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2013 Sozialhilfe 305 [...] 49 Kürzung überhöhter Wohnkosten - Nimmt eine unterstützte Person ohne Zustimmung der zuständigen Sozialbehörde, ohne zumutbare Suchbemühungen und im Wissen um die örtlichen Mietzinsrichtlinien einen Wechsel in eine zu teure Wohnung vor, besteht von Anfang an keine Pflicht, die Differenz zum vertraglich vereinbarten Mietzins zu übernehmen. - Das Grundrecht auf Achtung des Familienlebens gibt in solchen Fäl- len keinen Anspruch auf Übernahme zusätzlicher Wohnkosten. Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 26. März 2013 in Sachen A. gegen Sozialkommission B. und Bezirksamt C. (WBE.2012.310). Aus den Erwägungen 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 306 2.2. Für die Bemessung der materiellen Hilfe sind die von der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe erlassenen Richtlinien vom 18. September 1997 für die Ausgestaltung und Bemessung der Sozialhilfe (SKOS-Richtlinien) mit den bis zum 1. Juli 2004 er- gangenen Änderungen massgebend (§ 10 Abs. 1 SPV). Anzurechnen ist danach der Wohnungsmietzins (bei Wohneigentum der Hypothe- karzins), soweit dieser im ortsüblichen Rahmen liegt (SKOS-Richt- linien, Kap. B.3; Handbuch Sozialhilfe des Kantonalen Sozialdiens- tes, 4. Aufl., 2003, Kap. 5, S. 40). Ebenfalls anzurechnen sind die vertraglich vereinbarten Nebenkosten (SKOS-Richtlinien, Kap. B.3; C LAUDIA H ÄNZI , Die Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe, Basel 2011, S. 370, 375; VGE IV/89 vom 17. Dezem- ber 2012 [WBE.2012.211], S. 6). 2.3. (...) Nach der Rechtsprechung können die anrechenbaren Wohnkosten auf jenen Betrag reduziert werden, der durch die günsti- gere Wohnung entstanden wäre, wenn sich eine unterstützte Person weigert, in eine effektiv verfügbare und zumutbare günstigere Woh- nung umzuziehen (AGVE 2004, S. 253 ff.; SKOS-Richtlinien, Kap. B.3). Dies bezieht sich auf die Situation, in der jemand in einer Mietwohnung lebt und neu materielle Hilfe beantragen muss. Dieser Fall ist zu unterscheiden von der Konstellation, in wel- cher eine von der Fürsorge unterstützte Person eigenmächtig und freiwillig einen Wechsel aus einer zumutbaren, günstigeren Unter- kunft in eine teurere Wohnung vorgenommen hatte und die neuen Wohnkosten über dem von der betreffenden Gemeinde vorgegebenen Richtsatz lagen (vgl. Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 13. August 2010 [VB.2010.00267], Erw. 4.2 mit Hin- weis). Es ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn eine Fürsor- gebehörde den Unterstützungsbeitrag um die Differenz zwischen der aktuell bewohnten teureren Wohnung und der zuletzt bewohnten günstigeren und zumutbaren Unterkunft nicht erhöht, wenn die be- treffende Person schon vorher wirtschaftliche Hilfe bezogen und den Wohnungswechsel eigenmächtig vorgenommen hat (vgl. Urteil des 2013 Sozialhilfe 307 Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 6. April 2005 [VB.2005.00020], Erw. 3.2). 3. 3.1. Der Beschwerdeführer zog am 1. April 2011 von D. nach B.. In D. hatte er seit 2008 Sozialhilfe bezogen. Im Gesuch um materielle Hilfe vom 1. April 2011, welches er nach dem Umzug stellte, gab der Beschwerdeführer an, dass er bei Frau E. in B. wohne, bis die Lie- genschaftsverwaltung eine Wohnung für ihn "frei" habe. Bei der Wohnung von Frau E. handelt es sich um eine 2,5-Zimmer-Wohnung im Erdgeschoss im Haus an der F.-Strasse in B., in welcher der Be- schwerdeführer allein zur Untermiete wohnte. Der Mietzins betrug Fr. 740.00 plus 170.00 Nebenkosten. Die materielle Hilfe wurde ab 1. April 2011 mit einem halben Mietanteil berechnet. Aus dem Un- termietvertrag vom 29. März 2011 geht hervor, dass der monatliche Mietzins für die möblierte Wohnung Fr. 455.00 (inkl. Nebenkosten) betrug und das Mietverhältnis auf unbestimmte Dauer abgeschlossen wurde, bis der Beschwerdeführer eine eigene Wohnung gefunden hat. Gemäss Protokoll wurde eine Wohnung im gleichen Haus an der F.-Strasse in B. im 3. Obergeschoss ab dem 1. Oktober 2011 frei. Der Mietzins dieser Wohnung überstieg den maximalen Mietzinsbei- trag, welchen die Sozialbehörde in B. im Rahmen der Mietzins- richtlinien für einen 1-Personen-Haushalt anrechnet. Der Beschwer- deführer wurde rechtzeitig darauf aufmerksam gemacht, dass ihm der maximale Mietzinsbeitrag für einen 1-Personen-Haushalt von Fr. 800.00 (inkl. Nebenkosten) pro Monat im Falle eines Umzugs ge- währt würde. Den Differenzbetrag zwischen der effektiven Woh- nungsmiete und dem maximalen Mietzinsbeitrag müsse er aus dem Grundbedarf bezahlen. Der Beschwerdeführer erklärte sich mit die- ser Anrechnung des Mietanteils einverstanden. Auf den 1. Oktober 2011 mietete der Beschwerdeführer die besagte Wohnung mit dem Mietzins von Fr. 1'000.00 (inkl. Nebenkosten). Die Sozialbehörde bezahlte gestützt auf diese Umstände die Kaution (mit Verrechnung in Raten) und berechnete die materielle Hilfe ab 1. Oktober 2011 neu. Entsprechend der Verfügung vom 17. Oktober 2011 und dem 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 308 Sozialhilfebudget vom 11. Oktober 2011 wurden wie vereinbart ab dem 1. Oktober 2011 Wohnungskosten in der Höhe von Fr. 800.00 (inkl. Nebenkosten) pro Monat bezahlt. Die Verfügung vom 17. Ok- tober 2011 blieb unangefochten. Die vom Beschwerdeführer beim Bezirksamt angefochtene Verfügung datiert vom 12. März 2012 und erging mithin fünf Monate später. Darin ist der Wohnkostenbeitrag von Fr. 800.00 (inkl. Nebenkosten) pro Monat ausgewiesen. 3.2. Gemäss den Mietzinsrichtlinien werden bei einem 1-Personen- Haushalt die Wohnkosten in einem maximalen Umfang von Fr. 800.00 (inkl. Nebenkosten) übernommen. Ein 1-Personen-Haus- halt gemäss den eben erwähnten Mietzinsrichtlinien ist nicht gleich- zusetzen mit einer 1-Zimmer-Wohnung. Nicht strittig ist, ob Woh- nungskosten von Fr. 800.00 für einen 1-Personen-Haushalt ausrei- chen. Aus den Akten ergibt sich, dass der freiwillige Wohnungswech- sel des Beschwerdeführers im Wissen darüber stattfand, dass die Wohnungskosten, welche über dem Maximalbeitrag eines 1-Perso- nen-Haushalts gemäss kommunalen Mietzinsrichtlinien liegen, vom Beschwerdeführer aus dem Grundbedarf bezahlt werden müssen. Aus den Akten geht ebenfalls hervor, dass der Beschwerdeführer trotzdem auf einem Wohnungswechsel bestand. Der angefochtenen Verfügung vom 12. März 2012 liegt die vor dem Umzug vereinbarte Abmachung zwischen dem Beschwerdeführer und der Sozialbehörde zugrunde. Weder vermag der Beschwerdeführer darzulegen, noch ist ersichtlich, inwiefern sich die Verhältnisse seit dem Umzug geändert haben sollten, so dass er sich die Vereinbarung nicht mehr entgegen- halten lassen müsste und die Sozialbehörde nun eine vollumfängliche Kostenübernahme der Wohnung zu leisten hätte. Ein Anspruch auf Wiedererwägung oder Anpassung des Mietkostenanteils infolge ver- änderter Umstände wird vom Beschwerdeführer nicht geltend ge- macht und ist auch nicht ersichtlich. Insbesondere hätte der Be- schwerdeführer weiter in Untermiete in der 2,5-Zimmerwohnung bleiben und eine geeignete Wohnung suchen können. 3.3. Das Grundrecht auf Achtung des Familienlebens (Art. 13 Abs. 1 BV; Art. 8 EMRK) ist auch bei der Ausrichtung staatlicher Leistun- 2013 Sozialhilfe 309 gen zu berücksichtigen (vgl. J ÖRG P AUL M ÜLLER /M ARKUS S CHE - FER , Grundrechte in der Schweiz, 4. Aufl., Bern 2008, S. 238 f.). Grundsätzlich dürfen die Wohnverhältnisse eines Elternteils, welcher Sozialhilfe empfängt, das Besuchsrecht nicht verunmöglichen. Die Beurteilung hat jeweils unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu erfolgen (vgl. VGE VI/31 vom 1. Juni 2010 [WBE.2009.413]; IV/75 vom 23. Oktober 2009 [WBE.2009.174]). Nachdem der Wohnungswechsel in eine zu teure Wohnung im Wis- sen darüber erfolgte, ist das Begehren, die Differenz zwischen über- nommenen und geschuldeten Wohnungskosten sei durch die Ge- meinde (teilweise) zu tragen, widersprüchlich. Der Beschwerdefüh- rer hat sich zudem um eine geeignete, angemessene Wohnung bis jetzt zu wenig bemüht. Vor diesem Hintergrund verschafft das ver- fassungsmässige Recht auf Achtung des Familienlebens dem Be- schwerdeführer keinen Anspruch auf Übernahme zusätzlicher Woh- nungskosten.
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2018 Einbürgerung 277 VIII. Einbürgerung 27 Einbürgerung Frage, wann eine straffällig gewordene Bürgerrechtsbewerberin ein Ein- bürgerungsgesuch stellen kann Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 28. März 2018, in Sachen B. gegen Einbürgerungskommission des Grossen Rats (WBE.2017.437). Aus den Erwägungen 3. 3.1. Vorliegend ist nicht streitig, dass die Beschwerdeführerin nach den Vorschriften des KBüG in Verbindung mit jenen des Bundes- gesetzes über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts vom 29. September 1952 (aBüG) die Wohnsitzerfordernisse erfüllt und mit den Lebensverhältnissen in der Schweiz, im Kanton Aargau und in ihrer Wohnsitzgemeinde vertraut ist, über ausreichende sprach- liche sowie staatsbürgerliche Kenntnisse verfügt und am Wirtschafts- leben teilnimmt (vgl. § 5 Abs. 1 lit. a, b und e KBüG; Art. 14 lit. a und b aBüG). Materiell-rechtlicher Gegenstand der Beschwerde ist allein, ob und für wie lange das Kriterium der Beachtung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (§ 5 Abs. 1 lit. d und § 8 KBüG; Art. 14 lit. c aBüG; vgl. auch Art. 12 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes über das Schweizer Bürgerrecht [BüG] vom 20. Juni 2014) der Einbürgerung der Beschwerdeführerin im Weg steht, nachdem sie mit Strafbefehl vom 9. März 2017 wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt wurde. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob der Beschwerdeführerin - zum jetzigen Zeitpunkt - das Kantonsbürgerrecht zuzusichern ist, 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 278 obwohl ihr Strafregisterauszug eine bedingte Geldstrafe wegen eines Vergehens aufweist und die Probezeit für diese Strafe noch nicht ab- gelaufen ist (Hauptantrag). Sollte dies zu verneinen sein, wäre in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob das Einbürgerungsverfahren zu sistieren ist, bis die genannte Verurteilung der Einbürgerung der Be- schwerdeführerin nicht länger im Weg steht (Eventualantrag). 3.2. Die Vorinstanz hält im angefochtenen Entscheid respektive in ihrer Beschwerdeantwort fest, die Beschwerdeführerin erfülle die Einbürgerungsvoraussetzung der Beachtung der öffentlichen Sicher- heit und Ordnung klar nicht. Dies zumal ihr Strafregisterauszug eine bedingte Geldstrafe von 40 Tagessätzen wegen einer groben Ver- kehrsregelverletzung (Art. 90 Abs. 2 SVG), mithin wegen eines Vergehens, aufweise und die damit verbundene Probezeit noch nicht abgelaufen sei. Gemäss § 8 Abs. 5 KBüG sei eine Einbürgerung un- ter diesen Umständen frühestens nach Ablauf der strafrechtlichen Probezeit sowie einer zusätzlichen Wartefrist von zwei Jahren mög- lich. Vorliegend dauere die strafrechtliche Probezeit noch bis 9. März 2019 an. Dementsprechend gelte für die Beschwerdeführerin insge- samt eine Wartefrist bis 9. März 2021. Zu diesem Zeitpunkt könne sie bei ihrer Gemeinde ein neues Gesuch einreichen und das Einbürgerungsverfahren von vorne beginnen. Bei der zusätzlichen zweijährigen Wartefrist nach Ablauf der strafrechtlichen Probezeit handle es sich um eine absolut geltende Voraussetzung; für eine Ein- bürgerung gestützt auf § 8 Abs. 5 KBüG bestehe vor Ablauf dieser Frist kein Spielraum. Das Einbürgerungsverfahren zu sistieren, bis die Beschwerdeführerin die Einbürgerungsvoraussetzungen (wieder) erfülle, sei aufgrund der langen Gesamtrestdauer der strafrechtlichen Probezeit und der zusätzlichen Wartefrist im Sinn von § 8 Abs. 5 KBüG nicht angezeigt. 3.3. Die Beschwerdeführerin bringt dagegen sinngemäss vor, in ihrem Fall seien besondere Umstände gegeben, welche es rechtfertig- ten, ihr trotz der Verurteilung mit Strafbefehl vom 9. März 2017 be- reits zum jetzigen Zeitpunkt das Kantonsbürgerrecht zu erteilen bzw. zuzusichern. Zumindest sei aber das Einbürgerungsverfahren zu 2018 Einbürgerung 279 sistieren, bis die genannte Verurteilung ihrer Einbürgerung nicht mehr entgegenstehe. Dies, damit sie nicht das gesamte Verfahren er- neut durchlaufen müsse, obwohl sie alle übrigen Einbürgerungs- voraussetzungen zweifelsfrei erfülle. 4. 4.1. Für Bürgerrechtsbewerber, die zu einer bedingten Strafe wegen eines Vergehens verurteilt worden sind, beurteilt sich das Einbürge- rungskriterium der Beachtung der öffentlichen Sicherheit und Ord- nung nicht wie bei unbedingten Strafen nach § 8 Abs. 2 und 3 KBüG, sondern nach der Sondernorm des § 8 Abs. 5 KBüG. Diese Be- stimmung regelt - positiv - die Voraussetzungen, unter denen das Erfordernis der Beachtung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nach der Verurteilung zu einer bedingten Strafe wegen eines Ver- gehens (wieder) als eingehalten gilt; nämlich wenn erstens der Strafregisterauszug für Privatpersonen keinen Eintrag (mehr) enthält, was nach beanstandungslosem Ablauf der strafrechtlichen Probezeit der Fall ist (Art. 371 Abs. 3bis StGB), und zweitens die strafrechtliche Probezeit zwei Jahre vor Einreichung des Einbürgerungsgesuchs ab- gelaufen ist. 4.2. Vorliegend fällt die Erteilung bzw. die Zusicherung des Kantonsbürgerrechts an die Beschwerdeführerin gestützt auf § 8 Abs. 5 KBüG zum jetzigen Zeitpunkt ausser Betracht. Dies zumal die strafrechtliche Probezeit für die bedingte Geldstrafe, zu welcher sie wegen eines Vergehens verurteilt wurde, noch nicht abgelaufen ist. Damit steht fest, dass die Beschwerdeführerin das Einbür- gerungserfordernis der Beachtung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (§ 5 Abs. 1 lit. d i.V.m. § 8 KBüG; Art. 14 lit. c aBüG) zum jetzigen Zeitpunkt nicht erfüllt. 4.3. Anzumerken bleibt, dass die Vorinstanz fehlgeht, wenn sie an- nimmt, § 8 Abs. 5 KBüG belasse ihr keinen Spielraum in der Frage, wie lange die Beschwerdeführerin von der Möglichkeit der Ein- bürgerung ausgeschlossen sei. Eine solche Auslegung von § 8 Abs. 5 KBüG könnte im Einzelfall zu Ergebnissen führen, die den bundes- 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 280 rechtlich gezogenen Rahmen sprengen und die Einbürgerung über- mässig erschweren würden (Art. 38 Abs. 2 BV, Art. 14 aBüG; siehe vorne Erw. 2.2; vgl. so auch schon Urteil des Verwaltungsgerichts vom 12. Mai 2015 [WBE.2015.25] Erw. II/5.1). Auch mit Blick auf das Gebot der Verhältnismässigkeit (Art. 5 Abs. 2 BV) verbietet es sich, die Erfordernisse von § 8 Abs. 5 KBüG als absolute Be- dingungen auszulegen. Entsprechend dem Bewährungsgedanken der kantonalen Norm steht Personen, die zu einer bedingten Strafe wegen eines Vergehens verurteilt wurden, die Einbürgerung gestützt auf § 8 Abs. 5 KBüG in jedem Fall erst nach Ablauf der strafrechtlichen Probezeit sowie einer zusätzlichen Wartefrist offen. Bei der Bemessung der konkreten Dauer der zusätzlichen Wartefrist von bis zu zwei Jahren sind die Behörden nach ver- fassungskonformer Auslegung von § 8 Abs. 5 KBüG jedoch ver- pflichtet, die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (vgl. Ur- teile des Verwaltungsgerichts vom 25. April 2014 [WBE.2014.20] Erw. II/5 und vom 12. Mai 2015 [WBE.2015.25] Erw. II/4.4 und 4.5). Die zulässige Länge der zusätzlichen Wartefrist muss sich insbesondere nach der Schwere des Delikts und dem konkreten Ver- schulden der Bürgerrechtsbewerberin bzw. des Bürgerrechtsbewer- bers richten und nicht nach fixen Fristen. Dementsprechend ist - ge- rade bei Massendelikten wie Vergehen im Strassenverkehr, bei denen häufig das Verschulden nicht besonders schwer wiegt, und die regel- mässig im Strafbefehlsverfahren erledigt werden - vorstellbar, dass die genannte Frist von zwei Jahren in § 8 Abs. 5 KBüG im Einzelfall nicht mehr verhältnismässig ist (vgl. auch die [neurechtliche] Rege- lung in Art. 4 Abs. 3 der Verordnung über das Schweizer Bürgerrecht (BüV) vom 17. Juni 2016 betr. Erteilung der eidgenössischen Einbür- gerungsbewilligung an Bewerber, die zu einer bedingten Strafe verurteilt wurden. Diese Norm ist bewusst offen formuliert und lässt Raum für eine verhältnismässige Handhabung. Der erläuternde Bericht, Entwurf zur Verordnung zum Bürgerrechtsgesetz, April 2016, S. 13 und das vom SEM herausgegebene Handbuch Bür- gerrecht für Gesuche ab 1.1.2018, Kapitel 3, S. 35 gehen zwar für bedingte oder teilbedingte Geldstrafen von mehr als 30 und weniger 2018 Einbürgerung 281 als 90 Tagessätzen von einer generellen Wartefrist von drei Jahren aus. Eine solche generelle Wartefrist dürfte kaum den verfassungs- rechtlichen Vorgaben insbesondere des Verhältnismässigkeitsprinzips genügen). Vorliegend erübrigt es sich derweil zu prüfen, nach welcher konkreten zusätzlichen Wartefrist die Beschwerdeführerin bei verfas- sungskonformer Auslegung von § 8 Abs. 5 KBüG eingebürgert wer- den könnte. Da die strafrechtliche Probezeit gemäss Strafbefehl vom 9. März 2017 noch nicht abgelaufen ist, verweigert ihr der angefoch- tene Entscheid zu Recht die Erteilung bzw. Zusicherung des Kantonsbürgerrechts - unabhängig davon, wie eine angemessene zu- sätzliche Wartefrist ausfiele.
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2000 Verwaltungsrechtspflege 347 [...] 80 Reformatio in peius. - Bei Einverständnis des Steuerpflichtigen ist es trotz des Verbots der reformatio in peius im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdever- fahren zulässig, die Veranlagung wegen neuer Tatsachen zu Un- gunsten des Steuerpflichtigen abzuändern, um so ein Nachsteuer- verfahren zu verhindern. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 12. Januar 2000 in Sachen L.R. gegen Entscheid des Steuerrekursgerichts. Aus den Erwägungen 2. Ergibt sich auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel, dass eine rechtskräftige Veranlagung ungenügend ist, wird die zu wenig veranlagte Steuer als Nachsteuer - sowie gegebenenfalls zu- sätzlich eine Strafsteuer - erhoben (§ 175 Abs. 1 StG). Solange die Veranlagung nicht rechtskräftig ist, sind neue Tatsachen auch im Rechtsmittelverfahren noch zu berücksichtigen, und die Veranlagung ist entsprechend abzuändern (Marianne Klöti-Weber, in: Kommentar 2000 Verwaltungsgericht 348 zum Aargauer Steuergesetz, Muri/BE 1991, § 175 N 5). Im ver- waltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren ist allerdings eine reformatio in peius unzulässig (§ 152 Abs. 2 StG; § 43 Abs. 1 VRPG); doch hindert dies nach zutreffender Auffassung (Klöti, a.a.O., § 175 N 6) nicht, auch im Verfahren vor Verwaltungsgericht wegen neuer Tatsachen den angefochtenen Entscheid bei Einver- ständnis der Steuerpflichtigen zu ihren Ungunsten abzuändern, wenn damit ein Nachsteuerverfahren verhindert werden kann. Dieses Einverständnis liegt vor.
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2015 Enteignungsrecht 201 VIII. Enteignungsrecht 30 Formelle Enteignung; Entschädigung bei teilweise überbauten Grund- stücken - Grundsätze zur Bemessung von Entschädigungen bei teilweise über- bauten Grundstücken - Die Praxis des Spezialverwaltungsgerichts, unabhängig von der tat- sächlichen Realisierbarkeit stets den absoluten Landpreis zu bezah- len, wenn vor der Abtretung der Teilflächen eine Ausnützungsreserve vorhanden war, ist rechtsfehlerhaft. Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 8. Juli 2015 in Sachen Kanton Aargau gegen A., B. und C. (WBE.2015.12). Aus den Erwägungen 2. Jeder Baugrund besitzt einen Maximalwert, der als absoluter Landwert bezeichnet wird. Dieser Maximalwert entspricht der vollen wirtschaftlichen Ausnützung, d.h. der gewinnverheissendsten Nut- zungsmöglichkeit, die dem Grundstück innewohnt (VGE III/13 vom 26. März 2010 [WBE.2009.214], S. 7; R UDOLF M ERKER , Der Grundsatz der "vollen Entschädigung" im Enteignungsrecht, Diss., Zürich 1975, S. 16). Sofern bei unüberbauten Grundstücken die Nut- zung nicht in irgendeiner Art und Weise eingeschränkt ist, ist die ge- winnverheissendste Nutzung möglich und der Verkehrswert ent- spricht dem absoluten Landwert (VGE III/13 vom 26. März 2010 [WBE.2009.214], S. 7). Ist ein Grundstück überbaut, so schränkt die bestehende Über- bauung die Nutzungsmöglichkeiten stets in gewisser Weise ein. Während eine gleichartige, aber unüberbaute Parzelle sofort der opti- malen Nutzung zugeführt werden kann, verhindert bei einem über- 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 202 bauten Grundstück die vorhandene Überbauung solange, als mit ih- rem Weiterbestand zu rechnen ist, die Ausschöpfung ungenutzter Ausnützungsreserven. Der Landwert ist also ein relativer, abhängig von Ausnützungsgrad, Alter, Zustand und Ausbaustandard sowie von Lage und Quartieranpassung der bestehenden Bauten (H EINZ H ESS / H EINRICH W EIBEL , Das Enteignungsrecht des Bundes, Kommentar zum Bundesgesetz über die Enteignung, zu den verfassungsrechtli- chen Grundlagen und zur Spezialgesetzgebung des Bundes, Band I, Bern 1986, Art. 19 Rz. 99). Der der bestehenden Situation angepass- te, verminderte Bodenwert wird als relativer Landwert bezeichnet (VGE II/9 vom 27. Januar 2006 [WBE.2003.34], S. 13; AGVE 1998, S. 217 f.; H ESS /W EIBEL , a.a.O., Art. 19 N 99). 3. 3.1. Gemäss der Praxis der Vorinstanz ist stets der volle, absolute Landpreis zu bezahlen, wenn vor der Abtretung der Teilflächen eine Ausnützungsreserve vorhanden war. In diesem Zusammenhang ver- zichtet die Vorinstanz offenbar regelmässig auf die Prüfung, ob und wie diese Restausnutzung tatsächlich realisiert werden kann. Ergän- zend wurde im angefochtenen Entscheid ausgeführt: "Diese Linie wird seit der einschlägigen, gerichtsinternen Grundsatz- diskussion anlässlich einer Verhandlung vom 26. Mai 2009 lückenlos verfolgt und hat sich in der Praxis bewährt. Es ist dem Gericht be- wusst, dass die darin liegende Schematisierung im Ergebnis der rechts- theoretisch eigentlich angebrachten, individuellen Doppelschätzung (vor und nach dem Eingriff) durch einen Gutachter unterlegen sein mag. Anderseits erlaubt das Vorgehen gerade bei nicht allzu schwer- wiegenden Eingriffen, wie hier, eine klare, ohne unverhältnismässigen Aufwand zu ziehende Abgrenzung zwischen absolutem und relativem Landwert, welche im Übrigen auch die Kompetenzaufteilung des aar- gauischen Rechts respektiert (...) Der konkrete Nachteil der Methode, dass in einem Einzelfall eine Ausnützungsreserve allenfalls gar nie ge- nutzt wird bzw. vielleicht nicht einmal genutzt werden kann, wiegt bei übersichtlichen Verhältnissen deren praktischen Vorteile in der Rechts- anwendung in keiner Weise auf und ist daher hinzunehmen. Selbstver- ständlich steht es dem Enteigner aber immer offen, für einen konkreten 2015 Enteignungsrecht 203 Fall mit geeigneten Mitteln (z.B. Überbauungsstudien) den Beweis zu erbringen, dass eine theoretisch bestehende Ausnützungsreserve tat- sächlich eben nicht zu realisieren ist. (...)" In Bezug auf die beiden Grundstücke der Beschwerdegegner hielt die Vorinstanz fest, die Parzelle Nr. 935 verfüge über eine zuläs- sige Ausnützung von rund 225 m 2 , die Parzelle Nr. 937 über eine sol- che von rund 234 m 2 . Mit der bestehenden Überbauung (auf den Grundstücken steht je ein Einfamilienhaus; diese sind auf der ge- meinsamen Parzellengrenze zusammengebaut) seien je 218 m 2 kon- sumiert. Beide Grundstücke würden demzufolge über Nutzungsre- serven verfügen, weshalb praxisgemäss der absolute Landwert zu entschädigen sei. Hinzu komme, dass den Beschwerdegegnern die beiden anstossenden Parzellen Nrn. 944 und 945 gehören würden. Die Ausnützung dieser sich in einer Spezialzone befindenden Grund- stücke sei gemäss der Praxis der Gemeinde D. an die Ausnützung der "Stammparzellen" Nrn. 935 und 937 anzurechnen. Die Nutzungsre- serven würden sich danach nochmals um je 113 m 2 vergrössern. Dies rechtfertige umso mehr eine Entschädigung in der Höhe des absoluten Landwerts. Der absolute Landwert wurde in der Folge gestützt auf die statistische Methode, d.h. durch Vergleich mit Land- verkäufen in D. sowie den umliegenden Gemeinden, ermittelt. 3.2. (...) 4. (...) 5. 5.1. Die beiden Grundstücke der Beschwerdegegner sind überbaut. Die enteigneten Teilflächen sind aufgrund ihrer Grösse (18 m 2 und 19 m 2 ) nicht für eine separate Verwendung geeignet; eine freihändige Veräusserung wäre demzufolge nicht möglich. Grundsätzlich ist da- her der relative und nicht der absolute Landwert zu vergüten (H ESS /W EIBEL , a.a.O., Art. 19 N 104; vgl. vorne Erw. 2). 5.2. Wo hohe Baulandpreise gelten und diese massgeblich durch die bestmögliche bauliche Ausnützung bestimmt werden, richtet sich der Wert der Teilfläche vorwiegend nach deren Einfluss auf die Überbau- ung des Grundstücks. Ein Teil, ohne den der Eigentümer nicht, nicht 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 204 zweckmässig oder nur mit geringerem Volumen bauen kann, ist ein hochwertiger Flächenabschnitt; ein Teil, der abgetrennt werden kann, ohne die bauliche Ausnützung zu beeinflussen, ist demgegenüber ein minderwertiger Flächenabschnitt (Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 7. November 1972, publiziert in: ZBl 74/1973, S. 332; H ESS /W EIBEL , a.a.O., Art. 19 N 106). Bei der Prüfung, welchen Einfluss der abgetrennte Parzellenteil auf die (weitere) Überbauung des restlichen Grundstücks hat, er- scheint es unumgänglich zu berücksichtigen, ob letzteres bereits überbaut ist oder nicht. Eine bestehende Überbauung steht in der Re- gel der schnellen Realisierung einer allenfalls noch vorhandenen Ausnützungsreserve bzw. der optimalen wirtschaftlichen Ausnützung entgegen (vgl. vorne Erw. 2). Gestützt auf diese Überlegung erweist es sich als nicht statthaft, bei der Enteignung der Teilfläche eines überbauten Grundstücks pauschal den absoluten Landwert zu entschädigen. 5.3. In Bezug auf die umstrittenen Grundstücke war vor der Abtre- tung der Teilflächen eine Ausnützungsreserve vorhanden. Entspre- chend der Praxis der Vorinstanz wurde daher die Entschädigung an- hand des absoluten Landwerts berechnet. Der Umstand, dass die Grundstücke der Beschwerdegegner bereits überbaut waren (die Häuser sind rund 20-jährig und damit unbestrittenermassen keine Abbruchobjekte), wurde dabei gänzlich ausser Acht gelassen. Ebenso wenig wurde geprüft, ob und gegebenenfalls in welchem Zeitrahmen trotz der bestehenden Überbauung die Ausnützungsreserve effektiv hätte realisiert werden können. Damit erweist sich das Vorgehen der Vorinstanz grundsätzlich als fehlerhaft. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass die Be- schwerdegegner selber ausdrücklich anerkennen, dass eine optimale Ausnützung ihrer Grundstücke ohnehin kaum realisierbar ist bzw. sich mit der umstrittenen Abtretung keine Benachteiligung im Hin- blick auf mögliche bauliche Erweiterungen ergibt. Zumindest unter Berücksichtigung dessen, dass offenbar ein Transfer der Ausnützung von den angrenzenden, in der Spezialzone "E." gelegenen Grund- stücken möglich ist, erscheint diese Aussage durchaus plausibel. 2015 Enteignungsrecht 205 Inwiefern die Berücksichtigung des Umstandes, dass kaum eine opti- male Ausnützung erreicht werden kann, auf eine aufsichtsweise Überprüfung der kommunalen Bau- und Nutzungsordnung bzw. de- ren Anwendung hinauslaufen soll, ist nicht nachvollziehbar. 5.4. Die Argumentation der Vorinstanz, dank ihrer Praxis könne ein unverhältnismässiger Aufwand vermieden werden, geht davon aus, dass als Alternative einzig eine individuelle Doppelschätzung (vor und nach dem Eingriff) durch einen Gutachter in Frage kommt. Dies ist indessen, wie der Verweis des Beschwerdeführers auf die Recht- sprechung des Bundesgerichts sowie des zürcherischen Verwaltungs- gerichts zeigt, nicht der Fall (Urteile des Bundesgerichts vom 27. August 2013 [1C_339/2013], Erw. 2.4, vom 14. Dezember 2009 [1C_361/2009], Erw. 3, vom 29. Juni 2000 [1P.743/1999], Erw. 4; Entscheide des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 16. Januar 2014 [VR.2013.00005], vom 25. November 2010 [VR.2010.00003] und vom 20. Mai 2009 [VR.2008.00003]). In den entsprechenden Fällen wurde zunächst anhand der statistischen Me- thode der absolute Landwert ermittelt; anschliessend wurde - namentlich nach der Bedeutung der enteigneten Teilfläche in Bezug auf das Restgrundstück - der "Einschlag" bestimmt, um den der absolute Landwert reduziert wurde. Es gibt mithin nebst der individuellen Doppelschätzung durch einen Gutachter sehr wohl Methoden, welche es erlauben, rechtlich korrekt und mit vertretbarem Aufwand die Entschädigung für die Enteignung von Teilflächen überbauten Landes festzulegen. Die von der Vorinstanz verfolgte Praxis, die bestehende Überbauung eines Grundstücks und die damit verbundene Verminderung des Landwerts gänzlich unberücksichtigt zu lassen, bildet demgegenüber keine taugliche Alternative und lässt sich auch nicht mit dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit rechtfertigen. Die gewählte Schematisierung, welche lediglich auf die vorhandene Ausnützungsreserve abstellt und eine allfällige Einschränkung der optimalen Ausnützung aufgrund ei- ner bestehenden Überbauung a priori ausser Acht lässt, erweist sich als zu undifferenziert. Dabei kann verwiesen werden auf die Aussage im angefochtenen Entscheid, wonach erhebliche, klar wahrnehm- 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 206 und begründbare Wertdifferenzen tatsächlicher oder rechtlicher Art berücksichtigt werden und in entsprechenden, sachlich nachvoll- ziehbaren Abstufungen zum Ausdruck kommen müssen. Dieser Vor- gabe wurde im konkreten Fall nicht Genüge getan. Nicht stichhaltig ist in diesem Zusammenhang der Hinweis der Vorinstanz auf die Rechtsprechung betreffend die Erhebung von Er- schliessungsabgaben. Tatsächlich geht es bei den Erschliessungs- abgaben nicht darum, einen bestimmten Wert zu schätzen, sondern darum, die Gesamtkosten einer Erschliessungsanlage auf die betrof- fenen Grundeigentümer zu verlegen. Das Kriterium des Sonder- vorteils bildet dabei (anders als die Entschädigung für eine Enteig- nung) keine absolute Grösse; vielmehr geht es primär um die Rela- tionen, wer aus der Erschliessungsanlage mehr oder weniger Vorteile ziehen kann. Die Bestimmung dieser Relationen kann letztlich nicht mit der Festlegung einer "vollen Entschädigung" verglichen werden. 6. Aufgrund der festgestellten Mängel erscheint es angezeigt, in Gutheissung der Beschwerde den angefochtenen Entscheid aufzuhe- ben und das Verfahren an die Vorinstanz zurückzuweisen. Es obliegt ihr, nach Massgabe der vorstehenden Erwägungen die Entschädigung für die Enteignung der beiden Teilflächen neu festzulegen. Dabei ist dem Umstand, dass die entsprechenden Grundstücke bereits überbaut sind, gebührend Rechnung zu tragen. Ebenso sind weitere massgebli- che Gesichtspunkte zu berücksichtigen, insbesondere dass - soweit erkennbar - den Teilflächen keinerlei Erholungsfunktion zukommt. Entsprechend den obigen Ausführungen wird die Vorinstanz nicht umhin kommen, ihre bisherige Rechtsprechung grundsätzlich zu revidieren. Gleichzeitig wird sie auch die Praxis überdenken müs- sen, bei fehlenden Ausnützungsreserven generell 50 % des absoluten Landwerts zuzusprechen. (...)
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2017 Strassenverkehrsrecht 71 I. Strassenverkehrsrecht 10 Mitberücksichtigung der Wertungen des Kaskadensystems bei gleichzeitiger Beurteilung mehrerer Widerhandlungen Sind mehrere Entzugsgründe durch eine oder mehrere Handlungen ver- wirklicht, sind die Konkurrenzbestimmungen nach Art. 49 StGB sinnge- mäss anwendbar. Sind mehrere Widerhandlungen gleichzeitig zu beurtei- len, so fällt die betroffene Person - mangels Vorliegens eines Rückfalls innert der Bewährungsfrist - nicht unter die Kaskade. Dadurch ist aller- dings nicht ausgeschlossen, dass bei der Bemessung der Massnahmedauer auch die Wertungen des Gesetzgebers, die zum Kaskadensystem führten, mitberücksichtigt werden. Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 5. April 2017, i.S. B. gegen das Strassenverkehrsamt des Kantons Aargau und das Departement Volkswirtschaft und Inneres (WBE.2016.472) Aus den Erwägungen II. 11. 11.1. Zu prüfen bleibt somit, ob die Vorinstanz zu Recht davon aus- ging, dass die zu beurteilenden Sachverhalte eine Aberkennung des (ausländischen) Führerausweises im verfügten Umfang zur Folge haben. 11.2. Gemäss Art. 16 Abs. 3 SVG sind bei der Festsetzung der Dauer des Führerausweisentzugs die Umstände des Einzelfalles zu berück- sichtigen, namentlich die Gefährdung der Verkehrssicherheit, das Verschulden, der Leumund als Motorfahrzeugführer sowie die beruf- liche Notwendigkeit, ein Motorfahrzeug zu führen. Die Mindest- 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 72 entzugsdauer darf jedoch nicht unterschritten werden; dies gilt nach der Rechtsprechung auch bei Berufschauffeuren (BGE 132 II 234, Erw. 2.3). In jedem Einzelfall ist jedoch zu prüfen, welche Entzugs- dauer unter Würdigung sämtlicher Umstände des Falles als angemes- sen erscheint (AGVE 1989, S. 150 f; BGE 105 Ib 205, Erw. 2a). Sind - wie hier - mehrere Entzugsgründe durch eine oder mehrere Handlungen verwirklicht, sind die Konkurrenzbestimmun- gen nach Art. 49 StGB sinngemäss anwendbar. Die Dauer für die schwerste Administrativmassnahme ist angemessen zu erhöhen (BGE 122 II 180, Erw. 5b). Der Grund für dieses Vorgehen besteht darin, dass das Strafübel mit zunehmender Dauer nicht linear, son- dern progressiv wächst. Aus diesem Grund werden nicht die einzel- nen Strafen kumuliert (vgl. J ÜRG -B EAT A CKERMANN , in: M ARCEL A LEXANDER N IGGLI /H ANS W IPRÄCHTIGER [Hrsg.], Strafrecht I, 3. Aufl., Basel 2013, Art. 49 N 7 ff.). Mit dem Handlungsprogramm "Via sicura" hingegen sollten Fahrzeugführerinnen und Fahrzeugfüh- rer, die innert bestimmter Fristen wiederholt verkehrsgefährdende Widerhandlungen begehen, härter angefasst werden. Es wurden ge- samtschweizerisch einheitliche Mindesttarife für die Anordnung von Administrativmassnahmen festgelegt, die für den Widerholungsfall stufenweise verschärft werden und bis zu einem unbefristeten Führerausweisentzug führen (sog. Kaskadensystem; vgl. BBl 1999 IV 4464). Sind nun mehrere Widerhandlungen gleichzeitig zu beurteilen, so fällt die betroffene Person - mangels Vorliegens eines Rückfalls innert der Bewährungsfrist - nicht unter die Kaskade. Dadurch ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass bei der Bemessung der Mass- nahmedauer auch die Wertungen des Gesetzgebers, die zum Kaskadensystem führten, mitberücksichtigt werden (vgl. C ÉDRIC M IZEL , Droit et pratique illustrée du retrait du permis de conduire, Bern 2015, S. 548 und insbesondere das in Fn. 2663 auszugsweise wieder gegebene Urteil des Bundesgerichts vom 16. November 2001 [6A.95/2001], Erw. 1c/bb f.).
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2002 Disziplinarrecht (Anwälte, Notare) 373 [...] 88 Vorübergehende Einstellung im Beruf als Notar. - Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts (Erw. I). - Keine Verjährung der Disziplinarsanktionen gegen Notare (Erw. II/1). - Eine befristete Einstellung im Beruf ist gerechtfertigt bei wider- sprüchlicher Vertragsgestaltung mit teilweise unwahren Angaben so- wie massiver Verletzung der Aufklärungspflicht anlässlich der Beur- kundung eines Grundstückkaufvertrags, jedenfalls wenn dadurch ei- ner Vertragspartei grosser Schaden entstehen könnte (Erw. II/ 3-6). - Bei einer vorübergehenden Einstellung im Beruf ist die Publikation im Amtsblatt (§ 45 Abs. 1 NO) unverhältnismässig (Erw. II/7). 2002 Verwaltungsgericht 374 Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 11. Dezember 2002 in Sachen Notar X. gegen Entscheid des Regierungsrats. Aus den Erwägungen I/1. Die Notariatsordnung, ein Dekret des Grossen Rates (§ 78 Abs. 2 KV), regelt die Zuständigkeit des Regierungsrats zur Ausfäl- lung von Disziplinarstrafen und -massnahmen (§ 43 NO), nicht aber allfällige Rechtsmittel gegen dessen Entscheide. 2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts fallen der Entzug des Patentes und die vorübergehende Einstellung im Beruf als Disziplinarstrafen gegenüber Notaren nicht unter § 52 Ziff. 8 VRPG (Beschwerden betreffend Entzug oder Änderung einer Bewil- ligung), sondern als disziplinarische Verfügung gegenüber einem öffentlichen Beamten unter § 55 VRPG (AGVE 1971, S. 300; Michael Merker, Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege [Kommentar zu den §§ 38-72 VRPG], Diss. Zürich 1998, § 55 N 26). Mit dem am 1. April 2001 in Kraft getretenen Personalgesetz wurde § 55 VRPG aufgehoben (§ 50 Abs. 2 PersG), wobei die Auswirkun- gen bezüglich der nicht dem Personalgesetz unterstehenden Perso- nenkategorien übersehen wurden (vgl. Botschaft des Regierungsrats vom 19. Mai 1999, S. 32 f.). Da auch eine übergangsrechtliche Regelung fehlt, lässt sich die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts zur Beurteilung der vorliegenden Beschwerde nicht auf § 55 VRPG stützen. Gemäss § 52 Ziff. 20 VRPG beurteilt das Verwaltungsgericht Beschwerden gegen letztinstanzliche Entscheide der Verwaltungs- behörden betreffend Anordnungen im Einzelfall, bei denen Art. 6 Ziff. 1 EMRK einen Anspruch auf richterliche Überprüfung gewährt und weder im Kanton noch im Bund eine konventionsgemässe richterliche Prüfung besteht. Disziplinarstrafen, welche die befristete Einstellung in der Berufsausübung oder den Entzug der entspre- chenden Bewilligung zum Inhalt haben, gelten als zivilrechtliche Verfahren im Sinne von Art. 6 EMRK, die Anspruch auf richterliche 2002 Disziplinarrecht (Anwälte, Notare) 375 Überprüfung geben (vgl. BGE 126 I 230 f.; 123 I 88). Da auf Bun- desebene lediglich die staatsrechtliche Beschwerde zur Verfügung steht (vgl. dazu BGE 123 I 90), sind die Voraussetzungen von § 52 Ziff. 20 VRPG gegeben. Auf die Beschwerde ist somit grundsätzlich einzutreten. Dabei überprüft das Verwaltungsgericht die Sachver- haltsfeststellung und die Rechtsanwendung, nicht aber die Handha- bung des Ermessens, ausser bei Ermessensüberschreitung (§ 56 Abs. 1 VRPG). II/1. a) Der Beschwerdeführer macht geltend, Disziplinarsachen unterlägen der Verjährung, selbst wenn sich im aargauischen Recht keine entsprechende Bestimmung finde. Eine fünfjährige Ver- jährungsfrist erscheine adäquat. b) Das Verwaltungsgericht hat demgegenüber festgehalten, im Gegensatz zum Strafrecht gelte im Disziplinarverfahren das Oppor- tunitätsprinzip. Dies erlaube es, stets zu prüfen, ob nach allen Um- ständen eine Sanktion noch nötig und angemessen sei; in diesem Rahmen sei auch der Zeitablauf zu würdigen (AGVE 1971, S. 303; vgl. auch Werner Dubach, Das Disziplinarrecht der freien Berufe, in: ZSR 70/1951, S. 44a ff. mit Hinweisen auf die Praxis des Bundesge- richts). Daraus hat es geschlossen, dass es keiner Verjährungsvor- schriften bedürfe, und darauf hingewiesen, wenn beispielsweise die Aufsichtsbehörde berechtigtermassen den Ausgang eines Strafver- fahrens abwarte, käme es einer ungerechtfertigten Bevorzugung gleich, wenn danach die Verjährung der Ausfällung einer Diszipli- narstrafe entgegenstünde. Dementsprechend wurde eine Disziplinar- sanktion als zulässig erachtet, obwohl seit den letzten Verfehlungen des Notars mehr als sieben Jahre verstrichen waren (AGVE 1971, S. 303). c) In der Zwischenzeit wurde in § 27 AnwG für disziplinarische Verfehlungen von Anwälten eine Verjährungsfrist von fünf Jahren eingeführt, die durch die Einleitung eines Disziplinarverfahrens un- terbrochen wird und die während eines Straf- oder Zivilprozesses, der sich auf den gleichen Tatbestand bezieht, ruht. Nach dem auf eidgenössischer Ebene neu eingeführten Bundesgesetz über die Frei- zügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (BGFA; SR 935.61) vom 23. Juni 2000 beträgt die relative Verjährungsfrist ein Jahr und wird 2002 Verwaltungsgericht 376 durch jede Untersuchungshandlung der Aufsichtsbehörde unterbro- chen; die absolute Verjährungsfrist endet zehn Jahre nach dem beanstandeten Vorfall. Stellt die Verletzung der Berufsregeln gleich- zeitig eine strafbare Handlung dar, so gilt die vom Strafrecht dafür vorgesehene längere Verjährungsfrist (Art. 19 BGFA). Diese Regelungen haben aber keine direkten Auswirkungen auf die Auslegung der NO. Wenn die NO keine Verjährungsbestim- mungen enthält, so nicht, weil die Regelung angeblich vergessen wurde, sondern weil man beim Erlass Verjährungsbestimmungen für unnötig bzw. unangemessen hielt (vgl. Dubach, a.a.O.). Die letzte Änderung der NO (betreffend § 46 ff.) erfolgte mit Dekret vom 16. März 1993, also lange nach Erlass des Anwaltsgesetzes. Dass damals keine Verjährungsbestimmungen aufgenommen wurden, ist ein Entscheid des Gesetz- bzw. Dekretsgebers, der nur dann umge- stossen werden könnte, wenn höheres Recht zwingend die Einfüh- rung der Verjährung erforderte (vgl. auch Benno Georg Frey, Notari- atsrecht im Kanton Aargau, Diss. Freiburg 1992, S. 165, der eine Änderung mittels Gesetzesrevision befürwortet). Dies ist indessen nicht der Fall. § 78a VRPG regelt einzig die Verjährung öffentlich- rechtlicher Forderungen. Gleicherweise bezeichnen Ulrich Häfelin/ Georg Müller (Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 4. Auflage, Zürich 2002), auf die sich der Beschwerdeführer beruft, die Verjährung von verwaltungsrechtlichen Pflichten und Rechten als anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsatz (Rz. 778), allerdings mit Ausnahmen im Bereich der Polizeigüter (Rz. 783), und bei den dis- ziplinarischen Massnahmen erwähnen sie nicht die Verjährung, wohl aber die Verhältnismässigkeit, inkl. Opportunitätsprinzip, die den Verzicht auf die Verhängung einer Disziplinarmassnahme erheischen könne (Rz. 1205). d) Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass keine Verjäh- rung eingetreten ist und somit sämtliche dem angefochtenen Ent- scheid zugrunde liegenden Vorwürfe gegenüber dem Beschwerde- führer materiell zu prüfen sind. 3. a) § 43 Abs. 1 NO sieht Disziplinarstrafen vor gegenüber Notaren, die "den Vorschriften der Notariatsordnung oder gesetzli- chen Bestimmungen" zuwiderhandeln. Damit sind anerkanntermas- 2002 Disziplinarrecht (Anwälte, Notare) 377 sen, über den zu engen Wortlaut hinaus, sowohl Verstösse gegen technische Beurkundungsvorschriften als auch solche gegen die all- gemeinen Berufs- und Standespflichten gemeint, wobei es sich bei beiden Kategorien neben geschriebenem auch um ungeschriebenes Recht handeln kann; zu beachten sind insbesondere auch die Stan- desregeln der Berufsorganisation (vorliegend die Standesregeln der Aargauischen Notariatsgesellschaft vom 21. November 1957/26. Au- gust 1982 [aStR ANG], seither abgelöst durch diejenigen vom 8. De- zember 1998 [StR ANG]), die innerhalb des Berufsbereichs allge- meine Geltung beanspruchen (zum Ganzen vgl. BGE 106 Ia 107; AGVE 1971, S. 301; Christian Brückner, Schweizerisches Beurkun- dungsrecht, Zürich 1993, Rz. 3548 ff.). b) Im Einzelnen geht es namentlich um die folgenden Pflichten, deren Verletzung durch den Beschwerdeführer in Frage steht. aa) Der Notar soll durch angemessenes Befragen den wahren Willen der Parteien erforschen und ihn in der Urkunde vollständig und mit unzweideutigen Worten wiedergeben (§ 30 NO). Er hat eine Ermittlungs- und Prüfungspflicht im Vorverfahren vor dem eigentli- chen Beurkundungsakt (Bundesgericht, in: ZBGR 81/2000, S. 62 [die Ausführungen gelten nicht nur für das konkrete kantonale Recht, sondern allgemein; vgl. Bemerkung der Redaktion, S. 64]; BGE 125 III 135; Brückner, a.a.O., Rz. 1671 ff.). bb) Der Notar ist zur Unparteilichkeit verpflichtet, er hat die Interessen der Beteiligten gleichmässig und unparteiisch zu wahren (Brückner, a.a.O., Rz. 895 ff.). Zur Interessenwahrung gehört auch, dass er die ihm übertragenen Geschäfte innert nützlicher Zeit erledigt (Verwaltungsgericht Bern, in: ZBGR 81/2000, S. 397; Brückner, a.a.O., S. 919). cc) Das Gebot zur Unparteilichkeit schliesst indessen nicht aus, dass dem Notar auch auferlegt ist, die Vertragsparteien, namentlich wenn sie unbeholfen sind, vor Unbedacht zu schützen (Brückner, a.a.O., Rz. 886 ff.). Letzteres geschieht durch Rechtsbelehrung. Deren Umfang richtet sich primär nach den Kenntnissen der Betei- ligten. Soweit es um die Aufklärung über den Inhalt des zu verur- kundenden Rechtsgeschäfts, dessen rechtliche Ausgestaltung und dessen Rechtsfolgen (bei Grundstückgeschäften insbesondere auch 2002 Verwaltungsgericht 378 im Zusammenhang mit dem Grundbuchrecht) geht, ist die Belehrung unverzichtbar (ZBGR 81/2000, S. 62, 398 ff.; Kantonsgericht Graubünden, in: ZBGR 82/2001, S. 288 f.; Brückner, a.a.O., Rz. 1221, 1725 ff.). dd) Der Notar ist für die Richtigkeit der von ihm bezeugten Tat- sachen verantwortlich (§ 5 EG ZGB; vgl. auch § 29 Abs. 1 NO; BGE 125 III 135; Brückner, a.a.O., Rz. 1078 ff.). Seine Wahrheitspflicht erfüllt er, indem er durch pflichtgemässe Sachverhaltsermittlung wahre Informationen schafft (siehe dazu auch vorne Erw. aa) und durch genaue Beurkundung dieser Informationen eine wahre Ur- kunde erstellt (BGE 121 IV 187 ff. = Pra 85/1996, S. 536 ff.; Brück- ner, a.a.O., Rz. 1081). Auf (unübliche) verbleibende Ungewissheiten tatbeständlicher Natur muss er ausdrücklich hinweisen, und er muss auf die Beurkundung verzichten, wenn dadurch ein falscher Schein amtlich geprüfter Gültigkeit entstehen könnte (Brückner, a.a.O., Rz. 1089 ff.). ee) Es gehört zu den Pflichten des Notars, inhaltlich klare und widerspruchsfreie Urkunden zu erstellen. Unklare Formulierungen, selbst wenn die Parteien sie verwenden und gar wünschen, gehören nicht in die Urkunde (§ 30 NO; ZBGR 81/2000, S. 62). ff) Zu den Berufs- und Standesregeln gehört, dass der Notar, allgemein ausgedrückt, bei seiner Tätigkeit die Würde und das Anse- hen des Notariatsstandes wahren soll (Brückner, a.a.O., Rz. 3560 ff.). Konkretisiert wird dies etwa durch die Forderungen (die ihrerseits auch relativ unbestimmt sind), er habe bei seiner Tätigkeit seiner besonderen Vertrauensstellung Rechnung zu tragen, die ihm erteilten Aufträge nach bestem Wissen und Gewissen zu bearbeiten, das Recht, die guten Sitten und Treu und Glauben zu beachten und in seinen Äusserungen sachlich und korrekt zu sein (Art. 2, 3, 5 aStR ANG; Art. 2, 3, 5 StR ANG). Gegenüber seinen Kollegen soll er sich weder herabwürdigend noch unsachlich oder schikanös verhalten (Art. 20 aStR ANG; Art. 16 StR ANG). 5. b) aa) Ziff. II/1 und 2 der Vertragsbestimmungen über die Tilgung des Kaufpreises sind in sich widersprüchlich; es kann nicht ein Kaufpreis von Fr. 380'000.-- durch Übernahme einer Grund- pfandschuld in Höhe von Fr. 430'000.-- bezahlt werden. Im Zusam- 2002 Disziplinarrecht (Anwälte, Notare) 379 menhang mit Ziff. II/3 kann Ziff. II/2 zur Not so interpretiert werden, dass damit die Grundpfandschuld von zurzeit noch nominell und effektiv Fr. 430'000.-- gemeint war. Unsinnig war die in Ziff. II/3 vorgesehene Möglichkeit der Verkäuferin, die Schuldsumme auf weniger als Fr. 380'000.-- zu reduzieren, da dann Ziff. II/2 nicht mehr gestimmt hätte. Eindeutig falsch ist die Aussage in Ziff. II/3, dass die Verkäuferin bei Vertragsunterzeichnung einen Beleg der Grundpfandgläubigerin über die Reduktion der Schuldsumme vor- lege. Der Beschwerdeführer wusste bei der Beurkundung, dass dies nicht zutraf. (...). Statt den fertigen Vertragsentwurf dem aktuellen Sachverhalt anzupassen oder sogar die Beurkundung zu verweigern (siehe dazu hinten Erw. cc), beliess er es jedoch bei der wahrheits- widrigen Formulierung und vertraute auf die Zusicherung der Partei- en, dass alles in Ordnung komme; die gute äusserliche Form des Vertrags war ihm wichtiger als die inhaltliche Genauigkeit und Wi- derspruchsfreiheit. Die Formulierung von Ziff. II widerspricht damit in eklatanter Weise der Wahrheits- und der Klarheitspflicht. bb) Die Umschreibung des Kaufobjekts (Bezeichnung der dazu gehörenden Nebenräume; ausschliessliches Benutzungsrecht be- stimmter Gartenabteile) entsprach nicht der Zuweisung zu den Wohneinheiten gemäss der 1990 erfolgten Begründung des Stock- werkeigentums. Dies war dem Beschwerdeführer bewusst (Ziff. III/4 der Vertragsbestimmungen: "teils entgegen Grundbuchbeschrieb"). Es musste ihm auch klar sein, dass der von ihm beurkundete Vertrag grundbuchlich nicht vollzogen werden würde, bevor die Begründungsurkunde und das Reglement geändert waren; ob die Änderung überhaupt möglich sein würde, hing nicht allein von der Verkäuferin, sondern von sämtlichen Stockwerkeigentümern ab und war deshalb völlig ungewiss. Trotzdem vertraute der Beschwerde- führer auch hier pflichtwidrig auf die Zusicherung, wonach diese Änderung kein Problem sei, und wies die Parteien darauf hin, dass er den Vertrag erst dann dem Grundbuch anmelden werde, wenn die Änderung der Begründungsurkunde und des Reglements tatsächlich erfolgt sei und die entsprechenden Schriftstücke vorlägen. Dieses Vorgehen hängt wohl mit dem anlässlich der Beurkundung vom 12. August 1994 bestehenden Druck zusammen, das Geschäft abzu- 2002 Verwaltungsgericht 380 schliessen, liesse sich aber nur rechtfertigen, wenn der Beschwerde- führer die Parteien genau, konkret und eindringlich über die mögli- chen Folgen dieser Vorgehensweise aufgeklärt hätte (siehe dazu den nachstehenden Absatz). Dies gilt umso mehr, als durch eine entspre- chende Vertragsgestaltung dieser Unsicherheit hätte Rechnung ge- tragen werden können (siehe dazu hinten Erw. cc). Bei der Beteue- rung des Beschwerdeführers, er habe ohnehin davon ausgehen dür- fen, dass das Geschäft klappe, bei der Beurkundung sei nicht klar gewesen, dass Schwierigkeiten bestünden, handelt es sich schliess- lich, um das Bundesgericht zu zitieren, um eine "hypothèse (qui) n'est qu'une spéculation hasardeuse sur des faits futurs" (BGE 121 IV 189). In allererster Linie ging es den Käufern sicher darum, das Ei- gentum an der Wohnung zu erwerben. Der Beschwerdeführer wies die Parteien zwar darauf hin, dass ohne vorgängige Anpassung der Begründungsurkunde und des Reglements der Vertrag beim Grund- buch nicht angemeldet werden könne; er hätte aber keinesfalls blind- lings davon ausgehen dürfen, dass die - in Fragen des Grundstück- kaufs unstreitig nicht bewanderten - Käufer realisierten, dass damit der Eigentumserwerb trotz unterzeichnetem und beurkundetem Ver- trag in der Luft hing. Er machte selber nicht geltend, dass er sie je klar und unmissverständlich auf die grossen Risiken hingewiesen hätte, die sie eingingen (ohne Änderung der Begründungsurkunde und des Reglements - worauf die Käufer keinen Einfluss hatten - kein Grundbucheintrag und damit kein Eigentumserwerb; beim Scheitern der vorgesehenen Änderungen Notwendigkeit, einen neuen Vertrag mit allen damit verbundenen Unsicherheiten zu schliessen). Vielmehr genügte ihm sein "Eindruck", die Käufer seien mit dieser Ungewissheit zufrieden. Gerade wenn für die unerfahrenen Käufer andere, objektiv weniger gewichtige Anliegen im Vordergrund stan- den (Abstellplatz, Wohnungsvorplatz), war es die ureigene Aufgabe des Notars, Klarheit über die ihnen zu wenig bewussten grossen Probleme und Risiken zu schaffen (ZBGR 82/2001, S. 289). cc) Der Schluss im angefochtenen Entscheid, bei dieser Sach- lage hätte der Beschwerdeführer die Parteien gar nicht zur Stipula- tion einladen dürfen, sondern er hätte die Beurkundung verweigern 2002 Disziplinarrecht (Anwälte, Notare) 381 und den Parteien Alternativvorschlage (am ehesten den Abschluss eines Vorvertrags mit Mietvertrag) unterbreiten müssen, ist nicht absolut zwingend. Auf Grund der dem Beschwerdeführer bekannten Tatsachen hätte Ziff. II des Vertrages etwa lauten können: (...) Auf diese Art wäre der Vertrag nicht tatsachenwidrig formuliert gewesen und es hätte sich (verbunden mit der unerlässlichen, eingehenden Erläuterung durch den Notar) sicherstellen lassen, dass sich die Parteien, namentlich die Käufer, in voller Kenntnis des ein- zugehenden Risikos zum Vertragsschluss - oder eben zum Verzicht darauf, allenfalls mit der Aufforderung, der Notar solle einen Alter- nativvorschlag vorlegen - hätten entschliessen können. f) Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Be- schwerdeführer bei der Behandlung des vorliegenden Geschäfts in massiver Weise gegen seine spezifischen Berufspflichten (Wahrheit und Klarheit des stipulierten Vertrags, Rechtsbelehrung zum Schutz der Käufer; Erledigungspflicht) verstossen hat. Sein Verhalten gegen- über den Käufern, namentlich nachdem er die verursachten Schwie- rigkeiten nicht beheben konnte, verstiess erheblich gegen die Forde- rung, bei seiner Tätigkeit die Würde und das Ansehen des Notariats- standes zu wahren, ebenso, in geringerem Mass, sein wenig kollegia- les Verhalten gegenüber dem Anwalt der Käufer. Der Vorwurf der Parteilichkeit hingegen entfällt. Soweit ihm ein Verstoss gegen allge- meine Pflichten im genannten Rahmen vorgeworfen wird, wird das Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage für eine Disziplinierung nicht verletzt (vgl. BGE 108 Ia 319). 6. a) Als Disziplinarstrafen sieht § 43 Abs. 1 NO Verweis, Busse bis Fr. 200.--, vorübergehende Einstellung im Beruf bis auf drei Monate und Patententzug, als Disziplinarmassnahme § 43 Abs. 2 NO den Patententzug wegen Unfähigkeit vor. b) Disziplinarstrafen müssen verhältnismässig sein. Wesentlich sind insbesondere die objektive und subjektive Schwere des Regel- verstosses und der berufliche Leumund. Es darf auch berücksichtigt werden, welche Strafe erforderlich erscheint, um den Fehlbaren voraussichtlich von künftigen Verstössen abzuhalten. c) (...) 2002 Verwaltungsgericht 382 d) Es erstaunt, wie leger und ohne jegliche Selbstzweifel sich der Beschwerdeführer über grundlegende Anforderungen seines Berufs hinweggesetzt hat. Seinen Einlassungen ist klar zu entneh- men, dass er auch sonst in gleicher Weise vorzugehen pflegte. Auch an der Ernsthaftigkeit seiner Beteuerungen, er gehe heute bei der Vertragsgestaltung und im Umgang mit Berufskollegen anders vor, bestehen angesichts der Art und Weise der Beantwortung der ent- sprechenden Frage und seiner übrigen Einlassungen Zweifel. Es ist nicht die Aufgabe des Notars, einfach nett zu den Parteien zu sein, sich bei der Frage, was diese wollen, vorab auf die eigenen Ein- drücke und Gefühle zu verlassen, dabei alles aufzuschreiben, was irgendwem wichtig erscheint (vgl. Eingabe vom 1. Februar 2001, S. 2) und am Schluss auf ein gutes Ende zu hoffen. Die Parteien, die einen Notar aufsuchen, müssen sich vielmehr darauf verlassen kön- nen, dass dieser sie fachlich einwandfrei berät, das beste Vorgehen vorschlägt und sie keinen unnötigen rechtlichen Unklarheiten und Risiken aussetzt. Dass es auch bei prekären Vertragsgestaltungen am Ende meistens gut ausgehen mag, vermag den sorglos arbeitenden Notar in keiner Weise zu entlasten. Dies gilt vorliegend um so mehr, als die Folgen des nicht im Grundbuch eintragungsfähigen Vertrags im Falle eines allfälligen Konkurses der Verkäuferin für die Käufer fatal gewesen wären, da sie als Nichteigentümer für ihre Schuldüber- nahme im Betrag von Fr. 380'000.-- praktisch keinen Gegenwert er- halten hätten. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts hat der Re- gierungsrat nicht ohne Anlass die Frage aufgeworfen, ob der Be- schwerdeführer imstande sei, den anspruchsvollen Beruf eines No- tars auszuüben. Hiervon ausgehend, ist der Regierungsrat nach Auffassung der Mehrheit des Gerichts zu Recht zum Schluss gelangt, die befristete Einstellung in der Berufsausübung für die Dauer von drei Monaten sei verhältnismässig. Nur mit einer solch eindrücklichen Sanktion besteht eine wirkliche Aussicht, dass der Beschwerdeführer in sich geht, sich auf seine Pflichten als Notar besinnt und soweit nötig auch wieder darüber informiert und die ihm vertrauenden Vertragsparteien vor derart grossen finanziellen Risiken, wie sie vorliegend auf den Käufern lasteten, bewahrt. 2002 Disziplinarrecht (Anwälte, Notare) 383 Eine Minderheit des Gerichts erblickt in dieser höchstzulässigen befristeten Einstellung in der Berufsausübung eine Ermessens- überschreitung mit der Begründung, die Vorinstanz habe der seit den Verfehlungen des Beschwerdeführers verstrichenen Zeit von mitt- lerweile über acht Jahren seit den ersten, vor allem ins Gewicht fal- lenden Verfehlungen zu Unrecht keine Rechnung getragen und sach- fremd negative Vorfälle ausserhalb dieses Verfahrens und des ersten Disziplinarverfahrens zu dessen Lasten gewertet. Die Minderheit des Gerichts hätte den Beschwerdeführer in Mitberücksichtigung dieser Gründe für die Dauer von einem Monat im Beruf eingestellt. 7. a) Wie jeder Eingriff in ein Freiheitsrecht muss auch die Pu- blikation der befristeten Einstellung im Beruf im Amtsblatt als mög- liche Verletzung der persönlichen Freiheit (Art. 10 Abs. 2, Art. 13 BV; § 15 Abs. 1 und 2 KV) den Voraussetzungen für solche Eingriffe genügen (vgl. dazu Art. 36 BV; BGE 128 I 186; 127 I 18; statt vieler: Ulrich Häfelin/Walter Haller, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 5. Auflage, Zürich 2001, Rz. 302 ff. mit Hinweisen). b) Mit § 45 Abs. 1 NO ist die gesetzliche Grundlage für eine Publikation des befristeten Berufsverbots gegeben; einen derart schweren Eingriff, dass er eines im Gesetzgebungsverfahren erlasse- nen Rechtssatzes, wie er z.B. bei Verhaftungen und Telefonüberwa- chungen notwendig ist, bedürfte (BGE 128 I 186; 125 I 48 f.; Häfe- lin/Haller, a.a.O., Rz. 310), stellt die fragliche Publikation nicht dar. Selbst wenn nicht feststeht, wie häufig und wie intensiv das Amts- blatt gelesen wird, kann der Veröffentlichung im Amtsblatt die Eig- nung, den Teil der Bevölkerung zu schützen, der künftig Notariats- dienste in Anspruch nimmt, nicht grundsätzlich abgesprochen wer- den. Zwar wäre hier mit der Eintragung der verhängten Sanktion in ein öffentliches Register, wie dies mit Art. 5 Abs. 2 lit. e BGFA bei den Rechtsanwälten eingeführt wurde, bei den Notaren jedoch nicht vorgesehen ist, eine zeitgemässere Massnahme denkbar, doch unter- scheidet sich diese in ihren Auswirkungen auf das geschützte Rechtsgut nicht von der Veröffentlichung im Amtsblatt. Dies gilt um so mehr, als auch die Einträge im Anwaltsregister nach der geltenden Regelung im Amtsblatt zu publizieren sind (Art. 6 Abs. 3 BGFA; § 1 lit. a der Vollziehungsverordnung zum Bundesgesetz über die 2002 Verwaltungsgericht 384 Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte [VVBGFA; SAR 291.111] vom 31. Oktober 2001). c) Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die nach § 45 Abs. 2 NO vorgesehene Einziehung von Stempel und Siegel dem Notar die notarielle Tätigkeit faktisch verunmöglicht. Es stellt sich daher die Frage, ob eine zusätzliche Bekanntmachung der Einstellung uner- lässlich ist, um Umgehungsmöglichkeiten (z.B. zeitliche Verzöge- rung des eigentlichen Beurkundungsakts) zu verhindern. Dies trifft nach Meinung des Verwaltungsgerichts nicht zu, zumal die Einstel- lung im Beruf als Notar die blosse Beratungstätigkeit nicht zu ver- hindern vermag. Die offizielle Veröffentlichung von Tatsachen, die allgemein als negativ und herabsetzend gewertet werden, wird weitgehend als "Anprangerung" verstanden (vgl. BGE 107 Ia 57). In der Tat lässt sich nicht ernsthaft bezweifeln, dass die Publikation nachhaltige Aus- wirkungen auf das berufliche Ansehen des betroffenen Notars haben kann, die über die Dauer der zeitlich befristeten Einstellung im Beruf hinausgehen. Ob der Publikation noch weitergehend eine Minderung des persönlichen Ansehens des Beschwerdeführers und damit ver- bunden eine Belastung der Familienangehörigen zuzuschreiben ist, ist dagegen fraglich; eine zeitlich befristete Einstellung im Beruf deutet objektiv nur auf berufliche Fehlleistungen, nicht auf charak- terliche oder persönliche Mängel hin. Doch selbst wenn nur die Auswirkungen auf das berufliche Ansehen in Betracht fallen, ist dem Beschwerdeführer beizupflichten, dass das Mittel der Publikation zur Erreichung des damit verfolgten Zwecks als unverhältnismässig erscheint. Das persönliche Interesse des Betroffenen am Schutz sei- ner Persönlichkeit wiegt bei einer nur vorübergehenden Einstellung im Beruf schwerer als das Bedürfnis des Publikums an der Bekannt- machung von fehlbaren Notaren. Die Publikation dieser Sanktion erweist sich damit als verfassungswidrig.
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2019 Sozialhilfe 169 25 Sozialhilfe; Verhältnis zu Anwartschaften der beruflichen Vorsorge und zur Hilflosenentschädigung von Angehörigen Vor der Fälligkeit des Anspruchs auf Vorsorgeleistungen kann keine Abtretung von Leistungen der beruflichen Vorsorge verlangt werden (Erw. 1.3). Pflegt eine unterstützte Person einen hilflosen Angehörigen, ist ihr die Hilflosenentschädigung in jenem Umfang als Einnahmen anzu- 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 170 rechnen, in dem sie nicht für den Einkauf von externen Dienst- leistungen verwendet wird (Erw. 3). Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 5. November 2019, in Sachen A. gegen Gemeinderat B. und Departement Gesundheit und Soziales (WBE.2019.267). Aus den Erwägungen 1.3. Gemäss § 12 SPG kann materielle Hilfe als Vorschuss im Hin- blick auf entsprechende Leistungen einer Sozialversicherung, einer Privatversicherung, haftpflichtiger Dritter oder anderer Dritter wäh- rend eines Zeitraums gewährt werden (vgl. Abs. 1). Bei einzelnen Sozialversicherungen besteht die Möglichkeit der Direktauszahlung an das bevorschussende Gemeinwesen, ohne dass die Einwilligung der unterstützten und anspruchsberechtigten Person vorliegen muss (vgl. Abs. 2). In den übrigen Fällen bedarf es einer (schriftlichen) Abtretung des Anspruchs an die bevorschussende Gemeinde (vgl. Abs. 3; Botschaft des Regierungsrats des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 30. Juni 1999, SPG, Bericht und Entwurf zur 1. Beratung, 99.226, S. 23; VGE vom 1. Juni 2010 [WBE.2009.408], Erw. II/3.1). Im Bereich der beruflichen Vorsorge gilt Folgendes: Gemäss Art. 39 Abs. 1 BVG kann der Leistungsanspruch vor Fälligkeit grundsätzlich weder verpfändet noch abgetreten werden. Diese Ge- setzesbestimmung bezieht sich kraft Art. 17 FZV auch auf die Frei- zügigkeitsfälle (Urteil des Bundesgerichts vom 7. September 2004 [B 51/03], Erw. 2.2). Rechtsgeschäfte, die diesen Bestimmungen widersprechen, sind nichtig (Art. 39 Abs. 3 BVG). Ansprüche auf Vorsorgeleistungen entstehen erst mit Eintritt des entsprechenden Leistungstatbestandes (z.B. Erreichen des Pensionierungsalters; vgl. BGE 126 V 258, Erw. 3a; ROLF KUHN/MARTIN KERN, Die Verpfän- dung von Vorsorgeguthaben für den Erwerb von Wohneigentum, in: SZS 2017, S. 244). Anwartschaftliche bzw. nicht fällige Leistungsan- 2019 Sozialhilfe 171 sprüche können nicht abgetreten werden. Eine Abtretung im Sinne von § 12 Abs. 3 SPG ist in diesen Fällen somit nicht möglich. 1.4. - 1.5. (...) 2. (...) 3. 3.1. Die Beschwerdeführerin beanstandet schliesslich, dass ihr die Hilflosenentschädigung der Tochter teilweise als Einnahmen ange- rechnet wird (zu einem Drittel bzw. im Betrag von Fr. 391.65). Die Tochter müsse damit externe Leistungserbringer wie die private Spitex bezahlen. Mit der Hilflosenentschädigung würden sämtliche behinderungsbedingt anfallenden Mehrkosten abgedeckt, wozu auch Hilfsmittel und Hygieneartikel zählten. Zu berücksichtigen seien auch spezielle Transportkosten der Ambulanz und Feuerwehr. 3.2. Die Hilflosenentschädigung bezweckt, die mit der Hilflosigkeit verbundenen präsumierten Kosten zu ersetzen. Entschädigt werden die behinderungsbedingt anfallenden Mehrkosten, weshalb der Hilf- losenentschädigung schadenersatzähnlicher Charakter zukommt (vgl. ROBERT ETTLIN, Die Hilflosigkeit als versichertes Risiko in der So- zialversicherung, Diss. Freiburg 1998, S. 332 f.). Im Gegensatz zu Renten oder Taggeldern, die dem allgemeinen Lebensunterhalt die- nen, stellt die Hilflosenentschädigung kein Ersatzeinkommen dar. Die Geldleistung wird im Hinblick auf eine bestimmte Verwendung ausgerichtet und ist in diesem Sinne zweckgebunden. Die Höhe der Entschädigung bemisst sich auf der Grundlage des Prinzips der ab- strakten Bedarfsdeckung (vgl. ETTLIN, a.a.O., S. 333), d.h. un- abhängig von den effektiv entstandenen Kosten nach dem Schwere- grad der Hilflosigkeit (Art. 42 Abs. 2 IVG in Verbindung mit Art. 37 IVV: Schwere, mittelschwere und leichte Hilflosigkeit). Es erfolgt eine pauschalierte Entschädigung der behinderungsbedingten Auf- wendungen (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 25. Februar 2010 [8C_731/2009], Erw. 3.1). 3.3. In der Konstellation, wo eine behinderte, nicht von der Sozial- hilfe unterstützte Person (z.B. volljähriges Kind) von einer materiell 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 172 unterstützten Person (z.B. Mutter) gepflegt wird, ist die Hilflosenent- schädigung in jenem Umfang als Einnahmen anzurechnen, in dem sie nicht für den Einkauf von externen Dienstleistungen verwendet wird (GUIDO WIZENT, Die sozialhilferechtliche Bedürftigkeit, Zürich/St. Gallen 2014, S. 429; HEINRICH DUBACHER/BERNADETTE VON DESCHWANDEN, Wie berücksichtigt man die Hilflosenentschä- digung?, in: ZESO 2/2006, S. 16). Entgegen der Vorinstanz ist dabei unbeachtlich, in welchem Verhältnis die externen Dienstleistungen zu den selbst erbrachten Leistungen stehen bzw. wie viele Kosten dadurch eingespart werden, dass die Beschwerdeführerin Pflege- und Betreuungsleistungen selbst erbringt. Massgebend für die Anrechnung als Einkünfte ist al- lein, in welchem Umfang die Hilflosenentschädigung die Kosten der externen Leistungen überschreitet.
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2014 Migrationsrecht 131 23 Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung an vorläufig Aufgenommene; schwerwiegender persönlicher Härtefall - Bei der Beurteilung, ob bei einer vorläufig aufgenommenen Person ein schwerwiegender persönlicher Härtefall vorliegt, ist ein besonde- res Augenmerk auf die Frage zu werfen, weshalb die vorläufige Auf- nahme verfügt wurde und ob bzw. wann mit deren Aufhebung 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 132 gerechnet werden kann. Je unwahrscheinlicher die Aufhebung der vorläufigen Aufnahme ist, desto weniger rechtfertigt es sich, die Be- troffenen auf unbestimmte Dauer den rechtlichen Einschränkungen zu unterwerfen, die mit dem Status der vorläufigen Aufnahme ein- hergehen, und umso eher ist von einem schwerwiegenden persönli- chen Härtefall auszugehen (Erw. 3.2.). - Im konkreten Fall ist von einem schwerwiegenden persönlichen Härtefall auszugehen, da nicht anzunehmen ist, dass die Gründe, die zur vorläufigen Aufnahme geführt hatten, in absehbarer Zeit wegfallen würden, womit eine Aufhebung der vorläufigen Aufnahme weder jetzt noch in absehbarer Zeit zur Diskussion steht (Erw. 4.2.). Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 26. September 2014 in Sachen A. gegen das Amt für Migration und Integra- tion (WBE.2012.1036). Sachverhalt (Zusammenfassung) Der Beschwerdeführer stammt aus Afghanistan. Er reiste am 14. Mai 2006 in die Schweiz ein und ersuchte um Asyl. Während des hängigen Asylverfahrens beantragte er am 28. Juni 2011 die Ertei- lung einer Aufenthaltsbewilligung gestützt auf Art. 84 Abs. 5 AuG. Am 27. Juli 2011 wurde er vorläufig aufgenommen. Das MIKA lehnte das Gesuch des Beschwerdeführers um Erteilung einer ordentliche Aufenthaltsbewilligung ab. Die dagegen erhobene Einsprache wurde abgewiesen. Aus den Erwägungen 2. 2.1. Vorliegend geht es um die Erteilung einer Aufenthaltsbewilli- gung im Sinne von Art. 33 AuG an eine Person, die vorläufig aufge- nommen wurde. Das BFM verfügt eine vorläufige Aufnahme, wenn 2014 Migrationsrecht 133 der Vollzug einer angeordneten Wegweisung nicht möglich, nicht zu- lässig oder nicht zumutbar ist und kein Ausschlussgrund vorliegt (Art. 83 Abs. 1 und 7 AuG) und überprüft sodann periodisch, ob die Voraussetzungen für die vorläufige Aufnahme noch gegeben sind. Ist dies nicht der Fall, hebt das BFM die vorläufige Aufnahme auf und ordnet den Vollzug der Wegweisung an (Art. 84 Abs. 1 und 2 AuG). 2.2. Halten sich vorläufig aufgenommene Ausländerinnen und Aus- länder seit mehr als fünf Jahren in der Schweiz auf, sind deren Gesu- che um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vertieft zu prüfen. Dabei sind insbesondere die Integration, die familiären Verhältnisse und die Zumutbarkeit einer Rückkehr in den Herkunftsstaat zu berücksichtigen (Art. 84 Abs. 5 AuG). 2.3. Die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung an vorläufig aufge- nommene Ausländerinnen und Ausländer erfolgt in der Regel in Ab- weichung von den Zulassungsvoraussetzungen gestützt auf Art. 30 Abs. 1 lit. b AuG. Gemäss dieser Bestimmung kann Ausländerinnen oder Ausländern eine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden, um schwerwiegenden persönlichen Härtefällen Rechnung zu tragen. (...) 2.4. (...) 3. 3.1. Nachdem sich der Beschwerdeführer bereits mehr als fünf Jahre in der Schweiz aufhält und vorläufig aufgenommen wurde, ist sein Gesuch um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäss Art. 84 Abs. 5 AuG vertieft zu prüfen. Da weder die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung mit Erwerbstätigkeit (Art. 18 - 26 AuG) noch ohne Erwerbstätigkeit (Art. 27 - 29 AuG) er- füllt sind, steht einzig die Erteilung einer Härtefallbewilligung im Sinne von Art. 30 Abs. 1 lit. b AuG zur Diskussion. 3.2. Bei der Beurteilung, ob ein schwerwiegender persönlicher Härtefall im Sinne von Art. 30 Abs. 1 lit. b AuG vorliegt, sind die Konkretisierungen in Art. 31 VZAE zu beachten. 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 134 Diese Bestimmung umschreibt in allgemeiner Form, dass Ausländerinnen und Ausländer, die ihre Identität offenlegen, bei Vor- liegen eines schwerwiegenden persönlichen Härtefalles eine Aufent- haltsbewilligung erteilt werden kann. Sie bezieht sich gemäss Klam- merverweis im Titel sowohl auf Art. 14 Abs. 2 AsylG als auch auf den Anwendungsbereich des AuG (Art. 30 Abs. 1 lit. b, Art. 50 Abs. 1 lit. b und Art. 84 Abs. 5 AuG). (...) Die [in Art. 31 Abs. 1 VZAE genannten] Kriterien beziehen sich einerseits auf härtefallbegründende Umstände und andererseits auf Aspekte des öffentlichen Interesses, die der Erteilung einer Härtefall- bewilligung entgegenstehen können. Mit Blick auf Art. 30 Abs. 1 lit. b AuG sind zunächst nur die härtefallbegründenden bzw. privaten Interessen massgebend, da vorab zu klären ist, ob ein schwerwiegen- der persönlicher Härtefall vorliegt, der die Erteilung einer Aufent- haltsbewilligung zu rechtfertigen vermag. Liegt ein schwerwiegender persönlicher Härtefall vor, ist die Aufenthaltsbewilligung grund- sätzlich zu erteilen, es sei denn, der Erteilung der Bewilligung stehen Gründe entgegen, die zu einem überwiegenden öffentlichen Interesse an der Bewilligungsverweigerung führen. Die für das Vorliegen eines Härtefalles zu beachtenden Krite- rien stellen weder einen abschliessenden Katalog dar noch müssen sie kumulativ erfüllt sein, damit von einem Härtefall ausgegangen werden kann. Indessen ergibt sich bereits aufgrund der Stellung von Art. 30 Abs. 1 lit. b AuG im Gesetz (unter dem Abschnitt "Abwei- chungen von den Zulassungsvoraussetzungen"), seiner Formulierung und der einschlägigen altrechtlichen Rechtsprechung des Bundesge- richts, dass dieser Bestimmung Ausnahmecharakter zukommt und die Voraussetzungen zur Anerkennung eines Härtefalls restriktiv zu handhaben sind. Die betroffene Person muss sich in einer persönli- chen Notlage befinden. Das bedeutet, dass ihre Lebens- und Existenzbedingungen, gemessen am durchschnittlichen Schicksal von ausländischen Personen, in gesteigertem Mass in Frage gestellt sein müssen bzw. die Verweigerung einer Abweichung von den Zulassungsvoraussetzungen für sie mit schweren Nachteilen verbun- den wäre. Bei der Beurteilung eines Härtefalles müssen sämtliche Umstände des jeweiligen Einzelfalls berücksichtigt werden. (...) 2014 Migrationsrecht 135 Geht es um die Umwandlung einer vorläufigen Aufnahme in eine Härtefallbewilligung, ist gemäss Art. 84 Abs. 5 AuG dem Um- stand, dass sich die betroffene Person bereits seit fünf Jahren in der Schweiz aufhält, besonders Rechnung zu tragen. Zu beachten ist insbesondere, dass eine vorläufige Aufnahme gegenüber einer weggewiesenen Person dann verfügt wird, wenn der Vollzug der Wegweisung in den Herkunfts- oder Heimatstaat nicht möglich, nicht zulässig oder nicht zumutbar ist. Sie basiert auf der Vorstellung, dass ein temporäres Hindernis vorliegt, die Wegweisung zu vollziehen und dass bei Wegfall des Hindernisses die vorläufige Aufnahme aufgehoben und der Vollzug der Wegweisung angeordnet wird. Die vorläufige Aufnahme ist damit lediglich eine Ersatzmass- nahme bei undurchführbarem Vollzug. Aufgrund des temporären Charakters der Ersatzmassnahme sind vorläufig Aufgenommene im Vergleich zu Personen mit einer ausländerrechtlichen Bewilligung beachtlichen rechtlichen Einschränkungen unterworfen (vgl. Art. 85 AuG). Bei der Beurteilung, ob bei einer vorläufig aufgenommenen Person ein schwerwiegender persönlicher Härtefall vorliegt, ist des- halb ein besonderes Augenmerk auf die Frage zu werfen, weshalb die vorläufige Aufnahme verfügt wurde und ob bzw. wann mit einer Aufhebung der vorläufigen Aufnahme gerechnet werden kann. Je un- wahrscheinlicher die Aufhebung der vorläufigen Aufnahme ist, desto weniger rechtfertigt es sich, die Betroffenen auf unbestimmte Dauer den rechtlichen Einschränkungen zu unterwerfen, die mit dem Status der vorläufigen Aufnahme einhergehen, und umso eher ist von einem schwerwiegenden persönlichen Härtefall auszugehen. Ergibt sich ein Härtefall nicht bereits aus dem Umstand, dass die vorläufige Aufnahme noch lange andauern wird, ist gemessen an den allgemeinen Härtefallkriterien zu prüfen, ob ein Härtefall vor- liegt. Obwohl Art. 84 Abs. 5 AuG nur drei der für Härtefälle zu be- achtenden Kriterien explizit nennt - Integration, familiäre Verhält- nisse, Zumutbarkeit der Rückkehr in den Herkunftsstaat - sind sämtliche Kriterien, die zu einem Härtefall führen können, zu beach- ten. Den explizit genannten Kriterien ist lediglich besondere Beach- tung zu schenken und verstärktes Gewicht beizumessen. 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 136 4. (...) 4.1. Zusammenfassend präsentiert sich die Situation des Beschwerdeführers wie folgt: Der Beschwerdeführer reiste am 14. Mai 2006 als Asylsuchender in die Schweiz ein und wurde am 27. Juli 2011 vorläufig aufgenommen. Er lebt damit seit mehr als acht Jahren ununterbrochen in der Schweiz. Seit 2009 ist er erwerbstätig, kommt seither für seinen Lebensunterhalt selbständig auf und ist strafrechtlich nie in Erscheinung getreten. 4.2. Für die Beurteilung, ob ein schwerwiegender persönlicher Härtefall vorliegt, ist bei vorläufig aufgenommenen Personen zu- nächst auf die Gründe, die zur vorläufigen Aufnahme geführt haben, einzugehen. Dabei ist zu prüfen, ob im konkreten Fall Anzeichen da- für bestehen, dass die vorläufige Aufnahme aufgehoben werden kann, weil die Voraussetzungen für deren Anordnung nicht mehr gegeben sind respektive in absehbarer Zeit wegfallen können. Ist auf- grund der konkreten Umstände nicht davon auszugehen, dass es in absehbarer Zeit zu einer Aufhebung der vorläufigen Aufnahme kommt, ist von einem schwerwiegenden persönlichen Härtefall auszugehen. Im Fall des Beschwerdeführers ist dem Urteil des Bundesver- waltungsgerichts vom 27. Juli 2011 betreffend die Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs Folgendes zu entnehmen: "7.2 In Bezug auf die allgemeine Lage in Afghanistan ist auf die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Einschätzung der Lage im zur Publikation vorgesehenen Urteil E-7625/2008 vom 16. Juni 2011 verwiesen werden. Das Gericht stellt darin zusammenfassend fest, dass in weiten Tei- len von Afghanistan - ausser allenfalls in Grossstädten - eine derart schlechte Sicherheitslage und derart schwierige humanitäre Bedingungen bestünden, dass die Situation als existenzbedrohend im Sinne von Art. 83 Abs. 4 AuG zu qualifizieren sei. Von dieser allgemeinen Feststellung sei die Situation in der Hauptstadt Kabul zu unterscheiden. Angesichts des Umstan- des, dass sich dort die Sicherheitslage im Verlaufe des vergangenen Jahres nicht weiter verschlechtert habe und die humanitäre Situation im Vergleich zu den übrigen Gebieten etwas weniger dramatisch sei, könne der Vollzug 2014 Migrationsrecht 137 der Wegweisung nach Kabul unter Umständen als zumutbar qualifiziert werden. Solche Umstände könnten grundsätzlich namentlich dann gegeben sein, wenn es sich beim Rückkehrer um einen jungen, gesunden Mann handle. Angesichts der bisher aufgezeigten konstanten Verschlechterung der Lage über die vergangenen Jahre hinweg und der auch in Kabul schwierigen Situation verstehe es sich aber von selbst, dass die bereits in EMARK 2003 Nr. 10 formulierten strengen Bedingungen in jedem Einzelfall sorgfältig ge- prüft und erfüllt sein müssten, um einen Wegweisungsvollzug nach Kabul als zumutbar zu qualifizieren. Unabdingbar sei in erster Linie ein soziales Netz, das sich im Hinblick auf die Aufnahme und Wiedereingliederung des Rückkehres als tragfähig erweise. Ohne Unterstützung durch Familie oder Bekannte würden die schwierigen Lebensverhältnisse auch in Kabul unwei- gerlich in eine existenzielle beziehungsweise lebensbedrohende Situation führen (vgl. a.a.O. E. 9.9.1 f.). Die Frage, ob hinsichtlich der Städte Mazar- i-Sharif und Herat in Bezug auf die Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs Ähnliches gesagt werden könne wie zu Kabul, wurde im erwähnten Grund- satzurteil offen gelassen, weil von vornherein ungenügende Anknüpfungs- punkte bestanden (vgl. a.a.O. E. 9.9.3). 7.3. Aufgrund der Aktenlage ist davon auszugehen, dass der ursprüng- lich aus Kabul stammende Beschwerdeführer Afghanistan bereits im Kindesalter verlassen hat und seither nie mehr nach Afghanistan zurückge- kehrt ist, womit er dort nie sozialisiert wurde. Seine Mutter zog nach dem Tode ihres Ehemannes zu ihrem in der Provinz Bamiyan wohnhaften Bruder (vgl. act. A15/20 S. 5 Frage und Antwort 24 i.V.m. S. 7 Frage und Antwort 41). Sein Onkel kehrte mit seiner Familie nach Aussagen des Beschwerdeführers im Jahre 2003 (und nicht 1993, wie das BFM irrtümli- cherweise in seiner Verfügung vom 16. April 2008 auf S. 2 Ziff. 1 Abs. 4 festhält) nach Afghanistan zurück (act. A15/20 S. 3, Frage und Antwort 9), ohne ihn, den Beschwerdeführer, mitzunehmen (vgl. act. A15/20 S. 4, Frage und Antwort 13). Dieser Onkel lebte nach Angaben des Beschwerdeführers nach seiner Rückkehr nach Afghanistan zunächst in Kabul im Quartier G._ (vgl. act. A15/20 S. 5 Frage und Antwort 24), scheint nun aber laut einem mit der Beschwerde eingereichten Brief eines Freundes jenes Onkels von dort weggezogen zu sein, ohne dass derzeit Näheres über seinen momentanen Aufenthaltsort bekannt wäre. Somit muss davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer in Kabul über keinerlei Verwandte und 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 138 damit auch über kein soziales Beziehungsnetz mehr verfügt. Mit Blick auf die vorstehend dargelegte Situation im Heimatland (vgl. E. 7.2) ist der Weg- weisungsvollzug des Beschwerdeführers nach Kabul somit als nicht zumut- bar zu qualifizieren. Da der Beschwerdeführer gemäss den Akten überdies weder in den Grossstädten Herat noch Mazar-i-Sharif über weitere Ver- wandte verfügt, kommt von vornherein auch keine Aufenthaltsalternative in diesen afghanischen Städten in Frage." Zwischenzeitlich ist betreffend die allgemeine Lage in Afghanistan weder eine Besserung eingetreten noch ist eine solche zu erwarten und der Vollzug der Wegweisung gilt für die meisten Re- gionen dieses Landes als generell nicht zumutbar. Nur für gewisse Gebiete wird der Vollzug der Wegweisung als zumutbar eingeschätzt, sofern bezogen auf den Einzelfall zusätzlich begünstigende Um- stände (insbesondere tragfähiges soziales Netz vor Ort) gegeben sind (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juli 2014 [D-3219/2014], Erw. 6.4.1 mit weiteren Hinweisen). Vor diesem Hintergrund erscheint die Aufhebung der vorläufi- gen Aufnahme des Beschwerdeführers innert absehbarer Zeit gera- dezu ausgeschlossen. Die verwandtschaftliche Konstellation des Be- schwerdeführers im Heimatland ist keinen Änderungen unterworfen. Inwiefern der Beschwerdeführer, welcher in seinem Heimatland ohnehin nie sozialisiert wurde und Afghanistan bereits im Kindesal- ter verlassen hat, in der Lage sein sollte, in Kabul ein tragfähiges soziales Netz aufzubauen, ist nicht ersichtlich. Nach dem Gesagten ist beim Beschwerdeführer von einem Härtefall auszugehen, da nicht davon auszugehen ist, dass die Gründe, die zur vorläufigen Aufnahme geführt hatten, in absehbarer Zeit wegfallen würden, womit eine Aufhebung der vorläufigen Auf- nahme weder jetzt noch in absehbarer Zeit zur Diskussion steht. Dass diesem Umstand eigentlich bereits im Zeitpunkt der Anordnung der vorläufigen Aufnahme durch Erteilung einer Härte- fallbewilligung hätte Rechnung getragen werden müssen, darf dem Beschwerdeführer heute nicht zum Nachteil gereichen. 4.3. Mit Blick auf das Vorliegen eines Härtefalles kommt heute hinzu, dass sich der Beschwerdeführer seit mehr als acht Jahren in 2014 Migrationsrecht 139 der Schweiz aufhält. Obwohl er in sehr jungem Alter in die Schweiz eingereist ist und nicht auf verwandtschaftliche Unterstützung zurückgreifen konnte, vermochte er sich sowohl in sprachlicher als auch sozialer Hinsicht gut zu integrieren. Seine Integration ist zudem entsprechend der langen Aufenthaltsdauer weit fortgeschritten. Schliesslich ist der Beschwerdeführer seit fünf Jahren berufstätig und bestreitet seinen Lebensunterhalt selbständig, womit er sich dauer- hafte und stabile wirtschaftliche Verhältnisse erarbeitet hat. Auch diese Umstände sprechen für das Vorliegen eines Härtefalls. 4.4. Nach dem Gesagten ist erstellt, dass ein schwerwiegender persönlicher Härtefall im Sinne von Art. 30 Abs. 1 lit. b AuG vor- liegt. 5. Zu prüfen bleibt, ob der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung an den Beschwerdeführer überwiegende öffentliche Interessen entge- genstehen. Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich nie in Erscheinung getreten und ist seinen finanziellen Verpflichtungen jeweils nachge- kommen. Auch bestehen keine Anzeichen dafür, dass der Be- schwerdeführer nicht weiterhin für seinen Lebensunterhalt aufkom- men könnte. Unter diesen Umständen sind keine überwiegenden öffentlichen Interessen ersichtlich, welche die Verweigerung einer Aufenthaltsbewilligung an den Beschwerdeführer zu rechtfertigen vermöchten. 6. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass ein schwerwiegender persönlicher Härtefall im Sinne von Art. 30 Abs. 1 lit. b AuG vor- liegt. Nachdem der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung keine überwiegenden öffentlichen Interessen entgegenstehen, ist die Be- schwerde gutzuheissen soweit darauf einzutreten ist. Das MIKA ist anzuweisen, das Gesuch des Beschwerdeführers um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung dem BFM mit dem Antrag auf Zustimmung zu unterbreiten.
3,663
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AG_VG_001
AG_VG
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Northwestern_Switzerland
AG_VG_001_AGVE-2014-23_2014-09-02
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2005 Kantonale Steuern 129 [...] 32 Einzelschätzung der Grundstücke (§ 218 Abs. 2 StG). - Übergangsrecht. Voraussetzungen, unter denen eine Einzelschätzung nach neuem Recht vorgenommen werden darf, obwohl der Grund noch vor dem Inkrafttreten eintrat (Erw. 3.1, 3.2). - Unterschiede der Einzelschätzungen je nach dem Grund, der sie auslöst (Erw. 3.3, 4). - Reformatio in peius muss auch angekündigt werden, wenn kein Rückzug des Rechtsmittels möglich ist (Erw. 3.4). 2005 Verwaltungsgericht 130 Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 21. Dezember 2005 in Sachen Stiftung W gegen Steuerrekursgericht. Sachverhalt W. verstarb am 14. Oktober 2000; die ihr gehörende Parzelle X ging durch Erbgang ins Eigentum der Stiftung W über. Das KStA nahm am 13. Mai 2002 eine Neuschätzung der Parzelle vor, gültig ab der Steuerperiode 2001. Auf Einsprache hin reduzierte es, ausgehend von einem tieferen Miet- und Ertragswert als zuvor, den Vermögens- steuerwert. Im Rekursverfahren machte das Steuerrekursgericht diese Reduktion für die Steuerperiode 2001 rückgängig. Aus den Erwägungen 1.1. Nach altem Recht war vorgeschrieben, dass die Grund- stücke in grösseren Zeitabständen auf Beginn einer Veranlagungspe- riode neu geschätzt werden. Gleichzeitig oder auch ausserhalb einer allgemeinen Neuschätzung konnten die Eigenmietwerte neu festge- legt werden (§ 52 Abs. 1 des Steuergesetzes [aStG] vom 13. Dezem- ber 1983 in der Fassung vom 26. Januar 1988). Die letzte generelle Neuschätzung erfolgte auf den 1. Januar 1999 (§ 4 Abs. 1 VBG in der Fassung vom 25. November 1998). § 52 Abs. 3 aStG bestimmte, dass ausserhalb der allgemeinen Neuschätzung der Vermögenssteuerwert und der Eigenmietwert nur geändert werden, "wenn Bestand, Nutzung oder Wert des Grund- stückes wesentlich ändern, oder wenn die Werte auf einer offensicht- lich unrichtigen Schätzung oder auf einer unrichtigen Rechtsanwen- dung beruhen. Die Einzelschätzung wird auf Beginn der ihrer Ein- leitung folgenden Veranlagungsperiode wirksam." Bewertungsstich- tag bei Einzelschätzungen, insbesondere bezüglich Bestand und Nutzung, war der Beginn der Veranlagungsperiode, welcher der Einleitung der Schätzung folgte; bei Änderungen in Bestand und 2005 Kantonale Steuern 131 Nutzung zwischen der Schätzung und dem Bewertungsstichtag war die Schätzung zu berichtigen (§ 4 Abs. 2 und 3 VBG). Zuständig zur Festlegung der Vermögenssteuerwerte der Grund- stücke sowie der Eigenmietwerte waren die Gemeindeschätzungs- kommissionen (§ 121 Abs. 1 aStG; AGVE 1998, S. 239 ff.). 1.2. Das neue Recht brachte gewisse Änderungen. Die hier we- sentlichen Bestimmungen finden sich in § 218 Abs. 1 und 2 sowie § 219 Abs. 1 StG: § 218 1 Allgemeine Neuschätzungen von Eigenmietwerten und Vermögens- steuerwerten werden auf Anordnung des Grossen Rates auf Beginn einer Veranlagungsperiode vorgenommen. 2 Ausserhalb der allgemeinen Neuschätzung nach Absatz 1 können die Eigenmietwerte und Vermögenssteuerwerte nur geändert werden, wenn Bestand, Nutzung oder Wert des Grundstücks wesentlich ändern oder wenn die Werte auf einer offensichtlich unrichtigen Schätzung oder auf einer unrichtigen Rechtsanwendung beruhen. Die neue Schätzung gilt ab Beginn der Steuerperiode, in der Bestand, Nutzung oder Wert geändert haben, bei unrichtigen Werten ab dem Jahr der Einleitung der Neuschätzung. Bereits vorgenommene Veranlagungen sind zu revidieren. § 219 1 Das Kantonale Steueramt verfügt die Eigenmietwerte und die Vermö- genssteuerwerte gestützt auf die Erhebungen der Gemeindeschätzungs- behörde. Neu ist die Zuständigkeit des KStA (anstelle der Gemeinde- schätzungskommissionen), die Eigenmietwerte und die Vermögens- steuerwerte festzusetzen und zu eröffnen. Bei den Einzelschätzungen wird, je nach ihrem Grund (Änderungen in Bestand, Nutzung oder Wert einerseits, unrichtige Schätzung oder Rechtsanwendung ande- rerseits [im Folgenden als Einzel- oder Neuschätzungen wegen Än- derungen bzw. wegen Unrichtigkeit bezeichnet]), die zeitliche Wir- kung unterschiedlich geregelt. 1.3. Übergangsrechtlich schreibt § 262 StG vor, dass die nach den Vorschriften des aStG festgelegten Schätzwerte bis zur nächsten allgemeinen Neuschätzung weitergelten, unter Vorbehalt der nach neuem Recht vorgenommenen Einzelschätzungen (§ 218 Abs. 2 StG) 2005 Verwaltungsgericht 132 und Anpassungen (§ 218 Abs. 3 StG). Im Übrigen fehlen bezüglich der Schätzungen eigene Übergangsbestimmungen. 3.1. Die Nutzungsänderung einer Liegenschaft, wie insbeson- dere der Übergang von Eigen- zu Fremdnutzung oder umgekehrt, löst nach altem und neuem Steuergesetz eine Einzelschätzung aus (§ 52 Abs. 3 aStG; § 218 Abs. 2 StG; Bernhard Meier, in: Kommen- tar zum Aargauer Steuergesetz, [1. Aufl.] Muri/Bern 1991, § 52 aStG N 4a; Martin Plüss, in: Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, Band 2, 2. Aufl., Muri/Bern 2004, § 218 N 18). Vorliegend trat die Nutzungsänderung, das Ende der Eigennutzung der Liegenschaft, mit dem Todestag der Erblasserin W. am 14. Oktober 2000 und dem damit verbundenen Eigentumsübergang auf die Beschwerdeführerin zufolge Universalsukzession ein. 3.2. Richtigerweise wäre somit noch im Jahr 2000 unter altem Recht eine Einzelschätzung gemäss § 52 Abs. 3 aStG vorzunehmen gewesen (von Amtes wegen, da kein Gesuch der Beschwerdeführerin erfolgte). Dies unterblieb wohl deshalb, weil sich die Schätzung erst bei der Steuerveranlagung 2001 ausgewirkt hätte. Durchgeführt wurde vielmehr ein Verfahren nach neuem Recht, was sich schon daraus ergibt, dass die Verfügung durch das KStA erfolgte. Wenn in einem solchen Fall nach Inkrafttreten des StG ein Ein- zelschätzungsverfahren nach neuem Recht wegen Änderungen (mit Geltung frühestens ab 2001) durchgeführt wird, stellt dies keine un- zulässige Rückwirkung dar. Wohl ist das auslösende Ereignis schon vor dem Inkrafttreten des StG erfolgt, doch führt es nach altem wie nach neuem Recht zu einer Einzelschätzung, es ist also nicht so, dass - unzulässigerweise - nach der Rechtsänderung an einen altrechtli- chen Tatbestand angeknüpft wird, der nach dem neuen Recht gar nicht mehr relevant ist. Der Sachverhalt gleicht demjenigen, wo ein zeitlich offener Dauersachverhalt für die Zukunft neuen Rechtsfolgen unterstellt wird (sog. unechte Rückwirkung; vgl. BGE 126 V 135 f.; Ulrich Häfelin/Georg Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2002, Rz. 337). Allerdings darf entge- gen § 218 Abs. 2 StG die geänderte Schätzung nicht schon in der Steuerperiode 1999/2000 zur Anwendung kommen; dies wäre eine 2005 Kantonale Steuern 133 unzulässige Rückwirkung des StG auf eine vor seinem Inkrafttreten liegende Steuerperiode. Anders zu entscheiden hätte zur schwer verständlichen Konse- quenz, dass die Einzelschätzung nach altem Recht erst für die Ver- anlagungsperiode nach Einleitung des Verfahrens Gültigkeit erlangte (§ 52 Abs. 3 aStG) und damit gegebenenfalls viel später als bei An- wendung des - materiell überzeugenderen - neuen Rechts, bei dem Einzelschätzungen wegen Änderungen ab derjenigen Steuerperiode gelten, in der die Änderung eingetreten ist (in Übereinstimmung mit § 60 Abs. 1 StG), oder, wegen des Rückwirkungsverbots, ab der ersten Steuerperiode des neuen Rechts. 3.3. Die Rechtsprechung des Steuerrekursgerichts, wonach bei Einzelschätzungen wegen Änderungen ausschliesslich diejenigen Positionen (Faktoren, Parameter) der Schätzung anzupassen sind, die mit der zu berücksichtigenden Sachverhaltsänderung direkt zusammenhängen, überzeugt. Weder aus Gründen der Gesetzeslogik und -systematik noch aus der konkreten Regelung in § 218 Abs. 2 StG und § 4 f. VBG lässt sich ableiten, dass eine Einzelschätzung wegen Änderungen mehr als die Anpassung an den geänderten Sachverhalt zum Zweck hätte (ebenso BVR 2004, S. 390 f.). Beim Übergang auf einen neuen Eigentümer bedeutet dies, dass er mit dem Grundstück auch dessen bisherige Verkehrswertschätzung überneh- men muss. Diese Konsequenz ist für ihn - entgegen den Ausfüh- rungen in der Beschwerde - ohne weiteres tragbar, kann er doch eine Einzelschätzung wegen Unrichtigkeit verlangen, die zur vollum- fänglichen Überprüfung führt (im Einzelnen hinten Erw. 4.1) und so an die Stelle der direkten Anfechtung der ihm eröffneten Werte tritt. Die von der Beschwerdeführerin verlangte Gleichbehandlung mit dem Eintritt in die Steuerpflicht vermag nicht zu überzeugen, denn für die Grundstückschätzung gelten eigene Regeln (insbesondere § 262 StG), die zu Recht davon ausgehen, dass sich auch beim Wech- sel des Eigentümers in aller Regel (nämlich wenn die bisherige Schätzung inhaltlich zutreffend ist) keine neue Schätzung aufdrängt. Die Verfügung vom 13. Mai 2002 bezweckte ausschliesslich die Anpassung an die erfolgte Nutzungsänderung mit Übergang von Eigen- zu Fremdnutzung: Der Eigenmietwert (Position 46) wurde 2005 Verwaltungsgericht 134 gestrichen und der Toleranz-/Korrektur-Faktor (Pos. 83) von 0.8 auf 0.9 geändert; alle anderen Positionen blieben gleich wie in der ur- sprünglichen Schätzung. Die vorgenommenen Änderungen hat die Beschwerdeführerin nicht bestritten. Materiell ist deshalb nichts ge- gen das Ergebnis des Steuerrekursgerichts einzuwenden, die Einzel- schätzung per 1. Januar 2001 sei korrekt erfolgt. 3.4.1. Als Folge dieser materiellen Beurteilung und weil das Steuerrekursgericht zum Schluss kam, die Einzelschätzung mit Wir- kung ab 1. Januar 2001 dürfe nicht zu einer Neuschätzung wegen Unrichtigkeit ausgedehnt werden (dazu hinten Erw. 4.1), machte es die im Einspracheverfahren erfolgte Herabsetzung des Vermögens- steuerwertes rückgängig. Dagegen wendet die Beschwerdeführerin in formeller Hinsicht ein, es handle sich um eine reformatio in peius, die nicht ohne vorgängige Ankündigung zur Wahrung des rechtlichen Gehörs hätte erfolgen dürfen. 3.4.2. Das Steuerrekursgericht ist nicht an die Anträge der Par- teien gebunden, kann also die angefochtene Veranlagung auch zu Ungunsten des Rekurrenten abändern (§ 197 Abs. 2 StG; sog. refor- matio in peius). Dazu schreibt § 14 der Verordnung über die Organi- sation der kantonalen Steuerrekurskommission und das Rekursver- fahren (VStRK) vom 25. Juli 1968 ausdrücklich vor, dem Rekurren- ten sei von der beabsichtigten reformatio in peius vorgängig schrift- lich Kenntnis zu geben und er sei zur Stellungnahme innert ange- messener Frist aufzufordern (ähnlich Art. 143 Abs. 1 DBG; SR 642.11; dazu Ulrich Cavelti, in: Kommentar zum Schwei- zerischen Steuerrecht, Bd. I/2b [DBG], Basel/Genf/München 2000, Art. 143 N 2 f.); es handelt sich dabei um einen Teilgehalt des rechtlichen Gehörs gemäss Art. 29 Abs. 2 BV. Wohl ist die vorgeschriebene Ankündigung der beabsichtigten reformatio in peius dort von besonderer Bedeutung, wo einem Rück- zug des Rekurses Folge zu leisten ist (siehe § 197 Abs. 3 StG) und die Ankündigung es dem Rekurrenten ermöglicht, der reformatio in peius durch den Rekursrückzug zu entgehen (vgl. zum Ganzen BGE 129 II 395; 122 V 167 f.; AGVE 1995, S. 234 ff.; Plüss, a.a.O., § 197 N 22 ff.). Doch hierin erschöpft sich die Bedeutung von § 14 VStRK keineswegs. Die vorgängige Anhörung soll dem Rekurrenten 2005 Kantonale Steuern 135 auch ermöglichen, die materielle Berechtigung der reformatio in peius zu bestreiten und zu versuchen, sie auf diese Weise abzu- wenden. Gerade weil die Möglichkeit der reformatio in peius im Rechtsmittelverfahren als aussergewöhnlich erscheint, gibt es keinen ausreichenden Grund, die vorgängige Anhörung dort einzuschränken, wo der Rekurrent die Abänderung letztlich nicht verhindern kann (vgl. BGE in ASA 73/2004-05, S. 554 ff.; VGE II/68 vom 28. Sep- tember 2005 [WBE.2005.191], S. 5; Ulrich Cavelti, in: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/1 [StHG], 2. Auflage, Ba- sel/Genf/München 2002, Art. 50 N 16 i.V.m. N 3; vgl. auch BGE 122 V 168). 3.4.3. Aus den genannten Gründen kann dem Steuerrekursge- richt nicht gefolgt werden, das in seiner Vernehmlassung die Auf- fassung vertritt, wenn der Rekurrent die reformatio in peius ohnehin nicht (mittels Rekursrückzug) abzuwenden vermöge, dürfe auf eine vorgängige Ankündigung und Anhörung verzichtet werden (weshalb über die Auffassung des Steuerrekursgerichts, § 197 Abs. 3 StG komme im Verfahren der Grundstückschätzung nicht zur Anwen- dung, hier nicht abschliessend entschieden werden muss). Wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist die Sache an das Steuerrekursgericht zurückzuweisen. 4.1.1. Neben der Einzelschätzung wegen Änderungen ist auch eine solche wegen Unrichtigkeit vorgesehen, und zwar wenn die Werte entweder auf einer offensichtlich unrichtigen Schätzung oder auf einer unrichtigen Rechtsanwendung beruhen (§ 218 Abs. 2 StG; vorne Erw. 1.2). Diese Möglichkeit, auf einen rechtskräftig festge- setzten, für die Veranlagung verbindlichen Wert (Plüss, a.a.O., § 218 N 14; in § 121 Abs. 4 aStG noch ausdrücklich festgehalten) vorzeitig zurückzukommen, erklärt sich vor dem Hintergrund, dass die Ver- mögenssteuerwerte über viele Steuerperioden hinweg Gültigkeit besitzen, sich ein Fehler also viel länger auswirkt als bei einer Ver- anlagung. Es bestand das Bedürfnis, klar unrichtige Schätzungen vor der nächsten allgemeinen Neuschätzung korrigieren zu können (das gleiche Bedürfnis steht [u.a.] hinter der Rechtsprechung des EVG, das eine gegenüber dem allgemeinen Verwaltungsrecht weit ausge- dehnte Anwendbarkeit der Wiedererwägung als allgemeinen Grund- 2005 Verwaltungsgericht 136 satz des schweizerischen Sozialversicherungsrechts - wo es häufig um Dauerleistungen geht - statuiert hat [vgl. BGE 125 V 389 ff.]). 4.1.2. Eine Neuschätzung wegen Unrichtigkeit kann bei un- richtiger Rechtsanwendung erfolgen. Hier ist der Sachverhalt inso- fern ähnlich wie bei der Einzelschätzung wegen Änderung (vorne Erw. 3.3), als sich die unrichtige Rechtsanwendung ebenfalls auf einzelne Positionen der Schätzung beziehen wird und zur Korrektur der unrichtigen Rechtsanwendung nicht erforderlich ist, die Überprü- fung (und Korrektur) auf weitere Positionen auszudehnen. 4.1.3. Eine Neuschätzung der (Eigenmietwerte und) Vermö- genssteuerwerte wegen Unrichtigkeit erfolgt ausserdem, "wenn die Werte auf einer offensichtlich unrichtigen Schätzung beruhen". Ob diese Voraussetzung gegeben ist, ist durch einen Vergleich des zuletzt (bei der allgemeinen Neuschätzung oder allenfalls einer Einzel- schätzung) ermittelten Vermögenssteuerwerts mit dem tatsächlich zutreffenden Wert festzustellen (Plüss, a.a.O., § 218 N 22 f.; Meier, a.a.O., § 52 aStG N 4a a.E., 4b, 4d). Es ist nicht ersichtlich, welcher andere Vergleich den Intentionen von § 218 Abs. 2 StG gerecht wer- den könnte. Jedenfalls kann es nicht genügen, sich auf einen Fehler bei einer Einzelposition zu berufen (ausser wenn darin eine unrich- tige Rechtsanwendung zu erblicken ist), dessen Korrektur den Ver- mögenssteuerwert nicht oder nur unwesentlich zu beeinflussen ver- mag. Offensichtlichkeit wird bejaht bei einer Differenz von 15 % oder mehr zwischen der letzten Schätzung des Vermögenssteuer- wertes und dem richtigen Wert (Plüss, a.a.O., § 218 N 23). Kommt die Steuerbehörde aufgrund einer vorläufigen Beurtei- lung zum Schluss, der bei der letzten Schätzung ermittelte Wert dürfte unzutreffend sein, hat eine vollständige neue Schätzung zu erfolgen, und die beiden (End-)Werte sind zu vergleichen. Logi- scherweise ist es hier nicht möglich, den Vergleich auf einzelne Po- sitionen der Schätzung zu beziehen bzw. einzelne Positionen vom Vergleich auszunehmen. Massgeblich sind die Endresultate der voll- ständig durchgeführten Schätzungen. Soweit dem angefochtenen Entscheid eine andere Rechtsauffassung zugrunde liegt, nach der es auch bei einer Neuschätzung wegen unrichtiger früherer Schätzung darum gehen soll, ausschliesslich Einzelpositionen zu überprüfen, 2005 Kantonale Steuern 137 bezüglich derer Einwände erhoben wurden und die als solche offen- sichtlich unrichtig erscheinen, kann ihr nicht gefolgt werden; sie beruht auf einer unkritischen Übernahme der Grundsätze für Einzel- schätzungen wegen Änderungen. 4.2. Das KStA leitete zunächst eine Einzelschätzung wegen Nutzungsänderung ein. Wie das Steuerrekursgericht zutreffend fest- hält, hätte das KStA in diesem Rahmen bleiben und dement- sprechend das Einspracheverfahren auf die mit der Nutzungsände- rung zusammenhängenden Faktoren beschränken sollen (vorne Erw. 3.3). Die in der Einsprache vorgebrachten Einwände, die sich auf andere Faktoren bezogen und darauf hinausliefen, dass die Schät- zung des Vermögenswerts offensichtlich unrichtig sei, hätten als unabhängiges und neues Gesuch um Neuschätzung wegen Unrich- tigkeit behandelt werden müssen. Dies wäre schon darum zwingend gewesen, weil sich die Einzelschätzung wegen Nutzungsänderung bereits per 1. Januar 2001, also auf das Steuerjahr und die Veranla- gung 2001 auswirkte (vorne Erw. 3.2.), während eine Einzel- schätzung wegen Unrichtigkeit erst die Veranlagung 2002 beeinflusst (§ 218 Abs. 2 a.E. StG).
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2006 Sozialhilfe 229 [...] 44 Weisung, eine günstigere Wohnung zu suchen. - Angemessenheit der Wohnungskosten. - Bedeutung kommunaler Richtlinien für die Wohnungsmieten. Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 13. September 2006 in Sachen M.J. gegen das Bezirksamt Baden. Aus den Erwägungen 2.1. Anspruch auf Sozialhilfe besteht, sofern die eigenen Mittel nicht genügen und andere Hilfeleistungen nicht rechtzeitig erhältlich 2006 Verwaltungsgericht 230 sind oder nicht ausreichen (§ 5 Abs. 1 SPG). Damit wird der Grund- satz der Subsidiarität der Sozialhilfe ausgedrückt. Die Hilfe suchende Person ist verpflichtet, sich nach Möglichkeit selbst zu helfen; sie muss alles Zumutbare unternehmen, um eine Notlage aus eigenen Kräften abzuwenden oder zu beheben (vgl. die gemäss § 10 Abs. 1 SPG i.V.m. § 10 Abs. 1 SPV für die Bemessung der materiellen Hilfe grundsätzlich verbindlichen Richtlinien für die Ausgestaltung und Bemessung der Sozialhilfe, hrsg. von der Schweizerischen Konfe- renz für Sozialhilfe, vom Dezember 2000 [SKOS-Richtlinien], Ka- pitel A.4). Ausdruck dieser Subsidiarität ist, dass Hilfe suchende Per- sonen bei der Berechnung der Wohnkosten für die Sozialhilfe keine höhere Ansprüche stellen können als Familien oder Personen, die sich in knappen finanziellen Verhältnissen selber durchbringen und entsprechende Einschränkungen hinnehmen müssen (AGVE 2004, S. 253 f. mit Hinweisen). Auch zur Nachachtung des Subsidiaritätsprinzips kann die Ge- währung materieller Hilfe mit Auflagen und Weisungen verbunden werden, welche die richtige Verwendung sichern oder die Lage der Hilfe suchenden Person und ihrer Angehörigen verbessern, nament- lich durch Bestimmungen über die zweckmässige Verwendung der materiellen Hilfe, die Aufnahme zumutbarer Arbeit oder andere Ver- haltensregeln, die nach den Umständen angebracht erscheinen (§ 13 Abs. 1 SPG; § 14 lit. d-f SPV). Werden Auflagen oder Weisungen, die unter Androhung der Folgen der Missachtung erlassen wurden, nicht befolgt, kann die materielle Hilfe gekürzt werden (§ 13 Abs. 2 SPG). Derartige Auflagen müssen die allgemeinen Rechtsgrundsätze, insbesondere das Verhältnismässigkeitsprinzip, beachten. Personen, die Sozialhilfe beanspruchen, haben keinen Anspruch auf Über- nahme der Mietkosten einer beliebigen Wohnung durch das Ge- meinwesen (BGE vom 3. Juni 2005 [2P.143/2005], Erw. 2.2.). Es ist daher sachgerecht, im Falle übermässig hoher Mietkosten die Zu- sprechung von Sozialhilfe mit der Auflage zu verbinden, eine günsti- gere Wohnung zu suchen, andernfalls entsprechende Kürzungen bei den Wohnkosten vorgenommen werden (AGVE 1993, S. 619; SKOS-Richtlinien, Kapitel B.3). 2006 Sozialhilfe 231 2.2. Bevor von den Sozialbehörden ein Umzug in eine günstigere Wohnung verlangt wird, ist die Situation im Einzelfall zu prüfen, insbesondere sind Grösse, Zusammensetzung der Familie, eine all- fällige Verwurzelung an einem bestimmten Ort, das Alter und die Gesundheit der betroffenen Person sowie der Grad der sozialen Inte- gration zu berücksichtigen (vgl. SKOS-Richtlinien, Kapitel B.3). 2.3. Die Beschwerdeführerin ist allein stehend, weshalb eine 1- bis 1 1⁄2-Zimmerwohnung eine angemessene Wohnsituation darstellt. Den Argumenten der Beschwerdeführerin, wonach sich ihr invalider Sohn an jedem Wochenende von Samstagmorgen bis Sonntagabend bei ihr aufhalte, kann nicht gefolgt werden. Ihr Sohn M. ist über 30 Jahre alt und hat in Zürich-Seebach eine Mietwohnung mit einer Bruttomiete von Fr. 731.--/Mt. Die Beschwerdeführerin ist gegen- über ihrem Sohn auch nicht unterhalts- bzw. unterstützungspflichtig, und sie macht auch nicht geltend, der Sohn bedürfe aus gesundheitli- chen Gründen einer Betreuung über das Wochenende. Die (sozialen) Kontakte des Sohnes zur Beschwerdeführerin und die Besorgung seiner Wäsche erfordern auch keinen zusätzlichen Wohnraum für ih- ren Sohn in A. Die Sozialhilfe ist in erster Linie Existenzsicherung (§§ 4, 5 Abs. 2 SPG und § 3 Abs. 1 SPV) und hat nicht die Aufgabe, ideale Verhältnisse für die Angehörigen der Hilfe suchenden Personen zu schaffen, welche nicht im gemeinsamen Haushalt leben. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanzen bei der Bestimmung der angemessenen Wohnungsgrösse dem Familienkontakt der Be- schwerdeführerin keine Relevanz beigemessen und den Richtwert für eine Einzelperson eingesetzt haben. 2.4. Die Auflage, eine Wohnung mit einem Mietzins von monatlich Fr. 750.-- zu suchen, ist weiter daraufhin zu prüfen, ob sie gemessen an den legitimen Interessen der Beschwerdeführerin angemessen, d.h. der Wohnungswechsel zumutbar ist, sowie ob die allgemeine Wohnungsmarktsituation tatsächlich den Umzug in eine ent- sprechend günstige Wohnung zulässt (AGVE 1993, S. 619). 2006 Verwaltungsgericht 232 In diesem Zusammenhang bestreitet die Beschwerdeführerin die Rechtmässigkeit der vom Gemeinderat angewandten Richtwerte für Wohnungsmieten für Sozialhilfebezüger und macht geltend, die in Frage stehende Mietzinsdifferenz zum Richtwert rechtfertige die angefochtene Auflage nicht. 2.4.1. Der Gemeinderat A hat, wie auch andere Gemeinden im Kan- ton, Richtlinien für die Wohnungsmieten für unterstützte Personen nach SPG erlassen. Bei diesen Richtlinien handelt es sich nicht um verbindliche Rechtssätze, sondern um Verwaltungsverordnungen oder allgemeine Dienstanweisungen generell-abstrakter Natur (vgl. Ulrich Häfelin / Georg Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Auflage, Zürich / Basel / Genf 2002, Rz. 123; Fritz Gygi, Bundes- verwaltungsrechtspflege, 2. Auflage, Bern 1983, S. 137 f.). Sie ent- halten blosse Regeln für das verwaltungsinterne Verhalten der zu- ständigen Sachbearbeiter und dienen einer vereinheitlichten Verwal- tungspraxis, aber auch der erleichterten Rechtsanwendung durch die Behörden. Solche Verwaltungsverordnungen bedürfen keiner förmli- chen gesetzlichen Ermächtigung, können aber, da sie von der Ver- waltungsbehörde und nicht vom verfassungsmässigen Gesetzgeber stammen, keine von der gesetzlichen Ordnung abweichende Be- stimmung vorsehen (BGE 120 Ia 343 Erw. 2a mit Hinweisen; Fritz Gygi, Verwaltungsrecht, Bern 1986, S. 103 f.). Sie sind für die rechtsanwendenden Behörden, insbesondere auch für das Verwal- tungsgericht, nicht verbindlich, werden aber mitberücksichtigt, so- fern die Verwaltungsrichtlinien eine dem Einzelfall angepasste, sach- gerechte Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen (AGVE 1995, S. 347 mit Hinweisen; Häfelin / Müller, a.a.O., Rz. 128). Insoweit geht die Beanstandung der Beschwerde- führerin zur Gesetzmässigkeit der vom Gemeinderat A erlassenen Richtwerte an der Bedeutung und Wirksamkeit der Richtwerte vor- bei. 2.4.2. Im vorliegenden Fall beanstandet die Beschwerdeführerin nicht, dass 1- bis 1 1⁄2-Zimmerwohnungen in der Gemeinde A bzw. in der näheren Umgebung auf dem Wohnungsmarkt vorhanden sind. Die 2006 Sozialhilfe 233 Höhe des angemessenen Mietzins von Fr. 750.-- ist auch nicht zu be- anstanden, zumal die Vorinstanz gestützt auf die Nachweise der Ge- meinde und einer stichweisen Überprüfung der Wohnungsangebote die Verfügbarkeit von Wohnungen für eine Einzelperson in diesem Preissegment geprüft hat. 2.4.3. Die Beschwerdeführerin macht schliesslich geltend, die Auflage zum Wohnungswechsel mache wirtschaftlich keinen Sinn, da die Be- schwerdeführerin aktuell Wohnungskosten von Fr. 945.-- aufweise und die Mietzinsdifferenz zum Richtwert von Fr. 195.--/Monat in keinem Verhältnis zu den Umzugskosten und allfälligen Lagerungs- kosten für die Möbel stehe. In der angefochtenen Verfügung wurde der monatliche Mietzins mit Fr. 933.-- angegeben, in der Vernehmlassung vor Vorinstanz führt der Gemeinderat aus, der aktuelle Mietzins betrage monatlich Fr. 1'149.--. Die Beschwerdeführerin hat im Verfahren vor Bezirks- amt einen Mietzins von Fr. 945.-- ab 1. August 2005 ausgewiesen. Zu beurteilen ist daher eine Mietzinsdifferenz von Fr. 195.-- pro Mo- nat. Der Beschwerdeführerin ist zuzustimmen, dass die Mietzins- differenz von Fr. 195.--/Monat nicht auf einen übermässigen Miet- zins schliessen lässt (vgl. SKOS-Richtlinien, Kapitel B.3). Anderer- seits ist zu beachten, dass die Auflage auf die Dauer der Ausrichtung der materiellen Hilfe an den Betroffenen ausgerichtet ist (vgl. AGVE 2005, S. 285), weshalb es für die Wirtschaftlichkeit und Verhältnis- mässigkeit nicht auf die monatliche Differenz ankommt, sondern die voraussichtliche Dauer der materiellen Unterstützung mit zu berück- sichtigen ist. Ist die Hilfe suchende Person voraussichtlich für län- gere Zeit auf Sozialhilfe angewiesen, rechtfertigt daher bereits eine eher geringfügige Differenz des monatlichen Mietzinses zu den Richtwerten eine Auflage zum Wohnungswechsel. Die Richtwerte sind auch kein absoluter Massstab für die Unangemessenheit eines Mietzinses. Massgebend sind bei der Beurteilung der "Übermässig- keit" der Wohnkosten immer auch die weiteren Umstände im kon- kreten Fall, weshalb jede schematische Anwendung der Richtwerte zu vermeiden ist. Die Richtwerte dienen in erster Linie der rechts- gleichen Rechtsanwendung (siehe vorne Erw. 2.4.1), und der Grund- 2006 Verwaltungsgericht 234 satz der Rechtsgleichheit (Art. 8 BV) verlangt in der Rechtsanwen- dung auch, dass in den relevanten Punkten tatsächlich ungleiche Sachverhalte auch unterschiedlich behandelt werden (BGE 129 I 113 Erw. 5.1). Eine Mietzinsdifferenz von Fr. 195.-- pro Monat kann da- her je nach den Umständen im Einzelfall übermässige Wohnkosten begründen. Die Rüge der Beschwerdeführerin, eine solche Mietzins- differenz rechtfertige die Auflage zum Bezug einer günstigeren Wohnung schon im Grundsatz nicht, ist daher nicht zutreffend. Auch ein Vergleich mit allfälligen Umzugskosten oder Kosten für die Ein- lagerung von Möbeln vermag daran nicht zu ändern. Bei diesen Kos- ten sind im Rahmen der Sozialhilfe nur die notwendigen, den Be- dürfnissen angemessenen Auslagen zu ersetzen (vgl. SKOS-Richtli- nien, Kapitel C.8).
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AG_VG_001
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2000 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 257 [...] 64 Überprüfung eines kommunalen Überbauungsplans auf seine Verfassungs- und Gesetzmässigkeit. - Kognition des Verwaltungsgerichts bei der inzidenten Normen- kontrolle (Erw. 2/b/aa). - Begriff der erheblichen Änderung in Art. 21 Abs. 2 RPG (Erw. 2/b/bb). - Nichtanwendung eines kommunalen Baulinienplans wegen Wegfalls des öffentlichen Interesses (Erw. 2/b/cc). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 19. Juni 2000 in Sachen W., K. und J. AG gegen Baudepartement. 2000 Verwaltungsgericht 258 Aus den Erwägungen 1. Streitgegenstand bildet ein - bereits weitgehend konkretisier- tes - Vorentscheidsgesuch der Beschwerdeführerin 2 für ein Dop- peleinfamilienhaus auf der Parzelle Nr. 4238 im Gebiet ,,Rebacher" (Baden-Münzlishausen). Projektiert ist eine zweigeschossige, win- kelförmige Wohnbaute mit Attikageschoss an einer Hanglage. Vorge- sehen sind zwei Wohnungen, die über jeweils zwei Geschosse reichen, und eine Einliegerwohnung im Untergeschoss. Gemäss dem Nutzungsplan der Stadt Baden vom 23. November 1993 / 11. Juni 1996 befindet sich das Baugrundstück in der Wohnzone 2. 2. a) Der Überbauungsplan ,,Münzlishausen" (Baulinienplan Nr. 2) vom 10. Dezember 1964 / 15. Februar 1966 enthält im fragli- chen Bereich beidseits der Müntzbergstrasse eine Baulinie von 6.00 m. Das Bauprojekt sieht vor, die Westfassade des Doppeleinfa- milienhauses 4.50 m an die Strassengrenze zu rücken. Der Stadtrat gestand der Beschwerdeführerin 2 eine Unterschreitung der Baulinie um höchstens 0.65 m zu. In ihrer Verwaltungsbeschwerde vom 28. Januar 1998 beantragte die Beschwerdeführerin 2, Ziffer 3 des Vorentscheids sei ersatzlos zu streichen. Das Baudepartement hob in Gutheissung der Beschwerde der Beschwerdeführer 1 Ziffer 3 des Vorentscheids auf, wobei zusätzlich allerdings hätte festgestellt werden müssen, dass das Bauprojekt die Baulinie von 6.00 m ein- halten müsse. Vor Verwaltungsgericht verlangt die Beschwerdefüh- rerin 1, es sei ihr - wie im Projekt vorgesehen - die Unterschreitung der Baulinie um 1.50 m zu erlauben. b) Die Beschwerdeführerin 2 macht geltend, an der erwähnten Baulinie bestehe kein öffentliches Interesse mehr. Sie verlangt damit, dass das Verwaltungsgericht den Überbauungsplan ,,Münzlishausen" insoweit einer inzidenten Normenkontrolle unterziehe. aa) Das Verwaltungsgericht ist gehalten, Erlassen die Anwen- dung zu versagen, die Bundesrecht oder kantonalem Verfassungs- 2000 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 259 oder Gesetzesrecht widersprechen (§ 95 Abs. 2 KV; § 2 Abs. 2 VRPG). Nach einer langjährigen Praxis des aargauischen Verwal- tungsgerichts unterliegen dieser vorfrageweisen, inzidenten oder ak- zessorischen Normenkontrolle auch Nutzungsordnungen und -pläne. Mit Rücksicht auf die autonome Stellung der Gemeinden (§ 106 KV) und auch darauf, dass es nicht seine Aufgabe sein kann, eine allge- meine Aufsicht über die (politischen) Planungsinstanzen auszuüben, hat sich indessen das Verwaltungsgericht bei der Überprüfung von Nutzungsplänen stets Zurückhaltung auferlegt. So griff es nur ein, wenn bestimmt abgefasste Rechtsvorschriften verletzt wurden oder wenn sich planerische Wertungen und Werturteile als schlechterdings unvertretbar oder Planungsmassnahmen als offensichtlich ungeeignet erwiesen, und der Entscheid sonstwie sachlich unhaltbar war, so etwa wenn ein in einer planerischen Rechtsnorm enthaltenes Werturteil gegen zwingende Gebote des Rechtsstaats, beispielsweise gegen den Verhältnismässigkeitsgrundsatz, verstiess. Diese Zurückhaltung wurde einzig dort aufgegeben, wo es um überwiegende individuelle Rechtsschutzanliegen ging (AGVE 1989, S. 303 ff. mit Hinweisen; VGE III/156 vom 30. November 1999 in Sachen M., S. 9; VGE III/21 vom 25. März 1993 in Sachen St. u. M., S. 30 f.). bb) Ein Überbauungs- bzw. Erschliessungsplan auferlegt den betroffenen Grundeigentümern öffentlichrechtliche Eigentumsbe- schränkungen. Derartige Einschränkungen tangieren das Grundrecht der Eigentumsgarantie (Art. 26 Abs. 1 BV) und müssen u. a. durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt sein (Art. 36 Abs. 2 BV). Haben sich die Verhältnisse erheblich geändert, so werden die Nutzungspläne überprüft und nötigenfalls angepasst (Art. 21 Abs. 2 RPG). Diese Bestimmung garantiert der Nutzungsplanung einerseits eine gewisse Beständigkeit und sichert ihr die vom Gesetzgeber zugedachte Funktion. Die Pläne sind anderseits revidierbar, denn Planung und Wirklichkeit sollen bei Bedarf in Übereinstimmung ge- bracht werden können. Für eine Planänderung ist nötig, dass sich die Verhältnisse seit der Planfestsetzung geändert haben, diese Ver- 2000 Verwaltungsgericht 260 änderung die für die Planung massgebenden Verhältnisse betrifft und erheblich ist und damit eine Plananpassung nötig erscheint (BGE 123 I 182 mit Hinweisen). ,,Erheblich" haben sich die Verhältnisse ge- ändert, wenn sie das Gemeinwesen nach allgemeiner Erfahrung zu anderem Verhalten veranlasst hätten, wären sie zur Zeit der Nut- zungsplanung Wirklichkeit gewesen (Erläuterungen zum Bundesge- setz über die Raumplanung, hrsg. vom Bundesamt für Raumplanung, Bern 1981, Art. 21 N 8; vgl. zum Ganzen auch den erwähnten VGE vom 30. November 1999 in Sachen M., auszugsweise in AGVE 1999, S. 285 ff.). cc) Hinter den Strassenabstandsvorschriften - seien es gesetzli- che Normalabstände oder Baulinien - stehen primär die öffentlichen Interessen an der ungehinderten Abwicklung des Verkehrs (Verkehrs- sicherheits- und Gesundheitspolizeiinteressen) sowie an der Erhal- tung des Planungsspielraums und der Landerwerbsmöglichkeit für die Bedürfnisse des zukünftigen Strassenbaus; daneben sind mehr und mehr auch siedlungsgestalterische Gesichtspunkte von Bedeu- tung (AGVE 1997, S. 332 f. mit Hinweisen). Bereits im Vorentscheid vom 22. Dezember 1997 hat der Stadt- rat eingeräumt, dass ,,an der Einhaltung dieser alten Baulinie (...) aus heutiger Sicht kein öffentliches Interesse mehr" bestehe. An der ver- waltungsgerichtlichen Augenscheinsverhandlung hat der Vertreter des Stadtrats diese Aussage mit den folgenden Worten bestätigt: ,,Es besteht heute kein öffentliches Interesse mehr an einer Baulinie an der Müntzbergstrasse. (...) Es gibt kein öffentliches Interesse mehr, ohne Vorbehalt. (...) Es gibt kein öffentliches Interesse mehr an einer Baulinie." Auf entsprechendes Befragen hat der stadträtliche Vertre- ter auch erklärt, dass keinerlei Interessen ästhetischer oder gestalte- rischer Art für eine Beibehaltung der Baulinie sprächen. Dass der Überbauungsplan ,,Münzlishausen" bezüglich der Baulinien entlang der Müntzbergstrasse bisher nicht aufgehoben wurde, hat einerseits mit der Überlastung der städtischen Abteilung Planung und Bau und anderseits damit zu tun, dass die Baulinien an der Müntzbergstrasse 2000 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 261 mit jenen an der Allmend- bzw. Baldeggstrasse verknüpft sind und die ins Auge gefasste Aufhebung hier Widerstand hervorrief, was zur Rückstellung des Vorhabens führte. Diese überaus deutlichen Aussagen lassen nach dem vorhin Gesagten keine andere Wahl, als dem Überbauungsplan ,,Münz- lishausen" in Bezug auf die Baulinien an der Müntzbergstrasse we- gen Verfassungswidrigkeit die Anwendung zu versagen. Dass in irgendeiner Hinsicht ein öffentliches Interesse an der Beibehaltung der Baulinien bestehen könnte, vermag das Verwaltungsgericht nicht zu erkennen. Hieran vermag auch das Argument der Beschwerde- führer 1 nichts zu ändern, vor dem Hintergrund des Fehlens von Ausnützungsziffern im kommunalen Baurecht von Baden erscheine eine Korrektur durch grosszügige Strassenbaulinien nicht abwegig. Dabei wird übersehen, dass beim Fehlen einer Baulinie subsidiär der allgemeine Strassenabstand gegenüber Gemeindestrassen einzuhalten ist, der in Baden dem zonengemässen kleinen Grenzabstand entspricht (§ 51 Abs. 1 BNO; vgl. auch § 111 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 BauG) und in der Wohnzone 2 demgemäss 4 m beträgt (§ 11 Abs. 1 BNO). Abgesehen davon bildet der Strassenabstand nur einen von verschiedenen Parametern, welche für die Baudichte mitbestimmend sind; zumindest ebenso wesentlich sind die Grenz- und Gebäudeab- stände sowie die Gebäudehöhen bzw. Geschosszahlen (vgl. den VGE III/3 vom 15. Januar 1992 in Sachen K. u. M., S. 16 unten). Was schliesslich den Einwand anbelangt, durch die Nichtanwendung des Überbauungsplans würden die einschlägigen Verfahrensvorschriften (vgl. §§ 22 ff. BauG betreffend das Mitwirkungsverfahren, die öf- fentliche Auflage mit Einsprache- und Beschwerdemöglichkeit usw.) unterlaufen, ist den Beschwerdeführern 1 zu entgegnen, dass dies eben in der Natur einer inzidenten Normenkontrolle liegt. dd) Zusammenfassend ist unter diesem Titel somit festzuhalten, dass der Überbauungsplan ,,Münzlishausen" mangels eines öf- fentlichen Interesses nicht angewendet werden darf, soweit er im Bereich der Müntzbergstrasse Baulinien festlegt; dies führt zur Gut- 2000 Verwaltungsgericht 262 heissung der Beschwerde der Beschwerdeführerin 2, d. h. die projek- tierte Baute darf im vorgesehenen Abstand von 4.50 m an die Müntz- bergstrasse gestellt werden. In gleichartigen Fällen wird analog ent- schieden werden müssen, weshalb es opportun wäre, durch eine Re- vision des Überbauungsplans ,,Münzlishausen" definitiv Klarheit zu schaffen; die Voraussetzungen von Art. 21 Abs. 2 RPG sind offen- sichtlich erfüllt (vgl. Erw. bb hievor). Die stadträtliche Praxis, Aus- nahmebewilligungen ,,für geringfügige Unterschreitungen von nicht mehr zeitgemässen Strassenbaulinien in den Wohnquartieren" zu er- teilen, ohne dass ein ,,eigentlicher Sonderfall" vorliegt, ist jedenfalls bei korrekter Anwendung von § 67 BauG kein legaler Ausweg.
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2014 Verwaltungsrechtspflege 279 XIII. Verwaltungsrechtspflege 46 § 28 Abs. 1 VRPG i.V.m. Art. 148 Abs. 1 ZPO Verschulden bei verspäteter Leistung des Kostenvorschusses; keine Frist- wiederherstellung Urteil des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 29. Januar 2014 in Sachen Erben der A. B. (WBE.2013.401). Aus den Erwägungen I. 1. (...) 2. Vorab zu prüfen ist, ob die Beschwerdeführer den Kostenvor- schuss fristgerecht überwiesen haben. 2.1. Die instruierende Behörde kann unter Ansetzung einer ange- messenen Frist einen Anteil der mutmasslichen Verfahrenskosten als Kostenvorschuss erheben. Bezahlt die Partei den Kostenvorschuss nicht innert Frist, setzt ihr die instruierende Behörde eine letzte Frist von 10 Tagen mit der Androhung, dass im Unterlassungsfall auf das Begehren nicht eingetreten werde (§ 30 Abs. 1 und 2 VRPG). Für die Berechnung der Fristen und die Wiederherstellung gegen die Folgen der Säumnis gilt gemäss § 28 Abs. 1 VRPG die Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (ZPO, SR 272). Die Frist für eine Zahlung an das Gericht ist eingehalten, wenn der Betrag spätestens am letzten Tag der Frist zugunsten des Gerichts der Schweizerischen Post übergeben oder einem Post- oder Bank- konto in der Schweiz belastet worden ist (Art. 143 Abs. 3 ZPO). Massgeblich für die Fristwahrung ist damit bei inländischen Bank- überweisungen der Zeitpunkt der effektiven Kontobelastung; nicht 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 280 genügend ist, den letzten Tag der Frist im Zahlungsauftrag als Va- lutadatum einzusetzen. Mit dieser Regelung, die derjenigen in Art. 48 Abs. 4 BGG) entspricht, wird die frühere bundesgerichtliche Praxis, die beim Giroverkehr in der Regel auf den Zeitpunkt des Zahlungs- auftrags abstellte (vgl. BGE 117 Ib 220), obsolet (A DRIAN S TAEHELIN , in: T HOMAS S UTTER -S OMM /F RANZ H ASENBÖHLER / C HRISTOPH L EUENBERGER [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, 2. Auflage, Basel 2012, Art. 143 N 7; U RS H. H OFFMANN -N OWOTNY : in P AUL O BERHAMMER [Hrsg.] Kurzkom- mentar ZPO, Basel 2010, Art. 143 N 13). 2.2. Nicht erstellt ist zunächst, dass die Beschwerdeführerin 1, wie sie selbst behauptet, auf die erste Zahlungsaufforderung hin, ihrer Bank einen Zahlungsauftrag erteilt hat, den diese dann nicht aus- führte. Den Akten ist hingegen zu entnehmen, dass sich die Beschwerdeführerin 1 entsprechend ihrer eigenen Darstellung am letzten Tag der nicht erstreckbaren Nachfrist von 10 Tagen, kurz nach der Mittagszeit (vgl. Schreiben der Aargauischen Kantonal- bank, Filiale B., vom 7. Oktober 2013), zur Bankfiliale begeben hat und dort eine Zahlung mit Valutadatum 30. September 2013 in Auf- trag gegeben hat. Obwohl dieser Zahlungsauftrag von der Bank in einem "Express-Verfahren" in die Wege geleitet wurde, erfolgte die Valuta-Zahlung tatsächlich nicht mehr an diesem Tag (vgl. wiederum Schreiben der Aargauischen Kantonalbank, Filiale B., vom 7. Ok- tober 2013). Das Konto der Beschwerdeführerin 1 wurde vielmehr erst am 1. Oktober 2013 belastet (und an diesem Tag erfolgte auch die Gutschrift auf dem Konto der Gerichtskasse). Dies ergibt sich nicht nur aus der Bestätigung der Bank der Beschwerdeführerin 1, sondern auch aus den Details der ESR(=Einzahlungsschein mit Referenznummer)-Einzahlung. Daraus ist eindeutig ersichtlich, dass das Belastungsdatum der Auftraggeberin bei der beauftragten Bank ("Zahldatum") der 1. Oktober 2013 war und somit mit dem Verarbei- tungs- und dem Gutschriftsdatum (jeweils 1. Oktober 2013) überein- stimmt. Da die Zahlung des Kostenvorschusses somit dem Konto der Beschwerdeführerin 1 nicht am 30. September 2013, sondern erst am 1. Oktober 2013 belastet wurde, erfolgte die Bezahlung des Kosten- 2014 Verwaltungsrechtspflege 281 vorschusses nicht fristgerecht. Auf die Beschwerde darf damit - vorausgesetzt, es liegen keine Fristwiederherstellungsgründe vor - nicht eingetreten werden. 3. 3.1. Mit der Eingabe vom 8. Oktober 2013 stellte der Vertreter der Beschwerdeführer (sinngemäss) ein Gesuch um Wiederherstellung der Frist, "da der nicht valutagerechte Eingang nicht auf ein Versehen oder eine Unterlassung der Steuerpflichtigen erfolgt ist". 3.2. 3.2.1. Gemäss Art. 148 Abs. 1 ZPO kann das Gericht auf Gesuch einer säumigen Partei eine Nachfrist gewähren oder zu einem Termin er- neut vorladen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie kein oder nur ein leichtes Verschulden trifft. 3.2.2. Die Möglichkeit der Wiederherstellung versäumter Fristen und Termine ist ein Ventil gegen zu rigorosen prozessrechtlichen Forma- lismus zugunsten der materiellen Wahrheitsfindung und bezweckt, die Gefahren des prozessualen Formalismus abzuschwächen, wenn ein Missverhältnis zwischen der Grösse des Verschuldens und den an eine Säumnis anknüpfenden Rechtsnachteilen besteht (H OFFMANN - N OWOTNY , a.a.O., Art. 148 N 1, mit Hinweisen). Vor Inkrafttreten der (eidgenössischen) ZPO war sowohl auf Bundesebene (siehe Art. 50 BGG und Art. 33 SchKG) als auch im Kanton Aargau (§ 98 Abs. 1 aZPO) nur bei Schuldlosigkeit eine Wie- derherstellung der Frist zulässig, wobei kein Unterschied danach gemacht wurde, ob eine Frist von vornherein als Verwirkungsfrist oder nur nach Nichteinhalten einer ersten Frist nochmals, und zwar dann als Verwirkungsfrist angesetzt wurde. Demgegenüber kann nunmehr im Anwendungsbereich der ZPO die Wiederherstellung be- willigt werden, wenn die säumige Partei ohne oder nur aus leichtem Verschulden die Säumnis bewirkt hat. Das Verschulden des Vertreters, der die Säumnis verursacht hat, wird der Partei angerechnet und kann ebenfalls die Wiederherstel- 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 282 lung ausschliessen (BGE 119 II 86; S TAEHELIN , a.a.O., Art. 148 N 7). 3.3. 3.3.1. Hier hat sich die Beschwerdeführerin 1 zwar (noch) rechtzeitig zur Bezahlung des Kostenvorschusses zur Bank begeben. Sie legt dar, dass sie den Bankangestellten korrekt instruiert habe. Es ist je- doch nicht nachgewiesen, dass die Beschwerdeführerin 1 den Bankangestellten ausdrücklich instruiert hat, dass die Zahlung noch am gleichen Tag ausgeführt, d.h. dass ihr Konto unbedingt noch glei- chentags belastet werden müsse. Ihr Verschulden an der verspäteten Zahlung kann nicht mehr als leicht eingestuft werden: Zunächst hat die Beschwerdeführerin 1 nämlich die erste ihr gesetzte Zahlungsfrist ungenutzt verstreichen lassen. Sodann hat sie sich nicht etwa unmittelbar, nachdem ihr die zweite Zahlungsfrist gesetzt worden war, sondern erst am letzten Tag dieser zweiten Frist und erst am Nachmittag (vgl. Schreiben der Aargauischen Kantonalbank, Fi- liale B., vom 7. Oktober 2013) auf der Bank gemeldet und ihren Auf- trag deponiert. Wer eine erste Zahlungsfrist nicht einhält, muss sich angesichts der Ansetzung einer zweiten Zahlungsfrist und der damit ver- bundenen Androhung des Nichteintretens auf sein Rechtsmittel im Fall der verspäteten Zahlung darüber im Klaren sein, dass es nun "Ernst gilt". Wer selbst dann noch wie die Beschwerdeführerin 1 erst am letzten Tag der zweiten Frist und zudem erst am Nachmittag handelt und nicht alles Mögliche vorkehrt, um für die Einhaltung der Frist besorgt zu sein, dessen Verschulden ist nicht als leicht ein- zustufen. Dies muss auch deshalb gelten, weil es heute erheblich einfacher ist, die Frist einzuhalten (Belastung des eigenen Kontos genügt) als noch unter der früheren bundesgerichtlichen Recht- sprechung (rechtzeitige Übergabe des Datenträgers erforderlich). Wer am letzten Tag der zweiten ihm gesetzten Frist handelt, der muss damit rechnen, dass es - aus welchen Gründen auch immer (fehler- haftes Handeln der Hilfsperson, EDV-Probleme, Übermittlungs- schwierigkeiten etc.) - zu Verzögerungen kommt, welche zur Nicht- einhaltung der gesetzten Zahlungsfrist führen. Entsprechend muss er 2014 Verwaltungsrechtspflege 283 selbst die erforderlichen Vorkehrungen treffen, damit sein Konto auch wirklich noch innerhalb der Frist belastet wird. Dies muss hier umso mehr gelten, als der Beschwerdeführerin 1 neben der Mög- lichkeit der Banküberweisung mit der Bareinzahlung bei der Post ein allseits bekanntes Mittel zur Verfügung gestanden hätte, mit dem sie ohne weiteres die Frist hätte einhalten können (Adresse der Kantonalbank B.: A.strasse 23; Adresse der nächsten Poststelle: A.strasse 11). Wenn sie dennoch die mit der sehr knappen Auslösung einer Banküberweisung am Nachmittag des letzten Tages der zweiten ihr gewährten Frist verbundenen Risiken in Kauf nahm, so kann ihr Verschulden im Hinblick auf die Nichteinhaltung der Zahlungsfrist jedenfalls nicht mehr als leicht eingestuft werden. Dementsprechend ist keine Fristwiederherstellung zu gewähren und auf die Beschwerde nicht einzutreten.
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2004 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 239 VII. Fürsorgerische Freiheitsentziehung 58 Örtliche Zuständigkeit bei interkantonalem Sachverhalt; Notfall- Einweisung eines ausserkantonalen Beschwerdeführers durch einen aargauischen Bezirksarzt in eine ausserkantonale Klinik. - Anordnung der fürsorgerischen Freiheitsentziehung grundsätzlich durch Behörde am Wohnsitz, aber bei Gefahr im Verzug auch durch die Behörde am Aufenthaltsort der betroffenen Person (Erw. C/b/aa). - wenn Wohnsitz und Aufenthaltsort, wo fürsorgerische Freiheitsent- ziehung verfügt wurde, in verschiedenen Kantonen liegen, beurteilt sich die örtliche Zuständigkeit bei Anfechtung einer Notfalleinweisung nach dem Ort des Aufenthalts und der einweisenden Behörde (Erw. C/b/bb-ee). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 17. Februar 2004 in Sachen M.B. gegen Verfügung des Bezirksarztes B. Aus den Erwägungen C. a) Die Beschwerde richtet sich gegen die Einweisungsverfü- gung des Bezirksarztes B., einer aargauischen Behörde. (...) b) aa) Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz in Zug. Die Klinik O., in die der Beschwerdeführer gegen seinen Willen einge- wiesen wurde, befindet sich ebenfalls im Kanton Zug. Die örtliche Zuständigkeit des Bezirksarztes B. zur Anordnung einer fürsorgeri- schen Freiheitsentziehung gegenüber dem Beschwerdeführer stützte sich auf Art. 397 b Abs. 1 ZGB, wonach grundsätzlich eine Behörde am Wohnsitz, aber bei Gefahr im Verzug auch die Behörde am Auf- enthaltsort der betroffenen Person für den Entscheid zuständig ist (vgl. dazu AGVE 1990, S. 230 ff.; Thomas Geiser, in: Basler Kom- mentar, ZGB I, 2. Auflage, Basel/Genf/München 2002, Art. 397 b N 4 ff.; Eugen Spirig, in: Zürcher Kommentar, Art. 397 a - 397 f 2004 Verwaltungsgericht 240 ZGB, Zürich 1995, Art. 397 b N 23 ff.). Wenn ein interkantonaler Sachverhalt vorliegt, indem der Wohnsitz einerseits und der Aufent- haltsort, wo die fürsorgerische Freiheitsentziehung verfügt wurde, andererseits in verschiedenen Kantonen liegen, bestehen in Recht- sprechung und Lehre Meinungsdifferenzen darüber, welcher Richter für die gerichtliche Beurteilung (Art. 397 d ZGB) örtlich zuständig ist. bb) Das Verwaltungsgericht hat in vergleichbaren Fällen seine Zuständigkeit schon bejaht, jedenfalls wenn die Einweisung in eine aargauische Anstalt erfolgte (VGE I/146 vom 2. Oktober 2001 [BE.2001.00326] in Sachen R.P., S. 5; VGE I/29 vom 5. Februar 2002 [BE.2002.00022] in Sachen P.H., S. 3 ff.). Ebenfalls für die Zuständigkeit des Richters am Aufenthaltsort sprechen sich Geiser (Geiser, a.a.O., Art. 397 d N 9) sowie offenbar der von Spirig (Spirig, a.a.O., Art. 397 e N 125) zitierte neuere Entscheid der Zürcher Psychiatrischen Gerichtskommission aus. Im neuesten Präjudiz des Verwaltungsgerichts (VGE I/108 vom 8. Juli 2003 [BE.2003.00202] in Sachen P.S., S. 3 f.) wurde demge- genüber nach einem Meinungsaustausch mit dem Wohnsitzrichter entschieden, zuständig sei der Richter am Wohnsitz der betroffenen Person (gl. M. Spirig, a.a.O., Art. 397 e N 125 mit Hinweis auf einen älteren Zürcher sowie einen Zuger Entscheid) Die Begründungen für die eine und die andere Auffassung sind, soweit überhaupt vorhanden, spärlich. cc) Im interkantonalen Verhältnis geht es darum, mittels einer klaren Ordnung der örtlichen Zuständigkeit positive und negative Zuständigkeitskonflikte zu vermeiden (Geiser, a.a.O., Art. 397 d N 9). Eine ausdrückliche Regelung, die auf Bundesebene oder allenfalls mittels Konkordat erfolgen müsste, um allgemeine Geltung zu besitzen, fehlt allerdings (und in BGE 122 I 18 ff., wo sich das Bundesgericht mit Fragen der örtlichen Zuständigkeit befasste, hatte es nur über die innerkantonale Zuständigkeitsordnung zu befinden). Dies dürfte darin begründet sein, dass das Problem von beschränkter Tragweite ist. Die subsidiäre Notfallzuständigkeit am Aufenthaltsort zur Anordnung einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung bleibt nicht für unbeschränkte Zeit bestehen; vielmehr ist eine gestützt darauf 2004 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 241 erlassene Verfügung möglichst umgehend durch eine ordentliche Verfügung der zuständigen Behörde im Wohnsitzkanton abzulösen, wenn die fürsorgerische Freiheitsentziehung aufrecht erhalten blei- ben soll (erwähnter VGE vom 5. Februar 2002, S. 8; die Verpflich- tung der Behörde am Aufenthaltsort, die vormundschaftliche Be- hörde am Wohnsitz über die Notfalleinweisung zu benachrichtigen [Art. 397 c ZGB], drängt sich - in Analogie zu Art. 315 Abs. 3 ZGB [Kindesschutzmassnahmen] - auch dann auf, wenn die eingewiesene Person nicht entmündigt ist); mit der neuen Verfügung durch die Behörde am Wohnsitz entfällt dann die Notfalleinweisung als An- fechtungsobjekt. Nichtsdestoweniger gilt es, hinsichtlich der An- fechtung einer am Aufenthaltsort erfolgten fürsorgerischen Freiheits- entziehung bei interkantonalem Sachverhalt eine Lösung zu suchen, die möglichst allgemein anerkannt und befolgt werden kann. dd) Als mögliche Anknüpfungspunkte kommen der Wohnsitz, der Aufenthaltsort, der Ort der Anstalt und der Sitz (Ort) der einwei- senden Behörde in Frage (vgl. Spirig, a.a.O., Art. 397 e N 125 f.). Dabei kann im hier interessierenden Fall der Ort der entscheidenden Behörde dem Ort des Aufenthalts gleichgesetzt werden. Praktisch gesehen wird nur eine Behörde am Ort des tatsächlichen Aufenthalts (vgl. dazu Geiser, a.a.O., Art. 397 b N 6, wonach an den Aufent- haltsort keine hohen Anforderungen gestellt werden dürfen) dazu kommen, eine fürsorgerische Freiheitsentziehung gemäss Art. 397 b Abs. 1 letzter Teil ZGB anzuordnen, auch wenn rein theoretisch etwas anderes möglich sein mag. Ungeachtet dessen, dass in der deutschen Fassung von Art. 397 d ZGB nicht unbedingt die für Rechtsmittel übliche Terminologie (Beschwerde bzw. Rekurs erheben) gewählt wurde (demgegenüber französisch "appeler au juge"), handelt es sich bei der Anrufung des Richters um ein eigentliches Rechtsmittel- verfahren; Voraussetzung ist ein anfechtbarer Entscheid, der innert (Rechtsmittel-)Frist anzufechten ist. Es wäre eine absolut ausserge- wöhnliche Regelung, wenn der Entscheid der Behörde eines be- stimmten Kantons an das Gericht eines anderen Kantons weiter- gezogen werden könnte. Sie könnte nicht durch die kantonalen Gesetzgeber, denen die Ordnung des Verfahrens zusteht (Art. 397 e 2004 Verwaltungsgericht 242 ZGB), getroffen werden, denn diese sind nicht befugt, eine ausserkantonale Behörde als richterliche Instanz einzusetzen (BGE 122 I 25; vgl. auch Spirig, a.a.O., Art. 397 f N 51), sondern wäre nur auf Bundes- oder Konkordatsebene möglich. Dass, wie von Spirig vertreten (Spirig, a.a.O., Art. 397 e N 125), eine derart exzeptionelle Regelung bereits bestehen soll, also vom Bundesge- setzgeber stillschweigend getroffen worden wäre, ist auszuschliessen. Für das Verwaltungsgericht sind auch keine genügenden sachli- chen Gründe für diese Lösung ersichtlich. Die grössere Nähe des Wohnsitzrichters stimmt nur, wenn in eine Anstalt im Wohnsitzkan- ton eingewiesen wurde. Abgesehen davon verhindern die kleinräu- migen Verhältnisse in der Schweiz, dass die örtliche Distanz zu spür- baren Verzögerungen (die es zu vermeiden gilt) führt; solche können ebenso gut entstehen, wenn der Wohnsitzrichter die Umstände der Einweisung in einem anderen Kanton näher abklären muss. Der Zuständigkeit des Richters am Ort der Anstalt (de lege fe- renda von Spirig, a.a.O., Schlussbemerkungen N 10, favorisiert) haften ebenfalls Nachteile an. Personen aus einem Kanton, der keine eigene psychiatrische Anstalt führt, würden damit generell ihrem "ordentlichen" (Wohnsitz-)Richter entzogen. Den Richter am Ort des Aufenthalts und der einweisenden Be- hörde als zuständig zu bezeichnen, passt am besten zu den bestehen- den Strukturen, ohne dass dafür erkennbare Nachteile in Kauf ge- nommen werden müssten. Für den Richter, wenn er anstelle des Ge- setzgebers eine Norm aufstellen muss (vgl. Art. 1 Abs. 2 ZGB), drängt sich deshalb diese Lösung auf. ee) Zusammenfassend ergibt sich, dass die fürsorgerische Frei- heitsentziehung durch eine Behörde am Aufenthaltsort bei interkan- tonalen Sachverhalten beim zuständigen Gericht dieses Kantons anzufechten ist und nicht beim Gericht des Wohnsitzkantons.
