum Ganzen VGE vom 19. September 2014 [WBE.2013.537], 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 102 Erw. II/2.4.2; VGE vom 22. August 2008 [WBE.2007.333], Erw. II/2.7.1). 2.4.2. Bei der Mehrzahl der von ihm beurteilten Bauvorhaben sprach sich das Verwaltungsgericht gegen die Erteilung einer Ausnahmebe- willigung nach § 67 BauG zur Unterschreitung des Strassenabstands bzw. gegen das Vorliegen ausserordentlicher Verhältnisse oder eines Härtefalls aus. Es betraf dies die folgenden Fälle: eine Tiefgaragen- einfahrt, die trotz Hanglage des Baugrundstücks ohne grössere tech- nische Schwierigkeiten auf den Strassenabstand zurückversetzt wer- den konnte (AGVE 1997, S. 332 f.); Autoverkaufsplätze, die keinen betriebsnotwendigen Teil einer Autowaschanlage bildeten; einmal mehr wurde festgehalten, dass die optimale Ausnützung des Bau- grundstücks keine Ausnahme rechtfertigt (VGE vom 30. März 2005 [BE.2004.00160-K3], Erw. II/3b); (freistehende) Plakatträger, mit der Begründung, es lägen keine besonderen topographischen Ver- hältnisse vor und die bessere Lesbarkeit der Plakate liesse sich in einer Vielzahl vergleichbarer Situationen als Argument für die Ver- ringerung des Strassenabstands anführen (AGVE 2006, S. 165 ff.); einen Pylon mit Firmenanschrift, weil eine solche auch noch mit einem Strassenabstand von 6 m erkannt werden kann, wenn sie aus- reichend dimensioniert ist (VGE vom 24. Januar 2006 [WBE.2004.365], Erw. II/3.3.3); einen überdeckten Containerplatz, der problemlos auch an einer anderen Stelle des Baugrundstücks er- richtet werden konnte; bereits bestehende Bauten im Unterabstand zur Strasse (Stützmauer) verleihen dabei keinen Anspruch auf eine weitere Ausnahmebewilligung (VGE vom 28. August 2006 [WBE.2005.331], Erw. II/3.2); eine Gartengestaltung (bestehend aus einer Terrainveränderung, erhöhten Rabatten, einem Weiher und einer Holzpalisadenwand von über 1,8 m Höhe), weil sich eine roll- stuhlgängige Zufahrt zum Wintergarten und erhöhte Rabatten auch unter Einhaltung des Strassenabstands realisieren liessen und eine ästhetisch schöne Gartengestaltung einen Beweggrund darstellt, den jeder beliebige Eigentümer für sich anführen kann (VGE vom 16. März 2007 [WBE.2006.98], Erw. II/2.3.5); einen offenen Au- tounterstand (Carport), da es auf dem Baugrundstück genügend nicht 2019 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 103 überbautes Areal gab, auf dem der Autounterstand in Beachtung der massgeblichen Abstandsvorschriften erstellt werden konnte, auch wenn dies nicht die komfortabelste Lösung war und die Bauherrin zu gewissen (baulichen) Anpassungen zwang (VGE vom 24. April 2008 [WBE.2007.190], Erw. II/3.3.2); einen Anbau an eine Gewerbehalle, mit der Begründung, solange der Baugrund bestimmungsgemäss nutzbar bleibe, führe die Anwendung des Strassenabstands nicht zu einem Härtefall; bei der Projektierung der neuen Gewerbehalle hatte die Bauherrin die Möglichkeit, ihre Bedürfnisse rechtmässig umzu- setzen (VGE vom 25. Mai 2010 [WBE.2009.293], Erw. II/4.4 f.); vier Aussenabstellplätze, weil weder die Beschaffenheit oder Topo- graphie noch die Lage des Baugrundstücks eine Ausnahmesituation begründeten und die Parzelle auch unter Wahrung des Strassen- abstands sinnvoll überbaut werden konnte (VGE vom 15. Dezember 2011 [WBE.2010.383], Erw. II/4.5.3); sechs Parkfelder und einen Gartensitzplatz samt Umfassungsmauer und Holzsichtschutzwand, weil mindestens vier Parkfelder anstatt auf dem Vorplatz der Liegen- schaft auf einer strassenabgewandten Seite hätten ausgeschieden werden können, anstelle des dortigen Gartensitzplatzes, bei dem es sich um ein selbst geschaffenes Hindernis handelte (VGE vom 19. September 2014 [WBE.2013.537], Erw. II/2.5); diverse Stütz- mauern, vier Besucherparkplätze, eine Zugangsrampe, einen Notaus- stieg aus dem Schutzraum und zwei Terrassen zu Erdgeschosswoh- nungen eines Mehrfamilienhauses; auch hier stand die Einhaltung des Strassenabstands einer sinnvollen Überbauung des Grundstücks trotz dessen Hanglage nicht entgegen (VGE vom 17. August 2016 [WBE.2015.502/503], Erw. II/3.3.3). In lediglich zwei Fällen hielt das Verwaltungsgericht in jüngerer Zeit eine Ausnahmebewilligung nach § 67 BauG für angezeigt. Nur in einem Fall ging es explizit von ausserordentlichen Verhältnissen aus. Dieser betraf Lücken in einer vorbestehenden (rechtmässigen) Gartenabschlussmauer. Eine Ausnahmesituation wurde insbesondere daraus abgeleitet, dass eine gezackte Mauerlinie (mit Lücken) unter dem Ortsbildschutzaspekt nachteilig gewesen wäre. Die gesamte Länge der Mauer betrug 23,17 m; diejenige der Lücken 1,12, 3,6 und 9,18 m (VGE vom 21. Juni 2000 [BE.1998.00255-K3], Erw. 2d/cc). 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 104 Ein anderes Mal schützte das Verwaltungsgericht einen Entscheid des Baudepartements, wonach im Unterabstand zu einer Gemein- destrasse mit niedriger Verkehrsfrequenz fünf Parkplätze angelegt werden durften, ohne allerdings zu prüfen, ob ausserordentliche Ver- hältnisse oder ein Härtefall vorlagen (AGVE 2002, S. 245 ff.). 2.4.3. 2.4.3.1. Die Parzelle Nr. xxx weist eine nicht ganz alltägliche Form auf, die an die Planung einer Überbauung erhöhte Anforderungen stellt, sie aber keineswegs verunmöglicht oder auch nur unzumutbar kom- pliziert. Erschwerend kommt zwar hinzu, dass die Nutzung des trich- terförmigen Grundstücks durch die Strassenabstands- und Gewässer- raumvorschriften praktisch rundum, nämlich auf seinen drei Haupt- seiten stark begrenzt wird. Es verbleiben von einem Grundstück mit einer Fläche von insgesamt 1'032 m2 neben dem bestehenden Ge- bäude Nr. yyy mit einer Grundfläche von ca. 135 m2 noch freie 215 m2, also zusammengerechnet rund ein Drittel der Gesamtfläche, die (unter Wahrung des Besitzstandes) überbaubar sind. Auch insofern kann die Lage der Beschwerdeführerin als Eigentümerin der Parzelle Nr. xxx nicht als singulär betrachtet werden, zumal sie keinen Ab- bruch des bestehenden Gebäudes Nr. yyy beabsichtigt, was die Aus- nützung klar verschlechtern würde. Nach der unwidersprochen ge- bliebenen Darstellung des Rechtsdienstes des Regierungsrats liesse sich das bestehende, im Grundbuch als Scheune und Lager be- zeichnete Gebäude Nr. yyy für die von der Beschwerdeführerin ge- planten Zwecke (Buswarteraum, Veloabstellplätze, Entsorgungs- stelle) mitnutzen. Unter diesen Umständen kann nicht gesagt werden, die Einhaltung der Strassenabstandsvorschriften treffe die Beschwer- deführerin im Vergleich zu anderen Grundeigentümern mit Parzellen entlang einer oder mehrerer Strassen und/oder eines Gewässers be- sonders hart. Sie kann die Parzelle Nr. xxx bestimmungsgemäss nutzen, namentlich mit den vorgesehenen Infrastrukturanlagen über- bauen, auch wenn ihr Projekt allenfalls redimensioniert oder zumin- dest anders konzipiert werden müsste (unter Einbezug des bestehen- den Gebäudes Nr. yyy) und nicht mehr in der gleichen Weise opti- miert wäre. 2019 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 105 Mit der Vorinstanz ist sodann festzuhalten, dass die Beschwer- deführerin nicht nachgewiesen hat, dass sie zwingend auf eine Ent- sorgungsstelle auf der Parzelle Nr. xxx angewiesen ist, und schon gar nicht auf einen Reserveraum für das Bauamt. Die zentrale Lage der Parzelle Nr. xxx eignet sich zwar bestens für eine Entsorgungsstelle. Alternativlos ist der Standort deswegen nicht. Mit den ebenfalls in ihrem Eigentum stehenden Parzellen Nrn. zzz und www verfügt die Beschwerdeführerin über Grundeigentum an ähnlich zentraler Lage, wo sie die Entsorgungsstelle stattdessen errichten könnte. Ein Teil der Parzelle Nr. www liegt sogar - wie die angrenzende Parzelle Nr. vvv - in einer Zone für öffentliche Bauten und Anlagen. Der Ge- staltungsplan E., innerhalb dessen Perimeter sich die Parzellen Nrn. zzz, vvv und Teile der Parzelle Nr. www befinden, schliesst eine solche Nutzung nicht aus. Gemäss § 7 Abs. 2 der Sondernutzungs- vorschriften zum Gestaltungsplan E. ist der Baubereich für öffent- liche Bauten und Anlagen für unter- und oberirdische Nutzungen be- stimmt, soweit diese mit der Zielsetzung eines parkartigen Freiraums vereinbar sind. Zugelassen sind Hochbauten bis höchstens 7 m Ge- bäudehöhe sowie unterirdische Bauten für die erforderlichen Ge- meindewerke (z.B. Regenbecken). Inwiefern insbesondere die nur durch die Einwurfbehälter in Erscheinung tretenden Unterflur- Container den parkartigen Freiraum stören könnten, ist nicht ersicht- lich. Eine Verlegung der geplanten Entsorgungsstelle würde zwar die Beschwerdeführerin zu Anpassungen ihres Nutzungskonzepts öffentliche Bauten und Anlagen in A. zwingen. Nutzungskonzepte müssen sich allerdings an den vorhandenen Überbauungsmöglich- keiten und bestehenden Bauvorschriften orientieren, nicht umge- kehrt. Entsprechend vermag ein Nutzungskonzept von vornherein keine Ausnahmesituation zu begründen, ebenso wenig wie die Gut- heissung eines Projektierungs- und Baukredits durch die Gemeinde- versammlung. 2.4.3.2. Obwohl nach dem oben Dargelegten kein Härtefall vorliegt, dürfen die konkreten Verhältnisse in anderer Hinsicht als ausser- ordentlich bezeichnet werden. Im Vergleich zum Regelfall besteht im vorliegenden Fall nicht nur keinerlei (öffentliches oder privates) Inte- 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 106 resse an der Einhaltung des Kantonsstrassenabstands. Vielmehr gibt es sogar gewichtige öffentliche Interessen für eine Unterschreitung dieses Strassenabstands. Es ist zwischen den Parteien unbestritten, dass durch die Unterschreitung des Kantonsstrassenabstands weder die Verkehrssicherheit noch gesundheitspolizeiliche Interessen ge- fährdet sind. Die Distanz zwischen dem projektierten Mehrzweck- gebäude und dem Fahrbahnrand beträgt mindestens 6 m, so dass die Sicht auf die Fahrbahn in keiner Weise eingeschränkt wird. Die Er- schliessung des Mehrzweckgebäudes bzw. der darin untergebrachten Entsorgungsstelle und der Unterflur-Container erfolgt rückwärtig über die F.-strasse. Eine direkte Zufahrt zur Kantonsstrasse existiert nicht. Ferner ist ein Interesse an der Erhaltung des Planungsspiel- raums und der Landerwerbsmöglichkeit für die Bedürfnisse des zu- künftigen Strassenbaus zu verneinen, das nicht schon mit dem von der Abteilung für Baubewilligungen angeordneten und von der Be- schwerdeführerin akzeptierten Revers gewährleistet wäre. Danach hätte die Beschwerdeführerin ihre Bauten und Anlagen bis auf einen Abstand von 8 m zum heutigen Fahrbahnrand auf eigene Kosten und entschädigungslos zu entfernen oder zu versetzen, sofern der Neu- oder Ausbau eines öffentlichen Werks es erfordert. Das gestützt auf die rechtskräftige Baubewilligung vom (...) 2016 weitgehend errichtete Regenbecken samt Betriebsgebäude wür- de optisch erheblich aufgewertet, wenn die Lücke zwischen dem Be- triebsgebäude und dem (noch zu erstellenden) Lüftungs- bzw. Pum- penraum mit einer eingeschossigen Baute auf der über das gewachse- ne Terrain hinausragenden Decke des Regenbeckens geschlossen werden könnte, so dass ein formvollendeter und einheitlicher Bau- körper entstünde. Zuzustimmen ist in diesem Zusammenhang der Einschätzung der zuständigen kantonalen Ortsbildschützerin in ihrem Fachbericht vom (...) 2017, dass das Bauvorhaben einer guten Orts- bildgestaltung entspreche. Als positiv wird namentlich das Erschei- nungsbild des geplanten Mehrzweckgebäudes beschrieben, das durch eine ruhig gestaltete Volumetrie und eine klare Gliederung überzeu- ge, und sich mit dem vorgelagerten Platz zur F.-strasse hin gut in die bestehende Bebauungsstruktur einfüge. Der heutige Überbauungszu- stand mit Regenbecken samt Betriebsgebäude erweckt dagegen den 2019 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 107 Eindruck eines schlecht gestalteten Provisoriums, wobei anzumerken ist, dass der Standort des Regenbeckens durch die Generelle Entwäs- serungsplanung der Gemeinde A. vorgegeben, mithin nicht frei ge- wählt wurde. Ausserdem wird aus Sicht des Ortsbildschutzes be- grüsst, dass verschiedene öffentliche Nutzungen in einem zentralen Gebäude konzentriert werden, wodurch ein wichtiger Begegnungsort entstehen könne. Die Beschwerdeführerin hat also nicht bloss ein wirtschaftliches Interesse an einer möglichst kompakten Überbauung der Parzelle Nr. xxx. Mit dem Bauvorhaben kann auch eine Nutzungskonzentration erreicht werden, die dem öffentlichen Inte- resse an einer verdichteten Bauweise vor allem in Ortszentren und einem möglichst sparsamen und rationellen Landverbrauch Rech- nung trägt. Es müsste nicht noch weiteres nicht überbautes Land, beispielsweise auf den Parzellen Nrn. zzz, www oder vvv, für eine Entsorgungsstelle geopfert werden, das sich aufgrund seiner Lage auch als Standort für einen Pavillon für Tagesstrukturen sehr gut eignen würde. Das bestehende Gebäude Nr. yyy könnte weiterhin zur Unterbringung von Material des Werkhofes verwendet werden. Ohnehin gilt es diesbezüglich zu bedenken, dass das Gebäude im Lichte von § 68 BauG (Besitzstandsgarantie) nicht beliebig umge- baut respektive umgestaltet werden könnte. Der in das Mehrzweck- gebäude eingegliederte Buswarteraum mit rückwärtig angeglieder- tem, überdachtem Velo- und Mofaabstellplatz wäre schliesslich sehr viel benutzerfreundlicher als es ein separates Buswartehaus mit einem Abstand von 6 m zum Gehweg oder ein in das bestehende Gebäude Nr. yyy integrierter Warteraum zu sein vermöchte. In derartige Räumlichkeiten hätte der Buschauffeur im Gegensatz zur geplanten Lösung mit leicht abgewinkeltem Fassadenverlauf keinen Einblick. In Anbetracht dieser mannigfaltigen öffentlichen Interessen an der Realisierung des projektierten Mehrzweckgebäudes sind ausserordentliche Verhältnisse im Sinne von § 67 Abs. 1 lit. b BauG anzunehmen, die eine Unterschreitung des Kantonsstrassenabstands ausnahmsweise rechtfertigen. (...)
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3,521
AG_VG_001
AG_VG
AG
Northwestern_Switzerland
AG_VG_001_AGVE-2019-13_2019-02-03
http://agve.weblaw.ch/html//AGVE-2019-13.html
https://agve.weblaw.ch/pdf/AGVE-2019-13.pdf
AGVE_2019_13
null
nan
89b93ba4-06c3-5bfe-bf70-3e0d2161e2b8
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2008 Anwaltsrecht 287 [...] 50 Disziplinarverfahren; befristetes Berufsausübungsverbot. - Weiterleiten von Kassibern ist - unabhängig von der strafrichterli- chen Beurteilung - ein schwerer Verstoss gegen Art. 12 lit. a BGFA (Erw. 3). - Wahl der geeigneten Sanktion (Erw. 4 ). - Eine befristete Berufseinstellung kann auch für eine erstmalige Dis- ziplinierung angemessen sein (Erw. 5) Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 13. Mai 2008 in Sachen X. gegen die Anwaltskommission (WBE.2008.46). 2008 Verwaltungsgericht 288 Aus den Erwägungen 3. 3.1. Zur allgemeinen Berufspflicht des Anwalts gehört gemäss Art. 12 lit. a BGFA, dass der Beruf sorgfältig und gewissenhaft aus- geübt wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts umfasst die Generalklausel nicht nur das Verhalten zwischen Anwalt und Klient, sondern auch das Verhalten des Anwalts gegenüber Behör- den, der Gegenpartei und der Öffentlichkeit (Fellmann, in: Walter Fellmann / Gaudenz Zindel [Hrsg.], Kommentar zum Anwaltsgesetz, Zürich / Basel / Genf 2005, Art. 12 N 12). In seiner Tätigkeit hat der Anwalt in erster Linie die Interessen seines Klienten zu wahren, ist aber den Zielen des Rechtsstaats verpflichtet. Auch wenn der Straf- verteidiger seine Tätigkeit nicht am Strafverfolgungsinteresse des Staats auszurichten und in der Wahl der Verteidigungsmittel ein ho- hes Mass an Entscheidungsfreiheit hat, ist es ihm verwehrt, rechts- widrige Mittel zu ergreifen (Fellmann, a.a.O., Art. 12 N 37; Peter Noll, Die Strafverteidigung und das Disziplinarrecht der Rechtsan- wälte, in: ZStr 1981, S. 181; BGE 106 Ia 100 Erw. 6b; Beschluss der Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte des Kantons Zürich vom 1. Juni 1995, in: ZR 94/1995, S. 285 f.). Unstatthaft ist es insbe- sondere, die Ermittlungen der staatlichen Behörden aktiv und pro- zessordnungswidrig zu vereiteln, namentlich durch die Weiterleitung von Kassibern aus dem Gefängnis, welche den Tatbestand der Be- günstigung erfüllen können (Peter Albrecht, in: Marcel Alexander Niggli / Philippe Weissenberger, Strafverteidigung, Basel 2002, Rz. 2.20, 2.39 und 2.45; Hansruedi Müller, Die Grenzen der Vertei- digertätigkeit, in: ZStr 1996, S. 177). 3.2. Der Beschwerdeführer hat seine Berufspflichten gemäss Art. 12 lit. a BGFA nicht nur durch die Widerhandlung gegen die über den freien Verkehr zwischen Strafverteidiger und Klient geltenden straf- prozess- und verwaltungsrechtlichen Vorschriften verletzt (AGVE 1998, S. 96 ff.), sondern seine Handlungen erfüllten den Straftatbestand der versuchten Begünstigung gemäss Art. 305 Abs. 1 2008 Anwaltsrecht 289 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB, teilweise i.V.m. Art. 23 Abs. 1 StGB. Der Umstand, dass es in der strafrechtlichen Beurteilung durch das Be- zirksgericht Aarau bei vollendeten und untauglichen Versuchen blieb, vermag das pflichtwidrige Verhalten des Beschwerdeführers nur sehr eingeschränkt zu relativieren. Der Beschwerdeführer leitete die weit- aus überwiegende Anzahl der Schreiben ungeprüft weiter. Dass es im Strafurteil bei versuchtem (zwei Fälle) bzw. bei untauglichem Ver- such (vier Fälle) der Begünstigung blieb, war allein dem dem Be- schwerdeführer unbekannten Inhalt der Schreiben und dem Umstand zuzuschreiben, dass die Ehefrau des Verhafteten die Anweisungen nicht befolgte. Somit ist erstellt, dass der Beschwerdeführer in ob- jektiver Hinsicht durch das Weiterleiten der Briefe die Berufspflich- ten mehrfach und wiederholt verletzte und seine Handlungsweise den Straftatbestand der versuchten Begünstigung erfüllte. 4. 4.1. Die disziplinarische Einstellung in der Berufsausübung ist eine der schwersten Sanktionen, welche sich nur bei schweren Wider- handlungen gegen die Berufsregeln rechtfertigen lässt. Auch ein be- fristetes Verbot ist nach der Rechtsprechung grundsätzlich nur im Wiederholungsfall gerechtfertigt (BGE vom 24. Februar 2006 [2A.177/2005], Erw. 4.1; BGE vom 11. Juni 2007 [2A.499/2006], Erw. 5.1). Bei der Wahl der geeigneten Sanktionen aus dem Katalog von Art. 17 BGFA ist der Einzelfall zu betrachten, wobei general- und spezialpräventive Aspekte für die Wahl und Bemessung der Sanktion massgebend sind. Die Sanktion hat grundsätzlich einen administrativen Charakter und dient dem Schutz des rechtssuchenden Publikums und der Wahrung des Ansehens der Anwaltschaft (BGE 128 I 346 Erw. 2.2 mit Hinweisen; Tomas Poledna, in: Kom- mentar zum Anwaltsgesetz, a.a.O., Art. 17 N 14 f.). Bei der Wahl und Bemessung der Sanktion steht der Anwaltskommission ein gewisser Ermessensspielraum zu, welcher durch das Verhältnismässigkeitsge- bot eingeschränkt ist. 4.2. Die Vorinstanz begründete das befristete Berufsverbot mit der Tatschwere und setzte die Dauer aufgrund der objektiven und der 2008 Verwaltungsgericht 290 persönlichen Umstände des Beschwerdeführers mit sechs Monaten fest. Auch für das Verwaltungsgericht ist der Missbrauch der Privile- gien des Strafverteidigers im Verkehr mit Untersuchungsgefangenen ein schwerer Verstoss gegen die Berufspflichten. Besonders ins Ge- wicht fällt aber, dass sich der Beschwerdeführer auch der mehrfa- chen versuchten Begünstigung schuldig machte. Die besondere Tat- schwere einer strafrechtlichen Verurteilung in anwaltsrechtlicher Hinsicht findet ihre Begründung darin, dass eine fehlende strafrecht- liche Verurteilung wegen Handlungen, die mit dem Anwaltsberuf nicht zu vereinbaren sind und die im Strafregisterauszug für Privat- personen erscheinen, zu den persönlichen Voraussetzungen für den Registereintrag gehört (Art. 8 Abs. 1 lit. b BGFA). Der Gesetzgeber hat damit die Tätigkeit der Rechtsanwälte im Monopolbereich ausge- schlossen, wenn eine für den Rechtsanwaltsberuf relevante straf- rechtliche Verurteilung im Strafregister erscheint. Ziel dieser Rege- lung ist der Schutz des Vertrauensverhältnisses. Das Vertrauensver- hältnis, das zwischen einer Anwältin oder einem Anwalt und der Klientschaft bestehen muss, ist erheblich beeinträchtigt, wenn die Anwältinnen oder Anwälte aufgrund eines strafrechtlichen Vorlebens nicht vollumfänglich für Seriosität und Ehrenhaftigkeit in der Be- rufsausübung bürgen können. Nicht jede strafrechtliche Verurteilung ist geeignet, dieses Ver- trauensverhältnis zu beeinträchtigen; relevant sind nur solche Verur- teilungen, die Auswirkungen auf die Ausübung des Anwaltsberufs haben (vgl. Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte vom 28. April 1999 [Botschaft BGFA], in: BBl 1999 IV 6050). Die Begünstigung eines Straftäters steht ebenso wie die Widerhandlung gegen die Bestimmungen über den freien Verkehr des Strafverteidigers mit seinem inhaftierten Klienten im Zusam- menhang mit der anwaltlichen Tätigkeit. Der freie Verkehr zwischen Strafverteidiger und Klient ist ein zentrales Element seiner Unabhän- gigkeit von staatlichen Instanzen und bildet damit die Basis des Ver- trauens zwischen Verteidiger und Klient. Dieses Vertrauen ist auch die Grundlage für eine wirksame Strafverteidigung von Inhaftierten, wie sie u.a. Art. 6 Ziff. 3 lit. b EMRK und Art. 32 Abs. 2 BV ge- währleisten (vgl. dazu Mark E. Villiger, Handbuch der Europäischen 2008 Anwaltsrecht 291 Menschenrechtskonvention [EMRK], 2. Auflage, Zürich 1999, Rz. 514 ff.; BGE 126 I 153 Erw. 4a). In diesem Sinne haben die An- wältinnen und Anwälte eine wichtige Funktion für die Gewähr- leistung korrekter rechtsstaatlicher Strafverfahren (vgl. BGE 130 II 270 Erw. 3.2.2 mit Hinweis; Fellmann, a.a.O., Art. 12 N 16 mit Hin- weis) mit der entsprechenden Verpflichtung zur Rechtsstaatlichkeit gegenüber der Allgemeinheit. Strafbare Begünstigungshandlungen eines Strafverteidigers und der Missbrauch seiner Privilegien unter- graben daher auch das Vertrauen der Allgemeinheit in die Anwalt- schaft. Die Seriosität des Anwaltsstandes leidet auch aus der Sicht der Klienten, wenn sich Strafverteidiger über strafrechtliche Verbote hinwegsetzen. Fehlbare Anwältinnen und Anwälte bieten auch keine Gewähr dafür, dass sie sich im Mandatsverhältnis uneingeschränkt an die gesetzlichen Vorschriften und Berufsregeln halten. Auch wenn bei Straftaten gegen die Rechtspflege Zurückhaltung angebracht ist und es nicht darum gehen kann, den Strafbehörden unliebsame Straf- verteidiger zu massregeln oder ihren Handlungsspielraum einzu- schränken (Ernst Stähelin / Christian Oetiker, in: Kommentar zum Anwaltsgesetz, a.a.O., Art. 8 N 21), überschreitet die dem Beschwer- deführer anzulastende Verletzung der Berufsregeln die Schwelle eines leichten oder mittleren Vergehens. Die strafrechtliche Verurtei- lung beeinträchtigt die Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers sehr stark, und sie betrifft seine berufsspezifische Zutrauenswürdig- keit erheblich, weil seine Vergehen im Zusammenhang mit seiner Funktion als Rechtsanwalt und amtlicher Verteidiger stehen. Das be- fristete Berufsverbot ist in solchen Fällen in der Regel eine zutreffen- de Sanktion (vgl. den Entscheid der Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte des Kantons Zürich vom 2. April 1980, in: ZR 80/1981, S. 17 ff.). Die Verwarnung und der Verweis sind für leich- tere Pflichtverletzungen bestimmt und kommen daher vorliegend nicht in Betracht. Die mit dem Strafregistereintrag bis August 2007 fehlende per- sönliche Voraussetzung für die Eintragung ins Anwaltsregister hat den Beschwerdeführer in seiner beruflichen Tätigkeit nicht einge- schränkt. Auch wenn im Zeitpunkt der vorinstanzlichen Beurteilung eine Löschung des Registereintrags infolge fehlender persönlicher 2008 Verwaltungsgericht 292 Voraussetzungen (Art. 9 BGFA) nicht mehr in Frage kam, kann der Beschwerdeführer aus diesem Umstand nichts zu seinen Gunsten ableiten. Die Wahl der Sanktion im Disziplinarverfahren wird durch die Voraussetzungen für den Registereintrag nicht eingeschränkt. 5. 5.1. Die Vorinstanz hat in subjektiver Hinsicht das schwierige Man- datsverhältnis, die kurze Dauer der Anwaltstätigkeit, fehlende Ein- tragungen in der Disziplinarkontrolle und die Einsichtigkeit sowie das seitherige Wohlverhalten des Beschwerdeführers in Rechnung gestellt. Nicht massgeblich ist die Beurteilung durch das Bezirksge- richt Aarau, da sich diese auf die strafrechtliche Würdigung be- schränkte. Die vom Beschwerdeführer angeführte Belastung durch das Straf- und Disziplinarverfahren sowie die Pressepublizität, seine Einsicht und auch die Auswirkungen in finanzieller Hinsicht wurden von der Vorinstanz bereits zureichend berücksichtigt. Ein Strafver- teidiger muss auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichts in der Lage sein, mit manipulativen, aggressiven Mandanten umzugehen, oder das Pflichtmandat abgeben. Den finanziellen Verhältnissen des Beschwerdeführers hat die Vorinstanz dadurch Rechnung getragen, dass sie auf die Ausspre- chung einer Busse verzichtete. Das befristete Berufsverbot be- schränkt sich sodann auf die Monopoltätigkeit. Dem Beschwerdefüh- rer sind die Beratungstätigkeit und die Anwaltstätigkeit im gerichtli- chen Verfahren ausserhalb des Anwaltsmonopols während der Dauer des befristeten Berufsverbots gestattet. Er ist in einer Anwaltskanzlei mit mehreren Anwälten tätig, so dass organisatorische Möglichkeiten zu einer internen Arbeitsaufteilung bestehen. Nicht zu folgen ist der Auffassung des Beschwerdeführers, dass die Tatschwere das Vertrauen des Klienten in seinen Anwalt nicht beschlägt. Ein Anwalt, der sich willentlich über die Anstaltsordnung und über strafrechtliche Schranken hinwegsetzt, verletzt das Klien- tenvertrauen selbst dann in schwerwiegender Weise, wenn er diese Handlungen im vermeintlichen Interesse seines Mandanten vor- nimmt. Der Klient kann daraus nur den Schluss ziehen, dass die Per- 2008 Anwaltsrecht 293 sönlichkeit des Anwalts auch im Mandatsverhältnis solche Risiken nicht ausschliesst. 5.2. Das Verschulden des Anwalts ist mit der Vorinstanz als sehr schwer zu qualifizieren. Insbesondere ins Gewicht fällt, dass der Be- schwerdeführer die überwiegende Anzahl der Briefe, welche er wei- terleitete, nicht einmal inhaltlich überprüfte und damit die elementar- ste Vorsichtmassnahme zur Vermeidung von Kollusions- und Begün- stigungshandlungen unterliess. Auch der Umstand, dass der Be- schwerdeführer Briefe der Ehefrau ohne jede Druckausübung in die Untersuchungshaft schmuggelte und auch diese Briefe mehrheitlich ungeprüft und im Wissen um die mögliche Strafbarkeit seines Ver- haltens weiterleitete, lässt die im unteren Bereich des Strafrahmens von Art. 17 Abs. 1 lit. d BGFA angesetzte Dauer des Berufsverbots nicht als unverhältnismässig erscheinen. Eine strafrechtliche Verur- teilung wegen fortgesetzter und wiederholter Handlungen, die mit dem Anwaltsberuf nicht zu vereinbaren sind (Art. 8 Abs. 1 lit. b BGFA), kann in der Regel auch nicht mehr als mittelschwere Pflicht- verletzung nur mit Busse geahndet werden. Aussergewöhnliche Um- stände, welche diese mildere Massnahme rechtfertigen könnten, wer- den vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht und sind auch aus den Akten nicht ersichtlich. Das Strafverfahren gegen den Klienten des Beschwerdeführers kann nicht als äusserst heikel oder schwierig bezeichnet werden. Die mangelnde Erfahrung und der behauptete grosse Leistungsdruck sind ohnehin nicht geeignet, den Beschwerde- führer zu entlasten. 5.3. Die Beurteilung der Anwaltskommission der persönlichen Um- stände des Beschwerdeführers trägt seinen subjektiven Einschrän- kungen und Belastungen wie der Zeitdauer seit den begangenen Ver- fehlungen angemessen Rechnung. Wird weiter in Betracht gezogen, dass der Beschwerdeführer weder im Straf- noch im Disziplinarver- fahren eine plausible Erklärung dafür geben konnte, warum er sich zu diesem fortgesetzten und wiederholten pflichtwidrigen Verhalten verleiten liess, sich auch seinen Büropartnern gegenüber nicht über seine Situation offenbarte und bis zu seiner Anhaltung durch die Po- 2008 Verwaltungsgericht 294 lizei keinerlei Schritte unternahm, um vom strafbaren Verhalten Ab- stand zu nehmen, erscheint die befristete Berufseinstellung mit der Dauer von sechs Monaten auch unter spezialpräventiven Gesichts- punkten zwar für eine erstmalige Disziplinierung hart, aber angemes- sen. Auf jeden Fall liegt die Dauer noch im Rahmen des der Vorin- stanz zustehenden Ermessens.
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2010 Anwaltsrecht 259 XI. Anwaltsrecht 47 Kostenauflage an den Anzeiger; rechtliches Gehör. Vor einer Auflage von Verfahrenskosten oder eines Parteikostenersatzes ist einem Anzeiger das rechtliche Gehör zu gewähren. Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 16. August 2010 in Sachen N. gegen C. und Anwaltskommission des Kantons Aargau (WBE.2009.349). Aus den Erwägungen 1. Für die von der Anwaltskommission durchgeführten Diszipli- narverfahren werden Gebühren von Fr. 300.-- bis Fr. 6'000.-- erhoben (§ 19 Abs. 2 EG BGFA). Nach § 14 Abs. 1 EG BGFA gehen die Kosten des Verfahrens grundsätzlich zu Lasten des Staates, sind aber von der anzeigenden Person zu tragen, wenn die Anzeige mutwillig oder trölerisch erstattet wurde, oder von der verzeigten Anwältin oder Anwalt, wenn sie oder er bestraft wurde oder das Verfahren schuldhaft veranlasst hat. Ähnliche oder gleich lautende Bestimmun- gen über die Kostenverlegung kennen das Bundesrecht und das kantonale Verfahrensrecht (Art. 343 Abs. 3 OR; Art. 61 lit. a ATSG; Art. 30 des Bundesgesetzes über die Hilfe an Opfer von Straftaten vom 23. März 2007 [Opferhilfegesetz, OHG; SR 312.5] i.V.m. BGE 122 II 211 Erw. 4b [noch zu Art. 16 aOHG]; BGE 124 II 507 Erw. 3; § 38 Abs. 3 VRPG; § 125 Abs. 2 ZPO; § 369 Abs. 3 ZPO; § 139 Abs. 4 StPO). § 14 Abs. 2 EG BGFA gestattet es sodann dem oder den Kos- tenpflichtigen auch einen Parteikostenersatz aufzuerlegen, wo es die Umstände rechtfertigen. 2010 Verwaltungsgericht 260 2. 2.1 Das rechtliche Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV (vgl. auch § 22 Abs. 1 KV) dient einerseits der Sachaufklärung, andererseits stellt es ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht beim Erlass eines Entscheides dar, welcher in die Rechtsstellung des Einzelnen ein- greift. Dazu gehört insbesondere das Recht des Betroffenen, sich vor Erlass eines ihn belastenden Entscheides zur Sache zu äussern (BGE 135 I 190 mit Hinweisen; AGVE 1997, S. 373 f.; Ulrich Häfe- lin / Georg Müller / Felix Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Auflage, Zürich 2006, Rz. 1672). Betroffene in diesem Sinne sind nicht nur die (formellen) Parteien eines Verfahrens. Auch andere Ver- fahrensbeteiligte, wie zum Beispiel ein Anzeiger, sind Träger des durch die Bundesverfassung und die kanntonale Verfassung gewähr- ten Gehörsanspruchs, soweit sie durch den Ausgang des Verwal- tungsverfahrens materiell betroffen sind und insofern ein schutz- würdiges Bedürfnis an der Mitwirkung haben (Michele Albertini, Der verfassungsmässige Anspruch auf rechtliches Gehör im Verwal- tungsverfahren des modernen Staates, Diss., Bern 2000, S. 141, 154). Die Kostenauflage an den Anzeiger und insbesondere die Auf- erlegung einer Parteientschädigung ist ein den Anzeiger belastender Entscheid, mit dem zu seinem Nachteil in seine Rechtsstellung ein- gegriffen wird. Vor Erlass eines belastenden Kostenentscheides ist der Anzeiger in der Regel anzuhören (§ 21 Abs. 1 VRPG).
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2008 Kantonale Steuern 75 17 Berufskosten (Gewinnungskosten); Fahrtkosten eines Wochenaufenthal- ters. - Zumutbarer zeitlicher Mehraufwand für die Benützung des öffentli- chen Verkehrs. - Berechnung der Zeitersparnis. Urteil des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 23. Januar 2008 in Sachen Kantonales Steueramt gegen M. (WBE.2007.176). Zur Publikation vorgese- hen in StE 2009. Aus den Erwägungen 3. Gemäss § 35 Abs. 1 lit. a StG werden die notwendigen Kosten für Fahrten zwischen Wohn- und Arbeitsstätte als Berufskosten ab- gezogen. Steht kein öffentliches Verkehrsmittel zur Verfügung oder ist dessen Benutzung objektiv nicht zumutbar, so können die Kosten des privaten Fahrzeugs abgezogen werden (§§ 12 ff. StGV i.V.m. Art. 5 Abs. 3 der Verordnung des EFD über den Abzug von Berufs- kosten der unselbständigen Erwerbstätigkeit bei der direkten Bun- dessteuer vom 10. Februar 1993 [Berufskostenverordnung, SR 642.118.1]). Grundsätzlich sind also in erster Linie die Kosten des öffentlichen Verkehrs abziehbar. 4. 4.1 Die Kosten des privaten Fahrzeuges werden steuerlich dann be- rücksichtigt, wenn die Benützung des öffentlichen Verkehrsmittels nicht zumutbar ist. Dies trifft namentlich zu bei: "- Krankheit oder körperlichen Gebrechen - beachtlicher Entfernung der nächsten Haltestelle 2008 Verwaltungsgericht 76 - schlechten Bahn- oder Busverbindungen - Arbeitsbeginn oder -schluss ausserhalb der Verkehrszeiten - erheblichem zeitlichem Mehraufwand bei Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel" (Philip Funk, in: Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, 2. Auflage, Muri-Bern 2004, § 35 N 7 mit Hinweisen) Soweit es um das Kriterium des erheblichen zeitlichen Mehr- aufwands bei Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel geht, wird nach der Rechtsprechung die Benützung des öffentlichen Verkehrs als zumutbar erachtet, wenn der damit verbundene Zeitverlust, ver- glichen mit der Benützung des privaten Fahrzeuges, weniger als eine Stunde pro Tag beträgt (AGVE 1997, S. 406 m.H.). Die genannte Zeitersparnis von einer Stunde stellt einen Richtwert dar, der nicht sklavisch zu befolgen ist. Massgebend sind die Umstände des Einzel- falles (BGE vom 25. April 1995 in Sachen R., publiziert in: Die neue Steuerpraxis 1995, S. 84), insbesondere die Quantität (Fahrplan- dichte) und Qualität (direkte Verbindungen, S-Bahn oder Bummel- züge) des Angebotes an öffentlichen Verkehrsmitteln, die Umsteige- verhältnisse und die Distanzen zu den Haltestellen. Lässt sich bei Benützung des Privatfahrzeugs mehr als eine Stunde pro Tag einspa- ren, so deutet dies indessen auf ungenügende öffentliche Verbindun- gen hin (AGVE 2005, S. 364 f.; 1997, S. 409). 4.2. 4.2.1 Diese Rechtsprechung bezieht sich auf Pendler, welche den Ar- beitsweg täglich zurücklegen. Sie lässt sich auf Wochenaufenthalter sinngemäss übertragen. Auch hier sind die Kosten des privaten Fahr- zeugs abzugsfähig, wenn dessen Benützung für den Arbeitsweg not- wendig - oder anders ausgedrückt, wenn die Benützung der öffentli- chen Verkehrsmittel nicht zumutbar ist. Dabei gilt es zu bestimmen, welcher zeitliche Mehraufwand beim Benützen der öffentlichen Ver- kehrsmittel noch als zumutbar erachtet werden kann. Das KStA ist der Meinung, dieser sei auf ungefähr fünf Stunden pro Woche fest- zulegen, da dies umgerechnet einer Stunde pro Arbeitstag ent- spreche; bei Wochenaufenthaltern führt dies zu einem zumutbaren Mehraufwand von 2,5 Stunden pro Wegstrecke. Die Vorinstanz er- 2008 Kantonale Steuern 77 achtet demgegenüber gleich wie beim Pendler eine Stunde Mehrauf- wand pro Tag - was beim Wochenaufenthalter auf eine Stunde Mehr- aufwand pro Wegstrecke hinausläuft - als Grenze des Zumutbaren. 4.2.2. Es erscheint angezeigt, beim Wochenaufenthalter gleich wie beim Pendler die Hin- und Rückfahrt insgesamt zu bewerten, denn letztlich steht für ihn der gesamte Zeit- bzw. Mehraufwand am Wochenende im Zentrum. Die vom KStA vorgenommene Umrechnung vermag nicht zu überzeugen. Der auf (rund) eine Stunde festgelegte zumutbare Mehr- aufwand pro Arbeitstag ist nicht aus der Überlegung entstanden, wie viele Stunden einem Pendler in der Woche zuzumuten sind. Wesent- lich ist vielmehr die Zumutbarkeit, den öffentlichen Verkehr zu be- nützen, was von dessen Quantität und Qualität abhängt. Es liegt auf der Hand, dass bei einem zeitlichen Unterschied von 2,5 Stunden für eine Wegstrecke (was auf eine Reisezeit von 5 Stunden oder mehr mit den öffentlichen Verkehrsmitteln schliessen lässt) grundsätzlich nicht mehr von einem genügenden Angebot an öffentlichen Ver- kehrsmitteln gesprochen werden kann. Zu beachten ist auch, dass beim Wochenaufenthalter die Fahrten auf das Wochenende und damit auf eine für die Erholung besonders wertvolle Zeit fallen können. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass der Wochenaufenthalter nur zwei Mal wöchentlich eine solche Fahrt absolvieren muss, und über- dies geschieht die Hin- und Rückfahrt nicht gleichentags, summiert sich also nicht an einem einzigen Tag. In einer Gesamtwürdigung rechtfertigt es sich, die vom Steuer- rekursgericht beachtete Grenze etwas zu erhöhen und den zeitlich zumutbaren Mehraufwand für die Benützung der öffentlichen Ver- kehrsmittel bei Wochenaufenthaltern, für Hin- und Rückfahrt zu- sammengenommen, auf 2,5 Stunden festzusetzen. Im Weiteren dürfte - was hier allerdings nicht endgültig entschieden werden muss - die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel generell unzumutbar sein, wenn es nicht möglich ist, nach Arbeitsschluss noch am Freitagabend nach Hause zurückzukehren. 2008 Verwaltungsgericht 78 4.3. 4.3.1. Massgeblich sind selbstverständlich die Fahrpläne des Jahres 2003. (...). 4.3.2. Die Fahrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zwischen K. und B. dauert gemäss den Feststellungen der Vorinstanz 260 Minuten (Hinweg) bzw. 280 Minuten (Rückweg), also insgesamt 540 Minu- ten. Nach Abzug der Fahrtzeit mit dem Privatfahrzeug (zweimal 2,5 Stunden, insgesamt 300 Minuten) ergibt sich ein zeitlicher Mehrauf- wand von 240 Minuten. Dieser Mehraufwand von vier Stunden pro Woche macht die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel unzu- mutbar. Selbst wenn noch geringfügige Änderungen an der Berech- nung vorgenommen würden, vermöchte dies am Ergebnis nichts zu ändern.
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2007 Verwaltungsgericht 180 [...] 42 Einweisung zur Untersuchung; Aufhebung der fürsorgerischen Freiheit- sentziehung, wenn deren Voraussetzungen mangels Geisteskrankheit oder Geistesschwäche nicht mehr gegeben sind. - Keine Geisteskrankheit/Geistesschwäche bei fraglicher Fremdge- fährdung im Ehekonflikt. - Zeigt sich anlässlich einer Klinikeinweisung zur Untersuchung, dass keine Geisteskrankheit oder Geistesschwäche vorliegt, so ist der Pa- tient aus der Klinik zu entlassen, auch wenn die Frage der Fremdge- fährdung (im Rahmen eines Ehekonflikts) nicht restlos geklärt ist. 2007 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 181 Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 16. Januar 2007 in Sa- chen M.C.L. gegen den Bezirksarzt X. (WBE.2007.3). Aus den Erwägungen 3. Bei einer Einweisung zur Untersuchung darf die betroffene Per- son gemäss § 67d Abs. 3 EG ZGB nur so lange zurückbehalten wer- den, als es für die Untersuchung unbedingt erforderlich ist. Der Klinikvertreter hat an der Verhandlung bestätigt, dass die im Rahmen des stationären Klinikaufenthalts mögliche Untersuchung des Be- schwerdeführers abgeschlossen ist. Die Frage der Fremdgefährdung könnte einzig durch ein forensisches Gutachten im Rahmen des Strafverfahrens näher abgeklärt werden. Es stellt sich somit die Frage, ob der Beschwerdeführer zu entlassen sei oder ob die Voraussetzungen für eine definitive Einweisung zur Behandlung er- füllt seien. 3.1. Voraussetzung für die Errichtung oder Aufrechterhaltung einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung ist gemäss Art. 397a ZGB u.a. das Vorliegen einer Geisteskrankheit, Geistesschwäche, Trunksucht, anderen Suchterkrankungen oder einer schweren Verwahrlosung. Bei den im ZGB verwendeten Begriffen Geisteskrankheit und Geistesschwäche handelt es sich um (veraltete) Rechtsbegriffe, die nicht im medizinischen Sinn zu verstehen sind und auch nicht ihrer Bedeutung in der Umgangssprache entsprechen (Eugen Spirig, in: Zürcher Kommentar, II. Band: Familienrecht, Zürich 1995, Art. 397a N 26 und 42; Thomas Geiser, in: Basler Kommentar, ZGB I/2, Ba- sel/Genf/München 1999, Art. 397a N 7). Während das Verwaltungsgericht in Anlehnung an Hans Binder eine Geisteskrank- heit beim Auftreten psychischer Störungen, die stark auffallen und einem besonnenen Laien als uneinfühlbar, tiefgreifend abwegig, grob befremdend erscheinen, bejaht (vgl. Ernst Langenegger, in: Basler Kommentar, ZGB I/2, 2. Aufl., Basel/Genf/München 2002, Art. 369 N 21; Spirig, a.a.O., Art. 397a N 27), fallen unter den Begriff der 2007 Verwaltungsgericht 182 Geistesschwäche andere seelische Abweichungen, welche (erheblich) auffallen, aber nicht völlig uneinfühlbar sind (Langenegger, a.a.O., Art. 369 N 23; Spirig, a.a.O., Art. 397a N 44). Nach dieser Ausle- gung beschränkt sich Geistesschwäche im Sinne des ZGB nicht auf intellektuelle Mängel, sondern umfasst auch psychische Störungen von weniger gravierender Art als bei Geisteskrankheit (Hans Michael Riemer, Grundriss des Vormundschaftsrechts, Bern 1997, S. 47). Ge- mäss herrschender Lehre sind damit alle weiteren seelischen Abwei- chungen gemeint, welche der Laie nicht geradezu als Krankheit erachtet, weil er den Eindruck hat, sich in das Seelenleben des an- dern noch einigermassen einfühlen zu können (Hans Binder, Die Geisteskrankheit im Recht, Zürich 1952, S. 78). Auch die Geistes- schwäche bezeichnet also einen dauerhaften, zumindest längere Zeit dauernden Zustand. Das Verwaltungsgericht betrachtet es als Indiz für das Vorliegen einer Geistesschwäche im Sinne des ZGB, wenn einer Person die Fähigkeit abgeht, sich in ihrem Verhalten der Umge- bung wenigstens so weit anzupassen, dass sie ihr Leben einigermas- sen geordnet und ihren eigenen dringenden Wünschen gemäss zu führen vermag (vgl. zum Ganzen AGVE 1996, S. 264 f.; 1990, S. 221 f.; 1989, S. 192, 195 f.; 1986, S. 197 f.; 1985, S. 207; 1983, S. 121 f.; 1982, S. 140 ff.). 3.1.1. Anlässlich der verwaltungsgerichtlichen Verhandlung vom 16. Januar 2007 erklärte der behandelnde Klinikarzt, dass aktuell kein depressives Zustandsbild des Beschwerdeführers vorliege, wo- bei dies auch auf die konstante Behandlung mit dem Antidepres- sivum Efexor zurückzuführen sei. Im Gegensatz zu einem an einer Depression erkrankten Patienten sei der Beschwerdeführer in der Lage, zu kämpfen und sich aufzubäumen, was dieses Krankheitsbild ausschliesse. Ebenfalls auszuschliessen seien eine Krankheit aus dem schizophrenen Formenkreis, Zwangs- oder Angststörungen sowie ei- ne Persönlichkeitsstörung. Auch die neurologische Untersuchung sei ohne Befund ausgefallen. Somit sei erstellt, dass keine akute psychiatrische Erkrankung vorliege. Allenfalls könne von einer ak- zentuierten Persönlichkeit des Beschwerdeführers gesprochen wer- den, was jedoch keine stationäre psychiatrische Behandlung notwen- 2007 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 183 dig mache. So gesehen seien die Voraussetzungen für eine fürsorgeri- sche Freiheitsentziehung nicht mehr erfüllt; schwierig abzuschätzen sei jedoch die Frage der Fremdgefährdung. 3.1.2. Für das Verwaltungsgericht, dem auch ein Fachrichter angehört, steht auf Grund der Akten, der ärztlichen Befunde und der eigenen Wahrnehmung somit fest, dass keine behandlungsbedürftige akute psychiatrische Erkrankung des Beschwerdeführers vorliegt. Auch eine Geisteskrankheit oder Geistesschwäche im juristischen Sinn liegt nicht vor, da sich der Beschwerdeführer während des gesamten Klinikaufenthalts angepasst verhalten hat. Die Verhaltensauffällig- keiten im Zusammenhang mit den Konflikten zwischen ihm und seiner Ehefrau erreichen nicht das Mass einer Geistesschwäche, da keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass dem Beschwerdeführer die Fähigkeit abgeht, sich in seinem Verhalten der Umgebung wenig- stens so weit anzupassen, dass er sein Leben einigermassen geordnet und seinen eigenen dringenden Wünschen gemäss zu führen vermag. Überdies fehlt es offensichtlich auch an einer stationären Behand- lungsbedürftigkeit des Beschwerdeführers. Die nötige persönliche Fürsorge kann ihm ausserhalb der Klinik erwiesen werden. Entspre- chend hat er sich auch freiwillig bereit erklärt, die ambulante Thera- pie fortzusetzen. 3.2. Somit steht fest, dass die Voraussetzungen für die Aufrecht- erhaltung der fürsorgerischen Freiheitsentziehung mangels Geistes- krankheit oder Geistesschwäche spätestens seit dem Verhandlungs- zeitpunkt nicht mehr gegeben sind, weshalb die fürsorgerische Frei- heitsentziehung aufzuheben und der Beschwerdeführer aus der Kli- nik zu entlassen ist. Dieser Ausgang des Verfahrens ist unabhängig von der Beurteilung einer allfälligen Fremdgefährdung. Das von der Ehefrau und der Klinik Barmelweid mehrfach glaubwürdig geschil- derte Aggressionspotential des Beschwerdeführers seiner Ehefrau gegenüber war zwischendurch auch an der Verhandlung spürbar, jedoch hatte sich der Beschwerdeführer stets unter Kontrolle und es lag keine derart akute Fremdgefährdung vor, welche unverzüglich 2007 Verwaltungsgericht 184 staatliche Massnahmen zum Schutz der Angehörigen erforderlich machen würde.
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2001 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 299 [...] 67 Hobbymässige Tierhaltung in Wohnzonen. - Bedeutung der Gemeindeautonomie in diesem Bereich (Erw. 2/b). - Fehlende Zonenkonformität der Mastschweinehaltung (Erw. 2/c). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 26. September 2001 in Sachen K. gegen Baudepartement. Aus den Erwägungen 1. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet einzig noch der Tierunterstand zur Haltung von zwei Mastschweinen auf der Parzelle Nr. x. Die Baubewilligungen für den Kleinanbau auf der Nordseite des Gebäudes Nr. y und die Sitzplatzüberdachung auf des- sen Ostseite sind demgegenüber infolge Nichtanfechtung formell rechtskräftig geworden. 2. Die Beschwerdeführerinnen machen in erster Linie geltend, die Mastschweinehaltung sei in einer reinen Wohnzone - die Parzelle Nr. x liegt gemäss dem Bauzonenplan der Gemeinde H. vom 18. September 1997/23. März 1999 in der Wohnzone 2 - nicht zo- nenkonform und entspreche auch nicht den bundesrechtlichen Im- missionsvorschriften. a) Vorab stellt sich die Frage nach der Abgrenzung zwischen dem Immissionsschutzrecht des Bundes und den kantonalen bzw. kommunalen Bau- und Nutzungsvorschriften (vgl. zum Folgenden: BGE 118 Ia 114 f.; 118 Ib 595; AGVE 1998, S. 317 f. mit Hinwei- sen). (...) b) Gemäss § 13 Abs. 1 und § 15 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a BauG erlassen die Gemeinden allgemeine Nutzungspläne (Zonenpläne) und 2001 Verwaltungsgericht 300 allgemeine Nutzungsvorschriften (Bau- und Zonenordnungen), die das Gemeindegebiet in verschiedene Nutzungszonen einteilen sowie Art und Mass der Nutzung regeln; sie können dabei insbesondere Bauzonen, namentlich Wohn-, Kern-, Gewerbe-, Industriezonen und Zonen für öffentliche Bauten ausscheiden. Bei der Ausscheidung und Definition der verschiedenen Zonen geniessen die Gemeinden auf- grund von § 106 KV verfassungsrechtlich geschützte Autonomie; hierin eingeschlossen ist die Anwendung des autonomen Gemeinde- rechts. Daraus folgt, dass sich das Verwaltungsgericht bei der Über- prüfung einschlägiger gemeinderätlicher Entscheide zurückzuhalten hat. Dies gilt auch bei Immissionsfragen - obwohl dem Verwal- tungsgericht dort die Ermessensüberprüfung obliegt (§ 56 Abs. 2 lit. f VRPG) - insoweit, als es bei den zu entscheidenden Fragen um rein lokale Anliegen geht und weder überörtliche Interessen noch überwiegende Rechtsschutzanliegen berührt werden. Die Gemeinde kann sich in solchen Fällen bei der Auslegung kommunalen Rechts insbesondere dort auf ihre Autonomie berufen, wo eine Regelung un- bestimmt ist und verschiedene Auslegungsergebnisse rechtlich ver- tretbar erscheinen. Die kantonalen Rechtsmittelinstanzen sind hier gehalten, das Ergebnis der gemeinderätlichen Rechtsauslegung zu re- spektieren und nicht ohne Not ihre eigene Rechtsauffassung an die Stelle der gemeinderätlichen zu setzen. Die Autonomie der Gemein- debehörden hat jedoch auch in diesen Fällen dort ihre Grenzen, wo sich eine Auslegung mit dem Wortlaut sowie mit Sinn und Zweck des Gesetzes nicht mehr vereinbaren lässt (AGVE 1998, S. 319 f. mit Hinweisen). c) aa) Der Gemeinderat hält die Haltung von zwei Mastschwei- nen mit Freilandhaltung in der Wohnzone 2 entsprechend der ver- waltungsgerichtlichen Praxis zur hobbymässigen Haltung von Haus- tieren für zonenkonform. Bei Schweinen handle es sich, auch wenn die Meinungen hierüber auseinander gingen, um Haustiere. In einer ländlichen Umgebung wie hier - das Bauvorhaben sei am Rand der Landwirtschaftszone und in unmittelbarer Nähe des Waldes geplant - sei die Haltung von zwei Mastschweinen für die Nachbarn zumutbar; es seien nicht grössere Immissionen als von der Haltung von einem oder mehreren Pferden zu erwarten. Die Beschwerdeführerinnen ma- 2001 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 301 chen hingegen geltend, bei Schweinen handle es sich nicht um Haus- tiere im klassischen Sinne, jedenfalls nicht um solche, die in einer Wohnzone als Teil der Wohnnutzung gehalten würden. Dies möge vor 50 oder vor 100 Jahren noch anders gewesen sein; in der heuti- gen Zeit lösten Mastschweine in der Wohnzone beim durchschnitt- lichen, objektiven Betrachter Reaktionen zwischen höchstem Erstau- nen und grobem Befremden aus. Schweine seien von ihrer Immis- sionsträchtigkeit her sehr problematisch und würden von vielen Zeit- genossen als schmutzige oder unreine Tiere empfunden, die Unge- ziefer anzögen und die Wohnhygiene massiv beeinträchtigten. Mast- schweine könnten daher auch nicht mit Hunden, Katzen, Kaninchen oder Pferden verglichen werden. Es spiele überdies keine Rolle, ob eine Gemeinde eher ländlich geprägt sei und sich der Tierunterstand in der Nähe der Grenze zur Grünzone befinde. Wenn eine grössere Zahl von Bewohnern der Wohnzone die Haltung von Mastschweinen ebenfalls für sich beanspruchen würde, wären die wohnhygienischen und siedlungsplanerischen Zustände innert kurzer Zeit unhaltbar. bb) In der Wohnzone 2 sind Wohnbauten und nicht störende, in Wohngebiete passende Gewerbe und Läden zugelassen (§ 16 Abs. 1 der Bau- und Nutzungsordnung der Gemeinde H. [BNO] mit den gleichen Beschluss- und Genehmigungsdaten wie der Bauzonen- plan). Hier ist dem Wohnen somit der klare Vorrang eingeräumt. Die Wohnnutzung kann dabei in erster Linie als eine Reihe verschiedener Zwecke und Tätigkeiten beschrieben werden, zu denen etwa Erho- lung, Schlafen, Haus- und Heimarbeit, Essen usw. zu zählen sind. Das Wohnen ist jedoch nicht allein auf den Wohnraum fixiert, ob- wohl diesem als "Ort der Handlung" eine Schüsselstellung zukommt; für das Wohnen mitentscheidend sind vielmehr auch die Wohnstand- orte und Wohnanlagen, die Siedlungs- und Bauformen sowie das umgebende Quartier. Wohnen ist somit nicht nur eine sich nach In- nen (Wohnraum) orientierende Tätigkeit, sondern hat auch eine Aus- senwirkung und wird von aussen beeinflusst. Die Ausübung der Wohnnutzung bedingt eine Umgebung, die frei ist von Lärm, Gerü- chen und anderen Immissionen, die das mit dem Wohnen selbst ver- bundene Mass überschreiten (AGVE 1994, S. 370 mit Hinweisen). 2001 Verwaltungsgericht 302 cc) Das Verwaltungsgericht anerkennt das hobbymässige Halten von Haustieren wie Hunden, Katzen oder Kaninchen, aber auch von einzelnen Pferden, als Bestandteil der reinen Wohnnutzung, jedoch immer unter der Voraussetzung, dass die Tierhaltung nach Art und Umfang mit dem Wohnzweck noch vereinbart werden kann (AGVE 1998, S. 320 mit Hinweisen). Die Mehrheit des Verwaltungsgerichts erachtet nun bei Schweinen diese Erfordernisse nicht als erfüllt. Mastschweine sind zwar ebenfalls Haustiere. Sie unterscheiden sich von den genannten Tieren aber dadurch, dass bei ihnen das Element der Nutzung zur Fleischproduktion eine zentrale Rolle spielt. Bei den andern Haustieren steht demgegenüber die emotionale Verbundenheit des Besitzers zum Tier oder auch die pädagogische Funktion im Rahmen der Kindererziehung im Vordergrund. Es ist daher nicht abwegig, mit den Beschwerdeführern anzunehmen, die Haltung von Mastschweinen, wie sie hier zur Diskussion steht, rücke tendenziell in die Nähe eines Gewerbe- oder Landwirtschaftsbetriebs. Schon von diesem Ansatzpunkt her bereitet es Mühe, die Schweinehaltung mit dem Wohnzweck in Einklang zu bringen. Dazu kommen die Immis- sionsträchtigkeit und der ideelle Aspekt. Letztlich ist nicht bestreit- bar, dass Schweine eher mehr Immissionen verursachen als andere Tiere. Die Lebenserfahrung zeigt, dass Schweine bzw. die von ihnen stammenden Exkremente namentlich bei warmer Witterung und entsprechender Windlage einen sehr unangenehmen Geruch verbrei- ten können; diesem Gesichtspunkt kommt vor dem Hintergrund der verdichteten Bauweise, welche die Gemeinden zu fördern haben (§ 46 BauG), eine erhöhte Bedeutung zu. Es darf auch nicht verkannt werden, dass die Erscheinungsweise von Schweinen in dem Sinne "negativ besetzt" ist, als diese Tiere bei vielen Menschen Gefühle von Ekel erregen können; nicht von ungefähr dient das Schwein in der Umgangssprache vielfach als Metapher für Schmutz und man- gelnde Reinlichkeit. In Wohnzonen, welche wie erwähnt der Ruhe und Erholung dienen (Erw. bb hievor) und in denen die Bewohner vielfach Wert auf die Pflege und das Aussehen ihrer Häuser und Gärten legen, wirken deshalb Schweine - selbst wenn sie in geringer Anzahl gehalten werden - auch in ästhetischer Hinsicht störend. In einem neuzeitlichen Wohnverständnis hat jedenfalls die Schweine- 2001 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 303 haltung kaum Platz, selbst wenn wie hier versucht wird, die Auswir- kungen der Geruchsimmissionen durch Nebenbestimmungen in den Griff zu bekommen. Es wäre dabei verfehlt, nur den Einzelfall im Auge zu betrachten, wie dies der Gemeinderat offenbar tut; käme man den Beschwerdegegnern entgegen, könnten sich andere Bewoh- ner auf gleiches Recht ebenfalls berufen, und dann wäre die Unver- einbarkeit mit den Wesensmerkmalen einer reinen Wohnzone voll- ends offensichtlich. Der Gemeinderat legt hier die Nutzungsbestim- mungen einer Wohnzone in derart extensiver Weise aus, dass dies mit Sinn und Zweck einer solchen Zonierung nicht mehr in Überein- stimmung zu bringen und deshalb auch durch die autonome Stellung der Gemeinden nicht mehr abgedeckt ist (Erw. b hievor). Die Be- schwerde ist deshalb gutzuheissen. Für eine Minderheit des Gerichts ist eine Differenzierung zwi- schen dem hobbymässigen Halten von Schweinen und jenem anderer Haustiere nicht objektiv begründbar. Jedes Haustier bringe seinem Halter einen gewissen Nutzen ideeller oder materieller Art. Bei der Haltung von Mastschweinen spiele zwar die Fleischproduktion eine gewichtige Rolle; sofern sie rein hobbymässig betrieben werde, diene sie jedoch der Selbstversorgung, und von der Ausübung einer gewerblichen oder landwirtschaftlichen Tätigkeit könne deshalb nicht gesprochen werden. Es müsse zudem berücksichtigt werden, dass nicht nur die Haltung von Kleintieren, sondern auch die Haltung einer beschränkten Anzahl von Pferden mit der Wohnnutzung ver- einbar sei (Erw. cc hievor), und die von Pferden verursachten Ge- ruchsbelastungen seien nicht wesentlich geringer als jene von Schweinen. Gesamthaft erweise sich der gemeinderätliche Stand- punkt vor dem Hintergrund der Gemeindeautonomie als vertretbar.
