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2010 Schulrecht 225 aufgrund der Bestimmungen in § 3 und § 24 SchulG sogar geboten. (...) 42 Rechtsweggarantie. - Der Ausschluss eines Rechtsmittels gegen Entscheide der Beschwer- dekommission FHNW über das Ergebnis von Prüfungen gemäss § 33 Abs. 6 Satz 2 des Staatsvertrages über die FHNW ist mit Art. 29a BV und den Vorgaben des BGG nicht mehr vereinbar. - Die Beschwerdekommission ist kein "oberes" kantonales Gericht, weshalb für die Überprüfung ihrer Entscheide über Prüfungsergeb- nisse das Verwaltungsgericht zuständig ist. Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 20. August 2009 in Sachen C.S. gegen Fachhochschule Nordwestschweiz (WBE.2009.158). Aus den Erwägungen 2. 2.1. Das Verwaltungsgericht prüft seine Zuständigkeit von Amtes wegen (§ 8 Abs. 1 VRPG). 2.2. Die Rechtsweggarantie auf Verfassungsstufe (siehe Art. 29a BV) ist ein Grundrecht, auf das sich jeder berufen kann; die kantonalen Verfahrensgesetze haben sich daran zu orientieren. Des- gleichen sieht das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR 173.110) vor, dass die Kantone als letzte kantonale Instanzen richterliche Behörden ein- zusetzen haben (Art. 86 Abs. 2 BGG); Ausnahmen sind möglich bei Entscheiden mit vorwiegend politischem Charakter (Art. 86 Abs. 3 BGG; vgl. zum Ganzen Botschaft des Regierungsrats des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 14. Februar 2007, 07.27, Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege [Verwaltungsrechtspflegegesetz, VRPG], Bericht und Entwurf zur 1. Beratung [nachfolgend: Bot- schaft VRPG], S. 64 f.). 2010 Verwaltungsgericht 226 Die bundesrechtlichen Vorgaben wurden im Kanton Aargau wie folgt umgesetzt: Gemäss Botschaft soll das Verwaltungsgericht im Grundsatz als letzte kantonale Instanz in allen verwaltungsrechtli- chen Streitfällen eingesetzt werden; Ausnahmen bestehen in Fällen von Art. 86 Abs. 3 BGG (politische Gründe) oder bei Entscheiden der Spezialverwaltungsgerichte (vgl. Botschaft VRPG, S. 64 ff.). Ge- gen letztinstanzliche Entscheide der Verwaltungsbehörden und, wenn vorgesehen, gegen Entscheide der Spezialverwaltungsgerichte ist ge- mäss § 54 Abs. 1 VRPG die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zuläs- sig. Ausgeschlossen ist die Beschwerde in den in § 54 Abs. 2 VRPG aufgezählten Sachbereichen. Die Enumeration in Abs. 2 umfasst die wichtigsten und hauptsächlichsten Ausnahmen vom Zugang zum Verwaltungsgericht (politisch gefärbte Entscheide). Es ist indessen denkbar, dass weitere Einzelfälle in anderen (formellen) Gesetzen genannt werden. Um auf diese Möglichkeit explizit hinzuweisen, wurde § 54 Abs. 3 VRPG geschaffen ("Vorbehalten bleiben Sonder- bestimmungen in anderen Gesetzen"). Immerhin soll aber der Weg geöffnet werden, eine Verletzung der Rechtsweggarantie vor dem Verwaltungsgericht zu rügen, damit innerkantonal reagiert werden kann, wenn ein Sachgebiet zu Unrecht dem gerichtlichen Rechts- schutz entzogen worden ist und nicht zunächst ein Entscheid des Bundesgerichts ergehen muss, der den Kanton zur Änderung zwingt (vgl. Botschaft VRPG, S. 66). Gemäss § 54 Abs. 4 VRPG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde deshalb auch in den Fällen von § 54 Abs. 2 und 3 VRPG zulässig, wenn die Verletzung des Anspruchs auf Beurteilung von Streitigkeiten durch eine richterliche Behörde gerügt wird. 2.3. Im konkreten Fall steht die Überprüfung eines Entscheids der Beschwerdekommission der FHNW betreffend eines Prüfungser- gebnisses (Nichtbestehen der Modulprüfung "Sprache und Kommu- nikation") zur Beurteilung. Gemäss § 33 Abs. 6 Satz 1 des Staatsver- trags zwischen den Kantonen Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt und Solothurn über die Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) vom 27. Oktober 2004 / 9. November 2004 / 19. Januar 2005 (Staats- vertrag FHNW; SAR 426.070) sind Beschwerdeentscheide der Be- 2010 Schulrecht 227 schwerdekommission der FHNW über das Ergebnis von Prüfungen endgültig. Der Staatsvertrag FHNW ist ein interkantonaler Vertrag und wurde vom Grossen Rat am 8. März 2005 genehmigt. Er unterlag ge- stützt auf Art. 63 Abs. 1 lit. c KV, in der Fassung gemäss Änderung vom 18. Dezember 2001, in Kraft seit 1. Januar 2003 (AGS 2002 S. 335), dem fakultativen Referendum. Der Staatsvertrag FHNW erfüllt damit die Anforderungen eines formellen Gesetzes (BGE 126 I 182; 124 I 217; 120 Ia 266). Nach dem Verständnis der Kantons- verfassung gehen Staatsverträge dem kantonalen Gesetzesrecht vor. Dieser Vorrang gilt nach dem Verständnis der Kantonsverfassung auch gegenüber neueren kantonalen Gesetzen (vgl. § 82 Abs. 3 KV; Kurt Eichenberger, Verfassung des Kantons Aargau, Textausgabe mit Kommentar, Aarau / Frankfurt am Main / Salzburg 1986, § 82 N 34). Der Ausschluss eines gerichtlichen Rechtsschutzes betreffend Prü- fungsergebnisse beruht somit formell auf einer genügenden gesetzli- chen Grundlage und der Umstand, dass das revidierte Verwaltungs- rechtspflegegesetz (VRPG) erst am 1. Januar 2009 (also nach dem Staatsvertrag FHNW) in Kraft getreten ist, vermag an der Geltung von § 33 Abs. 6 Satz 1 Staatsvertrag FHNW nichts zu ändern. Zu prüfen ist indessen, ob ein Ausschlusses von Rechtsmitteln gegen Entscheide der Beschwerdekommission der FHNW über das Ergebnis von Prüfungen (§ 33 Abs. 6 Satz 1 Staatsvertrag FHNW) mit der Rechtsweggarantie vereinbar ist. Gemäss § 95 Abs. 2 KV und § 2 Abs. 2 VRPG sind die Gerichte von Amtes wegen gehalten, Erlassen die Anwendung zu versagen, die Bundesrecht oder kantona- lem Verfassungs- oder Gesetzesrecht widersprechen. Diese inzidente oder akzessorische Überprüfung der anzuwendenden Normen auf ihre Vereinbarkeit mit übergeordnetem Recht bezieht sich auf die for- melle und materielle Richtigkeit einer Norm (AGVE 1990, S. 373; 1986, S. 242; vgl. dazu Ulrich Häfelin / Walter Haller / Helen Keller, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 7. Auflage, Zürich 2008, Rz. 1195 f.; Eichenberger, a. a. O., § 95 N 21 ff.). 2010 Verwaltungsgericht 228 Dazu ergibt sich Folgendes: 2.4. 2.4.1 Gemäss Art. 86 Abs. 2 BGG setzen die Kantone als unmittel- bare Vorinstanzen des Bundesgerichts obere Gerichte ein, soweit nicht nach einem anderen Bundesgesetz Entscheide anderer richterli- cher Behörden der Beschwerde an das Bundesgericht unterliegen. Nach Art. 86 Abs. 3 BGG können die Kantone für Entscheide mit vorwiegend politischem Charakter anstelle eines Gerichts eine an- dere Behörde als unmittelbare Vorinstanz des Bundesgerichts einset- zen. Die Beurteilung eines Prüfungsergebnisses der FHNW stellt klarerweise keinen Entscheid mit vorwiegend politischem Charakter dar. Bei Entscheiden aus dem Bereich des Bildungs- und Prüfungs- rechts muss der Gerichtszugang gewährt werden (Esther Tophinke, in: Marcel Alexander Niggli / Peter Uebersax / Hans Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, Basel 2009, Art. 86 N 23). Nach den Vorgaben von Art. 29a BV und des BGG sind Entscheide über Prüfungsergebnisse bei einer richterlichen Be- hörde überprüfbar und auf kantonaler Ebene hat letztinstanzlich ein "oberes" Gericht über Entscheide betreffend Prüfungsergebnisse der FHNW zu befinden (Art. 114 i. V. m. Art. 86 BGG). 