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2007 Verwaltungsgericht 92 [...] 28 "Ordnungsbusse" wegen Verletzung von Verfahrenspflichten im Steuer- recht (§ 235 StG). - Verfahren. Aufgaben des Kantonalen Steueramtes als Anklagebehör- de (Erw. 2-4). - Rückweisung des Verfahrens durch das Steuerrekursgericht an die Anklagebehörde (Erw. 5-6). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 2. Mai 2007 in Sachen Kantonales Steueramt gegen Steuerrekursgericht und I.M. (WBE.2006.321). Aus den Erwägungen 1. Wer trotz Mahnung einer Verfahrenspflicht nach StG vor- sätzlich oder fahrlässig nicht nachkommt, namentlich die Steuerer- klärung oder die dazu verlangten Beilagen nicht einreicht, wird mit Busse bis zu Fr. 1'000.--, in schweren Fällen oder bei Rückfall bis zu Fr. 10'000.-- bestraft (§ 235 Abs. 1 StG; übereinstimmend mit Art. 55 StHG). 2007 Kantonale Steuern 93 2. Die Verfahrensregelung erfolgte in enger Anlehnung an die- jenige der StPO, insbesondere an das dort in den §§ 194 ff. vorgese- hene Strafbefehlsverfahren. Das KStA ist zur Ermittlung und Unter- suchung des Sachverhalts zuständig (§§ 242 und 244 Abs. 1 StG). Nach Abschluss der Untersuchung erlässt es einen Strafbefehl oder stellt das Strafverfahren ein (§ 245 Abs. 1 StG); ein Strafverfahren wegen Verletzung von Verfahrenspflichten kann ohne vorgängige Untersuchung direkt durch Erlass eines Strafbefehls eingeleitet wer- den (§ 243 Abs. 2 StG [neu, aufgrund der Änderung vom 22. August 2006, Abs. 3]). Erheben die angeschuldigte Person oder der Gemein- derat gegen den Strafbefehl innert Frist Einsprache, wird dieser auf- gehoben und fällt dahin (§ 247 Abs. 1 StG). Ist Einsprache erhoben worden, so kann das KStA weitere Untersuchungen durchführen und bei veränderter Sach- oder Rechtslage einen neuen Strafbefehl erlas- sen (§ 247 Abs. 2 StG). Hält das KStA nach wie vor eine Bestrafung für richtig, erhebt es Anklage beim Steuerrekursgericht, wobei der Strafbefehl als Anklageschrift gilt (§ 247 Abs. 3 und 4 StG). 3./3.1. Das KStA macht geltend, eine Rückweisung der Anklage zwecks Ergänzung des Sachverhalts sei gemäss Lehre, Recht- sprechung und Praxis der aargauischen Strafgerichte unzulässig. Das Steuerrekursgericht hätte, da die Prozessvoraussetzungen gegeben seien, einen Sachentscheid fällen müssen. Allfällige weitere Unter- suchungshandlungen hätte das Steuerrekursgericht selbst vornehmen müssen, da das KStA mangels Zuständigkeit nicht befugt sei, nach Erhebung der Anklage weiterhin als Untersuchungsbehörde tätig zu sein; diese Kompetenz komme ihm ausschliesslich im Strafbefehls- verfahren zu. Das Steuerrekursgericht bringt dagegen vor, bei nur ungenü- gend abgeklärtem Sachverhalt gehe es nicht an, dass sich das KStA damit begnüge, Anklage zu erheben und weitere Sachverhaltsabklä- rungen dem Steuerrekursgericht zu überlassen. Die Beurteilung, ob das Verfahren einzustellen, ein neuer Strafbefehl zu erlassen oder Anklage zu erheben sei, könne nur korrekt erfolgen, wenn das KStA von seiner Befugnis Gebrauch mache, weitere Untersuchungen vor- zunehmen. 2007 Verwaltungsgericht 94 3.2. In einem ersten Schritt ist somit zu untersuchen, ob und inwieweit das KStA verpflichtet ist, vor der Anklageerhebung zu- sätzliche Abklärungen zu tätigen (hinten Erw. 4). Wird eine Untersu- chungspflicht in diesem Verfahrensstadium bejaht, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob die Rückweisung der Anklage zur weiteren Beweiserhebung zulässig ist, falls das KStA dieser Pflicht nicht bzw. nicht ausreichend nachgekommen ist (hinten Erw. 5). 4./4.1. Nach Eingang der Einsprache stehen dem KStA drei Möglichkeiten für das weitere Vorgehen zur Verfügung: der Erlass eines neuen Strafbefehls, die Einstellung des Verfahrens oder die Anklageerhebung (§ 247 Abs. 3 StG). Die Entscheidung, welcher Weg einzuschlagen ist, hängt davon ab, ob sich die Sach- oder Rechtslage seit dem Erlass des Strafbefehls verändert hat (§ 247 Abs. 2 StG). Liegt eine begründete Einsprache vor, die berechtigte Zwei- fel aufwirft, ob der Strafbefehl in tatsächlicher oder rechtlicher Hin- sicht zutreffend ist, kann schon über das weitere Vorgehen nicht ohne zusätzliche Abklärungen entschieden werden. Das KStA muss also zunächst weitere Untersuchungen - im Rahmen der ihm zur Verfü- gung stehenden Untersuchungsmittel (siehe dazu § 244 Abs. 1 Satz 2 StG; Markus Kühni, in: Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, Band 2, 2. Aufl., Muri/Bern 2004, Vorbem. zu §§ 242-254 N 9) - an die Hand nehmen. Dies gilt im Speziellen dann, wenn das KStA das Strafverfahren ohne vorgängige eigene Untersuchungshandlungen di- rekt mit dem Strafbefehl eingeleitet hat (§ 243 Abs. 2 StG [ur- sprüngliche Fassung]). Dass § 247 Abs. 2 StG als "Kann-Vorschrift" konzipiert ist, steht dem nicht entgegen, wird hier doch davon ausge- gangen, dass bereits ein Untersuchungsverfahren voranging; zudem können sich weitere Abklärungen erübrigen, wenn die Einsprache ohne Begründung (siehe dazu Kühni, a.a.O., § 247 N 7) erhoben wurde. Erst wenn sich nach durchgeführter Untersuchung der Sachver- halt so bestätigt, wie er von der Veranlagungsbehörde zur Anzeige gebracht wurde, und sich die Bemessung der Busse im Hinblick auf das konkrete Verschulden als korrekt erweist, steht für das KStA rechtsgenüglich fest, dass weder ein neuer, korrigierter Strafbefehl erlassen noch das Verfahren eingestellt werden muss, sondern beim 2007 Kantonale Steuern 95 Steuerrekursgericht Anklage zu erheben ist (etwas abweichend Kühni, a.a.O., § 247 N 10). Da es dabei immer noch um das Verfah- ren vor der Anklageerhebung geht, kann sich das KStA seiner Unter- suchungspflicht nicht unter Berufung auf das Unmittelbarkeitsprinzip entledigen. Allerdings steht es dem Steuerrekursgericht im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 28 Abs. 1 StPO; vgl. dazu auch Hau- ser/Schweri/Hartmann, Schweizerisches Strafprozessrecht, 6. Aufl., Basel/Genf/München 2005, S. 225 f., S. 232 f.) nachher offen, die seiner Ansicht nach wichtigeren Beweise (vgl. § 27 StPO) allenfalls nochmals selber abzunehmen. 4.2. Die Abklärung und Würdigung der mit der Einsprache er- hobenen Einwände durch das KStA muss für den Angeklagten und das Gericht ersichtlich werden. Der Angeklagte hat Anspruch zu er- fahren, gegen welche Vorwürfe er sich verteidigen muss und warum das KStA als Anklagebehörde seine erhobenen Einwände für unzu- reichend hält. Bei einem Verfahren, das direkt mit dem Strafbefehl eröffnet wird, ist es fast unausweichlich, dass dessen notwendiger Inhalt (§ 246 Abs. 1 StG) nicht immer mit der erforderlichen Voll- ständigkeit und Genauigkeit festgehalten werden kann. Stellt sich bei der Abklärung heraus, dass der Strafbefehl ergänzungsbedürftig ist (aber hinsichtlich der ausgesprochenen Busse korrekt erscheint, so- dass kein neuer Strafbefehl zu erlassen ist), muss diese Ergänzung anlässlich der Überweisung an das Gericht vorgenommen werden. Ansatzweise enthält die "Würdigung" in der Überweisungsverfügung des KStA die angesprochenen Begründungen und Ergänzungen; sie ist jedoch von vornherein ungenügend, wenn sie sich (wie es häufig zutrifft) auf die floskelhafte Wiedergabe von § 247 Abs. 3 StG, ohne erkennbaren Bezug zum konkreten Fall, beschränkt. Im Übrigen sieht § 247 Abs. 4 Satz 2 StG ausdrücklich vor, dass der Anklageschrift die Beweismittel beizulegen sind. Das betrifft zunächst diejenigen Beweismittel, die das KStA im Rahmen der Verifizierung der mit der Einsprache erhobenen Einwände abge- nommen hat. Beweismittel, die es nicht selber erheben darf, hat es zumindest im Sinne einer Beweisofferte in der Anklageschrift aufzu- führen. 2007 Verwaltungsgericht 96 5. Die Rückweisung an die Anklagebehörde zur Ergänzung des Sachverhalts bzw. - präziser formuliert - zur Beweisergänzung sieht weder das StG in § 251 i.V.m. § 197 noch die StPO in § 161 Abs. 1, wonach das Gericht nach durchgeführter Hauptverhandlung und vor der Urteilsfällung noch die Erhebung weiterer Beweise beschliessen kann, ausdrücklich vor (anders etwa der Kanton Zürich in § 183 Abs. 2 StPO/ZH). Das Gleiche gilt für die Rückweisung zur Verbesserung der Anklage, wenn diese den gesetzlichen Anforderungen nicht ent- spricht (anders auch hier der Kanton Zürich in § 182 Abs. 3 StPO/ZH). Sowohl die Rückweisung zur Beweisergänzung als auch diejenige zur Anklageverbesserung stehen in einem Spannungsfeld zum Anklagegrundsatz, welcher in personeller Hinsicht eine Tren- nung von anklagender und richterlicher Funktion verlangt (Hau- ser/Schweri/Hartmann, a.a.O., S. 222 f.). Eine Rückweisung darf im Ergebnis nicht dazu führen, dass dem Gericht die Rolle einer vorge- setzten, Beweisanordnungen treffenden Untersuchungsbehörde zu- kommt. Dieser Gefahr wird dadurch Einhalt geboten, dass die An- klage den zu beurteilenden Lebensvorgang umreisst und für alle In- stanzen fixiert (Immutabilitätsprinzip), sodass die Erhebung zusätzli- cher oder ergänzender Beweise nur in dem von der Anklage ge- steckten Rahmen zulässig ist (ZR 102/2003, S. 271). Richtig ist, dass mit Einreichung der Anklageschrift die Herrschaft über das Verfah- ren von der Anklagebehörde auf das Gericht übergeht und das Ge- richt ab diesem Zeitpunkt den Angeklagten bei gegebenen Prozess- voraussetzungen entweder zu verurteilen oder freizusprechen hat (Kühni, a.a.O., § 247 N 13; Mark Schwitter, Der Strafbefehl im aar- gauischen Strafprozess, Aarau 1996, S. 166, 367, 369, 377; Hau- ser/Schweri/Hartmann, a.a.O., S. 226). Dessen ungeachtet wird in der Praxis eine Rückweisung an die Anklagebehörde zwecks Verbes- serung der Anklage, wenn diese den gesetzlichen Erfordernissen nicht entspricht, auch ohne ausdrückliche Gesetzesvorschrift als zu- lässig erachtet (BGE 133 IV 94 ff.; AGVE 1994, S. 136). In gleicher Weise erscheint es zulässig, die Anklage zur weiteren Abklärung zu- rückzuweisen, wenn es darum geht, die nach der gesetzlichen Ord- nung vom KStA zu erhebenden Beweise abzunehmen (vorne Erw. 4; vgl. auch StE 2001, B 101.8 Nr. 17; Richner/Frei/Kaufmann, Kom- 2007 Kantonale Steuern 97 mentar zum harmonisierten Züricher Steuergesetz, § 254 N 3; obiter dictum im VGE II/74 vom 16. November 2005 [WBE.2005.324], S. 4 f.). Davon geht letztlich auch das KStA aus, wobei seiner Auf- fassung nach eine Rückweisung aber ausschliesslich "im ordentli- chen Strafverfahren" - d.h. wenn kein Strafbefehlsverfahren voraus geht - möglich ist. Dem kann nicht zugestimmt werden; die Erhe- bung der Einsprache beseitigt rückwirkend den Strafbefehl, und der nachfolgende Strafprozess verläuft verfahrensmässig genau gleich, wie wenn zuvor kein Strafbefehlsverfahren durchgeführt, sondern di- rekt Anklage erhoben worden wäre (Schwitter, a.a.O., S. 347, 377). Da der Anklage nicht nur die Funktion zukommt, den Prozessgegen- stand zu umreissen, sondern darüber hinaus dem Angeklagten eine sachgerechte Verteidigung zu ermöglichen und dem Gericht die für die Durchführung des Verfahrens notwendigen Informationen zu vermitteln, muss die Rückweisung bereits vor der Durchführung der Hauptverhandlung zulässig sein. Dies dient der Prozessökonomie und verhindert gleichzeitig, dass es zu einem (materiell ungerecht- fertigten) Freispruch kommt, nur weil die Anklagebehörde eine un- zureichende Anklageschrift eingereicht hat. 6./6.1. In seiner Einsprache brachte der Beschwerdegegner vor, er habe persönlich bei der Gemeinde(-verwaltung) O. (wohl beim Gemeindesteueramt) vorgesprochen und um Fristerstreckung er- sucht, welche ihm auch formlos bewilligt worden sei. Das Gemein- desteueramt O. nahm in seiner ersten Vernehmlassung ans KStA zu diesem Einwand nicht Stellung; es beschränkte sich auf den allge- meinen Hinweis, dass das Mahnverfahren ordnungsgemäss durchge- führt worden sei und nun die angedrohten Säumnisfolgen eintreten würden. Erst nachdem sich der Beschwerdegegner mit dem gleichen Vorbringen nochmals vernehmen liess und das KStA ausdrücklich eine Beantwortung verlangte, führte das Gemeindesteueramt aus, dass sich in den Steuerunterlagen weder Notizen über ein Fristver- längerungsgesuch noch über persönliche Besuche des Steuerpflichten befänden; zudem seien im Steuerprogramm keine Fristverlängerun- gen registriert worden. 6.2. Selbst die zweite Vernehmlassung des Gemeindesteueram- tes ist vage gehalten und weicht der Beantwortung der entscheiden- 2007 Verwaltungsgericht 98 den Frage, ob der Beschwerdegegner persönlich vorgesprochen, um Fristerstreckung ersucht und diese mündlich zugesagt erhalten habe, aus. Das Gemeindesteueramt scheint einfach auf Grundlage der Ak- ten auszuschliessen, dass sich der Beschwerdegegner meldete und um Fristerstreckung ersuchte. Mit dem Hinweis auf das Fehlen ent- sprechender Notizen wird jedoch nicht widerlegt, dass der Be- schwerdegegner doch persönlich bei der Gemeindeverwaltung vor- gesprochen haben könnte. Es hätte mindestens bei den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die im fraglichen Zeitraum Schalterdienst hat- ten, entsprechend nachgefragt werden müssen; zudem hätte ausge- führt werden müssen, ob über mündliche Fristerstreckungsgesuche und deren Beantwortung ausnahmslos Aktenvermerke angelegt wur- den. Wenn das Gemeindesteueramt ausgeführt hätte, nähere Abklä- rungen seien nicht mehr möglich, hätte das KStA auf dieser Grund- lage und allenfalls unter persönlicher Anhörung die Glaubwürdigkeit der Aussage des Beschwerdegegners prüfen und beurteilen müssen. 6.3. Ob der Straftatbestand überhaupt erfüllt und ob ein Ver- schulden des Beschwerdeführers zu bejahen ist, hängt ganz entschei- dend davon ab, ob er bei der Gemeindeverwaltung vorsprach und Fristerstreckung erhielt (oder die Auskunft in guten Treuen so ver- stehen durfte). Der Strafbefehl muss den massgeblichen Sachverhalt ausreichend darlegen und er muss das Verschulden feststellen (§ 246 Abs. 1 lit. b und d StG). Da weder der Strafbefehl noch die Überwei- sungsverfügung entsprechende Ausführungen des KStA enthielten, war die Anklage unvollständig und ergänzungsbedürftig. Wie ohne weiteres erkennbar, meinte das Steuerrekursgericht dies mit der ver- langten "Ergänzung des Sachverhalts". Die Zurückweisung zur Er- gänzung der Anklage, verbunden mit dem Hinweis, dass dazu noch zusätzliche Abklärungen erforderlich seien, war somit korrekt. 7. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Vor- gehen der Vorinstanz, die Anklage ohne Durchführung einer Ver- handlung zur Ergänzung der Anklage zurückzuweisen, korrekt war. Die Beschwerde des KStA ist entsprechend abzuweisen.
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2017 Verwaltungsrechtspflege 263 [...] 47 Beschwerdebefugnis/Legitimation Beschwerdebefugnis der (Einwohner-)Gemeinde in Bausachen; Präzisie- rung der Rechtsprechung bezüglich Beschwerdeführung "pro Bauherr- schaft" 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 264 Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 23. Novem- ber 2017, i.S. Einwohnergemeinde A. gegen Gemeinderat A. und Departement Bau, Verkehr und Umwelt (Vorinstanzen) sowie B. und C. (Baugesuchsteller) (WBE.2017.138) Aus den Erwägungen 2. 2.1. Gemäss § 42 VRPG ist zur Beschwerde befugt a) wer ein schutzwürdiges eigenes Interesse an der Aufhebung oder der Ände- rung des Entscheids hat, b) jede andere Person, Organisation oder Behörde, die durch Bundesrecht oder kantonales Recht zur Be- schwerde ermächtigt ist. 2.2. (...) 2.3. 2.3.1. Nach der Praxis des Verwaltungsgerichts kann sich auch eine (Einwohner-)Gemeinde auf § 42 lit. a VPRG (bzw. früher § 38 Abs. 1 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 9. Juli 1968 [aVRPG]) berufen. Gleich wie beim privaten Beschwerdeführer ist vorausgesetzt, dass sie ein schutzwürdiges eigenes Interesse geltend machen kann. Die öffentlichen Interessen einer (Einwohner-)Ge- meinde sind eigene, wenn sie dem spezifischen lokalen Lebens- bereich entspringen; gemeint sind jene Belange, welche die Gemeindeeinwohner erheblich anders als die Kantonseinwohner im Allgemeinen berühren (vgl. AGVE 2016, S. 324; 1989, S. 305 f.; 1988, S. 373; 1986, S. 322; VGE III/98 vom 30. Juni 2017 [WBE.2016.466, WBE.2016.470], S. 5; VGE III/73 vom 31. Mai 2017 [WBE.2017.45], S. 4; VGE III/18 vom 2. März 2009 [WBE.2006.430], S. 4). Zudem ist Gemeinden die Beschwerde- befugnis nach Massgabe von Art. 89 Abs. 2 lit. c i.V.m. Art. 111 Abs. 1 BGG einzuräumen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts ist die Gemeinde (bzw. der Gemeinderat) in Bausachen nur dann zur Be- 2017 Verwaltungsrechtspflege 265 schwerde befugt, wenn die kantonale Instanz entgegen der gemein- derätlichen Verfügung eine Baubewilligung erteilt hat - weil dies zu Veränderungen in der Gemeinde führt, welche der Gemeinderat für unzulässig hält - (vgl. AGVE 2016, S. 324; 1989, S. 306; 1986, S. 322; VGE III/111 vom 24. August 2017 [WBE.2017.132], S. 4; VGE III/98 vom 30. Juni 2017 [WBE.2016.466, WBE.2016.470], S. 5; VGE III/73 vom 31. Mai 2017 [WBE.2017.45], S. 4; VGE III/5 vom 23. Januar 2014 [WBE.2013.113], S. 3; VGE III/18 vom 2. März 2009 [WBE.2006.430], S. 5; M ICHAEL M ERKER , Rechts- mittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, Kommentar zu den §§ 38- 72 [a]VRPG, Diss., Zürich 1998, § 38 N 206), nicht hingegen, wenn eine Baubewilligung des Gemeinderats aufgehoben wird, weil dann die Situation der Gemeinde, wenn der Baugesuchsteller auf ein Rechtsmittel verzichtet, nicht anders ist, als wenn überhaupt kein Baugesuch eingereicht worden wäre (AGVE 2016, S. 324 f.; 1989, S. 306 mit diversen Hinweisen; VGE III/98 vom 30. Juni 2017 [WBE.2016.466, WBE.2016.470], S. 6; VGE III/73 vom 31. Mai 2017 [WBE.2017.45], S. 4 f.; M ERKER , a.a.O., § 38 N 206). Begrün- det wurde letzteres damit, dass selbst wenn die Baubewilligung im Beschwerdeverfahren erteilt werde, der Gemeinderat keine Mittel habe, die Ausführung der Baute durchzusetzen; dies hänge völlig vom Willen des Baugesuchstellers ab (bei dem angenommen werden könne, dass er selbst ein Rechtsmittel ergreife, wenn er fest entschlossen sei zu bauen, so dass es in dieser Situation gar keiner ei- genen Beschwerdelegitimation der Gemeinde bedürfe). Es bleibe deshalb immer ungewiss, ob die Gemeinde die angestrebten Auswirkungen ihrer Beschwerde überhaupt erreichen könne. Ausser- dem habe sie, wenn sie die Bautätigkeit fördern wolle, dies durch generell anwendbare und wirksame Massnahmen zu tun. Die beson- ders intensive Unterstützung eines Bauwilligen im Einzelfall - auch in prozessualer Hinsicht - erfülle diese Voraussetzung nicht; sie sei nicht allgemein vorgesehen und könne es auch nicht sein, weil dies darauf hinausliefe, dass die Gemeinde in jedem Fall prozessiere, wenn sie vor der Beschwerdeinstanz nicht recht erhalten habe, also letztlich aus reiner Rechthaberei. Zudem bestünde bei derartigem 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 266 Handeln im Einzelfall die erhebliche Gefahr objektiv nicht be- gründbarer Ungleichbehandlung (AGVE 2016, S. 325; 1989, S. 307; VGE III/73 vom 31. Mai 2017 [WBE.2017.45], S. 5). An der genannten Rechtsprechung ist grundsätzlich festzuhalten (siehe zum Ganzen z.B. auch M ICHAEL P FLÜGER , Die Legitimation des Gemeinwesens zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angele- genheiten, Diss., Zürich/St. Gallen 2013, Rz. 679 f. sowie M ICHAEL P FLÜGER , Die Beschwerdebefugnis von Gemeinwesen in der berni- schen Verwaltungsrechtpflege, in: BVR 2013, S. 220). Eine Aus- nahme gilt allerdings in Fällen, in denen die Gemeinde "pro Bauherr- schaft" neben dieser eine Beschwerde erhebt. Ein Verzicht der Bau- herrschaft auf das Bauvorhaben kann dann nicht angenommen wer- den (vgl. P FLÜGER , Die Legitimation des Gemeinwesens zur Be- schwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, a.a.O., Rz. 681). Voraussetzung ist allerdings, dass die (Einwohner-)Gemeinde eine Verletzung der Gemeindeautonomie geltend macht. In diesen Fällen ist sie als Trägerin hoheitlicher Gewalt betroffen und auch dann zur Beschwerde befugt, wenn eine Baubewilligung des Gemeinderats aufgehoben wird. Ob ihr im betreffenden Bereich tatsächlich Autonomie zusteht, ist nach konstanter bundesgerichtlicher Recht- sprechung nicht eine Frage des Eintretens, sondern der materiellen Beurteilung (vgl. VGE III/98 vom 30. Juni 2017 [WBE.2016.466, WBE.2016.470], S. 6 mit Hinweis auf BGE 140 II 380; 135 I 45; 124 I 226; Urteil des Bundesgerichts vom 7. Dezember 2015 [1C_465/2015], Erw. 1.2; Urteil des Bundesgerichts vom 12. November 2013 [1C_180/2013], Erw. 1.2; Urteil des Bundesge- richts vom 4. September 2001 [1P.678/2000, 1P.682/2000], Erw. 2c; ferner: Thurgauische Verwaltungsrechtspflege [TVR] 2016 Nr. 8, BR 2017, S. 313). 2.3.2. Im konkreten Fall führt nicht nur die Beschwerdeführerin, son- dern auch die Bauherrschaft gegen den vorinstanzlichen Entscheid Beschwerde. Die Beschwerde der Bauherrschaft wird im Parallelver- fahren WBE.2017.128 beurteilt. Die Beschwerde der Beschwerde- führerin richtet sich "pro Bauherrschaft", und die Beschwerde- führerin macht u.a. explizit geltend, die Vorinstanz habe die Gemein- 2017 Verwaltungsrechtspflege 267 deautonomie (§ 106 KV; Art. 50 BV) verletzt. Unter diesen Umstän- den ist die Beschwerdeführerin zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde zuzulassen (siehe Erw. 2.3.1). Ob ihr im Zusammenhang mit der gerügten Interessenabwägung tatsächlich Autonomie zusteht und falls ja, ob diese durch die Vorinstanz verletzt wurde, ist eine Frage der materiellen Beurteilung.
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2002 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 229 [...] 65 Legitimation im Zusammenhang mit der Einreichung eines Baugesuchs. Neuerstellung einer Baute für die Heilpädagogische Sonderschule in der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen (Grenzabstand, Gebäudehöhe, Parkplatzstellungspflicht). - Analoge Anwendung der Legitimationsbestimmungen (§ 38 Abs. 1 VRPG) bei der Beurteilung des Anspruchs, ein Baubewilligungsver- fahren in Gang zu setzen (Erw. I/2). - Anwendung einer Nutzungsbestimmung, gemäss welcher die Bau- weise vom Gemeinderat im Einzelfall bestimmt wird, als Problem rechtssatzmässiger Verwaltung (Erw. II/2/a, b). - Massgebende Referenzzone (Erw. II/2/c/aa). - Bestimmungen, welche den grossen Grenzabstand regeln, sind auf Wohnnutzungen im engern Sinne bezogen und auf eine Schulbaute nicht anwendbar (Erw. II/2/c/bb). - Fehlendes Interesse, bezüglich der Gebäudehöhe von den Referenz- massen abzuweichen (Erw. II/2/c/cc). - Parkplatzstellungspflicht: Rechtsgrundlagen (Erw. II/3/a); Bedarf an Parkfeldern gemäss der VSS-Norm 640'290 (mit Beilage) vom Mai 1993 (Erw. II/3/b); Anordnung der Autoabstellplätze unter Berück- sichtigung der Mehrfachnutzungsmöglichkeiten, der "Nützlichkeit" der Distanz im Sinne von § 55 Abs. 1 Satz 2 BauG, der Abstandspro- blematik und der Verkehrssicherheit (Erw. II/3/c/aa, cc, ee, ff). - Zulässigkeit der Behebung eines Parkplatzmankos mittels einer Ne- benbestimmung in der Baubewilligung (Erw. II/3/c/bb). - Keine Notwendigkeit einer rechtlichen Sicherung von Parkplätzen gemäss § 55 Abs. 1 Satz 2 BauG auf einem Grundstück des kommu- nalen Verwaltungsvermögens (Erw. II/3/c/dd). 2002 Verwaltungsgericht 230 Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 8. März 2002 in Sa- chen M. gegen Baudepartement. Aus den Erwägungen I. 2. a) Die Beschwerdeführerinnen bestreiten das Rechts- schutzinteresse der Einwohnergemeinde Döttingen (im Folgenden: Beschwerdegegnerin) an einer materiellen Beurteilung der Be- schwerde mit dem Argument, dass die Beschwerdegegnerin für die Heilpädagogische Sonderschule Döttingen ein Alternativkonzept in Zusammenarbeit mit dem Verein Kinderheim St. Johann in Klingnau vorsehe; es gebe derzeit starke Hinweise darauf, die HPS dem Kin- derheim St. Johann zur Führung zu übertragen. Unter diesen Um- ständen sei das Festhalten der Beschwerdegegnerin am Bauprojekt rechtsmissbräuchlich. Der Gemeinderat Döttingen will nach wie vor, dass das Verwaltungsgericht einen Entscheid fällt; er habe die Ver- pflichtung, das Bauvorhaben gemäss Beschluss der Gemeindever- sammlung vom 17. November 1999 zu realisieren. b) Die Behörden müssen - analog den Anforderungen an die Legitimation im Beschwerdeverfahren (§ 38 VRPG; siehe AGVE 1997, S. 288 f. und 385; 1998, S. 325) - auf Antrag einer Partei gene- rell nur dann tätig werden, wenn diese für den Erlass einer bestimm- ten Verfügung ein schutzwürdiges Interesse geltend machen kann. Sinnlose Verfahren müssen und dürfen nicht durchgeführt werden. Dagegen spricht namentlich der Grundsatz der Verfahrensökonomie; Leerläufe vertragen sich nicht mit dem Gebot einer effizienten Ver- waltung (AGVE 1998, S. 449 mit Hinweis; VGE III/44 vom 25. April 2001 [BE.1999.00226.28] in Sachen H. u. M., S. 5). In diesem Sinne muss auch der Baugesuchsteller glaubhaft machen können, dass er am Ausgang des Verfahrens, das er mit seinem Baugesuch in Gang gesetzt hat, einen praktischen Nutzen hat (AGVE 1987, S. 228 f. mit Hinweisen; 1992, S. 308). Im vorliegenden Falle hat diese Voraussetzung klar als erfüllt zu gelten. Der Gemeinderat hält am Baugesuch vorbehaltlos fest und begründet dies mit der Notwendigkeit, sich Optionen offenhalten zu 2002 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 231 müssen. Dies ist legitim und insbesondere bei Bauvorhaben der öf- fentlichen Hand auch nichts Aussergewöhnliches. Der Antrag ist deshalb abzuweisen und die Rechtmässigkeit des Baugesuchs zu überprüfen. 3. (...) II. 1. Die Einwohnergemeinde Döttingen beabsichtigt, auf den Parzellen Nrn. 338 und 341 für die HPS einen L-förmigen, dreige- schossigen Neubau mit Flachdach zu erstellen. Die Fassadenlängen betragen 13.00 m (Südwestfassade), 38.52 m (Südostfassade) und 25.50 m (Nordostfassade), die Gebäudehöhe ab gewachsenem Ter- rain 11.52 m (Maximalwert). Das projektierte Gebäude soll einen umbauten Raum von 8'429 m 3 aufweisen und Platz für insgesamt 40 Schüler bieten. Bei den Schülern handelt es sich vorwiegend um geistig behinderte Kinder vom 4. bzw. 5. bis zum 18. Altersjahr, die in 7 Abteilungen (einschliesslich Kindergarten) unterrichtet werden. Streitig sind vor Verwaltungsgericht noch der Grenzabstand des Bauprojekts zur südöstlich angrenzenden Parzelle Nr. 337, die Gebäudehöhe sowie die Erschliessung in Bezug auf die Parkplatzer- stellungspflicht. 2. a) Die Baugrundstücke liegen gemäss dem Bauzonenplan der Gemeinde Döttingen vom 9. Dezember 1988 / 11. November 1992 in der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen (öBA). § 55 der Bau- und Nutzungsordnung (BNO) der Gemeinde Döttingen (mit den gleichen Beschluss- und Genehmigungsdaten wie der Bauzonenplan) bestimmt hierüber: " 1 Die Zone öBA ist für vorhandene und künftige, dem öffentlichen Interesse dienende Bauten und Anlagen bestimmt. 2 Die Bauweise wird vom Gemeinderat, unter Wahrung der privaten und öffentlichen Interessen im Einzelfall bestimmt. Gegenüber an- grenzenden Zonen sind deren Abstandsvorschriften einzuhalten. Es gilt die Empfindlichkeitsstufe II. 3 (...)" b) Diese Nutzungsbestimmung ist inhaltlich weitgehend offen und unbestimmt. Einmal gilt dies bezüglich der baurechtlich rele- vanten Zweckbestimmung, d.h. der konkreten Nutzungsart solcher Bauten (siehe Erich Zimmerlin, Baugesetz des Kantons Aargau, 2002 Verwaltungsgericht 232 Kommentar, 2. Auflage, Aarau 1985, § 145 N 5 b); öffentlichen Interessen können sowohl gewerbliche Betriebe, Büros, Freizeit- und Sportanlagen, Schulen, Wohnungen usw. dienen, und entsprechend vielgestaltig und unterschiedlich in ihren baurechtlich relevanten Auswirkungen können derartige Bauten sein. Ohne nähere Regelung bleiben in § 55 BNO zudem auch die Bauweise (vertikale und hori- zontale Ausdehnung der Gebäude, Grenz- und Gebäudeabstände [siehe Zimmerlin, a.a.O., § 145 N 5 a]) sowie die Nutzungsstärke (Baudichte [siehe Zimmerlin, a.a.O., § 145 N 5 c]). Der Gemeinderat wird angewiesen, die in dieser Zone zulässige Bauweise "unter Wah- rung der privaten und öffentlichen Interessen im Einzelfall" festzule- gen. Der kommunale Gesetzgeber hat also davon abgesehen, dem Gemeinderat Entscheidungsmassstäbe vorzugeben; die Kompetenz zum Entscheid "im Einzelfall" besagt einzig, dass der Gemeinderat den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung zu tragen und sich insofern gerade nicht an einem allgemein geltenden Kriterium zu orientieren habe. Die Pflicht zur Wahrung privater und öffentlicher Interessen bildet ebenfalls keine echte Vorgabe; die verschiedenarti- gen Interessen erfordern eine Gewichtung und Abwägung, welche der Gemeinderat nach selbst gesetzten Massstäben vornehmen muss, weil § 55 BNO in dieser Hinsicht wie gesagt weitgehend inhaltslos ist. Das Verwaltungsgericht hatte sich schon in verschiedenen ana- logen Fällen mit dieser Problematik rechtssatzmässiger Verwaltung zu befassen (siehe zum vorhin Gesagten und zum Folgenden: AGVE 1992, S. 313 ff., und 1994, S. 374 ff., je mit Hinweisen; VGE III/71 vom 22. September 1995 [BE.1994.00216] in Sachen S., S. 15 ff.). Zusammengefasst ist das Verwaltungsgericht dabei zu folgenden Schlüssen gelangt: In der bisherigen Rechtsprechung sei es bei inhaltlich unbestimmten Normen jeweils als zulässig erachtet wor- den, auf die Wertungen zurückzugreifen, welche sich in andern Bestimmungen des gleichen Erlasses fänden (AGVE 1970, S. 168 ff.; 1972, S. 300 ff.; 1980, S. 142 ff.; 1987, S. 275 ff.). Daran sei festzuhalten. Nutzungsbestimmungen der in Frage stehenden Art seien bewusst sehr offen gehaltene Normen, welche der rechtsan- wendenden Behörde einen grossen Spielraum bei der Anwendung, 2002 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 233 insbesondere bei der Gewichtung der zu beachtenden öffentlichen und privaten Interessen einräumten. Dies könne freilich nicht be- deuten, dass ohne Bindung an allgemein geltende Regeln einzig un- ter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse des Einzelfalls Billigkeitsentscheide getroffen werden dürften; vielmehr sei die rechtsanwendende Behörde gehalten, nach objektiven Kriterien und in Anlehnung an das bestehende Recht Regeln zu erarbeiten, welche der Verallgemeinerung fähig seien. Als Besonderheit sei sodann die Stellung des Gemeinderats zu beachten, der bei derartigen Baugesu- chen von Einwohnergemeinden sozusagen in eigener Sache zu entscheiden habe. Aus dieser Sicht drängten sich Leitplanken und Begrenzungen seiner Entscheidungsfreiheit auf. Namentlich sei dem Schutz der Nachbarn generell grosse Beachtung zu schenken. Entsprechend der bisherigen Praxis sei also festzuhalten, dass Entscheide im Rahmen derartiger Bestimmungen an das geltende kommunale Baurecht gebunden seien, aus welchem die erforderli- chen Massstäbe und Kriterien in erster Linie abgeleitet werden müssten. Von Bedeutung seien insbesondere die allgemeinen Be- stimmungen der Bau- und Zonenordnung einerseits und die spezi- ellen Bestimmungen der angrenzenden Zonen sowie jener Zonen, in welchen ein Bauvorhaben der fraglichen Art am ehesten zu reali- sieren wäre (sog. Referenzzonen), anderseits. In diesem Sinne bleibe der Rechtsanwender und auch der Richter an das geltende kommunale Baurecht gebunden, auch wenn er zu dessen Vervoll- ständigung gleichsam an die Stelle des Gesetzgebers trete. Von den auf diese Weise gewonnenen Kriterien und Vorgaben dürfe nur inso- fern abgewichen werden, als dies auf Grund einer Abwägung der konkret in Betracht fallenden öffentlichen und privaten Interessen begründet erscheine und die Grundmassstäblichkeit der geltenden Ordnung insgesamt nicht erheblich gestört und damit verletzt werde. Dies müsse auch bei einem hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesse gelten. Wenn sich der kommunale Gesetzgeber nicht ver- anlasst gesehen habe, in Bezug auf die Errichtung von Bauten in der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen Vorschriften über die Nut- zungsstärke und zulässige Bauweise zu erlassen, sei es dem Ge- meinderat auch bei einer solchen Interessenlage verwehrt, die in den 2002 Verwaltungsgericht 234 vergleichbaren Zonen bestehenden Vorschriften erheblich zu über- schreiten, ohne dass das Gewaltenteilungsprinzip verletzt werde. c) Zur Rechtsanwendung auf den konkreten Einzelfall ergibt sich was folgt: aa) Referenzzone. Das Baudepartement hat als Referenzzone im Sinne der ange- führten Rechtsprechung die Gewerbe- und Wohnzone (GW) 3 heran- gezogen, welche unmittelbar südlich an die Bauparzelle Nr. 338 bzw. an die Surbtalstrasse angrenzt und wo gemäss § 46 und § 53 Abs. 2 BNO u.a. ein minimaler Grenzabstand von 5.00 m, eine maximale Gebäudehöhe von 11.00 m und eine maximale Firsthöhe von 14.00 m gelten. Die Beschwerdeführerinnen gingen zunächst von der gleichen Referenzzone aus, weil sie "mit der Schulnutzung am ehesten vergleichbar" sei, plädierten dann aber an der Augenscheins- verhandlung vom 10. Oktober 2001 dafür, auf die Wohnzone (W) 3 abzustellen, namentlich unter Hinweis auf § 53 Abs. 3 BNO. Indes- sen erscheint auch dem Verwaltungsgericht die Bezeichnung der Zone GW 3 als Referenzone durchaus korrekt. Der Heranzug der Zone W 3 verbietet sich allein schon deswegen, weil sie an die Zone öBA nicht angrenzt. Was die Verweisung in § 53 Abs. 3 BNO anbe- langt, so bezieht sich diese ausschliesslich auf "reine Wohnbauten", und darum geht es hier klarerweise nicht. Die Zone W 2 wiederum erweist sich von ihrer Zweckbestimmung her - zulässig sind dort Einfamilien- und Reiheneinfamilienhäuser, Gruppenhäuser und kleinere Mehrfamilienhäuser bis zu 6 Wohneinheiten (§ 51 Abs. 1 BNO) - als für Fälle wie den vorliegenden nicht adäquat. bb) Grenzabstand. aaa) Die Südostfassade des projektierten Gebäudes weist zur Parzelle Nr. 337 nach Massgabe des Situationsplans 1:500 vom 8. Juli 1999 und des Bauprojektplans 1:100 Nr. 226/07 vom 8. Juli 1999 (Grundrisse Untergeschoss/Erdgeschoss) einen minimalen Grenzabstand von 4.00 m auf. Durch die der Bauherrschaft in Ziffer 4.1 der Baubewilligung vom 6. Dezember 1999 auferlegte Verschie- bung nach Nordwesten um 1.00 bzw. 1.10 m vergrössert sich der Grenzabstand auf zwischen 5.00 und 8.00 m. 2002 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 235 Die Beschwerdeführerinnen sind der Auffassung, es sei auf der fraglichen Gebäudeseite ein grosser Grenzabstand einzuhalten. bbb) Das Verwaltungsgericht hat im Zusammenhang mit einem Schulhausvorhaben in der Zone für öffentliche Bauten ausgeführt, die Einhaltung eines grossen Grenzabstands zu fordern, wäre in der- artigen Fällen atypisch. Begründet wurde dies damit, dass ein grosser Grenzabstand in der Regel nur für die reinen Wohnzonen vorge- schrieben werde; das komme nicht von ungefähr, bezwecke doch dieser Abstand in erster Linie einen Selbstschutz des Bauherrn vor zu nahen Nachbarbauten, was u.a. darin zum Ausdruck komme, dass dem Bauherrn im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften (insbeson- dere § 17 Abs. 2 ABauV) eine gewisse Freiheit zuzugestehen sei, die Richtung der Hauptwohnseite selber zu bestimmen (siehe zum Gan- zen: AGVE 1994, S. 379 f. mit Hinweisen). Die Frage, ob § 17 Abs. 2 ABauV nur auf eigentliche Wohnbauten anwendbar sei, hat das Verwaltungsgericht auch in dem von den Beschwerdeführerinnen zitierten Fall VGE III/67 vom 4. August 1995 [BE.1995.00202] in Sachen A. betreffend einen Schulpavillon aufgeworfen, dann aber offen gelassen, weil auch der grosse Grenzabstand eingehalten war (S. 7 f. des erwähnten Entscheids). Im Übrigen wird dieser Entscheid fälschlicherweise überinterpretiert, denn die Feststellung im Urteil "Diese Auffassung leuchtet durchaus ein" bezog sich ausschliesslich auf die Festlegung der Hauptwohnseite durch den Gemeinderat. Für das Verwaltungsgericht ist nach wie vor offensichtlich, dass Bestimmungen, welche den grossen Grenzabstand regeln, aus- schliesslich auf eigentliche Wohnnutzungen bezogen sind. So spricht § 17 Abs. 2 ABauV von "bewohnten" Bauten, § 82 Abs. 2 BNO von "Wohnräumen" bzw. von der "Hauptwohnseite". Unter Wohnnutzung versteht man gemeinhin eine Reihe verschiedener Zwecke und Tätig- keiten, zu denen namentlich die Erholung, das Schlafen, die Haus- und Heimarbeit, das Essen usw. gehören; Wohnnutzung ist dabei stets auf eine gewisse Dauer ausgerichtet, und die entsprechenden Räumlichkeiten sind dazu bestimmt, ihren Benutzern längere Zeit zur Verfügung zu stehen, während es sich bei einem bloss vorüberge- henden Aufenthalt von Personen in einem Hotel, hotelähnlichen Be- trieb, Heim usw. nicht um Wohnnutzung im eigentlichen Sinne han- 2002 Verwaltungsgericht 236 delt (AGVE 1994, S. 370 f. mit Hinweisen). Ebenso wenig wird in einem Schulhaus "gewohnt", selbst wenn wie im vorliegenden Falle eine Schulküche und ein gemeinsamer Essraum vorhanden sind. Mit dieser allgemeinen Beurteilung stimmt überein, dass nur in den "reinen" Wohnzonen von Döttingen (Zonen W 2, W 3 und W 4, Wohnzone Hang [WH]) zwischen kleinem und grossem Grenzab- stand differenziert wird (§ 46, § 49 Abs. 2, § 50 Abs. 2, § 51 Abs. 2, § 52 Abs. 2 BNO). Der erwähnte Selbstschutz des Bauherrn - als eigentliche ratio legis der Bestimmungen über den grossen Grenzab- stand - gewinnt nur dann eine tiefere Bedeutung, wenn der Aufent- halt in den betreffenden Räumen eine gewisse Intensität aufweist. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Falle klarerweise nicht erfüllt. Wenn die Beschwerdeführerinnen im Übrigen darauf hinwei- sen, dass "Schüler und Lehrer (...) ein Recht auf Freiraum und genü- gende Besonnung" hätten, so ist ihnen entgegenzuhalten, dass gerade bei der Erstellung von Schulbauten und -anlagen regelmässig grös- sere Freiflächen eingeplant werden. ccc) Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, dass das vor- liegende Bauprojekt auch nach Südosten hin nur den kleinen Grenz- abstand einhalten muss. Diese Vorgabe ist mit der Nebenbestimmung in Ziffer 4.1 der Baubewilligung vom 6. Dezember 1999 erfüllt. Ausführungen zur weiteren Frage, auf welcher Fassadenseite der grosse Grenzabstand einzuhalten und wie dieser zu bemessen ist, erübrigen sich. cc) Gebäudehöhe. aaa) Das Baudepartement ging von einer effektiven "Gesamt- höhe" von "ca. 11.3 m" aus und stellte weiter fest, die minime Über- schreitung sei vernachlässigbar. Die Beschwerdeführerinnen machen diesbezüglich geltend, die der Bauherrschaft in der Baubewilligung auferlegte Verschiebung der Baute nach Nordwesten habe auch Änderungen bei der Gebäudehöhe zur Folge; diese betrage nach der Verschiebung 11.60 m, was als massive Überschreitung bezeichnet werden müsse. Das erwähnte Höhenmass hatte der Bauverwalter der Gemeinde Döttingen an der vorinstanzlichen Augenscheinsver- handlung vom 7. April 2000 bestätigt. 2002 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 237 Die Unsicherheit in Bezug auf die projektierte Gebäudehöhe entstand deshalb, weil die Auflage in Ziffer 4.1 der Baubewilligung vom 6. Dezember 1999, das Gebäude um 1.00 m bzw. 1.10 m nach Nordwesten zu verschieben, im einschlägigen Projektplan 1:100 Nr. 226 / 09 vom 7. April 1999 (Schnitt A-A, Fassaden SW und SO) nicht umgesetzt war. Das Verwaltungsgericht hat aus diesem Grunde einen entsprechend abgeänderten Plan erstellen lassen. Danach ist nun klar, dass die Gebäudehöhe nach der Verschiebung des Baukör- pers 11.52 m beträgt. bbb) Die Referenzhöhe von 11.00 m gemäss den §§ 46 und 53 Abs. 2 BNO ist nach dem Gesagten nicht absolut zu verstehen; Abweichungen von den Referenzmassen sind auf Grund einer Inter- essenabwägung zulässig, wenn zudem die Grundmassstäblichkeit der geltenden Ordnung gesamthaft gewahrt bleibt (siehe vorne Erw. b). Im Rahmen der Interessenabwägung - und nur unter diesem Ge- sichtspunkt - kann sich sodann auch die Bedürfnisfrage stellen (AGVE 1994, S. 375 f.; 1997, S. 308 f.). An der Augenscheinsverhandlung vom 10. Oktober 2001 hat sich gezeigt, dass es für die Beschwerdegegnerin keine durchschla- genden Gründe gibt, welche für eine Erhöhung der massgebenden Referenzhöhe sprechen. Auf Grund der Angaben des Bauverwalters ist davon auszugehen, dass eine entsprechende Projektanpassung ohne weiteres machbar ist; dies könne teils durch eine weniger starke Ausprägung des Dachrandes, teils durch eine Tieferlegung des Ge- bäudes erreicht werden und habe keinerlei Einschränkungen bezüg- lich des Raumprogramms zur Folge. Damit fehlt es also an einem ausreichenden Interesse, von der Referenzhöhe abzuweichen, und die Gebäudehöhe ist auf 11.00 m zu begrenzen. dd) Mit einem Grenzabstand von mindestens 5.00 m und einer Gebäudehöhe von 11.00 m sind die Referenzmasse vollumfänglich eingehalten. Die Wahrung der Grundmassstäblichkeit der geltenden Ordnung durch das Bauvorhaben muss deshalb nicht mehr themati- siert werden (vorne Erw. b). 3. Im Bauprojekt ist vorgesehen, auf der Parzelle Nr. 338 sechs Autoabstellplätze zu erstellen, und zwar im nördlichen Grund- stücksbereich entlang der Schulstrasse. Die Beschwerdeführerinnen 2002 Verwaltungsgericht 238 sind der Meinung, es seien zusätzliche Pflichtparkplätze erforderlich; bemängelt wird zudem, dass die Parkplätze innerhalb des Strassen- abstands angelegt würden und die Verkehrssicherheit beeinträchtig- ten. a) Bei Erstellung und eingreifender Umgestaltung, Erweiterung oder Zweckänderung von Bauten sind genügend Abstellplätze für die Fahrzeuge der Benutzer und Besucher sowie die erforderlichen Verkehrsflächen für den Zubringerdienst zu schaffen; die Abstell- plätze müssen auf privatem Grund in nützlicher Distanz zur Lie- genschaft, der sie zu dienen haben, liegen und dauernd als solche benutzt werden können (§ 55 Abs. 1 BauG). Die Abstellplätze und Verkehrsflächen müssen so bemessen und gestaltet sein, dass die Fahrzeuge der Benutzer und Besucher aufgenommen und der Zubrin- gerdienst bewältigt werden können; dabei sind die Grösse der Bau- ten, die Art ihrer Benutzung, die Erschliessung durch öffentliche Ver- kehrsmittel und die Möglichkeiten, andere Parkflächen zu benutzen, zu berücksichtigen (§ 56 Abs. 1 BauG). Der Regierungsrat erlässt Richtlinien über Ausmass und technische Gestaltung der Ab- stellplätze und Verkehrsflächen; im einzelnen Fall werden Anzahl und Gestaltung vom Gemeinderat festgelegt (§ 56 Abs. 2 BauG). Für die Umschreibung der Begriffe und die Bemessung der Anzahl Abstellplätze gilt als Richtlinie u.a. die Norm SN 640'290 "Parkie- ren; Grenzbedarf, reduzierter Bedarf, Angebot" mit Beilage vom Mai 1993 der Vereinigung Schweizerischer Strassenfachleute (VSS) (§ 25 Abs. 1 ABauV [in der Fassung vom 12. Juli 2000]). b) Bedarf an Parkfeldern. aa) Die kantonale Fachstelle hat - wie bereits der Gemeinderat - ihre Berechnung auf Tabelle 6 der erwähnten VSS-Norm 640'290/Beilage abgestützt. Danach bildet das Alter der Schüler das Hauptkriterium, weshalb nach Klassen ohne bzw. mit über 18-jähri- gen Schülern differenziert wird. Im Weitern gibt es zwei Berech- nungsmodelle: Entweder wird ein Pauschalansatz pro Klassenzim- mer angewandt (ohne Reduktion wegen der Ersetzbarkeit der indivi- duellen Verkehrsmittel durch öffentlichen Verkehr [öV]), oder es werden bezüglich der Lehrkräfte die Werte der Dienstleistungsbe- triebe übernommen (einschliesslich öV-Reduktion). Bei der Durch- 2002 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 239 rechnung der beiden Varianten ist dabei die kantonale Fachstelle gestützt auf die Angaben des Departements für Bildung, Kultur und Sport (Abteilung Volksschule und Heime / Sektion Sonderschulung, Heime und Werkstätten) im Mitbericht vom 18. Oktober 2001 davon ausgegangen, dass die HPS Döttingen für Schulung, Therapie und Betreuung der Kinder insgesamt 1'170 Stellen-Prozent benötigt (wovon 740% für Lehrpersonen [Klassenlehrkräfte, Schulleitung, Werken, Religion usw.], 130% für Therapie [Physiotherapie, Logo- pädie, Psychomotorik-Therapie] und 300% für Klassenhilfen und Mittagsbetreuung) und dass von den rund 26 - grösstenteils teilzeit- lich angestellten - Mitarbeitern durchschnittlich 13 gleichzeitig in der Schule anwesend seien. Bei der Variante 1 ergibt sich so ein ef- fektiver Bedarf von insgesamt 10 Abstellplätzen, wovon 6 für die Lehrkräfte, 3 für das Personal (Therapie, Klassenhilfen) und einer (nicht zwingend) für Besucher; zusätzlich erachtet die kantonale Fachstelle die Bereitstellung eines Parkfeldes für Invalide/ Behin- derte als sinnvoll. Variante 2 kommt mit einem Abstellplatz weniger aus. Die kantonale Fachstelle selber empfiehlt indessen mit folgender Begründung die Heranziehung der Variante 1: Bei der HPS handle es sich im Unterschied zu den "normalen" Schulen um eine Schule, deren Lehrkräfte über spezifische Zusatzausbildungen verfügen müssten; in der Annahme, dass solche Lehrkräfte auf dem Arbeits- markt schwieriger zu rekrutieren seien, sei deren Einzugsgebiet weiträumiger als für eine gewöhnliche Schule. Hinsichtlich des übri- gen Personals (Therapie, Klassenhilfen) wird der Grenzbedarf im Hinblick auf die innerhalb eines 300 m-Radius um den Standort der HPS befindlichen Bushaltestellen "Chunte" der Linie Baden-Endin- gen-Döttingen/Klingnau um den Faktor 0.85 reduziert. bb) Die Beschwerdeführerinnen erheben zu diesen Berechnun- gen verschiedene Einwände: aaa) Die Beschwerdeführerinnen verlangen zunächst, dass die Parkplatzzahl auf mindestens 18 gleichzeitig anwesende Lehrkräfte (10 Lehrpersonen, 4 Therapeuten, 4 Klassenhilfen) ausgerichtet wird; dies sei wegen des "Schnittstellenverkehrs" (Hinfahrten der "neuen" Lehrkraft vor der Pause und Wegfahrten der "alten" Lehr- kraft nach der Ablösung) erforderlich. Die kantonale Fachstelle ent- 2002 Verwaltungsgericht 240 gegnet, zwar möge in einem gewissen Umfang "Schnittstellenver- kehr" vorhanden sein, doch widerspräche es der allgemeinen Berech- nungspraxis, die Parkplatzberechnung auf dieses kurzfristige Spit- zenbedürfnis auszurichten. Dem schliesst sich das Verwaltungsge- richt an. Die Berechnung des Bedarfs beruht ja auf der Annahme, dass alle potentiellen Parkplatzbenützer gleichzeitig anwesend sind, und dieser Fall wird nur sehr selten eintreten. Das Argument der Beschwerdeführerinnen ist daher mehr theoretischer Natur. bbb) Weiter machen die Beschwerdeführerinnen geltend, eine Reduktion auf Grund der Erschliessung mit öV dürfe nicht vorge- nommen werden; die Erschliessung mit einem ausreichenden Ange- bot für Berufstätige sei "leider schlicht inexistent". Die kantonale Fachstelle hält an ihrer Berechnung fest mit dem Hinweis, dass die Busse der erwähnten Linie gemäss öffentlichem Fahrplan regelmäs- sig verkehrten und ausschliesslich dieses objektive Kriterium mass- gebend sein könne, weil die Wohnorte künftiger Mitarbeiter in der HPS ja nicht zum Voraus bekannt seien. Auch dies leuchtet durchaus ein. Massgebend kann nur sein, dass die "neutrale" VSS-Norm rich- tig angewendet wurde, und dies wird seitens der Beschwerdeführe- rinnen nicht bestritten. Im Übrigen kann gewiss nicht von einem ungenügenden Angebot gesprochen werden, wenn wie im vorlie- genden Falle die Haltestellen zwischen 06.00 und 20.00 Uhr durch- schnittlich alle 45 Minuten bedient werden. ccc) Die Beschwerdeführerinnen sind sodann der Meinung, es seien zwei Behindertenparkplätze (IV-Parkplätze) vorzusehen (statt nur einem), und sie stellen entsprechend Antrag. Die kantonale Fachstelle hält dieser Forderung unter Hinweis auf § 53 BauG entge- gen, die HPS generiere im verkehrsplanerischen Sinne keine Nut- zung "mit erheblichem Publikumsverkehr"; die Bereitstellung eines Behindertenparkplatzes erfolge ohne rechtliche Verpflichtung. Dar- auf erwidern die Beschwerdeführerinnen, der geplante Neubau sei eine Baute mit erheblichem Publikumsverkehr. Der Betreuungs- und Zubringerverkehr sei viel höher als bei einer "normalen" Schule. Die Schüler der HPS kämen zudem nicht aus dem Dorf, sondern aus der ganzen Region. 2002 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 241 "Bauten mit erheblichem Publikumsverkehr" im Sinne von § 53 Abs. 1 BauG sind Hoch- und Tiefbauten, die vornehmlich der Öf- fentlichkeit dienen, u.a. auch Schulen (§ 22 Abs. 2 ABauV). Zu die- ser Kategorie ist auch eine HPS zu zählen. Was die Parkplatzzahl anbelangt, genügt aber ein mit dem Rollstuhlsignet bezeichneter Abstellplatz in der Nähe des Eingangs, denn ein zweiter Behinder- tenparkplatz wäre nur bei mehr als 51 Abstellplätzen anzulegen (§ 23 Abs. 1 lit. b ABauV), und um eine solche Anlage handelt es sich hier klarerweise nicht. Das Begehren ist deshalb ebenfalls abzuweisen. ddd) (...) cc) Die von den Beschwerdeführerinnen erhobenen Einwände erweisen sich somit nicht als stichhaltig. Die Berechnungen der kantonalen Fachstelle (vorne Erw. aa) erweisen sich vielmehr ge- samthaft als schlüssig, so dass sie vom Verwaltungsgericht über- nommen werden können. Insbesondere erscheint plausibel, dass die Berechnungsvariante 1 wegen der speziellen Anforderungen an die Ausbildung der Lehrer den Vorzug verdient. Dass ein Schulbetrieb der hier in Frage stehenden Grösse ohne einen Besucherparkplatz kaum auskommen kann, leuchtet ebenfalls ohne weiteres ein. c) Anordnung der Autoabstellplätze. aa) Das Bauprojekt sieht vor, unmittelbar nördlich des Neubaus sechs Abstellplätze mit einem Abstand zwischen 0 und 3.5 m zur Südwestgrenze der Schulstrasse zu erstellen. Den verbleibenden Parkplatzbedarf für die Lehrkräfte und Besucher der HPS will der Gemeinderat auf dem Areal der angrenzenden Schulanlage "Boge/Chilbert" decken. Dort sind 25 Klassenzimmer (13 im Schul- haus "Rebhalde" [Primarschule], 10 im Schulhaus "Boge/Chilbert" [Sekundar- und Realschule], 2 im Kindergarten "Boge") sowie 190 Garderobenplätze (70 in der Turnhalle "Boge 1", 120 in der Turn- halle "Boge 2") vorhanden, was nach den auf Tabelle 6 und Ziffer 5/e der VSS-Norm 640'290/Beilage abgestützten Berechnungen des Gemeinderats einen Bedarf von insgesamt 45 Parkplätzen ergibt (Schulhaus "Rebhalde" 12 [Quotient 1.1], Schulhaus "Boge/Chilbert" 15 [Quotient 0.7], Kindergarten "Boge" 2 [Quotient 1.1], Turnhalle "Boge 1" 6 [Quotient 12], Turnhalle "Boge 2" 10 [Quotient 12]), bei einem Angebot von 44 Abstellplätzen. Der Gemeinderat betont da- 2002 Verwaltungsgericht 242 bei, dass die 16 Parkplätze für die Turnhallen tagsüber einer Mehr- fachnutzung zugänglich seien, da während der Schulzeit die Turn- hallen ausschliesslich durch die Schulen benutzt würden. Somit könnten die Parkplätze vor der Turnhalle "Boge 2" teilweise auch durch die HPS belegt werden; Stichproben hätten ergeben, dass diese Parkplätze während des Tags nur schwach belegt seien. Die kantonale Fachstelle ist der Meinung, dass von den 11 er- forderlichen Parkplätzen nur deren 5 (3 Personal-Parkplätze, 1 Besu- cher-Parkplatz, 1 IV-Parkplatz) nördlich der Vorfahrt zum HPS-Ge- bäude zu erstellen, die restlichen 6 Abstellplätze (für die Lehrkräfte) in die Parkierungsanlage der Schulanlage "Boge/Chilbert" zu inte- grieren seien (siehe hinten Erw. ff/aaa). Im Weitern hat die Über- prüfung der erwähnten Parkplatzbilanz durch die kantonale Fach- stelle ergeben, dass bei Variante 1 und Variante 2 (siehe vorne Erw. b/aa) die Nutzung der beiden Turnhallen in der Zeit zwischen 18 und 22 Uhr durch die lokalen Vereine einen Bedarf von 28 Ab- stellplätzen auslöst. Da dieser Wert höher sei als der Bedarf für die Schulnutzung (25 bzw. 19 Abstellplätze) und eine Kumulierung aus- ser Betracht falle, sei die Zahl von 28 Abstellplätzen massgebend. Damit verbleibe eine Reserve von 17 (recte 16) Parkplätzen über dem reduzierten Bedarf. Das Verwaltungsgericht kann auf diese ein- leuchtenden Ergebnisse ohne weiteres abstellen, zumal sie als solche auch von den Beschwerdeführerinnen nicht in Zweifel gezogen wer- den. Es ist somit festzuhalten, dass unter dem quantitativen Aspekt der gesamte Parkplatzbedarf des Bauvorhabens auf dem angrenzen- den Schulhausareal gedeckt werden könnte. bb) Die Beschwerdeführerinnen halten "das auflageweise Hin- zufügen von (...) 24 Personalparkplätzen" im Rahmen einer Projekt- änderung für unzulässig; das Projekt sei vielmehr an die Bauherr- schaft zurückzuweisen, damit ein neues Baubewilligungsverfahren zur Frage der Parkplatzerschliessung durchgeführt werden könne. Zunächst ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Beschwerdeführerin- nen hier von 24 Personalparkplätzen sprechen, geht es doch nach dem Gesagten ausschliesslich um die "Transferierung" von maximal 11 Parkplätzen auf das Areal der Schulanlage "Boge/Chilbert" (vorne Erw. b). Sodann steht nach der einschlägigen Rechtsprechung nichts 2002 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 243 entgegen, den materiellen Mangel mittels einer zusätzlichen Neben- bestimmung zu beheben. Ist ein Baugesuch mangelhaft bzw. stimmt es nicht durchwegs mit dem objektiven Recht überein, hat die Bau- polizeibehörde nach den konkreten Umständen und nach pflichtge- mässem Ermessen zu entscheiden, ob das Gesuch gesamthaft abge- wiesen werden muss oder ob die Mängel mit Nebenbestimmungen bzw. durch Nachreichung korrigierter Pläne geheilt werden können. Das Vorgehen der Behörde hat sich in solchen Fällen nach dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu richten. Eine Baubewilligung zu verweigern, statt sie mit Nebenbestimmungen zu erteilen, kann namentlich deswegen unverhältnismässig sein, weil die Ablehnung des Baugesuchs den Bauherrn zwingt, ein nur geringfügig abgeän- dertes Baugesuch nochmals dem vollständigen Baubewilligungsver- fahren mit öffentlicher Auflage und Rechtsmittelweg zu unterstellen; damit geht er möglicherweise das Risiko von Rechtsänderungen, weiteren Einsprachen und Kostennachteilen ein. Derartige Verfah- rensverzögerungen zu vermeiden, kann zudem auch im Interesse der Öffentlichkeit liegen (siehe AGVE 1986, S. 307 f. mit Hinweisen; VGE III/129 vom 4. September 1998 [BE.1997.00105] in Sachen B., S. 15). Es wäre nun offensichtlich unverhältnismässig, die Baubewil- ligung allein wegen des festgestellten Parkplatzmankos nicht zu erteilen (so auch VGE III/71 vom 22. September 1995 [BE.1994.00216] in Sachen S., S. 28 f. betreffend die Erweiterung der Oberstufenschule und den Neubau der Kaufmännischen Berufs- schule in Zurzach und ein Manko von 4 Abstellplätzen). cc) Nach Auffassung der Beschwerdeführerinnen ist eine Fuss- distanz für Personal und Besucher von über 150 m vom Turnhallen- platz zur HPS für eine rechtskonforme Erschliessung zu gross. Massgebend ist hier, ob die Abstellplätze in nützlicher Distanz zur Liegenschaft, der sie zu dienen haben, liegen (§ 55 Abs. 1 Satz 2 BauG). "Nützlich" ist eine Distanz, bei der das Parkplatzgrundstück unter Berücksichtigung der Verhaltensgewohnheiten der durch- schnittlichen Parkplatzbenützer und aller die Parkplatzbenutzung indirekt beeinflussenden Randbedingungen wahrscheinlich benutzt wird (AGVE 1987, S. 263 mit Hinweis). Im vorliegenden Falle ist namentlich zu bedenken, dass die Parkplätze bei der Turnhalle "Boge 2002 Verwaltungsgericht 244 2" ausschliesslich von den Lehrkräften, allenfalls noch vom weiteren Personal der HPS benützt würden (vorne Erw. aa). Beim in den Schulbetrieb fest integrierten Personal ist nun die Akzeptanz für auch entfernter liegende Abstellplätze erfahrungsgemäss erheblich grösser, als wenn keine solche Bindung besteht. Dazu kommt, dass die Geh- wegdistanz - sie beträgt auf Grund der Situationspläne eher 130 als 150 m - durchaus noch im Rahmen liegt; so hat der Vertreter der kantonalen Fachstelle am verwaltungsgerichtlichen Augenschein eine Distanz von 200 m als für Aargauer Verhältnisse "noch akzepta- bel" bezeichnet, und das Verwaltungsgericht selber hat im erwähnten Zurzacher Fall (VGE vom 22. September 1995) eine Distanz zwi- schen 250 und 300 m als "nützlich" anerkannt (S. 30). Der Argu- mentation der Beschwerdeführerinnen kann daher nicht gefolgt wer- den. dd) Die Beschwerdeführerinnen verlangen die grundbuchliche Sicherung der auf dem Turnhallenareal bereitzustellenden Park- plätze. Eine solche Sicherung durch Errichtung einer Grunddienst- barkeit oder eines Baurechts zu Gunsten des Baugrundstücks und zu Lasten des Parkplatzgrundstücks verlangt § 55 Abs. 1 Satz 2 BauG (siehe Zimmerlin, a.a.O., §§ 60-63 N 13 S. 130). Das Verwaltungsge- richt hat in AGVE 1987, S. 258 f., die Frage aufgeworfen, ob dies auch dann Sinn mache, wenn das Parkplatzgrundstück wie hier dem Verwaltungsvermögen einer Gemeinde zugehöre; da die Wahr- scheinlichkeit, dass später eine Umwandlung des Grundstücks in Finanzvermögen und nachfolgend seine Realisierung erfolge, äus- serst gering sei, habe in rechtlicher Hinsicht die dauernde Verfügbar- keit als sichergestellt zu gelten. Diese Überlegungen erscheinen auch aus heutiger Sicht noch zutreffend, weshalb von einer rechtlichen Sicherung abzusehen ist. Die reservierten Parkplätze sind aber an Ort und Stelle entsprechend zu markieren. ee) aaa) Bezüglich der unmittelbar nördlich des Neubaus ent- lang der Schulstrasse geplanten Abstellplätze stellt sich das Abstandsproblem. Bauten haben gegenüber Gemeindestrassen einen vom Strassenmark gemessenen Abstand von 4 m einzuhalten (§ 111 Abs. 1 lit. a BauG). Parkplätze gelten gemäss Legaldefinition eben- falls als Bauten; sie gehören zur Unterkategorie der Tiefbauten (§ 6 2002 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 245 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 BauG). Demzufolge ist der Strassenabstand auch im vorliegenden Falle einzuhalten (siehe die gegenüber einer früheren Praxis korrigierte Rechtsprechung in VGE III/164 vom 11. Dezember 1998 [BE.1997.00027] in Sachen M., S. 6 f.). Diese Anforderung ist nicht erfüllt, bewegen sich doch die effektiven Abstände je nach Variante zwischen 0 und 3.5 m bzw. zwischen 0.5 und 4.0 m. Die fraglichen Abstellplätze bedürfen somit einer Aus- nahmebewilligung gemäss § 67 BauG. Das Baudepartement hat an- stelle des Gemeinderats, der in langjähriger Praxis derartige Bewil- ligungen ohne weiteres erteilt hatte "nach Abwägung der beteiligten privaten und öffentlichen Interessen und auf Grund der vorliegenden Verhältnisse" eine Ausnahmebewilligung erteilt. bbb) (Rechtsprechung zu § 67 BauG [siehe AGVE 1997, S. 332 mit Hinweisen]) ccc) Hinter den Strassenabstandsvorschriften - seien es gesetzli- che Normalabstände oder Baulinien - stehen primär die öffentlichen Interessen an der ungehinderten Abwicklung des Verkehrs (Ver- kehrssicherheits- und Gesundheitspolizeiinteressen) sowie an der Erhaltung des Planungsspielraums und der Landerwerbsmöglichkeit für die Bedürfnisse des zukünftigen Strassenbaus; daneben sind mehr und mehr auch siedlungsgestalterische Gesichtspunkte von Be- deutung (AGVE 1997, S. 332 f. mit Hinweisen). Ein Ausbau der Schulstrasse ist nicht vorgesehen, eine Freihal- tung des Planungsspielraums also kein Thema. Die Beschwerdefüh- rerinnen befürchten denn auch lediglich, dass die zu nahe am Strassenmark erstellten Abstellplätze die "öffentliche Bewegungs- freiheit" von Fussgängern, Schülern und Velofahrern auf der Schulstrasse beeinträchtigen könnten. Nach dem behördenverbindli- chen kommunalen Richtplan Verkehr weise die Schulstrasse eine Sammelfunktion auf. Namentlich während der Schulzeit bestehe auf ihr ein erheblicher Verkehr. Zudem seien die Sichtverhältnisse nicht gut. Das Verwaltungsgericht beurteilt die Verkehrssicherheitsinter- essen indessen nicht als derart gewichtig, wie sie die Beschwerdefüh- rerinnen darstellen. Die Schulstrasse ist eine Gemeindestrasse mit einer Strassenbreite von 5.5 m; ein Gehweg ist nicht vorhanden. Die Strasse erschliesst die Schulanlagen sowie verschiedene private 2002 Verwaltungsgericht 246 Liegenschaften mit Wohneinheiten. Die Verkehrsfrequenz auf ihr ist, wie der Augenschein gezeigt hat, eher gering, die Übersichtlichkeit in Richtung Tegerfelden problemlos, in Richtung Dorfzentrum wegen der Linkskurve zwar nicht optimal, aber auch nicht schlecht. Selbst wenn das Verkehrsaufkommen zu gewissen Tageszeiten etwas ansteigen sollte, kann von einer erheblichen Störung der Verkehrs- sicherheit durch die im Unterabstand zur Schulstrasse stehenden Parkplätze nicht gesprochen werden. In diesem Zusammenhang fällt auch ins Gewicht, dass es sich offensichtlich vorwiegend um orts- kundige Strassenbenützer handelt. Nichts ableiten können die Be- schwerdeführerinnen sodann aus dem Strassenrichtplan 1:2'000 vom Oktober 1986, in welchem die Schulstrasse in ihrem nordwestlichen Teil als Sammelstrasse eingestuft ist; diese Klassierung ist heute weitgehend überholt, da das damals noch geplante Verbindungsstück über das Baugrundstück zur Surbtalstrasse nicht mehr aktuell ist. Heute hat die Schulstrasse ausschliesslich Erschliessungsfunktion. Die Erteilung einer Ausnahmebewilligung für die Abstands- unterschreitung ist deshalb gerechtfertigt. ff) aaa) Die Beschwerdeführerinnen bemängeln schliesslich, dass die projektierten Parkplätze senkrecht zur Schulstrasse angeord- net sind; weil diese relativ schmal sei und keine Trottoirs aufweise und zudem auf Grund der neuen Vorfahrt zum Eingang der HPS und der bestehenden Garagenausfahrten der Parzellen Nrn. 334 und 335 auf der gegenüberliegenden Strassenseite eine Ausfahrtenhäufung bestehe, seien Rückwärtsausfahrten gefährlich. Das Baudepartement hat dazu erwogen, weder die VSS-Normen noch baurechtliche Be- stimmungen verböten die Erstellung von Senkrechtparkplätzen. Im Normalfall sei allerdings darauf zu achten, dass bei der Benutzung der Parkplätze keine Fahrmanöver auf die Fahrbahn erforderlich seien. Insoweit seien die hier zu beurteilenden Parkplätze "sicher- heitstechnisch nicht ideal"; angesichts einer ausreichenden Fahr- bahnbreite und des nicht sehr grossen Verkehrsaufkommens sei die Bewilligung aber vertretbar. Die kantonale Fachstelle hat ebenfalls erkannt, dass bei der von der Bauherrschaft gewählten Lösung (sechs senkrecht angeordnete Abstellplätze entlang der Schulstrasse gemäss Situationsplan 1:500 vom 8. Juli 1999) die angrenzenden Fahrbahnen 2002 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 247 durch rückwärts hinausmanövrierende Fahrzeuge relativ stark bean- sprucht werden. Daraus erwuchs der Vorschlag, die Breite der nor- malen Parkfelder auf 2.7 m zu vergrössern, womit sich die Bean- spruchung des rückwärtigen Manövrierraums von 6.75 auf 5.00 m reduziert. Die Verbreiterung der Parkfelder hat ihrerseits zur Kon- sequenz, dass am fraglichen Standort nur noch fünf statt sechs Ab- stellplätze angelegt werden können. Dabei beanspruchen die im er- wähnten Situationsplan eingetragenen Parkfelder Nrn. 1 bis 3 als Manövrierraum nur den unmittelbar angrenzenden Fahrstreifen, wo- gegen der Besucherparkplatz (Nr. 4) und der IV-Parkplatz (Nr. 5) je nach Zu- und Wegfahrtsrichtung auf beide Fahrstreifen der Schulstrasse angewiesen sind. bbb) Für die technische Gestaltung der Abstellplätze und Ver- kehrsflächen gelten als Richtlinien die VSS-Normen SN 640'291 "Parkieren; Geometrie" vom April 1982 und SN 640'292 "Parkieren; Anordnung" vom April 1982 / Februar 1996 (§ 26 ABauV [in der Fassung vom 12. Juli 2000] i.V.m. § 56 Abs. 2 BauG). Senkrecht zur Strasse stehende Parkfelder haben gemäss VSS-Norm 640'291 im Regelfall (öffentlich zugängliche Anlagen, Wohnbauten) eine Länge von 5.00 m und eine Breite zwischen 2.30 und 2.70 m aufzuweisen (S. 2 f., Tab. 1 und 3). Insofern sind die Anforderungen hier erfüllt. Im Weitern sollen Parkierungsanlagen in der Regel so angeordnet werden, dass bei ihrer Benutzung keine Fahrmanöver auf der Fahr- bahn ausgeführt werden müssen; Ausnahmen sind möglich bei aus- reichender Fahrbahnbreite, kleinen Verkehrsmengen, ausreichenden Sichtverhältnissen und sofern der Manövrierraum nicht über den angrenzenden Fahrstreifen hinausragt (VSS-Norm 640'292, S. 1 f.). Dem Sinne nach die gleiche Aussage enthält § 95 Abs. 1 BNO, wo- nach Ein- und Ausfahrten auf öffentliche Strassen so anzulegen sind, dass durch ihre Benutzung der Verkehr weder gefährdet noch behin- dert und die Gegenspur auf der Strasse nicht beansprucht wird (siehe den VGE III/29 vom 2. Mai 1994 [BE.1993.00262] in Sachen E., S. 23). Sowohl die VSS-Norm 640'292 als insbesondere auch § 95 Abs. 1 BNO führen die Nichtbeanspruchung der Gegenfahrbahn als eigenständiges Tatbestandsmerkmal auf, d.h. es besteht keine relati- 2002 Verwaltungsgericht 248 vierende Verknüpfung mit der Verkehrsgefährdung. Diese strikte Formulierung lässt keinen Spielraum. Parkplätze, deren Benützung ohne Beanspruchung der Gegenspur auf der angrenzenden Strasse nicht möglich ist, sind klarerweise unzulässig. Deshalb dürfen hier Abstellplätze nur im Bereich der Parkfelder Nrn. 1 bis 3 erstellt wer- den. Dabei ist zu beachten, dass der IV-Parkplatz in der Nähe des Eingangs anzulegen ist (§ 23 Abs. 1 lit. b ABauV). Wie die Bauherr- schaft den verbleibenden unproblematischen Parkplatzbereich nutzen will, ist ihr freigestellt; empfehlenswert ist wohl, den für die Besucher bestimmten Parkplatz ebenfalls beim Gebäude selber zu erstellen. Die übrigen Parkplätze sind vor der Turnhalle "Boge 2" auf Dauer mittels Anbringen entsprechender Markierungen (Besucher, Lehrkräfte/Personal, Abwartsdienst) reserviert zu halten. 4. Zusammenfassend ist damit festzuhalten, dass die Be- schwerde, soweit sie die Gebäudehöhe und die Anzahl sowie die Anordnung der für das Bauvorhaben erforderlichen Parkplätze be- trifft, teilweise gutzuheissen ist; das Bauprojekt ist im Sinne der vor- stehenden Erwägungen entsprechend abzuändern. Im Übrigen er- weist sich die Beschwerde als unbegründet.
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2008 Verwaltungsgericht 262 [...] 45 Gemeindeautonomie im Zusammenhang mit Kürzungen. - Im Zusammenhang mit der Kürzung von Sozialhilfe besteht für die Gemeinden kein geschützter Autonomiebereich. Es besteht daher keine Verpflichtung des Bezirksamts zur beschränkten Ermessens- überprüfung und -ausübung. Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 23. Dezember 2008 in Sa- chen Einwohnergemeinde X. gegen das Bezirksamt Bremgarten (WBE.2008.315). 2008 Sozialhilfe 263 Aus den Erwägungen 2. 2.1. (...) 2.2. 2.2.1. Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet (Art. 50 Abs. 1 BV). Eine Gemeinde ist in ei- nem Sachbereich autonom, wenn das kantonale Recht diesen nicht abschliessend ordnet, sondern ihn ganz oder teilweise der Gemeinde zur Regelung überlässt und ihr dabei eine relativ erhebliche Ent- scheidungsfreiheit einräumt. Der geschützte Autonomiebereich kann sich auf die Befugnis zum Erlass oder Vollzug eigener kommunaler Vorschriften beziehen oder einen entsprechenden Spielraum bei der Anwendung des kantonalen oder eidgenössischen Rechts betreffen. Der Schutz der Gemeindeautonomie setzt eine solche nicht in einem ganzen Aufgabengebiet, sondern lediglich im streitigen Bereich vor- aus (BGE 129 I 410 Erw. 2.1 mit Hinweisen; BGE vom 10. Juli 2006 [2P.230/2005], Erw. 2.2). Nicht jeder unbestimmte Gesetzesbegriff des kantonalen Rechts gewährt der Gemeinde einen geschützten Autonomiebereich (BGE 100 Ia 272 Erw. 6). Ob die der Gemeinde gewährte Entschei- dungsfreiheit in einem bestimmten Bereich "relativ erheblich" ist, ergibt sich aus ihrer Bedeutung für den Sinn der kommunalen Selbständigkeit, d.h. daraus, ob nach der kantonalen Gesetzgebung durch die kommunale Gestaltung mehr Demokratie und Rechts- staatlichkeit sowie eine bessere und sinnvollere Aufgabenerfüllung auf lokaler Ebene ermöglicht werden soll (BGE 118 Ia 218 Erw. 3d). Geht es um eine Entscheidungsfreiheit, die nicht in erster Linie deshalb besteht, weil einer Verschiedenheit der lokalen Bedürfnisse Rechnung zu tragen ist, sondern die sich daraus ergibt, dass in jedem Einzelfall im Interesse der Betroffenen sachgerechte Entscheidungen gefällt werden sollen, besteht von der Sache her grundsätzlich noch keine Autonomie der einzelnen Gemeinden (BGE 118 Ia 218 Erw. 3d/e); erst ein erheblicher Ermessensspielraum, der auch die Berücksichtigung ergänzender eigener Kriterien erlaubt, begründet in 2008 Verwaltungsgericht 264 solchen Fällen Autonomie (vgl. BGE vom 1. Juni 2006 [2P.16/2006], Erw. 2.2; zum Ganzen: BGE vom 10. Juli 2006 [2P.230/2005], Erw. 2.3). 2.2.2. Im Einzelnen ergibt sich der Umfang der kommunalen Auto- nomie aus dem für den entsprechenden Bereich anwendbaren kanto- nalen Verfassungs- und Gesetzesrecht (BGE vom 10. Juli 2006 [2P.230/2005], Erw. 3.1). Nach § 6 Abs. 1 SPG ist die Gemeinde am Unterstützungswohnsitz zur Gewährung von Sozialhilfe zuständig. Der Regierungsrat regelt Art und Höhe der materiellen Hilfe, wobei eine Koordination mit anderen Kantonen angestrebt wird (§ 10 Abs. 1 SPG). Für die Bemessung der materiellen Hilfe hat der Regie- rungsrat die SKOS-Richtlinien grundsätzlich für verbindlich erklärt (§ 10 Abs. 1 SPG i.V.m. § 10 Abs. 1 SPV). Bei der Kürzung der materiellen Unterstützung (§ 13 Abs. 2 SPG) ist die Existenzsicherung zu beachten (§ 15 Abs. 1 SPV), wel- che bei 65 % des Grundbedarfs I gemäss den SKOS-Richtlinien liegt (§ 15 Abs. 2 SPV). Das Ausmass der Kürzung richtet sich letztlich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls und muss dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit (Art. 5 Abs. 2 BV; § 3 Abs. 1 VRPG) Rechnung tragen (Kommentar zur SPV vom 7. August 2002, hrsg. vom DGS, S. 8). Dabei hat die Kürzung insbesondere in einem angemessenen Verhältnis zum Fehlverhalten bzw. Verschulden zu stehen (SKOS-Richtlinien, Kapitel A.8.2). Eine Entscheidungsfrei- heit im Autonomiebereich sieht § 15 SPV entgegen der Einwohner- gemeinde X. nicht vor. 2.2.3. Das Bezirksamt als Beschwerdeinstanz gegen Verfügungen und Entscheide der Sozialbehörden (§ 58 Abs. 1 SPG) ist gemäss § 58 Abs. 4 SPG i.V.m. § 49 VRPG zur vollen Überprüfung der geltend gemachten Beschwerdegründe - einschliesslich der Ermessenskon- trolle - verpflichtet. Eine Beschränkung seiner Kognition besteht nicht (vgl. Merker, a.a.O., § 49 N 7). 2.3. Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass der Sozial- behörde im Zusammenhang mit der Kürzung von Sozialhilfe zwar 2008 Sozialhilfe 265 ein Beurteilungsspielraum zusteht. Dabei geht es jedoch nicht um eine Entscheidungsfreiheit im Autonomiebereich, sondern vielmehr um die konkreten Umstände des Einzelfalls, die ihr besser bekannt sein können und deshalb zu einer gewissen Zurückhaltung bei der Aufhebung eines erstinstanzlichen Entscheids führen können. Eine Verpflichtung des Bezirksamts zur beschränkten Ermessensüberprü- fung und Ermessensausübung besteht indessen nicht (Merker, a.a.O., § 49 N 4 f. und N 37). Die Beschwerde ist insoweit unbegründet.
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2011 Sozialhilfe 173 V. Sozialhilfe 44 Kantonsbeitrag an Institutionen der Tagesbetreuung von Kindern - Die Beteiligung des Kantons an privaten Institutionen der Tagesbe- treuung von Kindern setzt eine angemessene Beteiligung der Ge- meinde voraus (§ 51 Abs. 2 SPG). - Bei einer Institution, die von mehreren Gemeinden getragen wird, ist die gesamte Beitragshöhe aller beteiligten Gemeinden ohne Rück- sicht auf einen internen Verteilschlüssel oder die Beitragsmodalitäten massgebend. Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 10. März 2011 in Sachen A. gegen Regierungsrat (WBE.2010.273). Aus den Erwägungen 1. 1.1. Nach § 39 SPG kann die Gemeinde, soweit möglich in Zusam- menarbeit mit Privaten und anderen Gemeinden, für eine bedarfsge- rechte Bereitstellung von Einrichtungen der familienergänzenden Kinderbetreuung, wie zum Beispiel Tagespflegeplätze, Kinderkrip- pen und Tagesschulen, sorgen. Sie regelt die Kostenbeteiligung der Benützenden unter Berücksichtigung sozialer Aspekte. Der Kanton beteiligt sich auf der Grundlage von Leistungsvereinbarungen an privaten Institutionen der Tagesbetreuung von Kindern im Umfang von maximal 20% der anrechenbaren Betriebskosten, sofern sich die Gemeinde angemessen beteiligt (vgl. § 51 Abs. 2 SPG). Für die Berechnung der Kostenbeteiligung ist § 35 SPV massgebend. Nach § 35 Abs. 2 SPV beinhaltet die angemessene Beteiligung der Gemeinde an den Betriebskosten von Einrichtungen einen min- destens dem Kantonsbeitrag entsprechenden Geldbetrag. Natural- 2011 Verwaltungsgericht 174 leistungen sind in Geldwerte umzurechnen. Bei der Beteiligung mehrerer Gemeinden gilt die Beitragshöhe gesamthaft. Die anrechen- baren Betriebskosten ergeben sich aus der Differenz aus den an- rechenbaren Einnahmen gemäss Abs. 4 und den anrechenbaren Aus- gaben gemäss Abs. 5 dieser Bestimmung (§ 35 Abs. 3 SPV). 1.2. Der Entstehungsgeschichte von § 51 Abs. 2 SPG lässt sich ent- nehmen, dass der Kanton ursprünglich einen finanziellen Beitrag an eine soziale Verpflichtung der Gemeinden leisten sollte. Nachdem der Grosse Rat in der 1. Lesung der Revision des SPG die Gemein- den von der Pflicht zur familienergänzenden Kinderbetreuung befrei- te (§ 39 SPG), wurde die Beitragspflicht des Kantons grundsätzlich diskutiert (Botschaft des Regierungsrates vom 30. Juni 1999 bezüg- lich Revision des SPG; Protokoll des Grossen Rates vom 7. No- vember 2000, Art. 2297, S. 3540 ff.). Gemäss Botschaft vom 20. De- zember 2000 zur 2. Beratung (GR 00.435) ging es bei § 51 Abs. 2 SPG in der Folge um die grundsätzliche Frage, ob kantonale Beiträge generell oder nur dort, wo die Gemeinden sich beteiligen, ge- sprochen werden sollen. Angesichts der im SPG konsequent vollzo- genen, grundsätzlichen Zuständigkeit der Gemeinden sollte vermie- den werden, dass der Kanton Leistungen erbringt, ohne dass die Gemeinde selber sich beteiligt (Botschaft S. 7). Im Grossen Rat gab es anlässlich der zweiten Beratung am 6. März 2001 zwar Stimmen, die gegen die Einführung dieser Beschränkung waren, weil (auch) die privaten Träger unabhängig von Gemeindeleistungen Anspruch auf Kantonsbeiträge haben sollten. Der Vorschlag des Regierungs- rates wurde angenommen (Protokoll des Grossen Rates vom 6. März 2001, Art. 2488, S. 3893). 1.3. Der Regierungsrat umschrieb in der Ausführungsverordnung zu § 51 SPG einerseits die Angemessenheit des Gemeindebeitrages näher (§ 35 Abs. 2 SPV), definierte andererseits die anrechenbaren Betriebskosten als Differenz von bestimmten Einnahmen und Aus- gaben (§ 35 Abs. 3 bis 5 SPV). Der Kantonsbeitrag präsentiert sich damit als eine besondere Betriebsfinanzierung, da alle Einnahmen, insbesondere Betriebsbeiträge mit Ausnahme der Gemeindebeiträge, 2011 Sozialhilfe 175 und Spenden berücksichtigt werden, und der Kantonsbeitrag im Fall einer Überdeckung entsprechend reduziert wird (§ 35 Abs. 6 SPV). Diese Verordnungsbestimmungen bewegen sich im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben. Sachfremde Gründe und Bedingungen für die Festlegung des Kantonsbeitrages sind keine zu erkennen. Der Kan- tonsbeitrag an den Beschwerdeführer berechnet sich nach den Be- stimmungen in § 35 Abs. 3 ff. SPV. 2. 2.1.-2.3. (...) 2.4. Bereits der Wortlaut von § 39 SPG und § 35 Abs. 2 SPV sowie die Materialien zu § 51 Abs. 2 SPG sprechen dagegen, dass der Kantonsbeitrag an eine Institution von Leistungsvereinbarungen und Beiträgen aller Gemeinden, deren Schüler und Schülerinnen eine Tagesbetreuung in einer andern Gemeinde besuchen, abhängig ge- macht werden kann. § 39 SPG verpflichtet die Gemeinden nicht zur Zusammenarbeit. Mit der "angemessenen Beteiligung" wollte der Gesetzgeber verhindern, dass der Kanton Beiträge zahlt, ohne dass sich die Gemeinde an der Finanzierung beteiligt. Der angemessene Beitrag an eine Institution ist bei mehreren Gemeinden die gesamte Beitragshöhe aller Gemeinden ohne Rücksicht auf interne Verteil- schlüssel oder Beitragsmodalitäten einzelner Gemeinden. Weder das Sozialhilfe- und Präventionsgesetz, noch die Verordnung enthalten Vorgaben, wie eine Institution ihr Verhältnis zu mehreren Gemeinden zu organisieren hat. Ebenso wenig gibt es Vorschriften darüber, wie mehrere Gemeinden die Mitwirkung, Beteiligung und Aufsicht an einer Institution der Tagesbetreuung im Verhältnis zur Standort- gemeinde zu organisieren haben. Es ist für die Bemessung des Kan- tonsbeitrags auch nicht relevant, ob mehrere Gemeinden die finan- zielle Unterstützung des Beschwerdeführers als Mitgliedschaftsbei- trag, Sachleistungen oder Subventionen ausrichten. Mit der Berück- sichtigung der gesamten Beitragshöhe aller beteiligten Gemeinden ist eine Berechnung des Kantonsbeitrages nach der Belegungszahl der Schülerinnen und Schüler nach Herkunftsgemeinde unvereinbar. Die Argumentation der Vorinstanz, wonach nur im Verhältnis zur Gemeinde M. ein Leistungsauftrag bestehe, überzeugt auch im 2011 Verwaltungsgericht 176 Hinblick auf § 35 Abs. 1 SPV nicht. Die Leistungsvereinbarung dient der Sicherung der schweizerischen oder kantonalen Qualitätsstan- dards. Dies ist im vorliegenden Fall mit dem Abschluss der Leis- tungsvereinbarung mit der Gemeinde M. vom 1. März 2008 gewähr- leistet. Der Leistungsvertrag regelt das Verhältnis des Beschwerde- führers zur Einwohnergemeinde M., bestimmt Leistung, Bedingun- gen und den Geltungsbereich. Vereinbart ist, dass alle Kinder aus Kindergarten, der Unterstufe, der Mittelstufe und Jugendliche aus der Oberstufe am Mittagstisch aufgenommen werden. Die Mahlzeiten werden zu Selbstkosten mit einem Zuschlag für die Betreuung ab- gegeben, wobei Reduktionen möglich sind. Der Beschwerdeführer führt für die Oberstufe einen Mittagstisch in der Turnhalle B. und für die Kindergarten, Unter- und Mittelstufe eine Betreuung im "X.". Beschränkungen nach dem Wohnort der Schüler sind dem Leistungs- vertrag nicht zu entnehmen, auch nicht mit Bezug auf den Beitrag, welchen die Einwohnergemeinde M. leistet. Es kann daher ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer seine Dienstleistung für alle Kinder erbringt, welche die Schulen oder den Kindergarten in M. besuchen, und für diese Leistungen von der Gemeinde M. entschädigt wird. Dieser Schluss drängt sich auch aufgrund der Bestätigung des Gemeinderates vom 18. Mai 2010 auf. Der Beschwerdeführer weist zu Recht auch daraufhin, dass sich die Wohnsitzfrage nur bei den Schülern der Oberstufe und dem Mittagstisch am Standort "B." stelle. Dass die Vorinstanz bei der Festlegung des Kantonsbeitrages die Schüler anderer Gemeinden nicht berücksichtigt hat, überzeugt aus einem weiteren Grund nicht. Dem Gesetz lässt sich nicht ent- nehmen, dass jede Einwohnergemeinde, deren Schüler auswärtige Schulen besuchen, mit der privaten Institution am Schulstandort eine separate Vereinbarung zu schliessen hätte. Dies liegt angesichts der Schulorganisation mit Kreisschulen auch nicht nahe. Die auswärtigen Schüler der Oberstufe besuchen die obligatorische Schule in M., weil sich diese Gemeinden zu einem Kreisschulverband zusammen- geschlossen haben. Die Tagesstrukturen werden am Schulort benötigt und es wäre weder praktikabel, noch zweckmässig oder sinnvoll, wenn der Beschwerdeführer mit allen Wohngemeinden separate 2011 Sozialhilfe 177 Leistungsvereinbarungen abschliessen müsste. Mit den Zielen der familienergänzenden Kinderbetreuung nach § 39 SPG unvereinbar wäre, Schülerinnen und Schüler aus andern Wohngemeinden mangels einer Leistungsvereinbarung mit der Wohngemeinde vom Mittagstisch auszuschliessen. Die Gemeinden eines Kreisschulverbandes können sich über ihre Zusammenarbeit vertraglich einigen (§§ 56 ff. SchulG; § 72 GG). Der Beschwerdeführer hat es jedenfalls nicht zu vertreten und keine Anspruchsminderung hinzunehmen, wenn die Einwohnerge- meinde M. ihre Zentrumsaufgaben als Schulstandort durch eine Kostenübernahme wahrnimmt, die nach der Auffassung des KSD auswärtige Schülerinnen und Schülern begünstigt.
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2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 358 [...] 60 Kostenverlegung; Parteikostenentschädigung bei Gegenstandslosigkeit eines Verfahrens betreffend Baueinstellung Neben formellen können auch materielle Kriterien berücksichtigt wer- den, die zur Gegenstandslosigkeit geführt haben. Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 21. Oktober 2013 in Sa- chen A. AG gegen Gemeinderat B. und Rechtsdienst des Regierungsrats (WBE.2013.91). Aus den Erwägungen 1. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet die Verlegung der Parteikosten durch die Vorinstanz. Diese schrieb das Beschwer- deverfahren infolge Gegenstandslosigkeit ab, nachdem der Gemein- derat am 7. Januar 2013 die Baueinstellung vom 12. November 2012 aufgehoben hatte. Der Beschwerdeführerin wurde keine Parteient- schädigung zugesprochen. 2. (...) 2013 Verwaltungsrechtspflege 359 3. 3.1. Im Beschwerdeverfahren werden die Parteikosten in der Regel nach Massgabe des Unterliegens und Obsiegens auf die Parteien ver- legt (§ 32 Abs. 2 VRPG). Wer sein Rechtsmittel zurückzieht oder auf andere Weise dafür sorgt, dass das Verfahren gegenstandslos wird, gilt als unterliegende Partei (§ 32 Abs. 3 Satz 1 VRPG). § 32 Abs. 3 Satz 1 VRPG schliesst dabei nebst formellen auch ein Abstellen auf materielle Kriterien, die zur Gegenstandslosigkeit geführt haben, nicht aus. Der mutmassliche Verfahrensausgang spielt dabei keine Rolle (Botschaft des Regierungsrats des Kantons Aargau an den Grossen Rat zum VRPG vom 14. Februar 2007, 07.27, S. 43 f.). Wird ein Verfahren ohne Zutun einer Partei gegenstandslos, sind die Parteikosten nach den abgeschätzten Prozessaussichten zu verlegen oder aus Billigkeitsgründen ganz oder teilweise dem Gemeinwesen zu belasten (§ 32 Abs. 3 Satz 2 VRPG). 3.2. Im konkreten Fall ist strittig, wer die Gegenstandslosigkeit vor Vorinstanz verursacht hat. Indem der Gemeinderat mit Protokollaus- zug vom 7. Januar 2013 die Baueinstellungsverfügung vom 12. No- vember 2012 aufhob, hat er formell die Gegenstandslosigkeit verur- sacht. Die Kostenauflage nach rein formellen Gesichtspunkten er- scheint vorliegend jedoch zu kurz gegriffen und würde dem Fall nicht gerecht: Tatsache ist nämlich, dass der wesentliche Grund, wes- halb der Gemeinderat die Baueinstellung aufhob, im Verzicht der Be- schwerdeführerin auf die Verarbeitung von tierischen Fetten lag. Ge- mäss der Eingabe der Beschwerdeführerin vom 6. November 2012 beabsichtigte diese bei der Rohstoffversorgung eine Änderung von Jatrophaöl zu Altspeiseöl und tierischen Fetten . Den Verzicht auf tierische Fette stellte die Beschwerdeführerin erstmals mit ihrem Wiedererwägungsgesuch vom 6. Dezember 2012 zur Diskussion. Anlässlich der Besprechung vom 20. Dezember 2012 zwischen Ver- tretern der Beschwerdeführerin, des Gemeinderats und des BVU wurde seitens der Beschwerdeführerin ausdrücklich bestätigt, auf die Verarbeitung von tierischen Fetten zu verzichten; sollte zukünftig be- absichtigt werden, solche Stoffe einzusetzen, werde das ordentliche 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 360 Verfahren eingehalten und in jedem Fall vorgängig ein Projektände- rungsgesuch erarbeitet und - soweit notwendig - der UVB ergänzt. Erst der Verzicht auf die Verarbeitung von tierischen Fetten führte zum Beschluss des Gemeinderats vom 7. Januar 2013, die Bauein- stellungsverfügung vom 12. November 2012 aufzuheben. Letztlich führte der Verzicht auch dazu, dass - nach weiteren Abklärungen - für die Verwendung eines Alternativrohstoffs (Altspeiseöl) kein neu- es Baugesuch eingereicht und kein neuer Umweltverträglichkeits- bericht erstellt werden musste. Ohne den Meinungsumschwung der Beschwerdeführerin wäre ihre Verwaltungsbeschwerde nicht gegenstandslos geworden. Ihr Verzicht auf die Verarbeitung von tierischen Fetten war entscheidend für die Aufhebung der Baueinstellung. Materiell hat somit die Be- schwerdeführerin die Gegenstandslosigkeit der Verwaltungsbe- schwerde veranlasst, formell der Gemeinderat. Das gilt es bei der Kostenauflage zu berücksichtigen. Die Vorinstanz ist bei der Verle- gung der Parteikosten vom Grundsatz in § 32 Abs. 3 VRPG nicht ab- gewichen, wonach als unterliegende Partei gilt, wer auf andere Weise als durch Rückzug eines Rechtsmittels dafür sorgt, dass ein Verfah- ren gegenstandslos wird. Indem sie die Beschwerdeführerin als hälf- tig obsiegend betrachtete, hat sie den ihr zustehenden weiten Ermes- sensspielraum nicht überschritten. Die Verrechnungspraxis (AGVE 2009, S. 279 f.; 2012, S. 224 ff.) ergab schliesslich, dass der Beschwerdeführerin bei hälftigem Obsiegen/Unterliegen keine Parteikosten zugesprochen werden konnten. (...)
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AG_VG_001
AG_VG
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AG_VG_001_AGVE-2013-60_2013-10-03
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2011 Submissionen 149 III. Submissionen 40 Eventualpositionen; "Per-Positionen" Fehlt in den Ausschreibungsunterlagen der klare Hinweis, dass die zu of- ferierenden Preise für die Eventualpositionen in die Gesamtpreissumme einbezogen und somit bewertet werden, stellt die nachträgliche Berück- sichtigung im Rahmen der Bereinigung der Angebote eine unzulässige Änderung der "Spielregeln" des Verfahrens dar und verstösst gegen das Transparenzverbot. Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 19. Mai 2011 in Sachen A. AG gegen Einwohnergemeinde B. (WBE.2011.54). Aus den Erwägungen 3. 3.1. Eventualpositionen umschreiben einzelne zusätzliche, aber bloss mögliche Leistungen, wobei sie in der Regel auch die zugehö- rige Vergütung bestimmen und häufig die voraussichtliche Menge angeben (Rainer Schumacher, in: Peter Gauch [Hrsg.], Kommentar zur SIA-Norm 118 Art. 38-156, Zürich 1992, Art. 102 Rz. 1; Roland Hürlimann / Hans Heer, Preise, Leistungsverzeichnis und Kalkula- tion, S. 11, in: Baurechtstagung 1999, Tagungsunterlage 1, hrsg. vom Institut für Schweizerisches und Internationales Baurecht). Zu den Eventualpositionen zählen insbesondere auch die sogenannten "Per- Positionen", bei denen die Bieter zwar bestimmte Einheitspreise offerieren sollen, für deren Leistungen das Leistungsverzeichnis des Auftraggebers aber keine Menge angibt und die daher regelmässig nicht in die bewertungsgegenständliche provisorische Gesamtver- gütung einfliessen (Martin Beyeler, Umgelagert, gemischt und offe- riert - Thesen zur Preisspekulation, in: Schweizerische Baurechtsta- 2011 Verwaltungsgericht 150 gung 2011, Freiburg 2011, S. 135). In der Regel fliessen die Even- tualpositionen somit preislich nicht in die Angebotssumme ein; ent- sprechend werden sie auch nicht bewertet. Dies kann einen Anbieter zur Spekulation veranlassen: Der Bieter kann hier seine Marge bei gegebenen Kosten pro Leistungseinheit theoretisch beliebig erhöhen, ohne damit seine Position im Vergleich mit den übrigen Offerten zu gefährden, denn der provisorische Gesamtpreis seiner Offerte, der für die Angebotsbewertung errechnet wird, ändert sich dadurch nicht (Beyeler, a. a. O., S. 135). Es ist indessen am Auftraggeber zu be- stimmen, welche Positionen er messen will. Will der Auftraggeber Risiken, die sich aus der Margenspekulation auf nicht bewerteten Eventualpositionen ergeben können, vermeiden, hat er diese Positio- nen mit einigermassen realistischen Mengenangaben, allenfalls ge- wichtet mit ihrer Wahrscheinlichkeit, in die Bewertung einzubezie- hen. Das verunmöglicht jede Margenspekulation, und drängt sich im Hinblick auf den vergaberechtlichen Wirtschaftlichkeitsgrundsatz umso eher auf, je grösser die Wahrscheinlichkeit ist, dass die fragli- chen Positionen tatsächlich zur Ausführung kommen. Ein solcher Einbezug der Eventualpositionen in die Bewertung setzt allerdings voraus, dass diese Vorgehensweise ausgeschrieben wurde oder sie in zulässigen Verhandlungen - was nur für das Bundesbeschaffungs- recht zutrifft - nachträglich noch angeordnet werden kann (Beyeler, a. a. O., S. 158). Wird in den Ausschreibungsunterlagen nicht klar er- sichtlich darauf hingewiesen, dass die zu offerierenden Preise für die Eventualpositionen in die Gesamtpreissumme einbezogen und somit auch bewertet werden, stellt die nachträgliche Berücksichtigung im Rahmen der Bereinigung der Angebote eine unzulässige Änderung der "Spielregeln" des Verfahrens dar und verstösst gegen das Trans- parenzgebot. 3.2. (...) 3.3. Die Ausschreibungsunterlagen enthalten vorliegend keinen Hinweis, dass und unter welchen Voraussetzungen (z. B. bei Eintritt einer ausreichenden Wahrscheinlichkeit der Realisierung zum Zeit- punkt des Vergabeentscheids) die Eventualpositionen beim Gesamt- preis mitberücksichtigt und in die Preisbewertung einfliessen wür- 2011 Submissionen 151 den. Vielmehr wird im Submissionsbericht ausdrücklich festgehalten, dass diese "während der Ausführung der Hauptarbeiten für jede Lie- genschaft separat, durch die Unternehmung, mit den Preisen im LV (Objekt HA) zu offerieren" seien. Auch die Umschreibung des Zu- schlagskriteriums "Preis" und dessen Bewertung im Leistungsver- zeichnis nennt lediglich den "Angebotspreis"; der günstigste An- bieter erhalte 100 % der möglichen Bewertungspunkte; Anbieter, die teurer als 30 % des günstigsten Angebots seien, erhielten 0 % der möglichen Bewertungspunkte (Pos. 224.100 und Pos. 224.200). Ein Hinweis, dass die Eventualpositionen bei der Preisbewertung mitbe- rücksichtigt würden, hätte sich vorliegend umso mehr aufgedrängt als die Vergabestelle geltend macht, gemäss langjährigen Erfahrungs- werten würden solche Hausanschlüsse in der Regel zu 80 - 90 % realisiert. Mit der vorgenommenen Aufaddierung der Preise für die Hausanschlüsse auf den Angebotspreis für die Hauptarbeiten muss- ten die Anbieter somit aufgrund der Ausschreibung klarerweise nicht rechnen. Damit erweist sich die vorgenommene Aufaddierung der Preise für die Hausanschlüsse als unzulässige nachträgliche Ange- botskorrektur, die vor dem Transparenzgrundsatz nicht standhält. Richtigerweise hätten für die Preisbewertung nur die für die Hauptar- beiten offerierten Preise Berücksichtigung finden dürfen. Aus dem Offertvergleich / Vergabeantrag geht hervor, dass die Beschwerdeführerin ohne die aufaddierten Preise für die Hausan- schlüsse eine Bewertung von insgesamt 92.50 Punkten erreicht hat und damit mit einem Vorsprung von 2.12 Punkten auf Rang 1 vor der zweiplatzierten ARGE C. liegt.
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2019 Vollstreckung 209 XI. Vollstreckung 31 Vollstreckung; Vollzugsverschiebung des Führerausweisentzugs Der Vollzugstermin des Führerausweisentzugs ist unverhältnismässig, wenn er den Betroffenen aufgrund einer beruflichen Angewiesenheit be- sonders hart trifft. Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 23. Juli 2019, in Sachen A. gegen Strassenverkehrsamt (WBE.2019.180). Aus den Erwägungen 2. 2.1. Bei der Festsetzung des Vollzugsbeginns eines Warnungsentzu- ges ist - wie im Verwaltungsrecht allgemein - der Grundsatz der Verhältnismässigkeit (vgl. § 3 VRPG; Art. 5 Abs. 2 BV) zu beachten. Dieses Prinzip fordert, dass die Vollstreckungsmassnahmen zur Ver- wirklichung des im öffentlichen Interesse liegenden Ziels geeignet und notwendig sind. Ausserdem muss der angestrebte Zweck in einem vernünftigen Verhältnis zu den Belastungen stehen, die den Privaten auferlegt werden, d.h. zumutbar sein (vgl. ULRICH HÄFELIN/GEORG MÜLLER/FELIX UHLMANN, Allgemeines Verwal- tungsrecht, 7. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2016, Rz. 514; TOBIAS JAAG, in: ALAIN GRIFFEL [Hrsg.], Kommentar zum Verwaltungs- rechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 3. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2014, § 30 N 68). Aufgrund des Legali- tätsprinzips, der Rechtsgleichheit und der Rechtssicherheit sind die Behörden verpflichtet, Sachentscheide zu vollstrecken. Sie haben daher im Rahmen der Vollstreckung lediglich einen gewissen Ermes- sensspielraum bei der Bestimmung der Modalitäten. Beim Vollzug eines Warnungsentzugs geht es ausschliesslich um die Ansetzung des 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 210 Entzugsbeginns (vgl. AGVE 2013, S. 351; VGE vom 20. September 2012 [WBE.2012.331], S. 5). 2.2. Beim Entscheid über die Aufschiebung eines Warnungsentzugs sind das öffentliche Interesse am Vollzug der Administrativmass- nahme und das private Interesse des betroffenen Fahrzeuglenkers am Aufschub gegeneinander abzuwägen. Es besteht ein öffentliches In- teresse an einem möglichst zügigen Vollzug; damit wird der erzie- herische Zweck der Massnahme am ehesten erreicht. Der Zeitpunkt des Entzugs kann nicht weitgehend nach den Wünschen des betrof- fenen Fahrzeuglenkers festgelegt werden. Zu vermeiden ist auf der anderen Seite, dass die Massnahme über den damit bezweckten er- zieherischen Zweck hinaus den betroffenen Fahrzeuglenker aus in seiner Person liegenden Gründen besonders schwer trifft oder schi- kanös wird (vgl. VGE vom 20. September 2012 [WBE.2012.331], S. 5; RENÉ SCHAFFHAUSER, Grundriss des schweizerischen Stras- senverkehrsrechts, Band III: Die Administrativmassnahmen, Bern 1995, Rz. 2729, 2731; AGVE 1989, S. 494). 3. 3.1. Berufliche Gründe, mit welchen ein betroffener Fahrzeuglenker vor Erlass der Vollstreckungsverfügung um Verschiebung nachsucht, sind bei der Festsetzung des Entzugsbeginns zu berücksichtigen (vgl. AGVE 2013, S. 351; VGE vom 26. Juni 2013 [WBE.2013.144], S. 6 f.). Die Praxis stellt hohe Anforderungen an den Nachweis der beruflichen Angewiesenheit, zumal zu verhindern ist, dass ein be- rufstätiger Automobilist gegenüber einem nicht Erwerbstätigen bes- sergestellt ist (VGE vom 20. September 2012 [WBE.2012.331], S. 6 mit Hinweisen). 3.2. Im Gesuch um Vollzugsverschiebung verwies der Be- schwerdeführer im Wesentlichen auf seine Tätigkeit als selbständiger Lohnunternehmer. Vom Mai bis November müssten folgende Arbei- ten erledigt werden: Getreideernte Gerste, Getreideernte Weizen und Raps, Gülletransporte, Kartoffeltransporte sowie Maisernte. In der 2019 Vollstreckung 211 Stellungnahme konkretisierte der Beschwerdeführer sein Vorbringen wie folgt: Das verstehe ich nicht. Der Beginn einen Monat [richtig: zwei Monate] später hat doch nichts mit der Erziehungswirkung zu tun. Ich führe zusammen mit einigen Familienmitgliedern und Angestellten unter anderem ein Lohnunternehmen. Bis Ende Oktober ist jeweils Erntehochsaison. Jedermann wird gebraucht, um in den jeweils sehr engen, nicht voraussehbaren Zeitfenstern die Erntearbeiten bzw. Aufträ- ge zu erledigen (Tag u. Nacht!). Ich führe das Lohnunternehmen schon unzählige Jahre und habe absolut am meisten Erfahrung und Fertigkeiten u. Kontakte. Fast alles läuft bei mir zusammen. Falls ich zu dieser Zeit keine Fahrzeuge (alle Kategorien) führen kann, können wir unsere Aufträge und allfällige Notfälle nicht erledigen. Der Verlust wäre enorm, da regelmässig sehr teure Maschinen zum Einsatz kommen. Ich muss jeweils Feldbe- sichtigungen machen, Material- und Erntetransporte durchführen, Reparaturen erle- digen, Ernten, je nach aktueller Situation. 3.3. Das Strassenverkehrsamt hatte anlässlich der Gewährung des rechtlichen Gehörs am 25. Januar 2019 mitgeteilt, der Abgabetermin müsse innerhalb von 7 Monaten festgelegt werden (d.h. spätestens am 25. August 2019). Um dem erzieherischen Zweck der Massnah- me gerecht zu werden, ist seines Erachtens eine Verschiebung auf den 1. November 2019 ausgeschlossen. Verwiesen wird zudem auf einen früheren Warnungsentzug aus dem Jahre 2012. 3.4. Nach den Ausführungen des Strassenverkehrsamts hätte für den Beschwerdeführer die Möglichkeit bestanden, den Führerausweis be- reits zu Beginn dieses Jahres abzugeben. Tatsächlich wurde dem Be- schwerdeführer anlässlich der Gewährung des rechtlichen Gehörs vom 25. Januar 2019 nicht nur die Administrativmassnahme in Aus- sicht gestellt; sondern er wurde gleichzeitig darauf hingewiesen, dass er den Abgabetermin innerhalb der nächsten 7 Monate frei wählen könne. Der Sachentscheid, mit welchem die Entzugsdauer auf 3 Monate festgesetzt wurde, datiert indessen erst vom 28. März 2019. Er enthielt den Hinweis, dass ein sofortiger Vollzug möglich sei, wenn ein Gesuch um Vollzugsverschiebung gestellt und der Füh- rerausweis beigelegt werde. Ein sofortiger Ausweisentzug konnte in- 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 212 dessen zu diesem Zeitpunkt den geltend gemachten beruflichen Be- dürfnissen des Beschwerdeführers (vgl. vorne Erw. 3.2) nicht genü- gend Rechnung tragen. Damit kein Konflikt mit den im Mai begin- nenden Erntearbeiten entstanden wäre, hätte eine Abgabe in den Mo- naten Februar/März/April erfolgen müssen. Das Strassenverkehrsamt bezieht sich in seinen Ausführungen zu den Dispositionsmöglich- keiten des Beschwerdeführers somit auf einen Zeitpunkt, in welchem noch gar keine Administrativmassnahme verfügt war. Auch unter Be- rücksichtigung, dass dem Beschwerdeführer der Ausweis bereits einmal entzogen werden musste, ist nachvollziehbar, dass er zuerst Kenntnis von der definitiven Entzugsdauer haben wollte, bevor er sich um deren konkrete zeitliche Festlegung kümmern konnte. Die Praxis des Strassenverkehrsamts, wonach dreimonatige Führerausweisentzüge, welche nicht angefochten werden, innert 7 Monaten ab Gewährung des rechtlichen Gehörs zu vollziehen sind, dient als Richtwert der rechtsgleichen Anordnung der Vollstreckung. Massgebend ist aber stets der Einzelfall, so dass berufliche Gründe, mit welchen ein betroffener Fahrzeuglenker um eine Verschiebung nachsucht, bei der individuellen Festsetzung des Entzugsbeginns zu berücksichtigen sind (AGVE 2013, S. 351 mit Hinweis). 3.5. Das Verwaltungsgericht hat in seiner bisherigen Praxis nicht be- anstandet, dass bei einem selbständigen Maler der Entzugstermin be- reits Mitte Juni angesetzt wurde und nicht erst - wie ersucht - Mitte Dezember. Dieser Beschwerdeführer nahm keinen Bezug auf allfälli- ge saisonale oder zyklische Geschäftsentwicklungen und beschränkte sich darauf darzulegen, dass ihn der Führerausweisentzug als solcher besonders hart treffe. Nicht ersichtlich war, dass ihn der Ausweisent- zug mit späterem Entzugsbeginn weniger empfindlich beeinträchti- gen würde als der angeordnete (vgl. VGE vom 23. Mai 2018 [WBE.2018.140], S. 6). Bei einem angestellten Aussen- dienstmitarbeiter hat das Verwaltungsgericht nicht beanstandet, dass die Verschiebung des Vollzugsbeginns nicht - wie beantragt - auf den 18. Februar, sondern lediglich auf den 11. Januar gewährt wurde. Zur Begründung erwog es, dass dem Beschwerdeführer nach durch- geführtem Rechtsmittelverfahren ausreichend Zeit für Dispositionen 2019 Vollstreckung 213 zur Verfügung gestanden habe. Die Argumentation des Beschwerde- führers (Stellensuche, prekäre finanzielle Verhältnisse, bestehende Unterhaltspflichten sowie Hinweis auf die Karenzfrist für den Bezug von Arbeitslosentaggeldern) legte nahe, dass lediglich ein möglichst langer Aufschub des Führerausweisentzugs bezweckt wurde (vgl. VGE vom 9. Januar 2019 [WBE.2018.445], S. 6 ff.). Schliesslich hat das Verwaltungsgericht bei einem Arzt, welcher an zwei Spitälern tä- tig war und das Auto im Wesentlichen für den Arbeitsweg einsetzte, nicht beanstandet, dass kein Vollzugsaufschub um weitere zwei Mo- nate gewährt worden war. Entsprechende Erschwernisse, Unan- nehmlichkeiten oder Kosten seien unausweichlich Folge der Wider- handlung gegen das Strassenverkehrsgesetz. Für Notfallsituationen seien Vorkehren und Dispositionen innerhalb der Arbeitsorganisation zu treffen; diese Problematik bestehe auch bei der Festlegung eines späteren Entzugstermins (VGE vom 20. September 2012 [WBE.2012.331], S. 6 f.). 3.6. Als selbständiger Lohnunternehmer ist der Beschwerdeführer saisonalen Schwankungen besonders ausgesetzt. Typischerweise füh- ren Lohnunternehmen für Landwirtschaftsbetriebe insbesondere Ern- tearbeiten aus, bei welchen bestimmte (kostenintensive) Landma- schinen wie beispielsweise Mähdrescher zum Einsatz gelangen. Der Beschwerdeführer legt dar, dass er jeweils von Mai bis Ende Oktober insbesondere für die Ernte von Gersten, Weizen, Raps und Mais so- wie für Kartoffel- und Gülletransporte äusserst stark beansprucht wird. Dabei verweist er auf zu erwartende finanzielle Einbussen, falls die Landmaschinen nicht planmässig eingesetzt werden können. In diesem Zusammenhang betont er seine Funktion als Ge- schäftsführer, welche neben dem Ernten insbesondere Feldbesichti- gungen, Material- und Erntetransporte sowie Reparaturen umfasse. Unter zusätzlicher Berücksichtigung der wetterabhängigen Arbeiten, welche unter Zeitdruck erfolgen, ist davon auszugehen, dass ein mo- bilitätsbedingter Ausfall des Beschwerdeführers während der Ern- tesaison kaum durch den Einsatz von Familienmitgliedern und Ange- stellten aufgefangen werden könnte. Bei dieser Ausgangslage ist darauf zu schliessen, dass den Beschwerdeführer der angeordnete 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 214 Entzug des Führerausweises ab dem 25. August 2019 besonders hart trifft. Die ungünstigen Wirkungen des Entzugs entsprechen aufgrund besonderer Umstände nicht mehr dem üblichen Ausmass (vgl. SCHAFFHAUSER, a.a.O., Rz. 2731). Damit erfüllt der Be- schwerdeführer die Anforderungen der (vorübergehenden) berufli- chen Angewiesenheit auf den Führerausweis, welche eine Verschie- bung des Vollzugs rechtfertigen, zumal im Herbst/Winter keine ver- gleichbare Abhängigkeit vom Führerausweis besteht. Dem erzieheri- schen Zweck der Massnahme kann auch entsprochen werden, wenn er den Führerausweis nach der Erntesaison (mithin gut 2 Monate spä- ter als vom Strassenverkehrsamt angeordnet) abgibt. Auch diesfalls wird er Beeinträchtigungen in Kauf nehmen müssen; diese dürften jedoch deutlich weniger einschneidend sein als bei einem Entzug während der Erntearbeiten. Hinzu kommt, dass zwischen der Zustel- lung der Administrativmassnahme und dem Entzugsbeginn gut 7 Monate liegen werden. Die erzieherische Wirkung des Entzugs ist damit nicht infrage gestellt. Der vom Strassenverkehrsamt angeordnete Führerausweisent- zug vom 25. August 2019 bis und mit 24. November 2019 erweist sich somit als unverhältnismässig und ist zu korrigieren.
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2004 Verwaltungsgericht 126 [...] 31 Zuwendungen zu gemeinnützigen Zwecken (§ 40 lit. k StG; Art. 9 Abs. 2 lit. i StHG). - Zuwendungen an juristische Personen, die in deren Sitzkanton wegen Erfüllung gemeinnütziger Zwecke steuerbefreit sind, müssen zum Abzug zugelassen werden. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 25. Juni 2004 in Sachen H.T. gegen Steuerrekursgericht. Publiziert in StE 2005, B 27.4 Nr. 16
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2013 Anwaltsrecht 339 XIV. Anwaltsrecht 53 Anwaltsregister; Verletzung von Berufsregeln - Art. 8 Abs. 2 BGFA betrifft die persönlichen Voraussetzungen des Registereintrags und stellt eine Ausnahme vom Erfordernis der institutionellen Unabhängigkeit dar; die zulässige Prozessvertretung beschränkt sich auf Mandate innerhalb des statutarischen Zwecks der gemeinnützigen Organisation; ein Anwalt, der diese Beschrän- kung überschreitet, erfüllt die Eintragungsvoraussetzungen nicht mehr und ist im Register zu löschen. - Die erstmalige Überschreitung der Beschränkung von Art. 8 Abs. 2 BGFA durch Parteivertretungen ausserhalb des statutarischen Zwecks der gemeinnützigen Organisation rechtfertigt bei Offenle- gung des Anstellungsverhältnisses gegenüber Gerichten, Behörden und Mandanten keine Disziplinierung des Anwalts wegen Verletzung von Berufsregeln. Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 30. Mai 2013 in Sachen A. gegen Anwaltskommission (WBE.2012.468). Aus den Erwägungen 3. 3.1. Nach Art. 12 lit. a BGFA haben Anwältinnen und Anwälte ihren Beruf sorgfältig und gewissenhaft auszuüben. Das Gebot der sorgfältigen Berufsausübung hat den Charakter einer Generalklausel und verlangt von den Anwältinnen und Anwälten in ihrer gesamten Anwaltstätigkeit ein korrektes Verhalten. Das Gebot der sorgfältigen und gewissenhaften Berufsausübung gilt dabei für die gesamte Be- rufstätigkeit (BGE 130 II 270, Erw. 3.2; W ALTER F ELLMANN , in: W ALTER F ELLMANN /G AUDENZ Z INDEL [Hrsg.], Kommentar zum An- 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 340 waltsgesetz, 2. Aufl., Zürich 2011, N 6 zu Art. 12 BGFA). Die Pflicht zur sorgfältigen Berufsausübung gilt nicht nur im Verhältnis zum Klienten, sondern auch im Verhältnis zu den staatlichen Behörden und zur Gegenpartei (BGE 131 IV 154, Erw. 1.3.2). Was unter "ei- nem korrekten Verhalten" zu verstehen ist, sagt das Gesetz nicht (vgl. F ELLMANN , a.a.O., N 6 zu Art. 12 BGFA). 3.2. Die Vorinstanz sieht in der Anwaltstätigkeit des Beschwerde- führers bei der Rechtsberatungsstelle für sozial Benachteiligte des Hilfswerks der evangelischen Kirchen Schweiz (HEKS) eine Aus- nahme und beschränkte die Vertretungsbefugnis für den Beschwerde- führer auf Mandate ausserhalb des allgemeinen Straf- und Familien- rechts. Der Beschwerdeführer habe Mandate ausserhalb des statutari- schen Zwecks seiner Arbeitgeberin betreut und dadurch seine Sorg- faltspflichten verletzt. (...) 4. 4.1. (...) 4.2. Das Gesetz und die Rechtsprechung lassen Ausnahmen von der institutionellen Unabhängigkeit zu. So traditionsgemäss die Tätigkeit in Anstellungsverhältnissen, wenn der Arbeitgeber selbst im An- waltsregister eingetragen ist, bzw. bei juristischen Personen als Ar- beitgeber, deren Organe im Register eingetragene Anwälte sind (Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA; vgl. BGE 138 II 440, Erw. 17). Ein Sonderfall besteht für Anwälte, welche bei einer anerkann- ten gemeinnützigen Organisation tätig sind. Diese Anwälte können sich, obwohl sie in einem Anstellungsverhältnis stehen, in das Regis- ter eintragen lassen (Art. 8 Abs. 2 BGFA). Die Ausübung dieser Par- teivertretung hat sich auf den gemeinnützigen Bereich entsprechend dem Zweck der betreffenden gemeinnützigen Organisation zu be- schränken. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts fällt die Tätigkeit einer allgemeinen Beratung und Interessenwahrung, sei es in beruflicher, sei es in privater Richtung, als sozialrechtlich moti- vierte Ausnahme einer unentgeltlichen Verbeiständung ausser Be- tracht. Die von der Organisation verfolgten Zwecke müssen aus gesellschaftlicher Gesamtsicht als fördernswert erscheinen, was auf 2013 Anwaltsrecht 341 sozialrechtliche Unterstützungsorganisationen regelmässig zutrifft (BGE 135 I 1, Erw. 7.4.1 mit Hinweisen). Die Sonderregelung für die gemeinnützigen Organisationen geht auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung vor Erlass des BGFA zurück. (zur Entstehungsge- schichte vgl. BGE 130 II 87 und Botschaft zum BGFA vom 28. April 1999, 99.027, in: BBl 1999, S. 6036 f. mit Hinweisen). Der Gesetz- geber war bestrebt, die Berufsstandards der kantonalen Anwalts- ordnungen, insbesondere jene zur Unabhängigkeit, entsprechend der bundesgerichtlichen Rechtsprechung in das Bundesgesetz zu über- führen. Die Anstellung bei einer sozialen Institution, welche Bedürf- tigen eine unentgeltliche Rechtsberatung und Rechtsvertretung gewährte, sollte danach mit den Berufspflichten vereinbar sein (vgl. BGE 113 Ia 279 f.; K ASPAR S CHILLER , Schweizerisches Anwalts- recht, Zürich 2009, Rz. 1124; E RNST S TAEHELIN /C HRISTIAN O ETIKER , in: F ELLMANN /Z INDEL [Hrsg.], a.a.O., N 57 zu Art. 8 BGFA). Leitgedanke dieser Regelung war das öffentliche Interesse an einer unentgeltlichen Rechtsberatung und Ergänzung der unent- geltlichen Rechtsvertretung für Personen, denen der Zugang zur Ver- beiständung aus sozialen Gründen erschwert ist (BGE 113 Ib 279, Erw. 4b). Es handelt sich zusammengefasst um eine politisch motivierte Ausnahme vom Anwaltsmonopol, welche der Gesetzgeber im Inte- resse des Zugangs zur Rechtsvertretung für sozial Benachteiligte be- wusst in Kauf nahm (vgl. S CHILLER , a.a.O., Rz. 1124). 4.3. Entsprechend der institutionellen Unabhängigkeit als persönli- che Voraussetzung für den Eintrag im Anwaltsregister enthält Art. 12 lit. b BGFA eine Berufsregel, welche den Anwalt zur unabhängigen Ausübung der Parteivertretung verpflichtet. Die Berufsregel ist von den Eintragungsvoraussetzungen gemäss Art. 8 Abs. 1 BGFA zu unterscheiden. Sie betrifft das einzelne Mandatsverhältnis und aufer- legt dem Anwalt Verhaltenspflichten in der Mandatsführung zum Schutz des Klienten (S TAEHELIN /O ETIKER , a.a.O., N 31 zu Art. 8 BGFA; S CHILLER , a.a.O., Rz. 165). Art. 8 Abs. 2 BGFA entbindet den bei einer gemeinnützigen Organisation angestellten und im Register eingetragenen Anwalt nicht von der Einhaltung der Berufs- 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 342 pflichten nach dem BGFA. Auch die Unabhängigkeit gemäss Art. 12 lit. b BGFA und die Geheimhaltungspflichten (Art. 13 BGFA) sind vom angestellten Anwalt einer gemeinnützigen Organisation einzu- halten (S TAEHELIN /O ETIKER , a.a.O., N 58 zu Art. 8 BGFA; a.A., differenzierend: S CHILLER , a.a.O., Rz. 1128). Die Sonderregel be- schränkt sich auf die Entbindung vom Nachweis der organisatori- schen Unabhängigkeit bei der Ausübung der Anwaltstätigkeit im Ver- hältnis zu den Organen der gemeinnützigen Organisation, welche den betreffenden Anwalt anstellt. In diesem Sinne ist sie eine Ausnahme zur (institutionellen) Unabhängigkeitsvoraussetzung, indem die An- waltskommission auf eine nähere Prüfung und den Nachweis, dass der betreffende Anwalt im Rahmen des Anstellungsverhältnisses in der Lage ist, das Mandat unabhängig zu führen, verzichten kann. 4.4. Erfüllt ein Anwalt die persönlichen Voraussetzungen nicht oder nicht mehr, führt dies zur Löschung des Registereintrages (Art. 9 BGFA). Die Sonderordnung von Art. 8 Abs. 2 BGFA enthält eine ausdrückliche Beschränkung der zulässigen Prozessvertretung auf Mandate im Bereich der statutarischen Zweckbestimmung der ge- meinnützigen Organisation. Ein Anwalt, der diese Beschränkung überschreitet, erfüllt die (persönlichen) Eintragungsvoraussetzungen nicht mehr und ist im Register zu löschen, ohne dass eine Diszipli- nierung erforderlich ist (BGE 137 II 425, Erw. 7.2; S TAEHELIN / O ETIKER , a.a.O., N 11 zu Art. 9 BGFA). Der eingetragene Anwalt hat überdies die Berufspflicht, der Aufsichtsbehörde jede Änderung der ihn betreffenden Daten im Re- gister zu melden (Art. 12 lit. j BGFA). Unter diese Meldepflicht fällt auch eine Änderung der Tätigkeitsbereiche eines Anwalts, der ge- stützt auf Art. 8 Abs. 2 BGFA zur Parteivertretung zugelassen ist. 5. 5.1. Art. 17 BGFA sieht dem Wortlaut nach Disziplinarmassnahmen bei jeder Verletzung des Gesetzes vor, damit auch für die Verletzung der mit Art. 8 Abs. 2 BGFA normierten gesetzlichen Beschränkung der Vertretungsbefugnis. Eine Disziplinierung eines Anwalts wäre daher auch ohne eine Verletzung der Berufsregeln von Art. 12 BGFA 2013 Anwaltsrecht 343 möglich. Sinn und Zweck von Disziplinarmassnahmen erfordern indessen allgemein und für das Anwaltsrecht im Besonderen eine schuldhafte Verletzung von berufsspezifischen Pflichten, mithin eine qualifizierte Normwidrigkeit (F ELLMANN , a.a.O., N 2 ff. zu Art. 12 BGFA mit Hinweisen; T HOMAS P OLEDNA , in: F ELLMANN /Z INDEL [Hrsg.], a.a.O., N 16 zu Art. 17 BGFA). Die Sanktionierung muss zu- dem im überwiegenden öffentlichen Interesse liegen und verhältnis- mässig sein. Von der Generalklausel des Art. 12 lit. a BGFA werden verschiedenste Aspekte des Verhaltens der Anwälte erfasst, so auch ein respektvolles Auftreten gegenüber den Behörden, das der Würde und dem Ansehen des Berufsstandes würdig ist (vgl. B ENOÎT C HAPPUIS , La profession d'avocat, Tome I, Genf 2013, S. 32 f.). Der Anwalt hat alles zu unterlassen, was die Vertrauenswürdigkeit der Anwaltschaft in Frage stellt, wie Art. 1 Abs. 2 der Standesregeln des Schweiz. Anwaltsverbandes vom 10. Juni 2005 (abrufbar: www.sav- fsa.ch) die allgemeine Sorgfaltspflicht des Anwalts formuliert (vgl. auch B EAT H ESS , Das Anwaltsgesetz des Bundes und seine Umset- zung durch die Kantone am Beispiel des Kantons Bern, in: ZBJV 140/2004, S. 103). In ihrem Berufsverhalten gegenüber den Behör- den und in der Öffentlichkeit sollen Anwältinnen und Anwälte alles unterlassen, was den Gang der Rechtspflege und die wirksame Wah- rung der Klienteninteressen beeinträchtigen könnte. Art. 12 lit. a BGFA hat aber nicht die Bedeutung, dass jede Sorgfaltspflicht- verletzung als Verletzung der Berufspflichten zu ahnden ist. Im Be- reich von Verfahrensvorschriften rechtfertigen nur schwerwiegende oder wiederholte Verstösse ein Einschreiten der Aufsichtsbehörden (S CHILLER , a.a.O., Rz. 1483). Die Überschreitung der registerrechtlichen Auflage gemäss Art. 8 Abs. 2 BGFA, d.h. Prozessvertretungen ausserhalb des statu- tarischen Zwecks der gemeinnützigen Organisation, tangieren weder Interessen der Klienten, noch sind Interessen der Öffentlichkeit er- kennbar verletzt. Eine (Sorgfalts-) Pflichtverletzung bei der Aus- übung der Prozessmandate liegt nicht vor. Die Missachtung der ge- setzlichen Beschränkung vermag unter Umständen eine Verletzung der Meldepflichten darstellen (vgl. vorne Erw. 4.4). Das von der Vor- 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 344 instanz angeführte "Vertrauen in die Anwaltschaft" oder in die Justiz wird durch die erstmalige Übertretung der statutarischen Schranke gemäss Art. 8 Abs. 2 BGFA ebenfalls nicht tangiert. Der Beschwer- deführer hat im Aussenverhältnis - gegenüber den Gerichten, Be- hörden und Mandanten - die Tätigkeit im Anstellungsverhältnis und im Rahmen der Beratungsstelle des HEKS offengelegt und auch stets die fehlende institutionelle Unabhängigkeit im Sinne von Art. 8 Abs. 2 BGFA korrekt kommuniziert. Dem Beschwerdeführer nicht angelastet werden kann der Umstand, dass der Registereintrag ur- sprünglich und bis Mitte 2012 ohne Hinweis auf die beschränkte Zu- lassung zur Prozessvertretung gemäss Art. 8 Abs. 2 BGFA lautete. Eine Beeinträchtigung des Vertrauens in den Anwaltsstand oder in das gute Funktionieren der Justiz liegt durch die vorliegende Verlet- zung von Art. 8 Abs. 2 BGFA nicht vor. Die gesetzliche Auflage, welche die Prozessvertretung auf Rechtsbereiche oder Kunden bzw. Klienten des HEKS beschränkt, stellt auch und vor allem eine wirtschaftspolitische Entscheidung des Gesetzgebers dar. Den Klienten von gemeinnützigen Organisationen wollte der Gesetzgeber den Zugang zu einer qualifizierten Rechtsver- beiständung durch Angestellte gemeinnütziger Organisationen (wei- terhin) ermöglichen. Die verfassungsrechtlichen Aspekte der einge- schränkten Erlaubnis zur Tätigkeit im Monopolbereich sind aber auch in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen: Die Pflicht zum Registereintrag ist ein Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit (vgl. BGE 138 II 440, Erw. 4; 130 II 87, Erw. 3). Dabei ist hier die Be- schränkung der Prozessvertretung auf den Bereich des statutarischen Zwecks des HEKS ein Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit des Be- schwerdeführers. Entgegen der Vorinstanz rechtfertigt ein solcher Eingriff keine einschränkende Auslegung des statutarischen Zwecks. Die zulässigen Mandatsbereiche bzw. Rechtsbereiche, in denen der Beschwerdeführer als Prozessvertreter tätig sein darf, sind daher auch nicht durch eine restriktive Auslegung des statutarischen Zweckartikels zu bestimmen. Dementsprechend ist es nicht ange- bracht, dem Beschwerdeführer die Kenntnis und das Wissen um die Beschränkung nach Massgabe der (nachträglichen) restriktiven Aus- legung der Vorinstanz vorzuwerfen.
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2019 Migrationsrecht 93 12 Wiedererwägung; Eintreten; DNA-Gutachten Anspruch auf Eintreten auf Gesuch um Familiennachzug für den Ehe- mann, wenn aufgrund eines neuen DNA-Verfahrens (mtDNA) bewiesen werden kann, dass die Verwandtschaft der Ehegatten ausgeschlossen ist (Erw. 2 f.) 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 94 Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 10. Juli 2019, in Sachen A. gegen Amt für Migration und Integration (WBE.2019.132). Sachverhalt A. A. wurde mit Entscheid des BFM (heute SEM) vom 7. Juli 2011 als Flüchtling anerkannt, erhielt in der Folge im Kanton Aargau eine Aufenthaltsbewilligung und zog 2012 ihren Sohn nach (Akten des Amtes für Migration und Integration betreffend A. [MI-act.] 33 f., 37, 199). Am 27. April 2015 heiratete sie in Schweden den Lands- mann B. (Akten des Amtes für Migration und Integration betreffend B. [MI1-act.] 78 ff.) und ersuchte um Erteilung einer Aufenthaltsbe- willigung im Rahmen des Familiennachzugs für ihren Ehemann (MI1-act. 57). Nach Durchführung eines Abstammungsgutachtens der Firma C. betreffend Verwandtschaft der Ehegatten (MI1-act. 97) wurde das Gesuch durch das MIKA mit der Begründung abgelehnt, die Ehegat- ten seien Halbgeschwister (MI1-act. 105 ff.). Gegen diese Verfügung des MIKA erhob die Beschwerdeführe- rin mit Eingabe vom 16. Dezember 2016 beim Rechtsdienst des MIKA (Vorinstanz) Einsprache (MI1-act. 122 ff.) und reichte ein zweites Abstammungsgutachten der Firma C. ein (MI1-act. 115 ff.), welchem zu entnehmen ist, dass keine abschliessende Aussage be- treffend Geschwisterschaft bzw. Halbgeschwisterschaft möglich sei. Am 26. April 2017 wies die Vorinstanz die Einsprache ab (MI1- act. 143 ff.), worauf der Entscheid in Rechtskraft erwuchs. Die Beschwerdeführerin liess in der Folge beim Institut für Rechtsmedizin der Universität D. ein weiteres Gutachten betreffend die Verwandtschaft zwischen ihr und ihrem Ehemann erstellen. Ge- mäss diesem Gutachten vom 14. Mai 2018 könne mit Sicherheit aus- geschlossen werden, dass die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann von derselben Mutter abstammen würden und spreche der tiefe Wahrscheinlichkeitswert gegen eine nahe Verwandtschaft väter- 2019 Migrationsrecht 95 licherseits (MI1-act. 159 ff.). Gestützt auf das Gutachten ersuchte die Beschwerdeführerin das MIKA am 18. Mai 2018 um wiedererwä- gungsweise Bewilligung des Familiennachzugs und Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung an ihren Ehemann (MI1-act. 167). Das MIKA trat auf das Gesuch mit Schreiben vom 22. November 2018 formlos nicht ein und wies die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 4. Dezember 2018 darauf hin, dass sie gegen den formlosen Nichteintretensentscheid beim Rechtsdienst des MIKA Einsprache erheben könne. B. Mit Eingabe vom 10. Dezember 2018 reichte die Beschwerde- führerin beim Rechtsdienst des MIKA Einsprache ein (MI- act. 177 ff.), worauf die Vorinstanz die Einsprache mit Entscheid vom 15. März 2019 abwies (act. 1 ff.). C. Die Beschwerdeführerin erhob hierauf am 11. April 2019 beim Verwaltungsgericht des Kantons Aargau (Verwaltungsgericht) Be- schwerde und ersuchte unter anderem darum, die Vorinstanz sei an- zuweisen, auf das Gesuch einzutreten (act. 9 ff.). D. Die Vorinstanz verzichtete im Rahmen des Schriftenwechsels auf eine Beschwerdeantwort und reichte am 6. Mai 2019 die Akten ein (act. 16). Nach vorgängigen telefonischen Abklärungen unter- breitete der Instruktionsrichter dem Institut für Rechtsmedizin der Universität D. diverse Fragen zu dessen Gutachten und zu den beiden Gutachten der Firma C. (act. 17 ff.). Dem Antwortschreiben des Instituts für Rechtsmedizin der Universität D. vom 20. Juni 2019 (act. 23 ff.) lässt sich entnehmen, dass weder aufgrund der ersten beiden Gutachten der Firma C. noch aufgrund des Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin der Universität D. vom Vorliegen einer Halbgeschwisterschaft der Ehegatten ausgegangen werden kann. Nach Zustellung des Antwortschreibens des Instituts für Rechtsmedi- zin der Universität D. an die Parteien verzichtete die Vorinstanz auf eine weitere Stellungnahme (act. 28 ff.). 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 96 E. Das Verwaltungsgericht hat den Fall am 10. Juli 2019 beraten und entschieden. Erwägungen I. 1. Einspracheentscheide des MIKA können innert 30 Tagen seit Zustellung mit Beschwerde an das Verwaltungsgericht weitergezo- gen werden (§ 9 Abs. 1 EGAR). Beschwerden sind schriftlich einzu- reichen und müssen einen Antrag sowie eine Begründung enthalten; der angefochtene Entscheid ist anzugeben, allfällige Beweismittel sind zu bezeichnen und soweit möglich beizulegen (§ 2 Abs. 1 EGAR i.V.m. § 43 VRPG). Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen den Einsprache- entscheid der Vorinstanz vom 15. März 2019. Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts ist somit gegeben. Auf die frist- und formge- recht eingereichte Beschwerde ist daher einzutreten. 2. Unter Vorbehalt abweichender bundesrechtlicher Vorschriften oder Bestimmungen des EGAR können mit der Beschwerde an das Verwaltungsgericht einzig Rechtsverletzungen, einschliesslich Über- schreitung oder Missbrauch des Ermessens, und unrichtige oder un- vollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes gerügt werden. Die Ermessensüberprüfung steht dem Gericht jedoch grund- sätzlich nicht zu (§ 9 Abs. 2 EGAR; vgl. auch § 55 Abs. 1 VRPG). II. 1. Die Vorinstanz wies die Einsprache mit der Begründung ab, das MIKA sei zu Recht auf das Wiedererwägungsgesuch nicht eingetre- ten, weil ein rechtskräftiger Einspracheentscheid vorgelegen habe und die Beschwerdeführerin das Gutachten des Instituts für Rechts- medizin der Universität D. bereits im ersten Verfahren hätte einrei- chen können. 2019 Migrationsrecht 97 Trat das MIKA auf ein Wiedererwägungsgesuch nicht ein und wies die Vorinstanz die dagegen erhobene Einsprache ab, ist durch das Verwaltungsgericht auf Beschwerde hin lediglich zu prüfen, ob das Nichteintreten durch das MIKA und die hierauf erfolgte Abwei- sung der Einsprache korrekt waren, oder ob das MIKA auf das Wie- dererwägungsgesuch hätte eintreten müssen. Wird die Beschwerde gutgeheissen, ist der vorinstanzliche Einspracheentscheid aufzuheben und das Verfahren zur materiellen Beurteilung an das MIKA zurück- zuweisen. 2. Dem Antwortschreiben des Instituts für Rechtsmedizin der Uni- versität D. vom 20. Juni 2019 ist zu entnehmen, dass die mit Gutach- ten VS-Nr.: X. angewandte Methode des Einbezugs der mitochondri- alen DNA (mtDNA) erstmals im Jahr 2016 angewandt worden sei, jedoch nur in einzelnen Spezialfällen zur Feststellung der Identität von unbekannten Leichen. Erst im Jahr 2017 seien erste Gutachten im Rahmen von Abstammungsabklärungen erstellt worden, bei denen auch die Analyse der mtDNA miteinbezogen worden sei, wobei der vorliegende Fall zu diesen Fällen gehöre, bei denen die Fragestellung die Beurteilung einer möglichen Voll- und/oder Halb- geschwisterschaft betraf (act. 23 f.). 3. Nach dem Gesagten erhellt klar, dass die Beschwerdeführerin bis zum Einspracheentscheid vom 26. April 2017 nicht in der Lage war, das entsprechende Gutachten vorzulegen. Das genannte Gutach- ten ist demzufolge entgegen der im Einspracheentscheid vom 15. März 2019 vertretenen Auffassung als neues Beweismittel zu be- trachten. Da gemäss diesem Gutachten nicht vom Vorliegen einer Halbgeschwisterschaft der Ehegatten ausgegangen werden kann, hätte das MIKA auf das Wiedererwägungsgesuch eintreten müssen. Die Beschwerde ist damit gutzuheissen und das Verfahren ist an das MIKA zurückzuweisen, verbunden mit der Anweisung, auf das Wie- dererwägungsgesuch einzutreten. 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 98 III. 1. Gemäss § 31 Abs. 2 VRPG werden die Verfahrenskosten in der Regel nach Massgabe des Unterliegens und Obsiegens auf die Par- teien verlegt. Gleiches gilt gemäss § 32 Abs. 2 VRPG für die Partei- kosten. 2. Bei diesem Verfahrensausgang obsiegt die Beschwerdeführerin. Nachdem das MIKA weder schwerwiegende Verfahrensmängel be- gangen noch willkürlich entschieden hat, sind die Verfahrenskosten auf die Staatskasse zu nehmen (§ 31 Abs. 2 VRPG). Der nicht an- waltlich vertretenen Beschwerdeführerin sind keine Parteikosten zu ersetzen.
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2009 Verwaltungsrechtspflege 289 [...] 55 Parteientschädigung - Anspruch des Gemeinwesens auf Parteientschädigung nach dem Ver- waltungsrechtspflegegesetz vom 4. Dezember 2007 2009 Verwaltungsgericht 290 Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 17. Juni 2009 in Sachen V. gegen Stadtrat X. und Departement Bau, Verkehr und Umwelt (WBE.2009.56). Aus den Erwägungen (... [Abweisung der Beschwerde]) II. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer die verwaltungsgerichtlichen Verfahrenskosten zu bezahlen (§ 31 Abs. 2 VRPG). In Bezug auf die Parteikosten gilt Folgendes: Im Beschwerde- verfahren werden die Parteikosten in der Regel nach Massgabe des Unterliegens und des Obsiegens auf die Parteien verlegt (§ 32 Abs. 2 VRPG). Dem Stadtrat X. kommt nach § 13 Abs. 2 lit. f VRPG Par- teistellung zu. Im Entwurf zum neuen VRPG war ursprünglich in § 32 noch ein Abs. 4 vorgesehen, welcher - entsprechend der lang- jährigen Praxis des Verwaltungsgerichts zu § 36 aVRPG (AGVE 2000, S. 377 ff; 1985, S. 384 ff.) - vorsah, dass Gemeinwe- sen keinen Anspruch auf Parteientschädigungen haben (vgl. Bot- schaft des Regierungsrats des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 14. Februar 2007 [07.27], Gesetz über die Verwaltungsrechts- pflege [Verwaltungsrechtspflegegesetz, VRPG], Bericht und Entwurf zur 1. Beratung, S. 42, 44 f.). Diese Regelung wurde vom Grossen Rat im Rahmen der 2. Beratung gestrichen; gleichzeitig wurde eine vorgeschlagene Kompromissvariante abgelehnt (der Streichungs- antrag obsiegte mit 114 gegen 5 Stimmen über den Antrag des Re- gierungsrats; siehe zum Ganzen Wortprotokoll 2. Beratung vom 4. Dezember 2007, Art. 1451, S. 3023 f.). Gemäss den Materialien sprach sich der Grosse Rat als Gesetzgeber somit klar gegen eine Übernahme der langjährigen Praxis ins neue VRPG aus. Vielmehr wollte er, dass auch das Gemeinwesen einen entsprechenden An- spruch auf eine Parteientschädigung hat, wenn es einen Anwalt bei- zieht (vgl. Wortprotokoll 2. Beratung vom 4. Dezember 2007, Art. 1451, S. 3023 f. [insbesondere Voten Franz Hollinger, Adrian 2009 Verwaltungsrechtspflege 291 Schoch, Urs Leuenberger], siehe auch S. 3022 [Votum Markus Leimbacher]). Vor diesem Hintergrund lässt sich unter Geltung des am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen revidierten VRPG nicht mehr an der Praxis gemäss AGVE 2000, S. 377 ff. / 1985, S. 384 ff. zum aVRPG festhalten. Demgemäss hat der Beschwerdeführer dem Stadtrat X. dessen Parteikosten (vgl. § 29 VRPG) für das verwal- tungsgerichtliche Verfahren zu bezahlen. (Hinweis: Das Bundesgericht hat eine Beschwerde gegen diesen Entscheid abgewiesen, soweit es darauf eintrat; Urteil vom 20. April 2010 [1C _ 380/2009]).
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2011 Verwaltungsgericht 112 [...] 30 Grundstückschätzung - Der Begriff der wesentlichen Wertänderung als Anlass für die Vor- nahme einer Änderungsschätzung gemäss § 218 Abs. 2 StG umfasst auch eine Änderung des Eigenmietwerts (Erw. 3.2.2.). - Auch umfangreiche Unterhaltsarbeiten können Anlass für die Vor- nahme einer Einzelschätzung bilden, soweit sie zu einer wesentlichen Wertänderung führen (Erw. 3.3.). - Eine Differenz im Eigenmietwert nach Vornahme von Unterhaltsar- beiten von weniger als 10% des Eigenmietwerts und weniger als Fr. 1'000.- im Eigenmietwert ist nicht wesentlich (Erw. 3.4.2.). Urteil des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 2. Februar 2011 in Sachen G. gegen KStA (WBE.2010.204). Aus den Erwägungen 3. 3.1. Die Vorinstanz führte aus, umfangreiche Unterhaltsarbeiten an einer Liegenschaft gälten praxisgemäss als Wertänderung. Mit Bezug auf den vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt hat das Steuerrekursgericht im angefochtenen Entscheid weiter ausge- führt, gemäss der Einzelschätzung betrage die Differenz zur Neu- 2011 Kantonale Steuern 113 schätzung per 1. Januar 1999 hier zwar sowohl beim Eigenmietwert als auch beim Vermögenssteuerwert weniger als 10 %. Allerdings lie- ge der Eigenmietwert um mehr als Fr. 700.00 über dem ursprüng- lichen Wert (Fr. 12'932.00 gegenüber Fr. 11'946.00). Das Kriterium der Wesentlichkeit der Wertänderung sei somit erfüllt. 3.2. 3.2.1. Die Beschwerdeführer bringen dagegen vor, der Wortlaut von § 218 Abs. 2 StG, wonach die Eigenmietwerte und Vermögenssteuer- werte nur dann geändert werden können, wenn der Wert des Grund- stückes wesentlich ändert, sei so zu verstehen, dass damit lediglich die wesentliche Änderung des Steuerwertes gemeint sei. Die Ände- rung des Eigenmietwertes falle nicht darunter. 3.2.2. Der Ausdruck "Wert der Liegenschaft" in § 218 Abs. 2 StG ist nicht weiter definiert. Hingegen deutet schon der Umstand, dass das Gesetz generell vom Wert spricht, während an anderen Orten aus- drücklich verschiedene Arten von Werten unterschieden werden (vgl. z.B. § 30 Abs. 1 lit. b StG: Mietwert; § 47 StG: Das Vermögen wird zum Verkehrswert besteuert), darauf hin, dass die Bestimmung neben dem Vermögenssteuerwert auch den Eigenmietwert erfasst. Der Zu- sammenhang von § 218 Abs. 2 StG mit § 218 Abs. 1 StG lässt so- dann gar keinen anderen Schluss zu, werden doch dort ausdrücklich beide Werte (Vermögenssteuerwert und Eigenmietwert) als Gegen- stand der periodisch durchzuführenden allgemeinen Neuschätzung genannt. Die Annahme der Beschwerdeführer, der die Einzelschät- zung betreffende § 218 Abs. 2 StG beziehe sich nur auf den Vermö- genssteuerwert, erweist sich damit als unzutreffend. 3.3 Weiter fragt sich, wann eine Änderung des Werts einer Liegen- schaft (im Unterschied zur Änderung von deren Bestand oder Nut- zung) anzunehmen ist. Aus der ratio legis der Regelung von § 218 StG, insbesondere aus dem Zusammenspiel von allgemeiner Neu- schätzung und Einzelschätzung ist zunächst abzuleiten, dass nicht je- de rein konjunkturell bedingte Wertänderung Anlass für eine Einzel- schätzung sein kann. Andernfalls würde insbesondere bei einer ange- 2011 Verwaltungsgericht 114 spannten Marktlage auf dem Immobilienkäufermarkt (knappes Ange- bot) das Verhältnis von Regel (allgemeine Neuschätzung) und Aus- nahme (Einzelschätzung) umgekehrt. Andererseits können jedoch nicht nur solche Wertänderungen Anlass für die Durchführung einer Einzelschätzung bilden, welche, wie in der Literatur ausgeführt wird, "ihre Ursache im Grundstück haben" (vgl. Martin Plüss, in: Kom- mentar zum Aargauer Steuergesetz, 3. Aufl., Muri/Bern 2009, § 218 N 19, Beispiele: Einräumung, Aufhebung, oder Veränderung von Dienstbarkeiten und Grundlasten; Ein-, Um- oder Auszonung; Zu- oder Abnahme von Immissionen etc.). Vielmehr müssen gemäss der zutreffenden Rechtsprechung des Steuerrekursgerichts auch umfang- reiche Unterhaltsarbeiten, soweit sie denn zu einer Wertänderung führen, Anlass für die Vornahme einer Einzelschätzung bilden kön- nen. Insoweit kann nämlich keineswegs von einer konjunkturbeding- ten Wertzunahme gesprochen werden. Die Wertzunahme ist vielmehr in solchen Fällen durch das aktive Handeln des Eigentümers der Liegenschaft verursacht und es besteht kein Grund, warum derartige Änderungen anders wie z.B. eine sich im Wert der Liegenschaft nie- derschlagende Nutzungs- oder Bestandsänderung behandelt werden sollten. Die Vornahme einer Einzelschätzung steht in solchen Fällen insbesondere auch nicht im Widerspruch zur Anerkennung der ent- sprechenden Kosten des Liegenschaftseigentümers als Liegen- schaftsunterhalt gemäss § 39 Abs. 2 StG. Es ist eine bekannte Tatsa- che, dass steuerlich als Unterhalt zu qualifizierende Massnahmen in vielen Fällen zu einer realen Zunahme des Wertes einer Liegenschaft führen. Ein Wille des Gesetzgebers, die Anerkennung der steuermin- dernden Wirksamkeit solcher Ausgaben bei der Einkommenssteuer in den Bereich der Normen über die Steuerwerte von Liegenschaften auszudehnen, ist der Regelung von § 218 StG nicht zu entnehmen. 3.4. Zu beantworten bleibt damit die Frage, wann eine Wertände- rung als wesentlich zu gelten hat. 3.4.1. Nach der Praxis des Kantonalen Steueramtes, wie auch der Vor- instanz, gilt eine Änderung als wesentlich, wenn der Eigenmietwert um mindestens 10% über oder unter dem bisherigen Wert liegt. Wird 2011 Kantonale Steuern 115 die 10%-Schwelle nicht erreicht, ist die Änderung praxisgemäss nur wesentlich, wenn sie mindestens Fr. 700.00 ausmacht. Beim Vermö- genssteuerwert gilt eine Änderung als wesentlich, wenn die Abwei- chung vom bisherigen Wert 10% und mehr beträgt. Falls nur der Eigenmietwert oder der Vermögenssteuerwert wesentlich geändert haben, werden bei der Einzelschätzung gleichwohl beide Werte über- prüft und allenfalls angepasst. 3.4.2. Bei der Prüfung, ob eine Änderung wesentlich ist, ist zu beach- ten, dass die allgemeine Neuschätzung die Regel und die Einzel- schätzung die Ausnahme bildet (Plüss, a.a.O., § 218 N 20; in dieser Richtung auch deutlich die Formulierung des Gesetzes ".... können ... nur geändert werden"). Einen absoluten Schwellenwert bei Fr. 700.00 festzulegen, ist daher unter diesem Aspekt nicht zulässig. Gerade bei der Vornahme von Unterhaltsarbeiten wird ein so tiefer Schwellenwert häufig be- reits bei nicht sehr umfangreichen Arbeiten überschritten, so dass schon bei einem durchschnittlichen Ausgangswert eines Eigenheims die Veränderung, welche Anlass für die Neuschätzung bildet, weit weniger als 10% beträgt (So entspricht bei einem Eigenmietwert von ca. Fr. 14'000.00 eine Veränderung von Fr. 700.00 prozentual gerade einmal 5%). Damit erweist sich aber der vom KStA in seiner Praxis verwendete Schwellenwert als zu tief, indem dem Ausnahmecharak- ter der Änderungsschätzung dadurch nur unzureichend Rechnung ge- tragen wird. Bei Differenzen im Eigenmietwert, die umgerechnet auf den Monat unterhalb von Fr. 100.00 liegen, kann nicht mehr ernst- haft von einer wesentlichen Änderung gesprochen werden. Die ge- nannte Grenze ist daher nicht gesetzeskonform. Im vorliegenden Fall beträgt die prozentuale Abweichung beim Vermögenssteuerwert wie auch beim Eigenmietwert weniger als 10%. Die absolute Differenz beim Eigenmietwert liegt bei Fr. 986.00. Dieser Wert kann jedenfalls noch nicht als wesentliche Änderung betrachtet werden. Ob und allenfalls in welcher Höhe ein absoluter Schwellenwert die Vorgaben von § 218 StG erfüllt, kann vorliegend offen gelassen werden. (...)
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2012 Verwaltungsgericht 100 [...] 15 Abzug behinderungsbedingte Kosten Abzugsfähigkeit der Kosten eines Hörgeräts als behinderungsbedingte Kosten? Urteil des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 21. Juni 2012 in Sachen P.T. und E.T. (WBE.2011.384). Aus den Erwägungen 2. (...) 2.1. Soweit sich den Akten und den Ausführungen des Beschwerde- führers entnehmen lässt, hat er vor geraumer Zeit im Militärdienst eine Schädigung seines Gehörs erlitten, die Anlass für die Ausrich- tung von Leistungen gemäss Art. 21 MVG gibt. Wie aus einer eben- falls in den Akten liegenden Rechnung der Hörberatung X. hervor- geht, hat er im Jahr 2006 zwei Hörgeräte der Marke Y. mit einem Gesamtpreis von Fr. 6'115.00 erworben. Gemäss der Rechnung hat die Militärversicherung davon Fr. 3'690.00 übernommen. Insgesamt hatte der Beschwerdeführer damit (nach Abzug eines Skontos von 2% und unter Berücksichtigung der Mehrwertsteuer und zusätzlich bezogenen Zubehörs) einen Betrag von Fr. 2'595.10 zu bezahlen. 2.2. Gemäss Art. 21 Abs. 1 lit. a - g MVG hat der Versicherte für verschiedene Zwecke (u.a. für die Verbesserung seines Gesundheits- zustands, für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder für die Tätig- keit in seinem Aufgabenbereich, für den Kontakt zur Umwelt, etc.) Anspruch auf Hilfsmittel. Wird den Angaben des Beschwerdeführers gefolgt, so handelt es sich bei den Fr. 3'690.00 um in Anwendung von Art. 21 Abs. 1 lit. b und g in Verbindung mit Abs. 2 MVG geleistete Amortisationsbeiträge. Aus Art. 21 Abs. 2 MVG ergibt sich, dass die Militärversicherung Hilfsmittel abgibt bzw. Amortisa- 2012 Kantonale Steuern 101 tionsbeiträge leistet für Hilfsmittel in einfacher und zweckmässiger Ausführung. Kosten, die darüber hinausgehen, hat der Versicherte selbst zu tragen (vgl. dazu Urteil des Bundesgerichts vom 10. März 2008 [8C_832/2007] sowie J ÜRG M AESCHI , Kommentar zum Bun- desgesetz über die Militärversicherung vom 19. Juni 1992, Bern 2000, Art. 21 N 40 f.). Aufgrund der nur bruchstückhaften Angaben des Beschwerdeführers muss davon ausgegangen werden, dass es bei den von ihm selbst getragenen Kosten um solche geht, welche sich aus einer kostspieligeren und/oder anderen als den Zwecken gemäss Art. 21 Abs. 1 lit. a und g MVG dienenden Ausführung der Geräte ergibt. Mit anderen Worten hat der Beschwerdeführer seinen eigenen Bedürfnissen optimal dienende Geräte ausgewählt, für deren Kosten er, da die Militärversicherung von Gesetzes wegen nur Hilfsmittel in einfacher und zweckmässiger Ausführung übernehmen muss und nicht etwa die Bestmöglichen, teilweise selbst aufkommen musste. Schon aus diesem Grund fällt ausser Betracht, die "überschiessen- den" Kosten als behinderungsbedingt zum Abzug zuzulassen, muss doch davon ausgegangen werden, dass nach der ratio legis von Art. 21 MVG die Bereitstellung einfacher und zweckmässiger Mittel ausreicht, um die behinderungsbedingte Benachteiligung der betrof- fenen Versicherten aufzufangen. 2.3. Hinzu kommt, dass gemäss dem Kreisschreiben Nr. 11 der EStV vom 31. August 2005 betreffend Abzug von Krankheits- und Unfallkosten sowie von behinderungsbedingten Kosten leichte Beeinträchtigungen, deren Auswirkungen - wie etwa bei einer Seh- oder Hörschwäche - durch ein Hilfsmittel behoben werden können (Brille oder Hörgerät), nicht als Behinderung gelten (Kreisschreiben Ziff. 4.1). Das Kreisschreiben vermag zwar entsprechend seinem Charakter als blosse Verwaltungsverordnung das Verwaltungsgericht nicht zu binden, sondern stellt eine - für das Gericht nicht verbind- liche - Auslegungshilfe dar (vgl. dazu Urteil des Bundesgerichts vom 25. Oktober 2007 [9C_238/2007], Erw. 3.3. mit Hinweisen). Es liegt indessen auf der Hand, dass es die ratio legis von § 41 lit. i bis StG bzw. der gleichlautenden Bestimmungen von Art. 9 Abs. 2 lit. h bis StHG bzw. von Art. 33 Abs. 1 lit. h bis DBG sprengen würde, würden 2012 Verwaltungsgericht 102 sämtliche Ausgaben für Brillen und Hörgeräte als behinderungs- bedingte Kosten anerkannt (vgl. aber immerhin die Qualifikation von Ausgaben für Brillen als Krankheitskosten in Ziff. 3.1 des Kreis- schreibens). Der Zweck des BehiG besteht darin, Benachteiligungen zu verringern oder zu beseitigen, denen Menschen mit Behinderun- gen ausgesetzt sind (Art. 1 Abs. 1 BehiG). Im Rahmen dieser Zweck- setzung würde es zu weit führen, sämtliche Kosten für Hilfsmittel zur Behebung von Beeinträchtigungen zum Abzug zuzulassen, welche in der Bevölkerung weit verbreitet sind und gemeinhin nicht als eigentliche Behinderung empfunden werden - obwohl ohne ein entsprechendes Hilfsmittel (Brille, Hörgerät) allenfalls die Vornahme alltäglicher Verrichtungen und/oder die Ausübung einer Erwerbs- tätigkeit erheblich erschwert bzw. sogar verunmöglicht wäre. Ob solche Beeinträchtigungen von Geburt an bestehen, später erworben wurden oder gegebenenfalls infolge von Vorfällen im Militärdienst eintraten, kann dabei unter dem Gesichtspunkt der Rechtsgleichheit keine Rolle spielen. Dabei sei nicht verhehlt, dass je nach der Schwere der Beeinträchtigung wohl auch Ausgaben für Seh- und Hörhilfen den Charakter von eigentlichen behinderungsbedingten Kosten annehmen können. Dies schliesst das Kreisschreiben nicht aus. Dass hier die entsprechende Schwelle überschritten sei, macht der Beschwerdeführer aber nicht, jedenfalls nicht ausreichend sub- stanziiert geltend und ist auch sonst nicht ersichtlich. Die Steuer- behörde hat ihm daher den von ihm beanspruchten Abzug gemäss der Regelung des Kreisschreibens, welche in überzeugender Weise den Sinn der in § 41 lit. i bis StG bzw. Art. 9 Abs. 2 lit. h bis StHG bzw. Art. 33 Abs. 1 lit. h bis DBG getroffenen Regelung konkretisiert, zu Recht verweigert.