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AG_VG_001
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2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 132 [...] 23 Familiennachzug; bedarfsgerechte Wohnung - Präzisierung der im Kanton Aargau angewandten Praxis zu den für einen Familiennachzug erforderlichen Wohnverhältnissen - Im Rahmen von Art. 42, 43 und 44 AuG sind die Anforderungen an die Wohnverhältnisse ohne Weiteres erfüllt, wenn die Anzahl Perso- nen die Anzahl Zimmer der Familienwohnung um höchstens eins überschreitet. Wird die Zahl um mehr als eins überschritten, ist auf- grund der konkreten Umstände zu prüfen, ob die Wohnverhältnisse trotz erhöhter Belegung der Wohnung angemessen sind. - Sofern bei objektiver Betrachtung ein störungsfreies und gegebenen- falls dem Kindswohl entsprechendes Zusammenleben möglich er- scheint, sind die Wohnverhältnisse auch bei erhöhter Belegung der Familienwohnung als angemessen einzustufen. Bei der entsprechen- den Beurteilung sind die Grösse der Wohnung, die konkreten Wohn- verhältnisse sowie die Familienkonstellation im Einzelfall massge- bend. 2017 Migrationsrecht 133 Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 3. Februar 2017, i.S. A. gegen das Amt für Migration und Integration (WBE.2015.341) Aus den Erwägungen 2.1.2. Die Vorinstanz ist der Ansicht, die Viereinhalbzimmerwohnung des Beschwerdeführers erweise sich für seine (nach einer Bewilli- gung des Familiennachzugs) sechsköpfige Familie - gemessen an der weitverbreiteten, auch im Kanton Aargau geltenden Praxis beim Fa- miliennachzug bei Personen mit Aufenthaltsbewilligung - als zu klein und genüge den Anforderungen für einen Familiennachzug nicht. Nach der besagten Praxis gelte eine Wohnung dann als ange- messen bzw. bedarfsgerecht, wenn die Anzahl Personen die sie be- wohne, die Anzahl Zimmer um höchstens eins überschreite. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts spielen die Wohnverhältnisse zwar auch im Rahmen von Art. 43 Abs. 1 AuG eine gewisse Rolle, zumal das Gesetz ein Zusammenwohnen der Fa- milienmitglieder verlangt. So ist es gerechtfertigt, den Nachweis einer tauglichen Wohnung zu verlangen. Diese Anforderungen dür- fen jedoch nicht schematisch gehandhabt werden; entscheidend ist im Rahmen einer Gesamtsicht der Schutz vor unwürdigen Lebens- bedingungen, das Kindsinteresse und der Vorbehalt einer allfälligen Fürsorgeabhängigkeit bei veränderten Wohnverhältnissen (Urteil des Bundesgerichts vom 17. November 2011 [2C_194/2011], Erw. 2.4.5). Im Übrigen gilt eine Wohnung bereits dann als be- darfsgerecht im Sinne von Art. 44 lit. b AuG, wenn sie - vorbehält- lich einer offenkundigen Überbelegung - für die darin lebenden Personen tauglich erscheint, auch wenn keine komfortablen Platzver- hältnisse gegeben sind. Mit Blick auf die persönliche Freiheit der be- troffenen Personen darf z.B. aufenthaltsberechtigten Ehepaaren nicht verwehrt werden, mit ihren Eltern oder Dritten zusammenzuwohnen (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 25. Oktober 2011 [6B_497/2010], Erw. 1.2 a.E.). 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 134 2.1.3. Die im Kanton Aargau angewandte Praxis, wonach eine Woh- nung dann bedarfsgerecht bzw. angemessen (Art. 44 AuG) bzw. ein Zusammenleben möglich ist (Art. 42 f. AuG), wenn die Anzahl Per- sonen die Anzahl Zimmer um höchstens eins überschreitet, erweist sich damit nur insofern als zutreffend, als bei Erfüllung dieser Vor- aussetzung ohne Weiteres von einer bedarfsgerechten Wohnung aus- gegangen werden kann. Wird die Zahl um mehr als eins überschrit- ten, ist aufgrund der konkreten Umstände zu prüfen, ob die Wohnung trotzdem bedarfsgerecht ist. Nach dem Gesagten ist die mit Ent- scheid des RGAR vom 12. November 2004 (BE.2004.0021) bestätigte Praxis des MKA zu präzisieren (siehe dort, Erw. II/4.b). Massgebend für die Beurteilung, ob eine Familienwohnung trotz einer nach Massstab der genannten Praxis vorliegenden "Über- belegung" bedarfsgerecht ist, sind neben der Grösse der Wohnung die konkreten Familien- bzw. Wohnverhältnisse. Nicht zu beanstan- den ist z.B., wenn neben den Ehegatten auch Kinder gemeinsam in einem Zimmer schlafen. Ob zwei oder gar mehrere Kinder zusam- men ein Zimmer belegen können, hängt im Einzelfall vom Alter und Geschlecht der Kinder, von der Zimmergrösse und von der Grösse der gemeinschaftlich nutzbaren Zimmer bzw. Wohnfläche ab. Mass- gebend ist letztlich immer, ob bei objektiver Betrachtung ein stö- rungsfreies und gegebenenfalls dem Kindswohl entsprechendes Zu- sammenleben möglich erscheint. Dabei ist insbesondere den schuli- schen Bedürfnissen und der Adoleszenz Rechnung zu tragen. 2.1.4. Im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz einzig auf die Anzahl der zur Verfügung stehenden Zimmer und die Anzahl Personen abge- stellt, ohne die konkreten Umstände zu berücksichtigen. Andererseits nahm der Beschwerdeführer trotz Nachfrage der Vorinstanz nicht zur Frage Stellung, wie er sich das konkrete Zusammenleben vorstelle. Er begnügte sich mit dem Hinweis darauf, dass er über eine grosse Wohnung verfüge und bereit wäre, eine grössere Wohnung zu mie- ten, sollte dies notwendig sein. Der Beschwerdeführer verfügt aktuell über eine Viereinhalb- zimmerwohnung. Wird der Nachzug seiner Kinder bewilligt, sollen 2017 Migrationsrecht 135 in der Wohnung der Beschwerdeführer selbst, seine Tochter B. (geb. 1991) mit deren Tochter C., der Sohn D. (geb. 1996) sowie die Zwillinge E. und F. (geb. 1997) leben. Im Gesuchszeitpunkt (27. September 2013) waren der Sohn 17 1⁄2 Jahre und die Zwillinge 16 Jahre alt. Geht man davon aus, dass es sich wie behauptet um eine überdurchschnittlich grosse Wohnung handelt und die Zimmereintei- lung im optimalen Fall vier Einzelzimmer und ein mit der Küche verbundenes halbes Esszimmer umfasst, könnten sich die Zwillinge sowie B. und ihre Tochter je ein Zimmer teilen. Damit verbliebe ne- ben je einem Zimmer für den Beschwerdeführer und den Sohn D. als gemeinsam nutzbare Wohnfläche das halbe Esszimmer. Dies ent- spricht nicht Wohnverhältnissen, die bei objektiver Betrachtung ein störungsfreies und dem Kindswohl entsprechendes Zusammenleben von insgesamt sechs Personen möglich erscheinen lassen. Selbst un- ter Berücksichtigung, dass sich die Behörden im Rahmen von Art. 42 f. AuG mit Blick auf die Anforderungen an die Grösse der Wohnung eine gewisse Zurückhaltung aufzuerlegen haben, steht fest, dass die Vorinstanz im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen ist, die Wohnung sei für ein Zusammenleben der sechs Personen untauglich.
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2,014
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2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 192 33 Unterangebot; Vorbefassung - Unterangebote sind nicht per se verboten. Umfasst ein ungewöhnlich niedriges Angebot alle geforderten Leistungen bzw. ist die Anbieterin 2014 Submissionen 193 in der Lage, diese Leistungen zum offerierten Preis zu erbringen und verletzt die Anbieterin mit ihrem Angebot auch nicht die Teilnahme- oder Antragsbedingungen, so besteht kein Grund für einen Aus- schluss des Angebots vom Verfahren. Dies umso weniger, wenn sich die Vergabestelle der Preisdifferenzen zwischen den Angeboten be- wusst ist und zusätzliche Abklärungen vorgenommen hat (Erw. 7.). - Die Frage einer unzulässigen Vorbefassung (§ 28 Abs. 1 lit. h SubmD) stellt sich nicht, wenn die fragliche Person (welche heute für die Zu- schlagsempfängerin tätig ist) an der Erstellung der Ausschreibungs- unterlagen für das vorliegende Verfahren nicht mitgewirkt hat. Ob die Zuschlagsempfängerin für die Ausarbeitung ihres Angebots aus der Tatsache, dass diese Person aufgrund ihrer früheren Tätigkeit für die Beschwerdeführerin bereits über Vorkenntnisse verfügte, ei- nen Nutzen ziehen konnte und damit allfällige private Rechte der Be- schwerdeführerin verletzt wurden, ist submissionsrechtlich nicht relevant (Erw. 8.). Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 22. April 2014 in Sachen A. AG gegen Einwohnergemeinde B. (WBE.2014.29). Aus den Erwägungen 2. 2.1. Sog. Unterangebote bzw. ungewöhnlich niedrige Angebote sind nicht per se verboten. Weder die IVöB noch das SubmD sehen den Ausschluss von Unterangeboten vor. Es wird als zulässig erachtet, wenn ein Anbieter mit einkalkuliertem Risiko ein bezüglich des Prei- ses (zu) niedriges Angebot einreicht, solange die Eignungs- und Zu- schlagskriterien erfüllt sind. Ein im Vergleich zu den andern Angebo- ten deutlich geringerer Preis bedeutet nicht zwangsläufig das Vorlie- gen eines Unterangebots; denkbar ist auch, dass die andern Angebote schlicht überhöht bzw. zu teuer sind. Wird ein ungewöhnlich niedri- ges Angebot eingereicht, kann die Vergabebehörde beim Anbieter Er- kundigungen einziehen, um sich zu vergewissern, dass dieser die 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 194 Teilnahmebedingungen einhalten und Auftragsbedingungen erfüllen kann. Eine Verpflichtung zu entsprechenden Nachfragen besteht aber nur dann, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Verletzung der Teil- nahme- und Auftragsbedingungen bestehen (vgl. zum Ganzen P ETER G ALLI /A NDRÉ M OSER /E LISABETH L ANG /M ARC S TEINER , Praxis des öffentlichen Beschaffungsrechts, 3. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2013, Rz. 1115 ff. mit Hinweisen). 2.2. (...) Die Differenz zwischen dem Preisangebot der Beschwer- deführerin und demjenigen der Zuschlagsempfängerin beträgt 26 % (ohne Optionen) bzw. 17 % (mit Optionen). Wesentlich grösser sind die Preisdifferenzen zum drittplatzierten Angebot der C. AG. Dies gilt aber nicht nur für die Beschwerdeführerin, sondern auch für die Zuschlagsempfängerin. Solche Preisunterschiede sind im Dienst- leistungsbereich indessen keineswegs unüblich und lassen nicht per se auf das Vorliegen eines ungewöhnlich niedrigen Angebots bzw. "Dumpingangebots" schliessen. Festzustellen ist, dass das Angebot der Zuschlagsempfängerin - im Gegensatz zur Offerte der Beschwerdeführerin - eine detaillierte Kostenschätzung enthält, aus der die Kosten für die einzelnen Leistungen hervorgehen. Auf dem Planerhonorar inkl. Nebenkosten wird ein Rabatt von 15 % gewährt. Die offerierten Stundenansätze basieren auf den (im Übrigen nicht verbindlichen) KBOB-Richtli- nien; von unrealistisch tiefen Ansätzen kann entgegen der Auffas- sung der Beschwerdeführerin nicht die Rede sein. Die eingereichten Angebote wurden von der Vergabebehörde bzw. von der damit beauftragten D. AG rechnerisch und inhaltlich geprüft, insbesondere auch auf Vollständigkeit und Vergleichbarkeit. Mit Schreiben vom 4. Oktober 2013 wurden alle drei Anbieter zu verschiedenen Klarstellungen in Bezug auf den Umfang der offerier- ten Leistungen aufgefordert. Die Zuschlagsempfängerin bestätigte in ihrem Antwortschreiben vom 19. Oktober 2013, dass das offerierte Kostendach von Fr. 122'784.00 auch die Optionen enthalte bzw. diese von ihr erbracht würden. Für das Mitwirkungsverfahren seien Fr. 5'000.00 als ausreichend angenommen worden. Es würden keine 2014 Submissionen 195 zusätzlichen Kosten verrechnet. Für das Einwendungsverfahren sei mit 10 Einwendungen gerechnet worden. Sollte die Zahl der Einwen- der massiv höher ausfallen, müssten dadurch begründete Zusatz- kosten allenfalls weitergegeben werden. Ein allfälliges Beschwerde- verfahren sei nicht Bestandteil des Angebots. Vorliegend ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das Angebot der Zuschlagsempfängerin nicht alle geforderten Leistungen umfassen würde bzw. die Zuschlagsempfängerin nicht in der Lage wäre, diese Leistungen zum offerierten Preis zu erbringen. Ebenfalls ist nicht ersichtlich, inwiefern die Zuschlagsempfängerin mit ihrem Angebot die Teilnahme- oder Antragsbedingungen verletzen würde (vgl. dazu G ALLI /M OSER /L ANG /S TEINER , a.a.O., Rz. 1126 ff.). Selbst wenn das Angebot der Zuschlagsempfängerin nicht kosten- deckend sein sollte, wäre dies letztlich irrelevant. Entscheidend ist, dass sich die Vergabebehörde der Preisdifferenzen zwischen den An- geboten durchaus bewusst war und sie auch zusätzliche Abklärungen vorgenommen hat. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin besteht kein Grund für einen Ausschluss des Angebots der Zuschlagsempfängerin vom Verfahren. 3. Die Beschwerdeführerin vermutet, dass die Zuschlags- empfängerin die Vorkenntnisse von E. aus der ersten Offertstellung (für die Beschwerdeführerin) ausgenutzt habe, was unlauteren Wett- bewerb darstelle. Unbestritten ist, dass die Beschwerdeführerin am 15. März 2012 dem Gemeinderat B. ein Pflichtenheft mit Honorarofferte zur Gesamtrevision der Nutzungsplanung unterbreitet hat. Diese Unterla- gen wurden nach Angaben der Beschwerdeführerin von E. erstellt, der bis zum 1. Oktober 2012 als Freelancer bei ihr tätig war. Nach- dem die Gemeindeversammlung vom 25. Juni 2012 den Verpflich- tungskredit für die Gesamtrevision der Bau- und Nutzungsordnung nicht genehmigte, sondern die Sache zur Überarbeitung an den Ge- meinderat zurückwies mit dem Auftrag, Konkurrenzofferten einzuholen, beauftragte der Gemeinderat die D. AG mit der Erarbei- tung eines Pflichtenhefts sowie mit der Begleitung des Submissions- verfahrens. 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 196 Klar ist damit zunächst, dass E. nicht an der Erstellung der Aus- schreibungsunterlagen für das vorliegende Verfahren mitgewirkt hat. Die Frage einer allfälligen unzulässigen Vorbefassung (§ 28 Abs. 1 lit. h SubmD) stellt sich somit von vornherein nicht. Ob die Zuschlagsempfängerin für die Ausarbeitung ihres Angebots aus der Tatsache, dass E. aufgrund seiner früheren Tätigkeit für die Be- schwerdeführerin bereits über Vorkenntnisse verfügte, einen Nutzen ziehen konnte und damit allfällige private Rechte der Be- schwerdeführerin verletzt wurden, ist hingegen keine submissions- rechtlich relevante Fragestellung, welche die Vergabebehörde (oder das Verwaltungsgericht) zu prüfen hätte (vgl. Urteil des Verwaltungs- gerichts des Kantons Luzern vom 4. Oktober 2004 [V 04 186], Erw. 3.c a.E. = LGVE 2004 II Nr. 9).
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2007 Verwaltungsgericht 172 [...] 40 Kostendach. - Bedeutung eines Kostendachs in einer Gesamtleistungssubmission. - Kostendach als zwingendes (absolutes) Vergabekriterium. Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 22. November 2007 in Sa- chen P. AG gegen den Stadtrat Z. (WBE.2007.207). Aus den Erwägungen 2. 2.1. Angebote, die zwingende Vorgaben der Ausschreibungsunterla- gen nicht einhalten, sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungs- gerichts vom Vergabeverfahren auszuschliessen. Es ist auch nicht zulässig, die fehlende Vereinbarkeit mit den Ausschreibungsunterla- gen im Rahmen der Bereinigung nachträglich herzustellen (siehe VGE IV/28 vom 5. April 2007 [WBE.2007.20], S. 5 ff.). Auch bei 2007 Submissionen 173 Planungs- und Gesamtleistungswettbewerben kann die Auftraggebe- rin ohne weiteres sachliche Vergabekriterien aufstellen, die absolut gelten (Bedingungen oder "Musskriterien"), wie z.B. betriebliche Anforderungen oder die Vorgabe eines Kostendachs. Ein Beitrag, der ein solches Kriterium nicht erfüllt, weicht in einem wesentlichen Punkt von den Programmbestimmungen ab, was den Ausschluss vom Wettbewerb zur Folge haben muss. Die Wettbewerbsteilnehmer dürfen darauf vertrauen, dass sich das Preisgericht an die eigenen Programmbestimmungen hält. Andernfalls würden die grundlegen- den submissionsrechtlichen Gebote des fairen und transparenten Ver- fahrens wie auch der Gleichbehandlung der Anbietenden verletzt (siehe Beat Messerli, Der Planungs- und Gesamtleistungswettbewerb im öffentlichen Beschaffungsrecht, 2. Auflage, Bern 2007, S. 109 f.; Felix Jost / Claudia Schneider Heusi, Architektur- und Ingenieur- wettbewerbe im Submissionsrecht, in: ZBl 105/2004, S. 355). 2.2. Zu prüfen ist die strittige Frage, ob dem Kostendach von 5 Mio. Franken vorliegend der Charakter einer zwingend einzuhaltenden Programmvorgabe (im Sinne eines "Musskriteriums") zukommt oder nicht. Grundlage für diese Prüfung sind die den Bewerbern zur Ver- fügung gestellten Unterlagen und Informationen. Ziff. 8.5 (Wirtschaftlichkeit) des Programms der Präqualifika- tion vom 23. Oktober 2006 lautet wie folgt: "Die Stadt Z. verlangt, neben einer gestalterisch guten auch eine in Er- stellung, Betrieb und Unterhalt wirtschaftliche Lösung realisieren zu kön- nen. Aus der Finanzplanung der Stadt Z. ergibt sich für die Dreifachturn- halle ein Kostendach von Fr. 5 Mio. inkl. feste Einrichtungen, Honoraren und MwST. Separat zu offerieren sind der Abbruch der bestehenden Halle, die An- passungen an das Hallenbad und die Abtragung des Spielhügels sowie das bewegliche Mobiliar und die Sportgeräte." Ziff. 8.6 des Programms Skizzenqualifikation (Wirtschaftlich- keit) vom 16. November 2006 und Ziff. 8.3.6 (Wirtschaftlichkeit) des Programms Gesamtleistungssubmission vom 13. Februar 2007 lauten bis auf die Ergänzung "sowie der Ersatz von Kugelstoss- und 2007 Verwaltungsgericht 174 Weitsprunganlage" (im Programm Gesamtleistungssubmission) praktisch identisch: "Die Stadt Z. verlangt, neben einer gestalterisch guten auch eine in Er- stellung, Betrieb und Unterhalt wirtschaftliche Lösung realisieren zu kön- nen. Aus der Finanzplanung der Stadt Z. ergibt sich für die Dreifachturn- halle ein Kostendach von Fr. 5 Mio. inkl. Einrichtungen, Mobiliar, Honora- ren und MwSt. Nicht im Kostendach von Fr. 5 Mio. inbegriffen und separat zu offe- rieren sind der Abbruch der bestehenden Halle, die Anpassungen an das Hallenbad und die Abtragung des Spielhügels sowie der Ersatz von Kugel- stoss- und Weitsprunganlage." In allen drei Programmen wird somit - jeweils unter dem Ober- titel "Erläuterungen und Projektierungshinweise" - ein Kostendach von 5 Mio. Franken vorgegeben. Zu den Konsequenzen der Nicht- einhaltung des Kostendachs wird in den verschiedenen Programmen nichts gesagt. Im Rahmen der Fragenbeantwortung zur Skizzenqualifikation vom 19. Dezember 2006 wurde aber von einem der Bewerber die Frage gestellt, was geschehe, wenn die 5 Mio. von keinem Team ein- gehalten werden könnten. Die Frage wurde von der Auftraggeberin wie folgt beantwortet: "Die Vorgabe von 5 Mio. ist als Kostendach absolut verbindlich. In dieser Summe ist auch die Ausstattung enthalten, soweit diese als Zubehör des Gebäudes zu verstehen ist (insbesondere die fest mit dem Gebäude ver- bundenen Einrichtungen). Nicht enthalten sind: Abbruch bestehende Halle mit Anpassungskosten, Umgebungsarbeiten; diese sind separat auszuwei- sen. Wenn keiner der Teilnehmer das Ziel erreichen sollte, ist mit keinem Zuschlag zu rechnen (Aufhebung Submission)." Im Zwischenbericht des Beurteilungsgremiums vom 16. April 2007, der den beiden verbliebenen Teilnehmern der Gesamt- leistungssubmission zugestellt wurde, ist schliesslich Folgendes fest- gehalten: "Das Kostendach von CHF 5'000'000.-- ist unter allen Umständen ein- zuhalten." 2007 Submissionen 175 Im Rahmen der Fragebeantwortung vom 9. Mai 2007 wird in Ziff. 3 die Kostenvorgabe noch einmal explizit für die Überarbeitung bestätigt. 2.3. Wie bereits festgestellt, nennen alle drei den Anbietern im Ver- lauf des Verfahrens abgegebenen Programme ein Kostendach von 5 Mio. Franken. Das Kostendach wird in den Programmen zwar nicht explizit als Ausschlusskriterium bezeichnet, nichtsdestotrotz kann kein Zweifel daran bestehen, dass dem mit 5 Mio. Franken be- zifferten Kostendach der Charakter einer verbindlichen Vorgabe und nicht einer blossen Zielvorstellung zukommt. Zivilrechtlich bedeutet ein Kostendach die Limitierung der Vergütungspflicht in Fällen, in denen über die einzelnen Leistungen nach Aufwand abgerechnet wird (Peter Gauch, Der Werkvertrag, 4. Auflage, Zürich 1996, Rz. 1036). Die Beschwerdeführerin weist daher zu Recht darauf hin, dass in der Baupraxis unter dem Kostendach der vereinbarte maxi- mal geschuldete Werkpreis, den der Besteller zu bezahlen hat, ver- standen wird. Eine Überschreitung des vereinbarten Kostendachs geht zu Lasten des Unternehmers. Hätte die Vergabestelle das Kostendach daher abweichend vom herkömmlichen Verständnis le- diglich als nach Möglichkeit anzustrebenden Richtwert bzw. Ziel- grösse (siehe dazu Gauch, a.a.O., Rz. 1038) verstanden, hätte dies in den Programmen entsprechend klar zum Ausdruck kommen müssen (z.B. mittels Hinweis, dass bei einem ansonsten überragenden Pro- jekt Kostenüberschreitungen bis zu 10 % toleriert würden). Aus der Fragenbeantwortung zur Skizzenqualifikation vom 19. Dezember 2006 und dem Zwischenbericht des Beurteilungsgremiums vom 16. April 2007 geht indessen klar hervor, dass die Vergabebehörde das Kostendach als absolut verbindlich und damit als Ausschluss- grund angesehen hat. Auch die Formulierung in der Fragebeantwor- tung, falls keiner der Teilnehmer das Ziel erreichen sollte, sei mit keinem Zuschlag zu rechnen (Aufhebung Submission), lässt letztlich nur darauf schliessen, dass die Nichteinhaltung des Kostendaches zur Ungültigkeit des Angebots und zum Ausschluss des betreffenden Bewerbers führen würde. 2007 Verwaltungsgericht 176 Der im Beschwerdeverfahren vorgebrachte Einwand der Verga- bestelle, jedenfalls im eigentlichen Gesamtleistungssubmissionsver- fahren sei das Kostendach lediglich als blosse Zielgrösse zu verste- hen, die rechtlich unverbindlich sei, erweist sich als nicht stichhaltig. Die in der Fragebeantwortung unmissverständlich kundgegebene "absolute Verbindlichkeit" des Kostendachs wird durch Ziff. 8.3.6 des Programms Gesamtleistungssubmission keineswegs relativiert oder gar aufgehoben. Hinzu kommt die Formulierung des Zwischen- berichts vom 16. April 2007, das Kostendach von 5 Mio. Franken sei unter allen Umständen einzuhalten. Dieser Zwischenbericht betrifft eindeutig die 3. Stufe, also die eigentliche Gesamtleistungssubmis- sion. Auch in der Fragebeantwortung vom 9. Mai 2007 wurde die Kostenvorgabe (Kostendach von 5 Mio. Franken) erneut bestätigt und nicht etwa relativiert. Die Vergabestelle macht in der Vernehm- lassung geltend, aufgrund der in der Skizzenqualifikation einge- reichten Beiträge habe sich gezeigt, dass die Obergrenze von 5 Mio. Franken nicht absolut verstanden werden könne. Trotz dieser Er- kenntnis ist die Formulierung in Bezug auf Wirtschaftlichkeit und Kostendach im Programm Gesamtleistungssubmission nicht ent- sprechend angepasst worden; im Zwischenbericht vom 16. April 2007 ist die Einhaltung des Kostendach von 5 Mio. Franken "unter allen Umständen" vielmehr noch einmal bestätigt und den Anbietern auch kommuniziert worden. Hätte die Vergabestelle von der absolu- ten Verbindlichkeit des vorgegebenen Kostendachs tatsächlich Ab- stand nehmen wollen, hätte dies aufgrund des Transparenzgebots ei- ner ausdrücklichen und eindeutigen Erklärung gegen über den An- bietern bedurft.
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AG_VG_001_AGVE-2007-40_2007-11-04
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AGVE_2007_40
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2005 Verwaltungsrechtspflege 339 [...] 68 Funktionelle Zuständigkeit bei Rechtsverzögerungsbeschwerden. - Auch im Sozialhilfebereich ist in jenen Fällen, wo einer unteren Instanz Untätigkeit angelastet wird, letztinstanzlich zuständige Verwaltungs- behörde im Sinne von § 52 VRPG der Regierungsrat. Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 26. Oktober 2005 in Sa- chen E.W. und G.G. Aus den Erwägungen 1. Die Beschwerde an das Verwaltungsgericht ist zulässig in den Fällen, welche das Gesetz, ein Dekret oder allenfalls eine Ver- ordnung bestimmt (§ 51 Abs. 1 und 2 VRPG). Gemäss § 58 SPG können Verfügungen und Entscheide der Sozialbehörden mit Be- schwerde beim Bezirksamt angefochten werden (Abs. 1). Dessen Entscheid kann ans Verwaltungsgericht weitergezogen werden (Abs. 2). Das Verwaltungsgericht ist somit sachlich zur Beurteilung von Beschwerden gegen Verfügungen und Entscheide in Anwendung des Sozialhilferechts zuständig. Das Verwaltungsgericht darf jedoch nur Entscheide und Verfü- gungen der letztinstanzlichen Verwaltungsbehörden beurteilen (§ 52 Ingress VRPG). Diese Einschränkung der funktionalen Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts gilt auch dort, wo Rechtsverzögerung oder Rechtsverweigerung geltend gemacht wird (AGVE 1989, S. 308 f. mit Hinweis). Der Regierungsrat ist allgemeine Aufsichtsbehörde über die (kantonale) Verwaltung und die anderen Träger von öffentlichen Auf- 2005 Verwaltungsgericht 340 gaben (§ 90 Abs. 1 KV). In dieser Eigenschaft hat er auch darüber zu wachen, dass die ihm unterstellten Verwaltungsinstanzen die Be- schwerdeverfahren ohne ungebührliche Verzögerungen durchführen und zu Ende bringen. Er hat auch die nötigen Mittel in der Hand, um gegen entsprechende Fehlleistungen und Versäumnisse wirksam vor- gehen zu können (Erteilung von Weisungen, Disziplinierungen usw.; Kurt Eichenberger, Verfassung des Kantons Aargau, Textausgabe mit Kommentar, Aarau / Frankfurt a.M. / Salzburg 1986, § 90 N 5). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtes darf daher in Fällen behaupteter Rechtsverzögerung innerhalb der Verwaltung der Regie- rungsrat nicht übergangen werden (AGVE 1989, S. 308 f.; vgl. Michael Merker, Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege [Kommentar zu den §§ 38-72 VRPG], Diss. Zürich 1998, § 40 N 18. Auch im Sozialhilfebereich ist daher in jenen Fällen, wo einer unte- ren Instanz, d.h. dem Bezirksamt, Untätigkeit angelastet wird, letzt- instanzlich zuständige Verwaltungsbehörde im Sinne von § 52 VRPG der Regierungsrat. Im Sozialhilfebereich sind die Bezirksämter Beschwerdeinstan- zen gegen kommunale Entscheide (§ 58 Abs. 1 SPG); daneben sind der Kantonale Sozialdienst und teilweise das Departement Gesund- heit und Soziales (DGS) mit Aufsichts- und beratenden Funktionen beauftragt (§ 42 SPG; § 40 Abs. 2 SPV). Durch die aufsichtsrechtli- che Zuständigkeit des Regierungsrats kann eine einheitliche Aufsicht und Verfahrenspraxis der genannten Verwaltungsbehörden gewähr- leistet werden. Für den Bereich der Sozialhilfe drängt sich daher eine Änderung der Praxis des Verwaltungsgerichts hinsichtlich des Instanzenzuges nicht auf. Nach Merker, der diese Rechtsprechung bei Beschwerden gemäss § 53 VRPG kritisiert, ist die verwaltungs- gerichtliche Praxis für den Fall der Rechtsverzögerung vertretbar und Aufgabe des Gesetzgebers, die Zuständigkeitsordnung neu zu regeln (Merker, a.a.O., § 53 N 16). Mangels funktioneller Zuständigkeit ist auf die Rechtsverzöge- rungsbeschwerde daher nicht einzutreten.
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AG_VG_001
AG_VG
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Northwestern_Switzerland
AG_VG_001_AGVE-2005-68_2005-10-04
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2006 Submissionen 195 [...] 38 Varianten (§ 16 SubmD). - Anforderungen an Varianten (Erw. 2.1). - Indem die Vergabebehörde vorliegend die Unternehmervariante be- rücksichtigt hat, hat sie nicht gegen das ihr zustehende Ermessen verstossen (Erw. 2.2). - Es ist Sache des Anbieters, seine Unternehmervariante so detailliert auszuarbeiten und ausgereift zu formulieren, dass allfällige Kosten- vorteile bzw. entstehende Mehrkosten für die Vergabestelle klar er- sichtlich sind. Dies schliesst es jedoch nicht aus, dass die Vergabebe- hörde ihrerseits im Rahmen der Bereinigung der Angebote die (zu- lässigen) Unternehmervarianten einer vertieften Prüfung unterzieht (Erw. 2.3). Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 6. Juli 2006 in Sachen J. gegen das Departement Bau, Verkehr und Umwelt. 2006 Verwaltungsgericht 196 Aus den Erwägungen 2. 2.1. Den Anbietenden steht es frei, Offerten für Varianten und Teil- angebote einzureichen (§ 16 Abs. 1 SubmD). Die Vergabestelle be- zeichnet in den Ausschreibungsunterlagen die Mindestanforderungen an Varianten und Teilangebote (§ 16 Abs. 2 SubmD). Das Angebot einer Variante ist ungültig, wenn damit nicht eine Offerte für das Grundangebot eingereicht wird (§ 16 Abs. 3 SubmD in der hier an- wendbaren bis zum 31. Dezember 2005 geltenden Fassung [siehe § 42 lit. a SubmD]). 2.1.1. In der Baubranche wird als Variante üblicherweise jeder Offert- vorschlag bezeichnet, der inhaltlich von der ausgeschriebenen Bau- leistung abweicht. Bei der Projektvariante offeriert ein Unternehmer die Werkausführung mit einer Projektierung, die von den ausge- schriebenen Planunterlagen ganz oder teilweise abweicht. Bei einer Ausführungsvariante bietet ein Unternehmer die Ausführung in einer Art und Weise an, die sich von den Ausschreibungsunterlagen (z.B. bezüglich Baumethode, Konstruktionsart, Reihenfolge der Arbeiten) unterscheidet (siehe Roland Hürlimannn, Unternehmervarianten - Risiken und Problembereiche, in: BR 1996, S. 3 f.; AGVE 2001, S. 337 mit Hinweisen). Beim Entscheid, ob sie einer Variante den Zuschlag erteilen oder auf der von ihr erarbeiteten Amtslösung be- harren will, kommt der Vergabestelle ein grosser Ermessensspiel- raum zu, und sie ist nicht verpflichtet, irgendwelche mit der Variante verbundenen Risiken in Kauf zu nehmen (AGVE 2001, S. 339 mit Hinweis). 2.1.2. Nicht unproblematisch ist im Einzelfall die Abgrenzung, ob überhaupt noch eine Variante (des Grundangebots) oder etwas völlig anderes angeboten wird. Auch wird die Vergleichbarkeit der Ange- bote zunehmend erschwert, je weiter sich eine Variante vom Grundangebot bzw. vom Leistungsverzeichnis entfernt. Aus § 15 Abs. 3 IVöB ergibt sich, dass die Variante dem Amtsvorschlag be- 2006 Submissionen 197 züglich der technischen Spezifikationen gleichwertig sein sollte, wo- bei die Gleichwertigkeit von der Anbieterin oder vom Anbieter zu beweisen ist (Entscheid des Verwaltungsgerichts Zug vom 24. September 1998, in: BR 2000, S. 62; AGVE 2001, S. 338 f.). Ein Sonderfall sind Varianten, die nicht der Erbringung der aus- geschriebenen Leistung dienen bzw. eine andere technische Lösung vorschlagen, sondern einzig eine Reduktion des ausgeschriebenen Leistungsinhalts in quantitativer oder qualitativer Hinsicht zum Ge- genstand haben (z.B. Reduktion einer Wandstärke). Solche Varianten sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich grundsätzlich ebenfalls zulässig, da sie der Vergabebehörde Gelegenheit geben, eine allenfalls diskutable Vorgabe nochmals zu überprüfen. Gelangt die Behörde jedoch zum Schluss, dass die An- forderungen entsprechend der Variante zu reduzieren sind, muss auch den andern Anbietern Gelegenheit gegeben werden, ihre Offerten im Blick auf die neue Umschreibung des Leistungsinhalts zu ergänzen (Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 17. Februar 2000 [VB.1999.00015], Erw. 8c; Entscheid des Verwal- tungsgerichts des Kantons Zürich vom 20. Juli 2004 [VB.2004.00006], Erw. 2.2.2). Mit der Gelegenheit zur Anpassung der Konkurrenzofferten soll gewährleistet werden, dass die als Vari- ante offerierte Minderleistung nicht zu einem Kostenvorteil gegen- über den Mitbewerbern ausgenützt werden kann. Diese Gefahr be- steht allerdings dann nicht, wenn das Angebot, welches die Minder- leistung enthält, so weit vor den Angeboten der Mitbewerber liegt, dass es selbst unter Aufrechnung der Preisdifferenz, die für eine volle Leistung zu veranschlagen wäre, noch seinen Vorsprung behält. Denn bei dieser Sachlage werden die Mitbewerber durch die Zulas- sung des Angebots mit der Minderleistung nicht benachteiligt (er- wähnter Entscheid vom 20. Juli 2004, Erw. 2.2.2). 2.2. 2.2.1. Die Ausschreibungsunterlagen enthalten unter dem Titel ,,Ein- gabe des Angebots" folgende Vorschriften: ,,Auf Verlangen der Bauherrschaft gelten folgende Bestimmun- gen: 2006 Verwaltungsgericht 198 - Die Leistungsverzeichnisse sind unverändert auszufüllen. Es wer- den keinerlei Abänderungen in Bezug auf vorgegebene Masse und Materialien akzeptiert. Unbegründete Abänderungen der Aus- schreibung führen zum Ausschluss des Wettbewerbes. - Unternehmervarianten sind mit ausführlichem Beschrieb (unter Verwendung derselben Positionsnummern wie in der Vorgabe) und mit Planunterlagen (Grundriss und Ansichten) einzureichen. Es ge- nügt nicht auf einem beigelegten Katalog und eine darin enthaltene Produktebenennung hinzuweisen!" Im Sinne von § 16 Abs. 2 SubmD hat die Vergabebehörde somit in den Ausschreibungsunterlagen in der zweitgenannten Bestimmung ihre Mindestanforderungen an die Varianten näher umschrieben. Hingegen bezieht sich die erste Bestimmung, wonach die Leistungs- verzeichnisse unverändert auszufüllen seien und keinerlei Abände- rungen in Bezug auf vorgegebene Masse und Materialien akzeptiert würden, klarerweise nur auf die Amtslösung. Dem von der Be- schwerdeführerin vertretenen Standpunkt, sämtliche Vorgaben von Materialien und Massen seien auch von den Unternehmervarianten zwingend einzuhalten gewesen, kann nicht gefolgt werden. Die Aus- schreibungsunterlagen enthalten keine Anhaltspunkte für eine derar- tige einschränkende Interpretation. Eine solche Auslegung stünde im Übrigen auch im Widerspruch zu Sinn und Zweck von Varianten, mit denen der Anbieter gerade bewusst von den Vorgaben des Leistungs- verzeichnisses abweicht und der Vergabestelle einen Alternativvor- schlag unterbreitet. Anders verhält es sich bei Rahmenbedingungen für Varianten, welche die Vergabebehörde ausdrücklich als zwingend einzuhalten vorgibt (z.B. Vorgabe oder Ausschluss bestimmter Mate- rialien auch für Varianten). Der in den Ausschreibungsunterlagen enthaltene Ausführungs- beschrieb hält in Ziff. 15 fest, dass die Leistungsverzeichnisse unver- ändert auszufüllen seien. Allfällige Bemerkungen, Vorbehalte, kon- struktive Änderungen und Ergänzungen seien vom Bewerber in be- sonderer Beilage anzubringen. Auch der Ausführungsbeschrieb ent- hält keine Vorgaben, die auch von Varianten zwingend erfüllt sein müssen bzw. einzuhalten sind. 2006 Submissionen 199 2.2.2. Die Zuschlagsempfängerin hat ihre Variante (Angebot II) zu- sätzlich zum vollständig und korrekt ausgefüllten Leistungsverzeich- nis für das Grundangebot eingereicht. Die Variante erweist sich im Hinblick auf § 16 Abs. 3 SubmD somit als gültig. Ebenfalls erfüllt sind die von der Vergabestelle in den Ausschreibungsunterlagen an die Varianten gestellten Anforderungen. 2.2.3. Als Unternehmervariante (Angebot II) bietet die Y. AG ein Standardprodukt des deutschen Laborherstellers Z. an. Dieses Ange- bot weicht unbestrittenermassen in verschiedenen Punkten von den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses ab. So trifft etwa die Vermu- tung der Beschwerdeführerin zu, dass teilweise die Lieferung von be- schichteten (und nicht von belegten) Möbeln (Schrankfronten, Sicht- seiten) vorgesehen ist. Ebenfalls werden für die Tablare 19 mm (statt 22 mm) starke, mit Aluminiumkanten verstärkte Spanplatten gelie- fert. An Stelle einer VE-Glas Blattabdeckung ist die Lieferung einer mit Ceradur beschichteten Abdeckung vorgesehen. Bei den Unter- bauten und Schränken bestehen Abweichungen bei der Farbgebung der Fronten und Sichtseiten sowie des Sockels, bei der Stärke der Tablare und bei der Materialisation der Tablare, der Griffleisten und des Sockels. Weitere Abweichungen ergeben sich hinsichtlich des (Unter-)Lieferanten der Glasschiebefronten, in Bezug auf die Stärke der Blattabdeckung aus Kunstharz und Polypropylen sowie hinsicht- lich der Materialisation der Blattabdeckung aus VE-Glas (siehe obige Ausführungen) und der Korpusseiten. Die Variante weicht bei der Beleuchtung, hinsichtlich der Metallteile und der Becken und bei der Materialisation und der Lage des Armaturenbands von der Amtsvari- ante ab. Derartige Abweichungen von der Amtslösung sind indessen ty- pisch für eine Variante und erscheinen als durchaus zulässig. Insge- samt ist die vorliegende Unternehmervariante als eigenständiger Lö- sungsvorschlag der Y. AG für die von der Vergabebehörde ausge- schriebene Laboreinrichtung zu beurteilen und nicht als eine blosse Reduktion des ausgeschriebenen Leistungsinhalts in quantitativer oder qualitativer Hinsicht. Es lässt sich auch nicht sagen, die Zu- 2006 Verwaltungsgericht 200 schlagsempfängerin habe mit der Variante in Bezug auf Umfang und Qualität etwas völlig anderes offeriert, als die Vergabestelle ausge- schrieben hat, weshalb die Variante hätte als submissionswidrig aus- geschlossen werden müssen. Wie bereits festgehalten, enthalten die Ausschreibungsunterlagen entgegen der Auffassung der Beschwer- deführerin keine auch von Varianten zwingend zu erfüllende Anfor- derungen. Im Übrigen ist festzuhalten, dass es auch der Beschwerde- führerin offen stand, mit einer Variante ihre Chancen im Wettbewerb zu erhöhen. 2.2.4. Die Vergabebehörde hat im vorliegenden Fall vom Fachplaner eine Stellungnahme zur Variante der Y. AG eingeholt. Darin werden zwar gewisse Vorbehalte (Farbgebung; Fragezeichen bezüglich Voll- auszug und Einzugdämpfung) angebracht; insbesondere wird darauf- hin gewiesen, dass es sich um ein Standardprodukt handle. In Bezug auf den markanten Preisunterschied wird festgehalten, dieser gehe darauf zurück, dass die Firma Z. zum Teil andere Produkte einsetze oder diese in grösseren Mengen zu besseren Konditionen einkaufen könne, wobei diese durchwegs dem heutigen Laboreinrichtungsstan- dard entsprechen und die nötigen Normen erfüllen würden. Seitens des Fachplaners ist als Referenzobjekt das von der Firma Z. im Sommer 2004 eingerichtete Labor der Kantonsschule S. besichtigt worden. Dabei zeigte sich eine saubere Verarbeitung der Materialien, die eingesetzten Armaturen (Produkt Ila) erschienen einwandfrei und die Qualität in Ordnung. Die befragte Kontaktperson zeigte sich sehr zufrieden mit der Einrichtung. Am 28. Oktober 2005 besichtigte auch eine Delegation der Kantonsschule X. zusammen mit Vertretern der Vergabebehörde und dem Generalplaner das Referenzobjekt in S. und kam - in Kenntnis der Differenzen der Unternehmervariante zur ausgeschriebenen Amtslösung - zum Schluss, dass das Labor den Ansprüchen voll und ganz entspreche. Schliesslich wurden von der Y. AG im Rahmen der Bereinigung der Angebote für die Variante nachträglich Materialmuster und der Nachweis verlangt, dass keine toxischen Stoffe (in den Spanplatten und in anderen Materialien) aus- dünsten oder sich verflüchtigen. 2006 Submissionen 201 Wie bereits ausgeführt, steht der Vergabestelle bei der Frage, ob sie eine Unternehmervariante berücksichtigen will oder nicht, ein grosser Ermessensspielraum zu (siehe vorne Erw. 2.1.1). Dies gilt namentlich in auch in Bezug auf die Frage der Gleichwertigkeit (nicht Gleichheit oder Identität) der vorgeschlagenen Variante mit der ausgeschriebenen Amtslösung. Im vorliegenden Fall hat sich die Vergabestelle bzw. der von ihr beigezogene Fachplaner mit der Un- ternehmervariante der Y. AG und deren Vor- und Nachteilen im Ver- gleich zum Hauptangebot eingehend auseinandergesetzt und die da- mit verbundenen Risiken überprüft. Sie ist aufgrund der Prüfung zum Schluss gelangt, dass auch die Variante die gestellten Anforderungen in Bezug auf die Qualität und Gebrauchstauglichkeit der zu beschaf- fenden Laboreinrichtung in durchaus ausreichendem Mass erfüllt. Das Verwaltungsgericht hat sich insbesondere bei der Überprüfung technischer und betrieblicher Aspekte, welche die Vergabebehörde aufgrund ihres Fachwissens besser beurteilen kann, Zurückhaltung aufzuerlegen. Es kann nicht Sache des Verwaltungsgerichts, dem keine Ermessenskontrolle zusteht, sein, diesbezüglich an Stelle der Vergabebehörde eine eigene Beurteilung vorzunehmen. Die Abwei- chungen in der Unternehmervariante begründen jedenfalls keine der- artigen Differenzen zu den Leistungsanforderungen, wie sie das Grundangebot umschreibt, dass die Gleichwertigkeit zu verneinen und eine Berücksichtigung der Variante daher ausgeschlossen ist. Es trifft zwar zu, dass die Unternehmervariante in erheblichem Mass kostengünstiger ist als die eingereichten Hauptangebote. Dies hat seine Ursache indessen nicht einer ungenügenden Qualität der offe- rierten Einrichtung, sondern vor allem im Umstand, dass es sich weitgehend um ein Standard- bzw. Serienprodukt handelt. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Verga- bebehörde als massgebende Zuschlagskriterien einzig den Preis (mit einem Gewicht von 95 %) und die Lehrlingsausbildung (mit einem Gewicht von 5 %) festgelegt hat. Die Qualität ist hingegen kein Zu- schlagskriterium. Aufgrund der hohen Gewichtung des Preises ist davon auszugehen, dass der Kostenfaktor der vorliegenden Beschaf- fung für die Vergabestelle von erheblicher Bedeutung ist. Dies war aufgrund der Bekanntgabe der Zuschlagskriterien in den Ausschrei- 2006 Verwaltungsgericht 202 bungsunterlagen auch für die Anbietenden erkennbar (und wird im Übrigen auch von der Beschwerdeführerin anerkannt). Aus dem Um- stand, dass die Beschwerdeführerin möglicherweise eine qualitativ hochwertigere Lösung (siehe Beilagen 1 bis 4 zu den Bemerkungen) angeboten hat als die Zuschlagsempfängerin in ihrem berücksichtig- ten Angebot, kann die Beschwerdeführerin daher letztlich nichts zu ihren Gunsten herleiten. 2.3. 2.3.1. Die Beschwerdeführerin vertritt den Standpunkt, dass die Zu- schlagsempfängerin den Nachweis für die Gleichwertigkeit der Vari- ante spätestens bis zum Zeitpunkt des Eingabetermins hätte erbrin- gen müssen. Dies sei nicht der Fall gewesen. Vielmehr habe die Ver- gabebehörde die Gleichwertigkeit erst aufgrund des von ihr einge- holten Gutachten bejaht; dies stelle eine unzulässige Begünstigung der Zuschlagsempfängerin dar. Eine unzulässige Begünstigung sei auch darin zu sehen, dass es die Vergabestelle der Zuschlags- empfängerin ermöglicht habe, den Nachweis zu erbringen, dass keine toxischen Stoffe ausdünsteten oder sich verflüchtigten. Eine unzuläs- sige Bevorzugung der Zuschlagsempfängerin bedeute auch die Be- sichtigung der Laboreinrichtung in der Kantonsschule S. durch Ver- treter der Vergabestelle und der Kantonsschule X. 2.3.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts ist es Sache des Anbieters, seine Unternehmervariante so detailliert auszuarbeiten und ausgereift zu formulieren, dass allfällige Kostenvorteile bzw. entstehende Mehrkosten für die Vergabestelle klar ersichtlich sind. Es kann nicht ihre Aufgabe sein, unvollständig eingereichte Unter- nehmervarianten selbst so weit entwickeln zu müssen, bis die Ko- stenvorteile bzw. -nachteile in Zahlenform zum Ausdruck kommen (AGVE 2001, S. 339 mit Hinweis). Es ist auch Sache des Anbieters, die Gleichwertigkeit der Variante mit der Amtslösung nachzuweisen. Die Folgen der Nichtbeweisbarkeit von Tatsachen bzw. der nicht ohne übermässigen Aufwand zu führenden Beweise hat zu tragen, wer eine Variante einreicht (AGVE 2001, S. 338). Dies schliesst es selbstverständlich nicht aus, dass die Vergabebehörde ihrerseits im 2006 Submissionen 203 Rahmen der Bereinigung der Angebote (§ 17 SubmD) die (zulässi- gen) Unternehmervarianten - auch im Hinblick auf das Herstellen der Vergleichbarkeit sowie auf das mit der Berücksichtigung einer Vari- ante möglicherweise verbundene erhöhte Risiko - einer vertieften Prüfung unterzieht. Grundsätzlich erscheint es auch zulässig, dass sich die Vergabebehörde die Unternehmervariante vom betreffenden Anbieter noch näher erläutern lässt und allfällige Unklarheiten und offene Fragen klärt. Auch die Besichtigung eines entsprechenden Re- ferenzobjekts kann sich hier aufdrängen. Ebenso kann sich der Bei- zug einer Fachinstanz zur Beurteilung der Variante als zweckmässig erweisen. 2.3.3. Die Zuschlagsempfängerin hat - wie von der Vergabestelle in den Ausschreibungsunterlagen verlangt - eine auf den Positionen des Leistungsverzeichnisses basierende, vollständig ausgearbeitete Un- ternehmervariante (mit entsprechender Dokumentation) eingereicht. Damit hat sie den an eine Variante gestellten Anforderungen Genüge getan. Die Vergabestelle hat die gültige und für den Zuschlag grund- sätzlich in Betracht kommende Variante in der Folge von einem un- abhängigen externen Fachplaner (A. AG) fachlich prüfen und mit dem Angebot der Beschwerdeführerin (der preisgünstigsten Amtslö- sung) vergleichen lassen. Besichtigt wurde mit der Kantonsschule S. sodann eine der Variante entsprechende Referenzeinrichtung. Schliesslich wurde von der Beschwerdeführerin noch der Nachweis verlangt, dass das verwendete Material keine toxischen Stoffe aus- dünstet. In den Ausschreibungsunterlagen waren derartige Nach- weise weder für das Hauptangebot noch für allfällige Unternehmer- varianten verlangt worden. Die Zuschlagsempfängerin hatte daher keine Veranlassung, entsprechende Bestätigungen ihrer Lieferanten- firmen bereits ihren beiden Angeboten beizulegen. Es ist durchaus nachvollziehbar, dass die Vergabestelle die entsprechenden Belege im Rahmen der Bereinigung von der Zuschlagsempfängerin für das günstigere Variantenangebot einforderte. Um eine nachträgliche Än- derung des Angebots handelt es sich hierbei entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht. 2006 Verwaltungsgericht 204 Die im Vergleich zu den Amtslösungen vertieften Abklärungen bezüglich der Variante (Qualität der Einrichtung, Schadstoffe) waren angesichts der Tatsache, dass die Berücksichtigung einer Variante für die Vergabestelle regelmässig, namentlich wenn es sich um ein deut- lich preisgünstigeres Alternativangebot handelt, mit einem erhöhten Risiko bezüglich vorhandener Qualität der Materialien und der Ver- arbeitung verbunden ist, durchaus sachlich gerechtfertigt und gebo- ten. Es handelt sich hierbei um eine verschärfte sachliche Überprü- fung und entgegen der Beschwerdeführerin nicht um eine unzuläs- sige Bevorzugung der Zuschlagsempfängerin gegenüber den Offer- ten der Amtslösung. Das Vorgehen der Vergabebehörde ist daher sachgerecht und nicht zu beanstanden.
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3,207
AG_VG_001
AG_VG
AG
Northwestern_Switzerland
AG_VG_001_AGVE-2006-38_2006-07-04
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2003 Verwaltungsrechtspflege 319 [...] 84 Zuständigkeit (Handelsregistersache). - Sachliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts in Handelsregister- sachen gestützt auf § 52 Ziff. 19 VRPG (Erw. 1/a). - Gegen den Entscheid des Departements des Innern kann gestützt auf Art. 3 Abs. 4 bis HRegV direkt das Verwaltungsgericht angerufen werden (Erw. 1/b). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 16. Juni 2003 in Sa- chen A. gegen Departement des Innern. Aus den Erwägungen 1. a) Das Verwaltungsgericht beurteilt Beschwerden gegen letzt- instanzliche Verfügungen und Entscheide der Verwaltungsbehörden über Anordnungen im Einzelfall, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen und bei denen unmittelbar die Verwaltungsgerichts- beschwerde an das Bundesgericht zulässig ist (§ 52 Ziff. 19 VRPG). Im vorliegenden Fall ist ein Anwendungsfall dieser Bestimmung gegeben. Gegen Entscheide und Verfügungen letzter Instanzen in Handelsregistersachen kann nämlich Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben werden (Art. 5 Abs. 1 HRegV). Die sachliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts ist mithin zu bejahen. b) Zu prüfen ist noch die funktionelle Zuständigkeit des Ver- waltungsgerichts. Wenn nämlich ein Departement wie im vorlie- genden Falle erstinstanzlich entscheidet, so gilt auch in Fällen, in denen letztinstanzlich ein Weiterzug an das Verwaltungsgericht mög- lich ist, normalerweise die Regelung, dass zunächst die Beschwerde 2003 Verwaltungsgericht 320 an den Regierungsrat gegeben ist (§ 46 Abs. 2 lit. a VRPG). Diese Zuständigkeitsordnung derogiert nun allerdings Art. 3 Abs. 4 bis HRegV, der folgendermassen lautet: "Ist die kantonale Aufsichtsbehörde keine gerichtliche Instanz, so kann gegen deren Entscheid beim zuständigen kantonalen Gericht Be- schwerde erhoben werden (Art. 98a Abs. 1 des Bundesrechtspflege- gesetzes, OG)." Wie der Regierungsrat zutreffend annimmt, gilt Art. 3 Abs. 4 bis HRegV auch, wenn wie im vorliegenden Falle eine zwangsweise Eintragung gemäss Art. 57 HRegV zur Diskussion steht; werden in einem solchen Fall Weigerungsgründe schriftlich geltend gemacht (Art. 57 Abs. 1 und 4 HRegV), überweist der Registerführer, statt selber zu verfügen, die Angelegenheit der kantonalen Aufsichtsbe- hörde, die nach Prüfung der Verhältnisse - erstinstanzlich - entschei- det (Art. 58 Abs. 1 HRegV). In Handelsregistersachen kommt es auf eine speditive Abwicklung der einzelnen Vorgänge an, und diesem Ziel würde eine Dazwischenschaltung des Regierungsrats entgegen- wirken. Im Übrigen kann auch auf § 4 Satz 3 der kantonalen Verord- nung über den Vollzug des Bundesgesetzes über die Revision der Titel 24-33 des Obligationenrechts (SAR 210.251) vom 23. Juli 1937 verwiesen werden, wonach eine Weiterziehung der Entscheide des Departements des Innern (in seiner Eigenschaft als kantonale Aufsichtsbehörde über das Handelsregisteramt) an den Regierungsrat nicht zulässig ist; auch hinter dieser Bestimmung steht offensichtlich das Beschleunigungsanliegen. Demgemäss ist das Verwaltungsgericht zur Beurteilung der vorliegenden Streitsache auch funktionell zuständig.
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AG_VG_001
AG_VG
AG
Northwestern_Switzerland
AG_VG_001_AGVE-2003-84_2003-06-03
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2009 Verwaltungsrechtspflege 295 57 Verjährung - Die Verjährung öffentlich-rechtlicher Ansprüche des kantonalen Rechts regelt das Verwaltungsrechtspflegegesetz. Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 30. Juni 2009 in Sachen K.P. gegen Gemeinde X. (WKL.2007.1). Aus den Erwägungen 2. Der in § 38 SubmD vorgesehene Schadenersatz im vergabe- rechtlichen Rechtsschutz ist eine Haftung aus öffentlichem Recht und untersteht den vergaberechtlichen Haftungsnormen. Das Sub- missionsdekret enthält keine Bestimmungen über die Verjährung, sondern schreibt eine Klagefrist vor (§ 38 Abs. 2 SubmD). Die Nichteinhaltung der Klagefrist führt als Erlöschungsgrund zum voll- ständigen Untergang des Schadenersatzanspruchs und damit zur Verwirkung des Anspruchs. Die Verwirkung ist von der Verjährung zu unterscheiden (Gauch Peter / Schluep Walter R. / Schmid Jörg / Heinz Rey, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 8. Auflage, Rz. 3574). Das kantonale Recht enthält in § 78a aVRPG für das öffentliche Recht generelle Verjährungsregeln, soweit keine Sonderbestimmungen bestehen (AGVE 2001, S. 384, Erw. 7a unter Hinweis auf die Botschaft des Regierungsrats vom 21. Mai 1990 zum neuen Baugesetz, S. 55 f.). Ein Rückgriff auf allgemeine Rechtsgrundsätze oder - Lücken füllend - auf die Bestimmungen des OR als subsidiäres kantonales öffentliches Recht kommt daher nicht in Betracht (Attilio R. Gadola, Verjährung und Verwirkung im öffent- liche Recht, in: Aktuelle juristische Praxis [AJP] 1995, S. 49). Zwar spricht das Gesetz sowohl in § 78a Abs. 1 und Abs. 2 aVRPG von "Erlöschen" der öffentlichen Forderung, was mit der Verwirkung gleichzusetzen wäre. Nach der Praxis handelt es sich aber bei den Fristen in § 78a Abs. 2 aVRPG um Verjährungsfristen (AGVE 2001, S. 384). Einmalige Leistungen verjähren daher, vorbehaltlich aus- drücklich abweichender Bestimmungen im Gesetz, innert zehn Jah- 2009 Verwaltungsgericht 296 ren nach Eintritt der Fälligkeit (vgl. die Rechtsprechung vor Erlass von § 78a aVRPG, in: AGVE 1986, S. 212; AGVE 1979, S. 176 mit weiteren Hinweisen). Anhaltspunkte dafür, dass mit der Klage- und Verwirkungsfrist in § 38 SubmD auch die Verjährungsfristen des § 78a aVRPG auf ein Jahr verkürzt wurden, können dem Gesetz nicht entnommen werden. Auf die vorliegende Frage ist daher § 78a Abs. 2 aVRPG an- wendbar und somit gilt eine Verjährungsfrist von zehn Jahren, wobei gemäss § 78a Abs. 2 aVRPG und § 38 Abs. 3 SubmD davon auszu- gehen ist, dass die Einhaltung der Klagefrist als Anspruchvorausset- zung gilt und von Amtes wegen zu prüfen ist. Die Verjährungseinrede ist demgemäss abzuweisen.
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501
AG_VG_001
AG_VG
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Northwestern_Switzerland
AG_VG_001_AGVE-2009-57_2009-06-04
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2010 Verwaltungsgericht 118 23 Berufskostenabzug für notwendige Mehrkosten für Verpflegung aus- serhalb der Wohnstätte und bei Schichtarbeit. Mehrkosten für auswärtige Verpflegung sind nur abziehbar, wenn diese notwendigerweise mit der Erwerbstätigkeit verknüpft sind (Erw. 2.2). Urteil des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 16. Juni 2010, in Sachen KStA gegen G. (WBE.2009.382). Aus den Erwägungen 1.3. Auch Mehrkosten für Verpflegung ausserhalb der Wohnstätte werden vom Reineinkommen nur abgezogen, sofern sie notwendige Berufskosten darstellen (§ 35 Abs. 1 lit. b StG). Dabei wird von Un- selbstständigerwerbenden wie dem Beschwerdegegner nicht der Nachweis verlangt, dass sie sich tatsächlich auswärts verpflegten (VGE II/17 vom 5. März 2007 [WBE.2006.350], Erw. 3.3, publiziert in StE 2007 B 22.3 Nr. 92). Der Abzug für Mehrkosten der auswär- tigen Verpflegung setzt indes voraus, dass der Steuerpflichtige wegen zu grosser Entfernung zwischen Wohn- und Arbeitsstätte oder wegen kurzer Essenspause oder Schichtarbeit eine Hauptmahlzeit nicht zu Hause einnehmen kann (§ 35 Abs. 2 StG i.V.m. § 12 StGV sowie Art. 6 Abs. 1 der Verordnung über den Abzug von Berufskosten der unselbstständigen Erwerbstätigkeit bei der direkten Bundessteuer vom 10. Februar 1993 [Berufskostenverordnung; SR 642.118.1]). 2. 2.1. 2.1.1. Nach bisheriger Praxis der Vorinstanz galt die Verpflegung zu Hause als zumutbar, wenn die nach Abzug der Wegzeit verbleibende Aufenthaltsdauer daheim mindestens 75 Minuten beträgt, sofern die steuerpflichtige Person die Mittagsmahlzeit selbst zubereiten muss. Muss sie dies nicht, ist ein Aufenthalt in den eigenen Räumen von mindestens 45 Minuten erforderlich (Entscheid des Steuerrekursge- 2010 KantonaleSteuern 119 richts vom 26. April 2007 [3-RV.2006.224, Erw. 4.2]; AGVE 1995, S. 443 ff., AGVE 1981, S. 338). 2.1.2. Im angefochtenen Entscheid hat die Vorinstanz dem Beschwer- degegner den Abzug für die Mehrkosten der Verpflegung zugestan- den. Zur Begründung führte sie an, dass an ihrer bisherigen Recht- sprechung nicht festzuhalten sei. Es sei eine Tatsache, dass sich die Gepflogenheiten im Arbeitsalltag verändert hätten. Während früher die mittägliche Rückkehr nach Hause die Regel gewesen sei, könne dies in der heutigen Berufswelt nicht mehr gelten. Ein Grossteil der Berufstätigen lege im Hinblick auf einen frühen Feierabend eine kurze Mittagspause ein und verpflege sich am Arbeitsort. Hinzu komme, dass nach gängiger Veranlagungspraxis ein beantragter Ab- zug auswärtiger Verpflegungskosten regelmässig ohne nähere Über- prüfung gewährt werde, sofern eine Rückkehr über Mittag nicht ge- radezu auf der Hand liege. Deshalb erscheine es sachgerecht, von der bisherigen Praxis insofern abzuweichen, als das strikte Erfordernis der beruflichen Notwendigkeit zu lockern und bei glaubhaft gemach- ten Mehrkosten der auswärtigen Verpflegung ein Abzug zu gewähren sei. Der Beschwerdegegner habe glaubhaft dargetan, sein Mittag- essen jeweils im Restaurant eingenommen zu haben, weshalb sein Rekurs gutgeheissen werde. 2.2. In Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung des KStA ergibt sich aus den steuergesetzlichen Regelungen zu den Berufskosten nach wie vor klar, dass solche nur dann zum Abzug zuzulassen sind, wenn sie mit der Erwerbstätigkeit notwendigerweise verknüpft sind. Art. 6 Abs. 1 der Berufskostenverordnung macht die Abzugsfähigkeit der Mehrkosten auswärtiger Verpflegung ausschliesslich davon ab- hängig, dass der Steuerpflichtige eine Hauptmahlzeit nicht zu Hause einnehmen kann. Dabei sind gemäss Wortlaut der Bestimmung nur konkrete, sich auf den einzelnen Steuerpflichtigen beziehende Sach- umstände massgebend, welche die Länge des Arbeitswegs beeinflus- sen oder gewisse Regelungen der Arbeitszeit (Essenspause, Schicht- arbeit) betreffen. Zwar mag es im Sinne der vorinstanzlichen Aus- führungen zutreffen, dass sich die Verpflegungsgewohnheiten im Ar- 2010 Verwaltungsgericht 120 beitsalltag im Laufe der Zeit verändert haben und sich heute ein er- heblicher Teil der Berufstätigen am Arbeitsort verpflegt. Es entsprä- che indessen nicht einer am Gebot der vertikalen Steuerharmo- nisierung orientierten Auslegung der einschlägigen kantonalen Nor- men, wenn jedwelche glaubhafte Verpflegungskosten, die mit allge- mein veränderten Alltagsgewohnheiten einhergehen, ohne weitere Voraussetzungen zum Abzug zugelassen würden. Es fehlen denn auch jegliche Hinweise dafür, dass der kantonale Gesetzgeber im Sinne der vom Steuerrekursgericht vertretenen Auffassung eine vom Bundesrecht abweichende Lösung hätte treffen wollen. Entschei- dendes Kriterium für die Gewährung eines Abzugs für auswärtige Verpflegungsmehrkosten bleibt daher auch bei allfällig veränderten gesellschaftlichen Verhältnissen einzig, ob die Aufwendungen - auf- grund der geschilderten Sachumstände im Einzelfall - mit der Ein- kommenserzielung in unvermeidbarer Weise verbunden sind. 3. 3.1. Das Verwaltungsgericht hat zur Zumutbarkeit der mittäglichen Heimkehr bisher keine konkreten zeitlichen Umschreibungen hin- sichtlich der Gesamtdauer der Mittagspause oder der erforderlichen Aufenthaltsdauer daheim getroffen. Das Bundesgericht wies in seinem Entscheid vom 12. Mai 2003 (StE 2003 B 22.3 Nr. 76, Erw. 4.3) darauf hin, dass die kantonalen Behörden unter Berücksichtigung der regionalen bzw. lokalen Bege- benheiten Zeitpauschalen festlegen könnten, innerhalb welcher die Rückkehr nach Hause zur Mittagsverpflegung als zumutbar gelte. Es billigte dabei die Praxis der Steuerverwaltung Graubünden, wonach die Verpflegung zu Hause zumutbar sei, wenn für das Mittagessen zu Hause inklusive Hin- und Rückweg nicht mehr als 90 Minuten benö- tigt werden und die Aufenthaltsdauer am Mittagstisch mindestens 30 Minuten beträgt. Im konkreten Fall erachtete das Bundesgericht - für einen alleinstehenden Steuerpflichtigen mit flexiblen Arbeitszeiten - einen Zeitaufwand von 85 Minuten für das Mittagessen inklusive Hin- und Rückreise bei einer Aufenthaltsdauer daheim von 50 Minuten zur Zubereitung und Einnahme der Mahlzeit als aus- reichend. 2010 KantonaleSteuern 121 3.2. In seiner Rekurseingabe an die Vorinstanz vom 7. Dezember 2009 brachte der Beschwerdegegner vor, zu den normalen Büro- zeiten zwischen 08.00 Uhr und 12.00 Uhr sowie von 13.00 Uhr bis 17.00 Uhr "plus minus eine Viertelstunde" im Betrieb anwesend sein zu müssen, da er sowohl für andere interne Abteilungen als auch ex- tern erreichbar sein sollte. Bereits aus der Formulierung des Be- schwerdegegners ("plus minus eine Viertelstunde") geht indes her- vor, dass es sich hierbei nicht um zwingende Fixzeiten handelt. Der Beschwerdegegner räumte denn im Rekursschreiben auch ein, über gleitende Arbeitszeit zu verfügen. In seiner Einsprache vom 7. Sep- tember 2009 an die Steuerkommission führte er noch aus, er verfüge über "grundsätzlich gleitende Arbeitszeit ohne Fixstunden", wobei er keine Präsenzzeiten erwähnte. Überdies ist - wie das KStA zu Recht geltend macht - aus der Zeiterfassungstabelle 2007 ersichtlich, dass der Beschwerdegegner nicht selten vor 12.00 Uhr - teilweise auch vor 11.45 Uhr - die Mittagspause beginnt und nach 13.00 Uhr - zu- weilen auch nach 13.15 Uhr - die Arbeit wieder aufnimmt. Demnach verfügt der Beschwerdegegner über flexible Arbeitszeiten. 3.3. Mit dem Fahrrad benötigt der Beschwerdegegner höchstens neun Minuten für seinen 2 km langen Arbeitsweg. Legt er diesen mit dem Auto oder einem seiner zwei Motorräder zurück, nimmt dies rund vier Minuten in Anspruch (Twixroute). Mit dem Bus, den er nach eigenen Angaben bei Schnee und kaltem Wetter benützt, beläuft sich die Fahrtdauer auf rund fünf Minuten zuzüglich einiger Minuten Fussweg. Der Ansicht des Beschwerdegegners, die sich infolge der stündlichen Busfahrzeiten ergebende Mittagspause von eineinhalb Stunden sei untragbar, kann nicht gefolgt werden. Vielmehr ergibt sich aufgrund seines kurzen Arbeitswegs und seiner flexiblen Ar- beitszeiten, dass eine Rückkehr am Mittag - im Lichte der bundes- gerichtlichen Rechtsprechung - ohne weiteres als zumutbar er- scheint. 2010 Verwaltungsgericht 122 4. Demgemäss ist die Beschwerde des KStA gutzuheissen und dem Beschwerdegegner der Abzug für die Mehrkosten auswärtiger Verpflegung zu verwehren.