2.4.2. Als "obere" kantonale Gerichte gemäss Art. 86 Abs. 2 erster Halbsatz BGG, die als unmittelbare Vorinstanzen des Bundesgerichts eingesetzt sind, kommen sowohl die höchsten kantonalen Gerichte in Verwaltungs-, Zivil- oder Strafsachen (Verwaltungs-, Kantons-, Ap- pellationsgerichte usw.) als auch verwaltungsunabhängige besondere Justizbehörden (wie kantonale Rekurskommissionen oder -gerichte) in Frage. Ein doppelter Instanzenzug wird nicht verlangt; das obere Gericht braucht also nicht eine Rechtsmittelinstanz zu sein. Genauso wenig ist ein einheitliches Gericht für sämtliche öffentlich-rechtli- chen Materien erforderlich; besonders geeignete Spezialgerichtsbe- hörden wie z. B. ein Haftgericht sind also nicht ausgeschlossen. Hin- gegen setzt das Erfordernis eines oberen Gerichts voraus, dass die Justizbehörde für das ganze Kantonsgebiet zuständig und hierar- 2010 Schulrecht 229 chisch keiner anderen Gerichtsinstanz unterstellt ist. Diese Voraus- setzung ist nicht erfüllt, wenn gegen die Entscheide der fraglichen Justizbehörde noch eine ordentliche Beschwerde an eine andere kantonale Instanz erhoben werden kann. Massgebend ist dabei nicht nur, dass der Gerichtsbehörde im gerade fraglichen Sachbereich Letztinstanzlichkeit zukommt, sondern dass ihre Entscheide allge- mein, also auch in den übrigen Zuständigkeitsbereichen, nicht an eine höhere kantonale Instanz weitergezogen werden können (BGE 135 II 97 f. mit diversen Hinweisen). Unabhängig davon, ob die Beschwerdekommission der FHNW als verwaltungsunabhängige Justizbehörde (wie z. B. kantonale Re- kurskommissionen oder -gerichte) gilt oder nicht, kommt ihr nur ge- rade im Bereich der Entscheide über das Ergebnis von Prüfungen Letztinstanzlichkeit zu. In sämtlichen übrigen Zuständigkeitsbe- reichen können ihre Entscheide an eine höhere kantonale Instanz weitergezogen werden: So sieht § 33 Abs. 6 Satz 2 Staatsvertrag FHNW vor, dass die übrigen Beschwerdeentscheide der Beschwer- dekommission der FHNW mit verwaltungsgerichtlicher Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau weitergezogen werden können; darüber hinaus hält § 33 Abs. 7 Staatsvertrag FHNW fest, dass die Entscheide der Beschwerdekommission der FHNW in personalrechtlichen Streitigkeiten an das Personalrekursgericht des Kantons Aargau weitergezogen werden können. Die Beschwerde- kommission der FHNW hat somit nur in einem einzelnen Sach- bereich letztinstanzliche Entscheidkompetenz, weshalb ihr von vorn- herein keine Stellung eines oberen kantonalen Gerichts nach Art. 86 Abs. 2 erster Halbsatz BGG zukommen kann (vgl. BGE 135 II 99). Der Rechtsmittelausschluss in § 33 Abs. 6 Satz 1 Staatsvertrag FHNW erweist sich mit dem Ablauf der Übergangsfrist gemäss Art. 130 Abs. 2 BGG am 31. Dezember 2008 als bundesrechtswidrig. Die derogatorische Kraft des Bundesrechts (Art. 49 Abs. 1 BV) be- zieht sich auf alle Stufen des Bundesrechts und der kantonalen Nor- men und führt dazu, dass § 33 Abs. 6 Satz 1 Staatsvertrag FHNW nicht (mehr) angewendet werden kann. Der Regierungsrat wird ein- geladen, spätestens bei der nächsten Änderung des Staatsvertrages 2010 Verwaltungsgericht 230 die Rechtschutzbestimmungen den bundesrechtlichen Vorgaben an- zupassen. Nach den staatsvertraglichen Rechtsschutzbestimmungen gilt für das Verfahren das Recht des Kantons Aargau (§ 33 Abs. 3 Staats- vertrag FHNW) und mit Ausnahme der personalrechtlichen Streitig- keiten ist das Verwaltungsgericht Beschwerdeinstanz gegen Ent- scheide der Beschwerdekommission FNHW. Bei diesen Gegeben- heiten und unter Berücksichtigung der allgemeinen Zuständigkeits- regel in § 54 Abs. 1 VRPG, wonach das Verwaltungsgericht als letzte kantonale Instanz verwaltungsrechtliche Streitfälle zu beurteilen hat, ist auch für die Überprüfung von Entscheiden der Beschwerdekom- mission der FHNW über Prüfungsergebnisse die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts gegeben. Die Beschwerdekommission FHNW hat daher in der Rechtsmittelbelehrung zu Recht auf diese Be- schwerdemöglichkeit verwiesen.