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2010 Bau-,Raumentwicklungs-u.Umweltschutzrecht 135 IV. Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 26 Ehehafte Wasserrechte. - Im Kanton Aargau haben sich Nutzungsrechte an Gewässern aus althergebrachten Rechtstiteln als privatrechtliche Eigentumsrechte erhalten. - Begriff und Inhalt des dinglichen Rechts bestimmt das Privatrecht. - Die ehehaften Wasserrechte sind von der Eigentumsgarantie ge- schützt. Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 25. Januar 2010 in Sachen J. gegen Regierungsrat (WBE.2006.368). Aus den Erwägungen 5. 5.1. Ehehafte Rechte sind nach Lehre und Rechtsprechung vorbe- standene, auf althergebrachten Rechtstiteln beruhende Rechte und ehehafte Wasserrechte sind historische Rechte an öffentlichen Ge- wässern, die bis heute weiterbestehen (siehe BGE 131 I 321 Erw. 5; BGE vom 24. März 2003 [2P.256/2002], Erw. 1.2.2 und 3; BGE 88 II 498; AGVE 1983, S. 167; Peter Liver, Die ehehaften Was- serrechte in der Schweiz, in: Privatrechtliche Festabhandlungen, Festgabe zum 70. Geburtstag des Verfassers am 21. August 1972, Bern 1972, S. 466 [Liver, Wasserrechte]; Peter Liver, Die Entwick- lung des Wasserrechts in der Schweiz seit 100 Jahren, in: ZSR 71/1952, Band 1, S. 339 [Liver, ZSR], Dominik Strub, Wohlerworbe- ne Rechte, Insbesondere im Bereich des Elektrizitätsrechts, Diss. Freiburg 2001, S. 85 und S. 201 f. mit Hinweisen). Zur Zeit ihrer Be- gründung galten ehehafte Wasserrechte als private Rechte und bis ins 19. und noch anfangs des 20. Jahrhunderts galt das verliehene Was- 2010 Verwaltungsgericht 136 serrecht als privates Recht, gleichgültig, ob es aufgrund des Eigen- tums oder der Gewässerhoheit eingeräumt worden war. Das öffent- lich-rechtliche Verständnis verliehener Wasserrechte setzte sich erst allmählich durch (Liver, Wasserrechte, S. 465 ff.; Liver, ZSR, S. 305 f., 333 f.; BGE 127 II 69 Erw. 4.b; BGE vom 24. März 2003 [2P.256/2002], Erw. 1.2.2; Riccardo Jagmetti, Schweizerisches Bun- desverwaltungsrecht, Band VII, Energierecht, Basel 2005, Rz. 4206). Zum privatrechtlichen Charakter der ehehaften Wasserrechte nach dem Recht des Kantons Aargau sprach sich die (frühere) Praxis des Regierungsrates, die Rechtsprechung der kantonalen Gerichte und auch die Lehre aus. Im Rechtsgutachten von Prof. Dr. Peter Liver, in der Streitsache der Gebrüder Wächter, Brittnau, gegen den Kanton Aargau betreffend ehehaftes Wasserrecht vom 30. Juli 1945 (Gutachten Liver) wird hierzu ausgeführt, dass die Gesetzgebung nur die Anerkennung der ehehaften Wasserrechte aussprach und der Re- gierungsrat auf dem Verordnungsweg bloss die Feststellung des Um- fangs dieser Rechte anordnete. Die ehehaften Rechte behielten daher den rechtlichen Charakter und Inhalt, den sie durch die Rechtsent- wicklung bis zum Ende des 18. Jahrhunderts erhalten hatten. Sie sind private Nutzungsrechte an öffentlichen Gewässern (Gutachten Liver, S. 8; vgl. dazu auch Hans Raschle, Zivilprozesssache und Verwal- tungsstreitsache im aargauischen Rechtsgang, in: Festgabe Fritz Flei- ner, Zürich 1937, S. 296 f.). Dieser Auffassung folgte das Bundesge- richt auch in den Entscheiden der Gebrüder Wächter vom 3. Novem- ber 1947 und 5. Februar 1948, wonach nach Aargauischem Recht ein ehehaftes Wasserrecht dem Privatrecht angehöre, also ein Rechtsver- hältnis darstelle, bei dem sich Staat und Wasserrechtsbesitzer als gleich geordnete Rechtssubjekte gegenübertreten (Urteil vom 5. Fe- bruar 1948, S. 17 und S. 23 f.). Die Rechtsprechung des Verwal- tungsgerichts steht auf privatrechtlicher Grundlage, obwohl hier die Unterscheidung zwischen ehehaften Rechten und wohlerworbenen Rechten (zu dieser Differenzierung siehe Werner Dubach, Die wohl- erworbenen Rechte im Wasserrecht, Rechtsgutachten über die Zuläs- sigkeit und die Folgen von Eingriffen in verliehene und ehehafte Wassernutzungsrechte, Bern 1980, S. 60 f. und S. 62 f.) nicht immer 2010 Bau-,Raumentwicklungs-u.Umweltschutzrecht 137 eindeutig ist (VGE III/60 vom 21. Dezember 1983, S. 12; AGVE 1983, S. 164 ff.; AGVE 2000, S. 223). Der Einwand des Regierungsrates und des BVU, beim ehehaf- ten Wasserrecht handle es sich um öffentliches Recht, widerspricht damit der bis dato herrschenden Lehre und Praxis. Er ist auch mit den historischen Gegebenheiten nicht vereinbar. Das Gewerbepoli- zeigesetz vom 25. April 1804 liess in § 9 die überlieferten Rechte, insbesondere die ehehaften Rechte unberührt und bestimmte eine Bewilligungspflicht für die Neuanlage oder die Erweiterung einer vorhandenen "Gewerbestätte als Feuer- oder Wasserwerke und alle anderen Gewerbe, die bisher unter dem Namen "Ehehaften" bekannt waren" (Gesetzessammlung für den eidgenössischen Kanton Aargau, neue revidierte Ausgabe in drei Bänden, Band 3, Aarau 1848, S. 168 ff.). Auf dieser Grundlage wurde bei Erlass des "WRG 1856" eine umfassende Aufnahme und Einteilung der Wasserwerksrechte in ehe- hafte und konzedierte Rechtsverhältnisse vorgenommen. Beim Aner- kennungsverfahren ging es um die Feststellung des Inhalts der priva- ten dinglichen und "unveränderlichen" (Wasserwerks-) Rechte (siehe hiezu Fritz Gerspach, Die öffentlichen Sachen des Kantons Aargau, Diss. Basel 1937, S. 164 f. und S. 176 f., insbesondere S. 167 mit dem Hinweis auf die Botschaft des Regierungsrates vom 10. Novem- ber 1854 zum WRG; Gutachten Liver, S. 8). Entsprechend wurde den Inhabern von ehehaften Rechten - hier dem Rechtsvorgänger des Beschwerdeführers - für den ehehaften Teil des Wasserwerks eine Anerkennungsurkunde ausgestellt und keine Konzession. Die Aner- kennungsurkunde vom 8. Februar 1860 anerkennt denn auch aus- drücklich "das den Herren Gebrüder Ott eigenthümlich angehörige" Wasserwerk. Auf dem sog. Aktendeckel der Anerkennung ist - entge- gen der Meinung der Vorinstanz - auch nicht nur die Fortführung, sondern vorab die "Anerkennung eines ehehaften Wasserwerks" ver- merkt. Die Kantonsverfassung behält bei den kantonalen Regalrechten die bestehenden Privatrechte vor (§ 55 Abs. 2 Satz 2 KV). Einen sol- chen Vorbehalt enthielt bereits die Staatsverfassung vom 23. April 1885 (vgl. Art. 22 [AGS, Band 1, S. 5]). Deren einseitige Beschrän- kung ist verfassungsrechtlich nur auf dem Enteignungswege möglich 2010 Verwaltungsgericht 138 (Kurt Eichenberger, Verfassung des Kantons Aargau, Textausgabe mit Kommentar, Aarau 1986, § 55 N 5). Der privatrechtliche Charakter der ehehaften Wasserrechte blieb auch in der kantonalen Gesetzgebung über die öffentlichen Gewässer bis in die neueste Zeit unbestritten (siehe § 76 Abs. 2 des Baugesetzes vom 2. Februar 1971 [AGS, Band 8, S. 125 ff.]) und dazu, Erich Zimmerli, Kommentar zum BauG des Kantons Aargau, 2. Auflage, Aarau 1985, § 76 N 4 e mit Hinweisen). § 114 Abs. 3 BauG behält das Eigentum an anderen Quellen und weiteren bestehenden Privatrechte ausdrücklich vor. Die mit dem § 76 des (alten) Baugesetzes 1971 identische Bestimmung hat die "ehehaften" Wassernutzungsrechte daher auch weiterhin an- erkannt (Botschaft des Regierungsrates vom 21. Mai 1990 zum Bau- gesetz [5397], S. 44). Die Anerkennung der "ehehaften" Wasserrech- te als unentziehbare subjektive Rechte folgt schliesslich - zumindest implizit - auch aus § 43 Abs. 5 und 6 des Wassernutzungsgesetzes vom 11. März 2008 (WNG; SAR 764.100) (siehe Botschaft des Re- gierungsrates vom 2. Mai 2007 zum WNG [07.106], S. 44) sowie aus § 2 Abs. 2 und § 60 Abs. 1 des Gesetzes über die Nutzung und den Schutz der öffentlichen Gewässer vom 22. März 1954 (GNG; AGS, Band 4, S. 173 und 187). Aus der historischen Betrachtung und der Gesetzgebung erge- ben sich daher ausreichende Anhaltspunkte für eine Anerkennung subjektiv dinglicher Wassernutzungsrechte an öffentlichen Gewäs- sern im Kanton Aargau. Für eine weitere Differenzierung der ehehaf- ten Rechte in enteignungsfähige und bloss unentgeltliche, aber kon- zessionierte Wassernutzungsrechte bestehen keine Anhaltspunkte. Insbesondere kann aus der Formulierung von § 8 lit. b "WRG 1856" nicht auf eine solche Unterscheidung geschlossen werden. Der Ver- weis auf § 1 bezieht sich auf das Privateigentum am (öffentlichen) Gewässer (siehe § 1 Abs. 2). 5.2 Mit dem Inkrafttreten des ZGB blieben die bestehenden dingli- chen Rechte unberührt. Vorbehalten waren allein die Bestimmungen über das Grundbuch (Art. 17 Abs. 1 SchlT ZGB [Schlusstitel zum ZGB]). Inhalt und Wirkung des Eigentumsrechts und der beschränk- ten dinglichen Rechte bestimmen sich demgegenüber nach dem ZGB 2010 Bau-,Raumentwicklungs-u.Umweltschutzrecht 139 (Art. 17 Abs. 2 SchlT ZGB). Gemäss Art. 655 Abs. 2 Ziffer 2 ZGB können kantonale ehehafte Wasserrechte, die als selbständige und dauernde Rechte ausgestaltet sind, als Grundstücke in das Grund- buch aufgenommen werden (siehe dazu auch Arthur Meier-Hayoz, Berner Kommentar, Bern 1964, Art. 655 N 50 ff.; Verwaltungsge- richtsurteil vom 10. November 2003 [BE], in: ZBGR 87/2006, S. 312 mit Hinweisen). Voraussetzung einer Eintragung ist u. a., dass ein solches Recht auf wenigstens dreissig Jahre oder auf unbestimmte Zeit begründet erscheint (Art. 7 Abs. 2 Ziffer 2 GBV; SR 211.432.1). Aus der Aufnahme von Wasserrechtsverleihungen an öffentlichen Gewässern gemäss Art. 8 GBV, kann nicht auf den ausschliesslich öffentlich-rechtlichen Charakter eines Wassernutzungsrechts ge- schlossen werden. Der Bundesgesetzgeber hat in Art. 56 SchlT ZGB die Aufnahme von Wasserrechts verleihungen als Sondernutzungs- konzessionen an öffentlichen Gewässern bis zum Inkrafttreten des WRG vorgesehen. Auch solche dingliche Wasserrechtsverleihungen verschaffen dem Berechtigten eine dingliche Rechtsposition (Heinz Rey, Basler Kommentar ZGB II, 3. Auflage, Basel 2007, Art. 56 SchlT N 5). Das Bundesgesetz über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte vom 22. Dezember 1916, mit der die bundesrechtlichen Zuständig- keiten gemäss Art. 76 BV (bzw. Art. 24 bis Abs. 1 der Bundesverfas- sung vom 29. Mai 1874) umgesetzt wurden, brachte mit Bezug auf die (vor-) bestehenden privaten Wassernutzungsrechte keine Ände- rung. Nach Art. 74 Abs. 2 WRG kommt die Befristung auf höchstens 80 Jahre (Art. 58 WRG) auf historische Sondernutzungsrechte, die vor dem 25. Oktober 1908 begründet wurden, nur so weit zur An- wendung, als diese konzessioniert wurden. Auch wenn aus heutiger Sicht einem privaten Nutzungsrecht an einem öffentlichen Gewässer ebenso ein öffentlich-rechtlicher Cha- rakter beizumessen ist, sich die Anschauung über die Grenzziehung zwischen öffentlichem und privatem Recht verändert hat und diese Rechte heute nicht mehr als Privatrechte begründet werden können (siehe dazu Art. 2 und 74 Abs. 1 WRG), haben die ehehaften Rechte ihre privatrechtliche Rechtsnatur dadurch nicht verloren. Insbeson- dere die Rechte, welche als selbständige und dauernde Rechte ausge- 2010 Verwaltungsgericht 140 staltet und als Grundstücke im Grundbuch aufgenommen sind, ste- hen unter dem Schutz der Eigentumsgarantie und können (bundes- rechtlich) nur unter den Voraussetzungen von Art. 36 BV aufgehoben oder in ihrer Substanz beschränkt werden (BGE 119 IB 254 Erw. 5.a). Nicht einschlägig erscheint in diesem Zusammenhang das Ur- teil des Bundesgerichts vom 30. Oktober 2000 (BGE 127 II 69). Der Entscheid bezieht sich nicht auf ein ehehaftes, sondern auf ein ver- liehenes Wasserrecht, das seine Grundlage in einer Konzession des Regierungsrates des Kantons St. Gallen aus dem Jahre 1866 hatte. 5.3. Aus diesen Erwägungen folgt, dass das umstrittene Wassernut- zungsrecht im Zeitpunkt seiner Anerkennung dem Begriff ehehaften Rechts zuzuordnen ist, worunter Rechte verschiedener Herkunft und Entwicklung zusammengefasst worden sind, die im wesentlichen noch aus der Zeit vor der Französischen Revolution stammen und sich allen Wandlungen zum Trotz als Privatrechte erhalten haben. Sie wurden als Eigentumsrechte des Inhabers anerkannt (siehe vorne Erw. 5.1). Ihre sachenrechtliche und dingliche Zuordnung zum Pri- vatrecht blieb auch unter Vorbehalt der Vorschriften über das Grund- buch unter dem Bundesrecht anerkannt (Art. 17 Abs. 1 SchlT ZGB). Auf den Charakter des ehehaften Rechts hat auch die Anerken- nung keine Auswirkungen. Inhalt und Charakter eines ehehaften Rechts werden durch die Anerkennung des Staates nicht verändert (Gutachten Liver, S. 8, BGE vom 5. Februar 1948 i.S. Wächter, S. 23) und sie stellen auch das ehehafte Recht nicht auf eine neue Rechtsgrundlage (Verwaltungsgerichtsurteil vom 10. November 2003 [BE], in: ZBGR 87/2006, S. 314). Den Inhabern von ehehaften Rech- ten im Kanton Aargau wurden nach Inkrafttreten des Wasserkraft- gesetzes Anerkennungsurkunden ausgestellt, während den Inhabern von verliehenen Rechten Konzessionen erteilt wurden. (...) Zusammenfassend und im Sinne eines vorläufigen Ergebnisses ist festzuhalten, dass die ehehaften Wasserrechte nach aargauischem Recht, nach Verwaltungspraxis, Rechtsprechung und der überwie- genden Doktrin von privatrechtlicher Rechtsnatur sind und als Pri- vatrechte auch vom Bundesrecht ausdrücklich anerkannt sind. Damit 2010 Bau-,Raumentwicklungs-u.Umweltschutzrecht 141 bestimmt das Privatrecht Begriff und Inhalt des dinglichen Rechts, und dieses ist auch massgebend, soweit es um seinen Bestand geht. 5.4. Ehehafte, historische Rechte oder vorbestandene Rechte zeich- nen sich durch die Unentgeltlichkeit der Rechtsausübung und die un- beschränkte Dauer aus, soweit sie ausgeübt werden (Strub, a.a.O., S. 203 f. mit Hinweisen; Liver, Wasserrechte, S. 473; siehe auch Matthias Mosimann, Umwelt Aargau, Sondernummer 15. August 2003, S. 18; Verwaltungsgerichtsurteil vom 10. November 2003 [BE], in: ZBGR 87/2006, S. 315). Ihren Inhalt - als ursprünglichen Bestandteil einer gewerbepolizeilichen Erlaubnis - haben die ehe- haften Wasserrechte im Laufe der Zeit verloren und sich verselbstän- digt, indem ihr Bestand anerkannt wurde, auch wenn der ursprüngli- che Zweck weggefallen ist (Liver, Wasserrechte, S. 489; Dubach, S. 62). Insoweit hat eine Zweckänderung der Wasserwerknutzung auch keine Auswirkungen auf den Bestand des ehehaften Rechts (BGE vom 29. November 2006 [2A.391/2006], Erw. 4.3 mit Hinwei- sen; so schon das Obergericht in: VJS 1903, S. 135, Nr. 121). Die Anerkennungsurkunde und § 8 "WRG 1856" sehen denn auch nur eine Bewilligungspflicht des Regierungsrates vor. Für den Fort- bestand des Rechts spricht vorliegend zudem, dass der Regierungsrat bei der Konzessionserneuerung 1944 von der Zweckänderung Kennt- nis hatte und den damaligen ehehaften Anteil unverändert anerkann- te, wie auch, dass im Grundbuch die "Ausnützung der ehehaften Wasserkraft" ohne Bezug auf ein bestimmtes Gewerbe eingetragen ist (Art. 738 Abs. 1 ZGB). (...) Die ehehaften Rechte sind Vermögensrechte, die durch die Ei- gentumsgarantie gemäss Art. 26 BV und § 21 KV geschützt sind. Einschränkungen dieses Grundrechts bedürfen grundsätzlich einer gesetzliche Grundlage (Art. 36 Abs. 1 BV). Die überwiegende Lehre und Praxis teilt die ehehaften Rechte der Kategorie der wohlerwor- benen Rechte zu und leitet deren Rechtschutz aus der Eigentumsga- rantie und/oder dem Prinzip von Treu und Glauben ab (Häfelin / Müller / Uhlmann, a.a.O., Rz. 1008; Strub, a.a.O., S. 111 ff; BGE 131 I 321 Erw. 5.3; BGE 134 I 23 Erw. 7.1; Dubach, a.a.O., S. 62 f.). 2010 Verwaltungsgericht 142 Die Frage nach dem massgebenden Rechtschutz kann hier offen ge- lassen werden. Der ehehafte Anteil des Wasserrechts Nr. (...) ist als unbefristetes Recht des Inhabers anerkannt und im Grundbuch ein- getragen. In der im Zeitpunkt der Befristung geltenden Rechtsord- nung (...) fehlte eine gesetzliche Bestimmung, welche die Behörden ermächtigte, private Eigentumsrechte an Wassernutzungswerken zu befristen. Die Verwaltung konnte daher nicht auf dem Verfügungs- wege rechtsgestaltend in das privatrechtliche Verhältnis eingreifen. (...)
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2002 Verwaltungsgericht 170 [...] 45 Strassenbaubeiträge. Wirtschaftlicher Sondervorteil. - Wirtschaftlicher Sondervorteil verneint, wo der Strassenausbau nichts zur Erschliessung beiträgt und den Anstössern auch sonst keine greif- baren Vorteile bringt. 2002 Abgaben 171 Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 22. August 2002 in Sachen Einwohnergemeinde R. gegen Entscheid des Baudepartements. Aus den Erwägungen 3. Baubeiträge (sog. Vorzugslasten) wie die hier zur Diskussion stehenden sind Abgaben, die als Ausgleich jenen Personen auferlegt werden, denen aus einer öffentlichen Einrichtung - wie vorliegend dem Bau einer Strasse - ein wirtschaftlicher Sondervorteil erwächst (Ulrich Häfelin/Georg Müller, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 3. Auflage, Zürich 1998, Rz. 2059 f.). So wird denn auch in Art. 15 des Strassenreglements der Gemeinde festge- legt, die Erhebung eines Anstösserbeitrages setze voraus, dass den Beitragspflichtigen durch den Strassenbau gemäss Überbauungsplan ein besonderer Vorteil erwächst, der nur bestimmten Grundeigentü- mern zukommt. Der Beitrag soll in einem angemessenen Verhältnis zum besonderen Vorteil stehen. 4. a) Die Gemeinde stellt sich auf den Standpunkt, dass es ent- gegen der Auffassung der Vorinstanz nicht wesentlich sein könne, ob es sich um eine blosse Erneuerung handle oder nicht. Im vorliegen- den Fall handle es sich aber um eine eigentliche Änderung der Stras- se, nicht lediglich um eine Erneuerung. Die Strasse sei zwar bereits weitgehend 6 m breit ausgemarcht gewesen, effektiv sei sie aber auf höchstens 5 m Breite ausgebaut worden. Dazu bestehe beidseits ein ca. 50 cm breiter Streifen, der von Zeit zu Zeit mit einem notdürfti- gen Belag versehen worden sei, dem indessen eine ordentliche Kof- ferung fehle. Die Strasse sei nicht nur erneuert, sondern im Sinne von § 34 Abs. 1 BauG ausgebaut worden. Aus diesem Ausbau ent- stünden den Anstössern die folgenden wirtschaftlichen Sondervor- teile: - Durch die vollständige neue Einkofferung werde der alte holprige Belag ersetzt und eine Heissmischtragschicht (HMT) mit Verschleissschicht eingebaut. Mit dieser neuen Strassenkofferung und der neuen Verschleissschicht werde den An- wohnern eine spürbare Entlastung in Bezug auf den Strassenlärm entstehen. 2002 Verwaltungsgericht 172 - Zur Entwässerung der Strassenoberfläche sei ein Quergefälle von 3 % gewählt worden. Die Entwässerung im Längsgefälle erfolge über einen Wasserstein, der das ungehinderte Abfliessen zu den insgesamt 20 neuen Einlaufschächten ermög- liche. Dies werde dazu führen, dass das Oberflächenwasser nicht mehr auf die Pri- vatgrundstücke laufe. - Entlang der Ausbaustrecke würden Randabschlüsse angebracht, wodurch eine saubere Abgrenzung zwischen der Strasse und den Privatgrundstücken entstehe. - Das ganze Ausbauprojekt Strassen- und Trottoirbau sei gesamthaft zu betrachten. Es hätte keinen Sinn gemacht, ein Trottoir zu erstellen, die Strasse aber nicht aus- zubauen. Die Trennung durch das Baudepartement in Ausbau der Strasse und Ausbau des Trottoirs sei künstlich und nicht zulässig. Die Trennung habe nur des- halb vorgenommen werden müssen, um die unterschiedlichen Kostenbeiträge sauber zu erfassen. b) Wirtschaftliche Sondervorteile entstehen in erster Linie bei der Erstellung von Strassen bzw. Erschliessungsanlagen, sie sind aber auch bei deren Änderung und Erneuerung denkbar (vgl. § 34 BauG). Ein derartiger Sondervorteil ist regelmässig und unproblema- tisch erkennbar, wo ein Grundstück durch den Strassenbau überhaupt erst genügend erschlossen wird; er kann aber auch in einer objektiv verbesserten und komfortableren Erschliessung bestehen (AGVE 1992 S. 197). Es ist deshalb nicht wesentlich, ob es sich beim vorlie- genden Ausbau um eine Änderung oder Erneuerung handelt; ent- scheidend ist einzig und allein, ob den Anstössern durch die bauli- chen Massnahmen ein wirtschaftlicher Sondervorteil entsteht (was allerdings bei einer blossen Erneuerung in der Regel kaum der Fall sein wird). Der massgebliche Sondervorteil muss wirtschaftlicher Art sein, er muss grundsätzlich als Vermögenszuwachs in Erscheinung treten und in Form von Geld realisiert werden können (René A. Rhinow/Beat Krähenmann, Schweizerische Verwaltungsrechtspre- chung, Ergänzungsband, Basel/Frankfurt 1990, Nr. 111 B II b). Uner- heblich ist allerdings, ob der Vorteil tatsächlich realisiert wird. Der Kreis der möglichen Abgabepflichtigen ist auf die Grundeigentümer und das Ausmass des zu berücksichtigenden Vorteils auf die Er- schliessungsvorteile begrenzt (Alexander Ruch, Die Bedeutung des 2002 Abgaben 173 Sondervorteils im Recht der Erschliessungsbeiträge, in: ZBl 97/1996, S. 532 f.) c) Ob die Erstellung des Trottoirs für die Anstösser wegen der Verbesserung der Verkehrssicherheit einen Sondervorteil bewirkte, ist im vorliegenden Fall nicht mehr streitig, da die Anstösserbeiträge bezüglich des Trottoirs rechtskräftig entschieden worden sind. Die Auffassung der Gemeinde, das Trottoir habe zwingend auch den Ausbau der Strasse erfordert und infolge dessen seien die Anstösser untrennbar auch durch den eigentlichen Strassenausbau in den Ge- nuss eines wirtschaftlichen Sondervorteils gekommen, geht jedoch fehl. Selbstverständlich war es wirtschaftlich sinnvoll, die Sanierung der Strasse zur gleichen Zeit durchzuführen, doch hat dies mit der Frage des wirtschaftlichen Sondervorteils für die Anstösser nichts zu tun. Im vorliegenden Fall war die Aufteilung in einen Perimeterplan Trottoir und einen Perimeterplan Strasse schon im Ansatz richtig und zwingend, weil Trottoir und Strasse unterschiedliche wirtschaftliche Sondervorteile auslösen. d) Die übrigen von der Gemeinde geltend gemachten Gründe vermögen nach Auffassung des Verwaltungsgerichts keinen wirt- schaftlichen Sondervorteil der Anstösser zu bewirken. Es steht fest, dass die Strasse bereits vor dem Ausbau eine nutzbare Breite von 6 m aufwies. Die Gemeinde behauptet denn auch nicht, die bisherige strassenmässige Erschliessung sei ungenügend gewesen. Sie führt aus, dass sich die Strasse erstaunlich gut gehalten habe, dies obwohl in den letzten 50 Jahren ausser einem neuen Rollsplitt und verein- zelten Entwässerungsschächten nichts daran gemacht worden sei. Die Strasse entsprach also bei ihrer seinerzeitigen Erstellung den technischen Anforderungen und ebenso den bisherigen Erschlies- sungsbedürfnissen. Soweit sich ihr Zustand im Laufe der Zeit ver- schlechterte, handelt es sich beim jetzigen Ausbau quasi um aufge- schobenen Unterhalt, der zu Lasten der Beschwerdeführerin als Strasseneigentümerin geht (vgl. AGVE 1992, S. 199; § 99 Abs. 1 BauG). In diesem Sinne besteht gegenüber dem in der Beschwerde zitierten VGE II/66 vom 13. Juni 1991 in Sachen W.H. und Mitbe- teiligte, wo erst durch den Ausbau des G.-Wegs eine genügende strassenmässige Erschliessung erstellt wurde, ein entscheidender 2002 Verwaltungsgericht 174 Unterschied. Der Umstand, dass jeweils die äussersten 50 cm der Strasse nicht unterkoffert waren, sondern nur einen Oberflächenbelag aufwiesen, war für die Erfordernisse der Wohnerschliessung nicht von wesentlicher Bedeutung. Dass eine neue Strassenkofferung nach heutigen technischen Grundsätzen erstellt wird, ist im vorliegenden Verfahren ebenfalls nicht entscheidend. Die Kofferung verbessert zwar die Lebensdauer der Strasse, sie ermöglicht auch die Wartung und den Ersatz der alten Werkleitungen und bildet eigentliche Basis für den von der Ge- meinde zu tragenden Strassenunterhalt. Sie bedeutet indessen weder eine erstmalige genügende Erschliessung noch eine namhafte Ver- besserung der Erschliessung (eine Erhöhung der Verkehrssicherheit kann lediglich dem Trottoir, nicht dem Strassenausbau zugeschrieben werden). Die Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Strasse wurde in erster Linie auf Grund des nahe gelegenen Industriegebiets mit gegen 1'000 Arbeitsplätzen, das ein höheres Verkehrsaufkommen verursachte, notwendig. Die neu entstandenen Arbeitsplätze haben den Anwohnern Verschlechterungen bezüglich der Lärmbelastung gebracht, die sie entschädigungslos hinzunehmen hatten. Wenn der Lärm durch die Verbesserung der Strassenoberfläche wieder etwas vermindert wird, bewirkt dies eine gewisse Kompensation der vorher durch die Verkehrssteigerung, deren Ursache im Industriegebiet liegt, kontinuierlich verschlechterten Lärmsituation. Der Bezug zu einem wirtschaftlichen Sondervorteil für die Anstösser ist nicht ersichtlich. Die Entwässerung der Strasse in ihrem bisherigen Zustand brachte keine nennenswerte Probleme mit sich. (...). Die neu geplante Entwässerung der Strasse bewirkt keinen wirtschaftlichen Sonder- vorteil. Das Gleiche gilt für die vorgesehenen Randabschlüsse. Es mag zwar zutreffen, dass durch diese saubere Abgrenzung die An- wohner an dieser Stelle nicht jäten müssen und es im Winter dort kein "Gepflotsch" gibt, doch dies ist ein minimer Vorteil. e) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Gemeinde den Nachweis für das Vorliegen eines wirtschaftlichen Sondervorteils durch den Strassenausbau nicht zu erbringen vermag.
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AG_VG_001
AG_VG
AG
Northwestern_Switzerland
AG_VG_001_AGVE-2002-45_2002-08-02
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2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 194 31 Vertragsschluss - Unzulässigkeit eines Vertragsschlusses solange nicht feststeht, dass die Beschwerdefrist unbenutzt abgelaufen ist. - Ein unzulässiger Vertragsschluss entfaltet (jedenfalls bis zum Ent- scheid betreffend aufschiebende Wirkung im hängigen Beschwerde- verfahren) keine Rechtswirkungen. - Anordnung vorsorglicher Massnahmen (insbesondere Verbot von Vertragshandlungen, unter Androhung der Ungehorsamsstrafe nach Art. 292 StGB). Verfügung des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 28. Dezember 2016 in Sachen A. AG gegen B. AG (Beilgeladene) und C. AG (WBE.2016.539). Aus den Erwägungen 1. 1.1. Die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung, wenn nicht aus wichtigen Gründen im angefochtenen Entscheid oder durch beson- dere Vorschrift etwas anderes bestimmt wird (§ 46 Abs. 1 VRPG). Die Beschwerdeinstanz oder das ihr vorsitzende Mitglied prüft, ob eine gegenteilige Anordnung oder andere vorsorgliche Massnahmen zu treffen sind (§ 46 Abs. 2 VRPG). Das Submissionsdekret vom 26. November 1996 (SubmD; SAR 150.910) kennt bezüglich aufschiebender Wirkung eine Sonder- regel: Nach § 26 Abs. 1 hat die Beschwerde keine aufschiebende Wirkung. Die Beschwerdeinstanz kann der Beschwerde auf Gesuch oder von Amtes wegen aufschiebende Wirkung erteilen, wenn die Beschwerde als ausreichend begründet erscheint und keine überwie- genden Interessen entgegenstehen (§ 26 Abs. 2 SubmD). 2016 Submissionen 195 1.2. Die aufschiebende Wirkung ist ein notwendiges Institut des Prozessrechts, um wirksamen Rechtsschutz zu gewährleisten. Die aufschiebende Wirkung hemmt die Durchsetzbarkeit der Verfügung im Rechtsmittelverfahren; sie schiebt die Rechtswirkungen auf. Dies verhindert, dass durch den vorzeitigen Vollzug rechtliche oder tatsächliche Präjudizien geschaffen werden; die Beschwerdeinstanz soll ungehindert den vom materiellen Recht gebotenen Entscheid fällen und diesen dann auch durchsetzen können. Es geht neben der in erster Linie massgebenden Gewährleistung wirksamen Rechts- schutzes (zugunsten des Bürgers) auch um die Entscheidungsfreiheit der Rechtsmittelbehörde, um die Gewährleistung, den gesetzlichen Zweck und die Realisierbarkeit des Verfahrensergebnisses zu wahren (vgl. M ICHAEL M ERKER , Rechtsmittel, Klage und Normenkontroll- verfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechts- pflege, Kommentar zu den §§ 38 - 72 VRPG, Zürich 1998, § 44 N 6). Im Übrigen kann die Beschwerdeinstanz gestützt auf § 46 Abs. 2 VRPG vorsorgliche Massnahmen für die Dauer des Beschwerdeverfahrens treffen. Diese vorsorglichen Massnahmen er- richten bei entsprechendem Bedürfnis für die Dauer des Prozesses eine wirksame Übergangsordnung. Sie ermöglicht den Parteien wäh- rend des Prozesses einen modus vivendi, den die Beschwerdeinstanz anhand der summarisch beurteilten Rechtslage verfügt (M ERKER , a.a.O., § 44 N 33 f.). 2. Das Submissionsdekret legt in § 21 Abs. 1 bezüglich Vertrags- schluss fest: " 1 Der Vertrag mit den Anbietenden darf nach dem Zuschlag geschlos- sen werden, wenn: a) die Beschwerdefrist unbenutzt abgelaufen ist; b) im Fall einer Beschwerde feststeht, dass die Beschwerdeinstanz dieser keine aufschiebende Wirkung erteilt." 3. Die Vergabestelle bringt mit Eingabe vom 22. Dezember 2016 vor, sie habe den Vertrag mit der B. AG, welche den Zuschlag erhal- ten habe, bereits abgeschlossen. Es sei stets die Absicht gewesen, den 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 196 Vertrag mit dem Zuschlagsempfänger noch im Jahr 2016 zu schlies- sen, zumal die ersten Lieferungen per 31. Dezember 2016 erfolgen sollen. Hinweise darauf, dass ein nicht berücksichtigter Anbieter Be- schwerde erheben würde, habe es nicht gegeben. Die Vergabestelle reicht eine Bestellung von (...)geräten bei der B. AG über Fr. 1'740'000.00 ein. Die Bestellung trägt das Datum vom 14. Dezember 2016. Die Vergabestelle habe mit dem Versand abge- wartet, bis die Rechtsmittelfrist am 15. Dezember 2016 abgelaufen sei. Tags darauf habe sie die Bestellung ausgelöst (16. Dezember 2016). Sie teile in Erfüllung von § 21 Abs. 2 SubmD diesen Vertrags- schluss mit. 4. Diese Ausführungen der Vergabestelle verkennen die Rechts- lage und wecken Befremden, sie verstossen bereits auf den ersten Blick gegen § 21 SubmD. Danach darf der Vertrag mit den Anbieten- den erst nach dem Zuschlag geschlossen werden und auch dies nur unter zwei alternativen Voraussetzungen: Entweder muss die Be- schwerdefrist unbenutzt abgelaufen sein oder im Fall einer Be- schwerde muss feststehen, dass die Beschwerdeinstanz keine aufschiebende Wirkung erteilt hat. Ein gegenteiliges Vorgehen ist darauf angelegt, den submissionsrechtlichen Rechtsschutz auszuhe- beln. Der Beschwerdeinstanz wird damit einerseits ein wesentlicher Teil ihrer gesetzlichen Rechtsprechungsaufgaben entzogen, anderer- seits wird ein Rechtsschutz für den nichtberücksichtigten Anbieter weitgehend illusorisch. Hinzu kommt, dass verfrüht (insbesondere während laufender Beschwerdefrist oder trotz hängigen Gesuchs um aufschiebende Wir- kung) abgeschlossene Verträge von Lehre und Praxis nichtig, ungül- tig oder unwirksam betrachtet werden (vgl. AGVE 2001, S. 311 ff.; M ARTIN B EYELER , Welches Schicksal dem vergaberechtswidrigen Vertrag?, in: AJP 2009, S. 1142 ff.; M ARTIN B EYELER , Der Geltungs- anspruch des Vergaberechts, Zürich/Basel/Genf 2012, Rz. 2439 ff., P ETER G ALLI /A NDRÉ M OSER /E LISABETH L ANG /M ARC S TEINER , Praxis des öffentlichen Beschaffungsrechts, 3. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2013, Rz. 1326 ff.). 2016 Submissionen 197 5. Die Absageverfügung vom 23. November 2016 wurde der Be- schwerdeführerin am 5. Dezember 2016 zugestellt. Die zehntägige Beschwerdefrist gemäss § 25 Abs. 1 SubmD endete somit am 15. Dezember 2016. Die Beschwerdeführerin hat ihre Beschwerde am 15. Dezember 2016 der Post übergeben und damit fristgerecht das Rechtsmittel eingereicht. Die Beschwerde ging am 19. Dezember 2016 beim Verwaltungsgericht ein, gleichentags erliess der Instruk- tionsrichter eine prozessleitende Verfügung und gewährte super- provisorisch die aufschiebende Wirkung. Angesichts dieser Sachlage erfolgte der Vertragsschluss bzw. die Bestellung vom 14. bzw. 16. Dezember 2016 klarerweise zu früh. Dass es keine Hinweise auf eine Beschwerdeerhebung gegeben habe, ist vollständig irrelevant. Aufgrund des Abschlussverbots von § 21 Abs. 1 SubmD entfaltet der Vertragsschluss keine Wirkungen, was die Vergabestelle in ihrer Eingabe vom 22. Dezember 2016 offenkun- dig verkennt. Die B. AG als Zuschlagsempfängerin und vorgesehene Vertragspartnerin der Vergabestelle ist am vorliegenden Verfahren formell noch nicht als Partei beteiligt. Die entsprechende Mitwirkung am Verfahren wurde ihr mit Verfügung vom 19. Dezember 2016 frei- gestellt. Die B. AG ist nunmehr mittels Beiladung in das Verfahren einzubeziehen. (...) 6. Bis anhin wurde der Beschwerde superprovisorisch die aufschiebende Wirkung erteilt (Verfügung vom 19. Dezember 2016). Dies gilt auch gegenüber der B. AG. Die B. AG hat - wie die Vergabestelle - alle Vollziehungsvorkehrungen, insbesondere Hand- lungen aus dem abgeschlossenen Lieferungsvertrag, zu unterlassen, bis das Verwaltungsgericht den Entscheid über das Begehren betref- fend aufschiebend Wirkung gefällt hat. Die von der Vergabestelle ge- wünschte Lieferung per 31. Dezember 2016 fällt somit ausser Be- tracht. (...) 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 198 Der Verwaltungsrichter verfügt: 1.-2. (...) 3. Die C. AG und die B. AG bzw. deren beider Organe haben alle Vollziehungsvorkehrungen im Zusammenhang mit dem streitigen Submissionsverfahren - insbesondere Vertragshandlungen wie Liefe- rung und Entgegennahme von (...)geräten - bis zum Entscheid des Verwaltungsgerichts über das Begehren betreffend aufschiebende Wirkung zu unterlassen. Im Falle einer Widerhandlung gegen diese Verfügung wird eine Bestrafung nach Art. 292 StGB angedroht. Art. 292 StGB lautet wie folgt: "Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen Wer der von einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen Beamten unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels an ihn er- lassenen Verfügung nicht Folge leistet, wird mit Busse bestraft." 4.-7. (...)
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AG_VG_001_AGVE-2016-31_2016-12-03
http://agve.weblaw.ch/html//AGVE-2016-31.html
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2005 Verwaltungsgericht 210 [...] 43 Sondernutzungsplanung für publikumswirksame Einrichtungen. - Verschärfte Emissionsbegrenzungen zur Luftreinhaltung (Erw. 6a). - Erschliessung durch öffentliche Verkehrsmittel (Erw. 6b). - Iteratives Vorgehen zur Bestimmung der Anzahl Parkplätze (Erw. 6c). 2005 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 211 Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 23. März 2005 in Sachen V. gegen den Regierungsrat und den Grossen Rat. Aus den Erwägungen 6. Strittig ist des Weiteren, ob die Teiländerung "Wille" mit den bundesrechtlichen Vorschriften zum Schutz der Umwelt, insbeson- dere zur Luftreinhaltung, übereinstimmt. Der Beschwerdeführer rügt in diesem Zusammenhang eine ungenügende Erschliessung mit dem öffentlichen Verkehr, eine zu hohe Parkplatzzahl, eine unzulängliche Parkplatzbewirtschaftung sowie das Fehlen eines attraktiven Hauslie- ferdienstes. a) aa) Wie dem Massnahmenplan Luft des Kantons Aargau entnommen werden kann, befindet sich die Gemeinde Spreitenbach in einem lufthygienisch übermässig belasteten Gebiet. Die Immissio- nen für NO 2 liegen teilweise deutlich über dem Grenzwert von 30 μg/m 3 (Massnahmenplan Luft des Kantons Aargau vom Juli 2002, S. 23), weshalb Spreitenbach im Anhang zur Verordnung über ver- schärfte Emissionsbegrenzungen gemäss Massnahmenplan Luftrein- haltung vom 17. Februar 1992 (Massnahmenplan-Verordnung, MPLV; SAR 781.311) auch als Gebiet mit übermässigen Stickstoff- dioxid-Immissionen bezeichnet wurde. Überschritten wird an ver- kehrsreichen Strassen und in kleineren und grösseren Agglomera- tionen auch der Grenzwert für Schwebestaub-Immissionen (PM10) von 20 μ/m 3 , ansonsten ist er im Bereich des Grenzwertes oder darunter. Die Grenzwerte für Ozon-Immissionen werden in der gan- zen Schweiz grossflächig überschritten (siehe zur Luftqualität: Jah- resbericht der Zentralschweizer Umweltschutzdirektionen (ZUDK) in Zusammenarbeit mit dem Kanton Aargau [www.in-luft.ch]). Von denselben Schlüssen ging im Übrigen auch der UVB aus. Angesichts dieser Ausgangslage ist ein geplantes Nutzungs- vorhaben nicht nur vorsorglichen, sondern verschärften Emissions- begrenzungen zu unterstellen (Art. 11 Abs. 3 USG; Entscheid des Bundesgerichts vom 4. Januar 2005 [1A.144/2003] in Sachen des Beschwerdeführers, Erw. 2.2; BGE 127 II 260). Dabei ist zunächst 2005 Verwaltungsgericht 212 zu prüfen, ob das geplante Bauvorhaben für sich allein übermässige Immissionen verursacht. Ist dies zu bejahen, hat die Vollzugsbehörde für das Vorhaben verschärfte Emissionsbegrenzungen festzulegen, die so weit gehen, dass die Anlage keine übermässigen Immissionen verursachen kann (Art. 5 LRV). Verursacht das Planvorhaben die übermässigen Immissionen nicht allein, sondern nur zusammen mit anderen Emissionsquellen, so sind die verschärften Emis- sionsbegrenzungen nach Massgabe des Massnahmenplans gemäss Art. 44a USG bzw. Art. 31 ff. LRV und (bei Bedarf) im Rahmen der Nutzungsplanung festzulegen, welche die Grundsätze der Ko- ordination und Rechtsgleichheit bzw. Lastengleichheit wahrt. Ver- schärfte Emissionsbegrenzungen und allenfalls eine Anpassung des Nutzungsplanes sind auch anzuordnen, wenn eine stationäre Anlage in der Zone, in der sie vorgesehen ist, einen überdurchschnittlichen Emittenten darstellt (BGE 127 II 260 f. Erw. 8b; 124 II 272 Erw. 4a und 5c). bb) Bei dem im Gebiet "Wille" geplanten Einrichtungshaus handelt es sich unbestrittenermassen um eine neue stationäre Anlage im Sinne von Art. 7 Abs. 7 USG und Art. 2 Abs. 1 und 3 LRV, wel- che Einwirkungen u.a. in der Form von Luftverunreinigungen erzeu- gen wird. Diese sind gesamthaft zu beurteilen, d.h. es sind alle Emissionen zu berücksichtigen, die durch die bestimmungsgemässe Nutzung der Anlage verursacht werden, einschliesslich der von den Beschäftigten, Besuchern und Kunden verursachten Verkehrs- emissionen in der Umgebung der Anlage (erwähnter BGE vom 4. Januar 2005 in Sachen des Beschwerdeführers, Erw. 2.1.2 mit Hinweisen). Gemäss der Teiländerung "Wille" darf in der Arbeitsplatzzone A4 eine Nettoladenfläche von 25'000 m 2 (Fachmarkt) bzw. 2'000 m 2 (Einkaufszentrum) realisiert werden. Die Parkplatzzahl wurde auf 700 bzw. 890 festgelegt. Folglich ist von einem hohen Verkehrser- zeugungspotential der geplanten Anlage auszugehen; es manifestiert sich in mehr als 3000 Zufahrten pro Tag. Diese verursachen auf dem Strassennetz (erweitertes Untersuchungsgebiet) folgende Emissio- nen: 879 kg NO X und 151 kg NMHC pro Jahr. Im Nahbereich des Gebiets "Wille" (Untersuchungsperimeter) fallen aus den Parkier- 2005 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 213 vorgängen, den Zufahrtsstrassen und der Heizungsanlage folgende Emissionen an: 715 kg NO x, 1'311 kg NMHC und 6.9 kg Partikel. Gemessen an den im Emissionskataster der Gemeinde Spreitenbach ausgewiesenen Gesamtemissionen (138.24 t NO x , 182.6 t VOC [flüchtige organische Kohlenwasserstoffe] und 32.53 t Schwebestaub [PM10]) resultiert während der Betriebsphase für NO x eine Zunahme von 0.5%, für NMHC eine Zunahme von 0.7% und für Schwebestaub (PM10) eine solche von 0.02%. Die beschriebenen Emissionen führen im Untersuchungsperimeter zu höheren Immissi- onswerten. Die Zunahme beim Luftschadstoff NO 2 liegt jedoch in fast allen Punkten des Untersuchungsgebietes weit unter 1 μg/m3. Selbst unter Berücksichtigung der höheren Summenwerte in der Ausbreitungsberechnung für NO 2 (die Tabelle auf S. 32 "Jährliche Luftschadstoffemissionen Betriebsphase durch das neue Einrich- tungshaus" enthält falsche Summenwerte [591 statt 715 NO 2 kg; 1'007 statt 1'311 NMHC kg; 5.9 statt 6.9 Partikel kg]) ist davon auszugehen, dass die Immissionszunahme im Mittel und auch an fast allen Punkten des Untersuchungsgebietes weit unter 1 μg/m3 beträgt. Über die zusätzliche Belastung mit Ozon und Schwebestaub (PM10) liegen keine genaueren Angaben vor. Es ist jedoch gerichtsnotorisch und ergibt sich auch aus dem Massnahmenplan Luft, dass die ent- sprechenden Langzeitwerte in den Gebieten mit übermässigen NO 2 - Immissionen grossflächig überschritten sind (siehe dazu Jahresbe- richt 2003 ZUDK). Gemessen an den Gesamtemissionen in der Ge- meinde Spreitenbach erscheint die Emissionszunahme durch die geplante Anlage relativ gering, was insbesondere auf die hohe Grundbelastung durch die Nationalstrasse zurückzuführen sein dürfte. Es kann folglich nicht gesagt werden, das geplante Bauvorha- ben führe für sich allein genommen zu übermässigen Immissionen. Massnahmen nach Art. 5 LRV fallen somit ausser Betracht. Der Regierungsrat ist im Beschwerdeverfahren davon ausge- gangen, dass es sich beim geplanten Einrichtungshaus der Be- schwerdegegnerin 1 um einen überdurchschnittlichen Emittenten handelt, was allseits unbestritten ist. cc) Wird wie im vorliegenden Fall die übermässige Luftbe- lastung von einer Vielzahl von Anlagen verursacht (siehe vorne 2005 Verwaltungsgericht 214 Erw. aa und bb), sind die erforderlichen Emissionsbegrenzungen durch einen Massnahmenplan nach Art. 44a USG und Art. 31 ff. LRV zu koordinieren (Art. 9 Abs. 4 LRV; siehe auch erwähnter BGE vom 4. Januar 2005 in Sachen des Beschwerdeführers, Erw. 2.5.1; BGE 127 II 261). Der Kanton Aargau hat erstmals im Jahre 1991 einen Massnahmenplan Luft erlassen, welcher zwischen- zeitlich durch den Massnahmenplan Luft 2002 ersetzt wurde. Dieser Massnahmenplan enthält die Massnahme M7 ("Rahmenbedingungen bei publikumsintensiven Einrichtungen"); sie sieht als Zielsetzung vor, Entwicklungsschwerpunkte an überdurchschnittlich gut er- schlossenen Standorten in der Nähe der Zentren zu fördern, die Erreichbarkeit mit dem öffentlichen Verkehr zu gewährleisten und durch Optimierung der Strassen-, Parkier- und ÖV-Infrastruktur Anreize zu schaffen, um eine Reduktion der Fahrtenzahl und der Fahrleistung des Individualverkehrs zu erzielen (Parkplatzbewirt- schaftung). Darüber hinaus verweist die Massnahme M7 auf den Richtplan Abschnitt S 3.4, wonach die Gemeinden gehalten sind, in einem Gesamtkonzept für die Parkierung aufzuzeigen, wie die Par- kierung geordnet bzw. die Parkplätze bewirtschaftet werden müssen, und auf die Empfehlungen für die kommunale Parkraumplanung der Abteilung Verkehr vom August 1999. Nach dem Gesagten verlangt der Massnahmenplan Luft, dass die erforderliche Emissions- begrenzung (siehe vorne Erw. aa) in erster Linie durch eine Optimie- rung der Erschliessung mit dem öffentlichen Verkehr, eine ange- messen reduzierte Parkplatzzahl und ein Parkplatzbewirtschaf- tungssystem erreicht wird. Die rechtlichen Voraussetzungen für die Umsetzung der Massnahmen zur Luftverbesserung wurden vor- liegend bereits auf der Richtplanebene konkretisiert (Botschaft vom 26. März 2003, S. 4 f.). Soweit die Zielsetzungen der Luftreinhalteverordnung durch das kantonale oder kommunale Recht nur unzureichend umgesetzt werden, können diese Massnahmen bei überdurchschnittlichen Emittenten (siehe vorne Erw. bb) unmittelbar gestützt auf den Mass- nahmenplan selbst und das USG angeordnet werden (BGE 124 II 283). 2005 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 215 b) Die Teiländerung "Wille" sieht in § 14ter Abs. 8 BNO vor, dass im Zeitpunkt der Eröffnung des Fachmarkt- und Einkaufszen- trums eine ÖV-Güteklasse "C" in Hauptverkehrszeiten (inkl. Sams- tag) unter überwiegender finanzieller Beteiligung der Grundeigentü- mer realisiert sein muss. ÖV-Güteklasse "C" bedeutet vorliegenden- falls, dass die Buslinie (Linie 8 der Regionalen Verkehrsbetriebe Baden-Wettingen [RVBW]) im 10-19 Minuten-Takt betrieben wird und sich die Haltestellen in der Nähe des Einrichtungshauses befin- den (siehe dazu die VSS-Norm SN 640'290 "Parkieren; Grenzbedarf, reduzierter Bedarf, Angebot", Tabellen 6 und 7). aa) Der Beschwerdeführer hält diese Erschliessung für ungenü- gend und verlangt zumindest die Güteklasse "B". Zur Begründung verweist er auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts, welches für publikumsintensive Anlage eine ÖV-Güteklasse "der oberen Katego- rie" verlange; dies könne auch im Kanton Aargau nur die Güteklasse "A" oder "B" sein. Das Erfordernis einer guten ÖV-Erschliessung ergebe sich auch aus dem Richtplan und dem Massnahmenplan. Die Erschliessung mit bloss einer Regionalbuslinie in der ÖV-Güteklasse "C" genüge diesen Anforderungen in keiner Weise. Das Vorhaben sei überwiegend auf den motorisierten Individualverkehr ausgerichtet, und es fehle dazu eine attraktive Alternative selbst in die Hauptlastrichtung, erst recht aber in die anderen massgeblichen Richtungen. Die Auffassung der Vorinstanz, der Massnahmenplan sei selbst keine gesetzliche Grundlage für die Anordnung von Massnah- men, sei falsch. Bei überdurchschnittlichen Emittenten könnten die im Massnahmenplan vorgesehenen Massnahmen auch einzelfall- weise angeordnet werden. Versäumnisse im kantonalen Um- setzungsprozess dürften das Bundesumweltschutzrecht nämlich nicht ausser Kraft setzen. Die Vorgaben des Massnahmenplans seien deshalb bei der Nutzungsplanung vollumfänglich zu berücksichtigen. bb) Die Erschliessung des Gebiets "Wille" mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erfolgt mittels einer Verlängerung der bestehenden Linie 8 der RVBW. Diese Linie verläuft von Spreitenbach in Rich- tung Killwangen, Neuenhof und Wettingen mit zahlreichen Um- steigemöglichkeiten. Solche bestehen zu den Linien Linien 2 und 4 der RVBW, welche via Baden die Gemeinden Gebenstorf, Ober- und 2005 Verwaltungsgericht 216 Untersiggenthal bedienen, und zur S-Bahn bei den SBB-Bahnhöfen Killwangen, Neuenhof und Wettingen (siehe www.rvbw.ch). Des Weiteren ist die heute bereits bestehende Linie 303 des Zürcherischen Verkehrsverbundes (ZVV) zu erwähnen, welche im 15-Minuten-Takt (in den Hauptverkehrszeiten sogar im 10-Minuten- Takt) vom benachbarten Tivoli Einkaufszentrum - die Entfernung zum Gebiet "Wille" beträgt rund 400 m - via Haltestelle Shopping Center (mit Umsteigemöglichkeit Richtung Baden [Linien 2 und 4 der RVBW]) in Richtung Schlieren verkehrt (siehe www.vbz.ch). Der Anschluss an die S-Bahn-Linien der SBB wird durch Halte- stellen bei den Bahnhöfen Dietikon und Schlieren gewährleistet. Unter Berücksichtigung der bereits bestehenden Buslinie des ZVV Richtung Schlieren sowie der vorgeschriebenen ÖV-Güteklasse "C", welche durch eine Verlängerung der nach Wettingen ver- kehrenden Linie 8 der RVBW realisiert werden soll, ist die Erschlies- sung mit den öffentlichen Verkehrsmitteln Richtung Baden und Zü- rich sichergestellt. Angesichts der zahlreichen Umsteigemöglichkei- ten auf das S-Bahn-Netz sowie auf weitere Buslinien, beispielsweise Richtung Würenlos, Richtung Oetwil an der Limmat oder Richtung Engstringen (siehe dazu www.rvbw.ch sowie www.vbz.ch) ist die Er- reichbarkeit als gut zu bezeichnen. Zudem verhindert der bereits rea- lisierte bzw. vorgesehene Takt von 10 bis 19 Minuten längere Warte- zeiten bei der An- und Abreise. Gesamthaft betrachtet erscheint die zukünftige Erschliessung des Gebiets "Wille" mit den öffentlichen Verkehrsmitteln für Besucher des geplanten Einrichtungshauses durchaus attraktiv. Ferner ist mit der geplanten Stadtbahn zwischen Dietikon und Spreitenbach, welche auch das geplante Einrichtungs- haus bedienen soll (Botschaft des Regierungsrats vom 26. März 2003, S. 11; Planungs- und Mitwirkungsbericht der Gemeinde Spreitenbach vom 20. Januar 2004, S. 7, 12) und möglicherweise die bestehende Linie 303 der VZZ ersetzt, eine weitere Verbesserung in Aussicht gestellt. Ob eine solche Verbesserung bezüglich der Kunden des Einrichtungshauses eine nennenswerte Umsteigewirkung zur Folge haben würde, muss aufgrund der von Fachstellen anerkannten und auch dem Verwaltungsgericht schlüssig erscheinenden geringen Umsteigeelastizität bei Möbelmitnahmemärkten (Bericht der Re- 2005 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 217 gionalplanung Zürich und Umgebung [RZU], "Mobilitätsverhalten Einkaufs- und Freizeitverkehr Glattal", S. 12 ff. [www.rzu.ch]) ernsthaft bezweifelt werden. Mithin erachtet das Verwaltungsgericht die vorgeschriebene Erschliessung des Gebiets "Wille" mit der Güte- klasse "C" unter Berücksichtigung aller Gegebenheiten als gut. Der Zielsetzung des Massnahmenplans Luft wird damit in ausreichendem Masse entsprochen, und es bedarf bezüglich der Erschliessung mit dem öffentlichen Verkehr keiner weiteren Anordnungen. Pauschale Forderungen nach einer Güteklasse "A" oder "B", wie sie der Be- schwerdeführer stellt, erscheinen nicht gerechtfertigt. Weder das Bundesrecht noch der Massnahmenplan Luft schreiben eine beson- dere Güteklasse vor; vielmehr ist den konkreten Anforderungen und Gegebenheiten angemessen Rechnung zu tragen, weshalb insbeson- dere nicht die zürcherischen Modelle oder Fallbeispiele massgebend sind. Kann eine bessere Erschliessung mit dem öffentlichen Verkehr nicht zu einer nennenswerten zusätzlichen Verbesserung des Modal Splits beitragen, wovon im vorliegenden Fall auszugehen ist, fehlt solchen theoretischen Verbesserungen die Eignung und sachliche Notwendigkeit. Derart pauschale Massnahmen können unter Um- ständen gar dem Massnahmenplan Luft widersprechen, wenn die Busse trotz maximaler Erschliessung mit dem öffentlichen Verkehr weitgehend leer verkehren. Im Sinne des Massnahmenplans und des Richtplanbeschlusses sind flankierend zur Erschliessung mit öffentlichen Verkehrsmitteln Massnahmen bezüglich der Parkplatzzahl und Parkplatzbewirt- schaftung anzuordnen (siehe vorne Erw. a/cc). c) aa) Gestützt auf § 14 ter Abs. 5 BNO Teiländerung "Wille" sind in der Zone A4 zum Zweck der grösstmöglichen Verlagerung von Fahrten auf den öffentlichen Verkehr sowie zum Schutze vor den Auswirkungen des Verkehrs maximal 700 Parkplätze für Angestellte, Besucher und Kunden zugelassen; die Parkplätze der Angestellten sind zu reservieren und für Kunden nicht zugänglich zu machen; weitere maximal 190 Parkplätze müssen an Samstagen und weiteren verkaufsstarken Tagen, welche vom Gemeinderat in der Baube- willigung zu bezeichnen sind, zur Verfügung gestellt werden. Diese können entweder temporär auf dem Areal selbst oder mittels ver- 2005 Verwaltungsgericht 218 traglicher Regelung mit anderen Betrieben bereitgestellt werden. Eine Benutzung dieser zusätzlichen Plätze an anderen Tagen ist durch geeignete Massnahmen auszuschliessen. Details sind im Bau- bewilligungsverfahren zu regeln. Der Beschwerdeführer verlangt, die Parkplatzzahl auf höchstens 234 Parkplätze zu beschränken und davon 60 Parkplätze für Be- schäftigte auszuscheiden. Nur die übrigen Parkplätze dürften für Kunden und Besucher zur Verfügung stehen. Zur Begründung führt der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass der Regierungsrat bei der Festlegung der Parkplatzzahl von einem unter umweltschutz- rechtlichen Gesichtspunkten falschen Ansatz einer nachfrageorien- tierten Betrachtungsweise ausgegangen sei. Eine der VSS-Norm SN 640 290 entsprechende Berechnung des Grenzbedarfs genüge den umweltschutzrechtlichen Anforderungen bei publikumsintensi- ven Einrichtungen mit einem überdurchschnittlichen Emittenten nicht. Lege man der Berechnung der Parkplatzzahl jene Werte zu- grunde, von denen der Regierungsrat beim M-Parc Oftringen aus- ging, dürfte die Parkplatzzahl höchsten 338 (ÖV-Güteklasse "B") bzw. 440 (ÖV-Güteklasse "C") betragen; der Regierungsrat verstosse damit auch bei Anwendung ausschliesslich aargauischer Vollzugs- grundlagen klar gegen das Prinzip der Rechts- und Lastengleichheit. Ausgehend von der Zürcher Wegleitung zur Regelung des Park- platzbedarfs in kommunalen Erlassen vom Oktober 1997 seien sogar nur 234 Parkplätze zulässig. Die Beschränkung der Parkplatzzahl sei eine notwendige Massnahme zur verschärften Emissionsbegrenzung. bb) Die Bestimmung des Parkplatzangebots erfolgt zunächst über die Abschätzung des nutzungsspezifischen Grenzbedarfs, wobei gemäss § 25 Abs. 1 ABauV auf die VSS-Norm SN 640 290 ab- zustellen ist; der nach dieser Norm berechnete Grenzbedarf wird unter Berücksichtigung der Erschliessungsgüte des öffentlichen Ver- kehrs (Ziffer 12; Ersetzbarkeit des Personenwagens durch öffentliche Verkehrsmittel), der Attraktivität für Zweiräder und Fussgänger (Ziffer 13) sowie der Möglichkeiten der Mehrfachnutzung der Parkfelder reduziert (Ziffer 14); ferner ist bei der Festlegung des Angebots auch die Belastbarkeit der Umwelt zu berücksichtigen (Ziffer 16; siehe auch Empfehlungen des Baudepartements, Kommu- 2005 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 219 nale Raumplanung [PRP], Stand 1999). In Ziffer 11 der zitierten VSS-Norm werden bezüglich Einkaufszentren Proberichtwerte festgelegt mit dem Hinweis, dass der Parkfeldbedarf durch Spezialis- ten zu bestimmen ist. Ein entsprechendes Verkehrsgutachten wurde erstellt. Darin wurde gestützt auf Erhebungen am Standort "Breite" an Samstagen ein Bedarf von 1'100 Parkplätzen für Kunden und Mitarbeiter ausgewiesen, wobei die Bedarfsspitze um 14 bis 15 Uhr bei 1'211 Parkplätzen lag. Der vom Verkehrsgutachter ausgewiesene Bedarf von 1'100 Parkplätzen wurde in § 14 ter Abs. 5 BNO der Teil- änderung "Wille" übernommen und von der Gemeindeversammlung am 18. November 2003 genehmigt. In diesem Zusammenhang ist besonders zu betonen, dass mit der Reduktion von 1'211 (Spitzenbedarf) auf 1'100 Parkplätze bereits eine namhafte Reduktion der Parkplatzzahl vollzogen wurde. Aus umweltrechtlicher Sicht ist von Bedeutung, dass die Zahl von 1'100 Parkplätzen die angestrebte Verbesserung des Modal Split zu Gunsten des öffentlichen Verkehrs von 5 auf 10% bereits berücksich- tigt. Bei den in dieser Parkplatzzahl ebenfalls enthaltenen 115 Mit- arbeiterparkplätzen wurde ein reduzierter und abgeminderter Bedarf an Mitarbeiterparkplätzen berechnet. So wurde für den reduzierten Bedarf ein Faktor von 0.75 und für das "Angebot" ein solcher von 0.80 eingesetzt. Bei dem vom Verkehrsgutachter ausgewiesenen Bedarf von 1'100 Parkplätzen handelt es sich somit nicht um den Grenzbedarf als Ausgangspunkt der Bedarfsberechung (siehe PRP, S. 12), sondern um einen bereits umweltrechtlich relevant reduzier- ten Bedarf. Zumindest teilweise hat die Gemeinde bereits verschärfte Emissionsbegrenzungen im Sinne von Art. 11 Abs. 3 USG angeord- net. cc) Ziffer 11 der VSS-Norm SN 640 290 wurde inzwischen durch die regierungsrätliche Richtlinie zur Ermittlung des Angebots an Parkfeldern für Personenwagen bei verkehrsintensiven Nutzungen vom 7. Juli 2004 (Richtlinie Parkfelder) ersetzt. Die Abteilung Ver- kehr des Baudepartements hat sich als kantonale Fachstelle in mehre- ren Stellungnahmen mit dem Problem der Anzahl Parkfelder befasst; sie hat in ihrer Stellungnahme vom 8. Juni 2004 geprüft, welches Parkfeldangebot sich gestützt auf die noch nicht verabschiedete (sich 2005 Verwaltungsgericht 220 erst im Vernehmlassungsstadium befindliche, aber über die erwähnte regierungsrätliche Richtlinie anwendbare) neue VSS-Norm SN 640 281 ("Parkieren; Angebot an Parkfeldern für Personenwagen") ergeben würde und das Verkehrsgutachten insofern ergänzt. Aus- gehend von einem Bedarf von 1'050 Parkfeldern (wegen einer Kor- rektur betreffend die Ganglinie resultierte gegenüber dem Ver- kehrsgutachten eine Reduktion von 1'100 auf 1'050 Parkfelder) und gestützt auf korrigierte Werte für die Aufenthaltsdauer (Ø Aufent- haltsdauer von 120 bis 150 Minuten) und unterschiedliche MIV- Nachfragewerte (90 bis 100%) bezifferte die Abteilung Verkehr den reduzierten Bedarf auf 910 (plus/minus 50) Parkfelder, wobei in die- sem Wert die in den Prüfpunkten mitberücksichtigten Effekte (Stand- orteinfluss, Parkfeldanordnung, Änderung Modal Split zu Gunsten des Langsamverkehrs, Mobilitätsmanagement, Parkplatzbewirtschaf- tung sowie Verbund-, Konkurrenz- und Mitnahmeeffekte) bereits enthalten sind. Dieser Wert entspricht nach Auffassung der Abteilung Verkehr dem reduzierten Bedarf gemäss VSS-Norm SN 640 290 (Richtlinie Parkfelder, S. 6). Insofern unterscheiden sich die VSS- Norm SN 640 290 und die Schritte 1 und 2 der Richtlinie Parkfelder bis auf geringfügige Abweichungen, welche im vorliegenden Fall allerdings nicht ins Gewicht fallen (beispielsweise die Berücksich- tigung von Verlagerungseffekten), nicht (siehe Erläuterung in der Richtlinie Parkfelder, S. 6). Beide sehen eine Reduktion des Grenz- bedarfs anhand verschiedener, den Parkplatzbedarf beeinflussender Kriterien vor (siehe bezüglich der VSS-Norm SN 640 290 die Ziffern 12 ff.) Im Beschwerdeverfahren wurde der reduzierte Bedarf im Sinne von § 56 rev. BNO in Nachachtung von Schritt 3 der Richtlinie Parkfelder und letztlich im Sinne einer weitern verschärften Emissi- onsbegrenzung gemäss Art. 11 Abs. 3 USG zusätzlich abgemindert, wobei die Abteilung Verkehr einen Reduktionsfaktor von 5 bis 15% einsetzte. Für normale Samstage resultierte schliesslich eine Park- platzzahl von 775 bis 865. In ihrer abschliessenden Empfehlung schlug die Abteilung Verkehr ein flexibles Angebot an Werktagen von 700 Parkfeldern (585 für Kunden und 115 für Angestellte) und an Samstagen (inkl. verkaufsstarken Tagen) ein solches von 890 2005 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 221 Parkplätzen vor (775 für Kunden und 115 für Angestellte). Damit wird zwar der Höchstwert von 865 Parkplätzen an Samstagen um 25 Parkplätze überschritten. Diese geringfügige Abweichung fällt nach Auffassung des Verwaltungsgerichts jedoch nicht ins Gewicht, da das Parkplatzangebot an den übrigen fünf Werktagen auf 700 Parkplätze begrenzt ist und ein abgeminderter Bedarf von 1100 Parkplätzen besteht. Auf jeden Fall ist diese Differenz nach den Vorgaben im Richtplan und dem Massnahmenplan nicht zu beanstanden. Der Regierungsrat ist der Empfehlung der Abteilung Verkehr des Baudepartements vollumfänglich gefolgt und hat die Abminderung von 5 bis 15% als zusätzliche verschärfte Emissionsbegrenzung an- geordnet. dd) Das Verwaltungsgericht hat keinen Anlass, die Angaben im Verkehrsgutachten und die zusätzlichen Ergänzungen und Berech- nungen der Abteilung Verkehr des Baudepartements in Zweifel zu ziehen. Letztlich erachtet im Grunde auch der Beschwerdeführer selbst die Berechnung des reduzierten und abgeminderten Grenzbe- darfs an sich als zutreffend; er macht aber geltend, die Vorinstanzen stellten fälschlicherweise eine rein nachfrageorientierte Betrach- tungsweise an und berücksichtigten die umweltrechtlichen Aspekte zu wenig. Es stellt sich mithin die Frage, ob die Reduktion auf 700 (Werktage) bzw. 890 Parkplätze (Samstage), welcher bereits ver- schärfte Emissionsbegrenzungen gemäss Art. 11 Abs. 3 USG zu- grunde liegen, aus umweltrechtlicher Sicht ausreichend oder ob eine weitere Verschärfung erforderlich ist. ee) Von Bedeutung für die Frage, ob eine weitere Reduktion der Parkplätze angezeigt ist, sind insbesondere die von der Anlage ausgehenden Umweltbelastungen sowie die mutmassliche Entwick- lung der Immissionssituation im näheren und weiteren Untersu- chungsperimeter. Schliesslich ist auch zu berücksichtigen, welche Folgen eine weitere Parkplatzreduktion auf das Verhalten der motori- sierten Kunden hätte, denn auch hier gilt, dass eine Massnahme nur anzuordnen ist, wenn sie auch tatsächlich zu einer Verbesserung der Umweltsituation führt. Die Luftsituation in der Gemeinde Spreitenbach liegt im Be- reich der Immissionsgrenzwerte. Da spezifische Messungen am 2005 Verwaltungsgericht 222 Standort fehlen (für Spreitenbach liegt nur ein Wert aus der Passiv- sammler-Messkampagne aus dem Jahr 1988/89 vor und dieser be- trägt betreffend Stickoxide 29 μg/m 3 ), stützt sich der Umweltver- träglichkeitsbericht bezüglich des fraglichen Planungsgebietes auf eine flächenhafte Immissionsmodellierung (Rasterdaten) und weist NO 2 -Konzentrationen für das Jahr 2000 von zwischen 31 und 35 μg/m 3 im südlichen und zwischen 26 und 30 μg/m 3 im nördlichen Planungsbereich aus. Im Jahresbericht 2003 der ZUDK wird ein Messwert für den Standort Baden mit 29 μg/m 3 ausgewiesen. Be- trachtet man die Prognose für das Jahr 2010, ist überall in Spreiten- bach mit einer Reduktion der NO 2 -Konzentration zu rechnen; der Grenzwert dürfte im Bereich "Wille" an fast allen Stellen deutlich unterschritten sein. Angesichts der bloss geringfügigen projektbe- dingten Immissionszunahme im Bereich der Anlage (im Bereich des Strassennetzes dürfte sie angesichts der Grundbelastung sowie des grossen Untersuchungsperimeters gar nicht feststellbar sein), welche bezüglich NO 3 2 grösstenteils deutlich unter 1 μg/m liegt, sowie der erwähnten Modellrechnung, welche bereits für das Jahr 2010 gross- flächig einen Rückgang der Immissionswerte prognostiziert, besteht jedenfalls beim derzeitigen Kenntnisstand keine Notwendigkeit für eine weitere Reduktion der Parkplätze. Eine weitere Beschränkung wäre im Übrigen aus umweltrecht- licher Sicht auch nicht sinnvoll. Möbelmitnahmemärkte werden von den Kunden in der Regel mit dem Fahrzeug aufgesucht. Wie bereits dargelegt, ist die Umsteigeelastizität bei Möbelmitnahmemärkten sehr gering (siehe vorne Erw. b/bb). Dies ist vor allem auf Spontan- käufe und den Umstand zurückzuführen, dass der Transport von sperrigen und schweren Paketen (die Einzelteile müssen zu Hause montiert werden) oder beispielsweise von grossen Zimmerpflanzen mittels öffentlicher Verkehrsmittel oft nicht möglich bzw. selbst bei bester Erschliessung mit dem öffentlichen Verkehr derart unattraktiv ist, dass diese Möglichkeit von den Kunden nicht in Betracht gezo- gen wird. Hinzu kommt, dass sich in unmittelbarer Umgebung des Gebietes "Wille" weitere Möbelmärkte und Einkaufszentren befin- den, die bei Gelegenheit auch aufgesucht werden, was die Zahl der zu transportierenden Güter erhöht. Fehlt es demnach an der Um- 2005 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 223 steigeelastizität, führt eine erhebliche Beschränkung der Parkplatz- zahl zu keiner Lenkungswirkung zu Gunsten des öffentlichen Ver- kehrs bzw. des Langsamverkehrs. Vielmehr haben die fehlenden Parkplätze einen unerwünschten und umweltschädlichen Such- und Stauverkehr zur Folge; bereits heute ist die Situation an verkaufs- starken Samstagen angespannt. ff) Der Beschwerdeführer verweist des Weiteren auf die Zürcher Wegleitung zur Regelung des Parkplatzbedarfs sowie auf die nach seiner Auffassung rechtsungleiche Handhabung der nach aargaui- schem Recht anwendbaren Normen. Wie auch der Beschwerdeführer einräumt, sind die zürcherischen Vollzugsgrundlagen im Kanton Aargau nicht anwendbar; soweit behauptet wird, die aargauischen Vollzugsgrundlagen seien bundesrechtswidrig, ist dem Beschwerde- führer entgegenzuhalten, dass im Einzelfall und aufgrund der kon- kreten Gegebenheiten ohnehin immer abschliessend geprüft werden muss, ob die gestützt die kantonalen Vollzugshilfen (schematisch) berechnete Parkplatzzahl den Anforderungen von Art. 11 Abs. 2 und 3 USG genügt; dies ist auch im vorliegenden Fall geschehen. Schliesslich erweist sich auch die pauschal erhobene Rüge einer rechtsungleichen Handhabung der kantonalen Vollzugshilfen als unbegründet. Die Objekte (Einrichtungshaus [Möbelmitnahmemarkt] und OBI [Do-it yourself, Garten- und Baubedarf in Oftringen]) unterscheiden sich hinsichtlich verschiedener, die Parkplatzzahl be- einflussender Kriterien (insbesondere bezüglich der Verweildauer) und sind daher nicht miteinander vergleichbar. Selbstredend kann auch aus dem Projekt der Beschwerdegegnerin 1 für ein Ein- richtungshaus, diverse Fachmärkte und für Freizeitbetriebe in Die- tikon mit einer Verkaufsfläche von rund 75'000 m 2 , wovon 4'500 m 2 für Lebensmittel, keine zusätzliche Parkplatzbeschränkung zur Emis- sionsbegrenzung abgeleitet werden. Abgesehen vom unterschiedli- chen Branchen- und Nutzungsmix (Güter des täglichen und des aperiodischen Bedarfs; siehe Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 30. September 2004, S. 2 und 23) hat auch der erhebliche Unterschied der Verkaufsflächen Auswirkungen auf den Bedarf an Parkplätzen (siehe VSS-Norm SN 640 290 Ziff. 11 und Abbildung 2). Zu erwähnen ist schliesslich, dass die Berechnungs- 2005 Verwaltungsgericht 224 methode der Parkplatz-Wegleitung des Kantons Zürich von den Planungsbehörden kritisiert wird (siehe Schlussbericht Modellvor- haben "Standortpolitik für publikumsintensive Einrichtungen" der RZU vom 14. Dezember 2004, S. 7). gg) Die von der Vorinstanz gestützt auf den Massnahmenplan und Art. 11 Abs. 3 USG vorgenommene Festlegung der Parkplatz- zahl ist damit zu bestätigen. Redaktionelle Anmerkung Das Bundesgericht hat mit Urteil vom 21. September 2005 (1A.125/2005) eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil vom 23. März 2005 bestätigt, soweit der vorliegende Urteilsauszug betroffen ist.
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2001 Verwaltungsrechtspflege 387 [...] 83 Feststellungsverfügung. Untersuchungsgrundsatz (§ 20 VRPG). - Unzulässigkeit einer Feststellungsverfügung bei unzumutbaren Nach- teilen für den Verfügungsadressaten (Erw. I/3). - Nach gescheiterten Vergleichsverhandlungen gilt der Untersuchungs- grundsatz vollumfänglich (Erw. II/2). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 24. Oktober 2001 in Sachen M. AG und Einwohnergemeinde Z. gegen Entscheid des Baudeparte- ments Aus den Erwägungen I. 3. a) Der Gemeinderat Z. hat im angefochtenen Beschluss vom 4. Dezember 1996 mit dispositiver Wirkung ausgeführt, wie er für das Jahr 1996 und die folgenden Jahre die von der M. AG zu bezahlenden Abwassergebühren berechnen werde, nämlich nach Ein- 2001 Verwaltungsgericht 388 wohnergleichwerten, jeweils aufgrund der definitiven Zahlen der Vorjahre. Damit hat der Gemeinderat eine Art Feststellungsverfü- gung erlassen, die über die eigentliche Gebührenhöhe noch keine (vollstreckbare) Aussage machte, aber entschied, wie die Gebühr be- rechnet wird. b) Eine Feststellungsverfügung ist dann zu erlassen, wenn ein schützenswertes Interesse an der Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines konkreten öffentlich-rechtlichen Rechtsverhält- nisses besteht (Fritz Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, Bern 1983, S. 144) und keine öffentlichen oder privaten Interessen entge- genstehen (Michael Merker, Rechtsmittel, Klage und Normenkon- trollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungs- rechtspflege [Kommentar zu den §§ 38-72 VRPG], Diss. Zürich 1998, § 38 N 27). (...) Eine Feststellungsverfügung ist erst dann un- zulässig, wenn sie für den betroffenen Privaten unzumutbare Nach- teile mit sich brächte (vgl. AGVE 2001 82 384). Die Feststellungsverfügung des Gemeinderates legte für 1996 und die zukünftigen Jahre den Modus der Gebührenfestsetzung fest. Die Formulierung liess unklar, für welchen Zeitraum die Berechnung verbindlich festgelegt werden sollte. Die Behörde hätte sich unter Umständen Jahre später auf ihre rechtskräftige Feststellungsverfü- gung berufen und die M. AG auf die Geltendmachung des unrichti- gen Rechnungsnachvollzugs beschränken können; Anpassungen hätte die M. AG nur dann mit Bestimmtheit durchsetzen können, wenn sich der der Feststellungsverfügung zugrunde liegende Sach- verhalt verändert hätte (zum Beispiel Modernisierung der ARA). Diese Einschränkung der Anfechtungsmöglichkeit auf unbestimmte Zeit hinaus bedeutete für die M. AG als Gebührenschuldnerin einen erheblichen Nachteil, zumal sie die zukünftige Entwicklung der Ge- bührenhöhe bei der neuen Berechnungsart nur beschränkt vorausse- hen konnte. Der Erlass einer unbefristeten formellen Feststellungs- verfügung erscheint deshalb im vorliegenden Fall als unzulässig. Die durchaus verständliche Absicht des Gemeinderates wäre auch mit einer Abgabenverfügung für 1996, verbunden mit dem Hinweis in den Erwägungen, welcher Berechnungsmodus in Zukunft vorgese- hen sei, erreichbar gewesen. 2001 Verwaltungsrechtspflege 389 II. 2. a) Die Gemeinde Z. beanstandet des Weiteren, dass das Baudepartement die Zugeständnisse der Parteien im Laufe der vorin- stanzlichen Vergleichsbemühungen als Einigung in diesen Punkten behandelte und dem Entscheid ohne weitere Prüfung zugrunde legte. b) Zugeständnisse, wie sie im Rahmen von Vergleichsgesprä- chen gemacht werden, dürfen schon aus der Überlegung heraus, dass andernfalls sinnvolle Vergleichsgespräche überhaupt nicht mehr ge- führt werden könnten, im Fall des Scheiterns nicht dem nachfolgen- den Urteil zugrunde gelegt werden. Ein Vergleich charakterisiert sich darüber hinaus in aller Regel als Folge des gegenseitigen Nachge- bens in einem oder mehreren Punkten und dies in einem Ausmass, welches den Parteien im Rahmen einer Gesamtbetrachtung als ak- zeptabel erscheint; damit ist aber nichts darüber ausgesagt, ob die Position, die einer vergleichsweisen Lösung zuliebe aufgegeben wird, zu Recht bestand oder nicht. Scheitert ein Vergleich, gilt die Untersuchungsmaxime (§ 20 VRPG); die Behörden prüfen den Sachverhalt von Amtes wegen, ohne an die Sachverhaltsdarstellung und die Beweisanträge der Par- teien gebunden zu sein. Festzustellen ist der rechtserhebliche und entscheidwesentliche Sachverhalt. Die Behörde darf eine Tatsache erst als bewiesen ansehen, wenn sie sich von deren Vorhandensein überzeugt hat, das heisst, dass selbst unbestritten gebliebene Tatsa- chen überprüft werden müssen, wenn sich Zweifel an deren Richtig- keit aufdrängen. § 20 VRPG verpflichtet die Behörden auch, auf den festgestellten Sachverhalt die zutreffenden Rechtssätze anzuwenden und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen zu ziehen. Dabei ist die Behörde weder an die Rechtserörterungen der Parteien noch an die Rechtsauffassung der Vorinstanz und noch viel weniger an überein- stimmende Parteianträge gebunden. An dieser notwendigen Prüfung fehlt es im vorliegenden Fall in grossen Teilen vollständig (verwiesen sei hier beispielsweise auf die von der Vorinstanz angenommene Einigung betreffend der gesetzli- chen Grundlage für die Abgabenerhebung); als Folge davon ist der Entscheid auch ungenügend begründet. Er ist deshalb aufzuheben.
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2016 Straf- und Massnahmenvollzug 205 VII. Straf- und Massnahmenvollzug 33 Vorübergehende Einschränkung (Art. 90 StGB) Übermässige Dauer der vorübergehenden Unterbringung eines von einer stationären Massnahme Betroffenen im Bezirksgefängnis Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 19. Juli 2016, i.S. A.K. gegen das Departement Volkswirtschaft und Inneres und Ober- staatsanwaltschaft des Kantons Aargau (WBE.2016.219). Aus den Erwägungen 2. 2.1. Gemäss Art. 90 Abs. 1 StGB darf eine Person, die sich im Voll- zug einer Massnahme nach Art. 59-61 befindet, nur dann un- unterbrochen getrennt von den andern Eingewiesenen untergebracht werden, wenn dies unerlässlich ist: als vorübergehende thera- peutische Massnahme (lit. a), zum Schutz des Eingewiesenen oder Dritter (lit. b) oder als Disziplinarsanktion (lit. c). Die Trennung des Beschwerdeführers von anderen Massnahmenpatienten erfolgte ge- mäss Anordnung des Amts für Justizvollzug (AJV) aus therapeuti- schen Gründen, was grundsätzlich zulässig ist. Eine solche Vorkehr muss jedoch vorübergehender Natur sein, was hauptsächlich nach therapeutischen Gesichtspunkten im Einzelfall festzulegen ist. Eine restriktive Haltung ist hier zweifellos angezeigt (M ARIANNE H EER , in: Basler Kommentar Strafrecht I, 3. Auflage, Art. 90 N 6 f.). Der Beschwerdeführer befindet sich nun bereits seit über einem Jahr im Bezirksgefängnis. Von einer vorübergehenden therapeutischen Mass- nahme kann nicht mehr gesprochen werden. Schon deshalb wider- spricht die verfügte Verlegung in das Bezirksgefängnis Art. 90 Abs. 1 lit. a StGB und ist aufzuheben. 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 206 2.2. Hinzu kommt, dass die Unterbringung im Bezirksgefängnis Ba- den auch grundsätzlich der gesetzlichen Regelung widerspricht. 2.2.1. Die stationäre Behandlung eines Täters, für den nach Art. 59 StGB eine stationäre Massnahme angeordnet wurde, erfolgt in einer geeigneten psychiatrischen Einrichtung oder einer Massnahmevoll- zugseinrichtung (Art. 59 Abs. 2 StGB). Grundsätzlich ist dann auch eine ununterbrochene Trennung von den anderen Eingewiesenen ge- mäss Art. 90 Abs. 1 lit. a-c StGB innerhalb der entsprechenden psychiatrischen Einrichtung oder Massnahmeneinrichtung durchzu- führen. Gemäss Art. 59 Abs. 3 StGB ist der Täter dann, wenn die Ge- fahr besteht, dass er flieht oder weitere Straftaten begeht, in einer ge- schlossenen Einrichtung zu behandeln. Er kann dabei auch in einer Strafanstalt behandelt werden, sofern die nötige therapeutische Be- handlung durch Fachpersonal gewährleistet ist. 2.2.2. Aus dieser gesetzlichen Regelung ergibt sich klar, dass der Tä- ter bei Vorliegen von Fluchtgefahr und/oder der Gefahr der Bege- hung weiterer Straftaten geschlossen unterzubringen ist. Die ge- schlossene Unterbringung kann dabei in einer psychiatrischen Ein- richtung, einer Massnahmevollzugseinrichtung oder in einer Strafan- stalt erfolgen. Vorausgesetzt ist aber stets, dass die nötige therapeuti- sche Behandlung durch Fachpersonal gewährleistet ist. Damit ist auch eine Trennung des Täters von anderen Eingewiesenen nach Art. 90 Abs. 1 lit. a-c StGB grundsätzlich nur gesetzeskonform, wenn sie innerhalb des Kreises der für den Vollzug einer Massnahme vorgesehenen Einrichtungen (psychiatrische Einrichtung, Massnah- mevollzugseinrichtung, Strafanstalt, sofern die nötige therapeutische Behandlung durch Fachpersonal gewährleistet ist) erfolgt. Dabei ist eine Trennung innerhalb der gleichen Einrichtung möglich, aber auch eine Verlegung von einer Strafanstalt in eine psychiatrische Einrich- tung/Massnahmevollzugseinrichtung oder umgekehrt eine Verlegung von einer psychiatrischen Einrichtung/Massnahmevollzugseinrich- tung in eine Strafanstalt. Vorausgesetzt ist aber immer, dass in der 2016 Straf- und Massnahmenvollzug 207 Einrichtung oder Strafanstalt, in der die Trennung vollzogen wird, die nötige therapeutische Behandlung durch Fachpersonal gewähr- leistet ist. Im Bezirksgefängnis, in welches der Beschwerdeführer versetzt wurde, werden in erster Linie Untersuchungs- und Sicherheitshaft sowie Freiheitsstrafen von bis zu einem Monat vollzogen. Daneben befinden sich dort Personen die ihre Strafe tageweise oder in Halbge- fangenschaft verbüssen und vorläufig Festgenommene sowie Trans- portanten. Schliesslich werden auch Personen aufgenommen, die von einer anderen Anstalt zur Verfügung gestellt werden, für die Dauer bis zur Einweisung in eine andere Anstalt (§ 14 SMV). In einem Be- zirksgefängnis bestehen jedoch weder die Räumlichkeiten für eine therapeutische Behandlung noch ist das notwendige Fachpersonal vor Ort. Es findet denn auch für den Beschwerdeführer seit der Ver- setzung vom 17. Juli 2015 keine Therapie mehr statt. Bezirksgefäng- nisse können nicht für den Vollzug von Massnahmen benutzt werden, solange dort keine Therapie angeboten wird. Die Versetzung ins Be- zirksgefängnis erweist sich daher schon wegen des fehlenden Thera- pieangebots gemäss Art. 59 Abs. 3 StGB als unzulässig. 3. 3.1. Nicht beantwortet werden muss hier die Frage, ob allenfalls eine sehr kurzfristige Unterbringung eines Täters, für den eine statio- näre Massnahme angeordnet wurde, in einem Bezirksgefängnis mög- lich ist. Dies scheint jedenfalls für den Fall einer Disziplinierung oder eine kurze Wartefrist, bevor der Täter in eine andere Einrich- tung, welche den Anforderungen von Art. 59 Abs. 3 StGB genügt, nicht von vornherein ausgeschlossen. Der hier zu beurteilende inzwi- schen mehr als ein Jahr dauernde Aufenthalt im Bezirksgefängnis verletzt indessen die gesetzliche Regelung klar und ist daher rasch- möglichst zu beenden. (Hinweis: Das Bundesgericht trat auf die gegen diesen Ent- scheid erhobene Beschwerde in Strafsachen mit Urteil vom 16. September 2016 [6B_865/2016] nicht ein.)
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2017 Strassenverkehrsrecht 73 11 Fahren trotz Entzugs des Führerausweises Entschuldbarer Notstand, daher kein schweres Verschulden i.S.v. Art. 16c Abs. 1 lit. f SVG; Lückenfüllung mittels analoger Anwendung von Art. 16a Abs. 2 SVG Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 18. Oktober 2017, i.S. N. gegen das Strassenverkehrsamt des Kantons Aargau und das Departement Volkswirtschaft und Inneres (WBE.2017.338) Aus den Erwägungen II. 1. Dem angefochtenen Entscheid liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde: Der Beschwerdeführer wurde dabei beobachtet, wie er am 12. August 2016 in A. ein Motorrad lenkte, obwohl ihm der Führerausweis mit Verfügung des Strassenverkehrsamts vom 11. Dezember 2015 zu jenem Zeitpunkt entzogen war. Auf dem Sozius befand sich eine Begleiterin. Als Folge dieses Vorfalls verurteilte die Staatsanwaltschaft B. den Beschwerdeführer mit Strafbefehl vom 8. November 2016 we- gen Fahrens ohne Berechtigung (Art. 95 Abs. 1 lit. b SVG) sowie wegen eines weiteren, nicht mit dem Strassenverkehrsrecht in Zusammenhang stehenden Delikts zu einer unbedingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen je Fr. 30.00. Der Strafbefehl ist unangefoch- ten in Rechtskraft erwachsen. 2. 2.1. Der Beschwerdeführer räumt ein, eine kurze Strecke mit dem Motorrad gefahren zu sein, er beruft sich dafür aber auf einen Not- stand i.S.v. Art. 17 StGB. Er macht zusammenfassend geltend, seine Partnerin habe gesundheitliche Probleme erlitten, die bei ihm den 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 74 Verdacht auf einen Schlaganfall hervorriefen, weshalb er seine Partnerin umgehend in das Kantonsspital C. habe fahren wollen. Diese Notstandskonstellation werde im Strafbefehl nicht erwähnt und der Beschwerdeführer habe den Strafbefehl nicht angefochten, da der Staatsanwalt ihm mitgeteilt habe, er könne diese Umstände vor dem Strassenverkehrsamt vorbringen. Das Strassenverkehrsamt und das DVI hätten eigene Beweise erheben müssen, da die Staatsan- waltschaft die Notstandshilfe nicht berücksichtigt habe. 2.2. 2.2.1.-2.2.3. (Ausführungen zur Bindung an den im Strafverfahren festgestellten Sachverhalt) 2.2.4. Mit der Einholung des Amtsberichts hat das Verwaltungsgericht eigene Beweismittel erhoben, womit es nicht an die Feststellungen des Strafbefehls gebunden ist. Gemäss dem Amtsbericht von Staatsanwalt D. vom 23. August 2017 legten der Beschwerdeführer und seine Partnerin glaubhaft dar, dass der Beschwerdeführer aus einer subjektiven Notsituation heraus gehandelt habe. Er sei aber der Meinung, dass kein rechtfertigender Notstand i.S.v. Art. 17 StGB vorgelegen habe, sondern dass der Be- schwerdeführer seine Partnerin zum Sanitätsposten hätte bringen und/oder eine Ambulanz herbeirufen sollen. Somit habe der Beschwerdeführer den Tatbestand des Fahrens ohne Berechtigung er- füllt. Das Verhalten des Beschwerdeführers habe er bei der Strafzu- messung unter dem Aspekt des entschuldbaren Notstands stark straf- mindernd berücksichtigt. Entgegen dem Vorbringen des Beschwerde- führers in seiner Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei die Argumenta- tion des Beschwerdeführers nicht ungehört geblieben. Nach Erhalt des Strafbefehls habe der Beschwerdeführer ihn angerufen, wobei er dem Beschwerdeführer erklärt habe, dass das Strassenverkehrsamt die Strafakten beiziehe und sich aus diesen ergebe, dass er eine Not- situation geltend mache. Er habe dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass er sich im Administrativverfahren werde äussern können. Aufgrund dieser Ausführungen sowie aufgrund der polizei- lichen Einvernahme des Beschwerdeführers vom 28. August 2016, 2017 Strassenverkehrsrecht 75 der Einvernahme des Beschwerdeführers vom 28. Oktober 2016 durch die Staatsanwaltschaft sowie der Einvernahme der Partnerin des Beschwerdeführers durch die Staatsanwaltschaft vom 28. Oktober 2016 ist für das Verwaltungsgericht erstellt, dass der Be- schwerdeführer das Motorrad lenkte, um seine Partnerin - bei wel- cher er den Verdacht auf einen Schlaganfall hegte - schnellst mög- lich in das nahe gelegene Kantonsspital C. zu führen. 3. Wer ein Motorfahrzeug führt, bedarf des Führerausweises (Art. 10 Abs. 2 SVG). Indem der Beschwerdeführer trotz des entzogenen Führeraus- weises am 12. August 2016 ein Motorfahrzeug führte, verstiess er gegen die genannte Bestimmung. 4. 4.1. Zu prüfen ist weiter, ob die Vorinstanz zu Recht davon ausge- gangen ist, dass das Verhalten des Beschwerdeführers unter Art. 16c Abs. 1 lit. f SVG zu subsumieren ist. 4.2. 4.2.1. Das DVI führte im Wesentlichen aus, dass die Nichterwähnung der durch den Beschwerdeführer geltend gemachten Notstands- situation nur den Schluss zulasse, dass der Strafrichter offensichtlich ausgeschlossen habe, dass sich der Beschwerdeführer in einer Not- standssituation befunden habe. Demnach habe der Beschwerdeführer eine Widerhandlung i.S.v. Art. 16c Abs. 1 lit. f SVG begangen, wo- mit ihm der Führerausweis gestützt auf Art. 16c Abs. 2 lit. e SVG für immer zu entziehen sei. Das gleiche gelte auch für die Schiffsführer- ausweise des Beschwerdeführers. 4.2.2. Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, sich in einer Notstandssituation befunden zu haben, da er den Verdacht gehabt habe, dass seine Partnerin einen Schlaganfall erlitten habe und er sie so schnell wie möglich in das nahe gelegene Kantonsspital C. habe bringen wollen. 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 76 4.3. Eine schwere Widerhandlung begeht, wer ein Motorfahrzeug trotz Ausweisentzugs führt (Art. 16c Abs. 1 lit. f SVG). Die spezifi- schen Widerhandlungstatbestände i.S.v. Art. 16c Abs. 1 lit. b bis f SVG sind erfüllt, wenn die objektiven Tatbestandselemente vorlie- gen, ein Rechtfertigungsgrund fehlt und der Fahrzeuglenker schuld- haft gehandelt hat, wobei bereits fahrlässiges Handeln ein Verschul- den darstellt (B ERNHARD R ÜTSCHE , in: M ARCEL A LEXANDER N IGGLI /T HOMAS P ROBST /B ERNHARD W ALDMANN [Hrsg.], Basler Kommentar zum Strassenverkehrsgesetz, Basel 2014, Art. 16 N 82). Durch das wissentliche und willentliche Führen eines Motorfahrzeugs hat der Beschwerdeführer den Tatbestand des Füh- rens eines Motorfahrzeugs trotz Ausweisentzugs erfüllt (vgl. Erw. 3. hiervor). Der Staatsanwalt hat in seinem Amtsbericht vom 23. August 2017 das Vorliegen eines rechtfertigenden Notstands i.S.v. Art. 17 StGB verneint, er hat aber die subjektive Notsituation des Beschwerdeführers dahingehend berücksichtigt, als er vom Vorliegen eines entschuldbaren Notstands i.S.v. Art. 18 StGB ausge- gangen ist und gestützt darauf die Strafe stark gemindert hat. Da der Staatsanwalt den Beschwerdeführer sowie seine Partnerin einver- nommen hat und somit die Tatsachen besser kennt als das Ver- waltungsgericht, besteht für das Verwaltungsgericht kein Grund für eine Abweichung von dieser Beurteilung. Es liegt somit kein Rechtfertigungsgrund vor und der Beschwerdeführer hat auch schuldhaft gehandelt. Somit wären die Voraussetzungen für die An- wendbarkeit von Art. 16c Abs. 1 lit. f SVG vorliegend grundsätzlich erfüllt. 5. 5.1. Das Bundesgericht hat mehrfach für die Anwendbarkeit von Art. 16c SVG ein schweres Verschulden vorausgesetzt (Urteile des Bundesgerichts vom 4. Juli 2016 [1C_25/2016], Erw. 2.1; vom 21. Dezember 2009 [1C_355/2009], Erw. 5.3). Da der Staatsanwalt anerkennt, dass der Beschwerdeführer aus einer subjektiven Not- situation heraus gehandelt und der Staatsanwalt aus diesem Grund die Strafe stark gemindert hat, ist vorliegend jedoch lediglich von 2017 Strassenverkehrsrecht 77 einem geringen Verschulden des Beschwerdeführers auszugehen, womit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung folgend kein Raum für die Anwendbarkeit von Art. 16c SVG bleibt. Da im Gesetz nicht geregelt ist, welches die Rechtsfolge des Führens eines Motorfahr- zeugs trotz Entzugs des Führerausweises sein soll, wo kein schweres Verschulden vorliegt, besteht eine Gesetzeslücke (ebenfalls vom Vor- liegen einer Lücke in Fällen von Fahren trotz Ausweisentzugs bei ge- ringem Verschulden geht die Verwaltungsrekurskommission des Kantons St.Gallen aus, die es als zulässig erachtet, die Mindestent- zugsdauer in Fällen eines leichten Verschuldens zu unterschreiten: Entscheid vom 29. Juni 2017 [IV-2016/179], Erw. 2d; Entscheid vom 30. Mai 2013 [IV-2013/18], Erw. 2e; Entscheid vom 18. August 2011 [IV-2011/57], Erw. 3a/bb; Entscheid vom 19. April 2007 [IV- 2006/174], Erw. 2b [alle abrufbar unter: http://www.gerichte.sg.ch/ home/dienstleistungen/rechtspre-chung/aktuelle_entscheide2.html; besucht am 18. Oktober 2017]; vgl. auch Entscheid des Kantons- gerichts des Kantons Luzern vom 29. Juli 2015 [7H 15 166], Erw. 3.2 [abrufbar unter: https://gerichte.lu.ch/recht_sprechung/ lgve/Ajax?EnId=10436; besucht am 18. Oktober 2017]). Das Gericht hat daher - mangels Gewohnheitsrechts - nach der Regel zu entscheiden, die es als Gesetzgeber aufstellen würde (Art. 1 Abs. 2 ZGB). Es folgt dabei bewährter Lehre und Überlieferung (Art. 1 Abs. 3 ZGB). Als Mittel zur Schliessung der echten Lücke fällt unter anderem der Analogieschluss in Betracht (BGE 129 V 345, Erw. 4.1). 5.2. Bei der Bemessung der Entzugsdauer sind gemäss Art. 16 Abs. 3 SVG die Gefährdung der Verkehrssicherheit, das Verschulden, der Leumund als Motorfahrzeugführer sowie die berufliche Notwen- digkeit, ein Motorfahrzeug zu führen, zu berücksichtigen. Da das Fahren trotz Ausweisentzugs in erster Linie aus Gründen der wirksa- men Rechtsdurchsetzung mit einem Entzug des Führerausweises sanktioniert wird, wird durch diesen Entzugsgrund nur indirekt der Verkehrssicherheit gedient (B ERNHARD R ÜTSCHE /D ENISE W EBER , in: M ARCEL A LEXANDER N IGGLI /T HOMAS P ROBST /B ERNHARD W ALDMANN [Hrsg.], Basler Kommentar zum Strassenverkehrs- 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 78 gesetz, Basel 2014, Art. 16c N 41). Dem Kriterium der Gefährdung der Verkehrssicherheit kommt vorliegend bei der Bemessung der Ab- erkennungsdauer somit keine Bedeutung zu (vgl. Entscheid der Ver- waltungsrekurskommission des Kantons St.Gallen vom 29. Juni 2017 [IV-2016/179], Erw. 3c/bb). 5.3. Es bietet sich an, auf den zu beurteilenden Sachverhalt dem leichten Verschulden entsprechend Art. 16a Abs. 2 SVG analog anzu- wenden, wonach der Führerausweis nach einer leichten Widerhand- lung für mindestens einen Monat entzogen wird, wenn in den vorangegangenen zwei Jahren der Ausweis entzogen war oder eine andere Administrativmassnahme verfügt wurde.
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http://agve.weblaw.ch/html//AGVE-2017-11.html
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2000 Verwaltungsrechtspflege 365 88 Beschwerdelegitimation in Baubewilligungssachen (§ 38 Abs. 1 VRPG). Parteientschädigung an die Gemeinwesen (§ 36 VRPG). - Kein widersprüchliches Verhalten des Gemeinderats, wenn er die Legitimation erst im zweitinstanzlichen Beschwerdeverfahren be- streitet (Erw. II/2/c). - Legitimationspraxis des Verwaltungsgerichts (Erw. II/2/d) und des Bundesgerichts (Erw. II/2/e), insbesondere bei Beschwerden wegen Lärmimmissionen. - Rechtsanwendung im konkreten Einzelfall: Kein rechtserheblicher Nachteil aufgrund des Erscheinungsbildes des Bauvorhabens, das bei beschränkter Sichtverbindung 140 m vom Grundstück des Be- schwerdeführers entfernt ist (Erw. II/2/f/bb), und aufgrund der zu er- wartenden Lärm- und anderen Immissionen (Erw. II/2/f/cc). - Die in AGVE 1985, S. 384 ff. begründete Praxis schliesst einen Parteikostenanspruch der Gemeinde gegenüber dem unterliegenden Privaten generell, also unabhängig davon aus, ob die Gemeinde hoheitliche Interessen wahrt oder wie eine Privatperson auftritt (Erw. III/3/b). - Festhalten am Grundsatz (Erw. III/3/c) und daran, dass sich Aus- nahmen nicht rechtfertigen, weder in Bezug auf Grösse, Organisa- tionsgrad usw. der Gemeinde (Erw. III/3/d, e) noch in Bezug auf die Rechtsstellung der Gemeinde (Erw. III/4). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 12. April 2000 in Sachen S. und Einwohnergemeinde Aarau gegen Baudepartement. Aus den Erwägungen 1. (Darstellung der Praxis [AGVE 1998, S. 326; 1997, S. 288 ff.; 1993, S. 409 ff.; 1991, S. 363 ff.].). 2. a) Der Beschwerdeführer 1 wohnt als Mieter im Dachge- schoss der Liegenschaft .... (Gebäude Nr. 4253 auf der Parzelle Nr. 1804). Eigentümerin der Liegenschaft ist die M. AG. Die Distanz zwischen der Wohnung des Beschwerdeführers 1 und dem vorgese- henen Standort der Markthalle beträgt ca. 140 m. Es besteht - in eingeschränktem Mass - Sichtverbindung zu den gemäss Bauord- nung (BO) und Zonenplan der Stadt Aarau vom 8. November 1981 / 2000 Verwaltungsgericht 366 11. September 1984 in der Altstadtzone gelegenen Bauparzellen Nrn. 1733, 1734, 1736, 1738, 1730, 3353 und 4030 am Färberplatz. b) Der Beschwerdeführer 1 begründet seine Legitimation einer- seits mit dem direkten Sichtkontakt auf das Bauvorhaben, weshalb er durch dessen Ausgestaltung und seine störende Wirkung direkt be- troffen sei, und anderseits damit, dass er durch die im Zusam- menhang mit der Nutzung des Gebäudes entstehenden Lärmimmis- sionen betroffen sei. Das Baudepartement hat offen gelassen, ob sich die Legitimation des Beschwerdeführers 1 bereits aus dem bestehen- den Sichtkontakt ergebe. Als entscheidend erachtete es, dass sich die Liegenschaft genügend nahe bei den Baugrundstücken befinde, um durch Lärm- oder anderweitige Immissionen beeinträchtigt zu wer- den. Auch der Stadtrat Aarau hat die Legitimation des Beschwerde- führers 1 ursprünglich bejaht. Erst im Verlauf des verwaltungsge- richtlichen Verfahrens ist er gestützt auf den BGE vom 9. März 1999 in Sachen H. zur gegenteiligen Auffassung gelangt. c) Die Beschwerdelegitimation als Sachurteilsvoraussetzung ist von Amtes wegen zu prüfen (Michael Merker, Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, Kommentar zu den §§ 38 - 72 VRPG, Zürich 1998, Vorbem. zu § 38 N 3 ff.). Die Prüfung der Sachurteils- voraussetzungen von Amtes wegen schliesst die Prüfung der Frage, ob auch im vorinstanzlichen Entscheid die Sachurteilsvoraussetzun- gen vorgelegen haben, ein. Stellt die Rechtsmittelinstanz fest, dass bereits im vorinstanzlichen Verfahren eine Sachurteilsvoraussetzung fehlte, kann der angefochtene Entscheid aus diesem Grund aufgeho- ben werden (Merker, a.a.O., Vorbem. zu § 38 N 4 mit Hinweis). Insofern kann der Beschwerdeführer aus dem von ihm als ,,wider- sprüchliches Verhalten" qualifizierten Umstand, dass die Einwohner- gemeinde Aarau seine Legitimation bis anhin explizit anerkannt hat und sie erstmals in ihrer Eingabe vom 5. Januar 2000 in Abrede stellt, rechtlich nichts zu seinen Gunsten ableiten. 2000 Verwaltungsrechtspflege 367 d) Das Verwaltungsgericht hat in einzelnen Fällen bereits die Sichtverbindung zwischen dem Grundstück des beschwerdeführen- den Nachbarn und dem Baugrundstück zur Legitimationsbegründung genügen lassen (AGVE 1991, S. 364; 1993, S. 414; 1997, S. 290; VGE III/17 vom 30. März 1983 in Sachen Gebr. B., S. 4 f.; Merker, a.a.O., § 38 N 150). Anderseits hat es gerade auch in jüngerer Zeit mehrfach betont, dass der Umstand, ob Sichtverbindung bestehe oder nicht, nur ein Indiz zur Beurteilung der Legitimationsfrage darstellt (AGVE 1997, S. 290; VGE III/72 vom 22. September 1995 in Sachen A. AG und S., S. 8; VGE III/123 vom 16. Dezember 1996 in Sachen W., S. 4; VGE III/27 vom 9. April 1997 in Sachen W. u. M., S. 5; ferner VGE III/42 vom 29. Mai 1985 in Sachen B., S. 5; VGE III/43 vom 26. August 1977 in Sachen S., S. 9). Eine Entfernung von 350 m bzw. 400 m reicht in der Regel nicht; ebenso wenig genügt es, wenn die Sichtverbindung höchstens vom Hausdach aus besteht (AGVE 1991, S. 562 f.; VGE III/26 vom 17. März 1989 in Sachen H., S. 9). In dem in AGVE 1997, S. 289 f. publizierten Fall sodann hat das Verwaltungsgericht die Legitimation eines rund 90 m vom Planungsperimeter entfernt wohnenden Grundeigentümers zur Anfechtung eines Gestaltungsplans für ein Bürogebäude der Aargauischen Gebäudeversicherungsanstalt, der u. a. neue Verkehrsflächen und Wohn- und Gewerbenutzungen zum Genehmi- gungsinhalt hatte, mit der Begründung bejaht, die - wenn auch be- schränkte - Sichtverbindung führe angesichts der örtlichen Verhält- nisse zusammen mit der relativ geringen Entfernung dazu, dass die Bewohner der fraglichen Liegenschaft mehr als die Allgemeinheit von den im Gestaltungsplan vorgesehenen Bauvorhaben betroffen seien. Zudem sei es unter den gegebenen Umständen (Dimensionen der zulässigen Bauten, Anschluss an die gleiche Sammelstrasse) offensichtlich, dass die aus der Sondernutzungsplanung folgenden Bauvorhaben möglicherweise mit Beeinträchtigungen des Beschwer- deführers verbunden seien. Verneint wurde in einem andern Fall hin- gegen die Beschwerdelegitimation der Eigentümerin einer rund 90 m 2000 Verwaltungsgericht 368 vom geplanten Bauvorhaben - einer kommunalen Sportanlage, beste- hend aus Spielwiese, Hartplatz und dazugehörigen Nebenanlagen - entfernt gelegenen Wohnliegenschaft, da trotz grundsätzlich beste- hender Sichtverbindung insgesamt kaum von einer relevanten Be- einträchtigungsmöglichkeit gesprochen werden könne; dies treffe auch für die von der Sportanlage ausgehenden Emissionen (Lärm, Verkehr) zu (erwähnter VGE vom 22. September 1995, S. 8 f.). Das gegen diesen Entscheid angerufene Bundesgericht hat die Legitima- tion aufgrund der von der Beleuchtungsanlage ausgehenden Licht- immissionen als gegeben erachtet (BGE vom 23. April 1996 in Sachen S., S. 10 f.). e) aa) Das Bundesgericht verzichtet darauf, hinsichtlich der Le- gitimation zur Anfechtung von Bauprojekten auf bestimmte räumli- che Distanzen oder andere fixe Werte abzustellen. Vielmehr ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob der Betrieb der projektierten Anlage mit Sicherheit oder grosser Wahr- scheinlichkeit auf dem Grundstück des Beschwerdeführers zu Im- missionen führt, die aufgrund ihrer Art und Intensität deutlich wahr- nehmbar sind. Ein schutzwürdiges Anfechtungsinteresse setzt sodann voraus, dass die Auswirkungen des beanstandeten Bauvorhabens auf die Liegenschaft des Beschwerdeführers nach ihrer Art und Intensität so beschaffen sind, dass sie auch bei objektivierter Betrachtungs- weise als Nachteil empfunden werden müssen; eine besondere sub- jektive Empfindlichkeit des Betroffenen verdient keinen Rechts- schutz. Demnach ist zur Beschwerde wegen Lärmeinwirkungen legi- timiert, wer in der Nähe der lärmigen Anlage wohnt, den Lärm deut- lich sowie von den übrigen Immissionen abhebbar wahrnimmt und dadurch in seiner Ruhe gestört wird. Das Interesse an der Vermei- dung von Lärm ist entsprechend dem bundesrechtlich verankerten Vorsorgeprinzip (Art. 11 Abs. 2 USG; Art. 7 Abs. 1 lit. a und 13 Abs. 2 lit a LSV) auch dann schutzwürdig, wenn die Immissions- grenzwerte nicht erreicht sind. Für die Beurteilung der Beschwerde- legitimation sind der auf dem betreffenden Grundstück tatsächlich 2000 Verwaltungsrechtspflege 369 wahrgenommene bzw. mit Sicherheit oder grosser Wahrscheinlich- keit zu befürchtende Lärm sowie das allgemeine Geräuschniveau in der Umgebung von Bedeutung, wobei gemäss Art. 8 USG die Lärm- einwirkungen sowohl einzeln als auch gesamthaft und nach ihrem Zusammenwirken in die Beurteilung miteinzubeziehen sind (zusam- menfassende Darstellung im erwähnten BGE vom 9. März 1999 in Sachen H. mit zahlreichen Hinweisen; vgl. ferner den erwähnten BGE vom 23. April 1996 in Sachen S., S. 9 f. mit Hinweisen; BGE 121 II 174 mit Hinweisen; Heinz Aemisegger / Stephan Haag, in: Kommentar zum Bundesgesetz über die Raumplanung, Zürich 1999, Art. 33 RPG N 40 ff. [mit umfangreicher Kasuistik]). Abweichungen grundsätzlicher Art zwischen dieser Rechtspre- chung und der vom Verwaltungsgericht in den letzten Jahren befolg- ten Praxis in Baubewilligungssachen sind nicht feststellbar. bb) In dem von der Beschwerdeführerin 2 als im vorliegenden Fall massgebendes Präjudiz angerufenen Entscheid vom 9. März 1999 hat das Bundesgericht - wie schon die kantonalen Instanzen - einem Bewohner des unmittelbar beim Zoologischen Garten Zürich gelegenen Wohnquartiers ,,Klösterli" die Legitimation zur Anfech- tung des privaten Gestaltungsplans ,,Zoo Zürich" abgesprochen. Der genannte Gestaltungsplan schafft die planungsrechtlichen Grundla- gen für den Bau einer Ökosystemhalle, eines Informationszentrums, eines Restaurants, von Betriebsräumen und von Erschliessungsanla- gen des Zoogeländes (a.a.O., S. 12 f.). Das Haus des Beschwerde- führers befindet sich im Zentrum der dreieckförmigen Wohnsiedlung ,,Klösterli" und liegt rund 100 m von der nächstgelegenen Grenze des Gestaltungsplanperimeters entfernt. Die Distanz zum Baubereich der Ökosystemhalle (mit einer Grundfläche von 118 m x 91 m und einer Höhe von 22 m) beträgt zwischen 120 und 200 m. Zwischen der geplanten Halle und dem Grundstück des Beschwerdeführers befinden sich die Zürichbergstrasse sowie sechs überbaute Grund- stücke der Wohnsiedlung ,,Klösterli". Das Haus des Beschwerdefüh- rers weist eine Distanz von 120 m zur Einmündung in die Zürich- 2000 Verwaltungsgericht 370 bergstrasse auf, die ihrerseits weitere 140 m östlich von der vor- gesehenen Zoozufahrt entfernt ist. Aufgrund der Zooerweiterung wird von einer Erhöhung der jährlichen Besucherzahl von 650'000 auf 800'000 bis maximal 950'000 ausgegangen, wobei mit einer Zu- nahme des motorisierten Individualverkehrs um mehr als 10 % ge- rechnet wird (a.a.O., S. 14 f.). Der Beschwerdeführer hatte zur Be- gründung seiner Beschwerdebefugnis im Wesentlichen geltend ge- macht, die im Gestaltungsplan vorgesehene Zooerweiterung habe zur Folge, dass die Wohnsiedlung gänzlich vom Zoo umschlossen und damit zu einer Art ,,Menschengehege" würde. Da der Zoo verkehrs- mässig in einer Sackgasse liege, führe der mit der Zoovergrösserung verbundene zusätzliche Besucherstrom zu einer notorischen Ver- stopfung der Zufahrtsstrassen; dies schränke ihn, den Beschwerde- führer, als Anwohner in seiner Mobilität und damit in seiner per- sönlichen Freiheit erheblich ein. Auch werde sein Recht auf Achtung eines ungestörten Privat- und Familienlebens beeinträchtigt, wenn die Zoobesucher künftig auf dem Weg vom bestehenden zum neuen Zoogelände das Klösterliquartier durchquerten und direkt an seinem Wohnhaus vorbei gingen. Aufgrund des erweiterten Zooangebots und der in den neuen Bauten vorgesehenen Abendveranstaltungen würden die bestehenden Lärmimmissionen verstärkt und zeitlich aus- gedehnt (a.a.O., S. 7 f.). Zur Legitimationsfrage hat das Bundesgericht wörtlich Folgen- des ausgeführt (a.a.O., S. 17 ff.): ,,c) Vom Zoo gehen heute schon Lärmeinwirkungen aus, die durch den Strassenverkehr, die Tiere, die Zoobesucher sowie die Ventila- tionsanlagen im Zooareal verursacht werden. Es fragt sich, ob der Be- schwerdeführer die zusätzlichen Lärmimmissionen, die durch die Zoo- vergrösserung im Erweiterungsgebiet 'Allmend Fluntern' zu erwarten sind, auf seinem Grundstück einzeln und in ihrer Gesamtheit wahr- nehmen wird. Im Gegensatz zum Erweiterungsgebiet 'Holzwiesen', auf dem offene Tiergehege geplant sind, ist für das hier umstrittene private Gestaltungsplangebiet vorgesehen, Tiere nur in der geschlosse- nen Ökosystemhalle zuzulassen. Aus der Distanz von rund 120 m des 2000 Verwaltungsrechtspflege 371 Grundstücks des Beschwerdeführers zu dieser Halle ist daher nicht mit einem beachtlichen Tierlärm zu rechnen. Was das zusätzliche Ver- kehrsaufkommen betrifft, so ist aufgrund des im Plan für die Spitzen- tage vorgesehenen Ausbaus des öffentlichen Verkehrsangebots, der Bus-Verbindung zwischen dem Zoo und dem Ausweichparkplatz Dol- der, der Massnahmen zur besseren Nutzung des öffentlichen Verkehrs- angebots, des Verkehrsregelungsdiensts sowie der Verlegung der Hauptzufahrt weder mit einer höheren Lärmeinwirkung als bisher noch mit einer zunehmenden verkehrsmässigen Behinderung der Zu- fahrt zum Wohnhaus des Beschwerdeführers zu rechnen, so dass er diesbezüglich vom Gestaltungsplan nicht stärker betroffen ist als die Allgemeinheit. Hinsichtlich der von den Lüftungsanlagen der Öko- systemhalle zu erwartenden Lärmemmissionen bestehen vorderhand nur Schätzungen. Konkrete Anhaltspunkte, dass der Beschwerdeführer die entsprechenden Geräusche zusätzlich zu den bereits bestehenden sowie den vom Zooerweiterungsgebiet 'Holzwiesen' erwarteten Lärm- einwirkungen deutlich wahrnehmen wird, ergeben sich aus der Pla- nung nicht. Was schliesslich den befürchteten Stimmenlärm betrifft, so ist der Restaurationsbetrieb nach dem Gestaltungsplan lediglich in den geschlossenen Gasträumen sowie in der Ökosystemhalle, nicht hin- gegen im Freien vorgesehen. Der Gestaltungsplan enthält keine ge- naueren Angaben zu den Anforderungen an die Lärmisolierung der Gasträume, weshalb allein aufgrund der planerischen Festlegung ihrer Fläche, Höhe sowie der ungefähren Lage nicht darauf geschlossen werden kann, es würden dort Geräusche verursacht, die auf der Par- zelle des Beschwerdeführers deutlich wahrnehmbar sind. Ebenso wenig ist aus der Tatsache, dass die südlich des Wohnquartiers ge- planten Anlagen - im Verhältnis zu diesem - grossflächig sind, ohne weiteres zu folgern, die sich daraus ergebenden Immissionen seien lärmintensiv und weiträumig. Die im Gestaltungsplan vorgesehene Nutzung der geplanten Bauten lässt diese Annahme jedenfalls nicht zu. (...) d) Da der Gestaltungsplan flankierende Verkehrsmassnahmen sowie eine Verlegung der Zoo-Hauptzufahrt an die Forrenweidstrasse auf einer Höhe von rund 60 m südlich der Zürichbergstrasse vorsieht, ist mit einer spürbaren Verschlechterung der Zufahrtsbedingungen 2000 Verwaltungsgericht 372 zum Klösterliquartier, welche den Beschwerdeführer in seinen schutz- würdigen Interessen berühren würde, nicht zu rechnen; dies selbst dann nicht, wenn die Besucherzahlen massiv steigen sollten. Auch las- sen die planerischen Festlegungen nicht den Schluss zu, die Zoobe- sucher würden das Wohnquartier des Beschwerdeführers als Durchgangsfläche zum südlichen Zooareal benützen. (...) Zur Be- jahung der Beschwerdelegitimation unbehelflich ist auch der Ein- wand, der Beschwerdeführer werde die Madagaskarhalle von seiner Liegenschaft aus sehen können. Selbst wenn dies trotz der Distanz von über 100 m zutreffen sollte, so vermag diese Sichtverbindung allein noch keine besondere Beziehungsnähe zum Streitgegenstand zu begründen." Das Bundesgericht hat die Legitimation somit vor allem mit dem Argument verneint, dass die Zooerweiterung nicht zu zusätzli- chen Lärmimmissionen führen werde, welche für den Beschwerde- führer ins Gewicht fallen. f) aa) Die Beschwerdeführerin 2 plant auf dem Färberplatz die Errichtung einer Markthalle. Diese weist eine unregelmässige Form mit folgenden Fassadenlängen auf: Nordfassade 17,00 m, Westfas- sade 12,10 m + 12,00 m, Südfassade 14,00 m, Ostfassade 15,40 m + 16,00 m. Die überdachte Grundfläche der Halle beträgt 420 m 2 , deren Höhe 6,12 m. Vorgesehen ist eine Konstruktion mit Seiten- wänden aus Holzlamellen, einer Deckenkonstruktion aus Holz und einer Dacheindeckung aus Dachpappe (grau beschiefert). Eine Hei- zung ist nicht vorgesehen, ebenso wenig eine Aussenbeleuchtung. Das Innere der Halle ist weitgehend leer. An den beiden Stirnseiten weist sie je ein Schiebetor auf. Diese Tore werden von 22.00 Uhr bis 07.00 Uhr geschlossen gehalten. Die Halle soll nicht nur zum Abhal- ten von Märkten dienen, sondern auch für Vorstellungen, Konzerte und andere Veranstaltungen benutzt werden können. Tagsüber steht sie auch der Bevölkerung zur freien Nutzung offen. Sie bietet Platz für 350 bis 400 Personen (Bankettbetrieb, Vorträge) bzw. für rund 35 Marktstände. Strom-, Wasser- und Kanalisationsanschlüsse sind 2000 Verwaltungsrechtspflege 373 vorgesehen; bei Bedarf sollen mobile WC-Anlagen ausserhalb der Halle aufgestellt werden. bb) Die Distanz vom Neubauvorhaben zur Liegenschaft mit der Wohnung des Beschwerdeführers 1 beträgt rund 140 m. Dazwischen befinden sich die mehrgeschossigen Gebäude auf den Parzellen Nrn. 1737, 1806 und 1805. An diesen Gebäuden vorbei, durch das Mühlegässli und das Färbergässli hindurch, besteht eine auf die Westfassade der projektierten Markthalle beschränkte Sichtverbin- dung. Die Fensterfront der Dachgeschosswohnung des Beschwerde- führers 1 öffnet sich in diese Richtung. Der grösste Teil der Halle wird von der Wohnung des Beschwerdeführers 1 aus allerdings nicht zu sehen sein, sondern insbesondere durch das Gebäude Nr. 118 auf der Parzelle Nr. 1737 (,,Storchen") verdeckt werden (Erw. a hievor). Der Beschwerdeführer 1 macht geltend, er sei durch die Ausgestal- tung und die störende Wirkung des Bauvorhabens direkt betroffen. In seiner Beschwerde bemängelt er konkret die Dachgestaltung, den Grundriss, die kubische Gliederung und den Fassadenaufbau. Das Bauprojekt mit seinem Flachdach und seiner Holzkonstruktion er- scheine als Fremdkörper in der Altstadt. Die Beschwerdeführerin 2 wendet hiegegen ein, bei den Vorbringen des Beschwerdeführers 1 handle es sich um Rügen, welche sich gegen den Baustil der Halle ganz generell wendeten und die jeder Einwohner der Stadt Aarau ebenso gut vorbringen könnte. Der Beschwerdeführer 1 sähe die Markthalle, könnte sie realisiert werden, allerdings im Gegensatz zu den meisten andern Einwohnern von Aarau ständig von seiner Woh- nung aus; insofern ist er stärker berührt als ein beliebiger Passant oder Besucher der Altstadt. Trotzdem kann er seine Legitimation nicht aus optischen Gegebenheiten ableiten. Werden die relativ grosse Distanz von 140 m und der Umstand berücksichtigt, dass der Blickwinkel durch die Gassen bzw. Häuser sehr stark eingeschränkt wird, erachtet es das Verwaltungsgericht bei objektivierter Betrach- tungsweise (Erw. e/aa hievor) als ausgeschlossen, dass der Be- schwerdeführer 1 aufgrund des Erscheinungsbildes der projektierten 2000 Verwaltungsgericht 374 Markthalle einen rechtserheblichen Nachteil erleidet. Die vom Stadt- bauamt eingereichte Fotodokumentation zeigt sehr deutlich, dass ein unbefangener Betrachter von der Wohnung des Beschwerdeführers 1 aus in erster Linie die weiträumig sichtbare Dachlandschaft im Blickpunkt hat und nicht die daneben kaum in Erscheinung tretende Westfassade der Markthalle. Soweit der Beschwerdeführer generell die Gestaltung der Halle und deren Auswirkung auf die Umgebung beanstandet, bewegt er sich im Bereich der - unzulässigen - Popular- beschwerde; ihm missfällt ein Gebäude, durch das er nicht direkt betroffen sein kann. cc) Das Baudepartement hat die Legitimation weniger mit der Sichtverbindung als mit der möglichen Beeinträchtigung durch Lärm- und anderweitige Immissionen begründet. Der Beschwerde- führer 1 befürchtet denn auch insbesondere von der künftigen Nut- zung der Markthalle ausgehende Lärmimmissionen. Vom Stadtrat vorgesehen sei, die Halle für verschiedene Anlässe, wie insbesondere auch Rock- und Popkonzerte, zur Verfügung zu stellen. Solche Anlässe seien mit erheblichen Lärmimmissionen verbunden. Es sei auch damit zu rechnen, dass die Benutzer der Markthalle in der nähern Umgebung der Altstadt während derartigen Anlässen und Festivitäten - im Sinne von ,,Nachtschwärmern" und dergleichen - Lärm- und andere Immissionen verursachen würden. Der Stadtrat bestreitet in Anbetracht der Distanz, der übrigen räumlichen Verhält- nisse sowie der weiteren im fraglichen Altstadtbereich bestehenden Lärmquellen (Gaststätten, Verkehr), dass der Beschwerdeführer 1 durch allfällige Lärmimmissionen aus der Markthalle beeinträchtigt wird; von einer deutlichen Wahrnehmbarkeit der behaupteten Immis- sionen könne keine Rede sein. Sowohl der Färberplatz als auch die Wohnung des Beschwer- deführers 1 liegen in der Altstadtzone. Angestrebt wird dort eine gemischte Nutzung der Gebäude mit Läden, Kleingewerbe und vor allem Wohnungen (§ 54 Abs. 1 BO). Massgebend ist die Empfind- lichkeitsstufe (ES) III (§ 38 BO [in der Fassung vom 21. März 1994 / 2000 Verwaltungsrechtspflege 375 10. September 1996]). Entsprechend diesen Nutzungsbestimmungen sind innerhalb der Altstadt zahlreiche Immissionsquellen vorhanden, die von den Anwohnern zu tolerieren sind, was dem Beschwerdefüh- rer 1 auch klar ist. So hat dieser auf die intensiven Lärmimmissionen hingewiesen, welche vom Betrieb des Restaurants Caramba mit Mu- sikbar an der Metzgergasse 6 herrührten. Ein weiteres Beispiel ist der Betrieb des Saalbaus; nach den Angaben des Beschwerdeführers 1 entsteht störender Lärm namentlich durch die mit Theaterveranstal- tungen verbundenen Tätigkeiten wie die Anlieferung der Kulissen durch das Ochsengässli. Namhafte Einwirkungen gehen auch von der Laurenzentorgasse aus, die als Durchgangsstrasse - wie eine Ver- kehrszählung ergab - von 10'630 Fahrzeuge pro Tag befahren wird. Lärmberechnungen, die im Jahre 1992 im Hinblick auf die Erstellung eines Lärmkatasters vorgenommen wurden, ergaben beispielsweise auf der unmittelbar an die Laurenzentorgasse angrenzenden Parzelle Nr. 1806 (Gebäude Nr. 4644) Beurteilungspegel (Lr) von tagsüber 81.0 bzw. 76.4 dB(A) und nachts 72.5 bzw. 68.0 dB(A), womit sogar die einschlägigen Alarmwerte (tagsüber 70 dB[A] und nachts 65 dB[A] bei ES III) erheblich überschritten sind. Wohl trifft es zu, dass der Beschwerdeführer 1 nur von einem Zwischenstück der Lau- renzentorgasse, nämlich dort, wo das Mühlegässli in sie einmündet, betroffen sein kann; die Laurenzentorgasse als Lärmquelle darf deswegen aber gewiss nicht bagatellisiert werden. Gemessen an den bestehenden Einwirkungen wird der Betrieb der Markthalle, objektiv betrachtet, so oder so eine untergeordnete Rolle spielen. Der Färberplatz steht schon heute der Öffentlichkeit zur Verfügung und wird regelmässig auch für Veranstaltungen genutzt. Nebst dem zwi- schen März bis November allmonatlich stattfindenden Flohmarkt fallen als lärmintensiv - wenn überhaupt - folgende Nutzungen in Be- tracht: Im April die Liegevelofesttage und die Kult-Tour in der Alt- stadt, im Mai die 1. Mai-Feier, eine Musikveranstaltung und ein Kurztheater an fünf Tagen sowie die Kult-Tour in der Altstadt, im September und Oktober der Markt Aarauer Gewerbetreibender 2000 Verwaltungsgericht 376 (MAG). Auf konkretes Befragen hat der Beschwerdeführer 1 nicht behauptet, er fühle sich durch die bisherige Nutzung des Färberplat- zes durch die Öffentlichkeit gestört; den Hintergrund seiner Ein- wände bildet vielmehr die Befürchtung, der Hallenbau bewirke eine Intensivierung der Nutzung. Die Vertreter des Stadtrats haben eine derartige Absicht indessen klar in Abrede gestellt; durch die Überda- chung werde einzig das Wetterrisiko vermindert und allenfalls die Saison etwas verlängert. Diese Angaben erscheinen namentlich aus zwei Gründen glaubwürdig: Zum Einen hat sich der Stadtrat gegen- über den Anwohnern am Färberplatz darauf festgelegt, dass ,,die Markthalle (...) wie bis anhin als Hauptnutzung für den Marktbetrieb zur Verfügung stehen" soll; somit ist anzunehmen, dass die Anstösser eine Nutzungsintensivierung nicht ohne Weiteres hinnehmen würden. Zum Andern fällt die einfache bauliche Ausgestaltung der projek- tierten Halle ins Gewicht: Diese ist nicht heizbar und an den Seiten- wänden wegen der Lamellenkonstruktion teilweise offen (Erw. aa hievor); es ist daher davon auszugehen, dass abendliche Veranstal- tungen wie bis anhin vorab in den Sommermonaten stattfinden werden. Dann sind sie aber auch unter freiem Himmel möglich, d. h. die in Frage stehende Halle ermöglicht diesbezüglich nicht eine sonst nicht denkbare Nutzung. Nicht auszuschliessen ist, dass die Überda- chung lärmmässig sogar eine Verbesserung bringt. Zu berücksichti- gen ist ferner, dass die nächtliche Benutzung der Halle nur mit einer behördlichen Bewilligung, d. h. kontrolliert, möglich ist; sonst wird die Halle nachts geschlossen. Alles in Allem ist das Verwaltungsge- richts davon überzeugt, dass allfällige tagsüber von der projektierten Markthalle ausgehende Immissionen - im Vordergrund stehen durch menschliche Aktivitäten verursachte Geräusche, vor allem Stimmen- lärm - in den vom bestehenden Altstadtbetrieb (Gaststätten, Läden usw.) und vom Fahrzeugverkehr ausgelösten Lärmimmissionen untergehen und vom Beschwerdeführer 1 allein schon angesichts der örtlichen Distanz nicht gesondert oder als Verstärkung wahrgenom- men werden können. Aber auch bei den abendlichen, in der Halle 2000 Verwaltungsrechtspflege 377 abgehaltenen Veranstaltungen ist nicht damit zu rechnen, dass es deswegen zu einer für den Beschwerdeführer 1 merklichen Zunahme der Lärmimmissionen kommen wird. Nimmt man den erwähnten BGE vom 9. März 1999 in Sachen H. betreffend Zoo Zürich als Massstab, so drängt sich diese Schlussfolgerung förmlich auf. Die Ökosystemhalle, welche dort zur Beurteilung stand, ist um ein Viel- faches grösser und höher als die geplante Markthalle (Erw. e/bb hievor), und die Lärmsituation ist im vorliegenden Fall mit Sicher- heit nicht prekärer. 3. Zusammenfassend ist unter diesem Titel somit festzuhalten, dass der Beschwerdeführer 1 durch das Bauvorhaben nicht in einem seine Legitimation begründenden Ausmass betroffen ist. Auf die Beschwerde ist daher nicht einzutreten. III. 1. Die als Vorinstanz am Verfahren beteiligte Behörde kann gegen Entscheide der oberen Instanz nur dann Beschwerde führen, wenn sie ein eigenes Interesse hat, oder wenn ihr die Beschwerdebe- fugnis durch besondere Bestimmungen verliehen wird (§ 38 Abs. 2 VRPG). Der Beschwerdeführerin 2, die ab dem Zeitpunkt des vorin- stanzlichen Augenscheins anwaltlich vertreten war, ist trotz Obsie- gens vom Baudepartement keine Parteientschädigung zugesprochen worden; sie ist somit in eigenen Interessen betroffen und zur Partei- kostenbeschwerde legitimiert; zumal sie - durch den für sie handeln- den Stadtrat Aarau - nicht nur als Baubewilligungsbehörde, sondern vor allem auch als Baugesuchstellerin betroffen ist. 2. a) Die Parteientschädigung wird in § 36 VRPG geregelt. Im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht ist dem Obsie- genden eine angemessene Entschädigung für die Kosten der Vertre- tung, Verbeiständung oder Beratung durch Anwälte und weitere Sachverständige zuzusprechen. Die Entschädigung ist den Umstän- den entsprechend dem Unterliegenden oder dem interessierten Ge- meinwesen oder beiden anteilsmässig aufzuerlegen (§ 36 Abs. 1 VRPG). Diese Bestimmung kommt auch in den übrigen Beschwer- deverfahren zur Anwendung, sofern der Beizug eines Vertreters oder 2000 Verwaltungsgericht 378 Sachverständigen nicht offensichtlich unbegründet war (§ 36 Abs. 2 VRPG). b) (Darstellung der Praxis [vgl. AGVE 1985, S. 384 ff.].). c) Das Verwaltungsgericht hat die in AGVE 1985, S. 384 ff., publizierte Rechtsprechung später auch auf Gemeindeverbände ausgedehnt. Begründet wurde dies wie folgt: Werde argumentiert, die Verfahrensbewältigung sei ein alltägliches Mittel, das jede Gemeinde zur Erfüllung ihrer Aufgaben und zur Wahrung der öffentlichen Interessen einsetzen müsse, und zwar grundsätzlich ohne Rücksicht auf den dadurch verursachten Aufwand, weshalb sich das Ge- meinwesen durch das Kostenrisiko nicht von einem für nötig er- achteten Prozess abhalten lasse, so treffe dies für einen Verband, welchem nur Gemeinden angeschlossen seien, erst recht zu (VGE III/114 vom 20. Dezember 1991 in Sachen Gemeindeverband G., S. 18 f.). 3. a) Die Beschwerdeführerin 2 vertritt die Auffassung, das in AGVE 1985, S. 384 ff. publizierte Präjudiz betreffe Fälle wie den vorliegenden, wo die Gemeinde an einem Verfahren nicht in Wahr- nehmung einer hoheitlichen Funktion, sondern wie ein beliebiges privates Rechtssubjekt als Gesuchsteller beteiligt sei, gar nicht. Die verwaltungsgerichtliche Praxis sei somit - ungeachtet der Frage, ob sie in ihrer Absolutheit angesichts der zwischenzeitlichen Ent- wicklungen im öffentlichen Recht noch haltbar sei - auf den vorlie- genden Fall nicht anwendbar. Vielmehr stünden einer Einwohner- und auch einer Ortsbürgergemeinde, welche zur Vertretung ihrer Interessen als Baugesuchstellerin im Rahmen eines Beschwerdever- fahrens einen Rechtsanwalt beiziehe, die in § 36 Abs. 1 und 2 VRPG enthaltenen Rechte ungeschmälert zu. In Anbetracht der vom Be- schwerdeführer aufgeworfenen heiklen Rechtsfragen habe sich der Stadtrat Aarau als Vertreter der Bauherrschaft gezwungen gesehen, im Hinblick auf die vom Baudepartement angeordnete Augen- scheinsverhandlung einen Rechtsvertreter beizuziehen. Das Bau- 2000 Verwaltungsrechtspflege 379 departement habe der obsiegenden Einwohnergemeinde zu Unrecht keine Parteientschädigung zugesprochen. b) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin 2 schliesst die im zitierten Entscheid begründete Praxis einen Parteikostener- satzanspruch der anwaltlich vertretenen Gemeinde generell aus. Zum Einen müssen die dort gemachten grundsätzlichen Überlegungen bezüglich der im Vergleich zu den Privaten besonderen Befähigung von Gemeinden zur Prozessführung aufgrund ihrer Aufgabe und Organisation auch in jenen Fällen gelten, wo die Gemeinde nicht in erster Linie hoheitliche Interessen wahrt, sondern wie eine Privatper- son, z. B. als Bauherrin oder als Grundeigentümerin, betroffen ist. Unabhängig davon, ob die Gemeinde hoheitliche Interessen vertritt oder nicht, handeln für sie ihre Verwaltungsorgane und tragen letzt- lich die Steuerpflichtigen das Kostenrisiko. Insofern ist die Ge- meinde auch in diesen Fällen bezüglich Prozessführung (Vertrautheit mit Prozessfällen, Kostenrisiko usw.) in einer qualitativ anderen, das heisst vorteilhafteren, Stellung als der Private. Allein die Tatsache, dass eine Gemeinde nicht in hoheitlichen Interessen, sondern wie eine Privatperson betroffen ist, rechtfertigt es jedenfalls unter dem Aspekt der von AGVE 1985, S. 384 ff. zugunsten des Privaten angestrebten ,,Waffengleichheit" nicht, ihr deswegen einen Anspruch auf Parteikostenersatz zuzusprechen. Zum Andern ergibt sich dies aber auch ganz klar schon aus dem Wortlaut des publizierten Ent- scheids. Das Verwaltungsgericht hat ausdrücklich festgehalten, zu entscheiden sei, ob an der bisherigen (differenzierten) Regelung fest- zuhalten oder ,,den Gemeinden entweder generell Parteikostenersatz zuzusprechen ist, wenn sie obsiegen, oder ob ihnen dieser Anspruch ebenso allgemein aberkannt werden muss" (AGVE 1985, S. 385). Es hat sich dann ganz klar für die ausnahmslose Aberkennung ent- schieden (a.a.O., S. 392). Das Verwaltungsgericht hat in der Folge denn auch konsequenterweise in Fällen, in denen - wie hier - eine Gemeinde als Baugesuchstellerin beteiligt war, unter Hinweis auf AGVE 1985, S. 384 ff. einen Anspruch der obsiegenden Gemeinde 2000 Verwaltungsgericht 380 auf Ersatz der Parteikosten verneint. So war etwa im VGE III/71 vom 22. September 1995 in Sachen S. ein gemeinsames Baugesuch der Einwohnergemeinde Zurzach und des Kaufmännischen Vereins der Region Zurzach zu beurteilen; die Baugesuchsteller als Be- schwerdegegner obsiegten weitgehend. Das Verwaltungsgericht bil- ligte wohl dem Kaufmännischen Verein der Region Zurzach, nicht aber der ebenfalls anwaltlich vertretenen Einwohnergemeinde Zurzach einen Anspruch auf Ersatz der Parteikosten zu (a.a.O., S. 32). c) Der Grundsatz, dem obsiegenden Gemeinwesen keinen An- spruch auf Parteientschädigung gegenüber dem unterliegenden Pri- vaten zuzuerkennen, ist als solcher anerkannt und auch in der jünge- ren Doktrin unbestritten (vgl. Alfred Kölz / Jürg Bosshart / Martin Röhl, VRG, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2. Auflage, Zürich 1999, § 17 N 19 ; Alfred Kölz / Isabelle Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Auflage, Zürich 1998, Rz. 1015; René Rhinow / Heinrich Koller / Christina Kiss, Öffentliches Prozessrecht und Justizverfassungsrecht des Bundes, Basel / Frankfurt a. M. 1996, Rz. 1383; Walter Kälin, Das Verfahren der staatsrechtlichen Be- schwerde, 2. Auflage, Bern 1994, S. 405 Anm. 401; Martin Bernet, Die Parteientschädigung in der schweizerischen Verwaltungsrechts- pflege, Zürich 1986, S. 98 ff.; Arnold Marti, Die Verwaltungsge- richtsbarkeit im Kanton Schaffhausen, Diss. Zürich 1986, S. 275; Attilio R. Gadola, Das verwaltungsinterne Beschwerdeverfahren, Zürich 1991, S. 471 [mit zahlreichen Hinweisen auf Rechtsprechung und Literatur]; Thomas Merkli / Arthur Aeschlimann / Ruth Herzog, Kommentar zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege im Kan- ton Bern, Bern 1997, Art. 104 N. 14). Es ist denn auch nicht ersicht- lich, was für Gründe die Aufgabe dieses auch vom Verwaltungsge- richt seit Jahrzehnten befolgten Grundsatzes im Sinne der Bejahung eines generellen Anspruchs des anwaltlich vertretenen und obsiegen- den Gemeinwesens auf Ersatz der ihm entstandenen Parteikosten 2000 Verwaltungsrechtspflege 381 rechtfertigen würden. Es ist nach wie vor davon auszugehen, dass die Gemeinwesen aufgrund ihrer Verwaltungsorganisation grundsätzlich in der Lage sind, ihre Rechtsstreitigkeiten selbst, d. h. ohne Zuzug eines Rechtsbeistandes zu führen und folglich keinen Anspruch auf Parteientschädigung haben. Der in einem Rechtsmittelverfahren er- forderliche Behördenaufwand übersteigt vielfach jenen Aufwand nicht wesentlich, den das betreffende Gemeinwesen im vorangehen- den nichtstreitigen Verfahren ohnehin zu erbringen hatte (Kölz/Boss- hart/Röhl, a.a.O., § 17 N 19). Dabei kann es auch keine Rolle spie- len, ob die Gemeinwesen selber Beschwerde führen oder lediglich als erstinstanzlich verfügende Behörde am Verfahren beteiligt sind. d) Im Folgenden ist aber zu prüfen, ob auch am generellen und ausnahmslosen Ausschluss eines Parteikostenersatzanspruchs zu- gunsten der Gemeinden, wie er in AGVE 1985, S. 384 ff. statuiert und seither oft kritisiert wurde, festzuhalten ist. Ein Teil der Praxis und Doktrin vertritt in diesem Zusammen- hang eine differenziertere Betrachtungsweise und lässt verschiedene Ausnahmen vom Grundsatz zu. So anerkennt das Bundesgericht im Sinne einer Ausnahme von der in Art. 159 Abs. 2 OG statuierten Grundregel, nach welcher den obsiegenden Behörden oder mit öf- fentlichrechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen keine Partei- entschädigung zuzusprechen ist, einen Anspruch auf Parteientschä- digung von kleineren und mittleren Gemeinden, die über keinen eigenen Rechtsdienst verfügen und sich in komplexeren Angelegen- heiten durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen müssen (Entscheid des Bundesgerichts vom 13. Mai 1997, in: ZBl 99/1998, S. 385 [Stadt Kreuzlingen; Anspruch verneint]; nicht veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 25. Februar 1998 in Sachen M., S. 11 [Oberrohrdorf-Staretschwil; Anspruch bejaht]). Auch in der Literatur wird die Auffassung vertreten, namentlich den kleineren Gemeinden sollte zumindest dann ausnahmsweise ein Anspruch auf Zusprechung einer Parteientschädigung zugestanden werden, wenn sie einen Ent- scheid von weitreichender Tragweite zu verteidigen bzw. durchzu- 2000 Verwaltungsgericht 382 fechten hätten und damit zugleich komplexe Rechtsfragen verbunden seien (Gadola, a.a.O., S. 472; Marti, a.a.O., S. 275; Bernet, a.a.O., S. 99 f.). Der Kommentar Kölz/Bosshart/Röhl äussert sich diesbe- züglich - unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Zürcher Verwaltungsgerichts - unmissverständlich (a.a.O., § 17 N 20 f.). Anderseits ist der Grosse Rat des Kanton Berns auf einen Revi- sionsentwurf nicht eingetreten, der den Gemeinden in Ausnahmesi- tuationen einen Anspruch auf Ersatz der Anwaltskosten eingeräumt hätte (Merkli/Aeschlimann/Herzog, a.a.O., Art. 104 N 14). Die Pra- xis im Kanton Bern billigt aber dem Gemeinwesen in Verfahren der nachträglichen Verwaltungsrechtspflege den Ersatz der Parteikosten zu, wenn es nicht in erster Linie hoheitliche Interessen wahrt, son- dern wie eine Privatperson betroffen ist. Dies wird z. B. angenom- men, wenn eine Gemeinde als Bauherrin auftritt oder als Grund- eigentümerin berührt ist (Merkli/Aeschlimann/Herzog, a.a.O., Art. 104 N 15 mit Hinweis auf den Entscheid des Bundesgerichts vom 23. März 1989, in: BVR 1989, S. 284 f.). e) aa) Das Verwaltungsgericht hat in AGVE 1985, S. 391 eine Privilegierung kleinerer (und mittlerer) Gemeinden - wie sie z. B. das Bundesgericht kennt - bezüglich Parteikostenersatz ausdrücklich abgelehnt und festgehalten, selbst diese hätten im Vergleich mit den Privaten aufgrund ihrer an Verfahren gewöhnten Verwaltung grund- sätzlich eine bessere Ausgangsposition. Es mag nun Argumente ge- ben, die für die Anerkennung eines Parteikostenersatzanspruchs der Gemeinde in bestimmten Ausnahmefällen sprechen. Kleinere und auch mittlere Gemeinden verfügen regelmässig nicht über juristisch ausgebildetes Personal. Zumindest in komplexeren Fällen können sie auf den Beizug eines Anwalts angewiesen sein, um ihre Interessen richtig wahren und dem anwaltlich vertretenen Privaten mit gleichen Chancen gegenübertreten zu können. Die grundsätzliche Überlegen- heit der Gemeinde und ihre Erfahrung, d. h. die im Vergleich zum Privaten vorteilhaftere Ausgangslage, ist in Fällen mit grösserer Schwierigkeit kaum mehr in nennenswertem Ausmass gegeben; die 2000 Verwaltungsrechtspflege 383 Durchführung solcher aufwendiger Verfahren gehört auch heute nicht zu den normalen, täglichen Obliegenheiten einer kleineren oder mittleren Gemeinde, welche sie ohne Weiteres zu bewältigen ver- mag. Hier kann sich die auch in AGVE 1985, S. 390 postulierte Gleichheit der Prozessparteien unter Umständen zugunsten der Ge- meinde auswirken und es im Sinne einer Ausnahmeregelung recht- fertigen, jedenfalls in Fällen mit aussergewöhnlichem Schwierig- keitsgrad, in denen zudem erhebliche kommunale Interessen auf dem Spiele stehen, und für Gemeinden, die nicht über entsprechend aus- gebildetes Personal innerhalb der Verwaltung verfügen und deshalb auf den Beizug eines Anwalts angewiesen sind, einen Anspruch auf Parteikostenersatz gegenüber der ebenfalls anwaltlich vertretenen privaten Gegenpartei anzuerkennen. Die generelle Verknüpfung der Kostenlast mit dem Prozesserfolg kann sodann auch als Instrument verstanden werden, um hemmungslosem, unnötigem Prozessieren vorzubeugen. Einer rechtsmissbräuchlichen Prozessführung setzt zwar bereits § 3 Abs. 2 VRPG Grenzen; doch sind die Schranken hier hoch angesetzt. bb) Trotzdem gelangt das Verwaltungsgericht zur Schlussfolge- rung, dass an der in AGVE 1985, S. 384 ff. begründeten Praxis fest- zuhalten ist. Zunächst ist das Argument, die kleineren Gemeinden seien unter der geltenden Praxis stark benachteiligt, zu relativieren. Die Gemeinden benötigen bei der Erfüllung der ihnen von Verfas- sung und Gesetz zugewiesenen Aufgaben immer besonderes Fach- wissen. Dieses zu beschaffen, ist auf verschiedene Weise möglich. Es kann der Verwaltungsapparat entsprechend gut dotiert und ausge- stattet (interne Lösung) oder im Einzelfall die Unterstützung durch aussenstehende Fachleute in Anspruch genommen werden (externe Lösung). Dies gilt auch, wenn sich die Gemeinde in einem Be- schwerdeverfahren zu behaupten hat. Letztlich ist nun kaum be- gründbar, weshalb dem Gemeinwesen die Zusatzkosten, welche ihm beim internen Modell so oder so entstehen, beim externen Modell im Falle eines Prozesssiegs zulasten privater Beteiligter abgenommen 2000 Verwaltungsgericht 384 werden sollen. Dazu kommt, dass in vielen Fällen, gerade auch im Bereich des Raumplanungs-, Umweltschutz- und Baurechts, die Mit- wirkung des Kantons vorgeschrieben ist (vgl. etwa § 63 BauG); dies bedeutet stets auch Hilfestellung des Kantons in spezifischen Sach- fragen. Fehlendes Wissen kann auch durch entsprechende Weiter- bildung beschafft werden; das Angebot ist auf diesem Sektor be- kanntlich gross. Weiter ist zu bedenken, dass der Grundsatz der Ge- setzmässigkeit der Verwaltung (vgl. Art. 5 Abs. 1 BV; § 2 KV; § 2 Abs. 1 VRPG) und der Untersuchungsgrundsatz (§ 20 Abs. 1 VRPG) die Gemeinde dazu verpflichten, die Sach- und Rechtslage schon im erstinstanzlichen Verfahren (in welchem Parteientschädigungen generell kein Thema sein können [vgl. AGVE 1992, S. 390 f.]) verfassungs- und gesetzesgetreu und umfassend zu prüfen; in einem nachfolgenden Beschwerdeverfahren kann dann regelmässig auf diese ,,Vorarbeit" zurückgegriffen werden. Soweit das erhöhte Kostenrisiko als ,,Vehikel" dafür dienen soll, missbräuchlichem Pro- zessieren vorzubeugen, muss die Gegenfrage gestellt werden, ob die internen Mittel der Gemeinde gerade bei offensichtlich mutwillig erhobenen (und entsprechend einfach zu widerlegenden) Beschwer- den in der Regel nicht ausreichen, um im Verfahren erfolgreich bestehen zu können. Sodann würde - was aus rechtsstaatlicher Sicht fragwürdig erscheint - derjenige Bürger, der gute Gründe zur Be- schwerdeführung hat, wegen des höhern Kostenrisikos unter Um- ständen davon abgehalten; auf die damit zusammenhängende Proble- matik ist bereits in AGVE 1985, S. 389 hingewiesen worden. Schliesslich ist auf den Rechtssicherheitsaspekt Gewicht zu legen. Beim Entscheid, ob im Sinne der oben umschriebenen Ausnahme ein Parteikostenersatz zuzusprechen ist, handelt es sich letztlich um einen Ermessensentscheid der Rechtsmittelinstanz. Die geforderte Notwendigkeit der Verbeiständung hängt von verschiedenen Fakto- ren wie Grösse und Organisationsgrad der Gemeinde (Ausbau der Verwaltung, eigener Rechtsdienst), Komplexität und Schwierig- keitsgrad des zu führenden Prozesses, betroffene Interessen des Ge- 2000 Verwaltungsrechtspflege 385 meinwesens usw., welche zu werten und zu gewichten sind, ab. Das Kostenrisiko würde also für den Privaten nicht nur höher, sondern auch wesentlich unberechenbarer. Aber auch die Gemeinde könnte nicht ohne Weiteres und von vornherein davon ausgehen, dass ihr im Falle des Obsiegens der beigezogene Anwalt entschädigt würde. Rechtssicherheit und - aus der Sicht der Rechtsmittelbehörden - auch Praktikabilität sprechen klar für eine Beibehaltung der bisherigen, einen Entschädigungsanspruch konsequent ausschliessenden Praxis. 4. Zu prüfen bleibt, ob nicht in jenen Fällen eine Ausnahme zu machen ist, in denen weniger die sachliche Notwendigkeit des Bei- zugs eines Anwalts aufgrund der Besonderheiten des konkreten Falls im Vordergrund steht als vielmehr die Tatsache, dass die Gemeinde wie eine Privatperson betroffen ist, z. B. in ihrer Rechtsstellung als Grundeigentümerin oder als Bauherrin, und nicht hoheitlich in Erscheinung tritt. a) Vorab ist festzustellen, dass an der in AGVE 1985, S. 385 f. aufgegebenen Unterscheidung nach der Art der für die Gemeinde auf dem Spiele stehenden Interessen, jedenfalls im Grundsatz, festzu- halten ist. Die frühere Privilegierung des Gemeinwesens bezüglich der Entschädigungsfrage bei der Wahrnehmung namentlich finan- zieller Interessen vermag in der Tat nicht mehr recht zu überzeugen. b) Die Beschwerdeführerin 2 macht geltend, sie sei im vorlie- genden Baubewilligungsverfahren als Baugesuchstellerin in genau gleicher Weise betroffen wie jeder andere private Bauherr auch. Dass diese Auffassung bezüglich gleicher qualitativer Stellung von priva- tem und öffentlichrechtlich organisiertem Baugesuchsteller nicht überzeugt, wurde bereits ausgeführt (Erw. 3/b hievor). Die Gemeinde kann eben auch in solchen Fällen, in welchen sie an sich wie eine Privatperson betroffen ist, im Prozess auf ihre kommunale Organi- sation zurückgreifen, und auch hier tragen die finanziellen Konse- quenzen letztlich die Steuerzahler. Darin liegt der im vorliegenden Zusammenhang massgebliche Unterschied zum Privaten. Insofern kommt es auf dasselbe hinaus, ob das Gemeinwesen hoheitlich auf- 2000 Verwaltungsgericht 386 tritt oder nicht. Letztlich werden auch in solchen Fällen - wie im Übrigen auch der vorliegende Sachverhalt ganz klar aufzeigt - ohne- hin immer öffentliche und nicht private Interessen gewahrt. In die- sem Sinne hat das Bundesgericht entschieden, den Schweizerischen Bundesbahnen ,,als Behörde, auch wenn sie hier als Werk- und Grundeigentümerin auftritt, mit Rücksicht auf die vertretenen öffent- lichen Interessen der Regel von Art. 159 Abs. 2 OG entsprechend keine Parteientschädigung zuzuerkennen" (BGE 121 II 240). Anderseits wird das Gemeinwesen in derartigen Fällen nach geltender Rechtsprechung für den Fall des Unterliegens regelmässig kostenpflichtig und hat es dem obsiegenden Privaten eine Parteient- schädigung auszurichten. Es gilt zwar der Grundsatz, dass den am Beschwerdeverfahren beteiligten Gemeinwesen keine Kosten aufer- legt werden (§ 35 Abs. 1 VRPG). Wenn die Behörde das Beschwer- deverfahren selber als Beschwerdeführerin eingeleitet hat oder wenn eine besondere Interessenlage gegeben ist, die jener im Klageverfah- ren oder Zivilprozess entspricht, wenn es also um Interessen des Gemeinwesens namentlich finanzieller Art geht, wird aber eine Aus- nahme gemacht (AGVE 1977, S. 120 f.; VGE III/31 vom 21. April 1997 in Sachen Einwohnergemeinde B., S. 15; VGE III/16 vom 9. März 1995 in Sachen Einwohnergemeinde S., S. 13). Dies gilt namentlich auch in Fällen, in denen die Gemeinde Bauherrin ist (VGE III/72 vom 22. September 1995 in Sachen A. AG u. M., S. 20). Die in AGVE 1985, S. 385 f. als überholt bezeichnete Unterschei- dung zwischen finanziellen und anderen, unmittelbar öffentlichen Interessen des Gemeinwesens hat hier also nach wie vor ihren festen Anwendungsbereich mit den entsprechenden kostenmässigen Kon- sequenzen für die Gemeinde. Insofern erleidet hier auch der vom Verwaltungsgericht vertretene Grundsatz der Parallelität der Verle- gung von Verfahrenskosten und Parteientschädigung (vgl. AGVE 1983, S. 233 f. mit Hinweisen) einen Einbruch. Dass die Gemeinde im Fall des Unterliegens in vollem Umfang kosten- und entschädi- gungspflichtig wird, anderseits aber bei Obsiegen keinen Anspruch 2000 Verwaltungsrechtspflege 387 auf Parteientschädigung hat, mag in gewissem Sinne widersprüchlich erscheinen. Diese Ungereimtheit ist aber im Gesetz selber angelegt: Während auf der ,,Verliererseite" klarerweise zwischen dem Unter- liegenden (Privaten) und dem interessierten Gemeinwesen unter- schieden wird (§ 36 Abs. 1 Satz 2 VRPG), findet sich diese Unter- scheidung bezogen auf den Obsiegenden nicht (§ 36 Abs. 1 Satz 1 VRPG). c) Der Beschwerdeführer 1 weist auf die besondere Stellung der Gemeinden in sie selbst betreffenden Baugesuchsverfahren hin. Der Gemeinderat habe in solchen Fällen die Vertretung sowohl der Baubewilligungsbehörde als auch der Einwohnergemeinde inne. Der Stadtrat Aarau sei als Vorinstanz ohnehin gesetzlich verpflichtet ge- wesen, eine Vernehmlassung einzureichen, die Vorakten vorzulegen und am Beschwerdeverfahren vor Baudepartement teilzunehmen. Dafür stehe der Baubewilligungsbehörde keine Parteientschädigung zu; eine zusätzliche separate Stellungnahme in der Funktion als Bau- herrschaft habe der Stadtrat Aarau nicht verfasst. Diesem Hinweis auf die Doppelstellung des Stadtrats ist die Berechtigung nicht ab- zusprechen. Zwar hat der Gesetzgeber diese Besonderheit des Be- willigungsverfahrens bei Bauvorhaben von Einwohnergemeinden bewusst in Kauf genommen und auf die Zuweisung der entsprechen- den Bewilligungskompetenz an eine kantonale Instanz verzichtet. Trotzdem ist die besondere Stellung des Gemeinderats zu beachten, welcher bei derartigen Baugesuchen sozusagen in eigener Sache zu entscheiden hat. In materieller Hinsicht hat das Verwaltungsgericht diesbezüglich festgehalten, es drängten sich Leitplanken und Be- grenzungen seiner Entscheidungfreiheit geradezu auf; namentlich sei dem Schutz der Nachbarn generell grosse Beachtung zu schenken (AGVE 1992, S. 319). Die Auffassung, die Gemeinde als Bauge- suchstellerin befinde sich in der gleichen Situation wie der private Bauherr, erweist sich unter diesem Blickwinkel doch weitgehend als Fiktion. Der private Einsprecher erscheint gerade bei einer derartigen Konstellation in vermehrtem Masse schutzbedürftig, so dass es 2000 Verwaltungsgericht 388 unbillig erschiene, ihm ausgerechnet in solchen Fällen die Beschrei- tung des Rechtsmittelwegs durch die Bejahung eines Parteikostenan- spruchs der öffentlichen Bauherrschaft und damit ein massiv erhöh- tes Kostenrisiko - kommunale Bauprojekte, wie z. B. Schul- und Ge- meindehäuser, Turnhallen, Sportanlagen usw., weisen häufig hohe Bausumme auf - zu erschweren. d) Bei gesamthafter Würdigung der Argumente drängt sich eine Abweichung vom Grundsatz, wonach dem Gemeinwesen kein An- spruch auf Parteientschädigung zusteht, auch für jene Fälle nicht auf, in denen die Gemeinde als Baugesuchstellerin nicht hoheitlich han- delt, und zwar vor allem deshalb, weil die grundsätzliche Überle- genheit der Gemeinde hier ebenfalls und aufgrund der besonderen Stellung des Gemeinderats als Vertreter der Bauherrschaft und als Baupolizeibehörde sogar noch in verstärktem Mass besteht. Anders verhält es sich - zumindest bezüglich der besonderen Stellung - allen- falls dort, wo eine Gemeinde als ,,private" Gesuchstellerin vor einer anderen Behörde auftritt, z. B. als Bauherrin oder Grundeigentü- merin in einer anderen Gemeinde. Hier wäre noch am ehesten eine Gleichstellung mit einem beliebigen Privaten zu erkennen. Dieser Fall liegt hier aber nicht vor. 5. Zusammenfassend ergibt sich, dass der Beschwerdeführerin 2 kein Anspruch auf Ersatz der ihr vor Baudepartement entstandenen Parteikosten zusteht. Die Beschwerde ist damit als unbegründet abzuweisen.
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2000 Verwaltungsgericht 250 [...] 63 Besitzstandsgarantie. Verwirkung des behördlichen Beseitigungsanspruchs aufgrund des Vertrauensschutzes. - Die Gemeinden dürfen über § 69 BauG hinausgehendes Recht schaffen, wenn dies durch ein entsprechendes öffentliches Interesse, etwa ein solches des Ortsbildschutzes, geboten erscheint; Anwendung auf eine kommunale Bestimmung, die in der Dorfkernzone den Wiederaufbau bestehender Bauten im Rahmen des vorhandenen Ge- bäudekubus und des alten Grundrisses zulässt (Erw. 2/c). - Derartige Spezialbestimmungen setzen nur ein bestehendes Gebäude voraus, nicht auch eine vorhandene Bausubstanz im Sinne der "Roh- bau 1"-Praxis, d. h. der bauliche Zustand ist grundsätzlich nicht von Belang (Erw. 2/d). - Rechtmässigkeit der Erstellung als Grundvoraussetzung; rund zwanzigjährige behördliche Duldung als Rechtstitel (Erw. 2/e). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 31. Mai 2000 in Sachen B. gegen Baudepartement. Aus den Erwägungen 1. Der Beschwerdegegner beabsichtigt, die bestehende Scheune (Gebäude Nr. 84) auf der Parzelle Nr. 134 in ein Wohnhaus umzu- bauen. Vorgesehen sind im Erdgeschoss des ehemaligen Scheunen- trakts ein als ,,Keller" bezeichneter Raum - eine eigentliche Unter- kellerung ist nicht vorgesehen -, eine Garage sowie der Einbau einer Heizung/Waschküche und eines Öltanks. Im Obergeschoss ist eine Dreizimmer-Wohnung, bestehend aus Wohn/Esszimmer, Eltern- schlafzimmer, Entrée, Küche und Bad, geplant. Der Estrich soll, anders als dies noch das Baudepartement annahm, als Büro ausge- baut werden. Abgebrochen wird ein angebauter Holzschopf auf der Westseite des Gebäudes. 2000 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 251 2. a) Gemäss dem Bauzonenplan der Gemeinde Unterlunkhofen vom 20. Juni 1986 / 22. September 1987 liegt die Parzelle Nr. 134 in der Dorfzone D. Diese Zone bezweckt die Erhaltung der baulichen Einheit und des typischen Charakters des alten Dorfkernes; sämtliche baulichen Veränderungen haben sich dem Dorfbild anzupassen, wobei als hauptsächliche Kriterien Stellung, Ausmass, Dach- und Fassadengestaltung, Baumaterialien und Farbgebung, Gestaltung der Vorplätze und Bepflanzung gelten (§ 45 Abs. 1 BNO). In der Dorfzone sind Wohnbauten und wenig störende Gewerbe- und Landwirtschaftsbetriebe zugelassen (§ 45 Abs. 2 BNO). Unter dem Randtitel ,,Bauvorschriften" bestimmt sodann § 45 Abs. 3 BNO: ,,Die Dachneigung muss mindestens 35° und darf höchstens 45° be- tragen. Mit Ausnahme von Klein- und Anbauten gem. § 60 sind nur Dächer mit symmetrischer Neigung zugelassen. Für Dachaufbauten gilt § 62, Dacheinschnitte sind nicht erlaubt. Dachaufbauten sind mit demselben Material wie das Hauptdach ein- zudecken, sie sind von der Fassadenflucht um mindestens 50 cm zu- rückzusetzen, ihr oberer Ansatz muss, senkrecht gemessen, minde- stens 1 m unter dem Dachfirst sein (vergl. Anhang 6). Die Kniestockhöhe darf max. 50 cm betragen (vergl. Anh. 4). Geschosszahl max.: 2 Vollgeschosse; das Dachgeschoss kann zusätzlich voll ausgebaut werden. Grenzabstand min.: 4 m Gebäudelänge max.: 25 m Mehrlängenzuschlag: ab 20 m Gebäudehöhe max.: 7 m Immissionsgrad: II Firsthöhe max.: 12 m" Schliesslich regelt § 45 Abs. 5 BNO die Rechtslage bei beste- henden Bauten wie folgt: 2000 Verwaltungsgericht 252 ,,Sofern die gesundheits-, feuer- und sicherheitspolizeilichen Anfor- derungen gewahrt bleiben und die Verkehrssicherheit nicht beeinträch- tigt wird, dürfen bestehende Bauten unter Wahrung der vorhandenen First- und Traufhöhen unabhängig der Vorschriften über Geschoss- zahl, Ausnützungsziffer, Grenz- und Gebäudeabstand im Rahmen des bestehenden Gebäudekubus umgebaut und erneuert werden bzw. bei Abbruch auf dem alten Grundriss wieder aufgebaut werden. Das äussere Erscheinungsbild darf dabei nicht wesentlich verändert werden. (...)". b) Es ist unbestritten, dass sowohl die bestehende Scheune als auch das Umbauvorhaben den vorgeschriebenen Mindestgrenzab- stand von 4 m zur Parzelle Nr. 135 teilweise deutlich unterschreiten, indem der Abstand zur westlichen Parzellengrenze nur gerade 1.30 m beträgt; auch zur südlichen Parzellengrenze werden die vorgeschrie- benen 4 m nicht durchwegs eingehalten. Unterschritten werden auch die Gebäudeabstände von 8 m zu den Gebäuden Nr. 83A auf der Parzelle Nr. 135 und Nr. 85 auf der Parzelle Nr. 76. Ebenfalls nicht durchwegs eingehalten ist die Dachneigung von mindestens 35°. Wegen dieser Abweichungen von den Bauvorschriften hat der Ge- meinderat das Bauvorhaben aufgrund der Besitzstandsgarantie ge- stützt auf § 69 BauG sowie in Anwendung der Ausnahmebestim- mung von § 4 BNO bewilligt. Das Baudepartement ist demgegen- über zur Auffassung gelangt, es liege kein Fall der Besitzstandsga- rantie nach § 69 BauG vor, sondern der geplante Umbau der Scheune in ein Wohnhaus könne gestützt auf § 45 Abs. 5 BNO als zonenkon- forme Baute in der Dorfzone bewilligt werden. Nach Auffassung des Beschwerdeführers hat das Baudepartement verkannt, ,,dass § 45 Abs. 5 BNO ebenfalls Ausfluss der Besitzstandsgarantie ist". c) § 69 BauG, auf den sich der Gemeinderat abgestützt hat, lau- tet wörtlich: ,, 1 Bestehende, rechtmässig erstellte Bauten innerhalb der Bauzonen, die den geltenden Vorschriften widersprechen, können angemessen er- 2000 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 253 weitert, umgebaut oder in ihrem Zweck geändert werden, wenn da- durch ihre Rechtswidrigkeit nicht wesentlich verstärkt wird und keine besonderen Nutzungsvorschriften entgegenstehen. 2 Bei Zerstörung durch Brand oder andere Katastrophen ist der Wie- deraufbau von rechtmässig erstellten, den geltenden Plänen oder Vor- schriften widersprechenden Bauten gestattet, wenn keine überwie- genden Interessen entgegenstehen und das Baugesuch innert fünf Jahren seit der Zerstörung eingereicht wird. Der Wiederaufbau hat der zerstörten Baute hinsichtlich Art, Umfang und Lage zu entsprechen. Eine Änderung ist möglich, sofern damit der bisherige Zustand ver- bessert wird." Das kantonale Recht regelt die Besitzstandsgarantie im Verhält- nis zu den Gemeinden grundsätzlich abschliessend; dies bezieht sich aber bloss auf die allgemeine, unabhängig von der zonenmässigen Differenzierung geltende Ordnung für bestehende Bauten und Anla- gen, d. h. die Gemeinden sind durchaus befugt, für einzelne Zonen nicht nur Vorschriften für Neu-, sondern auch solche für bestehende Bauten zu erlassen (AGVE 1986, S. 248). Freilich muss - namentlich im Blick auf § 69 Abs. 2 BauG, der den Wiederaufbau rechtswidriger Bauten ausschliesslich für den Fall der Zerstörung durch Brand und andere Katastrophen gestattet - ergänzend darauf hingewiesen wer- den, dass eine eigenständige kommunale Regelung der Rechtferti- gung durch ein besonderes öffentliches Interesse bedarf, beispiels- weise ein solches des Ortsbildschutzes. Das frühere Baugesetz des Kantons Aargau vom 2. Februar 1971 (aBauG) enthielt in § 130 Abs. 2 denn auch eine Bestimmung, wonach die Gemeinden für Alt- stadtgebiete und alte Dorfkerne zusätzliche Vorschriften zur Erhal- tung des Bestandes aufstellen können (vgl. dazu Erich Zimmerlin, Baugesetz des Kantons Aargau vom 2. Februar 1971, Kommentar, 2. Auflage, Aarau 1985, §§ 130-33 N 2). Eine analoge spezifische Rechtssetzungkompetenz fehlt zwar im neuen Baugesetz. § 40 Abs. 1 BauG erklärt indessen u. a. die Erhaltung, Pflege und Gestaltung von Ortsbildern zur Sache des Kantons und der Gemeinden, und er verpflichtet sie u. a. zu Massnahmen, um ,,Ortsbilder entsprechend 2000 Verwaltungsgericht 254 ihrer Bedeutung zu bewahren und Siedlungen so zu gestalten, dass eine gute Gesamtwirkung entsteht" (lit. f). Eine dieser Massnahmen bildet die Ausscheidung von Schutzzonen (§ 40 Abs. 3 lit. a BauG). Daraus lässt sich zwangslos ableiten, dass die Gemeinden nach wie vor befugt sind, über § 69 BauG hinausgehendes kommunales Recht zu schaffen, sofern dies durch ein entsprechendes öffentliches Interesse geboten erscheint (zur vergleichbaren Zürcher Regelung vgl. Walter Haller / Peter Karlen, Raumplanungs-, Bau- und Umweltrecht, 3. Auflage, Zürich 1999, Rz. 820). Die Dorfkernzone, in welcher das Baugrundstück gelegen ist (Erw. a hievor), will die bauliche Einheit und den typischen Cha- rakter des alten Dorfkerns erhalten (§ 45 Abs. 1 BNO). Der Errei- chung dieses Ziels dient - nebst detaillierten Vorschriften für Neu- bauten, namentlich zur Gestaltung der Dächer (§ 45 Abs. 3 BNO) - zweifellos auch die Sonderbestimmung von § 45 Abs. 5 BNO über die ,,bestehenden Bauten". Der kommunale Gesetzgeber ist zwar nicht so weit gegangen, einen Substanz- oder Volumenschutz vorzu- schreiben, doch hat er dem Ortsbildschutzinteresse in der Weise Rechnung getragen, dass er den Wiederaufbau bestehender Bauten auf dem alten Grundriss - unter Einhaltung bestimmter Randbedin- gungen - ganz generell gestattet hat. § 45 Abs. 5 BNO stellt somit eine als lex specialis der allgemeinen Vorschrift von § 69 Abs. 1 BauG vorgehende Bestimmung dar. d) Der Beschwerdeführer bestreitet, dass das Gebäude Nr. 84 der Besitzstandsgarantie überhaupt teilhaftig werden kann; es handle sich um ein Abbruchobjekt, das der Eigentümer in den letzten 20 Jahren habe verfallen lassen und welches heute auch wirt- schaftlich nicht im geringsten mehr erhaltenswert sei. Im Rahmen der Anwendung der allgemeinen Bestimmungen über die Besitzstandsgarantie (§§ 68 ff. BauG) wird der Begriff der ,,bestehenden" Baute so ausgelegt, dass jene Bauteile, welche unter dem technischen Begriff des ,,Rohbaus 1" subsumiert werden, noch ganz oder zu einem wesentlichen Teil vorhanden sein müssen; dies 2000 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 255 sind primär die die Grundsubstanz eines Bauwerks ausmachenden Bauteile, insbesondere die gesamte Tragkonstruktion und das Dach eines Gebäudes (vgl. AGVE 1998, S. 311 f.). Entgegen der Auffas- sung des Beschwerdeführers verlangt § 45 Abs. 5 BNO nichts Der- artiges. Diese Bestimmung setzt zwar wohl ein bestehendes Gebäude voraus, gestattet indessen anders als die §§ 69 BauG ausdrücklich auch den freiwillig erfolgenden vollständigen Abbruch und Wiederaufbau. Vor dem Hintergrund der Zielsetzung, dass in der Dorfzone die bauliche Einheit und der typische Charakter des alten Dorfkerns zu erhalten sind (§ 45 Abs. 1 Satz 1 BNO), kann dies sinn- vollerweise nur heissen, dass der bauliche Zustand des betreffenden Gebäudes grundsätzlich nicht von Belang ist. Die Beibehaltung des äusseren Erscheinungsbildes ist durch § 45 Abs. 5 Satz 2 BNO si- chergestellt. Dass das Gebäude Nr. 84 unbestrittenermassen baufällig ist, hilft dem Beschwerdeführer daher nicht. e) Weiter macht der Beschwerdeführer geltend, die bereits vor 1984 zumindest teilweise eingestürzte Weidscheune sei vom da- maligen Eigentümer eigenmächtig durch eine Überdachung zwischen dem an der Grenze zur Parzelle Nr. 135 stehenden Zaun und der westlichen Scheunenwand erweitert worden; bei diesem Anbau handle es sich nicht um eine rechtmässig erstellte Baute, aus welcher Rechte bezüglich der Besitzstandsgarantie abgeleitet werden könn- ten. aa) Grundvoraussetzung jeder Besitzstandsgarantie ist, dass die ,,bestehende" Baute ursprünglich rechtmässig erstellt wurde oder später rechtmässig geworden ist (§ 68 Abs. 1, § 69 Abs. 1, § 70 Abs. 1 und § 71 Abs. 1 BauG). Rechtmässig ist eine Baute, wenn sie formell oder materiell rechtmässig war oder ist. Als formell recht- mässig gilt eine Baute, wenn dafür eine Baubewilligungspflicht be- steht oder bestand und eine rechtskräftige und weder nichtige noch widerrufene Baubewilligung vorliegt, gleichgültig, ob diese dem ma- teriellen Recht je entsprach oder entspricht. Die ausschliesslich ma- terielle Rechtmässigkeit einer Baute begründet die Besitzstands- 2000 Verwaltungsgericht 256 garantie, wenn die Baute in Übereinstimmung mit dem materiellen Recht entstand oder damit zu einem Zeitpunkt in Übereinstimmung gebracht wurde, als (noch) keine Baubewilligungspflicht bestand (vgl. zum Ganzen: AGVE 1989, S. 229 und 242, je mit Hinweisen; 1981, S. 225 f.; VGE III/95 vom 26. Juni 2000 in Sachen F. AG u. W., S. 12 f.). Einen für die Anrufung der Besitzstandsgarantie ausrei- chenden Rechtstitel stellt es schliesslich auch dar, wenn die betref- fende Baute zwar nicht nach den erwähnten Kriterien rechtmässig ist, aber aufgrund des Vertrauensschutzes der behördliche Anspruch auf Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands verwirkt ist (VGE III/3 vom 22. Januar 1996 in Sachen I., S. 6 f. mit Hinweis auf AGVE 1994, S. 440). Dieselben Grundsätze müssen auch Platz grei- fen, wenn es um die Anwendung kommunaler Spezialbestimmungen in der Art von § 45 Abs. 5 BNO geht. bb) Die Scheune selber ist nach den unbestrittenen Angaben des Beschwerdegegners um 1900, d. h. lange vor jeder Bauordnung, erstellt worden. Ebenso wenig ist aber auch bestritten, dass es im Laufe der Zeit zu eigenmächtigen baulichen Veränderungen nament- lich im Dachbereich gekommen ist. Diese Bauteile sind angesichts der zu geringen Grenz- und Gebäudeabstände (Erw. b hievor) offen- sichtlich auch nicht im materiellen Sinne rechtmässig. Anderseits ist davon auszugehen, dass die fraglichen Erweiterungen spätestens anfangs der Achtzigerjahre vorgenommen worden sind. Seither ist das Gebäude so toleriert worden. Dies hat rechtliche Konsequenzen. In der Regel verlieren die Behörden ihren Beseitigungsanspruch nach dreissigjähriger Duldung der baurechtswidrigen Baute, es sei denn, der rechtswidrige Zustand ist von der zuständigen Behörde über Jahre hinweg geduldet worden, obschon ihr die Gesetzwidrigkeit be- kannt war oder sie diese bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte kennen müssen, und es werden zudem durch den gesetzwidrigen Zustand nicht in schwerwiegender Weise öffentliche Interessen ver- letzt; verhält es sich so, kann der behördliche Beseitigungsanspruch schon früher verwirkt sein (BGE 107 Ia 124 f.; Bundesgericht, in: 2000 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 257 ZBl 81/1980, S. 73 f.; Walter Haller / Peter Karlen, Raumplanungs-, Bau- und Umweltrecht, Band I, 3. Auflage, Zürich 1999, Rz. 883 f.). Nach rund zwanzigjähriger Duldung ist dieser Tatbestand gegeben; von einer gravierenden Verletzung öffentlicher Interessen kann nicht gesprochen werden. Im Weitern ist im vorliegenden Falle noch Folgendes zu beachten: Gegen ein fertiggestelltes Bauvorhaben, das ihm gegenüber nicht in einem ordnungsgemässen Rechtsschutzver- fahren unterworfen war, darf sich der legitimierte Nachbar zwar noch wehren, doch muss er dies innert angemessener Frist tun (AGVE 1988, S. 401 f.; 1978, S. 233 ff.; VGE III/119 vom 11. Dezember 1996 in Sachen E. u. M., S. 11). Es erscheint nun nicht denkbar, dass der Beschwerdeführer von den unbewilligten baulichen Änderungen erst seit dem laufenden Verfahren Kenntnis hatte. Indem er nicht früher bei der Baubewilligungsbehörde interveniert hat, ist er seinerseits des Rechts verlustig gegangen, ein nachträgliches Baube- willligungsverfahren zu erzwingen. Damit steht fest, dass als ,,beste- hende Baute" das Gebäude Nr. 84 in seiner heutigen Gestalt und Form zu gelten hat.