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2002 Verwaltungsgericht 178 [...] 49 Rechtliches Gehör. Liegenschaftsunterhaltskosten. - Werden durch einen fachkundigen Richter neue erhebliche Sachver- haltselemente eingebracht, muss den Parteien Gelegenheit zur Stel- lungnahme gegeben werden (Erw. 2). - Dem Unterhalt gleichgestellte Energiesparmassnahmen. Erweiterung der Abzugsfähigkeit durch die Änderung von § 19 Abs. 3 StGV (Erw. 4). 2002 Kantonale Steuern 179 Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 18. Juni 2002 in Sa- chen H.R.R. gegen Entscheid des Steuerrekursgerichts. Zur Publikation vor- gesehen in StE 2003. Sachverhalt In Abweichung von der Selbstdeklaration wurden unter ande- rem die für 1996 geltend gemachten Kosten für die Einglasung des Balkons samt weiteren Isolationsmassnahmen nur teilweise zum Abzug zugelassen: Malerarbeiten vollständig, Metallbau und Zim- merei nur zu 1/5, im Einspracheentscheid dann zur Hälfte. Aus den Erwägungen 2. Der fachkundige Richter des Steuerrekursgerichts, der Ar- chitekt ist, vertrat die Auffassung, dass sich eine Wärmedämmung am Haus der Beschwerdeführer kostengünstiger hätte realisieren las- sen. Er berechnete die für eine Isolation notwendigen Aufwendungen detailliert (vgl. angefochtener Entscheid, S. 7). Damit wurden neue Sachverhaltselemente von erheblicher Bedeutung ins Verfahren ein- geführt, denn zuvor war lediglich abstrakt, ohne jede Konkretisie- rung von der Möglichkeit einer kostengünstigeren Isolation die Rede gewesen. Dass das Steuerrekursgericht darauf abstellte, ohne den Be- schwerdeführern zuvor Gelegenheit zu bieten, dazu Stellung zu neh- men, verletzte deren Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 1 i.V.m. § 15 VRPG; AGVE 1995, S. 223 mit Hinweisen; vgl. auch die Hinweise bei Andreas Edelmann, in: Kommentar zur aargauischen Zivilpro- zessordnung, 2. Auflage, Aarau/Frankfurt a.M./Salzburg 1998, § 253 N 8). Angesichts des Verfahrensausgangs bleibt der Mangel aller- dings ohne Folgen. 4. a) Gemäss § 24 lit. c Ziff. 3 StG in der Fassung vom 26. Januar 1988 können die Kosten für den Unterhalt von Liegen- schaften vom Roheinkommen abgezogen werden, wobei der Regie- rungsrat bestimmt, in welchem Umfang energiesparende und um- 2002 Verwaltungsgericht 180 weltgerechte Massnahmen als Liegenschaftsunterhalt anzuerkennen sind. b) aa) § 19 Abs. 3 der Verordnung zum Steuergesetz (StGV; SAR 651.111) vom 13. Juli 1984 in der alten Fassung vom 11. Juli 1988 umschrieb im Detail, welche konkreten Massnahmen zu wel- chem Prozentsatz abziehbar seien. bb) In der früheren Rechtsprechung wurde aus dem energiepo- litischen Zweck solcher Abzugsmöglichkeiten gefolgert, dass davon jene baulichen Massnahmen auszunehmen seien, welche in der Regel ohnehin, das heisst ohne steuerliche Vergünstigungen erstellt worden wären. Bei baulichen Vorkehren, welche nicht in erster Linie ener- giesparenden und umweltgerechten Zwecken dienten, dürfe ange- nommen werden, dass steuerliche Anreize der in Frage stehenden Art verhältnismässig selten auslösende Wirkung ausübten und dass sie gegenteils unabhängig davon erstellt würden. Insoweit bedürfe es der lenkenden Abgabebegünstigung nicht. Wintergärten und ähnliche Konstruktionen wurden auf Grund dieser Rechtsprechung regelmäs- sig nicht zum Abzug zugelassen (StE 1995, B 25.6 Nr. 28; vgl. auch StE 1990, B 25.6 Nr. 19, StE 2000, B 25.7 Nr. 1). Weiter kam früher ein Abzug als Energiesparmassnahme bei Wintergärten und ähnlichen Konstruktionen deshalb nicht in Be- tracht, weil § 19 Abs. 3 Ziff. 1 StGV nur Energiesparmassnahmen, die, bezogen auf das Gesamtgebäude , eine erhebliche Wirkung hat- ten, als abzugsfähig bezeichnete (StE 1995, B 25.6 Nr. 28). Schliesslich wurden nicht die gesamten Auslagen als Unter- haltskosten behandelt, wenn im Zuge von dem Unterhalt gleichge- stellten Energiesparmassnahmen Verbesserungen an der Liegenschaft vorgenommen wurden. Diesfalls wurde ein durch Schätzung zu er- mittelnder Teil davon als wertvermehrend betrachtet und war dem- zufolge nicht abzugsfähig (Jürg Baur, in: Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, Muri/BE 1991, § 24 N 244). c) § 19 Abs. 3 StGV wurde am 19. Oktober 1994, mit Wirkung ab der Steuerperiode 1995/96, geändert. Seither sind den Unterhalts- kosten Investitionen gleichgestellt, "die dem Energiesparen und dem Umweltschutz dienen, soweit sie bei der direkten Bundessteuer ab- ziehbar sind." Massgebend wurden damit die in Ausführung von 2002 Kantonale Steuern 181 Art. 32 Abs. 2 DBG vom 14. Dezember 1990 erlassenen Verordnun- gen des Bundesrats über den Abzug der Kosten von Liegenschaften des Privatvermögens bei der direkten Bundessteuer (VAKLP; SR 642.116) vom 24. August 1992 und des Eidgenössischen Fi- nanzdepartements über die Massnahmen zur rationellen Energiever- wendung und zur Nutzung erneuerbarer Energien (VMRE; SR 642.116.1) vom 24. August 1992. Als Investitionen, die dem Energiesparen und dem Umweltschutz dienen, gelten nach Art. 5 VAKLP Aufwendungen für Massnahmen, welche zur rationellen Energieverwendung oder zur Nutzung erneuerbarer Energien beitra- gen. Diese sind in Art. 1 VMRE näher umschrieben. Es geht insbe- sondere um Massnahmen zur Verminderung der Energieverluste der Gebäudehülle (lit. a) und Massnahmen zur rationellen Energienut- zung bei haustechnischen Anlagen (lit. b). Die Auflistung der Mass- nahmen in Art. 1 lit. a und b VMRE ist nicht abschliessend, womit an sich Raum bleibt für die steuerliche Berücksichtigung weiterer Mass- nahmen (Peter Locher, Kommentar zum DBG, I. Teil, Therwil/Basel 2001, Art. 32 N 37; Bernhard Zwahlen, in: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Band I/2a [DBG], Basel/Genf/ München 2000, Art. 32 N 26; StR 2001, S. 284). Somit sind Investitionen jetzt schon abzugsfähig, wenn sie zur rationellen Energieverwendung (oder zur Nutzung erneuerbarer Energien) beitragen (Art. 5 VAKLP), und zwar ab dem sechsten Jahr nach der Anschaffung der Liegenschaft zu 100 % (Art. 8 VAKLP). Massnahmen zur Wärmedämmung von Böden, Wänden, Dächern und Decken gegen Aussenklima werden ohne Einschränkung als abzugsfähige Massnahmen zur rationellen Energieverwendung be- zeichnet (Art. 1 lit. a Ziff. 1 VMRE); auch die übrigen Beispiele in Art. 1 lit. a VMRE lassen kaum Einschränkungen erkennen. So wird beispielsweise der Ersatz von Jalousieläden oder Rollläden unbe- schränkt zugelassen (Ziff. 5). Angesichts dieser (allerdings sehr weit gehenden) Regelung im Bundesrecht, die kraft Verweises auch auf kantonaler Ebene gilt, lassen sich die zum früheren Recht entwickel- ten Einschränkungen der Abzugsfähigkeit nicht aufrecht erhalten. Eine nachweisbare Wirkung auf das Gesamtgebäude ist nicht mehr vorausgesetzt; die etappenweise Sanierung schadet der Abzugsfähig- 2002 Verwaltungsgericht 182 keit nicht (vgl. Art. 5 VAKLP). Auch eine Aufteilung nach wertver- mehrenden und nach energiesparenden Anteilen ist auf Grund der hundertprozentigen Abzugsmöglichkeit (Art. 8 VAKLP) nicht mehr zulässig. Insbesondere aber sind Vorkehren, welche wahrscheinlich auch unabhängig von Energiesparüberlegungen getätigt wurden, nicht mehr ausgeschlossen. Vielmehr ist heute jede Massnahme, welche in der VMRE aufgelistet oder deren energiesparende Wir- kung erwiesen ist, vollumfänglich abzugsfähig.
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2001 Verwaltungsgericht 336 71 Ausschluss eines Anbieters gemäss § 16 Abs. 3 SubmD. - Wird kein dem Leistungsverzeichnis entsprechendes Hauptangebot, sondern bloss eine Variante eingereicht, muss die Offerte als ungültig vom weiteren Verfahren ausgeschlossen werden (Erw. 3/c). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 22. Mai 2001 in Sachen O. AG gegen die Verfügung des Kantonsspitals A. Aus den Erwägungen 3 c) Die Beschwerdeführerin hat als Offertversion A zwei Mo- noblockbrenner (Verbrennungsluftgebläse befindet sich am Brenner) und als Offertversion B einen Duoblockbrenner mit nur einem Bren- nerkopf angeboten. Beide Angebote weichen somit klarerweise vom verlangten Hauptangebot (Duoblockbrenner mit zwei Brennerköp- fen) ab und sind deshalb als Unternehmervarianten im Sinne von § 16 SubmD zu betrachten. Ein dem Leistungsverzeichnis entspre- chendes Hauptangebot wurde von der Beschwerdeführerin nicht eingereicht. Richtigerweise hätte die Vergabestelle somit die beiden Offertversionen von vornherein als ungültig vom weiteren Verfahren ausschliessen müssen (§ 16 Abs. 3 i. V. m. § 28 Abs. 1 lit. g SubmD; vgl. VGE III/14 vom 7. Februar 2001 [BE.2000.00405] in Sachen St. AG, S. 16). Indem sie sie zunächst in den Offertvergleich miteinbezogen hat, hat sie nicht nur gegen § 16 Abs. 3 SubmD verstossen, sondern sich auch in Widerspruch zu ihren eigenen Aus- schreibungsunterlagen gesetzt. Die beiden ungültigen Angebotsversionen können somit für den Zuschlag nicht in Betracht kommen, da die Vergabestelle diese in den Offertvergleich nicht hätte miteinbeziehen dürfen. Dementspre- chend ist die Beschwerde ohne weitere materielle Prüfung des Ver- gabeentscheids abzuweisen (vgl. VGE III/30 vom 2. März 2000 [BE.99.00095/96] in Sachen K., S. 15 f.).
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2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 94 12 Art. 446 Abs. 1 ZGB; Art. 447 ZGB, Art. 428 ZGB - Die Möglichkeit zur nachträglichen Stellungnahme stellt grundsätz- lich keine den Anforderungen von Art. 447 Abs. 2 ZGB genügendene Anhörung dar (Erw. II/2.2 und II/3). - Ist primär eine kurzzeitige Klinikeinweisung anvisiert, erscheint es zwingend, dass entweder eine Übertragung der Entlassungszustän- digkeit an die Einrichtung erfolgt oder in Kürze eine erneute gericht- liche Überprüfung der fürsorgerischen Unterbringung vorgesehen wird (Erw. II/5.2). Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 25. August 2015 in Sachen A. gegen das Familiengericht X. (WBE.2015.338). Aus den Erwägungen II. 2.2. 2.2.1. Die Erwachsenenschutzbehörde erforscht den Sachverhalt von Amtes wegen (Art. 446 Abs. 1 ZGB). Sie zieht die erforderlichen Er- kundigungen ein und erhebt die notwendigen Beweise. Sie kann eine geeignete Person oder Stelle mit Abklärungen beauftragen. Nötigen- falls ordnet sie das Gutachten einer sachverständigen Person an (Art. 446 Abs. 2 ZGB). 2.2.2. Ein erstes wichtiges Mittel der Sachverhaltserhebung sind Aus- künfte der Beteiligten. Die Behörde kann solche Auskünfte schrift- lich einholen, sich die nötigen Informationen aber auch durch münd- liche Befragungen verschaffen. Abklärungen in Form von persön- lichen Befragungen haben den Vorteil, dass sie unter Umständen ein differenzierteres Bild über bestimmte Sachverhaltselemente vermit- teln. Zudem gewinnt die Behörde einen unmittelbaren, persönlichen Eindruck von der befragten Person und deren Einstellung. Persön- liche Befragungen sind vor allem dort nützlich, wo ein auch persön- liche Aspekte umfassendes Bild einer Person oder Situation erhoben 2015 Fürsorgerische Unterbringung 95 werden muss (C HRISTOPH A UER /M ICHLE M ARTI , in: Basler Kom- mentar, Zivilgesetzbuch I, Art. 1-456 ZGB, 5. Auflage, Basel 2014, Art. 446 N 11). Gesetzlich vorgeschrieben ist eine persönliche münd- liche Anhörung der betroffenen Person; vorbehalten sind Fälle, in denen eine solche Anhörung unverhältnismässig wäre (Art. 447 Abs.1 ZGB). Die persönliche Anhörung verfolgt - wie der Anspruch auf rechtliches Gehör - zwei Ziele: Zum einen stellt sie ein Mitwir- kungsrecht der betroffenen Person dar. Zum anderen bildet sie ein Mittel zur Sachverhaltsabklärung. Das Mitwirkungsrecht ist umfas- send: Der betroffenen Person ist im Rahmen der persönlichen Anhö- rung nicht nur in allgemeiner Form von der in Aussicht genommenen Massnahme Kenntnis zu geben. Vielmehr sind ihr sämtliche Einzeltatsachen bekannt zu geben, auf die sich die Kindes- und Er- wachsenenschutzbehörde bei ihrem Entscheid stützen will. Soweit die Anhörung der Sachverhaltsfeststellung dient, kann auf sie nicht verzichtet werden, selbst wenn sich die betroffene Person wider- setzen sollte. Die Behörde hat sich anhand der persönlichen Anhö- rung einen umfassenden Eindruck von den Zukunftsaussichten und der jüngeren Vergangenheit der betroffenen Person zu verschaffen, der ihr mit Blick auf die Geeignetheit, die Notwendigkeit und die Angemessenheit der Massnahme als Entscheidungsgrundlage dient (C HRISTOPH A UER /M ICHLE M ARTI , a.a.O., Art. 447 N 4 ff.). Für den Fall, dass eine fürsorgerische Unterbringung in Frage steht, hat die persönliche Anhörung der betroffenen Person gemäss Art. 447 Abs. 2 ZGB in der Regel durch das Kollegium (der entscheidenden Behörde) zu erfolgen. Von einer persönlichen Anhörung der betroffenen Person kann - wie erwähnt - wegen Unverhältnismässigkeit ausnahmsweise abge- sehen werden (Art. 447 Abs. 1 ZGB). Ob die Anhörung unverhält- nismässig erscheint, ist stets im konkreten Einzelfall unter Berück- sichtigung der gesamten Umstände zu beurteilen. Unverhältnis- mässigkeit im Sinne von Art. 447 Abs. 1 ZGB kann etwa bei beson- derer Dringlichkeit vorliegen. In einem solchen Fall ist die Anhörung bei nächster Gelegenheit nachzuholen. Unverhältnismässig kann die Anhörung auch dann sein, wenn sich eine urteilsfähige Person einer solchen widersetzt und sich die Anhörung in der Gewährung des Mit- 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 96 wirkungsrechts erschöpfen würde, d.h. nicht gleichzeitig der Sachverhaltsabklärung dient. Die blosse Passivität der betroffenen Person entbindet jedoch nicht von der Pflicht zur Anhörung. Eine persönliche Anhörung kann ferner aufgrund einer Krankheit oder anderer persönlichkeitsbedingter Gründe des Betroffenen unterblei- ben. Kommt es auf den persönlichen Eindruck des Betroffenen nicht (mehr) an, was beispielsweise zutrifft, wenn eine Massnahme aufge- hoben wird oder wenn bloss ergänzende Anordnungen getroffen wer- den müssen, braucht es nicht notwendigerweise eine (weitere) Anhö- rung (C HRISTOPH A UER /M ICHLE M ARTI , a.a.O., Art. 447 N 25 ff.). Ein anderer Ausnahmetatbestand könnte darin erblickt werden, dass die letzte Anhörung noch nicht lange zurückliegt und sich die Verhältnisse in der Zwischenzeit kaum verändert haben. Hier ist allerdings bei fürsorgerischen Unterbringungen Zurückhaltung gebo- ten, weil sich die Verhältnisse sehr schnell auch grundlegend verän- dern können. 2.2.3. (...) 3. 3.1. B. von den sozialen Diensten C. führte Gespräche mit dem Vater, der Mutter und der Schwester des Beschwerdeführers sowie mit der pro infirmis. Im Wesentlichen gaben die Auskunftspersonen an, der Beschwerdeführer sei cannabisabhängig und benötige Fr. 1'500.00 bis Fr. 2'000.00 pro Monat, um seine Sucht zu befriedi- gen. Zudem betreibe er Medikamentenmissbrauch. Er lebe bei der Mutter, welche jedoch grosse Angst vor ihm habe, da er sich aggres- siv verhalte, ihr drohe und das Mobiliar zerschmettere. Er drohe re- gelmässig mit Selbstmord und mit vorgängigem Mord an seinen Fa- milienangehörigen. Niemand wolle dem Beschwerdeführer eröffnen, dass er bald aus der Wohnung in C. ausziehen müsse, weil die Mutter in ein Pflegeheim übertrete. Die Selbst- und Fremdgefährdung wurde von allen Auskunftspersonen als hoch eingestuft. Aufgrund dieser Aussagen lud B. von den Sozialen Diensten C. den Beschwerdefüh- rer und seinen Vater, D., mit Schreiben vom 6. August 2015 zu einem Gespräch bei den Sozialen Diensten in C. am 11. August 2015 ein. Der Beschwerdeführer sagte dieses Gespräch am Vortag ab. 2015 Fürsorgerische Unterbringung 97 In der Folge ordnete das Familiengericht X. am 11. August 2015 die fürsorgerische Unterbringung des Beschwerdeführers an. Gleichentags wurde er um 15.10 Uhr von der Gerichtspräsidentin, einem Fachrichter und der Gerichtsschreiberin in Begleitung von zwei Stadtpolizisten zuhause besucht. Gemäss der Besprechungsno- tiz habe der Beschwerdeführer zuerst geweckt werden müssen und es habe im Anschluss ein Gespräch im Wohnzimmer stattgefunden. Die Gerichtspräsidentin habe den Beschwerdeführer und die Anwesenden vorgestellt. Der Fachrichter habe ihm erklärt, es habe von Seiten des Familiengerichts X. Abklärungen gegeben. Die Mitglieder des Ge- richts seien bei ihm, um ihm den Entscheid zu eröffnen. Zudem werde er Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Der Fachrichter erklärte dem Beschwerdeführer, dass die Mutter Ende August in ein Pflegeheim ziehen werde. Er könne dorthin nicht mit. Die Stadtpoli- zei sei anwesend, um ihn zur weiteren Abklärung der Betreuung und Behandlung in die Psychiatrische Klinik Königsfelden zu bringen. Zudem werde ein Beistand eingesetzt, welcher sich unter anderem um seine Finanzen kümmern werde, da die Mutter das nicht mehr übernehmen könne. Der Beschwerdeführer habe während des ganzen Gesprächs schläfrig gewirkt, geseufzt und gemeint, das alles werde gemacht, ohne dass er etwas sagen könne. Auf die entsprechende Frage hin habe er gesagt, er habe alles verstanden. Als ihm Gelegen- heit zur Stellungnahme und zum Stellen von Fragen gegeben worden sei, habe er zu Protokoll gegeben, er sei mit dem Entscheid nicht ein- verstanden. Anschliessend habe der Fachrichter das weitere Vorge- hen erklärt. In der Folge wurden dem Beschwerdeführer Handschel- len für den Transport angelegt und er wurde in die Psychiatrische Klinik Königsfelden gebracht. Die Anhörung endete um 15.25 Uhr. 3.2. Der Beschwerdeführer wurde bis zum Hausbesuch am 11. August 2015 nie angehört. Beim Gespräch, das von 15.10 Uhr bis 15.25 Uhr dauerte, wurde der Beschwerdeführer vor vollendete Tat- sachen gestellt (vgl. Besprechungsnotiz: "Man sei hier, um ihm den Entscheid zu eröffnen") und konnte nur noch eine nachträgliche Stel- lungnahme abgeben. Es erfolgte somit keine den Anforderungen von Art. 447 ZGB genügende Anhörung. Eine der in Erw. 2.2.2 vorne an- 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 98 geführten Ausnahmesituationen, in welchen auf eine Anhörung ver- zichtet werden kann, lag nicht vor. Weder bestand besondere Dring- lichkeit noch standen - soweit aus den Akten ersichtlich - einer Anhörung persönlichkeitsbedingte Hindernisse auf Seiten des Be- schwerdeführers entgegen. Die einmalige Absage des Gesprächs bei den Sozialen Diensten C. kann auch nicht als Verweigerung gewertet werden, an einer Anhörung durch das Familiengericht teilzunehmen. Da somit feststeht, dass das Gespräch am 11. August 2015 nicht als Anhörung gemäss Art. 447 ZGB qualifiziert werden kann, erübrigen sich Ausführungen dazu, dass nur (aber immerhin) die Mehrheit des entscheidenden Kollegiums anwesend war. Entscheidend ist, dass aufgrund der zeitlichen Abfolge die mitwirkenden Richter keine Ge- legenheit hatten, den Beschwerdeführer vor der Entscheidfindung persönlich kennenzulernen und auf diese Weise einen eigenen, un- mittelbaren Eindruck von seinem Wesen sowie seiner gesundheitli- chen und sozialen Situation zu erlangen bzw. sich so von der Richtig- keit und Angemessenheit der angeordneten Massnahme zu überzeu- gen. Dadurch sind die Parteirechte des Beschwerdeführers in grund- legender Weise missachtet worden; zudem konnte durch dieses Vor- gehen der Sachverhalt nicht korrekt abgeklärt werden. Demzufolge ist der angefochtene Entscheid des Familiengerichts X. in Gutheis- sung der vorliegenden Beschwerde aufzuheben. 4. (...) 5. 5.1. Festzuhalten ist des Weiteren Folgendes: Die Zuständigkeit für die Entlassung aus einer fürsorgerischen Unterbringung richtet sich danach, wer die Unterbringung angeordnet hat. Hat die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde die Unterbringung verfügt, ist sie ge- mäss Art. 428 Abs. 1 ZGB grundsätzlich auch für die Entlassung zu- ständig. Wurde die Unterbringung von einem Arzt angeordnet, ent- scheidet die Einrichtung über die Entlassung (Art. 429 Abs. 3 ZGB). Im Gesetz ist vorgesehen, dass die Kindes- und Erwachsenenschutz- behörde im Einzelfall die Zuständigkeit für die Entlassung der Ein- richtung übertragen kann (Art. 428 Abs. 2 ZGB). Die Möglichkeit der Delegation der Entlassungszuständigkeit entspricht der geltenden 2015 Fürsorgerische Unterbringung 99 Praxis. Damit soll sichergestellt werden, dass der Patient sofort ent- lassen wird, wenn dies aus medizinischer Sicht möglich ist und die Klinik nicht zuerst einen Antrag an die Kindes- und Erwachsenen- schutzbehörde stellen muss. Die Übertragung kann nur im Einzelfall erfolgen und nicht in einer generell-abstrakten Norm festgehalten werden (Botschaft Erwachsenenschutz, BBl 2006, S. 7064; T HOMAS G EISER /M ARIO E TZENSBERGER , in: Basler Kommentar, Zivilgesetz- buch I, Art. 1-456 ZGB, 5. Auflage, Basel 2014, Art. 428 N 8 f.). Weitere Hinweise, unter welchen Voraussetzungen die Entlassungs- zuständigkeit im Einzelfall an die Einrichtung übertragen werden kann, lassen sich aus dem Bundesrecht nicht ableiten. 5.2. Die fürsorgerische Unterbringung wurde vorliegend primär an- geordnet, um dem Beschwerdeführer die Kündigung der Wohnung und den Wegzug der Mutter zu vermitteln bzw. um seine Reaktion, die als schwer abschätzbar taxiert wurde, in einem stationären Rah- men auffangen zu können. Es kann vorliegend offen gelassen wer- den, ob aufgrund dieser speziellen Konstellation, verbunden mit der befürchteten Fremd- und Selbstgefährdung (vgl. die entsprechenden Aussagen der Familienangehörigen, vorne Erw. 3.1), ausnahmsweise auf die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens verzichtet wer- den durfte. Jedenfalls erscheint es zwingend, dass in derartigen Fällen, die primär auf eine kurzzeitige Klinikeinweisung abzielen, entweder eine Übertragung der Entlassungszuständigkeit an die Psy- chiatrische Klinik Königsfelden erfolgt oder in Kürze eine erneute gerichtliche Überprüfung der fürsorgerischen Unterbringung vorge- sehen wird. Das Familiengericht verzichtete explizit auf die Übertragung der Entlassungszuständigkeit an die Psychiatrische Klinik Königsfel- den und ordnete an, dass eine erneute gerichtliche Überprüfung erst nach der maximalen Dauer von sechs Monaten erfolgen werde. Die- ses Vorgehen lässt sich mit dem Ziel, das mit der fürsorgerischen Un- terbringung angestrebt wurde, nicht vereinbaren. Der angefochtene Entscheid erweist sich folglich auch aus diesem Grund als unverhält- nismässig.
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AG_VG_001
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AG_VG_001_AGVE-2015-12_2015-08-01
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2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 60 5 Schwerwiegende Verletzung des Beschleunigungsgebots Die unverhältnismässig lange Verfahrensdauer von mehr als sieben Jah- ren seit der letzten Widerhandlung sowie der Umstand, dass der Be- schwerdeführer mittlerweile seit mehr als acht Jahren keine strassenver- kehrsrechtlichen Widerhandlungen mehr begangen hat, führen dazu, dass ein Warnungsentzug keine spezialpräventive beziehungsweise er- zieherische Wirkung mehr entfaltet. Es ist von der Anordnung einer Administrativmassnahme abzusehen. Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 31. Januar 2018, in Sachen Y. gegen das Strassenverkehrsamt des Kantons Aargau und das Departement Volkswirtschaft und Inneres (WBE.2017.381). 2018 Strassenverkehrsrecht 61 Aus den Erwägungen II. 1. 1.1. Dem angefochtenen Entscheid liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde: a) Am 30. Juli 2006 missachtete der Beschwerdeführer auf der Autobahn A2 in Basel die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um netto 29 km/h. b) Am 16. September 2007, 20.01 Uhr, überschritt der Beschwerdeführer in Dürrenäsch die allgemeine Höchstgeschwindigkeit ausserorts von 80 km/h um netto 32 km/h. c) Am 8. Dezember 2007 war der Beschwerdeführer um ca. 17.20 Uhr in Seon, ausserorts, mit seinem Personenwagen mit ca. 80 km/h unterwegs. Als er aus der Mittelkonsole Kaugummis behändigen wollte oder aus einem ande- ren Grund abgelenkt war und seine Aufmerksamkeit nicht mehr der Strasse zugewandt hatte, geriet er auf die Gegenfahrbahn. Der Lenker des entgegen- kommenden Personenwagens konnte eine Frontalkollision nur durch ein Aus- weichmanöver in den an die Strasse angrenzenden Acker verhindern, als er bemerkt hatte, dass der Beschwerdeführer die Gefahr seines Manövers nicht erkannt hatte und keine Korrektur vornahm. d) Am 22. April 2009 um 8.50 Uhr herrschte in Spreitenbach auf der Auto- bahn A1 in Fahrtrichtung Zürich Staulage mit Stop and Go -Verkehr auf allen drei Fahrstreifen. Mindestens 300-400 m vor der Ausfahrt Dietikon fuhr der Beschwerdeführer mit seinem Personenwagen auf dem Pannenstreifen mit einer Geschwindigkeit von ca. 50-60 km/h an der auf der rechten Fahrspur sich gebildeten Kolonne rechts vorbei, wobei er die Warnblinkanlage einge- schaltet hatte. Der Polizeifunktionär eines überholten zivilen Polizeifahrzeugs nahm unverzüglich die Verfolgung des Beschwerdeführers auf, worauf dieser trotz eingeschaltetem Blaulicht und der Matrix Stopp Polizei erst anhielt, nachdem er auf dem Pannenstreifen weitere geschätzte 20 Autos überholt hatte. 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 62 1.2. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet der mit Verfü- gung des Strassenverkehrsamtes vom 5. August 2016 angeordnete und von der Vorinstanz mit Entscheid vom 3. Juli 2017 bestätigte dreimonatige Warnungsentzug des Führerausweises. Der Sachverhalt sowie dessen Qualifikation sind unbestritten und zutreffend. 2. (...) 3. 3.1. 3.1.1. Die Vorinstanz führte im Wesentlichen aus, dass die Verwal- tungsbehörde grundsätzlich mit dem Erlass einer Administrativmass- nahme zuzuwarten habe, bis ein rechtskräftiges Strafurteil vorliege. Das Abwarten des rechtskräftigen Abschlusses des Strafverfahrens durch das Strassenverkehrsamt, das eine Gesamtmassnahme erwogen habe, sei nicht zu beanstanden. Die lange Dauer des Strafverfahrens sei nicht absehbar gewesen und das Strassenverkehrsamt habe sich regelmässig um Akteneinsicht bemüht. Die lange Verfahrensdauer sei vorliegend insbesondere auf das Strafverfahren zurückzuführen, wo- bei eine Verletzung des Beschleunigungsgebots bereits festgestellt und das Strafmass entsprechend reduziert worden sei. Ab Eingang der Strafakten beim Strassenverkehrsamt habe dieses innerhalb eines halben Jahres die Verfügung erlassen. Die Verletzung des Anspruchs auf Beurteilung innert angemessener Frist wiege deshalb insgesamt nicht derart schwer, dass auf den Entzug des Führerausweises verzichtet werden könne. Der Verletzung des Beschleunigungsgebots werde dadurch Rechnung getragen, dass die Mindestentzugsdauer nicht erhöht worden sei. Schliesslich sei auch nicht ersichtlich, dass der Entzug des Führerausweises unter den gegebenen Umständen wegen des Zeitablaufs keine erzieherische Wirkung mehr zeitigen würde. 3.1.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Verfahrensdauer vor dem Strassenverkehrsamt sei für sich allein genommen irrelevant. Massgebend sei die gesamte Dauer von Straf- und Mass- 2018 Strassenverkehrsrecht 63 nahmeverfahren. Das Verfahren habe seit der dritten Widerhandlung vom 8. Dezember 2007 und der vierten Widerhandlung vom 22. April 2009 die Grenze zur schweren Verletzung des Beschleu- nigungsgebots deutlich überschritten, weshalb keine behördliche Bindung an die Mindestentzugsdauer angezeigt sei. Aufgrund der grossen Zeitspanne könne die Massnahme ihren Sinn und Zweck - die Erziehung und Besserung des Beschwerdeführers - nicht mehr erfüllen. Vielmehr habe sich der verkehrserzieherische Zweck vorliegend bereits erfüllt, da sich der Beschwerdeführer in den letzten siebeneinhalb Jahren klaglos und gesetzestreu verhalten habe. Ausserdem seien gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung die strafrechtlichen Verjährungsregeln heranzuziehen, da das SVG die Verjährung für den Warnungsentzug nicht regle. Gemäss Art. 97 lit. c StGB sei die strafrechtliche Verfolgungsverjährung nach sieben Jahren eingetreten. Dies habe zur Folge, dass im Zeitpunkt der Verfügung vom 5. August 2016 die massnahmerechtliche Verfol- gungsverjährung eingetreten gewesen sei. Konsequenterweise müsse deshalb von einer Massnahme abgesehen werden, da der mass- nahmerechtliche Sanktionsanspruch des Staates untergangen sei. 3.2. Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungs- instanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist (Art. 29 Abs. 1 BV). Ein sol- ches Recht ergibt sich auch aus Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Die Beurtei- lung der angemessenen Verfahrensdauer entzieht sich starren Regeln. Es ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob sich die Dauer unter den kon- kreten Umständen als angemessen erweist. Der Streitgegenstand und die damit verbundene Interessenlage können raschere Entscheide er- fordern oder längere Behandlungsperioden erlauben. Zu berück- sichtigen ist der Umfang und die Komplexität der aufgeworfenen Sachverhalts- und Rechtsfragen, das Verhalten des Beschuldigten und dasjenige der Behörden (z.B. unnötige Massnahmen oder Lie- genlassen des Falles) sowie die Zumutbarkeit für den Beschuldigten. Die Parteien dürfen von ihren prozessualen Rechten Gebrauch ma- chen, müssen sich aber dadurch verursachte Verfahrensverzöge- rungen anrechnen lassen. Von den Behörden und Gerichten kann zu- 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 64 dem nicht verlangt werden, dass sie sich ständig einem einzigen Fall widmen. Zeiten, in denen das Verfahren stillsteht, sind unumgäng- lich. Wirkt keiner dieser Zeitabschnitte stossend, ist eine Gesamtbe- trachtung vorzunehmen. Dabei können Zeiten mit intensiver behörd- licher oder gerichtlicher Tätigkeit andere Zeitspannen kompensieren, in denen aufgrund der Geschäftslast keine Verfahrenshandlungen er- folgten (Urteil des Bundesgerichts vom 19. März 2012 [1C_486/2011], Erw. 2.2.). Das Administrativmassnahmenrecht des Strassenverkehrsge- setzes wurde per 1. Januar 2005 verschärft. Gemäss Art. 16 Abs. 3 Satz 2 SVG darf die Mindestentzugsdauer nun nicht mehr unter- schritten werden. Ziel der Revision war eine einheitlichere und strengere Ahndung von schweren und wiederholten Widerhand- lungen gegen Strassenverkehrsvorschriften (Botschaft vom 31. März 1999 zur Änderung des Strassenverkehrsgesetzes [SVG], BBl 1999 4485). Die besonderen Umstände des Einzelfalls, nament- lich die Gefährdung der Verkehrssicherheit, das Verschulden, der Leumund als Motorfahrzeugführer sowie die berufliche Notwendig- keit, ein Motorfahrzeug zu führen, sollen nur bis zur gesetzlich vorgeschriebenen Mindestentzugsdauer berücksichtigt werden kön- nen (vgl. Art. 16 Abs. 3 Satz 1 SVG). Zu den bei der Festsetzung des Führerausweisentzugs zu berücksichtigenden Umständen zählt wie unter dem früheren Recht auch die Verletzung des Anspruchs auf Be- urteilung innert angemessener Frist (Art. 29 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK; siehe auch BBl 1999 4486, wo auf die entsprechende frühere Bundesgerichtspraxis, eingeführt mit BGE 120 Ib 504 hingewiesen wird). Entsprechend kommt die Unterschreitung der Mindestentzugs- dauer wegen einer Verletzung dieses Anspruchs nicht in Frage. Eine andere Frage ist, ob bei einer schweren Verletzung des Anspruchs auf Beurteilung innert angemessener Frist, der nicht in anderer Weise Rechnung getragen werden kann, ausnahmsweise gänzlich auf eine Massnahme verzichtet werden kann. Diese Frage ist vom Bundesge- richt bis anhin offen gelassen worden (BGE 135 II 334, Erw. 2 mit Hinweisen). 3.3. 2018 Strassenverkehrsrecht 65 Eine Unterschreitung der Mindestentzugsdauer wegen Verlet- zung des Anspruchs auf Beurteilung innert angemessener Frist ist ge- mäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht zulässig. Des- halb ist die Frage zu beurteilen, ob es sich vorliegend um eine schwere Verletzung des Anspruchs auf Beurteilung innert angemes- sener Frist handelt und somit zu prüfen ist, ob ein gänzlicher Verzicht auf die Anordnung einer Massnahme in Betracht kommt. Vorliegend wurde die leichte Widerhandlung vom 30. Juli 2006 mit Strafbefehl vom 14. August 2007 rechtskräftig abgeurteilt. Das Strafverfahren dauerte etwas mehr als ein Jahr. Die Strafakten zu die- sem Vorfall gingen am 15. Januar 2008 beim Strassenverkehrsamt ein. Weil aber der Beschwerdeführer in der Zwischenzeit bereits zwei weitere Widerhandlungen begangen hatte, erwog das Strassen- verkehrsamt den Erlass einer Gesamtmassnahme. Bis zur (zweitin- stanzlichen) Beurteilung der drei schweren Widerhandlungen mit Ur- teil vom 12. November 2015 vergingen - ausgehend vom ersten Vor- fall vom 16. September 2007 - insgesamt rund acht Jahre und zwei Monate. Die lange Dauer des Verfahrens ist insbesondere auf die auf- wendige, sechs Jahre dauernde Untersuchung bis zur Anklageerhe- bung zurückzuführen, wobei die lange Dauer auf die vorgeworfenen Delikte, die ausserhalb des Strassenverkehrsrechts liegen, zurück- zuführen ist. Anschliessend verstrichen weitere anderthalb Jahre bis zum erstinstanzlichen Strafurteil. Sowohl das Strafgericht als auch das Kantonsgericht stellten eine Verletzung des Beschleunigungs- gebots durch die Anklagebehörde fest. Das Urteil des Kantons- gerichts Schwyz ging am 17. Februar 2016 beim Strassenverkehrs- amt ein. In der Folge wurde dem Beschwerdeführer das rechtliche Gehör am 26. Februar 2016 gewährt, wobei der Beschwerdeführer am 23. Mai 2016 zu der in Aussicht gestellten Massnahme Stellung nahm. In der Folge erliess das Strassenverkehrsamt die angefochtene Verfügung am 5. August 2016. Auch wenn das Strassenverkehrsamt mit seinem Entscheid über eine Warnungsmassnahme grundsätzlich zuzuwarten hat, bis ein rechtskräftiges Strafurteil vorliegt (BGE 119 IB 158, Erw. 2c/bb), be- steht diese Pflicht gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung je- doch nicht, wenn im zu beurteilenden Fall hinsichtlich des Sachver- 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 66 halts keine ernsthaften Zweifel ersichtlich sind und die Strafbehörde innert vernünftiger Frist nicht reagiert bzw. sich das Strafverfahren so lange verzögert, dass möglicherweise nicht vor Eintritt der Verjäh- rung mit einem rechtskräftigen Strafurteil zu rechnen ist (Urteil des Bundesgerichts vom 7. Juni 2001 [6A.121/2000], Erw. 3). Der Sach- verhalt des Vorfalls vom 30. Juli 2006 war nicht umstritten, lag doch mit Datum vom 14. August 2007 ein rechtskräftiger Strafbefehl vor. Auch die Sachverhalte, die das Kantonsgericht zu beurteilen hatte, waren zumindest vor Kantonsgericht nicht umstritten und aufgrund der Polizeirapporte konnte das Strassenverkehrsamt keine ernsthaften Zweifel an den Sachverhalten haben. Aufgrund der langen Verfah- rensdauer und insgesamt achtzehn Akteneinsichtsgesuchen des Strassenverkehrsamts an die Strafverfolgungs- und Gerichtsbehörden des Kantons Schwyz war für das Strassenverkehrsamt ausserdem nicht absehbar, ob das Strafurteil vor Eintritt der Verjährung ergehen würde, weshalb es ausnahmsweise eine Administrativmassnahme vor der strafrechtlichen Beurteilung hätte anordnen können und müssen. Dies gilt im vorliegenden Fall unabhängig von einem Sistierungs- gesuch, ist es doch das Strassenverkehrsamt, dem die Hoheit über das Verfahren zukommt und das für die Erledigung der Verfahren innert angemessener Frist zu sorgen hat. Durch das Verstreichen von sieben Jahren und dreieinhalb Mo- naten, die zwischen der letzten Widerhandlung und dem Erlass der Verfügung des Strassenverkehrsamts liegen, verliert das öffentliche Interesse an einer Sanktionierung des fehlbaren Verhaltens stark an Bedeutung (BERNHARD RÜTSCHE, in: MARCEL ALEXANDER NIGGLI/THOMAS PROBST/BERNHARD WALDMANN [Hrsg.], Basler Kommentar zum Strassenverkehrsgesetz, Basel 2014, Art. 16 N 94). Der spezialpräventive Zweck im Sinne einer abschreckenden Wir- kung nimmt mit fortschreitender zeitlicher Distanz zum Vorfall ab (PHILIPPE WEISSENBERGER, Kommentar Strassenverkehrsgesetz und Ordnungsbussengesetz, Zürich/St. Gallen 2015, Art. 16 N 33). Dem Beschwerdeführer kann die lange Verfahrensdauer nicht vorgeworfen werden. In Anbetracht des geschilderten Verfahrenslaufs ist der An- spruch auf Beurteilung innert angemessener Frist schwer verletzt, 2018 Strassenverkehrsrecht 67 wie das bereits das erstinstanzliche Strafgericht sowie das Kantons- gericht Schwyz festgestellt haben. Zu diesem Ergebnis führt auch ein Vergleich mit den strafrechtlichen Verjährungsfristen (vgl. BGE 120 Ib 504, Erw. 4d, sowie 127 II 297, Erw. 3d, wonach die fehlende Regelung der Folgen eines langen Zeitablaufs auf den Führerausweisentzug eine echte Lücke darstellt; vgl. auch AGVE 2012, S. 93, wonach die sinnge- mässe Anwendung der strafrechtlichen Verjährungsfristen geboten ist, solange nicht eindeutig einer Behörde ein krasser Verstoss gegen das Beschleunigungsgebot vorgeworfen werden kann), beträgt doch die Verfolgungsverjährung für eine Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 aSVG sieben Jahre (Art. 97 Abs. 1 lit. c StGB i.V.m. Art. 90 Ziff. 2 aSVG). Im Sinne der herrschenden Lehre sollte zumindest in einem schweren Fall der Verletzung des Beschleunigungsgebots auf eine Massnahme verzichtet werden können (WEISSENBERGER, a.a.O., Art. 16 N 32 f.; HANS GIGER, SVG Kommentar, Zürich 2014, Art. 16 N 25). Die unverhältnismässig lange Verfahrensdauer sowie der Um- stand, dass der Beschwerdeführer mittlerweile seit mehr als acht Jah- ren keine strassenverkehrsrechtlichen Widerhandlungen mehr be- gangen hat, führen dazu, dass durch den verfügten Warnungsentzug Sinn und Zweck der Massnahme nicht mehr erfüllt werden und ein Warnungsentzug nach so langer Dauer keine spezialpräventive bezie- hungsweise erzieherische Wirkung mehr entfaltet. Folglich sind in Gutheissung der Beschwerde der angefochtene Entscheid vom 3. Juli 2017 und damit auch die Verfügung des Strassenverkehrsamts vom 5. August 2016 aufzuheben und ist von der Anordnung einer Admi- nistrativmassnahme abzusehen.
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2016 Bau-, Raumentwicklungs -und Umweltschutzrecht 171 [...] 28 Wassernutzung: Konzession und Projektgenehmigung - Je separate Zuständigkeit der beteiligten Kantone zur Konzessionie- rung und Bewilligung von Wasserkraftwerken bei interkantonaler Gewässernutzung - Das aargauische Recht sieht für Wasserkraftwerke grundsätzlich ein einstufiges Konzessions- und Projektgenehmigungsverfahren vor, in welchem die Umweltverträglichkeitsprüfung und die Koordination erfolgen. - Massnahmen zum Fischschutz (d.h. für Fischauf- und -abstieg), wel- che sich auf gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse abstützen und technisch machbar sind, sind notwendiger Bestandteil der Projektge- nehmigung; es besteht keine Pflicht, Massnahmen, deren Eignung und Realisierbarkeit aufgrund des aktuellen Forschungsstandes nicht nachgewiesen sind, im Umweltverträglichkeitsbericht zu prü- fen; in Bereichen, wo Forschungsbedarf besteht und in den nächsten Jahren mit Ergebnissen und verbesserten Lösungen zu rechnen ist, sind Vorbehalte in der Konzession zu prüfen. Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 23. August 2016 in Sa- chen A. und weitere gegen B. AG und Regierungsrat (WBE.2015.131). 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 172 Aus den Erwägungen I. 1. (...) 2. Die Gewässerhoheit über die Aare steht im Bereich der Was- sernutzung durch das Kraftwerk Aarau dem Kanton Solothurn und dem Kanton Aargau gemeinsam zu (Art. 76 Abs. 4 Satz 1 BV). Die Verleihung der Nutzungsrechte erfolgt gemeinsam durch die Kantone Solothurn und Aargau als verfügungsberechtigte Gemeinwesen (Art. 3 Abs. 1 WRG). Das Bundesrecht sieht vor, dass sich die Kan- tone über die interkantonale Gewässernutzung durch ein einzelnes Wasserkraftwerk einigen können. Bei Uneinigkeit ist eine Entschei- dung der Bundesbehörde vorgesehen (Art. 76 Abs. 5 BV; 38 Abs. 2 WRG). Liegt ein Gewässer, dessen Nutzung ein Dritter beabsichtigt, auf dem Gebiet mehrerer Kantone, muss von jedem dieser Gemein- wesen das Recht auf Sondernutzung erhältlich gemacht werden (M ICHAEL M ERKER , in: B RIGITTA K RATZ /M ICHAEL M ERKER /R ENATO T AMI /S TEFAN R ECHSTEINER /K ATHRIN F ÖHSE [Hrsg.], Kommentar zum Energierecht, Band I, Bern 2016, Art. 38 N 4). Die interkantonale Einigung kann in verschiedenen Formen des Verwaltungshandelns erfolgen (vgl. dazu R ICCARDO J AGMETTI , Energierecht, in: H EINRICH K OLLER /G EORG M ÜLLER /R ENÉ R HINOW /U LRICH Z IMMERLI [Hrsg.], Schweizerisches Bundesverwal- tungsrecht, Band VII, Basel 2005, Ziffern 4115 ff.). Die subsidiäre Bundeszuständigkeit bei der Verleihung von Wasserrechten an inter- kantonalen Gewässerstrecken greift, wenn sich die Kantone nicht innert angemessener Frist über die Konzessionierung einigen können (M ERKER , in: Kommentar zum Energierecht, a.a.O., Art. 38 N 4). Im vorliegenden Fall wurde das Konzessionsverfahren je für den Kanton Aargau und für den Kanton Solothurn durchgeführt; für die Verleihung an die Beschwerdegegnerin ist eine von beiden Kantonen gemeinsam unterzeichnete Konzessionsurkunde vorge- sehen. Die Genehmigung der Nutzungsplanung "Konzessionserneue- rung und Ausbau Wasserkraftwerk (...)" durch den Regierungsrat des Kantons Solothurn erfolgte (unter anderem) unter der aufschieben- 2016 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 173 den Bedingung, dass der Regierungsrat des Kantons Aargau das Ge- samtprojekt genehmigt und die "zugehörige Konzession (...) in Kraft gesetzt wird". Der Beschluss des Kantonsrats Solothurn betreffend Konzessionserteilung steht unter der gleichen aufschiebenden Bedin- gung. Der angefochtene Entscheid des Regierungsrats des Kantons Aargau steht ebenfalls unter dem interkantonalen Koordinationsvor- behalt. Werden mehrere Kantone durch die Verleihung von Wasserrech- ten berührt, so ist das Verfahren in jedem Kanton nach dessen Vor- schriften durchzuführen (Art. 61 Abs. 1 WRG). Die von den Kanto- nen Solothurn und Aargau durchgeführten getrennten, koordinierten Bewilligungsverfahren entsprechen somit den bundesrechtlichen Vorgaben. Die beidseits angeordneten interkantonalen Bedingungen sowie die geplante Umsetzung der Entscheide in einer gemeinsamen Konzessionsurkunde gewährleisten die Einheit der Konzession. Voraussetzung für die Unterzeichnung der Konzessionsurkunde ist, dass die Konzessionierungs- und Projektbewilligungsverfahren in beiden Kantonen rechtskräftig abgeschlossen sind. Die Selbständigkeit und die Unabhängigkeit der kantonalen (Rechtsmittel-)Verfahren schliessen aus, dass die Beschwerdelegi- timation im Kanton Aargau von der Erhebung von Rechtsmitteln gegen die (parallelen) Entscheide im Kanton Solothurn abhängig gemacht wird. Der Antrag der Beschwerdegegnerin auf Nicht- eintreten wegen fehlender Anfechtung der Entscheide im Kanton Solothurn ist daher abzuweisen. Von der Legitimation zu un- terscheiden ist die materielle Frage, ob das Verwaltungsgericht bei einer allfälligen Gutheissung der Beschwerde mehr als die von den Beschwerdeführern beantragte Aufhebung der Konzessionserteilung und Projektgenehmigung des (aargauischen) Regierungsrats anord- nen kann. 3.-5. (...) II. 1. Die nachgesuchte Konzession für das Wasserkraftwerk Aarau erfolgt auf den Zeitpunkt des Konzessionsablaufs, weshalb unabhän- gig von einer Erweiterung des Kraftwerks eine neue Konzession er- 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 174 teilt werden muss. Die im Zeitpunkt der Konzessionserneuerung gel- tenden Umweltschutzvorschriften sind grundsätzlich uneinge- schränkt anzuwenden (vgl. G IERI C AVIEZEL , Wasserrechtskonzes- sionen und Umweltrecht, in: ZBl 105/2004, S. 90 f. mit Verweis auf BGE 119 Ib 254, Erw. 5b; J AGMETTI , a.a.O., Ziffer 4215). Das geplante Laufkraftwerk ist eine Anlage im Sinne von Art. 7 Abs. 7 USG mit einer Leistung von mehr als 3 MW. Gemäss Ziff. 21.3 des Anhangs zur UVPV ist daher das Kraftwerk Aarau der Umweltverträglichkeitsprüfung unterstellt (vgl. Art. 10a Abs. 2 und 3 USG in Verbindung mit Art. 1 UVPV). Bei Energieanlagen ist eine mehrstufige Umweltverträglichkeitsprüfung vorgesehen, wobei das massgebliche Verfahren für die zweite Stufe durch das kantonale Recht bestimmt werden kann (BGE 140 II 262, Erw. 4.1). Wie be- reits erwähnt, sieht das massgebende kantonale Verfahrensrecht ein einstufiges Verfahren vor (§ 29 Abs. 1 lit. a WnG). Die Beschwerde- gegnerin hat keinen Antrag auf ein getrenntes Verfahren für Konzes- sionserteilung und Projektgenehmigung gestellt (vgl. § 29 Abs. 1 lit. b WnG; Botschaft des Regierungsrats des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 2. Mai 2007, Neues Wassernutzungsgesetz, Bericht und Entwurf zur 1. Beratung, GR.07.106 [nachfolgend Botschaft WnG], S. 37; M ICHAEL M ERKER , Wasserkraft und Wasserkraft- nutzung, in: G IOVANNI B IAGGINI /I SABELLE H ÄNER /U RS S AXER /M ARKUS S CHOTT [Hrsg.], Fachhandbuch Verwaltungsrecht, Zürich 2015, Rz. 11.102; E NRICO R IVA , Wasserkraftanlagen: Anfor- derungen an die Vollständigkeit und Präzision des Konzessionsent- scheids, in: URP 2014, S. 9). Die Beurteilung der Umweltverträglichkeit im einstufigen Verfahren ist grundsätzlich einfacher möglich, weil das konkrete Bauprojekt vorliegt und nicht bloss ein generelles Konzessionspro- jekt. Gemäss Art. 32 Abs. 4 EG UWR darf auf die mehrstufige UVP verzichtet werden, wenn in der ersten Stufe eine umfassende Beurtei- lung der Umwelt möglich ist. Das einstufige Verfahren ist auch für die Erteilung von Wassernutzungskonzessionen durch den Bund vorgesehen (Art. 62 WRG; vgl. dazu Botschaft zu einem Bundesge- setz über die Koordination und Vereinfachung der Plangeneh- migungsverfahren vom 25. Februar 1998, 98.017, in: BBl 1998 III 2016 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 175 2601 f.; J AGMETTI , a.a.O, Ziffer 4434; R ETO H ÄGGI F URRER , in: Kommentar zum Energierecht, a.a.O., Vorbem. zu Art. 62-62k N 10). 2. Die Erstellung einer Wasserwerkanlage bedarf nicht nur der Verleihung der Wasserkraftnutzung, sondern auch der Erteilung weiterer Bewilligungen, so namentlich der gewässerschutzrecht- lichen, der fischereirechtlichen und der naturschutzrechtlichen Be- willigung. Es entspricht dem Koordinationsgebot, dessen Beachtung unter anderem die UVP dient (Art. 14 und 21 UVPV; BGE 119 Ib 254, Erw. 6b; 116 Ib 260, Erw. 1b und c), wenn die Regierung als Genehmigungs- und Bewilligungsbehörde mit ihrem Entscheid die Umweltverträglichkeit des Werkes feststellt. Der Regierungsrat, dem sämtliche Pläne des Bauprojekts vorla- gen (vgl. Projektdossier), erteilte die umstrittene Projektgenehmi- gung gestützt auf folgende Bewilligungen: - fischereirechtliche Bewilligung - Rodungsbewilligung - gewässerschutzrechtliche Bewilligungen - Bewilligung zum Einbau eines Koaleszenzabscheiders - Ausnahmebewilligung für die Beseitigung von Ufervegetation - Bewilligung für Bauten und Anlagen innerhalb des Gewässer raums - Bewilligung für Bauten und Anlagen ausserhalb Bauzonen. Mit diesem Vorgehen hat der Regierungsrat dem Koordinations- gebot Genüge getan. Dessen Verletzung wird nicht gerügt. 3. 3.1. Wer eine Anlage, die der UVP untersteht, planen, errichten oder ändern will, muss der zuständigen Behörde einen Umweltverträglich- keitsbericht (UVB) unterbreiten (Art. 10b Abs. 1 Satz 1 USG). Der Bericht enthält alle Angaben, die zur Prüfung des Vorhabens nach den Vorschriften über den Schutz der Umwelt nötig sind, und um- fasst folgende Punkte: a) den Ausgangszustand; b) das Vorhaben, einschliesslich der vorgesehenen Massnahmen zum Schutze der Um- welt und für den Katastrophenfall, sowie einen Überblick über die wichtigsten allenfalls vom Gesuchsteller geprüften Alternativen; 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 176 c) die voraussichtlich verbleibende Belastung der Umwelt (Art. 10b Abs. 2 USG; die zitierte Fassung von lit. b trat per 1. Juni 2014, mit- hin erst nach der Erstellung des UVB, in Kraft). Das Konzessions- und Genehmigungsgesuch datiert vom 9. September 2013; am 19. August 2014 reichte die Beschwerdeführerin korrigierte Pläne ein. Der Regierungsrat entschied am 18. Februar 2015 über die Ein- sprachen und das Konzessions- und Projektgenehmigungsgesuch. Damit gelangt die zitierte Bestimmung in der aktuellen Fassung zur Anwendung. Der Bericht muss insbesondere alle Angaben enthalten, welche die zuständige Behörde benötigt, um gemäss Art. 3 UVPV die Umweltverträglichkeit des Projekts überprüfen zu können (Art. 9 Abs. 2 UVPV). Er muss die der geplanten Anlage zurechenbaren Auswirkungen auf die Umwelt sowohl einzeln als auch gesamthaft und in ihrem Zusammenwirken ermitteln und bewerten (Art. 9 Abs. 3 UVPV). Die Umweltschutzfachstellen beurteilen die Voruntersuchung und den Bericht und beantragen der für den Entscheid zuständigen Behörde die zu treffenden Massnahmen (Art. 10c Abs. 1 Satz 1 USG). Bei Projekten, zu denen nach dem Anhang das Bundesamt für Umwelt (BAFU) anzuhören ist, nimmt dieses gestützt auf die Beurteilung der kantonalen Umweltschutzfachstelle summarisch zu Voruntersuchung, Pflichtenheft und Bericht Stellung (Art. 12 Abs. 3 UVPV). 3.2. Der vorliegenden Konzessionierung und Projektgenehmigung liegen insbesondere folgende umwelt- und gewässerschutzrechtliche Berichte zu Grunde: - Bericht über die Umweltverträglichkeit - UVB Haupt- untersuchung - Beilagen zur UVB Hauptuntersuchung (mit einem Fachbericht Gewässerökologie und Fische sowie einer Fischbestandserhebung Entleerung Oberwasserkanal) - Restwasserbericht - Definitive Beurteilung durch die Umweltschutzfachstel- len der Kantone Aargau und Solothurn - Stellungnahme des BAFU 2016 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 177 Somit wurden die gemäss den einschlägigen Vorgaben von USG und UVPV notwendigen Berichte eingeholt. Ebenso ist die vor- geschriebene Beurteilung durch die Umweltschutzfachstellen der Kantone Aargau und Solothurn erfolgt. Schliesslich hat das BAFU die erforderliche Stellungnahme erstattet. 4. 4.1. Die Beschwerdeführer beanstanden insbesondere eine Verlet- zung von Art. 9 Abs. 1 lit. b und d des Bundesgesetzes über die Fischerei vom 21. Juni 1991 (BGF; SR 923.0), Art. 23 WRG und Art. 10b Abs. 2 lit. b USG. Sie verlangen namentlich eine vertiefte Prüfung von sämtlichen bekannten technischen und betrieblichen Fischschutz- und Fischabstiegsmassnahmen beim Maschinenhaus (unter Berücksichtigung von Louvers, Bar Racks, Horizontalrechen mit Bypass, Feinrechen mit Bypass, Feinrechen mit Fischheberinne sowie fischfreundlicher Turbinen). Auf der Grundlage des vorliegen- den UVB sei eine seriöse Überprüfung der vorgesehen Massnahmen nicht möglich, weil er die angedachten Massnahmen zum Fisch- schutz nicht genügend detailliert ausarbeite, für die abschliessende Beurteilung ein Fachgutachten fehle und trotz der Fortschritte in der Forschung zum Fischabstieg lediglich auf eine generelle Nicht-Reali- sierbarkeit entsprechender Anlagen bei Grosswasserkraftwerken ver- wiesen werde. Aus dem UVB gehe lediglich hervor, dass zur Proble- matik des Fischabstiegs insbesondere für grössere Fische und Aale keine Art. 9 Abs. 1 lit. b und d BGF genügende Lösung gefunden werden konnte. Der Fischabstieg erfolge beim Hauptkraftwerk über die Turbinen. Das Mortalitätsrisiko sei auch bei den geplanten Turbi- nen hoch. Der UVB enthalte keine detaillierten Ausführungen zur Umsetzbarkeit und Wirksamkeit von Abstiegsmassnahmen wie bei- spielsweise dem Einbau fischfreundlicher Turbinen oder der Erstel- lung von Fischabstiegsanlagen. Art. 9 Abs. 1 lit. b BGF verlange Massnahmen zur Sicherstellung der freien Fischwanderung flussauf- und flussabwärts. Nach Art. 9 Abs. 1 lit. d BGF sei zu verhindern, dass Fische und Krebse beim Passieren der Anlagen getötet oder ver- letzt würden. In der Replik wird zusätzlich ausgeführt, im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung seien Variantenvergleiche von 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 178 Fischabstiegsanlagen und detaillierte Abklärungen durch Fachexper- ten zu tätigen. Es müssten auch neue und innovative Lösungsansätze berücksichtigt werden. Weiter bemängeln die Beschwerdeführer, dass die Einstiege zu den Fischaufstiegshilfen am linken Ufer nicht korrekt platziert seien. Deren Lage sei mit weitergehenden Modellversuchen und Mes- sungen zu überprüfen. Am rechten Ufer bestehe ein ungünstiger Ein- mündungswinkel, wobei der Einstieg ebenfalls zu weit vom Wander- hindernis entfernt sei. Zur Sicherstellung der Fischwanderung seien angepasste Lockströmungen erforderlich. Generell seien die bisher erfolgten Abklärungen betreffend Verbesserung des Fischschutzes, Reduktion der Fischmortalität und Fischabstiegsmassnahmen ungenügend. 4.2. Der Regierungsrat erwog, Fischabstiegsmassnahmen seien aktuell Gegenstand der Forschung und Entwicklung. Damit Anpassungen - gestützt auf gesicherte Erkenntnisse - vorgenommen werden könnten, werde die Konzessionärin verpflichtet, zum Schutze der Fische alle zweckmässigen Massnahmen zu treffen, geeignete Einrichtungen zu erstellen und diese bei Bedarf zu verbessern. Ferner könnten die zuständigen Behörden zu Lasten der Konzessionärin An- passungen an den jeweiligen Stand der Technik und Gesetzgebung verfügen. Darin eingeschlossen seien auch Massnahmen für den Fischabstieg beim Maschinenhaus. Zu den Fischaufstiegsmassnahmen erwog die Vorinstanz, sie seien das Resultat zahlreicher Fachgespräche und erfüllten nach heutigem Kenntnisstand die gestellten Anforderungen. Die Einstiege seien so ausgestaltet, dass die Lockstromverhältnisse je nach den Er- kenntnissen der Erfolgskontrolle nachträglich angepasst werden könnten. Die Resultate weitergehender Modellversuche wären in- folge zahlreicher Annahmen mit Unsicherheiten behaftet und Möglichkeiten zur Anpassung der Strömungsverhältnisse dennoch vorzusehen. 5. 5.1. 2016 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 179 Die zur Erteilung der fischereirechtlichen Bewilligung zuständi- gen Behörden haben unter Berücksichtigung der natürlichen Gegebenheiten und allfälliger anderer Interessen insbesondere alle Massnahmen vorzuschreiben, die geeignet sind, günstige Lebens- bedingungen für die Wassertiere zu schaffen (Art. 9 Abs. 1 lit. a BGF); die freie Fischwanderung sicherzustellen (lit. b); die natür- liche Fortpflanzung zu ermöglichen (lit. c); zu verhindern, dass Fische und Krebse durch bauliche Anlagen oder Maschinen getötet oder verletzt werden (lit. d). Mit diesen Zielsetzungen hat das um- weltschutzrechtliche Vorsorgeprinzip in der Fischereigesetzgebung eine strenge Ausgestaltung erfahren. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gehören zu den wesentlichen Massnahmen nament- lich die Ausgestaltung des Fischpasses und die Massnahmen zur Ab- weisung der Fische vor Turbinen. Dies gilt insbesondere, wenn es sich um ein bedeutsames Fischaufstiegsgewässer für gefährdete Fischarten handelt (Urteil des Bundesgerichts vom 15. März 2002 [1A.104/2001], Erw. 4.4). Für den Fischaufstieg sind Fischpässe von Bedeutung (J AGMETTI , a.a.O., Ziffer 4317 mit Hinweis). Die Recht- sprechung anerkennt ferner die Wirksamkeit von Umgehungsgewäs- sern zur Verbesserung von Fischauf- und -abstieg (Urteil des Bundesgerichts vom 15. März 2002 [1A.104/2001], Erw. 4.5.3). Die aufgrund der fischereirechtlichen Bewilligung erforderli- chen Massnahmen müssen grundsätzlich bereits in der Bewilligung vorgeschrieben werden und ihre Anordnungen gehören zu deren not- wendigen Inhalt (vgl. Art. 9 Abs. 3 BGF; Urteil des Bundesgerichts vom 29. Oktober 2001 [1A.331/2000], Erw. 3a/5d). Es ist allerdings denkbar, dass Einzelheiten der in Art. 9 Abs. 1 BGF aufgezählten Massnahmen nicht schon bei der Projektierung, sondern erst auf- grund zu sammelnder Erfahrungen festgelegt werden können (vgl. R IVA , a.a.O., S. 16 f.). 5.2. Soweit sich Massnahmen zum Fischschutz, mithin auch im Zu- sammenhang mit dem Fischabstieg, auf gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse abstützen und technisch machbar sind, sind diese not- wendiger Bestandteil der Projektgenehmigung. Ebenso sind sie - ge- stützt auf den UVB - im Rahmen der UVP zu würdigen. Die Ver- 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 180 pflichtung zur Realisierung der Massnahmen erfolgt im einstufigen Verfahren über entsprechende Auflagen in der Projektgenehmigung. Wie gesehen (vorne Erw. 5.1) statuiert Art. 9 Abs. 1 BGF weit- gehende Massnahmen zugunsten des Fischschutzes. Daraus darf indessen nicht abgeleitet werden, dass beim Fehlen von gesicherten wissenschaftlichen Grundlagen die entsprechenden Forschungsarbei- ten gewissermassen "am Projekt" vorzunehmen bzw. im Rahmen des UVB zu erbringen sind. Die Rechtsprechung hat erkannt, dass keine Pflicht besteht, "ein Paket aller für den Schutz der Fischerei in einem bestimmten Wasserlauf denkbaren Massnahmen umzusetzen" (J AGMETTI , a.a.O., Ziffer 4318, Fn 471a mit Hinweis). Dies ergibt sich letztlich auch aus dem Wortlaut von Art. 9 Abs. 1 BGF, ist doch darin explizit festgehalten, dass die angeordneten Massnahmen "geeignet" sein müssen. Ungeeignete Massnahmen bzw. Massnah- men, deren Eignung und Realisierbarkeit nicht nachgewiesen sind und sich aufgrund des aktuellen Forschungsstandes auch nicht nach- weisen lassen, fallen daher ausser Betracht. Demzufolge besteht a priori auch keine Pflicht, derartige Massnahmen im Rahmen von Art. 10b Abs. 2 lit. b USG zu prüfen, wobei offen gelassen werden kann, ob diese Bestimmung - entgegen deren Wortlaut - überhaupt eine Prüfung von Alternativen zu den bereits vorgesehenen Massnah- men verlangt. 5.3. Immerhin sind in jenen Bereichen, wo Forschungsbedarf be- steht und in den nächsten Jahren mit Ergebnissen und verbesserten Lösungen zu rechnen ist, Vorbehalte in der Konzession zu prüfen. Die Konzession verschafft dem Konzessionär nach Massgabe des Verleihungsaktes ein wohlerworbenes Recht auf die Benutzung des Gewässers (Art. 43 Abs. 1 WRG). Aufgrund der grundsätzlichen Ge- setzesbeständigkeit sind allgemeine Vorbehalte der künftigen Gesetz- gebung zwar unbeachtlich. Der Umfang wohlerworbener Rechte kann indessen durch genau umschriebene Vorbehalte in der Konzes- sion eingeschränkt werden (vgl. C AVIEZEL , a.a.O., S. 73 f. mit Ver- weis auf BGE 119 Ib 254, Erw. 9d). Sind in der Konzession spätere Entscheide aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse beispielsweise im Zusammenhang mit dem Fischschutz vorbehalten, 2016 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 181 können diese zu gegebener Zeit ausserhalb des Konzessionsverfah- rens getroffen werden (vgl. J AGMETTI , a.a.O., Ziffern 4214 und 4505). Die Rechtsprechung erachtet Vorbehalte in der Konzession im Bereich der Fischerei jedenfalls als beachtlich, soweit entsprechende Massnahmen wirtschaftlich voraussehbar, planbar und letztlich trag- bar sind (vgl. zum Ganzen: M ERKER , in: Kommentar zum Energie- recht, a.a.O., Art. 43 N 7 und 15 mit Hinweisen). Grundsätzlich ist die Zulässigkeit derartiger nachlaufender Ver- fahren selbst dann gegeben, wenn sie in der Spezialgesetzgebung nicht ausdrücklich vorgesehen sind. Wesentlich ist, dass im nachlau- fenden Verfahren die Parteirechte wie etwa der Anspruch auf rechtli- ches Gehör umfassend zu wahren sind. Weiter ist der Entscheid in eine Verfügung zu kleiden. Den Parteien ist überdies der Rechts- schutz im gleichen Umfang zu gewähren wie gegen die Projektge- nehmigung selbst. In sachlicher Hinsicht muss sich die zu ver- feinernde Projektplanung an die vorausgehende Projektgenehmigung halten; diese kann im nachfolgenden Verfahren nicht mehr in Frage gestellt werden. Schliesslich muss sichergestellt sein, dass die Anforderungen des Enteignungsrechts gewahrt bleiben (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Dezember 2012 [A-567/2012], Erw. 3.4.3 mit zahlreichen Hinweisen und Erw. 3.4.6). 5.4. Aus den obigen Ausführungen folgt, dass entgegen dem Vor- bringen der Beschwerdeführer im UVB nicht alle möglichen tech- nischen und betrieblichen Massnahmen einer Überprüfung hinsicht- lich "einer technischen Machbarkeit" unterzogen werden müssen. Vielmehr haben die geplanten fischereirechtlichen Massnahmen und allenfalls im UVB aufzuzeigende Alternativen dem aktuellen Stand der Technik zu entsprechen und sind daher auf gesicherte wissen- schaftliche Erkenntnisse (insbesondere betreffend Wirksamkeit und technische Realisierbarkeit) angewiesen. Im Weiteren ist es zulässig, dass die zuständige Behörde unter bestimmten Voraussetzungen (vgl. vorne Erw. 5.3) Anpassungen an allfällige spätere neue Erkenntnisse vorbehält. Dies ist im vorliegenden Verfahren unbestritten.
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AG_VG_001
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AG_VG_001_AGVE-2016-28_2016-08-03
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2016 Fürsorgerische Unterbringung 95 I. Fürsorgerische Unterbringung 14 Ambulante Massnahme - Unterschied ambulante Massnahmen - Nachbetreuung (Erw. II/1.1) - Bei der Anordnung ambulanter Massnahmen und der Anordnung einer Nachbetreuung muss das konkrete Medikament genannt sein (Präzisierung der Praxis von AGVE 2000, S. 188; Erw. II/5). Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 17. Mai 2016 in Sachen A. gegen den Entscheid des Familiengerichts X. (WBE.2016.179). Aus den Erwägungen II. 1. 1.1. Nachdem das Bundesgericht im Urteil vom 7. Oktober 2013 (5A_666/2013) in einem den Beschwerdeführer betreffenden Verfah- ren auf den Inhalt einer Nachbetreuung eingegangen ist, rechtfertigt es sich vorliegend, auf die Unterschiede und Gemeinsamkeiten einer Nachbetreuung und von ambulanten Massnahmen einzugehen. Die Kantone regeln die Nachbetreuung und die ambulanten Massnahmen (Art. 437 ZGB). Im Kanton Aargau ist die Nachbetreuung in § 67k ff. EG ZGB und sind die ambulanten Massnahmen in § 67n EG ZGB geregelt. Die Nachbetreuung und die ambulanten Massnah- men unterscheiden sich einzig durch den Zeitpunkt der Anordnung und nicht durch deren Inhalt. Während die Nachbetreuung im An- schluss an einen stationären Aufenthalt angeordnet wird, erfolgt die Anordnung ambulanter Massnahmen nicht direkt im Nachgang zu einem solchen sondern zur Verhinderung einer Klinikeinweisung (Botschaft des Bundesrates zur Änderung des Schweizerischen Zivil- 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 96 gesetzbuches [Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht; nachfolgend: Botschaft Erwachsenenschutz] vom 28. Juni 2006, BBl S. 7071; Botschaft des Regierungsrats des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 27. April 2011, 11.153, S. 72, 75). Um die Einweisung in eine Einrichtung zu vermeiden, kann die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde bei einer Person, die an einer psychischen Störung oder an geistiger Behinderung leidet oder schwer verwahrlost ist, ambulante Massnahmen gegen den Willen der betroffenen Person anordnen, wenn die nötige Behandlung oder Betreuung nicht anders erfolgen kann. § 67k Abs. 1 EG ZGB gilt sinngemäss. Sie lässt ihren Entscheid gegebenenfalls der Beiständin oder dem Beistand zukommen. Ambulante Massnahmen sind auf höchstens zwölf Monate zu befristen. Sie fallen spätestens mit Ab- lauf der festgelegten Dauer dahin, wenn keine neue Anordnung der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde vorliegt (§ 67n EG ZGB). In § 67k EG ZGB ist statuiert, dass bei Rückfallgefahr beim Austritt (aus der Einrichtung) eine Nachbetreuung vorzusehen ist. Im Rah- men der Nachbetreuung sind jene Massnahmen zulässig, die geeignet erscheinen, einen Rückfall zu vermeiden, namentlich die (a) Ver- pflichtung, regelmässig eine fachliche Beratung oder Begleitung in Anspruch zu nehmen oder sich einer Therapie zu unterziehen, (b) Anweisung, bestimmte Medikamente einzunehmen, (c) Anweisung, sich alkoholischer Getränke oder anderer Suchtmittel zu enthalten und dies gegebenenfalls mittels entsprechender Untersuchungen nachzuweisen (Abs. 1). Stimmt die betroffene Person der Nach- betreuung zu, trifft die Einrichtung mit ihr im Rahmen des Aus- trittsgesprächs eine schriftliche Vereinbarung über die Durchführung der Nachbetreuung. Ist diese Vereinbarung sachgerecht, wird sie im Entlassungsentscheid genehmigt (Abs. 2). Fehlt die Zustimmung der betroffenen Person oder ist die Nachbetreuungsvereinbarung gemäss Abs. 2 nicht sachgerecht, entscheidet die für die Entlassung zustän- dige Stelle über die Nachbetreuung (Abs. 3). Die Auffassung des Bundesgerichts (Urteil des Bundesgerichts vom 7. Oktober 2013 [5A_666/2013], Erw. 3.1-3.3) wonach Art. 437 Abs. 1 ZGB (Nachbetreuung) die Behandlung des Betroffenen nicht umfasse, sondern in erster Linie aus freiwilligen Angeboten oder 2016 Fürsorgerische Unterbringung 97 anderen behördlichen Anordnungen bestehen sollte, widerspricht der Auffassung des Gesetzgebers (Botschaft Erwachsenenschutz, S. 7071). 1.2. (...) 2.-4. (...) 5. Schliesslich ist festzuhalten, dass die Vorinstanz zu Recht auf einen Widerspruch zwischen dem Urteil des Verwaltungsgerichts vom 20. August 2013 (WBE.2013.384) und dem Urteil vom 22. Ap- ril 2016 (WBE.2016.163) hinweist. Wenn im Urteil vom 20. August 2013 (WBE.2013.384, S. 11) unter Hinweis auf AGVE 2000, S. 188 ausgeführt wurde, was die konkrete Medikamentenwahl und -dosis anbelangt, so gelte auch unter dem neuen Recht die noch unter dem alten Recht entwickelte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts, dass das Gericht grundsätzlich nicht zur Beurteilung der konkreten ärztlichen Anordnungen zuständig sei, weil die Wahl des Medika- mentes, die Dosierung, die Behandlungsart, die Wahl der Abteilung etc., in den Fachbereich der Ärzte gehöre, so ist dies zutreffend für die Dauer der fürsorgerischen Unterbringung in einer Psychiatri- schen Klinik (so auch AGVE 2000, S. 169). Der Entscheid des Ver- waltungsgerichts vom 20. August 2013 sowie AGVE 2000, S. 188 sind allerdings dahingehend zu präzisieren, dass bei der Anordnung einer Nachbetreuung oder einer ambulanten Massnahme das Medi- kament zu bezeichnen ist, welches die betroffene Person einnehmen oder sich durch Depotspritzen verabreichen lassen muss. Selbst- redend gilt die bisherige Rechtsprechung insofern, als dass ein Familiengericht bei einer Anordnung (bzw. das Verwaltungsgericht bei der Überprüfung) einer ambulanten medikamentösen Behandlung (sei es in der Form einer Nachbetreuung gemäss § 67m EG ZGB oder einer ambulanten Massnahme gemäss § 67n EG ZGB) auf den Bericht und den Antrag des behandelnden Psychiaters abstellt, und nur dann etwas anderes anordnet, wenn gemäss einem psychiatri- schen Gutachten die beantragte Massnahme aus medizinischer Sicht offensichtlich fragwürdig oder unverhältnismässig ist (so auch AGVE 2000, S. 169). Während es im Rahmen einer stationären psychiatrischen Behandlung regelmässig zu einem Wechsel der 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 98 Medikation kommen kann, ist es für die von einer ambulanten Mass- nahme betroffene Person von grosser Bedeutung, genau zu wissen, welches Medikament ihr gegen ihren Willen verabreicht wird. (Hinweis: Das Bundesgericht trat auf eine Beschwerde in Zivilsachen gegen diesen Entscheid nicht ein; Urteil des Bundesge- richts vom 6. Juli 2016 [5A_497/2016])
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2003 Straf- und Massnahmenvollzug 99 II. Straf- und Massnahmenvollzug 31 Bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug (Art. 38 Ziff. 1 Abs. 1 StGB). - Es ist nur unter besonderen Voraussetzungen zulässig, die bedingte Entlassung von der Sicherstellung sofortiger Ausreise/Ausweisung aus der Schweiz abhängig zu machen. Begründungspflicht hinsichtlich dieser Voraussetzungen (Erw. 2/c, 3). - Zeitpunkt der Entlassung bei Gutheissung der Beschwerde (Erw. 4). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 23. Mai 2003 in Sa- chen L.S. gegen Verfügung des Departements des Innern. Aus den Erwägungen (Für die Grundsätze der bedingten Entlassung auf Grund der neueren Rechtsprechung vgl. AGVE 2002, S. 159 ff.) 2. c) aa) Nur unter besonderen Voraussetzungen ist es zulässig, die bedingte Entlassung mit der sofortigen Ausreise aus der Schweiz zu verknüpfen und die Entlassung zu verweigern, wenn die Ausreise oder die Ausschaffung nicht sichergestellt ist (AGVE 1995, S. 268 ff., auch zum Folgenden). Nebenbestimmungen müssen sich, um zulässig zu sein, aus dem mit dem Gesetz verfolgten Zweck, aus einem mit der Hauptanordnung in unmittelbarem Sachzusammen- hang stehenden öffentlichen Interesse ergeben. Bei der Prüfung der bedingten Entlassung steht das Ziel der Resozialisierung im Vorder- grund. Bei unterschiedlicher Resozialisierungsprognose (schlecht, wenn der Entlassene in der Schweiz bleibt; gut oder jedenfalls bes- ser, wenn er ausgewiesen wird und in sein Heimatland zurückkehrt) kann deshalb die bedingte Entlassung selber davon abhängig ge- macht werden, dass die Ausschaffung aus der Schweiz möglich und sichergestellt ist; der erforderliche sachliche Zusammenhang ist kla- rerweise gegeben. Ein derartiger Sachverhalt lag einem Entscheid 2003 Verwaltungsgericht 100 des Bundesgerichts vom 3. November 2000 (6A.78/2000) zu Grunde, wo festgehalten wurde, nur wenn eine gute Prognose beim Verbleib in der Schweiz zu Recht verneint worden sei, dürfe die be- dingte Entlassung von der gleichzeitigen Ausschaffung (dort durch Vollzug der Landesverweisung) abhängig gemacht werden (BGE, Erw. 2 a.E.; vgl. auch Marianne Heer-Hensler/Hans Wiprächtiger, Ausgewählte Fragen bei der Entlassung aus dem Strafvollzug und dem Massnahmenvollzug, in: Brennpunkt Strafvollzug, Festschrift zum 25-jährigen Jubiläum des Schweizerischen Ausbildungszen- trums für das Strafvollzugspersonal, Bern 2002, S. 55). bb) Besonders problematisch ist es, wenn (noch) gar keine rechtskräftige Landesverweisung bzw. Fernhaltemassnahme seitens der zuständigen Behörden (Strafgericht, Fremdenpolizei) vorliegt, deren Vollzug sicherzustellen wäre. Zwar wird sich auch dann eine Verbindung der bedingten Entlassung mit der Ausschaffung aus der Schweiz nicht völlig ausschliessen lassen, aber sie bedarf einer be- sonders überzeugenden Begründung. Wenn das Strafgericht - wie hier - auf die Ausfällung einer unbedingten Landesverweisung ver- zichtet hat, ergibt sich dies aus der grundsätzlichen Verbindlichkeit des Strafurteils für die Strafvollzugsbehörden (AGVE 2000, S. 131). Wurde die Landesverweisung bzw. Fernhaltemassnahme zwar ange- ordnet, aber angefochten und ist sie deshalb noch nicht rechtskräftig, so ist zu beachten, dass Nebenbestimmungen bei der bedingten Ent- lassung nicht dazu dienen dürfen, die ordentlichen Rechtsmittel zu unterlaufen, indem die bedingte Entlassung bis zum Abschluss der Rechtsmittelverfahren verweigert und damit der Gebrauch der ge- setzlichen Rechtsmittel mit massiven Nachteilen "bestraft" wird (VGE II/30 vom 9. April 2003 [BE.2003.00056] in Sachen Z.T., S. 10). 3. a) In der angefochtenen Verfügung wird ausgeführt, die Be- währungsaussichten bei einem Verbleib in der Schweiz würden nicht näher geprüft, da der Beschwerdeführer auf Grund der Entscheide des Migrationsamtes die Schweiz mit grosser Wahrscheinlichkeit werde verlassen müssen (vgl. auch Vernehmlassung, S. 1 f., wonach in solchen Fällen die Prognosestellung für den Fall des Verbleibs in der Schweiz zu aufwändig sei); eine summarische Prüfung zeige 2003 Straf- und Massnahmenvollzug 101 aber, dass der Beschwerdeführer bei einem Verbleib in der Schweiz gefährdet sei, sich einerseits weiterhin von seinen Eltern aushalten zu lassen und anderseits wieder in den Kreisen seiner Mittäter zu verkehren und erneut den Verlockungen einer schnellen Geldbeschaf- fung zu erliegen. b) Das Strafgericht hat die Landesverweisung bedingt ausge- sprochen, sodass auf der strafrechtlichen Seite insoweit keine Grundlage besteht, die bedingte Entlassung vom Verlassen der Schweiz abhängig zu machen. In einem solchen Fall bedarf es zudem guter Gründe, um - anders als das Strafgericht - beim Verbleib in der Schweiz eine schlechte Legalprognose zu stellen. Die Vorinstanz hat diese Frage indessen gar nicht eingehend geprüft, und ihre summari- sche Beurteilung vermag nicht zu überzeugen. Es handelt sich um die erste Freiheitsstrafe von längerer Dauer, die der Beschwerde- führer verbüsst. Dieser Umstand stellt einen massgeblichen Unter- schied zur vorherigen Situation dar; es ist deshalb unzulässig, einfach darauf abzustellen, dass der Beschwerdeführer straffällig wurde, sondern vielmehr müsste eingehend und überzeugend dargelegt wer- den, warum von vornherein feststeht bzw. als sicher anzunehmen ist, der Strafvollzug habe - für den Fall des Verbleibens in der Schweiz - seine resozialisierende Wirkung auch in Form der Abschreckung (Spezialprävention) verfehlt; wie dem Verwaltungsgericht aus ande- ren Verfahren bekannt ist, geht die Vorinstanz in aller Regel davon aus, ein erstmaliger und langer Freiheitsentzug erziele eine abschreckende Wirkung (ein anderer Sachverhalt liegt vor, wenn ein Verurteilter schon früher unter gleichen Umständen , d.h. nach Ver- büssung von vergleichbar schweren Freiheitsstrafen und bedingter Entlassung, rückfällig wurde, allenfalls sogar schon mehrfach; vor- liegend gingen indessen nur geringfügige Strafen voraus). Ausser- dem kann nicht stillschweigend und als gleichsam selbstverständlich unterstellt werden, der drohende Vollzug des Strafrestes von einem Jahr Zuchthaus lasse den Beschwerdeführer völlig unbeeinflusst (erwähnter VGE vom 9. April 2003, S. 11). c) Für die Vorinstanz war letztlich die Annahme entscheidend, dass die verfügte, aber noch nicht rechtskräftige fremdenpolizeiliche Ausweisung bestehen bleibt. Dieser Beurteilung ist zwar angesichts 2003 Verwaltungsgericht 102 der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wonach die Ausweisung bei der Verurteilung zu einer mehr als zweijährigen Freiheitsstrafe praktisch ausnahmslos zulässig ist (BGE 120 Ib 14), schwer zu wi- dersprechen; doch wurde bereits ausgeführt (vorne, Erw. 2/c/bb), dass Nebenbestimmungen bei der bedingten Entlassung nicht dazu dienen dürfen, die ordentlichen Rechtsmittel im fremdenpolizeili- chen Verfahren zu unterlaufen. Dies mag verfahrensökonomisch unbefriedigend erscheinen, ist aber bedingt durch das Nebeneinander zweier Verfahren, die je ihre eigene Rechtsmittelordnung haben. Verhindern lassen sich derartige Unzukömmlichkeiten dann, wenn (nach der rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung) die fremden- polizeiliche Ausweisung speditiv genug erfolgen kann, um bereits vor dem Termin für die bedingte Entlassung in Rechtskraft zu er- wachsen. d) Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichts ist die bedingte Entlassung als vierte und letzte Etappe des Stufenstrafvoll- zugs die Regel, von der nur ausnahmsweise "aus guten Gründen" abgewichen werden darf (BGE 125 IV 115; 124 IV 194; AGVE 2002, S. 159). Solche Gründe sind hier nicht ersichtlich, zumal nicht überzeugend dargelegt werden konnte, dass der Beschwerdeführer nach der Entlassung in der Schweiz ungeachtet des erheblichen Strafrestes umgehend wieder straffällig werden dürfte. 4. Die Beschwerde ist deshalb grundsätzlich gutzuheissen. Eine Entlassung am 16. April 2003, wie beantragt, war allerdings schon im Zeitpunkt der Beschwerdeeinreichung unmöglich. Bei der Fest- setzung des Entlassungsdatums ist zudem zu berücksichtigen, dass das Bundesamt für Justiz legitimiert ist, Verwaltungsgerichtsbe- schwerde beim Bundesgericht zu erheben (Art. 103 lit. b OG); es muss ihm möglich bleiben, einen Weiterzug und damit einhergehend die Beantragung von vorsorglichen Massnahmen noch vor der Ent- lassung zu prüfen und gegebenenfalls in die Wege zu leiten. Die Entlassung ist daher erst 10 Tage nach Zustellung des vorliegenden Urteils anzuordnen; sie kann früher erfolgen, falls das Bundesamt für Justiz verbindlich mitteilt, auf ein Rechtsmittel zu verzichten. 2003 Straf- und Massnahmenvollzug 103 Der Vorinstanz steht es frei, ihre Verfügung vom 31. März 2003 mit der Anordnung der Schutzaufsicht und der Erteilung geeigneter Weisungen zu ergänzen.
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2015 Kantonale Steuern Migrationsrecht 123 18 § 42 Abs. 1 lit. a Ziff. 3 StG Ausbildungsabzug bei Ausbildungsunterbruch (Tochter schloss Erstaus- bildung im August 2012 ab, absolvierte Sprachaufenthalt in den USA, be- gann Zweitausbildung im folgenden Sommer); für 2012 kein Ausbil- dungsabzug Urteil des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 22. September 2015, i.S. X. gegen KStA (WBE.2014.423). Aus den Erwägungen 1. 1.1. Für jedes volljährige Kind in Ausbildung, für dessen Unterhalt die Steuerpflichtigen zur Hauptsache aufkommen, werden gemäss § 42 Abs. 1 lit. a Ziff. 3 StG bei der Steuerberechnung vom Reinein- kommen Fr. 9'500.00 abgezogen. Die steuerpflichtige Person kommt für ein Kind dann zur Hauptsache auf, wenn sie mehr als die Hälfte des Unterhaltes bestreitet (§ 27 StGV). 1.2. Die Gewährung des Kinderabzuges als Sozialabzug, die Ausge- staltung als Steuerfreibetrag, gleicht auf schematische Weise die durch Kinder erhöhten Lebenshaltungskosten bzw. die dadurch redu- zierte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Eltern aus (D ANIEL A ESCHBACH , in: M ARIANNE K LÖTI -W EBER /D AVE S IEGRIST /D IETER W EBER , Kommentar zum Aargauer Steuergesetz [Kommentar StG], 4. Auflage, Muri-Bern 2015, § 42 N 13). Der Kinderabzug knüpft an 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 124 das Zivilrecht, an die Wirkungen des Kindesverhältnisses gemäss ZGB an (A ESCHBACH , Kommentar StG, § 42 N 24). 1.3. Nach Art. 277 Abs. 1 ZGB dauert die Unterhaltspflicht der El- tern bis zur Mündigkeit des Kindes. Hat es dann noch keine ange- messene Ausbildung, so haben die Eltern, soweit es ihnen nach den gesamten Umständen zugemutet werden darf, bis zum ordentlichen Abschluss der entsprechenden Ausbildung für seinen Unterhalt weiterhin aufzukommen (Art. 277 Abs. 2 ZGB). Als Ausbildung gilt die unmittelbare oder mittelbare systematische berufliche Ausbil- dung, wie Anlehre, Berufslehre, Mittel- und Hochschule, ein allfällig notwendiges Praktikum oder ein notwendiger Kurs. Eine Anstellung zur Ausbildung kann nur dann als berufliche Ausbildung anerkannt werden, wenn ein Lehrvertrag abgeschlossen worden ist. Der Besuch einer Schule gilt in der Regel nur dann als Ausbildung, wenn er min- destens halbtags stattfindet und sich ohne Unterbruch auf wenigstens ein halbes Jahr erstreckt (vgl. F ELIX R ICHNER /W ALTER F REI /S TEFAN K AUFMANN /H ANS U LRICH M EUTER , Kommentar zum Zürcher Steuergesetz, 3. Aufl., Zürich 2013, § 34 N 33). Die Ausbildung ist grundsätzlich dann abgeschlossen, wenn sie die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit ermöglicht und das Kind einen angemessenen Lebensunterhalt zu verdienen in der Lage ist (A ESCHBACH , Kommentar StG, § 42 N 26 mit Hinweisen; P ETER L OCHER , in: Kommentar zum DBG, Basel 2001, Art. 35 N 32). Unter Art. 277 Abs. 2 ZGB fällt grundsätzlich nur der Abschluss der beruflichen Erstausbildung, auch wenn eine Zweitausbildung, Weiterbildung und Zusatzausbildung als nützlich angesehen werden können (BGE 118 II 97). 1.4. Die steuerliche Berücksichtigung einer Zweitausbildung wird von Lehre und Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt. Nach der einen Auffassung entfällt der Kinderabzug, wenn seitens der Eltern keine gesetzliche Unterhaltspflicht mehr besteht (StE 2002 BE/DBG B 29.3 Nr. 19). Insoweit die angemessene Ausbildung nach Art. 277 Abs. 2 ZGB auch eine Zweitausbildung umfasst - sie erweitert die Grundausbildung, vertieft sie oder setzt sie zwingend oder alternativ 2015 Kantonale Steuern Migrationsrecht 125 voraus -, ist auch die steuerliche Berücksichtigung über den Kin- derabzug gewährleistet (StE 2001 ZH B 29.3 Nr. 17; vgl. auch R ICHNER /F REI /K AUFMANN /M EUTER , a.a.O., § 34 N 33). Das Ver- waltungsgericht des Kantons Luzern hat auch bei fehlender Ver- pflichtung der Eltern auf die Gewährung eines Kinderabzuges bei einer Zweitausbildung erkannt, sofern es sich dabei nur nicht um eine blosse Weiterbildung, sondern um die Erlernung eines neuen Berufs handelt (StE 1995 LU B 29.3 Nr. 13). Gemäss den Weisungen der Eidgenössischen Steuerverwaltung bleibt der Kinderabzug bei Aufnahme einer Zweitausbildung dann möglich, wenn sachliche Gründe dafür sprechen, um danach eine angemessene berufliche Tätigkeit auszuüben (Kreisschreiben Nr. 30 vom 21. Dezember 2010, Ehepaar- und Familienbesteuerung nach dem Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer [DBG], S. 20). Das Vorliegen von sachlichen Gründen bzw. einer angemessenen Ausbildung beurteilt sich nach den Neigungen und Fähigkeiten des Kindes, den Verhältnissen der Eltern, allfälligen Absprachen, aber auch nach den Verhältnissen am Arbeitsmarkt (vgl. I VO P. B AUMGARTNER , in: M ARTIN Z WEIFEL / P ETER A THANAS , Kommentar zum DBG, 2. Auflage 2008, Art. 35 N 8, insbes. N 8a und c). Nach der Praxis des KStA schliesslich, die sich auf die Rechtsprechung der Vorinstanz stützt, berechtigt grundsätzlich auch die Zweitausbildung zum Kinderabzug (RGE vom 20. Dezember 2012, 3-RV.2012.113, mit Hinweisen). Der steuerrechtliche Abzug knüpfe weniger an die familienrechtliche Unterhaltsverpflichtung, als an die eingeschränkte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Leistenden an (D ANIEL A ESCHBACH , Kom- mentar StG, § 42 N 26a mit Hinweisen). 1.5. Die Berechtigung zum Kinderabzug beurteilt sich nach den Ver- hältnissen am Stichtag, am Ende der Steuerperiode, nicht jedoch nach denjenigen während der Steuerperiode. Wurde die Berufsausbil- dung noch vor Ablauf der Steuerperiode abgeschlossen, besteht am Stichtag kein Anspruch mehr auf den Kinderabzug, auch wenn alle übrigen Voraussetzungen während der Periode erfüllt gewesen sind, insbesondere der Leistende überwiegend oder gar ausschliesslich für den Unterhalt des Auszubildenden aufgekommen ist. Sind aber am 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 126 Stichtag die Voraussetzungen (noch) erfüllt, besteht Anspruch auf den vollen Kinderabzug, unabhängig von der effektiven Dauer der Ausbildung und der Höhe der Auslagen. Findet ein Ausbildungs- unterbruch statt, schadet es nicht, wenn er bloss vorübergehend ist und aus objektiven Gründen erfolgt, wie Krankheit oder Militär- dienst (P ETER L OCHER , a.a.O., Art. 36 N 34). Ist der Unterbruch dagegen subjektiv bedingt, in der Person des Auszubildenden be- gründet, schliesst dies die Gewährung des Kinderabzuges regelmäs- sig aus. Stattdessen können die Voraussetzungen des Unterstüt- zungsabzuges im Sinne von § 42 Abs. 1 lit. b StG erfüllt sein. 1.6. Die Gewährung des Kinderabzuges hängt letztlich auch davon ab, dass der Leistende für den Unterhalt des Kindes in überwiegen- dem Mass, zu mehr als der Hälfte aufkommt (§ 27 StGV). Erzielt ein volljähriges Kind eigene Einkünfte, so muss der Beitrag der Eltern selbige übersteigen (D ANIEL A ESCHBACH , Kommentar StG, § 42 N 28). Massgebend sind diesbezüglich die Verhältnisse in der ganzen Steuerperiode und nicht alleine jene am Stichtag. 2. 2.1. Die Tochter der Beschwerdeführerin hat unstreitig ihre berufli- che Erstausbildung als Fotofachfrau, welche ihr die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit ermöglichte, am 9. August 2012 abgeschlossen. Dem Eintritt ins Berufsleben zog sie aber zunächst einen knapp drei- monatigen Sprachaufenthalt in den USA vor. Am 22. Juli 2013 be- gann sie mit der Lehre als Kauffrau im E-Profil, einer dreijährigen beruflichen Grundausbildung, welche mit einem eidgenössischen Fä- higkeitszeugnis abschliesst und den Einstieg in eine höhere Berufs- bildung ermöglicht, eine Zweitausbildung. Erst- und Zweitausbil- dung stehen in keinem sachlichen Zusammenhang, die zweite Ausbildung ist weder notwendige noch logische Folge der Erstaus- bildung. Ebenso wenig besteht ein notwendiger oder zwingender Zusammenhang des Sprachaufenthalts zur einen oder anderen Be- rufslehre. 2.2. 2.2.1. 2015 Kantonale Steuern Migrationsrecht 127 Am Stichtag war die Tochter der Beschwerdeführerin an keiner Lehrstätte eingeschrieben. Nach den Behauptungen der Beschwerde- führerin will sich ihre Tochter jedoch der Sprachnachbereitung gewidmet haben. Zu entscheiden ist damit die Frage, ob sich ihre Tochter - noch bzw. bereits wieder - in Ausbildung bzw. in einem objektiv bedingten Ausbildungsunterbruch befunden hat und demge- mäss (weiterhin) Anspruch auf einen Kinderabzug bestand, sofern bei einer Zweitausbildung ein solcher zu gewähren ist (zur Kontro- verse vgl. vorne Erw. 1.5). 2.2.2. Festzuhalten ist zunächst, dass die Tochter der Beschwerde- führerin ihre Erstausbildung, welche ihr den Einstieg ins Erwerbsle- ben ermöglichte, im August 2012 abgeschlossen hatte. Der Erstausbildung folgte der Beginn der Zweitausbildung nicht unmit- telbar. Die Beschwerdeführerin begründet dies damit, dass der Be- ginn der Zweitlehre wegen zeitlicher Überschneidung nicht im direk- ten Anschluss an die Erstlehre möglich gewesen sei. Dass ihre Toch- ter aber bereits im Sommer 2012 zur Zweitausbildung als Kauffrau entschlossen gewesen war und sich, wenn auch vergeblich, um eine Sonderregelung bemüht hatte, wird weder belegt, noch auch nur gel- tend gemacht. Zur Unterzeichnung des Lehrvertrages kam es am 12. April 2013. 2.2.3. Im dreimonatigen Sprachaufenthalt ist keine systematische Fortsetzung der Erstausbildung und auch keine planmässige Vorbe- reitung der Zweitausbildung zu erblicken. Daran ändert auch die behauptete Sprachnachbereitung nach der Rückkehr in die Schweiz nichts, welche der prophylaktischen Vorbereitung der Prüfungs- wiederholung gedient haben soll für den Fall, dass das in den USA absolvierte Examen misslungen wäre. Zudem war der Sprachau- fenthalt weder eine notwendige Voraussetzung für die Zweitlehre noch eine notwendige Ergänzung der Erstlehre. Damit fehlt es auch an objektiven Gründen für den Ausbildungsunterbruch; dieser erfolgte vielmehr aus subjektiven Gründen. 2.2.4. 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 128 In der Anmeldung zum Bezug von Arbeitslosengeldern und der Erzielung eines Zwischenverdienstes kommt zum Ausdruck, dass die Tochter der Beschwerdeführerin zur Erzielung eines Erwerbseinkom- mens willens und entschlossen war. Damit hat sie die Ausbildung - einstweilen - zurückgestellt. 2.2.5. Zusammenfassend ergibt sich, dass in der Phase zwischen dem Abschluss der Erst- und dem Beginn der Zweitausbildung von kei- nem objektiv bedingten Ausbildungsunterbruch gesprochen werden kann. Die Gründe waren subjektiver Natur, sie dienten der berufli- chen Neuorientierung der Tochter. Eine Berechtigung zum Kinderab- zug nach § 42 Abs. 1 lit. a StG per Stichtag 31. Dezember 2012 be- steht danach nicht. Damit fehlt es auch an den Voraussetzungen für die Anwendung des Tarifs B gemäss § 43 Abs. 2 StG. 2.3. Aufgrund des belegmässigen Nachweises erhellt, dass die Be- schwerdeführerin für ihre Tochter überwiegend aufgekommen ist. Dies führt dazu, dass ihr zu Recht der Unterstützungsabzug gemäss § 42 Abs. 2 StG zugebilligt worden ist.
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2015 Schulrecht 233 XI. Schulrecht 36 Schulrecht; Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) - Die Beschwerdekommission FHNW ist keine Verwaltungsjustizbe- hörde und hat im verwaltungsgerichtlichen Verfahren keine Partei- stellung; diese kommt der FHNW zu, welche durch die Direktion bzw. das Direktionspräsidium handelt. - Das Anwaltsmonopol (§ 14 Abs. 3 VRPG), die Vorschriften über den Rechtsstillstand (§ 28 Abs. 2 VRPG) und das Verbot der reformatio in peius (§ 48 Abs. 2 VRPG) gelten im Verfahren vor der Beschwer- dekommission FHNW nicht. Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 16. Juli 2015 in Sachen A. gegen Fachhochschule Nordwestschweiz (WBE.2014.387). Aus den Erwägungen 2.2. Die Parteistellung in einem Beschwerdeverfahren regelt § 13 Abs. 2 VRPG. Gemäss § 13 Abs. 2 lit. e VRPG ist die Vorinstanz Partei. Nur wenn die erstinstanzliche Entscheidungsbehörde einem andern Gemeinwesen angehört, kommt ihr im Beschwerdeverfahren ebenfalls Parteistellung zu (§ 13 Abs. 2 lit. f VRPG). Vorinstanz und damit Partei im vorliegenden Verfahren wäre daher die Beschwerde- kommission FHNW; der FNHW selber käme demgegenüber keine Parteistellung zu. Die Beschwerdekommission FHNW erfüllt indessen nach ihrem eigenen Verständnis die Kriterien eines Gerichts im Sinne der Rechtsweggarantie von § 29a BV und wäre daher als Verwaltungs- justizbehörde zu betrachten (Entscheid der Beschwerdekommission FHNW vom 18. Juni 2012, Nr. 11.016, Erw. 3 unter Hinweis auf G ABRIELLA M ATEFI , Das Verfahren vor der Beschwerdekommission 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 234 der Fachhochschule Nordwestschweiz [FHNW], in: Der Weg zum Recht, Festschrift für Alfred Bühler, Zürich 2008, S. 301 ff.). Verwal- tungsjustizbehörden haben nach dem Verwaltungsrechtspflegegesetz keine Parteistellung (§ 13 Abs. 3 VRPG). 2.3. Das Verwaltungsgericht hat in seiner bisherigen Rechtspre- chung die Rechtsnatur der Beschwerdekommission FHNW offen ge- lassen (AGVE 2010, S. 225 ff., Erw. 2.4.2). Der zitierte Entscheid erging im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens in Schulsachen (Prü- fungsentscheid). Die Entscheide der Beschwerdekommission FHNW in Perso- nalfragen waren bis zum 31. Dezember 2012 beim früheren Perso- nalrekursgericht des Kantons Aargau anfechtbar. Das Personalrekurs- gericht entschied mit Urteil vom 3. Juli 2008 (AGVE 2008, S. 433 ff.), dass bei personalrechtlichen Streitigkeiten aus einem Ver- trag das Personalgesetz des Kantons Aargau, PersG) und seine Folgeerlasse sowie für den Rechtsmittelweg analog die Bestimmungen der Aargauischen Zivilprozessordnung zur Anwendung gelangen würden. Demzufolge entscheide die Beschwerdekommission FHNW im Klageverfahren; die ent- sprechenden Entscheide seien mittels Appellation an das Personalre- kursgericht weiterziehbar (AGVE 2008, S. 433, Erw. 2). Zumindest implizit beruht diese Auffassung auf der Grundlage, dass die Be- schwerdekommission FHNW im Personalbereich eine Gerichtsbe- hörde darstellt. Seit der Umsetzung der Justizverfassungsreform im Kanton Aargau auf den 1. Januar 2013 entscheidet das Verwaltungsgericht auch über Beschwerden gegen Entscheide der Beschwerdekommis- sion FHNW in Personalsachen (AGS 2012/5-02). Die Aargauische Zivilprozessordnung wurde mit Inkrafttreten der Schweizerischen Zi- vilprozessordnung aufgehoben (AGS 2010/5-07). Das Rechtsmittel- verfahren in der Schweizerischen Zivilprozessordnung mit Berufung und Beschwerde an die (obere) kantonale Rechtsmittelinstanz unter- scheidet sich in wesentlichen Punkten von der Regelung, wie sie un- ter der Aargauischen Zivilprozessordnung galt. Für die Berufung be- steht eine Streitwertgrenze und das Novenrecht im Rechtsmittel- 2015 Schulrecht 235 verfahren unterscheidet sich von der früheren aargauischen Rege- lung. In verschiedenen Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungs- gericht in Schulsachen war die funktionale Zuständigkeit einzelner Organe und Institutionen der FHNW im Beschwerdeverfahren kon- trovers. Eine grundsätzliche Prüfung der verfassungsmässigen Stel- lung der Beschwerdekommission FHNW ist schliesslich auch mit Blick auf die Verfahrensgarantien der Parteien im verwaltungsge- richtlichen Verfahren angebracht. 3. 3.1. Der Staatsvertrag FHNW (Staatsvertrag zwischen den Kantonen Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt und Solothurn über die Fach- hochschule Nordwestschweiz [FHNW] vom 27. Oktober 2004 [SAR 426.070]) regelt Aufgaben, Organisation und Zuständigkeit der Beschwerdekommission FHNW in § 33. Danach besteht die Be- schwerdekommission aus fünf, von den Regierungen der Vertrags- kantone auf vier Jahre gewählten Mitgliedern, inkl. Präsidentin/ Prä- sident (Abs. 1). Jeder Vertragskanton ist durch mindestens ein Mit- glied vertreten (Abs. 2). Die Beschwerdekommission organisiert sich selbst (Abs. 2 bis ) und entscheidet über Beschwerden gegen Verfü- gungen der Fachhochschule und in personalrechtlichen Streitigkeiten in einer Besetzung mit mindestens drei Mitgliedern (Abs. 4). Mit der Beschwerde an die Beschwerdekommission können alle Mängel des Verfahrens und der angefochtenen Verfügung geltend ge- macht werden (Abs. 5). Die Beschwerdekommission informiert den Fachhochschulrat jährlich summarisch über die erledigten Verfahren (Abs. 8). Die Regierungen haben die Mitglieder der Beschwerdekommis- sion zu wählen (§ 17 Abs. 1 lit. g Staatsvertrag FHNW) und die Ver- gütung der Beschwerdekommission festzulegen (§ 17 Abs. 1 lit. h Staatsvertrag FHNW). 3.2. Art. 191b Abs. 1 BV verpflichtet die Kantone, für öffentlich- rechtliche Streitigkeiten richterliche Behörden einzusetzen. Sie kön- nen die Rechtsprechung auch gemeinsamen richterlichen Behörden 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 236 übertragen (Abs. 2). Richterliche Behörden sind unabhängige, nur dem Recht verpflichtete Organe der Rechtsprechung (Art. 191c BV). Diese Kriterien gewährleisten die institutionelle Unabhängigkeit der Justiz in grundrechtlicher Hinsicht (Art. 29a und 30 BV) und sichern organisationsrechtlich das Gewaltenteilungsprinzip (C HRISTINA K ISS /H EINRICH K OLLER , in: St. Galler Kommentar zur BV, 3. Aufl., Zürich/St. Gallen 2014, Art. 191b N 13; G EROLD S TEINMANN , in: St. Galler Kommentar, a.a.O., Art. 191c N 3; R EGINA K IENER , Rich- terliche Unabhängigkeit, Verfassungsrechtliche Anforderungen an Richter und Gerichte, Bern 2001, S. 25 f.; BGE 126 I 228, Erw. 2a/bb). Verfassungskonforme richterliche Behörden sind im formellen Sinn die Rechtsprechungsinstanzen, welche in die Justizor- ganisation eines Kantons eingebunden sind (vgl. zur Differenzierung BGE 139 III 98, Erw. 3.2.1). Im Kanton Aargau wird die Verwaltungsgerichtsbarkeit durch das Spezialverwaltungsgericht, das Obergericht und das Justizgericht ausgeübt (§ 100 KV). Auch nach den Kantonen Solothurn und Basel- Landschaft ist die Beschwerdekommission FHNW verfassungsrecht- lich keine Justizbehörde mit Zuständigkeit in der Rechtsprechung öffentlich-rechtlicher Streitigkeiten (Art. 91 Abs. 1 lit. a-f der Verfas- sung des Kantons Solothurn vom 8. Juni 1986 [KV/SO; BGS 111.1]; vgl. auch: §§ 47 ff. des Gesetzes über die Gerichtsorganisation vom 13. März 1977 [GO; BGS 125.12]; § 85 der Verfassung des Kantons Basel-Landschaft vom 17. Mai 1984 [KV/BL; SGS 100]). Die Ver- fassung des Kantons Basel-Stadt vom 23. März 2005 (KV/BS; SG 111.100) weist die Verwaltungsgerichtsbarkeit dem Sozialversi- cherungsgericht, den vom Gesetz vorgesehenen Rekurskommissio- nen und dem Appellationsgericht zu (§ 115 KV/BS). Rekurskom- missionen im Sinne dieser Bestimmung sind die Behörden, deren Mitglieder ausschliesslich vom Grossen Rat oder Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt gewählt werden (vgl. § 10 Abs. 1 des Gesetzes über die Verfassungs- und Verwaltungsrechtspflege vom 14. Juni 1928 [SG 270.100]), nicht aber Behörden, deren Mitglieder von mehreren Kantonsregierungen gewählt werden (S TEPHAN W ULL - SCHLEGER /A NDREAS S CHRÖDER , Praktische Fragen des Verwal- tungsprozesses im Kanton Basel-Stadt, in: BJM 2005, S. 285 f.). In 2015 Schulrecht 237 den Verfassungen der vier Vertragskantone der FHNW ist auch keine institutionelle oder organisatorische Zusammenarbeit, insbesondere in der Verwaltungsjustiz, vorgesehen (vgl. § 3 KV/BS; Art. 2 KV/SO; § 3 KV/BL; § 4 Abs. 1 KV/AG). Eine verfassungsrechtliche Grundlage für eine institutionelle interkantonale Zusammenarbeit be- steht in den Kantonsverfassungen der Kantone Basel-Landschaft und Basel-Stadt nur im gegenseitigen Verhältnis (§ 3 KV/BS; § 3 KV/BL). Die Beschwerdekommission FHNW ist in die Justizorganisa- tion der Vertragskantone nicht eingebunden und somit kein Gericht im formellen Sinn. 3.3. Für die Qualifikation als richterliche Behörde ist eine Einbin- dung in die (ordentliche) Gerichtsstruktur eines Kantons nicht erfor- derlich. Ein Gericht im materiellen Sinn, das die Anforderungen der Bundesverfassung an die richterliche Unabhängigkeit erfüllt, genügt. Die Bundesverfassung (Art. 191c BV) und die Kantonsverfassung (§ 95 KV/AG) gewährleisten in grundrechtlicher Hinsicht die rich- terliche Unabhängigkeit in der Rechtsprechung nach Massgabe der verfassungsrechtlichen Garantien aus Art. 29a und Art. 30 Abs. 1 BV. Ein verfassungskonformes Gericht zeichnet sich funktional durch seine rechtsprechende Tätigkeit und organisatorisch durch seine institutionelle Unabhängigkeit aus. Die Behörde muss organisato- risch und personell, nach der Art ihrer Ernennung, der Amtsdauer, dem Schutz vor äusserer Beeinflussung und nach ihrem Erschei- nungsbild sowohl gegenüber anderen Behörden als auch gegenüber den Parteien unabhängig und unparteiisch sein (BGE 126 I 228, Erw. 2 a/bb; vgl. auch BGE 139 III 98, Erw. 4.2; 134 I 16, Erw. 4.2; S TEINMANN , a.a.O., Art. 30 N 8). Die Unabhängigkeit eines Gerichts wird nach der Praxis und Lehre noch nicht in Frage gestellt, nur weil dessen Mitglieder durch eine Exekutivbehörde gewählt werden. Bedenken ergeben sich be- züglich solcher Gerichte, die regelhaft zur Überprüfung von Akten der Verwaltung aufgerufen sind, gerade wenn in regelmässigen Ab- ständen eine Wiederwahl der Richter erforderlich ist. Hier rechtfer- tigt sich eine Wahl durch die Exekutive allein dann, wenn das 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 238 Vorverfahren der Richterauslese transparenten Kriterien folgt und die Gewählten ihrem Werdegang und persönlichen Zuschnitt nach Ge- währ für eine unabhängige Kontrolle der Verwaltung bieten (K IENER , a.a.O., S. 258). 3.4. Der Staatsvertrag regelt in § 33 Abs. 2 die Vertretung der Ver- tragskantone in der Beschwerdekommission, nicht aber die Wählbar- keitsvoraussetzungen. Er enthält auch keine Bestimmung, welche die Unabhängigkeit gegenüber den Organen der Fachhochschule sichert (vgl. demgegenüber § 30 des Vertrages zwischen den Kantonen Basel-Landschaft und Basel-Stadt über die gemeinsame Trägerschaft der Universität Basel vom 27. Juni 2006 [SG 442.400]). Im Organi- sationsstatut der Fachhochschule Nordwestschweiz vom 1. Januar 2006 wird die Beschwerdekommission nicht erwähnt. Sie erscheint auch nicht im Organigramm und im Funktionsdiagramm der Fach- hochschule (vgl. www.fhnw.ch/ueber-uns/organisation-fhnw, letzt- mals besucht am 16. Juli 2015). Der Staatsvertrag verlangt keine Un- abhängigkeit der Mitglieder der Beschwerdekommission. Insbeson- dere ist die Wahl von Personen, die bei der FHNW oder ihren In- stitutionen tätig sind, vom Wortlaut des Staatsvertrages nicht ausge- schlossen. Eine Garantie für die Unabhängigkeit gibt auch § 20 des Staatsvertrages nicht. Die Nichterwähnung der Beschwerdekom- mission in der Liste der obligatorischen Organe der FHNW sichert ihre institutionelle und organisatorische Unabhängigkeit nicht (a.A. M ATEFI , a.a.O., S. 305, FN 26), zumal der Fachhochschulrat weitere Organe bezeichnen kann (§ 20 Abs. 2 Staatsvertrag FHNW). Von den fünf Mitgliedern der Beschwerdekommission in dieser Amtsperiode sind die Präsidentin, die Vertreterin des Kantons Basel- Stadt und der Vertreter des Kantons Basel-Landschaft (vornehmlich) in der Justiz ihrer Kantone tätig (der Vertreter des Kantons Basel- Landschaft ist auch Inhaber eines Anwaltsbüros in Liestal). Der Ver- treter des Kantons Aargau ist im Generalsekretariat des Departe- ments Bildung, Kultur und Sport und die Vertreterin des Kantons Solothurn im Bildungs- und Kulturdepartement (Rechtsabteilung) ih- res Kantons hauptamtlich tätig. Die Vertreter des Kantons Aargau und Solothurn sind somit in ihrer beruflichen Haupttätigkeit bei Mit- 2015 Schulrecht 239 gliedern ihrer Wahlbehörde, die auch die Entschädigung der Mitglie- der der Beschwerdekommission festsetzen (§ 17 Abs. 1 lit. h Staats- vertrag FHNW), angestellt. Nach dem Reglement über die Organisation der Beschwerde- kommission FHNW vom 3. Juli 2007 nimmt an den Beratungen eine Kommissionsschreiberin bzw. ein Kommissionsschreiber mit bera- tender Stimme teil (§ 4 Abs. 4 Reglement). Die Kanzlei, der die Kommissionsschreiberinnen und Kommissionsschreiber und das üb- rige Kanzleipersonal angehören, wird von der FHNW geführt (§ 6 Abs. 1 und 2 Reglement). Aus diesen Organisationsregeln ergibt sich nicht zwingend, dass der Kommissionsschreiber unabhängig sein muss und nicht für die FHNW oder ihre Institute tätig sein darf (a.A. offenbar M ATEFI , a.a.O., S. 305). Gegenüber dem Kanzleipersonal ist das Präsidium weisungsbefugt (§ 6 Abs. 3 Reglement), was darauf schliessen lässt, dass die arbeits- oder auftragsrechtliche Weisungs- befugnis nicht - zumindest nicht zwingend und ausschliesslich - aus- serhalb der Organisation der Fachhochschule Nordwestschweiz lie- gen muss. In ihrem Auftritt in der (Schul-) Öffentlichkeit präsentiert sich die Beschwerdekommission auf der Homepage der FHNW als eine Organisationseinheit der Fachhochschule (www.fhnw.ch/ueber- uns/organisation-fhnw, letztmals besucht am 16. Juli 2015). Die Unabhängigkeit muss vor allem gegenüber den Organen der Hochschule bestehen (B ENJAMIN S CHINDLER , Erstinstanzlicher Rechtsschutz gegen universitäre Prüfungsentscheidungen, in: ZBl 112/2011, S. 514 mit Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichts vom 2. April 2009 [2D_14/2009], Erw. 2.1). Diese Unabhängigkeit ist nach dem Wortlaut von § 33 und § 17 des Staatsvertrages nicht ge- währleistet und angesichts der Zuständigkeiten und der Aufsichtsbe- fugnisse der Regierungen der Vertragskantone (§ 17 Abs. 1 Satz 1 Staatsvertrag FHNW) und der Interparlamentarischen Kommission (§ 16 Abs. 5 und 6 Staatsvertrag FHNW) auch institutionell nicht abgesichert. Die organisatorischen Bestimmungen in den Reglemen- ten der FHNW und der Beschwerdekommission FHNW gewährleis- ten nicht, jedenfalls nicht in einem den Anforderungen von Art. 30 BV und Art. 191c BV genügenden Mass, die Unabhängigkeit der Be- schwerdekommission gegenüber der Fachhochschule und ihrer Or- 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 240 gane. Die Beschwerdekommission erscheint zudem im Auftritt in der (Schul-) Öffentlichkeit als eine Institution der Schule. Diese Beurteilung der Rechtsnatur der Beschwerdekommission findet eine teilweise Bestätigung in den Materialien zum Staatsver- trag: Gemäss Bericht der Regierungen der Vertragskantone "Detailer- läuterungen zum Staatsvertrag" vom 27. Oktober 2004 (Beilage 3 zur Botschaft des Regierungsrats des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 27. Oktober 2004, GR.04.294) nimmt die Beschwerdekom- mission auch Aufgaben der Qualitätssicherung wahr und informiert über ihre Arbeit den Fachhochschulrat (§ 33 Abs. 8 Staatsvertrag FHNW), damit dieser die notwendigen Verbesserungen einleiten kann. Die Beschwerdekommission hat diese Funktion auch schon di- rekt gegenüber einer einzelnen Hochschule der FHNW ausgeübt, als sie der Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik (HABG) untersagte, eine Bestimmung der Prüfungsordnung anzuwenden (Entscheid Nr. 11.016 vom 18. Januar 2012, Erw. 3). Zusammenfassend ist die Ausgestaltung der Organisationsnor- men mit Blick auf die personelle und institutionelle Unabhängigkeit nicht ausreichend, um die Beschwerdekommission FHNW als richterliche Behörde im materiellen Sinne zu qualifizieren. Es fehlen die grundlegenden formellen Organisationsregeln zur Gewährleis- tung der verfassungsrechtlich erforderlichen institutionellen und organisationsrechtlichen Unabhängigkeit. Sie ist zwar kein Organ der Fachhochschulleitung (§ 20 Abs. 1 lit. b und § 23 Abs. 1 Staatsver- trag FHNW), erscheint jedoch als eine Instanz der interkantonalen öffentlich-rechtlichen Anstalt FHNW (§ 1 Abs. 1 Staatsvertrag FHNW), die von den Vertragskantonen im Rahmen und zur Wahrung der Selbstbestimmung (Autonomie) der Fachhochschule eingerichtet wurde. 3.5. 3.5.1. Die fehlende Qualität der Beschwerdekommission als richter- liche Behörde hat zur Folge, dass sie keine Verwaltungsjustizbehörde im Sinne von § 13 Abs. 3 VRPG ist und im System von § 13 Abs. 2 VRPG Partei im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht wäre (siehe vorne Erw. 2.2). Im (internen) Rechtsmittelverfahren vor 2015 Schulrecht 241 der Beschwerdekommission FHNW hat die FHNW Parteistellung gemäss § 13 Abs. 2 lit. e VRPG. Die Beschwerdekommission ist in- dessen kein Organ der FHNW, welche für die FHNW im Beschwer- deverfahren vor dem Verwaltungsgericht handeln kann. Im Be- schwerdeverfahren vor Verwaltungsgericht bleibt aufgrund dieser or- ganisationsrechtlichen Besonderheit die FHNW als öffentlich-recht- liche Anstalt Partei. Sie wird durch die Direktion (§ 23 Abs. 1 Staats- vertrag FHNW) bzw. durch das Direktionspräsidium (§ 8 lit. a Organisationsstatut der FHNW vom 1. Januar 2006) vertreten. Ent- sprechend ist im vorliegenden Verfahren das Rubrum zu ändern und die Fachhochschule Nordwestschweiz, vertreten durch die Direktion FHNW, als Beschwerdegegnerin aufzuführen. 3.5.2. Die Rechtsnatur und Stellung der Beschwerdekommission ha- ben auch Auswirkungen auf die Verfahrensordnung und den Rechts- mittelweg in personalrechtlichen Belangen. Die Regelung in § 39 PersG, wonach vertragliche Streitigkeiten im Klageverfahren beur- teilt werden, lässt sich nicht auf Fälle der FHNW übertragen. Viel- mehr werden auch diese Streitigkeiten - obwohl das Arbeitsverhält- nis auf einem Vertrag beruht - seitens der FHNW stets mittels Verfü- gung entschieden. Der anschliessende Rechtsmittelzug mit Einspra- che, Verwaltungsbeschwerde an die Beschwerdekommission FHNW und anschliessender verwaltungsgerichtlicher Beschwerde an das Verwaltungsgericht entspricht den Vorgaben des Staatsvertrags, dem VRPG (§ 54 und § 60 VRPG) und ist auch im Gesamtarbeitsvertrag vorgesehen (vgl. Gesamtarbeitsvertrag für die Fachhochschule Nord- westschweiz vom 23. Oktober 2006, Fassung vom 1. Januar 2011, Ziff. 15.2 bis 15.4). Die Beschwerdekommission FHNW entscheidet somit auch in Personalsachen stets im Verwaltungsbeschwerde- verfahren gemäss §§ 41 ff. VRPG. Die abweichende Rechtsauffas- sung und die Praxis des früheren Personalrekursgerichts zum Verfah- ren und zum Rechtsmittelweg werden vom Verwaltungsgericht nicht weitergeführt. Weitere prozessuale Konsequenzen der rechtlichen Qualifika- tion der Beschwerdekommission FHNW sind, dass in den Beschwer- deverfahren das Anwaltsmonopol (§ 14 Abs. 3 VRPG) keine Geltung 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 242 hat und die Rechtsstillstandsfristen (§ 28 Abs. 2 VRPG) sowie das Verschlechterungsverbot (§ 48 Abs. 2 VRPG) nicht zur Anwendung gelangen.
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AG_VG_001
AG_VG
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AG_VG_001_AGVE-2015-36_2015-07-03
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2013 Submissionen 219 [...] 39 Eignungskriterien; nachträgliche Lockerung, Rechtsgleichheit Erfüllt keines der Angebote die Eignungskriterien und kann nicht gesagt werden, die Anbieter oder einzelne davon seien zur Ausführung des Auf- trags überhaupt nicht geeignet, so liegt es - jedenfalls in einem Einla- dungsverfahren - im Ermessen der Vergabestelle, das Verfahren als Gan- zes zu wiederholen oder sich auf eine (rechtsgleiche) Relativierung der Anforderungen im laufenden Verfahren zu beschränken. Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 11. November 2013 in Sa- chen A. AG gegen Stadt B. (WBE.2012.174). Aus den Erwägungen 4. 4.1. Die Beschwerdeführerin rügt weiter eine Ungleichbehandlung bzw. Benachteiligung durch die nachträgliche Abänderung und Lockerung wesentlicher Eignungskriterien. 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 220 4.2. Die (fachliche, finanzielle, organisatorische etc.) Leistungsfä- higkeit der Anbieter muss in der Ausschreibung bzw. den Ausschrei- bungsunterlagen mit objektiven und überprüfbaren Eignungskriterien umschrieben werden (P ETER G ALLI / A NDRÉ M OSER / E LISABETH L ANG / M ARC S TEINER , Praxis des öffentlichen Beschaffungsrechts, 3. Auflage Zürich/Basel/Genf 2013, Rz. 558 ff. mit Hinweisen; AGVE 1998, S. 372). Die Vergabebehörde ist an die ausge- schriebenen Eignungskriterien gebunden (G ALLI /M OSER /L ANG / S TEINER , a.a.O., Rz. 628 ff.). Ihr kommt aber sowohl bei der Wahl und Formulierung als auch der Anwendung und Bewertung der Eignungskriterien ein grosses Ermessen zu (G ALLI /M OSER /L ANG / S TEINER , a.a.O., Rz. 557, 564; Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 15. Februar 2012 [VD.2011.119], Erw. 2.2). Wer die Eignungskriterien nicht oder nur teilweise erfüllt oder keinen entsprechenden Eignungsnachweis erbringt, wird in der Regel vom Verfahren ausgeschlossen (vgl. § 28 Abs. 1 lit. a SubmD). Wie bereits ausgeführt haben Eignungskriterien vorab im offenen und selektiven Verfahren ihre Bedeutung, können aber auch in einem Einladungsverfahren zur Anwendung kommen. 4.3. Die Eignungsprüfung durch die Vergabebehörde führte vorlie- gend zum Ergebnis, dass alle fünf Anbieter die Kriterien "Schlüssel- personen" und "Projektreferenzen Implementierung und Unterhalt Webauftritt" adäquat erfüllten, nicht aber das Kriterium "Kompeten- zen und Referenzen Online-Marketing". Zwei Anbieter (u.a. auch die Beschwerdeführerin) verfügten zwar über die verlangten beiden SEO-Referenzen, wiesen aber nur je eine als genügend qualifizierte SMM-Referenz auf. Bei zwei Anbietern (u.a. der Zuschlagsemp- fängerin) waren die geforderten SMM-Referenzen vorhanden, jedoch fehlten die SEO-Referenzen ganz oder teilweise. Eine Anbieterin verfügte weder über ausreichende SEO-Referenzen noch über ausreichende SMM-Referenzen. Weiter stellte die Vergabebehörde bei der Bedingungsprüfung fest, dass drei der fünf Angebote den beim Lösungskonzept verlang- ten Mindest-Erfüllungsgrad von 95% nicht erreichten. Die Zu- 2013 Submissionen 221 schlagsempfängerin erzielte nach ihrer Beurteilung einen Erfüllungs- grad von 94.36% und die Beschwerdeführerin einen solchen von 94.00%. Da somit keines der Angebote die Eignungskriterien nach Auf- fassung der Vergabestelle vollumfänglich erfüllte und drei Angebote auch den geforderten Erfüllungsgrad von mindestens 95% nicht er- reichten, folglich bei sämtlichen Angeboten ein Ausschlussgrund vorlag, entschied sich die Vergabestelle für eine Herabsetzung der Eignungsanforderungen (beim Kriterium "Kompetenzen und Refe- renzen Online-Marketing" genügten nun mindestens zwei Referen- zen, die SMM oder SEO enthielten); zugleich reduzierte sie den verlangten Mindest-Erfüllungsgrad auf 93%. Dies hatte zur Folge, dass nun sämtliche fünf Anbieter die modifizierten Anforderungen erfüllten. 4.4. (...) 4.5. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin hätte die Vergabe- stelle auch im Fall, dass alle Anbieter einen Ausschlussgrund erfüll- ten, die ursprünglichen Anforderungen nicht lockern dürfen, sondern das Verfahren abbrechen und neu durchführen müssen. Auch diesem Standpunkt ist nicht zu folgen. Richtig ist zwar, dass die Vergabebe- hörde grundsätzlich an die Ausschreibungsunterlagen und damit auch an die von ihr festgelegten und bekannt gegebenen Eignungs- und sonstigen Ausschlusskriterien gebunden ist und diese nicht nachträg- lich nach Belieben abändern darf (G ALLI /M OSER /L ANG /S TEINER , a.a.O., Rz. 628 ff. mit Hinweisen). Insbesondere ist eine nachträgli- che Relativierung der Anforderungen untersagt, um auf diese Weise einem bestimmten Angebot, das richtigerweise auszuschliessen wäre, den Verbleib im Verfahren zu ermöglichen. Dies stellt klarerweise eine unzulässige Begünstigung eines Anbieters dar (vgl. Entscheid der Eidgenössischen Rekurskommission für das öffentliche Be- schaffungswesen [BRK] vom 5. Dezember 2006 [2006-016], Erw. 3e; vgl. auch G ALLI /M OSER /L ANG /S TEINER , a.a.O., Rz. 630 mit Hinweis). Im vorliegenden Fall wären indessen alle fünf Anbieter, wie dargelegt auch die Beschwerdeführerin, auszuschliessen gewe- sen, da sich bei jedem aufgrund des ursprünglichen Pflichtenhefts ein 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 222 Ausschlussgrund verwirklicht hatte, ohne dass allerdings gesagt wer- den kann, die betroffenen Anbieter oder einzelne davon seien zur Ausführung des Auftrags überhaupt nicht geeignet. Die Relativierung der Anforderungen hatte somit nicht den Zweck, ein einzelnes Ange- bot zu begünstigen, sondern diente der Vermeidung des als nutzlos und als Zeitverschwendung erachteten Abbruchs. Von der Lockerung haben alle fünf Anbieter, auch die Beschwerdeführerin, in ver- gleichbarer Weise profitiert; eine Benachteiligung oder rechtsunglei- che Behandlung hat nicht stattgefunden. Bei einer Konstellation wie der vorliegenden, wo kein gültiges Angebot vorliegt, muss es - jedenfalls für ein Einladungsverfahren - im Ermessen der Vergabe- stelle liegen, ob sie das Verfahren entweder als Ganzes wiederholen oder sich auf eine (rechtsgleiche) Relativierung der Anforderungen im laufenden Verfahren beschränken will. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch Folgendes: Wäre es der Vergabebehörde vorlie- gend nur darum gegangen, durch ihr Vorgehen einen bestimmten An- bieter zu begünstigen, wäre es ihr wohl unbenommen gewesen, den Auftrag gestützt auf § 8 Abs. 3 lit. b SubmD freihändig an den favorisierten Anbieter zu vergeben. Entgegen der Ansicht der Be- schwerdeführerin war die Vergabebehörde selbstredend auch nicht verpflichtet, die Zustimmung der Anbieter zu ihrem Vorgehen einzu- holen oder diesen sogar Gelegenheit zu geben, ihr Angebot neu zu kalkulieren. 4.6. (...)
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AG_VG_001_AGVE-2013-39_2013-11-03
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2011 Schulrecht 185 VI. Schulrecht 47 Anfechtbarkeit von Prüfungsnoten/Leistungsausweisen der Fachhoch- schule Nordwestschweiz (FHNW) - Anfechtbar sind Prüfungsnoten/Leistungsausweise der FHNW mit unmittelbaren Auswirkungen auf den Studienverlauf. - Die Leistungsausweise der FHNW sind Entscheide gemäss § 26 VRPG. Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 15. Februar 2011 in Sachen A. gegen B. und C. (WBE.2010.327). Aus den Erwägungen 3. 3.1. Für den Erlass von Verfügungen und für das Rechtsmittelver- fahren gilt das Recht des Kantons Aargau (§ 32 und § 33 des Staatsvertrags zwischen den Kantonen Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt und Solothurn über die Fachhochschule Nordwest- schweiz vom 27. Oktober 2004 / 9. November 2004 / 18./19. Januar 2005 [Staatsvertrag FHNW; SAR 426.070]). Das revidierte Verwaltungsrechtspflegegesetz vom 4. Dezember 2007 verzichtet auf eine Umschreibung des Verfügungsbegriffs bzw. des Begriffs der Entscheide (vgl. § 26 VRPG). Nach der Recht- sprechung zum Verwaltungsrechtspflegegesetz vom 9. Juli 1968 war der Verfügungsbegriff mit der Definition in Art. 5 Abs. 1 VwVG und der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum - inzwischen aufge- hobenen - Art. 97 Abs. 1 OG identisch (AGVE 1978, S. 300; AGVE 1972, S. 339; Michael Merker, Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege [Kommentar zu den §§ 38-72 aVRPG], 2011 Verwaltungsgericht 186 Diss. Zürich 1998, § 38 N 3). Nach dieser Rechtsprechung gilt als Verfügung ein individueller, an den Einzelnen gerichteter Hoheitsakt, durch welchen eine konkrete verwaltungsrechtliche Rechtsbeziehung gestaltend oder feststellend in verbindlicher Weise geregelt wird. Die Verfügung ist also auf Rechtswirkung ausgerichtet (AGVE 2006, S. 85, Erw. 2.1.; AGVE 1981, S. 209 f. je mit Hinweisen; BGE 131 I 13, Erw. 2.2). Diese Ausrichtung erfährt mit der Feststel- lungsverfügung insoweit eine Ausnahme, als diese Verfügungsart Rechte und Pflichten nur autoritativ feststellt, nicht begründet (Art. 25 und Art. 5 Abs. 1 lit. b und c VwVG; Ulrich Häfelin/Georg Müller/Felix Uhlmann, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungs- rechts, 6. Auflage, Zürich 2010, Rz. 858 ff., Rz. 862). Auf dieser Grundlage wird in Lehre und Rechtsprechung der Verfügungscharakter einzelner Zeugnis- und Prüfungsnoten verneint, soweit sie für das Bestehen einer Prüfung oder den Erwerb eines Diploms nicht relevant sind. Die einzelnen Schulnoten beeinflussen ausserhalb eines Promotions- und Prüfungskontextes die Rechtslage der benoteten Schüler nicht, sondern geben lediglich eine Leistungs- qualifikation wieder (vgl. Herbert Plotke, Schweizerisches Schul- recht, 2. Auflage, Bern/Stuttgart/Wien 2003, Kapitel 21.721; BGE 136 I 229, Erw. 2.2 mit Hinweisen; Urteil des Bundesgerichts vom 8. September 2005 [2P.208/2005], Erw. 2.1 und VGE III/35 vom 26. April 2005 [WBE.2005.34]). Bei laufbahnrelevanten Schul- und Zeugnisnoten ist sodann zu differenzieren, ob sich die einzelne Note allein oder im Rahmen eines Notendurchschnitts auf das Ergebnis auswirkt. Zeugnis- und Prüfungsnoten ohne Auswirkungen auf den Ausbildungsgang sind Teil der Begründung eines Prüfungs- oder Promotionsentscheids, weshalb das schutzwürdige Interesse an einer Änderung und damit die Beschwerdelegitimation fehlt. Führt demgegenüber die Gutheissung eines Begehrens zu einer Änderung des Ergebnisses eines Prüfungs- oder eines Promotionsentscheides, kann nicht mehr von fehlenden Rechtswirkungen gesprochen werden (AGVE 2010, S. 235 f. Erw. 4.3.) 2011 Schulrecht 187 3.2. Zur Bestimmung der Rechtsnatur und der Wirkungen des ange- fochtenen Prüfungsentscheides sind die Regelungen, welche die FHNW erlassen hat heranzuziehen. Gemäss Rahmenordnung für die Bachelor- und Masterstudien- gänge an der Fachhochschule Nordwestschweiz vom 1. Januar 2007, mit Änderungen vom 1. Juni 2009 (Rahmenordnung), erhalten die Studierenden nach Abschluss jedes Semesters eine Datenabschrift als Leistungsausweis. Im Leistungsausweis sind alle im betreffenden Se- mester besuchten Module mit den entsprechenden Leistungsbewer- tungen und vergebenen ECTS-Credits aufgeführt (§ 7 Abs. 4 Satz 1 und § 5 Rahmenordnung). Diese Datenabschrift ist als einsprache- fähige Verfügung mit Rechtsmittelbelehrung auszustellen (§ 7 Abs. 4 Satz 2 Rahmenordnung). Ebenso sehen die §§ 7 und 9 der Studien- und Prüfungsordnung des Bachelor of Science in Wirtschaftsinfor- matik vom 1. Oktober 2006 (StuPO FHNW) eine Leistungsbewer- tung und einen Leistungsausweis mit ECTS-Credits und Bewertun- gen vor. Gemäss § 14 Abs. 1 StuPO FHNW sind Entscheidungen gestützt auf die StuPO FHNW den Betroffenen schriftlich und mit Rechtsmittelbelehrung mitzuteilen. Einsprachen gegen Entscheide, "die auf dieser Ordnung basieren" sind bei der Hochschuldirektion zu erheben (§ 14 Abs. 2 Satz 1 StuPO FHNW). Die Überprüfung einzelner Leistungsbewertungen "wegen Unangemessenheit" ist aus- geschlossen und erfolgt lediglich "im Hinblick auf Missbrauch und Willkür" (§ 14 Abs. 2 Satz 2 StuPO FHNW). Die Bestimmungen im Abschnitt "V. Beschwerdeverfahren" setzen die Regeln über die Rechtspflege in § 15 Rahmenordnung um. Der Hinweis der Be- schwerdekommission FHNW auf die Möglichkeit einer Fortsetzung des Studiums mit Wiederholung des Moduls oder durch den Besuch anderer Module die erforderliche Mindestzahl in den Modulgruppen erreichen zu können ändert nichts an der reglementarischen Verfü- gungsqualität und Anfechtungsfähigkeit des Leistungsausweises. Eine ungenügende Leistungsbewertung in einem Pflichtmodul ver- pflichtet die Studierenden zur Wiederholung (§ 8 Rahmenordnung und § 8 StuPO FHNW). Bei Wahlpflichtmodulen und Wahlmodulen (vgl. dazu § 4 Rahmenordnung; § 5 StuPO FHNW) können die Stu- 2011 Verwaltungsgericht 188 dierenden allenfalls auf andere Module ausweichen. Diese Regelung zeigt, dass die Prüfungsbewertung unmittelbare Auswirkung auf den Studienverlauf hat. Zudem sind die einzelnen Abschlüsse in den Modulen für den Studienabschluss relevant (vgl. § 12 Abs. 1 StuPO FHNW). Das Erreichen der ECTS-Credits steht nicht im Ermessen der Direktion oder der Hochschulleitung der FHNW, sondern be- stimmt sich nach der Rahmenordnung und der StuPO FHNW auch aus den Noten der Modulprüfungen (§ 6 Rahmenordnung; § 7 StuPO FHNW und Anhang). Die Wirkung der einzelnen Note einer Modul- prüfung ist daher nicht auf die tatsächlichen Folgen beschränkt. Die Bewertung einer Prüfung mit den reglementarischen ECTS-Credits im Leistungsausweis trifft eine Feststellung mit hoheitlichem Charakter. Der Leistungsausweis vom 12. März 2010 stellt daher nach der Rahmenordnung, der StuPO FHNW und den Auswirkungen einen Entscheid mit hoheitlichem Charakter gemäss § 26 VRPG dar. (...) 3.3. Die Beschwerdekommission FHNW führt des Weiteren an, dass sie nach § 33 Abs. 5 Staatsvertrag FHNW bei Beschwerden gegen Prüfungsentscheide eine beschränkte Kognition habe. Die einge- schränkte Kognition ist jedoch keine Frage der Zuständigkeit, son- dern der Überprüfungsbefugnis einer Rechtsmittelinstanz.