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2006 Verwaltungsgericht 130 29 Folgen der falschen Besetzung der Veranlagungsbehörde. Rücknahme/ Aufhebung der Veranlagung. - Falsche Besetzung der Veranlagungsbehörde führt in der Regel nicht zur Nichtigkeit der Veranlagung (Erw. 3). - Vor Eintritt der Rechtskraft kann die Behörde ihre fehlerhafte Ver- fügung zurücknehmen, ohne dass die Voraussetzungen für den Wi- derruf von Verfügungen erfüllt sein müssen (Erw. 4). Vgl. AGVE 2006 56 278
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AGVE-2006 Art. 446 Abs. 1 ZGB; Art. 447 ZGB, Art. 428 ZGB - Die Möglichkeit zur nachträglichen Stellungnahme stellt keine den Anforderungen von Art. 447 Abs. 2 ZGB genügendene Anhörung dar, sofern keine Ausnahmesituation vorliegt, in welcher auf eine verzichtet werden kann (Erw. II./2.2. und II./3.). - Ist primär eine kurzfristige Klinikeinweisung anvisiert, erscheint es zwingend, dass entweder eine Übertragung der an die Einrichtung erfolgt oder in Kürze eine erneute Überprüfung der fürsorgerischen Unterbringung vorgesehen wird (Erw. II./5.2.). Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 25. August 2015 in Sachen A. gegen das Familiengericht X. (WBE.2015.338) Aus den Erwägungen II. 2.2. 2.2.1. Die Erwachsenenschutzbehörde erforscht den Sachverhalt von Amtes wegen (Art. 446 Abs. 1 ZGB). Sie zieht die erforderlichen Erkundigungen ein und erhebt die notwendigen Beweise. Sie kann eine geeignete Person oder Stelle mit Abklärungen beauftragen. Nötigenfalls ordnet sie das Gutachten einer sachverständigen Person an (Art. 446 Abs. 2 ZGB). 2.2.2 Ein erstes wichtiges Mittel der Sachverhaltserhebung sind Aus- künfte der Beteiligten. Die Behörde kann solche Auskünfte einholen, sich die nötigen Informationen aber auch durch mündliche Befragungen verschaffen. Abklärungen in Form von Befragungen haben den Vorteil, dass sie unter Umständen ein differenzierteres Bild über bestimmte Sachverhaltselemente . Zudem gewinnt die Behörde einen unmittelbaren, Eindruck von der befragten Person und deren Einstellung. Per- sönliche Befragungen sind vor allem dort nützlich, wo ein auch Aspekte umfassendes Bild einer Person oder Situation werden muss (CHRISTOPH AUER/MICHÈLE MARTI, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, Art. 1-456 ZGB, 5. Auflage, Basel 2014, Art. 446 N 11). Gesetzlich vorgeschrieben ist eine persönliche mündliche Anhörung der betroffenen Person; vorbehalten sind Fälle, in denen eine solche Anhörung unverhältnismässig wäre (Art. 447 Abs.1 ZGB). Die persönliche Anhörung verfolgt – wie der Anspruch auf rechtliches Gehör – zwei Ziele: Zum einen stellt sie ein der betroffenen Person dar. Zum anderen bildet sie ein Mittel zur Sachverhaltsabklärung. Das Mitwirkungsrecht ist : Der betroffenen Person ist im Rahmen der persönlichen Anhörung nicht nur in allgemeiner Form von der in Aussicht Massnahme Kenntnis zu geben. Vielmehr sind ihr Einzeltatsachen bekannt zu geben, auf die sich die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde bei ihrem Entscheid stützen will. Soweit die Anhörung der Sachverhaltsfeststellung dient, kann auf sie nicht verzichtet werden, selbst wenn sich die betroffene Person sollte. Die Behörde hat sich anhand der persönlichen einen umfassenden Eindruck von den Zukunftsaussichten und der jüngeren Vergangenheit der betroffenen Person zu verschaffen, der ihr mit Blick auf die Geeignetheit, die Notwendigkeit und die Angemessenheit der Massnahme als Entscheidungsgrundlage dient (CHRISTOPH AUER/MICHÈLE MARTI, a.a.O., Art. 447 N 4 ff.). Für den Fall, dass eine fürsorgerische Unterbringung in Frage steht, hat die persönliche Anhörung der betroffenen Person gemäss Art. 447 Abs. 2 ZGB in der Regel durch das Kollegium (der entscheidenden Behörde) zu erfolgen. Von einer persönlichen Anhörung der betroffenen Person kann – wie erwähnt – wegen Unverhältnismässigkeit ausnahmsweise werden (Art. 447 Abs. 1 ZGB). Ob die Anhörung erscheint, ist stets im konkreten Einzelfall unter der gesamten Umstände zu beurteilen. im Sinne von Art. 447 Abs. 1 ZGB kann etwa bei Dringlichkeit vorliegen. In einem solchen Fall ist die Anhörung bei nächster Gelegenheit nachzuholen. Unverhältnismässig kann die Anhörung auch dann sein, wenn sich eine urteilsfähige Person einer solchen widersetzt und sich die Anhörung in der Gewährung des Mitwirkungsrechts erschöpfen würde, d.h. nicht gleichzeitig der Sachverhaltsabklärung dient. Die blosse Passivität der betroffenen Person entbindet jedoch nicht von der Pflicht zur Anhörung. Eine persönliche Anhörung kann ferner aufgrund einer Krankheit oder anderer persönlichkeitsbedingter Gründe des Betroffenen . Kommt es auf den persönlichen Eindruck des Betroffenen nicht (mehr) an, was beispielsweise zutrifft, wenn eine Massnahme wird oder wenn bloss ergänzende Anordnungen getroffen werden müssen, braucht es nicht notwendigerweise eine (weitere) Anhörung (CHRISTOPH AUER/MICHÈLE MARTI, a.a.O., Art. 447 N 25 ff.). Ein anderer Ausnahmetatbestand könnte darin erblickt werden, dass die letzte Anhörung noch nicht lange zurückliegt und sich die Verhältnisse in der Zwischenzeit kaum verändert haben. Hier ist allerdings bei fürsorgerischen Unterbringungen Zurückhaltung , weil sich die Verhältnisse sehr schnell auch grundlegend können. 2.2.3. (...) 3. 3.1. B. von den sozialen Diensten C. führte Gespräche mit dem Vater, der Mutter und der Schwester des Beschwerdeführers sowie mit der pro infirmis. Im Wesentlichen gaben die Auskunftspersonen an, der Beschwerdeführer sei cannabisabhängig und benötige Fr. 1'500.00 bis Fr. 2'000.00 pro Monat, um seine Sucht zu . Zudem betreibe er Medikamentenmissbrauch. Er lebe bei der Mutter, welche jedoch grosse Angst vor ihm habe, da er sich verhalte, ihr drohe und das Mobiliar zerschmettere. Er drohe mit Selbstmord und mit vorgängigem Mord an seinen Familienangehörigen. Niemand wolle dem Beschwerdeführer , dass er bald aus der Wohnung in C. ausziehen müsse, weil die Mutter in ein Pflegeheim übertrete. Die Selbst- und wurde von allen Auskunftspersonen als hoch eingestuft. dieser Aussagen lud B. von den Sozialen Diensten C. den Beschwerdeführer und seinen Vater, D., mit Schreiben vom 6. August 2015 zu einem Gespräch bei den Sozialen Diensten in C. am 11. August 2015 ein. Der Beschwerdeführer sagte dieses Gespräch am Vortag ab. In der Folge ordnete das Familiengericht X. am 11. August 2015 die fürsorgerische Unterbringung des Beschwerdeführers an. Gleichentags wurde er um 15.10 Uhr von der Gerichtspräsidentin, einem Fachrichter und der Gerichtsschreiberin in Begleitung von zwei Stadtpolizisten zuhause besucht. Gemäss der habe der Beschwerdeführer zuerst geweckt werden müssen und es habe im Anschluss ein Gespräch im Wohnzimmer stattgefunden. Die Gerichtspräsidentin habe den Beschwerdeführer und die Anwesenden vorgestellt. Der Fachrichter habe ihm erklärt, es habe von Seiten des Familiengerichts X. Abklärungen gegeben. Die Mitglieder des seien bei ihm, um ihm den Entscheid zu eröffnen, zudem werde er Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Der Fachrichter erklärte dem Beschwerdeführer, dass die Mutter Ende August in ein Pflegeheim ziehen werde. Er könne dorthin nicht mit. Die sei anwesend, um ihn zur weiteren Abklärung der Betreuung und Behandlung in die Psychiatrische Klinik Königsfelden zu bringen. Zudem werde ein Beistand eingesetzt, welcher sich unter anderem um seine Finanzen kümmern werde, da die Mutter das nicht mehr übernehmen könne. Der Beschwerdeführer habe während des ganzen Gesprächs schläfrig gewirkt, geseufzt und gemeint, das alles werde gemacht, ohne dass er etwas sagen könne. Auf die entsprechende Frage hin habe er gesagt, er habe alles verstanden. Als ihm zur Stellungnahme und zum Stellen von Fragen gegeben worden sei, habe er zu Protokoll gegeben, er sei mit dem Entscheid nicht einverstanden. Anschliessend habe der Fachrichter das weitere erklärt. In der Folge wurden dem Beschwerdeführer für den Transport angelegt und er wurde in die Klinik Königsfelden gebracht. Die Anhörung endete um 15.25 Uhr. 3.2. Der Beschwerdeführer wurde bis zum Hausbesuch am 11. August 2015 nie angehört. Beim Gespräch, das von 15.10 Uhr bis 15.25 Uhr dauerte, wurde der Beschwerdeführer vor vollendete Tat- sachen gestellt (vgl. Besprechungsnotiz: "Man sei hier, um ihm den Entscheid zu eröffnen") und konnte nur noch eine nachträgliche Stellungnahme abgeben. Es erfolgte somit keine den Anforderungen von Art. 447 ZGB genügende Anhörung. Eine der in Erw. 2.2.2 vorne angeführten Ausnahmesituationen, in welchen auf eine verzichtet werden kann, lag nicht vor. Weder bestand besondere Dringlichkeit noch standen – soweit aus den Akten ersichtlich – einer Anhörung persönlichkeitsbedingte Hindernisse auf Seiten des entgegen. Die einmalige Absage des Gesprächs bei den Sozialen Diensten C. kann auch nicht als Verweigerung gewertet werden, an einer Anhörung durch das Familiengericht teilzunehmen. Da somit feststeht, dass das Gespräch am 11. August 2015 nicht als Anhörung gemäss Art. 447 ZGB qualifiziert werden kann, erübrigen sich Ausführungen dazu, dass nur (aber immerhin) die Mehrheit des entscheidenden Kollegiums anwesend war. Entscheidend ist, dass aufgrund der zeitlichen Abfolge die mitwirkenden Richter keine hatten, den Beschwerdeführer vor der Entscheidfindung persönlich kennenzulernen und auf diese Weise einen eigenen, Eindruck von seinem Wesen sowie seiner und sozialen Situation zu erlangen bzw. sich so von der und Angemessenheit der angeordneten Massnahme zu . Dadurch sind die Parteirechte des Beschwerdeführers in Weise missachtet worden; zudem konnte durch dieses der Sachverhalt nicht korrekt abgeklärt werden. Demzufolge ist der angefochtene Entscheid des Familiengerichts X. in der vorliegenden Beschwerde aufzuheben. 4. (...) 5. 5.1. Festzuhalten ist des Weiteren Folgendes: Die Zuständigkeit für die Entlassung aus einer fürsorgerischen Unterbringung richtet sich danach, wer die Unterbringung angeordnet hat. Hat die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde die Unterbringung verfügt, ist sie Art. 428 Abs. 1 ZGB grundsätzlich auch für die Entlassung zuständig. Wurde die Unterbringung von einem Arzt angeordnet, entscheidet die Einrichtung über die Entlassung (Art. 429 Abs. 3 ZGB). Im Gesetz ist vorgesehen, dass die Kindes- und im Einzelfall die Zuständigkeit für die Entlassung der Einrichtung übertragen kann (Art. 428 Abs. 2 ZGB). Die Möglichkeit der Delegation der Entlassungszuständigkeit entspricht der geltenden Praxis. Damit soll sichergestellt werden, dass der Patient sofort wird, wenn dies aus medizinischer Sicht möglich ist und die Klinik nicht zuerst einen Antrag an die Kindes- und stellen muss. Die Übertragung kann nur im Einzelfall erfolgen und nicht in einer generell-abstrakten Norm festgehalten werden (Botschaft Erwachsenenschutz, BBl 2006 7064; THOMAS GEISER/MARIO ETZENSBERGER, in: Basler Kommentar, I, Art. 1-456 ZGB, 5. Auflage, Basel 2014, Art. 428 N 8 f.). Weitere Hinweise, unter welchen Voraussetzungen die im Einzelfall an die Einrichtung übertragen werden kann, lassen sich aus dem Bundesrecht nicht ableiten. 5.2. Die fürsorgerische Unterbringung wurde vorliegend primär an- geordnet, um dem Beschwerdeführer die Kündigung der Wohnung und den Wegzug der Mutter zu vermitteln bzw. um seine Reaktion, die als schwer abschätzbar taxiert wurde, in einem stationären auffangen zu können. Es kann vorliegend offen gelassen , ob aufgrund dieser speziellen Konstellation, verbunden mit der befürchteten Fremd- und Selbstgefährdung (vgl. die entsprechenden Aussagen der Familienangehörigen, vorne Erw. 3.1), ausnahmsweise auf die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens verzichtet durfte. Jedenfalls erscheint es zwingend, dass in derartigen Fällen, die primär auf eine kurzzeitige Klinikeinweisung abzielen, entweder eine Übertragung der Entlassungszuständigkeit an die Klinik Königsfelden erfolgt oder in Kürze eine erneute gerichtliche Überprüfung der fürsorgerischen Unterbringung wird. Das Familiengericht verzichtete explizit auf die Übertragung der Entlassungszuständigkeit an die Psychiatrische Klinik und ordnete an, dass eine erneute gerichtliche Überprüfung erst nach der maximalen Dauer von sechs Monaten erfolgen werde. Vorgehen lässt sich mit dem Ziel, das mit der fürsorgerischen Unterbringung angestrebt wurde, nicht vereinbaren. Der Entscheid erweist sich folglich auch aus diesem Grund als . Sachregister Fürsorgerische Unterbringung - Die familiengerichtliche Anhörung ist vor der Entscheidung be- treffend fürsorgerischen Unterbrinung durzuführen - Übertragung der Entlassungszuständigkeit an die Einrichtung oder Anordnung einer erneuten gerichtlichen Überprüfung in Kürze, wenn primär eine kurzzeitige Klinikeinweisung anvisiert ist Gesetzesregister SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 (ZGB) Art. 428 Art. 446 Art. 447 - Die familiengerichtliche Anhörung ist vor der Entscheidung betreffend fürsorgerischen Unterbrinung durzuführen - Übertragung der Entlassungszuständigkeit an die Einrichtung oder Anordnung einer erneuten gerichtlichen Überprüfung in Kürze, wenn primär eine kurzzeitige Klinikeinweisung anvisiert ist
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AG_VG_002
AG_VG
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AG_VG_002_-Kindes--und-Erwachs_2015-08-25
https://www.ag.ch/media/kanton_aargau/jb/dokumente_6/gesetze___entscheide/gesetze_2/kindes__und_erwachsenenschutz/verwaltungsgericht/EntscheiddesVerwaltungsgerichtsvom25August2015.pdf
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2008 Verwaltungsgericht 256 [...] 43 Anrechnung von Unterhaltsbeiträgen als eigene Mittel. - § 11 Abs. 1 SPV erfasst auch die Ansprüche auf nachehelichen Un- terhalt (Erw. 2.2). - Können vom Unterhaltsverpflichteten mangels Leistungsfähigkeit keine nachehelichen Unterhaltsbeiträge erhältlich gemacht werden oder sind diese nicht durchsetzbar, können auch der unterhaltsbe- rechtigten, Hilfe suchenden Person keine fiktiven Unterhaltsbeiträge als eigene Mittel aufgerechnet werden (Erw. 3). - Eine Kürzung wegen Nichtbefolgung von Weisungen (§ 13 Abs. 2 SPG) kann nur in Frage kommen, wenn den Betroffenen ein Ver- schulden trifft und er durch eine Änderung seines Verhaltens den mit der Weisung verfolgten Zweck auch erreichen kann (Erw. 4.4). Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 3. Dezember 2008 in Sa- chen F.L. gegen das Bezirksamt Rheinfelden (WBE.2008.91). Aus den Erwägungen 2. 2.1. (...) 2.2. Zu den eigenen Mitteln gehören auch die Unterhaltsansprüche der hilfsbedürftigen Person (§ 11 Abs. 1 SPV). Verzichtet eine unter- stützte Person auf eheliche Unterhaltsbeiträge, obwohl der Ehegatte offensichtlich solche leisten könnte, so muss sie sich einen angemes- senen Betrag anrechnen lassen, wobei im Umfang dieses Betrags im Sinne des Subsidiaritätsprinzips keine Bedürftigkeit besteht. Unter- haltsbeiträge dürfen anderseits nur angerechnet werden, wenn die "verzichtende" Person vorher über die Konsequenzen klar informiert wurde. Eine Anrechnung darf nicht erfolgen, wenn fest steht, dass ein Ehegattenunterhalt nicht durchsetzbar oder erhältlich ist (AGVE 2005, S. 298 mit Hinweis; Richtlinien für die Ausgestaltung 2008 Sozialhilfe 257 und Bemessung der Sozialhilfe, hrsg. von der Schweizerischen Kon- ferenz für Sozialhilfe, vom Dezember 2000 [SKOS-Richtlinien], Ka- pitel F.3.2). § 11 Abs. 1 SPV erfasst auch die Ansprüche auf einen nachehelichen Unterhalt. 3. 3.1. Die Angaben der Beschwerdeführerin hinsichtlich der finanziel- len Verhältnisse ihres ehemaligen Ehemannes sind im Verfahren vor dem Bezirksamt unbestritten geblieben und werden auch im vorlie- genden Verfahren nicht bestritten. In der Verfügung des Gerichts- präsidiums Z. vom 30. Januar 2007 in Sachen unentgeltliche Rechts- pflege im ordentlichen Verfahren betreffend Ehescheidung der Bes- chwerdeführerin wird in Ziffer 3 festgehalten, die Beschwerde- führerin erhalte aufgrund mangelnder Leistungsfähigkeit des Ehe- mannes keinen persönlichen Unterhaltsbeitrag. Die unbestrittene Nichtbezahlung und das Alimenteninkasso- und Bevorschussungs- verfahren für Kinderalimente sind weitere Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin von ihrem früheren Ehegatten keinen nach- ehelichen Unterhalt erhältlich machen konnte. Damit ist ausreichend nachgewiesen, dass die Beschwerdeführerin mangels Leistungsfä- higkeit des Unterhaltsverpflichteten keinen nachehelichen Unterhalts erhältlich machen konnte. Im Übrigen unterliegt eine Vereinbarung über die Scheidungs- folgen, zu welchen auch der nacheheliche Unterhalt gehört, gemäss Art. 140 ZGB der gerichtlichen Genehmigung. Diese wird u.a. dann nicht gewährt, wenn ein gänzlicher Verzicht auf Unterhaltsbeiträge trotz Leistungsfähigkeit der anderen Partei dazu führt, dass die ver- zichtende Partei auf Sozialhilfe angewiesen ist (Urs Gloor, in: Basler Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Zivilgesetzbuch I, Art. 1-456 ZGB, 2. Auflage, Basel / Genf / München 2002, Art. 140 N 12). Die Auffassung der Vorinstanz, ein Verzicht auf nacheheli- chen Unterhalt in einer Scheidungskonvention unterliege keiner richterlichen Überprüfung, geht daher fehl. (...) 2008 Verwaltungsgericht 258 3.2. Können vom Unterhaltsverpflichteten mangels Leistungsfähig- keit keine nachehelichen Unterhaltsbeiträge erhältlich gemacht wer- den oder sind diese nicht durchsetzbar, können auch der unterhalts- berechtigten, Hilfe suchenden Person keine fiktiven Unterstützungs- beiträge als eigene Mittel aufgerechnet werden. Weil der (ehemalige) Ehemann der Beschwerdeführerin keine nachehelichen Unterhalts- beiträge leisten konnte, ist die Anrechnung von Fr. 100.-- pro Monat gestützt auf § 11 SPV unzulässig. Unter diesen Umständen muss nicht geprüft werden, ob die übrigen Voraussetzungen für nacheheli- chen Unterhalt gemäss Art. 125 ZGB bei der Beschwerdeführrein vorliegen. 4. 4.1. Der Gemeinderat X. hat der Beschwerdeführerin mit Verfügung vom 7. November 2007 die Auflage bzw. Weisung erteilt, die ihr bei der Trennung zustehenden Unterhaltsansprüche vom Gerichtspräsi- dium prüfen zu lassen. Eine Reduktion der materiellen Hilfe könnte daher - anders als von den Vorinstanzen beurteilt - auf einer Kür- zung der materiellen Hilfe in Anwendung von § 13 Abs. 1 und 2 SPG beruhen, weil die Beschwerdeführerin es unterlassen hat, ihre eheli- chen Unterhaltsansprüche gestützt auf Art. 176 ZGB geltend zu ma- chen. 4.2. Die Voraussetzung für eine Kürzung der materiellen Hilfe we- gen Nichtbefolgung von Anordnungen der Sozialhilfebehörde ist der Erlass einer Weisung oder Auflage in einer ersten Verfügung. Sodann muss die Kürzung vorgängig angedroht werden, wobei die Auflage bzw. Weisung und die Kürzungsandrohung gleichzeitig erlassen werden können (AGVE 2005, S. 285). Schliesslich muss die rechts- kräftige Weisung oder Auflage missachtet worden sein, damit in ei- ner weiteren Verfügung die Kürzung angeordnet werden kann. 4.3. (...) 4.4. Eine Kürzung wegen Nichtbefolgung von Weisungen (§ 13 Abs. 2 SPG) kann nur in Frage kommen, wenn die Beschwerdeführe- 2008 Sozialhilfe 259 rin ein Verschulden trifft und sie durch eine Änderung ihres Verhal- tens den mit der Weisung verfolgten Zweck auch erreichen kann (SKOS-Richtlinien, Kapitel A.8-2). Im Zeitpunkt der angefochtenen Verfügung (23. April 2007) war die Beschwerdeführerin bereits ge- schieden, so dass sie schon aus formellen Gründen keine Begehren um vorsorgliche Massnahmen im Scheidungsurteil und um ehelichen Unterhalt stellen konnte. Infolge der ausgewiesenen Leistungsunfä- higkeit ihres Ex-Mannes während der Dauer des Scheidungsverfah- rens (siehe vorne Erw. 3) waren auch keine ehelichen Unterhaltsbei- träge für die Dauer des verbleibenden Scheidungsverfahrens (No- vember 2006 bis Anfang Februar 2007) erhältlich zu machen. Vor- aussetzung für die Verpflichtung von Unterhaltsbeiträgen im gesam- ten Familienrecht und auch während der Trennungszeit ist die Leis- tungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten. Fehlen diesem die fi- nanziellen Mittel, hat der Unterhaltsberechtigte das Manko zu tragen und allenfalls Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen (BGE 133 III 57 Erw. 3 mit Hinweisen). Unter diesen Umständen kann der Be- schwerdeführerin nicht vorgeworfen werden, dass sie kein gerichtli- ches Massnahmeverfahren einleitete, dessen Aussichtslosigkeit zum vornherein feststand.
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2018 Submissionen 261 23 Wahl der Verfahrensart Bei der Wahl einer nicht den Vorschriften entsprechenden Verfahrensart handelt es sich um einen schwerwiegenden Rechtsmangel, der auch zu be- rücksichtigen ist, wenn er nicht gerügt wird, gegebenenfalls sogar gegen den Willen des Beschwerdeführers. Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 3. Dezember 2018, in Sachen A. GmbH gegen Einwohnergemeinde B. (WBE.2018.416). Aus den Erwägungen 2. 2.1. Nach Art. 5 Abs. 2 BGBM sorgen die Kantone und Gemeinden sowie andere Träger kantonaler und kommunaler Aufgaben dafür, dass die Vorhaben für umfangreiche öffentliche Einkäufe, Dienst- leistungen und Bauten sowie die Kriterien für Teilnahme und Zu- schlag amtlich publiziert werden. Diesem Auftrag ist der Kanton Aargau nachgekommen, indem in § 7 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SubmD vorgesehen ist, dass im offenen oder selektiven Verfahren zu vergebende öffentliche Aufträge öffentlich auszuschreiben sind (§ 12 Abs. 1 und § 34 Abs. 1 SubmD). Gemäss § 8 Abs. 1 SubmD sind Aufträge dann im offenen oder selektiven Verfahren zu vergeben, wenn der geschätzte Wert des Einzelauftrags bei Aufträgen des Bau- hauptgewerbes Fr. 500'000.00 (lit. a) bzw. bei Lieferungen, Dienst- leistungen und Aufträgen des Baunebengewerbes Fr. 250'000.00 (lit. b) erreicht (AGVE 2001, S. 313 f.; 1997, S. 344). Nach § 8 Abs. 2 SubmD sind Aufträge im Einladungsverfahren zu vergeben, wenn der geschätzte Wert des Einzelauftrags bei Aufträgen des Bau- hauptgewerbes Fr. 300'000.00 (lit. a), bei Dienstleistungen und Aufträgen des Baunebengewerbes Fr. 150'000.00 (lit. b) bzw. bei Lieferungen Fr. 100'000.00 (lit. c) übersteigt. § 8 Abs. 3 SubmD re- 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 262 gelt schliesslich die Fälle, in denen ein Auftrag im freihändigen Ver- fahren vergeben werden darf. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts handelt es sich bei der Wahl einer nicht den Vorschriften entsprechenden Verfahrensart um einen derart schweren Rechts- mangel, dass er auch dann zu berücksichtigen ist, wenn er nicht ge- rügt wird, gegebenenfalls sogar gegen den Willen des Beschwerde- führers (AGVE 2001, S. 313; 1997, S. 343 f.; VGE vom 8. Oktober 2014 [WBE.2014.187], S. 9; VGE vom 21. Februar 2014 [WBE.2013.547], S. 14; VGE vom 18. Dezember 2012 [WBE.2012.327], S. 5 f.; VGE vom 18. Dezember 2012 [WBE.2012.429], S. 6 f.; PETER GALLI/ANDRÉ MOSER/ ELISABETH LANG/MARC STEINER, Praxis des öffentlichen Beschaffungsrechts, 3. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2013, Rz. 337). 2.2. Für die Wahl des richtigen Verfahrens massgebend ist einerseits die Art des zu vergebenden Auftrags (Bauauftrag, Lieferung, Dienst- leistung) und anderseits der Wert des konkreten Auftrags bzw. das Auftragsvolumen. Massgebend ist der vor der Ausschreibung ge- schätzte Auftragswert und nicht der Wert des später bei der Vergabe berücksichtigten Angebots. Die Vergabestelle hat somit vorgängig der Ausschreibung des Auftrags eine Schätzung der mutmasslichen Auftragssumme nach sachlichen Kriterien und aufgrund allfälliger Erfahrungswerte vorzunehmen. Es hat sich dabei um eine zuverläs- sige und sorgfältige Schätzung zu handeln. Insbesondere darf dabei, um die Bestimmungen über die Schwellenwerte einzuhalten, nicht zu knapp kalkuliert werden; die Behörde hat sich eher an die obere Bandbreite der Schätzung zu halten (AGVE 2008, S. 197; GALLI/MOSER/LANG/STEINER, a.a.O., Rz. 323 ff.). Die eidgenössi- sche Mehrwertsteuer wird bei der Berechnung des Auftragswerts nicht berücksichtigt (§ 8 Abs. 5 SubmD; AGVE 2008, S. 197). 2.3. Nach Angaben der Vergabestelle wurde das Gesamtvolumen für den BKP 292.0 Bauingenieur Holzbau, [...] im Vorfeld der Erstellung der Unternehmerliste und vor Versand der Offertanfragen vom planenden Büro C. AG ermittelt und mit insgesamt 2018 Submissionen 263 Fr. 309'840.00 eingesetzt. Gestützt auf die Gesamtsumme hat der Ge- meinderat das Einladungsverfahren gemäss § 8, Ziffer 2) Submissionsdekret vorgesehen . Der geschätzte Wert des zu vergebenden Auftrags übersteigt so- mit den Schwellenwert von Fr. 250'000.00, bis zu dem bei Dienst- leistungen ein Einladungsverfahren zulässig ist (vgl. § 8 Abs. 2 lit. b und Abs. 1 lit. b SubmD) deutlich, was die Vergabestelle offenbar übersehen hat. Die Vergabe der Fachplanerleistungen für BKP 292.0 Bauingenieur Holzbau hätte deshalb nach Wahl der Vergabestelle im offenen oder allenfalls im selektiven Verfahren erfolgen müssen, was in beiden Fällen eine vorgängige öffentliche Ausschreibung voraus- gesetzt hätte (§ 8 Abs. 1 lit. b i.V.m. § 7 Abs. 1 und 2 SubmD). Das durchgeführte Einladungsverfahren ist klarerweise dekretswidrig. Daran ändert auch nichts, dass der Zuschlag nur für die (Teil-)Pha- sen 31 - 33 erteilt worden ist. Zu offerieren und damit Gegenstand der Submission waren gemäss den Ausschreibungsunterlagen die (Teil-)Phasen 31 Vorprojekt, 32 Bauprojekt, 33 Baubewilligungsver- fahren, 41 Ausschreibung, 51 Ausführungsplanung, 52 Ausführung, 53 Inbetriebnahme, Abschluss (Leistungsanteil 100 %). Aus diesem Grund ist der an die D. AG erteilte Zuschlag aufzuheben. Damit erübrigt es sich, auf die Rügen der Beschwerdeführerin näher ein- zugehen. Es wird Sache der Vergabestelle sein, den Auftrag in einem den Vorschriften des Submissionsdekrets entsprechenden Verfahren neu zu vergeben.
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2008 Sozialhilfe 253 [...] 42 Weisung betreffend Wohnungssuche nach einem Umzug in eine andere Gemeinde. - Bei einem Umzug in eine andere Gemeinde steht es der neuen Wohn- gemeinde frei, dem Sozialhilfeempfänger erneut die Weisung zu er- teilen, eine günstigere Wohnung zu suchen. Die Kürzung bis zur 2008 Verwaltungsgericht 254 Höhe des richtlinienkonformen Mietzinses darf jedoch nicht bereits mit der Auflage / Weisung erfolgen (Erw. 3.2.2). - Dem Sozialhilfebezüger muss eine genügend grosse Zeitspanne ein- geräumt werden, um den Wohnungswechsel vollziehen zu können (Erw. 3.2.3). Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 3. November 2008 in Sa- chen L.B. gegen das Bezirksamt Baden (WBE.2008.69). Aus den Erwägungen 3. 3.1. (...) 3.2. 3.2.1. Als die Beschwerdeführerin in Z. wohnhaft war, wies sie der Gemeinderat Z. mit Beschluss vom 6. November 2006 an, bis 31. März 2007 eine günstigere Wohnung zu suchen. Den Akten kann nicht entnommen werden, welchen Höchstmietzins der Gemeinderat Z. zu übernehmen bereit war. Nachdem die Beschwerdeführerin per 1. Mai 2007 eine neue Wohnung an der Y-strasse 1a in X. gefunden hatte, war die Gemeinde Z. als bisheriges Sozialhilfeorgan gestützt auf Kapitel C.8 der Richtlinien für die Ausgestaltung und Bemessung der Sozialhilfe, hrsg. von der Schweizerischen Konferenz für Sozial- hilfe, vom Dezember 2000 (SKOS-Richtlinien), verpflichtet, u.a. die Kosten für den ersten Monatsmietzins am neuen Ort, d.h. für den Monat Mai 2007, zu decken. Der Gemeinderat Z. hat dabei den ef- fektiven Mietzins von Fr. 1'270.-- berücksichtigt, was mangels ge- genteiliger Hinweise darauf schliessen lässt, dass der genannte Be- trag den von der Gemeinde Z. vorgegebenen Höchstmietzins nicht überstieg, die Beschwerdeführerin der ihr am 6. November 2006 auf- erlegten Weisung mit dem Bezug einer Wohnung im Betrag von Fr. 1'270.-- somit nachkam. Nicht der Beschwerdeführerin angelastet werden kann der Umstand, dass die Gemeinde Z. offenbar nicht ab- 2008 Sozialhilfe 255 geklärt hatte, ob der künftige Mietzins den Mietzinsrichtlinien der Gemeinde X. entspricht (vgl. SKOS-Richtlinien, Kapitel B.3). 3.2.2. Liegt der Mietzins der neuen Wohnung der Beschwerdeführerin über dem in X. anrechenbaren Höchstmietzins, so steht es der So- zialbehörde X. frei, der Beschwerdeführerin nach ihrem Umzug in die Gemeinde X. erneut die Auflage / Weisung zu erteilen, sie habe eine günstigere Wohnung gemäss den Mietzinsrichtlinien der Ge- meinde X. zu suchen, widrigenfalls der anrechenbare Mietzins ge- kürzt werde. Mit (rechtskräftigem) Beschluss vom 25. Juni 2007 hat der Gemeinderat X. der Beschwerdeführerin denn auch die Auflage / Weisung erteilt, sich gemäss den kommunalen Mietzinsrichtlinien intensiv um eine 3- bis 3 1⁄2-Zimmerwohnung für maximal Fr. 1'100.-- inkl. Nebenkosten zu bemühen und sich über die Woh- nungssuche monatlich bei der Jugend- und Familienberatungsstelle Baden schriftlich auszuweisen, widrigenfalls die Sozialhilfe gekürzt werden könne. Gestützt darauf hat das Bezirksamt mit Entscheid vom 17. Dezember 2007 den Vollzug der Kürzung des Mietzinses auf Fr. 1'100.-- verfügt. Hingegen war es unzulässig, mit der Auflage / Weisung direkt die Kürzung zu verbinden resp. anstelle einer Kür- zung bis zur Höhe des richtlinienkonformen Mietzins die Übernahme jeglicher Wohnungskosten zu verweigern. 3.2.3. Dem Sozialhilfebezüger muss im Zusammenhang mit einer Auflage / Weisung betreffend Wohnungssuche eine genügend grosse Zeitspanne eingeräumt werden, um den Wohnungswechsel vollzie- hen zu können. Eine solche Frist hat weder der Gemeinderat X. im Beschluss vom 25. Juni 2007 noch das Bezirksamt Baden im Ent- scheid vom 17. Dezember 2007 angesetzt. Der Beschwerdeführerin war damit aufgrund des besagten Beschlusses nicht klar, innert wel- cher Frist sie eine Wohnung suchen und insbesondere dass sie durch eine Änderung ihres Verhaltens den Vollzug der angedrohten Kür- zung verhindern kann. Vor diesem Hintergrund erweist sich der vom Bezirksamt vorgenommene Vollzug der Kürzung der Mietkosten auf Fr. 1'100.-- als unrechtmässig, weshalb Ziff. 2 des Entscheids des 2008 Verwaltungsgericht 256 Bezirksamts Baden vom 17. Dezember 2007 in teilweiser Gutheis- sung der Beschwerde aufzuheben ist.
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AG_VG_001
AG_VG
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AG_VG_001_AGVE-2008-42_2008-11-04
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2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 68 6 Fahreignungsabklärung wegen psychischer Störung (rezidivierende oder phasenhaft verlaufende erhebliche affektive Störung im Sinne von An- hang 1 der VZV) Differenzierte Anordnung für den Führerausweis für die erste und die zweite medizinische Gruppe Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 22. März 2018, in Sachen B. gegen das Strassenverkehrsamt des Kantons Aargau und das Departement Volkswirtschaft und Inneres (WBE.2017.436). Aus den Erwägungen II. 2. 2.1. Gemäss dem angefochtenen Entscheid bestehen aufgrund des Austrittsberichts der Klinik X. und der Einnahme von Trittico retard Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer an einer fahreig- nungsrelevanten depressiven Störung leiden könnte. Gleiches gelte für die emotional instabile Persönlichkeitsstörung. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung sei überdies zu berücksichtigen, dass beim Be- schwerdeführer bereits einmal eine Kokainabhängigkeit diagnosti- ziert worden sei, auch wenn er gegenwärtig abstinent lebe. Was die bundesgerichtliche Praxis anbelangt, wonach eine Fahreignungsbegutachtung in der Regel mit einem vorsorglichen Führerausweisentzug zu verbinden ist, so verweist die Vorinstanz auf das Urteil des Bundesgerichts vom 19. Mai 2017 (1C_13/2017), in dem bestätigt werde, dass es Konstellationen gebe, in denen eine Fahreignungsuntersuchung angeordnet werden müsse, ohne dass der betroffenen Person der Führerausweis vorsorglich entzogen werde. Vorliegend sei der Führerausweis aufgrund des Prinzips der Verhält- nismässigkeit nicht zu entziehen. So habe sich der Beschwerdeführer im Strassenverkehr nichts zu Schulden kommen lassen und bestün- den keine Hinweise für einen aktuellen Kokainkonsum. 2018 Strassenverkehrsrecht 69 In seiner Stellungnahme vom 7. Februar 2018 macht das DVI überdies geltend, dass der Bericht von Dr. med. S. eine ver- kehrsmedizinische Untersuchung nicht zu ersetzen vermöge, weil sie nicht über den Titel VerkehrsmedizinerIn SGRM verfüge. Überdies bestünden auch aufgrund des Berichts von Dr. med. S. weiterhin Anhaltspunkte einer fehlenden Fahreignung, so dass eine Begutachtung angezeigt sei. 2.2. Der Beschwerdeführer verweist auf den Leitfaden Verdachts- gründe fehlender Fahreignung und führt aus, dass gemäss diesem aufgrund psychischer Erkrankungen lediglich auf Mitteilung eines Arztes die Fahreignung abzuklären sei oder wenn die Polizei Symp- tome einer psychischen Erkrankung wie Halluzinationen, Wahnvor- stellungen oder Manien feststelle. Beides sei vorliegend nicht der Fall. Gemäss ärztlichem Attest vom 31. März 2017 sei der Beschwer- deführer geeignet, Fahrzeuge zu führen. Auch die Polizei habe keine Zweifel an der Fahreignung geäussert. Was den Kokainkonsum anbe- lange, so sei dies willkürlich. Die damit zusammenhängenden Auf- lagen seien im Jahr 2009 aufgehoben worden und der Beschwer- deführer lebe seit neun Jahren abstinent. Gemäss dem Bundesgericht sei überdies eine verkehrsmedi- zinische Abklärung mit einem vorsorglichen Führerausweisentzug zu verbinden. Allerdings hätten die Vorinstanzen nicht schlüssig begrün- det, weshalb vorliegend ausnahmsweise von dieser Parallelität abge- wichen werden könne. Insbesondere im Urteil des Bundesgerichts vom 2. Juni 2017 (1C_144/2017) werde aufgezeigt, dass die Ein- schätzung, das Risiko sei kurz- und mittelfristig tragbar, nicht aber langfristig, nicht nachvollziehbar sei. Bestehe ein ernsthafter Grund für eine Fahreignungsabklärung wegen einer psychischen Erkran- kung, so würde die Gefährdung sofort bestehen. In seiner Stellungnahme vom 1. Februar 2018 macht der Be- schwerdeführer überdies geltend, dass gemäss dem eingereichten Arztbericht vom 12. Januar 2018 keine Anzeichen für eine fehlende Fahreignung bestehen. Trotz der zehnjährigen Problematik sei der Beschwerdeführer grundsätzlich nie negativ im Strassenverkehr aufgefallen. Seit der Geschwindigkeitsüberschreitung seien nun be- 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 70 reits wieder eineinviertel Jahre verstrichen, ohne dass der Beschwer- deführer negativ aufgefallen wäre. 3. 3.1. Führerausweise werden entzogen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung nicht oder nicht mehr bestehen (Art. 16 Abs. 1 SVG), u.a. wenn die körperliche oder geistige Lei- stungsfähigkeit einer Person nicht mehr ausreicht, um ein Motor- fahrzeug sicher zu führen (Art. 16d Abs. 1 lit. a SVG). Bestehen Zweifel an der Fahreignung einer Person, so wird diese einer Fahreignungsuntersuchung unterzogen (Art. 15d Abs. 1 SVG, Art. 28a Abs. 1 VZV). Eine Fahreignungsabklärung in der Form einer Verpflichtung zu einer fachärztlichen Begutachtung auf eigene Kosten (und unter Androhung eines vorsorglichen Sicherungsentzugs des Führerausweises bei Nichtbezahlen des Kostenvorschusses) muss sich somit auf einen genügenden Anlass stützen und verhältnismässig sein, d.h., es müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen, wonach der Betroffene ein besonderes Risiko für die Verkehrssicherheit darstellt. In Art. 15d Abs. 1 SVG sind exemplarisch und damit in nicht ab- schliessender Weise ( namentlich ) die einzelnen Tatbestände aufge- zählt, welche Zweifel an der Fahreignung begründen. Liegt kein Sondertatbestand im Sinn von lit. a-e von Art. 15d Abs. 1 SVG vor, kann die Fahreignungsabklärung auch gestützt auf die in dieser Be- stimmung enthaltene Generalklausel angeordnet werden. 3.2. 3.2.1. In Anhang 1 der VZV wird die medizinische Mindestanforde- rung gestellt, Keine erheblichen Persönlichkeitsstörungen, insbeson- dere keine ausgeprägten dissozialen Verhaltensstörungen . Was Persönlichkeitsstörungen anbelangt, so sind unter ver- kehrsmedizinischen Gesichtspunkten die schizoide, die emotional instabile, vor allem aber die dissoziale Persönlichkeitsstörung von Interesse. Als Adressaten einer Expertise zu den Fahreignungs- voraussetzungen kommen in erster Linie Personen mit dissozialer, aber auch anderer Persönlichkeitsstörungen in Betracht, die in ihrem Verhalten im Strassenverkehr, der allgemeinen Legalbewährung und 2018 Strassenverkehrsrecht 71 den persönlichen Lebensumständen konstant verantwortungslos handeln, ihre eigenen Interessen rücksichtslos ausleben und nicht vor Anwendung von Gewalt zurückschrecken. Wichtig ist dabei der Gesichtspunkt, dass die meisten Dissozialen im Laufe ihres Lebens für ihr Verhalten wiederholt sanktioniert wurden, indessen daraus keine Änderungen im Verhalten entstanden (MICHAEL RÖSLER/KONSTANZE D. RÖMER, in: BURKHARD MADEA/FRANK MUSSHOFF/GÜNTER BERGHAUS [Hrsg.], Verkehrsmedizin, 2. Aufl., Köln 2012, S. 429 f.; vgl. auch VOLKER DITTMANN, Psychische Stö- rungen und Fahreignung, in: Handbuch der verkehrsmedizinischen Begutachtung, Bern/Göttingen/Toronto/Seattle 2005, S. 53). 3.2.2. Gemäss dem Austrittsbericht der Klinik X. vom 3. November 2016 weist der Beschwerdeführer emotional instabile und ängstlich- vermeidende Persönlichkeitszüge auf, wobei ICD-10 F60.8 als Diagnose angefügt wird. Hier ist darauf hinzuweisen, dass die ICD- 10-Codierung F60.8 andere spezifische Persönlichkeitsstörungen lautet (HORST DILLING/HARALD J. FREYBERGER, Taschenführer zur ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen, 8. Aufl., Bern 2016, S. 246 f.), wohingegen im Austrittsbericht lediglich von emotional instabilen und ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitszügen die Rede ist. Somit ist unklar, ob überhaupt eine Diagnose mit Krank- heitswert vorliegt, muss doch davon ausgegangen werden, dass mit der Verwendung des Begriffs Persönlichkeitszüge angedeutet wird, dass lediglich einzelne Aspekte dieser Erkrankung vorliegen, jedoch nicht alle für die Diagnose relevanten Kriterien erfüllt sind. Unabhängig von der Frage, wie es sich mit der Diagnose ver- hält, ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer bis anhin durch sein Verhalten im Strassenverkehr nicht übermässig aufgefallen ist, womit kein Anlass für eine Fahreignungsbegutachtung aufgrund seiner emotional instabilen und ängstlich-vermeidenden Persönlichkeits- züge besteht. 3.3. 3.3.1. Gemäss Anhang 1 der VZV (Medizinische Mindestanforde- rungen) wird in Bezug auf psychische Störungen festgehalten: 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 72 Keine manische oder erhebliche depressive Symptomatik und in Bezug auf die zweite medizinische Gruppe wird überdies gefordert: Keine rezidivierenden oder phasenhaft verlaufende erhebliche affektive oder schizophrene Störungen . Aus der verkehrsmedizinischen Literatur ergibt sich, dass depressive Störungen zu den häufigsten psychiatrischen Erkran- kungen in der Bevölkerung gehören. Bisher sind keine epidemiologi- schen Daten verfügbar, die anzeigen würden, dass vom Personen- kreis depressiv gestörter Menschen ein generelles erhöhtes Risiko für Fehlverhalten im Strassenverkehr ausgehen könnte (RÖSLER/RÖMER, a.a.O., S. 424). Personen, die an akuten Manien, akuten schweren Depressionen mit oder ohne Psychose leiden, erfüllen die Fahreig- nungsvoraussetzungen der Kraftfahrzeuge aller Gruppen nicht mehr. Nach Abklingen der manischen oder depressiven Episoden sind in der Regel keine Bedenken hinsichtlich der Fahreignungsgegeben- heiten mehr begründbar. Nach mehreren manischen und/oder de- pressiven Episoden können die Fahreignungsvoraussetzungen für Kraftfahrzeuge der Gruppe 2 nicht mehr bejaht werden. Im Fall der Kraftfahrzeug-Gruppe 1 bleibt nach mehreren depressiven und/oder manischen Episoden die Fahreignungsprognose ungünstig, wenn keine Symptomfreiheit vorliegt und die vorhandenen therapeutischen und rezidivprophylaktischen Möglichkeiten nicht ausgeschöpft wer- den. Hingegen können die Eignungsvoraussetzungen auch nach wie- derholten manischen und/oder depressiven Episoden bejaht werden, wenn eine ausreichende Symptomreduktion erzielt wurde und eine kontinuierliche fachärztliche Behandlung mit Rezidivprophylaxe gesichert ist (RÖSLER/RÖMER, a.a.O., S. 426). Auch nach AFFLERBACH/EBNER/DITTMANN zählen rezidivierende Verläufe zu den schweren Depressionen und schliessen die Fahreignung aus. Gleiches gilt für alle Ausprägungsarten bipolarer Störungen. Die Eig- nung für höhere Fahrausweiskategorien ist demnach nach dem ersten Rezidiv einer eindeutig manischen oder zumindest mittelgradig depressiven Episode grundsätzlich nicht mehr gegeben (TILL AFFLERBACH/GERHARD EBNER/VOLKER DITTMANN, Fahreignung und psychische Störungen, in: Schweiz Med Forum 2004, S. 704). Gemäss DITTMANN ist bei rezidivierenden depressiven Störungen 2018 Strassenverkehrsrecht 73 und insbesondere bei bipolaren (manisch-depressiven) Erkrankungen eine sorgfältige Beurteilung des Verlaufs erforderlich. Hier kommt für die Wiederzulassung einer phasenprophylaktischen Medikation besondere Bedeutung zu. Deren Auswirkung ist ebenso wie die einer antidepressiven Pharmakotherapie zu berücksichtigen. Bei ungüns- tigem Verlauf, vor allem beim Auftreten mehrerer manischer oder schwerer depressiver Phasen mit kurzen Intervallen und bei nicht vorhandener Phasenprophylaxe ist auch bei symptomfreiem Zustand die Fahreignung grundsätzlich nicht gegeben. Zur Beurteilung des Verlaufs ist eine ausreichende Beobachtungszeit von in der Regel mindestens einem Jahr nach weitgehender Symptomfreiheit erforder- lich. Durch die medikamentöse Langzeitprophylaxe kann das Wiederauftreten von Phasen meist zuverlässig unterdrückt werden. Nach einer entsprechenden Grundeinstellung und Beobachtungszeit können Fahrzeuglenker mit diesen Störungen wieder zugelassen wer- den, im Rahmen einer medikamentösen Prophylaxe bei rezidivieren- den schweren depressiven oder manisch-depressiven Erkrankungen sind jedoch regelmässige Kontrollen inklusive der entsprechenden Blutspiegelbestimmungen erforderlich. Wegen des erhöhten Risikos ist nach dem ersten Rezidiv (eindeutige manische oder mindestens mittelgradige depressive Episode) eine Zulassung zur ersten und zur zweiten Gruppe nicht mehr möglich (DITTMANN, a.a.O., S. 51 f.). 3.3.2. Dem Austrittsbericht der Klinik X. vom 3. November 2016 kann entnommen werden, dass der Beschwerdeführer bei Eintritt in die Klinik unter einer rezidivierenden depressiven Störung (ICD-10 F33.1) litt. Bei Eintritt in die Klinik X. Mitte Juli 2016 wies der Be- schwerdeführer auf dem Beck-Depressions-Inventar (BDI) zwanzig Punkte auf, was einer mittelschweren Depression entspricht, wohin- gegen er bei Austritt am 1. September 2016 noch zwei Punkte er- reichte , was keiner Depression mehr entspricht. Die aktuell behan- delnde Ärztin stellte hingegen die Verdachtsdiagnose einer bipolaren Störung des Typs II, gegenwärtig schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome (ICD-10 F31.4), weshalb sie auch die medi- kamentöse Behandlung im Oktober 2017 anpasste. Anfang Novem- ber 2017 kam es zu einer depressiven Episode, die der Beschwer- 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 74 deführer als stark und intensiv erlebt habe. In der Folge wurde Lamotrigin aufdosiert, so dass seit Ende Dezember 2017 die Stimmung des Beschwerdeführers stabil ist. Die Compliance des Be- schwerdeführers stuft die Ärztin in Bezug auf die Einnahme der Medikamente als gut ein, was sie auch mittels Spiegelbestimmungen bestätigen konnte. 3.3.3. Aufgrund des Umstands, dass der Beschwerdeführer über Füh- rerausweis-Kategorien beider medizinischen Gruppen verfügt, ist in der Folge zwischen diesen beiden Gruppen zu differenzieren. 3.3.3.1. Was die Führerausweis-Kategorien der ersten medizinischen Gruppe anbelangt, so kann nach einer Grundeinstellung und Beobachtungszeit ein Fahrzeuglenker wieder zugelassen werden, wobei allerdings im Rahmen einer medikamentösen Prophylaxe regelmässige Kontrollen inklusive der entsprechenden Blutspiegel- bestimmungen erforderlich sind (DITTMANN, a.a.O., S. 52; RÖSLER/RÖMER, a.a.O., S. 426). Die Grundeinstellung ist beim Be- schwerdeführer erfolgt, so ist er gemäss dem Bericht der Psychiaterin Dr. med. S. stabil, er begibt sich wöchentlich bis zweiwöchentlich in die Psychotherapie und nimmt regelmässig ein Antidepressivum so- wie ein stimmungsstabilisierendes Medikament ein. Damit erübrigt sich eine Fahreignungsbegutachtung. Allerdings ist davon auszu- gehen, dass nach einer Fahreignungsbegutachtung - wäre eine solche zu Beginn der Erkrankung erfolgt - Auflagen in Bezug auf die Therapie (regelmässige Psychotherapie) sowie die Medikation (Re- zidivprophylaxe und Kontrolle der Einnahme mittels Bestimmungen des Blutspiegels) verfügt worden wären. Insbesondere da die medi- kamentöse Langzeitprophylaxe (Lamotrigin) erst vor relativ kurzer Zeit eingestellt worden ist, ist die Fortführung der psychiatrischen Therapie inkl. Medikation und Spiegelbestimmung mit einer Auflage sicherzustellen. Die Beschwerde ist in Bezug auf die Führerausweis- Kategorien der ersten medizinischen Gruppe somit teilweise be- gründet und das Verfahren zur Verfügung von Auflagen an das Strassenverkehrsamt zurück zu weisen. 3.3.3.2. 2018 Strassenverkehrsrecht 75 Was die zweite medizinische Gruppe anbelangt, so dürfen ge- mäss Anhang 1 der VZV keine rezidivierenden oder phasenhaft ver- laufende erhebliche affektive oder schizophrene Störungen vorliegen. Der Grund für die deutlich höheren medizinischen Mindestanfor- derungen besteht darin, dass bei Bus-, Lastwagen- und Taxilenkern eine viel höhere Leistungsreserve als bei Personenwagenlenkern ver- langt wird, da Berufsfahrer oftmals auch bei schwierigen Fahrbe- dingungen ein Fahrzeug lenken müssen, es sich um schwere Gefährte mit erheblichem Gefahrenpotential handelt oder weil Personen oder Gefahrengüter befördert werden (vgl. ROLF SEEGER, Die periodische medizinische Überprüfung der Fahreignung bei Seniorinnen und Senioren und bei Inhabern von höheren Führerausweiskategorien [Kontrolluntersuchungen] - Problematik aus Sicht der Verkehrs- medizin, in: RENÉ SCHAFFHAUSER [Hrsg.], Jahrbuch zum Strassen- verkehrsrecht 2009, St. Gallen 2009, S. 102 f.). Zwar bestanden gemäss dem ärztlichen Attest vom 31. März 2017 der Klinik Y. im damaligen Zustandsbild keine Anhaltspunkte für eine Einschränkung der Fahrtauglichkeit. Zu dieser Einschätzung ist allerdings festzu- halten, dass diese Beurteilung von einem Arzt und einer Psychologin stammt, die nicht die Anforderungen an einen Arzt der Stufe 4 erfüllen (vgl. Art. 5abis Abs. 1 lit. d i.V.m. Art. 5b Abs. 4 VZV). Überdies stammt die Einschätzung vom damals behandelnden Arzt, der aufgrund seiner auftragsrechtlichen Vertrauensstellung nicht unabhängig ist (vgl. BGE 125 V 351, Erw. 3b)cc). In Anbetracht der Umstände, dass der Beschwerdeführer an einer rezidivierenden depressiven Störung litt (Austrittsbericht der Klinik X. vom 3. November 2016) und dass die aktuell behandelnde Ärztin die Verdachtsdiagnose einer bipolaren Störung stellt, liegt eine rezidi- vierende oder phasenhaft verlaufende erhebliche affektive Störung im Sinne von Anhang 1 der VZV vor, womit die Fahreignung des Beschwerdeführers in Frage gestellt und die Anordnung der Fahr- eignungsbegutachtung gerechtfertigt ist. Somit braucht vorliegend nicht beurteilt zu werden, ob aufgrund der Medikation die Fahr- eignung zusätzlich in Frage steht. 3.3.4. 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 76 Zusammenfassend bestehen aufgrund der Aktenlage in Bezug auf die Führerausweis-Kategorien der ersten medizinischen Gruppe keine Zweifel, welche die Anordnung einer verkehrspsychiatrischen Begutachtung rechtfertigen würden; allerdings wird das Strassen- verkehrsamt Auflagen zu verfügen haben. In Bezug auf die Führer- ausweis-Kategorien der zweiten medizinischen Gruppe hingegen ist die Anordnung der Fahreignungsbegutachtung gerechtfertigt und die Beschwerde in Bezug auf diesen Punkt abzuweisen.
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2002 Disziplinarrecht (Anwälte, Notare) 361 XI. Disziplinarrecht 85 Entzug des Rechts zur Berufsausübung als Anwalt. - Übergangsrecht: Verhältnis des kantonalen Anwaltsgesetzes zum BGFA (Erw. 1). - Der Entzug des Rechts zur Berufsausübung ist verhältnismässig, wenn der Anwalt nach seinem bisherigen Verhalten nicht mehr ver- trauenswürdig ist und eine Disziplinarstrafe keine dauerhafte Besse- rung verspricht (Erw. 2-5). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 18. September 2002 in Sachen Fürsprecher X. gegen Entscheid der Anwaltskommission. Sachverhalt Die Anwaltskommission entzog Fürsprecher X. das Recht zur Berufsausübung. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Verwaltungsgericht abgewiesen. Aus den Erwägungen 1. Am 1. Juni 2002 ist das Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (BGFA; SR 935.61) vom 23. Ju- ni 2000 in Kraft getreten. Dieses enthält keine übergangsrechtliche Regelung bezüglich des anwendbaren Rechts auf hängige Diszipli- narverfahren. Es verwirklicht einerseits die Freizügigkeit der Anwäl- tinnen und Anwälte mit Hilfe von kantonalen Registern; andererseits vereinheitlicht es als Folge dieser Freizügigkeit gewisse Aspekte der Ausübung des Anwaltsberufs, insbesondere im Bereich der Berufsregeln und Disziplinaraufsicht. Die Anwaltstätigkeit wird dadurch aber nicht abschliessend normiert. Den Kantonen bleibt das 2002 Verwaltungsgericht 362 Recht gewahrt, die Anforderungen an den Erwerb des Anwaltspa- tents festzulegen (Art. 3 Abs. 1 BGFA). Sie sind bei der Umschrei- bung dieser persönlichen und fachlichen Voraussetzungen an sich frei; das BGFA umschreibt lediglich die minimalen Voraussetzungen, damit ein kantonales Anwaltspatent in der ganzen Schweiz anerkannt werden muss (Isaak Meier, Bundesanwaltsgesetz - Probleme in der Praxis, in: Plädoyer 2000, S. 31 f.). Da es im vorliegenden Fall letztlich um eine Disziplinar massnahme bzw. um die Frage geht, ob der Beschwerdeführer die persönlichen Voraussetzungen für eine einwandfreie Berufsausübung noch erfüllt, stellt sich die Frage nach dem intertemporalen Recht auf Grund der besagten Weitergeltung des grundsätzlich strengeren, kantonalen Rechts nicht. (Wie es sich mit dem intertemporalen Recht bei der Verhängung von Disziplinar- strafen verhält, ist hier nicht zu prüfen.) Zur Anwendbarkeit des kantonalen Rechts kommt man auch, wenn man auf die allgemeinen Grundsätze zur Anwendung neuen Rechts auf hängige Verfahren abstellt. Danach ist auf hängige Ver- fahren grundsätzlich das Recht anwendbar, welches im Zeitpunkt des erstinstanzlichen Entscheids in Kraft war. Eine Ausnahme ist nur dann zu machen, wenn sich die Anwendung des neuen Rechts aus zwingenden Gründen, vor allem um der öffentlichen Ordnung willen aufdrängt (BGE 125 II 598; AGVE 1999, S. 148 f.; Ulrich Häfe- lin/Georg Müller, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 3. Auflage, Zürich 1998, Rz. 263 ff. mit Hinweisen). Solche zwin- genden Gründe sind vorliegend nicht auszumachen, zumal das BGFA in erster Linie die Freizügigkeit der Anwälte und nicht den Schutz des Publikums bezweckt. 2. a) Verstösse von Anwälten gegen die ihnen obliegenden Pflichten können durch die Anwaltskommission disziplinarisch be- straft werden (§ 23, § 28 AnwG), und zwar, unter Berücksichtigung der Schwere der Verfehlung und allfälliger früherer Disziplinarstra- fen, mit Verweis, Busse bis Fr. 5'000.--, Einstellung im Recht zur Berufsausübung auf eine Dauer bis zu drei Jahren und mit dem Ent- zug des Rechtes zur Berufsausübung (§ 28 Abs. 2 AnwG). Das Recht zur Berufsausübung kann durch die Anwaltskommis- sion nach § 32 Abs. 1 AnwG auch im Sinne einer Massnahme entzo- 2002 Disziplinarrecht (Anwälte, Notare) 363 gen werden, wenn die Voraussetzungen zur einwandfreien Berufs- ausübung nicht mehr erfüllt sind, so namentlich bei Verurteilungen wegen Verbrechen und Vergehen, sofern die Art und Schwere der Tat sowie das Verschulden den Anwalt als nicht mehr vertrauenswürdig erscheinen lassen (lit. a), bei verschuldeter fruchtloser Pfändung oder Konkurseröffnung (lit. b), bei Fehlen der vorgeschriebenen Berufs- haftpflichtversicherung (lit. c) sowie generell, wenn ein Anwalt of- fensichtlich unfähig geworden ist, den Beruf auszuüben (lit. d). Mit dem Kriterium der mangelnden Vertrauenswürdigkeit rückt das Ge- setz § 32 Abs. 1 lit. a AnwG in die Nähe der offensichtlichen Unfähigkeit im Sinne von lit. d dieser Bestimmung. b) Die Vorinstanz stützte ihren Entscheid auf § 32 Abs. 1 lit. a AnwG. Sie begründete dies einerseits mit konkreten Vorfällen, ande- rerseits mit der prekären finanziellen Situation und der Unfähigkeit, die Geschäftstätigkeit als selbstständiger Anwalt sinnvoll und effizi- ent zu organisieren, was zum Verlust der Vertrauenswürdigkeit ge- führt habe. 4. a) Mit der rechtskräftigen Verurteilung wegen Betrugs ist die entsprechende Voraussetzung des § 32 Abs. 1 lit. a AnwG (Verurtei- lung wegen eines Verbrechens) unstreitig erfüllt. Der Vorfall belastet den Beschwerdeführer stark. Zwar bezeichnete das Obergericht sein Verschulden, weil er keine eigenen finanziellen Interessen verfolgte, sondern im (vermeintlichen) Interesse seiner Mandantin handelte, noch als relativ leicht. Es betonte aber gleichzeitig, er habe seine Vertrauensstellung als Anwalt schamlos ausgenützt. Dies ist im Rahmen von § 32 Abs. 1 lit. a AnwG von erheblicher Bedeutung, geht es doch darum, ob die Straftat den Anwalt als nicht mehr ver- trauenswürdig erscheinen lässt. b) In den Fällen M. und A. verfügte der Beschwerdeführer über Klientengelder. Er entging der Verurteilung (sc. wegen Veruntreu- ung) einzig deshalb, weil das Obergericht seine Ersatzbereitschaft (vgl. Stefan Trechsel, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkom- mentar, 2. Auflage, Zürich 1997, Art. 138 N 17) bejahte. Jedenfalls aber verletzte der Beschwerdeführer seine Pflichten als Anwalt. Schon dass er die Zahlungen auf sein eigenes Postkonto leitete, war fragwürdig angesichts der Verpflichtung, anvertraute Klientengelder 2002 Verwaltungsgericht 364 besonders sorgfältig aufzubewahren, nicht für eigene Zwecke zu verwenden und ohne Verzug weiterzuleiten (§ 12 der Standesregeln des Aargauischen Anwaltsverbandes [StaRe], Fassung vom 22. Mai 1997; Giovanni Andrea Testa, Die zivil- und standesrechtli- chen Pflichten des Rechtsanwaltes gegenüber dem Klienten, Diss. Zürich 2001, S. 185). Dass er zunächst die Weiterleitung (zumindest soweit die erhaltenen Beträge einen angemessenen Kostenvorschuss überstiegen) und dann die Abrechnung (vgl. § 21 AnwG; Testa, a.a.O., S. 204) trotz mehrfacher Mahnungen in völlig unzumutbarer, pflichtvergessener Weise verschleppte, bedarf keiner weiteren Be- gründung... Besonders bedenklich wirkt der Umstand, dass der Beschwer- deführer auf diese Weise Klienten "hängen liess", die sich schlecht zur Wehr setzen konnten, Frau M. und Frau H. wegen Unbeholfen- heit, Herr A. wegen seines ausländischen Wohnsitzes. Dabei wird nicht übersehen, dass es namentlich beim Letzteren auch dem Ein- satz des Beschwerdeführers zu verdanken sein dürfte, wenn er über die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zu einer ansehnlichen Haft- entschädigung gelangte, doch gab auch dieser Umstand dem Be- schwerdeführer selbstverständlich nicht das Recht, das erstrittene Geld seinem Klienten über so lange Zeit vorzuenthalten. Ebenso bedenklich ist die Tatsache, dass sich der Beschwerdeführer über Bitten und Mahnungen seiner Klienten hinwegsetzte und die Sache erst in Ordnung brachte, als behördliche Verfahren eingeleitet wor- den waren und ihm das Wasser bis zum Halse stand. Im Fall A. kommt erschwerend hinzu, dass der Beschwerdeführer die Auszah- lung davon abhängig machte, dass der Klient seine (auf Grund der Akten jedenfalls nicht über alle Zweifel erhabene) Honorarrechnung akzeptiere, was ein krass standeswidriges Verhalten darstellt. c) Fruchtlose Pfändung oder Konkurseröffnung ist ein eigener Grund zum Entzug der Berufsausübungsbewilligung, sofern der An- walt nicht nachweist, dass er ohne erhebliches Verschulden zah- lungsunfähig geworden ist (§ 32 Abs. 1 lit. b AnwG). Nachdem die Vorinstanz von der Existenz zweier Verlustscheine erfahren hatte, leitete sie ein Verfahren ein und forderte den Beschwerdeführer auf, mitzuteilen, aus welchen Gründen er zahlungsunfähig geworden sei, 2002 Disziplinarrecht (Anwälte, Notare) 365 und sich über seine momentane Schuldensituation auszuweisen. Der Beschwerdeführer liess die auf sein Ersuchen hin erstreckte Frist reaktionslos verstreichen. Bei Ablauf der neu angesetzten letzten Frist teilte er lediglich mit, die ausgestellten Verlustscheine seien durch Verrechnung mit Guthaben aus BVG getilgt worden; die neuen Betreibungen würden nicht zu Verlustscheinen führen; Grund für die momentane Illiquidität seien u.a. grössere Debitorenverluste gewesen (die er indessen in keiner Weise belegte), die er künftig zu vermeiden trachte. Er bemühte sich mit anderen Worten nicht einmal um den Nachweis, dass die Zahlungsunfähigkeit ohne erhebliches Verschul- den eingetreten sei. Im Weiteren kann keine Rede davon sein, dass er sich nachher mit Erfolg um eine Verbesserung seiner finanziellen Situation bemüht hätte. Vielmehr ergibt sich aus dem eingeholten Betreibungsregisterauszug, dass er es auch seither bei Steuerschulden und Schulden gegenüber der Sozialversicherungsanstalt jeweils bis zur Verdienstpfändung kommen liess. 5. a) Eine Disziplinarstrafe im Sinne von § 28 AnwG, wie sie vom Beschwerdeführer beantragt wird, kann von vornherein nur in Betracht kommen, wenn zu erwarten ist, dass sich der Beschwerde- führer in Zukunft einwandfrei verhalten wird. (...) Das klare Resultat der während des Strafverfahrens (sc. durch den Verteidiger und die Berater des Beschwerdeführers) ein- geleiteten Abklärungen und Massnahmen war, dass der Beschwer- deführer die selbstständige Berufstätigkeit aufgeben müsse. Zu dieser Erkenntnis sei er nun auch selber gelangt. Der Beschwerdeführer bestätigte dies in der Folge auch wiederholt gegenüber der Vorins- tanz. Als es Ernst galt, kam er jedoch auf seine früheren Erklärungen zurück und führte aus, er könne sich nicht dazu durchringen, auf die Berufsausübungsbewilligung als Anwalt zu verzichten. Dabei wird sicher die Schwierigkeit, eine neue berufliche Existenz aufzubauen, eine Rolle gespielt haben; vor allem anderen aber wäre die Aufgabe der selbstständigen Anwaltstätigkeit für den Beschwerdeführer ein Beweis seines Scheiterns, was er letztlich nicht akzeptieren kann. c) Das dem Beschwerdeführer vorgeworfene standeswidrige Verhalten erscheint nicht primär als Ausfluss einer unehrenhaften Gesinnung, sondern vielmehr als persönlichkeitsadäquate Reaktion 2002 Verwaltungsgericht 366 auf die lange währende Überforderungssituation. Der Beschwer- deführer konnte sich und seiner Umgebung die Erfolglosigkeit, auch in finanzieller Hinsicht, nicht eingestehen und flüchtete sich in Ver- drängungsmechanismen. Diese hinderten ihn erst recht an der kor- rekten Abwicklung der finanziellen Angelegenheiten (...). Wenn das standeswidrige Verhalten derart klar als persönlich- keitsadäquat erscheint, kann schlechterdings nicht erwartet werden, durch eine Disziplinarstrafe eine Besserung zu erreichen.
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2008 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 205 35 Verhältnismässigkeit der fürsorgerischen Freiheitsentziehung trotz feh- lender Selbst- oder Fremdgefährdung bei sofortiger Rückfallsgefahr im Falle einer Entlassung. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 30. September 2008 in Sachen J.T. gegen die Verfügung des Bezirksarzt-Stellvertreters X. (WBE.2008.295). Aus den Erwägungen 4. 4.1. (...) 4.2. 4.2.1. - 4.2.3. (...) 4.2.4. Für das Verwaltungsgericht steht aufgrund der Krankenge- schichte, der ärztlichen Aussagen und des an der heutigen Verhand- lung gewonnenen Eindrucks fest, dass der Beschwerdeführer nach wie vor behandlungsbedürftig und auch behandlungsfähig ist. Er hat seinen Habitualzustand offensichtlich noch nicht erreicht. Die Ein- schätzung des Beschwerdeführers, er sei stets freundlich und koope- rativ und daher könne er entlassen werden, kann aufgrund seines momentanen - nach wie vor psychotischen und misstrauischen - Zu- standbildes nicht ausreichen, um entlassen zu werden. Eine mildere Massnahme als eine Zurückbehaltung - beispielweise eine ambulante Behandlung - ist unter den gegebenen Umständen noch nicht erfolg- versprechend. Ohne eine Stabilisierung und einem geschützten Um- feld besteht das hohe Risiko, dass der Beschwerdeführer schnell wieder in den gleichen Zustand wie vor der Einweisung fällt. Aus- serhalb der Klinik wird er wieder konfrontiert mit den Menschen, mit 2008 Verwaltungsgericht 206 denen er sich in einem Konflikt wähnt, was der Beschwerdeführer in seinem noch immer instabilen Zustand noch nicht verkraften könnte und was zu baldiger erneuter Eskalation führen würde. Bei dieser Ausgangslage liegt es im eigenen wohlverstandenen Interesse des Beschwerdeführers, dass die stationäre medikamentöse Behandlung optimal eingestellt und konsequent fortgeführt wird. Auch wenn keine akute Fremd- oder Selbstgefährdung (mehr) vorliegt, kann dem Beschwerdeführer die erforderliche persönliche Fürsorge zur Zeit einzig durch die Fortsetzung der stationären Behandlung mit einer kontrollierten regelmässigen Medikation und einem geschützten Um- feld erwiesen werden, ansonsten ein schneller Rückfall mit erneuter Klinikeinweisung vorprogrammiert wäre. Aufgrund seiner misstraui- schen Haltung und der Abneigung gegen die Medikation ist eine pro- fessionelle Nachbetreuung noch nicht sichergestellt. Die früheren Klinikaufenthalte haben aber gezeigt, dass sich der Zustand des Be- schwerdeführers durch eine genügend lange stationäre Behandlung jedes Mal verbesserte, sodass er zwischen den jeweiligen Hospitali- sationen gute Phasen erlebte.
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2014 Migrationsrecht 125 20 Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung; Kantonswechsel; sprachliche Integration - Für den Nachweis einer erfolgreichen sprachlichen Integration im Sinne von Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG und Art. 77 Abs. 4 lit. b VZAE be- darf es nicht zwingend eines Mindestniveaus gemäss Referenzrah- men des europäischen Sprachenportfolios (Erw. 4.3.3.2.). - Im konkreten Fall ist von einer erfolgreichen sprachlichen Integra- tion auszugehen, obwohl nicht nachgewiesen wurde, dass die sprach- lichen Kenntnisse mindestens dem Referenzniveau A2 des euro- päischen Sprachenportfolios entsprechen (Erw. 4.3.3.3.). Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 30. Juni 2014 in Sachen A. gegen das Amt für Migration und Integration (WBE.2012.1033). Aus den Erwägungen 4.3.3.1. Die Vorinstanz begründet die mangelhafte Integration des Be- schwerdeführers schliesslich mit den nicht belegten Deutsch- kenntnissen. Der Beschwerdeführer habe lediglich nachweisen kön- nen, dass er Deutschkurse gebucht bzw. teilweise besucht habe. Indessen fehle ein Zertifikat, welches dem Beschwerdeführer Deutschkenntnisse auf dem Referenzniveau A2 bescheinigt. (...) 4.3.3.2. Der Grad der sprachlichen Integration lässt sich in erster Linie an den zum Erwerb einer Landessprache getätigten Bemühungen so- wie dem Niveau der Sprachkenntnisse messen. Bei der entsprechen- den Beurteilung ist den individuellen Verhältnissen (Analphabetis- mus, Bildungsstand, Arbeitsauslastung, Betreuungspflichten) jeweils Rechnung zu tragen. Weiter sind Nachweise regelmässiger und akti- 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 126 ver Teilnahme an Sprachkursen, bestandene Sprachtests einer aner- kannten Bildungsinstitution oder ein Ausbildungsnachweis bei Schulbesuch in der Schweiz von Bedeutung (vgl. Weisung IV. des Bundesamts für Migration betreffend Integration, Version 1.1.08, Stand 27. März 2013; Ziff. 2.2). Gemäss Rechtsprechung kann gegebenenfalls auch auf die konkrete Lebenssituation abgestellt wer- den. Ist insgesamt davon auszugehen, dass sich die betroffene Person verständlich machen kann und die Sprachkenntnisse in etwa dem so- zio-ökonomischen Umfeld entsprechen, in dem sie sich bewegt, ist dies zu berücksichtigen (vgl. dazu Urteil des Bundesverwaltungsge- richts vom 22. Dezember 2011 [C-2242/2010], Erw. 11.2, mit weite- ren Hinweisen). Hinsichtlich der Anforderungen an das Niveau der Sprachkennt- nisse findet sich in Art. 77 Abs. 4 lit. b VZAE keine Regelung. Dies im Gegensatz zu Art. 62 Abs. 1 lit. b VZAE, gemäss welchem von einer erfolgreichen sprachlichen Integration auszugehen ist, wenn für die am Wohnort gesprochene Landessprache mindestens das Referenzniveau A2 des europäischen Sprachenportfolios nachgewie- sen ist, wobei das verlangte Niveau als Mindestvoraussetzung zu ver- stehen ist (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Februar 2014 [C-2652/2012], Erw. 7.2.3). Art. 62 VZAE legt jedoch die Voraussetzungen fest, welche für die vorzeitige Erteilung einer Nie- derlassungsbewilligung bei erfolgreicher Integration erfüllt sein müs- sen (vgl. Art. 34 Abs. 4 AuG). Im Rahmen von Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG wird demgegenüber nicht die Erteilung einer unbefristeten Anwesenheitsberechtigung erwogen, sondern lediglich die Verlänge- rung einer Aufenthaltsbewilligung. Insofern rechtfertigt es sich nicht, die Anforderungen an den Integrationsgrad gleich hoch anzusetzen. Dies umso weniger, als gemäss Art. 77 Abs. 4 lit. b VZAE betreffend sprachliche Integration lediglich vorausgesetzt wird, dass die be- troffene Person den Willen zum Erwerb der am Wohnort gesproche- nen Landessprache bekundet. Entsprechend bedarf es im vorliegen- den Zusammenhang für eine ausreichende sprachliche Integration nicht zwingend einen Nachweis, dass die sprachlichen Kenntnisse mindestens dem Referenzniveau A2 entsprechen. 2014 Migrationsrecht 127 4.3.3.3. Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer trotz mehrfa- cher Aufforderung kein anerkanntes Zertifikat eingereicht, welches über das Niveau seiner Sprachkenntnisse Aufschluss geben würde. Die behaupteten sprachlichen Fähigkeiten sind damit nicht zweifels- frei belegt, auch wenn er an mehreren Sprachkursen teilgenommen hat. Indessen sind auch nachweislich getätigte Bemühungen um eine sprachliche Integration zu beachten. In dieser Hinsicht ist relevant, dass der Beschwerdeführer zwischen August 2011 und Juli 2012 insgesamt fünf Sprachkurse gebucht hat (Referenzniveaus A2, B1 und B2). Den eingereichten Belegen ist zu entnehmen, dass er an 89 der 150 Lektionen teilgenommen hat. Die vom Beschwerdeführer besuchten Lektionen vermittelten fast ausschliesslich Deutsch des Referenzniveaus B1 und B2, welches über den lediglich elementaren Sprachgebrauch hinausgeht. Allerdings hat der Beschwerdeführer nur an knapp 60 % der gebuchten Lektionen teilgenommen, was die Anzahl der belegten Kurse relativiert. Insgesamt ist mit Blick auf die Sprachkurse dennoch ein gewisser Wille zum Erwerb der Landes- sprache erkennbar. Weiter ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass es dem Be- schwerdeführer offenbar ohne nennenswerte Verständigungsprob- leme möglich ist, seiner Tätigkeit als Barmitarbeiter nachzugehen und sein Arbeitgeber äussert sich positiv über seine Sprachkennt- nisse. Auch zuvor waren die sprachlichen Fähigkeiten des Beschwerdeführers für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit jeweils ausreichend. Es ist daher davon auszugehen, dass sich der Be- schwerdeführer seinem gesellschaftlichen und beruflichen Niveau entsprechend auf Deutsch verständigen kann. Insgesamt hat der Beschwerdeführer zwar keine objektive Be- wertung seiner Deutschkennnisse vornehmen lassen. Indessen hat er mit der Belegung und mehrheitlich aktiven Teilnahme an Sprachkur- sen gewisse Bemühungen zur sprachlichen Integration nachgewie- sen. Weiter sind seine sprachlichen Fähigkeiten seit mehreren Jahren für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit jeweils ausreichend. Bei einer ganzheitlichen Betrachtung ist daher auch in sprachlicher Hin- 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 128 sicht von einer erfolgreichen Integration im Sinne von Art. 50 Abs. lit. a AuG auszugehen.
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2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 144 14 Widerruf der Niederlassungsbewilligung; Verhältnismässigkeitsprüfung - Bemessung des öffentlichen Interesses bei Straffälligkeit mit kultu- rellem Hintergrund (Erw. 3.2.2) - Bemessung des privaten Interesses insbesondere mit Blick auf die Aufenthaltsdauer (Erw. 3.3) Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 7. November 2018, in Sachen A. A. gegen Amt für Migration und Integration (WBE.2017.391). Sachverhalt A. Der Beschwerdeführer reiste am 20. April 1991 im Alter von 15 Jahren in die Schweiz ein und erhielt im Rahmen des Fami- liennachzugs eine Niederlassungsbewilligung zum Verbleib bei seinen Eltern (Akten des Amts für Migration und Integration [MI-act.] 3 ff.). Am 11. Mai 1993 wurde der Beschwerdeführer mit Strafbefehl der Jugendanwaltschaft des Kantons X. wegen Widerhandlung gegen das ANAG zu einer Busse von CHF 60.00 verurteilt (MI-act. 17). 2018 Migrationsrecht 145 Der Beschwerdeführer heiratete am 29. September 1993 B. B., mit welcher er drei Kinder hat (C., geboren 1993; D., geboren 1995; und E., geboren 2000). Am 12. Februar 1997 wurde der Beschwerdeführer mit Straf- befehl des Bezirksamts Y. wegen Widerhandlung gegen das SVG zu einer Busse von CHF 500.00 verurteilt (MI-act. 24). Mit Urteil des Bezirksgerichts Z., Strafgericht, vom 22. Januar 2014 wurde der Beschwerdeführer wegen mehrfacher Drohung, mehrfacher Körperverletzung, mehrfacher Beschimpfung, Sachbe- schädigung sowie Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je CHF 100.00 sowie einer Busse von CHF 500.00 verurteilt, wobei der Vollzug der Freiheits- strafe und der Geldstrafe, unter Ansetzung einer Probezeit von vier Jahren, aufgeschoben wurde (MI-act. 67 ff.). Am 14. Oktober 2015 hob das Bezirksgericht Z., Strafgericht, Dispositivziffer 5 seines Urteils vom 22. Januar 2014, womit dem Beschwerdeführer unter- sagt worden war, während der Probezeit seine Tochter C. und seine Schwester F. F.-A. in irgendeiner Weise zu kontaktieren oder sich ihnen um mehr als 200 Meter zu nähern, ersatzlos auf (MI-act. 102 ff.). Das MIKA gewährte dem Beschwerdeführer am 16. Dezember 2016 das rechtliche Gehör betreffend Widerruf seiner Niederlas- sungsbewilligung und Wegweisung aus der Schweiz (MI-act. 84 f.). Der Beschwerdeführer, vertreten durch seinen damaligen Rechtsver- treter, reichte dem MIKA am 10. März 2017 seine Stellungnahme ein (MI-act. 119 ff.). Mit Verfügung vom 27. April 2017 widerrief das MIKA die Niederlassungsbewilligung des Beschwerdeführers und wies ihn aus der Schweiz weg (MI-act. 128 ff.). B. Gegen diese Verfügung liess der Beschwerdeführer mit Eingabe seiner Rechtsvertreterin vom 24. Mai 2017 beim Rechtsdienst des MIKA (Vorinstanz) Einsprache erheben (MI-act. 152 ff.). Mit Verfü- gung vom 4. Juli 2017 nahm die Vorinstanz weitere Sachverhaltsab- klärungen vor (MI-act. 173 f.). 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 146 Am 21. August 2017 erliess die Vorinstanz folgenden Ein- spracheentscheid (act. 1 ff.): 1. Die Einsprache wird abgewiesen. 2. Es werden keine Gebühren erhoben. 3. Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen. Auf die Begründung wird, soweit erforderlich, in den folgenden Erwägungen eingegangen. C. Mit Eingabe seiner Rechtsvertreterin vom 20. September 2017 erhob der Beschwerdeführer beim Verwaltungsgericht des Kantons Aargau (Verwaltungsgericht) Beschwerde und stellte folgende An- träge (act. 13 ff.): 1. Der Entscheid der Beschwerdegegnerin vom 21. August 2017 sei vollumfäng- lich aufzuheben. 2. Die dem Beschwerdeführer am 3. Juni 1991 erteilte und letztmals am 16. April 2013 verlängerte Niederlassungsbewilligung sei i.S.v. Art. 34 i.V.m. Art. 63 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 62 Abs. 1 lit. b AuG zu verlängern und von ei- ner Wegweisung aus der Schweiz sei abzusehen. 3. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Beschwerdegegnerin. Die Begründung ergibt sich, soweit erforderlich, aus den nachstehenden Erwägungen. D. Nach fristgerechtem Eingang des Kostenvorschusses (act. 29 f.) wurde die Beschwerde mit Instruktionsverfügung vom 9. Oktober 2017 der Vorinstanz zur Vernehmlassung und Einreichung aller mig- rationsamtlichen Akten zugestellt. Gleichzeitig wurden die Strafakten des Strafurteils des Bezirksgerichts Z. gegen den Beschwerdeführer vom 22. Januar 2014 beigezogen und wurde das Bezirksgericht Z. ersucht, dem Verwaltungsgericht die Strafakten zur Einsichtnahme zukommen zu lassen (act. 31 f.). Die Vorinstanz 2018 Migrationsrecht 147 reichte mit Schreiben vom 17. Oktober 2017 ihre Akten ein, hielt an ihren Erwägungen im angefochtenen Entscheid fest und beantragte die Abweisung der Beschwerde (act. 33). Ebenfalls am 17. Oktober 2017 gingen die Strafakten des Bezirksgerichts Z., Strafgericht, beim Verwaltungsgericht ein. Mit Verfügung vom 18. Oktober 2017 wurde die Vernehmlassung der Vorinstanz dem Beschwerdeführer zur Kenntnisnahme zugestellt und auf die Anordnung eines weiteren Schriftenwechsels verzichtet (act. 34 f.). E. Das Verwaltungsgericht hat den Fall am 7. November 2018 beraten und entschieden. Erwägungen I. 1. Einspracheentscheide des MIKA können innert 30 Tagen seit Zustellung mit Beschwerde an das Verwaltungsgericht weitergezo- gen werden (§ 9 Abs. 1 EGAR). Beschwerden sind schriftlich einzu- reichen und müssen einen Antrag sowie eine Begründung enthalten; der angefochtene Entscheid ist anzugeben, allfällige Beweismittel sind zu bezeichnen und soweit möglich beizulegen (§ 2 Abs. 1 EGAR i.V.m. § 43 VRPG). Der Beschwerdeführer beantragt mit seiner Beschwerde, dass seine Niederlassungsbewilligung zu verlängern und von einer Wegweisung abzusehen sei. Bezüglich Verlängerung der Niederlas- sungsbewilligung ist festzuhalten, dass diese unbefristet ist und ohne Bedingungen erteilt wird (Art. 34 Abs. 1 AuG; Urteil des Bundesge- richts vom 18. Juni 2015 [2C_200/2015], Erw. 1.2). Es geht lediglich darum, die Kontrollfrist neu anzusetzen. Zudem kann das Verwal- tungsgericht keine Bewilligungen verlängern. Wird die Beschwerde gutgeheissen und der Einspracheentscheid aufgehoben, bleibt die Niederlassungsbewilligung bestehen und die Kontrollfrist wird durch das MIKA automatisch neu angesetzt. 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 148 In diesem Sinne sowie mit Blick auf das Absehen von einer Wegweisung und da sich die Beschwerde inhaltlich gegen den Ein- spracheentscheid der Vorinstanz vom 21. August 2017 richtet, ist die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts gegeben und auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde einzutreten. 2. Unter Vorbehalt abweichender bundesrechtlicher Vorschriften oder Bestimmungen des EGAR können mit der Beschwerde an das Verwaltungsgericht einzig Rechtsverletzungen, einschliesslich Über- schreitung oder Missbrauch des Ermessens, und unrichtige oder un- vollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes gerügt werden. Die Ermessensüberprüfung steht dem Gericht jedoch grund- sätzlich nicht zu (§ 9 Abs. 2 EGAR; vgl. auch § 55 Abs. 1 VRPG). II. 1. 1.1. Die Vorinstanz hält in ihrem Einspracheentscheid vom 21. Au- gust 2017 fest, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Verurtei- lung durch das Bezirksgericht Z. zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren den Widerrufsgrund gemäss Art. 63 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 62 Abs. 1 lit. b AuG erfülle, was unbestritten sei. Hinsichtlich dieser Verurteilung des Beschwerdeführers stellt die Vorinstanz mit Blick auf die entsprechende Anklageschrift der Staatsanwaltschaft V. weiter fest, dass ihr gravierende Delikte zu- grunde lägen, welche ein grosses öffentliches Interesse an der auslän- derrechtlichen Massnahme begründeten. Der kulturelle Hintergrund der Taten steigere das öffentliche Interesse an einer Entfernung des Beschwerdeführers aus der Schweiz erheblich, so dass dieses als sehr gross zu bezeichnen sei. Der Beschwerdeführer habe seine Tochter und seine Schwester über viele Jahre hinweg unterdrückt und ihnen auf gewalttätige Weise seinen Willen aufgedrängt. Er habe ein Ver- halten gezeigt, das in der schweizerischen Gesellschaft und mit Blick auf die hiesigen Grundwerte völlig inakzeptabel sei. Die behauptete plötzliche umfassende Einsicht, die angebliche tiefe Reue und das scheinbar mühelose Ablegen jahrelang gelebter kultureller Überzeu- gungen ohne unterstützende Massnahmen seien nicht glaubhaft. 2018 Migrationsrecht 149 Selbst wenn davon ausgegangen würde, dass sich der Beschwerde- führer aufgrund echter Einsicht in sein Fehlverhalten gebessert habe, sei festzustellen, dass dem Wohlverhalten seit 2012 lediglich unter- geordnete Bedeutung zukomme, sei er doch unter dem Eindruck des Strafverfahrens, der Probezeit sowie des ausländerrechtlichen Ver- fahrens gestanden. Zudem könnten bei Drittstaatsangehörigen grund- sätzlich auch generalpräventive Überlegungen mitberücksichtigt werden. Gestützt auf die lange Aufenthaltsdauer geht die Vorinstanz von einem entsprechend grossen privaten Interesse an einem weite- ren Aufenthalt in der Schweiz aus, welches jedoch trotz Sprachkennt- nissen und langjähriger beruflicher Tätigkeit mangels vertiefter Inte- gration in die schweizerische Kultur und Gesellschaft erheblich rela- tiviert würde, so dass dem Beschwerdeführer ein mittleres privates Interesse am weiteren Verbleib in der Schweiz zuzubilligen sei. Weiter hält die Vorinstanz fest, dass eine Rückkehr in den Kosovo aus sozialer und beruflicher Sicht nicht mit besonderen Schwierig- keiten verbunden sei und dem Beschwerdeführer die Reintegration ohne grössere Schwierigkeiten möglich sein dürfte. Zu seinen Guns- ten sei zu berücksichtigen, dass er in der Schweiz eine gefestigte berufliche Stellung aufgeben müsste. Insgesamt würden die persön- lichen Nachteile das private Interesse an einem Verbleib in der Schweiz leicht zu erhöhen vermögen. Die Beziehungen zu seinen Kindern würden das private Interesse an einem Verbleib in der Schweiz sodann nur leicht erhöhen. Auch für die Ehefrau des Beschwerdeführers, welche ebenfalls aus dem Kosovo stamme, wäre die Rückkehr ins Herkunftsland nicht unzumutbar. Da davon auszu- gehen sei, dass sie zumindest bis zur Volljährigkeit bei ihrem jüngs- ten Sohn in der Schweiz bleiben werde und die Wegweisung des Be- schwerdeführers daher zu einer zumindest vorübergehenden Tren- nung der Ehegatten führen würde, sei das private Interesse an einem Verbleib in der Schweiz leicht erhöht. Insgesamt beurteilt die Vorin- stanz das private Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in der Schweiz als gross. Im Ergebnis kommt die Vorinstanz zum Schluss, dass das sehr grosse öffentliche Interesse am Widerruf der Niederlassungsbewilli- gung und der Wegweisung aus der Schweiz das grosse private Inte- 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 150 resse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in der Schweiz über- wiege, womit sich der Widerruf der Niederlassungsbewilligung nicht nur als rechtmässig, sondern auch als verhältnismässig erweise. Eine Verwarnung falle somit ausser Betracht. Würde von einem Eingriff in das gemäss Art. 8 Ziff. 1 EMRK und Art. 13 Abs. 1 BV geschützte Rechtsgut ausgegangen, wäre festzuhalten, dass dieser nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK bzw. Art. 36 Abs. 3 BV verhältnismässig und damit auch zulässig wäre. Eine vorläufige Aufnahme wegen Unzumutbar- keit oder Unmöglichkeit des Wegweisungsvollzugs komme vorlie- gend von vornherein nicht in Betracht; Vollzugshindernisse seien denn weder ersichtlich noch geltend gemacht worden. 1.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass mit Blick auf seine Verurteilung nicht unberücksichtigt bleiben dürfe, dass er geständig sei, seine Fehler eingesehen habe und sich mit seiner Tochter, die ja die Hauptbetroffene der verurteilten Taten sei, ausgesöhnt habe. Er habe sodann einen ersten Termin bei einer Therapeutin absolviert. Seit dem Jahr 2012 habe er sich nichts mehr zuschulden kommen lassen, wobei mit Blick auf die Ausführungen der Vorinstanz nicht nachvollziehbar sei, wie er sich ohne tatsächliche Veränderung eine derart lange Zeit hätte tadellos verhalten sollen. Das öffentliche Inte- resse an einem Widerruf seiner Niederlassungsbewilligung und an seiner Wegweisung aus der Schweiz wöge höchstens mittelschwer. In wirtschaftlicher, sozialer, kultureller und sprachlicher Hinsicht sei er vollständig integriert. Entgegen den Ausführungen der Vorinstanz dürfe von ihm jedoch nicht verlangt werden, sämtliche Wertvorstel- lungen seines Herkunftslandes aufzugeben; eine eigentliche Assimi- lation sei nicht gefordert. Angesichts der sehr langen Aufenthalts- dauer sowie seiner vollen Integration sei von einem sehr grossen privaten Interesse an einem Verbleib in der Schweiz auszugehen. Entgegen den Ausführungen der Vorinstanz verfüge er über keine nennenswerten Kontakte im Kosovo. Weiter bringt der Beschwerde- führer vor, dass er beinahe zwei Drittel seines Lebens in der Schweiz verbracht habe und seine Ehefrau, seine Tochter, seine zwei Söhne, seine Eltern, weitere Verwandte sowie seine Freunde in der Schweiz leben würden. Sein jüngster Sohn sei noch nicht volljährig und 2018 Migrationsrecht 151 deshalb in besonderem Masse auf die tatsächliche Anwesenheit seines Vaters angewiesen. Ebenso wäre die gute Beziehung zu seiner Tochter, welche sich immer noch am Entwickeln sei, durch seine Wegweisung aus der Schweiz gefährdet. Auch seine Ehefrau habe sich zusammen mit ihrer Familie ein Leben in der Schweiz aufge- baut, welches sie nicht ohne massive Einschränkungen aufgeben könnte, um ihm in den Kosovo zu folgen. Zusammenfassend verfüge er über ein sehr grosses privates Interesse an einem Verbleib in der Schweiz, welches einem maximal mittleren öffentlichen Interesse an seiner Wegweisung gegenüber- stehe. Der Widerruf der Niederlassungsbewilligung sowie die Weg- weisung aus der Schweiz erwiesen sich somit als unverhältnismässig und damit nicht rechtens. Der Widerruf der Niederlassungsbewilli- gung verstosse klar gegen Art. 8 EMRK, denn seine privaten Interes- sen und diejenigen seiner Ehefrau sowie seines minderjährigen Sohnes weiterhin in der Schweiz zu leben, überwögen die öffentli- chen Interessen an seiner Wegweisung aus der Schweiz. 2. 2.1. Gemäss Art. 63 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 62 Abs. 1 lit. b AuG liegt ein Grund zum Widerruf einer Niederlassungsbewilligung unter anderem dann vor, wenn eine ausländische Person zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe verurteilt oder gegen sie eine straf- rechtliche Massnahme im Sinne von Art. 59 - 61 oder Art. 64 StGB angeordnet wurde. Von einer längerfristigen Freiheitsstrafe im er- wähnten Sinne ist praxisgemäss immer dann auszugehen, wenn ein Betroffener zu einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr ver- urteilt wurde (BGE 135 II 377, Erw. 4.2; VGE vom 27. März 2013 [WBE.2011.1073], Erw. II/2.2), wobei unerheblich ist, ob die Strafe bedingt, teilbedingt oder unbedingt zu vollziehen ist (Urteil des Bun- desgerichts vom 27. Januar 2010 [2C_515/2009], Erw. 2.1). Der Widerrufsgrund ist jedoch nur dann erfüllt, wenn eine Strafe für sich alleine das Kriterium der Längerfristigkeit erfüllt, das heisst die Dauer von einem Jahr überschreitet (BGE 137 II 297, Erw. 2.3.6). Dieser Widerrufsgrund gilt gemäss Art. 63 Abs. 2 AuG selbst dann, wenn sich die betroffene Person seit mehr als 15 Jahren unun- 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 152 terbrochen und ordnungsgemäss in der Schweiz aufhält (vgl. zum ordnungsgemässen Aufenthalt BGE 137 II 10, Erw. 4). 2.2. Vorliegend wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des Bezirks- gerichts Z., Strafgericht, vom 22. Januar 2014 unter anderem zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, wobei der Vollzug, unter Ansetzung einer Probezeit von vier Jahren, aufgeschoben wurde (MI-act. 67 ff.). Damit ist der Widerrufsgrund gemäss Art. 63 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 62 Abs. 1 lit. b AuG erfüllt, was vom Beschwerde- führer auch nicht bestritten wird (act. 20). 3. 3.1. Der Widerruf bzw. die Verweigerung einer Bewilligung recht- fertigt sich nur, wenn die jeweils im Einzelfall vorzunehmende Interessenabwägung die entsprechende Massnahme als verhältnis- mässig erscheinen lässt (BGE 135 II 377, Erw. 4.3). Konkret muss bei Gegenüberstellung aller öffentlichen und privaten Interessen ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Entfernung aus der Schweiz resultieren. Ob sämtliche relevante Kriterien berücksichtigt und richtig angewandt worden sind bzw. ob sich der Widerruf oder die Verwei- gerung einer Bewilligung als verhältnismässig erweist, ist als Rechts- frage durch das Verwaltungsgericht frei zu prüfen. 3.2. 3.2.1. Beim Vorliegen von Widerrufsgründen infolge Straffälligkeit bestimmt sich das Mass des öffentlichen Interesses vorab anhand der Schwere des Verschuldens der betroffenen Person. Ausgangspunkt und Massstab dafür sind die vom Strafrichter verhängten Strafen. Das heisst, je höher eine Strafe ausfällt, umso höher ist aus migra- tionsrechtlicher Sicht das Verschulden eines Betroffenen zu qualifi- zieren und umso grösser ist das öffentliche Interesse an der migra- tionsrechtlichen Massnahme einzustufen. Bei Festsetzung des Straf- masses werden strafmildernde Umstände überdies stets mitberück- sichtigt, weshalb auf die Beurteilung des Strafrichters grundsätzlich abzustellen ist (BGE 129 II 215, Erw. 3.1; Urteil des Bundesgerichts 2018 Migrationsrecht 153 vom 12. Juni 2012 [2C_797/2011], Erw. 2.2). Im Rahmen des migra- tionsrechtlichen Verfahrens erfolgt keine erneute Abwägung der Elemente, die zur verschuldensabhängigen Strafzumessung führten. Praxisgemäss wird regelmässig vom im Strafverfahren festgestellten Verschulden und der durch den Strafrichter erfolgten Strafzumessung ausgegangen (Urteil des Bundesgerichts vom 7. August 2018 [2C_1015/2017], Erw. 4.2; Urteil des Bundesgerichts vom 19. Januar 2005 [2A_570/2004], Erw. 3.3). Das Bezirksgericht Z., Strafgericht, verurteilte den Beschwerde- führer am 22. Januar 2014 wegen mehrfacher Drohung, mehrfacher Körperverletzung, mehrfacher Beschimpfung, Sachbeschädigung sowie Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, einer Geld- strafe von 30 Tagessätzen zu je CHF 100.00 sowie zu einer Busse von CHF 500.00, wobei der Vollzug der Freiheitsstrafe und der Geld- strafe, unter Ansetzung einer Probezeit von vier Jahren, aufgescho- ben wurde. Weiter untersagte es dem Beschwerdeführer mit Disposi- tivziffer 5 seines Urteils, sich seiner Tochter und seiner Schwester während der vierjährigen Probezeit um mehr als 200 Meter zu nähern und sie während dieser Zeit gegen ihren Willen in irgendeiner Weise zu kontaktieren (MI-act. 67 ff.). Bereits aufgrund der Dauer der Frei- heitsstrafe von zwei Jahren ist aus migrationsrechtlicher Sicht von einem schweren Verschulden auszugehen, da dieses Strafmass weit über der Grenze von einem Jahr liegt, welche für die Möglichkeit des Widerrufs der Niederlassungsbewilligung massgeblich ist (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 30. Mai 2015 [2C_940/2014], Erw. 5.3). Folglich besteht ein entsprechend grosses öffentliches, insbesondere sicherheitspolizeiliches Interesse an der Verweigerung des weiteren Aufenthalts des Beschwerdeführers in der Schweiz (BGE 135 II 377, Erw. 4.4). 3.2.2. Aus migrationsrechtlicher Sicht sind in einem zweiten Schritt sämtliche weitere Umstände zu berücksichtigen, die zu einer Erhö- hung des öffentlichen Interesses am Widerruf bzw. an der Verweige- rung der Bewilligung führen können. Bei schweren Straftaten, insbe- sondere bei Gewalt-, Sexual- und schweren Betäubungsmitteldelik- ten, sowie bei wiederholter Delinquenz bzw. erneuter Delinquenz 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 154 nach Untersuchungshaft, nach verbüsster Freiheitsstrafe oder nach migrationsamtlicher Verwarnung erhöht sich aus migrationsrechtli- cher Sicht das öffentliche Interesse am Widerruf bzw. an der Verwei- gerung der Bewilligung entsprechend. Vorliegend hat der Beschwerdeführer durch seine Taten die be- sonders schützenswerten Rechtsgüter des Lebens und der Gesundheit auf gravierende Art und Weise verletzt und durch seine Handlung grundlegende Normen der hiesigen Rechtsordnung missachtet. Aus dem schriftlich nicht begründeten Urteil des Bezirksgerichts Z., Strafgericht, vom 22. Januar 2014 bzw. der darin zitierten Anklage- schrift der Staatsanwaltschaft V. vom 28. Oktober 2013 geht insbe- sondere Folgendes hervor (MI-act. 75 f., 64 f.): Am 23. Juni 2012 kam [C.], die damals 18jährige Tochter des Beschuldigten, erst um ca. 23:45 Uhr vom Ausgang nach Hause an den gemeinsamen Wohn- ort [W.], obwohl sie wusste, dass der Beschuldigte dies nicht goutierte. Nachdem sie die Wohnung betreten und die Wohnungstür von innen abgeschlossen hatte, ging der Beschuldigte auf sie zu, ergriff ihre Haare und zog sie an den Haaren in die Küche. Dort angekommen schlug der Beschul- digte den Kopf von [C.] zwei bis dreimal heftig gegen den Kühlschrank. Daraufhin stiess er [C.] in eine Zimmerecke und liess ihre Haare los. Da diese weinte und schrie, sagte ihr der Beschuldigte, sie solle still sein, ansonsten er sie umbringen werde, er wolle sie nur noch tot sehen. Der Beschuldigte holte ein Rüstmesser ohne Wellenschliff mit einer Klingenlänge von ca. 11 cm aus einer Küchenschublade, packte seine Tochter [C.] wieder an den Haaren, zog sie nach oben und hielt ihr das Messer so nahe an den Hals, dass es gerade noch knapp nicht zu einem Hautkontakt kam. Währenddessen betrat [B. B.-A.], die Ehefrau des Beschuldigten und Mutter von [C.], die Küche, wo es ihr gelang, dem Beschuldigten das Messer aus der Hand zu nehmen. Wäh- rend der Beschuldigte daraufhin ein Tranchiermesser mit einer Klingenlänge von ca. 20 cm aus der Küchenschublade behändigte, gelang es [C.] in ein anderes Zimmer zu rennen, wo sich auch der Vater des Beschuldigten, [G. A.], aufhielt. Der Beschuldigte folgte [C.] mit dem Tranchiermesser in der Hand zu diesem Zimmer, wo [C.] vorerst die Tür zum Zimmer von innen zuhielt, um zu verhindern, dass der Beschuldigte ins Zimmer gelangen konnte. Sie liess dann aber ihren Grossvater [G. A.] die Zimmertür öffnen, welcher versuchte, den Beschuldigten zu beruhigen. Der Beschuldigte begann daraufhin zu flu- 2018 Migrationsrecht 155 chen und sagte, [C.] und ihre Tante [F. F.-A.] seien Schlampen. Danach for- derte der Beschuldigte [C.] auf, ihm ihr Mobiltelefon herauszugeben, ansons- ten er sich umbringen werde. Zur Bekräftigung seiner Forderung hielt er sich das Tranchiermesser an den Hals. In ihrer Angst, der Beschuldigte werde sich selber oder sie umbringen, gab [C.] ihm ihr Mobiltelefon iPhone, worauf es der Beschuldigte zuerst auf den Boden und danach in die Toilette warf. Dabei entstand ein Sachschaden von rund CHF 400.00. Durch die Schläge an ihren Kopf trug [C.] starke Kopfschmerzen davon. Sie fürchtet seit diesem Vorfall um ihr Leben, weshalb sie unmittelbar nach dem 23. Juni 2012 aus ihrem Zu- hause flüchtete und sich seither vor der Familie versteckt. Aus dem Strafurteil bzw. aus der darin wiedergegebenen Ankla- geschrift geht weiter hervor, dass der Beschwerdeführer in der Zeit zwischen 2001 und 2012 mindestens einmal pro Monat Gewalt ge- gen seine Tochter angewendet hat, indem er sie ohrfeigte, mit den Händen schlug, ihr mit den Füssen in den Bauch trat oder sie mit den Händen am Hals packte. Am 23. November 2007 soll der Beschwer- deführer, der seine Schwester an einen weiteren Mann vermitteln wollte, zudem auf sie losgegangen sein, als sie ihm sagte, dass sie wegziehen wolle und einen Neuanfang brauche. Dabei soll er mit seinen Händen und Fäusten mehrere Male heftig auf ihren Körper und ihr Gesicht eingeschlagen haben, bis sie für kurze Zeit bewusst- los zu Boden gegangen ist, wobei er für letztere Handlungen offen- bar nicht belangt wurde (Meldung zum Vollzug von Freiheitsstrafen und Massnahmen [Urteilsauszug] vom 25. Februar 2014). Zudem bedrohte und beschimpfte der Beschwerdeführer am 27. Juni 2012 seine Schwester anlässlich der Suche nach seiner infolge des Vorfalls vom 23. Juni 2012 verschwundenen Tochter, indem er ihr sagte, der Vorfall im Jahre 2007 sei noch nichts zu dem, was noch folgen werde, sie werde erst ihre Ruhe haben, wenn er sie umgebracht habe und indem er sie als Schlampe , Hure und Zigeunerin bezeich- nete. Die Schwester des Beschwerdeführers flüchtete unmittelbar nach diesem Vorfall von zu Hause und hielt sich vor der Familie versteckt (MI-act. 67 ff., 62 ff.). Aus dem Polizeirapport vom 13. Juli 2012 geht hervor, dass der A.-Clan in der Schweiz nach den im Kosovo herrschenden Sitten und Bräuchen lebe; die Männer seien die Oberhäupter der Familie 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 156 und die Frauen hätten sich unterzuordnen, wozu auch die Zwangshei- rat gehöre. Die Tochter des Beschwerdeführers gab gegenüber der Polizei an, zu Hause nicht akzeptiert zu sein und keine Willensfrei- heit zu haben, ansonsten wäre sie schon lange von zu Hause wegge- zogen. Sie sei so erzogen worden, dass Mädchen nichts wert seien. Weiter ist im Polizeirapport festgehalten, dass die körperliche Züchti- gung als normale Erziehungsmethode wahrgenommen werde. Sowohl die Tochter als auch die Schwester des Beschwerdeführers hätten seine Drohungen sehr ernst genommen und würden ihm zutrauen, dass er die Drohungen in die Tat umsetze. Beide seien sie nach dem Vorfall im Frauenhaus gewesen (MI-act. 48 ff.). Dem Protokoll betreffend die Hauptverhandlung vor dem Be- zirksgericht Z., Strafgericht, vom 22. Januar 2014 lässt sich entneh- men, dass die Tochter des Beschwerdeführers von diesem mit Ohrfeigen oder mit dem Gurt auf die Hände geschlagen wurde. Dies im Gegensatz zu ihren beiden Brüdern, welche gemäss Aussage der Tochter des Beschwerdeführers nie bestraft worden seien; die Jungen dürften bei ihnen halt machen, was sie wollten (Protokoll vom 22. Januar 2014, S. 11). Vor dem 23. Juni 2012 hätten der Beschwer- deführer und sie zwar unter demselben Dach gelebt, jedoch während eines Jahres nicht miteinander gesprochen und auch die Mahlzeiten nicht gemeinsam eingenommen. Dies, weil er erfahren habe, dass sie einen Freund habe, was er ihr verboten habe (Protokoll vom 22. Ja- nuar 2014, S. 9 f., 21). Sie habe als Frau wie früher sein müssen; keinen Ausgang, keine Schminke, keinen Freund, keine kurzen Kleider (Protokoll vom 22. Januar 2014, S. 12). Weiter sagte die Tochter an der Hauptverhandlung vom 22. Januar 2014 aus, dass sie sich nicht vorstellen könnte, nach einer gewissen Zeit wieder Kon- takt mit ihrem Vater zu haben; sie es aber hoffe, da er immer noch ihr Vater sei und sie doch nicht mit niemandem mehr Kontakt haben wolle, nur weil das passiert sei (Protokoll vom 22. Januar 2014, S. 7). Die Schwester des Beschwerdeführers gab am 22. Januar 2014 zu Protokoll, dass sie und ihr Bruder mit Gewalt aufgewachsen seien und er schnell ausraste. Es gehe immer um Ehre und Stolz und nicht um das Wohl der Familie, sondern darum, dass die Verwandten gut reden würden. Weiter sagte sie aus, dass sie noch immer Angst habe 2018 Migrationsrecht 157 vor ihrem Bruder. Sie habe schon zweimal wegen ihrem Bruder um- ziehen müssen (Protokoll vom 22. Januar 2014, S. 17 f.). Der Be- schwerdeführer gab anlässlich der Hauptverhandlung vom 22. Januar 2014 zwar zu, das Handy seiner Tochter zerstört zu haben, stritt je- doch jegliche Gewaltanwendung gegenüber seiner Tochter und seiner Schwester ab (Protokoll vom 22. Januar 2014, S. 23 f.). Der Be- schwerdeführer gab an, dass er seine Tochter liebe. Sie sei das älteste Kind und auch die einzige Tochter. Momentan habe er aber nicht die Kraft, sich mit ihr zu versöhnen. Seine Tochter sei weg und sein Sohn sei im Kinderheim. Er müsse erst einmal für sich sein (Protokoll vom 22. Januar 2014, S. 24 f.). Ebenso ist dem fachärztli- chen Gutachten vom 19. Februar 2013 zu entnehmen, dass der Be- schwerdeführer zu jenem Zeitpunkt keinen Kontakt zu seiner Tochter wollte; sie solle sich zuerst überlegen, was sie falsch gemacht habe und wie das Leben allein und wie es mit den Eltern gewesen sei. An Weihnachten habe er sie vermisst (Gutachten vom 19. Februar 2013, S. 14 f.). Die Einvernahmen der Tochter und der Schwester des Be- schwerdeführers anlässlich der Hauptverhandlung vom 22. Januar 2014 fanden - auf entsprechenden Antrag der Tochter und der Schwester hin - unter Ausschluss des Beschwerdeführers statt (Verfü- gung des Bezirksgerichts Z., Strafgericht, vom 8. Januar 2014; Urteil des Bezirksgerichts Z., Strafgericht, vom 22. Januar 2014, S. 6, act. 73). Die Rechtsvertreterin der Tochter und der Schwester des Beschwerdeführers begründete diesen Antrag damit, dass die Tochter und die Schwester des Beschwerdeführers seit dem strafrechtlich relevanten Vorfall an einem anonymen Ort leben würden und den Kontakt zum Beschwerdeführer aus Angst vollständig abgebrochen hätten. Es falle ihnen sehr schwer, sich im selben Gebäude wie der Beschwerdeführer aufzuhalten. Zudem befürchteten sie, dass Fami- lienangehörige des Beschwerdeführers sie abpassen könnten (Schrei- ben an das Bezirksgericht Z., Strafgericht, vom 24. Dezember 2013). Darauf angesprochen, dass seine Tochter ihn an der Hauptverhand- lung vom 22. Januar 2014 nicht habe sehen wollen, gab der Be- schwerdeführer an, er denke, seine Tochter habe eingesehen, dass sie einen Fehler gemacht habe, indem sie ihn angezeigt habe (Protokoll 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 158 vom 22. Januar 2014, S. 22 f.). Mit Strafurteil des Bezirksgerichts Z., Strafgericht, vom 22. Januar 2014 wurde dem Beschwerdeführer denn auch untersagt, sich seiner Tochter und seiner Schwester wäh- rend der vierjährigen Probezeit um mehr als 200 Meter zu nähern und sie während dieser Zeit gegen ihren Willen in irgendeiner Weise zu kontaktieren (MI-act. 67 ff.). Mit seinem Verhalten gegenüber seiner Tochter sowie auch ge- genüber seiner Schwester legte der Beschwerdeführer eine Unbe- herrschtheit und Gewaltbereitschaft an den Tag, welche nicht hinge- nommen werden können. Der Umstand, dass es sich bei den vom Be- schwerdeführer begangenen Straftaten auch um Gewaltdelikte han- delte, hat aus migrationsrechtlicher Sicht eine Erhöhung des öffentli- chen Interesses am Widerruf der Niederlassungsbewilligung und an der Wegweisung des Beschwerdeführers aus der Schweiz zur Folge. Mit der Vorinstanz ist sodann festzuhalten, dass die vom Be- schwerdeführer begangenen Straftaten auf seinen kulturellen Hinter- grund zurückzuführen sind. In seinem Schreiben an die Vorinstanz hält der Beschwerdeführer unter anderem selber fest, dass er gegen- über seiner Tochter Gewalt angewendet habe, weil er damals dachte, dass Gewalt besser wirke als Worte, dass seine Tochter so besser verstehen würde, wie man sich in ihrer Kultur zu verhalten habe und dass ihr dies für ihr späteres Leben helfen würde (Beschwerdebei- lage 4). Die Vorinstanz kommt zu Recht zum Schluss (vgl. act. 6 f.), dass aus migrationsrechtlicher Sicht der kulturelle Hintergrund einer Straftat einen relevanten Umstand bildet, welcher das öffentliche Interesse an der Entfernung einer ausländischen Person aus der Schweiz erhöhen kann (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 21. Juli 2014 [2C_28/2014], Erw. 6.3; Urteil des Bundesgerichts vom 13. Februar 2015 [2C_685/2014], Erw. 6.1). Aufgrund der vorliegend eindeutig kulturell motivierten Straftat ist von einer weiteren Erhö- hung des öffentlichen Interesses auszugehen. Insgesamt zeugt das Verhalten des Beschwerdeführers von einer eklatanten Geringschätzung der schweizerischen Rechtsordnung und des hier geltenden Wertesystems. Es besteht daher ein sehr grosses öffentliches Interesse am Widerruf der Niederlassungsbewilligung des Beschwerdeführers und an seiner Wegweisung aus der Schweiz. 2018 Migrationsrecht 159 3.2.3. 3.2.3.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, es sei zu berücksichtigen, dass er sich seit dem Jahr 2012 nichts mehr habe zuschulden kom- men lassen. Sein Wohlverhalten seit 2012 sei zu seinen Gunsten zu berücksichtigen. Selbst wenn die Veränderungen durch das Strafver- fahren ausgelöst worden sein sollten, sei es ein Faktum, dass diese Veränderungen stattgefunden hätten. Es handle sich um einen Zeit- raum von mittlerweile sechs Jahren und es sei nicht nachvollziehbar, wie er sich eine derart lange Zeit hätte tadellos verhalten sollen, ohne dass eine tatsächliche Veränderung stattgefunden hätte (act. 21). Zur Frage, ab wann aus migrationsrechtlicher Sicht ein Wohl- verhalten zu beachten ist, ist Folgendes festzuhalten: Gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts und des Europäischen Gerichts- hofs für Menschenrechte (EGMR) sind im Rahmen der Interessenab- wägung die Natur und die Schwere der begangenen Delikte sowie die seit der Tatbegehung verstrichene Zeit und das seitherige Verhal- ten der betreffenden Person zu berücksichtigen. Massgebend ist da- mit der Zeitpunkt der Tatbegehung, wobei mit Tatbegehung jene Delikte gemeint sind, welche die migrationsrechtliche Massnahme ausgelöst haben. Später begangene Delikte werden als Verhalten ge- würdigt, welches die betroffene Person in der seit der Tatbegehung verstrichenen Zeit an den Tag gelegt hat. Beim Widerrufsgrund der längerfristigen Freiheitsstrafe gemäss Art. 62 Abs. 1 lit. b AuG ist für den Beginn des (allfälligen) Wohlverhaltens somit jener Zeitpunkt massgeblich, in dem die Straftaten, welche das migrationsrechtliche Verfahren ausgelöst haben, abgeschlossen waren. Das Abstellen auf diesen Zeitpunkt erlaubt es auch, ein Delikt in die Interessenabwä- gung einzubeziehen, welches während des betreffenden Strafverfah- rens begangen wurde (Urteil des Bundesgerichts vom 21. Juli 2014 [2C_28/2014], Erw. 6.6.1 mit Hinweisen; Urteil des Bundesgerichts vom 26. September 2014 [2C_147/2014], Erw. 4.4). Zu beachten ist, dass ein rechtskonformes Verhalten grundsätz- lich von jedermann erwartet wird und nicht speziell positiv ins Ge- wicht fällt. Vielmehr ist bei fortdauernder Delinquenz von einem er- höhten öffentlichen Interesse an der Entfernung auszugehen. Nichts 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 160 zu seinen Gunsten kann die betroffene Person aus ihrem Wohlverhalten im Straf- bzw. Massnahmenvollzug ableiten. Eine gute Führung im Strafvollzug wird allgemein erwartet und lässt angesichts der dort herrschenden, engmaschigen Betreuung keine verlässlichen Rückschlüsse auf das künftige Verhalten in Freiheit zu (Urteil des Bundesgerichts vom 21. Oktober 2013 [2C_360/2013], Erw. 2.3; Urteil des Bundesgerichts vom 24. Januar 2013 [2C_733/2012], Erw. 3.2.4). Dem Wohlverhalten während eines hängigen Strafverfahrens, einer laufenden Probezeit oder eines hängigen migrationsrechtlichen Verfahrens ist zudem nur untergeord- nete Bedeutung beizumessen (Urteil des Bundesgerichts vom 20. Ju- ni 2014 [2C_904/2013], Erw. 4.2; Urteil des Bundesgerichts vom 27. Februar 2014 [2C_191/2014], Erw. 3.3.2; Urteil des Bundesge- richts vom 10. April 2002 [2A.605/2005], Erw. 2.5.2). Nach dem Gesagten ist in Bezug auf die Beurteilung des Wohlverhaltens im Rahmen der Interessenabwägung in erster Linie auf die Dauer der in Freiheit verbrachten Zeit abzustellen, in welcher die betreffende Person nicht unter dem Druck drohender straf- oder migrationsrecht- licher Sanktionen stand. Wie lange sich ein Betroffener seit dem Delikt, welches die migrationsrechtliche Massnahme auslöste, wohl verhalten haben muss, damit von einem entscheidwesentlich reduzierten öffentlichen Interesse an der migrationsrechtlichen Massnahme auszugehen ist, lässt sich nicht schematisch festlegen. Vielmehr ist auf die Dauer der Strafe, die Art der begangenen Delikte und damit insgesamt darauf abzustellen, wie gross das öffentliche Interesse an der getroffenen Massnahme im Zeitpunkt des letzten relevanten Delikts zu veran- schlagen war. Je höher dieses öffentliche Interesse ausfällt, umso länger muss sich ein Betroffener wohl verhalten haben, damit von einem entscheidwesentlich reduzierten öffentlichen Interesse an der migrationsrechtlichen Massnahme auszugehen ist. Vorliegend lösten die im Rahmen des Urteils des Bezirksge- richts Z., Strafgericht, vom 22. Januar 2014 abgeurteilten Straftaten, begangen zwischen dem 1. Januar 2001 und dem 23. Juni 2012 und vom 23. bis zum 27. Juni 2012, das migrationsrechtliche Verfahren aus (Meldung zum Vollzug von Freiheitsstrafen und Massnahmen 2018 Migrationsrecht 161 [Urteilsauszug] vom 25. Februar 2014; MI-act. 83 ff.). Mithin ist in casu das Verhalten des Beschwerdeführers seit dem 27. Juni 2012 massgebend. Vom 4. September bis 29. November 2012 befand er sich in Untersuchungshaft (MI-act. 77) und stand anschliessend unter dem Druck des laufenden Strafverfahrens. Das Strafverfahren wurde mit der rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers am 22. Januar 2014 abgeschlossen (MI-act. 67 ff.). Die dem Beschwer- deführer mit dem Strafurteil vom 22. Januar 2014 angesetzte vier- jährige Probezeit ist zum heutigen Zeitpunkt zwar abgelaufen. Jedoch nahm das migrationsrechtliche Verfahren mit der Gewährung des rechtlichen Gehörs am 16. Dezember 2016 seinen Anfang (MI-act. 83 ff.). Damit befand sich der Beschwerdeführer seit Beginn der angeordneten Untersuchungshaft vom 4. September 2012 unter dem Druck des laufenden Strafverfahrens, anschliessend unter jenem der laufenden Probezeit sowie des eingeleiteten migrationsrechtli- chen Verfahrens. Dem Wohlverhalten des Beschwerdeführers seit Juni 2012 kann damit nur untergeordnete Bedeutung beigemessen werden (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 8. Januar 2015 [2C_84/2014], Erw. 4.3.2). 3.2.3.2. Der Beschwerdeführer bringt im Rahmen seiner Beschwerde vor, dass er sich mit seiner Tochter ausgesöhnt habe und sich um die Beziehung zu seiner Tochter bemühe, was nur möglich sei, da die Tochter selber nach einer längeren Pause wieder auf ihren Vater zugegangen sei und das Strafgericht um die Aufhebung des Kontakt- verbots ersucht habe (act. 17, 21). In einem von ihm im Rahmen des vorinstanzlichen Verfahrens verfassten Schreiben führt der Be- schwerdeführer aus, dass er doch Werte aus der Heimat mitgenom- men habe und es daher weiterhin wichtig gewesen sei, dass sie ehrenhafte Menschen seien und andere sie nicht verspotten könnten. Gewalt sei kein Tabu gewesen, sondern eher als eine Massnahme zur Besserung angesehen worden. Moral, Familie und Ehre seien ein sehr grosses Thema und das höchste Gebot gewesen. Er habe lange gebraucht um zu verstehen, dass es kein absolutes Richtig und Falsch gäbe und dass auch er falsch liegen könne. Er schäme sich heute dafür, was er getan habe. Er habe heute verstanden, dass er zwar 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 162 seine eigenen Werte haben dürfe und diese nicht falsch seien, dass aber andere Menschen ihre eigenen Werte hätten und wenn diese nicht mit seinen übereinstimmten, wolle er heute die andere Person nicht mehr von seiner Meinung überzeugen. Durch seine Tochter habe er gelernt, dass es für sie beide förderlich sein könne, verschie- dener Meinung zu sein (MI-act. 181 ff., Beschwerdebeilage 4). Seine Tochter bestätigte in ihrem Schreiben vom 17. Mai 2017, dass sie wieder zueinander gefunden hätten und das Leben in vollen Zügen als friedliche Familie geniessen würden. Dies hätten sie geschafft, indem sich der Beschwerdeführer bei ihr gemeldet und um ein Treffen gebeten habe. Sie habe diesem zugestimmt und so sei es dazu gekommen, dass sie sich ausgesprochen hätten. Seither gehe es ihnen viel besser und das Familienleben sei viel schöner geworden. Ihr Vater habe sich für sie und grösstenteils für sich selber im positiven Sinne stark verändert (MI-act. 149, Beschwerdebeilage 5). In einem weiteren Schreiben führt sie aus, dass ihr Vater ein ganz anderer Mensch geworden sei und sich - nicht nur gegenüber ihr, sondern auch gegenüber der Familie und Bekannten sowie ihrem Verlobten - sehr stark ins Positive verändert habe seitdem sie sich mit ihm ver- söhnt habe. Ihr Vater sei früher ganz anders gewesen, doch heute zeige er sich von seiner besten Seite. Für sie habe sich alles positiv verändert, seitdem sich ihr Vater verändert habe. Ein Leben in der Schweiz ohne ihren Vater könne sie sich nicht vorstellen (Beschwer- debeilage 10). Den Akten ist zudem zu entnehmen, dass das Bezirks- gericht Z., Strafgericht, mit Urteil vom 14. Oktober 2015 die dem Beschwerdeführer mit Urteil vom 22. Januar 2014 auferlegte Wei- sung, womit ihm untersagt worden war, sich während der vierjäh- rigen Probezeit seiner Tochter und seiner Schwester um mehr als 200 Meter zu nähern oder sie in irgendeiner Weise zu kontaktieren, ersatzlos aufhob. Dies aufgrund eines Schreibens seiner Tochter vom 7. September 2014. Die Schwester des Beschwerdeführers gab im Rahmen ihrer Stellungnahme an das Bezirksgericht Z., Strafgericht, vom 20. August 2015 betreffend Aufhebung des Kontaktverbots hingegen an, dass sie zu jenem Zeitpunkt mit der Aufhebung nicht einverstanden sei. Sie wolle vorerst eine Erklärung des Beschwerde- 2018 Migrationsrecht 163 führers, dass er sie in Ruhe lasse. Diesem Begehren kam der Be- schwerdeführer nach (MI-act. 102 ff.). Auch wenn die Ausführungen des Beschwerdeführers und diejenigen seiner Tochter prima vista glaubhaft erscheinen mögen, wohnen den Aussagen des Beschwerdeführers nach der Tat und sei- nen Ausführungen in seinem Schreiben gewisse Unstimmigkeiten inne: An der Hauptverhandlung vom 22. Januar 2014 stritt er noch jegliche Gewalttätigkeit gegenüber seiner Tochter und seiner Schwester ab. Aus seinen damaligen Aussagen gehen weder Reue noch Einsicht hervor. Ausserdem gab er an, noch keinen Kontakt zu seiner Tochter zu wollen. Auch aus dem Therapieverlaufsbericht der Psychiatrischen Dienste H. (PDH) vom 27. November 2013 geht hervor, dass die Tochter den Kontakt zu ihm wieder wünsche, er sie jedoch bis zum Ablauf der zwei Jahre nicht sehen wolle. Demgegen- über hält er in seinem Schreiben an die Vorinstanz ungefähr dreiein- halb Jahre später fest, dass es für ihn sehr schlimm gewesen sei, als seine Tochter von zu Hause weggezogen sei und er gewusst habe, dass es seine Schuld gewesen sei, dass seine Tochter weggegangen sei. Diese Aussagen des Beschwerdeführers lassen sich offensichtlich nicht miteinander vereinbaren. Weiter gibt der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde an, dass seine Tochter den ersten Schritt auf ihn zu gemacht habe, während seine Tochter in ihrem Schreiben das Gegenteil behauptet. Wie zudem bereits die Vorinstanz in ihrem Ent- scheid festhält (act. 8), ist nicht glaubhaft, dass sich der Beschwerde- führer seit ungefähr dreieinhalb Jahren nicht mehr von den Werten aus seinem Heimatland leiten lässt, welche ihn über Jahre hinweg und auch noch nach 22-jährigem Aufenthalt in der Schweiz zu Ge- walttätigkeiten gegenüber seiner Tochter veranlassten. Dies umso weniger, als er in seinem Schreiben gleichzeitig festhält, dass er zwar seine eigenen Werte haben dürfe und diese nicht falsch seien, er je- doch verstanden habe, dass andere Menschen ihre eigenen Werte hätten. Überdies geht aus dem erwähnten Therapieverlaufsbericht der PDH vom 27. November 2013 hervor, dass er nur wenige Ansätze zeige, seine subjektive Wahrnehmung des Vorgefallenen zu überden- ken. Zwar wurde das strafgerichtlich angeordnete Kontaktverbot auf Initiative seiner Tochter hin ersatzlos aufgehoben. Dies ändert jedoch 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 164 nichts daran, dass seine Schwester der Aufhebung des Kontaktver- bots nicht vorbehaltlos zustimmte und dass dem Wohlverhalten des Beschwerdeführers seit der Tatbegehung nur untergeordnete Bedeu- tung zukommt (siehe vorne Erw. 3.2.3.1). Nach dem Gesagten kann der Beschwerdeführer auch in Bezug auf die geltend gemachte aktuelle Beziehung zu seiner Tochter nichts zu seinen Gunsten ableiten. 3.2.3.3. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass aufgrund seiner Ein- sicht ausgeschlossen werden könne, dass er erneut einschlägig delin- quent würde (act. 21). Seine Tochter hält in ihrem zweiten Schreiben fest, dass weder sie selber noch alle anderen, die ihren Vater kennen würden, sich vorstellen könnten, dass er irgendwann einmal rückfäl- lig werden könnte (Beschwerdebeilage 10). Gemäss fachärztlichem Gutachten vom 19. Februar 2013, wel- ches im Rahmen des Strafverfahrens erstellt wurde, wurde dem Be- schwerdeführer zwar eine eher günstige Gesamtprognose gestellt, gleichzeitig aber mit der Verübung ähnlicher Taten gerechnet, wobei von einer mittleren Wahrscheinlichkeit ausgegangen wurde. Eine Therapie/Beratung könnte gemäss Gutachten das Risiko reduzieren. Ausserdem wurde eine örtliche Trennung des Beschwerdeführers und seiner Tochter empfohlen (Gutachten vom 19. Februar 2013, S. 25 f., 28, 30). Das Zwangsmassnahmengericht des Kantons X. ordnete am 29. November 2012 anstelle der Untersuchungshaft Er- satzmassnahmen an: Neben einem Kontaktverbot in Bezug auf seine Tochter und seine Schwester wurde der Beschwerdeführer verpflich- tet, sich sofort nach seiner Entlassung in mindestens wöchentlich stattfindende psychotherapeutische Behandlungen bei den PDH zu begeben (Verfügung des Zwangsmassnahmengerichts vom 29. No- vember 2012). Gemäss Therapieverlaufsbericht der PDH vom 27. November 2013 erschien der Beschwerdeführer zu 13 Therapie- sitzungen. Weiter wird im Therapieverlaufsbericht ausgeführt, dass der Beschwerdeführer eine traditionelle Lebensweise der Familie und Erziehung der Kinder bestreite. Ihm zufolge habe er den Kindern jegliche Freiheiten zugestanden und könne man für die Kinder kei- nen Partner auswählen, das müssten sie selber tun. Allerdings sei die 2018 Migrationsrecht 165 Erziehung von der Angst beeinflusst worden, dass sie Drogen konsu- mieren könnten. Darüber hinaus scheine auch eine gewisse Angst vor der Anwendung archaischer Gewohnheiten in seinem Heimatland vorhanden zu sein. Der Beschwerdeführer habe beim Versuch, ihm mögliche Sichtweisen der Tochter zu vermitteln, verschlossen ge- wirkt und versucht, sich in ein gutes Licht zu rücken. Weiter ist im Therapieverlaufsbericht festgehalten, dass diese sogenannte soziale Erwünschtheit eine Therapie äusserst schwierig mache. Im Rahmen der Sachverhaltsermittlung der Vorinstanz gab der Beschwerdeführer an, bisher nicht in therapeutischer Behandlung gewesen zu sein, es sei ihm bisher nicht klar gewesen, dass ihm ein Psychologe bei der Verarbeitung seiner Probleme helfen könne. Er wolle aber versuchen, sich weiterzuentwickeln und so rasch als möglich eine Therapie beginnen (MI-act. 185, 181). In seiner Beschwerde macht der Be- schwerdeführer sodann geltend, dass er eine Therapeutin gefunden und bereits einen ersten Termin absolviert habe. Der in Aussicht gestellte Zwischenbericht der Therapeutin blieb allerdings aus (act. 18). Damit dürfte sich die psychotherapeutische Behandlung des Beschwerdeführers insgesamt auf ein Minimum belaufen haben. Demgegenüber fand - wie gutachterlich empfohlen - eine örtliche Trennung des Beschwerdeführers und seiner Tochter statt; ist doch weder aus den Akten noch aus den Vorbringen des Beschwerdefüh- rers ersichtlich, dass seine Tochter nach dem Vorfall vom 23. Juni 2012 wieder zu ihren Eltern gezogen wäre. Der Zugriff des Be- schwerdeführers auf seine Tochter erschwerte sich dadurch auto- matisch, was sich auf die Rückfallgefahr günstig ausgewirkt haben dürfte. Wie bereits aufgezeigt (siehe vorne Erw. 3.2.2), hat der Be- schwerdeführer gravierende Straftaten gegen seine Tochter sowie seine Schwester verübt und dabei eine erhebliche Unbeherrschtheit und Gewaltbereitschaft unter Beweis gestellt. Dass er die Delikte nicht an einem beliebigen Dritten verübt hat, lässt sie in keiner Weise als geringfügiger erscheinen (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 8. Januar 2015 [2C_84/2014], Erw. 4.3.3). Hinzu kommt, dass sich das straffällige Verhalten des Beschwerdeführers nicht nur gegen seine Tochter, sondern auch gegen seine Schwester richtete. Wie 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 166 bereits erwähnt, gab diese noch gut drei Jahre nach dem Vorfall, im Rahmen ihrer Stellungnahme an das Bezirksgericht Z., Strafgericht, vom 20. August 2015 betreffend Aufhebung des Kontaktverbots an, dass sie mit der Aufhebung nicht einverstanden sei und eine Erklä- rung des Beschwerdeführers wolle, wonach er sie in Ruhe lasse. Der Beschwerdeführer kann damit mit Blick auf die Rückfallgefahr nichts zu seinen Gunsten ableiten, zumal er gemäss eigenen Angaben nach wie vor an seinen Wertvorstellungen, welche Auslöser für seine Gewalttätigkeit waren, festhält und diese nicht für falsch hält und zumal im Zusammenhang mit Gewaltdelikten selbst ein relativ gerin- ges Restrisiko nicht hingenommen werden muss (Urteil des Bundes- gerichts vom 24. Januar 2013 [2C_733/2012], Erw. 3.2.4). Zu be- rücksichtigen ist sodann, dass der Rückfallgefahr bzw. der Wahr- scheinlichkeit eines künftigen Wohlverhaltens ausserhalb des An- wendungsbereichs des FZA rechtsprechungsgemäss keine zentrale Bedeutung zukommt. Im Rahmen der Interessenabwägung nach rein nationalem Ausländerrecht ist die Prognose über das künftige Wohl- verhalten zwar mitzuberücksichtigen, aber nicht ausschlaggebend (Urteil des Bundesgerichts vom 8. Januar 2015 [2C_84/2014], Erw. 4.3.3; Urteil des Bundesgerichts vom 24. März 2015 [2C_516/2014], Erw. 4.3.2 mit Hinweisen). Zudem können gemäss konstanter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts bei Staatsange- hörigen von Drittstaaten grundsätzlich auch generalpräventive Über- legungen bei der Bemessung des öffentlichen Interesses mitberück- sichtigt werden (VGE vom 27. März 2013 [WBE.2011.1020], Erw. II/3.2.2; RGAE vom 16. November 2010 [1-BE.2009.31], Erw. II/3.2.2, bestätigt mit Urteil des Bundesgerichts vom 22. März 2011 [2C_13/2011], Erw. 2.2), was vorliegend mit Blick auf den kulturellen Hintergrund der Straftaten des Beschwerdeführers beson- ders angezeigt ist. Mit anderen Worten ist gegenüber Drittstaatsange- hörigen im Allgemeinen mit aller Deutlichkeit zu unterstreichen, dass kulturell bedingte Gewalttätigkeit, insbesondere gegenüber Familienmitgliedern, nicht toleriert wird. 3.2.4. Insgesamt ergibt sich ein sehr grosses öffentliches Interesse am Widerruf der Niederlassungsbewilligung und an der Wegweisung des 2018 Migrationsrecht 167 Beschwerdeführers aus der Schweiz. Massgebend für diese Beurtei- lung ist die Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer Freiheits- strafe von zwei Jahren wegen mehrfacher Drohung, mehrfacher Kör- perverletzung, mehrfacher Beschimpfung, Sachbeschädigung sowie Nötigung zum Nachteil seiner Tochter und seiner Schwester sowie der kulturelle Hintergrund der Taten, aufgrund dessen von einem sehr grossen öffentlichen Interesse auszugehen ist, auch wenn dieses in- folge der Aufhebung des strafgerichtlich angeordneten Kontaktver- bots auf Initiative seiner Tochter hin relativiert wird. 3.3. 3.3.1. Dem festgestellten sehr grossen öffentlichen Interesse am Widerruf der Niederlassungsbewilligung und an der Wegweisung des Beschwerdeführers aus der Schweiz ist sein privates Interesse am weiteren Verbleib gegenüberzustellen. Das private Interesse einer Person am weiteren Verbleib in der Schweiz bestimmt sich aufgrund ihrer Aufenthaltsdauer in der Schweiz und der dabei erfolgten Integration, ihrer familiären Verhält- nisse, ihrer gesundheitlichen Situation und ihrer (Re-)Integrations- chancen im Heimatland. 3.3.2. 3.3.2.1. Bei der Bemessung des privaten Interesses kommt der Aufent- haltsdauer in der Schweiz eine erhebliche Bedeutung zu. Je länger eine Person in einem bestimmten Land lebt, desto enger werden in der Regel die Beziehungen sein, die sie dort geknüpft hat, und umso grösser ist grundsätzlich ihr Interesse an einem Verbleib in diesem Land. Dabei ist die anrechenbare Aufenthaltsdauer praxisgemäss abstrakt - unter Abzug der in Unfreiheit bzw. ohne Aufenthaltsbe- rechtigung in der Schweiz verbrachten Zeitspanne - zu berechnen (vgl. VGE vom 22. Mai 2018 [WBE.2017.531], Erw. II/4.3.2; VGE vom 27. Juni 2018 [WBE.2016.546], Erw. II/4.3). Massgebend ist aber nicht die Aufenthaltsdauer für sich alleine. Vielmehr lässt sich das aus der Aufenthaltsdauer resultierende private Interesse erst unter Berücksichtigung der während der Aufenthalts- dauer erfolgten Integration - namentlich in sprachlicher, sozialer, 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 168 beruflicher und wirtschaftlicher Hinsicht - bestimmen. Damit gilt der Grundsatz je länger die Aufenthaltsdauer, umso grösser das private Interesse an einem Verbleib in der Schweiz nur, wenn die Integra- tion einen der Aufenthaltsdauer entsprechenden Grad erreicht. Wird der aufgrund der Aufenthaltsdauer zu erwartende Integrationsgrad übertroffen, ist das private Interesse an einem Verbleib in der Schweiz entsprechend höher zu veranschlagen. Erreicht die Integra- tion demgegenüber den mit Blick auf die Aufenthaltsdauer zu erwar- tenden Grad nicht, stellt die Entfernungsmassnahme für die be- troffene Person einen weniger gravierenden Eingriff dar und ist das private Interesse an einem Verbleib in der Schweiz entsprechend tiefer zu veranschlagen. Demnach lässt sich das aus der anrechenba- ren Aufenthaltsdauer resultierende private Interesse am weiteren Verbleib in der Schweiz erst im Rahmen einer Gesamtbetrachtung feststellen. Anzumerken bleibt, dass bei sehr langer Aufenthaltsdauer ein entsprechend hoher Integrationsgrad, mithin eine sehr erfolgrei- che Integration, erwartet wird, weshalb das private Interesse in die- sen Fällen in der Regel nicht höher zu veranschlagen ist. 3.3.2.2. Der Beschwerdeführer reiste am 20. April 1991 in die Schweiz ein, womit er - unabhängig von den knapp drei Monaten Untersu- chungshaft - seit nunmehr über 27 Jahren in der Schweiz lebt. Diese sehr lange Aufenthaltsdauer lässt grundsätzlich auf ein sehr grosses privates Interesse schliessen. Zu prüfen ist im Folgen- den, wie sich der Beschwerdeführer mit Blick auf die Aufenthalts- dauer integriert hat und ob aufgrund des Integrationsgrades ein abweichendes privates Interesse resultiert. 3.3.2.3. Hinsichtlich der sprachlichen Integration in der Schweiz ergibt sich aus den Akten, dass die Befragungen des Beschwerdeführers jeweils auf Deutsch erfolgten bzw. dass die Verhandlungssprache Deutsch war (Strafakten; MI-act. 77), womit davon auszugehen ist, dass er sich sprachlich in der Schweiz integriert hat. Nachdem weder aus den Akten hervorgeht noch vom Beschwerdeführer geltend ge- macht wird, dass seine Sprachkenntnisse den mit Blick auf seine Aufenthaltsdauer zu erwartenden Integrationsgrad über- oder unter- 2018 Migrationsrecht 169 schreiten würden, ist von einer in sprachlicher Hinsicht normalen Integration auszugehen. 3.3.2.4. Unter dem Aspekt der kulturellen und sozialen Integration ist namentlich zu berücksichtigen, in welchem Alter die betroffene Per- son in die Schweiz eingereist ist, welche sozialen Beziehungen sie ausserhalb ihrer Kernfamilie in der Schweiz pflegt und ob aufgrund ihres gesamten Verhaltens auf eine vertiefte Verwurzelung in der Schweiz zu schliessen ist. Der Beschwerdeführer ist im Alter von 15 Jahren in die Schweiz eingereist und hat damit seine Kindheit und den Grossteil der prägenden Jugendjahre im Heimatland verbracht. Mit Blick auf das in der Schweiz gezeigte - namentlich straffällige - Verhalten des Beschwerdeführers (siehe vorne Erw. 3.2) kann nicht von einer in kultureller Hinsicht erfolgreichen Integration des Beschwerdeführers in der Schweiz ausgegangen werden; basierten seine gegenüber sei- ner Tochter und seiner Schwester verübten Straftaten doch gerade auf dem kulturellen Hintergrund seines Heimatlandes. Wie der Be- schwerdeführer zutreffend geltend macht, besteht zwar keine über die gesetzlichen Gebote hinausgehende Assimilierungspflicht, die von hier lebenden ausländischen Personen eine umfassende Anpas- sung an hiesige Gebräuche und Lebensweisen verlangen würde (BGE 134 II 1, Erw. 4.2). Jedoch hat der Beschwerdeführer im Um- gang mit seiner Tochter sowie auch gegenüber seiner Schwester eine mit den hiesigen Wertvorstellungen und der hiesigen Rechtsordnung nicht zu vereinbarende Haltung an den Tag gelegt. Hinsichtlich seiner sozialen Integration verweist der Beschwer- deführer auf die Empfehlungsschreiben einer früheren Nachbarin und einer Freundin der Familie und macht geltend, sie würden bestä- tigen, dass er eine freundliche, gute und hilfsbereite Person sei und der Kontakt sowohl in der Vergangenheit als auch heute stets gut gewesen sei. Auch seine Arbeitgeberin bestätige, dass er ein sehr wichtiger, im Betrieb voll integrierter Mitarbeiter sei. Ausserdem reicht der Beschwerdeführer eine Liste mit Namen von Arbeitskolle- ginnen und -kollegen ein, welche mit ihrer Unterschrift eine kulturel- le Integration und eine angenehme Zusammenarbeit mit ihm bestä- 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 170 tigen (act. 18, Beschwerdebeilagen 6 - 8). Nachdem er im Rahmen seines Schreibens selber angegeben hatte, ihm sei es wichtig gewe- sen, dass sie ehrenhafte Menschen seien und andere sie nicht ver- spotten könnten (Beschwerdebeilage 4), lassen diese Empfehlungs- schreiben und Bestätigungen keinen Schluss auf eine erfolgreiche soziale Integration in der Schweiz zu. Zudem erstreckt sich eine solche nicht allein darauf, wie ein Betroffener auf Dritte wirkt und ob er ihnen gegenüber ein möglichst gutes Bild abgibt. Vielmehr um- fasst die soziale Integration insbesondere auch das innerfamiliäre Verhalten, über welches Nachbarn oder Arbeitgeber mangels entspre- chender Kenntnis in der Regel keine Auskunft geben können. Es ist überdies nicht ersichtlich, dass und inwiefern der Beschwerdeführer - abgesehen von seiner hier lebenden Ehefrau und seinen Kindern (siehe dazu hinten Erw. 3.3.3) - besonders enge Beziehungen in der Schweiz pflegen würde, deren Abbruch bei einem Widerruf der Niederlassungsbewilligung und einer damit verbundenen Wegwei- sung aus der Schweiz zu einer unzumutbaren Entwurzelung führen könnte. Solches wird vom Beschwerdeführer auch nicht dargetan. Mit Blick auf die sehr lange Aufenthaltsdauer ist beim Be- schwerdeführer damit in kultureller und sozialer Hinsicht von einer mangelhaften Integration auszugehen. 3.3.2.5. Weiter ist zu prüfen, ob sich die betroffene Person in beruflicher Hinsicht entsprechend ihrer Aufenthaltsdauer in der Schweiz inte- griert hat und beim Verlassen der Schweiz ein stabiles Arbeitsumfeld aufgeben müsste. Nach seiner Einreise in die Schweiz war der Beschwerdeführer ab dem Jahr 1991 im Rahmen diverser Temporäranstellungen tätig, bis er im Jahr 1998 von seiner heutigen Arbeitgeberin angestellt wurde. Eine Berufslehre hat er nicht absolviert (Gutachten vom 19. Februar 2013, S. 5 f.). Wie der Beschwerdeführer geltend macht und aus dem Zwischenzeugnis seiner Arbeitgeberin vom 19. Mai 2017 hervorgeht, ist er seit 20 Jahren als Betriebsmitarbeiter im Schichtbetrieb angestellt und verrichtet Arbeiten in der Sperrholzfer- tigung. Weiter bestätigt die Arbeitgeberin, dass er sehr gute Leistun- gen erbringe, eine hohe Leistungsbereitschaft aufweise und sich 2018 Migrationsrecht 171 gegenüber seinen Vorgesetzten und Mitarbeitern tadellos verhalte. Sie sähe den Beschwerdeführer als voll integriert in ihrem Betrieb an. Er sei ein sehr wichtiger Mitarbeiter für sie (act. 18, Beschwerde- beilage 6). Damit liegt in beruflicher Hinsicht mit Blick auf die sehr lange Aufenthaltsdauer eine normale Integration des Beschwerdeführers in der Schweiz vor und müsste er bei einer Wegweisung aus der Schweiz ein stabiles Arbeitsumfeld aufgeben. 3.3.2.6. Unter dem Aspekt der wirtschaftlichen Integration ist einerseits von Bedeutung, ob die betroffene Person wirtschaftlich unabhängig ist, d.h. ihren Lebensunterhalt primär mit eigenen Mitteln, insbeson- dere ohne Inanspruchnahme der öffentlichen Fürsorge, finanzieren kann, und andererseits wie sich ihre Schuldensituation präsentiert. Das Sozialamt T. bestätigt mit Schreiben vom 7. Februar 2017, dass der Beschwerdeführer seit seinem Zuzug am 1. Dezember 2006 keine materielle Unterstützung der Gemeinde T. bezogen habe (MI-act. 109). Weiter geht aus den Akten hervor, dass beim Regiona- len Betreibungsamt U. auf den Namen des Beschwerdeführers per 7. Februar 2017 keine Betreibungen oder Verlustscheine registriert waren (MI-act. 108). Demnach ist in wirtschaftlicher Hinsicht mit Blick auf die sehr lange Aufenthaltsdauer von einer normalen Integration des Be- schwerdeführers in der Schweiz auszugehen. 3.3.2.7. Zusammenfassend ist der Beschwerdeführer mit Blick auf die sehr lange Aufenthaltsdauer in sprachlicher sowie in beruflich-wirt- schaftlicher Hinsicht zwar in die schweizerischen Verhältnisse inte- griert, jedoch liegt in kultureller und sozialer Hinsicht eine mangel- hafte Integration vor. Angesichts der sehr langen Aufenthaltsdauer in der Schweiz ist die dabei erfolgte Integration des Beschwerdeführers damit insgesamt als eher mangelhaft zu qualifizieren und entspre- chend lediglich noch von einem bestenfalls grossen bis sehr grossen privaten Interesse des Beschwerdeführers am weiteren Verbleib in der Schweiz auszugehen. 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 172 3.3.3. 3.3.3.1. Weiter ist zu prüfen, ob hinsichtlich der Kernfamilie der betrof- fenen Person von einem erhöhten privaten Interesse am weiteren Verbleib in der Schweiz auszugehen ist. Dabei sind namentlich eine eheliche, partnerschaftliche oder gefestigte Konkubinatsbeziehung sowie das Vorhandensein von minderjährigen Kindern bzw. erwach- senen Verwandten in auf- oder absteigender Linie mit Abhängigkeits- verhältnis relevant. Von Bedeutung sind die Auswirkungen und die der betroffenen Person und ihrer Familie drohenden Nachteile bei einer Ausreise aus der Schweiz (BGE 135 II 377, Erw. 4.3; Urteil des Bundesgerichts vom 7. September 2018 [2C_410/2018], Erw. 4.2). 3.3.3.2. Der Beschwerdeführer ist seit dem 29. September 1993 mit ei- ner kosovarischen Staatsangehörigen verheiratet. Es steht ausser Frage, dass eine räumliche Trennung des Beschwerdeführers von seiner Ehefrau einen grossen Eingriff in ihr Eheleben darstellen wür- de, da diesfalls die Beziehung nur noch besuchsweise bzw. über die traditionellen und die modernen Kommunikationsmittel gelebt wer- den könnte. Jedoch hat der Beschwerdeführer das Familienleben in der Schweiz durch sein Verhalten selbst aufs Spiel gesetzt. Der Ehefrau des Beschwerdeführers steht es frei, ihrem Ehe- mann in die Heimat zu folgen, besitzt sie doch ebenfalls die kosova- rische Staatsbürgerschaft. Eine Übersiedlung in das gemeinsame Heimatland dürfte zwar mit gewissen Schwierigkeiten und Ein- schränkungen verbunden sein; ist sie doch im Alter von 17 Jahren das erste Mal in die Schweiz eingereist. Jedoch hat sie ihre gesamte Kindheit sowie einen Teil ihrer Adoleszenz in ihrem Heimatland verbracht und ist daher mit den kulturellen Gepflogenheiten und den heimatlichen Verhältnissen vertraut. Eine Rückkehr in den Kosovo ist für die Ehefrau des Beschwerdeführers damit nicht generell als unzumutbar anzusehen. Daran vermögen die anderslautenden Vor- bringen des Beschwerdeführers (act. 23 f.) nichts zu ändern. 3.3.3.3. Der Beschwerdeführer und seine Ehefrau haben drei gemein- same Kinder, welche heute 25, knapp 23 und knapp 18 Jahre alt sind, 2018 Migrationsrecht 173 wobei das jüngste Kind im Jahr 2018 volljährig wird. Angesichts dessen, dass dem Beschwerdeführer durch das MIKA eine Ausreise- frist von 90 Tagen nach Rechtskraft der Verfügung angesetzt und diese durch die Vorinstanz nicht abgeändert wurde, wären im Fall einer Wegweisung des Beschwerdeführers aus der Schweiz im Zeit- punkt seiner Ausreise alle seine Kinder volljährig. Auch wenn nach- vollziehbar ist, dass es den Kindern schwer fallen wird, wenn ihr Vater das Land verlassen müsste, wird ein besonderes Abhängig- keitsverhältnis zum Vater nicht geltend gemacht und ist ein solches auch nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass Kinder auf ihrem schulischen und beruflichen Weg auf die Unterstützung der Eltern angewiesen sein können, vermag kein Abhängigkeitsverhältnis im Sinne der Rechtsprechung zu begründen (vgl. Urteil des Bundesge- richts vom 8. Januar 2015 [2C_84/2014], Erw. 5.2.2). Die Beziehung zwischen dem Beschwerdeführer und seinen Kindern kann im Fall seiner Ausreise aus der Schweiz sodann besuchsweise oder mittels traditioneller und moderner Kommunikationsmittel gepflegt werden. Im Übrigen steht es den Kindern frei zu entscheiden, ob sie dem Beschwerdeführer in das Heimatland folgen oder in der Schweiz verbleiben wollen. 3.3.3.4. Nach dem Gesagten resultiert für den Beschwerdeführer auf- grund seiner Familienangehörigen in der Schweiz ein leicht erhöhtes privates Interesse an einem weiteren Verbleib. 3.3.4. In Bezug auf die gesundheitliche Situation des Beschwerdefüh- rers geht aus den Akten nichts hervor und wird auch nichts geltend gemacht, was das private Interesse an einem Verbleib in der Schweiz erhöhen könnte. 3.3.5. 3.3.5.1. Schliesslich ist bei der Bemessung des privaten Interesses zu prüfen, welche Beziehungen die betroffene Person zum Heimatland unterhalten hat oder noch unterhält und ob sie bei einer Ausreise aus der Schweiz im Heimatland auf unüberwindbare (Re-)Integrations- probleme stossen würde. Zu beachten sind zudem auch jene Aspekte, 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 174 die eine Rückkehr ins Heimatland aufgrund der dort bestehenden Situation als unzumutbar erscheinen lassen (vgl. Art. 83 Abs. 7 AuG; BGE 135 II 110, Erw. 4.2). 3.3.5.2. Der Beschwerdeführer besuchte die erste bis achte Primarschul- klasse im Kosovo und reiste im Alter von 15 Jahren in die Schweiz ein. Damit verbrachte er seine gesamte Kindheit wie auch einen Grossteil der prägenden Jugendjahre in seinem Heimatland, womit er mit der heimatlichen Kultur vertraut sein dürfte. Dies gilt vorliegend umso mehr, als er eine Landsfrau geheiratet hat und sie ihre Ferien gemäss eigenen Angaben ab und zu im Kosovo verbringen (MI-act. 161). Darüber hinaus basierten die Straftaten des Beschwer- deführers auf dem kulturellen Hintergrund seines Heimatlands und führte er im Rahmen seines Schreibens selber aus, dass er die Werte aus dem Heimatland mitgenommen habe (Beschwerdebeilage 4). Mithin dürfte ihm bei einer Wegweisung aus der Schweiz die kulturelle Reintegration in seinem Heimatland leicht fallen. 3.3.5.3. Die Kenntnisse der heimatlichen Sprache sind mit Blick auf die (Re-)Integrationschancen der betroffenen Person in ihrem Heimat- land im Rahmen der Interessenabwägung nur insofern von Relevanz, als die betroffene Person der heimatlichen Sprache nicht (mehr) mächtig ist und es ihr auch nicht zumutbar ist, diese zu erlernen. Angesichts dessen, dass der Beschwerdeführer bis zu seinem 16. Lebensjahr im Kosovo gelebt und eine kosovarische Staatsange- hörige geheiratet hat, ist davon auszugehen, dass er der heimatlichen Sprache nach wie vor mächtig ist. Etwas Anderes ergibt sich weder aus den Akten noch aus den beschwerdeführerischen Vorbringen. Somit ist in sprachlicher Hinsicht von guten Reintegrations- chancen des Beschwerdeführers in seinem Heimatland auszugehen. 3.3.5.4. Der Beschwerdeführer macht im Rahmen seiner Beschwerde geltend, dass er praktisch keine Kontakte in den Kosovo habe (act. 19). Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer selber damit nicht ausschliesst, über gewisse Kontakte im Heimatland zu verfü- gen, wären im vorliegenden Fall selbst dann keine unüberwindbaren 2018 Migrationsrecht 175 Reintegrationsschwierigkeiten ersichtlich, wenn er sein Beziehungs- netz im Heimatland neu aufbauen müsste. 3.3.5.5. Mit Blick auf die berufliche und wirtschaftliche Integration im Heimatland geht weder aus den Akten noch aus den Vorbringen des Beschwerdeführers hervor, dass und weshalb ihm diese nicht gelin- gen sollte. Namentlich lassen die geltend gemachten fehlenden be- ruflichen Kontakte im Kosovo (act. 23) keinen anderen Schluss zu. Selbst unter Berücksichtigung der im Vergleich zur Schweiz schlechteren Wirtschaftslage und allfälliger Startschwierigkeiten ist damit von intakten Integrationschancen auszugehen. 3.3.5.6. Vorliegend besteht auch kein Anlass zur Befürchtung, dass der Beschwerdeführer bei einer Ausreise in sein Heimatland aufgrund der allgemeinen Lage einer konkreten Gefährdung ausgesetzt wäre. Solches wird denn auch nicht geltend gemacht. 3.3.5.7. Mit Blick auf die (Re-)Integrationschancen des Beschwerdefüh- rers im Heimatland sind keine unüberwindbaren Hindernisse ersicht- lich, womit er unter diesem Aspekt nichts zu seinen Gunsten ableiten kann. 3.3.6. Zusammenfassend erhöht sich das mit Blick auf die sehr lange Aufenthaltsdauer und die dabei erfolgte eher mangelhafte Integration in der Schweiz bestenfalls grosse bis sehr grosse private Interesse aufgrund seiner familiären Situation leicht und ist insgesamt als gross bis sehr gross zu qualifizieren. 3.4. Bei Gesamtwürdigung der sich gegenüberstehenden öffentli- chen und privaten Interessen überwiegt das sehr grosse öffentliche Interesse am Widerruf der Niederlassungsbewilligung und an der Wegweisung des Beschwerdeführers aus der Schweiz sein grosses bis sehr grosses privates Interesse, in der Schweiz zu verbleiben. Der Widerruf der Niederlassungsbewilligung ist damit gemessen am nationalen Recht nicht zu beanstanden. 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 176 4. 4.1. Zu prüfen bleibt, ob der Widerruf der Niederlassungsbewilli- gung und die Wegweisung des Beschwerdeführers aus der Schweiz vor Art. 8 EMRK standhalten. 4.2. 4.2.1. Art. 8 Ziff. 1 EMRK sowie der - soweit hier von Interesse - in- haltlich im Wesentlichen übereinstimmende Art. 13 Abs. 1 BV ge- währleisten das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Diese Garantien können namentlich dann verletzt sein, wenn einer ausländischen Person, deren Familienangehörige in der Schweiz le- ben, die Anwesenheit untersagt und damit das gemeinsame Fami- lienleben vereitelt wird. Damit stellt das Recht auf Achtung des Pri- vat- und Familienlebens gemäss Art. 8 Ziff. 1 EMRK zwar ein Ab- wehrrecht des Betroffenen gegenüber dem Staat dar und soll verhin- dern, dass dieser in unzulässiger Weise in das Privat- und Familienle- ben eines Betroffenen eingreift. Art. 8 EMRK verschafft dem Be- troffenen jedoch praxisgemäss keinen Anspruch auf Einreise und Aufenthalt oder auf einen besonderen Aufenthaltstitel (vgl. BGE 139 I 330, Erw. 2.1). Mit anderen Worten hindert Art. 8 EMRK die Konventionsstaaten nicht daran, Regeln über die Anwesenheit auf ihrem Staatsgebiet bzw. die Art der zu erteilenden Bewilligung zu normieren und den Aufenthalt ausländischer Personen gegebenen- falls auch wieder zu beenden, sofern das Familien- und Privatleben im Rahmen einer Interessenabwägung berücksichtigt wird und letzt- lich ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Bewilligungs- verweigerung resultiert. 4.2.2. Grundsätzlich umfasst der Schutzbereich neben der eigentlichen Kernfamilie (Beziehungen zwischen Ehegatten sowie zwischen El- tern und minderjährigen Kindern) auch die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern sowie die Beziehung zwischen Geschwistern. In ausländerrechtlichen Fällen gewährleistet Art. 8 Ziff. 1 EMRK gemäss der Rechtsprechung des EGMR das Familien- leben ausserhalb der Kernfamilie jedoch nur dann, wenn eine fak- 2018 Migrationsrecht 177 tische Familieneinheit vorliegt, die zusätzliche Elemente einer Ab- hängigkeit aufweist, die über normale, gefühlsmässige Verbindungen hinausgehen (vgl. hierzu ALBERTO ACHERMANN/MARTINA CARONI, in: PETER UEBERSAX/BEAT RUDIN/THOMAS HUGI YAR/THOMAS GEISER [Hrsg.], Handbücher für die Anwaltspraxis, Band VIII, Ausländerrecht, 2. Aufl., Basel 2009, Rz. 6.27). Liegt ein geschütztes Familienleben vor, kann sich ein Betroffe- ner jedoch nur dann auf Art. 8 Ziff. 1 EMRK berufen, wenn das ge- schützte Familienleben durch den staatlichen Eingriff tangiert wird. Ein solcher Eingriff bzw. eine Verletzung von Art. 8 EMRK ist von vornherein zu verneinen, wenn es den Betroffenen ohne Schwierig- keiten möglich ist, die Familienzusammenführung im Ausland vorzu- nehmen. In diesen Fällen wird das Familienleben gar nicht tangiert (Urteil des Bundesgerichts vom 26. September 2014 [2C_147/2014], Erw. 5.3). 4.2.3. Ein durch Art. 8 Ziff. 1 EMRK geschütztes Privatleben liegt ge- mäss Bundesgericht vor, wenn eine betroffene Person über besonders intensive private Bindungen (gesellschaftlicher oder beruflicher Na- tur) oder entsprechend vertiefte soziale Beziehungen im ausserfami- liären respektive ausserhäuslichen Bereich verfügt, die über eine normale Integration hinausgehen (BGE 130 II 281, Erw. 3.2.1 mit Hinweisen). Von derart intensiven Beziehungen ist mit Blick auf die neueste bundesgerichtliche Rechtsprechung bei einem rechtmässigen Aufenthalt von rund zehn Jahren regelmässig auszugehen, selbst wenn die betroffene ausländische Person erst im Erwachsenenalter in die Schweiz übersiedelt ist. Dabei ist die Aufenthaltsdauer jedoch lediglich als Richtgrösse zu verstehen. Weder genügt sie allein für die Annahme eines Eingriffs in das Privatleben noch stellt sie eine zwingende Voraussetzung dafür dar. Im Einzelfall kann die Integra- tion der betroffenen ausländischen Person trotz eines zehnjährigen rechtmässigen Aufenthalts derart mangelhaft sein, dass kein Eingriff vorliegt. Demgegenüber kann bei besonders ausgeprägter Integration trotz eines längeren, aber noch nicht zehnjährigen rechtmässigen Aufenthalts ein Eingriff in das Privatleben vorliegen (Urteil des Bundesgerichts vom 8. Mai 2018 [2C_105/2017], Erw. 3.9; vgl. auch 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 178 Erw. 3.6 - 3.8 mit Hinweisen auf die zugrundeliegende Rechtspre- chung des EGMR). 4.2.4. Selbst wenn ein Eingriff in das durch Art. 8 Ziff. 1 EMRK ge- schützte Privat- und Familienleben bejaht wird, ist ein solcher ge- mäss Art. 8 Ziff. 2 EMRK zulässig, wenn er gesetzlich vorgesehen ist und eine Massnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesell- schaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ordnung, das wirt- schaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung oder zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesund- heit und Moral sowie der Rechte und Freiheiten anderer notwendig erscheint. Bei der Interessenabwägung im Rahmen von Art. 8 Ziff. 2 EMRK sind - ebenso wie bei Art. 96 AuG - die Schwere des be- gangenen Delikts, der seit der Tat vergangene Zeitraum, das Ver- halten des Ausländers während dieser Periode, die Auswirkungen auf die primär betroffene Person sowie deren familiäre Situation zu be- rücksichtigen. Von Bedeutung sind auch die Nachteile, die dem Ehe- partner oder den Kindern erwachsen würden, müssten sie dem Be- troffenen in dessen Heimat folgen (vgl. BGE 135 II 377, Erw. 4.3 mit Hinweisen). 4.3. Nachdem der Ehefrau des Beschwerdeführers eine Übersied- lung in den Kosovo möglich und zumutbar ist, die gemeinsamen Kinder volljährig sind und bezüglich der Kinder keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer faktischen Familieneinheit bestehen, welche zusätzliche Elemente einer Abhängigkeit aufweist, die über normale, gefühlsmässige Verbindungen hinausgehen (siehe vorne Erw. 3.3.3), ist der Schutzbereich des Familienlebens vorliegend nicht tangiert. Aufgrund des 27-jährigen migrationsrechtlich anrechenbaren Aufenthalts des Beschwerdeführers in der Schweiz ist, unabhängig von individuell-konkreten Integrationsaspekten, davon auszugehen, dass der Widerruf der Niederlassungsbewilligung und die Wegwei- sung aus der Schweiz einen Eingriff in sein Privatleben im Sinne von Art. 8 Ziff. 1 EMRK darstellen. Dieser Eingriff ist vorliegend jedoch durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt (siehe vorne Erw. 3.4). 2018 Migrationsrecht 179 Ein Verstoss gegen Art. 8 EMRK liegt damit weder hinsichtlich des geschützten Familienlebens noch hinsichtlich des geschützten Privatlebens des Beschwerdeführers vor. 5. Nach dem Gesagten ist festzuhalten, dass der Widerruf der Nie- derlassungsbewilligung und die Wegweisung des Beschwerdeführers aus der Schweiz nicht gegen nationales Recht verstossen und auch vor Art. 8 EMRK standhalten. Der Entscheid der Vorinstanz betref- fend Widerruf der Niederlassungsbewilligung und Wegweisung ist demnach nicht zu beanstanden. 6. 6.1. In einem letzten Schritt ist zu prüfen, ob dem Vollzug der Weg- weisung Hindernisse entgegenstehen. 6.2. Ist der Vollzug der Wegweisung nicht möglich, nicht zulässig oder nicht zumutbar, so verfügt das SEM die vorläufige Aufnahme (Art. 83 Abs. 1 AuG). 6.3. Da der Beschwerdeführer zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde (siehe vorne Erw. 2), kommt eine Gewährung der vorläufigen Aufnahme wegen Unzumutbarkeit oder Unmöglichkeit des Wegweisungsvollzugs von vornherein nicht in Betracht (Art. 83 Abs. 7 lit. a AuG). Demnach ist nicht weiter zu prüfen, ob Gründe bestehen, die den Vollzug der Wegweisung als unzumutbar im Sinne von Art. 83 Abs. 4 AuG oder unmöglich im Sinne von Art. 83 Abs. 2 AuG erscheinen lassen. 6.4. Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflich- tungen der Schweiz einer Weiterreise der ausländischen Person in den Heimat-, Herkunfts- oder in einen Drittstaat entgegenstehen (Art. 83 Abs. 3 AuG). So darf etwa gemäss Art. 3 EMRK und Art. 25 Abs. 3 BV insbesondere keine Gefahr bestehen, dass eine Person bei der Ausreise Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung ausgesetzt wird. 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 180 Es ergeben sich keine Hinweise darauf, dass sich der Vollzug der Wegweisung vorliegend als unzulässig erweisen könnte. Entspre- chendes wird denn auch nicht geltend gemacht. 6.5. Nach dem Gesagten erweist sich der Vollzug der Wegweisung als zulässig. Das Vorliegen von Vollzugshindernissen wurde damit durch die Vorinstanzen zu Recht verneint. 7. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Widerruf der Niederlassungsbewilligung und die Wegweisung des Beschwerde- führers aus der Schweiz gemäss nationalem Recht nicht zu beanstan- den sind und auch vor Art. 8 EMRK standhalten. Nachdem auch dem Vollzug der Wegweisung keine Hindernisse entgegenstehen, ist der Entscheid der Vorinstanz nicht zu beanstanden und die Beschwerde abzuweisen. III. Im Beschwerdeverfahren werden die Verfahrenskosten nach Massgabe des Unterliegens und Obsiegens auf die Parteien verlegt (§ 31 Abs. 2 VRPG). Nachdem der Beschwerdeführer unterliegt, gehen die Kosten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zu seinen Lasten. Eine Parteientschädigung fällt ausser Betracht (§ 32 Abs. 2 VRPG). (Hinweis: Dieser Entscheid ist noch nicht rechtskräftig. Verfah- rensnummer des Bundesgerichts: 2C_1153/2018)
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AG_VG
AG
Northwestern_Switzerland
AG_VG_001_AGVE-2018-14_2018-11-02
http://agve.weblaw.ch/html//AGVE-2018-14.html
https://agve.weblaw.ch/pdf/AGVE-2018-14.pdf
AGVE_2018_14
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2003 Abgaben 105 III. Abgaben 32 Baubewilligungsgebühr. - Externe Bauverwaltung (Erw. 1/c). - Kostendeckungsprinzip. Prüfung bei externer Bauverwaltung. Anfor- derungen an die Beschwerdebegründung (Erw. 3). - Äquivalenzprinzip. Die notwendigen Aufwendungen (und nur diese) der externen Bauverwaltung, ohne MWSt, dürfen verrechnet werden (Erw. 4). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 30. September 2003 in Sachen R.B. und Mitb. gegen Entscheid des Baudepartements. Sachverhalt Ziff. 1 - 4 des Gebührenreglements zur Bauordnung der Ge- meinde D. (GebR) vom 25. November 1994 lauten wie folgt: "1. Für die Behandlung von Baugesuchen und Gesuchen um Vorent- scheide sind folgende einmalige Gebühren zu entrichten: a) (...) b) für bewilligte Baugesuche: 2.5 der errechneten Bausumme, für Gebäude auf Grund der nach SIA-Normen berechneten Baukosten, mindestens aber Fr. 100.--. Dazu kommen die effektiven Inseratekosten für die Publikation. Die promillemässig ermittelte Baubewilligungsgebühr wird ermässigt um die nach Ziff. 3 hienach sep. erhobenen effekti- ven Kosten einer externen Bauverwaltung. Durch diese Ermässigung darf der für die Erfüllung allg. Bau- verwaltungsaufgaben der Gemeinde verbleibende Betrag den 2003 Verwaltungsgericht 106 Satz von 1.25 der errechneten Bausumme nicht unter- schreiten. (...) Bei Bauten oder Bauteilen, für welche nach Bauvollendung das Aarg. Versicherungsamt (AVA) einen Brandversiche- rungswert festlegt, wird die Gebühr auf Grund dieses Wertes neu berechnet. Bei einer Abweichung zu der nach lit. b) be- rechneten Gebühr von mehr als Fr. 100.-- wird die Differenz in Rechnung gestellt bzw. erstattet. c) (...) 2. Entstehen wegen Einreichung mangelhafter Baugesuche Mehrar- beiten oder werden durch Nichtbefolgung der Bauordnung oder von erteilten Baubewilligungen zusätzliche Aufwendungen, Be- sichtigungen, Kontrollen etc. notwendig, so sind diese in jedem Fall zu ersetzen. 3. Die effektiven Kosten einer externen Bauverwaltung für Profil- kontrolle, die baupolizeiliche Prüfung und Bearbeitung des Bauge- suches einschliesslich Brand-, Lärm, Wärme- und Zivilschutz und die gesetzlich vorgeschriebenen Baukontrollen sind von der Bau- herrschaft zusätzlich zu ersetzen. 4. Die Kosten für Gutachten, spezielle Beaufsichtigungen, Messun- gen und Kontrollen sind durch den Verursacher zu entrichten." Streitig wurde eine Gebühr von Fr. 3'056.90 (Fr. 50.-- gemäss Ziff. 1/b; Fr. 2'918.60 Kosten externe Bauverwaltung gemäss Ziff. 3; Fr. 88.30 Inseratekosten). Aus den Erwägungen 1. a) Für Entscheide über Baugesuche können - in Abweichung von der in § 33 Abs. 1 VRPG enthaltenen allgemeinen Regel - auch im erstinstanzlichen Verfahren Gebühren und Kosten auferlegt wer- den (§ 5 Abs. 2 BauG). Es handelt sich dabei um Verwaltungsgebüh- ren, deren Höhe durch das Kostendeckungs- und das Äquivalenz- prinzip begrenzt wird (AGVE 1992, S. 311; Ulrich Häfelin/Georg 2003 Abgaben 107 Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Auflage, Zürich/ Basel/Genf 2002, Rz. 2627 f., 2637 f., 2641 f.; Erich Zimmerlin, Kommentar zum [alten] Baugesetz, 2. Auflage, Aarau 1985, § 3 N 10a). b) Das GebR wurde von der Gemeindeversammlung am 25. November 1994 beschlossen und vom Grossen Rat am 25. April 1995 genehmigt. (...) Dass es als gesetzliche Grundlage für die Ge- bührenerhebung genügt (vgl. dazu: Häfelin/Müller, a.a.O., Rz. 2695), bestreiten die Beschwerdeführer zu Recht nicht. c) Baubewilligungsbehörde ist im Kanton Aargau der Gemein- derat (§ 59 ff. BauG). Die Bauverwaltung als klassisches Tätig- keitsgebiet der Gemeinde wird häufig durch den Gemeinderat selber, durch eine von ihm eingesetzte Kommission oder durch einen Zweig der Gemeindeverwaltung ausgeübt (Zimmerlin, a.a.O., § 152 N 3). Es ist aber unbestritten, dass auch sonst Hilfsorgane eingesetzt wer- den können (vgl. § 3 Abs. 2 GG; AGVE 2000, S. 572; Zimmerlin, a.a.O.). Wenn die Beschwerdeführer dies nur für schwierige Baube- willigungsverfahren konzedieren, so geht es ihnen offenbar weniger darum, die Zulässigkeit des Beizugs von Hilfsorganen in leichten Fällen, sondern vielmehr die Zulässigkeit der Überwälzung der dabei entstehenden Kosten zu bestreiten. Die Gemeinde D. verfügt über keine eigene Bauverwaltung. Die Arbeiten der Bauverwaltung werden gestützt auf § 38 der Bau- und Nutzungsordnung durch ein Ingenieurbüro erledigt, das der Ge- meinde dafür nach Zeitaufwand Rechnung stellt. Streitig ist die Ver- legung der dadurch entstehenden Kosten und damit insbesondere die Anwendung von Ziff. 3 GebR. 3. a) Die Beschwerdeführer vertreten die Ansicht, dass mit der ordentlichen Baubewilligungsgebühr gemäss Ziff. 1 lit. b GebR die durch ein normales Baugesuch verursachten Grundkosten abgedeckt seien. Wenn alle Baubewilligungsverfahren durch die externe Bau- verwaltung behandelt und deren gesamte Kosten undifferenziert überwälzt würden, komme es zu einer kostenmässigen Doppelbelas- tung der Baugesuchsteller, weil diese zusätzlich die ordentliche Bau- bewilligungsgebühr zu tragen hätten. Damit wird letztlich, wenn 2003 Verwaltungsgericht 108 auch nicht sehr deutlich, geltend gemacht, die Anwendung des GebR führe zwingend zu einer Verletzung des Kostendeckungsprinzips. b) Das Kostendeckungsprinzip besagt, dass der Gesamtertrag der Gebühren und Beiträge die Gesamtkosten des betreffenden Ver- waltungszweiges nicht oder höchstens geringfügig überschreiten darf (Bundesgericht, in: ZBl 97/1996, S. 329; AGVE 2001, S. 177; Häfe- lin/Müller, a.a.O., Rz. 2637, 2653), wobei zum Gesamtaufwand nicht nur die laufenden Ausgaben des betreffenden Verwaltungszweiges, sondern auch angemessene Rückstellungen, Abschreibungen und Reserven hinzuzurechnen sind (BGE 126 I 188). c) Gemäss Ziff. 1 lit. b Abs. 1 GebR beträgt die Baubewilli- gungsgebühr 2,5 der Bausumme. Dazu kommen die effektiven Kosten der externen Bauverwaltung (Ziff. 3 GebR). Diese externen Kosten werden von der Promille-Gebühr abgezogen, wobei indessen - zwecks Deckung der "allgemeinen Bauverwaltungsaufgaben der Gemeinde" - mindestens die Hälfte der Promille-Gebühr bestehen bleibt (Ziff. 1 lit. b Abs. 2 und 3 GebR). Wenn nun sämtliche Auf- wendungen der Bauverwaltung ausgelagert würden und der Ge- meinde danach keine allgemeinen Bauverwaltungsaufgaben verblie- ben, führte die Erhebung von Gebühren, die über die externen Kos- ten hinausgehen, zur Verletzung des Kostendeckungsprinzips. So verhält es sich indessen nicht. Auch wenn die Beurteilungsgrund- lagen von der externen Bauverwaltung geliefert werden, verbleiben dem Gemeinderat, dem Gemeindeschreiber und der Gemeinde- kanzlei Aufgaben (mit entsprechenden Kosten), die nicht delegiert werden können. Zu denken ist namentlich an die formelle Behand- lung der Baugesuche und weiteren Eingaben (weiter auch die Gebüh- renerhebung, die Aufbewahrung der vollständigen Baugesuchsak- ten); der Gemeinderat, der die Verantwortung trägt, kann sich nicht ausschliesslich auf die Vorbereitung durch die (interne oder externe) Bauverwaltung stützen, sondern ist rechtlich und politisch gehalten, sich auch selber kundig zu machen. Im vorliegenden Verfahren ent- halten die Akten mehr als ein Dutzend Protokolle des Gemeinderats D., Korrespondenz, auch gab es mindestens eine Augenscheinsver- handlung und eine weitere Verhandlung. Dies mag überdurchschnitt- lich sein, zeigt aber deutlich auf, dass der Aufwand, welcher der 2003 Abgaben 109 Gemeinde zusätzlich zur externen Bauverwaltung entsteht, keines- wegs gering sein muss. d) aa) Gemäss § 39 Abs. 2 VRPG hat die Beschwerdeschrift neben dem Antrag eine Begründung zu enthalten. Es ist darzulegen, in welchen Punkten und aus welchen Gründen der angefochtene Entscheid nach Auffassung des Beschwerdeführers Mängel aufweist. Damit wird dem Beschwerdeführer eine Substanzierungslast auf- erlegt. Wohl steht dem der Untersuchungsgrundsatz von § 20 VRPG gegenüber, welcher der Behörde die Verpflichtung auferlegt, den Sachverhalt unter Beachtung der Vorbringen der Beteiligten von Am- tes wegen zu prüfen und die notwendigen Ermittlungen anzustellen. Dieser statuiert jedoch keine unbeschränkte Verpflichtung, einen Sachverhalt unter jedem nur erdenklichen Gesichtspunkt zu prüfen. Insbesondere gebietet er nicht, vagen Behauptungen, die ohne ir- gendwelche Hinweise vorgebracht werden, nachzugehen (AGVE 1997, S. 375 ff.; VGE I/92 vom 22. Mai 1997 [BE.1994.00006] in Sachen Erbengemeinschaft M.D., S. 9 f. mit Hinweis; Rhinow/ Kol- ler/Kiss, Öffentliches Prozessrecht und Justizverfassungsrecht des Bundes, Basel/Frankfurt a.M., 1996, Rz. 1349 ff.; Kölz/Bosshart/ Röhl, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2. Auflage, Zürich 1999, § 60 N 1 ff.). bb) Gerade im Bereich des Kostendeckungsprinzips wird ver- langt, dass sich ein Beschwerdeführer nicht damit begnügt, dessen Einhaltung bloss in allgemeiner Form zu bestreiten und zu verlangen, dass die notwendigen, oft sehr aufwendigen Abklärungen durch die Behörde getätigt werden; vielmehr sind die Einwendungen, je- denfalls soweit dies auf Grund allgemein zugänglicher Unterlagen (dazu gehört insbesondere die Gemeinderechnung) möglich ist, kon- kret vorzubringen und zu belegen (BGE 126 I 188 f.; 124 I 296; VGE II/71 vom 24. Oktober 2001 [BE.1999.00282/283] in Sachen M. AG und Einwohnergemeinde Z., S. 25; VGE II/47 vom 20. Juni 2001 [BE.2000.00286] in Sachen M.K. und A. AG, S. 11). cc) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht. Es wird weder ausgeführt, wie hoch in den letzten Jahren (das Kosten- deckungsprinzip verlangt eine längerfristige Betrachtungsweise; vgl. AGVE 2001, S. 179 f.) die behaupteten Überschüsse in den Gemein- 2003 Verwaltungsgericht 110 derechnungen waren, noch dass diese Überschüsse die auf Gemein- derat, Gemeindeschreiber und Gemeindekanzlei entfallenden, nicht separat ausgewiesenen Kosten im Zusammenhang mit der Verwal- tung der privaten Bautätigkeit klar und nachhaltig überstiegen. Angesichts der sich aus logischen Überlegungen ergebenden Möglichkeit von Überschüssen hat das Verwaltungsgericht trotzdem die entsprechenden Zahlen aus den Gemeinderechnungen von 1995 bis 2002 erhoben. Die Mehreinnahmen aus Baubewilligungsgebüh- ren - über die aufgewendeten Bauverwaltungs-Honorare hinaus - beliefen sich durchschnittlich auf knapp Fr. 20'000.-- pro Jahr. Die Entschädigungen des Gemeinderats betrugen zwischen Fr. 50'000.-- und Fr. 75'000.-- und der Personalaufwand für Gemeindeschreiber und -personal über Fr. 200'000.--; in Berücksichtigung der diesen verbleibenden Aufgaben (vorne, Erw. c) ist insbesondere angesichts des Fehlens jeglicher entsprechender Behauptungen und Belege der Beschwerdeführer nicht davon auszugehen, dass die Mehreinnahmen von Fr. 20'000.-- pro Jahr die verbleibenden internen Kosten der Bauverwaltung nachgewiesenermassen überstiegen. e) Eine Verletzung des Kostendeckungsprinzips ist demgemäss nicht ausgewiesen. 4. a) Nach dem Äquivalenzprinzip darf die Abgabe nicht in ei- nem offensichtlichen Missverhältnis zum objektiven Wert der Leis- tung stehen, sie muss sich in vernünftigen Grenzen bewegen (BGE 128 I 52 = Pra 91/2002, S. 171; Bundesgericht, in: ZBl 99/1998, S. 243, je mit Hinweisen). Hier geht es um die Höhe der Gebühr im Einzelfall, die in einem vernünftigen Verhältnis zum Wert stehen muss, den die staatliche Leistung für den Abgabepflichtigen hat (Häfelin/Müller, a.a.O., Rz. 2641). Der Wert der staatlichen Leistung bemisst sich dabei entweder nach dem Nutzen, den diese dem Pflichtigen bringt, oder nach dem Kostenaufwand der konkreten Inanspruchnahme der Verwaltung (BGE 128 I 52 mit Hinweisen). b) Massgeblich für die Frage der zulässigen Belastung der Be- schwerdeführer ist selbstverständlich die gesamte ihnen auferlegte Gebühr und nicht, wie das Baudepartement annimmt, lediglich die auf den Minimalbetrag von Fr. 100.-- festgesetzte Promille-Gebühr. 2003 Abgaben 111 c) Die Beschwerdeführer unterstellen, indem sie einzig Ziff. 1 lit. b Abs. 1 und Ziff. 2 GebR beachten, dass sich die Ange- messenheit der Baubewilligungsgebühr grundsätzlich - mit Ausnahme der zulässigen Auferlegung von Mehrkosten gemäss Ziff. 2 - allein nach der Bausumme richte. Dem kann nicht gefolgt werden. Vielmehr ist die Regelung des GebR als Ganzes zu betrachten, wonach es zulässig ist, der Gebührenbemessung den ganzen notwendigen Aufwand, also auch wenn er keinen ausser- ordentlichen Charakter aufweist, zu Grunde zu legen (Ziff. 3 GebR). Dies hat zur Folge, dass die Gebühr für geringfügige Baugesuche, weil auch diese "ordentlichen" Aufwand verursachen, im Verhältnis zur Bausumme hoch ausfällt und die Minimalgebühr von Fr. 100.--, aber auch Promille-Gebühren im tieferen Bereich regelmässig übersteigen wird. Die Baubewilligungsgebühr richtet sich somit nur bei einer höheren Bausumme nach dieser, bei tiefer Bausumme nach dem Aufwand. d) aa) Es ist grundsätzlich zulässig, dass die Gemeinde den ihr im Zusammenhang mit einem bestimmten, gebührenpflichtigen Ge- schäft erwachsenden Aufwand vollumfänglich berücksichtigt und (eine gesetzliche Grundlage vorausgesetzt) die Gebühr entsprechend festlegt. Es ist nicht ersichtlich, dass eine staatliche Leistung weniger Wert sein soll, als die dafür notwendigen Aufwendungen ausmachen (vgl. BGE vom 18. April 2002 [2P.1/2002] in Sachen X., Erw. 2). bb) "Notwendige Aufwendungen" bedeutet, dass die Auslage- rung der Bauverwaltung als solche nicht zu einer Erhöhung der Kos- ten führen darf. Bei der Auferlegung von Kosten für die externe Bauverwaltung darf die Gemeinde deshalb keinen höheren Stunden- ansatz verrechnen, als es für einen Bauverwalter der Gemeinde an- gemessen wäre (VGE II/52 vom 26. Juni 2001 [BE.2000.00143] in Sachen T.T., S. 12 ff. mit Hinweisen). Im vorgenannten Entscheid vom 26. Juni 2001 erachtete das Verwaltungsgericht Fr. 85.-- als Stundenlohn für einen Bauverwalter, zuzüglich eines Anteils an all- gemeinen Infrastrukturkosten, als angemessen. Im Lichte dieser Rechtsprechung erkannte die Vorinstanz zu Recht (und von den Be- schwerdeführern unwidersprochen), dass die in Rechnung gestellten Stundenansätze von Fr. 87.-- für den externen Bauverwalter und von 2003 Verwaltungsgericht 112 Fr. 59.-- für das Sekretariat keine übersetzten Ansätze darstellen. Dass die externe Bauverwaltung zu viele Stunden aufgewendet hätte, wird nicht geltend gemacht und ist nicht ersichtlich. Hingegen darf den Beschwerdeführern die vom externen Bau- verwalter verlangte Mehrwertsteuer nicht in Rechnung gestellt wer- den, weil dies bei eigenen Leistungen der Gemeinde, die in Aus- übung hoheitlicher Gewalt erbracht werden (anders als bei gewerbli- chen Tätigkeiten der Gemeinde), auch nicht zulässig wäre (Art. 23 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Mehrwertsteuer [MWSTG; SR 641.20] vom 2. September 1999; erwähnter VGE vom 26. Juni 2001, S. 14).
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AG_VG_001_AGVE-2003-32_2003-09-02
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2014 Gesundheitsrecht 223 IX. Gesundheitsrecht 41 Ärztliche Praxisbewilligung - Die Voraussetzungen des Gesundheitsgesetzes zu Erteilung, Ein- schränkung und Entzug der ärztlichen Praxisbewilligung stimmen inhaltlich mit denjenigen des Medizinalberufegesetzes überein. - Beim Entzug der ärztlichen Praxisbewilligung wegen fehlender Ver- trauenswürdigkeit sind sämtliche Vorhalte, insbesondere zu Pflicht- verletzungen, ausserberuflichem Verhalten und zur administrativen Praxisführung, gesamthaft zu würdigen. Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 4. Juli 2013 in Sachen A. gegen Regierungsrat (WBE.2012.453). Aus den Erwägungen 4. 4.1. 4.1.1. Am 1. September 2007 ist das Medizinalberufegesetz in Kraft getreten. Gemäss Art. 36 Abs. 1 MedBG setzt die Bewilligung zur selbstständigen Berufsausübung nebst einem entsprechenden Diplom (lit. a) voraus, dass die Gesuchstellerin oder der Gesuchsteller ver- trauenswürdig ist sowie physisch und psychisch Gewähr für eine ein- wandfreie Berufsausübung bietet (lit. b). Das MedBG regelt in Art. 36 die Bewilligungsvoraussetzungen für die selbstständige ärztliche Berufsausübung in fachlicher (Abs. 1 lit. a) wie auch in persönlicher Hinsicht (Abs. 1 lit. b) nunmehr einheitlich und abschliessend (Urteil des Bundesgerichts vom 14. April 2008 [2C_58/2008], Erw. 2.1; VGE IV/53 vom 15. September 2008 [WBE.2008.220], S. 7 f.; Botschaft zum MedBG vom 3. Dezember 2004, 04.084, in: BBl 2005 226; vgl. B ORIS E TTER , Medizinalberufe- 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 224 gesetz, Bern 2006, Art. 36 N 1, 13). Gemäss Art. 38 MedBG wird die Bewilligung entzogen, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr erfüllt sind oder nachträglich Tatsachen festgestellt werden, aufgrund derer sie hätte verweigert werden müssen. Neben diesem administrativen Widerruf sieht das MedBG Dis- ziplinarmassnahmen vor: Personen, die einen universitären Medizinalberuf selbstständig ausüben, halten sich unter anderem an folgende allgemeine Berufspflicht: Sie üben ihren Beruf sorgfältig und gewissenhaft aus; sie halten sich an die Grenzen der Kompeten- zen, die sie im Rahmen der Aus-, Weiter- und Fortbildung erworben haben (Art. 40 lit. a MedBG). Bei Verletzung der Berufspflichten, der Vorschriften des MedBG oder von Ausführungsbestimmungen ist neben der Verwar- nung (Art. 43 Abs. 1 lit. a) und dem Verweis (lit. b) ein Verbot der selbstständigen Berufsausübung für längstens 6 Jahre (lit. d) und ein definitives Verbot der selbstständigen Berufsausübung für das ganze oder einen Teil des Tätigkeitsspektrums (lit. e) vorgesehen. Zusätz- lich zu einem Verbot kann eine Busse bis Fr. 20'000.00 angeordnet werden (Abs. 1 lit. c i.V.m. Abs. 3) und die Aufsichtsbehörde kann die Bewilligung zur Berufsausübung während des Disziplinarverfah- rens einschränken, mit Auflagen versehen oder entziehen (Abs. 4). Keine Berufsverbote dürfen ausgesprochen werden gegenüber Medizinalpersonen, welche die Pflicht zur lebenslangen Fortbildung verletzen (Art. 43 Abs. 2 i.V.m. Art. 40 lit. b MedBG). Das Medizinalberufegesetz enthält zu den Disziplinarmassnah- men Übergangsbestimmungen. Nach Art. 67 Abs. 1 MedBG finden die in Art. 43 MedBG vorgesehenen Disziplinarmassnahmen keine Anwendung auf Vorfälle, die sich vor Inkrafttreten des Gesetzes ereignet haben. Aufgrund der Verletzung von Berufspflichten gemäss Art. 40 lit. a MedBG, die sich vor Inkrafttreten dieses Gesetzes ereig- net haben, kann ein befristetes oder definitives Verbot der selbststän- digen Berufsausübung ausgesprochen werden, wenn es zum Schutz der öffentlichen Gesundheit unabdingbar erscheint (Art. 67 Abs. 2 MedBG). 2014 Gesundheitsrecht 225 4.1.2. Das Kantonale Gesundheitsgesetz wurde am 20. Januar 2009 total revidiert und auf den 1. Januar 2010 in Kraft gesetzt. Die Bewilligungsvoraussetzungen (§ 5 GesG) und die Bestimmungen über die Einschränkung und den Entzug der Bewilligung in § 10 Abs. 2 GesG stimmen inhaltlich mit den bundesrechtlichen Bestim- mungen überein. 4.1.3. (...) 4.2.-4.5. (...) 4.6. Das Verhalten des Beschwerdeführers insgesamt (Verschweigen von Vorstrafen bei der Erteilung der Bewilligung, fehlende Reaktion auf Disziplinarverfahren, das desolate Finanzgebahren, Betreibungen für Sozialbeiträge) dokumentiert ein erhebliches Mass an Gering- schätzung gesetzlicher Vorschriften und die Missachtung öffentlich- rechtlicher Verpflichtungen. Seine Eignung als selbstständig tätiger Arzt ist nicht nur kurz-, sondern langfristig in Frage gestellt. Unter diesen Umständen ist nicht zu beanstanden, wenn die Aufsichts- behörden die Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers vernein- ten. Die Vertrauenswürdigkeit soll gewährleisten, dass der selbstständig tätige Arzt jene Sorgfalt bei der Berufsausübung anwendet, welche für die einwandfreie Berufsausübung notwendig ist. Daher genügt zur Beeinträchtigung des Vertrauens grundsätzlich jede Pflichtverletzung und beim Entscheid über die Vertrauens- würdigkeit sind sämtliche Vorfälle, die dem Beschwerdeführer vorgeworfen werden, gesamthaft zu würdigen. Dazu gehören auch das ausserberufliche Verhalten und die Umstände der administrativen Praxisführung. Eine administrativ gut organisierte Praxis wird vorausgesetzt (vgl. dazu auch Art. 4 Abs. 2 lit. e MedBG). Die Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers ist nachträg- lich weggefallen, weil Verheimlichungen gegenüber den Aufsichts- behörden bekannt wurden. Solche Vorkommnisse können bereits einen Bewilligungsentzug rechtfertigen (vgl. Urteil des Bundesge- richts vom 17. Mai 2006 [2P.309/2005], Erw. 3.3.1). Vorliegend be- einträchtigen die Vorhalte an den Beschwerdeführer in ihrer Gesamt- 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 226 heit seine Vertrauenswürdigkeit nachhaltig und könnten eine Bewilli- gungsverweigerung rechtfertigen. Die Verfehlungen und Vorkomm- nisse sind insgesamt geeignet, über den konkreten Einzelfall hinaus das Vertrauen in die Kompetenz und Integrität der selbstständigen Hausärzte zu beeinträchtigen. Damit sind auch das Ansehen und die Stellung der Hausärzte im Gesundheitssystem tangiert. 4.7. 4.7.1.-4.7.2. (...) 4.7.3. 4.7.3.1. Beim Entzug der Praxisbewilligung handelt es sich um einen schweren Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV). Das Fehlen einer genügenden formell-gesetzlichen Grundlage wird vom Be- schwerdeführer zu Recht nicht geltend gemacht. Das öffentliche Inte- resse an der Durchsetzung der Gesundheitsgesetzgebung wird eben- falls nicht in Frage gestellt. Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit (Art. 5 Abs. 2 und 36 Abs. 3 BV; § 3 VRPG) fordert, dass die Verwaltungsmassnahmen zur Verwirklichung des im öffentlichen Interesse liegenden Ziels geeig- net und notwendig sind. Ausserdem muss der angestrebte Zweck in einem vernünftigen Verhältnis zu den Freiheitsbeschränkungen ste- hen, die den Privaten auferlegt werden (U LRICH H ÄFELIN /G EORG M ÜLLER /F ELIX U HLMANN , Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl., Zürich/St. Gallen 2010, Rz. 581; P IERRE T SCHANNEN /U LRICH Z IMMERLI /M ARKUS M ÜLLER , Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl., Bern 2009, § 21 N 1; BJM 1996, S. 31 ff.). 4.7.3.2. Der Entzug der Praxisbewilligung wegen fehlender Vertrauens- würdigkeit wirkt sich für den Beschwerdeführer ähnlich wie die Dis- ziplinarmassnahme des definitiven Verbots der selbstständigen Berufsausübung nach Art. 43 Abs. 1 lit. e MedBG aus. Der Bewilli- gungsentzug ist nur anzuordnen, wenn aufgrund einer Gesamt- beurteilung des persönlichen und beruflichen Verhaltens das Ver- trauen in einem Masse beeinträchtigt ist, so dass er keine Gewähr mehr für diese Tätigkeit bietet und andere Massnahmen als ungenü- gend erscheinen. 2014 Gesundheitsrecht 227 4.7.3.3. (...) Aufgrund der wiederholten Disziplinarmassnahmen, der Vorstrafen, der Unfähigkeit des Beschwerdeführers zur Einhaltung von finanziellen Verpflichtungen und der zahlreichen laufenden ge- richtlichen Auseinandersetzungen ist nicht ersichtlich, mit welchen milderen Massnahmen die Vertrauenswürdigkeit wiederhergestellt werden könnte. Namentlich nicht ausreichen kann, die Bewilligung mit Auflagen zu versehen (vgl. Verfügung der Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich und Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern). Bereits das Berner Verwaltungsgericht hatte es in seinem Ent- scheid mit Bezug auf die Vorstrafen des Beschwerdeführers als nicht ausreichend erachtet, wenn dieser finanzielle und administrative Pflichten Dritten überträgt, zumal diese auf Angaben und Belege des Auftraggebers angewiesen seien. Nach dem Gesagten erweist sich der Entzug der Praxisbewilli- gung als verhältnismässig. (...) (Anm.: Das Bundesgericht wies die gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit Urteil vom 17. Juni 2014 [2C_879/2013] ab.)
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2013 Einbürgerungen 261 VIII. Einbürgerungen 43 Einbürgerung - Erfordernis der Integration und Vertrautheit mit den schweizeri- schen Verhältnissen - Mangelnde Kooperation mit Schulbehörden als Grund für Nichtein- bürgerung verneint (Erw. 6.3.) Urteil des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 21. August 2013 in Sachen X. (WBE.2013.136). Sachverhalt 1. Der 1977 geborene serbische Staatsangehörige A.X. reiste 1990 in die Schweiz ein. Seit Februar 2002 lebt A.X. in Y.. Seit 1998 ist A.X. mit der ebenfalls aus Serbien stammenden, 1978 geborenen B.X. verheiratet. Die Eheleute A.X. und B.X. sind Eltern von zwei in der Schweiz geborenen Kindern, dem am 17. September 2000 gebo- renen Sohn C.X. und der am 21. Mai 2005 geborenen Tochter D.X.. Am 19. Juni 2008 reichten die Eheleute A.X. und B.X. für sich und für ihre beiden Kinder C.X. und D.X. in der Gemeinde Y. ein Gesuch um ordentliche Einbürgerung ein. Nach einem ersten Ge- spräch mit den Eheleuten A.X. und B.X. empfahl der Gemeinderat Y. am 16. Februar 2009 B.X., ihre Sprachkenntnisse mittels Deutsch- kurs zu verbessern. Am 17. Juni 2010 fand ein zweites Gespräch des Gemeinderats mit den Eheleuten A.X. und B.X. statt. Dabei stellte der Gemeinderat fest, dass B.X. ihre Deutschkenntnisse in den letzten Monaten habe verbessern können. Sie habe hinsichtlich der sprachlichen Verständi- gung deutliche Fortschritte erzielt. In Bezug auf eine negative Stel- lungnahme der Schulpflege, welche das Einbürgerungsgesuch nicht 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 262 unterstützte, vertrat der Gemeinderat klar die Auffassung, dass die im Bericht erwähnten Eigenschaften von C.X. nicht Anlass sein könn- ten, das Einbürgerungsgesuch abzulehnen. Am 25. November 2010 sicherte die Einwohnergemeindever- sammlung Y. den Eheleuten A.X. und B.X. sowie den ins Einbürge- rungsgesuch miteinbezogenen Kindern C.X. und D.X. mit 78 Ja- Stimmen gegen 20 Nein-Stimmen die Erteilung des Gemeinde- bürgerrechts zu. 2. Am 12. April 2012 stellte das Departement Volkswirtschaft und Inneres dem Grossen Rat Antrag auf Erteilung des Kantonsbürger- rechts. In der Begründung des Antrags wird auf die schulischen Schwierigkeiten C.X.s eingegangen und namentlich ausgeführt, auf- grund des jugendlichen Alters von C.X. sowie des Einbezugs in das Gesuch der Eltern seien die schulischen Vorfälle nicht ausreichend, um das Gesuch von C.X. zu sistieren oder gar abzulehnen. Das Bundesamt für Migration erteilte am 6. Juni 2012 die eidg. Einbürgerungsbewilligung. 3. Vom 2. Juli 2012 bis zum 25. Februar 2013 befassten sich die Kommission für Justiz und die Subkommission Einbürgerungen an insgesamt sechs Sitzungen mit dem Gesuch der Eheleute A.X. und B.X.. An ihrer Sitzung vom 25. Februar 2013 lehnte die Kommission für Justiz das Gesuch um Einbürgerung ab. Von diesem Entscheid nahm der Grosse Rat am 12. März 2013 Kenntnis. Dagegen liessen die Eheleute A.X. und B.X. am 17. April 2013 beim Verwaltungsgericht Beschwerde erheben. Aus den Erwägungen 2. Hier ist zunächst nicht streitig, dass die Beschwerdeführer die Voraussetzungen gemäss Art. 14 lit. c und d BüG erfüllen: Sie verfü- gen über einen einwandfreien Leumund; die Strafregisterauszüge weisen keine Strafen irgendwelcher Art aus. Ebenso mussten die Be- 2013 Einbürgerungen 263 schwerdeführer gemäss den Betreibungsregisterauszügen nicht be- trieben werden und sie haben insbesondere ihre Steuern immer pünktlich und vollständig bezahlt. Gemäss den Erhebungen der Ge- meinde und des Departements Volkswirtschaft und Inneres kann auch keinem Zweifel unterliegen, dass sich die Beschwerdeführer zu den demokratischen Institutionen der Schweiz bekennen und die Werte der Bundes- und Kantonsverfassung achten. (...) 3. 3.1.-3.4.(...) 4. 4.1.-4.2.(...) 4.3. 4.3.1. Hier dreht sich der Streit allein darum, ob die Beschwerdeführer ausreichend integriert bzw. mit den schweizerischen Verhältnissen vertraut sind, insbesondere ob ihre Kooperation mit den Schulbehör- den im Zusammenhang mit den Schwierigkeiten ihres Sohns C.X. als ausreichend bezeichnet werden kann oder ob sie unzulänglich und damit ein Indikator für eine unzureichende Eingliederung der Eltern in die schweizerischen Verhältnisse ist. 4.3.2. C.X. war im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung (noch) 7, im Zeitpunkt des angefochtenen Entscheids 12 Jahre alt. Bei Kindern bzw. Jugendlichen und Schülern, die noch weitgehend in den fami- liären Verhältnissen leben und noch keine weiteren sozialen Aktivitä- ten entfalten, bedeutet die Prüfung der Einbürgerungsvoraussetzun- gen insbesondere, dass spezifisch auf das Verhalten in der Schule und um die Schule herum abgestellt wird (Urteil des Bundesgerichts vom 2. Juli 2008 [1D_17/2007 = ZBl 110/2009, 114] Erw. 4.4; Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 23. Mai 2012 [BVR 2012 S. 529] Erw. 6.3). Die Einbürgerungsbehörden haben somit bei der Frage, ob Kinder und Jugendliche in die schweizerischen Ver- hältnisse eingegliedert und mit den schweizerischen Lebensgewohn- heiten, Sitten und Gebräuchen vertraut sind, Abklärungen bei den Schulbehörden vorzunehmen. 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 264 Die Schwierigkeiten C.X.s wurden weder vom Departement Volkswirtschaft und Inneres noch von der Kommission für Justiz als ausreichender Grund für eine unzureichende Integration von C.X. in die schweizerischen Verhältnisse betrachtet. Diese Schwierigkeiten erreichen nach Auffassung des Departements Volkswirtschaft und In- neres und des Grossen Rates damit nicht ein Ausmass, welches die Verweigerung des Bürgerrechts gegenüber C.X. wegen mangelnder Integration bzw. Vertrautheit mit den schweizerischen Verhältnissen zu rechtfertigen vermöchte. Unter diesen Umständen kann es auch unter der Herrschaft des Untersuchungsgrundsatzes (vgl. § 17 Abs. 1 VRPG) nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichts sein, diesbezüglich selbst noch nähere Abklärungen zu treffen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass C.X. trotz der in den Berichten der Schulbehörden erwähnten Schwierigkeiten (die im Übrigen bei weitem nicht das Ausmass der Probleme erreichen, wie sie in den beiden angeführten Beispielen aus der Rechtsprechung dokumentiert sind) ausreichend mit den schweizerischen Verhältnissen vertraut ist, damit er ins Schweizer Bürgerrecht aufgenommen werden kann. Daher ist im Folgenden allein der Frage nachzugehen, ob C.X.s Eltern, A.X. und B.X., ausreichend mit den schweizerischen Verhältnissen vertraut sind, um sie ins Kantonsbürgerrecht aufzunehmen. Wäre diese Frage zu verneinen, würde sich dies indessen infolge der Abhängigkeit des Gesuchs von C.X. von dem seiner Eltern in der Weise auswirken, dass auch C.X. die Einbürgerung zu verweigern wäre. 5. 5.1. Bei einer Gesamtwürdigung der Vertrautheit von A.X. und B.X. mit den schweizerischen Verhältnissen (Art. 14 lit. a und b BüG) fällt zunächst ins Gewicht, dass sie beide offenbar nicht nur über ausrei- chende, sondern sogar über gute (B.X.) bis sogar sehr gute (A.X.) Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen, die ihnen ohne weiteres eine Teilnahme am öffentlichen Leben in der Schweiz ermöglichen. Darüber hinaus haben beide die von ihnen absolvierten Tests betref- fend landes- und staatskundliche Kenntnisse über die Schweiz mit sehr gutem Ergebnis bestanden. Auch die Zeugnisse von den Arbeit- gebern geben keinen Anlass zur Annahme, A.X. und B.X. seien mit 2013 Einbürgerungen 265 den schweizerischen Verhältnissen nur unzureichend vertraut und/ oder wären durch problematische Verhaltensweisen aufgefallen. All dies spricht für eine erfolgreiche Integration und eine erhebliche Vertrautheit mit den schweizerischen Verhältnissen. 5.2. Die Auffassung, A.X. und B.X. seien unzureichend mit den schweizerischen Verhältnissen vertraut, wie sie von der Subkom- mission Einbürgerungen und der Kommission für Justiz vertreten wurde, beschränkt sich im Ergebnis denn auch allein auf den Vor- wurf, sie hätten im Zusammenhang mit schulischen Schwierigkeiten ihres Sohnes C.X. unzureichend mit den Schulbehörden kooperiert. 6. 6.1.-6.2.(...) 6.3. (...) Erkennbar ist zwar eine gewisse Zurückhaltung der Eltern, den Empfehlungen der Schulbehörden zu folgen. So haben sie sich offen- bar nur zögerlich dazu bereit erklärt, C.X. durch den schulpsycho- logischen Dienst begutachten zu lassen. Dass A.X. und B.X. erhebli- chen Widerstand gegen eine solche Begutachtung geleistet hätten, lässt sich den verschiedenen Berichten dagegen nicht entnehmen. Ebenso ergibt sich aus den Berichten nicht, dass die Eltern sich einer Zusammenarbeit mit dem Schulsozialarbeiter verweigert hät- ten; auch ein Heilpädagoge konnte offenbar mit Einwilligung der El- tern beigezogen werden. Die Eltern haben hingegen offenbar höhere Erwartungen an die schulische Karriere ihres Sohnes als dieser bisher erfüllen konnte. Dass Eltern - im (allenfalls nur vermeintlichen) Interesse ihrer Kin- der - darauf drängen, dass diese in die Sekundarschule und nicht in die Realschule übertreten können, mag unklug sein, ist aber ver- ständlich. Solchem Verhalten begegnet man nicht selten auch bei durchschnittlichen Schweizer Eltern. Offenbar haben die Eltern hier im Übrigen dann doch ohne grösseren Widerstand einem Übertritt von C.X. in die Realschule zugestimmt; in den Akten finden sich je- denfalls keine Hinweise darauf, dass die Eltern weitere Schritte im Hinblick auf einen Übertritt C.X.s in die Sekundarschule unternom- 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 266 men hätten (z.B. Bestehen auf einer Prüfung für den Entscheid über den Übertritt in die Mittelstufe; Beschwerde gegen den Zuweisungs- entscheid). Dass sie einer Weiterleitung der Ergebnisse der schulpsycholo- gischen Untersuchung an die Realschulleitung (bisher) nicht zuge- stimmt haben und auch mit einem Sozialtraining (noch) zuwarten wollen, stellt auch keine mangelhafte Kooperation dar, haben sie doch eine Anmeldung C.X.s für den Fall versprochen, wenn in der Oberstufe die disziplinarischen Probleme weiterbestünden. Auch wenn die Zurückhaltung bei der Weitergabe der Ergebnisse der schulpsychologischen Untersuchung bedauerlich sein mag, ist ein solches Verhalten doch ohne weiteres nachvollziehbar und begegnet auch entsprechend häufig, haben Eltern doch oft - zu Recht oder zu Unrecht - Angst, dass ihr Kind frühzeitig und unnötig in eine Aus- senseiterrolle gedrängt wird. Zu bedauern ist mit den Schulbehörden, dass A.X. und B.X. - wohl vor allem deshalb, weil sie beide eine Erwerbstätigkeit ausüben - häufig für die Schulbehörden telefonisch nicht erreichbar waren (wobei es offenbar doch, soweit erforderlich, stets gelang, Termine für Gespräche zu vereinbaren) und C.X. zu Hause nicht im von Leh- rern und Schulbehörden geforderten Ausmass unterstützten. Was schliesslich die in sämtlichen Stellungnahmen der Schulbe- hörden auftauchende Aussage betrifft, es bestünden grundlegende Unterschiede mit Bezug auf die im Elternhaus C.X.s und die in der Schule vermittelten Werte, so wurde diese Aussage in keiner Art und Weise substanziiert. Es mag zwar von Schulbehörden zu Recht als pädagogisch verfehlt betrachtet werden, wenn Eltern mehr Wert auf die Noten ihrer Kinder als auf Fortschritte in ihrem Sozialverhalten legen. Eine solche Haltung ist aber weit verbreitet und zumindest verständlich, sind doch Eltern heute schon häufig sehr früh in Sorge um die mögliche berufliche Zukunft ihrer Kinder. Insgesamt ergibt sich damit aus den Berichten der Schulbehör- den für A.X. und B.X. das Bild von Eltern, die an der schulischen Zukunft ihres Sohnes sehr interessiert und dem Gespräch mit den Schulbehörden auch zugänglich sind. Sie entziehen sich im Hinblick auf Auffälligkeiten im Sozialverhalten ihres Sohnes und damit im 2013 Einbürgerungen 267 Zusammenhang stehenden nur unzureichenden schulischen Leistun- gen insbesondere aus Angst vor einer allfälligen Stigmatisierung ih- res Kindes zwar nicht den vorgeschlagenen Massnahmen, wollen in- dessen bei deren Einleitung etwas zurückhaltender vorgehen als die Schulbehörden. Dazu passt denn auch, dass A.X. und B.X. am 9. Januar 2012 (d.h. noch bevor sie vom negativen Entscheid des Grossen Rats Kenntnis hatten) selbst einen Termin bei einem Fach- arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie für C.X. vereinbarten, um auf diese Weise - über die bisherigen Einschätzungen der Schulbehörden hinaus - eine weitere fachliche Meinung betreffend die Entwick- lungsschwierigkeiten von C.X. zu erhalten. Insgesamt fehlen jegliche Hinweise darauf, dass das Verhalten der von A.X. und B.X. gegen- über den Schulbehörden durch tiefgreifende kulturelle Unterschiede und die Nichtanerkennung von in der Schweiz anerkannten Werten im Zusammenhang mit der Erziehung von Kindern (z.B. autoritäres Verständnis von Kindererziehung, abweichendes Verständnis der Effekte der Bestrafung von Kindern, abweichendes Verständnis der Geschlechterrolle von Knaben etc.) verursacht wäre. Das Verhalten von A.X. und B.X. kann damit nicht als mangelnde Kooperation gegenüber den Schulbehörden bezeichnet und als Anzeichen für eine unzureichende Bereitschaft, sich in die schweizerischen Verhältnisse einzufügen, gedeutet werden. Die Verweigerung der Erteilung des Kantonsbürgerrechts durch die Kommission für Justiz wegen angeb- lich mangelhafter Kooperation mit den Schulbehörden erweist sich daher als rechtswidrig. Wenn die Schulbehörden, wie dies aus einigen der angeführten Stellungnahmen hervorgeht, ein Zuwarten mit der Einbürgerung empfehlen, weil sie sich davon offenbar versprechen, dass die Eltern C.X.s dann eher bereit wären, den Empfehlungen der Schulbehörden zu folgen, ohne diese zur Diskussion zu stellen und/oder sich zusätz- lich externen Rat (bei einem selbst zugezogenen Fachmann) zu ho- len, erweckt dies im Übrigen erhebliche Bedenken. Im Ergebnis versuchen die Schulbehörden damit, das Einbürgerungsverfahren in unzulässiger Weise für ihre eigenen Zwecke zu instrumentalisieren. Seitens des Departements Volkswirtschaft und Inneres ist denn auch anlässlich der Beratung des Einbürgerungsgesuchs durch die Sub- 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 268 kommission Einbürgerungen zu Recht darauf aufmerksam gemacht worden, dass sich diese mit der Verweigerung der Einbürgerung zu einer "Art Vollstreckungsgehilfen" der Schulpflege mache. 7. 7.1. (...) 7.2. (...) A.X. und B.X. haben, wie dargelegt, entgegen den Feststellun- gen des Grossen Rats gegenüber den Schulbehörden kein unkoope- ratives Verhalten an den Tag gelegt, welches die Ablehnung ihres Einbürgerungsgesuchs zu rechtfertigen vermöchte. Sie haben inzwi- schen sogar selbst fachkundigen Rat für die Bewältigung der Ent- wicklungsprobleme ihres Sohnes C.X. beigezogen und damit zu er- kennen gegeben, wie ernst sie dessen Probleme nehmen und wie viel ihnen an deren Lösung liegt. Im Verfahren vor Verwaltungsgericht sind auch sonst keine Tatsachen bekannt geworden, die auf eine mangelnde Kooperation der Eltern A.X. und B.X. mit den Schul- behörden hindeuten. Schliesslich haben weder das Departement Volkswirtschaft und Inneres noch der Grosse Rat im verwaltungsge- richtlichen Verfahren weitere Tatsachen namhaft gemacht, die gegen eine Erteilung des Bürgerrechts sprechen würden. Unter diesen be- sonderen Umständen ist daher nicht nur der angefochtene Entscheid aufzuheben, sondern es ist das Gesuch der Beschwerdeführer um Aufnahme in das Kantons- und Gemeindebürgerrecht zu genehmigen (§ 5 Abs. 1 KBüG).
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AG_VG_001
AG_VG
AG
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2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 94 10 BVG-Einkaufsbeiträge Steuerliche Nichtberücksichtigung von BVG-Einkaufsbeiträgen, soweit sie als Geschäftsaufwand verbucht wurden Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 17. Oktober 2018, in Sachen B. gegen KStA und Gemeinderat Y. (WBE.2018.88). Aus den Erwägungen 1. 1.1. Selbstständigerwerbende können sich der beruflichen Vorsorge freiwillig anschliessen (Art. 4 und 44 BVG). Diesfalls gelten von den geleisteten Beiträgen die Hälfte als Arbeitgeberbeiträge und kön- 2018 Steuern 95 nen vom Geschäftseinkommen in Abzug gebracht werden (Art. 81 Abs. 1 BVG; vgl. Urteil des Bundesgerichts 2P.155/2000 vom 15. März 2001, in: Steuerrevue [StR] 2001, S. 196 = StE 2001 A 24.32 Nr. 4; PHILIP FUNK bzw. DANIEL AESCHBACH, in: MARIANNE KLÖTI-WEBER/DAVE SIEGRIST/DIETER WEBER [Hrsg.], Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, 4. Auflage, Muri-Bern 2015, [Kommentar StG] § 36 N 58 f., § 40 N 103; MARKUS REICH/MARINA ZÜGER/PHILIPP BETSCHART, in: MARTIN ZWEIFEL/MICHAEL BEUSCH [Hrsg.], Kommentar zum BG über die direkte Bundessteuer, 3. Auflage, Basel 2017, Art. 27 N 50). Der Arbeitnehmeranteil ist demgegenüber kein geschäftsmässig begründeter Aufwand, kann aber wie vom Unselbstständiger- werbenden als persönlicher Abzug i.S.v. § 40 Abs. 1 lit. d StG steuerlich gleichwohl abgezogen werden (Art. 81 Abs. 2 BVG). Die Unterscheidung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmeranteil ist von Bedeutung unter anderem für die Bestimmung der Geschäftsverluste, die interkantonale Steuerausscheidung, aber auch für die Ermittlung des beitragspflichtigen AHV-Einkommens (PHILIP FUNK, Kommentar StG, § 36 N 59; REICH/ZÜGER/BETSCHART, a.a.O., Art. 27 N 50). 1.2 Vom Selbstständigerwerbenden getätigte Einkäufe in die Pensionskasse gelten gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung als 100% privat, ein Arbeitgeberanteil kann demgemäss vom Ge- schäftsgewinn nicht zum Abzug gebracht werden (Urteil des Bun- desgerichts vom 15. März 2001 [2P.155/2000] insbes. E. 3.b, in: StR 2001, S. 419 = StE 2001 A 24.32 Nr. 4). Dies gilt nach feststehender Rechtsprechung und Praxis in steuerlicher Hinsicht weiterhin, trotz- dem das Bundesgericht in sozialversicherungsrechtlicher Angelegen- heit bereits mit Entscheid vom 13. Mai 2003 (BGE 129 V 293) und seither wiederholt bestätigter Rechtsprechung (vgl. u.a. BGE 142 V 169, 136 V 16, 133 V 563) erkannt hat, für die Berechnung der AHV-Beitragspflicht des Selbstständigerwerbenden seien auch freiwillig geleistete Einkäufe entsprechend dem üblichen hälftigen Arbeitgeberanteil abzugsfähig. AHV-rechtlicher Normzweck so- wie die angestrebte Gleichbehandlung Unselbstständig und 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 96 Selbstständigerwerbender erforderten und rechtfertigten den von der bundessteuerrechtlichen Ordnung abweichenden Einkommensbegriff (BGE 129 V 293 E. 3.2.2.2 f.). Demgegenüber ist die rein steuer- rechtliche Gleichbehandlung mit dem Unselbstständigerwerbenden darin zu erblicken, dass der Einkauf von Beitragsjahren zwar vollum- fänglich als persönlicher Abzug gemäss § 40 Abs. 1 lit. d StG berücksichtigt wird, jedoch kein Arbeitgeberanteil auszuscheiden und als Geschäftsaufwand zum Abzug zu bringen ist (vgl. DANIEL AESCHBACH, Kommentar StG, § 40 N 103; REICH/ZÜGER/ BETSCHART, a.a.O., Art. 27 N 50; Schweizerische Steuerkonferenz, Vorsorge und Steuern, Anwendungsfall A.3.4.1). Wie es sich mit der steuerlichen Berücksichtigung eines Arbeitgeberanteils verhält, wenn das Reglement vorsieht, dass sich der Arbeitgeber an Ein- käufen des Personals beteiligt, kann an dieser Stelle offenbleiben. Eine solche Konstellation liegt hier nicht vor bzw. es wurde keine solche geltend gemacht.
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de
2000 Kantonales Steuerrecht 163 [...] 44 Rechtsmittel, Formerfordernis der Schriftlichkeit. - Ein mittels Fax eingereichtes Rechtsmittel ist ungültig, da die Originalunterschrift fehlt. Eine Nachfrist zur Verbesserung ist nicht anzusetzen (Bestätigung der Rechtsprechung) (Erw. 1-3). - Dies gilt auch für die Einsprache gegen die Steuerveranlagung (Erw. 3/c). Vgl. AGVE 2000, S. 347, Nr. 79
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2,005
de
2005 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 195 [...] 40 Zuständigkeit. Inzidente Normenkontrolle. - Fehlende Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts, erstinstanzlich ein Feststellungsbegehren zu behandeln, wonach ein bestimmtes Grund- stück zum weitgehend überbauten Gebiet im Sinne von Art. 15 lit. a RPG gehört (Erw. I/1.2). - Das Verwaltungsgericht darf auch nicht vorfrageweise die Nutzungs- planung positiv präjudizierende Feststellungen treffen (Erw. II/1.2). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 31. August 2005 in Sachen B. gegen Regierungsrat. Aus den Erwägungen I. (...) 1.2. Der Beschwerdeführer ersucht in Ziffer 1 des Beschwerde- begehrens auch um die Feststellung, dass die Parzelle Nr. 497 ge- stützt auf Art. 15 RPG zum weitgehend überbauten Gebiet gehört und deshalb der Bauzone zugehörig zu betrachten ist. Die Nutzungsplanung ist Sache der Planungsorgane, und dies sind in erster Linie der Grosse Rat (§ 9 Abs. 4 [Erlass der kantonale Richtpläne], § 10 Abs. 1 [Erlass der kantonalen Nutzungspläne], § 27 2005 Verwaltungsgericht 196 Abs. 1 BauG [Genehmigung der allgemeinen Nutzungspläne]), der Regierungsrat (§ 1 des Dekrets über das Genehmigungsverfahren für allgemeine Nutzungspläne und -vorschriften vom 10. November 1998 [Genehmigung der allgemeinen Nutzungspläne], § 27 Abs. 1 BauG [Genehmigung der Sondernutzungspläne]) und die Gemeinden (§ 13 Abs. 1, § 15 Abs. 1 und § 25 Abs. 1 Satz 1 BauG [Erlass der allgemeinen Nutzungspläne] sowie § 25 Abs. 2 BauG [Erlass der Sondernutzungspläne]). Gesuche um Änderung eines allgemeinen Nutzungsplans (Art. 21 Abs. 2 RPG) sind demzufolge dem Ge- meinderat als erstinstanzlicher Planungsbehörde einzureichen. Das Verwaltungsgericht ist unter keinem Titel befugt, solche Begehren entgegenzunehmen und zu beurteilen; seine Aufgabe beschränkt sich im Rahmen der Nutzungsplanung auf die Überprüfung von Geneh- migungsentscheiden des Grossen Rats und des Regierungsrats (§ 28 Satz 1 BauG). Dass ihm auch die Kompetenz fehlt, auf erstinstanzli- cher Stufe entsprechende Feststellungsentscheide zu treffen, bedarf vor diesem Hintergrund keiner weiteren Erörterung. Auf das ein- gangs erwähnte Begehren ist deshalb mangels sachlicher Zuständig- keit nicht einzutreten. (...) II. 1.1. Die Parzelle Nr. 497, auf welcher die beiden Autoab- stellplätze erstellt werden sollen, befindet sich gemäss dem Kultur- landplan der Gemeinde Berikon vom 5. Dezember 1991 / 18. Januar 1994 in der Landwirtschaftszone. Dort sind sie klarerweise nicht zonenkonform (Art. 16a RPG [Fassung vom 20. März 1998]), und ebenso wenig ist der Beschwerdeführer dafür im Sinne von Art. 24 RPG (Fassung vom 20. März 1998) auf einen Standort ausserhalb der Bauzonen angewiesen. Etwas anderes macht der Beschwerde- führer in seiner Beschwerde denn auch nicht geltend. 1.2. Das erwähnte Feststellungsbegehren (vorne Erw. I./1.2) kann auch so verstanden werden, dass der Beschwerdeführer vom Verwaltungsgericht die Verfassungs- und Gesetzmässigkeit des Kul- turlandplans im fraglichen Bereich vorfrageweise überprüft wissen will. Das Verwaltungsgericht ist gehalten, Erlassen die Anwendung zu versagen, die Bundesrecht oder kantonalem Verfassungs- oder 2005 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 197 Gesetzesrecht widersprechen (§ 95 KV; § 2 Abs. 2 VRPG). Nach einer langjährigen Praxis des aargauischen Verwaltungsgerichts un- terliegen dieser vorfrageweisen, inzidenten oder akzessorischen Normenkontrolle auch Nutzungsordnungen und -pläne (AGVE 1989, S. 303 f. mit Hinweisen; VGE III/156 vom 30. November 1999 [BE.98.00014], S. 9). Der Beschwerdeführer kann indessen in diesem Verfahren nicht mehr erreichen als die Feststellung, dass der seinerzeitige Entscheid der Planungsorgane, die Parzelle Nr. 497 der Landwirtschaftszone zuzuweisen, im vorliegenden konkreten Ein- zelfall nicht angewendet werden darf (siehe als illustratives Beispiel etwa AGVE 2000, 257 ff. betreffend die Nichtanwendung der Bauli- nien eines verfassungswidrigen Überbauungsplans mit der Folge, dass subsidiär der normale Strassenabstand gilt). Mit positiven konstitutiven Wirkungen (Schaffung neuer Normen) ist eine inzi- dente Normenkontrolle nie verbunden; gerade der vorliegende Fall zeigt exemplarisch auf, weshalb dies so sein muss, würde doch sonst die alleinige sachliche Zuständigkeit der Planungsorgane missachtet (vorne Erw. I./1.2). Der Beschwerdeführer ist somit auch diesbezüg- lich auf das Planänderungsverfahren gemäss Art. 21 Abs. 2 RPG zu verweisen. Er selber sieht dies nicht anders. Sein Vorschlag, dann müsse man eben "das Baugesuch zurückstellen, bis die Neuzonie- rung durch ist", ist aber ebenfalls untauglich, denn wenn das Verwal- tungsgericht für Planänderungsbegehren sachlich nicht zuständig ist (vorne Erw. I./1.2), darf es selbstverständlich auch nicht vorfrage- weise die Nutzungsplanung präjudizierende Feststellungen treffen. Auf das Begehren um inzidente Normenkontrolle darf deshalb eben- falls nicht eingetreten werden. (...).
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AG_VG_001_AGVE-2005-40_2005-08-03
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2,012
de
2012 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 163 [...] 23 Richtplanverfahren; Gesamtrevision - Die Gemeinden haben mit Bezug auf Richtplanfestsetzungen ein um- fassendes Mitwirkungsrecht (Erw. 3.3.1). - Die Stellungnahme der Gemeinde zu Änderungen des (ersten) Richt- planentwurfs ist vor dem Entscheid des Grossen Rates einzuholen (Erw. 3.3.2). Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 22. November 2012 in Sa- chen Einwohnergemeinde A. gegen Grosser Rat (WBE.2011.373). 2012 Verwaltungsgericht 164 Aus den Erwägungen 3.3. 3.3.1. Die Gemeinden haben im Richtplanverfahren gemäss Art. 10 Abs. 2 RPG einen Mitwirkungsanspruch. Der bundesrechtliche An- spruch geht weiter als die Mitwirkung der Bevölkerung nach Art. 4 Abs. 2 RPG. Verlangt wird eine bevorzugte Beteiligung der betroffe- nen Gemeinden. Soweit Gemeinden mit raumwirksamen Aufgaben betraut sind, muss sichergestellt sein, dass sie ihre Interessen selber formulieren, in den Planungsprozess frühzeitig eingeben und vor den zuständigen kantonalen Behörden selber vertreten können (BGE 136 I 265, Erw. 3.2; Pierre Tschannen, in: Kommentar zum Bundesgesetz über die Raumplanung, Zürich 2009, Art. 10 Rz. 7; Bernhard Wald- mann/Peter Hänni, Raumplanungsgesetz, Handkommentar, Bern 2006, Art. 10 N 5). Nach § 9 Abs. 1 BauG erstellt der Regierungsrat die Entwürfe zu den kantonalen Richtplänen in Zusammenarbeit mit den regiona- len Planungsverbänden. Er unterbreitet sie den Gemeinden zur Ver- nehmlassung. Bis 31. Dezember 2009 regelten § 9 Absatz 2 und 3 BauG in der Fassung vom 19. Januar 1993 das Verhältnis von Ver- nehmlassungs- und Mitwirkungsverfahren. Mit der Aufhebung dieser beiden Absätze lässt das Baugesetz offen, ob das (Behörden-) Ver- nehmlassungsverfahren und das Mitwirkungsverfahren zusammen- gelegt werden können, ob das Ergebnis der Behördenvernehm- lassung im Mitwirkungsverfahren zu publizieren ist und die Gemein- den im weiteren Verlauf der Richtplanung einzubeziehen sind. Die Teilrevision von § 9 BauG wurde damit begründet, dass das Mitwir- kungsverfahren in § 3 BauG geregelt sei (Botschaft des Regierungs- rats des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 5. Dezember 2007, 07.314, S. 32 f.). Gemäss Art. 10 Abs. 2 RPG sollen die Gemeinden nach Mass- gabe ihrer Planungsaufgaben und entsprechend ihrer staatsrechtli- chen Stellung an der Richtplanung mitwirken können (Tschannen, a.a.O., Art. 10 Rz. 7; Erläuterungen des EJDP zum RPG, Bern 1981, Art. 10 N 3 und 4). Die Gemeinde hat auch Anspruch auf das rechtli- 2012 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 165 che Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV. Er umfasst alle Befugnisse, die einer Partei einzuräumen sind, damit diese im Richtplanverfahren ihren Standpunkt wirksam zur Geltung bringen kann. Gemäss § 4 Abs. 1 BauG kommen die Verfahrensbestimmungen des Verwal- tungsrechtspflegegesetzes zur Anwendung, soweit das Baugesetz keine besonderen Vorschriften enthält. In den Verwaltungsverfahren ist den Parteien das rechtliche Gehör vor dem Entscheid zu gewähren (§ 21 Abs. 1 VRPG). Das Mitwirkungsrecht ist den Gemeinden in Bezug auf Richtplanfestsetzungen, die auf eine Beschränkung ihrer Autonomie in der Raumplanung ausgerichtet sind, umfassend zu gewähren (BGE 136 I 265, Erw. 3.2). 3.3.2. Die Gemeinden und die Regionalplanungsverbände wurden von der Abteilung Raumentwicklung (ARE) über den Abschluss des Mitwirkungsverfahrens mit einem Schreiben orientiert. Explizit dar- auf hingewiesen wurde, dass Anträge zur Reduktion von Sied- lungstrenngürteln oder Landschaften von kantonaler Bedeutung (LkB) nur in Einzelverfahren entschieden werden können. Im Aus- wertungsbericht zur Vernehmlassung findet sich lediglich der Hin- weis, dass einigen Anpassungsanträgen "bei missverständlicher Dar- stellung entsprochen [und] die kartographische Darstellung angepasst wird" (Anhang 4 zur Botschaft des Regierungsrats des Kantons Aar- gau an den Grossen Rat vom 4. Mai 2011, 11.174, S. 20). Auch im weiteren Verfahren unterblieben eine Information und ein Einbezug des Gemeinderates A. zur Frage der Ausdehnung der LkB "Südhang". Die Vertreter des Departements Bau, Verkehr und Umwelt (BVU) bestätigten an der Verhandlung zudem, dass im (ers- ten) Entwurf der Richtplanrevision generell keine Anpassungen der LkB vorgesehen waren und die örtliche Festlegung der LkB "Süd- hang" nicht geprüft wurde. Die Festsetzung der Erweiterung der LkB "Südhang" und die entsprechende Richtplananpassung erfolgten damit ohne jede Mit- wirkung der Gemeinde. Ein solches Verfahren genügt den Anfor- derungen an die Mitwirkung der Gemeinden im Richtplanverfahren nicht (vgl. vorne Erw. 3.3.1). Die Behördenverbindlichkeit des Richtplans und das Rechtsschutzverfahren für die Gemeinden ge- 2012 Verwaltungsgericht 166 mäss § 54 Abs. 2 lit. a VRPG verlangen, dass den Gemeinden im Richtplanverfahren die Möglichkeit zur Mitwirkung und das rechtli- che Gehör umfassend gewährt werden. Dies bedeutet insbesondere, dass der Regierungsrat Änderungen des (ersten) Entwurfs aus dem Mitwirkungsverfahren den Gemeinden zur Vernehmlassung vorlegt und die Gemeinden zum (zweiten) abschliessenden Entwurf einer Richtplananpassung Stellung nehmen können, sofern Abweichungen gegenüber dem ersten Entwurf bestehen. Erst ein solches Verfahren ermöglicht es dem Grossen Rat, den Richtplan mit den Aufgaben der Gemeinde abzustimmen (Art. 2 RPG; vgl. dazu Waldmann/Hänni, a.a.O., Art. 10 N 5). In der Vorlage einer Richtplananpassung ist daher sicherzustellen, dass die Gemeinden ihre Interessen einbringen und vor dem Grossen Rat als Planungsträger vertreten können (BGE 136 I 265, Erw. 3.2 mit Hinweisen). Diese Anforderungen an die Mitwirkung der Gemeinden gelten auch bei einer Gesamtre- vision. Den Anforderungen an die (Behörden-) Mitwirkung bzw. Ver- nehmlassung gemäss § 9 Abs. 1 BauG genügt die Publikation der Mitwirkungseingaben und deren Beurteilung durch die ARE im In- ternet nicht. Ebenso wenig vermochte die Veröffentlichung des über- arbeiteten Richtplantextes und der Gesamtkarte im Internet die Ver- nehmlassung der Beschwerdeführerin zur geänderten LkB "Süd- hang" zu ersetzen. Nachdem der Beschwerdeführerin nach Abschluss des Mitwirkungsverfahrens mitgeteilt worden war, dass in der Ge- samtrevision (weiterhin) keine Anpassungen der LkB vorgesehen seien, und solche Anpassungen die Mitwirkung der Behörden erfor- derten, bestand für den Gemeinderat auch keine Veranlassung, sich nach allfälligen Änderungen der LkB "Südhang" zu erkundigen und selbst aktiv zu werden. Entgegen der Auffassung des BVU kann die Mitwirkung der Gemeinden auch nicht durch (politische) Interven- tionen im Grossen Rat oder über seine Mitglieder ersetzt werden. Die Rüge der Beschwerdeführerin, wonach die Richtplanan- passung mit der Festsetzung der erweiterten LkB "Südhang" den formellen Anforderungen an das Vernehmlassungsverfahren nicht genügt, ist daher begründet. Ihr Anspruch auf rechtliches Gehör und auf Mitwirkung im Richtplanverfahren wurde verletzt.
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2,015
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2015 Übriges Verwaltungsrecht 279 43 Kostenbeteiligung nach § 50 des Kulturgesetzes - Die Höhe der Kostenbeteiligung bestimmt sich nach deren Zu- mutbarkeit und der Vermeidbarkeit des Bauvorhabens (§ 50 Abs. 4 Satz 1 KG). - Das Kriterium der Zumutbarkeit konkretisiert das Verhältnis- mässigkeitsprinzip und bezieht sich auf die Kostenbeteiligung an ar- chäologischen Untersuchungen im konkreten Fall, die Vermeidbar- keit zielt auf die jeweilige archäologische Untersuchung ab. - Das Fehlen eines Kriteriums kann zum Entfallen der Kostenbeteili- gung führen. Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 15. September 2015 in Sa- chen Stadt A. gegen Regierungsrat (WBE.2014.96). Aus den Erwägungen 2.3. In Art. 4 des europäischen Übereinkommens zum Schutz des ar- chäologischen Erbes vom 16. Januar 1992 (SR 0.440.5) hat sich die Schweizerische Eidgenossenschaft verpflichtet, Massnahmen zum 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 280 physischen Schutz des archäologischen Erbes zu ergreifen. Gemäss Art. 6 besteht die Pflicht, für die öffentliche finanzielle Unterstüt- zung der archäologischen Forschung durch die gesamtstaatlichen, regionalen und kommunalen Behörden entsprechend der jeweiligen Zuständigkeit zu sorgen sowie die materiellen Mittel für archäologi- sche Rettungsmassnahmen zu erhöhen. Hierbei handelt es sich um Gesetzgebungsaufträge, nicht um direkt anwendbare Bestimmungen (Urteil des Bundesgerichts vom 8. Oktober 2001 [1A.115/2001], Erw. 2g). Nach § 36 Abs. 2 KV sorgt der Kanton für die Erhaltung der Kulturgüter. In dieser generellen Aufgabe ist auch die Archäologie als Kulturaufgabe enthalten (vgl. K URT E ICHENBERGER , Verfassung des Kantons Aargau, Textausgabe mit Kommentar, Aarau/Frankfurt a.M./Salzburg 1986, § 36 N 4; vgl. auch P ETER H ÄNNI /J UDITH L ISCHER , Die Schweiz und der internationale Kulturgüterschutz, in: ZBl 100/1999, S. 358, FN 46). 2.4.-4. (...) 5. 5.1. (...) 5.2. Nach § 50 Abs. 4 Satz 1 KG bestimmt sich die Höhe der Kostenbeteiligung nach deren Zumutbarkeit (Abs. 1-3) und nach der Vermeidbarkeit des Bauvorhabens (Abs. 1 und 3 lit. a). Bei den Kriterien der Zumutbarkeit und der Vermeidbarkeit des Bauvorha- bens handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, welche in der Verordnung zum Kulturgesetz nicht näher konkretisiert werden und auszulegen sind. 5.2.1. Gemäss Botschaft zum Kulturgesetz zielt das Kriterium der Ver- meidbarkeit zunächst darauf ab, durch frühzeitige Abklärungen und die Umsetzung einer vertretbaren Umsetzungsalternative, die keine archäologischen Untersuchungen nach sich zieht, die Zahl der ar- chäologischen Untersuchungen möglichst gering zu halten. Sodann werde bezweckt, bei unvermeidlichen Bauvorhaben den Umfang der archäologischen Untersuchungen - beispielsweise durch eine Redi- mensionierung des Bauvorhabens oder durch ein modifiziertes Bau- 2015 Übriges Verwaltungsrecht 281 vorhaben - zu verkleinern (Botschaft des Regierungsrats des Kan- tons Aargau an den Grossen Rat vom 20. August 2008, Bericht und Entwurf zur 1. Beratung [nachfolgend Botschaft], GR.08.246, S. 55; vgl. Erläuterungen des BVU zum Bau- und Nutzungsrecht [BNR], Version 3.1, Juni 2012/Januar 2014, S. 93). Demnach bezieht sich das Kriterium der Vermeidbarkeit u.a. auf die konkreten Verhältnisse, die Alternativen des Baugesuchstellers bzw. Bauherrn sowie die kon- krete Ausgestaltung des Bauvorhabens. In diesem Sinne kann bei der Festlegung der Höhe der Kostenbeteiligung rückwirkend einer scho- nenden Realisierung bzw. Umsetzung Rechnung getragen werden. Nach dem Willen des Gesetzgebers sind unter dem Gerichtspunkt der Zumutbarkeit insbesondere das Verhältnis von Baukostenvolumen und Kosten der archäologischen Untersuchungen sowie das Verhält- nis von Vorteilen für die Bauherrschaft und den Kosten der Rettungs- grabung zu beachten (Botschaft, S. 55). Weitere Kriterien und deren Umschreibung lassen sich den Materialien nicht entnehmen. 5.2.2. Die Vorinstanz hat unter dem Gesichtspunkt der Vermeidbarkeit berücksichtigt, dass nicht ein blosser Umbau, sondern eine Erweite- rung des bestehenden Gebäudes vorliegt, welche betriebliche Gründe habe. Eine Schonung der archäologischen Substanz sei aufgrund der Unterkellerung des Foyers nicht erfolgt. Der Regierungsrat erachtete eine Beteiligung von 40 % an den Kosten der archäologischen Unter- suchungen im Verhältnis zu den Kosten des Bauprojekts und dem fi- nanziellen Engagement der Beschwerdeführerin als zumutbar. Diese Begründung der Vermeidbarkeit und Zumutbarkeit entspricht im We- sentlichen den Kriterien, welche von Vertretern der Kantonsarchäolo- gie an der Besprechung vom 7. November 2013 angeführt wurden. Anlässlich der Verhandlung führte der Kantonsarchäologe aus, zur Beurteilung der Zumutbarkeit bestünden interne Richtlinien. Beim überwiegenden Teil der archäologischen Untersuchungen liege das Verhältnis zwischen Baukosten und Kosten der archäologischen Untersuchungen in einem Bereich zwischen 2:1 und 10:1. Für den Fall, dass das Verhältnis 10:1 übersteige, werde aufgrund der Zumut- barkeit eine maximale Kostenbeteiligung von 50 % eingesetzt. Die 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 282 Zumutbarkeit sei das Hauptkriterium und auch bei Unvermeidbarkeit resultiere eine Kostenbeteiligung. Beim Kriterium der Vermeidbar- keit seien mögliche Alternativstandorte für das Bauvorhaben und Umsetzungsvarianten bei der Bauausführung relevant. Dieses Krite- rium beziehe sich aber auch auf die Zerstörung der archäologischen Substanz und ziele zudem indirekt auf die Vermeidbarkeit des Bauvorhabens ab. Die Vertreter des Kantons betonten, dass weitere Aspekte für die Kostenaufteilung, wie Finanzkraft und Grösse einer Gemeinde, Anzahl archäologische Fundstellen, Vorteile des Baupro- jekts für die Gemeinde berücksichtigt würden. Die Kostenverteilung werde aufgrund einer Gesamtbetrachtung vorgenommen. 5.2.3. Ziel und Zweck des Gesetzes ist es, archäologische Unter- suchungen an aktenkundigen Fundstellen zu steuern, insbesondere zu minimieren. Mittel dazu ist gemäss § 50 Abs. 1 KG eine Kostenbe- teiligung bei (öffentlichen) Bauvorhaben von Einwohner- und Kirch- gemeinden, die ihrerseits zur Erhaltung von Kulturgütern verpflichtet sind (§ 25 Abs. 1 KG). Der Vorinstanz und der Kantonsarchäologie ist insoweit zuzustimmen, dass bei der Bemessung des Kostenanteils der Gemeinden zwischen 0 und 50 % eine Gesamtwürdigung mass- gebend ist. Die Zumutbarkeit bezieht sich auf die Kostenbeteiligung im konkreten Fall; das Kriterium der Vermeidbarkeit zielt auf die jeweilige archäologische Untersuchung ab. Nach dem Wortlaut von § 50 Abs. 4 KG sind die beiden Kriterien gleichwertig. Sie sind daher bei der Bestimmung des Kostenanteils der Gemeinden kumu- lativ anzuwenden. Entgegen der Auffassung der Abteilung Kultur kann eine Kostenbeteiligung sowohl im Falle der Zumutbarkeit einer Beteiligung und der Unvermeidbarkeit der Grabungen, wie auch bei deren Vermeidbarkeit und der Unzumutbarkeit einer Kosten- beteiligung entfallen. Wohl war die ursprüngliche Intention des Gesetzgebers eine minimale Kostenbeteiligung der Gemeinde von 20 % (Botschaft, S. 54), indessen wurde die untere Schranke in den parlamentarischen Beratungen abgelehnt (Protokoll des Grossen Rats [Prot. GR] vom 22. Oktober 2008, Art. 2002, S. 4163, Antrag Wiederkehr). Mit dem Gesetzeswortlaut ist es daher schwer ver- einbar, die Zumutbarkeit massgeblich (nur) nach dem Kostenver- 2015 Übriges Verwaltungsrecht 283 hältnis zwischen Baukosten und Untersuchungskosten zu bestimmen. Das Kostenverhältnis als Ausgangspunkt für die Bemessung des Kostenanteils zu nehmen und das Kriterium der Vermeidbarkeit nur als Korrektiv für die Bestimmung des Kostenanteils zwischen 0 bis 50% einzusetzen, ist nach dem Gesetzeswortlaut und unter Berück- sichtigung des Normzweckes nicht zulässig. Das Kulturgesetz verlangt zum Schutz der archäologischen Hinterlassenschaften in erster Linie deren Erhaltung in ihrer aktuellen Beschaffenheit und untersagt jede Veränderung und Beeinträchtigung (§ 38 Abs. 1 und 2 KG). Nach dem Normzweck und dem Willen des Gesetzgebers sind selbst notwendige archäologische Grabungen möglichst zu vermei- den bzw. zu verhindern (Prot. GR, a.a.O., S. 4162, Votum Wanner; Botschaft, S. 4). Die von der Vorinstanz bemessene Kostenbeteili- gung von 40 % beruht daher auf einem unzutreffenden methodischen Ansatz, indem das Kriterium der Unvermeidbarkeit lediglich zu ei- nem Abzug von 10 % der Untersuchungskosten von der maximalen Beteiligungsquote führte, welche aufgrund des Zumutbarkeitskri- teriums 50 % betrug. 5.2.4. Innerhalb der Kriterien der Zumutbarkeit und Vermeidbarkeit können Unterkriterien gebildet werden, wobei im Einzelfall verschie- dene Aspekte relevant sein können; eine abschliessende Aufzählung ist nicht möglich. Das Zumutbarkeitskriterium konkretisiert das Verhältnismässig- keitsprinzip (§ 5 Abs. 2 BV; § 2 Satz 2 KV) mit Blick auf die finan- ziellen Möglichkeiten und Belastungen der Gemeinden im Allgemei- nen (Finanzkraft; Gesamtbelastung durch Kosten zum Schutz von ar- chäologischen Hinterlassenschaften) als auch im Einzelfall (Höhe der Kosten, Relation zu den Baukosten). Das Kriterium der Vermeidbarkeit bezieht sich - wie erwähnt (Erw. 5.2.1) - auf die Notwendigkeit und das Ausmass der archäolo- gischen Grabungen. Die Berücksichtigung weiterer Unterkriterien zur Vermeidbarkeit ist nicht vorgesehen. Grundsätzlich soll die archäologische Substanz erhalten und soweit wie möglich vor Ein- griffen verschont werden. Die Vermeidbarkeit bestimmende allge- meine Parameter sind daher übergeordnete Auflagen und Vorgaben 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 284 (z.B. Standortalternativen unter Berücksichtigung von Richt- und Nutzungsplanung sowie die Erfüllung öffentlicher Aufgaben) und im konkreten Einzelfall die Vorkehrungen im Rahmen der Projektpla- nung zur Schonung der archäologischen Hinterlassenschaft (vgl. dazu Botschaft, S. 55; Prot. GR, a.a.O., S. 4163, Votum Regierungs- rat Huber). Hingegen sind die Vorteile einer Gemeinde aus der Realisierung des Bauvorhabens keine Frage der Zumutbarkeit oder Vermeid- barkeit, abgesehen davon, dass sich diese Aspekte kaum objektivie- ren lassen. Zu weit führen würde auch die Berücksichtigung von allfälligen Vorteilen der Gemeinden aus den Ergebnissen der archä- ologischen Untersuchungen (touristische oder wissenschaftliche Aspekte wie z.B. neue Sehenswürdigkeiten oder neue Standort- Marketingelemente).
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2001 Verwaltungsrechtspflege 375 80 Begründungspflicht; Beweiserhebung. - Rechtsfolgen, wenn die Beschwerde an das Verwaltungsgericht ganz oder weitgehend mit der Beschwerde an die Vorinstanz identisch ist und auf die Erwägungen der Vorinstanz nicht oder nicht ausreichend Bezug genommen wird (Erw. 2). - Das Begehren um Durchführung einer öffentlichen Verhandlung im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK muss ausdrücklich und vorbehaltlos gestellt werden (Erw. 3). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 23. August 2001 in Sachen H. gegen Regierungsrat. Aus den Erwägungen 2. a) Die Beschwerdeschrift muss einen Antrag sowie eine Be- gründung enthalten (§ 39 Abs. 2 Satz 1 VRPG). Mit der Begründung ist darzulegen, in welchen Punkten nach Auffassung des Beschwer- deführers der angefochtene Entscheid Mängel aufweist. Eine stereo- type Wiederholung der bereits gegen den vorinstanzlichen Entscheid vorgebrachten Rügen ohne Bezugnahme auf die Erwägungen im angefochtenen Entscheid reicht nicht aus; in solchen Fällen ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Gleiches gilt, wenn pauschal auf vorangegangene Rechtsschriften verwiesen wird (Michael Merker, Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aar- gauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, Diss. Zürich 1998, § 39 N 39; vgl. auch BGE 113 Ib 287 f.). b) Es fällt auf, dass die Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 7. September 1999 und die Verwaltungsbeschwerde vom 24. Sep- tember 1998 über weite Strecken inhaltsgleich sind. Neu sind vor Verwaltungsgericht im Wesentlichen nur die Ausführungen betref- fend das rechtliche Gehör. Sonst sind die beiden Rechtsschriften vom Wortlaut her bis auf wenige, unbedeutende Ausnahmen identisch. Auf die Erwägungen im angefochtenen Entscheid des Regierungsrats wird in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kaum oder überhaupt nicht Bezug genommen. Exemplarisch dafür sind etwa die folgenden 2001 Verwaltungsgericht 376 Argumentationspunkte: In der Verwaltungsbeschwerde wurde die Ansicht vertreten, bis zum Sturmschaden und wegen des Wunsches der kantonalen Beamten, die östliche Anbaute zu entfernen, sei eine weitgehend intakte Baute mit gesunder Kernsubstanz vorhanden gewesen. Der Regierungsrat hat dazu mit substantiellen Ausführungen Stellung genommen. Die Verwaltungsgerichtsbe- schwerde äussert sich zu dieser Begründung nicht, sondern nimmt den Wortlaut der Verwaltungsbeschwerde unverändert wieder auf. Die gleiche Situation besteht bezüglich der Rüge, es fehlten Unterla- gen zur Quantifizierung der noch vorhandenen Bausubstanz durch die Koordinationsstelle Baugesuche, der Behauptung, die Keller- erweiterung sei ausdrücklich freigestellt und der Kellerabgang vom Gemeinderat gestattet worden sowie des Hinweises auf die Ver- gleichsfälle "Müslen". Auch in der Stellungnahme vom 3. Dezember 1999 wird nicht, zumindest nicht substantiell, "nachgebessert". Wenn auch diese Begründungsmängel gesamthaft kaum ausrei- chen, um auf die Beschwerde nicht einzutreten, so ist ihnen doch gemäss bestehender Praxis in der Weise Rechnung zu tragen, dass das Verwaltungsgericht im Grundsatz auf die Erwägungen im vorin- stanzlichen Entscheid verweisen und sich auf eine summarische Be- gründung beschränken kann. 3. Der Beschwerdeführer verlangt ausdrücklich die Durchfüh- rung einer Augenscheinsverhandlung. a) Der durch Art. 29 Abs. 2 BV gewährleistete Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt, dass die rechtsanwendende Behörde die Argumente und Verfahrensanträge der Parteien entgegennimmt, prüft und die rechtzeitig und formrichtig angebotenen Beweismittel ab- nimmt, soweit diese nicht rechtlich unerhebliche Tatsachen betreffen oder von vornherein untauglich sind, über die streitigen Tatsachen Beweis zu erbringen; die Behörde darf also im Wege einer soge- nannten antizipierten (vorweggenommenen) Beweiswürdigung zu einem solchen Schluss kommen (Bundesgericht, in: ZBl 94/1993, S. 318; BGE 117 Ia 268 f. mit Hinweisen; AGVE 1991, S. 365 f.). Auf einen Augenschein kann die urteilende Behörde somit dann verzichten, wenn er nichts am Ergebnis zu ändern vermöchte (BGE 112 Ia 202; AGVE 1991, S. 365 f.; VGE II/75 vom 9. September 2001 Verwaltungsrechtspflege 377 1998 [BE.98.00088] in Sachen C., S. 10). Auch Art. 6 Ziff. 1 EMRK vermittelt keinen weitergehenden Anspruch. Ersucht eine Prozess- partei um Durchführung eines Augenscheins, ist hieraus nicht ohne Weiteres auf ein Begehren um Durchführung einer öffentlichen Ver- handlung zu schliessen; denn ob ein Augenschein durchzuführen sei, ist eine nach innerstaatlichem Verfahrensrecht zu beurteilende be- weisrechtliche Frage, während es sich bei der in Art. 6 Ziff. 1 EMRK vorgesehenen öffentlichen Verhandlung um eine nach Konventions- recht zu beurteilende Verfahrensgarantie handelt. Das Begehren um eine öffentliche Verhandlung muss ausdrücklich und vorbehaltlos gestellt werden (Alfred Kölz/Jürg Bosshart/Martin Röhl, VRG, Kom- mentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2. Auflage, Zürich 1999, § 59 N 7; vgl. zum Ganzen auch: VGE III/165 vom 8. Dezember 1999 [BE.97.00016] in Sachen Baukon- sortium H., S. 17 f.). b) Aus der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ergibt sich klar, dass eine Augenscheinsverhandlung zu Beweiszwecken anbegehrt ist und nicht eine öffentliche Verhandlung im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Der Entscheid über die Abnahme des beantragten Beweis- mittels liegt daher im Ermessen des Verwaltungsgerichts. Dabei ist in erster Linie zu berücksichtigen, dass die bei den Akten liegenden Fotos und Projektpläne dem Verwaltungsgericht ein ausreichendes Bild vom fraglichen Gebäude und den an ihm vorgenommenen bau- lichen Änderungen vermitteln. Es ist nicht ersichtlich, was ein Augenschein des Gerichts an sachdienlichen Aufschlüssen zusätzlich bringen könnte. Dies gilt umso mehr, als sich das Verwaltungsgericht vor dem Hintergrund der erwähnten Begründungsmängel weitgehend auf den vorinstanzlichen Entscheid abstützen darf (Erw. 2 hievor). Der Fall wird deshalb auf Grundlage der Akten entschieden.
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2017 Sozialhilfe 191 VII. Sozialhilfe 35 Sozialhilfe; Weisung zur Veräusserung eines ausländischen Ferienhauses - Bei der Abklärung der Eigentumsverhältnisse an einem auslän- dischen Ferienhaus und der Verfügungsbefugnis trifft die unter- stützte Person eine erhöhte Mitwirkungspflicht. - Die Verwertung von Ferienhäusern und nicht notwendigen Zweit- wohnungen ist in aller Regel zumutbar. - Vorliegend stehen der Ausbaustand, allfällige Baumängel sowie eine möglicherweise fehlende Baugenehmigung der Weisung zur Veräus- serung des ausländischen Ferienhauses nicht entgegen. Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 12. Juni 2017, i.S. A. gegen Sozialausschuss B. und Departement Gesundheit und Soziales (WBE.2016.532) Aus den Erwägungen 4. Die eingereichten Fotos lassen Schlüsse zum Zustand des Ferienhauses zu. Dieses ist aussen neu verputzt bzw. gestrichen. Der Eingang scheint zugemauert oder verstellt, wobei ein Autoeinstell- platz bzw. eine unfertige Garage vorhanden ist. Die Fenster sind voll- ständig eingebaut, indessen fehlen bei den Balkonen Geländer. Eine Satellitenantenne ist installiert. Aus den Aufnahmen ergibt sich, dass der Innenausbau nicht fertig gestellt ist. Zwar scheinen sanitarische Anlagen (WC, Dusche, Spüle) vorhanden, indessen sind Arbeiten in Küche und Nassbereich nicht abgeschlossen. Im Bereich der Dusche fehlen Bodenbeläge. Möbel und Haushaltsgeräte weisen auf eine provisorische Inneneinrichtung hin. Gemäss der Steuerrechnung der kosovarischen Gemeinde C. weist das Haus eine Fläche von 170 m 2 auf. Für die Vermögenssteuer 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 192 wird von einem Wert von € 25'500.00 ausgegangen. Das Ingenieur- büro D. bestimmte einen Verkehrswert von € 24'000.00 bis € 26'000.00. In dessen Gutachten werden Baumängel aufgelistet und wird auf den fehlenden Innenausbau hingewiesen. Die Immobiliengesellschaft E. bestätigte am 16. September 2016, die Liegenschaft sei seit 1. April 2016 zum Verkauf gemeldet. Sie habe bisher nicht abgesetzt werden können. Aufgrund der ungeeigneten Örtlichkeit, mangels Infrastruktur und wegen der fehlenden Baugenehmigung lasse sich die Immobilie nicht verkau- fen. Am 2. August 2016 erklärten Familienmitglieder des Beschwerdeführers jeweils handschriftlich, nicht an der Liegenschaft interessiert zu sein. 5. Vorab ist auf die Eigentumsverhältnisse an der Liegenschaft so- wie die Verfügungsbefugnis des Beschwerdeführers einzugehen. Die Behörden ermitteln den Sachverhalt, unter Beachtung der Vorbringen der Parteien, von Amtes wegen und stellen die dazu not- wendigen Untersuchungen an (§ 17 Abs. 1 VRPG). Der Untersu- chungsgrundsatz wird relativiert durch die Mitwirkungspflicht der Parteien (§ 23 Abs. 1 VRPG; § 2 SPG; § 1 SPV). Diese gilt ins- besondere für solche Tatsachen, welche eine Partei besser kennt als die Behörden und welche diese ohne ihre Mitwirkung gar nicht oder nicht ohne unvernünftigen Aufwand erheben können (AGVE 2002, S. 431). Zur Abklärung der Eigentumsverhältnisse bei ausländischen Liegenschaften trifft die unterstützte Person eine erhöhte Mitwir- kungspflicht (vgl. Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Basel- Stadt vom 18. August 2015, Erw. 4.1, in: BJM 2017, S. 51). Der Beschwerdeführer wurde vom Verwaltungsgericht aufge- fordert, zum Nachweis des Eigentums einen Grundbuchauszug bzw. Katastereintrag einzureichen. Ein entsprechendes amtliches Do- kument hat er nicht vorgelegt. Die lokalen Behörden erheben vom Beschwerdeführer Vermö- genssteuern und dieser konnte einen akkreditierten Immobilienver- mittler mit dem Verkauf der Liegenschaft beauftragen. Das (Allein-)Eigentum des Beschwerdeführers am Ferienhaus wird von keiner Partei in Frage gestellt und darf vorausgesetzt werden. 2017 Sozialhilfe 193 Ergänzend ist festzuhalten, dass auch die Veräusserung eines Miteigentumsanteils am ausländischen Ferienhaus als zumutbar er- achtet würde (vgl. hierzu: Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 19. März 2009 [VB.2008.00602]). Die Verifi- zierung der Eigentumsverhältnisse über die konsularische Vertretung ist nicht erforderlich (vgl. Kommission Rechtsfragen der SKOS, Liegenschaften im In- und Ausland, S. 4). Aus der Eingabe vom 27. März 2017 ergibt sich, dass der Beschwerdeführer beim Amtsgericht F. (Aussenstelle G.) eine Scheidungsklage anhängig machte. Eine Verhandlung war auf den 24. Mai 2017 angesetzt. Hin- weise für hiesige oder örtliche Verfügungsbeschränkungen liegen nicht vor. 6. 6.1. Der Sozialausschuss verpflichtete den Beschwerdeführer, bei seinen im Kosovo wohnhaften Verwandten abzuklären, ob diese am Kauf oder an der Miete der Liegenschaft interessiert sind. 6.2. Mit dem Ferienhaus im Kosovo ist ein Vermögenswert vorhan- den, welcher zum Entfallen des Anspruchs auf Sozialhilfeleistungen führen kann. Dieser besteht unter der Voraussetzung, dass die eige- nen Mittel nicht genügen und andere Hilfeleistungen nicht rechtzeitig erhältlich sind oder nicht ausreichen (Subsidiarität; vgl. § 5 Abs. 1 SPG). Eigene Mittel sind namentlich Einkünfte und Zuwendungen aller Art sowie Vermögen (§ 11 Abs. 1 SPG). Vermögen ist, unter Ansetzung einer angemessenen Frist, grundsätzlich zu verwerten (§ 11 Abs. 3 SPG). Grundsätzlich besteht kein Anspruch darauf, Grundeigentum zu erhalten, und sind nicht selbst bewohnte Liegenschaften zu verwerten (vgl. SKOS-Richt- linien, Kap. E.2.2). Die Verwertung von Ferienhäusern und nicht not- wendigen Zweitwohnungen ist in aller Regel zumutbar (vgl. G UIDO W IZENT , Die sozialhilferechtliche Bedürftigkeit, Zürich/St. Gallen 2014, S. 448; Kommission Rechtsfragen, a.a.O., S. 5). Grundeigen- tum im Ausland wird grundsätzlich gleich behandelt wie inländisches (vgl. Urteile des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 19. März 2009 [VB.2008.00602] und vom 4. Oktober 2007 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 194 [VB.2007.00131]; SKOS-Richtlinien, Kap. E.2.2). Der Wert der Lie- genschaft wird von den kosovarischen Steuerbehörden sowie in einem Gutachten eines örtlichen Ingenieurbüros auf € 25'500.00 bzw. zwischen € 24'000.00 und € 26'000.00 geschätzt. Unter diesen Umstän- den darf davon ausgegangen werden, dass der Vermögensfreibetrag von Fr. 1'500.00 für eine Einzelperson deutlich überschritten wird (vgl. § 11 Abs. 4 SPV) und die Verwertung des Ferienhauses wirt- schaftlich ist. 6.3. Die Gewährung materieller Hilfe kann mit Auflagen und Wei- sungen verbunden werden (§ 13 Abs. 1 SPG). Es ist nicht zu bean- standen, dass der Beschwerdeführer verpflichtet wurde, bei Ver- wandten abzuklären, ob diese an einem Erwerb der Liegenschaft in- teressiert sind. Entsprechend den Angaben des Beschwerdeführers le- ben sie in unmittelbarer Nähe des Hauses. Diese Weisung ist zweck- mässig und ohne Weiteres zumutbar sowie verhältnismässig. 7. 7.1. Der Beschwerdeführer wurde angewiesen, seine Verkaufsbe- mühungen im Abstand von drei Monaten zu belegen. 7.2. Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers stehen der Ausbaustand und der Zustand des Ferienhauses dieser Weisung nicht entgegen. Zwar ist damit zu rechnen, dass sich der fehlende Innen- ausbau und allfällige Baumängel auf den Verkaufspreis auswirken. Diese Umstände sind indessen in der Verkehrswertschätzung des örtlichen Ingenieurbüros berücksichtigt. Dies dürfte auch auf eine möglicherweise fehlende Baugenehmigung zutreffen. Der Beschwer- deführer konnte einen örtlichen Immobilienmakler mit dem Verkauf beauftragen und aufgrund des Werts der Liegenschaft erheben die lokalen Behörden Vermögenssteuern. Damit darf angenommen wer- den, dass das Haus auf dem örtlichen Immobilienmarkt veräussert werden kann. Die Verpflichtung zum Verkauf wäre selbst dann zu- lässig, wenn sich die Liegenschaft im Rohbau befände (z.B. Bau- ruine). Nicht fertiggestellte bzw. unbewohnbare und nicht nutzbare 2017 Sozialhilfe 195 Häuser sind grundsätzlich zu verwerten (vgl. W IZENT , a.a.O., S. 448; Kommission Rechtsfragen, a.a.O., S. 5).
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2019 Landwirtschaftsrecht 157 VII. Landwirtschaftsrecht 22 Einsprache nach den §§ 40 VRPG und 21 LwG-AG Für die Einsprache gemäss den §§ 40 VRPG und 21 LwG-AG gegen die im Rahmen einer Gesamtmelioration aufgelegten Pläne und Be- wertungen gilt kein Verschlechterungsverbot (Verbot der reformatio in peius); die von der Ausführungskommission einer Bodenverbesse- rungsgenossenschaft (AK BVG) getroffenen Festlegungen können im Einspracheverfahren umfassend überprüft und auch zum Nachteil der die Einsprache erhebenden Person abgeändert werden (Erw. 2.2.1). Der Rückzug einer solchen Einsprache ist an keine Form gebunden (Erw. 2.2.2). Urteil des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 2. Oktober 2019, in Sachen Erbengemeinschaft A. gegen Ausführungskommission Bodenver- besserungsgenossenschaft B. (WBE.2019.8). Aus den Erwägungen II. 2. 2.1. (...) 2.2. 2.2.1. Gegen erstinstanzliche Entscheide kann bei der entscheidenden Behörde Einsprache geführt werden, wenn dies - wie in § 21 Abs. 1 LwG-AG - (gesetzlich) vorgesehen ist (§ 40 Abs. 1 VRPG). Die Be- hörde entscheidet unter Berücksichtigung der Vorbringen in der Ein- sprache neu (§ 40 Abs. 2 VRPG). Anders als etwa im verwaltungsge- richtlichen Beschwerdeverfahren gilt im Einspracheverfahren somit kein Verschlechterungsverbot (sog. Verbot der reformatio in peius; 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 158 vgl. dazu § 48 Abs. 2 VRPG). Die Behörde ist vielmehr gehalten, die von ihr selber erlassene Anordnung auf Einsprache hin umfassend (lediglich ́ ́unter Berücksichtigung der Parteivorbringen ́ ́) zu prüfen und - unabhängig von den gestellten Anträgen - nochmals über die Sache zu entscheiden. Die uneingeschränkte nochmalige Überprü- fung der Anordnung mit voller Kognition hat zur Folge, dass die Be- hörde die Anordnung auch zum Nachteil der Einsprache erhebenden Person abändern darf (KASPAR PLÜSS, in: ALAIN GRIFFEL [HRSG.], Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich [VRG], 3. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2014, § 10b N 12). Die Be- hörde ist dabei weder an die Begehren der die Einsprache erheben- den Person gebunden noch müssen - im Gegensatz zum verwal- tungsinternen Beschwerdeverfahren - die Voraussetzungen des Wi- derrufs einer Verfügung (gemäss § 37 VRPG) oder eine explizite Grundlage für die Schlechterstellung in einem Spezialgesetz gegeben sein (vgl. dazu § 48 Abs. 1 VRPG). Zudem ist fraglich, ob die davon betroffene Partei vorgängig auf die ihr drohende reformatio in peius hingewiesen werden muss, was dazu dient, dass sie ihr Begehren al- lenfalls zurückziehen und auf diese Weise den Nachteil abwenden kann (vgl. dazu MICHAEL MERKER, Rechtsmittel, Klage und Nor- menkontrollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Ver- waltungsrechtspflege [vom 9. Juli 1968], Kommentar zu den §§ 38- 72 [a]VRPG, Zürich 1998, § 43 N 24). Wenn die Behörde ihre An- ordnung unabhängig von den Parteianträgen prüfen muss, kann mit einem Rückzug des Begehrens letztlich nicht verhindert werden, dass der Entscheid zum Nachteil der die Einsprache erhebenden Person abgeändert wird. Nachdem das Verbot der reformatio in peius nach dem oben Ge- sagten im Einspracheverfahren (nach Art. 21 LwG-AG) nicht gilt, durfte die AK BVG B. die Bewertung der Parzellen Nrn. 2175, 2176 und 100363 (alt) gemäss Besitzstandstabelle Alter Bestand vom 13. März 2018 ohne weiteres zum Nachteil der Beschwerdeführer abändern, d.h. die Bonitierungspunkte (gemäss der Besitzstands- tabelle vom 14. September 2018) nach unten korrigieren. Sie war und ist nicht an die in der Besitzstandstabelle vom 13. März 2018 angeführten Werte (Bonitierungspunkte) gebunden. Abgesehen da- 2019 Landwirtschaftsrecht 159 von haben die Beschwerdeführer der Darstellung der AK BVG B. im Einspracheentscheid, wonach ihnen die neuen, tieferen Bodenwerte der Parzellen Nrn. 2175, 2176 und 100363 (alt) an der Einigungsver- handlung vom 10. Oktober 2018 angekündigt worden seien, nicht widersprochen. Sie haben diese Ankündigung zumindest sinngemäss sogar bestätigt. Obendrein geht sie aus dem Protokoll der Einigungs- verhandlung hervor. Damit erweist sich der Vorwurf der Gehörsver- letzung auch unter diesem Aspekt als unbegründet. Die Verfahrens- rechte der Beschwerdeführer wurden in dieser Hinsicht nicht ver- letzt. 2.2.2. Hingegen würde die Nichtbehandlung eines formellen Antrags, beispielsweise eines (einzelnen) Einsprachebegehrens, eine nach Art. 29 BV verbotene formelle Rechtsverweigerung darstellen (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 12. Dezember 2018 [2C_874/2017], Erw. 5.1; ULRICH HÄFELIN/GEORG MÜLLER/FELIX UHLMANN, All- gemeines Verwaltungsrecht, 7. Auflage, Zürich/St. Gallen 2016, Rz. 1045; BERNHARD WALDMANN, in: Basler Kommentar zur Bun- desverfassung, Basel 2015, Art. 29 N 23). Die AK BVG B. hat über den (sinngemässen) Antrag der Be- schwerdeführer, das Flächenmass der Parzelle Nr. 720 (alt) entspre- chend dem Grundbucheintrag (von 31,92 auf 32,64 Aren) zu korri- gieren, nicht entschieden, in der Annahme, die Beschwerdeführer hätten dieses Begehren an der Einigungsverhandlung vom 10. Oktober 2018 zurückgezogen. Die Vertreter der Erbengemein- schaft A. hätten dort zu Protokoll gegeben, dass sie die in der öffentlich aufgelegten Besitzstandstabelle Alter Bestand vom 13. März 2018 aufgenommenen 31,92 Aren wohl oder übel akzeptieren müssten. Diese Aussage wird zwar von den Be- schwerdeführern nur halbherzig bestritten, lässt sich aber anhand des Protokolls der Einigungsverhandlung nicht verifizieren. Rückzugserklärungen können mündlich zu Protokoll gegeben werden. Es gelten nicht die gleichen Formerfordernisse wie für das Rechtsmittel selber (MERKER, a.a.O., § 58 N 4). Kommt hinzu, dass die §§ 40 VRPG und 21 LwG-AG für die Einsprache gegen die im Rahmen einer Gesamtmelioration öffentlich aufgelegten Pläne und 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 160 Bewertungen keine Schriftlichkeit verlangen (vgl. dazu auch die Bot- schaft des Regierungsrats des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 14. Februar 2007 zum VRPG, 07.27, S. 53). Deshalb bedarf es auch keiner Unterschrift unter eine entsprechende (schriftliche) Rückzugserklärung, um eine solche Einsprache gültig zurückzu- ziehen. Der Hinweis der Beschwerdeführer auf den nicht einschlägi- gen Art. 241 Abs. 1 ZPO ist unbeachtlich. Unter Umständen durften die Äusserungen der Beschwerdeführer von der AK BVG B. vom Wortlaut her und aufgrund der gesamten Begleitumstände in guten Treuen dahingehend verstanden werden, dass sie an ihrer Einsprache gegen das in der Besitzstandstabelle aufgenommene Flächenmass der Parzelle Nr. 720 (alt) nicht länger festhalten wollten. Beweismässig ist allerdings zweifelhaft, ob ein Rückzug erfolgt ist. (...)
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2006 Verwaltungsgericht 204 [...] 39 Legitimation Dritter. - Legitimation im Falle einer Drittbeschwerde zugunsten des Verfü- gungsadressaten (Erw. I/3). - Ausstand eines Gemeinderats, der von Amtes wegen Präsident der Forstbetriebskommission Y. ist und dessen Forstbetrieb Y. für den Flurstrassenunterhalt seiner Einwohnergemeinde ein Angebot einge- reicht hat (Erw. II/4.1). Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 17. Januar 2006 in Sachen A und B gegen den Gemeinderat X. Aus den Erwägungen I. 1.-2. (...) 3. 3.1. Der Gemeinderat bestreitet die Beschwerdelegitimation des Be- schwerdeführers 1. Da er nicht zum Kreis der zur Offertabgabe Ein- geladenen gehöre, sei er weder am Verfahren beteiligt noch von den angefochtenen Verfügungen betroffen. 2006 Submissionen 205 Demgegenüber machen die Beschwerdeführer geltend, das landwirtschaftliche Gewerbe "W." werde als Familienunternehmen geführt. Bis zum 31. Dezember 2002 sei A Eigentümer des Familien- unternehmens gewesen. Er habe den "W." an seinen Sohn B per 1. Januar 2003 übergeben. Ab diesem Zeitpunkt sei A bei seinem Sohn B im Betrieb angestellt. Vom Generationswechsel habe die Gemeinde X bereits anlässlich der Hofübergabe Kenntnis erhalten. Jedoch habe sie darauf verzichtet, A den Auftrag für den Unterhalt der gemeindeeigenen Flurstrasse anlässlich der Hofübergabe zu ent- ziehen und ein neues Submissionsverfahren durchzuführen. Die Fakturierung für die nach der Hofübergabe an gemeindeeigenen Strassen geleistete Unterhaltsarbeiten sei durch A und B gemeinsam erfolgt. Im Frühjahr 2004 sei eine Rechnung dann nur noch mit dem Absender B versehen gewesen, woraufhin die Gemeinde das Auf- tragsverhältnis mit A per 31. Dezember 2004 aufgelöst habe. Die Gemeinde habe somit zwischen dem 1. Januar 2003 und dem 31. De- zember 2004 mit B als dem Eigentümer des "W." ein faktisches Auftragsverhältnis aufrechterhalten und gleichzeitig das bestehende Vertragsverhältnis mit A bis zum 31. Dezember 2004 weitergeführt. Die Maschinen und Werkzeuge der Gemeinde seien auch heute noch im "W." eingestellt. Wenn die Hofübergabe seitens der Gemeinde X zum Anlass genommen werde, ein neues Submissionsverfahren durchzuführen, so hätte dies bereits im Jahr 2003 erfolgen müssen. Es sei befremdend, dass die Gemeinde erst 2005 mit dem Submis- sionsverfahren begonnen habe. Deshalb sei auch A als Beschwerde- führer legitimiert. 3.2. Verfügungen und Entscheide kann jedermann durch Be- schwerde anfechten, der ein schutzwürdiges eigenes Interesse gel- tend macht (§ 38 Abs. 1 VRPG in Verbindung mit § 23 SubmD). Der Rechtsschutz im öffentlichen Beschaffungswesen hat zum Zweck, dass die Anbietenden gegen vermutete Verletzungen von Submissi- onsvorschriften im Zusammenhang mit Beschaffungen, an denen sie ein Interesse haben oder gehabt haben, sollen Beschwerde führen können. Die nicht berücksichtigten oder ausgeschlossenen Mitbewer- ber gehören bei einem öffentlichen Vergabeverfahren zu den pri- 2006 Verwaltungsgericht 206 mären Verfügungsadressaten. Sie sind vom Entscheid der Vergabe- behörde direkt und unmittelbar betroffen. Ihnen soll daher grund- sätzlich die Möglichkeit zukommen, widerrechtliche Entscheide der Vergabebehörde, namentlich einen widerrechtlichen Ausschluss oder einen widerrechtlich erteilten Zuschlag, durch förmliche Beschwerde anzufechten (§ 24 Abs. 1 SubmD; vgl. AGVE 1998, S. 350 ff. mit Hinweisen). 3.3. In erster Linie sind es somit die Adressaten einer Verfügung, welche befugt sind, diese anzufechten. Der Beschwerdeführer 2 ist vom Gemeinderat zur Einreichung einer Offerte eingeladen worden. Er hat fristgerecht ein Angebot eingereicht. Dieses Angebot ist vom Gemeinderat nicht berücksichtigt worden, was dem Beschwerdefüh- rer 2 mit Verfügung vom 20. Juni 2005 mitgeteilt worden ist. Als nicht berücksichtigter Anbieter ist der Beschwerdeführer 2 unbe- strittenermassen zur Beschwerde legitimiert. Demgegenüber ist der Beschwerdeführer 1 am vorliegenden Verfahren nicht als Anbieter in Erscheinung getreten. Er ist folgerichtig auch nicht Adressat der Ver- fügung vom 20. Juni 2005. Mithin handelt es sich bei der Be- schwerde des Beschwerdeführers 1 um eine Drittbeschwerde zu- gunsten des Verfügungsadressaten, des Beschwerdeführers 2. Beschwerden zugunsten Dritter sind nur in Ausnahmefällen zulässig (Michael Merker, Rechtsmittel, Klage und Normenkontroll- verfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungs- rechtspflege [Kommentar zu den §§ 38-72 VRPG], Diss. Zürich 1998, § 38 N 136), in der Regel aufgrund ausdrücklicher Bestim- mungen oder bei Sachverhalten, wo sich der Beschwerdeführer zwar selber auf Vertrauensschutz berufen, aber nicht Leistung an sich sel- ber beantragen kann. Letzteres Kriterium ist insbesondere bei Be- schwerden von Vertragspartnern eines Leistungsempfängers zu be- achten. Die Praxis bejaht die Beschwerdelegitimation solcher Perso- nen nur zurückhaltend. Die Tatsache, dass ein Vertrag mit dem Ver- fügungsadressaten besteht, genügt für sich allein nicht, um das Be- schwerderecht des Dritten zu begründen; es bedarf dazu in der Regel zusätzlicher, besonderer Gründe. Das Beschwerderecht des Vertrags- partners des Verfügungsadressaten wird anerkannt, wenn er in be- 2006 Submissionen 207 rechtigtem Vertrauen auf den Fortbestand der privatrechtlichen Be- ziehung bereits umfangreiche Dispositionen getroffen hat, die ihm aufgrund der vertraglichen Beziehung nicht ersetzt werden, wenn er also ein gewichtiges spezifisches, konkretisiertes Interesse nach- weist, das durch die Aufhebung oder Änderung der angefochtenen Verfügung gewahrt werden könnte (VGE II/28 vom 9. April 2003 [BE.2003.00038], S. 10; AGVE 1985, S. 356 ff.). 3.4. Die Übergabe des "W." vom Beschwerdeführer 1 an den Be- schwerdeführer 2 erfolgte am 1. Januar 2003. Seither ist der Be- schwerdeführer 1 lediglich noch Angestellter des Beschwerdefüh- rers 2. In seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer ist der Beschwerde- führer 1 nach dem Gesagten nicht zur Beschwerde legitimiert. Be- sondere Gründe, welche die Beschwerdelegitimation ausnahmsweise zu begründen vermögen, wurden nicht geltend gemacht. Der Hinweis auf das bis zum 31. Dezember 2004 für die fraglichen Arbeiten be- stehende Vertragsverhältnis zwischen der Einwohnergemeinde X und dem Beschwerdeführer 1 genügt jedenfalls nicht, nachdem der Be- schwerdeführer 1 die Kündigung des Vertrages akzeptiert hat. Folg- lich darf auf die Beschwerde des Beschwerdeführers 1 nicht einge- treten werden. II. 1.-3. (...) 4. (...) 4.1. Soweit der Beschwerdeführer 2 eine Verletzung der Aus- standspflicht rügt, erweist sich seine Beschwerde ebenfalls als be- gründet. Gemeinderat X. ist von Amtes wegen Präsident der Forst- betriebskommission Y. Der Forstbetrieb Y. hat für den Flurstrassen- unterhalt der Einwohnergemeinde A ein Angebot eingereicht. Als Mitglied der Forstkommission und damit als Verwaltungsorgan des Forstbetriebes war X. wegen des bestehenden Interessenkonflikts verpflichtet, sich bei sämtlichen Gemeinderatssitzungen, welche die Vergebung des Flurstrassenunterhalts zum Geschäftsgegenstand hat- ten, in den Ausstand zu begeben (§ 5 Abs. 1 VRPG i.V.m. § 2 lit. a Ziff. 7 ZPO). Dies gilt namentlich für die Sitzung vom 9. Mai 2005, 2006 Verwaltungsgericht 208 anlässlich welcher über die Zuschlagserteilung beschlossen wurde. Wie dem fraglichen Protokollauszug entnommen werden kann, hat Y bei der Beschlussfassung mitgewirkt. Mithin liegt tatsächlich eine Verletzung der Ausstandpflicht vor. Die in § 2 ZPO geregelten Aus- schliessungsgründe wirken absolut. Solche unter der Mitwirkung ei- nes ausstandspflichtigen Behördenmitglieds zustande gekommene Entscheide bleiben anfechtbar, auch wenn ein erkennbarer Aus- standsgrund während des Verfahrens nicht sofort gerügt wurde oder unbemerkt blieb. Auch die erst im Rechtsmittelverfahren gerügte Nichtbeachtung der Ausstandspflicht führt zur Aufhebung des Ent- scheids (AVGE 2004, S. 170 ff.).
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2008 Straf- und Massnahmenvollzug 67 16 Fachkommission zur Überprüfung der Gemeingefährlichkeit von Straf- tätern und Straftäterinnen im Freiheitsentzug. - Zusammensetzung und Verfahren vor der Fachkommission. - Die Empfehlungen der Fachkommission sind mit einem Gutachten vergleichbar, weshalb für die Mitglieder die Ausstandsgründe für Sachverständige gelten. - Anwendbar sind darüber hinaus die Ausstands- und Ablehnungs- gründe des kantonalen Rechts. Urteil des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 13. März 2008 in Sa- chen S. gegen Verfügung des Departements Volkswirtschaft und Inneres (WBE.2008.38). Aus den Erwägungen 1.3. 1.3.1. Das StGB stellt für das Verfahren vor der Fachkommission Ausstandsregeln auf (auf die noch zurückzukommen sein wird), das Verfahren vor der Strafvollzugsbehörde richtet sich dagegen aus- schliesslich nach kantonalem Recht. Das VRPG verweist in § 5 Abs. 1 für die Frage, wann Behördenmitglieder und Sachbearbeiter in den Ausstand treten müssen, auf die Bestimmungen der Zivilpro- zessordnung und fasst die Fälle in einer nicht abschliessenden Auf- zählung in § 5 Abs. 2 zusammen. Die ZPO unterscheidet zwischen Ausschliessungsgründen (§ 2), die von Amtes wegen zu beachten sind, und Ablehnungsgründen (§ 3). 1.3.2. Die Beschwerdeführerin beruft sich auf den Ausschliessungs- grund von § 2 lit. c ZPO (..) 2008 Verwaltungsgericht 68 Während die Beschwerdeführerin davon ausgeht, dass die Fachkommission als untere Instanz des DVI zu betrachten sei, stellt sich dieses auf den Standpunkt, die Fachkommission sei nicht in die Verwaltungshierarchie eingegliedert, sondern habe quasi einen Bera- tungsauftrag; der Entscheid des DVI werde durch die Empfehlung der Fachkommission nicht vorweggenommen. Zur Beurteilung, ob eine Vorbefassung des Chefs der Abteilung Strafrecht wegen Mit- wirkung in einer anderen Instanz besteht, ist zunächst das Verfahren bei der bedingten Entlassung gemeingefährlicher Straftäter und die Rolle der Fachkommission in diesem Verfahren näher darzustellen. 2. 2.1. Per 1. Januar 2007 trat die Revision des Allgemeinen Teils des StGB (Art. 1 - 110) in Kraft. Die revidierten Bestimmungen sind auch auf Täter anwendbar, die nach bisherigem Recht verurteilt wur- den (Art. 388 Abs. 3 StGB; BGE 133 IV 201 ff.; VGE II/105 vom 7. Dezember 2007 [WBE.2007.246], S. 6 ff.). 2.2. 2.2.1. Hat der Gefangene zwei Drittel seiner Strafe, mindestens aber drei Monate verbüsst, so ist er durch die zuständige Behörde bedingt zu entlassen, wenn es sein Verhalten im Strafvollzug rechtfertigt und nicht anzunehmen ist, er werde weitere Verbrechen oder Vergehen begehen (Art. 86 Abs. 1 StGB). Zuständige Vollzugsbehörde ist das DVI (§ 18 Abs. 1 und § 241 StPO; § 4 Abs. 2 lit. b und § 77 Abs. 2 der Verordnung über den Vollzug von Strafen und Massnahmen vom 9. Juli 2003 [Strafvollzugsverordnung, SMV; SAR 253.111]), wobei die Abteilung Strafrecht bzw. deren Sektion Straf- und Massnahmen- vollzug (im Folgenden: Sektion SM) mit dieser Aufgabe betraut ist. Wer die Verfügungen im Namen des Departements unterzeichnen darf, richtet sich nach § 31 des Organisationsgesetzes vom 26. März 1985 (Gesetz über die Organisation des Regierungsrates und der kantonalen Verwaltung; OG; SAR 153.100): der Vorsteher des De- partements oder der Generalsekretär unterzeichnet die Verfügungen und Entscheide des Departements (Abs. 1), wobei die Departemente 2008 Straf- und Massnahmenvollzug 69 weitere Personen für deren Aufgabenkreise zur Unterzeichnung er- mächtigen können (Abs. 2; Fassung vom 11. Januar 2005). Steht die bedingte Entlassung - oder andere Vollzugslockerun- gen - eines wegen eines Verbrechens nach Art. 64 Abs. 1 StGB (...) Verurteilten zur Überprüfung und kann die Vollzugsbehörde die Frage der Gemeingefährlichkeit selbst nicht eindeutig beantworten, beurteilt die Fachkommission im Hinblick auf diesen Entscheid die Gemeingefährlichkeit des Gefangenen (Art. 75a Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 62d Abs. 2 StGB; § 59 Abs. 1 SMV in der Fassung vom 22. No- vember 2006). Sie soll den Vollzugsbehörden bei der Abklärung der Gemeingefährlichkeit mittels Begutachtung und Beratung zur Hand gehen. Zu diesem Zweck gibt sie eine "schriftlich begründete Empfehlung" zuhanden der Vollzugsbehörde ab, die anschliessend über die bedingte Entlassung entscheidet (§ 60 Abs. 3 SMV). 2.2.2. Gemäss § 59 Abs. 2 und § 60 Abs. 2 SMV in der Fassung vom 10. August 2005 ernennt der Vorsteher des DVI die Mitglieder der Fachkommission und erlässt das Geschäftsreglement (im Folgenden: Reglement [aktuelle Fassung vom 23. August 2000]). Über die in Art. 62d Abs. 2 StGB enthaltenen zwingenden Mindestvorgaben hin- aus (siehe dazu Martin Wirthlin, Die Beurteilung der Gemeingefähr- lichkeit durch die Fachkommissionen, in: ZBJV 139/2003, S. 434 f.) setzt sich die Fachkommission aus dem Chef Abteilung Strafrecht, dem Chef Sektion SM, dem Direktor der Strafvollzugsanstalt Lenz- burg, einem Mitglied des Obergerichts oder eines Bezirksgerichts, der Staatsanwaltschaft oder der Untersuchungsbehörden, einem Fo- rensiker der Psychiatrischen Klink Königsfelden sowie einem Mit- glied aus dem Bereich Opferhilfe zusammen (Reglement, Ziff. 6). 2.2.3. Das Verfahren vor der Fachkommission richtet sich gemäss § 60 Abs. 1 SMV nach den Richtlinien des Strafvollzugskonkordats der Nordwest- und Innerschweiz betreffend gemeingefährliche Straftäter im Freiheitsentzug vom 3. November 2006 (im Folgenden: Richtlinien) und dem Reglement. In Übereinstimmung mit § 60 Abs. 3 SMV halten Richtlinien und Reglement fest, dass der Fachkom- mission gegenüber der Vollzugsbehörde beratende Funktion betref- 2008 Verwaltungsgericht 70 fend die Beurteilung der Gemeingefährlichkeit und die allenfalls an- gezeigten Massnahmen zukommt (Richtlinien, Ziff. 3.2 Abs. 4) und dass sie zu deren Handen eine schriftlich begründete Empfehlung ab- gibt (Reglement, Ziff. 8). Die Fachkommission stützt sich dabei auf bereits vorhandenes Aktenmaterial, insbesondere auf frühere Gutach- ten und Berichte, oder auf weitere, neue Gutachten (Richtlinien, Ziff. 3.2 Abs. 3; Wirthlin, a.a.O., S. 433; Marianne Heer, in: Basler Kom- mentar, StGB 1, 2. Auflage, Basel 2007, Art. 62d N 23). 2.3. Das vor der Fachkommission durchgeführte Verfahren gipfelt nicht direkt in einer Verfügung, da ihr keine eigenen Entscheidungs- oder Weisungsbefugnisse zukommen (AGVE 2002, S. 156), sondern in einer Empfehlung zu Handen des DVI, das in eigener Verantwor- tung zu verfügen hat (Wirthlin, a.a.O., S. 422; Heer, a.a.O, Art. 62d N 23). Entsprechend wurde im StGB darauf verzichtet, dieses Ver- fahren als eigenständiges Verfahren mit entsprechend förmlichen Ga- rantien auszubauen (Wirthlin, a.a.O., S. 431; kritisch: Heer, a.a.O., Art. 62d N 30; Günter Stratenwerth, Zur Rolle der sog. "Fachkom- missionen", in: Strafrecht, Strafprozessrecht und Menschenrechte [Festschrift zum 65. Geburtstag von Stefan Trechsel], Zürich/ Lausanne 2002, S. 893 f.; vgl. auch Andrea Baechtold, Die Fach- kommission zur Beurteilung der Gemeingefährlichkeit - Cui Bono?, in: Bauhofer/Bolle/Dittmann, "Gemeingefährliche Straftäter", Chur/ Zürich 2000, S. 335). Die Fachkommission ist damit nicht in die Verwaltungshierarchie des DVI eingebunden, daran ändert auch die Ernennung ihrer Mitglieder durch den Departementsvorsteher (§ 59 Abs. 2 SMV) nichts. Sie ist vielmehr ein eigenständiges interdiszi- plinäres Gremium mit dem Auftrag der Begutachtung zuhanden der Vollzugsbehörde. Ihre Stellung sowie ihre Aufgabe rücken sie in die Nähe eines Sachverständigen. Auch wenn sie selbst nicht gutachter- lich im eigentlichen Sinne tätig wird (Heer, a.a.O., Art. 62 d N 23), sind ihre Empfehlungen mit einem Gutachten oder einem Amtsbe- richt vergleichbar (Wirthlin, a.a.O., S. 431; Heer, a.a.O., Art. 62d N 30; Baechtold, a.a.O., S. 335). Wie ein Gutachten oder ein Amts- bericht unterliegen auch die Empfehlungen der Fachkommission der freien Beweiswürdigung, das DVI ist daran nicht gebunden (§ 20 2008 Straf- und Massnahmenvollzug 71 Abs. 1 VRPG; vgl. Felix Bommer, in: Basler Kommentar, a.a.O., Art. 20 N 34), sondern im Gegenteil verpflichtet, im Rahmen einer Gesamtwürdigung aufgrund aller Fakten, insbesondere aktuellen oder früheren Gutachten und dem von der Anstaltsleitung einzu- holenden Führungsbericht (Art. 86 Abs. 2 StGB), zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer bedingten Entlassung oder einer Vollzugs- lockerung gegeben sind. Dies erfordert eine kritische Auseinander- setzung mit den Empfehlungen der Fachkommission. 3. 3.1 Die Mitglieder der Fachkommission, unter ihnen der Chef der Abteilung Strafrecht, üben somit eine Art gutachterlicher Tätigkeit aus. Im Hinblick auf den Entscheid über die bedingte Entlassung ist der Chef der Abteilung Strafrecht im Sinne von § 2 lit. c ZPO als Sachverständiger zu behandeln, der im gleichen Verfahren schon tä- tig wurde. Diese Bestimmung setzt nicht notwendig die Mitwirkung in einer unteren Instanz voraus, sondern greift aufgrund ihres Wort- lauts immer dann, wenn der betreffende Amtsträger in der gleichen Streitsache schon in einer der aufgeführten Funktionen tätig war. X. hätte deshalb beim Entscheid über die bedingte Entlassung der Beschwerdeführerin nicht mitwirken dürfen, sondern in den Aus- stand treten müssen. Dem kann nicht entgegengehalten werden, der Chef der Abteilung Strafrecht sei von Amtes wegen Mitglied der Fachkommission. Für die entsprechende Bestimmung im Reglement sind keine zwingenden Motive ersichtlich (siehe auch hinten Erw. 3.2); ganz im Gegenteil dürfte sich die institutionelle Überforderung einer Person, wenn sie sowohl entscheiden als auch sich zuvor selber als Sachverständiger beraten sollte, nicht nachvollziehbar begründen lassen. Zudem erscheint die dadurch verursachte unnötige Ver- wischung der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeit der Fachkom- mission einerseits und des DVI als Vollzugsbehörde andererseits als Nachteil (vgl. Wirthlin, a.a.O., S. 422). Liegt ein Ausschliessungsgrund im Sinne von § 2 ZPO vor, muss sich die betroffene Person von Amtes wegen in den Ausstand begeben, ohne dass es eines Anstosses durch die Verfahrensparteien bedürfte (§ 4 Abs. 1 ZPO; Alfred Bühler, in: Kommentar zur aar- 2008 Verwaltungsgericht 72 gauischen Zivilprozessordnung, 2. Auflage, Aarau/Frankfurt a.M./ Salzburg 1998, § 2 N 1, § 4 N 1). Ohnehin hat die Beschwerdefüh- rerin den Mangel mit der vorliegenden Beschwerde rechtzeitig gel- tend gemacht. Bis zum Erlass der angefochtenen Verfügung war für sie nicht erkennbar, dass der Chef der Abteilung Strafrecht daran mitwirken und sie unterzeichnen würde, zumal das Schreiben vom 20. Dezember 2007, mit dem ihr das rechtliche Gehör eingeräumt wurde, noch vom Adjunkten B. verfasst worden war. Eine Verwir- kung der Geltendmachung des Anspruchs auf eine richtig zusam- mengesetzte Behörde liegt nicht vor (siehe dazu Bühler, a.a.O., Vor- bemerkungen zu §§ 2-8 N 8). Die angefochtene Verfügung ist deshalb aufzuheben. 3.2. Im Hinblick auf künftige Verfahren sei folgendes beigefügt. Das Verwaltungsgericht hat entschieden, Äusserungen eines Regierungs- rats, die ihm gegenüber einen Ablehnungsgrund abgeben, könnten nicht dazu führen, dass alle ihm unterstellten Mitarbeiter, mithin das ganze Departement, im weiteren Verfahrensablauf ausgeschlossen sei (VGE IV/17 vom 28. April 2005 [BE.2004.00425], Erw. II/1/c). Trotzdem wäre es hier keineswegs unproblematisch, wenn der Ab- teilung Strafrecht angehörende und damit deren Chef direkt unter- stellte Mitarbeiter - auch diejenigen in der Sektion SM - die Verfü- gung betreffend bedingte Entlassung und Vollzugslockerungen un- terzeichnen oder sonst wie daran mitwirken würden (das Gleiche gilt für Mitarbeiter der Sektion SM, wenn deren Chef in der Fachkom- mission mitwirkt). Namentlich wenn aus der Verfügung nicht ersicht- lich wird, dass die Empfehlung der Fachkommission tatsächlich ei- ner kritischen Überprüfung unterzogen wurde (siehe vorne Erw. 2.3), wäre der Eindruck der Befangenheit des Unterzeichnenden schwer zu widerlegen. Anders verhielte es sich wohl, wenn in der Fach- kommission ein Mitarbeiter der Sektion SM mitwirkte und die Ver- fügungen durch eine ihm in der Departementshierarchie übergeord- nete Person erstellt und unterzeichnet würde. 2008 Straf- und Massnahmenvollzug 73 4. 4.1. Die Beschwerdeführerin beanstandet auch die Verletzung der für die Fachkommission geltenden Ausstandsregeln. Da der Verfah- rensausgang dadurch nicht beeinflusst wird, braucht darauf nur kurz eingegangen zu werden. 4.2. Das StGB schreibt in Art. 62d Abs. 2 für die Fachkommission den Ausstand für Sachverständige und Vertreter der Psychiatrie vor, die den Täter behandelt oder in anderer Weise betreut haben. Darüber hinaus gelten die Ausstandsgründe des kantonalen Rechts (Richtli- nien, Ziff. 3.6). 4.3. F. war im Strafverfahren wegen Diebstahls und mehrfachen ge- ringfügigen Diebstahls, das zur Verurteilung vom 14. Dezember 1995 führte, die zuständige Staatsanwältin. Dass sie damals mit der Beschwerdeführerin persönlichen Kontakt hatte, ist auszuschliessen. Aufgabe der Fachkommission ist die Überprüfung der Gemein- gefährlichkeit. Die Gemeingefährlichkeit der Beschwerdeführerin war im Jahre 1995 noch kein Thema (...). Objektiv besteht keinerlei Anschein von Befangenheit bei der Beurteilung der Gemeingefähr- lichkeit, weshalb für F. kein Ausstandsgrund bestand. 4.4. Staatsanwalt Y. trat im Strafverfahren auf, welches zur Verur- teilung vom 22. September 2005 führte. Die Oberärztin Z. verfasste das in diesem Verfahren in Auftrag gegebene psychiatrische Gutach- ten. Herr Y. und Frau Z. nahmen anlässlich der Sitzung der Fach- kommission vom 6. Juni 2007 an der Beratung teil, traten aber bei der Beschlussfassung in den Ausstand. Die Richtlinien, Ziff. 3.6, ver- langen den Ausstand auch bei der Beratung, soweit das kantonale Recht dies vorsieht (siehe Wirthlin, a.a.O., S. 435). Dies ist im Kan- ton Aargau der Fall (§ 5 Abs. 1 VRPG ["dürfen nicht mitwirken"] sowie § 5 Abs. 3 VRPG e contrario; vgl. auch Bühler, a.a.O., § 4 N 1). Die Teilnahme an der Beratung war somit unkorrekt.
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2010 Verwaltungsgericht 230 [...] 43 Schulgeldanspruch bei auswärtigem Schulbesuch. - Kein Wahlrecht des auswärtigen Schulortes bei unzumutbarem Schulweg in der Wohngemeinde. - Mehrere besondere Umstände können im Einzelfall einen wichtigen Grund für den auswärtigen Schulbesuch schaffen. Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 8. März 2010 in Sachen P. und B.W. gegen Gemeinderat X. und Regierungsrat (WBE.2009.80). Aus den Erwägungen 1. (Zusammenfassung der massgebenden Rechtsgrundlagen und Verweis auf die Rechtsprechung in AGVE 2001, S. 155; AGVE 2002, S. 685; AGVE 1989, S. 503; AGVE 1996, S. 212: AGVE 1991, S. 161 mit Hinweisen; VGE II/111 vom 17. Dezember 2007 [WBE.2007.244]). 2010 Schulrecht 231 2. 2.1. Das Departement Bildung, Kultur und Sport (BKS) mutete den Beschwerdeführern im Ergebnis zu, C. statt nach K. nach X. in die Schule zu chauffieren. Die Vorinstanz ging demgegenüber davon aus, dass eine Überquerung der Y.-strasse (K [...]) für eine Schülerin in der 1. bis 3. Klasse (...) ohne Hilfe unzumutbar sei. Angesichts des Umstandes, dass die Gemeinde X. den Eltern keine alternative Lösung aufgezeigt habe, erschien es der Vorinstanz gerechtfertigt, dass die Gemeinde das Schulgeld rückwirkend für die 1. bis 3. Klasse übernehme. Ab der 4. Klasse könne C. indessen die Über- querung der Y.-strasse und der Schulweg über die Kantonsstrasse (K [...]) ebenso wie ein Schulwechsel zugemutet werden. 2.2. (...) 3. 3.1. Die Beschwerdeführer wohnen mit zwei Töchtern auf dem S- hof, weit abseits des Siedlungsgebiets. Der Hof ist über die Y-strasse erschlossen. Die Parteien sind sich einig, dass der Schulweg ab A. mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt werden muss und nicht die Bewältigung des gesamten Schulweges aus eigener Kraft zu beurteilen ist. (...) 3.2. (...) 3.2.1 Der Weg über den R. weg und entlang der Kantonsstrasse K (...) führt über einen Feldweg und dann entlang der Kantons- strasse bis zur A. (Bushaltestelle). Ein Trottoir entlang der Kan- tonsstrasse K (...) besteht nicht; der Feldweg bis zur Kantonsstrasse wird im Winter nicht geräumt, ist unbeleuchtet und führt über freies Feld. Die Kantonsstrasse ist zwar relativ übersichtlich, führt aber in einer Rechtskurve und einem Gefälle von rund 35m Richtung Y.- strasse; dieser Strassenabschnitt ist ausserorts, wo Geschwindigkei- ten bis 80 km/h zulässig sind. Die gesamte Wegstrecke beträgt rund 1 km, wobei der grössere Teil auf der Kantonsstrasse zu bewältigen ist. 2010 Verwaltungsgericht 232 Der Weg über die Y.-strasse verlangt, dass auf einer Strecke von rund 700 m die Fahrbahn benutzt werden muss. Die Y.-strasse ist eine Hauptverkehrsstrasse (Transitroute) mit einem grossen Ver- kehrsaufkommen und einem erheblichen Anteil Schwerverkehr (vgl. http://www.ag.ch/verkehr/de/pub/auto_und_lastwgen/verkehrserhe- bungen/interaktiver_belastungsplan.php). Auch dieses Weg- und Strassenstück ist nicht beleuchtet und erfordert die Benützung der Fahrbahn. Ein Ausweichen auf die Trampelpfade war am Augen- scheinstag nicht möglich. Für beide Wegvarianten gilt, dass die Y.- strasse täglich mindestens einmal überquert werden muss. Ein be- leuchteter Fussgängerstreifen besteht nicht und auch hier fahren die Motorfahrzeuge mit mehr als 60 km/h. Gemessen an den Sicherheitskriterien für Schulwege der Bera- tungsstelle für Unfallverhütung (BfU; BfU - Dokumentation 2.023 mit Checkliste Bern 2008; http://www.bfu.ch/PDFLib/1165_105.pdf) erscheinen beide Varianten als sehr schwierige Schulwege. Dieser Beurteilung stimmt auch der Gemeinderat zu, der insbesondere darauf hinweist, dass im Winter der Schulweg nicht "machbar sei" und vor allem wegen der Überquerung der Y.-strasse gefährlich ist. Unbestritten blieb auch, dass für einen Schüler und eine Schülerin der Unterstufe (1. bis 3. Klasse) keiner der Schulwege bis und mit A. zumutbar ist. (...) 3.2.2. (...) 3.3. Der Gemeinderat und das BKS gehen davon aus, dass im Rah- men des öffentlichen und unentgeltlichen Schulbesuchs bei abgele- genen Siedlungshöfen die Mithilfe der Eltern bei der Bewältigung des Schulweges unabdingbar ist. Auch wenn eine Unterstützung der Eltern erwartet werden kann, kann dies nicht bedeuten, dass die El- tern verpflichtet sind, die Schulkinder ständig zur Schule zu chauffie- ren, weil der Schulweg unzumutbar ist. Bei dieser Unterstützung kann es sich nur darum handeln, den Kinder in der Nähe des Wohn- hauses z.B. bei der Überquerung einer Strasse, beim Warten auf den Schulbus etc. zu helfen, nicht aber, dass sie die Kinder über längere Distanzen auf dem Schulweg begleiten (Herbert Plotke, Schweizeri- sches Schulrecht, 2. Auflage, Bern / Stuttgart / Wien 2003, S. 237). 2010 Schulrecht 233 3.4. Die Besonderheit besteht vorliegend darin, dass sowohl der Schulweg nach K. wie der nach X. mit öffentlichen Verkehrsmitteln bewältigt werden muss und die problematische Schulwegstrecke für beide Schulorte identisch ist. Die Gefährlichkeit des Schulweges ist daher kein triftiger Grund für den Besuch der Schule in K.. Die Vor- instanzen haben damit zurecht auch die Frage aufgeworfen, ob es den Beschwerdeführen zumutbar ist, C. statt nach K. in die Schule nach X. zu chauffieren. Grundsätzlich besteht im Falle eines unzumutbaren Schulweges in der Wohngemeinde kein Wahlrecht des Schulortes und auch der Umstand, dass die Eltern den Transport selbst organisieren begründet keine freie Wahl des (auswärtigen) Ausbildungsortes. 4. 4.1. Für einen auswärtigen Schulbesuch können ausser einem un- zumutbaren Schulweg auch andere wichtige Gründe vorliegen, wel- che eine Ausnahme von der Schulpflicht am Aufenthaltsort begrün- den können (siehe vorne Erw. 1.; siehe dazu auch Herbert Plotke, a.a.O., S. 177 f.). C. besuchte bereits den Kindergarten in K. und wurde in K. ein- geschult. Im Zeitpunkt der Entscheidung über die Schulgeldfrage hatte sie bereits die 3. Klasse absolviert. Ihre jüngere Schwester, I. besuchte den Kindergarten und wurde im Schuljahr 2009/2010 in der 1. Klasse der Schule in K. eingeschult. Beide Beschwerdeführer sind erwerbstätig, die Beschwerde- führerin 2 arbeitet mit einem 80% Pensum in A.. Der Beschwerde- führer 1 bewirtschaftet den S.-hof. Die Primarschule K. befindet sich auf dem Arbeitsweg der Beschwerdeführerin 2. Die Betreuung der beiden Töchter unter der Woche übernehmen die Grosseltern, die in B. wohnen. Sie holen C. und I. über Mittag zum Mittagessen und am Nachmittag von der Schule ab. Die Beschwerdeführerin 2 holt die Töchter bei den Grosseltern nach der Arbeit ab. Aus dieser Be- treuungssituation ergeben sich für den Schulort X. erheblich längere Wegstrecken zum Arbeitsplatz bzw. von und nach B.. Auch wenn es nicht darauf ankommen kann, ob die Grosseltern den weiteren Weg 2010 Verwaltungsgericht 234 über Y. auf sich nehmen wollen, ist festzuhalten, dass der Aufwand für den Schulweg und für die Betreuung von C. beim Schulort K. um einiges geringer ist. Nachdem die Vorinstanz sich für den zulässigen Schulbesuch in K. für die 1. bis 3. Klasse ausgesprochen hat und die jüngere Tochter der Beschwerdeführer ebenfalls die Primarschule in K. besucht, würde ein Schulort C. in der Wohngemeinde den Betreuungs- und Organisationsaufwand für die Beschwerdeführer und die Grosseltern nochmals und unnötig erhöhen. Leisten die Eltern bereits einen (freiwilligen) Einsatz bei der Bewältigung des Schulweges, ist auch auf ihre Interessen angemessen Rücksicht zu nehmen. Schliesslich ist das Schulangebot in der Gemeinde X. auf die Unter- und Mittelstufe beschränkt. Für die Oberstufe haben die Schüler und Schülerinnen ein Wahlrecht zwischen einem Besuch der Schulen in F., K. oder in Z. Dies bedeutet für C., dass sie für zwei bzw. effektiv noch ein Schuljahr einen Schulwechsel vollziehen müsste. Da dieser zudem auf die 5. Klasse und damit das Schuljahr vor dem Übertritt in die Bezirks-, Sekundar- oder Realschule fallen würde, erscheint ein Schulwechsel nicht gerade sinnvoll bzw. im In- teresse des Kindes. 4.2. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass unter Berücksich- tigung der Besonderheiten des Schulweges, der vorinstanzlichen Er- kenntnis, dass die Tochter der Beschwerdeführer bis zum 3. Schul- jahr aus wichtigen Gründen die Primarschule in K. besuchte, und an- gesichts der Betreuungssituation sowie dem Schulbesuch der jünge- ren Schwester in K., in ihrer Summe ausreichende Gründe vorliegen, um einen Schulbesuch ausserhalb der Wohngemeinde auch für die Mittelstufe zu begründen. (...)
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AG_VG_001
AG_VG
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AG_VG_001_AGVE-2010-43_2010-03-04
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2007 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 137 [...] 34 Rückzug des Baugesuchs; Auswirkungen auf die Kostenverteilung im Be- schwerdeverfahren Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 9. August 2007 in Sa- chen W. gegen Departement BVU (WBE.2006.314). Aus den Erwägungen 2.2.1. Das VRPG regelt die Tragung der Verfahrenskosten (§ 33 Abs. 2) und der Parteientschädigung (§ 36 Abs. 1) nicht ausdrücklich für jene Fälle, in denen ein Verfahren wie hier ohne Sachentscheid erledigt wird. Die Rechtsprechung musste daher selber eine Lösung entwi- ckeln. Gemäss einem Grundsatzentscheid des Verwaltungsgerichts aus dem Jahre 1982 und seitheriger Praxis erfolgt die Kostenvertei- lung in solchen Fällen regelmässig nach dem formellen Ausgang (vgl. AGVE 1992, S. 395 mit Hinweisen). Von diesem Grundsatz darf nur abgewichen werden, wenn der formelle Ausgang klar anders liegt als der materielle (AGVE 1982, S. 308). Ein solcher Ausnahme- fall liegt hier nicht vor. Da die Bauherrschaft ihr ursprüngliches 2007 Verwaltungsgericht 138 Baugesuch durch Einreichung eines neuen zurückgezogen hat, gilt sie im verwaltungsgerichtlichen Verfahren als formell unterliegend. Mit dem Rückzug des Baugesuchs hat sie gleichzeitig den vorin- stanzlichen Entscheiden materiell entsprochen, womit der formelle und der materielle Verfahrensausgang gleich liegen. Die Beschwer- deführerin ist daher im verwaltungsgerichtlichen Verfahren kosten- pflichtig, wobei der Verkürzung des Verfahrens mit einer reduzierten Staatsgebühr Rechnung zu tragen ist (§ 23 VKD; vgl. auch AGVE 2000, S. 346 f.). Eine Parteientschädigung fällt ausser Betracht (§ 33 Abs. 2 VRPG). 2.2. Nach den gleichen Grundsätzen sind auch die Kosten des Be- schwerdeverfahrens vor dem BVU zu verlegen. Demgemäss hat die Beschwerdeführerin die gesamten Kosten dieses Verfahrens zu tragen. Eine Parteientschädigung fällt auch für dieses Verfahren ausser Betracht.
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AG_VG_001
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Northwestern_Switzerland
AG_VG_001_AGVE-2007-34_2007-08-03
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2011 Bau-, Raumentwicklungs-, Umweltschutzrecht 135 [...] 36 Ausnützungsziffer (§ 9 Abs. 2 ABauV) Eine innerhalb der Gebäudehülle liegende, unmittelbar dem Gewerbe dienende Aussenverkaufsfläche eines Ladengeschäfts gehört zur anre- chenbaren Bruttogeschossfläche. Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 17. Juni 2011 in Sachen A. gegen B. (WBE.2010.390). 2011 Verwaltungsgericht 136 Aus den Erwägungen II. 1. 1.1. Umstritten ist das Bauprojekt Aussenverkauf beim Ladenge- schäft A. (...) in C.. Die Aussenverkaufsfläche liegt vollständig überdeckt durch das darüberliegende Geschoss vor dem Einkaufsla- den. Auf der Fläche werden Erde, Pflanzen, Blumen usw., aber auch saisonale Produkte wie zum Beispiel Weihnachtsbäume angeboten. Hierzu wurden fahrbare Warenträger und Paletten eingerichtet. Der Aussenverkauf wird schon seit einigen Jahren betrieben. Die Waren werden jeweils am Morgen im Aussenbereich aufgestellt und am Abend ins Ladeninnere verräumt. Die Liegenschaft befindet sich in der Wohn- und Gewerbe- zone 4 (WG 4). 1.2. Gemäss § 50 Abs. 1 Satz 1 BauG können Gemeinden das zuläs- sige Verhältnis von nutzbaren Flächen oder Inhalten von Gebäuden zu den Grundstücksflächen festlegen. Die Ausnützungsziffer ist die Verhältniszahl zwischen der anrechenbaren Bruttogeschossfläche und der anrechenbaren Grundstücksfläche (§ 9 Abs. 1 ABauV). Die Gemeinde C. sieht in der BNO solche Ausnützungsziffern vor, insbesondere auch in der WG 4. Zu prüfen ist, ob die strittige Aussenverkaufsfläche in die Be- rechnung der Ausnützungsziffer einzubeziehen ist oder nicht. Dies ist der Fall, wenn sie als "anrechenbare Bruttogeschossfläche" zu quali- fizieren ist. 2.-3. (...) 4. 4.1. Die Ausnützungsziffer ist die Verhältniszahl zwischen der an- rechenbaren Bruttogeschossfläche und der anrechenbaren Grund- stücksfläche (§ 9 Abs. 1 ABauV). Sie ist ein zonenplanerisches Mit- tel, um im Verein mit anderen namentlich die bauliche Dichte zu be- grenzen und ermöglicht so einer Gemeinde, die Intensität der Besie- 2011 Bau-, Raumentwicklungs-, Umweltschutzrecht 137 dlung, d. h. die Zahl der Wohnungen und Arbeitsstätten, also prak- tisch die Grösse der wohnenden und arbeitenden Bevölkerung, bezo- gen auf eine bestimmte Fläche zu beeinflussen. Abgesehen von so- ziologischen und wirtschaftlichen Aspekten dient diese Beschrän- kung zunächst vorwiegend polizeilichen Zielen (Erhaltung von Licht, Luft, Sonne, in gewissem Sinne auch der Gewährleistung der Wohn- hygiene). Ferner erlaubt es die Ausnützungsziffer, die Folgewirkun- gen der privaten Bautätigkeit für die Öffentlichkeit zu beeinflussen: Sie ist ein Mass für die Belastung der Infrastruktur (Art, Distanz bzw. Länge und Auslastung der Anlagen) sowie der Umwelt (Immis- sionen, Orts- und Landschaftsbild usw.). Städtebauliche Bedeutung hat die Ausnützungsziffer, indem sie es erleichtert, Nutzungsdiffe- renzierungen (Wohnanteile, Begrünungsanteile) zu umschreiben, und die Zonenplanung befähigt, durch eine Differenz zwischen grosszü- gigeren Abstandsvorschriften und anderen linearen Gebäudebegren- zungen einerseits und einer restriktiveren Ausnützungsziffer ander- seits einen Gestaltungsspielraum des privaten Bauherrn in der Be- stimmung des Baukörpers zu eröffnen und so zu einer insoweit diffe- renzierten Überbauung zu gelangen (AGVE 2004, S. 187 mit Hin- weisen; AGVE 2003, S. 487 mit Hinweis). 4.2. 4.2.1. Als anrechenbare Bruttogeschossfläche gilt die Summe aller ober- und unterirdischen Geschossflächen, einschliesslich der Mauer- und Wandquerschnitte (§ 9 Abs. 2 ABauV). Grundlegende Voraus- setzung für die Anrechenbarkeit einer Fläche ist also deren Qualifi- kation als Geschossfläche. Als Geschossfläche gelten dabei unge- achtet ihrer Nutzung alle unter- oder oberirdischen Innenräume eines Gebäudes einschliesslich der Mauer- und Wandquerschnitte sowie die zum Gebäude gehörende Aussenräume. Der Zweckbestimmung der Ausnützungsziffer entsprechend (Streuung der baulichen Dichte, Wahrung polizeilicher Interessen, städtebauliche Anliegen; siehe Erw. 4.1.), sind nur jene Aussenräume zu berücksichtigen, die sich innerhalb der Gebäudehülle befinden. Hierzu zählen beispielsweise Erdgeschosshallen, überdeckte Sitzplätze, Balkone oder Dach- terrassen (AGVE 2004, S. 187 f.). 2011 Verwaltungsgericht 138 4.2.2. Der Gemeinderat vertritt die Auffassung, die mehrseitig offenen Verkaufsflächen befänden sich ausserhalb des Baukörpers und aus- serhalb der Gebäudehülle, weshalb sie keine Geschossflächen dar- stellten. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Im erwähnten AGVE 2004, S. 186 ff. war u. a. zu beurteilen, ob die Aussenterrasse eines Restaurants als Geschossfläche zu qualifizieren ist. Da die Terrasse weder über eigene Seitenwände noch eine Dachkonstruktion verfügte und damit jeglicher Gebäudecharakter fehlte, verneinte das Verwaltungsgericht das Vorliegen einer Geschossfläche im Sinne von § 9 Abs. 2 ABauV. Es liege vielmehr ein nicht anrechenbarer Aussenraum vor (AGVE 2004, S. 187 f.). Anders verhält sich die Situation im vorliegenden Fall: Die strittige Aussenverkaufsfläche wird vollständig von dem darüberliegenden Geschoss, das sich innerhalb der geschlossenen Gebäudehülle befindet, überdeckt. Die Fläche wird zudem an mehreren Seiten durch Wände abgegrenzt. Indem die Säulen unmittelbar an die Fassade des oberen Stockwerks anschliessen, kann nicht von einem Dachvorsprung oder ähnlichem gesprochen werden. Trotz der relativ breiten Säulen und dem Lift- und Treppenhausanbau handelt es sich nicht um einen geschlossenen Raum. Vielmehr ist von einem zum Gebäude gehörenden Aussen- raum, der jedoch innerhalb der Gebäudehülle liegt, auszugehen. Die Aussenverkaufsfläche ist folglich als Geschossfläche im Sinne von § 9 Abs. 2 ABauV zu qualifizieren. Dieser Auffassung ist im Übrigen auch die Beschwerdeführerin. 4.3. Zu prüfen ist im Weiteren, ob die Aussenverkaufsfläche als "an- rechenbare Bruttogeschossfläche" gilt oder ob sie unter § 9 Abs. 2 lit. a ABauV fällt, wonach alle nicht dem Wohnen und dem Gewerbe dienenden oder hierfür nicht verwendbaren Flächen der Bruttoge- schossfläche nicht anzurechnen sind. 4.3.1. Ausgehend von der Funktion der Ausnützungsziffer (siehe vor- ne Erw. 4.1.) sind von der Anrechnung Flächen ausgenommen, die nicht unmittelbar der für die betreffende Zone vorgesehenen Wohn- oder Gewerbenutzung dienen, sondern gleichsam unabhängig von 2011 Bau-, Raumentwicklungs-, Umweltschutzrecht 139 der Anwesenheit irgendwelcher Personen oder der Ausübung der betreffenden Hauptnutzung einen primär infrastrukturellen Sach- zweck erfüllen und insofern die Hauptnutzung bloss im Sinne einer Hilfsfunktion ergänzen. Das trifft ausgesprochen zu für die in der Re- gel im Untergeschoss angeordneten Infrastrukturräume und die zum Gebäude gehörenden Aussenräume wie offene Erdgeschosshallen, überdeckte offene Dachterrassen oder offene Balkone (AGVE 2003, S. 487 mit Hinweis auf AGVE 1986, S. 290 ff. und AGVE 1979, S. 243 ff.). Das Privileg der Nichtanrechnung besteht aber nicht unbe- schränkt, sondern angesichts des Sinns dieser Vorschrift nur und so- weit diese Räume ein untergeordnetes Ausmass behalten. Die Nicht- anrechnung lässt sich ja nur aus der Hilfsfunktion für die Hauptnut- zung rechtfertigen. Daher muss ein Nebenraum gegenüber der Hauptnutzung quantitativ und qualitativ in einem vernünftigen unter- geordneten Verhältnis stehen; Massstab ist dabei das in der betref- fenden Zone übliche, durchschnittliche Gebäude und dessen Nutzung nach objektiven, auf die Verhältnisse des durchschnittlichen Grund- eigentümers abstellenden Kriterien (AGVE 2003, S. 488 mit Hinweis auf AGVE 1986, S. 290 ff., AGVE 1985, S. 309 und AGVE 1979, S. 243 ff.). Qualitativ ist erforderlich, dass der betreffende (nicht an- zurechnende) Raum mittelbar dem Zweck der Hauptnutzung dient (AGVE 1985, S. 309; AGVE 1979, S. 246). Daraus erhellt, dass es sich bei den in § 9 Abs. 2 lit. a ABauV aufgeführten Beispielen um Flächen bzw. Räume handelt, welche normalerweise nur Hilfsfunktionen erfüllen und daher in der Regel nicht anzurechnen sind. Dienen sie indessen (unmittelbar) dem Zweck der Hauptnutzung, so sind auch sie der Bruttogeschossfläche anzurechnen. 4.3.2. Eine Aussenverkaufsfläche dient schon von der Definition her dem Gewerbe. Die Beschwerdeführerin bietet auf der fraglichen Fläche auf Paletten und fahrbaren Gestellen verschiedene Artikel für den Gartengebrauch (Pflanzen, Erde, Holzkohle usw.) sowie saisona- le Produkte (wie z. B. Weihnachtsbäume) zum Verkauf an. Mit dem Aussenverkauf erwirtschaftet sie einen Jahresumsatz von immerhin 2011 Verwaltungsgericht 140 Fr. 50'000.00 bis Fr. 60'000.00 (gemäss Beschwerdeführerin) bzw. mindestens Fr. 80'000.00 (gemäss Beschwerdegegner). Die Aussen- verkaufsfläche ist - zumindest während eines grösseren Teils des Jahres - zu einem festen Bestandteil des Verkaufsraums geworden. Dass die Aussenverkaufsfläche dem Gewerbe und damit (unmit- telbar) dem Hauptzweck dient, ist denn auch unbestritten. Demge- mäss fehlt es im konkreten Fall an der qualitativen Unterordnung, wie dies bei den in § 9 Abs. 2 lit. a ABauV aufgeführten Beispielen in der Regel der Fall ist. Die Aussenverkaufsfläche gehört folglich zur anrechenbaren Bruttogeschossfläche und ist bei der Berechnung der Ausnützungsziffer zu berücksichtigen. Ob im konkreten Fall von einer "mindestens einseitig offenen Erdgeschosshalle" auszugehen ist, ist bei diesen Gegebenheiten nicht von Bedeutung. Tatsache und entscheidrelevant ist vielmehr, dass die Aussenverkaufsfläche unmittelbar der Hauptnutzung, dem Gewerbe, dient. Aus dem von der Beschwerdeführerin und Gemeinderat er- wähnten Entscheid (AGVE 1986, S. 586 f.) kann im Übrigen nicht gefolgert werden, dass einseitig offene Erdgeschosshallen überhaupt nie anzurechnen wären. Abgesehen davon, dass es im genannten Ent- scheid um eine andere Bestimmung ging, wurde die fragliche Fläche als ganzseitig umschlossen qualifiziert (vgl. AGVE 1986, S. 586 f.). Die Frage, ob eine unmittelbar dem Hauptzweck (z. B. Gewerbe) dienende einseitig offene Erdgeschosshalle als anrechenbare Brutto- geschossfläche gilt, wurde nicht behandelt (erst recht nicht unter Gel- tung von § 9 Abs. 2 ABauV).
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AG_VG_001
AG_VG
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AG_VG_001_AGVE-2011-36_2011-06-03
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2004 Schulrecht 109 II. Schulrecht 27 Zuständigkeit und Verfahren zur Erhebung, Festsetzung und Übernahme von Schulgeld für den Besuch einer obligatorischen öffentlichen Schule ausserhalb des Wohnorts. - Nur bei Einigkeit zwischen allen Betroffenen (Schul- und Wohnge- meinde sowie Eltern) kann die Schulgemeinde über das Schulgeld ver- fügen (Erw. 1/d). - Bei Uneinigkeit zwischen Schul- und Wohngemeinde oder Eltern ent- scheidet erstinstanzlich das Departement für Bildung, Kultur und Sport (BKS) und der Entscheid des BKS kann mit Beschwerde beim Regierungsrat angefochten werden (Erw. 1/d). - Ist das Schulgeld zwischen den Eltern und Schul- oder Wohngemeinde umstritten, ist gegen den Entscheid des Regierungsrats die Verwal- tungsgerichtsbeschwerde gemäss § 52 Ziff. 1 VRPG möglich (Erw. 2/a). - Bei Differenzen zwischen der Schul- und Wohngemeinde ist der Be- schwerdeentscheid des Regierungsrats beim Verwaltungsgericht ge- mäss § 52 Ziff. 4 VRPG anfechtbar (Erw. 2/b). Teilurteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 1. Juli 2004 in Sachen D. gegen Entscheid der Einwohnergemeinde S. Aus den Erwägungen 1. a) Streitgegenstand in den Verfahren um Schulgeldbeiträge ist der Anspruch auf unentgeltlichen obligatorischen Grundschul- unterricht an öffentlichen Schulen (Art. 19 i.V.m. Art. 62 BV; § 28 f. KV; § 3 Abs. 3 und § 6 SchulG). Zu prüfen ist, wie und in welchem Verfahren dieser Anspruch geltend zu machen ist, wenn ein Kind den obligatorischen Schulunterricht an einer öffentlichen Schule ausserhalb des Wohn- bzw. Aufenthaltsortes besucht. 2004 Verwaltungsgericht 110 In der Vernehmlassung vom 25. Februar 2004 vertritt der Re- gierungsrat die Rechtsauffassung, das Verwaltungsgericht sei zur Beurteilung von Verfügungen und Entscheiden betreffend Schulgeld im Beschwerdeverfahren zuständig, wenn sich Private gegen die verfügungsmässige Auferlegung von Schulgeldern wehren würden und/oder strittig sei, ob die Aufenthalts- oder die Schulgemeinde die Kosten zu tragen habe. Das Klageverfahren gelange zur Anwendung, wenn über allfällige Ansprüche der Gemeinde gegenüber den Eltern zu entscheiden sei, da in solchen Fällen für eine Kostenauferlegung mittels Verfügung zu Lasten der Eltern eine gesetzliche Grundlage fehle. b) Die publizierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts stellte in Frage (AGVE 1991, S. 162 f.), ob es zulässig sei, den Eltern die Kosten des auswärtigen Schulbesuches ihrer Kinder mit Verfü- gung aufzuerlegen. Aufgrund der fehlenden gesetzlichen Grundlage hat die vom Regierungsrat publizierte Rechtsprechung dies verneint (AGVE 1997, S. 546 f.; vgl. auch VGE II/88 vom 28. August 1996 [BE.1994.00103] in Sachen H.J. und P.N., S. 17 f.). In AGVE 1991, S. 159, wurde die Verfügungskompetenz der Wohnsitzgemeinde bezüglich der Erhebung des Schulgeldes bei den Eltern des schulpflichtigen Kindes gestützt auf den damaligen § 6 SchulG (in der Fassung vom 17. März 1981; AGS Band 10, S. 529) verneint. Der § 6 SchulG lautete wie folgt: "§ 6 1 Die Schulpflicht ist in der Regel in den öffentlichen Schulen der Wohngemeinde oder des Schulkreises, zu dem die Wohngemeinde gehört, zu erfüllen. 2 Eltern, deren Kinder ihre Schulpflicht nicht in öffentlichen Schu- len erfüllen, haben bei der zuständigen Schulpflege den genügenden Unter- richt nachzuweisen. 3 Kinder und Jugendliche mit Aufenthalt in Heimen erfüllen ihre Schulpflicht in den Heimschulen oder den öffentlichen Schulen der Re- gion." c) Anlässlich der Partialrevision des Schulgesetzes vom 17. März 1998 (in Kraft seit 1. August 1998) wurde § 6 Abs. 2 SchulG wie folgt neu gefasst: 2004 Schulrecht 111 " 2 Erfolgt der Unterrichtsbesuch ohne wichtige Gründe an der Volksschule einer anderen Gemeinde, entfällt die Unentgeltlichkeit gemäss § 3 Abs. 3. Das Schulgeld, das die Gemeinde erhebt, darf höchstens kosten- deckend sein." In der Botschaft des Regierungsrates an den Grossen Rat vom 5. November 1997, Schulgesetz, Partialrevision Etappe I, Bericht und Entwurf zur 1. Beratung (Botschaft Schulgesetz), wird zu dieser Änderung ausgeführt, dass diese neue Bestimmung die gesetzliche Grundlage zur Schulgelderhebung bei den Eltern schaffe (Botschaft Schulgesetz, S. 12). Die neue gesetzliche Grundlage hat zu keiner Änderung von § 6 der Verordnung über das Schulgeld vom 16. Dezember 1985 geführt (Schulgeldverordnung; SAR 403.151; Fassung gemäss Verordnung vom 19. Dezember 1988). Die seit 1. Januar 1989 geltenden Be- stimmungen lauten unverändert: "§ 6 1 Zuständig für die Festsetzung des Schulgeldes sowie für den Ent- scheid über die Erhebung oder Übernahme eines solchen ist der Gemeinde- rat. 2 Können sich die Beteiligten über die Tragung des Schulgeldes oder über dessen Höhe nicht einigen, entscheidet hierüber in erster Instanz das Erziehungsdepartement. Dieser Entscheid ist an den Regierungsrat weiterziehbar. Im übrigen richtet sich das Verfahren nach dem Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege." Nach dem Willen des Verordnungsgebers ist für die Festsetzung des Schulgeldes sowie für den Entscheid über die Erhebung oder Übernahme eines solchen die Gemeinde bzw. der Gemeinderat oder das Departement Bildung, Kultur und Sport (BKS) zuständig. Die gesetzliche Grundlage für die Zuständigkeit des BKS im Fall der Un- einigkeit bildet § 86 SchulG. Gemäss § 6 Abs. 2 Schulgeldverord- nung hat das BKS erstinstanzlich über die Tragung des Schulgeldes oder über dessen Höhe zu entscheiden, sofern sich die Beteiligten nicht einigen können. d) aa) Die Bestimmungen im Schulgesetz und in der Schulgeld- verordnung äussern sich nicht explizit dazu, welcher Gemeinde (Wohn- oder Schulgemeinde) die Verfügungskompetenz zusteht und 2004 Verwaltungsgericht 112 welche den Entscheid über die Erhebung oder Übernahme eines Schulgeldes zu fällen hat. Beim Schulgeld handelt es sich indessen naturgemäss um einen Anspruch der Schulgemeinde zur Deckung der ihr durch den Schulbesuch eines Schülers einer anderen Gemein- de entstehenden Kosten (§ 6 Abs. 2 und § 53 Abs. 4 SchulG sowie § 1 ff. Schulgeldverordnung), so dass die mit der Teilrevision des Schulgesetzes eingeräumte Verfügungskompetenz der Schulge- meinde zusteht. Nur die Verfügungskompetenz der Schulgemeinde kann sich auf die gesetzliche Grundlage in § 6 Abs. 2 SchulG stüt- zen. Der Wohn- bzw. Aufenthaltsgemeinde steht diese Kompetenz nicht zu. bb) Gemäss § 6 Abs. 2 der Schulgeldverordnung steht die Ver- fügungskompetenz der Schulgemeinde unter dem Vorbehalt, dass zwischen sämtlichen Beteiligten, das heisst den Eltern, der Schulge- meinde sowie der Wohngemeinde, bezüglich Übernahme und Höhe des Schulgeldes Einigkeit besteht. Im Falle der Uneinigkeit ent- scheidet das BKS erstinstanzlich. Diese Regelung hat ihre allge- meine Grundlage in der verfassungsrechtlichen Selbstständigkeit der Gemeinden als Träger der Volksschulen (§ 29 und § 106 KV; vgl. auch §§ 53 ff. SchulG) und mit Bezug auf die Festlegung des Schulgeldes in § 52 Abs. 4 SchulG, wonach bei Uneinigkeit der Gemeinden über die Höhe des Schulgeldes der Regierungsrat dieses festlegt. Eine verwaltungsrechtliche Rechtsbeziehung zwischen den Gemeinden besteht in diesem Bereich nicht, weshalb keine Gemeinde (Schul-) gegenüber einer andern Gemeinde (Wohn-) eine rechtsgestaltende oder feststellende Verfügung ohne deren Einver- ständnis erlassen kann. Weniger einleuchtend ist, dass nach dem unverändert gebliebenen Wortlaut der Verordnung das Verfü- gungsrecht der Schulgemeinde auch in jenen Fällen nicht zur Anwendung kommt, wo nur gegenüber den Eltern - nicht aber im Verhältnis zur Wohngemeinde - die Schulgeldfrage, insbesondere hinsichtlich deren Höhe, umstritten ist. Die Verfügungskompetenz der Schulgemeinde wird damit praktisch auf die nicht streitigen Fälle eingeschränkt, wo allenfalls für die Vollstreckung der Schul- geldforderung eine Verfügung zu erlassen ist. Doch selbst wenn es zutreffen sollte, dass dem Gesetzgeber eine weitergehende 2004 Schulrecht 113 Verfügungskompetenz der Schulgemeinde vorschwebte, die im Wortlaut des revidierten § 6 Abs. 2 SchulG keinen klaren Ausdruck fand, stehen einem Abweichen vom eindeutigen Wortlaut der Verordnung gewichtige Gründe entgegen. Einerseits sind in § 6 Abs. 1 und Abs. 2 Schulgeldverordnung Bestimmungen über die funktionale und sachliche Zuständigkeit enthalten, die im Interesse der Rechtsuchenden nicht ohne zwingende Gründe - die hier fehlen - abweichend vom Wortlaut ausgelegt werden sollten. Andererseits stellt diese Regelung für die Praxis sicher, dass über den Anspruch auf unentgeltlichen Schulunterricht in jedem Fall (auch wenn nur die Höhe umstritten ist) entschieden wird, und schliesslich spricht die Praktikabilität für ein möglichst einheitliches Verfahren in allen strei- tigen Schulgeldfällen. Die alleinige Zuständigkeit des BKS in stritti- gen Schulgeldfragen ermöglicht sodann auch eine einheitliche Praxis. Festzuhalten ist somit, dass der Vorbehalt der Einigung nicht nur für den Fall von Differenzen zwischen Schul- und Wohnorts- bzw. Aufenthaltsgemeinde gilt, sondern auch wenn sich eine der be- teiligten Gemeinden und die Eltern nicht einig sind. Das Verfahren vor dem BKS gewährleistet, dass alle relevanten Fragen (Unentgelt- lichkeit, Höhe des Schulgeldes) in einem Verfahren mit Beteiligung aller Betroffenen beurteilt werden. cc) Für die praktische Handhabung ergeben sich aus dieser Re- gelung unterschiedliche Verfahrensvarianten je nach konkreter Aus- gangslage: Variante 1: Die Eltern, die Wohn- und Schulgemeinde sind sich über Über- nahme und Höhe des Schulgeldes im konkreten Einzelfall einig, so dass die Schulgemeinde gemäss § 6 Abs. 2 SchulG und § 6 Abs. 1 Schulgeldverordnung verfügen kann. Die Einigkeit zwischen allen Betroffenen ist Voraussetzung der Verfügung über das Schulgeld und von der Schulgemeinde von Amtes wegen festzustellen. Variante 2: Ist zwischen Eltern und Wohngemeinde die Übernahme (oder die Höhe) des Schulgeldes umstritten, sind die Akten von der Wohn- oder Schulgemeinde dem BKS zum Entscheid vorzulegen und dieses 2004 Verwaltungsgericht 114 entscheidet unter Beteiligung bzw. Mitwirkung der beiden Gemeinden und der Eltern am Verfahren erstinstanzlich. Variante 3: Zwischen Wohn- und Schulgemeinde ist die Übernahme oder die Höhe umstritten. Auch in diesem Fall hat das BKS erstinstanzlich zu entscheiden. Den Eltern ist grundsätzlich eine Beteiligung am Verfahren zu gewährleisten, kann allerdings auf eine fakultative Mitwirkung beschränkt sein, wo lediglich die Höhe des Schulgeldes streitig ist. Variante 4: Uneinigkeit besteht zwischen den Eltern und der Schulge- meinde in Bezug auf die Höhe des Schulgeldes. Auch in diesem Fall ist nur das BKS verfügungsberechtigt und die Wohngemeinde ist am Verfahren zu beteiligen. Für diese Beteiligung kann im Einzelfall eine Orientierung über das Verfahren mit der Möglichkeit einer Stellungnahme genügen. Hat die Schulgemeinde verfügt oder entschieden, ohne die Ei- nigkeit der Beteiligten festzustellen, fällt der Entscheid - vergleich- bar einer Einsprache - ohne weiteres dahin, wenn die Wohngemeinde oder die Eltern eine fehlende Einigung geltend machen. Die Sache ist dem erstinstanzlich zuständigen BKS zum Entscheid vorzulegen. dd) Zusammenfassend ist demgemäss festzuhalten, dass nur bei Einigkeit unter allen Betroffenen über die Festsetzung des Schulgel- des sowie über die Erhebung oder Übernahme eines solchen die Schulgemeinde verfügen kann. Eine Verfügung der Wohn- oder Auf- enthaltsgemeinde ist im Gesetz nicht vorgesehen, weshalb der Be- schluss des Gemeinderats S. vom 24. März 2003 mangels einer gesetzlichen Grundlage ungültig ist. Besteht keine Einigkeit, so hat das BKS erstinstanzlich zu entscheiden. Dabei hat es alle Betroffe- nen, soweit im konkreten Einzelfall erforderlich, am Verfahren zu beteiligen. Der Entscheid des BKS kann mit Beschwerde an den Regierungsrat angefochten werden (§ 87 SchulG und § 6 Abs. 2 Satz 2 Schulgeldverordnung). Da in der Schulgesetzgebung die Festsetzung und Auferlegung von Schulgeldern an die Eltern durch Verfügung der Schulgemeinde oder des BKS bzw. zulasten der Schul- oder Wohngemeinde durch 2004 Schulrecht 115 das BKS vorgesehen ist und diese Streitigkeiten der nachträglichen Verwaltungsgerichtsbarkeit unterliegen, ist das subsidiäre Klagever- fahren ausgeschlossen (Michael Merker, Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, Kommentar zu den §§ 38-72 VRPG, Diss. Zürich 1998, § 60 N 35). Das Klageverfahren kommt - entgegen der Auffassung des Regierungsrates - auch nicht für die Erhebung der Schulgelder von den Eltern durch die Schulgemeinde beim Besuch einer auswärtigen öffentlichen Schule zu Anwendung. 2. Die Ausgestaltung des Verfahrens vor der Schulgemeinde bzw. dem BKS führt zur Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts, je nachdem in welcher Konstellation die Auseinandersetzung über das Schulgeld stattfindet. a) § 52 Ziff. 1 VRPG ist eine weitgefasste Zuständigkeitsnorm für Beschwerden gegen Verwaltungsakte von Verwaltungsbehörden, die den Privaten zur Leistung von Geldzahlungen verpflichten, die ihre Rechtsgrundlage im kantonalen oder kommunalen öffentlichen Recht haben (Merker, a.a.O., § 52 N 11). Die Gebühr ist das Entgelt für eine bestimmte, von der abgabepflichtigen Person veranlasste Amtshandlung oder für die Benutzung einer öffentlichen Einrich- tung. Sie soll die Kosten, welche dem Gemeinwesen durch die Amtshandlung oder Einrichtung entstanden sind, decken (Ulrich Hä- felin/Georg Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Auflage, Zü- rich 2002, Rz. 2626). Beim Schulgeld handelt es sich um Gebühren im Sinne dieser Bestimmung. Das verwaltungsgerichtliche Be- schwerdeverfahren gemäss § 52 Ziff. 1 VRPG kommt demgemäss zur Anwendung, wenn sich die Eltern gegen die Auferlegung oder die Höhe des Schulgeldes wehren und der Instanzenzug durchlaufen ist. b) Voraussetzung für die sachliche Zuständigkeit des Verwal- tungsgerichts im Beschwerdeverfahren aufgrund § 52 Ziff. 4 VRPG ist das Vorliegen einer Streitigkeit zwischen zwei juristischen Perso- nen des öffentlichen Rechts über die im öffentlichen Recht begrün- dete Kostenverteilung, sofern darüber kein verwaltungsrechtlicher Vertrag abgeschlossen wurde (Merker, a.a.O., § 52 N 51). Demge- mäss steht den beteiligten Gemeinden (Schul- und Wohngemeinde) 2004 Verwaltungsgericht 116 bei Uneinigkeit über die Tragung oder die Höhe des Schulgeldes und unter Beachtung des Instanzenzuges die Verwaltungsgerichtsbe- schwerde gemäss § 52 Ziff. 4 VRPG offen.