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2008 Sozialhilfe 245 [...] 41 Therapieaufenthalte suchtmittelabhängiger Personen (§ 14 SPG). - Voraussetzungen der Kostenübernahme. - Nur bei einer Gleichwertigkeit zweier Therapieangebote liegt es im Ermessen der Sozialbehörde, das günstigere bzw. das von der Kran- kenkasse anerkannte zu wählen. Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 20. Juni 2008 in Sachen Einwohnergemeinde X. gegen das Bezirksamt Aarau (WBE.2008.79). Aus den Erwägungen 1. Sozialhilfe bezweckt die Existenzsicherung, fördert die wirt- schaftliche und persönliche Selbstständigkeit und unterstützt die ge- sellschaftliche Integration (§ 4 Abs. 1 SPG). Die Existenzsicherung gewährleistet Ernährung, Kleidung, Obdach und medizinische Grundversorgung (§ 3 Abs. 1 SPV). Materielle Hilfe wird auf Ge- such hin in der Regel durch Geldleistungen oder durch Erteilung von 2008 Verwaltungsgericht 246 Kostengutsprachen gewährt (§ 9 Abs. 1 SPG). Kostengutsprachen sind, sofern die Voraussetzungen zur Gewährung materieller Hilfe gegeben sind, insbesondere an medizinische Leistungserbringer im ambulanten und im stationären Bereich sowie an Heime zu erteilen (§ 9 Abs. 1 SPV). Ohne Kostengutsprache oder bei verspäteter Ge- suchstellung besteht keine Pflicht zur Kostenübernahme bereits er- brachter Leistungen (§ 9 Abs. 4 SPV). Für die Bemessung der mate- riellen Hilfe sind gemäss § 10 Abs. 1 SPG i.V.m. § 10 Abs. 1 SPV grundsätzlich die Richtlinien für die Ausgestaltung und Bemessung der Sozialhilfe, herausgegeben von der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS-Richtlinien), 3. Auflage, Dezember 2000, verbindlich. Die Kosten des Aufenthalts suchtmittelabhängiger Personen in einer Therapieeinrichtung werden als materielle Hilfe übernommen, wenn die Therapieeinrichtung im Sinne von § 15 SPG anerkannt ist. Besondere Bestimmungen bleiben vorbehalten (§ 14 Abs. 1 SPG). Die Gemeinde entscheidet beförderlich über die Erteilung der Kos- tengutsprache (§ 14 Abs. 3 SPG). Sie stützt sich bei ihrem Entscheid auf die Abklärungen und Empfehlungen medizinischer und anderer Fachstellen, die dabei die Bedürfnisse der Hilfe suchenden Personen berücksichtigen (§ 14 Abs. 4 SPG). Die Pflicht zur Erteilung einer Kostengutsprache für Aufent- halte in Heimen oder Kliniken als Form materieller Hilfe ist nach der Rechtsprechung an verschiedene Voraussetzungen geknüpft. Neben der materiellen Notlage, die es dem Gesuchsteller unmöglich macht, für die Kosten einer therapeutischen Behandlung - nach Abzug all- fälliger Versicherungsleistungen - selber aufzukommen, muss seine Behandlungsbedürftigkeit, aber auch seine Behandlungswilligkeit feststehen. Im Weiteren muss die dafür vorgesehene Institution für die Behandlung geeignet sein. Soweit erforderlich, ist zur Beant- wortung dieser Fragen auf die Beurteilung von Fachleuten abzustel- len (AGVE 1993, S. 613 mit Hinweis; VGE II/28 vom 9. April 2003 [BE.2003.00038], S. 16 f.). 2. Der Beschwerdegegner ist drogensüchtig. Er hat am 7. August 2007 einen ersten Anlauf für einen Entzug mit anschliessender 2008 Sozialhilfe 247 Suchttherapie genommen. Dieser Versuch wurde am 24. September 2007 abgebrochen. Am 16. Oktober 2007 meldete sich der Be- schwerdegegner erneut für eine Entzugsbehandlung in der Klinik für Suchtmedizin an. Diese erachtete den Beschwerdegegner nach er- folgter Entzugsbehandlung als rückfallgefährdet. Die Behandlungs- bedürftigkeit des suchtmittelabhängigen Beschwerdegegners ist des- halb für das Verwaltungsgericht erstellt. Gleichermassen verhält es sich mit dessen Behandlungswilligkeit. Beim ersten Therapieversuch ist der Beschwerdegegner zwar gescheitert. Daraus kann jedoch nicht ohne weiteres auf eine fehlende Behandlungswilligkeit geschlossen werden. Therapieabbrüche und wiederholte Anläufe für eine Sucht- therapie kommen bei Drogenabhängigen relativ häufig vor. Dass der Beschwerdegegner behandlungsbedürftig und behandlungswillig ist, wird denn auch von der Einwohnergemeinde X. nicht bestritten. Des- halb hat sie in ihrem ablehnenden Beschluss vom 26. November 2007 ausdrücklich festgehalten, dass sie die Kostengutsprache ge- genüber der Klinik im Hasel aufrechterhalten werde. 3. Strittig ist, ob der zweite Therapieversuch des Beschwerdegeg- ners wiederum in der Klinik im Hasel oder im Reha-Zentrum Nie- derlenz (mit einem vorgängigen Übergangsprogramm in der Klinik für Suchtmedizin) durchzuführen ist. 3.1. 3.1.1. Die Klinik für Suchtmedizin empfiehlt für den zweiten Versuch einer suchtspezifischen stationären Langzeittherapie nicht mehr die Klinik im Hasel, sondern das Reha-Zentrum Niederlenz. Dieses biete einen überschaubareren, familiären Rahmen und sei aufgrund der spezifischen Bedürfnisstruktur und der persönlichen Biografie des Beschwerdegegners bestens geeignet. Für die Zeit bis zum Übertritt in das Reha-Zentrum Niederlenz wird das sozialtherapeutische Übergangsprogramm in der Klinik für Suchtmedizin empfohlen. Die Klinik im Hasel erachtet den Beschwerdegegner für eine erneute Aufnahme als nicht geeignet. Die Klinik im Hasel setze ein hohes Mass an Eigenverantwortung und Selbstdisziplin als Basis für eine erfolgreiche Therapie voraus. Diese Voraussetzungen habe der 2008 Verwaltungsgericht 248 Beschwerdegegner nicht mitbringen können. Geeigneter wären des- halb eher familiär ausgerichtete Therapiesettings mit deutlich struk- turierenden und kontrollierenden Elementen, wie sie z.B. das Reha- Zentrum Niederlenz darstelle. 3.1.2. (...) 3.1.3. Im verwaltungs- sowie im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung. Die Behörden prüfen den Sachverhalt von Amtes wegen und stellen hiezu die notwendigen Ermittlungen an. Sie würdigen das Ergebnis der Untersuchung frei und wenden das Recht von Amtes wegen an (§ 20 Abs. 1 VRPG). Auf Gutachten ist abzustellen, wenn sie schlüssig erscheinen. Ein Grund zum Abweichen kann vorliegen, wenn die Gerichtsexpertise widersprüchlich ist oder wenn ein vom Gericht eingeholtes Obergut- achten in überzeugender Weise zu anderen Schlussfolgerungen ge- langt. Abweichende Beurteilung kann ferner gerechtfertigt sein, wenn gegensätzliche Meinungsäusserungen anderer Fachexperten dem Richter als triftig genug erscheinen, die Schlüssigkeit des Ge- richtsgutachtens in Frage zu stellen, sei es, dass er die Überprüfung durch einen Oberexperten für angezeigt hält, sei es, dass er ohne Oberexpertise vom Ergebnis des Gerichtsgutachtens abweichende Schlussfolgerungen zieht (BGE 125 V 351 Erw. 3a/aa mit Hinwei- sen). 3.1.4. Die Empfehlungen der Klinik für Suchtmedizin sowie der Kli- nik Hasel liefern nachvollziehbare Begründungen, weshalb ein zweiter Anlauf für eine stationäre Drogentherapie in einer anderen Institution als der Klinik im Hasel erfolgen sollte. Diese Begründun- gen erscheinen dem Verwaltungsgericht als schlüssig. Allein aus dem Umstand, dass die Klinik für Suchtmedizin und das Reha-Zentrum der gleichen Stiftung angehören, kann noch nicht der Schluss gezo- gen werden, die betreffenden Fachpersonen seien nicht in der Lage, unabhängige Empfehlungen abzugeben. Dies zeigt sich auch daraus, dass die Klinik für Suchtmedizin den Beschwerdegegner anlässlich des ersten Entzugs auf die verschiedenen Therapieangebote hinge- wiesen und anschliessend eine Empfehlung für die Klinik im Hasel 2008 Sozialhilfe 249 abgegeben hat. Der Vorhalt, die Klinik im Hasel hätte bei einer all- fälligen Unterbelegung eine andere Empfehlung abgegeben, stellt eine reine Vermutung dar. Die Einwohnergemeinde X. hält denn auch ausdrücklich fest, dass sie an der Fachkompetenz der Personen, wel- che diese Empfehlungen verfasst haben, nicht zweifle, und beantragt kein Obergutachten. Unter Berücksichtigung der fachrichterlichen Mitwirkung bei der Beurteilung der Empfehlungen der betreffenden Fachstellen ist der relevante Sachverhalt für die umstrittene Frage, bei welcher In- stitution Kostengutsprache für eine stationäre suchtspezifische Lang- zeittherapie Kostengutsprache zu erteilen sei, ausreichend erstellt. Auf die Vornahme weiterer Abklärungen oder das Einholen weiterer Gutachten kann deshalb verzichtet werden. 3.2. Die Einwohnergemeinde X. stellt die Eignung des Reha-Zent- rums Niederlenz (sowie des Übergangsprogramms in der Klinik für Suchtmedizin) nicht grundsätzlich in Frage. Sie macht jedoch gel- tend, dass auch die Klinik im Hasel geeignet und zumutbar sei. Dies müsse aus dem Umstand geschlossen werden, dass es sich bei der Suchtklinik Hasel um eine von den Krankenkassen anerkannte The- rapieinstitution handle. Der Unterschied zwischen den beiden Thera- pieeinrichtungen liege vor allem in den für die Einwohnergemeinde X. entstehenden Kosten. Bei im Wesentlichen medizinischer/thera- peutischer Gleichwertigkeit der Angebote müsse auch der - vorlie- gend sogar enorme - Preisunterschied für das zahlungspflichtige Ge- meinwesen eine Rolle spielen dürfen. Die Gewährleistung der Existenzsicherung umfasse nur die me- dizinische Grundversorgung gemäss § 3 Abs. 1 SPV. Medizinische Grundversorgung heisse nicht Finanzierung nach den Wünschen und Vorstellungen des sozialhilfeberechtigten Anspruchsstellers mit allen zu Verfügung stehenden Mitteln und Institutionen, ungeachtet der Kosten für die Allgemeinheit. Gemäss § 5 Abs. 1 SPG bestehe ein Anspruch auf Sozialhilfe nur, wenn u.a. andere Hilfeleistungen nicht erhältlich seien oder nicht ausreichten. Mit seiner Weigerung, in die Klinik im Hasel ein- treten zu wollen, verzichte der Beschwerdegegner freiwillig auf "an- 2008 Verwaltungsgericht 250 dere Hilfeleistungen", so insbesondere auf Beiträge der Krankenver- sicherung. Gemäss Bericht der Klinik im Hasel vom 16. Dezember 2007 sei er zum damaligen Zeitpunkt von der Situation überfordert gewesen. Dies bedeute nicht, dass er es heute immer noch sei. Er be- finde sich bereits zum zweiten Mal in der Klinik für Suchtmedizin. Die Einwohnergemeinde X. fragt sich, wieso dies nicht auch in der Klinik im Hasel möglich sein soll. Die Einwohnergemeinde X. kritisiert weiter das Schreiben des Departementsvorstehers des DGS vom 12. Februar 2007. Sie könne mit der dort geäusserten Meinung, dass aus gesundheitspolitischen, ethischen und volkswirtschaftlichen Überlegungen in Bezug auf die gesamthaft eingesetzten Mittel von Gemeinden, Kanton und Kran- kenkassen nur die am besten geeigneten und die erfolgversprechend- sten Behandlungen süchtigen Menschen ermöglicht werden sollten, nichts anfangen. Die Einwohnergemeinde X. stellt die rechtliche Verbindlichkeit dieses Schreiben in Frage. 3.3. 3.3.1. Die Existenzsicherung umfasst u.a. die medizinische Grundver- sorgung (§ 4 Abs. 1 SPG i.V.m. § 3 Abs. 1 SPV). Zur genaueren Festlegung, was unter die medizinische Grundversorgung fällt, haben die SKOS-Richtlinien (siehe vorne Erw. 1) z.B. in Bezug auf Kosten- gutsprachen für Zahnbehandlungen die Grundsätze von Art. 32 Abs. 1 KVG sinngemäss übernommen (SKOS-Richtlinien, Kapi- tel H-2). Nach dieser Bestimmung müssen die von der Krankenver- sicherung übernommenen Leistungen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Das Sozialhilfe- und Präventionsgesetz regelt je- doch die Voraussetzung der Kostenübernahme für Therapieaufent- halte suchtmittelabhängiger Personen in einem gesonderten Ab- schnitt (vgl. § 14 SPG; Abschnitt: "IV. Sonderbestimmungen", sowie § 16 SPV). Die oben erwähnten Grundsätze des Krankenversiche- rungsgesetzes finden in den sozialhilferechtlichen Bestimmungen zu Kostengutsprachen für Therapieeinrichtungen keine Erwähnung. Die dem Kostengutsprachegesuch beizulegenden Stellungnahmen von Fachstellen haben sich gemäss § 16 Abs. 2 SPV zur Therapiebedürf- tigkeit und Therapiebereitschaft der gesuchstellenden Person zu äus- 2008 Sozialhilfe 251 sern sowie sich mit der Frage der geeigneten Therapieeinrichtung auseinanderzusetzen. Die genannte Bestimmung sieht aber ausdrück- lich vor, dass die Fachstellen auch zu weiteren Faktoren Stellung nehmen ("nebst anderem"). Unter diesem Gesichtspunkt kann auch die Frage der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit berücksichtigt werden. Die Stellungnahmen der Fachstellen bedeuten nicht, dass der Sozialbehörde beim Entscheid über das Gesuch keinerlei Ermessen zukommt. Fachspezifische Beurteilungen, wie hier die Frage der Notwendigkeit einer suchtspezifischen Langzeittherapie für eine So- zialhilfeempfängerin, können zu einem Ergebnis führen, wonach eine solche Behandlung zwar als nicht zwingend geboten, jedoch als wünschbar erscheint. In diesem Sinne verbleibt der entscheidungsbe- fugten Sozialbehörde durchaus ein Ermessensspielraum. Bei der diesbezüglichen Ermessensausübung darf und muss sie auch andere sachliche Gesichtspunkte (nicht fachspezifischer Art) berücksichti- gen, namentlich auch finanzielle Gesichtspunkte (Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 19. Mai 2004 [VB.2004.00088], Erw. 3.5). Stehen sich zwei gleichwertige Thera- pieangebote gegenüber, liegt es ebenfalls im Ermessen der Sozialbe- hörde, das günstigere zu wählen (vgl. SOG 1998, S. 118). Dies ergibt sich bereits aus § 4 SPG, wonach die Sozialhilfe (lediglich) die Exis- tenzsicherung bezweckt. Es ergibt sich aber auch aus der Pflicht der Gemeindebehörden, mit den ihnen zu Verfügung stehenden finanziel- len Mitteln sinnvoll und haushälterisch umzugehen (vgl. dazu § 2 Abs. 1 des für die kantonalen Behörden und die kantonale Verwal- tung geltenden Gesetzes über die wirkungsorientierte Steuerung von Aufgaben und Finanzen vom 11. Januar 2005 [GAF; SAR 612.100], wonach die zur Erfüllung der Aufgaben erbrachten Leistungen [Geld-, Sach- oder Dienstleistungen] auf ihre Wirksamkeit und Wirt- schaftlichkeit zu überprüfen sind). 3.3.2. Das Schreiben des Departementsvorstehers des DGS vom 12. Februar 2007, welches das Resultat einer Diskussion im Fach- ausschuss DGS festhält, steht mit dieser Rechtsprechung im Ein- klang. Es hält fest, dass für die Auswahl der Therapie nicht aus- 2008 Verwaltungsgericht 252 schliesslich der finanzielle Aspekt im Vordergrund stehen könne. Bei der Beurteilung seien fachliche Argumente im Sinne der Gesetzge- bung (§§ 14 und 15 SPG, insbesondere § 14, sowie §§ 16 und 17 SPV, insbesondere § 16) mit zu berücksichtigen. Der Erfolg könne sich nur einstellen, wenn der Patient die für ihn geeignetste Behand- lung erhalte. Die Empfehlungen eines Fachausschusses weisen weder Geset- zeskraft auf noch binden sie grundsätzlich den Richter oder die Ver- waltungsbehörden. Dennoch sind solche Empfehlungen oder Richtli- nien nach konstanter Rechtsprechung des Bundesgerichts in der Re- gel Ausdruck des Wissens und der Erfahrung bewährter Fachstellen und in diesem Sinn beachtlich (BGE vom 10. September 2007 [1C_97/2007], Erw. 2.4 mit Hinweisen). Die Vorinstanz hat demnach zu Recht auf das Schreiben des Departementsvorstehers des DGS vom 12. Februar 2007 abgestellt. 3.4. Der Kanton Aargau verfügt über mehrere Therapieeinrichtun- gen mit verschiedenartigen Angeboten für suchtmittelabhängige Per- sonen. Das Reha-Zentrum, die Klinik für Suchtmedizin und die Kli- nik im Hasel sind anerkannte Therapieeinrichtungen im Sinne von § 15 Abs. 1 SPG (Beschluss des Regierungsrats vom 28. Februar 2007 [Art. Nr. 2007-0002343]). Eine dieser Institutionen - die Klinik im Hasel - ist von der Krankenkasse anerkannt. Dies führt dazu, dass sich im vorliegenden Fall zwei Therapieeinrichtungen zur Auswahl gegenüberstehen, die sich nicht nur durch ihr Konzept unterscheiden, sondern auch durch eine unterschiedliche finanzielle Belastung, wel- che sie für das kostentragende Gemeinwesen darstellen. Für das Verwaltungsgericht ist aufgrund der Stellungnahmen der Fachstellen (siehe vorne Erw. 3.1.1) erstellt, dass das Reha-Zen- trum Niederlenz (kombiniert mit dem sozialtherapeutischen Über- gangsprogramm in der Klinik für Suchtmedizin) für den Beschwer- degegner die geeignete Therapieeinrichtung darstellt. Aus den Stel- lungnahme der Fachstellen geht deutlich hervor, dass die Klinik im Hasel den Beschwerdegegner überfordert, indem sie ein hohes Mass an Eigenverantwortung und Selbstdisziplin voraussetzt. Der Be- schwerdegegner benötigt einen überschaubaren, familiären Rahmen 2008 Sozialhilfe 253 sowie mehr strukturierende und kontrollierende Elemente, als ihm dies die Klinik im Hasel bieten kann. Die Fachstellen können sich bei diesen Empfehlungen auf die gemachten Erfahrungen während des ersten gescheiterten Therapieversuchs des Beschwerdegegners in der Klinik im Hasel abstützen. Es wäre somit - auch unter finanziel- len Gesichtspunkten - wenig sinnvoll, trotz der negativen Erfahrun- gen, welche im vorliegenden Fall mit dem Therapiekonzept in der Klinik im Hasel gemacht wurden, versuchsweise nochmals einen zweiten, gleichartigen Versuch zu starten, wie dies die Einwohner- gemeinde X. fordert. Vielmehr leuchtet es ein, dass für den Be- schwerdegegner ein andersartiges Therapiekonzept für den zweiten Versuch fachspezifisch indiziert ist. Ist - wie vorliegend - nur eine der beiden Institutionen auf- grund ihres Konzepts für eine Therapie des Beschwerdegegners ge- eignet, so stehen einander nicht zwei gleichwertig geeignete Thera- pieeinrichtungen gegenüber. Damit verbleibt auch kein Ermessens- spielraum für die kostentragende Gemeinde, die kostengünstigere Variante auszuwählen (siehe vorne Erw. 3.3). Unbehelflich ist auch die Berufung auf das in § 5 Abs. 1 SPG ausgedrückte Subsidiaritätsprinzip (siehe vorne Erw. 3.2), wonach Anspruch auf Sozialhilfe besteht, sofern die eigenen Mittel nicht ge- nügen und andere Hilfeleistungen nicht rechtzeitig erhältlich sind oder nicht ausreichen. Dem Beschwerdegegner kann nicht entgegen- gehalten werden, er müsse die für ihn nicht geeignete Therapie als "andere Hilfeleistung" in Anspruch nehmen. Die Einwohnergemeinde X. hat deshalb die Kostengutsprache für den zweiten Therapieversuch im Reha-Zentrum Niederlenz (kombiniert mit dem sozialtherapeutischen Übergangsprogramm in der Klinik für Suchtmedizin) zu Unrecht abgelehnt. Die Beschwerde ist demnach vollumfänglich abzuweisen.
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AG_VG_001
AG_VG
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Northwestern_Switzerland
AG_VG_001_AGVE-2008-41_2008-06-04
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2008 Verwaltungsgericht 230 [...] 38 Betriebskosten eines Motorfahrzeugs (§ 10 Abs. 5 lit. c SPV). - Wird ein Motorfahrzeug von einem Dritten zur Verfügung gestellt, so muss dessen Benützung durch den Sozialhilfeempfänger eine gewisse Intensität aufweisen. Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 9. April 2008 in Sachen R.R. gegen das Bezirksamt Baden (WBE.2007.395). Aus den Erwägungen 1. 1.1. (...) 1.2. Vom Bedarf der Hilfe suchenden Person werden die Betriebs- kosten eines Motorfahrzeugs in Abzug gebracht, sofern dessen Be- nützung nicht beruflich oder krankheitsbedingt zwingend erforder- lich ist (§ 10 Abs. 5 lit. c Satz 1 SPV). Ein durch Dritte zur Verfü- gung gestelltes Motorfahrzeug gilt als Naturalleistung, die ohne Vor- liegen der erwähnten zwingenden Gründe als eigene Mittel ange- rechnet wird (§ 10 Abs. 5 lit. c Satz 3 SPV). 2008 Sozialhilfe 231 2. 2.1. Das Bezirksamt führte im Entscheid vom 17. Dezember 2007 aus, am 14. Februar 2007 habe der Beschwerdeführer sein Fahrzeug verkauft, wobei er das Auto weiterhin nutzen dürfe. Vor dem Hinter- grund, dass die Miete eine Autos der unteren Mittelklasse pro Tag ca. Fr. 225.-- koste, erscheine die Aufrechnung einer monatlichen Zu- wendung in der Höhe von Fr. 200.-- durchaus vertretbar. Es dürfe je- doch auch für den Monat Februar 2007 nur eine Aufrechnung auf der Basis von Fr. 200.-- erfolgen. Da der Verkauf des Wagens am 14. Februar 2007 erfolgt sei, dürfe für den Monat Februar 2007 zu- dem nur ein halber Monat, d.h. Fr. 100.--, angerechnet werden. 2.2. (...) 3. 3.1. Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer sein Fahrzeug an einen Dritten verkauft hat und die Fahrzeugkosten vom neuen Halter bezahlt werden. Ein Abzug der Betriebskosten in Anwendung von § 10 Abs. 5 lit. c Satz 1 SPV ist daher nicht zulässig. Sodann wird vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht, dass er berufs- oder krankheitsbedingt zwingend auf das Auto angewiesen sei. Zu prüfen ist jedoch, ob die Vorinstanz § 10 Abs. 5 lit. c Satz 3 SPV richtig an- gewandt hat bzw. ob diese Bestimmung im vorliegenden Fall über- haupt zur Anwendung gelangt. 3.2. In § 10 Abs. 5 lit. c SPV werden zwei Arten der Fahrzeugbe- nützung unterschieden: einerseits die Benützung des eigenen Fahr- zeugs, andererseits das zur Verfügung Stellen des Fahrzeugs durch einem Dritten. Das Benützen des eigenen Fahrzeugs führt dazu, dass die Betriebskosten in Abzug gebracht werden (Satz 1). Grundge- danke dieser Bestimmung ist das Subsidiaritätsprinzip in der Sozial- hilfe, wonach der Anspruch auf Sozialhilfe nur besteht, sofern die ei- genen Mittel nicht genügen (vgl. § 5 Abs. 1 SPG). Besitzt der So- zialhilfeempfänger ein eigenes Fahrzeug, so verwendet er die Unter- stützungsleistung nicht nach ihrem ursprünglichen Zweck (Grundbe- darf, Wohnkosten, medizinische Grundversorgung, usw.; siehe dazu 2008 Verwaltungsgericht 232 VGE IV/26 vom 29. März 2007 [WBE.2007.12], S. 6; VGE IV/37 vom 6. Juli 2006 [WBE.2006.142], S. 7). Auflagen und Weisungen (so eben der Verkauf des Fahrzeugs) sichern die richtige Verwendung der materiellen Hilfe (§ 14 SPV). Der Beschwerdeführer ist nicht mehr Halter und Eigentümer des Fahrzeugs. Eine Kürzung wegen Verletzung der Auflage, das Fahrzeug zu verkaufen, ist daher unzu- lässig. Satz 3 will die Umgehung von Satz 1 verhindern. An der Grundaussage, dass der Sozialhilfeempfänger aus beruflichen oder gesundheitlichen Gründen kein Fahrzeug benötigt, ändert sich näm- lich nichts. Wird das Fahrzeug von einem Dritten zur Verfügung ge- stellt, so muss dessen Benützung durch den Sozialhilfeempfänger je- doch eine gewisse Intensität aufweisen; gelegentliches Benützen darf nicht umgehend einen Abzug bzw. eine Aufrechnung nach sich zie- hen (vgl. VGE IV/21 vom 26. April 2006 [WBE.2005.412], S. 12). § 10 Abs. 5 lit. c SPV gibt aber keine Grundlage für eine Aufrech- nung eines allfälligen zu tiefen Verkaufserlös. Den Akten sind keine Anhaltspunkte zu entnehmen, wonach das Fahrzeug dem Beschwerdeführer ab Februar 2007 längerfristig oder wiederholt zur Verfügung gestellt wird. Auch die Gemeinde A. bringt nicht vor, dass der Beschwerdeführer das Fahrzeug mehr als nur gelegentlich benutzt. Entsprechende Ausführungen können sodann auch dem Entscheid der Vorinstanz nicht entnommen werden. Es ist somit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer das verkaufte Fahrzeug nur gelegentlich benutzt. Die Aufrechnung eigener Mittel gestützt auf § 10 Abs. 5 lit. c Satz 3 SPV ab 14. Februar 2007 ist daher nicht rechtmässig. Sollte der Beschwerdeführer das Fahrzeug in Zukunft mehr als nur gelegentlich benutzen, ist eine Anrechnung eigener Mittel zulässig, jedoch nur insoweit, als der Beschwer- deführer durch die Fahrzeugbenützung finanziell begünstigt ist.
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AG_VG_001
AG_VG
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AG_VG_001_AGVE-2008-38_2008-04-04
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2,007
de
2007 Verwaltungsrechtspflege 217 [...] 51 Treu und Glauben. Anspruch auf Veranlagung gemäss einer zuvor erhaltenen unrichtigen Auskunft? - Voraussetzungen für die Verbindlichkeit einer unrichtigen Auskunft. 2007 Verwaltungsgericht 218 - Nachweis nachteiliger Dispositionen, wenn diese in (behaupteten) Unterlassungen bestehen. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 7. Dezember 2007 in Sachen E.S. gegen Steuerrekursgericht (WBE.2007.309). Zur Publikation vorgesehen in StE 2008. Sachverhalt Der Steuerpflichtige meldete sich zur Teilnahme an einem be- fristeten friedenserhaltenden Einsatz der Schweizer Armee im Aus- land (SWISSCOY). Von einem zuständigen Mitglied der Steuerbe- hörde erhielt er die Auskunft, die Einkünfte aus dem SWISSCOY- Einsatz müssten nicht versteuert werden, sondern würden lediglich satzbestimmend berücksichtigt. Nach seiner Rückkehr wurden diese Einkünfte trotzdem erfasst mit der (zutreffenden) Begründung, die Auskunft sei falsch gewesen. Darauf machten er und seine Ehefrau geltend, er habe gestützt auf die Auskunft auf Vorkehrungen zur Verlegung seines Wohnsitzes ins Ausland verzichtet (wonach die SWISSCOY-Einkünfte in der Schweiz nicht hätten besteuert werden können), und sie beanspruchten, gemäss der - wenn auch falschen - Auskunft veranlagt zu werden. Aus den Erwägungen 4./4.1. Die Gesetzmässigkeit der Verwaltung und damit verbun- den der Grundsatz der Gleichbehandlung verbieten es von vorn- herein, jede falsche behördliche Auskunft als verbindlich zu behan- deln in dem Sinne, dass daraus im Einzelfall ein Anspruch auf ent- sprechend falsche Gesetzesanwendung entstünde. Mit der Tatsache, dass der Vorsteher des Gemeindesteueramtes in Aussicht stellte, das Einkommen des Beschwerdeführers werde in Abzug gebracht (d.h. nur satzbestimmend berücksichtigt), lässt sich das Beschwerdebe- 2007 Verwaltungsrechtspflege 219 gehren daher nicht begründen, da diese Auskunft mit dem geltenden Recht nicht in Übereinstimmung zu bringen ist. 4.2./4.2.1. Nach dem heute in Art. 9 BV ausdrücklich veran- kerten Grundsatz von Treu und Glauben kann eine unrichtige be- hördliche Auskunft unter bestimmten Umständen Rechtswirkungen entfalten. Voraussetzung dafür ist, dass sich die Auskunft auf eine konkrete, den betreffenden Bürger berührende Angelegenheit be- zieht, dass die Amtsstelle für die Auskunftserteilung zuständig war oder der Bürger sie aus zureichenden Gründen als zuständig be- trachten durfte, dass der Bürger die Unrichtigkeit der Auskunft nicht ohne weiteres erkennen konnte, dass er im Vertrauen hierauf eine nicht ohne Nachteil rückgängig zu machende Disposition getroffen hat und dass sich die Rechtslage seit der Auskunftserteilung nicht geändert hat (BGE 127 I 36; 121 II 479). Selbst wenn diese Voraus- setzungen erfüllt sind, bedarf es zusätzlich einer Abwägung des In- teresses an der richtigen Durchsetzung des objektiven Rechts gegen- über demjenigen des Vertrauensschutzes (BGE 116 Ib 187). 4.2.2. Im vorliegenden Fall ist vor allem fraglich, ob die Be- schwerdeführer nachteilige Dispositionen getroffen haben. In dieser Beziehung wird vorgebracht, sie hätten es unterlassen, sich gericht- lich zu trennen oder andere steuersparende Massnahmen, wie bei- spielsweise die vollumfängliche Aufgabe des Wohnsitzes in S. durch beide Ehegatten mit Vermietung/ Verkauf der Liegenschaft, über- haupt nur zu prüfen. Wenn die geltend gemachten nachteiligen Dispositionen in Un- terlassungen bestehen, muss der Bürger, der wegen einer falschen Auskunft eine Vorzugsbehandlung im Vergleich zum objektiven Recht beansprucht, glaubhaft machen, dass er bei korrekter Auskunft die unterlassene Handlung tatsächlich vorgenommen hätte. Selbst wenn es vereinzelte Zeitgenossen geben mag, die um einer Steuerer- sparnis willen ein aufwendiges und sogar ein abwegiges und wirt- schaftlich nachteiliges Vorgehen in Betracht ziehen, ist nicht hierauf abzustellen, sondern als glaubhaft - auch ohne strikten Nachweis - erscheint ein Vorgehen, wie es vernünftige Bürger in der gleichen Situation wählen würden. Um dagegen anzuerkennen, jemand hätte sich gegen die wirtschaftliche Vernunft verhalten, nur um von der 2007 Verwaltungsgericht 220 falschen Auskunft zu profitieren, bedarf es überzeugender Beweis- mittel. Die Beschwerdeführer machen nicht geltend, wegen Ehepro- blemen wäre es ohnehin zu einer Trennung gekommen. Sie leben denn auch seit der Rückkehr des Beschwerdeführers von seinem Auslandeinsatz wieder zusammen in ihrem Haus. Eine gerichtliche Trennung der Ehe zwecks Steuerersparnis, also zu einem diesem Institut völlig fremden Zweck, läuft auf Rechtsmissbrauch bzw. auf eine Steuerumgehung hinaus (siehe dazu BGE 131 II 267; Häfe- lin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Auflage, Zü- rich/Basel/Genf 2006, Rz. 715 ff.). Wer aber eine Behandlung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben beansprucht (siehe vorne Erw. 4.2.1), darf selber nicht treuwidrig handeln. Die "entgangene Möglichkeit", durch gerichtliche Trennung und anschliessende Ab- meldung den Wohnsitz des Ehemanns zu verlegen, kann deshalb nicht als "nachteilige Disposition" im Sinne des Vertrauensschutzes anerkannt werden. Die weitere angedeutete Möglichkeit, dass die Beschwerdefüh- rer ihre eigene Liegenschaft hätten vermieten/verkaufen und dann beide von S. wegziehen können, ist nicht mehr als eine blosse Hy- pothese. Zudem ist es unglaubwürdig, dass die Beschwerdeführer die ganzen Umstände um eines temporären Steuervorteils willen auf sich genommen hätten, wenn sie ja eigentlich nach einem Jahr wieder gemeinsam in ihrem Haus leben wollten (wie sie es dann tatsächlich auch machten). 4.2.3. Aus der falschen Auskunft können die Beschwerdeführer somit keinen Anspruch auf gesetzwidrige Bevorteilung ableiten.
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2003 Verwaltungsrechtspflege 311 [...] 78 Rechtliches Gehör. Akteneinsichtsrecht. - Untaugliche Beweismittel müssen nicht abgenommen werden; antizi- pierte Beweiswürdigung (Erw. 1). - Zieht eine Behörde Akten bei, so haben die Parteien Anspruch auf Einsicht, selbst wenn die Behörde die Akten als irrelevant betrachtet (Erw. 2/a-c). - Verweigerte Akteneinsicht: Heilung im Rechtsmittelverfahren (Erw. 2/d). 2003 Verwaltungsgericht 312 Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 10. September 2003 in Sachen G..B. gegen Entscheid des Steuerrekursgerichts. Aus den Erwägungen 1. a) Im Sinne eines Beweisantrages verlangt die Beschwerde- führerin den Beizug sämtlicher Steuerakten ihres verstorbenen Ehe- mannes. b) Vom Steuerpflichtigen oder der Steuerbehörde angebotene, gesetzlich zulässige Beweise, die zur Feststellung erheblicher Tatsa- chen geeignet sind, müssen abgenommen werden (§ 133 Abs. 2 aStG). Der Anspruch des Steuerpflichtigen auf Abnahme sol- cher Beweismittel ist Ausfluss des rechtlichen Gehörs. Er besteht indessen nicht unbeschränkt, sondern unter der Voraussetzung, dass das beantragte Beweismittel geeignet ist, eine für die Veranlagung wesentliche Behauptung zu erhärten (AGVE 1991, S. 365 f.; 1983, S. 366 f.; Jürg Baur, in: Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, Muri/BE 1991, § 133 N 4). Ein Verzicht ist insbesondere dann ge- boten, wenn die Abnahme von Beweisen in Frage steht, die sich von vorneherein als untauglich erweisen (Ulrich Häfelin/Georg Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2002, Rz. 1686; Kölz/Bosshart/Röhl, Kommentar zum Verwaltungsrechts- pflegegesetz des Kantons Zürich, 2. Auflage, Zürich 1999, § 7 N 10, § 8 N 34, je mit Hinweisen). Diese sog. antizipierte Beweiswürdi- gung ist zulässig, bedarf allerdings jeweils einer genügenden Be- gründung (vgl. AGVE 1991, S. 365 f., 378 f.; 1989, S. 152; VGE II/31 vom 3. April 1996 [BE.1994.00169] in Sachen E. K., S. 12). c) Die Vorinstanz hat vom Gemeindesteueramt B. die Steuerak- ten des Ehemannes für die Veranlagungsperiode 1999/2000 beige- zogen, vom Beizug von Akten früherer Veranlagungsperioden hat sie abgesehen. Vorliegend geht es um die für die Steuerveranlagung 1999/2000 massgebenden Einkommensverhältnisse der Beschwer- deführerin in den Bemessungsjahren 1997/98 (§ 53 aStG), insbeson- dere um die ihr vom Ehemann geleisteten Unterhaltszahlungen für 2003 Verwaltungsrechtspflege 313 die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 31. Dezember 1998. Die Steuerakten des Ehemannes können, wie die Beschwerdeführerin selber zutref- fend ausführte, einzig insoweit von Bedeutung sein, als es um die Überprüfung der von ihm in diesem Zeitraum effektiv erbrachten Unterhaltsleistungen geht. Hierfür sind allein die Steuerakten 1999/00 des Ehemannes von Bedeutung, da die älteren Akten ledig- lich in die vorliegend nicht bedeutsamen Einkommens- und Vermö- gensverhältnisse weiter zurückliegender Jahre Einblick geben kön- nen. Das vorliegende Beschwerdeverfahren kann nicht dazu dienen, für die Beschwerdeführerin weitere Akten anzufordern, an denen sie in anderem Zusammenhang (Zwischenveranlagung; güter- und erb- rechtliche Auseinandersetzung) interessiert sein mag. Dies führt zur Abweisung des Beweisantrags der Beschwerdeführerin. 2. a) Die Beschwerdeführerin rügt, sie sei durch die Verweige- rung des Akteneinsichtsrechts betreffend die Steuerakten des Ehemannes in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt wor- den. b) Das Recht auf Akteneinsicht als Teilgehalt des Anspruchs auf rechtliches Gehör hat Verfassungsrang (Art. 29 Abs. 2 BV). Es soll den Verfahrensbeteiligten dazu verhelfen, von den einem Verfahren zu Grunde liegenden Akten Kenntnis zu nehmen (BGE 108 Ia 7; Michele Albertini, Der verfassungsmässige Anspruch auf rechtliches Gehör im Verwaltungsverfahren des modernen Staates, Diss. Bern 2000, S. 225). Das Recht auf Akteneinsicht während eines Verfah- rens gilt nicht uneingeschränkt. Die Einsicht in ein Aktenstück kann nach § 16 Abs. 1 VRPG mit Grundangabe verweigert werden, wenn dieses nur dem verwaltungsinternen Gebrauch dient, wie Notizen, Entwürfe, Referate und dergleichen (lit. a) oder wenn wichtige öffentliche oder schutzwürdige private Interessen zu wahren sind (lit. b). Nicht zulässig ist es indessen, den Anspruch von besonderen Vor- aussetzungen abhängig zu machen (AGVE 1990, S. 407). So ist es insbesondere unerheblich, ob das Aktenstück den Ausgang des Verfahrens tatsächlich beeinflusst; es genügt, dass es überhaupt geeignet ist, die Entscheidfindung zu beeinflussen (Albertini, a.a.O., S. 227; vgl. auch Alfred Kölz/Isabelle Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, Zürich 1998, Rz. 296; 2003 Verwaltungsgericht 314 Willy Huber, Das Recht des Bürgers auf Akteneinsicht im Verwal- tungsverfahren, Diss. St. Gallen, 1980, S. 47). In diesem Sinne hat das Bundesgericht festgehalten, dass die Einsicht in Akten, die für ein bestimmtes Verfahren beigezogen wurden, nicht mit der Begrün- dung verweigert werden dürfe, die fraglichen Akten seien für den Verfahrensausgang belanglos; es müsse dem Betroffenen vielmehr selber überlassen sein, die Relevanz der Akten zu beurteilen (unpublizierter Bundesgerichtsentscheid vom 13. August 1996 i.S. E., zitiert bei Albertini, a.a.O., S. 227). c) Die Vorinstanz verweigerte der Beschwerdeführerin nicht aus den in § 16 Abs. 1 VRPG genannten Gründen die Einsicht in die Steuerakten 1999/2000 des Ehemannes, sondern weil sie (an sich zutreffend) zum Schluss gekommen war, dass sich darin keine rele- vanten Unterlagen befänden, welche nicht auch in den Steuerakten der Beschwerdeführerin enthalten seien, und dass die Veranlagung des Ehemannes keinen Einfluss auf das vorliegende Verfahren habe. Damit machte die Vorinstanz das Akteneinsichtsrecht der Beschwer- deführerin letztlich zu Unrecht vom Verfahrensausgang abhängig und verletze damit deren Anspruch auf rechtliches Gehör. d) Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist formeller Natur. Seine Verletzung führt ungeachtet der Erfolgsaussichten der Be- schwerde in der Sache selbst zur Aufhebung des angefochtenen Ent- scheids (vgl. statt vieler BGE 127 I 132 mit Hinweis). Eine Heilung in einem Rechtsmittelverfahren ist ausnahmsweise möglich. Dies hängt namentlich von der Schwere und Tragweite der Gehörsverlet- zung sowie davon ab, ob die Rechtsmittelinstanz den angefochtenen Entscheid in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht frei überprüfen kann (BGE 127 V 437 f.; 126 V 132; vgl. zum Ganzen auch: AGVE 1997, S. 374; VGE IV/54 vom 23. Dezember 2002 [BE.2000.00270] in Sachen A.R. und Mitbeteiligte, S. 8, je mit Hin- weisen). Der Beschwerdeführerin ist aus dem Vorgehen der Vorinstanz kein Rechtsnachteil erwachsen. Die ihr nicht zugestellten Steuerak- ten 1999/2000 des Ehemannes dienten der Vorinstanz nicht als Ent- scheidungsgrundgrundlage. Zudem war die Beschwerdeführerin auf Grund ihrer Anfrage vom 20. Februar 2001 an das Gemeindesteuer- 2003 Verwaltungsrechtspflege 315 amt B. im Zeitpunkt des vorinstanzlichen Urteils zumindest im Be- sitz der Steuererklärung 1999/2000 ihres Ehemannes. Die Gehörs- verletzung wiegt somit nicht schwer und konnte durch die Zustellung der Steuerakten 1999/2000 des Ehemannes durch das Verwaltungs- gericht, dem die gleiche Kognition wie der Vorinstanz zukommt, geheilt werden.
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2002 Verwaltungsgericht 296 [...] 74 Verfahrensbeteiligung; Anfechtungszeitpunkt; Auswahl der Zuschlags- kriterien. - Verfahrensbeteiligung (Erw. I/4). Allgemeine Grundsätze in Bezug auf die Verfahrensbeteiligung des Zuschlagsempfängers (Erw. I/4/a-c). Verfahrensbeteiligung von Arbeitsgemeinschaften (Erw. I/4/d). - Zeitpunkt der Anfechtung von Ausschreibung und Ausschreibungsun- terlagen (Erw. II/3/c). - Auswahl und Gewichtung der Zuschlagskriterien; Zulässigkeit der Berücksichtigung von sogenannten "weichen" Zuschlagskriterien (Erw. II/3/d). 2002 Submissionen 297 Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 30. April 2002 in Sa- chen ARGE Argovia A1 Baregg West gegen Regierungsrat. Aus den Erwägungen I. 4. a) Den Zuschlagsempfängerinnen wurde die Verwaltungs- gerichtsbeschwerde mit Verfügung des Instruktionsrichters vom 5. Februar 2002 zugestellt mit dem Hinweis, dass es ihnen freige- stellt sei, sich am Verfahren zu beteiligen und eine Vernehmlassung zu erstatten. Sie wurden darauf aufmerksam gemacht, dass mit einer Verfahrensbeteiligung ein allfälliges Kostenrisiko für den Fall des Unterliegens verbunden sei. b) Mit einer vom Geschäftsführer und vom Leiter Administra- tion unterzeichneten Eingabe vom 13. Februar 2002 teilt die B. AG mit, dass die Arbeitsgemeinschaft B. AG, W. AG und Z. AG be- schlossen habe, "sich als ARGE am Verfahren nicht zu beteiligen". Weiter wird aber ausgeführt: "Ich erlaube mir indessen als Vertreter der mit der Federführung be- trauten Gesellschafterin einige Bemerkungen genereller Natur, sowie einzelne Richtigstellungen von Behauptungen der Einsprecherin, die sich lediglich gegen die B. AG richten." Daran anschliessend äussert sich die B. AG zu verschiedenen, vor allem sie betreffenden Aussagen in der Verwaltungsgerichtsbe- schwerde. Förmliche Anträge stellt sie keine. Die Beschwerdeführerinnen vertreten den Standpunkt, da sich die Zuschlagsempfängerinnen hätten vernehmen lassen, seien sie ungeachtet ihrer eigenen Ansichten am Verfahren beteiligt. Andern- falls sei die Eingabe unbeachtlich und aus dem Recht zu weisen. c) Gemäss § 41 Abs. 1 VRPG ist die Beschwerde, soweit sie sich nicht sofort als unzulässig oder unbegründet darstellt, der Vorin- stanz und allen Beteiligten, die durch das Beschwerdebegehren be- troffen werden, zur Vernehmlassung zuzustellen. Wird ein Zuschlag angefochten, hat derjenige Anbieter, der den Zuschlag ursprünglich erhielt, ein eigenes, schützenswertes Interesse an der Beibehaltung der zu seinen Gunsten lautenden Zuschlagsverfügung (Peter Galli / 2002 Verwaltungsgericht 298 Daniel Lehmann / Peter Rechsteiner, Das öffentliche Beschaffungs- wesen in der Schweiz, Zürich 1996, Rz. 542; vgl. auch Urteil des Bundesgerichts vom 18. Oktober 2001 [2P.153/2001] in Sachen In- genieurbüro X. AG, E. 1a). Er ist "Beteiligter" im Anfechtungsver- fahren "seines" Zuschlags (Galli/Lehmann/Rechsteiner, a.a.O.). Es ist ihm deshalb die Beschwerdeschrift gestützt auf § 41 Abs. 1 VRPG in Verbindung mit § 23 SubmD zur Kenntnisnahme und allfälligen Stellungnahme zuzustellen. Die Verpflichtung, den Zu- schlagsempfänger solchermassen von Amtes wegen in das Verfahren einzubeziehen, folgt auch aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 15 VRPG; Art. 29 Abs. 2 BV). Das Äusserungsrecht der Verfah- rensbeteiligten umfasst (formell) das Recht, am Verfahren mitzuwir- ken, ihren Standpunkt wirksam zu vertreten, Anträge zu stellen und an Beweisverhandlungen teilzunehmen. Die Wahrnehmung dieser Verfahrensrechte in einem verwaltungsgerichtlichen Beschwerde- verfahren setzt voraus, dass der Betroffene am Verfahren als Partei und mit den gesetzlichen Kostenfolgen auch dann teilnimmt, wenn die Beteiligung nicht zwingend ist. Wer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auf eine Parteistellung verzichtet, begibt sich damit in der Regel gleichzeitig der Möglichkeit, im Rahmen des Prozesses die Partei- und Mitwirkungsrechte einschliesslich des Anspruchs auf rechtliches Gehör auszuüben. Damit geht keine Schmälerung dieses bedeutenden Verfahrensrechts einher: Das Kostenrisiko als Reflex einer Verfahrensbeteilung wäre nur dann mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör unvereinbar, wenn die Höhe der drohenden Kosten dessen Ausübung faktisch verunmöglichen würde (vgl. VGE III/67 vom 9. September 1997 [BE.1996.00144] in Sachen Pro Natura Schweiz u. M., S. 5 f., bestätigt durch Entscheid des Bundesgerichts vom 23. Februar 2000 [1P.718/1999] in gleicher Sache). Der Zuschlagsempfänger ist in einem Submissionsbeschwerdeverfahren in aller Regel nicht zwingend beteiligt; er kann folglich auf eine Parteistellung verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass der Verzichtende an der (weiteren) Mitwirkung am Verfahren ausge- schlossen ist. Auch die Ausübung der Verfahrensgarantie des rechtlichen Gehörs darf - wie ausgeführt - von der Teilnahme am Verfahren abhängig gemacht werden. Dies gilt insbesondere auch für 2002 Submissionen 299 die Möglichkeit, sich zu einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde vernehmen zu lassen (erwähnter VGE in Sachen Pro Natura Schweiz u. M., S. 6). Wer sich auf ein Rechtsmittelverfahren einlässt und entsprechende Rechtsbegehren stellt, hat mit seinem Unterliegen zu rechnen und die damit verbundenen finanziellen Folgen zu tragen. Will eine Partei ein solches Prozessrisiko nicht auf sich nehmen, hat sie sich vom Prozess zu distanzieren. Es steht ihr wie erwähnt frei, sich am Rechtsmittelverfahren nicht zu beteiligen und auf eine Stel- lungnahme zu verzichten (BGE 119 Ia 3). d) aa) Im vorliegenden Fall haben die drei Zuschlagsempfänge- rinnen ausdrücklich darauf verzichtet, sich als Arbeitsgemeinschaft am Beschwerdeverfahren zu beteiligen. Angesichts dieses klar und unmissverständlich deklarierten Verzichts kann aus der Tatsache, dass die B. AG als innerhalb der Arbeitsgemeinschaft federführende Gesellschafterin in eigenem Namen zur Beschwerde Stellung nimmt, entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen nicht auf eine Ver- fahrensbeteiligung der Zuschlagsempfängerinnen als Gesamtheit geschlossen werden. bb) Zu prüfen bleibt, ob die Eingabe vom 13. Februar 2002 al- lenfalls zu einer alleinigen Beteiligung der B. AG am vorliegenden Beschwerdeverfahren (mit entsprechendem Kostenrisiko) führt. aaa) Zunächst stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, inwiefern sich eine Partnerin einer Arbeitsgemeinschaft auch allein an einem Beschwerdeverfahren beteiligen kann. Die Mitglieder einer einfachen Gesellschaft, was die Arbeitsgemeinschaft in der Regel ist, bilden eine Gesamthandschaft und damit grundsätzlich eine notwendige Streitgenossenschaft. Im Verwaltungsprozess wird den einzelnen Gesamthandschaftern jedoch eine selbständige Anfech- tungsbefugnis zuerkannt, wenn das Rechtsmittel darauf gerichtet ist, eine belastende oder pflichtbegründende Anordnung abzuwenden. In Bezug auf die Beschwerdelegitimation der einzelnen Gesell- schafter einer im Submissionsverfahren nicht berücksichtigten Ar- beitsgemeinschaft ist die Rechtsprechung nicht einheitlich. Nach der Praxis der Eidgenössischen Rekurskommission für das öffentliche Beschaffungswesen (BRK/CRM) kann auch ein einzelner Gesell- schafter allein Beschwerde erheben, insbesondere um für die Gesell- 2002 Verwaltungsgericht 300 schaft allfällige Nachteile abzuwenden. An der Beschwerdelegitima- tion fehlt es allerdings dann, wenn ein oder mehrere Gesellschafter bewusst aus der Arbeitsgemeinschaft ausgeschieden und an einem Zuschlag nicht mehr interessiert sind (Urteil vom 16. August 1999 [CRM 1999-002] in Sachen P. SA, E. 1b; André Moser, Überblick über die Rechtsprechung 1998/99 zum öffentlichen Beschaffungswe- sen, in: AJP 2000, S. 684 m. H.). Das Verwaltungsgericht des Kan- tons Zürich hingegen spricht einem einzelnen Mitglied einer Anbie- tergemeinschaft die Legitimation zur Beschwerde gegen einen Ver- gabeentscheid, der die Gemeinschaft als Ganzes betrifft, ab mit der Überlegung, der Entscheid, mit welchem einer Anbietergemeinschaft der Zuschlag oder die Teilnahme am selektiven Verfahren verweigert werde, begründe zu Lasten derselben keine Rechtspflichten oder sonstigen Nachteile. Die Beschwerde sei daher nicht darauf ausgerichtet, eine die Gemeinschaft belastende Anordnung abzu- wehren; sie wolle vielmehr zu Gunsten der Gemeinschaft die positi- ven Rechtswirkungen herbeiführen, die sich aus dem Zuschlag ergä- ben. Die Übernahme eines öffentlichen Auftrags als Folge des Zu- schlags könne nur durch die Bietergemeinschaft als Ganzes erfolgen (Urteil vom 1. Februar 2000 [VB.1999.00347], in: RB an den Kan- tonsrat 2000 Nr. 11, S. 54 f.). In einer grundsätzlich anderen Situation als eine für die Vergabe nicht berücksichtigte Bietergemeinschaft befindet sich eine Arbeits- gemeinschaft, wenn die zu ihren Gunsten lautende Zuschlagsverfü- gung von einer unterlegenen Konkurrentin angefochten wird; ihr droht der mögliche Entzug eines ihr zugesprochenen Rechts. Ob sie sich dagegen aktiv zur Wehr setzt oder die Verteidigung des Zu- schlags ausschliesslich der Vergabebehörde überlässt, ist ihr freige- stellt. Hier muss nicht nur der Arbeitsgemeinschaft als solcher, son- dern darüber hinaus auch den einzelnen Streitgenossen die Befugnis zukommen, sich durch eine Beteiligung am Beschwerdeverfahren für die Beibehaltung des erteilten Zuschlags einzusetzen. Ein solcher Einsatz dient zwangsläufig den Interessen der gesamten Arbeitsge- meinschaft; die Gefahr von Interessenkollisionen bzw. einer Benach- teiligung der Gemeinschaft oder der übrigen Mitglieder besteht des- 2002 Submissionen 301 wegen nicht. Grundsätzlich steht einer Beteiligung einzelner Mitglie- der einer Bietergemeinschaft daher nichts entgegen. bbb) Im Folgenden ist indessen nicht von einer Verfahrensbe- teiligung der B. AG auszugehen. Die kurz gehaltene Stellungnahme vom 13. Februar 2002 beschränkt sich im Wesentlichen auf Bemer- kungen allgemeiner Natur und auf das Widerlegen einiger als un- richtig erachteter Behauptungen in der Beschwerde betreffend ins- besondere die B. AG. Um eine umfassende, sich eingehend mit der Beschwerde und der darin enthaltenen Argumentation auseinander- setzende Vernehmlassung handelt es sich nicht. Auch werden - und dies erscheint wesentlich - weder materielle noch prozessuale An- träge gestellt. Die B. AG hat zudem bestätigt, sich nicht am Verfah- ren beteiligen zu wollen. Mithin steht ihr aber auch kein Anspruch auf rechtliches Gehör zu (vgl. vorne Erw. c). Dies hat zur Konse- quenz, dass die Stellungnahme von 13. Februar 2002 soweit aus dem Recht zu weisen ist, als nicht der Untersuchungsgrundsatz (§ 20 Abs. 1 VRPG) eine Berücksichtigung darin erwähnter Tatsachen gebietet (vgl. auch AGVE 1997, S. 283). (...) II. 3. b) (...) Die Beschwerdeführerinnen rügen die vorliegend ausgewählten Zuschlagskriterien in ihrem Gesamtsystem als sachlich unhaltbar und willkürlich. Sie beanstanden vor allem die Gewichtung des Zuschlagskriteriums "Kompetenz" mit über 50%. Bei den ge- wählten Teil- und Unterkriterien handle es sich zum allergrössten Teil um "weiche" Kriterien, die sich nicht annähernd konkret bemessen liessen und der Vergabebehörde einen praktisch unbe- schränkten Ermessens- bzw. Manipulationsspielraum einräumten. Die Vertreter des Baudepartments hätten anlässlich der Besprechung vom 18. Januar 2002 eingeräumt, dass bei Bauvorhaben wie dem vorliegenden die Differenzen beim Kriterium Kompetenz erfah- rungsgemäss nie gross und die Anbieter diesbezüglich stets in etwa gleich zu beurteilen und zu gewichten seien. Unter diesen Umstän- den gebe es keinen sachlichen Grund, die Kompetenz mit über 50% Gewichtung zum ausschlaggebenden Kriterium zu erheben; im Gegenteil müssten Kriterien wie Preis und Termin klar in den Vor- dergrund rücken, wenn die Kompetenzunterschiede gering oder nur 2002 Verwaltungsgericht 302 schwer fassbar seien. Mit Hilfe der Zuschlagskriterien sei unter den geeigneten Anbietern das wirtschaftlich günstigste Angebot zu er- mitteln. Dies schliesse es aus, nicht angebotsbezogenen und damit nicht der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots die- nenden Kriterien in einem offenen Verfahren den absoluten Vorrang einzuräumen. Die Vergabestelle habe unter dem Zuschlagskriterium "Kompetenz" indessen fast ausschliesslich anbieterbezogene Eig- nungskriterien bewertet, was widersprüchlich, sachfremd und will- kürlich sei. Hinter einer angemessenen Gewichtung des Preises stünden bei Grossprojekten wie dem vorliegenden erhebliche öffent- liche Interessen. Es sei absurd, wenn ein Anbieter allein auf Grund der "weichen" Kriterien den Zuschlag erhalten könne, obwohl er vom Preis her ein Vielfaches teurer sei. Jeder Anbieter müsse zu- mindest die theoretische Chance haben, den Zuschlag zu erringen, wenn er bei den "harten", messbaren und angebotsbezogenen Krite- rien obenaus schwinge. c) Zu prüfen ist zunächst, ob die Beschwerdeführerinnen mit den gegen die Auswahl und Gewichtung der Zuschlagskriterien ge- richteten Rügen im vorliegenden Verfahren überhaupt noch zu hören sind, was der Regierungsrat verneint. aa) Die Ausschreibung gilt im Anwendungsbereich des GATT/WTO-Übereinkommens als anfechtbare Verfügung (§ 37 Abs. 2 lit. b SubmD, § 33 lit. b der Vergaberichtlinien auf Grund der interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswe- sen [IVöB; SR 172.056.4] vom 25. November 1994 [VRöB]). Konnten die Ausschreibung und die Ausschreibungsunterlagen selb- ständig angefochten werden, so stellt sich die Frage, ob auf sie im Anschluss an den Zuschlag bzw. im Rahmen seiner Anfechtung noch zurückgekommen werden darf. bb) Die Rechtsprechung der eidgenössischen und kantonalen Rechtsmittelinstanzen zu dieser Frage ist nicht einheitlich: aaa) Nach Auffassung des Bundesgerichts ist die Anfechtung grundsätzlich nicht mehr möglich; es verstiesse gegen Treu und Glauben, wenn ein Anbieter, der sich auf ein Submissionsverfahren eingelassen habe, obwohl er die von ihm als ungenügend erachtete Umschreibung der Zuschlagskriterien in der Ausschreibung oder in 2002 Submissionen 303 den Ausschreibungsunterlagen hätte anfechten können, noch in die- sem Zeitpunkt dagegen Beschwerde führen könnte (BGE 125 I 207; Entscheid des Bundesgerichts vom 2. März 2000 [2P.222/1999] in Sachen S. AG / K. AG, S. 6). Das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau hat die Rechtsprechung des Bundesgerichts für Vergaben im Anwendungsbereich des Übereinkommens über das öffentliche Be- schaffungswesen [ÜoeB; SR 0.632.231.422] vom 15. April 1994 und des IVöB bzw. §§ 29 ff. SubmD übernommen, ohne sich damit fundiert auseinander zusetzen (VGE III/155 vom 15. Dezember 2000 [BE.1997.00372] in Sachen ARGE Argovia A1, S. 12). Eine Ver- pflichtung zur sofortigen Anfechtung (zumindest) der öffentlichen Ausschreibung bejahen grundsätzlich auch das Obergericht des Kantons Uri und das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern (vgl. die Urteile des Obergerichts des Kantons Uri vom 5. Mai 1999 und 23. August 1999, in: Rechenschaftsbericht über die Rechtspflege des Kantons Uri in den Jahren 1998 und 1999, Nr. 28, S. 73, und Nr. 29, S. 75; Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 25. August 2000, in: LGVE 2000 II Nr. 11, S. 211). bbb) Die BRK hat in einem neueren Grundsatzurteil die selb- ständige Anfechtbarkeit der Ausschreibungsunterlagen klar verwor- fen. In Bezug auf die Verpflichtung zur sofortigen Anfechtung der öffentlichen Ausschreibung argumentiert die BRK in Präzisierung ihrer bisherigen Rechtsprechung nun differenziert: Anordnungen, die bereits aus sich selbst heraus rechtswidrig erscheinen und deren Bedeutung und Tragweite für die Interessenten ohne weiteres er- kennbar sind (z.B. Anordnungen betreffend Verfahrensart, Einga- befristen, Losbildung, Zulässigkeit von Varianten, Teilangeboten, Bietergemeinschaften, Verfahrensprache), müssen selbständig an- gefochten werden, andernfalls verwirkt das Anfechtungsrecht. So- weit die öffentliche Ausschreibung hingegen Anordnungen enthält, deren volle Bedeutung und Tragweite auch bei objektiver Betrach- tungsweise noch wenig klar ist und sich für die Interessenten erst im Verlauf des weiteren Verfahrens mit genügender Eindeutigkeit ergibt, bleibt die Anfechtungsmöglichkeit in einem späteren Verfahrensab- schnitt, gegebenenfalls erst im Rahmen der Zuschlagsverfügung, er- halten. Solche Anordnungen können insbesondere den Gegenstand 2002 Verwaltungsgericht 304 der Beschaffung oder die Eignungs- und Zuschlagskriterien oder Teile davon betreffen (Urteil der BRK vom 16. November 2001 [BRK 2001-011] in Sachen P. AG, S. 4 ff., 9 f.; in einem Urteil vom 29. Oktober 1999 hatte die BRK demgegenüber die Verpflichtung, die in der öffentlichen Ausschreibung bekannt gegebene Auswahl der Zuschlagskriterien sofort zu rügen, noch bejaht [BRK 1999-07, S. 5 m. H.]). ccc) Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich schliesslich vertritt auf Grund des besonderen Verfügungscharakters der öffent- lichen Ausschreibung die Auffassung, die darin enthaltenen An- ordnungen zum Verfahren stellten in der Regel lediglich Zwi- schenentscheide dar, die den Verlauf des weiteren Verfahrens be- stimmten, ohne dieses abzuschliessen. Sie seien zwar selbständig anfechtbar, eine Pflicht zur Anfechtung bestehe aber grundsätzlich nicht. Soweit die Ausschreibung auch Fragen des materiellen Verga- berechts, wie z.B. die Gewichtung der Zuschlagskriterien, verbind- lich regle, stellten die diesbezüglichen Anordnungen nicht Zwischen- , sondern Vor- bzw. Teilentscheide dar, die einen Teilaspekt der Ver- gabe abschliessend regelten. Soweit eine Ausschreibung solche Teil- entscheide über materielle Aspekte enthalte, habe deren Nichtan- fechtung zur Folge, dass die betreffenden Fragen für das Vergabe- verfahren definitiv entschieden seien. Solche Teil- oder Vorent- scheide, die einzelne materielle Fragen vorweg erledigten, seien in bestimmten Situationen aus Gründen der Prozessökonomie zulässig. Dies treffe indessen bei der Ausschreibung eines öffentlichen Auf- trags nur in Ausnahmefällen zu, zumal die in Frage kommenden Rechtsfragen in der Ausschreibung selten mit ausreichender Be- stimmtheit umschrieben seien, um als verbindliche Festlegungen im Sinne eines Teilentscheides gelten zu können. Dieses Ergebnis er- scheine auch sachgerecht. Eine gesonderte Anfechtung materiell- rechtlicher Teilentscheide mit einem gegen die Ausschreibung ge- richteten Rechtsmittel würde das Verfahren in den meisten Fällen nur unnötig verzögern. Nach den Erfahrungen der Rechtsmittelinstanzen des Bundes und der Kantone würden denn auch kaum je Beschwer- den gegen eine Ausschreibung erhoben. Zu beachten sei ferner, dass die in Frage kommenden materiellen Rechtsfragen in der Ausschrei- 2002 Submissionen 305 bung kaum je mit ausreichender Bestimmtheit umschrieben seien, um als verbindliche Festlegungen im Sinne eines Teilentscheids gel- ten zu können. Soweit die fraglichen Elemente, z.B. die Zuschlags- kriterien, nicht in der öffentlichen Ausschreibung selbst, sondern in den Ausschreibungsunterlagen enthalten seien, könnten sie ohnehin nicht als anfechtbarer Inhalt der Ausschreibung gelten (Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 16. April 1999, in: ZBl 2000, S. 456 f.; RB 1999, Nr. 24, S. 60 ff; BR 1999, S. 147; vgl. auch Matthias Hauser, Zuschlagskriterien im Submissionsrecht, in: AJP 2001, S. 1420). ddd) Nach dem Verwaltungsgericht des Kantons Freiburg kann im Rahmen der Anfechtung des Zuschlags nicht mehr gerügt werden, ein in der Ausschreibung korrekt veröffentlichtes Kriterium sei un- geeignet; hingegen kann das Fehlen von Zuschlagskriterien noch im Beschwerdeverfahren gegen den Zuschlag geltend gemacht werden, da es sich dabei um einen Verstoss gegen das Gebot der Transparenz handle, der sich über die Ausschreibung hinaus auf das ganze Verga- beverfahren auswirke (Urteil vom 8. Juni 1999 [2A99 15/16/17] E. 2a). cc) Im vorliegenden Fall geht es ausschliesslich um die Frage, zu welchem Zeitpunkt die Auswahl und die Gewichtung der Zu- schlagskriterien anzufechten sind. Sie sind in Ziffer 8 der öffentli- chen Ausschreibung einschliesslich ihrer prozentualen Gewichtung aufgeführt worden. Damit war an sich klar erkennbar, dass dem Preis mit 35% und den Terminen mit 10% im Vergleich zur Kompetenz mit 55% ein vergleichsweise geringes Gewicht zukam. Die Interes- senten mussten somit bereits zu diesem Zeitpunkt davon ausgehen, dass für die Vergabestelle die qualitativen Aspekte und nicht der Preis im Vordergrund standen. Hingegen hatten sie weder Kenntnisse von den verschiedenen Teilkriterien noch vom genauen Inhalt der zu vergebenden Leistungen. Wohl enthielt Ziffer 4 der öffentlichen Ausschreibung stichwortartige Angaben zu Art und Umfang der Leistung. Ob die Interessenten sich indessen bereits anhand dieser rudimentären Leistungsumschreibung ein ausreichendes Bild von den zu vergebenden Arbeiten und deren Anforderungen bzw. Schwierigkeitsgrad machen konnten, um die Richtigkeit respektive 2002 Verwaltungsgericht 306 Fehlerhaftigkeit der ausgewählten Zuschlagskriterien und vor allem auch der vorgenommenen Gewichtung im Hinblick auf den konkret zu vergebenden Auftrag einigermassen zuverlässig beurteilen zu können, muss ernsthaft in Frage gestellt werden. Die dafür notwen- digen Detailerkenntnisse in Bezug auf den Auftrag ergeben sich in der Regel erst aus den Ausschreibungsunterlagen (Leistungsver- zeichnisse, Pflichtenhefte, Besondere Bestimmungen etc.) mit genü- gender Bestimmtheit (vgl. auch BRK 2001-011, S. 10). Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht sachgerecht, von den Interessenten zu verlangen, bereits gegen die in der öffentlichen Ausschreibung be- kannt gegebenen Zuschlagskriterien auf dem Beschwerdeweg vorge- hen zu müssen, um die diesbezügliche Rügebefugnis nicht zu ver- wirken. Zu verneinen ist auch die Verpflichtung, die Zuschlagskriterien unmittelbar nach Erhalt der Ausschreibungsunterlagen anzufechten. Die selbständige Anfechtbarkeit der Ausschreibungsunterlagen ist generell abzulehnen (vgl. auch BRK 2001-011, S. 6 ff.; erwähntes Urteil des Zürcherischen Verwaltungsgerichts vom 16. April 1999, in: RB 1999 Nr. 24, S. 654; Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 28. April 1999, in: Thurgauische Verwal- tungsrechtspflege [TVR] 1999, Nr. 25, S. 142). Nach § 37 Abs. 2 lit. b SubmD und § 33 lit. b VRöB gilt als (durch Beschwerde selbständig anfechtbare) Verfügung die Ausschreibung des Auftrags. Schon eine grammatikalisch-systematische Betrachtung des SubmD, namentlich von §§ 12 Abs. 1 und 2, 34 und 35 und der Anhänge 3, 4, 5 und 6, legt den Schluss nahe, dass mit dem in § 37 Abs. 2 lit. b SubmD genannten Begriff "Ausschreibung" nur die öffentliche Aus- schreibung gemeint ist. Auch in der VRöB wird zwischen Ausschrei- bung im Sinne der öffentlichen Ausschreibung (§§ 11 ff. VRöB) und den Ausschreibungsunterlagen (§ 14 VRöB) unterschieden. Die Ver- pflichtung, allfällige Fehler und Mängel der Ausschreibungsunterla- gen innert 10 Tagen nach Zustellung durch die Vergabestelle an- fechten zu müssen (§ 25 Abs. 1 SubmD; Art. 15 Abs. 2 IVöB) hätte zur Folge, dass die Anbietenden innerhalb der zehntägigen Be- schwerdefrist entweder ihre Angebote (statt der vierzigtägigen Mini- malfrist für die Angebotseinreichung gemäss Art. XI Ziff. 2 und 3 2002 Submissionen 307 ÜoeB, § 17 Abs. 3 VRöB und Anhang 6 zum SubmD) bereits ausar- beiten oder aber zumindest die - bei GATT-Vergaben häufig sehr um- fangreichen - Ausschreibungsunterlagen sorgfältig auf mögliche Mängel überprüfen müssten. Viele Mängel sind nicht offensichtlich, sondern werden erst im Rahmen einer vertieften Auseinandersetzung, welche im Rahmen der Ausarbeitung der Offerte erfolgt, erkennbar; dies gilt auch für eine möglicherweise fehlerhafte Auswahl und Ge- wichtung der Zuschlagskriterien. Ein Anbieter, der seine Offerte erst nach Ablauf der Beschwerdefrist erarbeitet und dabei auf Mängel in den Ausschreibungsunterlagen stösst, könnte diese auf dem Be- schwerdeweg nicht mehr rügen. Diese Konsequenz einer sofortigen Anfechtbarkeit erscheint nicht sachgerecht und stossend. Aus praktischer Sicht von erheblicher Relevanz dürften nicht zuletzt auch die (begründeten oder unbegründeten) Befürchtungen der Anbietenden sein, sich durch das Ergreifen eines Rechtsmittels gegen die (öffentliche) Ausschreibung oder die Ausschreibungsun- terlagen von vornherein um die Chancen auf den Zuschlag zu brin- gen. Die Hemmschwelle dürfte zu Beginn eines Verfahrens noch um einiges höher liegen als bei der Anfechtung des die Submission ab- schliessenden Zuschlags (BRK 2001-011, S. 8; Hauser, a.a.O., S. 1420). Auch dieser Umstand spricht dafür, im Hinblick auf die Ausschreibungsunterlagen von einer unmittelbaren Anfechtung abzusehen und die Verpflichtung zur selbständigen Anfechtung der öffentlichen Ausschreibung restriktiv zu handhaben, d.h. auf in ihrer Bedeutung und Tragweite eindeutige Anordnungen zu beschränken. dd) Aus dem soeben Gesagten folgt, dass die von den Be- schwerdeführerinnen gegen die Auswahl und die Gewichtung der Zuschlagskriterien erhobenen Einwände nicht verspätet sind. Ihre sachliche Berechtigung ist demzufolge im vorliegenden Beschwerde- verfahren zu prüfen. d) aa) Es ist grundsätzlich Sache der Vergabebehörde, je nach Bedeutung des Auftrags und den gestellten Anforderungen die mass- geblichen Zuschlagskriterien auszuwählen und deren Reihenfolge und Gewichtung festzusetzen. Dabei kommt ihr sowohl bei der Auswahl als auch bei der Gewichtung der Zuschlagskriterien ein weiter Ermessensspielraum zu. Beides ist einer Rechtskontrolle nur 2002 Verwaltungsgericht 308 beschränkt zugänglich. Wie beispielsweise die Erfahrung einer Unternehmung oder die Ästhetik eines Bauwerks gewichtet und in Relation zu einer bestimmten Preisdifferenz gesetzt werden, ist weitgehend eine Ermessensfrage (Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 26. Oktober 1999, in: St. Gallische Gerichts- und Verwaltungsentscheide [GVP] 1999 Nr. 37, S. 108). Auswahl und Gewichtung der Kriterien müssen sich aber im Einzelfall sach- lich rechtfertigen lassen, d.h. sie haben sich am konkreten Auftrag zu orientieren, um so der Ermittlung des im Hinblick auf den zu verge- benden Auftrag wirtschaftlich günstigsten Angebots zu dienen. Die sachwidrige Überbewertung eines Kriteriums stellt eine Ermessens- überschreitung dar (AGVE 1998, S. 381; VGE III/100 vom 16. Juli 1998 [BE.1998.00173] in Sachen K. AG, S. 10 f.; III/124 vom 28. August 1998 [BE.1998.00120] in Sachen A. AG, S. 18; vgl. auch VGE III/123 vom 15. September 1999 [BE.1999.00179] in Sachen W. GmbH, S. 13 ff., insbes. S. 25 f. und 28 f., auszugsweise publi- ziert in: BR 2000, S. 59 Nr. S18). Zu beachten sind weiter das Gleichbehandlungsgebot und das Diskriminierungsverbot. bb) Der Regierungsrat weist darauf hin, dass die Zuschlags- kriterien auf Grund von projektspezifischen Überlegungen ausge- wählt und gewichtet worden seien. Mit der Gewichtung stelle die Vergabestelle sicher, dass kein Anbieter ohne die notwendige Erfah- rung und ohne ausreichend durchdachte Bauabläufe den Zuschlag für die Arbeiten alleine auf Grund eines sehr günstigen Angebotspreises erhalte. Bei komplexen Baustellen wie den ausgeschriebenen Arbei- ten könne im Extremfall mangelnde Erfahrung oder ungeeignete Baumethoden Folgekosten bereits während der Bauausführung (Ge- fahrenpotential Autobahn) verursachen. cc) Die im vorliegenden Fall zu vergebenden Bauleistungen stehen im Zusammenhang mit der Kapazitätserweiterung des Ba- reggtunnels durch eine dritte Tunnelröhre. Im Zentrum der Vergabe steht die Belagserneuerung westlich des Bareggtunnels auf einer Länge von 2,2 km. Betroffen ist eine Teilstrecke der Nationalstrasse A1, die mit einem täglichen Verkehrsaufkommen von gegen 90'000 Fahrzeugen (siehe www.baregg.ch) zu den am stärksten befahrenen Autobahnteilstücken der Schweiz gehört. Im fraglichen Bereich be- 2002 Submissionen 309 finden sich die Ein- und Ausfahrten Baden-Dättwil und Birmenstorf. Gemäss Vorgaben der Vergabestelle sind die Verkehrsverbindungen auf der A1 (4/1 Verkehrsführung Etappen 2002 und 2003, 3/2/0 und 3/0/2 Verkehrsführung Etappe 2004 Süd und 2004 Nord) und den betroffenen Kantonsstrassen Birmenstorf-Dättwil und Birmenstorf- Fislisbach aufrecht zu erhalten. Die Baustelle befindet sich überdies teilweise in den Gewässerschutzbereichen A und B sowie im Grundwasserschutzareal. Für sämtliche Arbeiten gilt die Bauwerks- klasse (BWK) I gemäss "QM-Anforderungen im Nationalstrassenbau ab 1997" vom 3. April 1997. Bereits diese Umstände zeigen, dass es sich von Art und Umfang her doch um ein als eher komplex zu bezeichnendes Bauvorhaben handelt, das an die Anbietenden in qualitativer Hinsicht überdurchschnittliche Anforderungen stellt. Insofern lässt sich das erhöhte Gewicht, das dem Zuschlagskriterium "Kompetenz" mit 55% gegenüber dem Preis mit 35% eingeräumt wird, nicht als sachlich ungerechtfertigt bezeichnen. Wie aus der Vernehmlassung des Regierungsrats hervor geht, wird die Gewichtung in vergleichbaren Fällen ähnlich gehandhabt. Bei der Fahrbahnerneuerung der A1 zwischen Rothrist und Lenzburg, die vom Kanton Ende 1997 vergeben worden war, kam dem Preis ein Gewicht von 20% zu (erwähnter VGE in Sachen ARGE Argovia A1, S. 13). Das Bundesgericht hat im Zusammenhang mit der Vergabe der Bauarbeiten für einen Autobahntunnel (A7, Girsbergtunnel) festgehalten, bei einer Gewichtung des Preises mit bloss 13% auf Grund der mit Tunnelbauten verbundenen besonderen Probleme und Risiken könne noch nicht von einer Verletzung des Grundsatzes der Berücksichtigung des wirtschaftlich günstigsten Angebots gespro- chen werden (Entscheid des Bundesgerichts vom 2. März 2000 [2P.274/1999] in Sachen ARGE X., E. 3 f.; vgl. auch Hauser, a.a.O., S. 1414). Auch diese Vergleichsfälle lassen die vorgenommene Kri- teriengewichtung nicht als aussergewöhnlich erscheinen. Im vorliegenden Fall hat die Vergabestelle die qualitätsbezoge- nen Aspekte der Vergabe unter dem Sammelkriterium "Kompetenz" zusammengefasst. Gemäss der Beschreibung der Unter- und Teilkri- terien in den Ausschreibungsunterlagen umfasst die "Kompetenz" ein baustellenbezogenes Organigramm, die Qualifikation des Schlüs- 2002 Verwaltungsgericht 310 selpersonals (Ausbildung, Erfahrung, Referenzen), Referenzen des Unternehmers und des Subunternehmers für ähnliche Arbeiten, Bau- stelleneinrichtung, Bauverfahren, Qualitätssicherung und schliesslich auch die Transportdistanzen. Der Einwand der Beschwerdefüh- rerinnen, es handle sich bei den bei der "Kompetenz" gewählten Unterkriterien zum allergrössten Teil um sogenannt "weiche" Krite- rien trifft zwar zu, soweit damit gemeint ist, dass der Vergabestelle bei der Bewertung ein relativ grosses Ermessen zukommt. Diese Tatsache schliesst es indessen nicht aus, dass auch solche "weichen" Kriterien berücksichtigt werden dürfen und dass ihnen, sofern der zu vergebende Auftrag dies rechtfertigt, auch ein vergleichsweise gros- ses Gewicht beigemessen werden darf. § 18 Abs. 1 SubmD nennt nicht bloss zufällig die "Qualität" an erster Stelle vor dem "Preis" und führt dann eine ganze Reihe weiterer qualitativer Zuschlagskrite- rien auf. Dies entspricht vielmehr dem Willen des Dekretgebers, bei der Ermittlung des wirtschaftlich (und nicht des preislich) günstig- sten Angebots dem qualitativen Aspekt die ihm gebührende Bedeu- tung zukommen zu lassen. Anhand von Zuschlagskriterien wie "Qualität", "Erfahrung", "Innovation", "Zweckmässigkeit", "Ästhe- tik" etc. soll objektiv beurteilt werden, welche Leistungsqualität bei den einzelnen Angeboten zu erwarten ist. Bei den unter dem Zuschlagskriterium "Kompetenz" genannten Teil- und Unterkriterien handelt es sich um sachbezogene Gesichts- punkte; sie erscheinen im Grundsatz ohne weiteres geeignet, um die Angebote in zuverlässiger, nachvollzieh- und überprüfbarer Weise auf ihre Qualität hin zu beurteilen. Ob allerdings die vorgenommene Zuordnung der Transportdistanzen zum Begriff "Kompetenz" logisch einen Sinn macht, ist zumindest zu bezweifeln. Ein sachlicher Zusammenhang zwischen den Transportdistanzen und den drei an- dern unter dem Stichwort "Kompetenz III" bewerteten qualitativen Gesichtspunkten, nämlich dem "Q-Zertifikat", der "Ergänzung Q- Plan" und den "Q-relevanten Tätigkeiten", ist nicht ersichtlich. Ver- mutungsweise ging es der Vergabestelle bei den Transportdistanzen vorab um ökologische Aspekte. Die Festsetzung eines eigenständigen Zuschlagskriteriums "Umwelt" bzw. "Umweltverträglichkeit" (mit entsprechender Gewichtung) wäre hiefür das transparentere und 2002 Submissionen 311 richtigere Vorgehen gewesen. Immerhin konnten aber die Anbieten- den den Ausschreibungsunterlagen entnehmen, dass auch dieser Aspekt im Rahmen der "Kompetenz" mitbeurteilt werden würde. Einen Verstoss gegen massgebende Verfahrensgrundsätze stellt die wenig logische Zuordnung daher letztlich nicht dar. Zutreffen mag die vom Regierungsrat grundsätzlich bestätigte Feststellung, dass die Differenzen zwischen den (besten) Anbietern beim Kriterium "Kompetenz" erfahrungsgemäss nicht gross seien. Auch dieser Umstand spricht indessen nicht grundsätzlich gegen die von der Vergabestelle vorgenommene Gewichtung der Zuschlags- kriterien. Zu berücksichtigen ist, dass es sich im vorliegenden Fall um eine Vergabe im offenen Verfahren nach dem GATT-Überein- kommen handelt, d.h. mit der öffentlichen Ausschreibung angespro- chen werden soll - jedenfalls nach Sinn und Zweck des heutigen Submissionsrechts, das eine Öffnung des öffentlichen Beschaf- fungswesens anstrebt - ein nationaler und internationaler Anbieter- kreis, der über die im Kanton oder allenfalls in Nachbarkantonen an- sässigen und der Vergabestelle ohnehin bekannten Tiefbauunterneh- men hinausgeht. Die Vergabestelle muss somit - zumindest theore- tisch - davon ausgehen, dass sie möglicherweise auch mit Angeboten von Unternehmen konfrontiert wird, deren Qualitätsstandards ihr nicht aus eigener Erfahrung bekannt sind. Wenn sie sich bei der Fest- setzung der Zuschlagskriterien und deren Gewichtung danach richtet, und den qualitativen Aspekten im Vergleich zum Preis ein Überge- wicht einräumt, lässt sich dies nicht beanstanden. Damit wird sicher- gestellt, dass nur ein Angebot den Zuschlag bekommen kann, das den qualitativen Ansprüchen zu genügen vermag. Gibt die Vergabestelle durch die Kriterienwahl und -gewichtung allerdings - wie hier - zu erkennen, dass für sie der Qualitätsaspekt und nicht der Preis im Vordergrund steht, so ist sie zu einer differenzierten Prüfung der sach- bzw. qualitätsbezogenen Kriterien verpflichtet, um zu verhin- dern, dass dem Preis eine ausschreibungswidrige Bedeutung zu- kommt, indem er trotz geringem Gewicht allein über den Zuschlag entscheidet (AGVE 2000, S. 337 f.). Diesem Erfordernis hat die Ver- gabestelle im vorliegenden Fall mit der Schaffung einer Reihe quali- tätsbezogener Teil- bzw. Subkriterien Rechnung getragen. 2002 Verwaltungsgericht 312 Die Beschwerdeführerinnen wenden gegen diese Unterkriterien bei der "Kompetenz" ein, es handle sich fast ausschliesslich um (anbieterbezogene) Eignungskriterien. Soweit hier die vorgeschla- gene Baustelleneinrichtung, das Bauverfahren und die Qualitätssi- cherung beurteilt werden, handelt es sich klarerweise um qualitative Aspekte des Angebots; zumindest steht dies im Vordergrund. Soweit Referenzen der Anbietenden für ähnliche Arbeiten oder Referenzen des vorgesehenen Schlüsselpersonals verlangt werden, fallen diese Gesichtspunkte letztlich unter die "Erfahrung", die nach § 18 Abs. 2 SubmD - und auch nach andern kantonalen Submissionsordnungen (u.a. Art. 15 Abs. 2 des Submissionsgesetzes des Kantons Graubün- den vom 7. Juni 1998, § 5 Abs. 2 des Gesetzes über die öffentlichen Beschaffungen des Kantons Luzern vom 19. Oktober 1998, § 26 Abs. 2 lit. l des Gesetzes über öffentliche Beschaffungen des Kan- tons Solothurn vom 22. September 1996) - ein Zuschlagskriterium darstellt, obwohl sie sich primär auf den Anbieter selbst und nur mit- telbar auf das Angebot bezieht. Genau betrachtet handelt es sich bei der Erfahrung um ein Eignungs- und nicht um ein Zuschlagskrite- rium. Gerade die Kriterien "Qualität" und "Erfahrung" hängen indes- sen häufig eng zusammen. Die Erwartung, dass vom "erfahreneren" Anbieter in qualitativer Hinsicht ein besseres Angebot zu erwarten ist, ist in der Regel nicht unbegründet. In der Rechtsprechung wird denn auch festgehalten, dass sich Eignungs- und Zuschlagskriterien überlappen können, indem z.B. die Eignung des Anbieters (bzw. das Ausmass der Eignung) auch beim Zuschlag eine Rolle spielen kann (AGVE 1999, S. 329; Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Waadt vom 22. Januar 1999, in: BR 1999, S. 57 Nr. S11; Hauser, a.a.O., S. 1414 m.H.). Das Verwaltungsgericht lehnt eine strikte Trennung als nicht praktikabel ab (AGVE 1999, S. 329 f.). Der von der Vergabestelle verwendete Begriff "Kompetenz" fasst die Aspekte "Qualität" und "Erfahrung" zusammen. Beizupflichten ist den Be- schwerdeführerinnen, dass unter diesem Kriterium auch Gesichts- punkte beurteilt werden, welche die Eignung der Anbietenden betref- fen. Dies lässt sich indessen nicht als sachwidrig beanstanden, denn auch in einem offenen Verfahren darf der Zuschlag nur an einen An- bieter erteilt werden, der zur qualitativ einwandfreien Ausführung 2002 Submissionen 313 der Arbeiten geeignet ist. Eine Eignungsprüfung muss also auch hier stattfinden.
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2010 Bau-,Raumentwicklungs-u.Umweltschutzrecht 165 [...] 30 Erleichterte Ausnahmebewilligung im Unterabstand von Strassen (§ 67a BauG). Begriff der untergeordneten Baute; Anwendungsfall einer Beton- bzw. Blocksteinmauer. Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 19. August 2010 in Sachen X. und Y. (WBE.2009.407). Aus den Erwägungen 1. Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens bilden die von den Beschwerdeführern auf der Parzelle Nr. (...) in Abweichung von der ursprünglichen Baubewilligung vom 2. Juli 2007 erstellte Beton- und Blocksteinmauer entlang des A.-wegs. Die streitbetrof- fenen Bauten werden im vorinstanzlichen Entscheid wie folgt be- schrieben: "Die Betonmauer verläuft parallel entlang des A.-wegs zwischen der Nordwest- und Südwestecke des Gebäudes auf einer Länge von 10.5 m, weist eine Höhe bis zu 1.95 m und eine Breite von 20 cm auf. Der Zwischenraum zwischen der Betonmauer und der Garagenmauer weist im Bereich der Betonmauerkrone einen "Pflanztrog" mit einer Thuja- hecke auf. Die Betonmauer steht unmittelbar neben dem Fahrbahnrand des A.-wegs. An die Betonmauer schliesst eine Blocksteinmauer aus Granitblöcken an, die in zwei Reihen bündig aufeinander geschichtet sind und bis an die östliche Parzellengrenze verläuft". 2010 Verwaltungsgericht 166 Die Betonmauer weist gegenüber dem Fahrbahnrand des A.-wegs keinen Abstand auf, die Blocksteinmauer einen Abstand von bis zu 20 cm. 2. (...) 3. 3.1. (...) Gemäss § 67a Abs. 1 BauG kann für untergeordnete Bauten und Anlagen wie namentlich Klein- und Anbauten eine erleichterte Aus- nahmebewilligung betreffend Abstände gegenüber Strassen erteilt werden, sofern kein überwiegendes, aktuelles öffentliches Interesse entgegensteht. Die Bauten und Anlagen, die gestützt auf diese Be- stimmung bewilligt worden sind, müssen vom Eigentümer auf erst- malige Aufforderung hin sowie auf eigene Kosten und entschädi- gungslos entfernt oder versetzt werden, wenn die überwiegenden In- teressen eines öffentlichen Werkes es erfordern (§ 67a Abs. 2 BauG). Wie den Materialien zu dieser Bestimmung zu entnehmen ist, kommt eine Ausnahmebewilligung nach § 67a BauG nur bei Bagatellbauten in Betracht, die sich im Falle eines Strassenausbaus mit wenig Aufwand entfernen lassen, wie z.B. Reklametafeln, Schaukästen, Gerätehäuschen oder Autounterstände (Botschaft des Regierungsrats vom 5. Dezember 2007 zur Teilrevision des BauG [Ges.-Nr. 07.314], S. 89). Ob sich eine Baute oder Anlage noch als "untergeordnet" im Sinn von § 67a Abs. 1 BauG bezeichnen lässt, richtet sich somit nach dem Aufwand, der bei einer späteren Beseitigung nach Abs. 2 anfiele. Die Erfahrung lehrt, dass Beseitigungsaufforderungen, selbst wenn sie aufgrund eines Reverses erfolgen, meistens nicht wider- standslos befolgt werden. Das gilt insbesondere dann, wenn erheb- liche wirtschaftliche Interessen im Spiel sind (AGVE 2006, S. 164). Je aufwändiger die spätere Beseitigung ist, desto eher ist mit Wider- stand des Eigentümers zu rechnen, weshalb es sachgerecht erscheint, eine erleichterte Ausnahmebewilligung nach § 67a BauG nur dann zu erteilen, wenn sich die Baute oder Anlage mit wenig Aufwand besei- tigen lässt. 2010 Bau-,Raumentwicklungs-u.Umweltschutzrecht 167 Im vorliegenden Fall ist eine Beseitigung der umstrittenen Mauern schon konstruktionsbedingt (Beton- bzw. Blocksteinmauer) mit beträchtlichem Aufwand verbunden, was sich namentlich in den Beseitigungskosten von Fr. 16'700.-- niederschlägt. Hinzu kommen die nutzlos gewordenen Kosten für die Erstellung der ursprünglichen Mauer sowie die Auslagen für die Erstellung einer neuen Mauer bzw. einer Böschung. Die beiden Mauern können daher nicht mehr unter den Begriff der untergeordneten Klein- oder Anbauten im Sinne von § 67a BauG subsumiert werden. Eine erleichterte Ausnahmebewil- ligung nach § 67a BauG fällt deshalb ausser Betracht.
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2008 Waffenrecht 271 48 Waffenbeschlagnahmung. - Voraussetzungen für eine vorläufige Waffenbeschlagnahmung. Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 30. April 2008 in Sachen R.D. gegen den Regierungsrat (WBE.2007.356). Aus den Erwägungen 1. (...) 1.1. (...) Nach Art. 31 Abs. 1 lit. b des Bundesgesetzes über Waffen, Waffenzubehör und Munition vom 20. Juni 1997 (Waffengesetz, WG; SR 514.54) werden Waffen, wesentliche Waffenbestandteile, Waffenzubehör, Munition und Munitionsbestandteile aus dem Besitz einer Person beschlagnahmt, bei der ein Hintergrundsgrund nach Art. 8 Abs. 2 WG besteht. Ein solcher liegt unter anderem bei Perso- nen vor, welche entweder zur Annahme Anlass gegeben haben, dass sie sich selbst oder Dritte gefährden (Art. 8 Abs. 2 lit. c WG), die wegen einer Handlung, welche eine gewalttätige oder gemeingefähr- liche Gesinnung bekundet, oder die wegen wiederholt begangener Verbrechen oder Vergehen im Strafregister eingetragen sind, so lange der betreffende Eintrag nicht gelöscht ist (Art. 8 Abs. 2 lit. d WG; zum Ganzen: AGVE 2003, S. 545). Hinsichtlich der Erteilung eines Waffenerwerbsscheines sieht Art. 10 Abs. 2 der Verordnung über Waffen, Waffenzubehör und Munition vom 21. September 1998 (Waffenverordnung, WV; SR 514.541) vor, dass die zuständige Behörde zu prüfen hat, ob die Voraussetzungen für den Waffenerwerb (Art. 8 WG) erfüllt sind. Gleiches muss für den Fall der Beschlagnahmung nach Art. 31 Abs. 1 WG gelten, d.h. die zuständige Behörde hat abzuklären, ob 2008 Verwaltungsgericht 272 ein Hinderungsgrund gemäss Art. 8 Abs. 2 WG vorliegt (Art. 31 Abs. 1 lit. b WG) oder Waffen ohne Berechtigung getragen werden (lit. a). An den Nachweis der von der betroffenen Person ausgehenden Gefahr für sich oder für Dritte (Art. 8 Abs. 2 lit. c WG) sind keine allzu hohen Anforderungen zu stellen, weil die Beschlagnahmung präventiven Charakter hat. Immerhin muss aber ein ausreichendes Mass an Wahrscheinlichkeit bestehen, dass ohne Beschlagnahmung die Sicherheit von Personen oder der öffentlichen Ordnung gefährdet wäre. Das Gesetz stellt für den Träger verbotener Waffen, für Un- mündige und Entmündigte die unumstossbare Vermutung auf, dass diese Voraussetzung erfüllt ist. Abgesehen von diesen unproblemati- schen Fällen wird man eine Selbst- oder Fremdgefährdung bzw. An- haltspunkte dafür etwa bei Betrunkenen, Geisteskranken sowie sui- zidgeneigten Personen regelmässig bejahen müssen. Eine ausrei- chende Gefährdung muss auch für Personen gelten, welche einen Dritten mit einer Waffe bedrohen, einen Waffeneinsatz in Aussicht stellen oder mit einer Schusswaffe unkontrolliert in die Luft schies- sen. Waffen dürfen sodann auch bei einer einmaligen Entgleisung be- schlagnahmt werden, weil den Polizeibehörden im ersten Moment eine nähere Abklärung, ob die Gefahr für einen Waffenmissbrauch fortbesteht, nicht zugemutet werden kann (AGVE 2003, S. 546; VGE IV/13 vom 15. März 2007 [WBE.2006.75], S. 7; Philippe Weissenberger, Die Strafbestimmungen des Waffengesetzes, in: AJP 2000, S. 163). 1.2. Mit Beschlagnahmeverfügung vom 6. August 2007 ordnete die Kantonspolizei an, dass die sichergestellten Gegenstände (Waffen und Munition) bis zum Abschluss der Prüfung einer definitiven Be- schlagnahme bei der Kantonspolizei, Fachstelle SIWAS, eingelagert bleiben. Zur Begründung wurden die Hinderungsgründe von Art. 31 Abs. 1 lit. b WG i.V.m. Art. 8 Abs. 2 lit. c und d WG sowie die Dro- hung mit Selbstjustiz angeführt. Die Vorinstanz führte diesbezüglich insbesondere aus, aufgrund des Schreibens des Beschwerdeführers habe ein grosses Mass an Wahrscheinlichkeit bestanden, dass er mit den sich in seinem Besitz 2008 Waffenrecht 273 befindlichen Waffen eine Verzweiflungstat begehen könnte. Die Häufung bzw. Zunahme entsprechender Vorkommnisse in den letzten Jahren, insbesondere auch der Vorfall im zugerischen Parlament im Herbst 2001, habe zu einer Sensibilisierung der Behörden geführt. Aufgrund dieser Vorkommnisse hätten die Erklärungen des Be- schwerdeführers nicht als Meinungsäusserung aufgefasst werden können, immerhin habe er mit der Drohung der Selbstjustiz ganz konkret Straftaten in Aussicht gestellt. Aufgrund seines Umgangs mit Behörden sowie seiner Ausbildung und beruflichen Stellung habe sodann nicht einfach von einer unerheblichen Unbedachtheit oder "Unbedarftheit im Sprachgebrauch" ausgegangen werden können. 1.3. (...) 1.4. 1.4.1. Die im Schreiben des Beschwerdeführers vom 12. April 2007 an den Vorsteher DVI verwendete Formulierung "Sollte eine solche [Antwort auf sein Gesuch um Gewährung eines Rechtsbeistandes] ausbleiben, verstehe ich dies als ultimative Aufforderung zur Selbst- justiz." kann entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers nicht anders verstanden werden, als dass er, sofern die Behörden sei- ner Forderung um Gewährung eines Rechtsbeistandes nicht (recht- zeitig) nachgekommen, sich aufgefordert fühle, seine vermeintlichen Rechte selber und mit Gewalt durchzusetzen. Mit dem Hinweis auf Notwehr bzw. Notstand werden strafrechtliche Handlungen gerecht- fertigt. Die Ausführungen im Schreiben des Beschwerdeführers vom 12. April 2007 an den Vorsteher DVI zeigen deutlich, dass sich der Beschwerdeführer bei der Durchsetzung seiner vermeintlichen Rech- te gegenüber seiner früheren Lebenspartnerin nicht nur als ungerecht behandelt fühlt, sondern sich als Opfer behördenübergreifender und systematisch gefällter Fehlurteile sieht. Ohne behördliche Abhilfe dieser Missstände fühlt und erklärte er sich zudem zur Selbstjustiz berechtigt. Diese Erklärungen können damit nicht als blosse Mei- nungsäusserung verstanden werden. Aufgrund der Umstände musste vielmehr mit der Möglichkeit gerechnet werden, dass der Beschwer- deführer zur Durchsetzung seiner vermeintlichen Rechte tatsächlich 2008 Verwaltungsgericht 274 zur Selbstjustiz greifen könnte und dabei auch vor deliktischen Handlungen nicht zurückschreckt. Die Gefahr, dass er Straftaten un- ter Einsatz von Waffengewalt begehen könnte, war damit nicht aus- zuschliessen. Der Vorwurf des Beschwerdeführers, der im Entscheid des Regierungsrates dargelegte Sachverhalt beschränke sich im We- sentlichen auf aus dem Zusammenhang gezogene Formulierungen und Passagen seiner Eingabe vom 12. April 2007, trifft nicht zu. Seine Ausführungen betreffend Aufforderung zur Selbstjustiz und Berufung auf Notwehr und Notstand sind unmissverständlich for- muliert. Dem Beschwerdeführer wurde in den Zivilurteilen die Rechtslage und auch das Vorgehen zur Durchsetzung seiner be- haupteten Forderungen dargelegt. Auch aus der Vorgeschichte konnte daher eine irrationale Reaktion des Beschwerdeführers auf die ver- meintlich ungerechte Behandlung durch systematische Fehlurteile gegen ihn nicht völlig ausgeschlossen werden. Solche Gefühlslagen können Anlass zur Annahme geben, dass es tatsächlich zur Selbst- justiz mit Waffengewalt kommen kann. Die Beschlagnahme gemäss Art. 31 WG setzt nicht die Bege- hung eines Deliktes voraus. Es spielt daher keine Rolle, ob mit die- sem Schreiben tatsächlich der Tatbestand der Drohung bzw. Nöti- gung erfüllt ist oder der Adressat Strafanzeige erhoben hat bzw. sich tatsächlich bedroht fühlte. Aus diesen Gründen haben die Kantonspolizei und die Vorin- stanz die Voraussetzungen einer präventiven Beschlagnahmung zu Recht bejaht. 1.4.2. Ob der Beschwerdeführer sich über eine hohe Belastbarkeit so- wie die Fähigkeit, Verantwortung zu tragen, ausweisen kann, muss und kann im Rahmen dieses Verfahrens nicht beurteilt werden. Ein ausreichendes Mass an Wahrscheinlichkeit, dass die Sicherheit ge- fährdet ist, und objektive Zweifel an der charakterlichen Fähigkeit im Umgang mit Waffen genügen für die vorsorgliche, vorläufige Be- schlagnahmung. Im anschliessenden Verfahren sind die Hintergründe und die Voraussetzungen im Einzelnen abzuklären.
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2017 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 145 V. Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 26 Bausperre (§ 30 BauG) Als Rechtsmittelinstanz, die nicht Planungsorgan ist, darf das Verwal- tungsgericht in einem Beschwerdeverfahren (gegen eine Baubewilligung) nicht gegen den Willen des in erster Linie zuständigen Gemeinderats eine Bausperre anordnen, um eine künftige Planung zu sichern. Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 11. Januar 2017, i.S. A., B., C. und D. gegen E. AG, Gemeinderat F. sowie Departement Bau, Verkehr und Umwelt (WBE.2016.108) Aus den Erwägungen 2.2.1. Die sog. Bausperre ist eine Plansicherungsmassnahme und wird in § 30 BauG geregelt: Während der Erlass oder die Änderung von Nutzungsordnungen vorbereitet wird, kann die zuständige Behörde die Gesuche für die Bewilligung von Bauten und Anlagen in den von den neuen Plänen betroffenen Gebieten für die Dauer von höchstens zwei Jahren zurückstellen. Bewilligungen für Bauten und Anlagen dürfen nur erteilt werden, wenn feststeht, dass diese die Verwirkli- chung der neuen Pläne nicht erschweren. Die "zuständige Behörde" für die Verfügung von Bausperren ist in erster Linie der Gemeinderat als Baubewilligungsbehörde. Dane- ben können die Beschwerdeinstanzen ebenfalls in die Lage kommen, § 30 BauG anzuwenden, entweder erstinstanzlich, wenn die Pflicht zum Erlass einer Bausperre erst im Laufe des Beschwerdeverfahrens entstanden ist, oder im Rahmen der Überprüfung dessen, ob der Ge- meinderat § 30 BauG korrekt angewandt und zu Recht auf die Verfü- gung einer Bausperre verzichtet hat. Allerdings werden die entspre- chenden Befugnisse der Rechtsmittelinstanzen durch die verfas- 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 146 sungsrechtlich geschützte Gemeindeautonomie (§ 106 KV) erheblich eingeschränkt. Mit Rücksicht auf die in diesem Bereich autonome Stellung der Gemeinden darf eine Beschwerdeinstanz, die - wie das Verwaltungsgericht - nicht selber Planungsorgan ist, § 30 BauG nur dann anwenden, wenn sich der Gemeinderat im Beschwerdeverfah- ren klar dahingehend äussert, er wolle an der Neuordnung festhalten bzw. würde § 30 BauG selber anrufen, wenn er (im heutigen Zeit- punkt) selber über die Baubewilligung zu entscheiden hätte (AGVE 2004, S. 191; 1980, S. 256 ff.; VGE III/24 vom 17. März 1989, S. 13). 2.2.2. Anlass für die von den Beschwerdeführern beantragte Bausper- re ist die von der Gemeindeversammlung am beschlossene und vom Regierungsrat am (...) genehmigte Wiedereinführung einer Aus- nützungsziffer von 0,4 für die W2. Die im Zeitpunkt der Bewillli- gung des streitgegenständlichen Baugesuchs geltende Bau- und Nutzungsordnung (BNO) der Gemeinde F. vom (...) sah für die W2 (im Gegensatz zur alten BNO) keine Ausnützungsziffer vor. Die Wiedereinführung einer Ausnützungsziffer für die W2 stand schon im Zeitpunkt der Erteilung der Baubewilligung im Raum. Das erhellt auch aus den Ausführungen des Gemeinderates im Bewilli- gungsentscheid vom 23. März 2015 unter der Rubrik Ausnützungs- ziffer. Danach hat sich der Gemeinderat jedoch bewusst gegen die Verfügung einer Bausperre entschieden. Zur Begründung gab er an, die beabsichtigte Zonenplanrevision (Ausnützungsziffer von 0,4 für die W2) sei noch mit grossen Unsicherheiten behaftet. Deshalb werde das Vertrauen der Bauherrschaft in die geltende Zonenordnung (Rechtssicherheit für die Bauplanung) höher gewichtet und das Bau- vorhaben mit einer Ausnützungsziffer von 0,553 bewilligt. Im Rechtsmittelverfahren hat der Gemeinderat F. seine diesbe- zügliche Haltung nicht geändert. Vor Verwaltungsgericht verteidigte er seinen Entscheid, keine Bausperre über die Parzelle X zu verhän- gen, sogar explizit, unter Hinweis darauf, dass für den Gemeinderat sehr ungewiss gewesen sei, ob die Gemeindeversammlung einer Ausnützungsziffer von 0,4 zustimmen würde. Aufgrund der an der Gemeindeversammlung (...) abgegebenen Voten sei zwar der Ein- 2017 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 147 druck entstanden, dass die Beibehaltung einer Ausnützungsziffer (an- stelle der Einführung des vom Gemeinderat vorgeschlagenen, von der Gemeindeversammlung schliesslich zurückgewiesenen grossen Grenzabstandes von 8 m) mehrheitlich begrüsst worden sei. Eine Er- höhung der Ausnützungsziffer von 0,4 auf 0,6 habe aber nicht ausge- schlossen werden können. In diesem noch offenen Planungsstadium ein "fertiges, in allen Punkten korrektes Baugesuch" abzuweisen, das zudem die Erwägungen der Rechtsabteilung BVU (im Beschwerde- entscheid vom 6. Oktober 2014) beherzigt habe, sei für den Gemein- derat keine Option gewesen. 2.2.3. Dem Verwaltungsgericht ist es nach dem oben Gesagten (Erw. 2.2.1 vorne) nicht gestattet, gegen den ausdrücklich erklärten Willen des Gemeinderats F. § 30 BauG anzuwenden und an dessen Stelle eine Bausperre über die Parzelle X zu verfügen. Damit würde das Verwaltungsgericht eine Planungsabsicht sichern, wo nach dem Dafürhalten der zuständigen Planungsbehörde kein entsprechender Absicherungsbedarf besteht, eine Vorwirkung der künftigen Nut- zungsordnung nicht erwünscht ist. Insofern kann auf den Antrag der Beschwerdeführer auf Erlass einer Bausperre über die Parzelle X mangels Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts zum Erlass von Bau- sperren gegen den Willen des zuständigen Planungsorgans nicht ein- getreten werden. Im Übrigen wäre dieser Antrag ohnehin unbegründet. Mit der Vorinstanz (...) ist festzuhalten, dass eine gefestigte Planungsabsicht allein nicht genügt, um eine Bausperre zu rechtfertigen. Darüber hi- naus muss das Bauvorhaben die Verwirklichung der Planung er- schweren. Das ist dann anzunehmen, wenn mit einem Bauvorhaben ein derart starkes Präjudiz geschaffen würde, dass die vorgesehene Zonierung generell fragwürdig erschiene. Es geht darum, Abwei- chungen zu verhindern, die für die Ausscheidung, Abgrenzung und Gestaltung der Zonierung im fraglichen Gebiet wesentlich sind (AGVE 1988, S. 363; VGE III/20 vom 22. März 1996 [BE.95.00357], Erw. II/1c). Von solchen Abweichungen kann im vor- liegenden Fall nicht ausgegangen werden. Im Dorfteil mit der streit- betroffenen Parzelle X ist die W2 weitestgehend überbaut. Nach der 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 148 insoweit unbestritten gebliebenen Darstellung der Vorinstanz ist das Bauvorhaben der Beschwerdegegnerin das einzige Projekt, welches eine Ausnützungsziffer von über 0,4 beansprucht. Es ist nicht ersicht- lich, inwiefern ein einziger Bau am Rande der Bauzone mit einer hö- heren Ausnützungsziffer die Planung der Gemeinde durchkreuzen und die Nutzungsordnung (im betreffenden Gebiet) in Frage stellen könnte. Was die Beschwerdeführer dagegen vorbringen, vermag nicht zu überzeugen. Auch wenn der geplante Bau augenscheinlich grösser dimensioniert sein wird als die benachbarten Bauten, wird der Charakter dieser Zone dadurch nicht ausgehebelt. Welche über- mässig nachteiligen Auswirkungen das Bauvorhaben auf die nordöst- lich angrenzende Landschaftsschutzzone hat, wird von den Be- schwerdeführern nicht näher konkretisiert. Zu Recht schützte deshalb die Vorinstanz den gemeinderätlichen Ermessensentscheid, keine Bausperre über die Parzelle X zu verfügen.
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AG_VG_001
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Northwestern_Switzerland
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2013 Migrationsrecht 143 [...] 31 Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung; Verschweigen wesent- licher Tatsachen; Verhältnismässigkeit; öffentliches Interesse Je gewichtiger sich das Verschweigen wesentlicher Tatsachen auf einen korrekten Entscheid der Bewilligungsbehörden auswirken kann und je grösser das Verschulden des Betroffenen zu qualifizieren ist, umso höher ist das öffentliche Interesse an der Nichtverlängerung der Aufenthaltsbe- willigung zu veranschlagen. 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 144 Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 25. Oktober 2013 in Sachen A. gegen das Amt für Migration und Integration (WBE.2012.1059). Aus den Erwägungen 4.2. 4.2.1. Liegt ein Widerrufsgrund vor, weil ein Betroffener im Bewilli- gungsverfahren falsche Angaben gemacht oder wesentliche Tatsa- chen verschwiegen hat (Art. 62 Abs. 1 lit. a AuG), bestimmt sich das Mass des öffentlichen Interesses an der Nichtverlängerung der Auf- enthaltsbewilligung vorab daran, wie gross das Interesse der Be- hörden zu veranschlagen ist, im Bewilligungsverfahren über korrekte Angaben zu verfügen bzw. in Kenntnis der verschwiegenen Tatsa- chen entscheiden zu können. Zudem ist das Verschulden des Be- troffenen zu gewichten und der seit der Falschangabe bzw. seit dem Verschweigen vergangene Zeitraum und das Verhalten der auslän- dischen Person während dieser Periode zu berücksichtigen (vgl. BGE 135 II 377, Erw. 4.3). Je gewichtiger sich die Falschangabe oder das Verschweigen auf einen korrekten Entscheid der Bewilli- gungsbehörden auswirken kann und je grösser das Verschulden des Betroffenen zu qualifizieren ist, umso höher ist das öffentliche Inte- resse an der Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung zu veran- schlagen. In Bezug auf das öffentliche Interesse ist festzuhalten, dass der Erwerb einer Aufenthaltsbewilligung durch Verschweigen wesentli- cher Tatsachen verwerflich ist. Es besteht seitens der Migrations- behörden ein erhebliches Interesse, in Kenntnis aller wesentlichen Umstände über die Bewilligung eines Betroffenen entscheiden zu können, damit nur diejenigen Personen von einer besonderen gesetz- lichen Privilegierung profitieren können, welche die entsprechenden Voraussetzungen auch tatsächlich erfüllen. Insofern ist auch von einem grossen öffentlichen Interesse auszugehen, eine Bewilligung, die mittels Verschweigens wesentlicher Tatsachen erhältlich gemacht 2013 Migrationsrecht 145 wurde, nicht zu verlängern bzw. zu widerrufen. Bei der Beurteilung des öffentlichen Interesses ist zudem die Art der Täuschungshandlun- gen zu berücksichtigen. Je gravierender und verwerflicher diese wa- ren, desto eher ist die Nichtverlängerung bzw. der Widerruf ange- messen bzw. umso höher müssen die privaten Interessen an einem weiteren Verbleib in der Schweiz sein, um die Nichtverlängerung bzw. einen Widerruf der Aufenthaltsbewilligung als unverhältnismäs- sig erscheinen zu lassen (vgl. RGAE vom 2. Februar 2012 [1-BE.2010.48], Erw. II/4.2). 4.2.2. Bereits aufgrund des Umstandes, dass es der Beschwerdeführer über Jahre hinweg konsequent unterlassen hat, die Behörden über die Existenz seines ausserehelichen Sohnes aufzuklären und damit er- reichte, dass diese seine Aufenthaltsbewilligung in Unkenntnis des vollständigen Sachverhalts erteilten bzw. verlängerten, ist von einem grossen öffentlichen Interesse an der Nichtverlängerung seiner Auf- enthaltsbewilligung und seiner Wegweisung aus der Schweiz aus- zugehen. Hätten die Behörden Kenntnis aller Umstände gehabt, wäre die Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers wohl ernsthaft in Frage gestellt worden. Hinzu kommt, dass aufgrund des Ablaufs - Zeugung eines Kindes im Ausland, Heirat einer Schweizerin, Schei- dung nach vermeintlicher Sicherung eines Aufenthaltsrechts, Aner- kennung des Kindes und Heirat der Kindsmutter - von einem plan- mässigen Vorgehen und vom Führen einer Parallelbeziehung im Ausland auszugehen ist. Insgesamt besteht deshalb ein sehr grosses öffentliches Interesse an der Nichtverlängerung seiner Aufenthaltsbe- willigung und seiner Wegweisung aus der Schweiz.
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2,008
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2008 Submissionen 179 [...] 31 Zuschlagskriterien. - Zuschlagskriterium "gerechte Abwechslung und Verteilung" als "vergabefremdes" Kriterium. Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 18. August 2008 in Sachen ARGE F. (Z. AG und E. AG) gegen das Departement Bau, Verkehr und Um- welt (WBE.2008.150). 2008 Verwaltungsgericht 180 Aus den Erwägungen 5. Von den Beschwerdeführerinnen als rechtswidrig und willkür- lich gerügt wird schliesslich auch die Benotung des Zuschlagskri- teriums "Verteilung der Arbeiten". Die Beschwerdeführerinnen haben bei diesem Kriterium - im Gegensatz zu den übrigen Anbie- tern für das Los 7 - mit 2,5 Punkten lediglich die Hälfte von mögli- chen 5 Punkten erhalten. 5.1. Unter dem Kriterium "Verteilung der Arbeiten" ist gemäss den Submissionsbedingungen die angemessene Aufteilung der Arbeiten unter den verschiedenen Bauunternehmungen zu verstehen. Die Ver- gabestelle hat die Bewertung dieses Kriteriums ebenfalls gemäss den vorerwähnten internen Vorgaben (MS-Dokument W.1.002) vorge- nommen. Danach wird im Normalfall die maximale Punktzahl von 100 Punkten bzw. gewichtet von 5 Punkten erteilt. Wenn hingegen aufgrund der übrigen Kriterien bei einem Unternehmer das Total der Gesamtvergabesumme einen Anteil von 30 % sämtlicher Einzelob- jekte der Ausschreibung übertrifft, wird die Punktzahl bei jenen Objekten, die über dieser Limite liegen, auf 50 reduziert (im Normal- fall angefangen bei jenen Objekten mit der geringsten Preisdiffe- renz). Die Beschwerdeführerinnen haben bei der vorliegenden Sam- melausschreibung sowohl für Los 7 (...) als auch für Los 9 (...) ein Angebot eingereicht. Ihr Angebot für Los 7 beträgt Fr. 2'195'635.05, dasjenige für Los 9 Fr. 738'940.80. Nach Darstellung der Vergabebe- hörde übertrifft damit die Angebotssumme für beide Lose von zu- sammen Fr. 2'934'575.85 den Anteil von 30 % (= Fr. 2'039'806.10) an der Gesamtvergabesumme für die Sammelausschreibung der Lose 1-9 von Fr. 6'799'353.90 eindeutig, weshalb die Punktzahl bei jenen Objekten, die über dieser Limite liegen, auf 50 Punkte reduziert wur- 2008 Submissionen 181 de. Da im Normalfall bei den Objekten mit der geringsten Preis- differenz angefangen werde, habe die Reduktion bei Los 7 (...) mit einer negativen Preisdifferenz, d.h. dem 2. Platz, erfolgen müssen. Demgegenüber sind die Beschwerdeführerinnen der Ansicht, das Vorgehen sei schon deshalb widerrechtlich und willkürlich, weil die Vergabesumme des Loses 7 (...) wegen des besonderen Umfangs der Arbeiten für sich allein über 30 % des Vergabetotals liege. Das Vorgehen führe deshalb zum Ausschluss der Beschwerdeführerinnen vom grössten und für sie interessantesten Auftrag. Es sei willkürlich, diese Punktereduktion ausgerechnet bei jenem Los vorzunehmen, bei welchem die Beschwerdeführerinnen preislich an 1. bzw. nach der Korrektur an 2. Stelle lagen. Es widerspreche dem Grundsatz eines fairen und transparenten Verfahrens, wenn ein Bewerber (in casu die Beschwerdeführerinnen) durch solche Machenschaften vom für sie interessantesten Auftrag ausgeschlossen würden. Wenn schon sei in solchen Fällen die Punktereduktion bei jenem Auftrag vorzunehmen, der von der Vergabesumme her der geringste, also für die Anbieter der uninteressanteste sei. Darüber hinaus sei es willkürlich, in casu eine Arbeitsgemeinschaft, bestehend aus zwei unabhängigen Firmen, einem einzelnen Unternehmer gleichzustellen. In solchen Fällen von Arbeitsgemeinschaften müsste die auf sie entfallende Gesamtverga- besumme durch die Anzahl der an der ARGE beteiligten Unterneh- men geteilt werden (in casu also durch zwei). Hätten die Beschwer- deführerinnen getrennt eingegeben, hätte es keine Kürzung gegeben und sie hätten beide Aufträge erhalten. 5.2. In § 18 Abs. 2 SubmD wird die "gerechte Abwechslung und Verteilung" ausdrücklich als Kriterium zur Ermittlung des wirt- schaftlich günstigsten Angebots erwähnt. Bei diesem Kriterium han- delt es sich indessen um ein sog. "vergabefremdes" Zuschlagskrite- rium, das nicht unmittelbar zur Bestimmung des im Hinblick auf die konkrete Vergabe wirtschaftlich günstigsten Angebots beiträgt, son- dern Allgemeininteressen berücksichtigt (Elisabeth Lang, Die Praxis des Verwaltungsgericht des Kantons Aargau zum Submissionsrecht, in: Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Verwaltungsrecht [ZBl] 103/2002, S. 470; Peter Galli / André Moser / Elisabeth Lang / 2008 Verwaltungsgericht 182 Evelyne Clerc, Praxis des öffentlichen Beschaffungsrechts, 1. Band, 2. Auflage, Zürich / Basel / Genf 2007, Rz. 589). Gemäss Matthias Hauser (Zuschlagskriterien im Submissionsrecht, in: Aktuelle Juristi- sche Praxis [AJP] 2001, S. 1420) erscheint die gerechte Abwechs- lung u.U. sinnvoll, wenn mit einer Mehrzahl entsprechender Kon- stellationen (ähnliche Aufträge, zu erwartende Gleichwertigkeit meh- rerer Offerten) mit den jeweils gleichen Anbietern zu rechnen ist. Ansonsten sei eine Abwechslung nicht gewährleistet. Dass die einge- henden Angebote gleichwertig sind, ist bei Vergaben wie der vorlie- genden Sammelausschreibung von kleineren Strassenbauaufträgen häufig der Fall. Mit dem Kriterium der Abwechslung hat es die Ver- gabebehörde bei solchen Vergaben auch in der Hand, ein allfälliges "Klumpenrisiko" zu vermeiden. Klar erscheint sodann, dass der "ge- rechten Abwechslung und Verteilung" als vergabefremdem Kriterium kein allzu grosses Gewicht zukommen darf (Lang, a.a.O., S. 470). Letztlich soll damit lediglich erreicht werden, dass bei an sich (in Be- zug auf die preis- und qualitätsrelevanten Zuschlagskriterien) gleich- wertigen Angeboten eine Abwechslung möglich ist. Vorliegend kommt dem Kriterium ein Gewicht von 5 % zu, was im Hinblick auf das der Vergabestelle zukommende grosse Ermessen bei der Hand- habung der Kriterien vertretbar erscheint. Wie bereits dargelegt, ist nach der Praxis des Verwaltungsge- richts in erster Linie entscheidend, dass ein Bewertungs- oder Beno- tungssystem im Grundsatz sachgerecht ist und einheitlich, d.h. auf alle Anbietenden bzw. auf alle Angebote in gleicher Weise und nach gleichen Massstäben angewendet wird. Die Ausgestaltung im Detail ist dabei von untergeordneter Bedeutung (AGVE 2000, S. 323; Lang, a.a.O., S. 475). Die Handhabung bzw. Benotung des strittigen Kriteriums ist im Hinblick auf die Gleichbehandlung der Anbietenden zweifellos nicht unproblematisch. Im vorliegenden Fall hat die Vergabebehörde - wie dargelegt - für die Benotung des Kriteriums interne Richtlinien festgelegt, die bei Vergaben wie der vorliegenden zur Anwendung gelangen. Dies ist als durchaus zweckmässig anzusehen, da auf diese Weise die Gleichbehandlung der Anbietenden von vornherein formell sichergestellt ist. Das heisst, es wird verhindert, dass die Vergabe- 2008 Submissionen 183 stelle im Einzelfall unter Hinweis auf die "gerechte Abwechslung und Verteilung" zumindest unter mehr oder weniger gleichwertigen Angeboten nach ihrem Belieben, d.h. willkürlich, entscheiden kann. Die Vergabebehörde hat sich bei der Benotung der Angebote im konkreten Fall strikte an ihre eigenen Vorgaben gehalten, was die Be- schwerdeführerinnen zu Recht nicht (mehr) in Frage stellen. Insofern kann der Vergabebehörde weder eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung noch Willkür vorgeworfen werden. Ebenso wenig hat sie das ihr zukommende Ermessen überschritten. Dass die Be- schwerdeführerinnen den zu ihrem Nachteil ausgefallenen Entscheid als ungerecht empfinden, ist verständlich und nachvollziehbar, ändert aber nichts daran, dass der Vergabebehörde keine Rechtsverletzung vorgeworfen werden kann. Die von den Beschwerdeführerinnen vor- gebrachten Einwände sind ebenfalls unbehelflich. Sie haben vorlie- gend als Arbeitsgemeinschaft ein (gemeinsames) Angebot einge- reicht und sind infolgedessen im gesamten Vergabeverfahren, somit auch beim Kriterium der Abwechslung als ein Anbieter zu behan- deln. Andernfalls könnte ein grosses Unternehmen beispielsweise auch geltend machen, dass ihm aufgrund seiner Grösse ein höherer Anspruch am Auftragsvolumen zustehen muss als einem kleineren Anbieter. Die genannten internen Richtlinien sehen keine solche Differenzierungen vor, was nicht zu beanstanden ist. Ebenfalls besteht keine Verpflichtung der Vergabestelle, die erwähnten Bewertungsrichtlinien offen zu legen, auch wenn dies aus Gründen der Transparenz generell und bei einem problematischen Kriterium der "gerechten Abwechslung und Verteilung" im Besonde- ren wünschbar wäre.