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2002 Abgaben 163 V. Abgaben 44 Kanalisationsanschlussgebühr bei Ersatzbauten. Wirtschaftlicher Son- dervorteil. - Inzidente (akzessorische) Normenkontrolle (Erw. 2/c). - Die Abgabenerhebung bei Ersatzbauten (Abbruch und Neubau am gleichen Ort) darf nicht gleich wie bei Neubauten erfolgen. Vielmehr sind Ersatzbauten weitgehend mit Um- und Erweiterungsbauten ver- gleichbar (Erw. 3, 4). - Welche Regelung bei Ersatzbauten zulässig ist, hängt auch von den zur Anwendung gelangenden Bemessungskriterien ab (Erw. 5). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 28. November 2002 in Sachen A. AG gegen Entscheid des Baudepartements. Sachverhalt Die A. AG erstellte eine Industriehalle, die eine zuvor abgeris- sene, am gleichen Ort stehende ähnliche Halle ersetzte. Der Stadtrat setzte mittels Verfügung die zu entrichtende Kanalisationsan- schlussgebühr fest, wobei er sich reglementskonform nach der Be- messung der Abgabe für Neubauten richtete. Die A. AG machte geltend, die Kanalisationsanschlussgebühr sei gleich wie bei Um- und Erweiterungsbauten zu berechnen. Aus den Erwägungen 2. a) Das Abwasserreglement der Stadt Baden (AR) vom 17. Oktober 1989 enthält u.a. die folgenden Bestimmungen: " § 37 Arten der Abgaben 2002 Verwaltungsgericht 164 1 Folgende Abgaben werden erhoben: a) einmalige Anschlussgebühren; b)jährlich wiederkehrende Benützungsgebühren; c) einmalige besondere Baubeiträge. 2 (...) § 38 Bemessungen Für den Anschluss an die öffentlichen Abwasseranlagen erhebt die Gemeinde folgende Anschlussgebühr: a) Fr. 40.-- pro m2 Gebäudegrundfläche und der übrigen, in die Kanalisation entwässerten Hartflächen; b) 1,3 % des Brandversicherungswertes mit gesetzlichen Zusatz- versicherungen. § 40 Um- und Erweiterungsbauten 1 Bei Um- und Erweiterungsbauten wird eine Anschlussgebühr nach Massgabe der Vergrösserung der Gebäudegrundfläche und der Hartflächen sowie der durch den baulichen Mehrwert be- dingten Erhöhung des Brandversicherungswertes erhoben. 2 Für nachträgliche Investitionen, durch die kein zusätzlicher Abwasseranfall entsteht, werden keine Anschlussgebühren erho- ben. 3 Bei der Reduktion der Gebäudegrundflächen oder der Hartflä- chen werden die gemäss § 38 lit. a entrichteten Gebühren zu- rückerstattet. § 43 Ersatzbauten Wird ein bereits angeschlossenes Gebäude abgebrochen und an dessen Stelle ein Neubau errichtet, so ist die volle Anschlussgebühr gemäss § 38 zu entrichten." b) Die Beschwerdeführerin stellt sich auf den Standpunkt, § 43 AR verstosse gegen übergeordnetes Recht und sei damit nicht an- wendbar. c) Nach § 2 Abs. 2 VRPG sind die Erlasse der Gemeinden, öf- fentlich-rechtlichen Körperschaften und Anstalten für die Behörden 2002 Abgaben 165 nur insoweit verbindlich, als sie dem eidgenössischen und kantona- len Recht entsprechen. Mit dieser Bestimmung wird die Verpflich- tung der kantonalen (und Gemeinde-) Behörden statuiert, Gemeinde- erlasse im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens inzident zu überprü- fen (AGVE 1987, S. 348; Carl Hans Brunschwiler, Inzidente und prinzipale Normenkontrolle nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, in: Aargauische Rechtspflege im Gang der Zeit, Aarau 1969, S. 398 f., 401 f.). Die inzidente Normenkontrolle besteht in der vorfrageweisen Überprüfung eines anzuwendenden generellen Rechtsatzes unterer Stufe im Zusammenhang mit einem konkreten Rechtsanwendungsakt auf die Übereinstimmung mit Normen höherer Stufe (AGVE 1996, S. 165; Ulrich Häfelin/Walter Haller, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, Zürich 2001, 5. Auflage, Rz. 2070 f.; Brunschwiler, a.a.O., S. 391). Widerspricht die geprüfte Bestimmung einer massgeblichen höheren Norm, so wird sie nicht aufgehoben, sondern es ist ihr im konkreten Einzelfall die Anwen- dung zu versagen (§ 95 Abs. 2 KV). 3. Die nach § 38 ff. AR geforderten Anschlussgebühren gehören zu den sogenannten Kausalabgaben (vgl. dazu Ulrich Häfelin/Georg Müller, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 4. Auflage, Zürich 2002, Rz. 2625 ff.). Bei der Kanalisationsanschlussgebühr des aargauischen Rechts handelt es sich rechtstechnisch nicht um eine Gebühr im eigentlichen Sinne, verstanden als Entgelt für die Inan- spruchnahme der Verwaltung bzw. die Benützung einer öffentlichen Einrichtung, sondern um eine sogenannte Vorzugslast, auch Beitrag genannt (die Bezeichnung wird im Folgenden trotzdem beibehalten). Diejenige Person, welcher aus einer staatlichen Leistung ein beson- derer, wirtschaftlicher Vorteil erwächst, darf dafür auch besonders belastet werden. Der wirtschaftliche Sondervorteil der Kanalisations- anschlussgebühr liegt darin, dass es dem Abgabepflichtigen erspart bleibt, die gesetzlich vorgeschriebene Entwässerung seiner Liegen- schaft selber ordnungsgemäss ausführen zu müssen. Das Gemeinwe- sen nimmt ihm diese Aufgabe ab und schafft damit eine der für die Überbauung notwendigen Voraussetzungen (AGVE 1984, S. 271; VGE II/120 vom 18. Dezember 1990 in Sachen C. AG, S. 6 f.; vgl. auch § 34 Abs. 2 BauG in der Fassung vom 31. August 1999). 2002 Verwaltungsgericht 166 4. Zu prüfen ist, ob § 43 AR dem Gebot der Rechtsgleichheit bzw. Willkürfreiheit in der Rechtsetzung standhält. a) Das in Art. 8 BV bzw. Art. 4 aBV enthaltene Rechtsgleich- heitsgebot (vgl. auch § 10 KV) gilt in der Schweiz seit jeher un- bestritten für Rechtsetzung und Rechtsanwendung (Georg Müller, in: Kommentar zur Bundesverfassung [Kommentar BV], Art. 4 N 30 [Stand Mai 1995]; Arthur Haefliger, Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich, Bern 1985, S. 60 f.; Häfelin/Haller, a.a.O., Rz. 747 ff.). Ein Erlass verletzt den Grundsatz der Rechtsgleichheit, wenn er rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein sachlicher und ver- nünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder Unterscheidungen unterlässt, die sich auf Grund der Ver- hältnisse aufdrängen. Die Rechtsgleichheit ist verletzt, wenn Glei- ches nicht nach Massgabe seiner Gleichheit gleich oder Ungleiches nicht nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird; vorausgesetzt ist, dass sich der unbegründete Unterschied oder die unbegründete Gleichstellung auf eine wesentliche Tatsache bezieht. Die Frage, ob für eine rechtliche Unterscheidung ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen ersichtlich ist, kann zu ver- schiedenen Zeiten je nach den herrschenden Anschauungen und Zeitverhältnissen verschieden beantwortet werden. Dem Gesetzge- ber, auf Grund der Gemeindeautonomie insbesondere auch dem kommunalen (erwähnter VGE vom 18. Dezember 1990, S. 7 mit Hinweis), bleibt unter Beachtung dieser Grundsätze und des Will- kürverbots (Art. 9 BV; zuvor durch die Rechtsprechung aus Art. 4 Abs. 1 aBV abgeleitet) ein weiter Spielraum der Gestaltungsfreiheit (BGE 124 II 213; 121 I 104, 118 IV 195; AGVE 2000, S. 98; Müller, Kommentar BV, Art. 4 N 32; Häfelin/Haller, a.a.O., Rz. 762 f.). Gemäss aktueller bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist zwischen Gleichbehandlungsgebot und Willkürverbot wie folgt zu unterschei- den (BGE 127 I 192): "Das Rechtsgleichheitsgebot (Art. 8 BV, Art. 4 aBV) und das eng mit diesem verbundene Willkürverbot (Art. 9 BV) gelten auch gegenüber den gesetzgeberischen Erlassen. Ein Erlass verstösst gegen das Willkürverbot, wenn er sich nicht auf ernsthafte sachliche Gründe stützen lässt oder sinn- und zwecklos ist; er verletzt das Gebot der 2002 Abgaben 167 Rechtsgleichheit, wenn er rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht er- sichtlich ist, oder Unterscheidungen unterlässt, die sich aufgrund der Verhältnisse aufdrängen. Die Rechtsgleichheit ist insbesondere ver- letzt, wenn Gleiches nicht nach Massgabe seiner Gleichheit gleich oder Ungleiches nicht nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird (BGE 110 Ia 7 E. 2b S. 13 f. mit Hinweisen; BGE 125 I 1 E. 2b/aa S. 4, 125 V 221 E. 3b S. 224, 124 I 297 E. 3b)." b) aa) § 38 Abs. 1 AR stellt für die Bemessung der Kanalisati- onsanschlussgebühr auf die Gebäudegrundfläche und die übrigen, in die Kanalisation entwässerten Hartflächen (lit. a) sowie auf den Brandversicherungswert (lit. b) ab. In konsequenter Fortführung die- ser Regelung wird bei Um- oder Erweiterungsbauten die Anschluss- gebühr nach Massgabe der Vergrösserung der Hartflächen sowie der durch die baulichen Massnahmen bedingten Erhöhung des Brandver- sicherungswertes erhoben (§ 40 Abs. 1 AR). In Abweichung zu die- ser Regelung stellt § 43 AR bei Ersatzbauten nicht auf die Verände- rung der genannten Bemessungsfaktoren ab, sondern bemisst die Gebühr wie bei einer Neubaute, ohne vorbestehende Werte und all- fällig früher bezahlte Anschlussgebühren zu berücksichtigen. bb) Der für den bauenden Grundstückeigentümer in der Mög- lichkeit des Anschlusses an die Kanalisation liegende Sondervorteil bleibt im Wesentlichen gleich, ob er nun ein bestehendes Gebäude baulich abändert oder nach einem Abbruch eine neue Baute erstellt. Dies spricht von vornherein für das Vorliegen zweier vergleichbarer Sachverhalte. cc) Anschlussgebühren sind immer nur im Zusammenhang mit den auf einem Grundstück errichteten Bauten geschuldet (vgl. den Wortlaut von § 12 und 15 AR sowie AGVE 1994, S. 263). Dies könnte den Schluss nahe legen, dass es sich bei den Abgabetatbe- ständen der Um- bzw. Erweiterungsbauten einerseits und der Ersatz- bauten andererseits um zwei verschiedene Sachverhalte handelt, da bei Letzteren die noch vorhandene Bausubstanz nicht nur verändert, sondern vollständig beseitigt wird. Diese tatsächliche Verschieden- heit ist jedoch nur vordergründig. Wie die Beschwerdeführerin zu- treffend ausführt, hat die Beurteilung unter Bezugnahme auf die 2002 Verwaltungsgericht 168 gewählten Bemessungskriterien zu erfolgen. Soweit das AR in Be- rücksichtigung von § 15 Abs. 1 des EGGSchG (aufgehoben per 1. Januar 2000 durch § 166 lit. h BauG) verursachergerecht auch auf das Bemessungskriterium der entwässerten Hartflächen abstellt, spielt es keine Rolle, ob es sich um einen Um- oder Erweiterungsbau oder einen Totalabbruch mit anschliessendem Ersatzbau handelt; soweit Hartflächen schon vorher bestanden, entsteht kein zusätzlich abzugeltender Vorteil, die neu geschaffenen Hartflächen aber recht- fertigen eine zusätzliche Abgabe, gleichgültig auf welche Weise sie entstanden. Dies gilt beim vorliegenden Sachverhalt um so mehr, als es sich beim neuen Bau um ein ähnlich genutztes Gebäude handelt wie bei der ursprünglichen Halle. dd) Dass die unterschiedliche Behandlung zu stossenden Er- gebnissen führen kann, zeigt sich etwa bei der Auskernung von Ge- bäuden, wobei lediglich die Gebäudehülle stehen gelassen wird, während das Innere eine vollständige Erneuerung erfährt. Bei der letzteren Variante wäre der Beitrag lediglich nach Massgabe des baulichen Mehrwerts und der vergrösserten Hartflächen geschuldet (§ 40 AR), während für den Ersatzbau nach Abbruch die volle An- schlussgebühr zu leisten wäre (§ 43 i.V.m. § 38 AR). ee) Dem von den Beteiligten vorgebrachte Aspekt der Lebens- erwartung von Gebäuden bzw. Kanalisationsanlagen kann nur be- schränkte Bedeutung zukommen. Ein Abwasserreglement hat vor- aussehbar eine erheblich kürzere Geltungsdauer als Gebäude oder Kanalisationsanlagen. Eine Argumentation mit Sachverhalten, die sich zum allergrössten Teil während der Geltung von Vorgänger- oder Nachfolgerreglementen verwirklicht haben (Errichtung der ursprünglichen Baute) oder verwirklichen werden (Abbruch und Neubau), erscheint nicht unproblematisch. Tatsächlich macht das AR die Höhe der zu leistenden Beiträge nicht von der Lebenserwartung der Gebäude abhängig, sonst dürfte auf Gebäuden mit kürzerer Lebensdauer von Anfang an nur eine geringere Anschlussgebühr erhoben werden. Ebenso wenig ist eine Bezugnahme auf die Lebens- dauer der Kanalisationsanlagen zu erkennen; ohnehin müssten in diesem Fall alle Bauten, gleichgültig ob alt oder neu, mit einer neuen Anschlussgebühr belastet werden. 2002 Abgaben 169 Die Tatsache der zwar beschränkten, aber in der Regel doch sehr langen Bestandesdauer von Gebäuden mag eine ausreichende sachliche Begründung für eine Lösung abgeben, nach der bei einem Ersatzbau die Abrechnung auf den aktuellen Stand gebracht wird, indem die volle Anschlussgebühr berechnet wird und davon alle bereits entrichteten (oder - angesichts der praktischen Schwierigkei- ten bei der Ermittlung der früheren Zahlungen - die nach bisherigem Recht geschuldeten) Gebühren abgezogen werden. Unter dem Ge- sichtspunkt der Gleichbehandlung müsste indessen die gleiche Rege- lung wohl auch für umfassende Um- und Erweiterungsbauten vorge- sehen werden. ff) Nach Auffassung der Stadt Baden ist die Differenzierung zwischen Um- oder Erweiterungsbauten einerseits und einem Total- abbruch mit anschliessendem Ersatzbau andererseits gerechtfertigt, weil sonst die Finanzierung der Abwasserbeseitigung gefährdet wäre. Dieses Argument vermag nicht zu überzeugen. Die Finanzierung künftiger Investitionen ist auf jeden Fall möglich (Art. 60a GSchG; § 34 Abs. 2 BauG) und kann durch die Erhebung von wieder- kehrenden Benützungsgebühren (§ 45 AR; § 28, 40 f. nAR) und die durch Beitragsplan einmalig festzusetzenden Erschliessungsbeiträge für den Bau von Abwasseranlagen (§ 36 ff. nAR; vgl. auch schon § 48 ff. AR) erfolgen. gg) Dass die Regelung des AR auf der Baufreiheit der Grundei- gentümer basiere, wie die Stadt Baden geltend macht, und der Ab- bruch auch tatsächlich freiwillig erfolgte, kann kein relevantes Un- terscheidungsmerkmal sein (vgl. allerdings Solothurnische Ge- richtspraxis [SOG] 1993, S. 127 f., wo im Wesentlichen mit dieser Begründung auf eine volle Anschlussgebühr bei Ersatzbauten er- kannt wurde). Die Freiwilligkeit des Abbruchs beeinflusst den dem Eigentümer zukommenden Vorteil des Kanalisationsanschlusses in keiner Weise. Im Übrigen ist nicht jeder Abbruch von Gebäuden freiwilliger Natur (vgl. etwa § 70 Abs. 2 BauG). c) Die im AR vorgenommene Differenzierung zwischen Er- satzbauten einerseits und Um- bzw. Erweiterungsbauten andererseits stützt sich nach dem Gesagten nicht auf vernünftige Gründe in den 2002 Verwaltungsgericht 170 zu regelnden Verhältnissen und verstösst damit gegen das Rechts- gleichheitsgebot. d) Die vorangehenden Erwägungen veranschaulichen aber auch unter dem mit dem Rechtsgleichheitsgebot eng verbundenen Ge- sichtspunkt des Willkürverbots, dass die kritisierte Regelung sicher mit Bezug auf das Bemessungskriterium "Hartflächen" falsch ange- setzt ist. Die zu entwässernden Flächen werden sich durch den Er- satzbau in der Regel nicht erheblich verändern und diejenigen Flä- chen, für deren Anschlussmöglichkeit bereits vorgängig eine Abgabe geleistet wurde, werden doppelt erfasst. Dies ist gerade in städtischen Gebieten mit grosser Baudichte und entsprechend grossem Anteil von Hartflächen von Bedeutung. 5. Welche Regelung der Anschlussgebühren bei Ersatzbauten zulässig erscheint, hängt nach dem zuvor Gesagten wesentlich von den Bemessungskriterien für die Anschlussgebühr ab. Von vornher- ein unproblematisch erscheint die Abgabenerhebung nach Massgabe der Veränderung bei diesen Kriterien. Weil die Bemessungskriterien ihrerseits sachlich begründet sein müssen, ist dagegen kaum vorstell- bar, dass die Erhebung der vollen Anschlussgebühr bei Ersatzbauten, wie sie in § 43 AR vorgesehen ist, überhaupt Bestand haben kann. Doch lässt sich dies angesichts der erheblichen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (vorne Erw. 4/a) nicht im Voraus und für alle Fälle verbindlich feststellen. 6. a) Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der kommunale Gesetzgeber seine Gestaltungsfreiheit überschritten hat. § 43 AR verstösst gegen höherrangiges Recht, ihm ist die Anwen- dung zu versagen. Die Beschwerde ist damit gutzuheissen, der ange- fochtene Entscheid sowie die Verfügung des Stadtrats Baden aufzu- heben und die Sache an den Stadtrat Baden zurückzuweisen. (Hinweis: Gegen diesen Entscheid wurde staatsrechtliche Be- schwerde erhoben.)
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2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 106 [...] 20 Steuerrecht - Anfechtung von Rückweisungsentscheiden mit Erwägungen mit Dis- positivcharakter (Änderung der Rechtsprechung). § 198 StG ist so auszulegen, dass die Beschwerde ans Verwaltungsgericht gegen Rückweisungsentscheide nur unter den restriktiven Bedingungen des Art. 93 Abs. 1 BGG zulässig ist (Erw. I/2.) - Qualifikation von Fahrzeugumbaukosten als Geschäftsvermögen (Erw. II/1.5.) - Eine nachträgliche Kostenbeteiligung von Dritten an Geschäftsakti- ven ist als ausserordentlicher Ertrag zu erfassen (Erw. II/2.3.) Urteil des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 24. Oktober 2013 in Sa- chen X. (WBE.2013.35). Sachverhalt 1. X. ist Tetraplegiker und selbstständig erwerbend. X. ersetzte seinen behindertengerecht umgebauten Personenwagen durch einen neuen Personenwagen (Kaufpreis: Fr. 56'100.00), welchen er behin- dertengerecht umbauen liess. Die Kosten für diesen Umbau beliefen sich auf Fr. 136'322.45. 2013 Kantonale Steuern 107 2. In der Buchhaltung seiner selbstständigen Erwerbstätigkeit akti- vierte X. Fr. 56'100.00 und Fr. 136'322.45. In der Erfolgsrechnung nahm er Abschreibungen von Fr. 19'532.45 (auf dem Fahrzeug: Fr. 5'610.00 und auf den Umbaukosten: Fr. 13'922.45) vor. Die Sozialversicherungsanstalt des Kantons Aargau (SVA) hatte im Urteilszeitpunkt noch nicht darüber eintschieden, in welchem Umfang sie sich an den Kosten des Umbaus beteiligen wird. Aus den Erwägungen I. 1. (...) 2. 2.1. Die Vorinstanz entschied, dass ihre Erwägungen zum teilweisen Nichteintreten auf den Rekurs, zur Berücksichtigung der Kosten des behindertengerechten Umbaus des Fahrzeugs und zur Qualifikation des Fahrzeugs (ohne Umbaukosten) als Geschäftsvermögen "Dispo- sitivcharakter" hätten. Bei einem allfälligen erneuten Rekurs nach dem neuen Einspracheentscheid werde das Steuerrekursgericht (re- daktionelle Anmerkung: heutige Bezeichnung: Spezialverwaltungs- gericht, Abt. Steuern) nicht darauf zurückkommen können. Ent- sprechend sei bereits gegen den vorliegenden Entscheid Beschwerde ans Verwaltungsgericht zu erheben, falls eine Partei diese Erwägun- gen anfechten wolle. (...) 2.2. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts - worauf sich die Vorinstanz stützte - sind Rückweisungsentscheide des Spezialverwaltungsgerichts, Abt. Steuern, bezüglich der definitiv entschiedenen Punkte sofort anzufechten, andernfalls das Dispositiv und die tragenden Erwägungen insoweit verbindlich werden (AGVE 1975, S. 177 f.). 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 108 Diese Praxis wurde im Wesentlichen mit dem Argument der Prozessökonomie und -beschleunigung begründet. Da die Selbstbin- dung der rückweisenden Instanz zu bejahen sei, werde durch den Rückweisungsentscheid das Verfahren in Bezug auf die in den Erwä- gungen festgelegten Punkte endgültig erledigt. Sei der Betroffene, z.B. der Steuerpflichtige, mit den massgeblichen Erwägungen nicht einverstanden, so habe er im Anschluss daran Beschwerde zu führen. Andernfalls hätten die zwei folgenden Verfahrensstufen, nämlich der neue Entscheid der ersten Instanz und der darauf folgende Beschwer- deentscheid der rückweisenden Instanz, einzig die Funktion, die Be- schwerdeführung gegen die massgeblichen Erwägungen im Rück- weisungsentscheid zu ermöglichen; im Übrigen wären sie, da sie auf jenen Erwägungen basierten, nutzlos, sobald diese im weiteren Be- schwerdeverfahren (vor dritter Instanz) mit Erfolg angegriffen würden. Diese völlig unnötigen Komplikationen würden sich ohne Weiteres vermeiden lassen, indem die Beschwerdeführung bezüglich der Erwägungen mit "Dispositivcharakter" nur direkt im Anschluss an den Rückweisungsentscheid ermöglicht werde. Zur Begründung dieser Praxis berief sich das Verwaltungsge- richt des Weiteren auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung: Ge- mäss dieser gelte der Rückweisungsentscheid einer erstinstanzlichen kantonalen Behörde in Bezug auf die Erwägungen mit "Dispo- sitivcharakter" als Endverfügung und demgemäss sei die Verwal- tungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht zulässig (ASA 43, S. 50 f.). Daraus sei zu schliessen, dass insoweit die Verwaltungsge- richtsbeschwerde gegen einen allfälligen zweiten Entscheid der Rückweisungsinstanz nicht mehr gegeben wäre. Allerdings müsse einem Betroffenen klargemacht werden, dass die Erwägungen mit "Dispositivcharakter" im unmittelbaren Anschluss an den ergangenen Entscheid anzufechten seien; ansonsten sie in Rechtskraft erwachsen würden (AGVE 1975, S. 178, mit Hinweisen). 2.3. Die geschilderte Praxis steht seit dem Inkrafttreten des BGG am 1. Januar 2007 nicht mehr in Übereinstimmung mit der bundes- gerichtlichen Rechtsprechung. Danach gelten Rückweisungsent- scheide grundsätzlich als Zwischenentscheide gemäss Art. 93 BGG, 2013 Kantonale Steuern 109 weil sie das Verfahren nicht abschliessen (BGE 138 I 143, Erw. 1.2, mit Hinweisen). Anders verhält es sich bloss, wenn der unteren In- stanz, an welche die Sache zurückgewiesen wird, kein Entschei- dungsspielraum mehr bleibt und die Rückweisung bloss der (rechne- rischen) Umsetzung des oberinstanzlich Angeordneten dient; dies- falls liegt ein Endentscheid vor (Urteil des Bundesgerichts vom 13. September 2012 [2C_847/2012], Erw. 2.1, mit Hinweisen; F ELIX U HLMANN , in: Marcel A LEXANDER N IGGLI /P ETER U EBERSAX /H ANS W IPRÄCHTIGER , [Hrsg.] Bundesgerichtsgesetz; Basler Kommentar, 2. Aufl., Basel 2012, Art. 90 N 9; A LFRED K ÖLZ /I SABELLE H ÄNER / M ARTIN B ERTSCHI , Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechts- pflege des Bundes, 3. Aufl., Zürich 2013, Rz 1157 S. 404). Abgese- hen von den Fällen von Art. 92 BGG (Vor- und Zwischenentscheide über die Zuständigkeit und den Ausstand) ist die öffentlichrechtliche Beschwerde gegen einen Zwischenentscheid gemäss Art. 93 Abs. 1 BGG nur dann zulässig, wenn dieser einen nicht wieder gutzu- machenden Nachteil bewirken kann (lit. a) oder wenn die Gutheis- sung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weit- läufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b). 2.3.1. Für die bisherige kantonale Praxis bedeutet dies, dass der damit verfolgte Zweck - Erhöhung der Prozessökonomie und Prozessbe- schleunigung, indem Fragen, über die das Spezialverwaltungsgericht, Abt. Steuern, in einem Rückweisungsentscheid mit Dispositivcharak- ter entschieden hat, möglichst rasch einer definitiven Klärung zuge- führt werden können - nicht mehr erreichbar ist: Eine direkte An- fechtung des Urteils des Verwaltungsgerichts, sofern es den vor- instanzlichen Rückweisungsentscheid schützt, beim Bundesgericht ist als Folge der Qualifizierung des Entscheids als Zwischen- entscheid gemäss Art. 93 BGG nur unter den dort (Art. 93 Abs. 1 lit. a und b BGG) genannten einschränkenden Bedingungen möglich. Insbesondere betrachtet dabei das Bundesgericht den Umstand, dass die Vorinstanzen in einem zweiten Umgang auf ihre Rechtsauffas- sung nicht mehr zurückkommen und die Beschwerde erneut abwei- sen (oder allenfalls gar einen Nichteintretensentscheid fällen) wür- 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 110 den, nicht als einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 13. September 2012 [2C_847/2012], Erw. 2.2.2., mit Hinweisen). Zudem erachtet das Bundesgericht die Ausnahmeklausel von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG, wonach die Beschwerde gegen einen Zwischen- entscheid zulässig ist, wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde, nicht leichthin als erfüllt, sondern handhabt diese vielmehr restriktiv (Urteil des Bundesgerichts vom 13. Septem- ber 2012 [2C_847/2012], Erw. 2.2.2., mit Hinweisen). 2.3.2. Der mit der bisherigen Praxis verfolgte Zweck der Steigerung der Verfahrensökonomie und -beschleunigung lässt sich somit ange- sichts der veränderten bundesgesetzlichen Rechtslage nicht mehr erreichen. Damit aber nicht genug; die Beibehaltung der bisherigen Praxis würde sogar zu einer Erschwerung des Rechtsschutzes führen: Ein verwaltungsgerichtliches Urteil, mit dem ein Rückweisungsent- scheid des Spezialverwaltungsgerichts, Abt. Steuern, bestätigt wird, ist beim Bundesgericht nicht (mehr) anfechtbar. Ein definitiver Ent- scheid über Teilfragen im kantonalen Verfahren ist damit vor Erge- hen eines Endentscheids in der Sache ausgeschlossen. Ein Beschwer- deführer müsste demnach im Falle des Unterliegens vor Verwal- tungsgericht den Endentscheid abwarten und könnte erst diesen - nach erneutem Durchlaufen des kantonalen Instanzenzugs - mittels Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundes- gericht anfechten. Dieses Ergebnis lässt sich vermeiden, indem § 198 StG (i.V.m. § 54 Abs. 1 VRPG) im Lichte von Art. 93 Abs. 1 BGG so ausgelegt wird, dass die Beschwerde ans Verwaltungsgericht gegen Rückwei- sungsentscheide nur unter den restriktiven Bedingungen des nicht wiedergutzumachenden Nachteils sowie der sofortigen Herbeifüh- rung eines Endentscheids und damit der Ersparnis eines bedeutenden Aufwands an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren zulässig ist. Diese Lösung rechtfertigt sich im Übrigen vor dem Hin- tergrund des bundesrechtlich vorgeschriebenen bzw. ausdrücklich für 2013 Kantonale Steuern 111 zulässig erklärten Systems des zweistufigen innerkantonalen Rechts- schutzes im Recht der direkten Bundessteuer (vgl. Art. 140 und 145 DBG) und im Bereich des harmonisierten Steuerrechts (Art. 50 StHG). Dieses bundesgesetzlich vorgeschriebene bzw. ausdrücklich für zulässig erklärte innerkantonale Rechtsschutzsystem findet seine Fortsetzung in der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegen- heiten ans Bundesgericht, wie sie sowohl im DBG als im StHG als letzte Möglichkeit der Anfechtung von Entscheiden in Bundessteuer- sachen und für Streitigkeiten aus dem Bereich der harmonisierten Steuern vorgesehen ist (Art. 146 DBG; Art. 73 StHG). Es rechtfertigt sich daher, auch für das innerkantonale Rechtsmittelsystem die Anforderungen von Art. 93 Abs. 1 BGG zur Anwendung zu bringen. Jedenfalls für den Bereich des Rechts der direkten Bundessteuer und das harmonisierte Steuerrecht ist daher aus Gründen der Einheitlich- keit des Rechtsmittelzugs und mit Blick auf die Vermeidung unnöti- ger Verfahrensleerläufe in Änderung der bisherigen Praxis die An- fechtung von Rückweisungsentscheiden auch im kantonalen Rechts- mittelverfahren in Steuersachen in Zukunft nur unter den erschwer- ten Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 lit. a und b BGG zuzulassen (vgl. ebenso im Ergebnis: Urteil des Verwaltungsgerichts des Kan- tons Zürich vom 2. Februar 2011, publ. in StE 2011 B 96.21, Nr. 16). 2.4. 2.4.1.-2.4.2. (...) 2.4.3. (...) Die Beschwerdeführer und das KStA haben in der Folge dem Erlass eines Endentscheids durch das Verwaltungsgericht sowie der damit verbundenen Verkürzung des Instanzenzugs ausdrücklich zugestimmt und die Beschwerdeführer haben die für den Erlass eines Endentscheids erforderlichen Beweismittel eingereicht. Unter diesen Umständen rechtfertigt es sich nicht nur, auf die Beschwerde einzutreten, sondern - namentlich gestützt auf die zusätzlich einge- reichten Beweismittel - einen Endentscheid zu fällen. 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 112 II. 1. 1.1. Die Vorinstanz hielt fest, dass gemäss dem von der EStV erlassenen Kreisschreiben Nr. 11 "Abzug von Krankheits- und Un- fallkosten sowie von behinderungsbedingten Kosten" vom 31. Au- gust 2005 (KS Nr. 11) Kosten für die behinderungsbedingte Abän- derung eines Fahrzeugs abzugsfähig seien. Der behinderungs- bedingte Umbau des Fahrzeugs stehe in erster Linie im Zusammen- hang mit der Behinderung des Beschwerdeführers, obwohl er das Fahrzeug auch für die selbstständige Erwerbstätigkeit benötige. Es handle sich bei diesen Kosten um Privataufwand des Beschwerde- führers. Daher seien die Umbaukosten nicht aktivierungsfähig und die Abschreibung stelle nicht geschäftsmässig begründeten Aufwand dar. Steuerrechtlich sei ein Abzug der Umbaukosten als behinde- rungsbedingte Kosten gemäss § 40 lit. i bis StG zu beurteilen. 1.2.-1.4. (...) 1.5. In Bezug auf die Nutzung des Fahrzeugs gehen sowohl die Vorinstanz als auch die Beschwerdeführer übereinstimmend von ei- ner überwiegenden geschäftlichen Nutzung des Fahrzeugs aus. Des- sen Qualifikation als Geschäftsvermögen ist damit unbestritten. Um- stritten ist hingegen die Zuordnung des Umbaus des Fahrzeugs, wel- cher einerseits in einem direkten Zusammenhang mit der Behinde- rung und andererseits mit der selbstständigen Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers steht. In Anbetracht dessen, dass die Qualifika- tion des Fahrzeugs als Geschäftsvermögen nicht in Zweifel gezogen wird, dass alle Wirtschaftsgüter, die einer Unternehmung wirtschaft- lich zur Verfügung stehen und dieser über den Bilanzstichtag hinaus einen Nutzen abwerfen sowie als Objekte einzeln identifizierbar und bewertbar sind, aktivierungsfähig sind (vgl. dazu E RNST H ÖHN / R OBERT W ALDBURGER , Steuerrecht, Band II, 9. Aufl. 2002, § 46 N 57), dass die Aktivierung des Fahrzeugs selbst von der Vorinstanz nicht in Frage gestellt wird, dass der Umbau des Fahrzeugs der geschäftlichen Nutzung des Fahrzeugs dient und dass der Beschwer- deführer mit der Aktivierung des Fahrzeugs und der Umbaukosten in 2013 Kantonale Steuern 113 der Buchhaltung eine eindeutige Willenskundgebung in Bezug auf den Geschäftsvermögenscharakter getätigt hat, kann der Vorinstanz nicht gefolgt werden, dass die Umbaukosten des Fahrzeugs nicht aktivierungsfähig sind. (...) 2. 2.1.-2.2. (...) 2.3. (...) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer fällt ausser Be- tracht, die in der Geschäftsbuchhaltung aktivierten Umbaukosten, so- bald der Beitrag der SVA daran feststeht, einfach um diesen Betrag zu reduzieren. Auf diese Weise würde dem Umstand, dass der Bei- trag einen tatsächlichen Einkommenszufluss darstellt und dass tatsächlich schon auf den Anschaffungskosten ohne Berücksichti- gung des erst später zugeflossenen Beitrags der SVA (d.h. bei einer Ex-post-Betrachtung zu viel) abgeschrieben wurde, nicht Rechnung getragen. Es fällt aber auch ausser Betracht, die früheren Veranlagun- gen in Revision zu ziehen und das steuerbare Einkommen im Um- fang der sich im Nachhinein als zu hoch erweisenden Abschreibun- gen zu korrigieren, da der Umstand des erst in einer späteren Steuerperiode als jener der Anschaffung bzw. des Umbaus des Fahr- zeugs zugeflossenen Beitrags der SVA schon bei der Anschaffung zu- mindest abseh- und nur seinem Umfang nach noch nicht bestimmbar war (Fehlen einer neuen Tatsache gemäss § 201 Abs. 1 lit. a und b StG). Die Anerkennung der Aktivierung der gesamten Umbaukosten sowie der darauf getätigten Abschreibungen als geschäftsmässig be- gründete Kosten verlangt vielmehr, dass im Falle der (ganzen oder teilweisen) Übernahme der aktivierten Umbaukosten durch die SVA diese Kostenbeteiligung zwingend im Zeitpunkt der Auszahlung an den Beschwerdeführer in der Geschäftsbuchhaltung als ausserordent- licher Ertrag erfasst wird und damit entsprechend zu versteuern sein wird.
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AG_VG_001
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AG_VG_001_AGVE-2013-20_2013-10-02
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2017 Wahlen und Abstimmungen 201 VIII. Wahlen und Abstimmungen 38 Gemeindebeschwerde - Zulässigkeit der Teilnahme und Wortmeldung eines externen Exper- ten an einer Gemeindeversammlung - Abstimmungsprozedere (Korrekturmöglichkeit bei falscher Abstim- mungsfrage) Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 12. Januar 2017, i.S. Einwohnergemeinde S. gegen Departement Volkswirtschaft und Inneres (WBE.2016.418) Aus den Erwägungen 2. 2.1. Im Hinblick auf die Teilnahme und die Wortmeldung des exter- nen Projektleiters an der Gemeindeversammlung führt die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid zunächst aus, dass einer Teilnahme nicht stimmberechtigter Personen an einer Gemeindeversammlung grund- sätzlich nichts entgegenstehe, Gästen indessen keine Mitwirkungs- rechte zukämen. Insbesondere sei es Gästen nicht erlaubt, sich zu Sachgeschäften zu äussern. Ein Abweichen toleriere die Praxis nur in den Fällen, in denen Fachleute ein Projekt erläutern sollten. Es sei dem Gemeinderat gestattet, auswärtige Experten für die Präsentation eines Geschäfts und die Beantwortung allfälliger Fragen beizuziehen. Diese Fachleute dürften jedoch keine Voten für oder gegen eine Vor- lage abgeben und hätten bei ihren Ausführungen strikt neutral zu bleiben. Hier habe der externe Projektleiter - auf entsprechende Auf- forderung des Gemeindeammans hin - ein etwa 10-minütiges State- ment zur Rechtsformänderung abgegeben. Dabei habe er verschie- dene Aspekte der Umwandlung thematisiert. Eine direkte Empfeh- 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 202 lung zur Annahme habe er nicht abgegeben. Allerdings habe er eher die Chancen der Rechtsformänderung betont, auch wenn er die Nachteile nicht ganz verschwiegen habe. Insgesamt und auch auf- grund der Dauer seines Statements wirkten die Ausführungen des Projektleiters aber wie ein Votum zugunsten der Rechtsformände- rung. Er habe Aussagen zu Bereichen gemacht, die politisch zu be- werten seien, wie etwa die Entschädigung des Verwaltungsrats oder die Möglichkeit der Einflussnahme der Gemeindeversammlung auf die Tarifgestaltung im heutigen System. Damit gehe das Votum des Projektleiters über das von der Rechtsprechung Erlaubte hinaus. Es verletze das Gebot der Sachlichkeit und sei demzufolge als uner- laubte Einflussnahme auf die Willensbildung zu qualifizieren. 2.2. Die Beschwerdeführerin macht unter Bezugnahme auf die bun- desgerichtliche Rechtsprechung zu behördlichen Erläuterungen zu Abstimmungsvorlagen geltend, die Abstimmungsfreiheit sei nur dann verletzt, wenn ein vom Gemeinderat beigezogener Experte die Pflicht zur objektiven Information verletze. Genau das sei hier aber nicht der Fall. Der Experte habe auch gemäss der Vorinstanz keine Empfehlung zur Annahme der Vorlage abgegeben, er habe Vor- und Nachteile aufgezeigt. Dass sein Auftritt nicht übertrieben gewesen sei, gehe auch aus einem Vergleich der Redezeit des Experten im Verhältnis der ganzen Beratung des Traktandums hervor: Der externe Projektleiter habe während 10 Minuten gesprochen, während die Be- ratung zum Traktandum Rechtsformänderung 79 Minuten gedauert habe; er habe somit rund 1/8 der Zeit in Anspruch genommen, womit er sicher nicht in unangemessener Weise als Hauptvotant aufgetreten sei. Nicht haltbar sei auch der Vorwurf, der Experte habe das Gebot der Sachlichkeit verletzt. Alle Aussagen des Experten seien objektiv und enthielten keine falschen Informationen. Dies ergebe eine Ana- lyse der korrekt protokollierten Aussagen des Experten. Sein Votum könne daher nicht als Begründung für die Aufhebung des Beschlus- ses der Gemeindeversammlung herangezogen werden. 2.3. In ihrer Stellungnahme zur Beschwerde führt die Vorinstanz aus, die Aufgabe von vom Gemeinderat zur Versammlung eingelade- 2017 Wahlen und Abstimmungen 203 nen Fachleuten beschränke sich darauf, in der Phase der Präsentation eines Geschäfts Informationen zum besseren Verständnis des Ge- schäfts zu vermitteln. Später - in der Phase der Beratung - sollten sie zur Beantwortung von Fragen zur Verfügung stehen. Hingegen seien die Experten nicht dazu da, die Vorteile einer Vorlage herauszustrei- chen und den Teilnehmenden zu erklären, weshalb der Gemeinderat die Vorlage befürworte. Das sei und bleibe Aufgabe des Gemeinde- rats. Eine Grenze der Mitwirkung sei somit überschritten, wenn der Experte weder das Projekt erläutere und erkläre noch auf entspre- chende Fragen antworte. Sei das Projekt einmal erläutert und würden in der nachfolgenden Diskussion keine Fragen gestellt, sei eine wei- tere Mitwirkung von Experten unnötig. Weitere Voten von ihnen seien dann unzulässig. Hier habe keine Veranlassung für ein Expertenvotum bestanden. Gegen Mitte der Beratung seien verschie- dene, eher ablehnende Voten vorgebracht worden. Als Folge davon habe der Gemeindeammann als Versammlungsleiter den externen Projektleiter als Fachmann ans Mikrofon gebeten und aufgefordert, sich zur Vorlage zu äussern. Dementsprechend sei nicht verwunder- lich, dass dieses Votum in erster Linie als Verteidigungsrede zur Vor- lage ausgefallen sei. Der Fachmann habe dabei noch einmal die Vor- teile der Vorlage herausgestrichen und damit aktiv auf den Willensbildungsprozess der Stimmbürger Einfluss genommen. Die Problematik bei Äusserungen von Fachleuten bestehe schliesslich auch darin, dass ihnen naturgemäss eine höhere Glaubwürdigkeit zu- komme und dass ihnen eine Unparteilichkeit zugestanden werde, welche zumeist aber nicht bestehe, da sie letztlich auf Auftragsbasis vom Gemeinderat bezahlt würden. Es könne daher nicht ausgeschlossen werden, dass gerade dieses Votum des Experten für die Rechtsformänderung noch einige unschlüssige Personen dazu be- wogen habe, sich für die Vorlage zu entscheiden. 2.4. 2.4.1. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung ordnet die Problematik von Informationen an Gemeindeversammlungen durch Mitglieder der Gemeindeexekutive und/oder durch Experten, die vom Gemeinderat für die Behandlung von Geschäften, welche besondere 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 204 Fachkenntnisse erfordern, beigezogen wurden, in den allgemeinen Zusammenhang behördlicher Informationen bei Volksabstimmungen ein (vgl. etwa BGE 135 I 292 Erw. 4.2 mit Hinweisen; Urteil des Bundesgerichts vom 28. Mai 2014 [1C_149/2014] Erw. 4.2.). Das überzeugt, geht es doch auch bei der Information im Hinblick auf eine Gemeindeversammlung (schriftliche Einladung mit Erläuterun- gen der zu behandelnden Geschäfte) ebenso wie bei vom Gemeinde- rat und/oder einem von ihm beigezogenen Experten anlässlich der Gemeindeversammlung selbst erteilten Informationen darum, den zulässigen Inhalt und das Ausmass von Informationen zu beurteilen, welche behördenseitig an den Stimmbürger abgegeben werden. Inso- weit spielt es daher grundsätzlich keine Rolle, ob es um eine Urnenabstimmung oder um eine Abstimmung in offener Versamm- lung geht. 2.4.2. Für Gemeindeversammlungen gilt, dass Gemeindebehörden - gleich wie in Abstimmungserläuterungen vor Volksabstimmungen - Vorlagen erklären und zur Annahme empfehlen dürfen. Die Behör- den sind dabei zur Objektivität verpflichtet, sie dürfen Zweck und Tragweite einer Vorlage nicht falsch darstellen. Dem Erfordernis der Sachlichkeit genügen Informationen, wenn die Aussagen wohl abge- wogen sind und beachtliche Gründe dafür sprechen, wenn sie ein umfassendes Bild der Vorlage mit Vor- und Nachteilen abgeben und den Stimmberechtigten eine Beurteilung ermöglichen oder wenn sie trotz einer gewissen Überspitzung nicht unwahr und unsachlich bzw. lediglich ungenau und unvollständig sind. Das Gebot der Sachlich- keit verbietet, in den Erklärungen für den Entscheid der Stimmbürger wichtige Elemente zu unterdrücken oder Argumente von gegneri- schen Referendums- oder Initiativkomitees falsch wiederzugeben (BGE 135 I 292 Erw. 4.2.; Urteil des Bundesgerichts vom 28. Mai 2014 [1C_149/2014] Erw. 4.2.). 2.4.3. Für die hier zu beurteilende Angelegenheit bedeutet dies, dass der Gemeinderat befugt war, einen externen Experten für die Erläute- rung der Vorlage betreffend Rechtsformumwandlung der Techni- schen Betriebe S. hinzuzuziehen. Die Vorinstanz will jedoch 2017 Wahlen und Abstimmungen 205 hinsichtlich der zulässigen Interventionen von Experten an Gemeindeversammlungen enge Grenzen ziehen, indem sie es grund- sätzlich nur als zulässig ansieht, dass ein Experte in der Phase der Präsentation einer Vorlage für Informationen zum besseren Verständ- nis zur Verfügung steht. Später, in der Phase der Beratung sollen ex- terne Experten nur noch zur Beantwortung von Fragen zur Verfü- gung stehen. Sie sollen dagegen nicht die Vorteile einer Vorlage her- ausstreichen und den Versammlungsteilnehmenden erklären, weshalb der Gemeinderat eine Vorlage befürwortet. Das von der Vorinstanz verfolgte Anliegen ist verständlich und verdient Anerkennung. Eine unzulässige Beeinflussung der Meinungsbildung in der Gemeindeversammlung durch Personen, die an dieser nicht stimmberechtigt sind, muss verhindert werden. Es geht nicht an, dass dann, wenn bei der Diskussion über eine Vorlage in der Gemeindeversammlung die gegen die Vorlage des Gemeinde- rats gerichtete Meinung die Oberhand zu gewinnen droht, ein vom Gemeinderat zugezogener Experte (quasi als "deus ex machina") kraft seines Fachwissens und gegebenenfalls auch seiner Eloquenz Einfluss auf die Gemeindeversammlung nimmt und durch seine Intervention zugunsten einer Vorlage dafür sorgt, dass diese dann doch angenommen wird. Ein solches Vorgehen würde den Rahmen der zulässigen Behördeninformation im Hinblick auf die Meinungsbildung der Stimmbürger überschreiten. Wie gerade die hier zu beurteilende Angelegenheit zeigt, geht die Vorinstanz indes- sen in ihren Anforderungen, welche sie für die zulässige Intervention eines externen Experten an einer Gemeindeversammlung aufstellt, zu weit. Die Zulässigkeit von Expertenäusserungen auf die Phase der Präsentation einer Vorlage bzw. die Teilnahme von Experten an der anschliessenden Diskussion über eine Vorlage auf die strikte Beant- wortung von Fragen zu beschränken, ist nicht erforderlich, um eine unverfälschte Willensbildung in der Versammlung zu ermöglichen. Hier hat der Experte zwar an der Diskussion über die Vorlage teilgenommen. Seine Ausführungen waren aber weder vom zeitli- chen Umfang her noch vor allem inhaltlich von einem derartigen Ge- wicht, dass es die Meinungsbildung in der Versammlung verfälscht und insoweit das Stimmrecht der teilnehmenden Stimmbürger ver- 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 206 letzt hätte. Bei einer Gesamtlänge der Verhandlungen über das Trak- tandum 6 Rechtsformänderung der Technischen Betriebe S. von rund 70 Minuten (Zeit von der Vorstellung des Traktandums bis zum Be- ginn der Abstimmung über das Geschäft) nahmen die Ausführungen des externen Experten ca. 91⁄2 Minuten (d.h. etwas mehr als 13%) der gesamten Redezeit in Anspruch. Damit hatte das Votum des Ex- perten zwar durchaus Gewicht; weder bezogen auf die gesamte Dauer der Diskussion noch im Vergleich zu anderen Diskussions- äusserungen (es gab auch andere längere Voten, welche die Vorlage ablehnten) kam dem Expertenstatement damit indessen übergrosses Gewicht zu. Der Experte richtete auch nicht etwa einen flammenden Appell für die Annahme der Vorlage an die Versammlungsteil- nehmenden, sondern erläuterte diesen vielmehr verschiedene Vor- aber auch Nachteile der Vorlage. Er wies eingangs darauf hin, dass mit der Rechtsformänderung die sich am Markt bietenden Chancen für die Technischen Betriebe S. besser würden wahrgenommen wer- den können. Anschliessend hob er hervor, dass die Rechtsformände- rung nicht zu einer Kostensenkung führen werde. Auch seine weitere Aussage, dass Wasser- und Abwasserversorgung wegen des Versor- gungsauftrags der Gemeinde nicht in die Rechtsformänderung einbe- zogen würden, ist nicht zu beanstanden. Die Aussage, dass der Ge- meinderat die Aufsicht über das umgewandelte Unternehmen haben werde, ist ebenfalls zutreffend. Ob der neu nach den Regeln des Aktienrechts zu erstellende Geschäftsbericht und die Jahresrechnung, wie der Experte ausführte, zu einer höheren Transparenz führen wer- den, liegt zwar nicht auf der Hand (für Transparenz könnte ebenso durch besondere Vorschriften über die Rechnungslegung der Techni- schen Betriebe als unselbstständige Behörde gesorgt werden), ist aber auch nicht als geradezu falsch einzustufen. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz betreffen im Übrigen die Bemerkungen des Experten zur Frage der Entschädigung des Verwaltungsrats und zur Möglichkeit der Einflussnahme auf die Tarifgestaltung zwar politische Fragen. Die Ausführungen sind jedoch zutreffend und er- scheinen als ausgewogen: Mit Blick auf die Bestellung und Entloh- nung des Verwaltungsrats der mit der Rechtsformumwandlung ent- stehenden Aktiengesellschaft machte der Experte lediglich darauf 2017 Wahlen und Abstimmungen 207 aufmerksam, dass die betreffende Entscheidkompetenz beim Gemeinderat liegen werde und dass die in der Versammlung geäusserten Befürchtungen hinsichtlich hoher Verwaltungsratshono- rare unbegründet seien; dass der Experte in diesem Zusammenhang darauf hinwies, dass er selbst in einer anderen Gemeinde ein solches Verwaltungsratsmandat ausübe, das mit einem relativ bescheidenen jährlichen Betrag von Fr. 1'500.00 abgegolten werde, ist nicht zu beanstanden. Mit Bezug auf die Gestaltung der Tarife verschwieg der Experte sodann nicht, dass es diesbezüglich einen gewissen Spiel- raum gebe, der bei Annahme der vorgeschlagenen Rechtsformände- rung in Zukunft nicht mehr von der Gemeindeversammlung, sondern von den zuständigen Organen der zu gründenden Gesellschaft ge- nutzt werden könne. Gleichzeitig wies der Experte darauf hin, dass dieser Spielraum angesichts des engen bundesrechtlichen Rahmens, des Fehlens einer kantonalrechtlichen Regelungskompetenz sowie der Aufsichtskompetenz der Eidgenössischen Elektrizitätskommis- sion (ElCom) beschränkt sei (vgl. zur Zuständigkeit zur Tarifgestal- tung und zur Überprüfungskompetenz der ElCom ausführlich das Ur- teil des Bundesgerichts vom 20. Juli 2016 [2C_681/682/2015]; ins- bes. Erw. 3.6.2. und 4.5.2.). Auch diese Aussagen zur Tarifgestaltung treffen zu; sie können auch nicht als Plädoyer für die Rechts- formänderung - etwa im Sinne: die ElCom bestimmt sowieso über die Tarife, also ist es auch egal, wenn die Gemeindeversammlung dazu nichts mehr zu sagen hat - verstanden werden. Insgesamt ist damit festzuhalten, dass das zeitlich massvolle Votum des Experten infolge seines sachlich zutreffenden, auch negative Punkte einer all- fälligen Rechtsformänderung berücksichtigenden Inhalts nicht ge- eignet war, die Meinungsbildung der Versammlungsteilnehmer in un- zulässiger Weise zu beeinflussen. Für die Teilnehmer an der Gemein- deversammlung war zudem - schon aufgrund der mit der Versamm- lungseinladung offen gelegten Funktion des Experten als externer Projektleiter des Projekts Rechtsformänderung und des in der Ver- sammlung wiederholten Hinweises, dass er zum Beratungsteam des Gemeinderats gehöre - klar erkennbar, dass der Experte in seiner Funktion als externer und damit vom Gemeinderat bezahlter Vertre- ter eine Meinungsäusserung abgab. Zwar ist mit der Vorinstanz bei 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 208 der Äusserung von Expertenmeinungen an Gemeindeversammlungen im Hinblick auf die Meinungsbildung der Versammlungsteilnehmer durchaus eine gewisse Zurückhaltung zu verlangen. Ein einseitiges oder gar auch schon ein unverhältnismässig langes Expertenvotum, durch welches die Stimmbürger sich gewissermassen "überfahren" fühlen, kann durchaus eine unzulässige Beeinflussung der Meinungs- bildung in einer Gemeindeversammlung darstellen. Ein solcher Fall liegt hier aber unter Würdigung der gesamten Umstände (noch) nicht vor. 3. Zu beurteilen bleibt damit, ob das Abstimmungsprozedere An- lass zur Annahme gibt, das Resultat, nämlich die Annahme der vorgeschlagenen Rechtsformänderung mit 56 Ja- gegen 50 Nein- Stimmen drücke den Willen der Stimmbürger nicht aus bzw. es sei unsicher, ob wirklich eine Mehrheit der anwesenden Stimmbürger der Vorlage zugestimmt habe. Aus der Tonaufzeichnung der Versammlung ergibt sich klar, dass der Gemeindeammann zunächst - zutreffend - über den Antrag des Stimmbürgers A.G., für den Fall der Rechtsformänderung sei die Firma Technische Betriebe AG S. anstelle des vom Gemeinderat vor- geschlagenen Namens Technische Betriebe S. AG zu wählen, abstimmen liess. Dieser Antrag unterlag klar mit nur drei befürwortenden Stimmen. Daran anschliessend liess der Gemeinde- ammann über den Antrag des Gemeinderats auf Rechtsformänderung abstimmen, verwendete dabei indessen fälschlicherweise den von der Versammlung bereits abgelehnten Namen Technische Betriebe AG S. Während der Auszählung der für bzw. gegen diesen Antrag abgegebenen Stimmen machte dann der Gemeindeammann die Ver- sammlung darauf aufmerksam, dass er falsch habe abstimmen lassen, und versuchte unmittelbar, über den nunmehr korrigierten Antrag ab- stimmen zu lassen. In der Tonaufnahme sind keine Äusserungen hör- bar, welche darauf schliessen lassen, dass die Auszählung in diesem Moment bereits beendet und das Resultat der ersten Abstimmung be- kannt gewesen wäre. Eine entsprechende Behauptung brachte A.G. in seiner Beschwerde an die Vorinstanz vor. Die Vorinstanz stellte zutreffend fest, dass sich diese Aussage nicht verifizieren lasse. Wei- 2017 Wahlen und Abstimmungen 209 ter hielt sie jedoch fest, auf der Tonbandaufnahme sei eine gewisse Unruhe feststellbar; zudem habe sich ein Versammlungsteilnehmer dahingehend geäussert, dass er mit dem Vorgehen nicht einverstan- den sei. Daraus leitete die Vorinstanz ab, dass das Ergebnis bei der ersten Abstimmung anders gelautet hätte, jedenfalls berechtigte Zweifel am Endresultat aufkämen. Die von der Vorinstanz vorgenommene Beweiswürdigung über- zeugt nicht. Zum einen fehlt auf der Tonbandaufnahme jeglicher Hinweis darauf, dass das Ergebnis der ersten Abstimmung eine Mehrheit gegen den (falsch formulierten) Antrag des Gemeinderats erbracht hätte. Die Unruhe entstand, wie sich aus dem Tonaufnahme ergibt, nicht durch den Versuch des Gemeindeammanns, nochmals abstimmen zu lassen, sondern durch sein dabei gewähltes Vorgehen. Er versuchte nämlich zunächst, unmittelbar nochmals die Abstim- mung durchzuführen, was für eine gewisse Verwirrung und damit verbunden Unruhe im Saal sorgte. Diese Situation meisterte der Ge- meindeammann, indem er sich bei der Versammlung für seinen Feh- ler bei der ersten Abstimmung entschuldigte und nochmals explizit den ursprünglichen Antrag des Gemeinderats, nunmehr mit dem richtigen Namen formulierte und dann über diesen abstimmen liess. Nach dieser Abstimmung reklamierte ein einziger Teilnehmer und behauptete, das Vorgehen sei nicht korrekt, woraufhin der Gemeinde- ammann auf die Möglichkeit der Gemeindebeschwerde aufmerksam machte. Insgesamt ergibt sich damit, dass der Gemeindeammann einen Fehler bei der Durchführung der Abstimmung, auf den er aus der Mitte der Versammlung aufmerksam gemacht wurde, ordnungs- gemäss korrigierte. Hinweise auf den Versuch einer Manipulation der Versammlung durch den Gemeindeammann fehlen vollständig. Es ist zwar nicht undenkbar, dass sich bei der ersten Abstimmung ein anderes Resultat ergeben hat. Dabei ist aber immerhin auszuschliessen, dass ein klar negatives Ergebnis für den - falsch formulierten - Antrag des Ge- meinderats resultierte, wie dies A.G. (bezeichnenderweise nicht in seiner Beschwerde ans DVI, sondern erst in der Replik im Beschwer- deverfahren) behauptete (vgl. Replik, S. 2, wonach ein Blick in den Saal deutlich gezeigt habe, dass die Abstimmung klar zu Ungunsten 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 210 des Gemeinderats ausgegangen sei). Andernfalls hätte die Versamm- lung mit Sicherheit nicht ohne weiteres die Durchführung einer zwei- ten Abstimmung über den Antrag des Gemeinderats akzeptiert. Ein knappes anderes Ergebnis bei einer ersten nicht bzw. nicht vollstän- dig ausgezählten Abstimmung würde aber entgegen der Auffassung der Vorinstanz schon deshalb nicht schaden, weil diese erste Abstim- mung eben zu einem klar falsch formulierten Antrag stattfand und damit nicht auszuschliessen wäre, dass dieses Ergebnis zumindest zum Teil dem Fehler in der Abstimmungsfrage anzulasten war. Unabhängig von der Beweiswürdigung durch die Vorinstanz hinsichtlich des Ergebnisses der ersten Abstimmung war es somit nicht nur zulässig, sondern geboten, dass der Gemeindeammann die Abstimmung mit der nunmehr zutreffend formulierten Abstim- mungsfrage nochmals durchführte. Fehler bei der Durchführung von Abstimmungen kommen erfahrungsgemäss in der Praxis nun einmal vor, zumal Gemeindeversammlungen regelmässig von Milizgemein- deräten und nicht etwa von professionell geschulten Versammlungs- leitern durchgeführt werden. Korrigiert ein nicht professioneller Ver- sammlungsleiter einen Fehler bei der Durchführung einer Abstim- mung derart gekonnt und klar, wie dies der Gemeindeammann von S. hier tat, so zeigt er damit, wie gelebte Versammlungsdemokratie in einem Milizsystem funktionieren kann und soll. Das Ergebnis der zweiten Abstimmung fiel klar, wenn auch nicht überaus deutlich aus. Es wäre offensichtlich überzogen und einer gelebten Versammlungs- demokratie nicht dienlich, dieses klare Ergebnis nicht anzuerkennen. Die Beschwerde ist daher gutzuheissen und der angefochtene Ent- scheid aufzuheben. Damit ist der Beschluss der Gemeindeversamm- lung betreffend Traktandum 6 Änderung der Rechtsform der Techni- sche Betriebe S. in die Technische Betriebe S. AG ohne weitere An- ordnungen wieder hergestellt.
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2001 Verwaltungsgericht 266 61 Nutzungsplanung. - Beim Baulandbedarf gemäss Art. 15 lit. b RPG ist zwischen den Wohnzonen und den Misch- bzw. Gewerbe- und Industriezonen zu differenzieren (Erw. 3 d) Entscheid des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 20. März 2001 in Sachen T.S. AG gegen Entscheid des Regierungsrats und Beschluss des Grossen Rats Aus den Erwägungen 2. d) Bauzonen dürfen im Übrigen nur Land umfassen, welches "voraussichtlich innert 15 Jahren benötigt und erschlossen wird" (Art. 15 lit. b RPG). (...) dd) Im Hinblick auf den Baulandbedarf gemäss Art. 15 lit. b RPG ist grundsätzlich zwischen den Wohnzonen und den Misch- bzw. Gewerbe- und Industriezonen, die eine gewerbliche Nutzung erlauben, zu differenzieren. Die konkreten raumplanerischen Interes- sen können für den Baulandbedarf auch einen differenzierten Be- darfsnachweis für jeden Bauzonentyp erfordern (vgl. Alexandre Flückiger und Alexander Ruch in: Heinz Aemissegger/Alfred Kutt- ler/Pierre Moor/Alexander Ruch [Hrsg.], Kommentar zum Bundes- gesetz über die Raumplanung [Kommentar zum RPG], Zürich 1999, Art. 15 N 83 mit Hinweisen). In den reinen Wohnzonen ist die ge- werbliche Nutzung in der Regel, d.h. von nicht störenden (stillen) Gewerben abgesehen, ausgeschlossen. Die Gewerbebetriebe sind auf taugliches Gewerbeland angewiesen. Dafür kommt im vorliegenden Fall, wo eine reine Gewerbezone fehlt, neben der Industrie- und Dorfzone die Zone WG in Betracht. In der Dorfzone sind neben der Wohnnutzung, mässig störende Gewerbe- und Dienstleistungsbe- triebe (Läden, Gaststätten, Büros, handwerkliche Betriebe) sowie landwirtschaftliche Betriebe (§ 11 Abs. 1 BNO) zulässig; in der WG2 Wohnbauten und "mässig störendes Gewerbe" (§ 7 Abs. 1 BNO). Die BNO der Gemeinde H. definiert als mässig störend jene Betriebe mit 2001 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 267 Auswirkungen, "die im Rahmen herkömmlicher Handwerks- und Gewerbebetriebe bleiben, auf die üblichen Arbeits- und Öffnungszeiten beschränkt sind und nur vorübergehend auftreten. Betriebe, die ein hohes Mass an quartierfremdem Verkehr verursa- chen, gelten nicht als mässig störend" (§ 27 Abs. 2 BNO). In der WG3 schliesslich sind Wohn- und kleingewerbliche Bauten zulässig, wobei pro Parzelle mind. 50% der beanspruchten Ausnutzungsziffer als Wohnnutzung festgelegt ist (§ 9 Abs. 1 und 2 BNO). Nur die Industriezone ist für industrielle und gewerbliche Bauten bestimmt (§ 10 Abs. 1 BNO). Diese Zonen weisen alle die Empfindlichkeits- stufe III auf (§ 4 BNO). ee) Gemäss dem von der Gemeindeversammlung am 12. Juni 1992 beschlossenen Bauzonenplan verfügt die Gemeinde H. über 12,3 ha Land in der Dorfzone, 3,6 ha Land in den Wohn- und Ge- werbezonen (0,4 ha WG2 und 3,2 ha in der WG3) und über 0,7 ha in der Industriezone. Eine reine Gewerbezone existiert wie erwähnt nicht. Hingegen besteht im Norden des Gemeindegebiets eine Indu- striezone, die im Interesse der sich dort befindenden Bandfabrik bereits im ZP 72 ausgeschieden wurde, und die unverändert geblie- ben ist. Im Vergleich zum ZP 72 fand eine wesentliche Verkleinerung der Zone WG3 statt, wobei allerdings zum grossen Teil eine Umzo- nung in die Dorfzone erfolgte. Vom Grossen Rat nicht genehmigt wurden die WG3-Flächen im Gebiet "W." und der grösste Teil der WG3-Flächen im Gebiet "B.". Gemäss Botschaft 1993 handelt es sich um eine Fläche von 2,4 ha. Im ZP/KB Ergänzungen 1995 wer- den diese nicht genehmigten Flächen grösstenteils (mit Ausnahme der Parzellen Nrn. x, y und z von insgesamt rund 0,45 ha) der Über- gangszone nach § 170 Abs. 2 BauG zugewiesen (vgl. Ergänzungen ZP/KP 1995). An nicht überbauter Fläche in der WG3 stehen damit - wie die Beschwerdeführerin zutreffend feststellt - noch die Parzellen Nrn. w, x, y und z zur Verfügung. Gemäss der Übersicht über den Stand der Erschliessung vom 31. Dezember 2000 umfasst die WG3 1,5 ha, davon sind 0,8 ha überbaut und 0,7 ha in fünf Jahren baureif. Die WG2 mit einer Fläche von 0,4 ha im nördlichen Teil des Dorfes ist vollständig überbaut; auch in der Industriezone steht kein unüber- bautes Land mehr zur Verfügung. Die Dorfzone mit einer Fläche von 2001 Verwaltungsgericht 268 12,7 ha ist ebenfalls weitestgehend überbaut; sie weist nur noch ver- einzelte unüberbaute Parzellen auf. Gemäss der Übersicht über den Stand der Erschliessung vom 31. Dezember 2000 sind in der Dorf- zone 0,1 ha baureif, und 0,8 ha sind innert fünf Jahren baureif. Die gewerblich nutzbaren Flächenreserven in der Gemeinde H. sind eher klein bemessen. In der WG3 stehen gerade noch vier Par- zellen mit einer Fläche von nicht einmal einer Hektare (0,7 ha) für kleingewerbliche Bauten und einem Mindestwohnanteil von 50% zur Verfügung. Die Dorfzone weist ebenfalls kaum mehr unüberbaute Parzellen auf und steht überdies nur mässig störenden Gewerbebe- trieben nach der Definition der BNO offen. Die Möglichkeiten für eine gewerbliche Entwicklung und die Schaffung neuer Arbeitsplätze erscheinen sehr beschränkt, zumal die Bauordnung für die gewerbli- che Nutzung in der WG3 auf kleingewerbliche Bauten eingeschränkt ist. Die Zuweisung von Land in die Übergangszone stellt keine Re- serve an nutzbarem Gewerbebauland dar. Eine Einzonung dieses Landes kommt frühestens in 10 Jahren in Betracht und erfordert das ordentliche Verfahren. Die Zuweisung in die Übergangszone ist so- mit wenig flexibel; die Landreserven sind mehr oder weniger blockiert, und es kann der wirtschaftlichen Entwicklung kaum Rech- nung getragen werden. ff) Wie sich aus den Planungsunterlagen ergibt, ist für die Be- urteilung des Bedarfs an Bauland für die gewerbliche Nutzung auf die Prognosen 1992 abzustellen. Die Baulandprognosen wurden nach der Rückweisung durch den Grossen Rat weder aktualisiert, noch überprüft. Auf die kantonale Arbeitsplatzstatistik und -prognose 2020 ist auf Grund der unterschiedlichen Basisdaten und der abwei- chenden statistischen Methode nicht abzustellen. Bei der Würdigung der Baugebietsgrösse anlässlich der (Teil-)Genehmigung vom 1. März 1994 schloss sich der Grosse Rat, dem Rückweisungsantrag des Regierungsrats folgend, der kommunalen Einwohner- und Ar- beitsplatzprognose und dem von der Gemeinde gewünschten Wachs- tum an und unterstützte damit den Prognosewert der Gemeinde. Für den Bedarf an Bauland für die gewerbliche Nutzung in der Planungs- periode bis 2008 ist nach Auffassung der Gemeinde und der kanto- nalen Behörden der Prognosewert von 285 Arbeitsplätzen massge- 2001 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 269 bend. Mit der von der Gemeinde H. beschlossen Zuweisung von insgesamt 24 ha in die Bauzone konnte dieser Bedarf erfüllt werden. Nach dem Rückweisungsbeschluss vom 1. März 1994 hat die Ge- meinde ca. 5 ha vor allem des Baugebiets, in dem eine gewerbliche Nutzung möglich wäre, der Übergangszone zugewiesen (siehe vorne, Erw. 2/d/ee), und der genehmigte Nutzungsplan weist eine Bauzone von ca. 19 ha aus. Die prognostizierten Arbeitsplatzbedürfnisse sind damit nicht mehr gewahrt. Auch wenn diese Prognosen grundsätzlich und für die wirtschaftliche Entwicklung und die Arbeitsplätze insbe- sondere mit Unsicherheiten behaftet sind, ist festzuhalten, dass der angefochtene Zonenplan den massgebenden Bedarf an Bauland für 285 Arbeitsplätze nicht ausweist. Die seitherige wirtschaftliche Entwicklung hat dies bestätigt. Für 1998 hat die Gemeinde H. 251 Arbeitsplätze ausgewiesen und hat den vom Baudepartement er- rechneten Prognosewert überschritten. Art. 15 lit. b RPG steht damit einer Zuweisung der weitgehend erschlossenen Parzelle Nr. w mit einer Fläche von rund 0,7 ha zu einer Gewerbezone oder zu einer Spezialbauzone Gärtnereibetrieb, nicht entgegen. e) Gemäss Art. 1 Abs. 1 RPG haben Bund, Kantone und Ge- meinden auf die Bedürfnisse der Bevölkerung und der Wirtschaft zu achten. Dabei haben sie mit Massnahmen der Raumplanung auch die räumlichen Voraussetzungen für die Wirtschaft zu schaffen und zu erhalten (Art. 1 Abs. 2 lit. b RPG). Die einzelnen Ziele und Grund- sätze allein haben keine absolute Bedeutung, sondern sind Zielvor- stellungen, Wertungshilfen und Entscheidungskriterien (vgl. Pierre Tschannen, in: Kommentar RPG, Art. 1 N 5 und Art. 3 N 9). Die vorzunehmende Interessenabwägung obliegt vorab der Gemeinde (vgl. Art. 3 Abs. 1 RPV und § 13 Abs. 1 i.V.m. § 27 Abs. 2 BauG). Die Bemessung von Zonen für die industrielle und gewerbliche Nut- zung kleinerer Gemeinden verlangt eine regionale Betrachtungs- weise. Die Gemeinde H. ist eine Gemeinde im ländlichen Raum und hat ihre Nutzungsplanung auf die eigenen Weiterentwicklungsmög- lichkeiten und eine regional ausgeglichene Entwicklung zwischen Einwohnern und Arbeitsplätzen auszurichten (siehe Richtplanbe- schluss, S. 1.1./1.1.). Für ansässige Gewerbebetriebe sind vor Ort eigene Reserven an Industrie- und Gewerbezonen für längerfristige 2001 Verwaltungsgericht 270 Entwicklungsoptionen zuzulassen (siehe Leitsatz 3 Raumordnungs- konzept 1995). Die Einweisung der Parzelle Nr. w in die Übergangszone er- folgte ausschliesslich, weil die Wohnzonen der Gemeinde H. über- dimensioniert sind. Eine Differenzierung des Baulandbedarfs nach den anerkannten wirtschaftlich-gewerblichen Bedürfnissen ist aus den Planungsunterlagen nicht ersichtlich, wurde von der Gemeinde nicht vorgenommen und im Rahmen des Genehmigungsverfahrens nicht diskutiert (Protokoll des Grossen Rats vom 16. September 1997, Art. 209, S. 208, Votum des Präsidenten der Bau- und Planungskommission, S. 291, Votum Regierungsrat Dr. Thomas Pfisterer). Eine Prüfung der Bedürfnisse an Bauland für die gewerb- liche Nutzung und eine vollständige Interessenabwägung unter Ein- bezug dieser Interessen (Art. 3 RPV) hat im Ergänzungsverfahren ZP/KP 1995 somit nicht stattgefunden. Auch im Beschwerde- entscheid hat der Regierungsrat die Abweisung zur Hauptsache mit der Reduktion der Bauzone für die Wohnnutzung begründet. Der Hinweis auf die kantonale Prognose von 235 Arbeitsplätzen und die Auffassung, dass in der Wohn- und Gewerbezone und in der Gewer- bezone ausreichend unüberbautes Land zur Verfügung steht, ist - wie ausgeführt (Erw. 2/d/ee und ff) - unzutreffend. f) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Übergrösse des Baugebiets aus der Übergrösse der Landreserven für die Wohnnut- zung resultiert, währenddessen im ZP/KP Ergänzung 1995 die für die gewerbliche Nutzung zugelassenen Mischzonen und die Industrie- zone die von der Genehmigungsbehörde im Rückweisungsbeschluss 1993 anerkannten und unveränderten Zielvorstellungen der Gemein- de in Bezug auf die Arbeitsplatzentwicklung nicht erfüllen. Insofern verletzt der angefochtene Zonenplan Art. 15 lit. b RPG.
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2012 Verwaltungsgericht 146 21 Kleinstbaute - Eine 2.50 m hohe Informations- und Reklamestele mit einer Grund- fläche von ca. 0.12 m 2 ist eine Kleinstbaute im Sinne von § 49 Abs. 2 lit. d BauV. - Wenn die Gemeinden nichts anderes festlegen, gilt für Kleinstbauten ein Grenzabstand von 2 m, wie er für Klein- und Anbauten vorge- schrieben ist. Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 23. August 2012 in Sachen A. AG gegen B. AG und Departement BVU sowie Stadtrat C. (WBE.2012.48). Aus den Erwägungen 1. 1.1. Vorliegend geht es um die Informations- und Reklamestele auf der Parzelle Nr. (...) an der (...) in C.. Diese Parzelle der Beschwer- degegnerin grenzt u. a. an die Parzelle Nr. (...) der Beschwerdefüh- rerin. Beide Grundstücke liegen gemäss § 11 i. V. m. § 15 der gelten- den Fassung der Bau- und Nutzungsordnung der Stadt C. (BNO) vom 23. Oktober 2001 / 2. April 2003 in der Zentrumszone 5 (Z5). Die Zentrumszonen sind für innenstädtische Nutzungen wie Laden- geschäfte, Einkaufszentren, Gewerbe- und Dienstleistungsbetriebe sowie Wohnungen bestimmt. In der Regel gilt geschlossene Bau- weise (§ 15 BNO). In der Bauzone Z5 sind unter anderem 5 Ge- schosse, eine Gebäudehöhe von maximal 17 m und ein kleiner Grenzabstand von 4.5 m erlaubt; der grosse Grenzabstand beträgt Gebäudehöhe (§ 11 Abs. 1 BNO). 1.2. Anfangs Dezember 2010 stellte die Beschwerdegegnerin an ih- rer nördlichen Parzellengrenze mit einem Abstand von 0.12 m zur Nachbarzelle Nr. (...) die 2.5 m hohe, 0.8 m breite und ca. 0.1 - 0.15 m tiefe, weisse und im vorliegenden Fall Gegenstand der Be- schwerde bildende Informations- und Reklamestele auf. Das nach- 2012 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 147 träglich eingereichte Baubewilligungsgesuch für den Bau dieser Stele wurde vom Stadtrat C. abgewiesen. 2. (...) 3. 3.1. Die Stele ist eine künstlich geschaffene und auf Dauer angelegte Einrichtung, die in bestimmter fester Beziehung zum Erdboden steht und geeignet ist, die Vorstellung über die Nutzungsordnung zu be- einflussen, (vgl. BGE 123 II 259; siehe auch § 6 BauG). Somit han- delt es sich bei der Stele um eine Baute oder Anlage im Sinne von Art. 22 RPG und § 6 Abs. 1 lit. a BauG. Dies wird auch von keiner der Parteien bestritten. 3.2. § 49 Abs. 2 lit. d BauV nennt die Kategorie der Kleinstbauten und nimmt diese von der Baubewilligungspflicht aus. Kleinstbauten zeichnen sich dadurch aus, dass sie sowohl be- züglich der Grundfläche wie auch der Höhe stark beschränkt sind. Grund für die Einführung dieser (neuen) Kategorie war, dass der Gesetzgeber nicht jede noch so kleine Baute der Bewilligungspflicht unterstellen wollte. Unter Kleinstbauten fallen gemäss § 49 Abs. 2 lit. d BauV alle Bauten mit einer Grundfläche bis 5 m 2 und einer Gesamthöhe bis 2.50 m, wie zum Beispiel Gerätehäuschen und Fahr- radunterstände. Bei der vorliegenden weissen Stele handelt es sich um eine Baute in der Höhe von 2.50 m mit einer Grundfläche von ca. 0.12 m 2 (0.8 m x 0.15 m) (siehe vorne Erw. 1.2.). Es ist deshalb nicht zu beanstanden, sie unter die Kategorie der Kleinstbauten im Sinne von § 49 Abs. 2 lit. d BauV zu subsumieren. Das Argument der Be- schwerdeführerin, wonach die Stele aufgrund der sehr kleinen Grundfläche keine Kleinstbaute darstellen könne, überzeugt nicht. Ebenso wenig steht eine Werbetafel von 42 m Länge und 2.5 m Höhe zur Beurteilung. Im Weiteren sind auch die Ausführungen der Be- schwerdegegnerin zur Einfriedung nicht einschlägig. Die Stele wurde nicht zur Abgrenzung oder Abschirmung eines Grundstücks angebracht. Schon aus dem Zweck der Werbe- und Informationsstele ergibt sich, dass die Regelungen zur Einfriedung im vorliegenden Fall keine Anwendung finden können. Ausserdem sind die Ausfüh- 2012 Verwaltungsgericht 148 rungen der Beschwerdeführerin zur Bewilligungspflicht für Strassen- reklamen nicht stichhaltig: Die Stele steht nicht im Bereich der Stras- se und stellt keine Strassenreklame dar. Inwiefern schliesslich die Baulinien des Gestaltungsplans eine Baubewilligungspflicht be- gründen sollen, ist ebenfalls nicht nachvollziehbar. 3.3. Demgemäss ist die zu beurteilende Stele als (grundsätzlich bau- bewilligungsfreie) Kleinstbaute im Sinne von § 49 Abs. 2 lit. d BauV zu qualifizieren. 4. 4.1. Unabhängig von der Klassifizierung der Stele (als Kleinstbaute) ist die Einhaltung der übrigen Vorschriften zu prüfen. Gemäss § 49 Abs. 4 BauV respektive § 30 Abs. 3 ABauV entbindet nämlich die Errichtung baubewilligungsfreier Bauten und Anlagen nicht von der Einhaltung aller übrigen Vorschriften. Dazu gehören insbesondere die Bestimmungen über die Grenzabstände. 4.2. Gemäss § 51 Abs. 1 BauG kann der Regierungsrat für unterge- ordnete Bauten, Anlagen und Bauteile geringere Abstände festlegen, als es die Baulinien und Abstandsvorschriften verlangen. Mit dem Erlass von § 19 BauV respektive § 18 ABauV hat der Regierungsrat von seiner Kompetenz Gebrauch gemacht und festgelegt, dass für Klein- und Anbauten ein Grenzabstand von 2 m gelten solle, soweit die Gemeinden nichts anderes vorsehen. Die Stadt C. hat bezüglich des Grenzabstands von Klein- und Anbauten nichts bestimmt (vgl. BNO). Mit Zustimmung der betroffenen Nachbarschaft - welche im vorliegenden Fall fehlt - kann diese Grenze reduziert oder ganz auf- gehoben werden. Über den Grenzabstand für Kleinstbauten sagt we- der die ABauV noch die BauV etwas aus. Eine ausdrückliche gesetz- liche Regelung fehlt dazu. Die Regelung zu Klein- und Anbauten wäre auch auf Kleinstbauten anzuwenden, falls Letztere als Teilge- halt der Ersteren zu betrachten sind. 4.3. Für Klein- und Anbauten gelten unter anderem die Höchstmasse von 40 m 2 für die Gebäudefläche und 3 m für die Gebäudehöhe (vgl. 2012 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 149 § 19 Abs. 1 BauV; § 18 Abs. 1 ABauV). Eine Kleinstbaute mit den zulässigen Höchstmassen von 5 m 2 für die Grundfläche und 2.5 m für die Gesamthöhe bildet somit eine Teilmenge der Kleinbaute. Kleinstbauten sind als kleine Kleinbauten daher wie diese zu behan- deln. Die Vorschriften der Klein- und Anbauten zu den Grenzab- ständen (§ 19 Abs. 2 BauV; § 18 Abs. 2 ABauV) sind damit auch auf Kleinstbauten anzuwenden. Die im vorliegenden Fall lediglich 0.12 m von der Grenze entfernt stehende weisse Stele hält den 2 m Grenzabstand nicht ein. Ebenso steht die graue Stele mit ungefähr 1 m Abstand zur benachbarten Parzelle im Unterabstand. Ginge man im Übrigen davon aus, dass die Kleinstbauten nicht als Teilmenge der Kleinbauten gälten, dann wäre aufgrund einer fehlenden gesetzlichen Regelung nicht - wie von der Vorinstanz angenommen - eine sogenannte Nullgrenze anzunehmen, sondern es kämen die ordentlichen Abstandsvorschriften zur Anwendung. Eine gesetzliche Grundlage, dass für Kleinstbauten keine Grenzabstände gelten, besteht nicht. In der Zentrumszone Z5 müsste daher der ordentliche Grenzabstand eingehalten werden (vgl. § 11 Abs. 1 BNO). Die kleinsten Bauten hätten damit einen grösseren Grenzab- stand einzuhalten als die kleinen Bauten, was zu einem absurden Ergebnis führen würde und nicht Ziel des Gesetzgebers gewesen sein kann. 4.4. Das Unterschreiten des Grenzabstands von 2 m erfordert auch bei grundsätzlich baubewilligungsfreien Bauten und Anlagen eine Ausnahmebewilligung. Ist eine Ausnahmebewilligung (vgl. § 67 BauG) erforderlich, ist ein Baubewilligungsverfahren durchzuführen (§ 49 Abs. 4 BauV; § 30 Abs. 3 ABauV). Im konkreten Fall fällt eine Ausnahmebewilligung für die weisse Stele jedoch ausser Betracht, da ausserordentliche Verhältnisse oder ein Härtefall (vgl. § 67 Abs. 1 lit. b BauG) weder ersichtlich sind noch substantiiert geltend ge- macht werden. Im Ergebnis unterliegen die Stelen somit - trotz der Klassifizie- rung als Kleinstbaute und der damit einhergehenden grundsätzlichen Befreiung von der Bewilligungspflicht gemäss § 49 Abs. 2 lit. d BauV - bei einem Abstand von unter 2 m von der benachbarten 2012 Verwaltungsgericht 150 Parzelle dennoch der Baubewilligungspflicht (gemäss § 49 Abs. 4 BauV respektive § 30 Abs. 3 ABauV). 4.5. Unterliegt die Kleinstbaute aufgrund des Unterabstands der Baubewilligungspflicht, ist die Anwendung der BauV im Ergebnis nicht günstiger. Es bleibt daher bei der Geltung der ABauV. Als Kleinstbaute im Sinne von § 18 Abs. 1 ABauV ist die Stele baubewilligungspflichtig. Ein Befreiungstatbestand von § 30 ABauV liegt nicht vor. Einzuhalten ist deshalb ein Grenzabstand von 2 m (§ 18 Abs. 2 ABauV). Wie bereits ausgeführt (vorne Erw. 4.4.), ist ein Grund für eine Ausnahmebewilligung nicht ersichtlich.
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2001 Verwaltungsgericht 384 [...] 82 Feststellungsverfügung. - Zulässigkeit einer Feststellungsverfügung zum Zweck des Verjäh- rungsunterbruchs (Erw. 7). - Verzicht auf Rechtsmittelbelehrung, wenn Zulässigkeit des Rechts- mittels zweifelhaft? (Erw. 7/d) Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 20. Juni 2001 in Sachen M. K. und A. AG gegen Entscheid des Baudepartements. Sachverhalt Die Gemeinde A. hatte versehentlich bei verschiedenen Liegen- schaftseigentümern während Jahren keine Kanalisationsbenützungs- gebühren erhoben. Im März 1999 erliess der Gemeinderat Feststel- lungsverfügungen des Inhalts, dass die Kanalisationsbenützungsge- bühren ab 1994 geschuldet seien und zu einem späteren Zeitpunkt mit separater Verfügung erhoben würden. Zweck dieses Vorgehens war, die (Mitte 1999 eintretende) Verjährung der Gebühren für 1994 zu verhindern. Die zu zahlenden Beträge wurden im August 1999 verfügungsweise festgesetzt. 2001 Verwaltungsrechtspflege 385 Aus den Erwägungen 7. a) Gemäss § 78a Abs. 3 lit. b VRPG wird die Verjährungsfrist durch die Schuld feststellende Verfügungen und Entscheide unter- brochen. Eine inhaltlich mit § 78a VRPG übereinstimmende Rege- lung enthielt bereits § 7 des (alten) Baugesetzes vom 2. Februar 1971. Sie wurde beim Erlass des neuen Baugesetzes ins VRPG über- geführt, um klarzustellen, dass sie nicht nur im Bereich des Bau- rechts, sondern im öffentlichen Recht generell gilt, soweit keine Sonderbestimmungen bestehen (vgl. Botschaft des Regierungsrats vom 21. Mai 1990 zum neuen Baugesetz, S. 55 f.). b) Die Beschwerdeführer machen geltend, beim Schreiben des Gemeinderats vom 10. März 1999 handle es sich nicht um eine Ver- fügung, da eine Feststellungsverfügung unzulässig gewesen sei und da, wie vom Gemeinderat ausdrücklich betont, dagegen keine Be- schwerde möglich gewesen sei. c) Die Unterbrechung der Verjährung für öffentlich-rechtliche Ansprüche ist nach Rechtsprechung und Lehre gegenüber der zivil- rechtlichen Regelung von Art. 135 OR stark erleichtert. Es wird als genügend erachtet, wenn die Behörde dem Abgabepflichtigen in unzweideutiger Weise mitteilt, dass ein bestimmter Tatbestand der Abgabepflicht unterworfen sei (AGVE 1993, S. 293; 1979, S. 178; Fritz Gygi, Verwaltungsrecht, Bern 1986, S. 300; René A. Rhi- now/Beat Krähenmann, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Basel/Frankfurt a.M. 1990, B 34 IV c, alle mit weiteren Hinweisen). Dabei werden keine Einschränkungen ange- bracht, wonach derartige verjährungsunterbrechende Mitteilungen nur zulässig wären, solange keine Gestaltungsverfügung möglich ist. Dies verwundert umso weniger, als die Subsidiarität der feststellen- den im Vergleich zur gestaltenden Verfügung in erster Linie im Zu- sammenhang mit der Frage betont wird, ob der Private Anspruch auf Erlass einer Feststellungsverfügung habe (BGE 125 V 24; 123 II 362; 121 I 91 f.; 114 V 203; ZBl 90/1989, S. 482 f.; Rhinow/Krä- henmann, a.a.O., Nr. 36 III d; Michael Merker, Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege [Kommentar zu den §§ 38-72 VRPG], 2001 Verwaltungsgericht 386 Diss. Zürich 1998, § 38 N 27 f.; Kölz/Bosshart/Röhl, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2. Aufl., Zürich 1999, § 19 N 62; Alfred Kölz/Isabelle Häner, Verwaltungs- verfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl., Zürich 1998, Rz. 207 f.). Soweit es um die Möglichkeit einer Behörde geht, Feststellungsverfügungen zu erlassen, werden, soweit ersichtlich, kaum Einschränkungen befürwortet. Wohl wäre eine Feststellungs- verfügung unzulässig, wenn sie für den betroffenen Privaten unzu- mutbare Nachteile mit sich brächte, doch ist eine solche Konstella- tion kaum denkbar. Ohnehin wird eine Behörde nicht am unnötigen Aufwand für eine Feststellungsverfügung interessiert sein, wenn sie statt dessen bereits eine Gestaltungsverfügung erlassen kann. Das aargauische Recht ist bezüglich der einzuhaltenden Form strenger, indem nicht eine blosse Mitteilung genügt, sondern eine formelle Verfügung verlangt wird (vgl. Erich Zimmerlin, [Kommen- tar zum alten] Baugesetz des Kantons Aargau, 2. Aufl., Aarau 1985, §§ 7/8 N 4: "qualifizierte Form der Geltendmachung"). Es besteht aber keinerlei Grund zur Annahme, der Gesetzgeber habe die Verjäh- rungsunterbrechung - in Abweichung von der allgemeinen Anschau- ung - gleichzeitig noch stärker einschränken wollen, indem diese ausschliesslich dann möglich sein sollte, wenn noch keine Gestal- tungsverfügung erlassen werden kann. Vielmehr reicht zur Unterbre- chung nicht nur eine unmittelbar auf Erfüllung des Anspruchs ge- richtete Massnahme (im Sinne von § 78a Abs. 3 lit. a und c VRPG) aus, sondern auch ein anderer der Verfolgung des Anspruchs dienen- der Verwaltungsakt, solange nur dem Schuldner klar eröffnet wird, ein bestimmter Tatbestand begründe eine Forderung (AGVE 1979, S. 178; Zimmerlin, a.a.O.); andernfalls wäre das Vorgehen im Ver- gleich zum Zivilrecht (wo gemäss Art. 135 Ziff. 2 OR die Schuldbe- treibung genügt) ohne Grund erheblich erschwert. Die Meinung der Beschwerdeführer, es sei unzulässig gewesen, am 10. März 1999 eine Feststellungsverfügung mit dem Zweck der Verjährungsunter- brechung zu erlassen, ist deshalb abzulehnen. d) Die Verfügung des Gemeinderats vom 10. März 1999 war äusserlich klar als solche bezeichnet. Es unterliegt keinem Zweifel, dass der Gemeinderat sie als förmliche Verfügung ansah. Den Ver- 2001 Verwaltungsrechtspflege 387 zicht auf eine Rechtsmittelbelehrung begründete er (in der Verfügung selber) damit, dass es sich um eine Zwischenverfügung handle, die nicht gesondert anfechtbar sei, weil sie keinen nicht wiedergutzuma- chenden Nachteil bewirke. Dies mag zutreffen oder nicht. Mit Si- cherheit lässt sich daraus nicht ableiten, dass deswegen die formellen Anforderungen an eine Verfügung (§ 23 Abs. 3 VRPG: Rechtsmit- telbelehrung) nicht erfüllt seien. Es gibt zahlreiche Verfügungen, die nicht angefochten werden können, beispielsweise weil es an der Be- schwerdelegitimation mangelt; die Behauptung, dann handle es sich nicht um Verfügungen, wäre abwegig. Es wäre aber auch nicht ver- tretbar (weil nur zu Täuschungen des Empfängers führend), von der Behörde in einem solchen Fall das Anfügen einer Rechtsmittelbeleh- rung zu verlangen. Wenn die verfügende Behörde in einem Zweifels- fall zum Schluss kommt, es sei kein Rechtsmittel gegeben, erweist sich das Vorgehen, wie es vorliegend gewählt wurde, im Gegenteil als sinnvoll. So wird der Empfänger orientiert und es steht ihm frei, doch Beschwerde zu erheben, wenn er seinerseits der Meinung ist, deren Voraussetzungen seien gegeben.
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2000 Verwaltungsgericht 142 [...] 38 Behandlung des Wohnrechts beim Wohnrechtsbelasteten. - Kauf einer Liegenschaft, wobei dem Verkäufer ein Wohnrecht ein- geräumt und dessen Wert an den Kaufpreis angerechnet wird. Der Käufer, der die Liegenschaft zum Übernahmewert aktiviert, muss eine Rückstellung bilden, die entsprechend der abnehmenden Dauer des Wohnrechts (statistische Lebenserwartung des oder der Berech- tigten) kontinuierlich zu vermindern ist. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 12. Januar 2000 in Sachen KStA gegen Entscheid des Steuerrekursgerichts (betreffend H.S.). Zur Publikation vorgesehen in StE 2001. Sachverhalt H.S. übernahm mit Kaufvertrag vom 12. Juni 1992 von seinem Vater P.S. dessen Landwirtschaftsbetrieb. Der Kaufpreis von Fr. 285'500.-- setzte sich wie folgt zusammen: - Grundstücke und Gebäude (Ertragswert) Fr. 174'450.-- - Viehbestand Fr. 43'000.-- - Maschinen und Einrichtungen Fr. 43'850.-- - Vorräte Fr. 24'200.-- Der Kaufpreis war durch Übernahme der Grundpfandschulden (Fr. 80'000.--), Erbvorbezug (Fr. 30'000.--), Begründung eines Darle- hens zugunsten des Verkäufers (Fr. 86'000.--) und Einräumung eines Wohnrechts zugunsten des Verkäufers und dessen Ehefrau (Fr. 89'500.--) zu tilgen. Der Vater verstarb kurz nach dem Verkauf. Das Wohnrecht blieb zugunsten seiner überlebenden Ehefrau V.S. (der Mutter von H.S.) bestehen. 2000 Kantonales Steuerrecht 143 Aus den Erwägungen 1. a) Streitig ist einzig die Frage, wie ein Wohnrechtsgeber steuerlich richtig zu behandeln ist, wenn er eine mit einem entgeltli- chen Wohnrecht belastete Liegenschaft zum Übernahmewert akti- viert. b) aa) Die Steuerkommission O. ging für die Bewertung des Wohnrechts von dessen Barwert gemäss Kaufvertrag (Fr. 89'500.--) aus und errechnete aufgrund des Durchschnitts der statistischen Le- benserwartungen der beiden Berechtigten (P.S. 19,61 Jahre, V.S. 27,81 Jahre; Durchschnitt 23,71 Jahre) eine jährliche Amortisations- rate von Fr. 3'775.-- (Fr. 89'500.-- : 23,71). bb) In seiner Einsprache anerkannte der Beschwerdegegner die Aufrechnung um Fr. 3'775.-- beim Einkommen als zutreffend, ver- langte aber, konsequenterweise sei der "Buchwert Wohnrecht von Fr. 78'175.--" beim Vermögen abzuziehen (was die Steuerkommis- sion ablehnte). cc) Das Steuerrekursgericht hat dazu ausgeführt, nachdem der Eigenmietwert der mit dem Wohnrecht belasteten Räume richtiger- weise nicht beim Beschwerdegegner, sondern bei den Wohnrechts- berechtigten besteuert worden sei, gehe es vorliegend nicht darum, geltend gemachte einkommensmindernde Aufwendungen um einen Amortisationsanteil zu kürzen. Vielmehr habe die Steuerkommission die kalkulierten "Schuldentilgungsraten" (als Teil der im eingeräum- ten Wohnrecht verkörperten Leistung) zum Einkommen hinzuge- zählt. Hierfür fehle es an einer gesetzlichen Grundlage. Die Schul- dentilgung beeinflusse das steuerbare Einkommen nicht (den Sonder- fall der Rentenverpflichtungen ausgenommen). So wenig eine Schuldentilgung zur Vornahme eines Abzugs vom Roheinkommen berechtigte, so wenig könne sie zum Einkommen aufgerechnet wer- den. dd) Das KStA hält dem in seiner Verwaltungsgerichtsbe- schwerde entgegen, der Beschwerdegegner habe den Boden und die 2000 Verwaltungsgericht 144 Liegenschaften zum Erwerbspreis von Fr. 174'450.-- in die Eröff- nungsbilanz aufgenommen (davon Fr. 131'516.-- auf die Betriebsge- bäude entfallend); dadurch habe er den Barwert des Wohnrechtes aktiviert, ohne dass diese "Überbewertung" kompensiert worden wäre; dies sei falsch, weil insoweit keine Eigenfinanzierung vorliege. Wenn der Beschwerdegegner auf dem gesamten Buchwert der Ge- bäulichkeiten Abschreibungen in Höhe von 4 % vorgenommen habe, habe er auch auf dem aktivierten Barwert des Wohnrechts abge- schrieben. Zu Recht habe die Steuerkommission eine - aufzulö- sende - Rückstellung in der Höhe des Barwerts des Wohnrechts ge- bildet, was konstanter und unbestrittener Praxis entspreche; diese Rückstellung sei innert der mittleren Lebenserwartung der Wohn- rechtsberechtigten, spätestens aber bei ihrem Tod erfolgswirksam aufzulösen. Ohne gleichzeitige (ratenweise) erfolgswirksame Auflö- sung einer derartigen Rückstellung sei die Vornahme von erfolgs- wirksamen Abschreibungen auf dem aktivierten Barwert des entgelt- lich eingeräumten Wohnrechts unzulässig. ee) Der Beschwerdegegner führte in seiner Eingabe vom 1. Mai 1998 sinngemäss aus, mit der Einräumung eines Wohnrechts unter Verrechnung mit dem Kaufpreis erfolge keine Aktivierung; die Schuldamortisation stelle (erfolgsneutrale) Einkommensverwendung dar. Eine erfolgswirksame Amortisation sei auch deshalb abzulehnen, weil das Wohnrecht steuerlich nicht als Schuld anerkannt werde. 2. Der Beschwerdegegner hat den Wert des Bodens mit Fr. 42'934.-- und denjenigen der Betriebsgebäude mit Fr. 131'516.-- in die Eröffnungsbilanz aufgenommen. Zusammen ergibt dies Fr. 174'450.--, was mit der Aufschlüsselung des Kaufpreises im Kaufvertrag übereinstimmt. Dass der Kaufpreis nicht den getroffenen Vereinbarungen oder dessen Aufschlüsselung nicht den sachlichen Gegebenheiten entspräche, machen die Steuerbehörden nicht geltend, sodass vom genannten Betrag von Fr. 174'450.-- ausgegangen werden kann. 2000 Kantonales Steuerrecht 145 Es ist somit festzuhalten, dass der verbuchte Wert der Betriebs- gebäude grundsätzlich nicht zu beanstanden ist. Bei einem - nicht umstrittenen - Abschreibungssatz von 4 % erweisen sich die vorge- nommenen Abschreibungen insoweit als zutreffend. 3. a) Grundlage der Veranlagung bei buchführenden Steuer- pflichtigen bildet die Handelsbilanz (Grundsatz der Massgeblichkeit der Handelsbilanz; Massgeblichkeitsprinzip). Von der formell und materiell korrekten Handelsbilanz ist dann abzuweichen, wenn steu- errechtliche Vorschriften dies erfordern (ASA 65/1996-97, S. 56; Walter Koch, in: Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, Muri/BE 1991, § 22 N 87; Markus Reich, in: Kommentar zum Schweizeri- schen Steuerrecht, Bd. I/1 [StHG], Basel und Frankfurt a.M., 1997, Art. 8 N 28; Ernst Höhn/Robert Waldburger, Steuerrecht, Bd. II, 8. Aufl, Bern u.a., 1999, § 37 Rz. 14, alle mit weiteren Hinweisen). b) aa) Die richtige steuerliche Behandlung des Wohnrechts ist dogmatisch sehr umstritten (vgl. AGVE 1983, S. 283; Peter Locher, Besteuerung von Renten und rentenähnlichen Rechtsverhältnissen in der Schweiz, in SJZ 87/1991, S. 188; Reich, a.a.O., Art. 7 N 73). Nach aargauischem Recht sind Einkünfte aus Leibrenten, Pfrund und Nutzniessung beim Berechtigten steuerbar (§ 22 Abs. 1 lit. f StG). Das Wohnrecht, das auch Ähnlichkeiten zur Leibrente aufweisen kann, untersteht im Zweifelsfall den Bestimmungen über die Nutz- niessung und wird auch einkommenssteuer rechtlich grundsätzlich als solche behandelt (§ 9 StGV; vgl. AGVE 1983, S. 281 ff.; 1989, S. 352 ff.; VGE II/109 vom 23. September 1991 in Sachen M.M., S. 5 ff.). Der Wohnrechtsberechtigte hat den Wert der von ihm be- nützten Wohnung oder Liegenschaft vollumfänglich nach den glei- chen Grundsätzen als Einkommen zu versteuern wie ein Eigentümer; der Wohnrechtsbelastete muss den auf das Wohnrecht entfallenden Eigenmietwert nicht versteuern (Koch, a.a.O., § 22 N 381; Locher, a.a.O., S. 188, bezeichnet dies als "Praktikabilitätskonzept"). Bei der Vermögens steuer allerdings wird - was nicht unbedingt zwingend erscheint - das Wohnrecht nicht der Nutzniessung gleichgesetzt und 2000 Verwaltungsgericht 146 die wohnrechtsbelastete Liegenschaft deshalb vollumfänglich dem Eigentümer zugerechnet (vgl. Koch, a.a.O., § 37 N 24). Diese Behandlung des Wohnrechts bei der Einkommenssteuer dürfte sich ursprünglich am unentgeltlich eingeräumten Wohnrecht orientiert haben (anders Art. 7 Abs. 2 StGH, wonach Einkünfte aus Wohnrecht zu 60 % steuerbar sind, wenn die Leistungen, auf denen der Anspruch beruht, ausschliesslich vom Steuerpflichtigen erbracht worden sind; vgl. aber die Änderung dieser Bestimmung nach der Fassung gemäss dem Bundesgesetz über das Stabilisierungspro- gramm 1998, das am 1. Januar 2001 in Kraft tritt; für Erträge aus Wohnrecht besteht dann kein Steuerprivileg mehr). Hinsichtlich der Gegenleistung beim entgeltlich eingeräumten Wohnrecht fehlt es an einer ausdrücklichen Regelung. bb) Wirtschaftlich betrachtet kommt die Einräumung eines Wohnrechts gegen angemessenes Einmalentgelt zunächst einer blos- sen Vermögens umschichtung gleich; der Einnahme steht eine ent- sprechende (vorübergehende) Verminderung des Grundstückswerts gegenüber (Locher, a.a.O., S. 187). Während der Ausübung des Wohnrechts nimmt dieser Minderwert des Grundstücks ab, entspre- chend der sich verringernden Restdauer des Wohnrechts. Eine ent- sprechende steuerliche Behandlung ist auch im Rahmen des "Prakti- kabilitätskonzepts" möglich und nach Locher (a.a.O., S. 208 ff.) selbst ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung geboten; grundsätz- lich fällt ja das Einkommen aus der entgeltlichen Einräumung eines Wohnrechts unter die Definition der steuerbaren Einkünfte (§ 22 Abs. 1 Ingress und lit. e StG) und wird vom Katalog der steuerfreien Einkünfte nicht erfasst. Anstelle der sofortigen Besteuerung des ge- samten Entgelts (mit der Begründung, die aktuelle Verminderung des Grundstückswerts sei nur vorübergehend) tritt die "ratenweise" Er- fassung des Einmalentgelts für die Einräumung des Wohnrechts, verteilt auf die Zeit von dessen Bestehen. Dass dem aus dem Wohn- recht Berechtigten kein entsprechender Abzug zusteht, spricht nicht gegen die Richtigkeit dieser Auffassung, da die Kosten für Beschaf- 2000 Kantonales Steuerrecht 147 fung von Wohnraum zu den nicht abzugsberechtigten Unterhaltsauf- wendungen (§ 27 lit. a StG) gehören (in gleicher Weise sind die Mieteinnahmen beim Vermieter steuerpflichtig, während der Mieter seine Ausgaben für Wohnungsmiete steuerlich nicht absetzen kann). cc) Aufgrund dieser Überlegungen erweist sich der - nicht näher begründete - Einwand der Vorinstanz, die Steuerbehörden erfassten mit ihrem Vorgehen Einkommen, für dessen Besteuerung es an einer gesetzlichen Grundlage fehle, nicht als schlüssig. Vielmehr erscheint das Vorgehen der Steuerbehörden im Ergebnis, wenn auch nicht un- bedingt in der Begründung, zutreffend. Anders verhielte es sich nur, wenn der Beschwerdegegner den Betrag von Fr. 89'500.-- im Bemes- sungsjahr 1992 vollumfänglich als Einkommen versteuert hätte (vgl. die folgende Erw. dd), was aber aufgrund der Akten auszuschliessen ist. dd) Dieses Ergebnis wird durch Überlegungen zur buchhalteri- schen Behandlung bestätigt. Wenn der Beschwerdegegner bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine Buchhaltung geführt hätte, wären für den gesamten Kaufpreis von Fr. 285'500.-- aufgrund der steuerrechtlichen Aktivierungspflicht Höherbuchungen auf den ent- sprechenden Aktivkonten (Boden, Gebäude, Vieh usw.) vorzuneh- men gewesen. Ohne Gegenbuchungen in gleicher Höhe hätte sich aus dem Kaufvertrag ein Gewinn ergeben. Neben den neuen Schul- den in Höhe von Fr. 166'000.-- und einer Privateinlage von Fr. 30'000.-- mussten also die fraglichen Fr. 89'500.--, um nicht als Gewinn bzw. Einkommen zu erscheinen, passiviert werden, sei es als Rückstellung im Sinne einer vorübergehenden Wertberichtigung des Grundstücks oder als Rückstellung für die künftigen Verpflichtungen aus dem Wohnrecht. Dass der Beschwerdegegner die Eröffnungsbilanz erst ein hal- bes Jahr später erstellte, kann hieran nichts ändern. c) Aus den vorangehenden Darlegungen ergibt sich, dass die Steuerkommission O. insoweit berechtigterweise von der einge- 2000 Verwaltungsgericht 148 reichten Bilanz abwich, als sie diese um eine jährlich zu vermin- dernde Rückstellung ergänzte. Ihre Berechnungsweise erscheint allerdings nicht sachgerecht. Die Amortisationsrate aufgrund des Durchschnitts der statistischen Lebenserwartungen der beiden Berechtigten zu ermitteln, ist allen- falls angezeigt bei Naturalienlieferungs- und Tischrechten, wo die Leistung beim Tod des erstversterbenden Berechtigten auf die Hälfte zurückgeht. Wenn jedoch, wie im vorliegenden Fall, das Wohnrecht mit dem Tod des Erstversterbenden keine Reduktion erfährt - ab- gesehen von einer möglichen minimen Verringerung der Neben- kosten -, muss von Anfang an mit der höheren der beiden Lebenser- wartungen (im konkreten Fall derjenigen von V.S.: 27,81 Jahre) gerechnet werden. Andernfalls kommt es zur paradoxen Folge, dass sich die voraussichtliche Dauer des Wohnrechts erhöht, wenn der Berechtigte mit der kürzeren Lebenserwartung stirbt; offensichtlich wird aber durch sein Ableben die voraussichtliche Nutzung des Wohnrechts durch den überlebenden Berechtigten (mit der längeren Lebenserwartung) nicht beeinflusst. Im vorliegenden Fall ist deshalb mit einer jährlichen Amortisa- tionsrate von Fr. 3'218.-- (Fr. 89'500.-- : 27,81) zu rechnen.
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2003 Verwaltungsgericht 112 [...] 33 Kanalisationsanschlussgebühr. - Rechtsnatur der Kanalisationsanschlussgebühr (Erw. 3.3). - Die Gebühr bei Ersatzbauten muss (weitgehend) gleich geregelt wer- den wie bei Um- und Erweiterungsbauten (Erw. 3.6). BGE vom 1. September 2003 (2P.78/2003) in Sachen Stadt Baden/A. AG Sachverhalt Gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 28. Novem- ber 2002 (s. AGVE 2002, S. 163 ff.) erhob die Stadt Baden staatsrechtliche Beschwerde. Aus den Erwägungen 3.3 Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts handelt es sich bei der "Kanalisationsanschlussgebühr des aargauischen Rechts" nicht um eine Gebühr im rechtstechnischen Sinne, welche das Ent- gelt für die Inanspruchnahme der Verwaltung bzw. für die Benützung einer öffentlichen Einrichtung darstellt, sondern um eine Vorzugslast, welche den besonderen wirtschaftlichen Vorteil, der dem Eigentümer aus der Entwässerung seines Grundstückes (als eine der Vorausset- 2003 Abgaben 113 zungen für die Überbaubarkeit) erwächst, abgelten soll (E. II/3, S. 10 des angefochtenen Entscheids mit Hinweis auf AGVE 1984, S. 271 f.; vgl. auch ZBl 89/1988, S. 206). Eine klassische Gebühr sei dagegen die von den Eigentümern periodisch erhobene Benüt- zungsgebühr. Diese Auffassung wird von der Beschwerdeführerin nicht, jedenfalls nicht explizit, in Frage gestellt. Nach den Vorgaben des eidgenössischen und kantonalen Rechts könnten die hier fraglichen einmaligen Abgaben sowohl als Gebühr als auch als Vorzugslast (Beitrag) ausgestaltet sein (vgl. Art. 60a des Bundes- gesetzes über den Schutz der Gewässer [GSchG; SR 814.20] vom 24. Januar 1991 - "mit Gebühren oder andern Abgaben" - sowie § 34 Abs. 2 BauG/AG, wonach die Gemeinden für die Abwasserbe- seitigung Vorzugslasten erheben "können" und, soweit zur Deckung der Kosten notwendig, Gebühren erheben müssen; vgl. Ernst Kistler/René Müller, Baugesetz des Kantons Aargau, 2. Aufl., Lenzburg 2002, § 34 N 9). Dass die vorliegende Abgabe nicht schon bei der Bereitstellung der öffentlichen Kanalisation bzw. mit der gewährten Anschlussmöglichkeit, sondern erst mit Erteilung der Baubewilligung, d.h. bei unmittelbar bevorstehender tatsächlicher Inanspruchnahme der Abwasseranlagen geschuldet ist (§ 41 AR), spricht eher für die Einstufung der Abgabe als eigentliche Anschlussgebühr (vgl. etwa BGE 106 Ia 241 E. 3b S. 242 f.; Urteil 2P.121/2001 vom 18. August 2001, E. 2b; Ulrich Häfelin/Georg Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl., Zürich 2002, Rz. 2650; René A. Rhinow/Beat Krähenmann, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Basel/Frankfurt a.M. 1990, Nr. 111 B Ib bzw. Nr. 110 B VII), ebenso der Umstand, dass die Abgabe nicht nach der (maximal) möglichen, sondern gemäss der tatsächlichen Nutzung des Grundstückes berechnet wird. Im Übrigen kann auch für die Bemessung von Gebühren auf das Ausmass des dem Pflichtigen erwachsenden Vorteils abgestellt werden (vgl. BGE 109 Ib 308 E. 5b S. 314; 101 Ib 462 E. 3b S. 467; 97 I 193 E. 6 S. 204). Die Frage der Rechtsnatur der streitigen Kausalabgabe ist jedoch, wie sich zeigen wird, für den vorliegenden Streitfall nicht ausschlaggebend. (...) 2003 Verwaltungsgericht 114 3.6 Die vom Grundeigentümer zur Finanzierung der Abwas- serentsorgung neben den periodischen Benützungsgebühren zu ent- richtenden einmaligen Abgaben, welche vorab die Investitionsausga- ben decken sollen, können als Vorzugslast (Mehrwertbeitrag) oder als Anschlussgebühr konzipiert sein. Die Vorzugslast ist im Allge- meinen bereits dann geschuldet, wenn die öffentliche Anlage fertig gestellt ist und dem Grundeigentümer für den Anschluss einer allfäl- ligen Baute zur Verfügung steht: der abzugeltende Sondervorteil wird abstrakt, d.h. nach der möglichen Nutzung des Grundstückes, be- stimmt. Die Anschlussgebühr (welche auch zusätzlich zu Mehrwert- beiträgen erhoben werden kann) will dagegen den tatsächlichen An- schluss an das öffentliche Netz, den "Einkauf" in dieses, abgelten; sie bestimmt sich regelmässig nach Art und Grösse der errichteten Baute. Die vorliegend streitige Abgabe erfüllt, wie dargelegt, im Wesentlichen die Merkmale einer Anschlussgebühr. Die im Abwas- serreglement von 1989 vorgesehenen Bemessungskriterien (Brand- versicherungswert, Grösse der Hartflächen) berücksichtigen einer- seits das Interesse des Grundeigentümers, welches im Wert der ange- schlossenen Baute zum Ausdruck kommt, und tragen andererseits, durch Abstellen auf die Hartflächen, bereits auch der Menge des anfallenden Meteorwassers Rechnung, wie dies das in Art. 60a GSchG verankerte Verursacherprinzip verlangt, welches seine Wir- kung im Übrigen insbesondere bei den periodischen Benützungsge- bühren entfaltet. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, wonach für eine derartig konzipierte Anschlussgebühr zwischen Um- und Erweiterungsbauten einerseits und Ersatzbauten andererseits kein grundsätzlicher Unterschied gemacht werden darf, lässt sich verfas- sungsrechtlich nicht beanstanden. Wenn bei Um- und Erweiterungs- bauten nur der bauliche Mehrwert der veränderten Baute sowie die zusätzlich geschaffene Hartfläche durch eine ergänzende Anschluss- gebühr erfasst wird, muss diese Betrachtungsweise konsequenter- weise auch für Ersatzbauten gelten. Das drängt sich bis zu einem gewissen Grad schon aus praktischen Gründen auf, da zwischen Um- und Erweiterungsbauten und eigentlichen Ersatzbauten keine scharfe Trennung gemacht werden kann. Bei Um- und Erweiterungsbauten kann die neu geschaffene Bausubstanz wert- und volumenmässig 2003 Abgaben 115 neben der verbliebenen Altsubstanz derart dominieren, dass der Vor- gang baulich und wirtschaftlich der Erstellung einer Ersatzbaute gleich- oder nahekommt. Das Reglement macht in dieser Hinsicht keinerlei Differenzierung und es stellt auch nicht darauf ab, aus wel- chem Grunde eine Baute abgebrochen wird und wie lange sie be- standen hat. Während Um- und Erweiterungsbauten, unabhängig vom Verhältnis der alten zur neuen Bausubstanz, gemäss § 40 AR nur für die zusätzlich geschaffenen Grössen mit einer Anschlussge- bühr belastet werden, schreibt § 43 AR für Ersatzbauten, unabhängig von der Grösse der abgebrochenen Altbaute und auch unabhängig vom Grund des Abbruches, gleich wie für erstmals angeschlossene Neubauten die Erhebung der vollen Anschlussgebühr vor. Die Er- richtung einer Ersatzbaute würde sogar die volle Anschlussgebühr neu auslösen, wenn sie für die Abwasseranlage eine geringere Belas- tung darstellen würde als die beseitigte Altbaute; im Gegensatz dazu gewährt § 40 Abs. 3 AR bei Umbauten, die zu einer Reduktion der Hartfläche führen, sogar die Rückerstattung der Anschlussgebühren. Wenn das Verwaltungsgericht in der unterschiedlichen Berechnung der Anschlussgebühr bei Um- und Erweiterungsbauten einerseits und Ersatzbauten andererseits einen Verstoss gegen das Gleichbehand- lungsgebot erblickte und der Regelung von § 43 AR die Anwendung versagte, lässt sich dies verfassungsrechtlich nicht beanstanden. Auch in der Lehre wird postuliert, dass Ersatzbauten bezüglich der Anschlussgebühr wie Umbauten zu behandeln seien bzw. dass ledig- lich für die Differenz gegenüber dem früheren Zustand eine Zusatz- gebühr zu erheben sei (Werner Spring/Rudolf Stüdeli, Die Finanzie- rung kommunaler Abwasseranlagen, Schriftenfolge Nr. 41/Schwei- zerische Vereinigung für Landesplanung, Bern 1985, S. 51; Peter Karlen, Die Erhebung von Abwasserabgaben aus rechtlicher Sicht, in: URP 1999 S. 568, mit Hinweisen; vgl. auch das Urteil des bernischen Verwaltungsgerichts vom 7. April 1998, in: BVR 1998 S. 465 f.). Dass das Bundesgericht in einem unveröffentlichten Urteil vom 31. Mai 1994 (2P.161/1992) es als nicht willkürlich erachtet hatte, die Errichtung von zwei Mietshäusern mit unterirdischen Parkplätzen, die anstelle von drei abgebrochenen, 1914 erbauten Gebäuden auf einer neu parzellierten Fläche erstellt wurden, für die 2003 Verwaltungsgericht 116 Bemessung der Anschlussgebühr wie eine Neubaute und nicht wie eine blosse Umbaute oder Erweiterung zu behandeln, steht dieser Beurteilung nicht entgegen (vgl. zu diesem Urteil Karlen, a.a.O., S. 568). Es wird weder behauptet noch dargetan, dass im vorliegen- den Fall zwischen der beseitigten Altbaute und der Ersatzbaute be- züglich Alter und Nutzungszweck eine ähnliche Diskrepanz bestan- den habe. Das von der Gemeinde herangezogene Kriterium des Le- bensalters einer Baute findet im fraglichen Reglement, wie das Ver- waltungsgericht ohne Willkür annehmen konnte, keine Grundlage. An diesem Ergebnis würde sich auch nichts ändern, wenn die hier fragliche Abgabe gemäss der Auffassung des Verwaltungsge- richts als Vorzugslast einzustufen wäre. Es läge auch in diesem Fall bezüglich der finanziellen Folgen von Umbauten und Ersatzbauten eine rechtsungleiche Behandlung vor. 3.7 Dass auch Gemeinden, deren Gebiet weitgehend überbaut ist und in denen vermehrt nur noch Umbauten und Ersatzbauten ent- stehen, auf Abgaben zur Finanzierung der Erneuerung ihrer Abwas- seranlagen angewiesen sind, steht ausser Frage. Soweit die öffentli- che Abwasseranlage neu erstellt oder in einer allen Liegenschaften zugute kommenden Weise ausgebaut wird, können zusätzliche An- schlussgebühren generell auch für bereits angeschlossene Liegen- schaften erhoben werden (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2P.45/2003 vom 28. August 2003, E. 5.3). Im Übrigen verbleibt der Gemeinde die Möglichkeit, auch für Umbauten und Ersatzbauten nach einem den heutigen Finanzbedürfnissen entsprechenden Satz ergänzende Anschlussgebühren zu erheben; sie hat sich bei der Erfassung solcher Tatbestände aber an die Schranken der Rechtsgleichheit zu halten.
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2005 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 197 [...] 41 Planungspflicht in Bezug auf eine Mobilfunkanlage innerhalb der Bau- zone. - Rekapitulation der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Pla- nungspflicht von Mobilfunkanlagen inner- und ausserhalb der Bauzo- nen (Erw. 4.2). 2005 Verwaltungsgericht 198 - Mobilfunkanlagen sind sowohl in Wohn- als auch in Mischzonen zu- lässige Infrastrukturanlagen, womit eine Planungspflicht entfällt (Erw. 4.3.1). - Hinweise de lege ferenda (Erw. 4.3.2). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 27. Oktober 2005 in Sachen B. und Mitb. gegen Stadtrat Baden (Sprungbeschwerde). Aus den Erwägungen 1. 1.1. Die Beschwerdegegnerin beabsichtigt, auf dem Flach- dach des Bürogebäudes an der Stadtturmstrasse 10 (Gebäude Nr. 2342) eine GSM/UMTS-Mobilfunkanlage zu erstellen. Das Bauprojekt umfasst die Installation von neun Sendern, wovon je drei Sender mit je 632, 680 und 1'000 Watt. Die Sendeantennen würden an zwei Stahlmasten ca. 28 m über Terrain montiert. Weiter ist die Angliederung von vier Richtfunkantennen vorgesehen. 1.2 Die Parzelle Nr. 1354 liegt gemäss dem Bauzonenplan der Stadt Baden vom 23. Oktober 2001 / 2. April 2003 in der Kernzone (K) 5. Die Kernzonen sind für Wohn-, Dienstleistungs- und Gewer- bebauten sowie Läden bestimmt; in den Kernzonen K5 sind zudem Einkaufszentren zulässig (§ 16 Abs. 1 der Bau- und Nutzungsord- nung der Stadt Baden [BNO] mit den gleichen Beschluss- und Ge- nehmigungsdaten wie der Zonenplan). (...) 4. 4.1. Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung der Pla- nungspflicht. Raumwirksame Aufgaben im Sinne von Art. 2 RPG lägen vor, wenn die zu ihrer Erfüllung angestrengten Tätigkeiten die Nutzung des Bodens oder die Besiedlung des Landes veränderten oder bestimmt seien, diese zu erhalten (Art. 1 Abs. 1 RPV). Als raumwirksam gelte somit der gezielte, gewollte und in seinen Folgen absehbare Einfluss auf die räumliche Ordnung eines bestimmten Ge- biets. Einzelbauvorhaben seien dann der Planungspflicht zu unter- stellen, wenn eine umfassende Beurteilung der raum- und umweltre- levanten Gesichtspunkte unumgänglich erscheine. Gerade dies treffe 2005 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 199 auf einzelne Mobilfunkanlagen zu. Diese dürften nicht isoliert, sondern müssten als Teil eines umfassenden Netzes und im Zusammenhang mit entsprechenden Anlagen anderer Betreiber be- trachtet werden. Es sei auch mit dem Demokratieverständnis nicht vereinbar, wenn derart raumrelevante Entwicklungen, wie sie zur Zeit bei der Telekommunikation stattfänden, nach reinen Marktme- chanismen ohne jede Einflussnahme durch die betroffene Bevölke- rung ablaufen könnten. 4.2. Bau- und auch Ausnahmebewilligungen haben den plane- rischen Stufenbau zu beachten. Für Bauten und Anlagen, die ihrer Natur nach nur in einem Planungsverfahren angemessen erfasst wer- den können, dürfen deshalb keine Ausnahmebewilligungen nach Art. 24 RPG erteilt werden. Zieht ein nicht zonenkonformes Vorha- ben durch seine Ausmasse oder seine Natur bedeutende Auswir- kungen auf die bestehende Nutzungsordnung nach sich, so darf es erst nach einer entsprechenden Änderung des Zonenplans bewilligt werden. Wann ein nicht zonenkonformes Vorhaben so gewichtig ist, dass es der Planungspflicht nach Art. 2 RPG untersteht, ergibt sich aus den Planungsgrundsätzen und -zielen (Art. 1 und 3 RPG), dem kantonalen Richtplan und der Bedeutung des Projekts im Lichte der im RPG und im kantonalen Recht festgelegten Verfahrensordnung (BGE 124 II 254 f. mit Hinweis). Diese Rechtsprechung bezieht sich ausschliesslich auf Bauvorhaben ausserhalb der Bauzone und nicht auf zonenkonforme Bauvorhaben innerhalb dieser Zone. Das Bun- desgericht ist im Übrigen der Meinung, von einer einzelnen Mobil- funkanlage gingen keine so gewichtigen Auswirkungen auf die Nutzungsordnung aus, dass eine Änderung der Zonenplanung hierfür erforderlich wäre. Was die Koordination der Antennenstandorte innerhalb der Bauzone anbelangt, hält das Bundesgericht diesbe- zügliche Vorgaben für problematisch, weil grundsätzlich ein An- spruch auf Erteilung der Baubewilligung bestehe, wenn die Anlage dem Zweck der Nutzungszone entspreche, in der sie vorgesehen sei, und die Anforderungen des kantonalen Rechts (namentlich des Baurechts) und des Bundesrechts (namentlich der NISV) erfüllt seien. Eine Prüfung der Standortgebundenheit und eine umfassende Interessenabwägung, wie sie Art. 24 RPG vorsehe, fänden nicht statt. 2005 Verwaltungsgericht 200 Hinzu komme, dass die Konzentration von Mobilfunkantennen auf wenige Standorte zu einer Erhöhung der Strahlungsbelastung in de- ren Umgebung führe, die zumindest in dicht besiedelten Räumen unerwünscht sei und in vielen Fällen die AGW gemäss NISV über- steige (BGE vom 21. September 2001 [1A.316/2000,1P.772/2000], Erw. 5 [Hinweis in URP 16/2002, S. 79]). In einem ebenfalls neueren Entscheid hat das Bundesgericht sodann im Zusammenhang mit dem Projekt einer Mobilfunkanlage ausserhalb der Bauzone die Frage geprüft, ob das betreffende Mobil- funknetz als Ganzes die Kriterien für die Planungspflicht erfülle und deshalb im Richtplan des Kantons oder in einem Sachplan des Bun- des vorgesehen sein müsse. Dazu hat es erwogen, der Aufbau von neuen Telekommunikationsnetzen sei eine komplexe Aufgabe mit erheblichen räumlichen Auswirkungen; sie verlange eine Koordina- tion verschiedener Interessen sowie verschiedener Sach- und Rechts- gebiete (u.a. Fernmelde-, Raumplanungs-, Natur- und Landschafts- schutz- sowie Umweltschutzrecht). Bund und Kantone seien daher grundsätzlich verpflichtet, die nötigen Grundlagen zur Planung und Koordination dieser Aufgabe zu erstellen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 ff. und 13 RPG; Art. 1, 2, 4 ff., 14 ff. RPV). Allerdings erscheine frag- lich, ob ein Sach- oder Richtplan mit konkreten räumlichen und zeit- lichen Vorgaben erforderlich und möglich sei: Der Gesetzgeber habe sich im FMG gegen ein öffentliches Monopol und für einen wirksa- men Wettbewerb beim Erbringen von Fernmeldediensten entschie- den; die von der Eidgenössischen Kommunikationskommission er- teilten Konzessionen verpflichteten die Konzessionärinnen, die Ver- sorgung der Bevölkerung innerhalb eines zeitlich definierten Rah- mens zu realisieren. Grundsätzlich sei es Sache der privaten Mobil- funkbetreiber und nicht des Gemeinwesens, ihr Mobilfunknetz zu planen und geeignete Antennenstandorte hierfür auszuwählen. Auf- gabe der Planung durch Bund und Kantone sei es dagegen, die gebo- tene Koordinierung und Optimierung der Mobilfunknetze sicherzu- stellen und dafür zu sorgen, dass die Interessen der Raumplanung, des Umwelt-, Landschafts- und Heimatschutzes im Konzessions- wie im Bewilligungsverfahren gebührend berücksichtigt würden (BGE vom 24. Oktober 2001 [1A.62/2001, 1P.264/2001], Erw. 6/b 2005 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 201 [auszugsweise wiedergegeben in URP 16/2002, S. 62 ff.]; siehe auch BGE vom 17. November 2003 [1A.116/2002, 1P.306/2002], Erw. 4). 4.3. 4.3.1. Die Baubewilligung stellt eine sogenannte Polizei- erlaubnis dar, mit der festgestellt wird, dass dem ihr zugrundeliegen- den Bauvorhaben keine öffentlichrechtlichen, insbesondere baupoli- zeilichen und raumplanerischen Hindernisse entgegenstehen; dies bedeutet u.a., dass ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Bewilligung besteht, wenn alle (öffentlichrechtlichen) Voraussetzungen erfüllt sind (Erich Zimmerlin, Baugesetz des Kantons Aargau, Kommentar, 2. Auflage, Aarau 1985, § 152 N 5 mit Hinweisen; AGVE 2000, S. 247 f.). Primäre Voraussetzung einer Bewilligung ist, dass die Bauten und Anlagen dem Zweck der Nutzungszone entsprechen (Art. 22 Abs. 2 lit. a RPG). Dies ist hier fraglos der Fall. Generell werden Mobilfunkanlagen als auch in Wohnzonen zonenkonforme Infrastrukturanlagen qualifiziert (erwähnter BGE vom 17. November 2003, Erw. 4.2 mit Hinweisen). Umso mehr muss die Zonenkonfor- mität in einer gemischten Zone wie hier bejaht werden (siehe auch den VGE III/127 vom 17. Dezember 2001 [BE.2001.00095], S. 10 f., betreffend eine Richtstrahlantenne in der Wohn- und Gewerbezone). Die Beschwerdegegnerin bietet Telekommunikationsdienstleistungen an, u.a. im Bereich der Mobilfunktelekommunikation, und betreibt damit offensichtlich ein (Dienstleistungs-)Gewerbe im Sinne von § 16 Abs. 1 BNO (siehe zur einschlägigen Terminologie: Zimmerlin, a.a.O., §§ 130-33 N 10 mit Hinweisen; AGVE 1999, S. 254 f.). Damit besteht kein Raum mehr für eine Planungspflicht ir- gendwelcher Art (...). § 16 Abs. 1 BNO stellt eine hinreichend be- stimmte und daher unmittelbar anwendbare allgemeine Nutzungsvor- schrift im Sinne von § 15 Abs. 1 BauG dar. Wird gestützt darauf eine Baubewilligung erteilt, entsteht kein Konflikt mit dem Prinzip des planerischen Stufenbaus. So zu argumentieren, ist entgegen der Auf- fassung der Beschwerdeführer keineswegs ein "untauglicher Trick", sondern entspricht der geltenden Rechtslage. Das Bundesgericht ist jedenfalls konsequenterweise der Meinung, dass die Rechtsprechung zur bundesrechtlichen Planungspflicht bei Bauvorhaben innerhalb der Bauzonen nicht zum Tragen komme (erwähnter BGE vom 21. September 2001, Erw. 5). 2005 Verwaltungsgericht 202 4.3.2. Die Kritik der Beschwerdeführer ist insofern nicht unbe- rechtigt, als es an einer Koordinierung und Optimierung der Mobil- funknetze namentlich innerhalb der Bauzone weitgehend fehlt. De lege ferenda sollte diese Problematik wohl angegangen werden. Möglicherweise hat man sie beim Erlass des FMG nicht erkannt. Eine Harmonisierung der öffentlichen Interessen ist auf Ge- setzesstufe weitgehend unterblieben; vorhanden sind nur vereinzelte, unsystematische Harmonisierungsregelungen, und ein gesamthaftes Konzept ist nicht ersichtlich. Auch raumplanerische Vorgaben in einem Richt- oder Sachplan gemäss Art. 6 ff. und 13 RPG gibt es bisher nicht. Die rechtsanwendenden Organe sind nicht dazu berufen, die vom Gesetzgeber vernachlässigte Harmonisierungsarbeit zu leisten. Sie sind an die - in der Liberalisierung und Privatisierung gemäss FMG ihren Ausdruck findenden - Wertentscheidungen des Verfassungs- und Gesetzgebers gebunden und dürfen deshalb die Notwendigkeit der geplanten Netzinfrastruktur, den von den Betreibergesellschaften angestrebten Versorgungsgrad oder das Bedürfnis nach einer konkret zu beurteilenden Mobilfunkantenne grundsätzlich nicht mehr überprüfen; der Gesetzgeber hat den Ent- scheid zugunsten mehrerer separater, sich überlagernder Mobil- funknetze beim Erlass des FMG bereits gefällt (siehe Alain Griffel, Mobilfunkanlagen zwischen Versorgungsauftrag, Raumplanung und Umweltschutz, in: URP 17/2003, S. 123 ff. passim; zum Ganzen auch VGE III/82 vom 23. September 2004 [BE.2003.00335], S. 16). Die Beschwerdeführer erblicken hierin zu Unrecht eine wider- sprüchliche Argumentation, weil eine lückenhafte gesetzliche Rege- lung vom Richter nach Massgabe von Art. 2 ZGB ergänzt werden müsse. Bundesgesetze sind für das Bundesgericht und die anderen rechtsanwendenden Behörden massgebend (Art. 191 BV) bzw. ver- bindlich. Zur Lückenfüllung wäre das Verwaltungsgericht nur beru- fen und befugt, wenn eine sich unvermeidlich stellende Rechtsfrage vom Gesetzgeber nicht beantwortet würde (sog. echte Lücke; siehe BGE 125 V 11 f. mit zahlreichen Hinweisen; AGVE 1993, S. 376). Diese Konstellation ist hier aber klarerweise nicht gegeben.
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2007 Verwaltungsrechtspflege 211 VIII. Verwaltungsrechtspflege 48 Nachweis des Vertretungsverhältnisses. Zustellungsfiktion. - Aus der Bekanntgabe eines Vertretungsverhältnisses für eine be- stimmte Steuerperiode muss die Behörde nicht auf die Vertretung in einem hängigen, eine frühere Steuerperiode betreffenden Verfahren schliessen (Erw. 1.1). - Voraussetzungen der Fristwiederherstellung (Erw. 2). - Die Vermutung der Kenntnis des Verfügungsinhalts als Folge der Zu- stellungsfiktion kann dem Adressaten erst entgegengehalten werden, wenn die Verfügung in Rechtskraft erwachsen bzw. vollstreckbar ist (Erw. 3). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 24. Januar 2007 in Sa- chen S.K. gegen Steuerrekursgericht (WBE.2006.360). Aus den Erwägungen 1.1. Die Beschwerdeführerin behauptet, die Veranlagungsverfü- gungen vom 26. August 2004 seien unkorrekt eröffnet worden, da diese an sie persönlich statt an ihre Vertreterin adressiert gewesen seien. Zwar habe auf der Übergangs-Steuererklärung 2001-Ü eine Rubrik für die Bezeichnung eines Vertreters gefehlt; doch habe sie später auf der Steuererklärung 2001 die F. AG als Vertreterin be- zeichnet. Dieses Vertretungsverhältnis sei nie widerrufen worden und habe beim Versand der Veranlagungsverfügungen nach wie vor be- standen. Die Beschwerdeführerin reichte ihre Steuererklärung 2001-Ü (auf der die streitigen Veranlagungen zu gesonderten Jahressteuern 1999 und 2000 basieren; siehe § 263 Abs. 6 StG) im Juli 2001 ein. Jeder Hinweis auf ein Vertretungsverhältnis fehlt; die Angabe eines solchen wäre selbstverständlich auch ohne spezielle Rubrik möglich 2007 Verwaltungsgericht 212 gewesen. Auf der Steuererklärung 2001, eingereicht im Juli 2002, dagegen bezeichnete die Beschwerdeführerin die F. AG als Vertrete- rin. Eine entsprechende Vollmacht wurde ausweislich der Akten nicht eingereicht; dies war auch nicht erforderlich, da die Steuerbehörden das Vertretungsverhältnis ohne weiteres anerkannten. Ohne irgendeinen Hinweis der Beschwerdeführerin oder ihrer Vertreterin, wonach das mit der Steuererklärung 2001 bekannt gegebene Vertre- tungsverhältnis auch für frühere, noch nicht abgeschlossene Steuer- perioden gelte, war die Steuerkommission nicht gehalten, die Veran- lagungen im August 2004 der F. AG als Vertreterin zu eröffnen. 2.1. Auf verspätet erhobene Rechtsmittel wird nur eingetreten, wenn der Steuerpflichtige durch erhebliche Gründe oder durch feh- lende oder unrichtige Rechtsmittelbelehrung an der rechtzeitigen Einreichung verhindert war und das Rechtsmittel innert 30 Tagen nach Wegfall des Hindernisses eingereicht wird (§ 136 Abs. 2 aStG). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, wird die Rechtsmittelfrist wie- derhergestellt (zur Fristwiederherstellung vgl. auch § 31 VRPG i.V.m. § 98 f. ZPO; VGE II/8 vom 11. Februar 2002 [BE.2001.00396], S. 5 ff.). Ein unverschuldetes Hindernis im Sinne dieser Bestimmung liegt nicht nur vor, wenn es dem Betroffenen in- folge eines von seinem Willen unabhängigen Umstandes objektiv unmöglich war, innert Frist zu handeln, sondern auch dann, wenn es objektiv möglich gewesen wäre, die Frist einzuhalten, das Versäum- nis aber aus anderen - subjektiven - Gründen entschuldbar erscheint (VGE II/139 vom 18. Oktober 1994 [BE.94.00068], S. 10; Jürg Baur, in: Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, [1. Aufl.] Muri/Bern 1991, § 136 aStG N 7 mit Hinweisen). Der Wille des Gesetzgebers, subjektive Hinderungsgründe zuzulassen, insbesondere wo diese durch das Verhalten einer Behörde geschaffen wurden, zeigt sich auch darin, dass in § 136 Abs. 2 aStG die fehlende oder unrichtige Rechtsmittelbelehrung als genügender Grund für die Wiederherstel- lung der Frist bezeichnet wird (AGVE 1975, S. 167). 2.2. Die Beschwerdeführerin macht in dieser Hinsicht geltend, sie sei durch die telefonische Auskunft einer Mitarbeiterin des Steu- eramtes - wohl unabsichtlich - irregeführt und dadurch von der recht- zeitigen Einspracheerhebung abgehalten worden. 2007 Verwaltungsrechtspflege 213 3. Nach Meinung der Mehrheit des Steuerrekursgerichts ist es aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen, einen solchen Grund zu be- rücksichtigen. Die Zustellfiktion bewirke, dass mit der ordnungsge- mässen Zustellung die Kenntnis des Verfügungsinhalts unwiderleg- bar vermutet werde. Aufgrund der demgemäss vorauszusetzenden Kenntnis der Beschwerdeführerin vom Inhalt der Veranlagungsver- fügungen habe sie die Unvollständigkeit der Auskunft des Steuer- amtes erkennen können. Auf eine erkennbar unrichtige oder unvoll- ständige Auskunft könne sie sich nicht mit Erfolg berufen. Die Rechtsfigur der Zustellfiktion (siehe dazu StE 2006, B 93.6 Nr. 27 [Bundesgericht]; BGE 130 III 399; 127 I 34; AGVE 2004, S. 270 f.) ist unverzichtbar, wenn einerseits der Anspruch der Privaten auf rechtliches Gehör und auf Kenntnis der sie betreffenden Verfügungen hochgehalten, andererseits das äusserliche Funktionie- ren der Gerichte und der Verwaltung, auch im Umgang mit nach- lässigen, pflichtvergessenen und unredlichen Privaten, ohne unver- hältnismässigen Aufwand sichergestellt werden soll. Sie ergänzt die Zustell- und Eröffnungspflicht der Behörde, die ihr Korrelat in der Entgegennahmepflicht des Adressaten findet, und rechtfertigt sich, weil für die an einem Verfahren Beteiligten nach dem Grundsatz von Treu und Glauben die Pflicht besteht, dafür zu sorgen, dass ihnen behördliche Akte zugestellt werden können (StE 2006, B 93.6 Nr. 27, Erw. 3, 4.1). "Sowohl die Zustellpflicht der Behörde wie auch die Empfangspflicht des Verfahrensbeteiligten sind Pflichten prozessua- ler Natur. Diese sind vernünftig, d.h. weder mit übertriebener Strenge noch mit ungerechtfertigtem Formalismus, zu handhaben" (a.a.O., Erw. 4.1). Diese Anweisung zu vernünftiger Anwendung gilt gerade dann, wenn der Adressat versucht, doch noch effektive Kenntnis der (ordnungsgemäss zugestellten, aber tatsächlich nicht zur Kenntnis gelangten) Verfügung zu erlangen. Die Ansicht des Steuerrekursge- richts, die Behörde könne ihn folgenlos mit unvollständigen oder gar unwahren Angaben daran hindern, ist übermässig formalistisch und geradezu stossend, da dem Anspruch auf faire Behandlung (§ 22 Abs. 1 KV) und dem Grundsatz loyalen Verhaltens (§ 127 Abs. 2 aStG; Baur, a.a.O., § 127 aStG N 7) zuwiderlaufend. Im Übrigen erscheint diese Ansicht auch nicht aus formalen Gründen zwingend, wie die 2007 Verwaltungsgericht 214 Mehrheit des Steuerrekursgerichts offenbar annimmt. Wohl beginnt mit der ordnungsgemässen (fiktiven) Zustellung die Rechtsmittelfrist zu laufen und wird die Verfügung nach deren unbenütztem Ablauf rechtskräftig, sodass nachher dem Adressaten insbesondere der Einwand, er habe die Verfügung gar nicht erhalten und vom Ver- fügungsinhalt keine Kenntnis (und brauche die Verfügung daher nicht zu befolgen), verwehrt bleibt; doch muss ihm deswegen die Kenntnis nicht schon unmittelbar nach der Zustellung unterstellt werden (mit - beispielsweise - der absurden Folge, dass er mangels Interesse nicht verlangen könnte, die Verfügung noch ausgehändigt zu bekommen).
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2001 Schulrecht 155 IV. Schulrecht 39 Anspruch auf Schulgeld für den Besuch einer Privatschule. - Beim Besuch einer Privatschule besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Übernahme der Schulkosten durch das Gemeinwesen (Erw. 2) - Die Dispensierung eines Schülers im neunten Schuljahr vom Unter- richt, eine Ungewissheit von zweieinhalb Wochen über seine schuli- sche Zukunft und ein Schulunterbruch von fünf Wochen können keine Ausnahme für die Übernahme des Schulgeldes durch das Ge- meinwesen begründen. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 23. November 2001 in Sachen C. und A. F. gegen Einwohnergemeinde W. Aus den Erwägungen 2. a) Gemäss § 34 Abs. 1 KV ist der Unterricht an öffentlichen Schulen und Bildungsanstalten für Kantonseinwohner grundsätzlich unentgeltlich. Träger des obligatorischen Unterrichts an den Volks- schulen, wozu namentlich die Primarschule, die Real-, die Sekundar- und die Bezirksschule (Oberstufe) sowie Sonderschulen gehören, sind die Gemeinden oder die Gemeindeverbände (§ 29 Abs. 1 KV; § 52 Abs. 1 SchulG). Der in § 34 Abs. 1 KV statuierte Grundsatz der Unentgeltlich- keit des Unterrichts an öffentlichen Schulen wird im Schulgesetz konkretisiert. Für Kinder und Jugendliche mit Aufenthalt im Kanton ist der Unterricht an den öffentlichen Volks- und Mittelschulen un- entgeltlich (§ 3 Abs. 3 Satz 1 SchulG). Gemäss § 6 SchulG ist die Schulpflicht in der Regel in den öffentlichen Schulen der Wohnge- meinde oder des Schulkreises, zu dem die Wohngemeinde gehört, zu erfüllen. 2001 Verwaltungsgericht 156 Nach klarem Wortlaut der vorerwähnten Normen bezieht sich das Kriterium der Unentgeltlichkeit ausschliesslich auf den Besuch öffentlicher Schulen am Wohnort des schulpflichtigen Kindes. Die Unentgeltlichkeit ist dabei das notwendige Gegenstück zur öffentli- chen Primarschulpflicht (§ 4 Abs. 1 SchulG), denn anders könnte das Schulobligatorium nicht wirksam durchgesetzt werden (Marco Bor- ghi, Kommentar zur schweizerischen Bundesverfassung, Stand Juni 1988, Zürich/Basel/Bern, Art. 27 N 53 ff.). Für den entgeltlichen Unterricht an Privatschulen haben die Betroffenen indessen grund- sätzlich selber aufzukommen (§ 3 Abs. 3 SchulG e contrario). b) Soweit Entgeltlichkeit besteht, können jedoch ausserordentli- che Situationen Sonderheiten herbeiführen, die namentlich den un- terhaltspflichtigen Eltern unverhältnismässige Lasten aufbürden würden. Diese Ausnahmen ergeben sich verfassungsrechtlich aus § 34 Abs. 3 KV, wonach die Träger der Schulen für Kinder, die we- gen der Lage ihres Wohnortes, aus sozialen Gründen oder wegen einer Behinderung benachteiligt sind, für ausgleichende Massnah- men zu sorgen haben (§ 34 Abs. 1 und 3 KV; AGVE 1986, S. 143 ff.): Bei abseits gelegenen Wohnorten kann sich aufdrängen, den Schulpflichtigen den Besuch ausserkantonaler Schulen zu ermögli- chen. Soziale Benachteiligung oder Invalidität, die insbesondere die Unterrichtung Schulpflichtiger in Sonderschulen und Heimen erfor- dern, können finanzielle oder reale Hilfe gebieten (Kurt Eichenber- ger, Verfassung des Kantons Aargau, Textausgabe und Kommentar, Aarau/Frankfurt am Main/Salzburg 1986, § 34 N 1 ff.). c) Ein gesetzlicher Anspruch auf auswärtigen, unentgeltlichen Schulbesuch besteht, wenn die Aufenthaltsgemeinde die betreffende Schulstufe oder den Schultyp nicht führt (§ 52 Abs. 1 SchulG) oder beim Vorliegen triftiger Gründe. Triftige Gründe werden nach der Praxis angenommen, wenn aufgrund besonderer Verhältnisse die An- wendung der allgemeinen Regel des Schulbesuchs am Wohnort (§ 6 Abs. 1 SchulG) nicht sachgerecht erscheint und zu Härten und Un- billigkeiten führen würde. Als triftige Gründe wurden von der Recht- sprechung u.a. eine massive, objektive Störung der Eltern-Lehrer Beziehung anerkannt, wenn diese sich auf das Lehrer-Schüler Ver- hältnis auswirkt und damit der Unterrichtserfolg und eine gesunde 2001 Schulrecht 157 Persönlichkeitsentwicklung des Kindes in Frage gestellt werden (AGVE 1995, S. 606; zu andern Gründen: AGVE 1996, S. 212 [Al- leinerziehender Elternteil ohne genügende Betreuungsmöglichkeit am Wohnort]; AGVE 1989, S. 503 und Verwaltungspraxis der Bun- desbehörden [VPB] 48/III/1984, S. 263 [Unzumutbarer Schulweg]). Diese Rechtsprechung wurde anlässlich der Schulgesetzrevision vom 17. März 1998 (Inkrafttreten am 1. August 1998) in die gesetzliche Regelung von § 6 Abs. 2 SchulG überführt, wonach der Schulbesuch ausserhalb der Wohn- bzw. Aufenthaltsgemeinde aus wichtigen Gründen die Unentgeltlichkeit gemäss § 3 Abs. 3 SchulG nicht auf- hebt. d) S. hat ab dem 9. Dezember 1999 keine öffentliche Schule ausserhalb der Wohngemeinde besucht, sondern eine Privatschule, für die grundsätzlich kein Anspruch auf Schulgelder besteht (vgl. Erw. a hievor). Nach dem Schreiben des Gemeinderates W. vom 16. Dezember 1999 hätte S. ab Januar 2000 die Realschule in U. be- suchen können, wofür die Gemeinde eine Kostengutsprache geleistet hätte (Klageantwortbeilage 4). Bleibt zu prüfen, ob im konkreten Fall allenfalls triftige Gründe für die ausnahmsweise Übernahme von Schulgeldern einer Privatschule vorlagen. aa) Die Kläger machen geltend, die Dispensierung S. vom Schulunterricht sei unzulässig gewesen, da sie nicht vom zuständigen Erziehungsdepartement ausgesprochen worden sei. Tatsächlich ist der Ausschluss eines Schülers vom Unterricht in Pflicht- und Wahlpflichtfächern sowie die Wegweisung von der Schule vor Vollendung der Schulpflicht nur durch das Erziehungsde- partement und nur in Ausnahmefällen zulässig. Für die Dauer eines Verfahrens um Einweisung in ein Erziehungsheim kann das Erzie- hungsdepartement in Abstimmung mit der Vormundschaftsbehörde auf Antrag der Schulpflege einen Schüler ausschliessen, wenn der ordentliche Schulbetrieb anders nicht gewährleistet werden kann (§ 38a Abs. 2 und 3 SchulG). Auch wenn die Schulpflege S. unzuläs- sigerweise vom Unterricht dispensiert haben sollte (diese Frage ist im vorliegenden Verfahren nicht abschliessend zu klären), hat dies nicht zur Folge, dass die Gemeinde die Kosten für den Privatschul- besuch zu tragen hat. Das adäquate Mittel, sich gegen einen unzuläs- 2001 Verwaltungsgericht 158 sigen Dispensierungsentscheid zu wehren, wäre die Beschwerde an den Bezirksschulrat gewesen (§ 77 Abs. 3 SchulG). Da die Kläger statt einer Beschwerde die Lösung einer Privatschule vorgezogen haben, begründet das Vorgehen der Schulpflege keinen wichtigen Grund, die Gemeinde das Schulgeld für den Privatschulbesuch tra- gen zu lassen. bb) Die Kläger führen aus, sie hätten bis am 11. Dezember 1999 keinen definitiven Entscheid gehabt, ob S. wieder in eine öffentliche Schule gehen könne. Klar sei einzig gewesen, dass ein Übertritt nicht vor Januar 2000 - mithin rund sechs Wochen nach der Dispensie- rung - erfolgen könne. Sie seien einzig am 4. Dezember 1999 vom Schulpfleger Z. mündlich informiert worden, dass erste Kontakte mit der Realschule U. stattgefunden hätten. Die Möglichkeit eines Über- trittes sei aber immer als sehr unsicher dargestellt worden. Insofern machen die Kläger geltend, die Zeit, in welcher sie keine Informatio- nen über die schulische Zukunft ihres Sohnes hatten, sei zu lange gewesen, weshalb sie sich nach einer geeigneten Privatschule hätten umsehen müssen. An der Verhandlung wurde klar, dass, obwohl die Schulpflege unmittelbar nach der Dispensierung von S. Gespräche mit der Schul- pflege U. über einen möglichen Übertritt führte, für die Eltern bis zum 11. Dezember 1999 nicht klar war, ob ein Übertritt nach U. tatsächlich klappen würde. Das undatierte Schreiben der Schulpflege an den Gemeinderat, welches bei diesem am 7. Dezember 1999 ein- getroffen ist und worin der provisorische Entscheid festgehalten wurde, dass S. auf den 3. Januar 2000 nach U. wechseln könne, ist den Klägern nicht zugestellt worden. Allerdings hat der Schulpfleger Z. den Klägern diese provisorische Zustimmung der Schulpflege U. am 4. Dezember 2001 telefonisch mitgeteilt. Schon ab dem Tag der Dispensation liefen die Abklärungen und Kontakte zwischen den zuständigen Behörden in W. und U. So konnte schon auf den 11. Dezember 1999 - rund zweieinhalb Wochen nach der Dispensierung - zu einer Sitzung zwischen den zuständigen Behörden und den Lehrkräften eingeladen werden, um das weitere Vorgehen für den Übertritt abzuklären. Der Informationsfluss zwischen den Klägern und der Schulpflege war in dieser Phase zwar 2001 Schulrecht 159 nicht optimal. Dies kann aber nicht allein der Schulpflege angelastet werden. Auch den Klägern kann zugemutet werden, dass sie von sich aus bei den Behörden nachfragen, wie es weitergehen soll, wenn sie keine diesbezüglichen Informationen erhalten. Hätten sie dies getan, so hätten sie erfahren, dass die Abklärungen mit U. schon weit fort- geschritten waren und die Behörden in U. im Grundsatz einer Auf- nahme von Stefan zugestimmt hatten. Allein die Tatsache, dass die Kläger in den zweieinhalb Wochen seit der Dispensierung keinen definitiven Entscheid über die Aufnahme von Stefan in U. bekamen, kann somit keinen triftigen Grund für die Übernahme des Privat- schulgeldes bilden. cc) Weiter bringen die Kläger vor, die allfällige Lösung mit der Realschule in U. hätte frühestens auf Anfang Januar realisiert werden können. Ein Schulunterbruch von sechs Wochen sei aber für S. un- zumutbar gewesen, weshalb es sich aufgedrängt habe, nach einer sofortigen Lösung zu suchen. Diese habe sich dann auch mit der Pri- vatschule "H." in B. ergeben, wo S. schon ab dem 9. Dezember 1999 wieder habe zur Schule gehen können. Nach Abzug der Weihnachtsferien hätte sich die unterrichtsfreie Zeit für S. bis zu einem allfälligen Übertritt nach U. auf fünf Wochen belaufen. Ein Schulunterbruch von fünf Wochen für sich alleine er- scheint noch nicht als ausreichend, damit sich der Besuch einer Pri- vatschule aufgedrängt hätte. Ausserdem hätten die Kläger verlangen können, dass die Dis- pensierung für die verbleibende Zeit bis zu den Weihnachtsferien aufgehoben würde, nachdem feststand, dass sich bis im Januar keine Lösung abzeichnen würde. Oder sie hätten eine adäquate Aufgaben- stellung durch den zuständigen Lehrer verlangen können, damit ein minimaler Unterricht für S. gewährleistet gewesen wäre. Ein Aus- nahmetatbestand, welcher die Übernahme des Schulgeldes für die Privatschule rechtfertigen würde, ist durch den Unterbruch von fünf Wochen nicht erfüllt.
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2004 Verwaltungsrechtspflege 275 [...] 71 Besetzung des Gerichts. - Die Mitwirkung des Instruktionsrichters beim Endentscheid ist üb- lich, aber nicht unerlässlich. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 16. Dezember 2004 in Sachen P.B. gegen Steuerrekursgericht. Aus den Erwägungen 2. a) Der Beschwerdeführer macht geltend, das Steuerrekursge- richt sei bei seinem Entscheid unkorrekt besetzt gewesen, da der Präsident H.J. Müllhaupt während des ganzen Verfahrens als Instruk- tionsrichter geamtet, beim Entscheid aber gefehlt habe. b) Das Steuerrekursgericht besteht aus einer Präsidentin oder einem Präsidenten, 4 weiteren Mitgliedern und 4 Ersatzmitgliedern. Weiter gehören ihm Gerichtsschreiber - hier Sekretäre genannt - an (§ 167 Abs. 1 StG; § 167 Abs. 5 StG i.V.m. § 61 GOG). Die Ent- scheide werden in der Besetzung mit 3 oder 5 Richtern und einem Gerichtsschreiber gefällt (§ 167 Abs. 1 StG; § 57 Abs. 3 GOG). Mit Beschluss des Grossen Rates vom 25. Februar 2003 wurde das Pen- sum des Präsidenten H.J. Müllhaupt auf dessen Antrag von 100 % auf 80 % reduziert; gleichzeitig wurde U. Michel mit einem Pensum von 20 % als Präsident II des Steuerrekursgerichts eingesetzt. Unter Instruktion ist die Leitung des Verfahrens zu verstehen mit dem Ziel, das Verfahren bis zur Entscheidungsreife zu führen (Michael Merker, Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege [Kommentar zu den §§ 38-72 VRPG], Diss. Zürich 1998, § 57 N 2). Sie erfolgt beim Steuerrekursgericht durch einen Richter (wobei aus praktischen Gründen wohl nur die Präsidenten in Frage kommen) oder einen Gerichtsschreiber (§ 197 Abs. 1 StG). Zwar ist es üblich, dass der instruierende Richter oder Gerichtsschreiber beim Entscheid 2004 Verwaltungsgericht 276 mitwirkt, schon aus verfahrensökonomischen Gründen, doch ist dies nicht vorgeschrieben (der Beschwerdeführer vermag denn auch keine entsprechende Norm anzuführen). Abweichungen kommen immer wieder vor (beispielsweise bei Erkrankung), ohne dass deswegen der Entscheid - der in zahlenmässig korrekter Besetzung, aber ohne den Instruktionsrichter gefällt wurde - einen Mangel aufwiese. c) Es ist somit festzuhalten, dass das Steuerrekursgericht den angefochtenen Entscheid in korrekter Besetzung gefällt hat.
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AG_VG_001
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AG_VG_001_AGVE-2004-71_2004-12-02
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2009 KantonaleSteuern 129 [...] 27 Mahnung vor Ermessensveranlagung - Mahnung als in der Regel unverzichtbares formelles Erfordernis für die Vornahme von Ermessensveranlagungen. Urteil des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 21. Oktober 2009 in Sa- chen G. gegen Einwohnergemeinde O. und Kantonales Steueramt (WBE.2009.111). Aus den Erwägungen 1. 1.1 Hat die steuerpflichtige Person trotz Mahnung ihre Verfah- renspflichten nicht erfüllt oder können die Steuerfaktoren mangels zuverlässiger Unterlagen nicht einwandfrei ermittelt werden, wird die Veranlagung nach pflichtgemässem Ermessen vorgenommen (§ 191 Abs. 3 StG; vgl. ebenso Art. 46 Abs. 3 StHG und Art. 130 Abs. 2 DBG). 2009 Verwaltungsgericht 130 1.2 Entgegen der Gesetzesformulierung, die auf zwei Tatbestands- varianten hindeutet (Verletzung von Verfahrenspflichten, Fehlen zu- verlässiger Unterlagen), setzen die angeführten Bestimmungen für eine Veranlagung nach pflichtgemässem Ermessen stets einen Un- tersuchungsnotstand voraus (Martin Plüss, in: Kommentar zum Aar- gauer Steuergesetz, 3. Aufl., Muri/Bern 2009, § 191 N 14; Martin Zweifel, in: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht [StHG], Bd. I/1, 2. Aufl., Basel 2002, Art. 46 N 29; Ders. in: Kommentar zum schweizerischen Steuerrecht [DBG], Bd. I/2b, 2. Aufl., Basel 2008, Art. 130 N 30; Markus Berger, Voraussetzungen und Anfechtung der Ermessensveranlagung, in: ASA 75, S. 196). 1.2.1 Das Erfordernis eines Untersuchungsnotstandes hat zum einen zur Folge, dass - ungeachtet der Verletzung von Verfahrenspflichten durch die steuerpflichtige Person - keine Ermessensveranlagung vorzunehmen ist, wenn die Verfahrenspflichtverletzung keinen Un- tersuchungsnotstand zur Folge hat (Zweifel, [DBG], a.a.O., Art. 130 N 30). 1.2.2 Eine andere Folge des Erfordernisses des Untersuchungsnot- stands besteht darin, dass die Steuerbehörden, bevor sie zu einer Ermessensveranlagung Zuflucht nehmen dürfen, die ihnen zur Ver- fügung stehenden Untersuchungsmittel ausschöpfen müssen (vgl. Berger, a.a.O., S. 198; so auch schon Känzig/Behnisch, Die direkte Bundessteuer, 2. Aufl., III. Teil [Art. 65 - 158 BdBSt], Basel 1992, Art. 92 N 2). Insbesondere können sie im Fall der Einreichung un- vollständiger Steuererklärungen oder fehlender Unterlagen nicht ohne weiteres zu einer Ermessensveranlagung schreiten, sondern müssen den Steuerpflichtigen zunächst auffordern die festgestellten Mängel zu beheben und, sofern dieser der Aufforderung nicht nach- kommt, zur Einhaltung seiner Verfahrenspflichten mahnen (vgl. Zweifel [DBG], a.a.O., Art. 130 N 34), da erst nach erfolgloser Mah- nung feststeht, dass die Verfahrenspflichtverletzung des Steuer- pflichtigen auch einen Untersuchungsnotstand zur Folge hatte (bzw. 2009 KantonaleSteuern 131 sich dieser mangels Mitwirkung des Steuerpflichtigen nicht beheben lässt). Dies gilt auch für den Fall einer sog. Veranlagung nach dem Le- bensaufwand. Stellt die Steuerbehörde nach Einreichung der Steuer- erklärung einen Widerspruch zwischen dem deklarierten Einkommen (sowie einer allfällig deklarierten Vermögenszunahme) und dem zu vermutenden Lebensaufwand fest, so muss sie den Steuerpflichtigen zunächst auffordern, diesen Widerspruch aufzuklären und ihre Auf- forderung gegebenenfalls mahnen. Erst wenn sich der Widerspruch trotz Mahnung nicht aufklären lässt, darf und muss die Steuerbehör- de eine Ermessensveranlagung vornehmen (unzutreffend insoweit Martin Plüss, a.a.O., § 191 N 23; auch bei der Ermessensveranlagung nach dem Lebensaufwand ist eine Mahnung erforderlich). Unterbleiben können Aufforderung und Mahnung grundsätzlich nur dann, wenn die steuerpflichtige Person den Sachverhalt der Natur der Sache nach nicht mehr klären kann. Als Beispiel dafür ist der Fall zu nennen, wenn der Steuerpflichtige ein mangelhaftes Kassenbuch vorlegt. Ein nachträglich erstelltes Kassenbuch kann nämlich von vornherein nicht die ihm zugedachte Kontrollfunktion übernehmen und ihm kommt damit keine Beweiskraft zu (vgl. dazu VGE II/57 vom 15. Juli 2009 [WBE.2009.101], S. 8). 2. 2.1 Hier ist unbestritten, dass die Steuerkommission O. den Be- schwerdeführer vor Vornahme der Ermessensveranlagung weder aufgefordert noch gemahnt hat, den Widerspruch aufzuklären zwi- schen dem deklarierten Einkommen und Vermögen von Fr. 0.-- (so- wie der ihr bekannten Einstellung der Sozialhilfezahlungen an ihn per 30. September 2004) einerseits und anderseits der Tatsache, dass er seinen Lebensaufwand im Jahr 2006 auf irgendeine Weise be- stritten haben musste. Die Ermessensveranlagung vom 26. Novem- ber 2007 leidet damit an einem schwerwiegenden Verfahrensfehler. 2.2 Es trifft zu, dass der Beschwerdeführer bereits in den Vorjahren Steuererklärungen eingereicht hatte, mit denen er das gänzliche Feh- len von Einkünften und Vermögen behauptete. Dieser Umstand allein 2009 Verwaltungsgericht 132 kann indessen nicht von der Einhaltung der für die Vornahme einer Ermessensveranlagung massgeblichen Verfahrensnormen dispensie- ren. Dies ist schon deshalb ausgeschlossen, weil jede Veranlagung ein eigenes Verfahren darstellt. Die Veranlagungsbehörden sind denn auch in der Beurteilung von Sachverhalten nicht an ihre bereits in vorangegangenen Steuerperioden vorgenommene Beurteilung des gleichen Sachverhalts gebunden (vgl. Richner/Frei/Kaufmann/ Meu- ter, Kommentar zum harmonisierten Züricher Steuergesetz, 2. Aufl., Zürich 2006, Vorbemerkungen zu § 119 - 131 N 87 mit Hinweisen). 2.3 Entgegen der Auffassung des Steuerrekursgerichts fällt auch die Annahme einer Heilung des festgestellten Mangels im Einsprache- verfahren ausser Betracht. Ermessensveranlagungen können nur we- gen offensichtlicher Unrichtigkeit angefochten werden. Die Einspra- che ist zudem zu begründen und muss allfällige Beweismittel nen- nen, wobei die Begründung der Einsprache sogar ein Gültigkeitser- fordernis bildet (§§ 192 Abs. 2 und 193 Abs. 1 StG, Art. 48 Abs. 2 StHG, Art. 132 Abs. 3 DBG; vgl. zum Ganzen ausführlich Zweifel, [DBG], a.a.O., N 32 ff. sowie Berger, a.a.O., S. 203 ff.). Die ver- schärften Anforderungen an die Rechtsmittelerhebung, noch mehr aber die auf die Feststellung offensichtlicher Unrichtigkeit, d.h. im Ergebnis auf Willkür beschränkte Kognition der Einsprachebehörde bei der Überprüfung von Ermessensveranlagungen (auf welche die Steuerkommission O. in ihrem Entscheid vom 26. Februar 2008 aus- drücklich hinweist), verbieten es, hinsichtlich der fehlenden Mah- nung eine Heilung im Rechtsmittelverfahren anzunehmen.
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AG_VG
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AG_VG_001_AGVE-2009-27_2009-10-02
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2013 Polizeirecht 241 [...] 41 Private Sicherheitsdienste - § 57 Abs. 4 des Polizeigesetzes enthält keine Regelung, wonach der Geschäftsführer eines Sicherheitsdienstleistungsunternehmens über einen eidgenössischen Fachausweis FSB oder FPO des Verbands Schweizerischer Sicherheitsdienstleistungs-Unternehmen (VSSU) verfügen muss. - Es ist binnenmarktrechtswidrig und unverhältnismässig, vom Ge- schäftsführer eines Gesuchstellers, welcher bereits über eine ausser- kantonale Bewilligung verfügt, einen anerkannten eidgenössischen Fachausweis zu verlangen, wenn jener über eine nicht anerkannte Ausbildung sowie Berufspraxis verfügt. - Ausserkantonale Bewilligungen, welche über die persönlichen Voraussetzungen des Geschäftsführers hinaus keine qualitativen An- forderungen stellen, gelten im Kanton Aargau nicht als Fähigkeits- ausweis nach Art. 4 Abs. 1 des Binnenmarktgesetzes. Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 19. November 2013 in Sa- chen A. und Wettbewerbskommission gegen Regierungsrat (WBE.2013.101/112). Aus den Erwägungen 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 242 2.2. Nach § 20 Abs. 1 KV hat jede Person das Recht auf freie Wahl und Ausübung eines Berufes und auf freie wirtschaftliche Betäti- gung. Vorbehalten sind polizeiliche Bestimmungen, die kantonalen Regalrechte und die nach Massgabe des Bundesrechts zulässigen wirtschaftspolitischen Massnahmen (Abs. 2). Die Kantonsverfassung kann die Freiheit der wirtschaftenden Personen nicht enger ziehen als Art. 27 BV und die dazugehörige Rechtsprechung. Der Schutz von Polizeigütern wie Ruhe, Ordnung, Sicherheit, Gesundheit sowie Wahrung von Treu und Glauben im Geschäftsverkehr wird als zu- lässiges öffentliches Interesse zur Einschränkung der Wirtschafts- freiheit angesehen (vgl. K URT E ICHENBERGER , Verfassung des Kan- tons Aargau, Textausgabe mit Kommentar, Aarau/Frankfurt a.M./Salzburg 1986, § 20 N 4, 19). 2.3. Das Legalitätsprinzip (Art. 5 Abs. 1 und 36 Abs. 1 BV; § 2 KV, Erster Halbsatz; § 2 Abs. 1 VRPG) verlangt, dass die gesetzliche Grundlage eine generell-abstrakte Struktur aufweist (Erfordernis des Rechtssatzes), dass der Rechtssatz demokratisch ausreichend legiti- miert ist (Erfordernis des Gesetzes im materiellen bzw. formellen Sinn) und dass er ausreichend bestimmt ist (Erfordernis der genügen- den Normdichte). Je gewichtiger der Grundrechtseingriff, desto hö- here Anforderungen sind an die Normstufe und Normdichte zu stel- len. Schwere Eingriffe benötigen eine klare und genaue Grundlage im formellen Gesetz selbst (vgl. P IERRE T SCHANNEN /U LRICH Z IMMERLI /M ARKUS M ÜLLER , Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl., Bern 2009, § 19 N 2, 42; U LRICH H ÄFELIN /G EORG M ÜLLER /F ELIX U HLMANN , Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl., Zürich/St. Gallen 2010, Rz. 379 ff.; AGVE 2007, 118). 2.4. Gewerbsmässig ausgeübte Tätigkeiten privater Sicherheits- dienste unterstehen der Bewilligungspflicht (§ 57 Abs. 1 PolG). Die Verfügung, welche auf Gesuch hin eine aus polizeilichen Gründen unter Bewilligungspflicht stehende Tätigkeit zulässt, ist eine Polizei- erlaubnis. Für diese ist charakteristisch, dass die darum ersuchende Person einen Rechtsanspruch auf Erteilung hat, wenn sie die gesetz- 2013 Polizeirecht 243 lich festgelegten Voraussetzungen erfüllt (vgl. H ÄFELIN /M ÜLLER / U HLMANN , a.a.O., Rz. 2523, 2534; T SCHANNEN /Z IMMERLI /M ÜL - LER , a.a.O., § 44 N 29; T HOMAS M ERKLI /A RTHUR A ESCHLIMANN / R UTH H ERZOG , Kommentar zum Gesetz über die Verwaltungsrechts- pflege im Kanton Bern, Bern 1997, Art. 77 N 40). Voraussetzungen der Bewilligungserteilung sind die Handlungs- fähigkeit und der gute Leumund der geschäftsführenden Person (§ 57 Abs. 3 PolG). Die Bewilligung wird durch das zuständige Departe- ment für die Dauer von maximal vier Jahren "mit der Auflage erteilt, dass die vom Kanton anerkannten Qualitätsstandards, insbesondere der Branchen-GAV, eingehalten werden" (Abs. 4). Gemäss § 57 Abs. 5 PolG werden nicht aargauische Bewilligun- gen anerkannt, sofern sie gleichwertig sind. 3. 3.1.-3.2. (...) 3.3. 3.3.1. Die Anerkennung ausserkantonaler (und ausländischer) Bewilli- gungen setzt Gleichwertigkeit mit der aargauischen Bewilligung vor- aus. Ausser, dass über die Gleichwertigkeit das DVI entscheidet, ent- hält § 57 Abs. 5 PolG keine weiteren materiellen Anforderungen an die Anerkennung. Für die Gleichwertigkeit ausserkantonaler Bewilli- gungen sind deshalb § 57 Abs. 1 bis 4 PolG massgebend. Die Be- willigungsvoraussetzungen gemäss § 57 Abs. 3 PolG werden unbe- stritten vom Beschwerdeführer 1 erfüllt. § 57 Abs. 4 PolG statuiert, dass die Bewilligung mit der Auflage erteilt wird, dass die "vom Kanton anerkannten Qualitätsstandards" eingehalten werden. Damit enthält das Gesetz einerseits eine Grund- lage, die Bewilligung mit Auflagen zu versehen, Andererseits sieht das Gesetz vor, dass mit der Bewilligung qualitative Anforderungen an die Ausübung des Sicherheitsdienstes verbunden werden können. Exemplarisch als Qualitätsstandard führt das Gesetz die Einhaltung des Branchen-Gesamtarbeitsvertrags (GAV) an. Die ausreichende formell gesetzliche Grundlage für das Be- willigungserfordernis ist gegeben (§ 57 Abs. 1 und 2 PolG) und un- bestritten. Fraglich ist, ob diese Norm mit ausreichender Bestimmt- 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 244 heit den eidgenössischen Fachausweis FSB oder FPO als Voraus- setzung einer Anerkennung ausserkantonaler Bewilligungen bzw. für eine Bewilligungsverlängerung regelt. 3.3.2. Zur Begründung der ausreichenden Normdichte verweist der angefochtene Entscheid auf die Erwägungen im Entscheid vom 30. November 2011. Zur Gesetzmässigkeit des Erfordernis eidge- nössischer Fachausweise erwog die Vorinstanz in diesem Entscheid, dass der Verweis in § 57 Abs. 4 PolG auf die Qualitätsstandards der Sicherheitsbranche ein Anwendungsfall der Anwendbarkeit privater Ausführungsbestimmungen gemäss § 78 Abs. 5 KV sei. Indem das Gesetz die Voraussetzungen einer Bewilligung nicht abschliessend nenne, werde der Verwaltungsbehörde ein pflichtgemäss auszuüben- des Ermessen eingeräumt. Die Kantonspolizei habe auch die Weisun- gen in Zusammenarbeit mit dem Verband Schweizerischer Sicher- heitsdienstleistungs-Unternehmen (VSSU) erarbeitet. 3.3.3. Gemäss § 78 Abs. 5 KV kann "das Gesetz die Anwendbarkeit privater Ausführungsbestimmungen vorsehen". Diese Verfassungs- norm wurde mit den Reformen der Staatsleitung und der Verwal- tungsführung eingeführt, mit dem Ziel, die Möglichkeiten der ge- steuerten Selbstregulierung in der Gesetzgebung vermehrt anzuwen- den. Die Übertragung von Rechtsetzungsbefugnissen an Private be- schränkt sich auf den Erlass von Ausführungsbestimmungen, wie sie in der aargauischen Praxis, insbesondere im Baurecht (VSS-Normen; SIA-Normen und VKF-Normen) schon vor der Reform praktiziert wurde. Hintergrund ist die Rechtssetzung von Normen mit kom- plexen technischen Inhalten, die durch eine Selbstregulierung zu einer höheren Qualität führen können (vgl. zum Ganzen: Botschaften des Regierungsrats vom 18. Juni 2003, 03.150, S. 10 und vom 18. August 2004, 04.205, S. 6 f.). Voraussetzungen und Grenzen der Anwendbarkeit sind im Gesetz zu regeln (§ 78 Abs. 5 Satz 2 KV). Die Voraussetzungen der Bewilligung regelt § 57 Abs. 3 PolG. Nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut ist die Einhaltung der "vom Kanton anerkannten Qualitätsstandards" keine Voraussetzung 2013 Polizeirecht 245 der Bewilligung, sondern eine Auflage für die Ausübung der be- willigten Sicherheitsdienste (Abs. 4). § 57 Abs. 4 PolG erwähnt den Branchen-GAV. Dabei handelt es sich um den Gesamtarbeitsvertrag für den Bereich Sicherheitsdienst- leistungen vom 4. September 2003, abgeschlossen zwischen dem VSSU und der Gewerkschaft UNiA. Dieser Gesamtarbeitsvertrag ist allgemeinverbindlich (AS 2008, S. 1658). Die GAV-Bestimmungen befassen sich in Art. 12 mit der Aus- und Weiterbildung. Danach beträgt für die Mitarbeitenden der Kategorie A im Monatslohn, wel- che vorwiegend in den Bereichen Bewachung, Objekt- und Perso- nenschutz etc. tätig sind (vgl. Art. 2 Ziff. 4 GAV) die Basisausbil- dung mindestens 20 Stunden. Für Mitarbeitende, die vorwiegend im Bereich Anlass, Sicherheitsassistenzdienste, Verkehrsdienste und Geldverarbeitung tätig sind (Kategorie B) und für Mitarbeitende, welche nicht im Monatslohn angestellt sind, ist keine Basisausbil- dung im GAV vorgesehen. Der Gesamtarbeitsvertrag ist für alle ope- rativ tätigen Mitarbeitenden anwendbar. Ausgenommen sind die Di- rektoren, Direktionsmitarbeitende und das nicht operativ tätige Per- sonal (Art. 2 Ziff. 2 GAV). Anforderungen hinsichtlich der berufli- chen Qualifikation oder mit Bezug auf die notwendigen Fähigkeits- ausweise für die Ausübung von Sicherheits- und Bewachungsdienst- leistungen finden sich im GAV nicht (vgl. auch Art. 1 GAV). Es be- stehen keine anderen gesetzlichen Bestimmungen oder Verordnungen des Regierungsrats, welche sich zu den Qualitätsstandards äussern und bestimmte Branchenstandards ausdrücklich anerkennen. Dem Polizeigesetz lässt sich auch keine Delegationsnorm entnehmen, welche vorsieht, dass den Organisations- oder Verbandsregeln des VSSU für die Ausführungsgesetzgebung eine Bedeutung zukommt. 3.3.4. Der Begriff "Qualitätssicherungsstandards" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Mit solchen werden Voraussetzungen für eine Polizei- erlaubnis oft umschrieben und die Bewilligungsbehörde verfügt über einen gewissen Beurteilungsspielraum (vgl. H ÄFELIN /M ÜLLER / U HLMANN , a.a.O., Rz. 2534; T SCHANNEN /Z IMMERLI /M ÜLLER , a.a.O., § 44 N 30; A LFRED K ÖLZ /J ÜRG B OSSHART /M ARTIN R ÖHL , VRG, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 246 Zürich, 2. Aufl., Zürich 1999, § 50 N 73). Insoweit als in § 57 Abs. 4 PolG nur der Branchen-GAV als Beispiel der Qualitätssicherung auf- geführt ist, ergibt sich ein Ermessenspielraum des Departements bei der Konkretisierung des Qualitätsstandards. Nach den Materialien soll die Qualitätssicherung durch die Einhaltung der Branchenstand- ards (Anstellungsbedingungen, Ausbildung) und nicht bloss durch rein formale Kriterien wie Leumund und Handlungsfähigkeit ge- währleistet werden. Für die Branchenstandards wurde im Gesetzge- bungsverfahren ausdrücklich auf den VSSU verwiesen. Diese Mass- nahme der Qualitätssicherung bezieht sich aber auf die Ausübung der Tätigkeit durch Angestellte von Sicherheitsunternehmungen und steht im Zusammenhang mit dem Verzicht auf eine Bewilligungs- pflicht für die Mitarbeitenden (vgl. Botschaft des Regierungsrats des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 5. Mai 2004, 04.131, S. 47). Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist die Zuständigkeit des DVI zur Erteilung der Bewilligung und zur Anerkennung ausser- kantonaler Bewilligungen in § 57 Abs. 4 und 5 PolG (primär) eine Zuständigkeitsnorm und keine Delegation von Rechtsetzungsbefug- nissen. 3.4. Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass das Erforder- nis eines eidgenössischen Fachausweises FSB oder FPO bei einem Geschäftsführer einer gesuchstellenden Sicherheitsunternehmung weder im PolG noch im Gesamtarbeitsvertrag geregelt ist. (...) 4. 4.1. Die Beschwerdeführer rügen im Weiteren, der angefochtene Be- schluss verletze die Bestimmungen des BGBM und halte an Erfor- dernissen fest, welche den freien Marktzugang in unzulässiger Weise beschränkten. 4.2. Nach Art. 2 Abs. 1 BGBM hat jede Person das Recht, Waren, Dienstleistungen und Arbeitsleistungen auf dem gesamten Gebiet der Schweiz anzubieten, soweit die Ausübung der betreffenden Erwerbs- 2013 Polizeirecht 247 tätigkeit im Kanton oder der Gemeinde ihrer Niederlassung bzw. ih- res Sitzes zulässig ist. Der Gesetzgeber verankerte damit das im EU- Recht geltende sogenannte Cassis-de-Dijon-Prinzip, wonach ein Pro- dukt, welches den in einem Land geltenden Anforderungen ent- spricht, auch in anderen Ländern vertrieben werden darf, in ange- passter Form (vgl. BGE 125 I 322, Erw. 2a; Botschaft zum Binnen- marktgesetz vom 23. November 1994, 94.101, in: Bundesblatt [BBl] 1995 I 1213, 1257, 1263 f.). Es gilt mithin für die Zulässigkeit von Waren, Dienst- und Arbeitsleistungen das Herkunftsprinzip. Ein- schränkungen dieses Grundsatzes sind nur unter den engen Voraus- setzungen von Art. 3 BGBM möglich (vgl. BGE 125 I 322, Erw. 2a). Voraussetzung, damit der in Art. 2 BGBM gewährleistete freie Zugang zum Markt überhaupt zum Tragen kommt, ist jedoch, dass die angebotene Ware oder Dienstleistung im Kanton, in welchem die anbietende Person ihren Sitz oder ihre Niederlassung hat, zulässig ist (vgl. K ARL W EBER , Das neue Binnenmarktgesetz, Schweizerische Zeitschrift für Wirtschafts- und Finanzmarktrecht [SZW] 1996, S. 164 ff.). Das ergibt sich aus dem 2. Halbsatz von Art. 2 Abs. 1 BGBM und wird in Abs. 3 Satz 1 noch verdeutlicht. Unter Sitz oder Niederlassung ist dabei der Geschäftssitz oder die Geschäftsnieder- lassung zu verstehen. Das Binnenmarktgesetz regelt die Rechtsstel- lung von auswärtigen Anbietern im interkantonalen bzw. inter- kommunalen Verhältnis, nicht aber diejenige der Ortsansässigen (vgl. BGE 125 I 322, Erw. 2b; Botschaft zum BGBM, a.a.O., in: BBl 1995 I 1285; T HOMAS C OTTIER /M ANFRED W AGNER , Das neue Bun- desgesetz über den Binnenmarkt [BGBM], in: AJP 1995, S. 1583). 4.3. Gemäss Handelsregistereintrag hat die Einzelfirma des Be- schwerdeführers 1 ihren Sitz in Kanton Luzern. Der Beschwerdefüh- rer 1 selbst hat nach wie vor seinen Wohnsitz im Kanton Aargau. Als Geschäftsführer verfügt er im Kanton des Geschäftssitzes über eine Bewilligung zur Ausführung gewerbsmässiger Bewachungsaufträge. Damit ist er berechtigt, im Kanton Luzern entsprechende Dienstleis- tungen zu erbringen bzw. diese Erwerbstätigkeit auszuüben. Mit Ge- such vom 16. April 2012 stellte der Beschwerdeführer für dieselbe Firma bei den Behörden den Kantons Aargau ein Gesuch um Aus- 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 248 übung einer bewilligungspflichtigen ähnlichen Tätigkeit. Damit lie- gen ein interkantonales Verhältnis sowie eine Erwerbstätigkeit im Sinne von Art. 1 Abs. 1 und 3 BGBM vor und das BGBM gelangt zur Anwendung (vgl. M ATTHIAS O ESCH , Das Binnenmarktgesetz und hoheitliche Tätigkeiten, in: ZBJV 148/2012, S. 380). 4.4. Nach der Dienstleistungsfreiheit hat jede Person das grundsätz- liche Recht, Dienstleistungen auf dem gesamten Gebiet der Schweiz anzubieten, soweit die Ausübung der betreffenden Erwerbstätigkeit im Kanton oder der Gemeinde ihrer Niederlassung oder ihres Sitzes zulässig ist (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 BGBM). Bund, Kantone und Gemeinden sowie andere Träger öffentlicher Aufgaben stellen sicher, dass ihre Vorschriften und Verfügungen über die Ausübung der Er- werbstätigkeit die Rechte nach Abs. 1 wahren (Art. 2 Abs. 2 BGBM). In der revidierten Fassung vom 16. Dezember 2005 (in Kraft seit 1. Juli 2006) wurden die Ausnahmebestimmung von Art. 3 BGBM, welche unter gewissen Umständen Beschränkungen des frei- en Marktzugangs zulässt, enger gefasst und für das Herkunftsprinzip eine widerlegbare Vermutung der Gleichwertigkeit kantonaler und kommunaler Marktzugangsregelungen im Gesetz verankert (Art. 2 Abs. 5 BGBM; vgl. BGE 135 II 12, Erw. 2.1; 134 II 329, Erw. 5.2 und 6; Botschaft über die Änderung des Binnenmarktgesetzes vom 24. November 2004, 04.078, in: BBl 2005 481; T HOMAS Z WALD , Das Bundesgesetz über den Binnenmarkt, in: T HOMAS C OTTIER / M ATTHIAS O ESCH [Hrsg.], Schweizerisches Bundesverwaltungs- recht, Bd. XI, Allgemeines Aussenwirtschafts- und Binnenmarkt- recht, 2. Aufl., Basel 2007, S. 420 ff.; K LAUS A. V ALLENDER /P ETER H ETTICH /J ENS L EHNE , Wirtschaftsfreiheit und begrenzte Staatsver- antwortung, 4. Aufl., Bern 2006, S. 449 ff.). 4.5. Nach § 57 Abs. 5 PolG werden gleichwertige nicht aargauische Bewilligungen anerkannt, wobei über die Anerkennung das DVI ent- scheidet. Nachfolgend ist daher zu prüfen, ob es sich bei den Voraus- setzungen der Luzerner Bewilligung, welche dem Beschwerdeführer 1 erteilt wurde, um eine gleichwertige Marktzugangsregelung wie im Kanton Aargau handelt. Die gesetzliche Vermutung der Gleichwer- 2013 Polizeirecht 249 tigkeit von Art. 2 Abs. 5 BGBM bezieht sich auf die Marktzugangs- ordnungen selber, wie sie sich aus den massgeblichen generell-ab- strakten Bestimmungen im kantonalen Recht sowie der darauf grün- denden Praxis ergeben (BGE 135 II 12, Erw. 2.4). In diesem Sinne ist auch § 57 Abs. 5 PolG anzuwenden, wenn eine in einem anderen Kanton domizilierte Firma dort bereits über eine Bewilligung zur Erbringung einer ähnlichen Dienstleistung verfügt. 4.6. Im Verwaltungsprozess gilt bezüglich der Sachverhaltsfest- stellung die Untersuchungsmaxime (§ 17 Abs. 1 VRPG). Die Rechts- anwendung erfolgt von Amtes wegen. Der Inhalt des ausserkantona- len Rechts, d.h. der massgebenden ausserkantonalen Zugangsvoraus- setzungen, ist von Amtes wegen festzustellen. In Bezug auf die kon- krete Rechtsanwendung im andern Kanton stellt Art. 2 Abs. 5 BGBM eine Spezialvorschrift auf: Aufgrund der Vermutung von Art. 2 Abs. 5 BGBM obliegt den Behörden diesbezüglich der Nachweis, dass die Zugangsbestimmungen der Kantone nicht gleichwertig sind (vgl. Ur- teil des Bundesgerichts vom 3. Mai 2011 [2C_57/2011], Erw. 3.4). 4.7. Nach Auffassung der Vorinstanz bestehen für die Erteilung der Bewilligung zu gewerbsmässig ausgeübten Tätigkeiten privater Si- cherheitsdienste im Kanton Aargau höhere Anforderungen als für die Ausführung gewerbsmässig ausgeübter Bewachungsaufträge im Kanton Luzern. Im Unterschied zu den Regelungen der Kantone Luzern und Solothurn, welche übliche Voraussetzungen wie Bürger- recht, Niederlassung, Handlungsfähigkeit und guter Leumund ent- hielten, statuiere die Regelung im Kanton Aargau zusätzlich auch qualitative Anforderungen. Nach § 57 Abs. 4 PolG sei die erstmalige, maximal vierjährige Bewilligung mit der Auflage zu versehen, dass die vom Kanton anerkannten Qualitätsstandards einzuhalten seien. Gemäss interner Dienstanweisung des Vorstehers des DVI vom 6. Mai 2011 werde als Qualitätsstandard nach § 57 Abs. 4 PolG das Vorliegen eines eidgenössischen Fachausweises FSB oder FPO beim Geschäftsführer der gesuchstellenden Sicherheitsfirma verlangt. Mit dem Erfordernis des Erwerbs eines Fachausweises solle sicherge- stellt werden, dass die verantwortlichen Personen der privaten Si- 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 250 cherheitsdienste über eine zweckmässige berufliche Ausbildung mit genügend Theorie und praktischer Erfahrung verfügten. Dies recht- fertige sich, da private Sicherheitsdienste in einem beschränkten Bereich Aufgaben übernehmen würden, die zum Gewaltmonopol des Staates und somit zu dessen Kernfunktionen gehörten. Die Schutz- wirkung, die der Kanton Aargau mit den qualitativen Anforderungen anstrebe, würde durch die weniger weit gehenden Vorschriften der Kantone Luzern und Solothurn offenkundig nicht erreicht. Es sei daher nicht von gleichwertigen Bewilligungen im Sinne von § 57 Abs. 5 PolG auszugehen. 4.8. Die Bewilligung zur Ausführung gewerbsmässiger Bewa- chungsaufträge kann gemäss § 30 Abs. 1 des Gesetzes über die Lu- zerner Polizei vom 27. Januar 1998 (PolG LU) erteilt werden, wenn die gesuchstellende Person nachweist, dass sie a. handlungsfähig ist, b. das Schweizer Bürgerrecht oder eine Niederlassungsbewilligung be- sitzt und Wohnsitz in der Schweiz hat, c. in den letzten fünf Jahren vor der Gesuchseinreichung nicht wegen Delikten gegen Leib und Leben, die Sittlichkeit oder das Vermögen verurteilt worden ist und d. gut beleumundet ist. Abs. 2 und Abs. 3 lauten: 2 Juristische Personen bezeichnen für die Bewilligungserteilung eine Ver- treterin oder einen Vertreter. Diese müssen jederzeit nachweisen können, dass das mit gewerbsmässigen Bewachungsaufträgen betraute Personal die Bewilligungsvoraussetzungen erfüllt. 3 Die Bewilligung kann unter Auflagen erteilt werden und ist zu entzie- hen, wenn die Voraussetzungen nicht länger erfüllt sind oder gegen die Auflagen verstossen wird. Nach § 57 Abs. 1 PolG unterstehen die folgenden, gewerbsmäs- sig ausgeübten Tätigkeiten privater Sicherheitsdienste der Bewilli- gungspflicht: a) der Personenschutz, b) die Privatdetektei, 2013 Polizeirecht 251 c) die Bewachung von Grundstücken, Gebäuden, gefährlichen Gütern und Werttransporten im Auftrag von Dritten, d) die Wahrnehmung von Sicherheitsaufgaben im Auftrag des Kantons oder von Gemeinden. Sowohl im Kanton Aargau wie auch im Kanton Luzern verfü- gen private Sicherheitskräfte über keine hoheitlichen Befugnisse (§ 59 Abs. 1 PolG, § 31 Abs. 1 PolG LU). 4.9. Der Vergleich von § 57 PolG und §§ 29 ff. PolG LU zeigt, dass das Aargauer Polizeigesetz über die Bewachung hinaus weitere Dienstleistungen im Sicherheitsbereich erfasst und diese differen- ziert: Neben der Bewachung werden mit dem Personenschutz, der Privatdetektei sowie der Wahrnehmung von Sicherheitsaufgaben des Gemeinwesens weitere Bereiche privater Sicherheitsdienstleistungen (explizit) geregelt. Entsprechende Vorschriften fehlen im PolG LU. Unterschiede bestehen sodann hinsichtlich der qualitativen Anforde- rungen an die Ausübung der Sicherheitsdienste und mit Bezug auf die Anstellungsbedingungen in den Sicherheitsunternehmen. Mit der aargauischen Regelung vergleichbare Qualitätssicherungsmassnah- men erwähnt das luzernische Polizeigesetz nicht. Nach § 30 Abs. 3 PolG LU kann die Bewilligung allerdings mit Auflagen erteilt wer- den. Wenn die Vorinstanz unter diesen Umständen erwog, die Anfor- derungen für gewerbsmässig ausgeübte Tätigkeiten privater Sicher- heitsdienstleister seien im Kanton Aargau höher als im Kanton Luzern, so ist dies nicht zu beanstanden. Es ist daher nicht vom Vor- liegen gleichwertiger Marktzugangsordnungen im Sinne von Art. 2 Abs. 5 BGBM auszugehen. Lägen solche vor, so liesse die bundes- gerichtliche Rechtsprechung eine zusätzliche Verhältnismässig- keitsprüfung nicht zu (BGE 135 II 12, Erw. 2.4). Erweisen sich zwei Marktzugangsordnungen wie vorliegend als nicht gleichwertig, ist zu prüfen, ob die Verweigerung des Marktzugangs vor den Einschrän- kungsvoraussetzungen von Art. 3 BGBM stand hält (vgl. N ICOLAS F. D IEBOLD , das Herkunftsprinzip im Binnenmarktgesetz zur Dienst- leistungs- und Niederlassungsfreiheit, in: [ZBl] 111/2010, S. 146; 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 252 M ATTHIAS O ESCH /T HOMAS Z WALD , Wettbewerbsrecht II Kommen- tar - BGBM, Zürich 2011, Art. 3 N 1). 4.10. 4.10.1. Nach Art. 3 Abs. 1 BGBM darf ortsfremden Anbieterinnen und Anbietern der freie Zugang zum Markt nicht verweigert werden. Be- schränkungen sind in Form von Auflagen oder Bedingungen auszu- gestalten und nur zulässig, wenn sie: a. gleichermassen auch für ortsansässige Personen gelten; b. zur Wahrung überwiegender öffent- licher Interessen unerlässlich sind; und c. verhältnismässig sind. Nicht verhältnismässig sind Beschränkungen insbesondere, wenn der hinreichende Schutz überwiegender öffentlicher Interessen durch die praktische Tätigkeit gewährleistet werden kann, welche die Anbiete- rin oder der Anbieter am Herkunftsort ausgeübt hat (Art. 3 Abs. 2 lit. d BGBM). Die Bewilligungsvoraussetzungen von § 57 PolG gelten für ortsansässige und ortsfremde Anbieter gleichermassen. Unbestritten ist im vorliegenden Fall, dass die Pflicht zur Vorlage des geforderten Fachausweises im Entscheid vom 13. August 2007 auflageweise ver- fügt, die Bewilligung mangels Erfüllung zunächst nicht verlängert und auf erneutes Gesuch hin keine Bewilligung mehr erteilt wurde. Im Zusammenhang mit dem Binnenmarktgesetz ist zu prüfen, ob die qualitativen Zulassungsvoraussetzungen zur Anwendung ge- langen können, wenn der Gesuchsteller bereits über eine Marktzu- lassung in einem andern Kanton verfügt. Vorliegend kommt hinzu, dass der Beschwerdeführer 1 die Ausbildung zur Sicherheitsfachkraft eines privaten Anbieters absolviert hat. Der Beschwerdeführer 1 ist sodann seit September 2007 in den Kantonen Luzern und Solothurn und war vom 13. August 2007 bis 13. August 2011 im Kanton Aar- gau tätig. 4.10.2. Die Begründungs- und Beweislast dafür, dass die bisherige Be- rufspraxis und Ausbildung des Beschwerdeführers 1 den angestreb- ten Schutz nicht (hinreichend) gewährleistet, obliegen der Verwal- tung (Art. 3 Abs. 2 lit. d BGBM; Urteil des Bundesgerichts vom 3. Mai 2011 [2C_57/2011], Erw. 3.5). 2013 Polizeirecht 253 Zum einen führen die Vorinstanzen diesen Beweis nicht. Zum andern rechtfertigt sich im interkantonalen Verhältnis das Bewilli- gungserfordernis, einen (eidgenössisch) anerkannten Fachausweis vorzulegen, aufgrund des vom Bundesrecht geforderten freien Marktzugangs und in Nachachtung des binnenmarktrechtlichen Her- kunftsprinzips nicht. Dieses Erfordernis dient zwar, wie die Vorin- stanz zu Recht ausführt, der Sicherstellung der Qualität, indem von den verantwortlichen Personen privater Sicherheitsdienstleister eine qualifizierte Ausbildung mit praktischer Erfahrung verlangt wird. Diese Voraussetzung erscheint zur Wahrung der übergeordneten öffentlichen Sicherheitsinteressen indessen nicht zwingend notwen- dig und daher unverhältnismässig. Weder der Kanton Luzern noch der Kanton Solothurn kennen eine solche Voraussetzung. Ein Ver- gleich mit dem Konkordat über private Sicherheitsdienstleistungen vom 12. November 2010 (nachfolgend Konkordat), welchem der Kanton Aargau noch nicht beigetreten ist, zeigt, dass auch dieses ver- schiedene Sicherheitsdienstleistungen erfasst und differenziert (vgl. § 3 Konkordat, vgl. dazu auch die Botschaft des Regierungsrats vom 21. März 2012, 12.63). Hinsichtlich der spezifischen Bewilligungs- voraussetzungen bestehen solche für Angestellte und Geschäftsführer von Sicherheitsunternehmen. Sie haben die theoretische Grundaus- bildung für Sicherheitsangestellte (Art. 5 Abs. 1 lit. c Konkordat) bzw. zum Führen eines Sicherheitsunternehmens (Art. 5 Abs. 2 lit. c Konkordat) zu absolvieren. Der Inhalt dieser Grundausbildung wird erst noch von der Konkordatskommission der KKJPD beantragt (Art. 17 Abs. 1 lit. c Konkordat). Das Konkordat der französischspra- chigen Kantone verlangt einen Ausweis über den erfolgreichen Ab- schluss einer kantonalen Prüfung über die Berufskenntnisse und die massgebende Gesetzgebung (Art. 8 Abs. 1 lit. f und Art. 9 Abs. 2 sowie Art. 10 Abs. 1 Concordat sur les enterprises de securité vom 18. Dezember 1996). Für den Fachausweis Fachmann/Fachfrau für Sicherheit und Bewachung (FSB) bzw. Fachmann/Fachfrau für Personen- und Ob- jektschutz (FPO) des (VSSU) werden neben den üblichen persönli- chen Voraussetzungen wie Handlungsfähigkeit und guter Leumund praktische Erfahrung im Umfang von ein oder zwei Jahren sowie das 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 254 Bestehen einer eidgenössisch anerkannten Prüfung vorausgesetzt (vgl. dazu Reglement, Ausgabe 2006, einsehbar unter http://www.vssu.org/, letztmals besucht am 2. Dezember 2013). Der Beschwerdeführer 1 legte seinem Gesuch den Ausweis über die erfolgreiche Ausbildung bei der B. GmbH, Zug, bei. Dieser Ausweis bescheinigt eine Ausbildung als Sicherheitsfachkraft und einen Leis- tungsausweis über Fach/Branchenlehre, Praxis (Fitness Fachlehre, Organisation). Nach den Angaben der B. GmbH entspricht diese Ausbildung der Grundausbildung gemäss Konkordat und wird von den Konkordatskantonen anerkannt. Hinzu kommt die bisherige mehrjährige Tätigkeit des Beschwerdeführers 1 in den Kantonen Aargau und Luzern bzw. Solothurn, welche offenbar nie zu Bean- standungen Anlass gab. Dies alles muss bei der Prüfung der Qualität und für die Gewährleistung des Qualitätsstandards im interkantona- len Verhältnis jedenfalls aufgrund der bisherigen Begründung der Vorinstanzen und aufgrund der Aktenlage ausreichen. Dies hat in je- dem Fall in Bezug auf die vom Beschwerdeführer 1 beantragten Tä- tigkeiten (Be- und Überwachung von Grundstücken, Gebäuden, Ord- nungsdienste, Eingangskontrollen etc., Kontrollgänge und Werttrans- porte) zu gelten. Dienstleistungen im Bereich des Personenbe- gleitschutzes, der Detektivdienste sowie der Notruf-Überwachungs- anlagen sollen nicht erbracht und Aufgaben für Gemeinden sollen nicht wahrgenommen werden. Das Gesuch beschränkt sich auf Sicherheitsdienste nach § 57 Abs. 1 lit. c PolG. 4.11. Zusammenfassend ist der Beschwerdeführer 1 zu den Sicher- heitsdiensten, welche ihm im Kanton Luzern bewilligt sind, im Kanton Aargau zuzulassen. Ein ausreichendes öffentliches Interesse am Erfordernis eines eidgenössischen Fachausweises ist nicht er- kennbar. Das Risiko eines Gewaltmissbrauchs wird durch die gefor- derte Ausbildung und die eidgenössische anerkannte Prüfung allein nicht notwendigerweise und zwingend minimiert. Es ist auch nicht erkennbar, weshalb die Ausbildung, welche der Beschwerdeführer 1 absolvierte, zum Schutz der öffentlichen Interessen und zur Quali- tätssicherung seiner Dienstleistung nicht ausreichend ist. Schliesslich 2013 Polizeirecht 255 liegt auch keine Rechtfertigung dafür vor, dass die Bewerber eine Prüfung bei der VSSU absolviert und bestanden haben müssen. Das öffentliche Interesse erfasst die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Das Bewilligungserfordernis betrifft damit keine hoheitlichen Tätigkeiten im Anwendungsbereich der polizeilichen Generalklausel (§ 25 Abs. 2 PolG). Die Anforde- rungen an das relevante öffentliche Interesse und die Anwendung des Verhältnismässigkeitsprinzips erfahren daher keine Einschränkungen (vgl. BGE 136 I 87, Erw. 3.1 und 3.2 mit Hinweis). Allfälligen Anforderungen von § 57 Abs. 4 PolG an die Quali- tät der Dienstleistung, welche der Beschwerdeführer 1 trotz seiner Praxis und Ausbildung allenfalls nicht zu genügen vermag, können schliesslich mit Auflagen hinsichtlich der Ausbildung des eingesetz- ten Personals gemäss GAV (siehe vorne Erw. 3.3.3) angeordnet wer- den. Damit widerspricht die Verweigerung der Anerkennung den Einschränkungsvoraussetzungen von Art. 3 BGBM. Die Vorausset- zungen für eine Marktzugangsbeschränkung in Form von eidge- nössisch anerkannten Berufsausweisen sind nicht erfüllt. Die Be- schwerde des Beschwerdeführers 1 ist teilweise gutzuheissen und der Entscheid des Regierungsrats ist aufzuheben. Die übrigen Rügen brauchen bei diesem Ergebnis nicht beurteilt zu werden. 5. Ergänzend festgehalten werden kann, dass sich der Beschwer- deführer 1 nicht auf die Anerkennung von Fähigkeitsausweisen nach Art. 4 Abs. 1 BGBM berufen kann. Weder das PolG LU noch das Solothurner Gesetz über die Kantonspolizei vom 23. September 1990 und die dazugehörige Verordnung über Privatdetektive und Sicher- heitsunternehmen vom 21. Mai 1991 stellen über die persönlichen Voraussetzungen hinaus qualitative Anforderungen an den Geschäfts- führer eines privaten Sicherheitsunternehmens. Die kantonalen Be- willigungen sind Polizeibewilligungen, keine Anerkennung von Fä- higkeitsausweisen und schon gar nicht Bescheinigungen über Fähig- keiten oder besondere Ausbildungen des Beschwerdeführers 1. Die Voraussetzungen wurden auch nicht im Hinblick auf entsprechende Fähigkeiten geprüft (vgl. hierzu: Gutachten der Wettbewerbskom- 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 256 mission vom 17. Dezember 2001, in: Recht und Politik des Wettbe- werbs [RPW] 2002/1, S. 210, 214).
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AG_VG_001
AG_VG
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AG_VG_001_AGVE-2013-41_2013-11-03
http://agve.weblaw.ch/html//AGVE-2013-41.html
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AGVE_2013_41
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2,003
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2003 Verwaltungsgericht 288 [...] 68 Kostengutsprache. Legitimation zur Stellung des Gesuchs und zur Be- schwerdeführung. - Das Kostengutsprachegesuch kann auch von der Institution oder Per- son gestellt werden, zu deren Gunsten die Kostengutsprache verlangt wird (Erw. 3). - Zur Beschwerde gegen die Verweigerung der Kostengutsprache ist die Institution nicht legitimiert (Erw. 4). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 15. Januar 2003 in Sa- chen Stiftung H. und C.L. gegen Entscheid des Regierungsrats. Aus den Erwägungen 3. a) Anspruch auf materielle Hilfe hat grundsätzlich der Hilfe- suchende persönlich. Seine Verhältnisse sind massgebend beim Ent- 2003 Sozialhilfe 289 scheid, ob materielle Hilfe zu gewähren ist. Im Regelfall wird des- halb er als Gesuchsteller auftreten. Bezüglich Gutsprachen bestimmt nun § 17 Abs. 1 SHV, dass solche "bei materieller Notlage auf Ansu- chen hin zu erteilen (sind), insbesondere an Ärzte, Zahnärzte, Apo- theken, Spitäler, Kliniken und Heime". Wer Gesuchsteller sein kann, wird in § 17 ff. SHV nicht näher ausgeführt. Immerhin fällt auf, dass sonst generell von "Hilfesuchenden" die Rede ist, im Zusammenhang mit Kostengutsprachen aber von "Gesuchstellern". Dies, wie auch die Formulierung, dass Gutsprachen an Ärzte usw. erteilt werden, deutet darauf hin, dass auch diejenigen Personen oder Institutionen, zu deren Gunsten die Gutsprache erteilt wird (im Folgenden als ge- suchstellende Institution bezeichnet), ein entsprechendes Gesuch einreichen können. Der Argumentation im angefochtenen Entscheid ist sicher in- soweit zu folgen, als Kostengutsprachen nicht gegen den Willen der hilfsbedürftigen Person zu erteilen sind. Daraus kann aber noch nicht geschlossen werden, ein Gesuch, das nicht vom Hilfesuchenden selber oder in dessen formeller Vertretung gestellt worden sei, sei ungültig und eine gestützt darauf ergehende Verfügung nichtig. Ein derartiger Schluss ist durch kein ausreichendes sachliches Interesse gedeckt und daher übertrieben formalistisch. Der Ansatz der SHV, wonach die durch eine Kostengutsprache begünstigten Personen und Institutionen selbst ein Gesuch einreichen können, erscheint reali- tätsnaher. Allerdings ändert dies nichts daran, dass es sich um ein Gesuch für die hilfsbedürftige Person handelt. Geht ein solches Ge- such einer gesuchstellenden Institution ein, das für eine hilfsbedürf- tige Person, aber nicht in deren formeller Vertretung eingereicht wurde, hat die zuständige Behörde, wenn sich das Einverständnis nicht aus den Umständen ergibt, zu klären, ob die hilfsbedürftige Person mit dem Gesuch einverstanden ist. Dies geschieht, indem sie diese entweder direkt anfragt oder von der gesuchstellenden Institu- tion die Einreichung einer entsprechenden Bestätigung verlangt. Der Sachverhalt ist vergleichbar mit demjenigen, wo ein Vertreter auftritt, ohne sogleich das Vertretungsverhältnis durch eine schriftliche Voll- macht zu belegen (vgl. § 18 Abs. 2 VRPG; AGVE 1978, S. 142 f.). 2003 Verwaltungsgericht 290 b) Im vorliegenden Fall reichte die Stiftung H. (Beschwerdefüh- rerin 1) das Gesuch vom 8. März 2001 "für Frau C.L." (Beschwerde- führerin 2) ein. Da der Gemeinderat seine Verfügung nicht auch an die Beschwerdeführerin 2 zustellte, ist zu vermuten, dass er von einem Vertretungsverhältnis ausging. Wenn er auf Abklärung ver- zichtete, musste er die Vertretung oder jedenfalls das Einverständnis der Beschwerdeführerin 2 annehmen (AGVE 1978, S. 143). Dies lag denn auch nahe. Die Beschwerdeführerin 2 hatte ja schon früher ein gleichgerichtetes Kostengutsprachegesuch gestellt und in der Zwi- schenzeit die Therapie bei der Stiftung begonnen. Von Nichtigkeit der Verfügung des Gemeinderats kann keine Rede sein. 4. a) aa) Auch wenn die Einreichung eines Kostengutsprache- gesuchs im Interesse der hilfsbedürftigen Person als zulässig be- zeichnet wird, führt dies nicht notwendigerweise zum Schluss, dass der gesuchstellenden Institution ein eigener Anspruch zusteht, den sie in eigenem Namen insbesondere auch im Rechtsmittelverfahren vertreten und durchsetzen kann. Zutreffend führt die Vorinstanz aus, Zweck der materiellen Hilfe sei nicht die finanzielle Absicherung von Therapieeinrichtungen, sondern ausschliesslich die Unterstüt- zung der hilfsbedürftigen Person. Dies gilt unabhängig davon, ob die materielle Hilfe direkt an den Hilfesuchenden oder an Dritte (z.B. Vermieter, Krankenkasse usw.) ausbezahlt wird. Ein direktes Forde- rungsrecht des Dritten (analog zu Art. 112 Abs. 2 OR beim Vertrag zugunsten Dritter), das gegebenenfalls dessen Beschwerdelegitima- tion begründen könnte, ist nur zu bejahen, wenn eine entsprechende rechtliche Regelung besteht oder wenn die Sozialbehörde einem Dritten Zusicherungen abgibt, auf die sich dieser nach dem Vertrau- ensgrundsatz berufen kann. Diese Überlegungen gelten nicht nur für Zahlungen, sondern in gleicher Weise mit Bezug auf Kostengutspra- chen. ... bb) Gemäss § 38 Abs. 1 VRPG kann Verfügungen und Ent- scheide durch Beschwerde anfechten, wer ein schutzwürdiges ei- genes Interesse geltend macht. Die Beschwerdebefugnis oder -legitimation setzt also ein eigenes Interesse voraus. Beschwerden zu Gunsten Dritter sind nur in Ausnahmefällen zulässig (siehe Michael Merker, Rechtsmittel, Klage und Normenkotrollverfahren nach dem 2003 Sozialhilfe 291 aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege [Kommentar zu den §§ 38-72 VRPG], Diss. Zürich 1998, § 38 N 136), in der Regel auf Grund ausdrücklicher Bestimmungen oder bei Sachver- halten, wo sich der Beschwerdeführer zwar selber auf Vertrauens- schutz berufen, aber nicht Leistung an sich selber beantragen kann. Ein bloss indirektes Interesse, wie es vor allem der Vertragspartner eines Leistungsempfängers hat, reicht nicht aus. So hat das Verwal- tungsgericht entschieden, eine Elektroheizungsfirma, die namens verschiedener Bauherren um den Anschluss von elektrischen Raum- heizungen nachgesucht hatte, könne gegen die Ablehnung des Ge- suchs nicht im eigenen Namen Beschwerde führen. Es genüge nicht, dass sie nach der Verweigerung der Anschlussbewilligung keine Aussicht auf die Lieferung und Installation ihrer Elektroheizungen mehr habe (AGVE 1985, S. 353 ff., mit Beispielen von Ausnahme- fällen auf S. 357). Dabei spiele es insbesondere auch keine Rolle, dass das ursprüngliche Gesuch von der Firma selber und nicht von den Bauherren eingereicht worden sei. cc) Aus den vorangehenden Ausführungen ergibt sich ohne weiteres, dass der Beschwerdeführerin 1 die Legitimation fehlte, im eigenen Namen gegen die Verfügung des Gemeinderats Beschwerde zu führen; sie durfte lediglich selber ein Gesuch stellen. Der vorlie- gende Fall ist in den wesentlichen Punkten gleich gelagert wie das erwähnte Präjudiz und deshalb auch gleich zu entscheiden. Aus dem angerufenen Entscheid des Regierungsrats vom 23. Oktober 1996 ergibt sich nichts Abweichendes. Die von der Be- schwerdeführerin 1 für die dortige hilfsbedürftige Person verfasste Beschwerde ans Bezirksamt wurde von der hilfsbedürftigen Person mit unterschrieben, sodass diese selbst (ebenfalls) als Beschwerde- führerin auftrat. b) Nachdem das ursprüngliche Gesuch noch Hinweise auf ein mögliches Vertretungsverhältnis enthalten hatte (vorne, Erw. 3/b), nicht aber die Beschwerde der Beschwerdeführerin 1 ans Bezirks- amt, hätte richtigerweise schon dem Bezirksamt die später vom Ge- sundheitsdepartement am 10. September 2002 vorgenommene Ab- klärung oblegen. ... Weil die Beschwerdeführerin 1 in ihrer Antwort auf die Anfrage vom 10. September 2002 ausdrücklich bestätigte, das 2003 Verwaltungsgericht 292 Begehren um Kostengutsprache aus eigenem Recht geltend zu machen und sich nicht, unter Vorlage einer entsprechenden Voll- macht, auf die Vertretung der Beschwerdeführerin 2 berief, verneinte der Regierungsrat zutreffend ihre Beschwerdelegitimation. Die Be- hauptung der Beschwerdeführerin 1, sie habe wegen der materiellen Beurteilung durch den Gemeinderat und das Bezirksamt nach Treu und Glauben nicht mit einem Nichteintretensentscheid rechnen müs- sen, ist angesichts der Anfrage vom 10. September 2002 nicht nach- vollziehbar. Diese machte erkennbar nur Sinn, wenn das instruie- rende Gesundheitsdepartement an der selbstständigen Beschwerde- legitimation der Beschwerdeführerin 1 zweifelte. Deren eigene Stel- lungnahme vom 16. September 2001 lässt sich nicht nachträglich unter Berufung auf Treu und Glauben beseitigen. Der vorinstanzliche Nichteintretensentscheid erweist sich damit als korrekt.
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AG_VG_001
AG_VG
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http://agve.weblaw.ch/html//AGVE-2003-68.html
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2004 Verwaltungsgericht 272 [...] 69 Beschwerdelegitimation (§ 38 Abs. 1 VRPG). - Keine Legitimation (mangels formeller Beschwer) zu einem Begehren, das bereits im vorinstanzlichen Verfahren gestellt und gutgeheissen wurde (Erw. I/4/a,b). 2004 Verwaltungsrechtspflege 273 - Keine Legitimation zu einem Begehren, das einem im vorinstanzlichen Verfahren gutgeheissenen eigenen Begehren widerspricht (Erw. I/4/c). vgl. AGVE 2004 28 117
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2005 Verwaltungsgericht 144 [...] 35 Zonenkonformität einer Selbstbedienungs-Autowaschanlage in einer gemischten Zone. - Verhältnis zwischen den Nutzungsvorschriften des kantonalen und kommunalen Rechts und dem Umweltschutzrecht des Bundes (Erw. 2/c). Anwendung dieser Grundsätze auf eine kommunale Be- stimmung, welche als mässig störend Auswirkungen bezeichnet, die im Rahmen herkömmlicher Handwerks- und Gewerbebetriebe blei- ben, auf die üblichen Arbeits- und Öffnungszeiten beschränkt sind und nur vorübergehend auftreten (Erw. 2/d/bb). - Auslegung dieser Bestimmung (Erw. 2/e/aa). Eine Selbstbedienungs- Autowaschanlage, die den Benützern täglich (einschliesslich des Sonntags) von 06.00 bis 22.00 Uhr zur Verfügung steht, weist weder "übliche" Arbeits- und Öffnungszeiten auf noch lässt sie sich als "herkömmlichen" Gewerbebetrieb bezeichnen (Erw. 2/e/bb). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 30. März 2005 in Sa- chen H. und Mitb. gegen Regierungsrat. 2005 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 145 Aus den Erwägungen 1. Die Beschwerdegegnerin beabsichtigt, auf der Parzelle Nr. 678 eine Selbstbedienungs-Autowaschanlage für Personenwagen zu erstellen. Geplant sind eine automatische Portal-Waschanlage mit Trocknungsanlage (2 Waschstrassen), 4 überdeckte Handwaschplätze sowie eine überdeckte und eine offene Staubsaugeranlage mit je 4 Plätzen. Beim Waschvorgang sind die Tore der Portal-Waschanlage geschlossen. Zum Nachtrocknen sind 4 offene Parkplätze vorge- sehen. Auf der Nordost- und Nordwestseite ist die Anlage eingewan- det bzw. mit verglasten Fassaden versehen. Projektiert ist ferner ein mit Schotterrasen versehener Ausstellungsplatz für 4 bis 6 Neuwa- gen. Weiter soll im Grenzbereich zur Parzelle Nr. 676 eine abgewin- kelte, 4 m hohe und insgesamt rund 24 m lange Lärmschutzwand er- richtet werden. Die Waschanlage soll an 7 Tagen pro Woche jeweils von 6.00 bis 22.00 Uhr geöffnet sein; in bezug auf die Staubsau- geranlagen hat der Gemeinderat eingeschränkte Betriebszeiten ver- fügt, nämlich montags bis freitags von 6.00 bis 22.00 Uhr und sams- tags von 6.00 bis 20.00 Uhr. Die verkehrsmässige Erschliessung er- folgt westlich der Anlage über die bestehende Einmündung in die Bahnhofstrasse und über den Gartenweg. 2. a) Die Parzelle Nr. 678 liegt gemäss dem Bauzonenplan der Gemeinde Dintikon vom 30. Mai / 28. Oktober 1997 in der Wohn- und Gewerbezone 2 Geschosse (WG 2). Diese Zone ist für Wohnen und Gewerbe gemäss § 25 Abs. 2 der Bau- und Nutzungsordnung der Gemeinde Dintikon (BNO, mit den gleichen Beschluss- und Geneh- migungsdaten wie der Zonenplan) bestimmt (§ 11 BNO). § 25 Abs. 2 BNO lautet unter dem Randtitel "Gewerbe" wie folgt: "Als mässig störend gelten Betriebe mit Auswirkungen, die im Rah- men herkömmlicher Handwerks- und Gewerbebetriebe bleiben, auf die üblichen Arbeits- und Öffnungszeiten beschränkt sind und nur vorübergehend auftreten. Betriebe, die ein hohes Mass von quartier- fremdem Verkehr verursachen, sind nur in der Gewerbezone zu- lässig." 2005 Verwaltungsgericht 146 Im Übrigen sind in der Zone WG 2 zwei Vollgeschosse und eine Ausnutzung von 0.45 zulässig, und es gelten ein Grenzabstand von 4 m und die Empfindlichkeitsstufe III (§ 7 Abs. 1 BNO). b) Die Beschwerdeführer betrachten das Bauvorhaben als zo- nenwidrig. Eine Autowaschanlage sei weder ein herkömmlicher Handwerks- und Gewerbebetrieb, noch seien Betriebszeiten von Montag bis Sonntag, 6.00 bis 22.00 Uhr, als "übliche Arbeits- und Öffnungszeiten" zu qualifizieren. Beim Erlass der BNO habe man an einen Laden, an Bürobetriebe sowie Handwerksbetriebe mit 5-Tage- Woche, allenfalls 51⁄2-Tage-Woche gedacht, nicht jedoch an einen 7- Tage-Betrieb mit erheblichsten Immissionen. Der Ermessensspiel- raum des Gemeinderats habe in einem Fall wie dem vorliegenden, wo die geplante Autowaschanlage neben vorbestehende Einfamilien- häuser gestellt werden solle, seine Grenze. Der Regierungsrat hat im Wesentlichen erwogen, § 25 Abs. 2 BNO komme nur insofern selbständige Bedeutung zu, als er ortspla- nerisch motiviert sei. Nach den Angaben der Gemeindevertreter solle mittels dieser Bestimmung vermieden werden, dass ein Ge- werbebetrieb ein hohes Mass von quartierfremdem Verkehr durch ein Wohngebiet verursache. Dem entspreche es, Gewerbebauten im vor- deren, dem Kreisel bzw. der Kantonsstrasse zugewandten Abschnitt des nördlichen Teils der Zone WG 2 anzusiedeln. Dort befänden sich denn auch bereits eine unter dem Regime von § 25 Abs. 2 BNO be- willigte Tankstelle sowie das Betriebsgebäude der Firma K. AG. Der Begriff "herkömmlicher Handwerks- und Gewerbebetrieb" sei ob- jektiv-zeitgemäss auszulegen. Im fraglichen Gebiet sei das Flächen- verhältnis zwischen Wohnnutzung, Gewerbenutzung und unüber- bautem Land ungefähr je ein Drittel mit der Tendenz, die freie Fläche mit Gewerbebauten zu überbauen. Das Bauvorhaben würde sich in unmittelbarer Nachbarschaft zur bestehenden Tankstelle in optischer und funktionaler Hinsicht in das umliegende Gewerbegebiet einglie- dern. Angesichts der bereits vorhandenen Gewerbebauten im fragli- chen Teil der Zone WG 2 und des ortsbaulichen Charakters des Quartiers erfülle der geplante Betrieb die Voraussetzungen von § 25 Abs. 2 BNO; er sei also zonenkonform. Der Gemeinderat ergänzt, es gebe genügend Beispiele vergleichbarer Autowaschanlagen in andern 2005 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 147 Gemeinden, etwa in Sarmenstorf, Fahrwangen und Holderbank. Was die "üblichen Arbeits- und Öffnungszeiten" anbelange, könne nicht der Bäckerladen mit einer Autowaschanlage verglichen werden. Tankstellen lägen da viel näher. Auch Gastgewerbebetriebe seien in der Zone WG 2 kaum bestritten, und Restaurants hätten üblicherweise andere Öffnungszeiten als Verkaufsgeschäfte. Anläss- lich der verwaltungsgerichtlichen Augenscheinsverhandlung bestä- tigte der Gemeindevertreter den Standpunkt des Gemeinderats, wo- nach das Bauvorhaben im fraglichen Bereich der WG 2 zonenkon- form sei. c) Normen des kantonalen und kommunalen Rechts, welche den direkten Schutz vor Immissionen regeln, haben mit dem Inkrafttreten des USG ihre selbständige Bedeutung verloren, soweit sich ihr materieller Gehalt mit dem Bundesrecht deckt oder weniger weit geht als dieses; es hat sie dort behalten, wo es die bundesrechtlichen Normen ergänzt oder, soweit erlaubt, verschärft. Das Bundesrecht regelt abschliessend namentlich die vorsorgliche Emissions- begrenzung, die Verschärfung der Emissionsbegrenzungen bei Überschreitung der Immissionsgrenzwerte und die Planungswerte für Lärm (Art. 1 Abs. 2, Art. 11 ff., Art. 23 und Art. 65 Abs. 2 USG; Art. 7 f., Art. 36 ff. und Art. 40 ff. LSV; Art. 1 Abs. 2, Art. 3 ff., Art. 7 ff., Art. 27 ff., Art. 31 ff. LRV; BGE 118 Ia 114 f. und 118 Ib 595 f., je mit Hinweisen; BGE vom 5. Juni 2001 [1A.199/2000, 1P.373/2000], Erw. 1/b/aa; AGVE 1993, S. 394 ff., und 1998, S. 317 f., je mit Hinweisen). In diesem Sinne haben Nutzungsvor- schriften des kantonalen und kommunalen Rechts nach wie vor selbständigen Gehalt, soweit sie die Frage regeln, ob eine Baute am vorgesehenen Ort erstellt und ihrer Zweckbestimmung übergeben werden darf. Namentlich ist es weiterhin Sache des kantonalen und kommunalen Rechts, die für den Charakter eines Quartiers wesentli- chen Vorschriften über Nutzungsart und -intensität zu erlassen. Kantonal- und kommunalrechtliche Begriffe wie "wenig oder mässig störendes Gewerbe" können daher trotz des erwähnten Inkrafttretens des USG noch eine selbständige Bedeutung behalten. So lassen sich etwa Bauten und Betriebe, die mit dem Charakter einer Wohnzone unvereinbar sind, untersagen, auch wenn die Lärmimmissionen, zu 2005 Verwaltungsgericht 148 denen sie führen, bundesrechtliche Schranken nicht überschreiten, sofern die Unzulässigkeit nicht einzig mit der konkreten Lärmbelästigung begründet wird. Auch erfasst das Umweltschutz- recht des Bundes nicht alle erdenklichen Auswirkungen oder Sekundärimmissionen (erwähnter BGE vom 5. Juni 2001, Erw. 1/b/aa; BGE 118 Ia 115 und 118 Ib 595, je mit Hinweisen; AGVE 1993, S. 395 mit Hinweisen; siehe zum Ganzen auch: VGE III/50 vom 6. Juli 2004 [BE.2004.00168], S. 11 f.). d) Im Folgenden ist zu prüfen, ob und inwieweit § 25 Abs. 2 BNO vor dem Hintergrund des Bundesumweltschutzrechts noch ein Anwendungsbereich verbleibt. aa) Der Regierungsrat hält dafür, § 25 Abs. 2 BNO knüpfe bei der Konkretisierung des Begriffs "mässig störend" an Kriterien an, die sich einerseits auf die mit den Gewerbebetrieben verbundenen Immissionen bezögen. Die Beschränkung auf Betriebe mit üblichen Arbeits- und Öffnungszeiten sowie der Ausschluss von Betrieben mit einem hohen Mass an quartierfremdem Verkehr deuteten darauf hin. Dass mit dem Kriterium "hohes Mass an quartierfremdem Verkehr" die vom Gewerbe zu erwartenden Sekundärimmissionen gemeint seien, die nicht vom Umweltschutzrecht erfasst würden, sei unwahr- scheinlich. Bei den in § 25 Abs. 2 BNO aufgeführten Kriterien gehe es in erster Linie um den Lärmschutz. Ob die geplante Autowasch- anlage als "mässig störend" betrachtet werden könne, sei demnach in erster Linie aufgrund des USG und der LSV zu beurteilen. Nicht zu übersehen sei allerdings, dass mit Begriffen wie "herkömmlicher Handwerks- und Gewerbebetrieb" und "Betriebe, die ein hohes Mass von quartierfremdem Verkehr verursachen" auch bestimmte Nutzungsarten oder bestimmte Arten oder Typen von Gewerben und deren ortsbauliche Eingliederung in die betreffende Zone beschrie- ben würden. Nur soweit komme § 25 Abs. 2 BNO selbständige Be- deutung zu. bb) Geht es, wie im vorliegenden Falle, um die Anwendung kommunaler Bestimmungen, ist zu berücksichtigen, dass die Ge- meinden bei der Ausscheidung und Definition der verschiedenen Zonen (§§ 13 Abs. 1, 15 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a BauG) aufgrund von § 106 KV verfassungsrechtlich geschützte Autonomie geniessen 2005 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 149 (AGVE 2003, S. 190 mit Hinweis). Vor diesem Hintergrund hat der Regierungsrat zu Recht erforscht, was für Intentionen des kommuna- len Gesetzgebers hinter der Schaffung von § 25 Abs. 2 BNO standen. Dabei zeigte sich - soweit auf Gemeindestufe überhaupt eigenstän- dige Überlegungen angestellt wurden, was darum nicht ganz klar er- scheint, weil die erwähnte Bestimmung offenbar eher unreflektiert aus der Musterbauordnung des Kantons übernommen worden war -, dass es nach Meinung des Gemeinderats bei den in § 25 Abs. 2 Satz 1 BNO aufgeführten Kriterien in erster Linie um den Lärmschutz geht; jedenfalls wurde anlässlich der vorinstanzlichen Augenscheins- verhandlung die Frage des Verhandlungsleiters, ob § 25 Abs. 2 BNO neben den Lärmschutzbestimmungen des Bundes noch selbständige Bedeutung zukomme, vom Gemeindeammann spontan verneint. Vor Verwaltungsgericht hat sich nichts anderes ergeben. Die gemeinderätliche Auffassung muss nun freilich aufgrund des Gesetzeswortlauts, der bei jeder Auslegung den Ausgangspunkt bildet (Bundesgericht, in: ZBl 102/2001, S. 84, und BGE 125 II 525, je mit Hinweisen; AGVE 2003, S. 191 f.), kritisch hinterfragt wer- den. § 25 Abs. 2 BNO umschreibt die Auswirkungen bzw. Immissio- nen, welche den Typus des (höchstens) mässig störenden Betriebs kennzeichnen. Diese Auswirkungen müssen u.a. im Rahmen her- kömmlicher Handwerks- und Gewerbebetriebe bleiben und auf die üblichen Arbeits- und Öffnungszeiten beschränkt sein. Derartige Ka- tegorisierungen finden sich nun weder im USG noch in den ausfüh- renden Verordnungen (LSV und LRV). Zwar enthält Anhang 6 der LSV spezifische "Belastungsgrenzwerte für Industrie- und Gewer- belärm", wobei die in der Zone WG 2 geltende Empfindlichkeitsstufe III (vorne Erw. a) auf die Immissionsstufe der "mässig störenden Betriebe" abgestimmt ist (Art. 43 Abs. 1 lit. c LSV). Das spezi- fizierende Beiwort "herkömmlich" wird durch diese Bestimmungen aber nicht abgedeckt. Die LSV legt die Belastungsgrenzwerte für Anlagen der Industrie, des Gewerbes und der Landwirtschaft ganz allgemein fest (Ziff. 1 Abs. 1 lit. a des erwähnten Anhangs) und differenziert nicht in Bezug auf die Art der Anlage. Ebenso wenig wird der Anforderung der "üblichen" Arbeits- und Öffnungszeiten schon damit Rechnung getragen, dass es Belastungsgrenzwerte für 2005 Verwaltungsgericht 150 den Tag (07 bis 19 Uhr) und (um 10 dBA tiefere) für die Nacht (19 bis 07 Uhr) gibt (Ziff. 2 und 31 der LSV des erwähnten Anhangs). Auch in dieser Hinsicht generalisiert die LSV ohne weitere Spezifi- zierung. Die Frage, ob § 25 Abs. 2 BNO selbständig anwendbar ist, muss folglich bejaht werden; es sind in dieser Bestimmung Elemente enthalten, welche die Nutzungsstruktur der Zone WG 2 als einer ge- mischten Zone definieren (vorne Erw. c). Auch dem Regierungsrat ist im Übrigen nicht entgangen, dass mit Begriffen wie "herkömmli- cher Handwerks- und Gewerbebetrieb" bestimmte Nutzungsarten oder bestimmte Arten und Typen von Gewerben und deren ortsbau- liche Eingliederung in die betreffende Zone beschrieben werden, was die selbständige Bedeutung derartiger Normen indiziert. e) aa) Einen fassbaren Sinn gewinnen die in Frage stehenden Umschreibungen in § 25 Abs. 2 Satz 1 BNO, wenn man sich auf das in den gemischten Zonen - die Zone WG 2 stellt klarerweise eine solche dar - geltende Nutzungsprinzip besinnt, wonach dort ein grundsätzlich gleichberechtigtes Nebeneinander von Wohnen und Gewerbe herrschen soll. Dies setzt voraus, dass keine der beiden Nutzungen so intensiv auf die andere einwirkt, dass diese andere Nutzung überhaupt nicht mehr oder nur noch unter übermässig er- schwerten Bedingungen ausgeübt werden kann. Wohnbauten können also insoweit nicht denselben Schutz beanspruchen wie in einer rei- nen Wohnzone; es ist ein Mehreres an unliebsamen Einwirkungen in Kauf zu nehmen. Anderseits muss aber auch nicht jede beliebige Be- einträchtigung geduldet werden; die Grenze ist dort zu ziehen, wo die Erholungsfunktion der Wohnnutzung nicht mehr gewährleistet ist. Insbesondere besteht ein gewisser Vorrang der Wohnnutzung, wenn es um den Schutz der Nacht- oder Sonntagsruhe geht (AGVE 1999, S. 253 f. mit Hinweisen). Gerade diesem Bedürfnis kommt es in hohem Masse entgegen, wenn Betriebe, die weder als "herkömmlich" bezeichnet werden können noch "übliche" Arbeits- und Öffnungszeiten aufweisen, aus der Zone WG 2 ausgeschlossen werden. Damit entfallen jene Betriebe, welche der Nacht- und Sonntagsruhe nicht genügend Rechnung tragen. Die Kriterien der "Herkömmlichkeit" und der "Üblichkeit" verweisen dabei auf einen Massstab, der in der breiten Bevölkerung aufgrund einer längeren 2005 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 151 Übung Akzeptanz geniesst. Diese Deutung überzeugt das Verwal- tungsgericht mehr als eine "objektiv-zeitgemässe, dynamische" Auslegungsmethode, deren sich der Regierungsrat bedient; dem steht namentlich entgegen, dass mit dem Begriff des "Herkömmlichen" zweifellos eine gewisse Tradition angesprochen wird. Auch kann nicht entscheidend sein, "ob sich der zu beurteilende Betrieb auf- grund seiner Dimensionierung und Nutzungsart optisch und funktio- nal in die betreffende Zone bzw. den Zonenabschnitt eingliedert"; nach dem normalen Sprachgebrauch kann der Ausdruck "herkömm- lich" nicht derart kleinräumig verstanden werden. bb) Eine Autowaschanlage, wie sie die Beschwerdegegnerin erstellen will, entspricht dem erwähnten Anforderungsprofil nicht. Ein Betrieb, der an allen 7 Wochentagen von 6.00 bis 22.00 Uhr den Benützern zur Verfügung steht, weist klarerweise keine "üblichen" Arbeits- und Öffnungszeiten auf. Ein normaler Produktions- und Dienstleistungsbetrieb arbeitet in der Regel an den Werktagen ohne Inanspruchnahme der Abend- und Nachtstunden. Erschwerend kommt im vorliegenden Falle dazu, dass es sich um einen reinen Publikumsbetrieb mit sehr eingeschränkter Beaufsichtigung handelt. Zwar ist "in der ersten Phase (...) geplant, dass immer jemand vor Ort ist", und später soll "im Drei- bis Vierstundentakt kontrolliert" wer- den, doch hat dies offenbar primär damit zu tun, dass die Bezahlung mit Kassenautomaten erfolgt und man für einen reibungslosen Ab- lauf sorgen will. Bei einem "herkömmlichen" Gewerbebetrieb dage- gen unterstehen die Mitarbeiter, Kunden usw. einer Hausordnung, die jederzeit durchgesetzt werden kann. In Bezug auf die Immis- sionsintensität ist dieser Gesichtspunkt nicht ohne Bedeutung. Zu bedenken ist auch, dass bei einer Autowaschanlage ein grosser Teil des Umsatzes nebst dem Freitagabend und Samstag am Sonntag erwirtschaftet wird, an einem Tag also, an welchem den Anwohnern ein erhöhter Anspruch auf Ruhe und Erholung zugebilligt wird. Abgesehen davon erscheint fraglich, ob noch von "vorübergehend" auftretenden Auswirkungen (§ 25 Abs. 2 Satz 1 BNO) gesprochen werden kann, wenn auf der Anlage zumindest zeitweise ein praktisch pausenloser Betrieb herrscht. Insgesamt steht für das Verwal- tungsgericht jedenfalls fest, dass die geplante Autowaschanlage den 2005 Verwaltungsgericht 152 Vorgaben von § 25 Abs. 2 Satz 1 BNO nicht entspricht, mehr als "mässig störend" und deshalb zonenwidrig ist; es stehen für sie an- dere Zonen wie namentlich die Gewerbezone (§ 12 BNO) zur Verfü- gung. Das Gericht ist sich dabei sehr wohl bewusst, dass es im Hin- blick auf die autonome Stellung der Gemeinden (vorne Erw. aaa) Zurückhaltung zu üben hat und nicht ohne Not seine eigene Rechts- auffassung an die Stelle der gemeinderätlichen setzen darf. Die Autonomie der Gemeindebehörden hat jedoch dort ihre Grenzen, wo sich eine Auslegung mit dem Wortlaut sowie mit Sinn und Zweck des Gesetzes nicht mehr vereinbaren lässt (AGVE 2003, S. 190 mit Hinweis). Ein solcher Fall ist hier gegeben. § 25 Abs. 2 Satz 1 BNO ist so abgefasst, dass der Wortlaut in einem unzulässigen Mass strapaziert werden müsste, wollte man das Bauvorhaben der Beschwerdegegnerin darunter subsumieren. Bei diesem Ergebnis kann offen bleiben, ob es sich auch um einen Betrieb handelt, der ein hohes Mass von quartierfremdem Verkehr verursacht (§ 25 Abs. 2 Satz 2 BNO). cc) (...) f) Zusammenfassend ist mithin festzuhalten, dass eine Auto- waschanlage der projektierten Art und Dimension keine "üblichen" Arbeits- und Öffnungszeiten aufweist und auch den Begriff des "Herkömmlichen" sprengt. Das Baugesuch der Beschwerdegegnerin ist daher wegen fehlender Zonenkonformität nicht bewilligungsfähig, was zur Gutheissung der Beschwerde führt. (...).
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2007 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 177 V. Fürsorgerische Freiheitsentziehung 41 Einweisung zur Untersuchung; Verhältnismässigkeit einer Isolation. - Bei einer Einweisung zur Untersuchung ist die Zwangsmassnahme der Isolation nur bei akuter Selbst- und/oder Fremdgefährdung zu- lässig (Erw. 3.1). - Die Isolation zwecks pädagogischer Massnahme ist unverhältnismäs- sig (Erw. 3.4; Bestätigung der Rechtsprechung, vgl. AGVE 2003, S. 141). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 23. Oktober 2007 in Sachen J.L. gegen die Psychiatrische Klinik Königsfelden (WBE.2007.320). Aus den Erwägungen 3. 3.1. Bei der Isolation handelt es sich um eine "andere Vorkehrung" i.S. von § 67e bis Abs. 1 EG ZGB. Sie bedeutet, allein in einem (oft ausser einem Bett unmöblierten) Raum eingeschlossen zu sein. In der Regel soll damit einer drohenden Selbst- oder Fremdgefährdung begegnet werden, d.h., sie geschieht zum Selbstschutz der betroffe- nen Person, aber auch zum Schutz von Personal, Patienten und Ge- genständen. Allenfalls kann die mit der Isolation verbundene Reizab- schirmung zusätzlich zu einer Beruhigung des Patienten führen, an- dererseits kann die zusätzliche Freiheitsbeschränkung unter Umstän- den auch eine Erhöhung der Aggression zur Folge haben (vgl. AGVE 2000, S. 181 f.). Mit der Anordnung dieser Massnahme wird grundsätzlich in einschneidender Weise in die Freiheitsrechte einer betroffenen Per- son eingegriffen. Das verfassungsmässige Recht der persönlichen Freiheit, das in der am 1. Januar 2000 in Kraft getretenen Bundesver- 2007 Verwaltungsgericht 178 fassung vom 18. April 1999 ausdrücklich in Art. 10 und - hinsichtlich des Schutzes der Menschenwürde - auch in Art. 7 gewährleistet ist, beinhaltet insbesondere das Recht auf körperliche und geistige Un- versehrtheit, auf Bewegungsfreiheit und Wahrung der Würde des Menschen sowie alle Freiheiten, die elementare Erscheinungen der Persönlichkeitsentfaltung darstellen (BGE 126 I 114 mit Hinweisen). Das Recht auf persönliche Freiheit gilt indessen, wie die übrigen Freiheitsrechte, nicht absolut. Einschränkungen sind zulässig, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, im öffentlichen Inter- esse liegen und verhältnismässig sind; zudem dürfen sie den Kernge- halt des Grundrechts nicht beeinträchtigen, das heisst, dieses darf weder völlig unterdrückt noch seines Gehalts als Institution der Rechtsordnung entleert werden (BGE 126 I 115). Eine Zwangsmass- nahme ist namentlich dann unverhältnismässig, wenn eine ebenso geeignete mildere Anordnung für den angestrebten Erfolg ausreicht. Der Eingriff darf in sachlicher, räumlicher, zeitlicher und personeller Hinsicht nicht einschränkender sein als notwendig (BGE 126 I 119 f. mit Hinweisen). Besondere Zurückhaltung ist geboten bei Einwei- sungen zur Untersuchung. In diesen Fällen kann eine Isolation nur verhältnismässig sein, wenn eine eigentliche Notfallsituation, d.h. eine akute Selbst- oder Fremdgefährdung, vorliegt oder mit grosser Wahrscheinlichkeit kurz bevorsteht. 3.2. (...) 3.3. (...) 3.4. 3.4.1. In den Unterlagen der Klinik Königsfelden wird der Beschwerdeführer ab dem 9. Oktober 2007 durchwegs als "ruhig" und "anständig" beschrieben (vgl. entsprechende Einträge ab dem 9. Oktober 2007 auf dem Überwachungsblatt und in der Krankenge- schichte). Auch der behandelnde Oberarzt bestätigte anlässlich der Verhandlung, ab dem 9. Oktober 2007 hätten keine Indizien mehr be- standen, welche auf eine Bedrohlichkeit des Beschwerdeführers hin- gedeutet hätten. Die Unberechenbarkeit des Beschwerdeführers sei 2007 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 179 über die Tage abflauend gewesen. Dass der Schlüssel nach dem 9. Oktober 2007 noch gedreht war, wäre "nicht nötig" gewesen. 3.4.2. Offensichtlich lagen somit ab dem 9. Oktober 2007 keinerlei Anhaltspunkte mehr dafür vor, dass der Beschwerdeführer unbere- chenbar, aggressiv oder gar fremdgefährlich gewesen wäre; es muss- te ab diesem Zeitpunkt folglich nicht mehr mit einer Gewalteskala- tion gerechnet werden. Im vorliegenden Fall wurde mit der Isolation nebst dem Schutze des Pflegepersonals auch ein verhaltenstherapeutisches Ziel verfolgt, um beim Beschwerdeführer Verhaltensänderungen (Kooperationsbe- reitschaft) zu bewirken und damit bessere Voraussetzungen für die erfolgreiche Durchführung des Abklärungsauftrages zu schaffen. Offensichtlich war der Beschwerdeführer nicht dazu bereit gewesen, auf Verhandlungen und Kompromisse einzugehen, und sich in den Tagesablauf der Abteilung zu integrieren. Zweifellos ist ein solches Verhalten des Beschwerdeführers aus Sicht des Klinikpersonals als eher mühsam und zeitaufwendig einzustufen. In psychiatrischen Kli- niken und vergleichbaren Institutionen kommt es aber immer wieder vor, dass sich Patienten weigern, sich in den Klinikalltag zu integrie- ren. Solange eine konkrete Gefährdung von Mitpatienten und Perso- nal sowie von Gegenständen ausgeschlossen werden kann und die Belastung auf der Abteilung nicht absolut unzumutbar ist, rechtfertigt dieses Verhalten keine Zwangsmassnahmen. Das Ziel, den Be- schwerdeführer zu einer Verhaltensänderung zu bewegen, damit er sich in den Klinikalltag integriere, darf nicht durch eine zusätzliche, massive Freiheitsentziehung angestrebt werden. Die Isolation als reines Disziplinierungsmittel bzw. als pädagogische Massnahme ist nicht erlaubt (vgl. dazu AGVE 2003, S. 141). 3.4.3. Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass die Isolation grundsätzlich einen tiefgreifenden Eingriff in die persönliche Freiheit darstellt. In casu kann jedoch festgestellt werden, dass der Beschwer- deführer es selbst in der Hand gehabt hätte, das Isolations-Zimmer ab dem 9. Oktober 2007 zu verlassen. So wurde ihm von Seiten der Kli- nik das Angebot unterbreitet, dass er das Isolationszimmer verlassen 2007 Verwaltungsgericht 180 könne, wenn er am Klinikalltag mitmache. Der Beschwerdeführer weigerte sich jedoch und verliess das Isolationszimmer lediglich am Donnerstag aufgrund eines Telefonanrufs; danach ging er offenbar "freiwillig" wieder ins Isolationszimmer zurück. Der Beschwerde- führer hat die ihm anerbotene Möglichkeit, das Isolationszimmer am 9. Oktober 2007 verlassen zu können, nicht wahrgenommen, und so die damit verbundene Freiheitsbeschränkung ein Stück weit in Kauf genommen. So führte der Beschwerdeführer anlässlich der Verhand- lung selbst aus, es mache für ihn "keinen Unterschied", ob er "auf der geschlossenen Abteilung [...] oder ganz eingesperrt" sei; wenn seine Forderungen nicht erfüllt würden, lebe er mit den Konsequenzen, auch wenn er nicht gerne auf diesem Zimmer gewesen sei. Der Ein- griff in die persönliche Freiheit des Beschwerdeführers ist unter die- sen Umständen als relativ klein einzustufen. 4. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Zwangs- massnahme der Isolation zu Beginn der Hospitalisation, nämlich am 8. Oktober 2007, gerechtfertigt und verhältnismässig war. Am 9. Oktober 2007 sowie an den folgenden Tagen jedoch lässt sich feststellen, dass die an diesen Tagen erfolgte Isolation nicht verhält- nismässig war. Die Isolation ist zeitlich über das Notwendige hinaus- gegangen. Den Anforderungen des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes wurde somit ab dem 9. Oktober 2007 nicht Genüge getan, weshalb die Beschwerde im Sinne obiger Erwägungen teilweise gutzuheissen ist.
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2016 Verwaltungsrechtspflege 321 XIII. Verwaltungsrechtspflege 51 Verteilung der Parteikosten bei Gutheissung der Beschwerde (Praxisän- derung) Praxisänderung (AGVE 2009, S. 278 f.): Entgegen dem VRPG ist das Strassenverkehrsamt von Bundesrechts wegen Partei im verwaltungsge- richtlichen Verfahren (Art. 24 Abs. 2 lit. a SVG i.V.m. Art. 111 Abs. 1 BGG). Deshalb sind das DVI und das Strassenverkehrsamt bei Gutheis- sung der Beschwerde durch das Verwaltungsgericht zu verpflichten, die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren entstandenen Parteikosten des Beschwerdeführers je zur Hälfte zu bezahlen (§ 33 Abs. 1 VRPG). Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 11. Mai 2016, in Sachen M. gegen das Strassenverkehrsamt des Kantons Aargau und das Departement Volkswirtschaft und Inneres (WBE.2016.36). Aus den Erwägungen III. 1. 1.1.-1.2. (...) 1.3. 1.3.1. Gemäss § 32 Abs. 2 VRPG werden im Beschwerdeverfahren auch die Parteikosten in der Regel nach Massgabe des Unterliegens und Obsiegens auf die Parteien verlegt. Die Behörden werden in die- ser Hinsicht nicht privilegiert, sondern den übrigen Parteien gleichgestellt (vgl. AGVE 2009, S. 278 f.), weshalb zu beurteilen ist, welchen Verfahrensbeteiligten Parteistellung zukommt. Zu dieser Frage ist in AGVE 2009, S. 278 f., festgehalten wor- den, dass im verwaltungsgerichtlichen Verfahren der Beschwerde- führer gestützt auf § 13 Abs. 2 lit. a VRPG Parteistellung habe und 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 322 dass sich die Parteistellung des DVI als Vorinstanz aus § 13 Abs. 2 lit. e VRPG ergebe. Dagegen habe das Strassenverkehrsamt im verwaltungsgerichtlichen Verfahren keine Parteistellung, da gemäss § 13 Abs. 2 lit. e VRPG lediglich der Vorinstanz - nicht aber den Vorinstanzen - Parteistellung zukomme. Anzufügen bleibt, dass das Strassenverkehrsamt auch nicht gestützt auf § 13 Abs. 2 lit. f VRPG Partei sein kann, da es nicht einem anderen Gemeinwesen angehört. Was die Parteistellung des Beschwerdeführers und der Vorin- stanz anbelangt, so ist an dieser Rechtsprechung festzuhalten. Die Ausführungen zur Verneinung der Parteistellung des Strassen- verkehrsamts dagegen sind ausschliesslich gestützt auf das VRPG erfolgt. Zu beachten ist aber, dass sich auch aus Bundesrecht Vor- gaben zur Parteistellung ergeben. So ist gemäss Art. 24 Abs. 2 lit. a SVG die erstinstanzlich verfügende Behörde gegen den Entscheid einer verwaltungsunabhängigen kantonalen Beschwerdeinstanz zur Beschwerde an das Bundesgericht berechtigt. Gemäss Art. 89 Abs. 2 lit. d BGG sind Personen, Organisationen und Behörden, denen ein anderes Bundesgesetz dieses Recht einräumt, zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten berechtigt. Wer zur Be- schwerde an das Bundesgericht berechtigt ist, muss sich zudem nach Art. 111 Abs. 1 BGG am Verfahren vor allen kantonalen Vorin- stanzen als Partei beteiligen können. Nachdem Bundesrecht ent- gegenstehendem kantonalem Recht vorgeht (sog. derogatorische Kraft des Bundesrechts; Art. 49 Abs. 1 BV), ist im Bereich des Stras- senverkehrsrechts das Strassenverkehrsamt entgegen § 13 VRPG und AGVE 2009, S. 278 f., Partei im verwaltungsgerichtlichen Verfah- ren. Aus diesem Grund hat das Strassenverkehrsamt zusammen mit dem DVI als Vorinstanz dem obsiegenden Beschwerdeführer die ihm entstandenen Parteikosten je zur Hälfte zu ersetzen (§ 33 Abs. 1 VRPG).
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2007 Verwaltungsgericht 184 [...] 43 Zuständigkeit zum Erlass einer Verfügung betreffend fürsorgerische Freiheitsentziehung. - Die Verlegung in eine andere Klinik braucht eine neue Verfügung betreffend fürsorgerische Freiheitsentziehung der (auch örtlich) zu- ständigen Einweisungsbehörde (Erw. 3). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 21. August 2007 in Sachen A.B. gegen den Bezirksarzt-Stellvertreter X. (WBE.2007.259). Aus den Erwägungen 1. 1.1. (...) 1.2. Die Beschwerde richtet sich gegen die Einweisungsverfügung des Bezirksarzt-Stellvertreters X, einer aargauischen Behörde. Unge- achtet dessen örtlicher Zuständigkeit ist dessen Verfügung vom 17. (recte: 18.) August 2007 beim Verwaltungsgericht anfechtbar (§ 67o EG ZGB; vgl. AGVE 1995, S. 245). 2. 2.1. Die Zuständigkeit der einweisenden Stelle ist von Amtes wegen zu überprüfen (§ 20 VRPG; VGE II/110 vom 16. November 1989 in Sachen G.O., S. 5). Es ist somit zu prüfen, ob der Bezirksarzt- Stellvertreter X. zur Einweisung des Beschwerdeführers örtlich zuständig war. Wäre dies nicht der Fall, müsste die Verfügung aufge- hoben werden (AGVE 1995, S. 245). 2.2. 2.2.1. Zuständig für den Entscheid über die fürsorgerische Freiheits- entziehung ist eine vormundschaftliche Behörde am Wohnsitz, oder, 2007 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 185 wenn Gefahr im Verzug ist, eine vormundschaftliche Behörde am Aufenthaltsort der betroffenen Person (Art. 397b Abs. 1 ZGB). Für die Fälle, in denen Gefahr im Verzug oder die Person psychisch krank ist, können die Kantone diese Zuständigkeit ausserdem ande- ren geeigneten Stellen einräumen (Art. 397b Abs. 2 ZGB). Das ZGB enthält keinen Hinweis, dass bei diesen anderen Stellen die örtliche Zuständigkeit von Bundesrechts wegen abweichend geregelt wäre (AGVE 1990, S. 230; vgl. BBl 1977 III, S. 31). Gemäss § 67b Abs. 2 EG ZGB kann im Kanton Aargau bei psychisch Kranken auch der Bezirksarzt - als andere geeignete Stelle im Sinne von Art. 397b Abs. 2 ZGB - die Unterbringung oder Zurückbehaltung anordnen. 2.2.2. Unter Wohnsitz ist der zivilrechtliche Wohnsitz im Sinne von Art. 23 ff. ZGB zu verstehen. Dies entspricht einem generell gelten- den Grundsatz des schweizerischen Vormundschaftsrechts (Bernhard Schnyder/Erwin Murer, in: Berner Kommentar, Vormundschafts- recht, Bern 1984, Vorbemerkungen zu Art. 376 - 378 N 8; Art. 376 N 28 ff.) und wird in den Materialien auch bei den Bestimmungen über die fürsorgerische Freiheitsentziehung als selbstverständlich betrachtet (BBl 1977 III, S. 30 f.). Die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs-, Versorgungs-, Heil- oder Strafanstalt begründet keinen Wohnsitz (Art. 26 ZGB). 2.3. Nachdem der Beschwerdeführer gemäss Einwohnerkontrolle Basel-Stadt seit dem 1. Juli 2007 Wohnsitz im Kanton Basel-Stadt hat, ergibt sich folgerichtig, dass die aargauischen Behörden zum Erlass einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung grundsätzlich örtlich unzuständig waren. 2.4. 2.4.1. Nachdem also der Beschwerdeführer - wie unter Ziffer 2.3. hiervor ausgeführt - nicht Wohnsitz im Kanton Aargau hat, waren die aargauischen Behörden zum Erlass einer fürsorgerischen Freiheits- entziehung nur zuständig, wenn sie wegen Gefahr im Verzug, d.h. aufgrund einer Notfallsituation, als Behörden am Aufenthaltsort des Beschwerdeführers sofort handeln mussten. Eine Notfallzuständig- 2007 Verwaltungsgericht 186 keit liegt vor, wenn die Verzögerung des Entscheids die Interessen, welche durch die fürsorgerische Freiheitsentziehung geschützt werden sollten, schwer beeinträchtigt (Thomas Geiser, in: Basler Kommentar, ZGB I/2, Basel/Genf/München 1999, Art. 397b N 5). 2.4.2. Eine derartige Notfallsituation ist im vorliegenden Fall jedoch nicht ersichtlich. Nachdem sich der Beschwerdeführer vor seiner Verlegung nach Königsfelden bereits beinahe eine Woche in den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel (UPK) aufgehalten hat- te, wäre genügend Zeit gewesen, den Erlass einer neuen Verfügung bei der zuständigen Einweisungsbehörde des Kantons Basel-Stadt zu erwirken. Der Einhaltung des Wohnsitzprinzips - und somit der Er- lass einer Verfügung betreffend fürsorgerische Freiheitsentziehung durch die zuständige Einweisungsbehörde Basel-Stadt - stand nichts im Wege. 2.5. Zusammenfassend steht fest, dass der Bezirksarzt-Stellvertreter X. nicht zuständig war, um den Beschwerdeführer per fürsorgeri- scher Freiheitsentziehung in die Klinik Königsfelden einzuweisen. Deshalb ist die Verfügung des Bezirksarzt-Stellvertreters X. vom 17. (recte: 18.) August 2007 mangels örtlicher Zuständigkeit aufzu- heben. 2.6. Lediglich der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass die subsidiäre Notfallzuständigkeit am Aufenthaltsort zur Anordnung einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung - sofern eine solche Zuständigkeit denn überhaupt gegeben ist - nicht für unbe- schränkte Zeit bestehen bleibt; vielmehr ist eine gestützt darauf erlas- sene Verfügung möglichst umgehend durch eine ordentliche Verfü- gung der zuständigen Behörde im Wohnsitzkanton abzulösen, wenn die fürsorgerische Freiheitsentziehung aufrecht erhalten werden soll (vgl. VGE I/29 vom 5. Februar 2002 [BE.2002.22]); mit der neuen Verfügung durch die Behörde am Wohnsitz entfällt dann die Notfall- einweisung als Anfechtungsobjekt. 2007 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 187 3. 3.1. Nach der Aufhebung der Verfügung des Bezirksarzt-Stellvertre- ters X. vom 17. (recte: 18.) August 2007 stellt sich die Frage, wel- ches die Konsequenzen davon sind bzw. welche Wirkungen die Ein- weisungsverfügung des Arztes des Gesundheitsdienstes Basel-Stadt vom 10. August 2007 [Einweisung des Beschwerdeführers in die UPK] und der Verlegungsentscheid der Ärzte der UPK vom 16. Au- gust 2007 [Verlegung des Beschwerdeführers von der UPK in die Psychiatrische Klinik Königsfelden] in dieser Konstellation (noch) haben. 3.2. 3.2.1. Als "Procedere" wird in der Einweisungsverfügung des Arztes des Gesundheitsdienstes Basel-Stadt vom 10. August 2007 das Fol- gende ausgeführt (a.a.O.): "FFE, stationäre Massnahme in der UPK (...)" Auch der Entscheid der Psychiatrie-Rekurskommission Basel- Stadt vom 16. August 2007 lautet dahingehend, dass der Beschwer- deführer durch die ärztliche Leitung der UPK in der Klinik zurück- behalten werden dürfe (Dispositiv-Ziffer 2). 3.2.2. Die Unterbringung muss in einer "geeigneten Anstalt" erfolgen. Die Anstalt, in welche eingewiesen wird, muss konkret bezeichnet werden (AGVE 1987, S. 215), ansonsten ihre Geeignetheit gar nicht überprüft werden kann. Diese kann nicht generell, sondern nur im Einzelfall beurteilt werden (BGE 112 II 486). 3.2.3. Da die Einweisungsverfügung des Arztes des Gesundheitsdiens- tes Basel-Stadt vom 10. August 2007 - korrekterweise (vgl. Erw. 3.2.2. hiervor) - die geeignete Anstalt konkret benennt ("UPK"; vgl. Erw. 3.2.1. hiervor), und auch der Entscheid der Psychiatrie- Rekurskommission explizit die Ärzte der UPK ermächtigt, den Be- schwerdeführer zurückzubehalten, bildet diese Verfügung folglich 2007 Verwaltungsgericht 188 keine gültige Grundlage für die Einweisung des Beschwerdeführers in die Psychiatrische Klinik Königsfelden. 3.3. 3.3.1. Die behandelnden Ärzte der UPK haben am 16. August 2007 ei- nen Verlegungsentscheid betreffend Beschwerdeführer erlassen. Darin wird der Beschwerdeführer "zur Weiterbehandlung" in die Psychiatrische Klinik Königsfelden verlegt. 3.3.2. Eine Verlegung in eine andere Anstalt ist grundsätzlich anfecht- bar, weil nicht nur die Voraussetzungen für die fürsorgerische Frei- heitsentziehung erfüllt sein müssen, sondern sich auch die Frage der Eignung der anderen Anstalt stellt (Eugen Spirig, in: Zürcher Kom- mentar, II. Band: Familienrecht, Zürich 1995, Art. 397d N 34). 3.3.3. Bei einem Verlegungsentscheid handelt es sich nach dem oben Ausgeführten folglich um eine Verfügung im Sinne von Art. 397a Abs. 1 ZGB, weshalb die entsprechenden bundesrechtlichen Zustän- digkeitsvorschriften sowie das entsprechende Verfahren zu beachten sind (Geiser, a.a.O., Art. 397a N 32 a.E.). Somit wäre die Ein- weisungsbehörde des Kantons Basel-Stadt für den Erlass einer solchen Verfügung zuständig gewesen. 3.3.4. Da die UPK nicht zuständige Einweisungsbehörde ist, bildet ihre Verlegungsverfügung keine gültige Grundlage für die Einwei- sung des Beschwerdeführers in die Psychiatrische Klinik Königsfel- den mittels fürsorgerischer Freiheitsentziehung. 3.4. Es kann somit zusammenfassend festgestellt werden, dass keine gültige Verfügung vorliegt, gemäss welcher der Beschwerdeführer in die Psychiatrische Klinik Königsfelden einzuweisen bzw. dort zu- rückzubehalten ist. 3.5. Um der (auch örtlich) zuständigen Einweisungsbehörde des Kantons Basel-Stadt Gelegenheit zu geben, neu zu verfügen, erfolgt jedoch die - mangels Vorliegens einer gültigen Einweisungsverfü- 2007 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 189 gung vorzunehmende - Aufhebung der fürsorgerischen Freiheitsent- ziehung nicht sofort, sondern mit Wirkung nach Ablauf von drei Tagen ab Erhalt des vorliegenden Entscheides. Ist bis zu diesem Zeit- punkt keine gültige Einweisungsverfügung erlassen worden, darf der Beschwerdeführer nicht gegen seinen Willen in der Psychiatrischen Klinik Königsfelden zurückbehalten werden.
2,183
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AG_VG_001
AG_VG
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Northwestern_Switzerland
AG_VG_001_AGVE-2007-43_2007-08-01
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2,005
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2005 Verwaltungsrechtspflege 331 [...] 65 Wiederherstellung einer versäumten Beschwerdefrist. - Fristbeginn bezüglich des Gesuchs um Wiederherstellung (§ 98 Abs. 3 ZPO) bei Kanzleifehlern (Erw. 2/b/aa). - Relevante Hinderungsgründe gemäss § 98 Abs. 1 ZPO (Erw. 2/b/bb/aaa). - Der Anwalt hat für Fehlleistungen von Hilfspersonen einzustehen, auch wenn er seinen Sorgfaltspflichten bezüglich des Kanzleiperso- nals nachgekommen ist (Erw. 2/b/bb/bbb). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 21. Februar 2005 in Sachen M. und Mitb. gegen Regierungsrat. Aus den Erwägungen 2. a) Wenn nichts anderes bestimmt wird - was im vorliegenden Falle nicht zutrifft -, sind Beschwerden innert 20 Tagen seit Zustellung der angefochtenen Verfügungen oder Entscheide einzurei- chen (§ 40 Abs. 1 VRPG). Für die Berechnung der Fristen, deren Unterbruch und die Wiederherstellung gegen die Folgen der Säumnis gelten nach Massgabe von § 31 VRPG sinngemäss die Vorschriften der ZPO. Die Zustellung des angefochtenen Regierungsratsentscheids vom 1. Dezember 2004 an den Anwalt der Beschwerdeführer er- folgte gemäss dem postalischen Empfangsschein am 7. Januar 2005, d.h. während der bis zum 10. Januar 2005 dauernden Gerichtsferien 2005 Verwaltungsgericht 332 (§ 89 Abs. 1 lit. c ZPO). Zustellungen während der Gerichtsferien gelten als am ersten Tag nach deren Ablauf vollzogen (§ 90 Abs. 1 Satz 2 ZPO), d.h. am 11. Januar 2005. Der erste für die Fristberech- nung zählende Tag ist nach Massgabe von § 81 ZPO der 12. Januar 2005. Die zwanzigtägige Beschwerdefrist lief somit am 31. Januar 2005 ab, d.h. die Aufgabe der Sendung mit der Beschwerdeschrift musste spätestens an diesem Tag bei der Post erfolgen (§ 82 Abs. 1 ZPO). Das vom Anwalt der Beschwerdeführer aufgegebene Couvert mit der Beschwerde trägt demgegenüber den Poststempel vom 2. Februar 2005. Die Beschwerdefrist wurde also nicht eingehalten, was auch unbestritten ist. b) Die Beschwerdeführer verlangen die Wiederherstellung der versäumten Frist. aa) Das Gesuch um Wiederherstellung ist selber fristgebunden; es ist "innert 10 Tagen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen" (§ 98 Abs. 3 ZPO). Diese Umschreibung bezieht sich auf die klassischen Wiederherstellungsgründe der Krankheit, des Militär- dienstes oder der Landesabwesenheit (siehe hinten Erw. bb/aaa). Geht es dagegen wie im vorliegenden Fall um einen Kanzleifehler (siehe hinten Erw. bb/bbb), ist für den Fristbeginn darauf abzustellen, wann die Partei oder ihr Vertreter von der Fristversäumnis Kenntnis erhielt. Dies war hier der Zeitpunkt, da der Rechtsvertreter der Be- schwerdeführer das Schreiben des Kammerpräsidenten vom 7. Fe- bruar 2005 zugestellt erhielt, also (gemäss dem postalischen Emp- fangsschein) der 8. Februar 2005. Das Couvert mit dem Wieder- herstellungsbegehren wurde innert Frist am 10. Februar 2005 zur Post gegeben. bb) aaa) Die Wiederherstellung setzt voraus, dass "eine Partei oder ihr Vertreter ohne Verschulden verhindert war, eine Frist einzu- halten" (§ 98 Abs. 1 ZPO). Als Hinderungsgründe werden nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts etwa anerkannt: Ernstliche Erkrankung des Verfügungsadressaten, Unglücks- oder Todesfall in dessen Familie, Militärdienst und nicht voraussehbare Landesabwe- senheit, aber auch weitere in der Regel subjektive Gründe, welche die objektiv nicht unausweichliche Fristversäumnis als entschuldbar erscheinen lassen. Daraus folgt, dass nicht jede Verhinderung im 2005 Verwaltungsrechtspflege 333 Laufe der Einsprache- oder Beschwerdefrist eine Wiederherstellung zu rechtfertigen vermag. Es muss entscheidend darauf ankommen, wie sich der geltend gemachte Hinderungsgrund im konkreten Fall ausgewirkt hat. Dabei können im Einzelfall verschiedene Kriterien eine Rolle spielen, so etwa die Voraussehbarkeit des Hinderungs- grundes, die vor dem Eintritt oder nach Wegfall des Hinderungs- grundes verbleibende Zeitspanne zur Abfassung der Beschwerde, allenfalls die Komplexität des Falles wie auch der Umstand, ob der säumige Beschwerdeführer anwaltlich vertreten ist oder nicht oder ob ihm zuzumuten ist, sonst eine Drittperson mit der Vornahme der Prozesshandlung zu betrauen. Das Gesetz stellt die Wiederherstel- lung unter die Voraussetzung der Schuldlosigkeit (§ 98 Abs. 1 ZPO), verlangt also, dass der säumigen Partei kein Vorwurf gemacht werden kann; ein Verschulden ist nur zu verneinen, wenn die Säum- nis auch bei der vom Säumigen zu erwartenden Sorgfalt und unter den gegebenen Umständen nicht abgewendet werden konnte (siehe zum Ganzen: BGE 112 V 255 f. mit Hinweisen; AGVE 1992, S. 386 f. mit Hinweisen; VGE III/68 vom 6. Juni 2001 [BE.2001.00058], S. 4 f.; Kurt Eichenberger, Zivilrechtspflegegesetz des Kantons Aargau, Textausgabe mit Kommentar, Aarau 1987, § 98 N 2; Alfred Bühler / Andreas Edelmann / Albert Killer, Kommentar zur Aargauischen Zivilprozessordnung, 2. Aufl., Aarau 1998, § 98 N 7 ff.). bbb) Im vorliegenden Fall geht es um einen speziellen Tatbe- stand, indem nach den Angaben des Rechtsvertreters der Beschwer- deführer das Verschulden an der nicht fristgerechten Versendung der fraglichen Rechtsschrift bei seinem Kanzleipersonal liegt. Die Be- schwerdeführer machen nun geltend, die unterlassene Spedition einer fertiggestellten Rechtsschrift und deren Liegenlassen während zweier Tage bei nachgewiesener rechtzeitiger Spedition der Orientierungs- doppel in der Kanzlei stelle einen einmal vorgekommenen Fehler des Kanzleipersonals dar, der nicht dazu führen dürfe, dass die Partei einen unheilbaren Rechtsverlust erleide. An der Fristversäumnis trage der Rechtsvertreter kein Verschulden, weil dieser seiner Pflicht zu gehöriger Auswahl, Instruktion und Überwachung nachgekom- men sei. 2005 Verwaltungsgericht 334 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 35 OG haben sich Partei und Anwalt Fehler einer Hilfsperson als eigenes Verschulden anrechnen zu lassen (BGE 114 Ib 69 ff. mit zahlreichen Hinweisen; Bühler/Edelmann/Killer, a.a.O., § 98 N 12). Dabei lehnt das Bundesgericht auch eine analoge Anwendung von Art. 55 Abs. 1 OR ab; danach haftet der Geschäftsherr für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstli- chen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre. Begründet wird die Ablehnung damit, dass sich Art. 55 OR auf die Haftung für unerlaubte Handlungen beziehe, wogegen Art. 35 OG die unmittelbaren prozessualen Folgen der Fristversäumnis und nicht Haftungsfragen regle. Im Übrigen hafte der Vertreter gegenüber der Partei nicht aus unerlaubter Handlung sondern aus Ver- tragsverletzung . In diesem Bereich bestehe, anders als bei der Haf- tung aus unerlaubter Handlung, keine Exkulpationsmöglichkeit. Art. 101 Abs. 1 OR statuiere vielmehr eine umfassende Haftung für das Verhalten von Hilfspersonen. Habe aber der Vertreter der Partei den Schaden zu ersetzen, den die Hilfsperson in Ausübung ihrer Ver- richtungen verursacht habe (Art. 101 Abs. 1 OR), ohne dass es darauf ankäme, ob er selber die nach den Umständen gebotene Sorgfalt an- gewendet habe (Art. 55 Abs. 1 OR), sei nicht ersichtlich, warum für die Frage der Fristwiederherstellung nach Art. 35 OG das Verhalten von Hilfspersonen nicht dem Vertreter bzw. der Partei zugerechnet werden sollte (BGE 114 Ib 73 f.). Das Obergericht vertrat unter dem Regime der Zivilprozessordnung vom 12. März 1900 und der Geset- zesnovelle vom 20. März 1941 eine weniger strenge Auffassung und rechnete eine schuldhaft vom Kanzleipersonal bewirkte Säumnis nicht dem Anwalt zu, sofern diesen weder in der Auswahl und Instruktion noch in der Überwachung seines Personals ein Ver- schulden traf (AGVE 1982, S. 89 f. mit Hinweisen; Büh- ler/Edelmann/Killer, a.a.O., § 98 N 12). Im Rahmen der ZPO-Revi- sion wurde diese Rechtsfrage ebenfalls thematisiert. Der regierungs- rätliche Entwurf vom 8. Dezember 1980 sah in § 97 Abs. 2 vor, dass 2005 Verwaltungsrechtspflege 335 das Verschulden einer Hilfsperson der Partei oder einer solchen ihres Vertreters der Partei nicht zugerechnet werden solle, wenn gehörige Sorgfalt bei der Wahl und Instruktion der Hilfsperson nachgewiesen wird (Sitzung des Grossen Rates vom 18. Dezember 1984 [Art. 1664], fortlaufendes Protokoll [im Folgenden: Protokoll GR], S. 2631 [Votum Knecht]; AGVE 1987, S. 420; Bühler/Edelmann/Kil- ler, a.a.O., § 98 N 12). In der zweiten Lesung wurde die Bestimmung dann aber mit 49 gegen 32 Stimmen gestrichen (Protokoll GR, S. 2633). Ein Antrag, die Regelung auf die Hilfspersonen eines Anwalts zu beschränken, war in der grossrätlichen Spezialkommission "Jus- tizgesetze" ebenfalls verworfen worden (AGVE 1987, S. 420). In der Folge legte sich die Praxis im Sinne der erwähnten bundesgericht- lichen Rechtsprechung darauf fest, dass der Anwalt für das fehlerhaf- te Verhalten von Hilfspersonen ebenso einzustehen hat wie der nach einem andern Vertragstyp Verpflichtete (AGVE 1994, S. 80 f.; 1999, S. 458 ff.). Dies überzeugt nach wie vor. Die Meinung von Bühler, es liege kein qualifiziertes Schweigen des Gesetzgebers vor (Bühler/ Edelmann/Killer, a.a.O., § 98 N 12), teilt das Verwaltungsgericht nicht. Wohl wurde in der Grossratssitzung vom 18. Dezember 1984 vom Fraktionssprecher einer Partei ausgeführt, die Fraktion sei "mehrheitlich für Streichung unter Hinweis auf die bestehende Praxis, die weitergeführt werden soll" (Protokoll GR, S. 2632 [Votum Kocher]), doch kann dieser Stellungnahme keinerlei legis- latorische Relevanz zugemessen werden, nachdem die Streichung ohne jeden Vorbehalt erfolgte. Der Grosse Rat hat sich mit der Frage befasst und ist - im Wissen darum, dass es um eine über den Ge- setzeswortlaut hinausgehende Praxis ging (AGVE 1994, S. 81; 1999, S. 461) -, zur Ansicht gelangt, es sei für die Hilfspersonen der An- wälte keine spezifische, der rechtsuchenden Partei entgegenkommen- de Regelung zu treffen. Die diskutierte Frage ist vom Gesetzgeber bewusst verneint worden, womit ein qualifiziertes Schweigen vor- liegt (BGE 125 V 11 f. mit zahlreichen Hinweisen; ferner Ulrich Häfelin / Georg Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Auflage, Zürich 2002, Rz. 234; AGVE 1993, S. 376; VGE III/38 vom 18. Mai 2004 [BE.2004.00019], S. 20). Dies gilt umso mehr, als die frühere kantonale Praxis mit der Regelung der Haftungsfragen im Obliga- 2005 Verwaltungsgericht 336 tionenrecht nicht korrespondierte (siehe BGE 114 Ib 69 ff.). Es ist zwar denkbar, im Bereich der Fristwiederherstellung eine andere Regelung zu treffen, doch gehört dies auf die Ebene des Gesetzes. 3. Zusammenfassend ist damit festzuhalten, dass das Wieder- herstellungsbegehren unbegründet und deshalb abzuweisen ist. Auf die Beschwerde vom 31. Januar 2005 darf wegen Fristversäumnis nicht eingetreten werden.
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AG_VG_001
AG_VG
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2007 Verwaltungsrechtspflege 233 [...] 58 Beschwerdeschrift. - Anforderungen an eine Beschwerdeschrift (Erw. 2.1). - Formelle Anforderungen an die Nachtfristansetzung gemäss § 39 Abs. 3 VRPG bei Laienbeschwerden (Erw. 2.3). Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 26. Oktober 2007 in Sachen M.S. gegen das Bezirksamt Baden (WBE.2007.143). 2007 Verwaltungsgericht 234 Aus den Erwägungen 2. 2.1. Gemäss § 39 VRPG sind Beschwerden schriftlich bei der Be- schwerdeinstanz einzureichen (Abs. 1). Die Beschwerdeschrift hat einen Antrag und eine Begründung zu enthalten (Abs. 2). Antrag und Begründung stellen dabei Gültigkeitserfordernisse der Beschwerde dar, wobei die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung bei soge- nannten Laienbeschwerden sowohl das Antrags- als auch das Be- gründungserfordernis nicht streng auslegt (vgl. AGVE 1988, S. 413 mit Hinweisen). Sind die Anforderungen an die Beschwerdeschrift gemäss § 39 Abs. 1 und Abs. 2 VRPG nicht erfüllt, so ist bei Laien- beschwerden, die zumindest im Ansatz einen Antrag und eine Be- gründung enthalten, dem Beschwerdeführer eine Nachfrist zur Ver- besserung der Beschwerdeschrift anzusetzen, unter Androhung des Nichteintretens im Unterlassungsfall (§ 39 Abs. 3 VRPG; Michael Merker, Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, Zürich 1998, § 39 N 50 ff.; AGVE 1998, S. 457 ff.). 2.2. Das Bezirksamt Baden hat mit Schreiben vom 19. März 2007 der Beschwerdeführerin eine Frist angesetzt und sie darum ersucht, ihre Eingabe vom 8. März 2007 zu substantiieren und ihm mitzutei- len, als was ihre Eingabe zu behandeln ist. Die Beschwerdeführerin durfte davon ausgehen, dass das Bezirksamt Baden zur Auffassung gelangt ist, die genannte Eingabe der Beschwerdeführerin erfülle die Erfordernisse an die Beschwerdeschrift gemäss § 39 Abs. 2 VRPG nicht, weshalb es ihr - obwohl im Schreiben vom 19. März 2007 nicht explizit erwähnt - gestützt auf § 39 Abs. 3 VRPG eine Frist zur Verbesserung ihrer Beschwerde angesetzt hat. Eine andere gesetzli- che Grundlage besteht hierzu nicht. Setzt das Bezirksamt Baden der Beschwerdeführerin gestützt auf § 39 Abs. 3 VRPG eine Nachfrist an, so sind die mit dieser Be- stimmung verbundenen formellen Vorschriften zu beachten. Nach- folgend ist deshalb zu prüfen, ob das Bezirksamt Baden die formel- 2007 Verwaltungsrechtspflege 235 len Erfordernisse einer Nachfristansetzung gemäss § 39 Abs. 3 VRPG eingehalten hat. 2.3. Bei der in § 39 Abs. 3 VRPG vorgesehenen Möglichkeit der Nachfristansetzung zur Verbesserung der Beschwerdeschrift handelt es sich um einen Anwendungsfall der amtlichen Fürsorgepflicht ge- mäss § 20 Abs. 2 VRPG (Merker, a.a.O., § 39 N 52). Sie stellt damit eine Konkretisierung des in Art. 29 Abs. 1 BV verankerten Verbotes des überspitzten Formalismus dar, wonach vor allem rechtunkundige und prozessual unbeholfene Beschwerdeführer vor den Folgen einer mangelhaften Prozessführung bewahrt werden sollen (vgl. hiezu Alfred Kölz / Jürg Bosshart / Martin Röhl, Kommentar zum Ver- waltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2. Auflage, Zürich 1999, § 23 N 27). Mit Blick auf den erwähnten Hintergrund der Bestimmung von § 39 Abs. 3 VRPG ist die beschwerdeführende Partei anlässlich der Nachfristansetzung konkret darauf hinzuweisen, welche Anforderun- gen an die Beschwerdeschrift gemäss § 39 Abs. 1 und Abs. 2 VRPG mit ihrer bisherigen Eingabe noch nicht erfüllt sind. Darüber hinaus muss mit der Nachfristansetzung auch die Androhung verbunden werden, dass, falls die Eingabe innert Frist nicht verbessert werde, auf die Beschwerde nicht eingetreten werde (§ 39 Abs. 3 VRPG; Merker, a.a.O., § 39 N 50). Diese Anforderungen sind bei einer Nachfristansetzung gestützt auf § 39 Abs. 3 VRPG zwingend zu be- achten. 2.4. Im Schreiben vom 19. März 2007 wurde die Beschwerdeführe- rin nicht darauf aufmerksam gemacht, inwiefern ihre Beschwerde- schrift noch mangelhaft ist und welche Punkte sie zu verbessern hat. Zwar wurde die Beschwerdeführerin um Substantiierung ihrer Ein- gabe vom 8. März 2007 gebeten, jedoch handelt es sich beim Begriff der "Substantiierung" um einen juristischen Fachbegriff. Dazu kommt, dass bereits aus der Verwaltungsbeschwerde vom 8. März 2007 geschlossen werden kann, dass die Beschwerdeführerin nicht deutscher Muttersprache ist. Das Bezirksamt Baden hätte aufgrund seiner Fürsorgepflicht der Beschwerdeführerin vielmehr in einfachen 2007 Verwaltungsgericht 236 Sätzen konkret darlegen sollen, welche formellen Mängel ihre Be- schwerdeschrift aufweist und wie diese Unzulänglichkeiten innert der ihr angesetzten Frist behoben werden können. Aus dem Schrei- ben vom 29. März 2007 geht denn auch hervor, dass die Beschwer- deführerin das Wort "substantiieren" nicht verstanden hat und es ihr nicht klar war, inwiefern sie ihre Eingabe vom 8. März 2007 zu ver- bessern hatte. Zudem hat das Bezirksamt Baden der Beschwerdefüh- rerin auch nicht angedroht, auf die Beschwerde nicht einzutreten, falls sie keine Verbesserung ihrer Eingabe vom 8. März 2007 vor- nehme.
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2005 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 157 [...] 37 Legitimation. Standortgebundenheit einer Mobilfunkantenne in der Landwirtschaftszone. - Fehlende formelle Beschwer zur Beschwerdeführung, wenn im vor- instanzlichen Verfahren die Frist zur Verfahrensbeteiligung versäumt worden ist (Erw. I/2.1.2). - Grundsätze der (relativen) Standortgebundenheit (Art. 24 RPG) von Mobilfunkantennen ausserhalb der Bauzonen (Erw. II/2.2). Bejahung dieser Standortgebundenheit mangels eines geeigneten und zumutba- ren Standorts innerhalb der Bauzonen (Erw. II/3). - Evaluation von Alternativstandorten ausserhalb der Bauzonen; Ge- wichtung der grösseren bzw. kleineren Ausschöpfung der Anlage- grenzwerte bei der raumplanerischen Interessenabwägung (Erw. II/4). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 27. Juni 2005 in Sa- chen S. und Mitb. gegen Regierungsrat. 2005 Verwaltungsgericht 158 Aus den Erwägungen I. (...) 2.1.2 Die Beschwerdelegitimation setzt neben der materiellen Beschwer auch eine solche im formellen, prozessualen Sinne voraus. Diese Voraussetzung erfüllt, wer formell richtig am vorinstanzlichen Verfahren beteiligt, d.h. darin einbezogen war (passive Seite) und dort seine Antrags- bzw. (wenn es sich um ein Verwaltungsbe- schwerdeverfahren handelt) seine Beschwerdemöglichkeiten formell richtig ausgeschöpft hat (aktive Seite), aber nicht voll durchgedrun- gen ist. Deshalb ist auf Rechtsmittel bzw. Begehren von Personen nicht einzutreten, welche sich am vorinstanzlichen Verfahren nicht beteiligt oder welche dort weniger weitgehende Anträge gestellt ha- ben, ausser sie wären zu Unrecht von der Beteiligung ausgeschlossen oder erst durch den vorinstanzlichen Entscheid beschwert worden (siehe zum Ganzen: AGVE 2003, S. 309 f.; Michael Merker, Rechts- mittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege [Kommentar zu den §§ 38- 72 VRPG], Zürich 1998, § 38 N 146). Die Beschwerdegegnerin bestreitet die formelle Beschwer der Beschwerdeführer 1.1 und 1.2 mit der Begründung, deren Ver- nehmlassung vom 7. November 2002 im vorinstanzlichen Verfahren sei verspätet eingereicht worden. Dies trifft zu. Der Rechtsdienst des Regierungsrats hat H.S., der gegen das Baugesuch Einsprache erho- ben hatte, mit Schreiben vom 3. Oktober 2002 ordnungsgemäss auf sein Recht auf Beteiligung am Beschwerdeverfahren hingewiesen; eine entsprechende Erklärung war bis spätestens 4. November 2002 abzugeben, und weiter enthielt das Schreiben den Hinweis, dass Stillschweigen den Verzicht auf Verfahrensbeteiligung bedeute (siehe Merker, a.a.O., § 41 N 33). Mit Eingabe vom 7. November 2002, beim Rechtsdienst eingelangt am 8. November 2002, stellte H.S. hierauf den Antrag, die Mobilfunkanlage sei weiter von seinem Grundstück entfernt zu errichten, wobei er gleichzeitig selber ein- räumte, den gesetzten Termin vom 4. November 2002 "verpasst" zu haben. Die Erklärung auf Verfahrensbeteiligung ist also klarerweise zu spät und damit nicht rechtsgültig erfolgt (siehe auch Merker, 2005 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 159 a.a.O., § 41 N 51). Waren aber die Beschwerdeführer 1.1 und 1.2 am vorinstanzlichen Verfahren nicht beteiligt, konnten sie den für sie ungünstigen Entscheid des Regierungsrats vom 13. August 2003 auch nicht mit einem Rechtsmittel an die nächsthöhere Instanz wei- terziehen; auf ihre Beschwerde ist demgemäss antragsgemäss nicht einzutreten. (...) II. 1. Die Beschwerdegegnerin plant auf der Parzelle Nr. 1097 den Neubau einer GSM/UMTS-Mobilfunkantennenanlage. Mit dieser wird bezweckt, die In-House-Versorgung des Ortsteils "Riken" zu gewährleisten sowie einen Teil der Verkehrsachse Rothrist - Mur- genthal (Kantonsstrasse und SBB-Linie) abzudecken. Es sollen zwei UMTS-Sender mit einer äquivalent abgestrahlten Sendeleistung (ERP) von je 910 Watt (Frequenzband bei 2'100 MHz) und zwei GSM-Sender mit einer ERP von je 1'250 Watt (Frequenzband bei 1'800 MHz) installiert werden. Die Sender würden ca. 23 m über Terrain an einem 25.20 m hohen Stahlmast montiert und im 1'805 MHz- und 2'110/2'170 MHz-Frequenzband betrieben. Die Mobil- funkanlage soll ausserdem mit drei Richtfunkantennen ausgerüstet werden. 2. 2.1. Voraussetzung einer Baubewilligung ist u.a., dass die Bauten und Anlagen dem Zweck der Nutzungszone entsprechen (Art. 22 Abs. 2 RPG). Die Parzelle Nr. 1097 liegt gemäss dem Kulturlandplan der Gemeinde Murgenthal vom 26. November 1993 / 2. Juli 1996 in der Landwirtschaftszone. Dort sind u.a. Bauten und Anlagen, die zur landwirtschaftlichen Bewirtschaftung oder für den produzierenden Gartenbau nötig sind, zulässig (Art. 16a Abs. 1 Satz 1 RPG). Es liegt auf der Hand und ist auch unbestritten, dass der Bau und Betrieb einer Mobilfunkanlage diesen Anforderungen nicht entspricht (siehe BGE vom 24. Oktober 2001 [1A.62/2001, 1P.264/2001], Erw. 6c). 2.2. Abweichend von Art. 22 Abs. 2 lit. a RPG können Bewilli- gungen erteilt werden, Bauten und Anlagen zu errichten oder ihren Zweck zu ändern, wenn der Zweck der Bauten und Anlagen einen Standort ausserhalb der Bauzonen erfordert und keine überwiegen- den Interessen entgegenstehen (Art. 24 RPG [Fassung vom 20. März 2005 Verwaltungsgericht 160 1998]). Die Standortgebundenheit ist nach ständiger bundesgerichtli- cher Praxis zu bejahen, wenn eine Anlage aus technischen oder betriebswirtschaftlichen Gründen oder wegen der Bodenbeschaffen- heit auf einen Standort ausserhalb der Bauzone angewiesen ist (sog. positive Standortgebundenheit), oder wenn ein Werk aus bestimmten Gründen in einer Bauzone ausgeschlossen ist (sog negative Stand- ortgebundenheit). Dabei genügt eine relative Standortgebundenheit: Es ist nicht erforderlich, dass überhaupt kein anderer Standort in Betracht fällt; es müssen jedoch besonders wichtige und objektive Gründe vorliegen, die den vorgesehenen Standort gegenüber anderen Standorten innerhalb der Bauzone als viel vorteilhafter erscheinen lassen (BGE 129 II 68; BGE vom 23. Mai 2003 [1A.186/2002, 1A.187/2002], Erw. 3, in: ZBl 105/2004, S. 103 f.). Mobilfunkantennen sind Teil eines Netzes, welches der Versor- gung mit Mobiltelefonie dient; neue Antennen bezwecken in der Regel die Beseitigung einer Abdeckungslücke des Netzes oder eine Verbesserung von dessen Kapazität. Anhand dieses Ziels ist zu prü- fen, ob die Antenne auf einen Standort ausserhalb der Bauzone an- gewiesen ist. Dies ist grundsätzlich zu bejahen, wenn eine Deckungs- oder Kapazitätslücke aus funktechnischen Gründen mit einem oder mehreren Standorten innerhalb der Bauzone nicht in genügender Weise beseitigt werden kann bzw. es bei einem Standort innerhalb der Bauzone zu einer nicht vertretbaren Störung der in anderen Funkzellen des Netzes verwendeten Frequenzen käme. Nicht ausreichend sind wirtschaftliche Vorteile des gewählten Standorts (z.B. geringere Landerwerbskosten; voraussichtlich geringere Zahl von Einsprachen) oder zivilrechtliche Gründe für die Standortwahl, wie z.B. die Weigerung von Eigentümern, einer Mobilfunkantenne auf ihren Grundstücken innerhalb der Bauzone zuzustimmen. Im Übrigen setzt bereits der Begriff der Standortgebundenheit eine In- teressenabwägung voraus, um zu entscheiden, ob eine Anlage aus objektiven wichtigen Gründen auf einen Standort ausserhalb der Bauzone angewiesen ist. Da für jeden potentiellen Mobilfunkstandort ein Gebiet ausgemacht werden kann, das von einem alternativen Standort aus gerade nicht versorgt werden könnte, kann nicht jed- weder funktechnische Vorteil eines Standorts für die Bejahung der 2005 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 161 relativen Standortgebundenheit genügen, sondern es muss zusätzlich geprüft werden, ob ein ausserhalb der Bauzone erzielbarer Ab- deckungsvorteil so wichtig ist, dass er den vorgesehenen Standort gegenüber Standorten innerhalb der Bauzone als "viel vorteilhafter" erscheinen lässt. Welchem von mehreren möglichen Standorten ausserhalb der Bauzone der Vorzug zu geben sei, ist ebenfalls eine Frage der (raumplanerischen) Interessenabwägung (erwähnter BGE vom 23. Mai 2003, Erw. 3.1 bis 3.4, in: ZBl 105/2004, S. 104 f. mit zahlreichen Hinweisen). 3. 3.1. Innerhalb der Bauzone hat die Beschwerdegegnerin ei- nen Alternativstandort in der Wohnzone 2 Geschosse (W2), unmittel- bar angrenzend an die Zone für öffentliche Bauten und Anlagen (OeB), evaluiert (Koordinaten 631'153/236'170 [Standort A]). Dass dieser Standort nicht weiter verfolgt wurde, begründete sie mit der Lage neben dem Schulhaus (psychologisch ungünstig), dem Orts- bildschutz (25 m hoher Mast) und privatrechtlichen Problemen (fehlende Zustimmung des Grundeigentümers). Berechnungen aufgrund des einschlägigen Standortdatenblatts ergaben dann beim OMEN (Ort mit empfindlicher Nutzung) Nr. 5 eine elektrische Feld- stärke von 6.84 V/m und damit eine Überschreitung des Anlage- grenzwerts (AGW) von 6 V/m. Zu keinem anderen Ergebnis kam die kantonale Fachstelle; sie errechnete eine elektrische Feldstärke von 6.31 V/m und stellte weiter fest, dass der vorgeschriebene AGW beim OMEN Nr. 5 klar überschritten werde. Nach Darstellung der Beschwerdegegnerin resultiert die Grenzwertüberschreitung aus dem Umstand, dass höherliegende Liegenschaften mit Ziegeldach, bei welchen keine Dämpfung in der Berechnung zulässig sei, wegen des ansteigenden Geländes in eine Sendekeule zu liegen kämen. 3.2. Die Beschwerdeführer sind der Meinung, dass die erwähnte Grenzwertüberschreitung problemlos vermeidbar sei; so könne die Sendeleistung zurückgenommen, der neu eingeführte Abstrahlwinkel verkleinert oder die Antenne erhöht werden. Dass mit einer ent- sprechenden Leistungsreduktion der AGW beim OMEN Nr. 5 einge- halten werden kann, versteht sich von selbst. Indessen muss eine korrekte Evaluation von Alternativstandorten zur Grundlage haben, dass eine gleichwertige Versorgung wie beim Projektstandort mög- 2005 Verwaltungsgericht 162 lich ist, und dieses Erfordernis verbietet es grundsätzlich, an der von der Anlagenbetreiberin als nötig erachteten Sendeleistung Ände- rungen vorzunehmen. Den Einwand bezüglich der Abstrahlwinkel sodann hält die kantonale Fachstelle für unbegründet. Selbst wenn im Übrigen die AGW durchwegs eingehalten wären, käme der Standort A aus andern Gründen nicht in Betracht. Es kann ja offensichtlich keinen rechten Sinn machen, in einem Privatgarten in einem locker überbauten Einfamilienhausquartier, dazu noch unmittelbar neben einer Schulanlage, eine rund 25 m hohe Antenne für Mobilfunk zu plazieren. Eine Beeinträchtigung im Sinne von § 42 Abs. 2 BauG liegt da auf der Hand, und mit der Nähe zu besonders sensiblen Nutzungen sind auch andere Probleme vorprogrammiert. Man mag der Beschwerdegegnerin vorhalten, sie habe den Standort A bewusst so gewählt, dass eine Grenzwertüberschreitung resultiert. Bei realistischer Betrachtung wird man allerdings zum Schluss gelangen müssen, dass die Mehrzahl der Grundstücke in der Zone W2 nicht die erforderlichen Masse aufweisen dürfte, um neben dem bestehen- den Wohnhaus noch eine Antennenanlage - Mast und Fundament sowie Geräteschopf weisen im vorliegenden Falle immerhin eine Grundfläche von 8.2 m x 5.7 m bzw. rund 47 m 2 auf - aufzunehmen; fraglich wäre insbesondere die Einhaltung der Grenz- und Gebäude- abstände. Ein Blick auf den Bauzonenplan der Gemeinde Murgenthal vom 11. Juni 1999 / 28. Juni 2000 zeigt auch, dass die Zone W2, soweit sie nicht mit dem zusätzlichen Erfordernis der Sonder- nutzungsplanpflicht belegt ist (siehe die bandierten Flächen im Zo- nenplan sowie § 5 der Bau- und Nutzungsordnung der Gemeinde [BNO; mit den gleichen Beschluss- und Genehmigungsdaten wie der Zonenplan]), fast vollständig mit Ein- und Zweifamilienhäusern überbaut ist. In diesem Zusammenhang sei noch beigefügt, dass das Verwaltungsgericht den Standpunkt der Beschwerdeführer, es sei nicht Aufgabe der Gemeinde, für einen Mobilfunkanbieter Standorte zu evaluieren, nicht vorbehaltlos teilt. Selbstverständlich ist eine sol- che Evaluation in erster Linie Sache des Bauherrn; eine gewisse Hil- festellung seitens des Gemeinderats als der mit den örtlichen Ver- hältnissen am besten vertrauten Behörde ist in solchen Fällen aber unabdingbar. 2005 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 163 3.3. Somit ist davon auszugehen, dass es in den Bauzonen des Ortsteils "Riken" keinen geeigneten Antennenstandort gibt, die Beschwerdegegnerin für ihr Bauvorhaben also auf einen Standort ausserhalb der Bauzonen angewiesen ist. Das Verwaltungsgericht übersieht dabei nicht, dass dieser Annahme gewisse Unsicherheiten anhaften. Ein systematisches Vorgehen würde aber wohl erfordern, dass das gesamte Baugebiet einer Gemeinde in entsprechend kleine Planquadrate aufgeteilt und für jedes Quadrat ein - vom Bundesamt für Kommunikation überprüfter - Abdeckungsplan und eine Grenz- wertberechnung erstellt wird. Diese würde den Rahmen eines Bau- bewilligungsverfahrens in der Regel sprengen. 4. 4.1. Das Erfordernis der (positiven) Standortgebundenheit bedeutet in Fällen wie dem vorliegenden eine Reduktion auf das Notwendige und eine Optimierung der Standorte ausserhalb der Bauzone. Es ist dabei anzustreben, mittels frühzeitiger räumlicher Koordination zwischen allen Beteiligten unter Federführung der Kantone die Anzahl der Antennenstandorte möglichst niedrig zu halten und die Anlagen optimal in die Landschaft einzupassen. Soweit möglich sollen bestehende Antennenstandorte genutzt wer- den. Als in besonderem Masse abklärungsbedürftig gelten Standorte ausserhalb der Bauzone, die einen Abstand von bis zu 1 km zu einem andern Standort aufweisen (erwähnter BGE vom 24. Oktober 2001, Erw. 6c). 4.2 4.2.1 Im Umkreis von 1 km vom Standort auf der Parzelle Nr. 1097 befindet sich eine in der Landwirtschaftszone gelegene Mobilfunkanlage der Swisscom Mobile AG (Koordinaten 630'756/236'292 [Standort B]). Die Mitbenutzung dieser Anlage wurde von der Beschwerdegegnerin nach Prüfung verworfen, weil von diesem Standort aus eine Indoor-Abdeckung des Ortsteils "Ri- ken" nicht gewährleistet werden könne und bei gemeinsamer Nutzung der Anlagegrenzwert nicht eingehalten werden könnte. Der Regierungsrat hat diese Begründung akzeptiert. Der Vertreter der kantonalen Fachstelle hat an den Augenscheinsverhandlungen des regierungsrätlichen Rechtsdiensts und des Verwaltungsgerichts sei- nerseits bestätigt, dass die Doppelnutzung der Anlage der Swisscom Mobile AG eine Überschreitung des Anlagegrenzwerts implizieren 2005 Verwaltungsgericht 164 würde und auch ein Abdeckungsproblem bestünde. Bei dieser Sach- lage ist der Alternativstandort B nicht mehr näher zu prüfen. Die Beschwerdeführerin hat noch einen Standort ca. 80 m nördlich des Standorts B ins Spiel gebracht; da das Abdeckungsge- biet der Swisscom Mobile AG mit jenem der Beschwerdegegnerin vergleichbar sei, könnte diese so die Deckungslücke in ihrem Netz ebenfalls schliessen. Die kantonale Fachstelle erachtet eine Versor- gung des Gebiets Murgenthal - "Riken" - "Glashütten" von diesem Standort aus wegen der Topographie als nicht möglich; im Unter- schied zur Beschwerdegegnerin versorge die Swisscom Mobile AG mit ihrer Antennenanlage vor allem den Bahnbereich, nicht aber primär die Ortsteile "Riken" und "Glashütten". Diese Begründung überzeugt; wenn die von der Anlagenbetreiberin angestrebte Ver- sorgung nicht gewährleistet ist, erübrigen sich weitere Abklärungen. 4.2.2 Ein weiterer evaluierter Alternativstandort weist die Ko- ordinaten 631'180/236'622 auf; er befindet sich nordwestlich des Ortsteils "Riken" in der Landwirtschaftszone (Standort C). Nach Darstellung der Beschwerdegegnerin wäre hier ein 30 - 40 m hoher Mast erforderlich, um die angestrebte Abdeckung zu erreichen, und die Richtfunkverbindung zur nächstgelegenen Anlage wäre nicht möglich. Die kantonale Fachstelle für Natur und Landschaft erachtet den Standort aus landschaftlicher Sicht und ausgehend von einer Antennenhöhe von 30 - 35 m als "passabel". Der Regierungsrat hat erwogen, der Standort sei aus funktechnischen und betriebswirt- schaftlichen Gründen (Erfordernis einer Aufteilung der Funktionen auf zwei Masten) abzulehnen. Anlässlich der verwaltungsgerichtlichen Augenscheinsver- handlung haben die Vertreter der Beschwerdegegnerin dargelegt, dass die Computersimulation hinsichtlich der Abdeckungs- bzw. Versorgungssituation am Standort C keine schlüssige Beurteilung erlaube; der in der Nähe liegende Wald habe eine abschirmende, dämpfende Funktion, die nicht berechnet werden könne. Genaue Daten liessen sich nur anhand von Messungen ermitteln; eine ent- sprechende Testanlage müsste über mehrere Wochen in Betrieb sein. Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass einer Anlagenbe- treiberin ein solcher Aufwand zugemutet werden muss, wenn die 2005 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 165 Evaluation von Alternativstandorten anderswie zu keinem brauchba- ren Ergebnis führt. Im vorliegenden Falle sprechen nun allerdings namentlich zwei Gründe dagegen: Zum einen steht bereits definitiv fest, dass die Richtfunkanbindung vom Standort C aus nicht möglich ist, und zum andern steht - wie sich noch zeigen wird (hinten Erw. 4.2.5) - ein Standort zur Verfügung, der unter allen Ge- sichtspunkten zu überzeugen vermag. Bei dieser Ausgangslage wäre die Anordnung einer Testreihe offensichtlich unverhältnismässig. 4.2.3 Den ebenfalls in der Landwirtschaftszone gelegenen Al- ternativstandort mit den Koordinaten 631'800/236'730 nordöstlich des Ortsteils "Riken" hält die Beschwerdegegnerin für untauglich, weil von hier aus weder die Abdeckung der Verkehrsachse Rothrist - Murgenthal noch die In-House-Versorgung von "Riken" gewähr- leistet sei; um die Richtfunkverbindung zum nächsten Standort si- cherzustellen, müsste der Mast die Baumkronen um 5 - 10 m überra- gen (Standort D). Die kantonale Fachstelle für Landschaft und Ge- wässer erblickt in diesem Standort wegen der Abdeckungsprobleme keine echte Alternative, weshalb sich eine weitere Beurteilung erüb- rige. Der Regierungsrat hat sich dieser Auffassung angeschlossen. Anlässlich der verwaltungsgerichtlichen Augenscheinsverhandlung haben auch die Beschwerdeführer bzw. ihr Fachberater anerkannt, dass es sich beim Standort D nicht um einen valablen Standort handle. Sein Ausschluss aus der Standortevaluation liegt deshalb auf der Hand. (...). 4.2.5 4.2.5.1 Im Vordergrund der vergleichenden Betrachtung stand im vorinstanzlichen Verfahren ein Standort ca. 120 m nördlich etwas unterhalb der projektierten Anlage (Koordinaten 631'590/236'390). Ob dieser Standort oder der von der Beschwerde- gegnerin ausgewählte den Vorzug verdient, ist im Rahmen einer In- teressenabwägung gemäss Art. 24 lit. b RPG (Fassung vom 20. März 1998) zu ermitteln. Als konkretisierende Vorgabe zu dieser Interessenabwägung bestimmt Art. 3 RPV: " 1 Stehen den Behörden bei Erfüllung und Abstimmung raumwirksa- mer Aufgaben Handlungsspielräume zu, so wägen sie die Interessen gegeneinander ab, indem sie: 2005 Verwaltungsgericht 166 a. die betroffenen Interessen ermitteln; b. diese Interessen beurteilen und dabei insbesondere die Vereinbarkeit mit der anzustrebenden räumlichen Entwicklung und die möglichen Auswirkungen berücksichtigen; c. diese Interessen auf Grund der Beurteilung im Entscheid möglichst umfassend berücksichtigen. 2 Sie legen die Interessenabwägung in der Begründung ihrer Be- schlüsse dar." 4.2.5.2. Der Regierungsrat hat die Vor- und Nachteile der bei- den Varianten wie folgt bewertet und gegeneinander abgewogen: · Umweltschutz Die kantonale Fachstelle habe gestützt auf Art. 4 Abs. 1 so- wie Ziffer 64 lit. b und Ziffer 65 des Anhangs 1 NISV für sechs OMEN (...) die tatsächlichen Effektivwerte der elek- trischen Feldstärke ermittelt und mit dem massgebenden AGW von 6.0 V/m in Beziehung gesetzt; im Quervergleich werde der AGW beim Projektstandort durchschnittlich zu 30.5% ausgeschöpft, beim Alternativstandort durchschnitt- lich zu 20.5%. Die Verbesserung um 10% angesichts einer maximalen Ausschöpfung des AGW von 40.1% sei nicht er- heblich. Eine wesentliche Verbesserung sei lediglich bei zwei OMEN-Punkten zu verzeichnen. Auch am anbegehrten Standort sei bei sämtlichen OMEN im näheren Umkreis der AGW deutlich eingehalten. Der Immissionsgrenzwert (IGW) sei ebenfalls an jedem Ort eingehalten, an welchem sich Personen ohne Schutz vor Strahlung frei bewegen könnten (Art. 13 und Ziff. 11 des Anhangs 2 NISV). · Natur- und Landschaftsschutz Am Alternativstandort befinde sich entlang der Erlenstrasse eine nach Massgabe von § 26 BNO geschützte Hecke (Ziffer 3.4.8 des Anhangs der BNO). Die kantonale Fachstelle für Natur- und Landschaftsschutz sei der Meinung, für die Landschaftsverträglichkeit des Alternativstandorts sei eine 2005 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 167 ungeschmälerte Erhaltung der bereits recht hohen Be- stockung, die eine landschaftlich wichtige Gliederungs- funktion habe, wesentlich; mit einer Lücke in der Baum- hecke sei die Antenne spürbar exponierter. Durch eine leichte Verschiebung des Feinstandorts sei aber der voll- ständige Schutz der Hecke möglich. Auch für den Fall der Erhaltung der Hecke beurteile die kantonale Fachstelle den Alternativstandort allerdings als "deutlich schlechter": Die Antenne stehe noch isolierter, beeinträchtige die angren- zende Landschaftsschutzzone wesentlich stärker, wirke we- gen der erforderlichen Mehrhöhe von mindestens 5 m eher robuster und damit auffälliger und mache wegen der Weg- böschung bzw. der Hangneigung einen massiveren Eingriff ins Terrain erforderlich. Der Standort auf der Parzelle Nr. 1097 sei auch nicht optimal - trotz der Möglichkeit der Angliederung an bestehende Bauten sei die Antenne in der weiten Kulisse der sanft ansteigenden unbewaldeten Hänge recht ausgestellt und von allen Seiten einsehbar -, aber doch besser als der Alternativstandort. Dieser Argumentation sei beizupflichten. Auch wenn die Hecke selber geschont werde, würden sie und die angrenzende Landschaftsschutzzone in unzulässiger Weise beeinträchtigt; eine permanente Abschir- mung durch die Baumhecke liesse sich nur im unteren Teil der Antennenanlage bei gutem Laubbestand im Sommer er- reichen. Die Interessen des Landschaftsschutzes sprächen je- denfalls klar für den nachgesuchten und gegen den alternativen Antennenstandort. · Interessen der Landwirtschaft Die Abteilung Landwirtschaft des Finanzdepartements halte dafür, dass eindeutig der Baugesuchsstandort der kleinere Eingriff sei. Weil sich die Antennenanlage an der Grenze zur Bauzone befinde, sei ein kürzeres Versorgungskabel von der Bauzone her möglich, was eine lange Kabelführung durch Fruchtfolgeflächen der Klasse 1 unnötig mache. Der Ser- vicecontainer beanspruche durch die Möglichkeit der An- lehnung an bereits bestehende Gebäude in einem Betriebs- 2005 Verwaltungsgericht 168 areal ebenfalls keine Fruchtfolgefläche. Aus dieser Sicht sei der Standort gemäss Baugesuch klar der vorteilhaftere. In gesamthafter Würdigung gelangt der Regierungsrat zum Schluss, dass dem beantragten Standort der Vorzug gebühre; die Standortgebundenheit sei demnach gegeben. 4.2.5.3. Das Verwaltungsgericht setzt bei dieser Interessenab- wägung die Gewichte etwas anders als der Regierungsrat: · Der am verwaltungsgerichtlichen Augenschein anwesende Vertreter der kantonalen Fachstelle für Natur- und Land- schaftsschutz hat deutlich zu erkennen gegeben, dass aus seiner Sicht zwischen dem Projekt- und dem Alternativ- standort kein grosser Unterschied zu machen sei; die Anbin- dung an ein bestehendes Gebäude sei hier kein entschei- dender Vorteil, und er könne deshalb auch dem Alternativ- standort gut zustimmen. Diese Relativierung deckt sich mit den eigenen Eindrücken des Verwaltungsgerichts. Die An- tenne steht weder am einen noch am andern Ort völlig iso- liert in der Landschaft; am Alternativstandort lehnt sie sich an den Waldstreifen und die Hecke an der Erlenstrasse an. Sogar eher vorteilhaft wirkt sich für den Alternativstandort aus, dass dieser etwas tiefer als der Projektstandort in einer leichten Senke liegt, wenn auch die Antenne dort etwas hö- her erstellt werden müsste. Was den Natur- bzw. Hecken- schutz anbelangt, war schon vor dem Regierungsrat klar, dass dem Schutzerfordernis durch eine entsprechende Wahl des Feinstandorts genügend Rechnung getragen werden kann. · Zu relativieren ist auch das Argument, der Alternativstandort tangiere wertvolle Fruchtfolgeflächen und bedeute für den bewirtschaftenden Landwirt eine ins Gewicht fallende Be- hinderung. Die erforderlichen Elektrokabel können in der Erlenstrasse verlegt werden, womit überhaupt keine Frucht- folgeflächen tangiert werden. Auch die behauptete Bewirt- schaftungserschwerung erscheint dem Verwaltungsgericht gemessen an der tangierten Fläche eher unbedeutend. 2005 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 169 · Umgekehrt misst das Verwaltungsgericht der unterschiedli- chen Strahlenbelastung mehr Bedeutung bei als der Regie- rungsrat, der die Relevanz dieses Umstands deshalb als ge- ring beurteilt, weil die Ausschöpfung der AGW im untern Bereich liege. Es gilt heute als anerkannt, dass die Bevölke- rung vor den thermischen Wirkungen der hochfrequenten elektromagnetischen Strahlung mit den zur Zeit gültigen Grenzwerten geschützt ist. Umstritten sind jedoch mögliche Gesundheitsschädigungen dieser Strahlung im Niedrigdosis- bereich. Derartige biologische Wirkungen sind noch nicht umfassend erforscht (siehe etwa Martin Röösli, Mobilfunk und Gesundheit, Stand der naturwissenschaftlichen Er- kenntnisse, in: URP 2003, S. 69 ff.). Darum rufen die Kriti- ker nach strengeren Vorsorge-Grenzwerten, damit die mög- liche schädliche Wirkung der Mobilfunkstrahlung besser in den Griff bekommen werden könne (Alain Griffel, Mobil- funkanlagen zwischen Versorgungsauftrag, Raumplanung und Umweltschutz, in: URP 2003, S. 100 f.). Vor diesem Hintergrund kann es im Rahmen der Interessenabwägung nicht belanglos sein, ob bei den beiden nächstgelegenen Häusern bzw. Grundstücken ein Verhältnis der Ausschöp- fung der AGW von 37.3% zu 16.3% bzw. 40.1% zu 15.3% besteht. Unter diesem Gesichtspunkt können der Projekt- und der Alternativstandort aus umweltrechtlicher Sicht nicht als gleichwertig betrachtet werden; vielmehr ist der Alternativstandort eindeutig vorzuziehen. Die kantonale Fachstelle für die Belange der NISV ist diesbezüglich glei- cher Auffassung. Für den Alternativstandort spricht im Üb- rigen, dass er sich aufgrund seiner grösseren Entfernung zu den benachbarten Bauzonen für eine allfällige Mitbenützung durch einen andern Mobilfunkbetreiber anbietet. Alles in allem fällt für das Verwaltungsgericht die Interessen- abwägung zu Gunsten des Alternativstandorts aus. Ausschlaggebend sind letztlich die geringere Strahlenbelastung für die benachbarten Wohnbauten und die höhere Eignung des Standorts für einen späte- ren Ausbau. Der Alternativstandort trägt deshalb auch dem Postulat 2005 Verwaltungsgericht 170 Rechnung, dass ausserhalb der Bauzonen möglichst bestehende An- tennenanlagen zu benützen sind (siehe vorne Erw. 4.1). Allfällige Vorteile des Projektstandorts in Bezug auf den Landschaftsschutz und die bäuerliche Bewirtschaftung sind dagegen von untergeord- neter Bedeutung. Zusammenfassend ergibt sich somit, dass die Be- schwerdegegnerin zwar auf einen Standort ausserhalb der Bauzonen angewiesen, der Projektstandort verglichen mit dem Alternativ- standort an der Erlenstrasse aber weniger geeignet ist. Folglich darf die Baubewilligung für den Projektstandort nicht erteilt werden, was zur Gutheissung der Beschwerde der Beschwerdeführerin 2 führt.
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2006 Verwaltungsgericht 234 [...] 46 Alimentenbevorschussung; Grenzbetrag bei fremdplatzierten Kindern. - Der Grenzbetrag ist unter Einbezug von fremdplatzierten Kindern zu berechnen. - § 27 Abs. 5 SPV setzt in der Regel eine Fremdplatzierung auf An- ordnung der Behörde voraus. Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 6. Oktober 2006 in Sachen C.B. gegen das Bezirksamt Lenzburg. 2006 Sozialhilfe 235 Aus den Erwägungen 3. 3.1. Die Beschwerdeführerin wohnt zusammen mit drei Kindern, für welche sie das elterliche Sorgerecht inne hat und die gemäss Schei- dungsurteil vom 4. Mai 2005 gegenüber ihrem Vater je Anspruch auf monatlich Fr. 1'000.-- Unterhaltsbeiträge haben, in A. 3.2. § 27 Abs. 5 SPV enthält eine Spezialregelung für Kinder, wel- che in einem Heim, einer Anstalt oder einer Pflegefamilie unterge- bracht sind. Für solche Kinder erfolgt die Bevorschussung nur bis zum Betrag, der zur Deckung des Kostgeldes einschliesslich der er- forderlichen Nebenauslagen notwendig ist. Bereits der Wortlaut der Bestimmung ("innerhalb der in Absatz 1 festgelegten Grenzen") macht deutlich, dass die Sonderbestimmung sich auf den bevor- schussten Betrag, nicht aber auf die Anspruchsvoraussetzungen (§ 33 f. SPG i.V.m. § 27 Abs. 1 SPV) beziehen kann. Der Grenzbe- trag für die Alimentenbevorschussung ist daher unter Berücksichti- gung auch der Kinder, die in den Anwendungsbereich von § 27 Abs. 5 SPV fallen, zu berechnen. Voraussetzung der Anwendung von § 27 Abs. 5 SPV ist in der Regel eine Fremdplatzierung auf Anordnung der Behörde und hat zum Zweck, dass die Alimentbevorschussung nicht weitergeht, als die finanzielle Hilfe für den Unterhalt der Kinder effektiv benötigt wird (vgl. Kommentar zur SPV vom 7. August 2002, hrsg. vom De- partement Gesundheit und Soziales [früher: Gesundheitsdeparte- ment], S. 13). 3.3. 3.3.1. M. ist für die Berechung des Grenzbetrages als anspruchbe- rechtigtes Kind der Beschwerdeführerin zu berücksichtigen. Der massgebende Grenzbetrag gemäss § 27 Abs. 1 lit. c SPV beträgt so- mit Fr. 61'171.-- (Fr. 30'586.-- + 3x Fr. 10'195.--). Die übrigen Anspruchsvoraussetzungen gemäss § 33 SPG sind unbestrittenermassen erfüllt. 2006 Verwaltungsgericht 236 3.3.2. Der Sohn M. hält sich während der Woche im Lehrlingsheim in W. auf, wo er bis August 2006 eine Anlehre als Gärtnereiarbeiter ab- solviert. Die Kosten für Verpflegung und Unterkunft in B. gehen zu- lasten des Ausbildungsbetriebs bzw. werden vom Lehrbetrieb über die Invalidenversicherung abgerechnet. Entsprechend entstehen der Beschwerdeführerin für M. aus dem Wochenaufenthalt am Lehrort in B. keine Zusatzkosten für die auswärtige Verpflegung und Unter- kunft. Aus diesem Umstand kann aber nicht auf eine behördlich an- geordnete Fremdplatzierung geschlossen werden, noch ändert dies etwas an den Unterhaltsansprüchen von M. gegenüber seinem Vater, wie sie im Scheidungsurteil vom 4. Mai 2005 festgesetzt wurden, bzw. gegenüber der Beschwerdeführerin, wie sie von Gesetzes we- gen (Art. 276 f. ZGB) bestehen. Mit einem auswärtigen Wochenauf- enthalt zu schulischen oder beruflichen Zwecken sind in der Regel Zusatzkosten verbunden. Solche Mehrkosten bleiben bei der Be- stimmung der Höhe der Bevorschussung wie die effektiven Kosten des Kinderunterhalts unbeachtlich (§ 35 SPG i.V.m. § 28 SPV). Der Umstand, dass der auswärtige Wochenaufenthalt von M. der Be- schwerdeführerin gewisse Einsparungen in der Verpflegung ermög- licht, hat daher auch keinen Einfluss auf die Bevorschussungshöhe. M. ist unter der Obhut der Beschwerdeführerin, und Auslagen für Wohnung, Bekleidung, Krankenversicherung, Fahrtkosten sowie Ne- benkosten für die Lehre und Schule hat sie nach wie vor aus den Unterhaltsbeiträgen zu bezahlen. Zu beachten ist sodann, dass über die Anrechnung von Sozialversicherungsleistungen an den Unter- haltsanspruch der Zivilrichter entscheidet, da solche Leistungen dem Kind zustehen (Art. 285 ZGB). Solche Leistungen begründen keine Reduktion der Beitragshöhe gemäss § 27 Abs. 5 SPV. Die Höhe der Bevorschussung richtet sich in erster Linie nach dem Scheidungsur- teil und ist in § 33 SPG auf einen maximalen Betrag begrenzt. So- lange der Zivilrichter keine Anrechnung oder Reduktion des Unter- haltsanspruchs anordnet, bleibt für die Beitraghöhe daher das Schei- dungsurteil massgebend. 2006 Sozialhilfe 237 3.3.3. Zusammenfassend ist eine Kürzung des zu bevorschussenden Betrages vorliegend nicht zulässig, weil keine behördlich angeord- nete Fremdplatzierung vorliegt und sich die Leistungen des Lehrbe- triebs auf die Kosten des auswärtigen Aufenthalts beschränken und nicht den Unterhalt von M. insgesamt sichern (§ 34 lit. a SPG).
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AG_VG_001
AG_VG
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AG_VG_001_AGVE-2006-46_2006-10-04
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2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 256 [...] 45 Zustellung; A-Post Plus - Im Anwendungsbereich des VRPG ist A-Post Plus eine zulässige Zu- stellart. - Beginn des Fristenlaufs bei Zustellung mittels A-Post Plus Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 3. Juli 2017, i.S. A. gegen Gemeinderat B. sowie Regierungsrat (WBE.2017.249) Aus den Erwägungen 3. 3.1. Zu beurteilen ist vorab, ob die Verwaltungsgerichtsbeschwerde rechtzeitig erhoben wurde. 3.2. 3.2.1. Nach § 44 Abs. 1 VRPG sind Beschwerden innert 30 Tagen seit Eröffnung des anzufechtenden Entscheids einzureichen. Vorbehalten bleiben Sonderbestimmungen in anderen Erlassen (§ 44 Abs. 1 VRPG). Auf das vorliegende Verfahren sind jedoch keine in § 44 Abs. 1 VRPG vorbehaltenen Sonderbestimmungen anwendbar, wes- halb die Beurteilung nach Massgabe der 30-tägigen Beschwerdefrist vorzunehmen ist. Ob die Rechtsmittelfrist eingehalten wurde, ist von Amtes wegen zu prüfen (sog. Prozess- bzw. Sachurteilsvoraus- setzung). Wird die (Rechtsmittel-)Frist nicht gewahrt, ist auf das Rechtsmittel nicht einzutreten (vgl. M ICHAEL M ERKER , Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, Kommentar zu den §§ 38 - 72 2017 Verwaltungsrechtspflege 257 [a]VRPG, Vorbem. zu § 38 N 1 ff.; § 40 N 6; siehe auch M ARTIN B ERTSCHI , in: A LAIN G RIFFEL [Hrsg.], Kommentar zum Verwal- tungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich [VRG], 3. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2014, Vorbem. zu §§ 19 - 28a N 50 ff.). 3.2.2. Gemäss § 26 Abs. 1 VRPG sind Entscheide als solche zu be- zeichnen und den Parteien mit Rechtsmittelbelehrung schriftlich zu eröffnen; die Eröffnung an betroffene Dritte ist möglich; eine vor- gängige mündliche Entscheideröffnung ist zulässig. Der Botschaft zum VRPG (Botschaft des Regierungsrats des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 14. Februar 2007, Gesetz über die Verwal- tungsrechtspflege, Bericht und Entwurf zur 1. Beratung, Ges.- Nr. 07.27 [nachfolgend: Botschaft]) lässt sich in diesem Zusammen- hang namentlich entnehmen (Botschaft, S. 37): "Dass die Zustellung in der Regel gegen Empfangsbescheinigung zu erfolgen hat, ist richtig, letztlich aber bloss (ausser bei Massensen- dungen) eine Frage der Vernunft (und im Übrigen blosse Ordnungs- vorschrift, nicht Gültigkeitsvoraussetzung). Für die korrekte Berech- nung der Rechtsmittelfrist muss die Behörde wissen, wann ein Ver- fügungsadressat bzw. eine Verfügungsadressatin den Entscheid erhal- ten hat. Um dies sicherzustellen, wird sie den Entscheid gegen Empfangsbestätigung (GU) zustellen. Dies machen aber betroffene Private ohne entsprechende Vorschrift mittels eingeschriebener Sen- dungen auch, wenn sie sicher sein wollen, dass sie die Einhaltung einer Rechtsmittelfrist beweisen können. Es ist deshalb unnötig, dieses Verhalten gesetzlich vorzuschreiben. Dies auch deshalb, weil damit zu rechnen ist, dass andere Instrumente in Zukunft den Rückschein er- setzen werden. Eine interne Weisung, wie bei der Zustellung von Verfügungen und Entscheiden zu verfahren ist, genügt somit vollauf." Dies untermauert, dass der Gesetzgeber bewusst darauf verzich- tete, im VRPG eine bestimmte Zustellungsart (wie z.B. eingeschrie- bene Postsendung oder auf andere Weise gegen Empfangsbestäti- gung; so ausdrücklich Art. 138 Abs. 1 ZPO oder Art. 85 Abs. 2 StPO) vorzuschreiben. Ob die Verwaltungsbehörde ihre Entscheide mit gewöhnlicher (A- oder B-) Post, mit eingeschriebenem Brief 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 258 oder mit der hier gewählten Zustellungsart A-Post Plus zustellen will, bleibt somit ihr überlassen. Die Eröffnung muss bloss so erfolgen, dass sie dem Adressaten ermöglicht, vom Entscheid Kenntnis zu erlangen, um diesen gegebenenfalls sachgerecht anfechten zu kön- nen. Bei uneingeschriebenem Brief erfolgt die Zustellung bereits dadurch, dass er in den Briefkasten oder ins Postfach des Adressaten gelegt wird, und damit in den Macht- bzw. Verfügungsbereich des Empfängers gelangt. Dass der Empfänger von der Verfügung tatsäch- lich Kenntnis nimmt, ist nicht erforderlich (vgl. BGE 142 III 603; Urteil des Bundesgerichts vom 2. März 2017 [8C_53/2017], Erw. 4.1). Bei der Versandmethode A-Post Plus wird der Brief mit einer Nummer versehen und ähnlich wie ein eingeschriebener Brief mit A- Post spediert. Im Unterschied zu den eingeschriebenen Briefpostsen- dungen wird aber der Empfang durch den Empfänger nicht quittiert. Entsprechend wird der Adressat im Falle seiner Abwesenheit auch nicht durch Hinterlegung einer Abholungseinladung avisiert. Die Zu- stellung wird vielmehr elektronisch erfasst, wenn die Sendung in das Postfach oder in den Briefkasten des Empfängers gelegt wird. Auf diese Weise ist es möglich, mit Hilfe des von der Post zur Verfügung gestellten elektronischen Suchsystems "Track & Trace" die Sendung bis zum Empfangsbereich des Empfängers zu verfolgen. Direkt bewiesen wird mit einem "Track & Trace"-Auszug allerdings nicht, dass die Sendung tatsächlich in den Empfangsbereich des Empfän- gers gelangt ist, sondern bloss, dass durch die Post ein entsprechen- der Eintrag in ihrem Erfassungssystem gemacht wurde. Einzig im Sinne eines Indizes lässt sich aus diesem Eintrag darauf schliessen, dass die Sendung in den Briefkasten oder in das Postfach des Adressaten gelegt wurde. Mangels Quittierung lässt sich dem "Track & Trace"-Auszug sodann nicht entnehmen, ob tatsächlich jemand die Sendung behändigt hat und um wen es sich dabei handelt, ge- schweige denn, dass sie tatsächlich zur Kenntnis genommen worden ist (BGE 142 III 601 f.). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, die sich auch auf die Zustellungsart A-Post Plus bezieht, liegt ein Fehler bei der Postzustellung nicht ausserhalb jeder Wahrscheinlichkeit. Eine 2017 Verwaltungsrechtspflege 259 fehlerhafte Postzustellung ist allerdings nicht zu vermuten, sondern nur anzunehmen, wenn sie aufgrund der Umstände plausibel er- scheint. Auf die Darstellung des Adressaten, dass eine fehlerhafte Postzustellung vorliegt, ist daher abzustellen, wenn seine Darlegung der Umstände nachvollziehbar ist und einer gewissen Wahrschein- lichkeit entspricht, wobei sein guter Glaube zu vermuten ist (BGE 142 III 604; Urteil des Bundesgerichts vom 8. September 2016 [4A_10/2016], Erw. 2.2.1). Rein hypothetische Überlegungen des Empfängers genügen dabei nicht (Urteil des Bundesgerichts vom 8. September 2016 [4A_10/2016], Erw. 2.2.1). 3.2.3. Der Entscheid des Regierungsrats vom 26. April 2017 wurde am Freitag, 28. April 2017 als A-Post Plus-Sendung verschickt und am Samstag, 29. April 2017, ins Postfach des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers gelegt. Dieser hat sein Postfach erst am folgen- den Montag, dem 1. Mai 2017, geleert und die 30-tägige Beschwer- defrist (§ 44 Abs. 1 VRPG) ab dem Folgetag, dem 2. Mai 2017, be- rechnet. Das Bundesgericht stufte bereits in verschiedenen Urteilen das mittels des elektronischen Suchsystems "Track & Trace" der Post festgelegte Datum der Einlage einer A-Post Plus-Sendung in einen Briefkasten (bzw. ein Postfach) als für die Auslösung einer Rechtsmittelfrist verbindlich ein. Dies gilt namentlich auch für Sen- dungen, die an einem Samstag in den Briefkasten (bzw. das Postfach) gelegt werden (siehe etwa Urteil des Bundesgerichts vom 20. Februar 2017 [2C_191/2017], Erw. 2.2; Urteil des Bundesge- richts vom 2. Juni 2015 [9C_90/2015], Erw. 3; Urteil des Bundesge- richts vom 30. April 2015 [8C_198/2015], Erw. 3; Urteil des Bun- desgerichts vom 26. November 2014 [8C_573/2014], Erw. 3.1). Demgemäss hat der Entscheid des Regierungsrats vom 26. April 2017 am 29. April 2017 (Samstag) als zugestellt zu gelten, was durch den "Track & Trace"-Auszug der Post ausgewiesen ist (siehe Vorak- ten). Die Beschwerdefrist begann damit am folgenden 30. April 2017 (Sonntag) zu laufen und endete am 29. Mai 2017 (Montag). Die erst am 31. Mai 2017 der Post übergebene Verwaltungsgerichtsbe- 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 260 schwerde erfolgte damit verspätet, weshalb darauf nicht einzutreten ist.