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2,014
de
2014 Wahlen und Abstimmungen 229 X. Wahlen und Abstimmungen 42 §§ 37 und 38 GPR - Mangelnde Legitimation einer Kreisschulpflege als Behörde - Grundsätze für die Wahl einer Kreisschulpflege, insbesondere Durchführung eines zweiten Wahlgangs Urteil des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 25. April 2014 in Sachen A., B., C. und D. gegen Kreisschulrat X. (WBE.2014.37). Aus den Erwägungen I. 1. (...) 2. 2.1. (...) 2.2. Die Kreisschulpflege ist als Behörde zur Beschwerdeerhebung nicht legitimiert. Als solche kann sie nicht unter eigenem Namen ge- gen Entscheide des Kreisschulrats Beschwerde führen (sog. Behör- denbeschwerde; vgl. Botschaft zur Totalrevision des VRPG, S. 55 mit Hinweisen); dass eine entsprechende spezialgesetzliche Er- mächtigung bestehe (vgl. § 42 Abs. 1 lit. b VRPG), macht die Kreis- schulpflege zu Recht nicht geltend. Die Kreisschulpflege ist aber auch kein Selbstverwaltungskörper (wie etwa eine Gemeinde oder ein Gemeindeverband wie die Kreisschule S.), sondern lediglich Teil eines solchen. Sie handelt hier, wo sich ihre Beschwerde gegen einen Beschluss eines anderen Organs des gleichen Selbstverwaltungs- körpers richtet, nicht für einen Selbstverwaltungskörper. Auch unter diesem Aspekt kommt daher eine Beschwerdeführung durch die Kreisschulpflege nicht infrage. 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 230 2.3. Hingegen haben, worauf schon die Vorinstanz zutreffend hinge- wiesen hat, die im ersten Wahlgang nicht gewählten bisherigen Mit- glieder der Kreisschulpflege (A., B., C. und D.) ein aktuelles Inte- resse an der Beurteilung ihrer Beschwerde, sind sie doch der Auffas- sung, dass, wäre am 4. Dezember 2013 ein - nach ihrer Auffassung zwingender - zweiter Wahlgang durchgeführt worden, sie wieder als Mitglieder der Schulpflege gewählt worden wären. Mit ihrer Be- schwerde wollen sie denn auch genau dieses Ziel - die Feststellung durch das Verwaltungsgericht, dass sie rechtsgültig gewählt seien - erreichen. (...) II. 1. 1.1. Die Mitglieder der Schulpflege werden gemäss § 21 Abs. 1 lit. b GG in der Gemeindeversammlung oder an der Urne gewählt. Dies gilt sinngemäss auch für Kreisschulverbände (§ 69 Abs. 2 SchulG). In einer Organisation mit einem Kreisschulrat werden die Schulpfle- gemitglieder durch den Kreisschulrat gewählt. Für das Wahlpozedere gelten dabei, wie die Vorinstanz zutreffend dargelegt hat, die Vor- schriften des GPR. Auf die hier zu beurteilenden Gesamterneue- rungswahlen, die der Kreisschulrat in öffentlicher Sitzung durchführt (vgl. § 17 Abs. 5 und § 18 Ziff. 1 Satzungen), gelangen mithin die Regeln von § 37 ff. GPR zur Anwendung. 1.2. Gemäss § 23 des Geschäftsreglements des Kreisschulrats X. sind vom Kreisschulrat durchzuführende Wahlen wie folgt abzuwi- ckeln: "1 Wahlen werden geheim durchgeführt. 2 Im ersten Wahlgang entscheidet das absolute, im zweiten das relative Mehr der gültigen Stimmen. 3 Bei Stimmgleichheit zieht der Vorsitzende das Los. 2014 Wahlen und Abstimmungen 231 4 In Bezug auf die persönliche Stimmabgabe, Beurteilung der Stimmzettel, absolutes Mehr, mehrere Namen, finden die Vorschriften des Gesetzes über die politischen Rechte sinngemäss Anwendung." § 37 und 38 GPR bestimmen: "§ 37 Durchführung 1 Die Wahlen in der Gemeindeversammlung werden geheim durchgeführt. 2 Die Wahl der Stimmenzähler und die Wahlen in der Ortsbürgergemeinde können auf besonderen Beschluss der Versammlung offen stattfinden. 3 Sind mehrere Mitglieder für das gleiche Gremium zu wählen, entscheidet die Versammlung in offener Abstimmung darüber, ob jede Wahl einzeln oder alle Wahlen gleichzeitig vorgenommen werden. 4 Das Wahlverfahren ist so durchzuführen, dass alle zu treffenden Wahlen in ein und derselben Versammlung erledigt werden können. Ist dies nicht mög- lich, so muss innert 14 Tagen ein neuer Versammlungstermin angesetzt wer- den. § 38 Wahlvorschläge, Ausstand, Wahlannahme 1 Die Wahlvorschläge sind in der Versammlung zu machen. Sie dürfen kurz begründet werden. 2 Für den zweiten Wahlgang können neue Vorschläge eingebracht werden. 3 die vorgeschlagenen Kandidaten haben sich nicht in den Ausstand zu bege- ben. 4 Ist ein Gewählter in der Versammlung anwesend, hat er umgehend die An- nahme oder Ablehnung der Wahl zu erklären." 1.3. Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, wie die Vorinstanz zutreffend dargestellt hat, dass die am 4. Dezember 2013 durchge- führten Gesamterneuerungswahlen der Mitglieder der Kreisschul- pflege mangelhaft durchgeführt worden sind. Entgegen § 37 Abs. 4 GPR wurde die Wahl nämlich nicht in ein- und derselben Versamm- lung durchgeführt, sondern der zweite Wahlgang wurde auf einen späteren Termin verschoben. Dabei rechtfertigt sich auch der Hin- weis der Vorinstanz, wonach die Vorschriften des GPR in jedem Fall einzuhalten sind. Das GPR ist gemäss seinem § 1 Abs. 1 i.V.m. § 27 Abs. 1 Ziff. 4 auf die Wahlen in die Kreisschulpflege anwendbar und 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 232 enthält gewissermassen einen kantonalrechtlichen Mindeststandard für Wahlverfahren in Gemeindeverbänden und damit auch für die Wahl in die Kreisschulpflege. Soweit Bestimmungen im Reglement eines Gemeindeverbands somit der Regelung im GPR widersprä- chen, ginge die Regelung des GPR vor. Das Vorgehen an der Versammlung vom 4. Dezember 2013 ver- letzt im Übrigen auch § 23 Geschäftsreglement, der dann, wenn ein Kandidat im ersten Wahlgang nicht das absolute Stimmenmehr er- reicht, was hier hinsichtlich der drei bisherigen Mitglieder der Schul- pflege A., B. und C. der Fall war, die Durchführung eines zweiten Wahlgangs vorsieht. In diesem zweiten Wahlgang, in dem neue Vor- schläge hätten vorgebracht werden können (§ 38 Abs. 2 GPR), wären dann die Personen gewählt gewesen, welche das relative Mehr der Stimmen auf sich vereinigt hätten. Erst wenn auch nach dem Ergeb- nis des zweiten Wahlgangs die Kreisschulpflege nicht vollständig be- setzt hätte werden können, wäre Unmöglichkeit im Sinn von § 37 Abs. 4 zweiter Satz GPR anzunehmen und die Durchführung einer weiteren Wahlversammlung angezeigt gewesen. Die Vorinstanz hat ausserdem zutreffend darauf hingewiesen, dass die Nichtdurchführung des zweiten Wahlgangs mit Neuaus- schreibung für die drei (noch) nicht gewählten Mitglieder der Kreis- schulpflege - und ohne Nennung eines vor dem 22. Dezember 2013 liegenden zweiten Wahltermins - auch einen Verstoss gegen die regierungsrätlichen Vorgaben hinsichtlich der Erneuerungswahlen in den Gemeinden für die Amtsperiode 2014 - 2017 (Anordnung ge- stützt auf § 13 GPR) darstellt, mussten solche Wahlen doch gemäss den regierungsrätlichen Vorgaben im Zeitraum vom 9. Juni bis zum 22. Dezember 2013 durchgeführt werden. 1.4. Nachdem die Vorinstanz wie dargelegt zutreffend festgestellt hat, dass die am 4. Dezember 2013 durchgeführte Gesamterneue- rungswahl der Kreisschulpflege an verschiedenen Mängeln litt, ist einzig zu prüfen, welche Rechtsfolgen diese Mängel haben. Allein darum dreht sich denn auch der vorliegende Streit. 2014 Wahlen und Abstimmungen 233 2. 2.1. Der erste Wahlgang ist, wie im angefochtenen Entscheid zutref- fend festgestellt wird, ordnungsgemäss durchgeführt worden. Es ist daher entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht einzusehen, wa- rum dieser für Personen, bei denen von der Annahme der Wahl auszugehen ist, nochmals durchgeführt werden sollte. 2.2.-2.3. (...) 3. Zu entscheiden bleibt, welche Folgen die Verletzungen der Vor- schriften betreffend die Durchführung eines zweiten Wahlgangs bei fehlendem absolutem Mehr im ersten Wahlgang haben. 3.1. 3.1.1. Die Vorinstanz ist in diesem Zusammenhang zum Ergebnis ge- langt, die ganze Wahl müsse nochmals durchgeführt werden. Unter Einbezug des bisherigen Ergebnisses - keine Wiederholung der Wahl vom 4. Dezember 2013 mit Bezug auf die beiden im ersten Wahl- gang gewählten Mitglieder der Kreisschulpflege - ist davon auszuge- hen, dass die Vorinstanz zumindest die Durchführung des zweiten Wahlgangs für die im ersten Wahlgang nicht gewählten Mitglieder für erforderlich hielte. 3.1.2. Die Beschwerdeführer sind dagegen der Auffassung, die Durch- führung eines zweiten Wahlgangs sei überflüssig. Gehe man davon aus, dass im zweiten Wahlgang die noch nicht gewählten bisherigen Mitglieder A., B. und C.wiederum sechs Stimmen erhalten hätten, so könne festgestellt werden, dass deren Wahl rechtsgültig erfolgt sei, nachdem sie das relative Mehr erreicht hätten. Aus prozessökonomi- schen Gründen sei daher direkt durch das Verwaltungsgericht festzu- stellen, dass auch die Mitglieder A., B. und C. rechtsgültig gewählt seien. 3.2. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer kann nicht ein- fach davon ausgegangen werden, dass die drei bisherigen im ersten Wahlgang mangels Erreichens des absoluten Mehrs nicht gewählten 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 234 Mitglieder im zweiten Wahlgang gewählt worden wären. Es mag zwar eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass diejeni- gen sechs Mitglieder des Kreisschulrats, die im ersten Wahlgang ihre Stimme für A., B. und C. abgegeben haben, dies auch im zweiten Wahlgang wieder tun würden. Dies ist jedoch nicht sicher. Deshalb kann dem Hauptantrag der Beschwerdeführer A., B. und C. nicht ge- folgt werden. 4. Damit ist aber noch nicht darüber entschieden, wer zu diesem zweiten Wahlgang noch als Kandidat zuzulassen ist. Während die Vorinstanz und der Kreisschulrat offenbar davon ausgehen, dass im zweiten Wahlgang noch beliebige Kandidaten vorgeschlagen werden können, beantragen die Beschwerdeführer A., B. und C. der Sache nach, dass nur noch sie als Kandidaten zum zweiten Wahlgang zuzu- lassen sind. 4.1. Die Wahlordnung gemäss den §§ 37 ff. GPR ist eine Wahlord- nung für Versammlungswahlen - im Unterschied zu Wahlen an der Urne gemäss den §§ 27 ff. GPR. Anders als bei Urnenwahlen ist bei Versammlungswahlen die unmittelbare Durchführung eines zweiten Wahlgangs technisch mög- lich. Obwohl das nicht bedeutet, dass der Gesetzgeber sich auch für das Modell der Wahl in einer Versammlung entscheiden muss, hat er in § 37 Abs. 4 GPR genau dieses Modell verankert. Dabei fällt auf, dass dieses Modell auch in anderen Kantonen weit verbreitet ist (vgl. z.B. §§ 123 ff. des Luzerner Stimmrechtsgesetzes vom 25. Oktober 1988 [SRL 10]; §§ 47 ff. des Zürcher Gemeindegesetzes vom 6. Juni 1926 [SG 131.1]; §§ 5 ff des Zuger Gesetzes über die Organisation und die Verwaltung der Gemeinden vom 4. September 1980 [BGS 171.1]; § 19b des Basellandschaftlichen Gesetzes über die Organisa- tion und die Verwaltung der Gemeinden vom 28. Mai 1970 [SGS 180]; § 32 ff. des Solothurner Gemeindegesetz vom 16. Februar 1992 [BGS 131.1]). Hinzu kommt, dass der aargauische Gesetzgeber auch bei der Urnenwahl, bei der die Durchführung eines unmittelbar an den ersten Wahlgang anschliessenden zweiten Wahlgangs technisch gar nicht möglich ist, sehr kurze Fristen für Wahlvorschläge für den 2014 Wahlen und Abstimmungen 235 zweiten Wahlgang vorgesehen hat (vgl. §§ 30a, 32, 33 GPR). Das deutet darauf hin, dass es nach dem Willen des Gesetzgebers nicht möglich sein soll, im Hinblick auf den zweiten Wahlgang in Ruhe nach anderen Kandidaten Ausschau halten zu können als jenen, die im ersten Wahlgang präsentiert wurden. Damit wird nicht nur für eine Konzentration der Wahlgeschäfte gesorgt - es soll möglichst rasch klar sein, wer ein bestimmtes Amt bekleiden soll. Diese Ausge- staltung des Wahlverfahrens macht darüber hinaus auch Sinn, weil sie einen gewissen Schutz für die Kandidierenden sowohl bei Neu- als auch bei Gesamterneuerungswahlen beinhaltet: Es wird vermie- den, dass im ersten Wahlgang nicht gewählte Kandidaten, welche zum zweiten Wahlgang antreten, über lange Zeit im Ungewissen darüber sind, ob sie nun doch noch gewählt werden. Diese Überle- gung gilt umso mehr für bisherige Amtsinhaber, denen gegenüber durch die Nichtwiederwahl im ersten Wahlgang (jedenfalls in deren subjektiver Empfindung) das Misstrauen ausgesprochen wird; sie sollen möglichst rasch wissen, ob sie nun - im zweiten Wahlgang, al- lenfalls nur mit relativem Mehr - doch gewählt werden. Gerade der hier zu beurteilende Sachverhalt zeigt einen weiteren Nachteil erst lange nach dem ersten Wahlgang durchgeführter zweiter Wahlgänge: Das Risiko, dass ein zu wählendes Gremium funktionsunfähig wird bzw. dass es nur weiter funktionsfähig bleibt, weil Mitglieder, die im ersten Wahlgang nicht gewählt wurden, in ihm weiter mitwirken, ist gross. Gerade dies will der Gesetzgeber mit der in den §§ 37 ff. GPR verankerten Wahlordnung verhindern. Diese Umstände deuten darauf hin, dass der Gesetzgeber so- wohl hinsichtlich der Urnen- als auch der Versammlungswahl eine Ordnung verwirklichen wollte, die eine zügige Durchführung der Wahlgeschäfte gewährleistet. Vor diesem Hintergrund kommt denn auch dem Zusammenspiel der Vorschriften von § 37 Abs. 4 und § 38 Abs. 2 GPR erhebliche Bedeutung zu: Versammlungswahlen sollen in einer Versammlung durchgeführt werden. Da in der Versamm- lungswahl (im Gegensatz zur Urnenwahl; vgl. Botschaft des Regie- rungsrats zum GPR vom 17. Dezember 1990, S. 13 und § 30 Abs. 1 GPR) stets nur in der Versammlung vorgeschlagene Kandidaten wählbar sind, hat der Gesetzgeber ausdrücklich die Möglichkeit 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 236 vorgesehen, dass für den zweiten Wahlgang noch Vorschläge ge- macht werden können. Auch diese gesetzliche Ordnung, die denjeni- gen, welche neue Kandidaten allenfalls auch erst im zweiten Wahl- gang vorschlagen möchten, eine entsprechende Sitzungsvorbereitung erlaubt, spricht klar gegen die Zulässigkeit einer Vertagung des zwei- ten Wahlgangs. 4.2. Das dargelegte in der gesetzlichen Ordnung zum Ausdruck kommende Gewicht des Anliegens der zügigen Durchführung von Wahlgeschäften insbesondere bei der Versammlungswahl verbietet es, Verhaltensweisen quasi noch zu belohnen, die zu einer Aushebe- lung der gesetzlichen Ordnung führen würden. Genau darauf liefe aber, worauf die Beschwerdeführer zutreffend hinweisen, die einfa- che Anordnung der Durchführung eines zweiten Wahlgangs hinaus: Sie würde die Möglichkeit eröffnen, entgegen dem in § 37 Abs. 4 i.V.m. § 38 Abs. 1 GPR vorgesehenen Verfahren (und auch in Abwei- chung von § 32 GPR) lange nach Durchführung des ersten Wahl- gangs noch Kandidatenvorschläge einzureichen. Das läuft aber wie dargelegt offensichtlich der ratio legis der gesetzlichen Ordnung zuwider. Hinzu kommt, dass auf diese Weise dem unter dem Gesichts- punkt des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes des Handelns nach Treu und Glauben (vgl. U LRICH H ÄFELIN /G EORG M ÜLLER /F ELIX U HLMANN , Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl., Zürich 2010, Rz 622 mit Hinweisen) fragwürdigen Verhalten des Kreisschulrats bzw. dessen federführender Mitglieder Vorschub ge- leistet würde: Wie sich aus den Akten ergibt, suchte der Kreisschulrat bereits mit zwei Inseraten im Landanzeiger vom 12. und 19. Septem- ber 2013 nach möglichen Kandidaten für die Kreisschulpflege. In der Folge wurde das Vorgehen für die Versammlung vom 4. Dezember 2013 vorbereitet, indem gestützt auf eine vom Büro des Grossen Rats beim Rechtsdienst des Regierungsrats eingeholte schriftliche Stellungnahme betreffend das Verfahren bei der Wiederwahl eines Oberrichters dem Kreisschulrat ein von den Vorgaben des GPR und des Geschäftsreglements abweichendes Wahlverfahren vorgeschla- gen wurde. In diesem Zusammenhang rechtfertigt sich insbesondere 2014 Wahlen und Abstimmungen 237 der Hinweis, dass der Kreisschulrat nicht etwa geltend macht, er habe eine Rechtsauskunft zur offenen Frage des Wahlverfahrens ein- geholt, auf die er sich in der Folge aufgrund des Vertrauensschutz- prinzips habe stützen können. Er hat vielmehr gerade keine Rechtsauskunft eingeholt, sondern sich - ohne Absicherung durch Einholen einer Auskunft des Rechtsdiensts der Gemeindeabteilung (was näher gelegen hätte) - auf seine eigene Meinung zur Durchfüh- rung des Wahlverfahrens verlassen (die er, wie bereits erwähnt, auf eine ein gänzlich anderes Wahlgeschäft betreffende Rechtsauskunft des Rechtsdiensts des Regierungsrats stützte) und auf dieser Grund- lage ein Sitzungsszenario entworfen. Als in der Sitzung vom 4. Dezember 2013 Einwände gegen das vorgeschlagene Verfahren erhoben wurden, hat die Sitzungsleitung auch nicht etwa zur Abklä- rung der rechtlichen Zulässigkeit des beabsichtigten Vorgehens eine Verschiebung des ganzen Wahlgeschäfts in Erwägung gezogen. Viel- mehr wurde einfach über einen Antrag auf (korrekte) Durchführung des Wahlverfahrens abgestimmt und dieser abgelehnt. Aus diesem gesamten Ablauf (Stellenausschreibung, Vorbereitung und Durchfüh- rung des Wahlgeschäfts) ist klar erkennbar, worum es dem Kreisschulrat bzw. dessen federführenden Mitgliedern ging: Es soll- ten zumindest zum Teil neue Kandidaten für die Wahl in die Kreis- schulpflege präsentiert werden (weil offenbar eine gewisse Unzufrie- denheit mit der Tätigkeit eines Teils der bisherigen Schulpflegemit- glieder bestand). Da bis zur Versammlung des Kreisschulrats vom 4. Dezember 2013 keine Kandidaten gefunden worden waren, sollte die Durchführung eines zweiten Wahlgangs verhindert und ein Zeit- fenster für das Finden neuer Kandidaten geöffnet werden. Es braucht nicht entschieden zu werden, ob dieses Vorgehen geradezu rechts- missbräuchlich war, wie die Beschwerdeführer geltend machen. Jedenfalls widersprach es klar der gesetzlichen Ordnung und es wäre den verantwortlichen Mitgliedern des Kreisschulrats auch möglich gewesen, durch vorgängige Einholung geeigneter Auskünfte beim Rechtsdienst der Gemeindeabteilung für einen korrekten Ablauf des Wahlgeschäfts zu sorgen. Unter diesen Umständen fällt entgegen der Auffassung der Vorinstanz eine einfache Wiederholung des zweiten 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 238 Wahlgangs mit Präsentation allfälliger neuer Kandidaten ausser Be- tracht. 4.3. 4.3.1. Kommt ein zweiter Wahlgang mit vorgängiger erneuter Kandi- datensuche nicht infrage, kann anlässlich der Durchführung des zweiten Wahlgangs § 38 Abs. 2 GPR auch nicht zur Anwendung gelangen: Zwar hätten am 4. Dezember 2013 vor Durchführung eines zweiten Wahlgangs gemäss dieser Vorschrift neue Kandidaten prä- sentiert werden können. Es wurde indessen kein zweiter Wahlgang durchgeführt. Würden nunmehr nach Abschluss des verwaltungsge- richtlichen Verfahrens in einem zweiten Wahlgang Kandidaten präsentiert, so würde damit im Ergebnis wiederum wie bereits darge- legt die gesetzliche Ordnung unterlaufen. Da andererseits aber nur vorgeschlagene Kandidaten gewählt werden können (vgl. § 38 Abs. 1 GPR und den Kommentar zu dieser Bestimmung in der Botschaft des Regierungsrats, S. 13), können somit im zweiten Wahlgang nur noch die bisherigen Kandidaten A., B. und C. zur Wahl stehen. 4.3.2. Damit fragt sich weiter, ob die Durchführung eines zweiten Wahlgangs überhaupt noch Sinn macht: Im zweiten Wahlgang zählt das relative Mehr (§ 23 Geschäftsreglement, § 23 Abs. 1 i.V.m. § 39 GPR). Gemäss dem auch bei der Versammlungswahl anwendbaren § 22 Abs. 1 GPR (erfasst vom Verweis in § 39 GPR) fallen bei der Ermittlung des Mehrs die leeren und ungültigen Stimmzettel ausser Betracht. Das bedeutet, dass für die Wahl der drei im ersten Wahl- gang nicht gewählten Mitglieder eine einzige Stimme genügen kann (wenn z.B. je ein Wählender je eine der drei Personen auf seinen Stimmzettel schreibt und alle übrigen Wählenden leer einlegen). Dies würde an sich nahe legen, den zweiten Wahlgang still durchzu- führen (wie es im Ergebnis die Beschwerdeführer beantragen). Da indessen (zumindest theoretisch) nicht auszuschliessen ist, dass die drei bisherigen Kandidaten im zweiten Wahlgang (überhaupt) keine Stimmen erhalten und das Gesetz für die Versammlungswahl - an- ders als für bestimmte Konstellationen bei der Urnenwahl (vgl. § 30a Abs. 2 und § 33 Abs. 2 GPR; beide Bestimmungen sind nicht vom 2014 Wahlen und Abstimmungen 239 Verweis in § 39 erfasst) - für Versammlungswahlen keine stille Wahl vorsieht, rechtfertigt es sich, von der Durchführung eines zweiten Wahlgangs nicht abzusehen. Als Ergebnis ist daher in teilweiser Gut- heissung der Beschwerde die Durchführung eines zweiten Wahl- gangs (nur) mit den drei Kandidaten A., B. und C. anzuordnen.
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2004 Verwaltungsrechtspflege 279 [...] 77 Rechtliches Gehör (§ 14 Abs. 1 AnwT). Solidarhaftung für die Prozesskosten. Festsetzung der Parteientschädigung (§ 36 VRPG; § 8 AnwT). - Handhabung von § 14 Abs. 1 AnwT (Erw. 1). - Solidarische Haftung des während des Beschwerdeverfahrens aus- scheidenden Konsorten (Erw. 2). - Handhabung von § 8 AnwT nach der Abschaffung des Zwangstarifs (Erw. 3 a und b). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 13. Dezember 2004 in Sachen M. und Mitb. gegen Baudepartement. 2004 Verwaltungsgericht 280 Aus den Erwägungen 1. § 14 Abs. 1 AnwT lautet: "Will die zuständige Instanz, welche die Parteientschädigung fest- legt, eine Kostennote nicht in der beanspruchten Höhe genehmi- gen, soll sie den Anwalt vor der Fällung des Entscheides in geeigneter Form anhören und auf dessen Begehren den Kosten- entscheid begründen." a) In einem früher beurteilten Fall (VGE III/82 vom 14. Okto- ber 2002 [BE.2002.00014] in Sachen P.) hatte das Baudepartement zwar dem betreffenden Anwalt von der beabsichtigten Kürzung der Kostennote Kenntnis gegeben, jedoch seinen Entscheid vor Ablauf der angesetzten Äusserungsfrist zugestellt. Das Verwaltungsgericht erblickte hierin keinen Verfahrensfehler. Es erwog dazu Folgendes: Über den Sinn und die Tragweite von § 14 Abs. 1 AnwT lasse sich der einschlägigen Botschaft des Regierungsrats an den Grossen Rat vom 7. September 1987 (im Folgenden: Botschaft) entnehmen (S. 9 zu § 14): "Nach aargauischer Praxis soll das dem Anwalt zustehende Hono- rar mit der seiner Partei zugesprochenen Entschädigung überein- stimmen. Bei der Bemessung dieser Entschädigung wird also indi- rekt das Einkommen des Anwaltes festgesetzt. Bei dieser Trag- weite des Entschädigungsentscheides für den Anwalt rechtfertigt sich ein besonderes Anhörungsrecht." Die Regelung in § 14 Abs. 1 AnwT sei somit vor dem Hinter- grund des sogenannten Zwangstarifs zu sehen und auszulegen, d.h. des Grundsatzes, dass der Anwalt für seine Verrichtungen im Ver- fahren vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde mit seiner Partei keine höhere Entschädigung vereinbaren dürfe, als nach dem AnwT geschuldet sei (Botschaft, S. 2). Dieser Zwangstarif sei in der Zwischenzeit abgeschafft worden; der Anwalt dürfe nunmehr, mit Ausnahme der unentgeltlichen Rechtsvertretung und der amtlichen Verteidigung, mit seiner Partei eine vom Tarif abweichende Entschädigung vereinbaren (§ 39 Abs. 2 AnwG, Fassung vom 9. September 1997, in Kraft seit dem 1. März 1998). Vor diesem Hintergrund relativiere sich die Bedeutung von § 14 Abs. 1 AnwT 2004 Verwaltungsrechtspflege 281 entsprechend. Die Bestimmung diene heute in erster Linie noch dazu, den Begründungsaufwand der Gerichte und Verwaltungsbe- hörden hinsichtlich des Kostenpunkts zu minimieren, da der nach Massgabe von § 14 Abs. 1 AnwT konsultierte Anwalt sein Einver- ständnis zur beabsichtigten Kürzung geben und somit eine Begrün- dung des Kürzungsentscheids entfallen könne. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör im eigentlichen Sinne stelle die Unterlassung der vorgängigen Anhörung gemäss § 14 Abs. 1 AnwT dagegen nicht dar, da einerseits der Anwalt mit der Einreichung seiner Kostennote seine Sicht der Dinge darlegen und insofern an deren Festsetzung mitwirken könne, anderseits die Anwendung des AnwT auf den sich aus den Akten ergebenden Streitwert und relevanten Verfahrensaufwand reine Rechtsanwendung darstelle (S. 7 f. des erwähnten Entscheids). Diese Optik erweist sich nach nochmaligem Überdenken als zu eng. Der Dekretgeber wollte für einen speziellen Tatbestand ein An- hörungsrecht schaffen; dieser Begriff findet in § 14 Abs. 1 AnwT auch Verwendung. Das rechtliche Gehör dient einerseits der Sach- aufklärung, anderseits stellt es ein persönlichkeitsbezogenes Mitwir- kungsrecht beim Erlass eines Entscheids dar, welcher in die Rechts- stellung des Einzelnen eingreift; dazu gehört - im Sinne der Mini- malgarantien gemäss Art. 29 Abs. 2 BV - insbesondere das Recht des Betroffenen, sich vor dem Erlass eines solchen Entscheids zu äussern (BGE 127 I 56 mit Hinweis). Die Wahrnehmung des Äusse- rungsrechts wiederum setzt naturgemäss voraus, dass der Betroffene über den wesentlichen Inhalt der belastenden Verfügung vorgängig in Kenntnis gesetzt worden ist. Dies ist auch bei Anwendung von § 14 Abs. 1 AnwT zumindest in jenen Fällen unabdingbar, in denen nicht bloss eine geringfügige, sondern eine erhebliche Herabsetzung der geltend gemachten Parteientschädigung beabsichtigt ist. Andernfalls bliebe § 14 Abs. 1 AnwT toter Buchstabe, und eine solche Annahme verbietet sich angesichts des eindeutigen Wortlauts der Bestimmung. Es wäre Sache des Dekretsgebers, eine entsprechende Anpassung vorzunehmen, wenn er zur Auffassung gelangen sollte, es sei mit der Abschaffung des Zwangstarifs eine neue Situation entstanden. Konkret ist also dem Anwalt von den ins Auge gefassten Korrekturen 2004 Verwaltungsgericht 282 Kenntnis zu geben, verbunden mit einer kurzen Äusserungsfrist. Innert dieser Frist kann der Anwalt der rechtsanwendenden Behörde seine abweichende Meinung zur Kenntnis bringen und/oder verlangen, dass der Kostenentscheid begründet wird. Die Form, in welcher diese Anhörung erfolgt, stellt § 14 Abs. 1 AnwT der Behörde frei ("in geeigneter Form"). b) Bei einer solchen Auslegung von § 14 Abs. 1 AnwT ist ein Verfahrensfehler des Baudepartements zu bejahen. Dieses hat von der Einholung einer aktualisierten Kostennote - zwischen der Ein- reichung der ersten Kostennote und der Entscheidfällung vergingen immerhin drei Jahre! - Umgang genommen und den Beschwerdefüh- rer 1 zur sehr erheblichen Kürzung um 50% bzw. Fr. 10'281.-- auch nicht angehört. Durch die Äusserungsmöglichkeit im Beschwer- deverfahren ist der formelle Mangel freilich geheilt worden (BGE 120 V 362 f. und 121 V 156, je mit Hinweisen; AGVE 1997, S. 374; VGE III/72 vom 25. August 2003 [BE.2003.00021] in Sa- chen K., S. 11). Der Verfahrensfehler wirkt sich aber im Kostenpunkt entsprechend aus (AGVE 1996, S. 384 f. mit Hinweisen). 2. Die Beschwerdeführer erachten es als nicht nachvollziehbar, dass das Baudepartement nur die E. AG als Verfahrensbeteiligte behandle, obwohl sie das Baugesuch seinerzeit zusammen mit W.B. eingereicht habe; es gehe deshalb nicht an, für den Parteikostenersatz nicht auch W.B. einstehen zu lassen. a) Baugesuchsteller waren W.B. und die E. AG gemeinsam; sie bildeten eine einfache Gesellschaft im Sinne von Art. 530 OR. Rich- tigerweise bezog dann das Baudepartement in dem sich an die Ertei- lung der Baubewilligung anschliessenden Beschwerdeverfahren beide Konsorten von Amtes wegen in das Verfahren ein (siehe AGVE 2003, S. 309 ff.). In einem Schreiben vom 4. Oktober 2000 an W.B. nahm das Baudepartement Bezug auf dessen telefonische Mitteilung, dass das Baugrundstück nicht mehr in seinem (Gesamt-)Eigentum stehe; im Weitern wurde W.B. u.a. darüber belehrt, dass er neben der E. AG für die Parteikosten solidarisch hafte. Mit Schreiben vom 31. Oktober 2000 bestätigte W.B., dass "die einfache Gesellschaft E. AG und W.B. nicht mehr existent ist". In der Folge hat das Baudepartement 2004 Verwaltungsrechtspflege 283 nur noch die E. AG als Beschwerdegegnerin behandelt, auch in Be- zug auf die den Beschwerdeführern zugesprochene Parteientschädi- gung. Nach Meinung des Baudepartements handelt es sich um einen Parteiwechsel. b) Die Mitglieder einer einfachen Gesellschaft haften grund- sätzlich solidarisch für Verpflichtungen, welche sie Dritten gegen- über eingegangen sind (Art. 544 Abs. 3 OR). Dieses Prinzip kommt auch hinsichtlich der Prozesskosten zur Geltung. Demgemäss haftet W.B. neben der E. AG bis zu seinem Ausscheiden aus dem Bauherrenkonsortium bzw. aus dem Verwaltungsbeschwerdever- fahren solidarisch für die Bezahlung der gegenüber den Beschwerde- führern geschuldeten Parteientschädigung mit. Zum gleichen Er- gebnis gelangt man, wenn man wie das Baudepartement von einem Parteiwechsel (von W.B. zur bisherigen Mitkonsortin E. AG) ausgeht (siehe dazu Michael Merker, Rechtsmittel, Klage- und Normenkon- trollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungs- rechtspflege [Kommentar zu den §§ 38-72 VRPG], Zürich 1998, Vorbem. zu § 38 N 23); § 64 Abs. 3 ZPO schreibt für diesen Fall ebenfalls vor, dass die austretende Partei neben der eintretenden für die bis zum Parteiwechsel entstandenen Kosten solidarisch haftet. Im vorliegenden Falle bietet sich als Stichtag für die Solidar- haftung der 31. Oktober 2000 an. Die massgebende schriftliche Er- klärung von W.B., dass er als Gesellschafter ausgeschieden sei, trägt dieses Datum. Entsprechend ist im Zusammenhang mit der Partei- kostenfestsetzung die Abgrenzung vorzunehmen. 3. a) Das Baudepartement hat die vom Beschwerdeführer 1 mit Schreiben vom 4. Oktober 2000 eingereichte, auf den Gesamtbetrag von Fr. 20'562.-- lautende Kostennote gestützt auf § 8 AnwT um 50% auf den Betrag von Fr. 10'281.-- herabgesetzt. Die Beschwerde- führer akzeptieren diese Kürzung nicht und verlangen die Festset- zung auf den Betrag von Fr. 20'599.--, einschliesslich der seit Okto- ber 2000 hinzugekommenen Aufwendungen. b) aa) Im Rechtsmittelverfahren beträgt das Honorar des An- walts in Verwaltungssachen je nach Aufwand 25-100% des nach den Regeln für das erstinstanzliche Verfahren berechneten Betrags (§ 8 AnwT). Hinter dieser Kürzungsmöglichkeit steht die Überlegung des 2004 Verwaltungsgericht 284 Dekretgebers, dass der Anwalt in aller Regel für das zweitinstanzli- che Verfahren eher einen geringeren Aufwand habe als für das erstin- stanzliche; die Instruktion und die Abklärung der tatsächlichen Verhältnisse seien schon im erstinstanzlichen Verfahren weitgehend erfolgt, so dass im Rechtsmittelverfahren eine Reduktion des Hono- rars gerechtfertigt sei (Botschaft des Regierungsrats an den Grossen Rat vom 7. September 1987 betreffend das Dekret über die Entschä- digung der Anwälte, S. 7 zu § 8; siehe auch AGVE 1989, S. 287). Hieraus schloss das Verwaltungsgericht, dass § 8 AnwT in allen Ver- fahren anwendbar sei, die durch ein Rechtsmittel, namentlich durch eine Beschwerde gemäss § 45 und den §§ 52 ff. VRPG in Gang ge- setzt worden sei. Die Frage der Honorarreduktion hänge dann davon ab, ob der betreffende Anwalt schon in einem vorangegangenen Verfahren mitgewirkt habe; für den Fall, dass dies nicht zutreffe, sehe § 8 AnwT die Möglichkeit vor, 100% des nach den Regeln der §§ 3 bis 7 AnwT berechneten Honorars zuzusprechen (AGVE 1989, S. 287). bb) Unbestrittenermassen war der Beschwerdeführer 1 erst im Verwaltungsbeschwerdeverfahren für die Beschwerdeführer 2 tätig. Aufgrund der dargelegten Rechtsprechung wäre somit § 8 AnwT hier nicht anwendbar. Indessen stellt sich, nachdem der sog. Zwangstarif abgeschafft worden ist, der Anwalt also in Fällen wie dem vorliegenden mit seiner Partei eine vom Tarif abweichende Entschä- digung vereinbaren kann (§ 39 Abs. 2 AnwG), die Frage, ob die Mitwirkung des Anwalts in einem vorangehenden Verfahren immer noch eine zwingende Voraussetzung für einen Abzug darstellt. Unter der Herrschaft des Zwangstarifs wollte der Dekretgeber mit der Tarifrevision von 1987 den überwiegend forensisch tätigen Anwälten eine reale Einkommensverbesserung verschaffen (AGVE 1991, S. 359; siehe ferner zum Wesen des Mischtarifs: VGE III/37 vom 26. April 1995 [BE.1993.00278] in Sachen M. AG und Mitb., S. 7 f.). Diese Überlegung hat für einen Anwalt, der im Verhältnis zu seinem Klienten nicht an den AnwT gebunden ist, zumindest nicht mehr dieselbe Bedeutung wie früher. Die Mehrheit des Verwaltungsgerichts gelangt vor diesem Hin- tergrund zur Auffassung, dass zwar die in der regierungsrätlichen 2004 Verwaltungsrechtspflege 285 Botschaft vom 7. September 1987 zum Ausdruck gebrachte ratio legis nach wie vor Gültigkeit besitzt. Die Zu- und Abschläge bezüg- lich des Grundhonorars (§ 3 Abs. 1 AnwT) richten sich nach dem vom Anwalt getätigten Aufwand - so spricht § 6 Abs. 2 AnwT von den "Minderleistungen des Anwalts", § 7 AnwT von "ausserordent- lichen Aufwendungen eines Anwaltes" bzw. von "nur geringen Aufwendungen" und § 8 AnwT vom "Aufwand", und auch bei der Anwendung von § 5 Abs. 2 AnwT bildet der Aufwand ein Teilkrite- rium (AGVE 1991, S. 360) -, wobei die §§ 6 f. AnwT auf die einzel- nen Tätigkeiten des Anwalts Bezug nehmen und § 8 AnwT den Sondertatbestand der Aufwandreduktion durch Auswertung in einem vorangehenden Verfahren erworbener Kenntnisse regelt. Es besteht kein Anlass, dieses vom Dekretgeber gewählte System aufzugeben. Anderseits lässt es der Wortlaut von § 8 AnwT durchaus zu, unter diese Bestimmung auch Tatbestände zu subsumieren, bei welchen das formale Erfordernis, dass der betreffende Anwalt schon an einem vorangehenden Verfahren beteiligt war, nicht erfüllt ist. Zu denken ist etwa an den Fall, dass es nurmehr um formelle Fragen, um einen einzigen Streitpunkt oder um Nebenbestimmungen einer Verfügung geht, deren Aufarbeitung durch den Anwalt erheblich geringer ausfällt als sonst üblich. Da solche Konstellationen erst in einem Rechtsmittelverfahren auftreten können - der erstinstanzliche Verwaltungsakt muss inhaltlich umfassend sein -, werden sie vom Wortlaut von § 8 AnwT ebenfalls abgedeckt. Eine in diesem Sinne differenzierte Anwendung von § 8 AnwT setzt allerdings voraus, dass die rechtsanwendende Behörde nachvollziehbar begründet, welche Umstände den Aufwand des Rechtsvertreters im Rechtsmit- telverfahren als besonders gering erscheinen lassen. Die verwaltungsgerichtliche Minderheit hätte demgegenüber uneingeschränkt an der bisherigen Praxis festgehalten. cc) Die Beschwerdeführer 2 haben den Baubewilligungsent- scheid vom 27. November 1995 als Ganzes angefochten und zur Begründung auf die ungenügende Erschliessung und die Gestal- tungsplanwidrigkeit bezüglich der Geschosszahl verwiesen. Streitge- genstand bildete somit nicht bloss ein materieller Nebenpunkt oder 2004 Verwaltungsgericht 286 gar eine Formalie. Ein Abzug nach § 8 AnwT war somit nach dem Gesagten (vorne Erw. bb) nicht rechtmässig.
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2015 Abgaben 257 40 Verfügungsbegriff; Verfügungscharakter einer Gebührenrechnung Den periodischen Abwasser-Benützungsgebührenrechnungen der Ge- meindeverwaltung kommt aufgrund ihrer konkreten (inhaltlichen) Aus- gestaltung und mangels Verfügungskompetenz der Gemeindeverwaltung kein Verfügungscharakter und damit keine Rechtsbeständigkeit zu. Sie können grundsätzlich nachträglich abgeändert werden. Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 19. März 2015 in Sachen A. gegen die Einwohnergemeinde B. (WBE.2014.143). Aus den Erwägungen 1. 1.1. Gemäss § 34 Abs. 2 BauG können die Gemeinden von den Grundeigentümern Beiträge an die Kosten der Erstellung, Änderung und Erneuerung von Anlagen der Versorgung mit Wasser und elektri- scher Energie sowie der Abwasserbeseitigung erheben. Die Gemein- den regeln die Erhebung der Beiträge und Gebühren an die erwähn- 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 258 ten Versorgungs- und Beseitigungsanlagen selber, soweit keine kan- tonalen Vorschriften bestehen (§ 34 Abs. 3 BauG). § 29 des Reglements Erschliessungsfinanzierung der Gemeinde B. (nachfolgend: REF) sieht vor, dass die Kosten (für die Erstellung, Änderung, Erneuerung, den Unterhalt und Betrieb öffentlicher Er- schliessungsanlagen u.a. der Wasserversorgung und Abwasserbeseiti- gung) durch Benützungsgebühren zu finanzieren sind, soweit sie nicht durch Erschliessungs- und Anschlussbeiträge gedeckt werden (Abs. 1). Mit der Benützungsgebühr werden folgende Kosten abge- deckt: a) Unterhalt und Betrieb der Anlagen; b) Effektiver Verbrauch (Abwasser, Wasser); c) Benützung von Erschliessungsanlagen, so- fern diese über den normalen Gebrauch hinausgeht; d) Nicht gedeck- te Kosten für die Erstellung, Änderung und Erneuerung von Er- schliessungsanlagen (Abs. 2). Nach § 30 Abs. 1 REF erfolgt die Rechnungsstellung in regelmässigen Zeitabständen (Quartal, Semes- ter, Jahr). Bei Besitzer- oder Benützerwechsel werden die Gebühren auf den Zeitpunkt des Wechsels abgerechnet (§ 30 Abs. 3 REF). Zur Bezahlung der Benützungsgebühren sind diejenigen Personen ver- pflichtet, die im Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungspflicht das Grundeigentum benützen oder besitzen (§ 31 Abs. 1 REF). Die Be- nützungsgebühren für das Wasser und Abwasser gliedern sich in eine Grundgebühr, die in erster Linie pro Wasserzähler bemessen wird, und in eine Verbrauchsgebühr, die sich nach dem Frischwasserver- brauch (pro m 3 bezogenem Wasser) richtet (§§ 39 f. und 43 f. REF). (...) 1.2. Vorliegend ist umstritten, wie hoch der tatsächliche Wasserver- brauch der Bewohner des Mehrfamilienhauses an der Z.-strasse 11- 15 im Zeitraum vom 1. Oktober 2006 bis 30. September 2010 war und ob die Beschwerdegegnerin auf die für den betreffenden Zeit- raum ergangenen halbjährlichen Benützungsgebührenrechnungen zu- rückkommen und die Differenz zwischen dem ursprünglich faktu- rierten und einem höheren tatsächlichen Wasserverbrauch nachfor- dern darf. (...) 2. 2015 Abgaben 259 2.1. Der Beschwerdeführer stellt sich in seiner Verwaltungsgerichts- beschwerde - weiterhin - auf den Standpunkt, die periodischen Be- nützungsgebührenrechnungen für die Zeiträume von März 2007 bis Mai 2008 und Mai 2008 bis September 2010 seien formell rechts- kräftig und nicht mehr abänderbar. Richtigerweise stehen hier die Zeiträume von Oktober 2006 bis Mai 2008 und Mai 2008 bis Sep- tember 2010 zur Diskussion, denn die Gebührenrechnung vom 21. März 2007, die als erste Rechnung von der Korrektur durch die Gebührenrechnungen vom 8. Juli 2011 erfasst wird, bezieht sich auf die am 1. Oktober 2006 beginnende halbjährliche Abrechnungsperio- de. Der Beschwerdeführer argumentiert, den Gebührenrechnungen komme entgegen der Auffassung der Vorinstanz Verfügungscharakter zu. Aus verfahrensökonomischen Gründen würden Gebühren - wie im vorliegenden Fall - bisweilen direkt, d.h. ohne vorgängige forma- le Verfügung in Rechnung gestellt. Das ändere aber nichts daran, dass die Behörde mit der Rechnungsstellung ihren klaren Willen er- kennen lasse, ein Rechtsverhältnis mit dem Bürger als Adressaten einseitig und hoheitlich zu regeln, womit die Rechnung unter den Begriff der Verfügung zu subsumieren sei. Die Qualifizierung einer behördlichen Handlung als Verfügung hänge nicht von der Form ab, in der sie getätigt werde. Das Fehlen einer Rechtsmittelbelehrung sei der Qualifikation als Verfügung nicht abträglich. Sobald eine Behör- de die Absicht habe, auf die Rechtsstellung eines Adressaten einzu- wirken oder dessen Rechtsstellung zu kommentieren, müsse die Be- hörde eine Verfügung erlassen. Sei die Gewährung eines Rechts oder die Auferlegung einer Pflicht vom Gesetz vorgesehen und komme die Behörde zum Schluss, die Sachverhaltselemente seien erfüllt, stelle ihre Anordnung eine Verfügung dar. Charakteristisches Merk- mal sei die unmittelbare Vollziehbarkeit. (...) 2.2. Dem Beschwerdeführer ist darin beizupflichten, dass der Verfü- gungsbegriff im VRPG nicht eigens umschrieben wird. Nach herr- schender Lehre und Rechtsprechung ist die Verfügung ein individuel- 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 260 ler, an den Einzelnen gerichteter Hoheitsakt, durch den eine konkrete verwaltungsrechtliche Rechtsbeziehung rechtsgestaltend oder fest- stellend in verbindlicher und erzwingbarer Weise geregelt wird (BGE 139 V 72, Erw. 2.2.1; 135 II 38, Erw. 4.3; 131 II 13, Erw. 2.2; Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. November 2014 [B- 198/2014], Erw. 2.3.1, vom 15. Mai 2012 [A-6037/2011], Erw. 5.3.2.1, und vom 18. Mai 2010 [A-5646/2009], Erw. 3.1; AGVE 2010, S. 235; 2006, S. 85 ff.; 1981, S. 209 f.; U LRICH H ÄFELIN /G EORG M ÜLLER /F ELIX U HLMANN , Allgemeines Verwal- tungsrecht, 6. Auflage, Zürich/St. Gallen 2010, Rz. 854; P IERRE T SCHANNEN /U LRICH Z IMMERLI /M ARKUS M ÜLLER , Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Auflage, Bern 2014, § 28 N 16 ff.; M ARTIN B ERTSCHI /K ASPAR P LÜSS , in: A LAIN G RIFFEL [Hrsg.], Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich [VRG], 3. Auflage, Zürich/ Basel/Genf 2014, Vorbemerkungen zu §§ 4-31 N 19 ff.; M ARKUS M ÜLLER , Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, Zürich/St. Gallen 2008, Art. 5 N 13 ff.; M ICHAEL M ERKER , Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfah- ren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege vom 9. Juli 1968, Kommentar zu den §§ 38-72 [a]VRPG, Diss. Zürich 1998, § 38 N 4). Diese Umschreibung entspricht der Legaldefinition in Art. 5 VwVG, die nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts mit dem kantonalrechtlichen Verfügungsbe- griff übereinstimmt (AGVE 2010, S. 235; 1978, S. 300; 1972, S. 339; M ERKER , a.a.O., § 38 N 3). Vom (materiell verstandenen) Verfügungsbegriff zu trennen ist die Frage nach der Form der Verfü- gung. Die Missachtung von Formerfordernissen bewirkt lediglich ei- nen Eröffnungsmangel: Die Verfügung wird fehlerhaft und als Folge davon anfechtbar, in seltenen Fällen nichtig. Formfehler lassen den Verfügungscharakter aber (ausser bei Nichtigkeit) nicht dahinfallen; die mangelhaft eröffnete Verfügung bleibt Verfügung (T SCHANNEN /Z IMMERLI /M ÜLLER , a.a.O., § 28 N 18). Für die Verfügung ist zunächst charakteristisch, dass sie einsei- tig von den Behörden erlassen wird. Sie ist also grundsätzlich auch ohne Zustimmung des Betroffenen rechtswirksam (H ÄFELIN / M ÜLLER /U HLMANN , a.a.O., Rz. 858). Als Behörde im Sinne des Ver- 2015 Abgaben 261 waltungsverfahrensrechts gilt dabei jeder Akteur, der mit der unmit- telbaren Erfüllung von Verwaltungsaufgaben betreut ist (T SCHAN - NEN /Z IMMERLI /M ÜLLER , a.a.O., § 28 N 19). Mit der Verwaltungs- kompetenz ist in der Regel die Befugnis verbunden, konkrete indivi- duelle Rechtsverhältnisse des behördlichen Aufgabenbereichs mittels Verfügung hoheitlich zu regeln (BGE 115 V 375, Erw. 3b). Ein weiteres Begriffselement bildet, dass die Verfügung auf Rechtswir- kungen ausgerichtet ist. Mit der Verfügung werden in einem konkre- ten Fall Rechte und Pflichten eines bestimmten Privaten begründet, geändert oder aufgehoben, oder es werden bestehende Rechte und Pflichten autoritativ festgestellt (H ÄFELIN /M ÜLLER /U HLMANN , a.a.O., Rz. 862; T SCHANNEN /Z IMMERLI /M ÜLLER , a.a.O., § 28 N 25). Dadurch grenzt sich die Verfügung von Verwaltungshandlungen ab, die keine unmittelbaren Rechtswirkungen haben und lediglich einen tatsächlichen Erfolg herbeiführen. Dazu zählt die Lehre respektive ein Teil davon Rechnungsstellungen (H ÄFELIN /M ÜLLER /U HLMANN , a.a.O., Rz. 878; T SCHANNEN /Z IMMERLI /M ÜLLER , a.a.O., § 28 N 26; B ERTSCHI /P LÜSS , a.a.O., Vorbemerkungen zu §§ 4-31 N 22). Das bedeutet allerdings nicht, dass (Gebühren-)Rechnungen nicht als Ver- fügung ausgestaltet werden können. Entscheidend ist, ob der Rech- nungsadressat mit der Rechnung verpflichtet werden soll, den Rech- nungsbetrag zu begleichen, oder ob eine blosse Zahlungsaufforde- rung ohne gleichzeitige Begründung von Zahlungspflichten vorliegt. Letzteres ist zweifelsohne der Fall, wenn die Rechnungsstellung auf einer separaten Verfügung basiert und eine reine Inkassomassnahme darstellt. Weniger eindeutig ist die Rechtslage, wenn Gebühren aus verfahrensökonomischen Überlegungen direkt, d.h. ohne vorgängige formale Verfügung in Rechnung gestellt werden (vgl. M ÜLLER , a.a.O., Art. 5 N 9). Doch auch in dieser Konstellation kann einer Rechnung nicht ohne weiteres Verfügungscharakter attestiert werden. Notwendig ist eine Einzelfallbetrachtung. Es ist immerhin denkbar, dass erst bei Streitigkeiten über eine Rechnung, also im Nachgang zur Rechnungsstellung eine Gebührenverfügung erwirkt werden kann und erlassen wird, und die Rechnung selbst - aufgrund ihrer Ausgestaltung - nicht die Merkmale einer Verfügung aufweist (Bun- desverwaltungsgerichtsentscheid [BVGE] 2008/41, Erw. 6.4). Verfü- 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 262 gungen müssen verbindlich und erzwingbar sein, mithin zwangswei- se vollstreckt werden können, ohne dass hierfür eine weitere Kon- kretisierung notwendig ist (H ÄFELIN /M ÜLLER /U HLMANN , a.a.O., Rz. 864; T SCHANNEN /Z IMMERLI /M ÜLLER , a.a.O., § 28 N 34; B ERTSCHI /P LÜSS , a.a.O., Vorbemerkungen zu §§ 4-31 N 23). Die Verbindlichkeit fehlt, wenn sich eine Behörde mittels Hinweisen, Be- lehrungen und dergleichen an einen Adressaten wendet, aber auf frei- willige Erfüllung hofft (M ERKER , a.a.O., § 38 N 13). In einem Entscheid vom 25. September 1972 (AGVE 1972, S. 337 ff.), auf den sich die Vorinstanz und die Beschwerdegegnerin stützen, erwog das Verwaltungsgericht, dass es sich bei der Gebüh- renrechnung eines Finanzverwalters (für die Behandlung eines Baugesuchs) im internen Verhältnis um einen Antrag an den Gemein- derat als Kollegium und im externen Verhältnis (zum Rechnungsad- ressaten) um einen blossen Vollstreckungsversuch handle. Nach her- kömmlichem aargauischem Gemeinderecht stehe den einzelnen Ge- meinderatsmitgliedern und Gemeindebeamten keine Verfügungsbe- fugnis zu. Diese konzentriere sich beim Gemeinderat als Kollegial- behörde. Im Interesse einer rationellen Verwaltungsführung schicke die Finanzverwaltung ihren Antrag nicht primär an den Gemeinderat, sondern zunächst an den Betroffenen. Begleiche dieser die Rechnung freiwillig, erübrige sich eine Verfügung des Gemeinderats. Er sei in- dessen nicht dazu verpflichtet, und die Finanzverwaltung dürfe ihm auch keine Frist ansetzen und rechtliche Nachteile für den Fall der Nichterfüllung androhen. Weigere sich der Betroffene die Rechnung zu bezahlen, so bleibe der Verwaltung nichts anderes übrig, als dem Gemeinderat den Erlass einer Verfügung im Sinne der Verwaltungs- rechtspflege zu beantragen (a.a.O., S. 340). 2.3. Durch den Erlass des revidierten VRPG vom 4. Dezember 2007 hat dieser Entscheid - entgegen der Annahme des Beschwerdeführers - nicht an Aktualität eingebüsst. Der Verfügungsbegriff ist unter al- tem wie neuem Recht derselbe (AGVE 2010, S. 235). Auch die Verfügungskompetenz liegt gemäss § 39 Abs. 1 GG weiterhin beim Gemeinderat, sofern sie nicht auf ein einzelnes Gemeinderatsmit- glied, eine Kommission oder einen Mitarbeitenden der mit der ent- 2015 Abgaben 263 sprechenden Aufgabe betrauten Verwaltungsstelle übertragen wird. Die Einzelheiten der Delegation sind vom Gemeinderat in einem Reglement festzulegen (§ 39 Abs. 3 GG). Die Einwohnergemeinde B. verfügt über kein Reglement, worin die Delegation der Verfü- gungsbefugnis (auf Verwaltungsstellen) geregelt wäre. Im Gegenteil: Aus § 46 des Wasserreglements und § 29 des Abwasserreglements der Gemeinde B. ist zu schliessen, dass die Kompetenz zum Erlass von Abgabeverfügungen im Bereich der Wasserversorgung und der Abwasserbeseitigung beim Gemeinderat angesiedelt ist. Mit seiner Autonomierüge übersieht der Beschwerdeführer, dass die Beschwer- degegnerin selber den Standpunkt vertritt, der Gemeindeverwaltung komme keine Verfügungskompetenz zu. Zwar stammen die als Verfügung (mit Rechtsmittelbelehrung) ausgestalteten Gebühren- rechnungen vom 8. Juli 2011 ebenfalls von der Finanzverwaltung. Dazu ist festzuhalten, dass die sachliche Unzuständigkeit der ver- fügenden Instanz unter Umständen zur Annahme der Nichtigkeit einer Verfügung führen kann (H ÄFELIN /M ÜLLER / U HLMANN , a.a.O., Rz. 961; T SCHANNEN /Z IMMERLI /M ÜLLER , a.a.O., § 31 N 16, mit Hinweisen). Von der Urheberschaft aber einmal abgesehen sind die halbjähr- lichen Gebührenrechnungen der Finanzverwaltung B. vor allem auch unter inhaltlichen Gesichtspunkten nicht als Abgabeverfügungen zu verstehen. Es weist absolut nichts auf deren Verbindlichkeit bzw. den Willen der Finanzverwaltung hin, mit den Rechnungen eine Zah- lungsverpflichtung zu begründen. Es fehlt vorab an Rechtsmittelbe- lehrungen, was zwar als Form- oder Eröffnungsfehler ohne Einfluss auf den Verfügungscharakter gewertet werden könnte. Gegen die An- nahme, dass die Finanzverwaltung versehentlich oder aus Unvermö- gen keine Rechtsmittelbelehrungen angebracht hat, spricht jedoch der Umstand, dass die halbjährlichen Gebührenrechnungen standar- disiert sind. Die Finanzverwaltung könnte somit anfänglich durchaus bewusst auf Rechtsmittelbelehrungen verzichtet haben, um damit ih- rem Willen Ausdruck zu geben, die Gebührenrechnungen (vorerst) nicht in die Form (anfechtbarer) Verfügungen zu kleiden. Den Ge- bührenrechnungen vom 8. Juli 2011, die im Gegensatz zu den ur- sprünglichen Gebührenrechnungen mit Rechtsmittelbelehrungen ver- 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 264 sehen sind, sind mündliche Verhandlungen zur Frage vorausgegan- gen, ob die streitgegenständlichen Gebührennachforderungen zuläs- sig sind. Weil keine Einigung erzielt werden konnte, ist die Finanz- verwaltung dazu übergegangen, die Zahlungsverpflichtung auf dem Verfügungsweg zu regeln. In den halbjährlichen Gebührenrechnun- gen werden auch keine (gesetzlichen) Grundlagen dafür genannt, ob und weshalb die in Rechnung gestellten Gebühren (im vorgesehenen Ausmass) geschuldet sind. Ferner fehlt jeglicher Hinweis auf Konse- quenzen, die drohen, falls die Rechnung nicht fristgerecht beglichen wird. Eine Zahlungsaufforderung als solche, die eine freiwillige Zah- lung auslösen kann - freiwillig im Sinne eines Verzichts auf den Rechtsweg -, darf nicht mit der (einseitigen) Begründung einer Zah- lungsverpflichtung verwechselt werden. Der Beschwerdeführer zieht einen Zirkelschluss, wenn er meint, aus der vermeintlichen Verbind- lichkeit und Beständigkeit der Gebührenrechnungen - eine Verbind- lichkeit ergibt sich aus deren konkreten Ausgestaltung gerade nicht und die Beständigkeit ist eine Eigenschaft, die aus dem Wesen von Verfügungen fliesst -, ableiten zu können, dass diese als Verfügun- gen aufzufassen sind. Eine Zwangsvollstreckung der fraglichen Gebührenrechnungen fiele, wie die Beschwerdegegnerin zu Recht festhält, ausser Betracht. In Ermangelung von Merkmalen für deren Verfügungsqualität bilden die Rechnungen keinen Rechtsöffnungsti- tel im Sinne von Art. 80 SchKG. (...) 2.4. (...) Für seinen Standpunkt kann der Beschwerdeführer aus den von ihm angeführten Gerichtsentscheiden nichts gewinnen. Zweifellos können Rechnungen Verfügungscharakter haben, ohne als Verfügung bezeichnet zu sein und eine Rechtsmittelbelehrung zu enthalten. Mehr lässt sich aus BGE 111 V 251, Erw. 1b für den vorliegenden Rechtsstreit nicht ableiten. Die fehlende Rechtsmittelbelehrung ist nur ein Indiz unter mehreren, dass die Finanzverwaltung B. unter den gegebenen Umständen mit den halbjährlichen Gebührenrechnungen kein Schuldverhältnis begründen wollte, sondern der Erlass einer Ab- gabeverfügung für den Streitfall vorbehalten war. Ohne Kenntnis der 2015 Abgaben 265 konkreten Ausgestaltung der Bezügerrechnung der Arbeitslosen- kasse, die Gegenstand des betreffenden Bundesgerichtsentscheids bildete, und der Bezugspraxis der Arbeitslosenkasse kann ohnehin kein seriöser Vergleich vorgenommen werden. Hinzu kommt, dass die Arbeitslosenkasse auf jeden Fall Verfügungskompetenz hatte und nicht bekannt ist, ob der Verfügungscharakter der Bezügerrechnung jemals streitig war oder vom Bundesgericht als Eintretensvorausset- zung von Amtes wegen geprüft wurde. Mit dem Sachverhalt, welcher BGE 100 Ib 429 zugrunde gelegen hat, lässt sich der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt erst recht nicht vergleichen. Das Schreiben des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements (EVD) vom 9. Juli 1972, dessen Verfügungscharakter umstritten war, erging als Antwort auf ein Gesuch der dortigen Beschwerdeführerin, die Ein- fuhr von roten Naturweinen zu bewilligen. Der Inhalt des Antwort- schreibens wurde vom Bundesgericht als Abweisung des Importge- suchs ausgelegt. Die Abweisung eines Gesuchs stellt immer eine Ver- fügung dar, wogegen Rechnungen, wie bereits dargelegt, nicht not- wendigerweise als Verfügungen ausgestaltet werden müssen. Die An- fechtbarkeit ist auch gewährleistet, wenn im Nachgang zu einer Rechnung im Streitfall eine Abgabeverfügung erlassen wird. Das und nichts anderes besagt der vom Beschwerdeführer ebenfalls zitierte BVGE 2008/41, auf den bereits in Erw. 2.2 vorne eingegangen wurde. In BGE 100 Ib 429 hat das Bundesgericht nebenbei bemerkt darauf abgestellt, dass die Zuständigkeit für die Bewilligungen von Importgesuchen beim EVD lag. Die konkrete Ausgestaltung der vom Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden in einem Urteil vom 11. Januar 2008 (A-07-53) beurteilten Rechnungen ist ebenfalls nicht bekannt, genau so wenig wie die Zuständigkeiten für den Erlass von Gebührenverfügungen. Darüber hinaus bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Beschwerdegegnerin im Streitfall auf den Stand- punkt gestellt hätte, die halbjährlichen Gebührenrechnungen seien in Rechtskraft erwachsen. Aus diesen Gründen ist auch der Hinweis auf den Entscheid des Verwaltungsgerichts Graubünden unbehelflich. Das Verwaltungsgericht Solothurn schliesslich hat die Frage, ob eine Gebührenrechnung (mit wiederum unbekannter konkreter Ausgestal- tung) ohne Rechtsmittelbelehrung (und Unterschrift) in Rechtskraft 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 266 erwachsen kann, explizit offen gelassen. Es brauchte die Frage nicht zu beantworten, weil die darin in Rechnung gestellten Anschlussge- bühren (für Schmutzwasser, Wasserversorgung und Bauwasser) durch eine spätere Rechnungsstellung keine Änderung erfuhren. Aus der Feststellung, es sei zulässig, über sämtliche geschuldeten An- schlussgebühren eine neue Rechnung auszustellen (...), jedenfalls solange diejenigen Positionen, welche bereits erhoben und bezahlt wurden, nicht verändert würden, darf nach den Gesetzen der Logik nicht der Umkehrschluss gezogen werden, eine Veränderung der be- reits erhobenen und bezahlten Positionen sei in jedem Fall unzuläs- sig. Im Übrigen verwies das Verwaltungsgericht auf seine Praxis, wonach eine Rechnung die an eine Verfügung gestellten Anforderun- gen in aller Regel nicht erfülle (SOG 2012 Nr. 17, S. 106 ff., Erw. 4.4 ff.). 2.5. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass die halbjährlichen Wasser- und Abwassergebührenrechnungen der Finanzverwaltung B. aufgrund ihrer konkreten Ausgestaltung und mangels Verfügungs- kompetenz der Gemeindeverwaltung nicht als Verwaltungsverfügun- gen aufzufassen sind. Deren nachträgliche Abänderung ist unter dem Vorbehalt der Wahrung des Grundsatzes von Treu und Glauben zulässig. Ein Verstoss gegen diesen Grundsatz ist nicht schon darin zu erblicken, dass nach einem gewissen Zeitablauf auf eine (unbe- wusst) fehlerhafte Rechnungsstellung zurückgekommen wird. Vor in zeitlicher Hinsicht ungebührlichen Gebührennachforderungen schützt die Verjährungsfrist. (...) (Hinweis: Das Bundesgericht hat eine Beschwerde in öffent- lich-rechtlichen Angelegenheiten gegen diesen Entscheid abgewie- sen; Urteil des Bundesgerichts vom 4. November 2015 [2C_444/2015])
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http://agve.weblaw.ch/html//AGVE-2015-40.html
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2019 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 135 18 Gestaltungsplan § 21 BauG kennt für das Gestaltungsplangebiet im Gegensatz zum früheren Recht (aBauG vom 2. Februar 1971) keine Mindestfläche; entscheidend für die Festlegung des Perimeters sind allein die quali- tativen Anforderungen an den Gestaltungsplan (Erw. 3.1.2). Mit einem Gestaltungsplan kann nach Massgabe von § 21 BauG, § 8 Abs. 2 BauV und allfälliger ergänzender Vorschriften in den kommu- nalen Bauvorschriften grundsätzlich auch von den ordentlichen Grenzabständen gegenüber Parzellen ausserhalb des Planungsge- biets abgewichen werden (Erw. 3.3.2.3). Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 27. Novem- ber 2019, in Sachen A. und B. gegen die Stadt C., das Departement Bau, Verkehr und Umwelt und die D. AG (WBE.2018.344). Aus den Erwägungen 3.1.2. 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 136 Nach § 141 Abs. 1 Satz 2 des alten Baugesetzes vom 2. Februar 1971 (aBauG; AGS Band 8, S. 125 ff.) bezweckten Gestaltungspläne die wohnhygienisch, architektonisch und städtebaulich gute Über- bauung grösserer zusammenhängender Flächen . Das geltende BauG (vom 19. Januar 1993) enthält das Tatbestandsmerkmal der grösseren zusammenhängenden Flächen in Bezug auf den der Ge- staltungsplanung zugrunde liegenden Perimeter dagegen nicht mehr. Der Gesetzgeber hat darauf verzichtet, eine entsprechende Vorgabe in § 21 BauG aufzunehmen. Aus den Materialien ergibt sich auch, dass eine Mindestfläche als Voraussetzung für eine Gestaltungspla- nung im Gesetzgebungsverfahren kein Thema war. Als massgebend wurden vielmehr die vorgegebenen qualitativen Anforderungen er- achtet (vgl. Protokolle der Sitzungen der Spezialkommission Bauge- setzrevision vom 26. Oktober 1990, S. 91-95, vom 9. Oktober 1991, S. 363 f., und vom 24. September 1992, S. 623-634; Protokoll der Sitzung des Grossen Rats vom 17. März 1992, S. 2776, und vom 12. Januar 1993, S. 3791 f.). Aus einem Zitat von ERICH ZIMMERLIN können die Beschwerdeführer nichts Gegenteiliges ableiten, da dieser § 141 aBauG kommentiert hat (vgl. ERICH ZIMMERLIN, Bau- gesetz des Kantons Aargau vom 2. Februar 1971 [aBauG], Kommen- tar, 2. Auflage, Aarau 1985 [zit. ERICH ZIMMERLIN, Kommentar aBauG], § 141 N 1 lit. b, S. 334). Dessen Aussagen beziehen sich nicht auf § 21 BauG. In diesem Zusammenhang ist auch das publizierte Urteil des Verwaltungsgerichts AGVE 2007, S. 146 f. zu präzisieren, soweit es noch auf § 141 Abs. 1 Satz 2 aBauG und auf die oben angegebene Kommentarstelle bei ERICH ZIMMERLIN referenzierte. Es hielt indes- sen zu Recht fest, dass das BauG (1993) kein Mindest- oder Höchstmass für einen Gestaltungsplanperimeter vorschreibe. Aus- zugehen ist vom geltenden BauG, das in Bezug auf die Fläche eines Planungsgebiets keine Vorgaben macht. Entscheidend ist vielmehr im Einzelfall, dass die richtige Abgrenzung des Plangebiets sich nach dem Zweck und den zu lösenden planerischen Aufgaben in der Ge- staltungsplanung richtet. An der Rechtsprechung ist allerdings dahin- gehend festzuhalten, dass eine territoriale Begrenzung nach unten besteht, soweit das Verbot von Kleinbauzonen zur Verhinderung 2019 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 137 einer Streubauweise tangiert sein kann (AGVE 2007, S. 146 f. mit Hinweisen). In einem Urteil aus dem Jahr 2013 erachtete das Verwal- tungsgericht eine aus zwei Parzellen bestehende Perimeterfläche von rund 2'500 m2 als möglich. Dabei wurde weiter ausgeführt, auch ein Gestaltungsplan, der sich auf eine Parzelle beschränke, könne bei Einhaltung der Planungsziele und der Vorgaben des kantonalen und kommunalen Baurechts zulässig sein (VGE vom 17. Dezember 2013 [WBE.2012.342], Erw. II/5.4.3). Gerade um dem Gebot der bau- lichen Verdichtung nachzukommen oder um auf besondere Lärm- problematiken zu reagieren, kann sich ein Gestaltungsplan heute auch für kleinere Gebiete vermehrt als ein wichtiges Planungs- instrument erweisen. Die Vorinstanz geht somit zu Recht davon aus, dass der streitge- genständliche Gestaltungsplan über eine Parzelle mit einer Fläche von 1'666 m2 rechtlich zulässig ist. Das entscheidende Kriterium ist dabei nicht die Grösse eines Gestaltungsplanperimeters, sondern die Einhaltung der in § 21 Abs. 1 BauG statuierten qualitativen Anforde- rungen. Dass in Bezug auf ein Planungsgebiet in der Grösse der Par- zelle Nr. XXX von vornherein kein wesentliches öffentliches Interes- se an der Gestaltung der Überbauung und keine qualitativen Mass- stäbe bestehen sollen bzw. verfolgt werden können, wie die Be- schwerdeführer insinuieren, ist nicht ersichtlich. Aus den gesetz- lichen Grundlagen lässt sich auch nicht herleiten, ein Gestaltungs- plan dürfe nur dann ausgearbeitet werden, wenn die Überbauung eines Gebiets für die Gesamtheit der Ortsplanung einer Gemeinde von Belang sei. Mit dem vorgesehenen Gestaltungsplan wird nicht gegen das Verbot von Kleinbauzonen verstossen. Die Beschränkung des Perimeters auf die Fläche der Parzelle Nr. XXX ergibt sich offensichtlich aus der tatsächlichen Situation bezüglich Überbauung und Interessen der angrenzenden Liegenschaftseigentümer. Die Par- zelle Nr. YYY ist bereits mit einem Mehrfamilienhaus überbaut und aus den Akten ergeben sich keine Hinweise darauf, dass die Be- schwerdeführer Interesse signalisiert hätten, mit ihrer Parzelle Nr. ZZZ an der Gestaltungsplanung teilzunehmen. Die Rüge des zu kleinflächigen Gestaltungsplanperimeters ist demnach unbegründet. 3.2. (...) 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 138 3.3. 3.3.1. Nach § 21 Abs. 2 BauG können Gestaltungspläne von den all- gemeinen Nutzungsplänen abweichen, wenn dadurch ein siedlungs- und landschaftsgestalterisch besseres Ergebnis erzielt wird, die zonengemässe Nutzungsart nicht übermässig beeinträchtigt wird und keine überwiegenden Interessen entgegenstehen. Gemäss § 8 Abs. 2 lit. a BauV dürfen Gestaltungspläne, wenn die Gemeinden nichts anderes festlegen, von den allgemeinen Nutzungsplänen abweichen bezüglich Bauweise, Baumasse (höchstens jedoch um ein zusätz- liches Geschoss), Gestaltung der Bauten (Gebäude- und Dachform) und Abständen. Die BNO der Stadt C. schliesst im Gebiet, in wel- chem die Parzelle Nr. XXX liegt, Abweichungen vom allgemeinen Nutzungsplan nicht aus. Die Zulässigkeit eines weiteren Geschosses wird in § 4 Abs. 1 BNO davon abhängig gemacht, dass damit eine städtebaulich einwandfreie Lösung erreicht wird und die Nachbar- grundstücke nicht übermässig beeinträchtigt werden. Ansonsten gilt § 8 Abs. 2 lit. a BauV unverändert. Der vorliegende Gestaltungsplan weicht in Bezug auf den klei- nen Grenzabstand (gegenüber der Parzelle Nr. ZZZ der Beschwerde- führer), den Strassenabstand (zur E.-strasse) sowie den grossen Grenzabstand, die Geschosszahl und die Gebäudehöhe von der Grundnutzung ab. 3.3.2. 3.3.2.1.-3.3.2.2. (...) 3.3.2.3. Zur Frage, ob im Rahmen einer Gestaltungsplanung auch von den Abständen zu Parzellen ausserhalb des Perimeters abgewichen werden darf, finden sich in der Rechtsprechung und in der Literatur kaum Hinweise. In seinem Artikel Ausgewählte Fragen zum Gestal- tungsplan im Kanton Schwyz (erschienen im ZBl 101/2000, S. 409) kommt MARK GISLER zum Schluss, die Frage, ob durch einen Ge- staltungsplan mittels Gewährung entsprechender Ausnahmen auch externe Abstände (Grenzabstand zu ausserhalb des Einzugsgebietes liegenden Grundstücken, Waldabstand usw.) unterschritten werden dürfen, sei zu verneinen. Allerdings lässt sich die (vormalige) 2019 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 139 Rechtslage im Kanton Schwyz nicht ohne weiteres mit derjenigen im Kanton Aargau vergleichen. Im Unterschied zu § 24 Abs. 2 PBG-SZ (SRSZ 400.100) in der bis 1. April 2010 geltenden Fassung differen- ziert § 8 Abs. 2 lit. a BauV nicht zwischen internen und externen Grenzabständen und lässt insofern auch nicht nur für die ersteren eine Abweichung vom allgemeinen Nutzungsplan zu. Für den Ge- staltungsplan im Kanton Solothurn hält die Richtlinie 6/2004 Der Gestaltungsplan des Amts für Raumplanung auf S. 14 fest: Unterschreitungen von Grenz- und Gebäudeabstand gegenüber nicht einbezogenen Nachbargrundstücken sind ausserhalb des Gestaltungsplanverfahrens und nach § 27 und § 29 der Kantonalen Bauverordnung (KBV) nur zulässig, wenn keine erheblichen öffentlichen oder nachbarlichen Interessen beeinträchtigt werden und das Grundstück ohne Unterschreitung nicht zweckmässig überbaut werden kann. Daraus ist der Umkehrschluss zu ziehen, dass mit dem Gestaltungsplan bzw. im Rahmen des Gestal- tungsplanverfahrens auch von externen Grenzabständen abgewichen werden darf, ohne dass dafür die allgemeinen Voraussetzungen gemäss den §§ 27 und 29 KBV erfüllt sein müssten. Immerhin dürfte im konkreten Anwendungsfall zu prüfen sein, ob ein Überbauungsprojekt vorliegt, das alle Auswirkungen hinsichtlich Belichtung, Beschattung, Ein- und Aussicht, Feuerpolizei, Ästhetik, Immissionen auf die Nachbarschaft etc. genau ausweist. In den Sondernutzungsvorschriften zu Gestaltungsplänen trifft man ab und zu auf Bestimmungen, in denen zwischen internen und externen Grenzabständen unterschieden wird. Oftmals wird darin geregelt, dass zu Grundstücken ausserhalb des Gestaltungsplanperi- meters die ordentlichen Grenzabstände einzuhalten sind. Daraus lässt sich nun aber nicht ableiten, dass eine entsprechende Rechtslage schon kraft der Baugesetzgebung gelten würde. Dagegen spricht, dass § 8 Abs. 2 lit. a BauV ganz allgemein von Abständen handelt, von denen der Gestaltungsplan (unter bestimmten Voraussetzungen) abweichen darf. Der Wortlaut dieser Bestimmung umfasst unter- schiedslos alle im Planungsperimeter geltenden Grenz- und Gebäu- deabstände, ungeachtet dessen, ob sich diese nur innerhalb oder auch ausserhalb des Planungsperimeters (gegenüber benachbarten Parzel- 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 140 len) auswirken. Im Gegensatz dazu sieht § 39 Abs. 4 lit. b BauV für Arealüberbauungen explizit vor, dass gegenüber Nachbarparzellen der zonengemässe Grenzabstand einzuhalten ist. Dass der Verord- nungsgeber hier eine solche Festlegung getroffen hat, berechtigt zur Annahme, dass im Anwendungsbereich von § 8 Abs. 2 lit. a BauV bewusst auf eine entsprechende Regelung verzichtet wurde. Ein re- daktionelles Versehen erscheint dagegen eher unwahrscheinlich. Mit der Beigeladenen ist davon auszugehen, dass im Sondernutzungs- planverfahren schon aus demokratiepolitischen Gründen weiter- gehende Abweichungen vom allgemeinen Nutzungsplan zugestanden werden dürfen als im Rahmen von Arealüberbauungen, die nur im Baubewilligungsverfahren (ohne Mitwirkungsmöglichkeit einer brei- teren Bevölkerung) überprüft werden. § 21 Abs. 2 BauG schliesst Abweichungen von externen Grenzabständen nicht in allgemeiner Weise aus. Der Vorinstanz ist zudem darin beizupflichten, dass die übrigen möglichen Abweichungen vom allgemeinen Nutzungsplan, insbesondere hinsichtlich der Baumasse, für die an den Planungs- perimeter angrenzenden Parzellen respektive die Bewohner von sich darauf befindlichen Bauten ähnlich nachteilige oder einschränkende Auswirkungen haben können wie ein verkürzter Grenzabstand. Sol- che (faktischen) Auswirkungen (z.B. auf die Wohnhygiene) dürfen nicht mit den Rechtswirkungen eines Gestaltungsplans verwechselt werden, welche auf das Planungsgebiet begrenzt sein müssen. Die Zulässigkeit eines verkürzten externen Grenzabstandes muss nach zutreffender Gesetzesauslegung der Vorinstanz im Lichte der konkre- ten Auswirkungen auf die benachbarten Parzellen beurteilt werden. Es gilt eine Interessenabwägung vorzunehmen. Für einen generellen Ausschluss privilegierter Grenzabstände gegenüber Parzellen ausserhalb des Planungsperimeters besteht hingegen keine gesetz- liche Grundlage. Ebenso wenig verlangt das Gesetz den Nachweis, dass eine Parzelle unter Wahrung des ordentlichen Grenzabstandes zu Parzellen ausserhalb des Perimeters nicht überbaubar ist. Es ge- nügt, dass der verkürzte Grenzabstand zu einem siedlungs- und land- schaftsgestalterisch besseren Gesamtergebnis beiträgt, die zonen- gemässe Nutzung nicht übermässig beeinträchtigt wird und keine überwiegenden Interessen entgegenstehen (§ 21 Abs. 2 BauG). 2019 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 141 An dieser Beurteilung ändert auch die Empfehlung Gestaltungsplan nach § 21 BauG des BVU, Abteilung Raument- wicklung, vom Januar 2009 (Stand September 2011), nichts. Zwar lassen sich die Liste mit Minimalinhalten von Gestaltungsplänen in Ziff. 3.1, S. 7, besagter Empfehlung und die dortigen Ausführungen zu den internen Grenz- und Gebäudeabständen durchaus dahin- gehend interpretieren, dass im Aussenverhältnis (zu Parzellen ausserhalb des Perimeters) keine speziellen, mithin vom allgemeinen Nutzungsplan abweichende Regelungen möglich sind. Doch kommt der erwähnten Empfehlung lediglich der Charakter einer generellen Dienstanweisung und damit einer Verwaltungsverordnung zu. Als solche ist sie für das Verwaltungsgericht nicht bindend und wird nur insoweit berücksichtigt, als sie eine dem Einzelfall gerecht werdende Auslegung der einschlägigen Rechtssätze zulässt, welche diese über- zeugend konkretisiert (vgl. BGE 144 III 353, Erw. 2.2; Urteil des Bundesgerichts vom 23. Juli 2019 [1C_121/2019], Erw. 3.2; ULRICH HÄFELIN/GEORG MÜLLER/FELIX UHLMANN, Allgemeines Verwal- tungsrecht, 7. Auflage, Zürich/St. Gallen 2016, Rz. 81 ff.). Wie ge- sehen, liefern § 21 Abs. 2 BauG und § 8 Abs. 2 lit. a BauV keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass eine Überbauung nach Gestaltungsplan den ordentlichen Grenzabstand gegenüber einer Parzelle ausserhalb des Planungsperimeters nicht unterschreiten darf. Weder der Wortlaut dieser Bestimmungen (für sich allein und im systematischen Gefüge betrachtet) noch die ratio legis gebieten ein solches Auslegungs- ergebnis. Hinzu kommt, dass die Vorinstanz als Herausgeberin der Empfehlung dem in Frage stehenden Inhalt offenbar selbst zumindest nicht jene Bedeutung zumisst, welche die Beschwerdeführer ihr ge- ben wollen. (...)