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AG_VG_001
AG_VG
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2000 Verwaltungsrechtspflege 389 90 Wiedererwägung (§ 25 Abs. 1 VRPG) von Kostenentscheiden (Änderung der Rechtsprechung). - Bisherige Praxis (Erw. 2/a). - Gründe für die Praxisänderung (Erw. 2/b). - Vertrauensschutzaspekt (Erw. 2/c). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 24. August 2000 in Sachen S. gegen Verwaltungsgericht. Aus den Erwägungen 1. (Anspruch auf Wiedererwägung allgemein [vgl. AGVE 1998, S. 455 mit Hinweisen].). 2. a) Formell rechtskräftige Rechtsmittelentscheide gelten grundsätzlich als nicht wiedererwägbar (Rudolf Weber, Grundsätzli- ches zur Wiederaufnahme nach § 27 VRPG, in: Festschrift für Dr. Kurt Eichenberger, alt Oberrichter, Beinwil am See, Aarau 1990, S. 341 f. mit Hinweisen). Bezüglich der Verfahrens- und Parteikosten hatte das Verwaltungsgericht indessen in ständiger Praxis entschie- den, dass hier keine Bedenken gegen die Zulassung der Wiedererwä- gung bestünden, da der Kostenentscheid des Verwaltungsgerichts für die vor diesem entstandenen Kosten ein erstinstanzlicher und kein Rechtsmittelentscheid sei. Bei solchen Entscheiden entfalle auch das erwähnte Erfordernis des Vorliegens ,,neuer" Umstände, wenn die Wiedererwägung die Bedeutung einer (nachträglichen) Anhörung habe; in der Regel könne ja, weil sich der Kostenentscheid nach dem Ausgang des Verfahrens richte (§ 33 Abs. 2 VRPG) und stets nur der Gesamtentscheid eröffnet werde, zum Kostenpunkt keine Stellung- nahme der betroffenen Partei(en) eingeholt werden (AGVE 1989, S. 289 f.; 1997, S. 379). b) aa) In AGVE 1997, S. 379 f. hat das Verwaltungsgericht die Möglichkeit einer Praxisänderung angekündigt. Es hat festgestellt, mit der Revision der Zivilprozessordnung und insbesondere auch im 2000 Verwaltungsgericht 390 Hinblick auf die im Rahmen der 1998 in Kraft tretenden Gesetze über die Massnahmen zur Erneuerung der Justiz mit der Abschaffung des Zwangscharakters des Anwaltstarifs stelle sich die Zulassung der Wiedererwägung von Kostenentscheiden im Rechtsmittelverfahren unter neuen Gesichtspunkten. Deshalb werde das Plenum die bisherige Praxis überprüfen. bb) Anlässlich der Plenarsitzung des Verwaltungsgerichts vom 11. Juni 1999 fasste das Gesamtverwaltungsgericht einstimmig den Beschluss, auf Wiedererwägungsgesuche betreffend Kosten sei ins- künftig nicht mehr einzutreten. Die Aufgabe der bisherigen Praxis wurde unter anderem damit begründet, dass der hauptsächliche Grund für die Zulässigkeit der Wiedererwägung, nämlich der Schutz der Verfahrensbeteiligten, insbesondere der nicht anwaltlich vertre- tenen Beschwerdeführer, vor überraschenden Kosten vor allem im Blick auf die Einführung der Kostenvorschusspflicht (§ 34 Abs. 4 VRPG), aber auch auf die ausdrücklichen Hinweise auf die Kosten- folgen in den Rechtsmittelbelehrungen zwischenzeitlich weggefallen sei. Auch wurden grundsätzliche dogmatische Bedenken gegen die frühere Praxis geäussert. c) Eine Praxisänderung einer Behörde oder eines Gerichts darf keinen Verstoss gegen Treu und Glauben oder gegen die Rechtssi- cherheit darstellen. Bei Verfahrensfragen verdient das Vertrauen in die bisherige Auslegung insofern Schutz, als demjenigen, der etwa eine Frist- oder Formvorschrift nach der bisherigen Rechtsprechung beachtet hat, aus einer ohne Vorwarnung erfolgten Praxisänderung kein Rechtsnachteil erwachsen soll (BGE 103 Ib 197, 201 f.; 122 I 57, 60 f.; Ulrich Häfelin / Georg Müller, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 3. Auflage, Zürich 1998, Rz. 423 ff.). Das hier zu beurteilende Gesuch um Wiedererwägung des Kostenentscheids wurde eingereicht, bevor das Gesamtverwaltungsgericht beschloss, dass künftig auf den Kostenpunkt betreffende Wiedererwägungsbe- gehren nicht mehr eingetreten werden dürfe. Deshalb vermag die 2000 Verwaltungsrechtspflege 391 beschlossene Praxisänderung im vorliegenden Fall dem Eintreten auf das Gesuch (noch) nicht entgegenzustehen. Inskünftig wird das Verwaltungsgericht aber auf Wiedererwä- gungsbegehren, welche die verwaltungsgerichtlichen Verfahrens- und Parteikosten betreffen, in Änderung seiner früheren Praxis nicht mehr eintreten.
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2004 Verwaltungsrechtspflege 277 [...] 75 Rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV; § 15 Abs. 1 VRPG). Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands (§ 159 Abs. 1 BauG). - Zulässigkeit der antizipierten Beweiswürdigung (Erw. 1/a). - Fehlende Stichhaltigkeit einer Gehörsrüge, wenn sie auf einer materiell unzutreffenden Begründungslinie im angefochtenen Ent- scheid basiert und keine Gehörsverletzung vorläge, wenn die Be- gründung schlüssig wäre (Erw. 1/b). - Bei bewilligungs- und planwidriger Bauausführung besteht Anspruch auf materielle Behandlung eines nachträglichen Baugesuchs; der formelle Verstoss gegen öffentliches Baurecht ist ausschliesslich mit Verwaltungsstrafe (§ 160 BauG) zu ahnden (Erw. 2). vgl. AGVE 2004 43 154
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2010 Bau-,Raumentwicklungs-u.Umweltschutzrecht 183 33 Beschwerdelegitimation in Baubewilligungssachen (§ 38 Abs. 1 aVRPG). - Zur Begründung des Anfechtungsinteresses in Ästhetikfragen ist eine Sichtverbindung zwar erforderlich, jedoch nicht in jedem Fall genü- gend. - Rechtsanwendung im konkreten Einzelfall: Der an sich markante Bau ist vom Grundstück der Beschwerdeführerin aus sichtbar, in- folge der durch Bäume eingeschränkten Sicht, des dazwischen lie- genden Raumes (rund 100 m) und der Anordnung des Neubaus rela- tiviert sich jedoch die optische Wirkung des Neubaus so stark, dass seine Fernwirkung auf die Liegenschaft der Beschwerdeführerin bei objektiver Betrachtung nicht als Nachteil empfunden werden kann. vgl. AGVE 2010 50 263
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2013 Straf- und Massnahmenvollzug 279 X. Straf- und Massnahmenvollzug 45 Vorzeitiger Strafvollzug - Ausnahmeweises Absehen vom Erfordernis des aktuellen Interesses (Erw. I./1.2.1.) - Das Durchführen von Besuchen der Lebensgefährtin in Räumen mit Trennscheibe ist unverhältnismässig, wenn dies aus Gründen des Haftzwecks nicht (mehr) erforderlich ist (Erw. II/3.4.3.). Urteil des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 24. Oktober 2013 in Sa- chen X. (WBE.2013.285). Sachverhalt X. befand sich vom 9. Oktober 2012 bis zum 8. April 2013 in Untersuchungshaft, welche zunächst im Zentralgefängnis der Justiz- vollzugsanstalt (JVA) Lenzburg und ab dem 5. März 2013 im Be- zirksgefängnis Y. vollzogen wurde. Am 1. Februar 2013 ersuchte X. erfolglos darum, dass seine Le- bensgefährtin ihn in einem Raum ohne Trennscheibe besuchen dürfe. Der Gerichtspräsident des Bezirksgerichts Z. bewilligte am 8. April 2013 das Gesuch um vorzeitigen Strafvollzug und ordnete an, die bewilligten Besuche der Lebensgefährtin X.s seien bis zur Verhandlung vom 23. Mai 2013, unter Vorbehalt allfälliger Be- dingungen durch die zuständige JVA, ohne Trennscheibe durchzu- führen. Nachdem in der Folge die Besuche ohne Trennscheibe weiter- hin verweigert wurden und die dagegen erhobene Beschwerde vom Departement Volkswirtschaft und Inneres am 22. Mai 2013 abgewie- sen wurde, erhob X., welcher sich zwischenzeitlich im ordentlichen Strafvollzug befand, dagegen am 30. Mai 2013 Verwaltungsgerichts- 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 280 beschwerde mit dem Antrag, Besuche seien ab sofort ohne Trenn- scheibe durchzuführen. Aus den Erwägungen I. 1. 1.1. (...) 1.2. 1.2.1. Zur Beschwerde ist befugt, wer ein schutzwürdiges eigenes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des Entscheids hat (§ 42 Abs. 1 lit. a VRPG). Ein Interesse ist in der Regel nur dann schutzwürdig, wenn es aktuell oder in einem qualifizierten Sinn künftig ist (M ICHAEL M ERKER , Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, Kom- mentar zu § 38 - 72 [a]VRPG, Zürich 1998, § 38 N 139; AGVE 1991, S. 369 f.). Der Nachteil, den der Beschwerdeführer durch die angefochtene Verfügung erleidet, muss durch den Rechtsmittelent- scheid beseitigt werden können; damit sind Interessen dann nicht mehr aktuell, wenn der Nachteil tatsächlich nicht mehr besteht oder bereits irreversibel eingetreten ist. Die aargauische Praxis verlangt das Vorliegen eines aktuellen praktischen Interesses an der Aufhe- bung oder Änderung des angefochtenen Entscheids nicht bloss beim Einreichen der Beschwerde, sondern auch noch im Zeitpunkt der Ur- teilsfällung (M ERKER , a.a.O., § 38 N 140; AGVE 1990, S. 329). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist vom Erfordernis des aktuellen Interesses dann abzusehen, wenn sich die mit der Be- schwerde aufgeworfenen grundsätzlichen Fragen jeweils unter glei- chen oder ähnlichen Umständen wieder stellen könnten, ohne dass im Einzelfall rechtzeitig eine höchstrichterliche Prüfung stattfinden könnte. Damit ist zugleich gesagt, dass die nachträgliche Überprü- fung einer gegenstandslos gewordenen Anordnung sich auf die sich in Zukunft mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erneut stellenden 2013 Straf- und Massnahmenvollzug 281 Streitfragen zu beschränken hat; die Rechtsmittelinstanz beurteilt, unter Ausserachtlassen der zufälligen Modalitäten des obsolet gewor- denen Falles, die streitigen Grundsatzfragen, wobei sich der Klä- rungsbedarf aber aufgrund der individuellen, potentiell wiederhol- baren Situation des Beschwerdeführers bestimmt (BGE 131 II 670, Erw. 1.2, mit Hinweisen; vgl. auch zur Praxis des Bundesgerichts hinsichtlich der Behandlung von bestimmten Rügen [insb. offen- sichtliche Verletzung der EMRK] auch wenn ein aktuelles rechtlich geschütztes Interesse verneint wird: BGE 136 III 497, Erw. 2.2). Diese Grundsätze sind sinngemäss auf die Beschwerdeverfahren ge- mäss VRPG anzuwenden. 1.2.2.-1.2.3. (...) II. 1.-2. (...) 3. 3.1. (...) 3.2. (...) In seiner Stellungnahme führte der Gefängnisleiter Y. aus, dass aus Gründen der Gefängnissicherheit Besuche in den Bezirksge- fängnissen generell (in der Regel in speziell eingerichteten) Be- sucherräumen mit Trennscheibe stattfinden würden. Nebst dem Nichtvorhandensein eines Besucherzimmers ohne Trennscheibe hät- ten die kantonalen Bezirksgefängnisse auch nicht die Möglichkeit, mittels Hilfsmitteln wie Detektionsgeräten eine einwandfreie Über- prüfung der Besucher und deren Effekten vorzunehmen. Dieser Um- stand sei mit der vorhandenen hohen Gefängnissicherheit nicht ver- einbar. Dass Gefangene im vorzeitigen Straf- und Massnahmenvoll- zug sich anzahlmässig immer häufiger und auch für lange Zeit in den Bezirksgefängnissen aufhalten müssten, ändere nichts an der Tatsa- che, dass diese Anstalten für andere Haftformen ausgelegt seien. So- wohl die betrieblichen als auch die personellen und baulichen Struk- turen liessen sich nicht mit denjenigen einer grossen Justizvollzugs- anstalt vergleichen. Im Gegensatz zu den anderen Bezirksgefäng- nissen hätten die Gefangenen im Bezirksgefängnis Y. aber immerhin die Möglichkeit, an Werktagen einer geregelten Arbeit nachzugehen. 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 282 Von diesem Angebot werde rege Gebrauch gemacht und auch der Beschwerdeführer nutze dieses. Abschliessend hält der Gefängnislei- ter Y. zudem fest, dass alle gewünschten Besuchstermine der Be- sucher des Beschwerdeführers im Bezirksgefängnis ohne Schwierig- keiten abgehalten werden konnten. Aus seinen dargelegten Ausfüh- rungen werde es daher auch in Zukunft nicht möglich sein, in den Bezirksgefängnissen Besuche ohne Trennscheibe abhalten zu kön- nen. 3.3. (...) 3.4. 3.4.1. Gemäss Art. 236 Abs. 1 StPO kann die Verfahrensleitung der beschuldigten Person bewilligen, Freiheitsstrafen vorzeitig anzutre- ten, sofern der Stand des Verfahrens es erlaubt. Nach der bundesge- richtlichen Rechtsprechung stellt der vorzeitige Strafantritt seiner Natur nach eine Massnahme auf der Schwelle zwischen Strafverfol- gung und Strafvollzug dar. Er soll ermöglichen, dass der angeschul- digten Person bereits vor der rechtskräftigen Urteilsfällung ver- besserte Chancen auf Resozialisierung im Rahmen des Strafvollzugs geboten werden können (BGE 133 I 270, Erw. 3.2.1). Für den vor- zeitigen Strafvollzug ist, auch wenn er in einer Strafanstalt erfolgt, grundsätzlich das Haftregime der Untersuchungs- bzw. Sicherheits- haft massgebend. Die für den ordentlichen Strafvollzug geltenden Vollzugserleichterungen können nach Massgabe der Erfordernisse des Verfahrenszwecks und gemäss den Notwendigkeiten, die sich aus dem jeweils bestehenden besonderen Haftgrund ergeben, beschränkt werden (BGE 133 I 270, Erw. 3.2.1 mit weiterem Hinweis; vgl. auch Art. 236 Abs. 4 StPO). Hingegen darf insbesondere bei längerer In- haftierung nicht ausser Acht bleiben, dass der vorzeitige Strafantritt nicht nur der Sicherung des Untersuchungszwecks im Strafverfahren dient, sondern gleichzeitig auch vorgezogenen Strafvollzug darstellt, der sich so weit wie möglich an den Grundsätzen von Art. 74 f. StGB zu orientieren hat. 3.4.2. Die Durchführung von Besuchen in Räumen mit Trennscheiben soll in erster Linie verhindern, dass keine Gegenstände und Schrift- 2013 Straf- und Massnahmenvollzug 283 stücke ausgetauscht werden können, ermöglicht aber auch keine Berührungen zwischen der inhaftierten Person und dem Besucher. Dies beeinträchtigt die Begegnungen des Beschwerdeführers und sei- ner Lebensgefährtin und schränkt ihn damit zweifelsohne in seinen Freiheitsrechten ein (vgl. auch Entscheid des deutschen Bundesver- fassungsgerichts [BVerfGE] 89, 315, Erw. C/I). Wie bereits erwähnt, dürfen die Beschränkungen der Freiheits- rechte von Gefangenen nicht über das hinausgehen, was zur Gewähr- leistung der Haftzwecke und zur Aufrechterhaltung eines ordnungs- gemässen Anstaltsbetriebs erforderlich ist. Insbesondere müssen Haftbedingungen vor dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf per- sönliche Freiheit und Schutz des Familien- und Privatlebens stand- halten und verhältnismässig sein (Art. 10 Abs. 2, Art. 13 Abs. 1 und Art. 31 Abs. 1 i.V.m. Art. 36 Abs. 3 BV). Das Haftregime darf nicht strenger ausfallen, als der jeweilige Haftzweck es sachlich erfordert (BGE 123 I 221, Erw. I/4c, 118 Ia 64, Erw. 2d, je mit Hinweisen). In Bezug auf Untersuchungs- und Sicherheitshäftlinge hat das Bundes- gericht festgehalten, dass die Erfordernisse des Untersuchungs- zwecks nur im konkreten Einzelfall präzise bestimmt werden kön- nen. Je höher die Flucht- und Kollusionsgefahr erscheint, desto re- striktiver können die Haftbedingungen sein. Ebenso sind Einschrän- kungen der Freiheitsrechte zur Gewährleistung der Sicherheit der Mitgefangenen und des Gefängnispersonals grundsätzlich zulässig (BGE 113 Ia 328, Erw. 4). Auch im vorzeitigen Strafvollzug muss mithin ein Mindestmass an Sicherheit, darunter auch eine gewisse Beschränkung und Kontrolle von Aussenkontakten, gewährleistet sein. Eine entsprechend differenzierte Behandlung von strafpro- zessualen Häftlingen und Gefangenen im ordentlichen Strafvollzug (etwa hinsichtlich Urlaubs- und Besuchsregelung) hält vor der Bundesverfassung grundsätzlich stand (vgl. unter anderem BGE 133 I 270, Erw. 3.2.1, 123 I 221, Erw. 4c, 118 Ia 64, Erw. 2d, je mit Hin- weisen). 3.4.3. Zwar ist der Vorinstanz insofern beizupflichten, als es im öffentlichen Interesse liegt, den personellen und zeitlichen Aufwand im Verwaltungsbetrieb von Gefängnissen nach Möglichkeit auf ein 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 284 vertretbares Mass zu beschränken. Dies jedoch nur, solange die da- raus resultierenden Eingriffe verhältnismässig bleiben (vgl. BGE 118 Ia 64, Erw. 3). Die Vorinstanz legt vorliegend nicht einzelfallbegründend dar, inwiefern die Besuche der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers im Hinblick auf den Haftzweck in Räumen mit Trennscheiben stattfinden müssen. Insbesondere behauptet die Vorinstanz nicht, dass der Beschwerdeführer als besonders gefährlich oder undiszipliniert einzustufen wäre bzw. dass er Fluchtversuche unternommen hätte. Ebenso wenig werden konkrete Verdunkelungshandlungen oder -ver- suche bzw. eine Kollusionsgefahr dargelegt, welcher mit der Durch- führung von Besuchen mit einer Trennscheibe wirkungsvoll be- gegnet werden könnte. Vielmehr kann den Akten entnommen werden, dass mit der Be- willigung des Gesuchs des Beschwerdeführers um vorzeitigen Straf- vollzug das DVI damit beauftragt wurde, ihn auf den nächstmög- lichen Zeitpunkt in eine geeignete Justizvollzugsanstalt zu überfüh- ren, und ihm die Durchführung der Besuche seiner Lebensgefährtin bis zur Verhandlung vom 23. Mai 2013 ohne Trennscheibe bewilligt wurde, wobei allfällige Bedingungen, welche die zuständige Justiz- vollzugsanstalt bei diesen Besuchen verfüge, vorbehalten blieben. Daraus erhellt klar, dass das Bezirksgericht Z. nicht vom (Wei- ter-)Bestand einer Kollusionsgefahr beim Beschwerdeführer ausging, ansonsten die Besuche seiner Lebensgefährtin ohne Trennscheibe nicht grundsätzlich bewilligt worden wären. Schliesslich kann auch der Meldung zum Vollzug von Freiheitsstrafen und Massnahmen des Bezirksgerichts Z. vom 13. Juni 2013 entnommen werden, dass beim Beschwerdeführer keine Kollusionsgefahr besteht. Demzufolge ist davon auszugehen, dass beim Beschwerdefüh- rer nicht mehr der Untersuchungszweck, sondern die Resozialisie- rung im Vordergrund steht. Deshalb erfordert es der Haftzweck vorliegend nicht, das strenge Regime der Untersuchungsunterhaft auf den vorzeitigen Strafvollzug anzuwenden bzw. gefährdet eine Locke- rung des strafprozessualen Haftregimes, insbesondere in Bezug auf die Einschränkung des Besuchsrechts des Beschwerdeführers, den Haftzweck nicht. Die Durchführung von Besuchen der Lebensge- 2013 Straf- und Massnahmenvollzug 285 fährtin des Beschwerdeführers in Räumen mit Trennscheibe ist damit aus Gründen des Haftzwecks nicht (mehr) erforderlich und somit nicht verhältnismässig. Im Übrigen erscheint es zumindest fraglich, ob allein betriebli- che, personelle und bauliche Strukturen der Bezirksgefängnisse als ,,Gründe der Gefängnissicherheit" im Sinne der Ziff. 12.3 Abs. 6 der Hausordnung angeführt werden können, zumal tatsachenwidrig ist, dass im Bezirksgefängnis Y. keine Möglichkeit besteht, mittels Hilfs- mitteln wie Detektionsgeräten eine Überprüfung der Besucher und deren Effekten vorzunehmen, und auch die Vorinstanz einräumt, dass ein Besucherraum zur Verfügung steht, wo Inhaftierte mit Anwälten und Behördenmitgliedern ohne Trennscheibe kommunizieren kön- nen. 3.5. Unter den genannten Umständen wäre es angezeigt gewesen, dem Beschwerdeführer die Besuche seiner Lebensgefährtin während des vorzeitigen Strafvollzugs - im Sinne einer Ausnahme gemäss Ziff. 12.3 Abs. 6 der Hausordnung - ohne Trennscheibe zu gewäh- ren. Dies hat umso mehr seit dem 23. Mai 2013 (Beginn des ordentli- chen Strafvollzugs) zu gelten. Die Tatsache, dass im gleichen Gefängnis neben strafprozessualen Gefangenen auch Strafvollzugs- häftlinge untergebracht sind, für die weniger strenge Sicherheitsvor- schriften notwendig erscheinen, darf nicht dazu führen, dass auch sämtliche Inhaftierte im ordentlichen Strafvollzug dem gleichen strengen Regime der Untersuchungs- und Sicherheitshaft unterwor- fen werden.
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2003 Bau-, Planungs- und Umweltschutzrecht 227 [...] 55 Pferdehaltung in einer Wohnzone (Zonenkonformität; Geruchs- belastungsproblematik). - Die hobbymässige Haltung von maximal einem Grosspferd und zwei Kleinpferden ist in einer Wohnzone grundsätzlich bewilligungsfähig (Bestätigung der Rechtsprechung; Erw. 2/d). - Die Mindestabstandsvorschriften nach Massgabe der FAT-Empfeh- lungen (Ziff. 512 Abs. 1 des Anhangs 2 i.V.m. Art. 3 Abs. 2 lit. a LRV) sind unterhalb einer Geruchsbelastung von 4 GB nicht anwendbar; Anlehnung an die allgemeinen Abstandsvorschriften (Erw. 3/a,b). Ge- nügen eines Grenzabstands von 2 m, wenn zusätzlich nach Massgabe des Vorsorgeprinzips (Art. 1 Abs. 2 und Art. 11 Abs. 2 USG) die er- forderlichen emissionsbegrenzenden Massnahmen getroffen werden (Erw. 3/c). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 6. November 2002 in Sachen Z. und Mitb. gegen Regierungsrat. Aus den Erwägungen 1. Die Beschwerdegegner wollen im südöstlichen Teil der Par- zelle Nr. 175 einen Offenfrontstall für 1 Grosspferd und 2 Klein- pferde errichten. Die Grundfläche beträgt 24 m 2 (8 m x 3 m), die Höhe des Pultdachs 2.4 bis 3 m. Die offene Stallseite ist gegen Nor- den, d.h. auf die Kantonsstrasse K386 (Wohlenschwilerstrasse) hin, 2003 Verwaltungsgericht 228 ausgerichtet. Der anfallende Mist soll in einer südöstlich neben dem Stall auf den Boden gestellten geschlossenen Deckelmulde gesam- melt werden. Zum Bauprojekt gehört ferner ein Auslauf (rund 370 m 2 ) mit einer 1.8 m hohen Umzäunung. 2. a) Die Parzelle Nr. 175 liegt in der Wohnzone 2 (W2) gemäss dem Bauzonenplan der Gemeinde Tägerig vom 19. November 1998 / 5. Mai 1999. Die Wohnzonen bezwecken ein ruhiges, gesundes Wohnen in einer ansprechenden Umgebung; stille Gewerbe, Betriebe und Einrichtungen, die den Wohncharakter der Zone nicht beein- trächtigen, sind zugelassen (§ 9 Abs. 1 der Bau- und Nutzungsord- nung der Gemeinde Tägerig [BNO] vom 23. Juni / 2. Dezember 1997). Der Gemeinderat und das Baudepartement haben die Zonen- konformität des Bauvorhabens bejaht. Die Beschwerdeführer wen- den dagegen ein, es sei geplant, im fraglichen Stall auch Pferde von Dritten zu halten, und dies sei mit dem ausschliesslichen Wohncharakter der Zone nicht vereinbar. Abgesehen davon sei ein Pferdebetrieb wegen der von den Pferden ausgehenden Lärmimmis- sionen (Schnauben, Huftritte gegen die Wände usw.) ohnehin nie "still" im Sinne von § 9 Abs. 1 BNO, und zwar namentlich deshalb, weil die erwähnten lautstarken Geräusche nicht nur tagsüber, sondern während 24 Stunden pro Tag aufträten. Aus der Tatsache, dass es im Dorf Tägerig noch vereinzelte Bauernhöfe gebe, dürften keine anderen Schlüsse gezogen werden. b) (Abgrenzung zwischen dem Immissionsschutzrecht des Bun- des und den kantonalen bzw. kommunalen Bau- und Nutzungsvor- schriften [siehe BGE 118 Ia 114 f.; 118 Ib 595; AGVE 1998, S. 317 f. mit Hinweisen]) c) (Bedeutung der Gemeindeautonomie [siehe AGVE 2001, S. 299 f. mit Hinweisen]) d) aa) Das Verwaltungsgericht betrachtet die hobbymässige Haltung von Pferden in einer reinen Wohnzone, in der bloss stille, keinerlei Belästigung verursachende Gewerbe gestattet sind, als grundsätzlich zonenkonform. Anderseits hat es aber auch darauf hingewiesen, dass die Pferdehaltung in Wohnquartieren in quantitati- ver Hinsicht irgendwo eine Grenze haben müsse. Es sei gerichtsnoto- 2003 Bau-, Planungs- und Umweltschutzrecht 229 risch, dass zwar die mit der Pferdehaltung verbundenen Immissionen in der Regel nicht gravierend seien, dass es aber doch ein Lärm-, ein Geruchs- und (namentlich im Sommer und Herbst) ein Parasitenpro- blem (Fliegenplage) geben könne. Hinsichtlich der Limitierung sei der dem Gemeinderat im Rahmen der Gemeindeautonomie zuste- hende Ermessensspielraum zu respektieren. In diesem Sinne hat das Verwaltungsgericht den Entscheid eines Gemeinderats, die Haltung von vier Pferden in einer Wohnzone zu verbieten und nur deren zwei zuzulassen, geschützt (siehe zum Ganzen: AGVE 1988, S. 369 ff. mit Hinweisen; VGE III/84 vom 30. Oktober 1996 [BE.1995.00154] in Sachen E. AG, S. 12). bb) Die Beschwerdeführer machen wie erwähnt geltend, dass es im vorliegenden Fall nicht bloss um eine hobbymässige Pferdehal- tung gehe. Indessen hat der Gemeinderat die Pferdehaltung aus- drücklich nur zu Liebhaberzwecken erlaubt und einen "Asylbetrieb" - worunter die entgeltliche Haltung von Pensionspferden verstanden wird - verboten (Ziff. 9.2 des Baubewilligungsentscheids vom 29. Januar 2001). Die Beschwerdegegner haben denn auch die erklärte Absicht, den geplanten Pferdestall in allererster Linie für ihre eigenen Tiere zu verwenden; selbst wenn bei Gelegenheit im Rahmen von Freundschaftsdiensten ein Pferd eingestellt würde, das Dritten gehört, vermöchte dies am Hobbycharakter der Pferdehaltung nichts zu ändern (siehe BGE 101 Ia 205 ff.). Im Übrigen ist durch die vom Gemeinderat gemachten Auflagen abgesichert, dass der Bestand von maximal einem Grosspferd und zwei Kleinpferden ohne entspre- chende Baubewilligung nicht erhöht wird (Ziff. 9.1 des Baubewilli- gungsentscheids vom 29. Januar 2001). cc) Der Gemeinderat hat dem Verwaltungsgericht aufforde- rungsgemäss eine Zusammenstellung eingereicht, aus der ersichtlich ist, was für hobbymässige Tierhaltungen unter dem geltenden und dem früheren kommunalen Recht in den Wohnzonen bewilligt oder abgelehnt worden sind. Die betreffende Liste ist nun freilich von beschränktem Aussagewert. Einmal sind die namhaft gemachten sieben Fälle rein rechtlich allesamt unter dem Regime der bis zum 21. September 1992 in Kraft stehenden Bau- und Zonenordnung vom 29. Juni 1973 - die "Vorvorgängerin" der heute geltenden BNO - 2003 Verwaltungsgericht 230 abgewandelt worden. Sodann beziehen sich nur zwei Fälle auf ei- gentliche Wohnzonen; die übrigen Bauvorhaben waren in der grund- sätzlich weniger immissionsempfindlichen Dorfzone geplant (§ 45 Abs. 2 der Bauordnung vom 8. Juni 1989 / 22. September 1992). Schliesslich hat kein einziger der Präzedenzfälle mit Pferdehaltung zu tun. Auf eine gemeinderätliche Praxis können sich die rechtsan- wendenden Behörden im vorliegenden Fall somit nicht abstützen. So oder so liegen ein Grosspferd und zwei Kleinpferde mit Sicherheit im Rahmen dessen, was der Gemeinderat unter Berücksichtigung des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums (vorne, Erw. c und d/aa) unter dem Titel der hobbymässigen Pferdehaltung in Wohnzonen bewilligen darf. Ein "ruhiges, gesundes Wohnen", wie dies § 9 Abs. 1 BNO voraussetzt, ist unter solchen Randbedingungen ohne Weiteres noch möglich. Selbstverständlich muss mittels griffiger Auflagen bestmögliche Vorsorge dafür getroffen werden, dass die mit der Pfer- dehaltung unbestreitbar verbundenen Immissionen in Grenzen ge- halten werden (siehe dazu hinten, Erw. 3/c/bb/bbb). e) Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, dass der ge- plante Pferdestall unter dem in der Baubewilligung vom 29. Januar 2001 mit Auflagen abgesicherten Vorbehalt der ausschliesslich hob- bymässigen Tierhaltung in der Zone W2 eine zonenkonforme Baute darstellt. 3. Die Beschwerdeführer beanstanden die Abstände des Pfer- destalls wegen der Immissionssituation als unzulänglich. a) Gemäss Art. 3 Abs. 1 LRV müssen neue stationäre Anlagen so ausgerüstet und betrieben werden, dass sie die im Anhang 1 fest- gelegten Emissionsbegrenzungen einhalten. Ergänzende oder abwei- chende Anforderungen gelten sodann u.a. für Anlagen nach Anhang 2, zu denen auch die Tierhaltungsbetriebe gehören (Art. 3 Abs. 2 lit. a LRV). Ziffer 512 dieses Anhangs schreibt in Abs. 1 vor, dass die nach den anerkannten Regeln der Tierhaltung erforderlichen Mindestabstände zu bewohnten Zonen einzuhalten sind; als solche gelten insbesondere die Empfehlungen der FAT. Die Mindestab- stände dürfen unterschritten werden, wenn die geruchsintensive Abluft gereinigt wird (Abs. 2). Weiter sind Emissionen, für welche die LRV keine Emissionsbegrenzung festlegt oder eine bestimmte 2003 Bau-, Planungs- und Umweltschutzrecht 231 Begrenzung als nicht anwendbar erklärt, von der Behörde vorsorg- lich soweit zu begrenzen, als dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar ist (Art. 4 Abs. 1 LRV; sog. Vorsorgeprin- zip gemäss Art. 1 Abs. 2 und 11 Abs. 2 USG). Der Mindestabstand wird in einem dreistufigen Verfahren be- rechnet (FAT-Bericht Nr. 476, S. 3): Als erstes ist je nach Tierart die Geruchsbelastung zu bestimmen. Aus dieser ist der Normabstand abzuleiten. Schliesslich ist der Mindestabstand durch Korrektur des Normabstands in Bezug auf Haltungssystem, Lüftung und Standort zu berechnen. In diesem Abstand, der primär gegenüber reinen Wohnzonen gilt, ist ein Sicherheitszuschlag von 30% enthalten; da- rauf kann in der Regel gegenüber bewohnten Zonen, in welchen neben der Wohnnutzung mässig störende Gewerbebetriebe zugelas- sen sind, verzichtet werden (FAT-Bericht Nr. 476, S. 6). b) Im vorliegenden Falle stellte die Koordinationsstelle Bauge- suche des Baudepartements in ihrer Teilverfügung vom 15. November 2000 zum Thema der Luftreinhaltung Folgendes fest: "Nach unseren Berechnungen ist der Mindestabstand von Tier- haltungsbetrieben gemäss Luftreinhalteverordnung vom 16. No- vember 1985 und den dazugehörigen FAT-Richtlinien Nr. 476 eingehalten. Grundsätzlich ist jedoch festzustellen, dass die Richtlinien erst ab vier Geruchsbelastungseinheiten (GB) direkt anwendbar sind. Im vorliegenden Fall wird künftig eine Tierhaltung mit ca. 0,2 GB betrieben. Zudem steht es dem Gemeinderat frei, den Mindestab- stand in ländlich geprägten Gebieten entsprechend zu reduzieren. Im Sinne einer Entscheidungshilfe bei allfälligen Einsprachever- handlungen kann folgendes festgehalten werden: · Der korrigierte Mindestabstand bei 4 GB würde 21,2 m betra- gen. Der theoretische Mindestabstand bei den vorhandenen GB (0,2 aufgerundet auf 0,5) beträgt 2,65 m. · Gemessen wird ab Abluftaustrittsöffnung (Fenster, Türe etc.) resp. ab Laufhofeinzäunung bis zur nächstgelegenen Fassade bewohnter Gebäude innerhalb der gleichen Zone. 2003 Verwaltungsgericht 232 · Der Mindestabstand wird gemäss Praxis der FAT bei Jauche- und Mistgruben (Mistcontainer) auf 20% des korrigierten Mindestabstandes reduziert." Die FAT äussert sich zur ganzen Problematik wie folgt: "Der FAT-Bericht 476 (Mindestabstände von Tierhaltungsanla- gen, Empfehlung für neue und bestehende Betriebe) ist für die landwirtschaftliche Tierhaltung bestimmt. Natürlich können kleine Betriebe unter Berücksichtigung gewisser Regeln eben- falls berechnet werden. Die Mindestabstandsberechnung für die private Pferdehaltung in Wohnzonen, wie im Fall Z. lediglich 0.2 GB, ist mit dem FAT-Bericht 476 nicht sinnvoll. Wenn man den FAT-Bericht anwendet, hat man zwei Möglichkeiten: erstens Auf- rundung auf 4 GB, Berechnung, Abrundung, daraus ergibt sich der Mindestabstand von 1 Meter; zweitens Aufrundung auf 4 GB, Berechnung daraus ergibt sich der Mindestabstand von 20 Me- tern. Beide Resultate sind für uns nicht realistisch. Wir schlagen vor, eine bestimmte Zahl an Metern festzulegen, die mit der örtlichen Bauordnung einen Zusammenhang hat, z.B. 5, 6, 8 oder 10 Meter (Grenzabstand oder grosser Grenzabstand). Zusätzlich sind betriebliche Vorschriften festzulegen die sich mit der Mistlagerung befassen. Diese könnten etwa bestimmen, dass der Mist in geschlossenen Kontainern gelagert werden muss. Die Grösse dieser Kontainer muss dem Mistanfall natürlich angepasst sein, so dass z.B. alle 14 Tage geleert wird." Auf Grund dieser Stellungnahmen, namentlich jener der FAT selber, gelangt das Verwaltungsgericht zur klaren Schlussfolgerung, dass die Anwendung des FAT-Berichts Nr. 476 von 1995 in Fällen wie dem vorliegenden zu absurden Resultaten führen würde. Nicht von ungefähr stipuliert der FAT-Bericht Nr. 476 denn auch selber, dass zwar der Mindestabstand bei 4 GB in der Regel auch bei niedri- geren Geruchsbelastungen einzuhalten sei, dass es aber im Ermessen der Behörde liege, einen kleineren Mindestabstand zuzulassen (S. 6). In dieser offenen Formulierung ist die Richtlinie allerdings nicht anwendbar; sie bedarf der Konkretisierung durch sachbezogene Kri- terien (siehe dazu AGVE 1992, S. 313 ff., und 1994, S. 374 ff., je mit Hinweisen). Dass nun sicherer Boden am ehesten mit einer Anleh- 2003 Bau-, Planungs- und Umweltschutzrecht 233 nung an die einschlägigen Abstandsvorschriften zu gewinnen ist, liegt nahe. In dieselbe Richtung zielt auch die Anregung im Schrei- ben der FAT vom 30. Oktober 2002. Dies schliesst selbstverständlich nicht aus, dass in ausserordentlichen Fällen in Anwendung des Vor- sorgeprinzips gemäss Art. 1 Abs. 2 und 11 Abs. 2 USG Korrekturen nach oben möglich sein müssen. c) aa) Das Baudepartement hat den strittigen Pferdestall als Kleinbaute im Sinne von § 18 Abs. 1 ABauV qualifiziert. Die Be- schwerdeführer widersetzen sich dieser Betrachtungsweise, welche im Übrigen durchaus zutreffend erscheint, nicht mehr. Derartige Bauten haben, soweit die Gemeinde nichts Anderes festlegt - was hier nicht zutrifft - einen Grenzabstand von 2 m einzuhalten (§ 18 Abs. 2 Satz 1 ABauV). Diese Anforderung ist hier unbestrittenermas- sen erfüllt. bb) aaa) Gegenüber Hauptgebäuden und für Klein- und Anbau- ten untereinander gilt kein Gebäudeabstand, wenn die architektoni- schen, gesundheits- und feuerpolizeilichen Anforderungen gewahrt bleiben (§ 18 Abs. 2 Satz 2 ABauV). Mit ähnlicher Zielrichtung bestimmt § 29 BNO - generell für sämtliche Bauten, nicht nur für Kleinbauten -, dass für einen Neubau lediglich der Grenzabstand, nicht aber der Gebäudeabstand zu einem vor Inkrafttreten der BNO erstellten Nachbargebäude eingehalten werden muss, wenn die ar- chitektonischen, gesundheits-, feuer- und sicherheitspolizeilichen Anforderungen gewahrt bleiben. Da das Wohnhaus der Beschwerde- führerin 1 auf der Parzelle Nr. 174 im erwähnten Sinne altrechtlich ist, erweist sich auch § 29 BNO als grundsätzlich anwendbar. Ob trotzdem nur § 18 Abs. 2 Satz 2 ABauV als die speziellere der beiden Bestimmungen zur Anwendung gelangt, kann hier dahingestellt blei- ben, da sich die zu erfüllenden Randbedingungen weitestgehend decken. Näherer Betrachtung bedürfen im vorliegenden Falle lediglich die gesundheits- und feuerpolizeilichen Anforderungen. Architekto- nische und sicherheitspolizeiliche Aspekte sind klarerweise nicht tangiert. bbb) Was die Geruchsproblematik anbelangt, hat der am Au- genschein anwesende Berater für Tierhaltung beim Landwirtschaft- 2003 Verwaltungsgericht 234 lichen Bildungs- und Beratungszentrum Liebegg-Gränichen als Fachmann die Ansicht geäussert, dass hier einzig die Mistlagerung und -bewirtschaftung eine Rolle spiele und die übrigen Geruchsquel- len (Einstreubereich, Tiere selber) vernachlässigt werden könnten. Mit der vorgesehenen geschlossenen Mulde und den übrigen in die- sem Zusammenhang gemachten Auflagen sei aber auch insoweit nicht mit irgendwelchen Problemen zu rechnen, selbst dann nicht, wenn die Mulde beim Einfüllen jeweilen für eine halbe Minute ge- öffnet sei. Die Frage des Abstandes sei für die Einwirkungen bei den Nachbarn nicht entscheidend. Diesen Darlegungen kann sich das Verwaltungsgericht anschliessen. Die Ausübung der Wohnnutzung bedingt eine Umgebung, die frei ist von Lärm, Gerüchen und ande- ren Immissionen, die das mit dem Wohnen selbst verbundene Mass überschreiten (AGVE 2001, S. 301 mit Hinweis). Die Haltung von Haustieren (unter Einschluss von Pferden) gehört nun aber in ange- messenem Rahmen mit zur Wohnnutzung (AGVE 2001, S. 302; vorne, Erw. 2/d/aa), und unter dieser Prämisse müssen auch gewisse begrenzte Immissionen sowohl bezüglich des Geruchs als auch be- züglich des Lärms hingenommen werden. Der betroffene Nachbar ist durch das Vorsorgeprinzip (Art. 1 Abs. 2 und 11 Abs. 2 USG) ausrei- chend geschützt; danach sind alle technisch und betrieblich mögli- chen und wirtschaftlich tragbaren Emissionsbegrenzungen zu reali- sieren. Diesem Grundsatz haben die Vorinstanzen offensichtlich nachgelebt; sie haben angeordnet, dass · der Pferdemist in einer konstant geschlossen zu haltenden Deckel- mulde mit Abdichtung zu sammeln und regelmässig, mindestens zweimal täglich, abzuführen ist sowie nicht auf dem eigenen Grundstück ausgetragen werden darf, · Stall und Auslauffläche stets sauber zu halten sind und im Stall eine geruchshindernde Einstreuung zu verwenden ist, · das Fenster an der Rückwand des Stalls immer geschlossen sein muss, · die Pferde zum Bereich zwischen der Rückwand des Stalls und der südlichen Grundstücksgrenze keinen Zugang haben dürfen. Es ist nicht ersichtlich, was für weitere Emissionsbegrenzungs- massnahmen den Beschwerdegegnern auferlegt werden sollten. Im 2003 Bau-, Planungs- und Umweltschutzrecht 235 Besondern wäre eine Vergrösserung des Abstands wegen ihrer feh- lenden Wirkung unverhältnismässig. Weitergehende Zusatzanträge haben auch die Beschwerdeführer nicht gestellt. (...).
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AG_VG_001
AG_VG
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Northwestern_Switzerland
AG_VG_001_AGVE-2003-55_2002-11-03
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2009 Submissionen 207 39 Freihändige Vergabe - Zulässigkeit einer freihändigen Vergabe aufgrund technischer Be- sonderheiten, sofern diese sachlich begründet sind. Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 21. Dezember 2009 in Sa- chen X. AG gegen Y. AG (WBE.2009.207). Aus den Erwägungen 2. 2.1. Auch die öffentliche Auftraggeberin kann grundsätzlich frei be- stimmen, welche Bau-, Liefer- oder Dienstleistungen sie benötigt und welche konkreten Anforderungen sie bezüglich Qualität, Aus- stattung, Ästhetik, Service usw. stellt, was also im Einzelnen Ge- genstand und Inhalt der Submission ist (AGVE 1998, S. 404). Die Vergabebehörde ist bei der Umschreibung des Gegenstandes einer Beschaffung also grundsätzlich frei. Die Anforderungen an eine Be- schaffung erhalten jedoch eine vergaberechtliche Bedeutung, soweit sie Auswirkungen auf den Wettbewerb zwischen den potenziellen Anbietenden zeitigen. Das ist insbesondere der Fall, wenn die Um- schreibung des Vergabeobjekts dazu führt, dass für die betreffende Beschaffung nur noch eine einzige oder sehr wenige Anbietende bzw. ein bestimmtes Fabrikat in Frage kommen. Bei dieser Sachlage ist zu prüfen, ob der Zweck der Beschaffung eine derartige Ein- schränkung der Wahlfreiheit rechtfertigt. Der Vergabebehörde er- wächst somit hinsichtlich der Anforderungen an das Beschaffungsob- jekt eine Begründungspflicht in dem Mass, als ihre Leistungsan- forderungen den Kreis der möglichen Anbietenden einschränken. Kommt aufgrund der Anforderungen nur noch ein bestimmtes Pro- dukt oder ein einzelner Anbieter in Frage, so ist auf die - in diesem Fall sinnlose - Ausschreibung zu verzichten und die Vergabe frei- händig durchzuführen. Das ist jedoch nur zulässig, wenn einer der submissionsrechtlich vorgesehenen Ausnahmetatbestände (vgl. § 8 Abs. 3 SubmD; § 9 der Vergaberichtlinien [VRöB] zur IVöB) erfüllt 2009 Verwaltungsgericht 208 ist; die Voraussetzungen der Ausnahmetatbestände liefern daher auch den Massstab für die Festlegung einschränkender Produkteanforde- rungen (vgl. Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 10. Dezember 2008 [VB.2008.00347], Erw. 6.1; ferner Peter Galli / André Moser / Elisabeth Lang, Praxis des öffentlichen Be- schaffungsrechts, 1. Band: Landesrecht, 2. Auflage, Zürich / Basel / Genf 2007, Rz. 207 ff. mit Hinweisen). In diesem Rahmen ist es der Vergabestelle erlaubt, bei der Aus- schreibung eines Vorhabens durch sog. technische Spezifikationen gewisse technologische Mindestanforderungen (bezüglich Qualität, Ausstattung, Ästhetik, Service usw.) zu stellen, solange sich diese auf die geforderte Leistung beziehen und sich nicht diskriminierend auswirken. Diese Spezifikationen müssen namentlich in Bezug auf den konkreten Auftrag gerechtfertigt sein und dürfen - im Hinblick auf einen wirksamen Wettbewerb - nicht dazu dienen, gezielt be- stimmte Anbieter ohne sachliche Notwendigkeit zu bevorzugen oder zu benachteiligen (Urteil des Bundesgerichts vom 2. März 2000 [2P.282/1999], Erw. 3; AGVE 1998, S. 404 ff.; vgl. auch § 1 Abs. 1 SubmD sowie Art. 13 lit. b IVöB). In die der Vergabestelle bei der Festlegung ihres Bedarfs zuste- hende Entscheidungsfreiheit darf das Verwaltungsgericht nicht ein- greifen, soweit diese nicht rechtsverletzend ausgeübt wurde. 2.2. Die Gründe, welche die Y. AG vorliegend für die Beschaffung eines 3 Tesla-MRI-Gerätes mit einer Dimensionierung der Magnet- öffnung von 70 cm vorbringt, sind ohne Weiteres nachzuvollziehen. Es leuchtet ein, dass die Vergabestelle als Ergänzung zum bereits vorhandenen MRI-Gerät ein technisch möglichst modernes und für die Patienten komfortableres Gerät anschaffen will, welches auch die Untersuchung von Patientengruppen mit speziellen Bedürfnissen (Patienten mit Platzangst, Schwangere etc.) erleichtert oder im Fall von stark adipösen Patienten sogar erst ermöglicht. Das Anliegen der Vergabestelle, mit einem aufgrund der grösseren Röhrenöffnung komfortableren und patientenfreundlicheren Gerät wettbewerbsfähig zu bleiben und auch neue Patienten hinzu zu gewinnen, erscheint ebenfalls ohne Weiteres sachlich haltbar. Ob die grössere Röhren- 2009 Submissionen 209 öffnung sich, wie von der Beschwerdeführerin behauptet und von der Vergabestelle dezidiert verneint, negativ auf die Bildqualität auswirkt, ist dabei nicht relevant. Auch wenn dieser Einwand zutref- fen sollte, fällt der Entscheid darüber, ob zugunsten grösserer Ein- satzmöglichkeiten und eines grösseren Patientenkomforts gewisse Einbussen bezüglich der Bildqualität hingenommen werden, in die vom Verwaltungsgericht zu respektierende Entscheidungsfreiheit der Vergabebehörde. Der von der Vergabestelle verlangte Durchmesser der Magnetöffnung von 70 cm erscheint als eine sachlich begründete und demzufolge zulässige technische Spezifikation. Eine diskri- minierende und damit rechtsverletzende Spezifizierung des Be- schaffungsobjekts ist trotz der damit verbundenen Beschränkung des Anbieterkreises nicht gegeben. 2.3. Ebenfalls nachvollziehbar ist im vorliegenden Fall das Bedürf- nis der Vergabestelle nach einem MRI-Gerät vom Hersteller des be- reits vorhandenen MRI-Gerätes L. im Hinblick auf den vorgesehenen Personaleinsatz, wonach das zuständige radiologische Fachpersonal entsprechend dem Betriebskonzept im Rotationsprinzip sowohl in C. als auch in D. eingesetzt wird und beide Geräte zu bedienen hat. Die Argumentation, dass das parallele Betreiben von zwei MRI-Geräten verschiedener Hersteller mit unterschiedlicher Benutzeroberfläche und unterschiedlichem Spulenkonzept erhöhten Personalaufwand, aber auch ein erhöhtes Fehlerpotential mit sich brächte, lässt sich jedenfalls nicht als sachlich unbegründet von der Hand weisen. 2.4. Gemäss § 8 Abs. 3 lit. d SubmD ist eine freihändige Vergabe dann zulässig, wenn aufgrund der technischen Besonderheiten des Auftrags nur eine Person als Anbietende in Frage kommt und es keine angemessenen Alternativen gibt (vgl. AGVE 2001, S. 317). Wie vorstehend ausgeführt, erweist sich die Vorgabe eines Ma- gnetöffnungsdurchmessers von 70 cm als auf sachlichen und objektiv nachvollziehbaren Gründen beruhende zulässige technische Spe- zifikation. Demzufolge ist auch das Vorliegen einer technischen Be- sonderheit im Sinne von § 8 Abs. 3 lit. d SubmD zu bejahen und ein MRI-Gerät mit einem Röhrendurchmesser von lediglich 60 cm stellt 2009 Verwaltungsgericht 210 im Hinblick auf die genannten nachvollziehbaren Gründe für den grösseren Durchmesser gerade keine angemessene Alternative dar. Die Y. AG begründet die freihändige Beschaffung des 3 Tesla- MRI-Gerätes gestützt auf § 8 Abs. 3 lit. d SubmD anstelle einer öf- fentlichen Ausschreibung des Auftrags, wie ursprünglich geplant, damit, dass sich mit V. lediglich eine Anbieterin auf dem Markt be- finde, die MRI-Geräte mit dem von ihr verlangten Magnetöffnungs- durchmesser von 70 cm anbiete. Eine (öffentliche) Ausschreibung mit einem Muss-Kriterium "Röhrengrösse 70 cm" sei deshalb sinn- los. Aus den Akten ergibt sich, dass die Vergabestelle ursprünglich beabsichtigt hat, ein offenes Submissionsverfahren durchzuführen und offensichtlich erst im Verlauf der Erstellung der Ausschrei- bungsunterlagen festgestellt hat, dass in Bezug auf 3 Tesla-Geräte le- diglich eine Anbieterin, nämlich V., ihrer Anforderung bezüglich ei- ner Magnetöffnung von 70 cm überhaupt zu entsprechen vermag. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, die Darstellung der Verga- bestelle betreffend die Marktsituation bzw. die Verfügbarkeit von 3 Tesla-MRI-Geräten mit der geforderten Magnetöffnung von 70 cm in Frage zu stellen. Die Beschwerdeführerin ihrerseits jedenfalls be- streitet nicht, dass ihre Geräte eine kleinere Magnetöffnung (60 cm) aufweisen und sie keine MRI-Geräte mit dem verlangten Röhren- durchmesser liefern kann. Ist sie nicht in der Lage, die - wie ausge- führt - zulässigerweise geforderte technische Spezifikation zu erfül- len, kommt sie für eine Zuschlags- bzw. Auftragserteilung von vornherein nicht in Betracht. Aus der Durchführung eines Verfahrens mit öffentlicher Ausschreibung könnte sie für sich daher keinen Nutzen ziehen, da sie selbst nicht in der Lage wäre, ein den techni- schen Spezifikationen entsprechendes, ausschreibungskonformes Gerät anzubieten.
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AG_VG_001
AG_VG
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2017 Migrationsrecht 137 [...] 25 Erlöschen der Niederlassungsbewilligung; Verlegung des Lebensmittel- punkts; Untersuchungsmaxime; Beweislast; tatsächliche Vermutung; Mitwirkungspflicht - Der Widerruf einer ausländerrechtlichen Bewilligung ist nur zuläs- sig, wenn die Behörde belegt, dass die entsprechenden Voraussetzun- gen erfüllt sind. - Ableitung einer tatsächlichen Vermutung aus einem Lebenssachver- halt - Unabhängig davon, wem die Beweislast zukommt, oder ob aufgrund der Untersuchungsmaxime Abklärungen von Amtes wegen vorzu- nehmen sind, oder ob die Betroffenen eine Mitwirkungspflicht trifft, können sich aus bestimmten Lebenssachverhalten tatsächliche Ver- mutungen ergeben. Je grösser die Wahrscheinlichkeit ist, dass aus einem Lebenssachverhalt auf eine tatsächliche Vermutung geschlos- sen werden kann, umso mehr kann die tatsächliche Vermutung Grundlage eines migrationsrechtlichen Entscheids bilden. Liegt eine tatsächliche Vermutung vor, ohne dass gleichzeitig entlastende Ele- mente ersichtlich sind, obliegt es im Rahmen der Mitwirkungspflicht 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 138 den Betroffenen, die tatsächliche Vermutung mittels "Gegenbeweis" zu widerlegen. Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 27. Sep- tember 2017, i.S. A. gegen das Amt für Migration und Integration (WBE.2016.251) Aus den Erwägungen 3.1.2. Vorab ist festzuhalten, dass die Vorinstanz nicht davon ausgeht, die Beschwerdeführerin habe sich während sechs oder mehr Monaten ununterbrochen im Ausland aufgehalten und die Niederlassungsbe- willigung sei deshalb erloschen. (...) Vielmehr geht die Vorinstanz davon aus, die Beschwerdeführerin habe mit Antritt einer Stelle als (...) Ärztin einer (Klinik) in Z. im April 2011 ihren Lebensmittel- punkt nach Deutschland verlegt, weshalb ihre Niederlassungsbewilli- gung erloschen sei. 3.1.3. In Übereinstimmung mit der durch das Bundesgericht zur unter altem Recht entwickelten Rechtsprechung kann eine Niederlassungs- bewilligung (...) gemäss Art. 79 Abs. 1 VZAE auch dann erlöschen, wenn die betroffene Person sich nicht ununterbrochen während mehr als sechs Monaten im Ausland aufhält, sondern zwischenzeitlich lediglich wegen Besuchs-, Tourismus- oder Geschäftsaufenthalte in die Schweiz zurückkehrt. In derartigen Fällen ist primär massgebend, ob die betroffene Person ihren Lebensmittelpunkt ins Ausland verlegt hat (Urteil des Bundesgerichts vom 19. Dezember 2011 [2C_540/2011], Erw. 3.2). 3.1.4. Den zahlreichen diesbezüglichen Urteilen des Bundesgerichts ist keine allgemeingültig formulierte Regel zu entnehmen, wie der Lebensmittelpunkt zu bestimmen ist. Das Bundesgericht scheint viel- mehr einzelfallweise aufgrund der konkreten Umstände abzuwägen, ob der Bezug zu einem Ort im Ausland stärker ist als zur Schweiz 2017 Migrationsrecht 139 und ob gleichzeitig der Bezug zur Schweiz derart gelockert wurde, dass der Lebensmittelpunkt in der Schweiz als aufgegeben bezeich- net werden muss (vgl. z.B. Urteil des Bundesgerichts vom 27. Mai 2011 [2C_831/2010]; vom 26. August 2011 [2C_1224/2012]; vom 19. Dezember 2011 [2C_540/2011]; vom 18. Januar 2013 [2C_471/2012 ]; vom 31. Mai 2016 [2C_400/2015]; vom 16. Juni 2016 [2C_367/2016] sowie vom 11. November 2016 [2C_65/2016]). Selbst das Begründen bzw. das Belassen eines steuer- oder zivilrechtlichen Wohnsitzes in der Schweiz oder der Aufenthaltsort im zivilrechtlichen Sinn bedeuten nicht zwingend, dass sich auch der Lebensmittelpunkt in der Schweiz befindet, auch wenn diese Um- stände ein starkes Indiz für das Vorliegen eines Lebensmittelpunktes darstellen können und insofern durchaus relevant sind für die Bestimmung des Lebensmittelpunktes (Urteil des Bundesgerichts vom 31. Mai 2016 [2C_400/2015], Erw. 5.2 und vom 16. Juni 2016 [2C_367/2016], Erw. 2.2). 3.2. 3.2.1. Will das MIKA eine Bewilligung einer Ausländerin oder eines Ausländers widerrufen, hat die Behörde zu belegen, dass die Voraus- setzungen für den Widerruf erfüllt sind. Gelingt dies nicht, ist ein Widerruf unzulässig. Aufgrund des Untersuchungsgrundsatzes ist von Amtes wegen auch entlastenden Sachverhaltselementen nachzu- gehen und sind diese entsprechend zu berücksichtigen. Nachdem migrationsrechtliche Entscheide jedoch oft aufgrund persönlicher Umstände gefällt werden, die den Betroffenen weit besser bekannt sind als den Behörden, haben die Betroffenen eine umfassende Mit- wirkungspflicht (Art. 90 AuG). Dies besonders bei Umständen, wel- che ohne Mitwirkung der Betroffenen gar nicht oder nicht mit ver- nünftigem Aufwand erhoben werden können (vgl. BGE 124 II 361, Erw. 2b, S. 365). 3.2.2. Unabhängig davon, wem die Beweislast zukommt, oder ob auf- grund der Untersuchungsmaxime Abklärungen von Amtes wegen vorzunehmen sind, oder ob den Betroffenen eine Mitwirkungspflicht trifft, können sich aus bestimmten Lebenssachverhalten tatsächliche 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 140 Vermutungen ergeben. Es handelt sich dabei um Wahrscheinlich- keitsfolgerungen, welche der allgemeinen Lebenserfahrung entsprin- gen (Urteil des Bundesgerichts vom 31. Mai 2016 [2C_400/2015], Erw. 5.1). Je grösser die Wahrscheinlichkeit ist, dass aus einem Le- benssachverhalt auf eine tatsächliche Vermutung geschlossen werden kann, umso mehr kann die tatsächliche Vermutung Grundlage eines migrationsrechtlichen Entscheids bilden. Liegt eine derartige starke tatsächliche Vermutung vor, ohne dass gleichzeitig entlastende Ele- mente ersichtlich sind, die diese Vermutung entkräften, kommt der Mitwirkungspflicht der Betroffenen wiederum eine besondere Bedeutung zu, da es den Betroffenen obliegt, die tatsächliche Vermu- tung mittels "Gegenbeweis" zu widerlegen. 3.3. 3.3.1. Im vorliegenden Fall war dem MIKA offenbar bereits bei Stel- lenantritt der Beschwerdeführerin in Z. bekannt, dass sie in Deutsch- land eine Vollzeitstelle antreten wird. Jedenfalls führt die Beschwer- deführerin aus, sie habe diesbezüglich seitens des MIKA die Aus- kunft erhalten, sie müsse aufgrund ihrer regelmässigen Rückkehr in die Schweiz kein Gesuch um Aufrechterhaltung ihrer Niederlas- sungsbewilligung einreichen. Dies wird durch das MIKA sodann auch nicht bestritten. Auslöser für das Verfahren war offensichtlich eine E-Mail eines Nachbarn von Y. und Arbeitskollegen des Eheman- nes der Beschwerdeführerin, welcher gegenüber den kantonalen Ein- bürgerungsbehörden behauptete, die Eheleute hielten sich nur selten in Y. auf. 3.3.2. Das erstinstanzliche MIKA schloss aus der E-Mail des Nach- barn von Y. und Arbeitskollegen des Ehemannes der Beschwerdefüh- rerin sowie eines in Auftrag gegebenen polizeilichen Berichts auf die tatsächliche Vermutung, dass beide Eheleute ihren Lebensmittel- punkt nach Deutschland verlegt hätten und gewährte beiden Eheleu- ten das rechtliche Gehör betreffend Erlöschen ihrer Niederlassungs- bewilligung. Nach Eingang der Stellungnahmen der Eheleute sah das MIKA sodann davon ab, die Niederlassungsbewilligung des Ehe- mannes für erloschen zu erklären. Bezüglich der Beschwerdeführerin 2017 Migrationsrecht 141 erklärte das MIKA demgegenüber, man sei nach wie vor der Auffas- sung, die Niederlassungsbewilligung sei aufgrund des nach Deutsch- land verlegten Lebensmittelpunktes erloschen, sah jedoch während langer Zeit davon ab, das Erlöschen der Niederlassungsbewilligung förmlich zu verfügen, sondern sistierte das Verfahren. Dies offenbar in der Absicht, der Beschwerdeführerin zu ermöglichen, ihren Le- bensmittelpunkt wieder in die Schweiz zu verlegen. Eine solche Vor- gehensweise ist insofern unverständlich, als die Niederlassungs- bewilligung konsequenterweise selbst dann hätte für erloschen er- klärt werden müssen, wenn die Beschwerdeführerin wieder definitiv in die Schweiz zurückgekehrt wäre. Das Verhalten des MIKA lässt sich nur so schlüssig erklären, dass die zuständigen Mitarbeiter des MIKA offenbar selbst nicht davon überzeugt waren, dass der Lebens- mittelpunkt der Beschwerdeführerin nach Deutschland verlegt wurde. 3.3.3. Bei genauer Betrachtung können die genannte E-Mail und der polizeiliche Bericht zwar Auslöser für ein migrationsrechtliches Ver- fahren betreffend Erlöschen der Niederlassungsbewilligung bilden, stellen aber allein keine tatsächliche Vermutung dar, dass sich der Lebensmittelpunkt der Betroffenen im Ausland befindet. Dies umso weniger, als die Beschwerdeführerin glaubhaft dargelegt hat, dass ihr Ehemann und der E-Mail-Verfasser ein äusserst getrübtes Verhältnis zueinander haben und ein Anschwärzen durch den E-Mail-Verfasser durchaus als wahrscheinlich zu bezeichnen ist. Offenbar fühlte sich der Ehemann der Beschwerdeführerin durch seinen Arbeitskollegen gemobbt und zeigte dies der Personalabteilung seines Arbeitgebers an, worauf der Arbeitgeber weitere Abklärungen vornahm und es zu einer Aussprache zwischen dem Ehemann der Beschwerdeführerin und dessen Arbeitskollegen kam. Das unbesehene Abstellen auf die E-Mail war damit nicht zulässig. Spätestens im Rahmen des Ein- spracheverfahrens hätte der E-Mail-Verfasser befragt werden müs- sen, in welchem Verhältnis er zur Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann steht und worin seine Motivation bestand, seine E-Mail zu verfassen. 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 142 Ebenso wenig ergibt sich aus dem polizeilichen Bericht eine Verlagerung des Lebensmittelpunktes der Beschwerdeführerin nach Deutschland. Allein der Umstand, dass die Beschwerdeführerin an einigen Kontrolltagen nicht durch die Polizei hatte angetroffen wer- den können und dass die Polizei die Wohnung via Sitzplatz "inspi- ziert" und deren angeblich spärliche Möblierung notiert hatte, bedeu- tet nicht, dass die Beschwerdeführerin ihren Lebensmittelpunkt effektiv nach Deutschland verlegt hätte. Abgesehen davon, dass die Inspektion der Wohnung via Sitzplatz kein taugliches Mittel ist, den Möblierungszustand einer Wohnung rechtsgenüglich festzustellen, sind die Eheleute weder verpflichtet, sich zu den zufälligen Kontroll- zeitpunkten in der Wohnung aufzuhalten, noch ihre Wohnung gemäss einem bestimmten Standard einzurichten. 3.3.4. Der Beschwerdeführerin kann unter diesen Umständen auch nicht vorgeworfen werden, sie habe den "Gegenbeweis", wonach sich ihr Lebensmittelpunkt nicht in Deutschland, sondern in der Schweiz befinde, nicht erbracht. Dazu wäre sie erst dann verpflichtet gewesen, wenn sich aus dem erstellten Sachverhalt die tatsächliche Vermutung eines nach Deutschland verlegten Lebensmittelpunkts hätte ableiten lassen, was vorliegend, wie bereits erwähnt, nicht der Fall ist. Daran ändert einerseits auch nichts, dass das Verwaltungsge- richt im Rahmen der Instruktion weitere Beweise für einen Aufent- halt in der Schweiz einverlangt hat, da diese nicht als "Gegenbeweis" zu einem tatsächlich zu vermutenden Lebensmittelpunkt in Deutsch- land einverlangt wurden, sondern um zu klären, ob sich die Be- schwerdeführerin während mehr als sechs Monaten ausserhalb der Schweiz aufgehalten hatte. Andererseits ändert daran auch nichts, dass die durch die Beschwerdeführerin eingereichten Belege eines nicht mehr als sechsmonatigen ununterbrochenen Auslandaufenthalts als äusserst spärlich bezeichnet werden müssen und aus diesen nicht zwingend auf einen Lebensmittelpunkt in der Schweiz geschlossen werden kann. 3.3.5. Im Sinne eines Zwischenergebnisses steht damit fest, dass zwar durchaus die Veranlassung bestand, die Lebenssituation der Be- 2017 Migrationsrecht 143 schwerdeführerin genauer abzuklären. Aus den vorliegenden Bewei- sen konnte und kann jedoch keine tatsächliche Vermutung abgeleitet werden, die Beschwerdeführerin habe ihren Lebensmittelpunkt nach Deutschland verlegt, womit ihr auch nicht auferlegt werden durfte, zu beweisen, dass sich ihr Lebensmittelpunkt nach wie vor in der Schweiz befand. 3.3.6. Dass sich ein Lebensmittelpunkt selbst dann nicht zwingend am Arbeitsort eines Betroffenen befindet, wenn dieser eine längere Prä- senz am Arbeitsort aufweist, ergibt sich in einem umgekehrt gelager- ten Fall auch aus dem Urteil des Bundesgerichts vom 27. Mai 2011 (2C_831/2010). Nachdem in jenem Fall stärker auf die familiäre Be- ziehung als auf den Arbeitsort abgestellt wurde und im vorliegenden Fall die Eheleute ihren familiären Wohnsitz vor dem Stellenantritt der Beschwerdeführerin in Z. in der Schweiz hatten und der Ehe- mann der Beschwerdeführerin seinen Wohnsitz in der Schweiz be- hielt, ist nicht ersichtlich, weshalb dies vorliegend anders sein sollte. Im Gegenteil: Dass eine verheiratete Person ihren Lebensmittelpunkt üblicherweise am Wohnsitz der Familie hat, stellt vielmehr eine tat- sächliche Vermutung dar (Urteil des Bundesgerichts vom 31. Mai 2016 [2C_400/2015], Erw. 5.1), welche konsequenterweise durch die Migrationsbehörden zu widerlegen ist.
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AG_VG
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2007 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 117 [...] 31 Dekret als genügende gesetzliche Grundlage für Denkmalschutzmass- nahmen. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 30. Oktober 2007 in Sachen S. AG gegen Regierungsrat (WBE.2006.364). 2007 Verwaltungsgericht 118 Sachverhaltszusammenfassung Die S. AG ist Eigentümerin des Wohnhauses Nr. 16 Am Tych 1, Parzelle Nr. 1360, in Oftringen. Mit Entscheid vom 30. Januar 2006 stellte der Regierungsrat diese Liegenschaft unter kantonalen Denk- malschutz. Aus den Erwägungen 2. 2.1. 2.1.1. In Bezug auf die Normstufe rügt die Beschwerdeführerin, dass es den verfassungsmässigen Vorgaben widerspreche, die Vorschrift von § 40 BauG als genügende gesetzliche Grundlage für schwere Eingriffe in die Eigentumsfreiheit zu bezeichnen. Ein Dekret nach aargauischem Recht, wie das Denkmalschutzdekret, bilde kein Ge- setz im formellen Sinn. 2.1.2. Ein Eingriff in die Eigentumsfreiheit bedarf wie jede andere Einschränkung eines Grundrechts einer gesetzlichen Grundlage (Art. 36 Abs. 1 BV; § 21 Abs. 2 KV). Für schwere Eingriffe verlang- ten Lehre und Praxis nach früherer Terminologie ein Gesetz im for- mellen Sinn, während sich weniger weitgehende Eingriffe auf ein Gesetz im materiellen Sinn stützen durften. Die Unterscheidung zwi- schen Gesetzen im formellen und materiellen Sinn entspricht jedoch nicht mehr der BV, weshalb darauf zu verzichten ist (Ulrich Häfelin / Walter Haller / Felix Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl., Zürich 2006, Rz. 105a). Nach heutigem Begriffsverständnis müssen schwere Eingriffe in Grundrechte im Gesetz selbst vorgese- hen sein (Art. 36 Abs. 1 BV), während bei geringerer Eingriffsinten- sität auch eine generell-abstrakte Regelung auf einer Stufe unterhalb des Gesetzes genügt. Art. 51 Abs. 1 BV lässt auf kantonaler Ebene eine reine Parla- mentsgesetzgebung zu (BGE 126 I 180 Erw. 2b/bb mit Hinweisen). 2007 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 119 Vom Parlament beschlossene Erlasse können somit die Funktion des (formellen) Gesetzes erfüllen, wenn die entsprechende kantonale Verfassungsordnung dies so vorsieht (BGE 118 Ia 245 Erw. 3b mit Hinweisen). Ist dies der Fall, gelten bei einer solchen Übertragung von Rechtsetzungsbefugnissen nicht die gleichen Massstäbe wie bei einer solchen vom Gesetzgeber an die Exekutive (BGE 126 I 180 Erw. 2b/bb). Der Kanton Aargau hat mit § 78 Abs. 2 KV die Grundlage für eine Parlamentsgesetzgebung geschaffen. Danach kann der Grosse Rat für ausführende Bestimmungen Dekrete erlas- sen, soweit die Gesetze ihn dazu ausdrücklich ermächtigen. Nach § 40 Abs. 1 BauG sind u.a. die Erhaltung, die Pflege und die Gestaltung von Kulturdenkmälern Sache des Kantons und der Gemeinden. Sie treffen insbesondere Massnahmen, um Ortsbilder entsprechend ihrer Bedeutung zu bewahren und Siedlungen so zu gestalten, dass eine gute Gesamtwirkung entsteht (§ 40 Abs. 1 lit. f BauG). Zur Erfüllung dieser Aufgaben treffen Kanton und Gemein- den die erforderlichen Massnahmen, indem sie insbesondere Vor- schriften oder Verfügungen über den Schutz, die Gestaltung und den Unterhalt von Schutzobjekten erlassen (§ 40 Abs. 3 lit. b BauG). Damit wird schon auf Gesetzesstufe die Voraussetzung für einen Denkmalschutz geschaffen und in allgemeiner Weise definiert, worin dieser bestehen kann. In § 40 Abs. 6 BauG wird der Grosse Rat zu- dem ermächtigt, die Einzelheiten durch Dekret zu regeln. Dieser hat mit § 4 Abs. 1 Denkmalschutzdekret (DSD) eine entsprechende ge- nerell-abstrakte Regelung getroffen. Auf Grund der Ermächtigung in § 40 Abs. 3 lit. b BauG wäre der Kanton sogar befugt, in individuell- konkreter Weise Anordnungen über den Schutz, die Gestaltung und den Unterhalt von Schutzobjekten zu treffen. Beim DSD handelt es sich somit um ein Parlamentsgesetz, das sich auf § 40 Abs. 6 BauG und damit auf die von der Kantonsverfas- sung geforderte Ermächtigungsnorm stützen kann. Das DSD erfüllt damit auch die Vorgaben, die das Bundesverfassungsrecht an ein Gesetz bzw. an die Grundlage für einen schweren Eingriff in die Eigentumsfreiheit stellt (im Ergebnis ebenso Entscheid des Verwal- tungsgerichts [VGE] IV/12 vom 26. April 2002 [BE.2000.00299], S. 8 f.). Nachdem mit § 40 Abs. 3 und 6 BauG i.V.m. § 4 Abs. 1 DSD 2007 Verwaltungsgericht 120 eine hinreichende gesetzliche Grundlage für schwere Eingriffe in die Eigentumsfreiheit vorliegt, kann offen bleiben, ob es sich bei der umstrittenen Massnahme um einen solchen Eingriff handelt oder nicht. Es ist in diesem Kontext lediglich festzuhalten, dass der Be- schwerdeführerin der bisherige Gebrauch ihrer Liegenschaft und die Nutzung der Restparzelle nicht verunmöglicht werden. Mit der Unterschutzstellung ist das Objekt jedoch so zu unterhalten, dass dessen Bestand dauernd gesichert bleibt (§ 12 Abs. 1 DSD). Da für die Übertragung von Gesetzgebungsbefugnissen durch den Gesetzgeber an das Parlament nicht die gleichen Massstäbe gel- ten wie bei einer solchen an die Exekutive, stösst auch der Einwand der Beschwerdeführerin ins Leere, das Baugesetz enthalte keine Um- schreibung, was Denkmäler seien und welche Voraussetzungen für eine Unterschutzstellung erfüllt sein müssen. Das Baugesetz verwen- det den Begriff des Kulturdenkmals (§ 40 Abs. 1), der im Denkmal- schutzdekret näher umschrieben wird (§ 1). Dieses enthält auch die Voraussetzungen für eine Unterschutzstellung (§ 4 Abs. 1 DSD). Nachdem das DSD selber als Gesetz im Sinne von Art. 36 Abs. 1 BV zu qualifizieren ist (Ziffer 2.1), genügen diese Regelungen den Anforderungen, welche die Verfassung an die gesetzliche Grundlage stellt.
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Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 29. Januar 2013 (WBE.2013.25) Definition Sucht (Erw. 1. und 2.). Es ist unzulässig, dass das Familiengericht die Entlassungszuständigkeit an eine Einrichtung ohne ärztliche Leitung (hier Rehahaus Effingerhort) überträgt, da diesfalls die Anordnung einer Nachbetreuung gemäss § 67l Abs. 4 EG ZGB i.V.m. Art. 428 Abs. 2 ZGB nur durch das Familiengericht möglich ist (Erw. 6.). 1. Gemäss Art. 426 ZGB darf eine Person, die an einer psychischen Störung oder an geistiger Behinderung leidet oder schwer verwahrlost ist, in einer geeigneten Einrichtung untergebracht werden, wenn die nötige Behandlung oder Betreuung nicht anders erfolgen kann (Abs. 1). Dabei sind die Belastung und der Schutz von Angehörigen und Dritten zu berücksichtigen (Abs. 2). Die betroffene Person wird entlassen, sobald die Voraussetzungen für die Unterbringung nicht mehr erfüllt sind (Abs. 3). 2. 2.1. Der im ZGB verwendete Begriff der psychischen Störung umfasst die Krankheitsbilder der Psychiatrie; dazu gehören auch (Alkohol- Medikamenten- oder Drogenabhängigkeit) (vgl. zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [, Personenrecht und Kindesrecht] vom 28. Juni 2006, BBl 2006 7043, nachfolgend: Botschaft Erwachsenenschutz). Beim Begriff der " Störung" handelt sich um einen Rechtsbegriff, der im Grundsatz der Definitionsmacht und Auslegungshoheit der Jurisprudenz unterliegt. Wo die Begrifflichkeiten jedoch mit der medizinischen Terminologie übereinstimmen, wie bei der psychischen Störung, muss die rechtsanwendende Instanz daran gebunden sein (vgl. KOKES-Praxisanleitung Erwachsenenschutzrecht, Zürich/St.Gallen 2012, Rz.10.6; vgl. CHRISTOF BERNHART, Handbuch der fürsorgerischen Unterbringung, Basel 2011, N 267 ff.). 2.2. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Herausgeberin der statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandten (englisch: International Statistical Classification of and Related Health Problems [ICD]). Das Kapitel V dieser beinhaltet die psychischen Störungen. Im Abschnitt F1 werden Psychische Störungen und Verhaltensstörungen durch psychotrope dargestellt. Mit F.10 werden Störungen durch Alkohol klassifiziert. Damit eine Störung durch Alkohol als Abhängigkeitssyndrom diagnostiziert werden kann, müssen drei von mehreren von der WHO herausgeschälten Kriterien erfüllt sein. Der Begriff "Abhängigkeitssyndrom" löst den veralteten Begriff der "Sucht" ab und kennzeichnet sich in Anlehnung an diese Kriterien zusammenfassend durch ein passives und unkontrolliertes Verhalten, bei dem die freie Willensentscheidung augrund des Angewiesenseins auf schädliche Substanzen weitgehend fehlt und körperliche und psychosoziale Problemen zur Folge hat. Ein Abhängigkeitssyndrom kann ferner zu einer Toleranzentwicklung gegenüber den Wirkungen der Substanz und zu körperlichen Entzugssymptomen bei Reduktion der Substanz führen (vgl. CHRISTOF BERNHART, a.a.O., N 267 ff. und N 275 ff.). Die Alkoholabhängigkeit als psychische Störung ist somit als medizinischer Terminus klar definiert, weshalb die rechtsanwendende Instanz bei der Beurteilung, ob eine psychische Störung im Sinne von Art. 426 Abs. 1 ZGB vorliegt, daran gebunden ist. (...) 6. 6.1. Dispositivziffer 2 des Entscheids des Familiengerichts Zofingen überträgt die Zuständigkeit für die Entlassung des Beschwerdeführers dem Rehahaus Effingerhort. Nachfolgend ist von Amtes wegen zu prüfen, ob die Übertragung der Entlassungszuständigkeit im vorliegenden Fall zulässig war. 6.2. 6.2.1. Zur Problematik der vorangehend aufgeworfenen Frage finden sich im Bundesrecht folgende Regelungen: 6.2.2. Wie im frühren Recht, richtet sich die Zuständigkeit für die Entlassung aus einer fürsorgerischen Unterbringung danach, wer die Unterbringung verfügt hat. Hat die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde die Unterbringung verfügt, ist sie gemäss Art. 428 Abs. 1 ZGB grundsätzlich auch für die Entlassung zuständig. Wurde die Unterbringung von einem Arzt angeordnet, entscheidet die Einrichtung über die Entlassung (Art. 429 Abs. 3 ZGB). Im Gesetz ist vorgesehen, dass die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde im Einzelfall die Zuständigkeit für die Entlassung der Einrichtung übertragen kann (Art. 428 Abs. 2 ZGB). Die Möglichkeit der Delegation der Entlassungszuständigkeit entspricht der geltenden Praxis. Damit soll sichergestellt werden, dass der Patient sofort entlassen wird, wenn dies aus medizinischer Sicht möglich ist und die Klinik nicht zuerst einen Antrag an die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde stellen muss. Die Übertragung kann nur im Einzelfall erfolgen und nicht in einer generell-abstrakten Norm festgehalten werden (Botschaft Erwachsenenschutz, BBl 2006 7064; THOMAS GEISER/MARIO ETZENSBERGER, in: Geiser/Reusser [Hrsg.], Basler Kommentar, Erwachsenenschutz, Basel 2012, Art. 428 N 8 f.). Weitere Hinweise, unter welchen Voraussetzungen die Entlassungszuständigkeit im Einzelfall an die Einrichtung übertragen werden kann, lassen sich aus dem Bundesrecht nicht ableiten. 6.2.3. In Art. 437 ZGB wird die Kompetenz zur Regelung der Nachbetreuung an die Kantone delegiert. In Abs. 2 der genannten Bestimmung wird darauf hingewiesen, dass die Kantone neben und innerhalb der Regelung der Nachbetreuung ambulante Massnahmen vorsehen können. Gemäss THOMAS GEISER/MARIO ETZENSBERGER werden die Kantone mit Art. 437 ZGB zur Regelung der Nachbetreuung verpflichtet, selbst wenn eine solche Verpflichtung dem Wortlaut der Bestimmung nicht explizit zu entnehmen ist (vgl. THOMAS GEISER/MARIO ETZENSBERGER, in: Geiser/Reusser [Hrsg.], Basler Kommentar, Erwachsenenschutz, Basel 2012, Art. 437 N 5 f.). Wie die Nachbetreuung ausgestaltet wird, schreibt das Bundesrecht nicht vor und ist entsprechend den kantonalen Gesetzgebern überlassen (vgl. THOMAS GEISER/MARIO ETZENSBERGER, in: a.a.O., Art. 437 N 5 f.). 6.3. 6.3.1. Die Regelung der Nachbetreuung überlässt das Bundesrecht dem Kanton. Bezüglich der Voraussetzungen der Delegation der Entlassungszuständigkeit macht das Bundesrecht keine Vorgaben. 6.3.2. Das kantonale Recht regelt die Nachbetreuung in den §§ 67k, l und m EG ZGB. § 67k EG ZGB hält allgemeine Grundsätze fest. So sieht § 67k Abs. 1 EG ZGB vor, dass bei Rückfallgefahr beim Austritt eine Nachbetreuung vorzusehen ist. Sofern es zu keiner sachgerechten schriftlichen Vereinbarung über die Nachbetreuung kommt, entscheidet die für die Entlassung zuständige Stelle über die Nachbetreuung (§ 67k Abs. 3 EG ZGB). 6.3.3. Dem Wortlaut und der Systematik dieser Bestimmungen kann entnommen werden, dass die Zuständigkeit der Anordnung einer Nachbetreuung an die Entlassungszuständigkeit angeknüpft werden soll: Liegt die bei der Einrichtung, soll diese auch die Nachbetreuung festlegen (§ 67l Abs. 1 EG ZGB). Wenn hingegen die bei der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde liegt, diese gestützt auf die ärztliche Beurteilung über die Anordnung der Nachbetreuung (§ 67m Abs. 1 EG ZGB). 6.3.4. § 67l Abs. 1 EG ZGB hält fest, dass in Einrichtungen mit ärztlicher Leitung die diensthabenden Kaderärztinnen und Kaderärzte die Nachbetreuung festlegen. Gemäss Abs. 4 derselben Bestimmung richtet sich die in Einrichtungen ohne ärztliche Leitung nach § 67m EG ZGB, d.h. die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde bzw. das Familiengericht (§ 59 Abs. 1 EG ZGB) ist zuständig für die Anordnung der Nachbetreuung. Im letzteren Fall ist eine Übertragung der Zuständigkeit für die Entlassung an die Einrichtung gemäss Art. 428 Abs. 2 ZGB nicht sachgerecht, denn dies würde bedeuten, dass die Einrichtung für die Entlassung und das Familiengericht für die Anordnung einer Nachbetreuung zuständig sind. Ein Auseinanderfallen der Kompetenzen wäre unpraktikabel und kann nicht dem Willen des kantonalen Gesetzgebers entsprochen haben (vgl. Erw. 6.3.2. f. hiervor). Das kantonale Recht präzisiert Art. 428 Abs. 2 ZGB in dem Sinne, dass einzig bei Einrichtungen mit ärztlicher Leitung eine Übertragung der Zuständigkeit für die Entlassung an die Einrichtung zulässig ist. Andernfalls würde das faktisch im Voraus auf die Anordnung einer Nachbetreuung verzichten, was nicht zulässig sein kann, insbesondere in den Fällen, in denen eine Rückfallgefahr nicht ausgeschlossen ist, was bei Alkoholabhängigkeit regelmässig der Fall ist. 6.4. 6.4.1. Das Rehahaus Effingerhort ist eine Einrichtung ohne ärztliche Leitung. Nach dem Gesagten war es daher nicht zulässig, die Entlassungszuständigkeit an das Rehahaus zu übertragen. Folglich ist Dispositivziffer 2 des Entscheids des Familiengerichts Zofingen vom 17. Januar 2013 von Amtes wegen aufzuheben. 6.4.2. Der Vollständigkeit halber ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass es notorisch ist, dass die Rückfallgefahr bei Personen, welche seit langer Zeit an einem Abhängigkeitssyndrom leiden, sehr hoch ist. Dies zeigt sich auch an der Krankheitsgeschichte des Beschwerdeführers, welche von erfolgslosen Entzugversuchen und wiederholten Rückfällen geprägt ist. Gestützt auf § 67k EG ZGB ist davon auszugehen, dass bei Austritt des Beschwerdeführers aus dem Rehahaus Effingerhort eine Nachbetreuung vorzusehen ist. Die Kompetenz betreffend Entlassungszuständigkeit und Regelung der Nachbetreuung darf im vorliegenden Fall nicht auseinanderfallen. 6.4.3. Es ist somit abschliessend festzustellen, dass das Familiengericht Zofingen für die Entlassung und Anordnung einer Nachbetreuung zuständig ist. Gestützt auf Art. 431 ZGB, wonach die Erwachsenenschutzbehörde sechs Monate nach Beginn der Unterbringung prüft, ob die zur Unterbringung noch erfüllt sind, hat das Familiengericht Zofingen die nächste Überprüfung der Voraussetzungen der fürsorgerischen Unterbringung des Beschwerdeführers im Rehauhaus Effingerhort per 31. Juli 2013 vorzunehmen.
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AG_VG_002
AG_VG
AG
Northwestern_Switzerland
AG_VG_002_-Kindes--und-Erwachs_2013-01-29
https://www.ag.ch/media/kanton_aargau/jb/dokumente_6/gesetze___entscheide/gesetze_2/kindes__und_erwachsenenschutz/verwaltungsgericht/EntscheiddesVerwaltungsgerichtsvom29Januar2013.pdf
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nan
740c5d1f-c18a-5614-a87d-eb8ddeeb0ec0
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2005 Verwaltungsgericht 170 [...] 38 Lärmimmissionen von einem öffentlichen Spiel- und Pausenplatz. - Qualifizierung des Platzes als neue ortsfeste sowie unter das USG und die LSV subsumierbare Anlage (Erw. 2.1). - Grundsatz des zweistufigen Umweltschutzes mit Vorsorgeprinzip und Verschärfung der Emissionsbegrenzungen (Art. 1 Abs. 2 sowie 11 Abs. 2 und 3 USG); Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichts- punkte bei nicht nach marktwirtschaftlichen Prinzipien betriebenen Anlagen; Festlegung des Immissionsniveaus in Anwendung von Art. 15 USG (Erw. 2.2). - Emissionsbegrenzungen betrieblicher (Erw. 3.2.1) und baulicher Art (Erw. 3.2.2) gemäss Art. 12 Abs. 1 lit. b und c USG. - Untersagung der Benützung des Spiel- und Pausenplatzes an Sonn- und Feiertagen als verschärfte Emissionsbegrenzung (Art. 11 Abs. 3 USG) aufgrund der Lage des betroffenen Grundstücks in einer Zone mit Empfindlichkeitsstufe II und der faktischen örtlichen Gegeben- heiten (Erw. 3.3.1); Ausschluss von Erleichterungen gemäss Art. 25 Abs. 2 Satz 1 USG (Erw. 3.3.2); Einhaltung der absoluten Schranke der Immissionsgrenzwerte gemäss Art. 25 Abs. 2 Satz 2 USG (Erw. 3.3.3). - Bedeutung der bundesdeutschen 18. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchV) als Entscheidungs- hilfe (Erw. 3.3.4). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 19. Juli 2005 in Sa- chen X. und Mitb. gegen Baudepartement. 2005 Bau-,Raumplanungs-undUmweltschutzrecht 171 Sachverhalt A. Am 30. Juni / 5. Juli 2003 beschloss der Gemeinderat Ols- berg die folgende "Benutzungsordnung für den Pausen- und Spiel- platz ausserhalb der Schulzeiten sowie den Rasenplatz westlich des Gemeindehauses in Olsberg": " A. Allgemeines Der Pausen- und Spielplatz zwischen Schulhaus und Gemeinde- haus steht ausserhalb der Schulzeiten Olsbergs Bevölkerung zur Benutzung offen. Die Nutzung als Park- oder Festplatz sowie für andere spezielle Anlässe bleibt vorbehalten und wird jeweils durch den Gemeinde- rat separat geregelt. Die folgende Regelung gilt sinngemäss auch für den Rasenplatz westlich des Gemeindehauses. B. Beschränkungen für den Betrieb als Spielplatz ausserhalb der Schulzeiten 1. Der Platz darf von Montag bis Freitag von 08.00 bis 12.00 Uhr und von 13.30 bis 20.00 Uhr als Spielplatz benutzt werden. 2. Der Platz darf am Samstag von 09.00 bis 12.00 Uhr und von 13.30 bis 19.00 Uhr als Spielplatz benutzt werden. 3. Der Platz darf an Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen von 13.30 Uhr bis 18.00 Uhr als Spielplatz benutzt werden. 4. Es gilt ein Fahrverbot für Motorfahrzeuge. 5. Fussballspiele sind verboten. 6. Das Ballspielen an Haus- und Betonwände ist verboten. 7. Die Verwendung von lärmigen Spielzeugen und elektronischen Musikanlagen sind verboten. 2005 Verwaltungsgericht 172 8. Rollbretter sind erlaubt, solange kein alternativer Platz gefunden ist. 9. Platzbenützer sollen insgesamt keinen übermässigen Lärm verur- sachen. C. Kontrollorgan 1. Ausserhalb des Schulbetriebes ist der Gemeinderat Kontrollorgan. 2. Zuwiderhandlungen sind dem Gemeinderat schriftlich mittels An- zeigeformular zu melden. Die Benutzung des Platzes erfolgt auf eigene Verantwortung. Für Schäden haften die Verursacher. Die Gemeinde lehnt jegliche Haftung für Personen- und Sachschäden ab." Das Baudepartement verbot in seinem Entscheid vom 20. April 2004 zusätzlich die Benützung von Rollbrettern (Skateboards). B. Die Beschwerdeführer beantragten vor Verwaltungsgericht, es sei in Abänderung der vorinstanzlichen Entscheide festzustellen, dass der Pausen- und Spielplatz von Montag - Freitag von 08.00 Uhr bis 12.00 Uhr sowie von 14.00 Uhr bis 20.00 Uhr sowie am Samstag von 10.00 Uhr bis 12.00 Uhr sowie 14.00 Uhr bis 18.00 Uhr benutzt werden darf; die Benutzung des Platzes an Sonn- und Feiertagen sei gänzlich zu untersagen. Ferner sei die Gemeinde anzuweisen, geeig- nete bauliche Massnahmen (Abschirmung des Platzes, Erstellen einer Lärmschutzwand usw.) zu treffen. Aus den Erwägungen 1. 1.1. Am 28. August 2001 erteilte der Gemeinderat der Ein- wohnergemeinde die Baubewilligung für den Neubau der Gemein- dekanzlei, einen 25 m langen und 16 m breiten Sport- und Pausen- platz, eine Arena sowie den Umbau bzw. die Sanierung des Schul- hauses auf der Parzelle Nr. 27. Der Pausen- und Spielplatz, für wel- chen die im vorliegenden Verfahren zu überprüfende Benutzungs- 2005 Bau-,Raumplanungs-undUmweltschutzrecht 173 ordnung aufgestellt worden ist (...) war Bestandteil dieses Projekts. Er weist im Wesentlichen einen Teerbelag, Pfosten mit einem Volley- ballnetz (zum Herausnehmen), einen Basketballkorb, Hockey-Tore und eine Platzbeleuchtung auf und steht definitiv seit dem Frühjahr 2003 in Betrieb. Anfänglich bestand keine Benutzungsordnung für den Platz. Auf Begehren der Beschwerdeführer 1 hin verfügte dann das Gerichtspräsidium Rheinfelden am 24. Juni 2003 im summarischen Verfahren superprovisorisch, dass der Pausen-, Spiel- und Sportplatz nurmehr von Montag bis Freitag von 08.00 bis 12.00 Uhr und von 13.30 bis 20.00 Uhr sowie am Samstag von 10.00 bis 12.00 Uhr und von 13.30 bis 18.00 Uhr als Spielplatz benutzt werden dürfe und dass das Skateboard- und Töfflifahren, das Ballspielen gegen die Wand sowie das Musikhören auf dem Platz gänzlich zu untersagen seien. Nachdem der Gemeinderat am 30. Juni / 5. Juli 2003 die streitige Benutzungsordnung erlassen hatte, vereinbarten die Beschwerdeführer 1 und der Gemeinderat, dass das Begehren der Beschwerdeführer 1 zurückgezogen werde, die Regelung gemäss der Verfügung des Gerichtspräsidenten vom 24. Juni 2003 aber bis zum Vorliegen des Baudepartementsentscheids weiterhin gelten solle. Dieses Regime ist nach dem Erlass des Entscheids vom 20. April 2004 stillschweigend beibehalten worden, d.h. am Sonntag wird der Platz derzeit nicht benützt. 1.2. Die Parzelle Nr. 27 befindet sich in der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen gemäss dem Bauzonenplan der Gemeinde Ols- berg vom 22. Oktober 1993 / 5. März 1996. Die Grundstücke der Beschwerdeführer sind der Neubautenzone A zugeordnet. In beiden Zonen gilt die Empfindlichkeitsstufe II gemäss Art. 43 Abs. 1 lit. b LSV, d.h. es handelt sich um Zonen, in denen keine störenden Be- triebe zugelassen sind (Art. 25 der Bauordnung der Gemeinde Ols- berg [BO] mit denselben Beschluss- und Genehmigungsdaten wie der Bauzonenplan). 2. 2.1. Der streitbetroffene Spielplatz stellt eine ortsfeste Anlage im Sinne von Art. 7 Abs. 7 USG dar, bei deren Betrieb Lärmemissio- nen verursacht werden. Da die Anlage nach dem Inkrafttreten des USG am 1. Januar 1985 bewilligt wurde (vorne Erw. 1.1), ist sie nach den Vorschriften für neue Anlagen zu beurteilen (BGE 123 II 2005 Verwaltungsgericht 174 330 ff.; Bundesgericht, in: URP 16/2002, S. 105; Robert Wolf, Kommentar zum Umweltschutzgesetz [Kommentar USG], 2. Auf- lage, Zürich 2000/2001, Art. 25 N 39 ff.). Bei einem Pausen- und Spielplatz, wie er hier zur Diskussion steht, geht es zur Hauptsache nicht um Lärm technischen Ursprungs, sondern um den Verhaltenslärm der Benützer. Auf solchen Lärm sind das USG und die LSV ebenfalls anwendbar, auch wenn es dafür keine Belastungsgrenzwerte gibt (Christoph Zäch / Robert Wolf, Kommentar USG, Art. 15 N 40; BGE 123 II 79 = Pra 86/1997, S. 561 mit Hinweis auf ein Tessiner Urteil vom 10. Januar 1994 betreffend ein Sportzentrum mit Fussballplatz, Tennisplätzen und Bar [publiziert in Rivista di diritto amministrativo e tribunario ticinese 1995 I 194 Erw. 2]; AGVE 1999, S. 272 mit Hinweis auf den VGE vom 28. Mai 1991 in Sachen F., in: URP 6/1992, S. 155 ff. betreffend einen Kinderspielplatz). 2.2. 2.2.1. Das USG will, entsprechend dem Verfassungsauftrag (Art. 74 Abs. 1 BV), den Menschen und seine natürliche Umwelt gegen schädliche und lästige Einwirkungen schützen (Art. 1 Abs. 1 USG; siehe dazu André Schrade / Theo Loretan, Kommentar USG, Art. 11 N 3, 16, 16a). Das USG will dabei kein Verhinderungs-, sondern ein Massnahmengesetz sein, das seinem Konzept nach die Quellen der Umweltbelastung nicht als solche in Frage stellt; die Nachfrage soll nicht untersagt, sondern befriedigt werden, wobei aber gleichzeitig die den Umweltschutzanforderungen entsprechen- den Vorkehren getroffen werden sollen (Pra 80/1991, S. 179; BGE 124 II 233). In diesem Sinne sind Einwirkungen, die schädlich oder lästig werden könnten, unabhängig von der bestehenden Umweltbelastung frühzeitig so weit zu begrenzen, als dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar ist (sog. Vorsorgeprinzip gemäss Art. 1 Abs. 2 und Art. 11 Abs. 2 USG; Art. 7 Abs. 1 lit. a und Art. 8 Abs. 1 LSV; siehe BGE 126 II 305 ff. und 118 Ib 238 sowie AGVE 1999, S. 272 f., je mit Hinweisen). Mit der Postulierung des Vorsorgeprinzips soll die Umweltbelastung prä- ventiv möglichst weit unterhalb der Schädlichkeits- und Lästigkeits- grenze gehalten werden; im Rahmen des Verhältnismässigkeitsprin- zips ist mit Massnahmen bei der Quelle alles technisch-betrieblich 2005 Bau-,Raumplanungs-undUmweltschutzrecht 175 Mögliche und wirtschaftlich Zumutbare zu unternehmen, ohne dass in jedem Einzelfall eine konkrete Umweltgefährdung nachgewiesen sein muss (AGVE 1999, S. 273). Derartige Emissionsbegrenzungen können u.a. baulicher oder betrieblicher Art sein (Art. 12 Abs. 1 lit. b und c USG). Das Kriterium der wirtschaftlichen Tragbarkeit ist auf Unter- nehmungen zugeschnitten, die nach marktwirtschaftlichen Prinzi- pien, d.h. gewinnorientiert, betrieben werden. Gehen die beanstan- deten Emissionen von anderen Quellen aus, so fällt das erwähnte Beurteilungskriterium dahin und sind allfällige wirtschaftliche Ge- sichtspunkte im Rahmen der allgemeinen Verhältnismässigkeitsprü- fung zu beachten. Dies trifft u.a. auch für mit Lärm verbundene An- lässe sportlicher oder kultureller Art und andere Tätigkeiten im Freien zu (BGE 127 II 318 mit Hinweisen; Bundesgericht, in: URP 17/2003, S. 356). 2.2.2. Auf einer zweiten Stufe setzt das USG bei den Immissio- nen an: Die Emissionsbegrenzungen werden verschärft, wenn fest- steht und zu erwarten ist, dass die Einwirkungen unter Berücksichti- gung der bestehenden Umweltbelastung schädlich oder lästig werden (Art. 11 Abs. 3 USG). Als Massstab für die Beurteilung der schädlichen oder lästigen Einwirkungen dienen Immissionsgrenz- werte (Art. 13 - 15 USG). Der Bundesrat hat solche Werte für den Strassenverkehrslärm, den Eisenbahnlärm, den Lärm der Regional- flughäfen und Flugfelder, den Industrie- und Gewerbelärm, den Lärm von Schiessanlagen sowie den Lärm von Militärflugplätzen festgelegt (Anhänge 3 - 8 der LSV); für den Lärm öffentlicher Ein- richtungen wie Schul- und Sportanlagen tat er dies, wie bereits erwähnt, nicht (vorne Erw. 2.1). Fehlen Belastungsgrenzwerte, so beurteilt die Vollzugsbehörde die Lärmimmissionen nach Art. 15 USG; sie berücksichtigt auch die Art. 19 und 23 USG (Art. 40 Abs. 3 LSV). Gemäss Art. 15 USG sind die Immissionsgrenzwerte für Lärm und Erschütterungen so festzule- gen, dass nach dem Stand der Wissenschaft oder der Erfahrung Im- missionen unterhalb dieser Werte die Bevölkerung in ihrem Wohlbe- finden nicht erheblich stören. Art. 19 USG verweist auf die Alarmwerte (zur Beurteilung der Dringlichkeit von Sanierungen), 2005 Verwaltungsgericht 176 Art. 23 USG auf die unter den Immissionsgrenzwerten liegenden Planungswerte für die Planung neuer Bauzonen und den Schutz vor neuen lärmigen ortsfesten Anlagen. Aufgrund richterlicher Erfahrung ist in diesen Fällen zu beurteilen, ob eine unzumutbare Störung vorliegt. Im Rahmen dieser Einzelfallbeurteilung sind der Charakter des Lärms, der Zeitpunkt und die Häufigkeit seines Auftretens sowie die Lärmempfindlichkeit bzw. Lärmvorbelastung der Zone, in der die Immissionen auftreten, zu berücksichtigen. Dabei ist nicht auf das subjektive Lärmempfinden einzelner Personen abzustellen, sondern eine objektivierte Betrachtung unter Berücksichtigung von Personen mit erhöhter Empfindlichkeit (Art. 13 Abs. 2 USG) vorzunehmen. In Zonen mit Empfindlichkeitsstufe II (vorne Erw. 1.2) entspricht den Planungswerten ein Immissionsniveau, bei welchem nach richterlicher Beurteilung höchstens geringfügige Störungen auftreten (BGE 126 II 368 ff. mit Hinweisen; 123 II 335; Bundesgericht, in: URP 16/2002, S. 105). 2.3. Mit Art. 23 BO ("Einwirkungen") stellt das kommunale Recht eine eigene allgemeine Immissionsschutzbestimmung auf. Die Bedeutung derartiger Bestimmungen ist vor dem Hintergrund der erwähnten Bundesnormen allerdings stark relativiert worden (siehe BGE 118 Ia 114 f. und 118 Ib 595 f., je mit Hinweisen; AGVE 1993, S. 394 ff.; 1998, S. 317 f.; 1999, S. 276). 3. Diese Bestimmungen und Grundsätze sind wie folgt auf den vorliegenden konkreten Einzelfall umzusetzen: 3.1. Die Parzelle Nr. 27 mit dem in Frage stehenden Pausen- und Spielplatz grenzt unmittelbar südwestlich an die Liegenschaft der Beschwerdeführer 1 an. An der Südwestfassade des zweige- schossigen Wohnhauses (Gebäude Nr. 212) befinden sich im Oberge- schoss das Wohn- und Esszimmer (mit vorgelagerter Terrasse), die Küche, ein Bade- und ein Schlafzimmer, im Erdgeschoss ein Bade- und ein Schlafzimmer nebst Arbeits- und Hobbyräumen; dies ist somit klarerweise die Hauptwohnseite. Die Distanz zwischen der Südwestfassade bzw. der Terrasse und der nordöstlichen Begrenzung des Pausen- und Spielplatzes beträgt rund 17 m. Vor dem Bau- departement gaben die Beschwerdeführer 1 nebst dem Skateboard- Fahren - dieses hat das Baudepartement mittlerweile formell rechts- 2005 Bau-,Raumplanungs-undUmweltschutzrecht 177 kräftig verboten - das Prellen der Bälle gegen die Wände und den Belag als hauptsächliche Störfaktoren an; der Platz werde täglich während mehreren Stunden und vor allem an Wochenenden und Feiertagen von den Kindern und Jugendlichen benutzt, wobei die schlimmste Phase zwischen 19.00 und 20.00 Uhr sei. Vor Verwal- tungsgericht haben die Beschwerdeführer 1 ergänzt, aktuell sei bei den Jugendlichen vom Dorf zur Zeit vor allem Hockey mit Roller- blades und Holzstöcken; ab etwa 18 Uhr bis 20.30 oder 20.45 Uhr sei es jeweilen vorbei mit der Ruhe, denn es werde beim Spielen ge- schrien und gejohlt und mit den Stöcken gegen die Wand, das Ge- länder und die Papierkörbe geschlagen. Auf dem Platz werde auch Fussball und Basketball sowie am Montag Volleyball gespielt. Am Samstag werde den ganzen Tag durch gespielt wie unter der Woche. 3.2. Unter dem Titel des Vorsorgeprinzips verlangen die Be- schwerdeführer 1 eine Reduktion der vom Gemeinderat verfügten Benützungszeiten, namentlich ein Benützungsverbot an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen, sowie bauliche Massnahmen wie eine Ab- schirmung des Platzes oder die Erstellung einer Lärmschutzwand. 3.2.1. Das Verwaltungsgericht hatte vor einiger Zeit die Recht- mässigkeit eines öffentlichen Spiel- und Tummelplatzes in Mellingen zu beurteilen. Der Gemeinderat hatte dabei folgende Benützungszei- ten festgelegt: " Öffentlichkeit, nicht organisierter Sport Die Anlagen dürfen von Montag bis Freitag bis zum Einbruch der Dunkelheit, längstens aber bis 20.00 Uhr, an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen längstens bis 18.00 Uhr als öffentlicher Spiel- und Sportplatz von Kindern und Erwachsenen benützt werden." In den Erwägungen stellte das Verwaltungsgericht u.a. fest, es sei allgemein üblich, dass öffentliche Spielplätze an Werktagen (in der Regel einschliesslich des Samstags) bis zum Einbruch der Dunkelheit, längstens aber bis 20.00 Uhr benützt werden dürften; beispielhaft könne auf die Benützungsreglemente der Gemeinden Zeiningen (VGE III/38 vom 30. Juni 1983 und vom 28. Mai 1991 in Sachen F. [= URP 6/1992, S. 155 ff.]), Umiken (VGE III/84 vom 3. September 1990 in Sachen S.) und Tägerig (VGE III/30 vom 26. Februar 1998 in Sachen E.) verwiesen werden. An Sonn- und all- 2005 Verwaltungsgericht 178 gemeinen Feiertagen seien derartige Spielplätze häufig ebenfalls bis zum Einbruch der Dunkelheit bzw. längstens bis 20.00 Uhr der Öffentlichkeit zugänglich (so in den Gemeinden Zeiningen und Umi- ken); insoweit sei der Gemeinderat Mellingen den Beschwer- deführern entgegengekommen, indem er die Schliessungszeit ein- schliesslich des Samstags auf 18.00 Uhr festgesetzt habe. Nebst der Mittagsruhe (Unterbruch zwischen 12.00 und 13.00 Uhr sei somit auch die Abendruhe der Anwohner hinreichend gewährleistet. Was besonders stören könnte, nämlich der Lärm von Radio- und Ton- bandgeräten, sei in Mellingen untersagt (siehe zum Ganzen: AGVE 1999, S. 282 und 284). Das Verwaltungsgericht hat keine Veranlassung, unter dem all- gemeinen Gesichtspunkt des Vorsorgeprinzips auf seine dortigen Ausführungen zurückzukommen. Dem Sport in seinen verschiedenen Erscheinungsformen (Schul- und Vereinssport, Jugend- und Er- wachsenensport, Hochleistungssport, Massensport) kommt in der heutigen Gesellschaft eine wichtige Bedeutung zu, was etwa durch Art. 68 BV dokumentiert wird; Sport wird als Bestandteil der Kultur betrachtet und dient in hohem Masse einer sinnvollen Freizeitgestal- tung und der Gesundheitspflege (Thomas Widmer Dreifuss, Planung und Realisierung von Sportanlagen, Zürcher Studien zum öffentli- chen Recht Nr. 151, Zürich 2002, S. 2). Stimmt man dieser Ziel- setzung zu, muss auch gewährleistet werden, dass eine ihr dienende Anlage bedürfnisgerecht zugänglich ist. Für einen öffentlichen Spielplatz besteht nun ein entsprechendes Bedürfnis grundsätzlich auch am frühen Abend und am Sonntag. Auf der andern Seite ist das Spiel von Kindern und Jugendlichen naturgemäss mit Rufen und Schreien und sonstigem Lärm verbunden, was für unbeteiligte Per- sonen auf die Dauer unangenehm sein kann (AGVE 1999, S. 278 mit Hinweisen auf das Zeininger Urteil des Verwaltungsgerichts in URP 6/1992, S. 165); das Ruhebedürfnis der Anwohner ist dabei anerkanntermassen während der Nachtstunden und über das arbeits- freie Wochenende am ausgeprägtesten (AGVE 1999, S. 254 mit Hinweisen). In dieser Konfliktsituation kann nur ein angemessener Interessensausgleich die Lösung sein. Diesen haben die Vorinstanzen insofern gefunden, als verschiedene besonders lärmige Tätigkeiten 2005 Bau-,Raumplanungs-undUmweltschutzrecht 179 von vornherein untersagt sind, nämlich das Fussballspielen, das Ball- spielen an Haus- und Betonwände, die Verwendung lärmiger Spiel- zeuge und elektronischer Musikanlagen sowie die Benützung von Rollbrettern bzw. Skateboards. Unter diesen einschränkenden Rand- bedingungen ist es der Nachbarschaft einer solchen Anlage grund- sätzlich zumutbar, die von den Benützern erzeugten Lärmimmissio- nen an den Werktagen bis 20.00 Uhr, an Samstagen bis 19.00 Uhr sowie an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen von 13.30 bis 18.00 Uhr hinzunehmen. Es läuft, wie das Baudepartement zutreffend feststellt, dem öffentlichen Interesse an einem der Allgemeinheit offen stehenden Spielplatz an sich zuwider, wenn derjenige Wochentag, der am meisten Freizeitmöglichkeiten bietet, nämlich der Sonntag, für die Benützung gänzlich ausser Betracht fällt. Der Kompromiss, den Sonntagnachmittag zur Benützung freizugeben, gewährleistet einerseits das Ausschlafen, und auf der andern Seite können sich die Kinder und Jugendlichen für rund vier Stunden auf dem Platz dem Spiel und dem Sport hingeben. Auch die Randzeiten an den Werktagen und am Samstag erscheinen sinnvoll und zumutbar. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang, dass die - auch von den Beschwerdeführern zitierte und im Sinne einer Entschei- dungshilfe taugliche (BGE 123 II 334) - Achtzehnte Verordnung zur Durchführung des deutschen Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 18. Juli 1991 (BImSchV) die Ruhezeiten beim Betrieb von Sportanlagen an Werktagen von 06.00 bis 08.00 und von 20.00 bis 22.00 Uhr, an Sonn- und Feiertagen von 07.00 bis 09.00, von 13.00 bis 15.00 und von 20.00 bis 22.00 Uhr festsetzt, wobei die Ruhezeit von 13.00 bis 15.00 Uhr an Sonn- und Feiertagen nur zu berück- sichtigen ist, wenn die Nutzungsdauer an diesen Tagen in der Zeit von 09.00 bis 20.00 Uhr vier Stunden oder mehr beträgt (§ 2 Abs. 5; siehe auch Widmer Dreifuss, a.a.O., S. 355); die Benutzungsordnung vom 30. Juni / 5. Juli 2003 basiert - mit Ausnahme einer minimen Abweichung an Sonn- und Feiertagen - auf erheblich ausgedehnteren Ruhezeiten. Im Übrigen gibt es entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer keine echten Alternativen. (...). Da somit die vom Gemeinderat angeordneten Benützungszeiten einem im Kanton Aargau üblichen Raster entsprechen und aus der 2005 Verwaltungsgericht 180 Optik der Nachbarschaft tragbar erscheinen, drängt sich unter dem Vorsorgeaspekt eine Korrektur nicht auf. Es muss aber nochmals betont werden, dass diese Schlussfolgerung auf einer generellen Ebene und ohne Betrachtung des konkreten Einzelfalls gezogen wird; es geht hier einzig darum, ob die Beschwerdegegnerin gestützt auf den Umstand, dass sie eine unter das USG fallende lärmträchtige Anlage betreibt, vorsorglich an der Quelle emissionsbegrenzende Massnahmen treffen muss (vorne Erw. 2.2.1). Die Frage allfälliger Verschärfungen zum Zwecke des Immissionsschutzes (vorne Erw. 2.2.2) ist weiter hinten zu prüfen (Erw. 3.3). 3.2.2. An baulichen Emissionsbegrenzungsmassnahmen stehen eine Lärmschutzwand, ein lärmmindernder Bodenbelag und eine lärmabsorbierende Verkleidung der Südostfassade des Gemeindehau- ses zur Diskussion. 3.2.2.1. Eine Schallschutzwand müsste, um ihren Zweck zu er- füllen, auf der den Spiel- und Pausenplatz auf der Nordostseite ab- grenzenden Mauer (oder allenfalls weiter nordöstlich bzw. auf der Grenze zur Parzelle Nr. 26) errichtet werden sowie etwa 2.5 m hoch und 70 m lang sein und würde rund Fr. 50'000.-- kosten. Für einen speziellen Sportplatzbelag werden die Kosten auf Fr. 25'000.-- bis 70'000.-- beziffert. Nach den Angaben des von den Beschwerdefüh- rern beigezogenen Akustikfachmanns würde insgesamt eine Verringerung des Lärms um 10 dB resultieren. Das Baudepartement hat die Kosten der erwähnten Schallschutzmassnahmen den Bau- kosten des Spiel- und Pausenplatzes von Fr. 216'000.-- gegenüberge- stellt und ist zum Schluss gelangt, ein Anteil von über einem Drittel sei unverhältnismässig hoch. Diese Beurteilung leuchtet ein, wenn berücksichtigt wird, dass die Benützungszeiten des Pausen- und Spielplatzes zugunsten der Beschwerdeführer dem Vorsorgeprinzip entsprechend moderat festgesetzt worden und besonders lärmige Aktivitäten untersagt sind (vorne Erw. 3.2.1); vor diesem Hinter- grund wären die mit einer Lärmschutzwand und einem geräuschar- men Belag erzielbaren Wirkungen mit Sicherheit nicht derart, dass sie zu den erwähnten Kosten noch in einem vernünftigen Verhältnis stünden (vorne Erw. 2.2.1; Wolf, Kommentar USG, Art. 25 N 80). Fehl gehen die Beschwerdeführer 1 im Übrigen in der Annahme, es 2005 Bau-,Raumplanungs-undUmweltschutzrecht 181 seien die Schalldämmungskosten den Gesamtkosten für den Neubau der Gemeindekanzlei in Höhe von rund Fr. 2.6 Millionen gegenüber- zustellen; das vorliegende Immissionsschutzverfahren betrifft ausschliesslich den Spiel- und Pausenplatz und nicht auch die am 28. August 2001 ebenfalls bewilligten Gebäude. Abgesehen von der fehlenden wirtschaftlichen Tragbarkeit ist der Einbau eines lärm- dämpfenden Kunststoffbelags unbestrittenermassen aus betrieblichen Gründen nicht möglich; er würde nur noch begrenzte sportliche Aktivitäten erlauben, und auch auf das Parkieren von Autos müsste verzichtet werden. 3.2.2.2. Zur Frage einer lärmabsorbierenden Fassadenverklei- dung hat das Verwaltungsgericht von der kantonalen Fachstelle weitere Auskünfte eingeholt. Der diesbezügliche Amtsbericht des Baudepartements (Abteilung für Umwelt) vom 27. Mai 2005 lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die Anforderungen an eine Fassa- denverkleidung sind Witterungsbeständigkeit und hochabsorbierende Ausgestaltung an der Aussenseite; zusätzlich benötigt wird ein Ball- fangnetz aus Kunststoff zum Schutz der Verkleidung gegen Ballwurf usw. Die Kosten betragen ca. Fr. 200.--/m2 zuzüglich ca. 20% für Projektierung. Die Verkleidung der Südostfassade des Gemeindehau- ses würde zwar den Direktschall nicht beeinflussen, aber eine Re- duktion der Schallreflexionen im Umfang von ca. 3 dB(A) bewirken; im subjektiven Bereich würde der Hall-Effekt merklich gedämpft. Aus akustischer Sicht wäre allerdings eine Verkleidung auch der Nordwestfassade des Schulhauses sinnvoll. Die Beschwerdeführer halten an einer Lärmschutzwand fest, weil eine Fassadenverkleidung auf den Direktschall keinen Einfluss habe; zudem zweifeln sie, ob die prognostizierte Lärmreduktion erreicht werden kann, und lehnen Aluminium als Verkleidungsmaterial ab. Der Gemeinderat hat sich zum Thema der Fassadenverkleidung nicht geäussert. Einer Fassadenverkleidung mit lärmabsorbierendem Material stehen weder technische noch betriebliche Gründe im Sinne von Art. 11 Abs. 2 USG entgegen. Was die wirtschaftliche Tragbarkeit einer solchen emissionsbegrenzenden Massnahme anbelangt, ergibt sich Folgendes: Die Fläche der Südostfassade des Feuerwehrmagazins bzw. Gemeindehauses beträgt rund 70 m2, bewilligt am 28. August 2005 Verwaltungsgericht 182 2001). Die Kosten der Verkleidung samt Kunststoffnetz betrügen nach Meinung des als Architekt fachkundigen Richters Fr. 25'000.-- bis 30'000.-- (einschliesslich Projektierung). Wiederum gemessen an den Baukosten (des Spiel- und Pausenplatzes) von Fr. 216'000 (vorne Erw. 3.2.2.1) und der erzielbaren Dämpfungswirkung erachtet das Verwaltungsgericht die Massnahme als der Gemeinde zumutbar. Demgegenüber fällt ausser Betracht, eine analoge Verkleidung auch in Bezug auf die Nordwestfassade des Schulhauses anzuordnen; abgesehen davon, dass die Beschwerdeführer 1 gar keinen entsprechenden Antrag stellen, ist unklar, ob die erwähnte Fassade überhaupt verkleidbar ist. 3.2.3. Zusammenfassend ist unter diesem Titel festzuhalten, dass die Beschwerdegegnerin zu verpflichten ist, die Südostfassade des Gemeindehauses auf der Parzelle Nr. 27 mit einer hoch lärmab- sorbierenden, witterungsbeständigen Verkleidung zu versehen bzw. innert einer angemessenen Frist ein entsprechendes Baugesuch einzureichen. 3.3. Zu befinden ist nun noch darüber, ob gestützt auf Art. 25 Abs. 1 und 2 sowie Art. 11 Abs. 3 USG weitere (verschärfte) Emissi- onsbegrenzungen anzuordnen sind. 3.3.1. Grundsätzlich kommen in einem Fall wie dem vorliegen- den die Planungswerte zur Anwendung (Art. 23 und Art. 25 Abs. 1 USG; Art. 40 Abs. 3 Satz 2 LSV; siehe vorne Erw. 2.2.2). Sie defi- nieren beim Fehlen von Belastungsgrenzwerten bezogen auf die Empfindlichkeitsstufe II ein Immissionsniveau, das höchstens ge- ringfügige Störungen impliziert (Art. 15 USG). Das Baudepartement geht davon aus, dass diese Schwelle hinsichtlich der Beschwerdefüh- rer 1 bei objektivierter Betrachtungsweise überschritten ist. Im angefochtenen Entscheid wird vorab die topographische Situation hervorgehoben. Der geteerte Spielplatz sei auf seinen beiden kürze- ren Seiten durch die Fassaden des Schulhauses bzw. des Feuerwehr- magazins begrenzt. Auf den beiden längeren Seiten stünden beidsei- tig Betonmauern. Deshalb hallten die beim Spielen entstehenden Geräusche stark. Das Prellen eines Balles beispielsweise töne ähn- lich, wie wenn dieser Ball in einer Unterführung geprellt würde. Der Effekt sei beinahe der eines halbkreisförmigen Amphitheaters. Die 2005 Bau-,Raumplanungs-undUmweltschutzrecht 183 Distanz zwischen dem Spielplatz und der erhöht gelegenen Terrasse auf der Parzelle Nr. 26 sei gering. Aufgrund dieser Gegebenheiten entstehe der Eindruck, jedes der teilweise unregelmässig auf- tretenden Geräusche verstärkt zu hören. Deren Charakter müsse als intensiv, hallend, ungefiltert und unangenehm bezeichnet werden. Der Platz werde zudem nach der Schule während mehrerer Stunden und auch am Wochenende häufig benutzt. Schliesslich sei die Lärmvorbelastung gering. Das Verwaltungsgericht hat dies alles am Augenschein vom 3. Mai 2005 bestätigt gefunden. Die örtlichen Gegebenheiten bewirken in der Tat, dass das Grundstück der Beschwerdeführer 1 dem durch den Spielbetrieb erzeugten Lärm stärker ausgesetzt ist, als dies im Normalfall zuträfe. Insofern ist die Situation ähnlich wie beim Kinderspielplatz, den das Verwaltungsgericht in der Gemeinde Zeiningen zu beurteilen hatte. Auch dort ergab sich aus der geringen Distanz und der erhöhten Lage der betroffenen Wohnliegenschaft angesichts der Reflexion durch die Fassade der Turnhalle eine ver- stärkte Einwirkung; Versuche zeigten dort, dass Geräusche, wie sie insbesondere beim Ballspielen auf dem Hartplatz entstanden, jeden- falls bei intensivem Spiel auf dem Grundstück der beschwerdefüh- renden Nachbarn störend wirkten (URP 6/1992, S. 167). Wenn das Verwaltungsgericht im Zeininger Fall von der Anordnung weiterer einschränkender Massnahmen zur Verhinderung von Lärm absah, so namentlich deshalb, weil das Grundstück der Nachbarn in einer Zone mit Empfindlichkeitsstufe III lag (URP 6/1992, S. 164), wo mässig störende Betriebe zugelassen sind (Art. 43 Abs. 1 lit. c LSV); es war daher "kein strenger Massstab" einzuhalten, und die Einhaltung des Planungswerts durfte bejaht werden (URP 6/1992, S. 166). Im vorliegenden Falle dagegen kommt die Empfindlichkeitsstufe II zur Anwendung (vorne Erw. 1.2), die wie erwähnt einem wesentlich tieferen Immissionsniveau entspricht. Die glaubwürdigen Schilde- rungen der Beschwerdeführer 1 (vorne Erw. 3.1) lassen nicht daran zweifeln, dass die von ihnen beanstandeten Beeinträchtigungen durch Spielplatzlärm mehr als "höchstens geringfügig" sind; der "Schalltrichter"- bzw. "Amphitheater"-Effekt hat zur Folge, dass auf der Parzelle Nr. 26 die auf dem Spiel- und Pausenplatz auftretenden 2005 Verwaltungsgericht 184 Geräusche zumindest während der "klassischen" Ruhezeit am Sonn- tag in einer für die Beschwerdeführer 1 unzumutbaren Lautstärke wahrgenommen werden, zumal es sich offenbar um ein sonst ruhiges Wohnquartier ohne besondere Lärmvorbelastung handelt. Die Anordnung, dass die Beschwerdegegnerin die dem Spiel- und Pau- senplatz zugewandte Gemeindehausfassade lärmabsorbierend ver- kleiden muss, vermag hieran nichts Wesentliches zu ändern, weil die Verkleidung den Direktschall nicht zu reduzieren vermag. In An- wendung von Art. 15 USG erscheint es deshalb geboten, dem Be- schwerdeantrag 2 zu entsprechen und die Benutzung des Platzes an Sonn- und Feiertagen zu untersagen. Im Übrigen drängt sich eine Korrektur der Benutzungsordnung vom 30. Juni / 5. Juli 2003 nicht auf; die Mittagsruhe ist gewährleistet, und auch die Benützungszei- ten am Samstag (09.00 bis 12.00 Uhr, 13.30 bis 19.00 Uhr) tragen dem Ruhebedürfnis der Beschwerdeführer 1 ausreichend Rechnung. 3.3.2. Besteht ein überwiegendes öffentliches, namentlich auch raumplanerisches Interesse an der Anlage und würde die Einhaltung der Planungswerte zu einer unverhältnismässigen Belastung für das Projekt führen, so können Erleichterungen gewährt werden; die Immissionsgrenzwerte dürfen auch in diesem Fall nicht überschritten werden (Art. 25 Abs. 2 USG in der Fassung vom 21. Dezember 1995; siehe auch Art. 7 Abs. 2 LSV in der Fassung vom 16. Juni 1997). Diese Werte markieren die Grenze zur Schädlichkeit oder Lästigkeit (Schrade/Loretan, Kommentar USG, Art. 11 N 37 und Art. 13 N 1). Das Baudepartement hat der Beschwerdegegnerin Erleich- terungen der erwähnten Art zugebilligt. Die Benutzung des Pausen- und Spielplatzes auch ausserhalb der Schulzeiten liege offensichtlich im öffentlichen Interesse; dem Gemeinderat sei es ein Anliegen, den Jugendlichen der Gemeinde Betätigungsmöglichkeiten in sportlicher und sozialer Hinsicht zu bieten. Mit einem Benutzungsverbot am Wochenende und an Feiertagen wäre dieses Interesse nicht mehr genügend gewahrt, da die Jugendlichen am Wochenende am meisten Freizeit hätten; die zur Einhaltung der Planungswerte notwendigen Einschränkungen seien deshalb nicht tragbar. Das Verwaltungsge- richt kann sich diesen Überlegungen insofern anschliessen, als die 2005 Bau-,Raumplanungs-undUmweltschutzrecht 185 Bedeutung des (Freizeit-)Sports allgemein anerkannt ist (vorne Erw. 3.2.1). Hieraus leitet sich das öffentliche Interesse an der Bereitstellung eines ausreichenden Angebots an Sportanlagen, namentlich an solchen, die der gesundheitsfördernden körperlichen Ertüchtigung breiter Bevölkerungskreise dienen, ab (Widmer Drei- fuss, a.a.O., S. 15 mit Hinweisen auf die bundesgerichtliche Recht- sprechung). Das Verbot, den Spiel- und Pausenplatz an Sonn- und Feiertagen zu benützen, erweist sich aber auch vor diesem Hinter- grund als verhältnismässig. Die Tauglichkeit dieser Einschränkung ist mit dem Baudepartement zu bejahen; der Planungswert kann mit einer solchen Massnahme eingehalten werden (vorne Erw. 3.3.1). Im Weitern ist zwar das Interesse der Öffentlichkeit, auch am Sonntag über einen Spielplatz für Jugendliche zu verfügen, allgemein be- trachtet nicht unerheblich, weil dies der eigentliche Freizeittag ist (vorne Erw. 3.2.1). Man kann aber auch nicht von einer unverhältnis- mässigen Belastung für das Gemeinwesen sprechen, wenn in einem speziellen Fall wegen des hohen Lärmaufkommens zugunsten eines bestimmten Nachbarn der Anspruch auf Sonntagsruhe höher ge- wichtet wird. Es ist namentlich kaum denkbar, dass sich in einer Gemeinde keine befriedigenden Alternativstandorte finden lassen. Zu bedenken ist auch, dass unter dem Gesichtspunkt der Be- nützungsdauer der Sonntag lediglich einen Anteil von rund 7% aus- macht. In Würdigung aller relevanten Umstände beurteilt das Ver- waltungsgericht die Einschränkung für die Beschwerdegegnerin als tragbar. 3.3.3. Schliesslich ist zu prüfen, ob die absolute Schranke der Immissionsgrenzwerte überschritten ist (Art. 25 Abs. 2 Satz 2 USG; Art. 7 Abs. 2 Satz 2 LSV; ein Anwendungsfall von Art. 25 Abs. 3 USG liegt hier nicht vor [siehe Wolf, Kommentar USG, Art. 25 N 82 und Zäch/Wolf, Kommentar USG, Art. 20 N 17 ff.]). Dies ist dann der Fall, wenn die Lärmimmissionen als schädlich oder lästig zu betrachten sind (Art. 11 Abs. 3 USG) bzw. die Bevölkerung in ihrem Wohlbefinden erheblich stören (Umkehrschluss aus Art. 15 USG; siehe vorne Erw. 2.2.2). Schutzgut ist dabei das physische und psy- chische Wohlbefinden. Darin gestört ist jeder Mensch, der die Aus- wirkungen von Immissionen mit seinen Sinnen spürt, die sinnliche 2005 Verwaltungsgericht 186 Empfindung - notwendigerweise subjektiv - als unangenehm bewer- tet und folglich unter ihr leidet, auch wenn seinem Leben oder seiner Gesundheit kein Schaden droht. Die Störung des Wohlbefindens bedeutet für den Betroffenen, dass die Leistungsfähigkeit und die Lebensfreude, der Naturgenuss, das Gefühl der Ungestörtheit, das private Leben überhaupt beeinträchtigt werden (Schrade/Loretan, Kommentar USG, Art. 14 N 24). Massgebendes Kriterium ist die Belästigung (Zäch/Wolf, Kommentar USG, Art. 15 N 22). Das Kri- terium der Erheblichkeit bedeutet erstens, dass eine objektiv vor- handene, auf einem verbreiteten Konsens beruhende Störung vor- liegt, und zweitens, dass ein vernünftiger Ausgleich zwischen den Interessen des Anlagenbetreibers und jenen der Nachbarn bzw. der Allgemeinheit stattfinden muss; die Störung muss derart intensiv sein, dass sie - unter Berücksichtigung von Personengruppen mit erhöhter Empfindlichkeit (Art. 13 Abs. 2 USG) - den Betroffenen billigerweise nicht mehr zugemutet werden kann (Schrade/Loretan, Kommentar USG, Art. 14 N 25; Zäch/Wolf, Kommentar USG, Art. 15 N 23 ff.; BGE 123 II 334; siehe zum Ganzen: AGVE 1999, S. 275 f.). Ist die Grenze der Schädlichkeit oder Lästigkeit über- schritten, entfällt grundsätzlich auch die Schranke der wirtschaftli- chen Tragbarkeit für Emissionsbegrenzungsmassnahmen; ein ange- messenes Verhältnis zwischen dem Nutzen der Massnahme für die Umwelt und der Schwere der damit verbundenen Nachteile ist frei- lich auch hier zu wahren (Schrade/Loretan, Kommentar USG, Art. 11 N 43a mit Hinweisen). Das Baudepartement ist unter Berücksichtigung aller Umstände zum Schluss gelangt, dass die Immissionsgrenzwerte auch ohne zu- sätzliche Emissionsbegrenzungsmassnahmen eingehalten sind. Dem Einwand der Beschwerdeführer, dass die Grenze der Lästigkeit für sie längst überschritten sei, sei entgegenzuhalten, dass ein Toleranz- spielraum bestehe, innerhalb dessen gewisse Störungen bzw. Belästi- gungen hingenommen werden müssten. Es könne nicht allein auf das subjektive Lärmempfinden von X. abgestellt werden, sondern die Beurteilung habe aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung zu erfolgen. Das Verwaltungsgericht sieht dies nicht anders. Vorab ist mit den Beschwerdeführern darauf hinzuweisen, dass die Fest- 2005 Bau-,Raumplanungs-undUmweltschutzrecht 187 stellung des Baudepartements, die vom Spiel- und Pausenplatz aus- gehenden Störungen seien "als mehr als geringfügig störend und damit als unzumutbar im Sinne des Art. 15 USG zu bezeichnen", unzutreffend ist; das Baudepartement hat im fraglichen Abschnitt ausschliesslich zur Frage der Einhaltung der Planungswerte (Mass- stab der höchstens geringfügigen Störungen) Stellung genommen und hätte deshalb den Art. 15 USG hier gar nicht anführen dürfen. Zur Frage der Einhaltung der Immissionsgrenzwerte ist Folgendes festzuhalten: Die Beschwerdeführer haben vor dem Baudepartement ein ärztliches Zeugnis vom 2. Juni 2003 ins Recht gelegt, in welchem der Beschwerdeführerin X. attestiert wird, dass sie an "zunehmender reaktiver Depression" leide und als auslösendes Moment insbesondere die "unerträgliche Lärmbelastung durch den 'Fuss- ballplatz' (...) wie auch die zunehmenden und sich steigernden Aggressionen von dritter Seite rund um diese Auseinandersetzung" zu betrachten seien; die erwähnte Symptomatik führe zu einer vollen Arbeitsunfähigkeit, und es stelle sich ernsthaft die Frage der Einweisung in eine stationäre Behandlung. Die Bedeutung dieses Arztzeugnisses wird nun dadurch relativiert, dass es noch aus der Zeit vor dem Erlass des hier streitigen Benutzungsreglements vom 30. Juni / 5. Juli 2003 stammt; damals bestand lediglich die Be- nützungsordnung vom 2. April 2003, die noch erheblich weiter gefasste Benützungszeiten enthielt und im Wesentlichen lediglich die Benützung von Töfflis auf dem Platz ausschloss. Heute wird geltend gemacht, X. leide noch an heftigen Migräne-Attacken, was durch ein aktuelles Arztzeugnis belegt werden könne. Dieses vom 3. Mai 2005 datierende Zeugnis ist nicht aussagekräftiger als das frühere vom 2. Juni 2003, im Gegenteil: Es steht darin nur, dass sich X. "aufgrund der akuten Belastungssituation - ausgelöst durch die fortwährende Lärmsituation - in regelmässiger ärztlicher Behandlung befindet". Ob ein Kausalzusammenhang zwischen den geschilderten gesund- heitlichen Problemen und dem Spielplatzbetrieb besteht, ist im Übri- gen nicht hinreichend nachgewiesen. Selbst wenn dieser Nachweis gelänge, müsste den Beschwerdeführern entgegengehalten werden, dass ein erhöhtes subjektives Lärmempfinden für die Beurteilung nicht massgebend ist (vorne Erw. 2.2.2); Art. 13 Abs. 2 USG spricht 2005 Verwaltungsgericht 188 denn auch nicht von Einzelpersonen, sondern von Personengruppen mit erhöhter Empfindlichkeit. Ein normal empfindsamer Mensch wird die Lärmimmissionen, wie sie nach der Benutzungsordnung vom 30. Juni / 5. Juli 2003 noch möglich sind, aber nicht als krass unangenehm empfinden. Der Verhaltenslärm von Menschen ist allge- mein leichter zu ertragen als etwa Gewerbe- und Industrielärm, weil er in einem Wohnquartier zum täglichen Leben gehört. Die Nachtru- he ist gewährleistet, ebenso die Mittagsruhe; an Sonn- und Feierta- gen darf der Spielplatz nicht benützt werden. Hinzu kommt, dass in der Neubautenzone A mit Empfindlichkeitsstufe II nicht nur Wohn- bauten, sondern auch (nicht störende) Dienstleistungs- und Kleinge- werbebetriebe zugelassen sind (Art. 15 Abs. 1 BO; Art. 43 Abs. 1 lit. b LSV i.V.m. Art. 25 BO); bei einer objektivierten Beurteilung der Lärmempfindlichkeit ist dies zu berücksichtigen. Selbstverständ- lich ist, dass die in der Benützungsordnung vom 30. Juni / 5. Juli 2003 reglementierten Einschränkungen einschliesslich der vom Bau- departement und vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Ergän- zungen vom Gemeinderat strikt durchzusetzen sind. 3.3.4. Die Beschwerdeführer berufen sich zum Nachweis, dass die Immissionsgrenzwerte überschritten sind, auf das erwähnte Lärmgutachten vom 8. April 2003. Diese Expertise erweist sich indessen nicht als schlüssig. Sie basiert auf der bundesdeutschen 18. BImSchV, die verglichen mit der LSV unterschiedliche Rechtsbe- griffe und Lärmermittlungsverfahren kennt. Führt wie im vorlie- genden Falle die Beurteilung nach Massgabe von USG und LSV zu einem klaren Ergebnis, verliert die 18. BImSchV ihre - einzig mögli- che (vorne Erw. 3.2.1) - Funktion als Entscheidungshilfe. Abgesehen davon wurden die Immissionsmessungen vom 19. bis zum 30. März 2003, also zu einem Zeitpunkt durchgeführt, als noch keine Be- nützungsordnung vorlag. Die Expertise kann somit unter verschiede- nen Gesichtspunkten nicht als repräsentativ gelten. 3.4. Zusammenfassend ergibt sich, dass in Anwendung von Art. 11 Abs. 2 und 3 USG die Benützung des Spiel- und Pausen- platzes auf der Parzelle Nr. 27 an Sonn- und allgemeinen Feiertagen zu untersagen und die Beschwerdegegnerin zu verpflichten ist, an der 2005 Bau-,Raumplanungs-undUmweltschutzrecht 189 Südostfassade des Gemeindehauses eine lärmabsorbierende Ver- kleidung anzubringen. (...).
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2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 86 [...] 16 Einschränkung der Bewegungsfreiheit Im Rahmen einer fürsorgerischen Unterbringung ist die Einschränkung der Bewegungsfreiheit auch bei urteilsfähigen Personen möglich. Urteil des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 14. Mai 2013 in Sachen M.P. gegen den Entscheid der Klinik Königsfelden (WBE.2013.263; publiziert in: CAN - Zeitschrift für kantonale Rechtsprechung 2013 Nr. 57 S. 142). 2013 Fürsorgerische Unterbringung 87 Aus den Erwägungen 1. 1.1. Gemäss Art. 438 ZGB sind auf Massnahmen, die die Bewe- gungsfreiheit einschränken, die Bestimmungen über die Einschrän- kung der Bewegungsfreiheit in Wohn- und Pflegeeinrichtungen sinngemäss anwendbar (vgl. Art. 383 ff. ZGB). 1.2. Der Begriff der Einschränkung der Bewegungsfreiheit gemäss Art. 383 ZGB ist gemäss Botschaft zur Änderung des Schweizeri- schen Zivilgesetzbuches (Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht) vom 28. Juni 2006 (nachfolgend: Botschaft Erwachse- nenschutz) weit zu verstehen. Als Beispiel werden elektronische Überwachungsmassnahmen, das Abschliessen von Türen oder das Anbringen von Bettgittern aufgeführt (Botschaft Erwachsenenschutz, BBl 2006 7039). Als bewegungseinschränkende Massnahmen gelten somit sachliche Mittel mechanischer, elektronischer oder anderer Art, die betroffene Personen daran hindern, sich frei zu bewegen oder die ihren Bewegungsradius einschränken (BÜCHLER ANDREA ET AL. [Hrsg.], Familienrechtskommentar [FamKomm] Erwachsenen- schutz, Art. 428 N 5). 1.3. Der zuständige Oberarzt entschied sich am 13. Mai 2013 für die Aufrechterhaltung der Isolation des Beschwerdeführers, was bedeu- tet, dass dieser sich weiter in einem verschlossenen Zimmer aufhal- ten muss. Diese Massnahme schränkt die Bewegungsfreiheit des Be- schwerdeführers ein und ist daher unter Art. 383 ZGB bzw. § 67q Abs. 1 lit. f EG ZGB zu subsumieren. Das Verwaltungsgericht ist folglich zur Beurteilung der Beschwerde gemäss Art. 439 Abs. 1 Ziff. 5 ZGB zuständig. 2. Mit der Beschwerde können Rechtsverletzungen, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und Unangemessenheit gerügt werden (Art. 450a Abs. 1 ZGB). So- 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 88 weit das ZGB und das EG ZGB keine Regelungen enthalten, sind die Bestimmungen der Zivilprozessordnung anwendbar (Art. 450f ZGB). 3. Grundlage für die Isolation des Beschwerdeführers ist Art. 383 ZGB, welcher folgendermassen lautet: "1 Die Wohn- oder Pflegeeinrichtung darf die Bewegungsfrei- heit der urteilsunfähigen Person nur einschränken, wenn weniger ein- schneidende Massnahmen nicht ausreichen oder von vornherein als ungenügend erscheinen und die Massnahme dazu dient: 1. eine ernsthafte Gefahr für das Leben oder die körperliche Integri- tät der betroffenen Person oder Dritter abzuwenden; oder 2. eine schwerwiegende Störung des Gemeinschaftslebens zu beseiti- gen. 2 Vor der Einschränkung der Bewegungsfreiheit wird der be- troffenen Person erklärt, was geschieht, warum die Massnahme ange- ordnet wurde, wie lange diese voraussichtlich dauert und wer sich während dieser Zeit um sie kümmert. Vorbehalten bleiben Notfall- situationen. 3 Die Einschränkung der Bewegungsfreiheit wird so bald wie möglich wieder aufgehoben und auf jeden Fall regelmässig auf ihre Berechtigung hin überprüft." 4. Zunächst ist zu bemerken, dass die gesetzlich verlangten formellen Anforderungen erfüllt sind: Im Kanton Aargau sind die diensthabenden Kaderärztinnen und Kaderärzte, das heisst Oberärzte und höhere Chargen, zur Anordnung einer Einschränkung der Bewe- gungsfreiheit im Rahmen einer fürsorgerischen Unterbringung zu- ständig (§ 67g Abs. 1 EG ZGB; vgl. Botschaft des Regierungsrats des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 27. April 2011, Ziff. 9.4.2). Bei Dr. med. X. handelt es sich um einen in der Klinik Königsfelden angestellten Oberarzt, welcher die Verantwortlichkeit der Akutstation Y. innehat und der befugt ist, eine solche Einschrän- kung der Bewegungsfreiheit anzuordnen. 2013 Fürsorgerische Unterbringung 89 5. 5.1. In Anlehnung an den Gesetzestext ist zunächst zu prüfen, ob eine ernsthafte Gefahr für das Leben oder die körperliche Integrität des Beschwerdeführers oder Dritter vorlag (Art. 383 Abs. 1 Ziff. 1), oder (alternativ) ob eine schwerwiegende Störung des Gemein- schaftslebens beseitigt werden musste (Art. 383 Abs. 1 Ziff. 2). Für den ersten Fall (Ziff. 1) wird verlangt, dass auf eine ausser- gewöhnliche Situation reagiert werden muss (DANIEL STECK, in: Geiser/Reusser [Hrsg.], Basler Kommentar, Erwachsenenschutz, Ba- sel 2012, Art. 383 N 12). Erforderlich ist eine ernsthafte, erhebliche, gegenwärtige respektive zumindest unmittelbar bevorstehende Ge- fahr. Die Gefährdung kann sowohl physischer (Gewalt, Weglaufen etc.) oder psychischer Art (Belästigungen etc.) sein (KOKES - Praxisanleitung Erwachsenenschutzrecht, Zürich/St. Gallen 2012, Ziff. 11.17). Im letzteren Fall (Ziff. 2) ist das Mass an Verständnis und Toleranz, das von anderen Bewohnern und Bewohnerinnen der Einrichtung verlangt werden kann, entscheidend (Botschaft Er- wachsenenschutz, BBl 2006 7040). 5.2. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Bewegungsfreiheit des Beschwerdeführers seit seinem Eintritt am 2. Mai 2013 einge- schränkt wurde. So war er vom 2. Mai bis zum 11. Mai 2013 isoliert und fixiert; am 11. Mai 2013 wurde die Fixation gelöst. Der Be- schwerdeführer erhob keine Beschwerde gegen diese Massnahme. Zu prüfen ist im Folgenden somit ausschliesslich, ob die am 13. Mai 2013 bis zum 21. Mai 2013 angeordnete Weiterführung der Isolation rechtmässig ist. 5.3. 5.3.1. Der zuständige Oberarzt schilderte anlässlich der Verhandlung vom 14. Mai 2013, es sei wichtig, dass weder dem Beschwerdeführer noch dem Klinikpersonal und den Mitpatienten etwas passiere. Der Beschwerdeführer könne auch heute noch sehr schnell aggressiv werden, wenn ihm etwas nicht passe. Man werde umgehend Lockerungen vornehmen, wenn es ihm besser gehe. Beim letzten 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 90 Mal habe die Klinik beim Öffnen des Settings schlechte Erfahrungen gemacht; es sei zu Konflikten mit den Mitpatienten gekommen. Der Beschwerdeführer brauche Reizabschirmung und Beruhigung. Am letzten Freitag sei er aggressiv und bedrohlich gewesen, als man ur- sprünglich die Fixation habe lösen wollen. Seit heute komme er drei Mal eine halbe Stunde pro Tag aus der Isolation heraus; eine totale Öffnung der Isolation wäre jedoch zu früh, zumal es gefährlich wer- den könne und die Leute Angst vor ihm hätten. Er sei so lange fixiert worden, weil sich niemand ins Isolationszimmer getraut habe. Die Situation sei nicht einschätzbar gewesen. Es habe Beschimpfungen und Drohungen gegeben. Es sei zu brutalen Aggressionen gekommen und es sei eine grosse Impulsivität vorhanden gewesen, wie man es beim Beschwerdeführer zum ersten Mal erlebt habe. Auch die anwesende Pflegefachfrau bestätigte, anlässlich eines früheren Klinikaufenthalts sei das Setting zu schnell gelockert wor- den; dies sei "nicht gut rausgekommen". Sie schilderte, sie habe den Beschwerdeführer in der vergangenen Woche sehr wechselhaft er- lebt; heute jedoch habe er sich tiptop an die Abmachungen gehalten. Man habe auch die Verantwortung für die Mitpatienten, welche Angst vor dem Beschwerdeführer hätten. Gewisse Pflegepersonen hätten selbst Angst gehabt, als er fixiert war, weil er unberechenbar gewesen sei. 5.3.2. In den Klinikakten findet sich am 13. März 2013 ein Eintrag, wonach beim Beschwerdeführer eine ausgeprägte Stimmungslabilität bestehe; Gespräche mit dem Beschwerdeführer würden sich schwie- rig gestalten, da er schnell gereizt werde. Der Affekt sei sehr wechselhaft, von angepasst und freundlich bis angespannt und verbal bedrohlich. Psychomotorisch sei er unruhig; aufgrund des weiterhin angespannten Zustands sei eine Fremdgefährdung nicht auszuschlies- sen. In den Tagen zuvor finden sich wiederholt Einträge, wonach der Beschwerdeführer "zuerst ruhig, dann sehr laut, fordernd und beleidigend" und "verbal bedrohlich", "im Arztgespräch sehr aggres- siv (verbal)", bzw. "angespannt und gereizt" war. Entsprechende Ein- träge finden sich seit Beginn der Hospitalisation in der Pflegedoku- 2013 Fürsorgerische Unterbringung 91 mentation. Speziell zu erwähnen sind zudem diverse Einträge zu Be- ginn der Hospitalisation, wonach der Beschwerdeführer dem Pflege- personal gedroht hat, die Pflegefachperson umzubringen, bzw. ange- kündigt hat, er werde das nächste Mal mit einer Waffe kommen. Am 6. Mai 2013 findet sich ein Eintrag, wonach der Beschwerdeführer verbal aggressiv und zudem bedrohlich war, er zunehmend ange- spannter wurde und der anwesenden Pflegefachfrau bei deren Ver- such, die rechte Hand des Beschwerdeführers aus der Fixation zu lö- sen, auf das Schlüsselbein geschlagen habe (dieser Vorfall wurde vom Beschwerdeführer anlässlich der Verhandlung bestritten). 5.4. Aufgrund der Schilderungen des Oberarztes und der zu einem Grossteil übereinstimmenden Wahrnehmung der Pflegefachfrau so- wie unter Würdigung der Einträge in den Krankenakten kann davon ausgegangen werden, dass das Verhalten des Beschwerdeführers rund um den 13. Mai 2013 nach wie vor unberechenbar war. Es er- scheint nachvollziehbar, dass von der Einrichtung angenommen wurde, dass der Beschwerdeführer (erneut) fremdaggressives Verhal- ten hätte zeigen können. Dabei ist allerdings auch zu berücksichti- gen, dass er bereits elf Tage im Intensivzimmer eingeschlossen und davon neun Tage mit Gurten an das Bett fixiert war, was durchaus auch Aggressionen hervorrufen kann. Eine ernsthafte und unmittel- bar bestehende Gefahr für das Leben oder die körperliche Integrität Dritter war nicht auszuschliessen. Der Beschwerdeführer war bereits mehrfach in der Klinik Königsfelden hospitalisiert. Es war bekannt, dass es schon mehrfach zu Aggressionsausbrüchen auch in der Klinik gekommen war. Im Übrigen hat der Beschwerdeführer selbst zuge- standen, dass es schon sehr aggressiv werden könne. Zusammenfassend war die Voraussetzung nach Art. 383 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB noch knapp erfüllt; die Fortsetzung der Isolation des Be- schwerdeführers wurde am 13. Mai 2013 zu Recht angeordnet, insbesondere da es angezeigt war, die Isolation in kleinen Schritten zu öffnen. 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 92 5.5. 5.5.1. Sodann ist zu prüfen, ob der Grundsatz der Verhältnismässigkeit hinreichend beachtet wurde. Die Bewegungsfreiheit darf gemäss Ge- setzestext nur eingeschränkt werden, "wenn weniger einschneidende Massnahmen nicht ausreichen oder von vornherein als ungenügend erscheinen" (Art. 383 Abs. 1 ZGB). 5.5.2. Insbesondere aufgrund der möglichen Gefährdung Dritter - also Klinikpersonal und Mitpatienten - war es notwendig, den Beschwer- deführer von anderen Personen abzuschirmen. Es ist nicht er- sichtlich, welche weniger einschneidende Massnahme hätte ergriffen werden können, um Dritte vor dem Beschwerdeführer zu schützen. Die Massnahme war denn auch genügend geeignet, das beabsichtigte Ziel zu erreichen. Der Entscheid, den Beschwerdeführer in ein Zimmer zu bringen, welches abgeschlossen wurde, ist somit unter den gegebenen Umständen als verhältnismässig anzusehen. 5.6. 5.6.1. Schliesslich wird in Art. 383 Abs. 1 ZGB die Urteilsunfähigkeit der betroffenen Person als Voraussetzung genannt. Gemäss Art. 16 ZGB ist jede Person urteilsfähig, der nicht wegen ihres Kindesalters, infolge geistiger Behinderung, psychischer Störung, Rausch oder ähnlicher Zustände die Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu han- deln. Urteilsfähig ist, wer einerseits über die Fähigkeit verfügt, den Sinn und Nutzen sowie die Wirkungen eines bestimmten Verhaltens einsehen und abwägen zu können. Andererseits muss ein Willensmo- ment gegeben sein, nämlich die Fähigkeit, gemäss der Einsicht nach freiem Willen handeln zu können (MARGRITH BIGLER- EGGENSBERGER, in: Honsell/Vogt/Geiser [Hrsg.], Basler Kom- mentar, Zivilgesetzbuch I, Basel 2010, 4. Aufl., Art. 16 N 3). Dabei beurteilt sich die Urteilsfähigkeit nach konstanter Rechtsprechung und Lehre nie abstrakt oder ein für alle Mal gleich bezüglich einer Person, sondern stets relativ. Es kommt somit darauf an, ob die Urteilsfähigkeit für eine konkrete Handlung und zu einem bestimm- 2013 Fürsorgerische Unterbringung 93 ten Zeitpunkt gegeben ist (MARGRITH BIGLER-EGGENS- BERGER, a.a.O., Art. 16 N 34). Für Art. 383 ZGB kann dies nur bedeuten, dass die betroffene Person bezüglich der Notwendigkeit der Anordnung und Umsetzung der bewegungseinschränkenden Massnahme urteilsunfähig sein muss, und zwar in dem Zeitpunkt, in welchem die Massnahme ange- ordnet und umgesetzt wird. Eine allgemeine Urteilsunfähigkeit exis- tiert nicht und kann daher auch nicht vorausgesetzt werden (vgl. auch Art. 434 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB, wo Urteilsunfähigkeit betreffend Be- handlungsbedürftigkeit vorausgesetzt wird). 5.6.2. Wie bereits erwähnt, bestimmt Art. 438 ZGB, dass auf Mass- nahmen, die die Bewegungsfreiheit der betroffenen Personen in der Einrichtung einschränken, die Bestimmungen über die Einschrän- kung der Bewegungsfreiheit in Wohn- oder Pflegeeinrichtungen - also Art. 383 ff. ZGB - sinngemäss anwendbar sind. Ob das Krite- rium der Urteilsunfähigkeit (Art. 383 Abs. 1 ZGB) auch bei der Einschränkung der Bewegungsfreiheit im Rahmen einer fürsorgeri- schen Unterbringung Geltung hat, wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Die Botschaft äussert sich nicht explizit dazu. Der Basler Kommentar zum Erwachsenenschutz vertritt die Auffassung, dass die bewegungseinschränkenden Massnahmen im- mer voraussetzen, dass die betroffene Person urteilsunfähig ist, sie damit keine Rechtsgrundlage für die Bewegungsfreiheit einer Person darstellen, welche auf ihrer Bewegungsfreiheit besteht und insoweit als urteilsfähig angesehen werden muss (a.a.O., Art. 438 N 5). Auch der Familienrechtskommentar Erwachsenenschutz spricht sich dafür aus, dass Massnahmen zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit auch bei fürsorgerisch untergebrachten Personen nur bei Urteilsunfä- higkeit zulässig ist, mit der Begründung, dass Art. 383 ZGB, auf den Art. 438 ZGB verweist, ausschliesslich urteilsunfähige Personen er- wähne (a.a.O., Art. 438 N 15). Gemäss Praxisanleitung zum Erwachsenenschutzrecht der KOKES hingegen können bewegungseinschränkende Massnahmen im Rahmen einer fürsorgerischen Unterbringung auch bei einer urteilsfähigen Person angeordnet werden können (KOKES - Praxis- 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 94 anleitung Erwachsenenschutzrecht, a.a.O., Ziff. 11.12). Auch Dr. iur. Patrick Fassbind gelangt in seinem Werk zur Überzeugung, dass anders als bei Art. 383 ff. ZGB bei Art. 438 ZGB die Urteilsunfä- higkeit der betroffenen Person kein Erfordernis darstellt (P ATRICK F ASSBIND , Erwachsenenschutz, Zürich 2012, S. 349). Auch der Erwachsenenschutz-Kommentar von Daniel Rosch et al. hält explizit fest, dass die Bestimmungen des Art. 383 ff. sinngemäss anwendbar seien: Abweichend von diesen Bestimmungen sei u.a., dass die Einschränkung der Bewegungsfreiheit im Rahmen einer FU nicht von der Urteilsfähigkeit abhänge (DANIEL ROSCH ET AL. (Hrsg.), Das neue Erwachsenenschutzrecht, Einführung und Kommentar zu Art. 360 ff. ZGB, Basel 2011, Art. 438 N 2). 5.6.3. Art. 438 i.V.m. Art. 383 ZGB erfasst ausschliesslich Massnah- men, die keine Behandlung sind (Botschaft Erwachsenenschutz, BBl 2006 7039; Basler Kommentar, Erwachsenenschutz, a.a.O., Art. 438 N 3). Bei einer Einschränkung der Bewegungsfreiheit handelt es sich demnach in aller Regel nicht um eine therapeutische Massnahme für den Betroffenen. Vielmehr geht es insbesondere um den Schutz Dritter und darum, dass das Gemeinschaftsleben auf der Abteilung nicht schwerwiegend gestört wird. Im Gegensatz dazu geht es bei der Behandlung ohne Zustim- mung gemäss Art. 434 ZGB ausschliesslich um therapeutische Mass- nahmen gemäss Behandlungsplan, nämlich um eine medizinische Behandlung im eigentlichen Sinne. Hier wird denn auch zu Recht beim Betroffenen die Urteilsunfähigkeit betreffend Behandlungsbe- dürftigkeit vorausgesetzt (Art. 434 Abs. 1 Ziff. 2). Wenn der Basler Kommentar anfügt, eine bewegungseinschrän- kende Massnahme bei einem urteilsfähigen Betroffenen müsse ent- weder als Vollstreckung der fürsorgerischen Unterbringung angese- hen werden oder Teil einer Behandlung nach Art. 434 f. ZGB darstellen (Basler Kommentar, Erwachsenenschutz, a.a.O., Art. 438 N 5), überzeugt dies nach dem hiervor Ausgeführten nicht, nachdem der Kommentar in N 3 und 4 zu Art. 438 - zutreffenderweise - aus- führt, die blosse Umsetzung der Anordnungen nach Art. 426 - 429 2013 Fürsorgerische Unterbringung 95 ZGB werde nicht von Art. 438 ZGB erfasst, und Art. 438 ZGB er- fasse ausschliesslich Massnahmen, die keine Behandlung seien. Es drängt sich daher die Frage auf, wie die Einrichtung reagie- ren kann, wenn jemand im Rahmen einer fürsorgerischen Unter- bringung in der Klinik hospitalisiert ist und die Voraussetzungen ge- mäss Art. 383 ZGB erfüllt sind, der Betroffene jedoch gleichzeitig urteilsfähig ist bezüglich der Notwendigkeit der Anordnung und Um- setzung der bewegungseinschränkenden Massnahme. Folgt man der Lehrmeinung gemäss Basler Kommentar und Familienrechtskom- mentar, könnte die Einrichtung keine Einschränkung der Bewe- gungsfreiheit zum Schutz Dritter bzw. zur Beseitigung einer schwer- wiegende Störung des Gemeinschaftslebens auf der Abteilung anord- nen, und es blieben wohl nur strafrechtliche Sanktionen. Dies kann nicht Sinn und Zweck sein, wenn eine Person zur Behandlung einer psychischen Störung per fürsorgerischer Unterbringung in eine Einrichtung eingewiesen ist. Deshalb ist das Verwaltungsgericht davon überzeugt, dass das Kriterium der Urteilsunfähigkeit bei der Einschränkung der Bewegungsfreiheit im Rahmen einer fürsorgeri- schen Unterbringung keine Geltung haben kann (so auch KOKES- Praxisanleitung, a.a.O., Ziff. 11.12, PATRICK FASSBIND, a.a.O., S. 349, DANIEL ROSCH ET AL., a.a.O., Art. 438 N 2). (...)
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http://agve.weblaw.ch/html//AGVE-2013-16.html
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2019 Steuern und Abgaben 53 II. Steuern und Abgaben 5 Krankheitskosten Kein Krankheitskostenabzug für durch die freie Arztwahl einer allgemein Versicherten verursachten Kosten Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 14. Februar 2019, in Sachen A. gegen KStA und Gemeinderat X. (WBE.2018.324). Aus den Erwägungen 1. Der Streit dreht sich allein um die Frage, ob die Beschwerde- führerin die zusätzlichen Kosten der operativen Myomentfernung aufgrund ihrer freien Arztwahl als Krankheitskosten gemäss § 40 Abs. 1 lit. i StG zum Abzug bringen kann. Diese zusätzlichen Kosten musste sie deswegen selber bezahlen, weil sie für die Operation einen Arzt frei wählte, jedoch über keine entsprechende Zusatzver- sicherung verfügte. 2. 2.1. Krankheitskosten können gemäss Art. 9 Abs. 2 lit. h StHG als allgemeiner Abzug geltend gemacht werden. Mit dem Erlass von § 40 Abs. 1 lit. i StG hat der aargauische Gesetzgeber dieser harmo- nisierungsrechtlichen Vorgabe entsprochen. Gemäss Art. 33 Abs. 1 lit. h DBG sind Krankheitskosten auch bei der direkten Bundessteuer abzugsfähig. Der Begriff der Krankheitskosten ist damit bundes- rechtlich sowohl für die kantonalen Steuern als auch für die direkte Bundessteuer einheitlich vorgegeben. Ein Spielraum für die Kantone besteht nur hinsichtlich der Höhe des Selbstbehalts, bis zu dem Steuerpflichtige die selbst getragenen Krankheitskosten nicht in Ab- zug bringen können. 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 54 2.2. Der bundesrechtlich einheitliche Begriff der Krankheitskosten ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung aus steuersyste- matischen Gründen restriktiv auszulegen, da es um eine Ausnahme vom Grundsatz geht, dass Lebenshaltungskosten nicht vom rohen Einkommen abgesetzt werden dürfen (vgl. Urteile des Bundes- gerichts 2C_1005/2015 vom 8. Dezember 2015 E. 2.2, 2C_103/2009 vom 10. Juli 2009 E. 2.1 und 2C_722/2007 bzw. 2C_723/2007 vom 14. April 2008 E. 3.2, je mit Hinweisen). 2.2.1. Abziehbar sind nur Aufwendungen zur Erhaltung und Wieder- herstellung der körperlichen und psychischen Gesundheit. Es muss sich dabei um notwendige Kosten handeln (Urteil des Bundes- gerichts 2C_1005/2015 vom 8. Dezember 2015 E. 2.2 mit Hin- weisen). Die bundesgerichtliche Praxis stellt dafür darauf ab, ob die Behandlung wie auch die Medikamente ärztlich verordnet sind (vgl. wiederum Urteil 2C_1005/2015 vom 8. Dezember 2015 E. 2.2 mit Hinweisen). 2.2.2. Nicht abzugsfähig sind Kosten, die den Rahmen üblicher und notwendiger Massnahmen übersteigen (Urteil des Bundesgerichts 2A.318/2004 vom 7. Juni 2004 E. 2.1). Gemeint sind damit insbe- sondere Ausgaben, die nur mittelbar oder indirekt im Zusammenhang mit einer Krankheit stehen, z.B. Mehrkosten für Nahrungsmittel einer an Bulimie erkrankten Patientin; Desinfektions- und Körper- pflegemittel bei einem Patienten mit einer Zwangserkrankung (über- triebenes Hygienebedürfnis) sowie Aufwendungen, welche primär zum Zweck der Selbsterfahrung, Selbstverwirklichung oder Persön- lichkeitsreifung getätigt werden (vgl. dazu SILVIA HUNZIKER/ISABELLE MAYER-KNOBEL, in: MARTIN ZWEIFEL/MICHAEL BEUSCH [Hrsg.], Kommentar DBG, 3. Aufl., Basel 2017, Art. 33 N 32a). 3. 3.1. Die Beschwerdeführerin litt vor der Operation an einer körper- lichen Beeinträchtigung, welche eine Operation notwendig machte. 2019 Steuern und Abgaben 55 Es ist daher unstrittig, dass sie an einer Krankheit im Rechtssinn litt (vgl. zum Krankheitsbegriff auch Art. 4 ATSG, wonach Krankheit jede Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit ist, die nicht Folge eines Unfalles ist und die eine medi- zinische Untersuchung oder Behandlung erfordert oder eine Arbeits- unfähigkeit zur Folge hat). Unstreitig ist auch, dass es sich bei der vorgenommenen Operation (hysteroskopische und laparoskopische Myomektomie) und dem damit verbundenen Spitalaufenthalt um eine medizinisch notwendige Massnahme handelt, wie dies auch vom Gynäkologen der Beschwerdeführerin ausdrücklich bestätigt wurde. 3.2. Die in der Grundversicherung Versicherten können für die am- bulante Behandlung unter den zugelassenen Leistungserbringern, die für die Behandlung ihrer Krankheit geeignet sind, frei wählen. Der Versicherer übernimmt die Kosten nach dem Tarif, der für den ge- wählten Leistungserbringer gilt. Die versicherte Person kann für die stationäre Behandlung unter den Spitälern frei wählen, die auf der Spitalliste ihres Wohnkantons oder jener des Standortkantons aufge- führt sind (Art. 41 Abs. 1 und 1bis KVG). Hier liess die Beschwerdeführerin die Operation zwar im Kan- tonsspital X. und damit in einem Listenspital in ihrem Wohnkanton durchführen. Sie wählte indessen für die Durchführung der Opera- tion selbst einen Arzt aus, d.h. eine Leistung, die nicht durch die Grundversicherung gedeckt ist (vgl. dazu BERNHARD RÜTSCHE, Zu- satzversicherte Leistungen von Spitälern, Zürich 2017 [Forum für Gesundheitsrecht Bd. 24], Rz 99 ff.). Entsprechend übernahm die obligatorische Krankenversicherung lediglich diejenigen Kosten, welche nicht auf die freie Arztwahl zurückzuführen waren. Die Be- schwerdeführerin musste selbst für die Mehrkosten von CHF 6'500.00 aufkommen. 3.3. Mehrkosten, welche durch eine private oder halbprivate Ver- sicherung gedeckt werden, sind - unabhängig davon, ob die ent- sprechenden Massnahmen medizinisch indiziert sind und auf einer ärztlichen Verordnung beruhen - keine medizinisch notwendigen 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 56 Kosten, was bereits die Vorinstanz zutreffend festgestellt hat. Zwar ist damit hier die infrage stehende medizinische Massnahme grund- sätzlich geeignet, ein Recht zum Abzug der damit verbundenen Kosten zu begründen. Die durch die freie Arztwahl verursachten Zu- satzkosten sind indessen nicht medizinisch notwendig und daher auch nicht als Krankheitskosten gemäss § 40 Abs. 1 lit. i StG steuer- lich abzugsfähig. Auch wenn der Gynäkologe der Beschwerdefüh- rerin den operierenden Arzt empfohlen hat, folgt daraus nun aber nicht, dass die Durchführung der Operation auch durch den empfoh- lenen Arzt notwendig war. Ebenso wenig ist nachgewiesen, dass der betreffende Arzt als einziger die in Frage stehende Operation durch- führen kann. Schon deshalb fällt es ausser Betracht, für die durch die freie Arztwahl verursachten Mehrkosten einen Krankheitskosten- abzug zu gewähren. 3.4. Die Beschwerdeführerin macht überdies geltend, die aar- gauischen Steuerbehörden setzten den Krankheitskostenbegriff we- niger restriktiv um als das Bundesgericht. So würden auch Krank- heitskosten zum Abzug zugelassen, die weder ärztlich verordnet noch von einer Krankenkasse anerkannt seien. Umso mehr stelle sich die Frage, warum ein dringlicher Eingriff, der durch einen von ihr gewählten und bezahlten Arzt durchgeführt worden sei, nicht aner- kannt werde. Damit beruft sich die Beschwerdeführerin der Sache nach auf den Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht, indem sie geltend macht, es würden von der aargauischen Steuerpraxis sogar Kosten zum Abzug zugelassen, welche nicht als Folge einer ärztlichen Ver- schreibung entstünden, während ihr die Anerkennung der Kosten für medizinisch indizierte Massnahmen verweigert werde. Die Be- schwerdeführerin hat die von ihr behauptete rechtswidrige Praxis nicht nachgewiesen und eine solche ist dem Verwaltungsgericht auch sonst nicht bekannt (vgl. zum entsprechenden Erfordernis gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung BGE 136 I 65 E. 5.6 S. 79, BGE 134 V 34 E. 9 S. 44; BGE 131 V 9 E. 3.7 S. 20; BGE 127 I 1 E. 3a S. 2 f.), so dass ihrer Berufung auf das Rechtsgleichheitsgebot schon aus diesem Grund kein Erfolg beschieden sein kann. 2019 Steuern und Abgaben 57 Hinzu kommt, dass gerade eine rechtsgleiche Behandlung aller Steuerpflichtigen die Verweigerung des von der Beschwerdeführerin beanspruchten Abzugs für durch eine freie Arztwahl verursachte Kosten gebietet: Die freie Arztwahl ist durch eine Zusatzversiche- rung versicherbar und gerade diese Zusatzleistung bildet Anlass dafür, dass viele Versicherte eine solche Zusatzversicherung ab- schliessen. Vielen Versicherten ist es wichtig, für den Fall, dass bei ihnen ein stationärer Spitalaufenthalt und eine Operation erforderlich werden, den Operateur selbst wählen zu können. Es ist aber allge- mein bekannt, dass mit einer solchen freien Arztwahl in aller Regel erhebliche Mehrkosten verbunden sind. Gegen diese Mehrkosten können sich Versicherte durch den Abschluss einer entsprechenden Zusatzversicherung absichern. Dabei ist notorisch, dass der allge- meine Versicherungsabzug (2016 im Kanton für alleinstehende Steuerpflichtige wie die Beschwerdeführerin CHF 2'000.00 [§ 40 Abs. 1 lit. g StG]; im Bund CHF 1'700.00 [Art. 33 Abs. 1 lit. g DBG]) in aller Regel die Höhe der von einem Steuerpflichtigen - und zwar auch eines (nur) in der obligatorischen Grundversicherung Versicherten - bezahlten Versicherungsprämien unterschreitet. Gera- de vor diesem Hintergrund würde es unter dem Gesichtspunkt der rechtsgleichen Behandlung aller Steuerpflichtigen nicht befriedigen, wenn zusatzversicherte ebenso wie lediglich grundversicherte Steuerpflichtige nur einen Teil der bezahlten Versicherungsprämien steuerlich geltend machen könnten (wobei dieser Teil bei den Zu- satzversicherten noch geringer ausfiele als bei den nur Grundver- sicherten), die bloss grundversicherten Steuerpflichtigen dagegen ausserdem auch noch die Mehrkosten einer freien Arztwahl, die naturgemäss nur bei ihnen anfallen, zum Abzug bringen könnten. Auch deshalb erweist sich der angefochtene Entscheid als recht- mässig.
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https://agve.weblaw.ch/pdf/AGVE-2019-5.pdf
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