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AG_VG_001_AGVE-2019-18_1971-02-02
http://agve.weblaw.ch/html//AGVE-2019-18.html
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2018 Anwalts- und Notariatsrecht 303 33 Anerkennung eines ausserkantonalen Fähigkeitsausweises als Notarin oder Notar Die Notariatstätigkeit steht wegen ihrer Nähe zu staatlichen Aufgaben nicht unter dem Schutz der Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV). Das FZA gilt nicht für den Beruf des Notars, weshalb aus dem im BGMB statuierten Grundsatz, wonach Inländerdiskriminierungen zu vermeiden sind, nicht abgeleitet werden kann, das BGBM schreibe den Kantonen vor, ob und unter welchen Voraussetzungen sie ausserkantonale Fähigkeitsausweise als Notarin oder Notar anerkennen müssen. Auch mit Rücksicht auf das Diskriminierungsverbot dürfen die Kantone bei der Anerkennung ausser- kantonaler Fähigkeitsausweise als Notarin oder Notar die Gleichwertig- keit der ausserkantonalen Notariatsprüfung beurteilen. Dabei ist aller- dings das Gleichbehandlungsgebot (Art. 8 Abs. 1 BV) zu beachten. Gibt es sachliche Gründe für die Verneinung der Gleichwertigkeit der ausserkantonalen Notariatsprüfung, darf die Anerkennung des ausser- kantonalen Fähikgkeitsausweises verweigert werden. Es verletzt jedoch den Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn einer Inhaberin eines ausser- kantonalen Fähigkeitsausweises mit langjähriger beruflicher Praxis als Notarin keine Erleichterungen bei der Ablegung einer ergänzenden Nota- riatsprüfung im Kanton Aargau gewährt werden und ein zusätzliches be- rufsspezifsches Praktikum im Kanton Aargau verlangt wird, obwohl die Anerkennungsvoraussetzungen hinsichtlich der praktischen Ausbildung im Herkunftskanton erfüllt sind. Aus den Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 21. August 2018, in Sachen A. gegen Notariatskommission (WBE.2018.36). Aus den Erwägungen 1. Die Vorinstanz verweigerte der Beschwerdeführerin die Aner- kennung des zugerischen Fähigkeitsausweises als Notarin unter Zu- grundelegung von § 8 Abs. 2 BeurG und § 8 Abs. 1 BeurV mit der Begründung, die Notariatsprüfung im Kanton Zug könne nicht als gleichwertig mit derjenigen im Kanton Aargau bezeichnet werden. 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 304 2. Für die Beschwerdeführerin verletzt die Nichtanerkennung ihres zugerischen Fähigkeitsausweises als Notarin die Wirtschaftsfreiheit gemäss Art. 27 BV, das BGBM respektive den damit gewährleisteten freien Zugang zum Markt, das Gleichbehandlungsgebot nach Art. 8 Abs. 1 BV sowie das in Art. 9 BV statuierte Willkürverbot. 3. 3.1. Nach bisheriger bundesgerichtlicher Rechtsprechung und herr- schender Lehre weist die den Notarinnen und Notaren verliehene Be- urkundungsbefugnis den Charakter einer (übertragenen) hoheitlichen Funktion auf und fällt als solche weder unter den Schutzbereich der Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) noch in den Anwendungsbereich des BGBM. Bezüglich der Zulassung der Notare zur Berufsausübung sind die Kantone weitgehend frei, ohne Einschränkung durch das Bundesrecht (BGE 133 I 259, Erw. 2.2; 131 II 639, Erw. 6.1 und 7.3; Urteile des Bundesgerichts vom 1. Juni 2017 [2C_131/2017], Erw. 5.1, vom 28. März 2014 [2C_763/2013], Erw. 4.3.1, und vom 19. Dezember 2011 [2C_694/2011], Erw. 4.1). Mit Blick darauf sind die Kantone auch nicht verpflichtet, Fähigkeitsausweise eines ande- ren Kantons zu anerkennen (Urteil des Bundesgerichts vom 6. August 2003 [2P.110/2002, 2P.264/2002], Erw. 4.2.4). Die Beschwerdeführerin wirft die Frage auf, ob diese Praxis mit Rücksicht auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäi- schen Union (EuGH), für den die notarielle Tätigkeit der öffentlichen Beurkundung keine Ausübung öffentlicher Gewalt und hoheitlicher Befugnisse beinhaltet (Urteile des EuGH vom 24. Mai 2011 [C- 54/08, C-50/08, C-47/08, C-51/08, C-53/08, C-61/08]; bestätigt mit Urteil vom 9. März 2017 [C-342/15], Rn. 54), noch aufrechterhalten werden kann, oder eine Praxisänderung angezeigt ist. 3.2. Die zitierte Rechtsprechung des EuGH veranlasste die nach Art. 8 BGBM für die Überwachung dieses Gesetzes zuständige Wett- bewerbskommission (WEKO) zu den folgenden Überlegungen und Empfehlungen vom 23. September 2013 zuhanden der Kantone und des Bundesrats: 2018 Anwalts- und Notariatsrecht 305 Das Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossen- schaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mit- gliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit vom 21. Juni 1999 (FZA) müsse europakompatibel, d.h. unter Berücksichtigung auch der neueren (nach Unterzeichnung des FZA ergangenen) Rechtspre- chung des EuGH ausgelegt werden. Danach falle die notarielle Beur- kundungstätigkeit nicht unter die sog. Bereichsausnahmen gemäss Anhang I Art. 10 FZA (Beschäftigung in der öffentlichen Verwal- tung), Anhang I Art. 16 FZA (Ausübung hoheitlicher Befugnisse) und Anhang I Art. 22 Abs. 1 FZA (Tätigkeiten mit gelegentlicher Ausübung hoheitlicher Befugnisse). Folglich könnten sich auch No- tare auf die Marktzugangsrechte gemäss FZA berufen. In Nachachtung von Anhang III FZA habe das Parlament mit dem Bundesgesetz über die Meldepflicht und die Nachprüfung der Berufsqualifikationen von Dienstleistungserbringerinnen und -er- bringern in reglementierten Berufen vom 14. Dezember 2012 (BGMD; SR 935.01) Titel II der Richtlinie 2005/36/EG (Berufs- qualifikationsrichtlinie) umgesetzt und ein Melde- und Nach- prüfungsverfahren im Bereich der reglementierten Berufe eingeführt. Die Meldepflicht gemäss Art. 2 BGMD gelte für die in Anhang I der Verordnung über die Meldepflicht und die Nachprüfung der Berufs- qualifikationen von Dienstleistungserbringerinnen und -erbringern in reglementierten Berufen vom 26. Juni 2013 (VMD; SR 935.011) angeführten Berufe mit Auswirkung auf die öffentliche Sicherheit und Gesundheit. Mit der Nennung der Notare unter Titel 11 (Bereich der juristischen Berufe) in Anhang I VMD gehe auch der Veror- dnungsgeber explizit davon aus, dass diese Berufsgruppe vom sachlichen Geltungsbereich des FZA erfasst werde. Konkret bedeute dies, dass ein Notar aus einem Mitgliedstaat der EU beim Staats- sekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) ein Ge- such um Anerkennung seiner Berufsqualifikation für einen be- stimmten Kanton stellen könne, das an die dafür zuständige kanto- nale Stelle weitergeleitet werde. Bestehe der Notar aus der EU das kantonale Zulassungsverfahren, das innerhalb von zwei Monaten abgeschlossen sein müsse, dürfe er im entsprechenden Kanton seine Dienstleistungen während maximal 90 Tagen pro Jahr erbringen. Ne- 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 306 ben dem freien Dienstleistungsverkehr gewährleistet das FZA auch die Niederlassungsfreiheit für Selbständige. Das Anerkennungs- verfahren zum Zwecke der Niederlassung richte sich nach den strengeren Vorschriften in Titel III der Berufsqualifikationsrichtlinie, der - je nach Dauer und Niveau der Ausbildung - zwischen fünf Qualifikationsniveaus a (niedrigste Stufe) bis e (höchste Stufe) unterscheide. Die Qualifikation eines Anbieters aus der EU sei anzuerkennen, wenn sie dem erforderlichen Niveau des Zielkantons entspreche oder unmittelbar darunter liege. Sei diese Voraussetzung erfüllt, könnten gegebenenfalls Ausgleichsmassnahmen ergriffen und ein Eignungstest oder Anpassungslehrgang verlangt werden. Dieses allgemeine System der Anerkennung von Berufsqualifikationen gelte auch für den (freiberuflichen) Notariatsberuf. Zur Verhinderung einer Inländerdiskriminierung habe der Ge- setzgeber den Geltungsbereich des BGBM bei der Teilrevision vom 16. Dezember 2005 mit Art. 4 Abs. 3bis an denjenigen des FZA ange- passt. Weil Notare und deren Berufsqualifikation dem FZA unter- stünden, verfüge ein Notar mit Sitz in der Schweiz im interkantona- len Verhältnis mindestens über die gleichen Marktzugangsrechte wie ein Notar im Verhältnis zwischen der EU und der Schweiz. Er könne sich in einem anderen Kanton niederlassen, zu diesem Zweck die Anerkennungsrechte im Sinne von Titel III der Berufsqualifikations- richtlinie geltend machen und dort eine freiberufliche Notariatspraxis eröffnen, sofern es sich nicht um einen Kanton mit Amtsnotariat (ZH und SH) handle. Sollte die derzeit in der EU laufende Revision der Berufsqualifikationsrichtlinie zum Ausschluss der Notare vom Gel- tungsbereich dieser Richtlinie führen, könnten Notare innerhalb der EU immer noch von den primärrechtlichen Grundfreiheiten gemäss Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und den darin verankerten Anerkennungsregeln profitieren, die gestützt auf das FZA auch im Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU zum Tragen kämen und aufgrund von Art. 4 Abs. 3bis BGBM zudem im Innenverhältnis zwischen den Kantonen beachtlich seien. Entsprechend sei Art. 4 Abs. 1 BGBM, wonach kantonale Fä- higkeitsausweise auf dem Gebiet der gesamten Schweiz gelten, ins- besondere auf Berufsausübungsbewilligungen für Notare anwendbar; 2018 Anwalts- und Notariatsrecht 307 diese seien grundsätzlich schweizweit anzuerkennen. Einschränkun- gen des Marktzugangs seien analog dem europarechtlichen Anerken- nungsverfahren nur in Form von Auflagen und Bedingungen und un- ter der Voraussetzung zulässig, dass die Gleichwertigkeitsvermutung gemäss Art. 2 Abs. 5 BGBM widerlegt werden könne und der Tatbe- stand von Art. 3 Abs. 1 und 2 BGBM erfüllt sei. Eine Widerlegung der Gleichwertigkeitsvermutung sei dann zu bejahen, wenn die Aus- bildungsvoraussetzungen im Herkunftskanton bedeutend geringer seien als im eigenen Kanton, was etwa dann der Fall sei, wenn ein Hochschulstudium nur im Bestimmungs-, nicht aber im Herkunfts- kanton vorausgesetzt werde. Werde die Gleichwertigkeitsvermutung in einem konkreten Fall widerlegt, sei der ortsfremden Person ge- mäss Art. 4 Abs. 3 BGBM der Nachweis zu ermöglichen, dass sie die erforderlichen Kenntnisse im Rahmen ihrer praktischen Tätigkeit er- worben habe. Gelinge auch dieser Nachweis nicht, könne die zustän- dige Stelle nach Art. 3 Abs. 1 und 2 BGBM Auflagen zur Beschrän- kung des Marktzugangs verfügen, sofern diese (a) gleichermassen für ortsansässige Personen gelten, (b) zur Wahrung überwiegender öffentlicher Interessen unerlässlich und (c) verhältnismässig seien. Grundsätzlich unzulässig seien verdeckte Marktzutrittsschranken zu Gunsten einheimischer Wirtschaftsinteressen und Markzugangsver- weigerungen. Eine Auflage könnte etwa darin bestehen, dass der aus- serkantonale Notar eine angepasste Eignungsprüfung über das kanto- nale Recht absolvieren müsse. Auch aus Sicht des Verhältnismässigkeitsgebots gemäss Art. 5 Abs. 2 BV lasse sich ganz unabhängig von den Entwicklungen im Unionsrecht und im bilateralen Freizügigkeitsrecht kaum begründen, weshalb beispielsweise ein Notar, der über ein Hochschulstudium verfüge, ein mehrjähriges Praktikum und eine Prüfung absolviert ha- be und mehrere Jahre als selbständiger Notar tätig gewesen sei, nicht in einem anderen Kanton zugelassen werden könne, ohne wiederum ein mehrjähriges Praktikum und die komplette Prüfung absolvieren zu müssen. Aufgrund dessen würden die Kantone ersucht, ausserkantonale Notare unter Anerkennung von deren Fähigkeitsausweisen für dieje- nigen Tätigkeiten zuzulassen, die im eigenen Kanton ebenfalls durch 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 308 freierwerbende Notaren ausgeübt werden dürften, wobei sich die Anerkennung ausserkantonaler Fähigkeitsausweise nach folgenden Hauptgrundsätzen richte: ? Die Anerkennung eines ausserkantonalen Fähigkeitsaus- weises kann - muss aber nicht - verweigert werden, wenn die Ausbildungserfordernisse im Herkunftskanton bedeu- tend tiefer sind als im eigenen Kanton. Dies ist insbesonde- re dann der Fall, wenn ein Hochschulstudium mit Master- abschluss nur im Bestimmungs- und nicht im Herkunfts- kanton vorausgesetzt wird. ? Bei gleichwertigen Ausbildungserfordernissen kann - muss aber nicht - ein Eignungstest über kantonales Recht und lo- kale Gegebenheiten durchgeführt werden, sofern sich diese von Recht und Gegebenheiten des Herkunftskantons be- deutend unterscheiden. 3.3. Die Lehre hat diese Empfehlungen der WEKO zum Teil kritisch gewürdigt. Argumentiert wird zunächst, es bestehe keine vertragliche Verpflichtung der Schweiz, die sechs nach Unterzeichnung des FZA ergangenen EuGH-Urteile vom 24. Mai 2011 zu berücksichtigen. Das Bundesgericht könne insbesondere dann von einer Anpassung seiner Rechtsprechung zur Qualifikation der notariellen Tätigkeit als hoheitliche Tätigkeit absehen, wenn triftige Gründe für eine Beibe- haltung derselben sprächen. Damit habe sich die WEKO nicht ausei- nandergesetzt. Es gelte zu klären, ob die Interessen an der Beibehal- tung der bisherigen schweizerischen Rechtspraxis ausreichend ge- wichtig seien, um das Interesse an einer möglichst parallelen Rechts- und Begriffsentwicklung mit der EU ausser Acht zu lassen. Das Bundesgericht räume dem Parallelismus zwischen dem Re- gime unter dem FZA und dem europäischen Binnenmarkt eine hohe Priorität ein. In der Schweiz sei jedoch die Rechtsprechung zur Ho- heitlichkeit notariellen Handelns klar und unbestritten. Das Bundes- gericht habe zuletzt im Jahr 2002 festgehalten, dass es sich bei Ur- kundstätigkeiten zweifellos um Tätigkeiten handle, welche für sich genommen eine unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Aus- übung öffentlicher Gewalt mit sich einschliessen würden. Gemäss 2018 Anwalts- und Notariatsrecht 309 schweizerischer Rechtsauffassung komme im hoheitlichen Charakter der notariellen Tätigkeit nichts anderes als der Kern des demokrati- schen schweizerischen Staatsverständnisses zum Ausdruck, wonach die Staatsgewalt durch die Staatsunterworfenen selbst ausgeübt wer- de. Für Lehre und Rechtsprechung sei denn die notarielle Tätigkeit auch vergleichbar mit richterlichen Funktionen oder hohen politi- schen Ämtern. In den Händen des Notars liege die nicht streitige Ge- richtsbarkeit. Entsprechend könne auch nicht ernsthaft bestritten wer- den, dass allein das Gemeinwesen berechtigt sei, diese Tätigkeit den eigenen Angehörigen vorzubehalten und autonom zu definieren, wel- che Handlungen es als hoheitlich und welche als privat qualifiziere. Die Idee, dass ein Staat sein diesbezügliches Verständnis aufgrund eines fremden Gerichts revidiere, sei nicht leichthin anzunehmen. Die Qualifikation von Urkundstätigkeiten als verliehene Hoheits- rechte entspreche zudem dem Bedürfnis nach Verkehrssicherheit und dem Schutz der Parteien vor ungenauen, unklaren und ihrem Willen zuwiderlaufenden Verträgen. Würde man den Notar bei der Schaf- fung qualifizierter privatrechtlicher Verhältnisse seiner staatlichen (hoheitlichen) Funktion berauben, würde dies zu einer Verkehrsunsi- cherheit führen und dem Übereilungsschutz entgegenwirken. Eine neue Qualifikation notariellen Handelns hätte sodann ungeahnte Konsequenzen für die Aufsicht, die Disziplinargewalt und die Ge- bühren-/Honorarfestlegung. Sie käme einem revolutionären Paradig- menwechsel gleich. Beim schweizerischen Verständnis der notariel- len Tätigkeit handle es sich um eine während mehr als sieben Jahr- hunderten gewachsene und tradierte Rechtsüberzeugung, deren Än- derung die bestehende Rechtssicherheit qualifiziert tangieren würde. Schliesslich hätte die Neudefinierung notariellen Handelns erhebli- che finanzielle Konsequenzen für die Kantone. Die Bewilligung zur (hoheitlichen) Ausübung notarieller Tätigkeiten stelle ein wohlerwor- benes Recht dar, dessen Entzug beim Kanton eine Entschädigungs- pflicht auslösen würde. In Anbetracht all dessen lägen triftige Gründe für die Beibehaltung der bisherigen Rechtsprechung vor; die neuere Rechtsprechung des EuGH sei nicht zu übernehmen. Weiterhin sei davon auszugehen, dass nach schweizerischem Verständnis notarielle Tätigkeiten hoheitlich und damit unmittelbar sowie spezifisch mit 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 310 der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden seien. Das FZA bleibe folglich - zumindest für die hauptberufliche Tätigkeit des Notars - nach wie vor nicht anwendbar (ROLAND PFÄFFLI/FABRIZIO ANDREA LIECHTI, Bemerkungen zu den rechtlichen Einschätzungen der eid- genössischen Wettbewerbskommission [WEKO] zur Freizügigkeit der Notare, in: Jusletter 16. Dezember 2013, S. 5 f.). Das BGMD wiederum sei nur auf jene EU-Staatsangehörigen anwendbar, die einen Beruf ausübten, der vom FZA abgedeckt sei. Mit der Aufnahme der Notare in die VMD habe der Verordnungsge- ber seine Kompetenzen überschritten. Er habe die notarielle Tätigkeit dem Meldeverfahren nach dem BGMD unterstellt, obschon dieses sachlich nicht auf diese Tätigkeiten anwendbar sei. Darin liege ein Verstoss gegen das Gesetzmässigkeitsprinzip; die Gesetzeskonformi- tät der VMD sei hinsichtlich der Aufnahme der Notare in Anhang 1 Ziffer 11 zu verneinen; der Norm sei insoweit die Anwendung zu versagen. Unabhängig davon erstaune es, dass der Bundesrat nota- rielle Tätigkeiten unter die Berufsqualifikationsrichtlinie subsumie- ren wolle, obschon momentan im innereuropäischen Verhältnis keine Freizügigkeit des Notariats bestehe. Die Schweiz gewähre also im bi- lateralen Verhältnis weitergehende Rechte als die EU-Mitgliedstaaten untereinander. Dazu bestehe kein Anlass (PFÄFFLI/LIECHTI, a.a.O., S. 7 f.). Sei die notarielle Tätigkeit vom Geltungsbereich des FZA aus- genommen, entfalle das von der WEKO als Begründung für die in- terkantonale Freizügigkeit der Notare herangezogene Fundament der Vermeidung von Inländerdiskriminierungen. Das BGBM gelte nur für Berufe, die vom FZA mitumfasst seien, also nicht für Notare (PFÄFFLI/LIECHTI, a.a.O., S. 9). 3.4. Gemäss Art. 16 Abs. 2 FZA ist für dessen Anwendung die ein- schlägige Rechtsprechung des EuGH vor dem Zeitpunkt der Unter- zeichnung (21. Juni 1999) massgebend. Trotzdem können, ohne ent- sprechende Verpflichtung dazu, zum Zwecke der Auslegung des FZA auch seither ergangene Urteile des EuGH herangezogen werden. Ziel ist, dass in den Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU gleichwertige Rechte und Pflichten wie in den Rechtsakten der EU, 2018 Anwalts- und Notariatsrecht 311 auf die Bezug genommen wird, Anwendung finden. Das bedeutet, dass für die vom Abkommen erfassten Bereiche insoweit eine paral- lele Rechtslage verwirklicht werden soll. Da der EuGH nicht berufen ist, für die Schweiz über die Auslegung des Abkommens verbindlich zu bestimmen, ist es dem Bundesgericht nicht verwehrt, aus triftigen Gründen zu einer anderen Rechtsauffassung als dieser zu gelangen. Es wird das aber mit Blick auf die angestrebte parallele Rechtslage nicht leichthin tun (BGE 140 II 112, Erw. 3.2; 139 II 393, Erw. 4.1.1; 136 II 65, Erw. 3.1; Urteile des Bundesgerichts vom 5. Januar 2010 [2C_269/2009], Erw. 3.1, und vom 29. September 2009 [2C_196/2009], Erw. 3.4). Die in Anhang I Art. 10 FZA (Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung), Anhang I Art. 16 FZA (Ausübung hoheitlicher Befug- nisse) und Anhang I Art. 22 Abs. 1 FZA (Tätigkeiten mit gelegentli- cher Ausübung hoheitlicher Befugnisse) erwähnten Bereichsausnah- men sind denjenigen zur Arbeitnehmerfreizügigkeit sowie zur Nie- derlassungs- und Dienstleistungsfreiheit gemäss AEUV nachgebildet. Insofern drängt es sich grundsätzlich auf, die Rechtsprechung des EuGH, wonach die Beurkundungstätigkeit von Notaren nicht mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sei und daher nicht unter die erwähnten Bereichsausnahmen falle, zu übernehmen, zumal diese Rechtsprechung in den Urteilen vom 24. Mai 2011 sorgfältig und stichhaltig begründet wurde. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich die Rechtslage in den betroffenen Ländern (allen voran Deutschland) mit Bezug auf die Ausgestaltung der notariellen Tätigkeit wesentlich von derjenigen in der Schweiz unterscheiden würde. Jedenfalls trifft auch auf die hiesige öffentliche Urkunde zu, dass sich die Parteien ihr freiwillig unterwerfen und innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Grenzen selbst über den Umfang ihrer Rechte und Pflichten bestim- men können (Urteil des EuGH vom 24. Mai 2011 [C-54/08], Rn. 91). Ferner gilt auch in Deutschland (Urteil des EuGH vom 24. Mai 2011 [C-54/08], Rn. 94 ff.), dass die öffentliche Beurkundung zwingende Voraussetzung für die Wirksamkeit bestimmter Rechtsgeschäfte ist, die Notare vor Ausstellung der öffentlichen Urkunde prüfen müssen, ob alle gesetzlichen Voraussetzungen für das Zustandekommen eines Vertrags erfüllt sind, die Notare im öffentlichen Interesse (Allge- 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 312 meininteresse) liegende Ziele verfolgen, indem sie die Rechtmässig- keit und Rechtssicherheit von Akten zwischen Privatpersonen ge- währleisten, eine öffentliche Urkunde erhöhte Beweiskraft geniesst, für Notare zwar Honorarvorschriften bestehen, sie ihren Beruf inner- halb der Grenzen ihrer jeweiligen örtlichen Zuständigkeit aber den- noch unter Wettbewerbsbedingungen ausführen, was für die Ausü- bung öffentlicher Gewalt untypisch ist, und allein die Notare (unter Ausschluss der Staatshaftung) für die Handlungen im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit haften. Der EuGH gelangte unter diesen Um- ständen zum Schluss, dass die notariellen Tätigkeiten nach ihrer ge- genwärtigen Definition in der deutschen Rechtsordnung nicht mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden seien (Urteil des EuGH vom 24. Mai 2011 [C-54/08], Rn. 117). Die von der Lehre gegen eine Übernahme der Rechtsprechung des EuGH angeführten triftigen Gründe überzeugen nur be- schränkt. Der Beschwerdeführerin ist darin beizupflichten, dass sich mit dem Argument, die Qualifikation der notariellen Tätigkeit als Ausübung einer hoheitlichen Funktion entspreche einer altherge- brachten Rechtsauffassung, jegliche Rechtsfortbildung verhindern liesse. Man muss sich vielmehr - wie es der EuGH getan hat - den Charakter einer Tätigkeit anschauen, um zu entscheiden, ob sie ho- heitliche Elemente beinhaltet, und zwar frei von jeder Voreingenom- menheit gegenüber den Ideen fremder Richter . Dass die notarielle Tätigkeit im Kanton Aargau relativ stark reglementiert ist (vgl. §§ 21 ff. BeurG), macht sie noch nicht zu einer hoheitlichen Aufga- be. Auch nicht hoheitliche Tätigkeiten können mehr oder weniger stark reglementiert sein. Anders als ein Richter und andere staatliche Behörden sind freiberufliche Notare nicht mit Zwangsbefugnissen (gegenüber den Rechtsunterworfenen) ausgestattet. Sie treffen keine einseitigen Entscheidungen ohne Mitwirkung der Parteien. Sie er- bringen in erster Linie Dienstleistungen für ihre Kunden, auch wenn sie sich im Allgemeininteresse betätigen und der Umstand, dass diese Dienstleistungen Anbietern mit einer entsprechenden Ausbildung und Berufsausübungsbewilligung vorbehalten sind, zweifelsohne zur Ver- kehrssicherheit und dem Schutz der Parteien vor ungenauen, unkla- ren und ihrem Willen zuwiderlaufenden Verträgen beiträgt. Diesen 2018 Anwalts- und Notariatsrecht 313 Bedürfnissen kann allerdings schon mit entsprechenden Ausbil- dungsanforderungen und - wie die Beschwerdeführerin zu Recht festhält - mit einer wirkungsvollen Aufsicht mit Disziplinarbefugnis sowie mit der Pflicht zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversiche- rung Rechnung getragen werden. Daraus ergibt sich keine Notwen- digkeit, die notarielle Tätigkeit als hoheitlich zu qualifizieren. Der revolutionäre Paradigmenwechsel würde sich deshalb - von der an und für sich erwünschten Erleichterung beim Marktzugang für orts- fremde Notare abgesehen - wohl vor allem auf die Gebühren- und Honorarfestlegung auswirken. Ob das als triftiger Grund genügt, um die Notare von den Grundfreiheiten des (europäischen) Binnen- marktes auszuschliessen, ist zumindest fraglich. Eine Anerkennung ausländischer Fähigkeitsausweise gestützt auf Art. 9 und Anhang III FZA, worin die sekundärrechtlichen Aner- kennungsregeln der EU gemäss Richtlinie 2005/36/EG (Berufsquali- fikationsrichtlinie) im Verhältnis Schweiz-EU als direkt anwendbar erklärt werden, kommt aber für notarielle Tätigkeiten vorläufig nicht mehr in Betracht. Mit der Richtlinie 2013/55/EU vom 20. November 2013 wurde nämlich Art. 2 der Richtlinie 2005/36/EG um einen vier- ten Absatz ergänzt, wonach diese Richtlinie nicht für durch einen Hoheitsakt bestellte Notare gilt. Grund für diese Novelle war, dass die durch staatlichen Hoheitsakt bestellten Notare im Hinblick auf die besonderen und unterschiedlichen Regelungen, denen sie in den einzelnen Mitgliedstaaten in Bezug auf den Zugang zum Notarberuf und seine Ausübung unterliegen, vom Anwendungsbereich der Richt- linie 2005/36/EG ausgenommen werden sollten (Richtlinie 2013/55/EU, Ingress, Erw. 3). Ist eine Berufsqualifikation nicht vom Geltungsbereich der Berufsqualifikationsrichtlinie erfasst, stellt sich die Frage, ob eine Anerkennung von Fähigkeitsausweisen auf der Grundlage des allgemeinen Diskriminierungsverbots gemäss Art. 2 FZA und dessen spezielle Ausprägung in Anhang I FZA möglich ist. Die WEKO plädiert hier dafür, die Praxis des EuGH zur primärrecht- lichen Anerkennung heranzuziehen. Danach haben die EU-Mitglied- staaten zwecks Verwirklichung der Personenfreizügigkeit sämtliche Diplome, Prüfungszeugnisse oder sonstige Befähigungsnachweise sowie die einschlägige Erfahrung des Betroffenen in der Weise zu 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 314 berücksichtigen, dass sie die durch diese Nachweise und diese Er- fahrung belegten Fachkenntnisse mit den nach nationalem Recht vor- geschriebenen Kenntnissen und Fähigkeiten vergleichen (Urteile des EuGH vom 10. Dezember 2009 [C-345/08], Rn. 37, vom 14. Sep- tember 2000 [C-238-98], Rn. 23 und 40, und vom 7. Mai 1991 [C-340/89], Rn. 16 ff.). Für diesen Vergleich wird allerdings kein standardisiertes Anerkennungsverfahren wie in den Titeln II und III der Berufsqualifikationsrichtlinie vorgeschrieben. Es genügt eine Einzelfallprüfung der Gleichwertigkeit im Lichte der Grundfreihei- ten. In Anbetracht dessen geht Anhang 1 Ziff. 11 VMD, der den Be- ruf des Notars der Meldepflicht und Nachprüfung gemäss BGMD unterstellt, weiter als das standardisierte Anerkennungsregime zwi- schen den EU-Mitgliedsstaaten, welches nicht für Notare gilt, und damit auch weiter, als es die in Art. 9 und Anhang III FZA stipulierte Umsetzung der Berufsqualifikationsrichtlinie mit dem BGMD erfor- dert. Weil der Geltungsbereich des BGMD gemäss dessen Art. 1 Abs. 2 lit. c auf Personen beschränkt ist, die sich nach Anhang III FZA oder nach Anhang I des Übereinkommens vom 4. Januar 1960 zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) auf die Richtlinie 2005/36/EG berufen können, was bei Notaren nicht (mehr) der Fall ist, wird die Gesetzeskonformität von Anhang 1 Ziff. 11, was diesen Beruf anbelangt, in der Lehre zu Recht ange- zweifelt (PFÄFFLI/LIECHTI, a.a.O., S. 7 f.). Es wird obendrein disku- tiert, ob mit der betreffenden Verordnungsbestimmung in unzulässi- ger Art und Weise in die verfassungsmässige Kompetenzausschei- dung zwischen Bund und Kantonen eingegriffen wurde (ROLAND PFÄFFLI/FABRIZIO ANDREA LIECHTI, Der Notar und das Freizügig- keitsabkommen: Entwicklungen, in: Jusletter 20. April 2015). Auch wenn die Forderung, die Berufsgattung der Notare aus der VMD zu streichen, vom Verordnungsgeber nicht aufgenommen werden sollte, ist insofern zweifelhaft, ob sich ein ausländischer Notar im Einzelfall erfolgreich auf diese Bestimmung berufen und mit Blick auf die Anerkennung seines Fähigkeitsausweises ein Meldeverfahren ge- mäss BGMD einleiten und eine allfällige Nachprüfung verlangen kann. Einer Verordnung, die den Rahmen der dem Bundesrat dele- 2018 Anwalts- und Notariatsrecht 315 gierten Kompetenzen sprengt oder sich aus anderen Gründen als ge- setz- oder verfassungswidrig erweist, ist in einem konkreten Fall die Anwendung zu versagen (ULRICH HÄFELIN/WALTER HALLER/HE- LEN KELLER/DANIELA THURNHERR, Schweizerisches Bundesstaats- recht, 9. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2016, Rz. 2099). Damit ist auch offen, ob bei der Anerkennung von Fähigkeitsausweisen für die Tä- tigkeit als Notar das Szenario einer Inländerdiskriminierung droht, die es dadurch zu vermeiden gilt, dass man den Anwendungsbereich des BGBM gestützt auf dessen Art. 4 Abs. 3bis entgegen herkömmli- cher schweizerischer Rechtsauffassung auf ausserkantonale Berufs- ausübungsbewilligungen als Notar ausdehnt und diese mit etwaigen nach Art. 3 BGBM zulässigen Auflagen zur Beschränkung des Marktzugangs schweizweit anerkennt. Eine Gleichwertigkeitsprü- fung, in deren Rahmen ausserkantonale Befähigungsnachweise und einschlägige Berufserfahrungen zu berücksichtigen sind, darf auch mit Rücksicht auf die Bestrebungen zur Angleichung an den europäi- schen Binnenmarkt nach wie vor stattfinden. Solange das kantonale Beurkundungsrecht im Verfahren auf Anerkennung ausserkantonaler Fähigkeitsausweise als Notarin oder Notar eine Gleichwertigkeits- prüfung im erwähnten Sinne gewährleistet, fällt demnach ein Ver- stoss gegen das BGBM, soweit dieses überhaupt anwendbar ist, von vornherein ausser Betracht. 3.5. Vom Schutz der nach rein schweizerischem Rechtsverständnis auszulegenden Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV), die privatwirtschaft- lichen Tätigkeiten vorbehalten ist, kann die Notariatstätigkeit wegen ihrer Nähe zu den staatlichen Aufgaben, die in einigen Kantonen dem freien Wettbewerb sogar ganz entzogen ist, nicht profitieren (BGE 133 I 259, Erw. 2.2; FELIX UHLMANN, in: BERNHARD WALD- MANN /EVA MARIA BELSER/ASTRID EPINEY, Basler Kommentar zur Bundesverfassung, Basel 2015, Art. 27 N 19 und 22; vgl. auch BGE 140 II 112, Erw. 3.3). 4. 4.1. Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots (Art. 8 Abs. 1 BV) und des Willkürverbots (Art. 9 BV) erblickt die Beschwerdefüh- 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 316 rerin darin, dass sie durch die Nichtanerkennung ihres zugerischen Fähigkeitsausweises als Notarin de facto einer Studienabgängerin ohne Anwaltspatent und ohne jegliche berufliche Erfahrung gleich- gestellt werde. Mit dem Bestehen der zugerischen Anwalts- und Notariatsprüfung - der höchsten in der Schweiz für Juristen vorgese- henen Fachprüfung - habe sie den Nachweis erbracht, mit den für das Beurkundungs- und Notariatswesen wesentlichen gesetzlichen Grundlagen vertraut zu sein. Sie verfüge über mehrjährige praktische und berufliche Erfahrung als Notarin. Sie arbeite seit bald sechs Jah- ren auf einem kommunalen Notariat und in sämtlichen Rechtsgebie- ten. Davor habe sie unter anderem im Kanton Aargau Praktika absol- viert. Zudem sei sie im Kanton Aargau aufgewachsen und daher mit den lokalen Besonderheiten bestens vertraut. 4.2. Der Anspruch auf Gleichbehandlung verlangt, dass Rechte und Pflichten der Betroffenen nach dem gleichen Massstab festzusetzen sind. Gleiches ist nach Massgabe seiner Gleichheit gleich, Unglei- ches nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich zu behandeln. Das Gleichheitsprinzip verbietet einerseits unterschiedliche Regelungen, denen keine rechtlich erheblichen Unterscheidungen zugrunde lie- gen. Andererseits untersagt es aber auch die rechtliche Gleichbe- handlung von Fällen, die sich in tatsächlicher Hinsicht wesentlich unterscheiden. Die Gleichbehandlung durch den Gesetzgeber oder die rechtsanwendende Behörde ist allerdings nicht nur dann geboten, wenn zwei Tatbestände in allen ihren Elementen absolut identisch sind, sondern auch dann, wenn die im Hinblick auf die zu erlassende oder anzuwendende Norm relevanten Tatsachen gleich sind (ULRICH HÄFELIN/GEORG MÜLLER/FELIX UHLMANN, Allgemeines Verwal- tungsrecht, 7. Auflage, Zürich/St. Gallen 2016, Rz. 572 mit Hinwei- sen auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung). Soweit sich das Gebot der Rechtsgleichheit an den Gesetzgeber wendet, kommt diesem eine erhebliche Gestaltungsfreiheit zu. Es ist ihm jedoch verboten, Differenzierungen zu treffen, für die sachliche und vernünftige Gründe fehlen, oder sich über erhebliche tatsächli- che Unterschiede hinwegzusetzen. Ein Erlass verletzt das Rechts- gleichheitsgebot, wenn hinsichtlich einer entscheidwesentlichen Tat- 2018 Anwalts- und Notariatsrecht 317 sache rechtliche Unterscheidungen getroffen werden, für die ein sachlicher und vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder wenn Unterscheidungen unterlassen wer- den, die aufgrund der Verhältnisse hätten getroffen werden müssen (statt vieler: BGE 143 I 361, Erw. 5.1; 141 I 153, Erw. 5.1; 140 I 77, Erw. 5.1; 134 I 23, Erw. 9.1). Die Bindung der rechtsanwendenden Behörde an Art. 8 Abs. 1 BV ist vor allem dort wichtig, wo die anzuwendende Norm unbe- stimmte Begriffe verwendet oder den Behörden Ermessen einräumt (HÄFELIN/HALLER/KELLER/THURNHERR, a.a.O., Rz. 765). Davon hat die rechtsanwendende Behörde in allen gleich gelagerten Fällen gleichen Gebrauch zu machen (HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, a.a.O., Rz. 587). Die Beschwerdeführerin verlangt nicht eine Gleichstellung mit Inhabern von Fähigkeitsausweisen anderer Kantone als Zug, sondern eine (sachgerechte) Privilegierung gegenüber Studienabgängern, die im Unterschied zu ihr keine berufliche/praktische Erfahrung als No- tarin oder Notar aufweisen und keine Notariatsprüfung abgelegt ha- ben. Eine gewisse Privilegierung erfährt die Beschwerdeführerin im Vergleich mit Studienabgängern, indem ihr die Vorinstanz in Anwen- dung von § 11 Abs. 3 BeurG und § 9 Abs. 4 lit. a BeurV das in § 11 Abs. 1 und 2 BeurG sowie § 9 Abs. 2 BeurV vorgeschriebene Prakti- kum bei einer Urkundsperson von mindestens sechsmonatiger Dauer erlässt. Diese Privilegierung geht der Beschwerdeführerin indessen zu wenig weit. In ihren Augen ist der Rechtsgleichheit nur mit einer Anerkennung ihres zugerischen Fähigkeitsausweises als Notarin oder eventualiter mit dem Verzicht auf ein weiteres Praktikum bei einem Grundbuchamt und Erleichterungen bei der Notariatsprüfung Genüge getan. 5. 5.1. Gemäss § 8 Abs. 2 BeurG wird der ausserkantonale Fähigkeits- ausweis als Notarin oder Notar anerkannt, wenn (a) ihm gleichwerti- ge Voraussetzungen für die Erteilung zugrunde liegen, (b) die Ge- suchstellerin oder der Gesuchsteller die deutsche Sprache beherrscht, (c) der andere Kanton Gegenrecht hält. Der Ausweis über die Befähi- 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 318 gung von Urkundspersonen eines anderen Kantons gilt als gleichwer- tig, wenn die Gesuchstellerin oder der Gesuchsteller über einen Hochschulabschluss gemäss § 10 Abs. 1 lit. b BeurG (juristisches Masterdiplom oder juristisches Lizentiat einer schweizerischen Uni- versität oder Masterdiplom einer Fachhochschule mit Fachrichtung Notariat) verfügt, mindestens zwölf Monate spezifische Praxiserfah- rung nachweist und eine gleichwertige Notariatsprüfung abgelegt hat (§ 8 Abs. 1 BeurV). Mit dem Erlass dieser Bestimmungen sollte der interkantonalen Freizügigkeit von Urkundspersonen zum Durchbruch verholfen wer- den. Vorher liess der Kanton Aargau - wie viele andere Kantone - nur Notarinnen und Notare zur Berufsausübung zu, welche die Prü- fung im eigenen Kanton abgelegt hatten (Botschaft Nr. 10.92 des Re- gierungsrats des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 17. März 2010 zum Beurkundungs- und Beglaubigungsgesetz [BeurG], Totalrevision [nachfolgend: Botschaft BeurG], S. 30). Die Verwirk- lichung der angestrebten interkantonalen Freizügigkeit bedingt, dass keine übertriebenen Anforderungen an den Nachweis der Gleichwer- tigkeit des ausserkantonalen Fähigkeitsausweises gestellt werden. Das betrifft auch die Notariatsprüfung als Teil der in § 8 Abs. 1 BeurV umschriebenen Anerkennungsvoraussetzungen. Die (inhaltlichen) Probleme, denen eine Urkundsperson ge- wachsen sein muss, werden weitgehend durch Bundesrecht vorgege- ben. Die kantonalen Eigenheiten beziehen sich insbesondere auf Ver- fahrensfragen sowie das Abgaberecht. Es ist daher vertretbar, ausser- kantonale Fähigkeitsausweise als Notarin oder Notar anzuerkennen, sofern der Ausbildungsstandard dem aargauischen entspricht (Bot- schaft BeurG, S. 30). 5.2. Das Rechtsgleichheitsgebot steht einer gesetzlichen Regelung, wonach für die Anerkennung eines ausserkantonalen Fähigkeitsaus- weises als Notarin oder Notar eine gleichwertige Notariatsprüfung im Herkunftskanton vorausgesetzt wird, nicht grundsätzlich entge- gen. Für diese Regelung gibt es durchaus sachliche und vernünftige Gründe. Sind die Anforderungen der Notariatsprüfung im Herkunfts- kanton wesentlich geringer, hätte die voraussetzungslose Anerken- 2018 Anwalts- und Notariatsrecht 319 nung des ausserkantonalen Fähigkeitsausweises nicht nur negative Auswirkungen auf die Qualitätssicherung im Bestimmungskanton. Sie könnte auch den Prüfungstourismus in dem Sinne fördern, dass Fähigkeitsausweise gezielt vorwiegend dort erworben werden, wo die Anforderungen am geringsten sind. Auf diese Weise könnte wie- derum der Qualitätsstandard im Bestimmungskanton kaum mehr auf- rechterhalten werden. Problematisch wäre es hingegen aus Rechtsgleichheitsgründen wie auch unter dem Aspekt der interkantonalen Freizügigkeit von Urkundspersonen, im Falle einer Verneinung der Gleichwertigkeit der ausserkantonalen Notariatsprüfung diese und die bisherige Be- rufspraxis eines Gesuchstellers gänzlich ausser Acht zu lassen. Das Gesetz lässt die Berücksichtigung von Vorkenntnissen und Praxiser- fahrung ohne weiteres zu, indem die Notariatskommission gemäss § 10 Abs. 5 BeurG für Inhaberinnen oder Inhaber eines kantonalen Fähigkeitsausweises als Notarin oder Notar Erleichterungen gewäh- ren kann. Diese Bestimmung ist entgegen der Auffassung der Vorin- stanz nicht nur dann anwendbar, wenn die Gleichwertigkeit der No- tariatsprüfung am Herkunftsort bejaht wird, der Fähigkeitsausweis aber aus anderen Gründen nicht anerkannt werden kann, weil bei- spielsweise der andere Kanton kein Gegenrecht hält. Für eine derart restriktive Auslegung besteht kein Anlass. Vielmehr wird schon in der Botschaft BeurG (a.a.O., S. 30) ausgeführt, dass die Kandidatin oder der Kandidat verpflichtet werden kann, eine ergänzende Prü- fung abzulegen, wenn ein ausserkantonaler Fähigkeitsausweis in Be- zug auf verfahrens- und organisationsrechtliche Fragen (Beurkun- dungsverfahren im engeren Sinne, Aufsicht, Gebührenwesen), Beur- kundungstechnik oder kantonales Abgaberecht (Grundstückgewinn- steuern, Handänderungssteuern, kantonale gesetzliche Pfandrechte) nicht als gleichwertig erachtet wird. Im Weiteren wird in der Bot- schaft (S. 33 oben) explizit erläutert, eine Beschränkung des Prü- fungsstoffs komme in Frage für Kandidierende, die bereits über ein ausserkantonales, aber nicht gleichwertiges Notariatspatent verfügen. 5.3. 5.3.1. 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 320 Im Kanton Aargau umfasst die Notariatsprüfung einen schriftli- chen und einen mündlichen Prüfungsteil. Der schriftliche Prüfungs- teil besteht gemäss § 14 BeurV aus zwei Klausurarbeiten von je vier Stunden und vier Klausurarbeiten von je zwei Stunden namentlich aus folgenden Rechtsgebieten: (a) Sachen- und Grundbuchrecht mit Neben- und Ausführungserlassen, namentlich BewG, BGBB, EG ZGB, (b) Personen-, Familien- und Erbrecht, (c) Obligationenrecht mit Neben- und Ausführungserlassen, namentlich FusG, HRegV, (d) Beurkundungs- und Beglaubigungsrecht. In den Klausurarbeiten sind insbesondere öffentliche Urkunden abzufassen. Der mündliche Prü- fungsteil dauert nach § 15 Abs. 3 BeurV in der Regel zwei Stunden und umfasst neben den schon in § 14 BeurV (für den schriftlichen Prüfungsteil) erwähnten namentlich folgende Rechtsgebiete: (d) Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, Zivilprozessrecht, die für das Notariat relevanten Bereiche des Internationalen Privatrechts, (e) Grundzüge des öffentlichen Rechts, (f) Abgabenrecht. 5.3.2. Im Kanton Zug gibt es keine eigenständige Notariatsprüfung; die Beurkundungsprüfung ist Teil der Anwaltsprüfung. § 3 der zuge- rischen Verordnung über die Anwaltsprüfung und die Beurkundungs- prüfung für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte vom 3. Dezember 2002 (Anwaltsprüfungsverordnung; BGS 163.2) regelt den schriftli- chen Prüfungsteil, der aus der Bearbeitung von zwei Fällen und aus der Erstellung einer öffentlichen Urkunde besteht (Abs. 1). Die Fälle erstrecken sich auf folgende Rechtsgebiete: (a) Zivilrecht und Zivil- prozessrecht inkl. Gerichtsorganisation, (b) Strafrecht und Strafpro- zessrecht inkl. Gerichtsorganisation oder Staats- und Verwaltungs- recht inkl. Verwaltungsrechtspflege. Die Prüfung gemäss lit. a kann auch Fragen zum Schuldbetreibungs- und Konkursrecht enthalten. Das zu prüfende Rechtsgebiet gemäss lit. b wird jeweils drei Wochen vor dem Prüfungstermin bekannt gegeben (Abs. 2). Für die Bearbei- tung der Fälle und die Erstellung der öffentlichen Urkunde stehen der Kandidatin bzw. dem Kandidaten je fünf Stunden zur Verfügung (Abs. 3). Die schriftliche Prüfung ist in Klausur und in der Regel im Zeitraum einer Woche abzulegen (Abs. 4). Die mündliche Prüfung, die in der Regel innert sechs Monaten nach bestandener schriftlicher 2018 Anwalts- und Notariatsrecht 321 Prüfung abzulegen ist und mindestens zwei Stunden dauert, umfasst die folgenden Gebiete des Bundesrechts und des zugerischen Rechts: (a) Zivilrecht und Zivilprozessrecht, (b) Strafrecht und Strafprozess- recht, (c) Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, (d) Staats- und Ver- waltungsrecht, (e) Beurkundungsrecht und (f) Anwaltsrecht (§ 5 An- waltsprüfungsverordnung). 5.3.3. Die Notariatskommission begründete ihren Entscheid, die Gleichwertigkeit der zugerischen Beurkundungsprüfung mit der aar- gauischen Notariatsprüfung zu verneinen, vorab damit, dass der Kan- ton Zug im Unterschied zum Kanton Aargau keine eigenständige Notariatsprüfung kenne. Ferner umfasse der schriftliche Prüfungsteil im Kanton Aargau zwei Klausurarbeiten von je vier Stunden und vier Klausurarbeiten von je zwei Stunden. Sie daure somit insgesamt 16 Stunden, gegenüber lediglich fünf Stunden im Kanton Zug. Auch wenn die Prüfungsdauer nichts über die Qualität der Prüfung besage, könne in sechs Klausurarbeiten während insgesamt 16 Stunden eine bedeutend breitere und tiefere Prüfung stattfinden als während eines lediglich fünfstündigen Prüfungsteils. Zudem sei gemäss den Ausführungen der Gesuchstellerin (Beschwerdeführerin) im Kanton Zug nur eine öffentliche Urkunde abzufassen, während im Kanton Aargau in sechs Klausurarbeiten mehrere öffentliche Urkunden zu errichten seien. Dasselbe gelte für den mündlichen Prüfungsteil. Im Kanton Aargau daure die mündliche Prüfung zwei Stunden. Im Kan- ton Zug werde während zwei Stunden auch der Stoff des anwalt- lichen Bereichs geprüft. 5.3.4. Diesen Überlegungen kann insofern gefolgt werden, als eine Prüfung grundsätzlich umso anforderungsreicher ist, je länger sie dauert. Auch leuchtet ein, dass eine Notariats- oder Beurkundungs- prüfung anspruchsvoller ist, wenn der Kandidat mehrere öffentliche Urkunden anstelle von lediglich einer abfassen muss. Daher lässt es sich nicht beanstanden, dass die Vorinstanz die aargauischen und die zugerischen Prüfungen nicht als gleichwertig taxierte. Im Hinblick auf mögliche Erleichterungen im Sinne von § 10 Abs. 5 BeurG blendet die Vorinstanz jedoch aus, dass die Beschwer- 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 322 deführerin eine langjährige Berufspraxis als Notarin mitbringt. Zu ihren Aufgabegebieten als Urkundsperson/Notarin bei der Einwoh- nergemeinde B., wo sie seit dem 21. Februar 2012 teilzeitlich tätig ist, gehört gemäss Zwischenzeugnis vom 29. Juni 2017 die öffentli- che Beurkundung von Rechtsgeschäften über dingliche und vormerk- bare persönliche Rechte (Grundstücksgeschäfte), insbesondere Kauf- verträge, Schenkungen, Erbvorbezüge, Mutationen, Grunddienstbar- keitsverträge und Begründung von Stockwerkeigentum. Ausserdem nimmt sie Beurkundungen im Ehe- und Erbrecht vor, insbesondere das Verschreiben von Testamenten für die handschriftliche Abschrei- bung durch die Kunden, das Abfassen von Ehe- und/oder Erbverträ- gen und öffentlichen letztwilligen Verfügungen. Des Weiteren ist sie mit öffentlichen Beurkundungen im Gesellschaftsrecht (Gründungen, Sitzverlegungen und Liquidationen) sowie von Vorsorgeaufträgen und Bürgschaften befasst. Diese Palette deckt den hauptsächlichen Bereich notarieller Tätigkeiten beinahe vollständig ab. Die eigentli- che Beurkundungstätigkeit wird gemäss Zwischenzeugnis durch die Beratung der Parteien und die Anmeldung der Geschäfte beim Grundbuch- und beim Handelsregisteramt abgerundet. Der Be- schwerdeführerin wird im Zwischenzeugnis ein sehr fundiertes und breites Fachwissen in allen Tätigkeitsgebieten attestiert. Es darf so- mit darauf abgestellt werden, dass sie ohne weiteres in der Lage ist, die auf sämtlichen Rechtsgebieten vorgeschriebenen öffentlichen Ur- kunden eigenverantwortlich und qualitativ einwandfrei zu errichten. Deshalb ist nicht einzusehen, weshalb sie ihre diesbezüglichen Fähigkeiten mit der gesamten Notariatsprüfung im Kanton Aargau (neuerlich) unter Beweis stellen muss. Dies umso weniger, als sie mit dem Bestehen der zugerischen Anwalts- und Beurkundungsprüfung grundsätzlich bewiesen hat, dass ihre theoretischen und praktischen Kenntnisse auf dem Gebiet des Bundesrechts (Bundeszivilrecht [ZGB, OR und Nebenerlasse], Zivilprozessrecht, Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, Internatio- nales Privatrecht) für die Tätigkeit als Anwältin und Urkundsperson ausreichend sind. Weshalb hier die inhaltlichen Anforderungen res- pektive der Schwierigkeitsgrad der Anwalts- und Beurkundungsprü- fung im Kanton Zug wesentlich geringer sein sollten als diejenigen 2018 Anwalts- und Notariatsrecht 323 der Notariatsprüfung im Kanton Aargau, ist nicht ersichtlich, zumal sich der Anwalts- und Notariatsbereich nicht immer strikte trennen lassen. Die Notariatsprüfung im Kanton Aargau wird zwar auf dem Gebiet des Bundes(zivil)rechts wegen der deutlich längeren Prü- fungsdauer spezifischer auf Fragestellungen eingehen können, die sich primär aus der notariellen und weniger aus der anwaltlichen Tä- tigkeit ergeben. Solchen Fragestellungen begegnet die Beschwerde- führerin im Rahmen ihrer Tätigkeit als Amtsnotarin im Kanton Zug regelmässig. Insofern bewirkt ihre Praxiserfahrung eine gewisse Kompensation dafür, dass die Prüfungen nicht als gleichwertig ange- sehen werden. Es spricht nichts dagegen, bei der Gewährung von Er- leichterungen nach § 10 Abs. 5 BeurG die Praxiserfahrung ähnlich hoch zu gewichten wie den Befähigungsnachweis anhand eines Exa- mens. Das liegt durchaus noch im (vom Verwaltungsgericht über- prüfbaren) Ermessensspielraum, der sich durch den sehr offen for- mulierten Wortlaut dieser Bestimmung eröffnet. Nachhol- oder Ergänzungsbedarf mag jedoch für die Beschwer- deführerin im gesamten Bereich des kantonalen (aargauischen) Rechts bestehen, also mit Blick auf das EG ZGB, das Beurkundungs- und Beglaubigungsrecht, die Grundzüge des Verwaltungsrechts und der Verwaltungsrechtspflege sowie das Abgabenrecht. Sie hat zwar im Kanton Aargau Praktika absolviert. Diese liegen jedoch schon einige Jahre zurück. Insgesamt ist der Entscheid der Notariatskommission, der zuge- rischen Beurkundungsprüfung (als Teil der dortigen Anwaltsprüfung) die Gleichwertigkeit mit der aargauischen Notariatsprüfung abzu- sprechen, zwar nicht zu beanstanden. Einen Anspruch auf Anerken- nung ihres ausserkantonalen Fähigkeitsausweises als Notarin besitzt die Beschwerdeführerin demnach nicht. Es sind ihr aber aufgrund ihrer langjährigen Praxiserfahrung bei der öffentlichen Beurkundung verschiedenster Rechtsgeschäfte und des Bestehens der zugerischen Anwalts- und Beurkundungsprüfung gestützt auf § 10 Abs. 5 BeurG Erleichterungen bei der Notariatsprüfung zu gewähren. Gegenstand einer ergänzenden Notariatsprüfung im Kanton Aargau kann das ge- samte für das Beurkundungs- und Beglaubigungswesen relevante 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 324 kantonale Recht bilden. Der genaue Prüfungsstoff wird von der Vor- instanz noch im Detail festzulegen sein. 6. Zu der von der Beschwerdeführerin zusätzlich verlangten Er- leichterung beim Praktikum bzw. dem Erlass eines weiteren Prakti- kums bei einem Grundbuchamt ist Folgendes festzuhalten: § 11 Abs. 3 BeurG, wonach aus wichtigen Gründen Erleichte- rungen beim Praktikum gewährt werden können, ist wiederum so an- zuwenden, dass dem verfassungsmässigen Gleichbehandlungsgebot Rechnung getragen wird. Die Vorinstanz erwog, dass die Beschwer- deführerin mit dem einjährigen Praktikum, welches sie (vor Able- gung der zugerischen Anwalts- und Beurkundungsprüfung) bei einem zugerischen Notar absolviert habe, über die gemäss § 8 Abs. 1 BeurV für eine Anerkennung ihres ausserkantonalen Fähigkeitsaus- weises notwendige spezifische Praxiserfahrung verfüge. Es birgt nun einen gewissen Widerspruch, wenn sie von der im Anerkennungsver- fahren als genügend praktisch ausgebildet eingestuften Beschwerde- führerin im Hinblick auf die Zulassung zur (ergänzenden) Notariats- prüfung gleichwohl noch ein Praktikum bei einem Grundbuchamt von mindestens dreimonatiger Dauer verlangt. Dieses Ansinnen lässt sich nicht mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz in Einklang bringen. Es ist kein sachlicher und vernünftiger Grund ersichtlich, bei identi- scher praktischer Ausbildung in einem anderen Kanton danach zu unterscheiden, ob ein ausserkantonaler Fähigkeitsausweis als Notarin oder Notar anerkannt wird oder ob der Inhaber eines ausserkantona- len Fähigkeitsausweises mangels Gleichwertigkeit der ausserkanto- nalen Notariatsprüfung noch eine ergänzende Notariatsprüfung im Kanton Aargau absolvieren muss, und nur im einen, nicht aber im anderen Fall ein zusätzliches Praktikum im Kanton Aargau zu ver- langen. Das Defizit der nicht gleichwertigen Notariatsprüfung wird schon mit der Nachprüfung ausgeglichen. Ein Zusatzpraktikum ist beim Inhaber eines ausserkantonalen Fähigkeitsausweises, der die Anerkennungsvoraussetzungen hinsichtlich der praktischen Ausbil- dung in einem anderen Kanton erfüllt, sachlich nicht zu rechtferti- gen. Es ist nicht einzusehen, weshalb der Kanton Aargau diesbezüg- lich seine eigenen Vorstellungen zur Länge und Ausgestaltung eines 2018 Anwalts- und Notariatsrecht 325 Praktikums zum Erwerb des aargauischen Notariatspatents durchset- zen muss, die im Anerkennungsverfahren keine Rolle spielen. Abgesehen davon würde eine derart rechtsungleiche Praxis wohl eine fast unüberwindbare Hürde für die interkantonale Freizü- gigkeit von Urkundspersonen darstellen, weit mehr als dies eine er- gänzende Notariatsprüfung je zu tun vermöchte. Gestandene, mitten im Erwerbsleben stehende Notarinnen und Notare mit einem ausser- kantonalen Fähigkeitsausweis werden sich in den seltensten Fällen darauf einlassen, sich noch einmal als Praktikant zu verpflichten. Der vorinstanzliche Entscheid ist auch in diesem Punkt fehler- haft. Die Beschwerdeführerin ist ohne ein weiteres Praktikum, insbe- sondere ohne das von der Vorinstanz geforderte mindestens dreimo- natige Praktikum bei einem Grundbuchamt, zur ergänzenden Nota- riatsprüfung im Kanton Aargau zuzulassen.
11,162
8,676
AG_VG_001
AG_VG
AG
Northwestern_Switzerland
AG_VG_001_AGVE-2018-33_2018-08-03
http://agve.weblaw.ch/html//AGVE-2018-33.html
https://agve.weblaw.ch/pdf/AGVE-2018-33.pdf
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