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AG_VG_001
AG_VG
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2012 Verwaltungsrechtspflege 221 IX. Verwaltungsrechtspflege 32 Vollstreckung Gegen Vollstreckungsentscheide der Staatsanwaltschaft betreffend die Einziehung von Gegenständen ist die Beschwerde an das Verwal- tungsgericht zulässig. Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 3. Februar 2012 in Sachen A. gegen Staatsanwaltschaft B. (WBE.2011.408). Aus den Erwägungen 2. 2.1. Gemäss Art. 439 StPO bestimmen Bund und Kantone die für den Vollzug von Strafen und Massnahmen zuständigen Behörden sowie die entsprechenden Verfahren, wobei die besonderen Regelun- gen in der Strafprozessordnung und im Schweizerischen Strafgesetz- buch vom 21. Dezember 1937 (StGB; SR 311.0) vorbehalten bleiben (Art. 439 Abs. 1 StPO). Die Vollstreckung von Entscheiden über Ver- fahrenskosten und weitere finanzielle Leistungen erfolgt nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 11. April 1889 über Schuld- betreibung und Konkurs (SchKG; SR 281.1) (Art. 442 Abs. 1 StPO). Die Kantone haben, soweit sie dafür zuständig sind, die zum Vollzug der Strafprozessordnung notwendigen Ausführungsbestimmungen zu erlassen (Art. 445 StPO). Die kantonale Vollzugsbehörde in Strafsachen ist allgemein das zuständige Departement (§ 14 Abs. 1 EG StPO). Der Regierungsrat kann durch Verordnung andere Behörden mit dem Vollzug von Stra- fen und Massnahmen sowie mit der Einforderung der Kosten beauf- tragen (§ 14 Abs. 2 EG StPO). 2012 Verwaltungsgericht 222 Für die Beurteilung von Beschwerden gegen Vollzugsmass- nahmen des Departements ist der Regierungsrat zuständig. Ausge- nommen davon sind Beschwerdeentscheide des Departements, die mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anzufechten sind (§ 14 Abs. 3 EG StPO). Schliesslich kann der Regierungsrat durch Verordnung Entscheide der Vollzugsbehörden als endgültig bezeichnen, wenn diesen von Amtes wegen oder auf Antrag hin ein materieller Ent- scheid einer strafrichterlichen Behörde nachfolgt (§ 14 Abs. 4 EG StPO). 2.2. Das Einführungsgesetz zur Schweizerischen Strafprozessord- nung enthält in §§ 42 ff. weitere Bestimmungen über die Voll- streckung von strafrechtlichen Entscheiden. Gemäss § 45 Abs. 2 EG StPO sind eingezogene Gegenstände der Staatsanwaltschaft ab- zuliefern und diese trifft die sachgemässen Entscheide. 2.3. Der Regierungsrat regelt den Straf- und Massnahmevollzug durch Verordnung, soweit das Bundesrecht und die kantonalen Ge- setze keine Bestimmungen enthalten (vgl. § 46 Abs. 1 EG StPO). Die Strafvollzugsverordnung regelt den Vollzug von strafrechtlichen Sanktionen gegenüber Erwachsenen (§ 1 Abs. 1 SMV). Der Regie- rungsrat ist zuständige Beschwerdeinstanz gegen Verfügungen und Entscheide im Straf- und Massnahmevollzug, soweit nicht ausdrück- lich eine andere Behörde als solche bezeichnet ist (§ 3 Abs. 1 lit. a SMV). 2.4. Im vorliegenden Fall hat die Staatsanwaltschaft die Verfügung über die Einziehung von Gegenständen gestützt auf § 45 Abs. 2 EG StPO erlassen. Die Bestimmungen über die Vollzugsbehörden in §§ 14 ff. EG StPO beschränken sich auf die Regelung der Zuständig- keiten für den Vollzug von Strafen und Massnahmen. Die Rechts- schutzbestimmungen in § 102 SMV betreffen den Vollzug strafrecht- licher Sanktionen (Abs. 1), Verfügungen und erstinstanzliche Ent- scheide des Departements Volkswirtschaft und Inneres (DVI; Abs. 2), Entscheide über Vollzugskosten oder die Entlassung aus dem Straf- und Massnahmevollzug sowie Rechtsmittelentscheide des 2012 Verwaltungsrechtspflege 223 DVI (Abs. 3) und den Rechtschutz in Disziplinarsachen (Abs. 4). Im Übrigen wird auf die Bestimmungen des Verwaltungsrechtspflege- gesetzes verwiesen (Abs. 5). Ausdrückliche Rechtsschutzbestimmungen gegen Verfügungen und Entscheide der Staatsanwaltschaft gestützt auf § 45 Abs. 2 EG StPO fehlen sowohl in der Strafvollzugsverordnung als auch im Einführungsgesetz zur Schweizerischen Strafprozessordnung. Die Zuständigkeits- und Rechtsmittelbestimmungen der Strafvollzugs- verordnung regeln ausschliesslich den Rechtsschutz im Straf- und Massnahmevollzug und kommen daher auf die von der Staatsan- waltschaft eingezogenen Gegenstände nicht zur Anwendung. Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass weder die Strafprozessordnung noch das kantonale Einführungsgesetz oder die Strafvollzugsverordnung besondere Vorschriften für den Rechts- schutz gegen Entscheide der Staatsanwaltschaft betreffend die Voll- streckung der Einziehung von Gegenständen kennen. 2.5. Der Rechtsschutz im Vollstreckungsverfahren ist im Verwal- tungsrechtspflegegesetz umfassend formuliert (vgl. § 83 Abs. 1 VRPG) und das Gesetz gilt für alle Behörden der öffentlichen Ver- waltung (vgl. § 1 Abs. 1 und 2 VRPG). Mangels spezialgesetzlicher Bestimmung ist gegen Vollstreckungsentscheide der Staatsanwalt- schaft betreffend die Einziehung von Gegenständen daher die Be- schwerde an das Verwaltungsgericht zulässig.
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AG_VG_001
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2,007
de
2007 Kantonale Steuern 99 29 "Ordnungsbusse" wegen Verletzung von Verfahrenspflichten im Steuer- recht (§ 235 StG). - Nach einer ausdrücklichen "letzten Mahnung" zur Abgabe der Steu- ererklärung braucht die Steuerbehörde auf Fristerstreckungsgesu- che nicht mehr einzugehen, sondern kann unmittelbar das Bussen- verfahren einleiten. - Anforderungen an eine "letzte Mahnung". Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 2. Mai 2007 in Sachen Kantonales Steueramt gegen Steuerrekursgericht und R.H. (WBE.2007.74). Aus den Erwägungen 3.1. Das Steuerrekursgericht geht davon aus, dass das Nichtein- reichen einer Steuererklärung innert der angesetzten Frist nur Straf- folgen habe, wenn der Steuerpflichtige seine Säumnis nicht be- gründe. Ein Steuerpflichtiger, der zur Einreichung einer Steuererklä- rung aufgefordert worden sei, dieser Aufforderung aber unter fristge- rechter Anrufung annehmbarer Gründe nicht nachkomme, könne erst dann mit einer Busse belegt werden, wenn ihm die Veranlagungsbe- hörde eine weitere Aufforderung zugestellt habe, in welcher die Gründe für das Beharren auf der Einreichung der Steuererklärung angeführt seien. ... 3.2. Das KStA hält dem im Wesentlichen entgegen, bei der Mahnung vom 31. August 2006 handle es sich um eine letzte Mah- nung im Sinne von Art. 65 Abs. 4 StGV. Der Beschwerdegegner habe von der Verfahrenssituation her in diesem Stadium überhaupt nicht mehr mit einer Fristerstreckung rechnen können. Seinen Ver- fahrenspflichten sei er deshalb nicht genügend nachgekommen, in- dem er lediglich ein Gesuch um Fristerstreckung gestellt habe. An- ders wäre es zu beurteilen gewesen, wenn der Beschwerdegegner be- reits nach Erhalt der ersten Mahnung datierend vom 30. Juni 2006 um Erstreckung der Frist ersucht hätte, da diese noch keine unwider- rufliche Frist statuiert habe. Das Beharren auf Einreichung der Steu- ererklärung sei die notwendige Konsequenz der Mitwirkungspflicht 2007 Verwaltungsgericht 100 der steuerpflichtigen Person; von einer tatbestandsaufhebenden Un- terlassung der Steuerbehörden könne deshalb keine Rede sein. 3.3. Umstritten ist, wie weit der Straftatbestand der Verletzung von Verfahrenspflichten gefasst ist, d.h. ob der Steuerpflichtige in strafrechtlicher Hinsicht seinen Verfahrenspflichten auch dann nach- gekommen ist, wenn er innert der ihm angesetzten Mahnfrist die Steuererklärung zwar nicht einreicht, vor deren Ablauf aber die Gründe für das Ausbleiben bekannt gibt. Dies ist durch Auslegung des Gesetzes zu bestimmen. 4./4.1. Ausgangspunkt bildet § 180 Abs. 2 Satz 1 StG mit fol- gendem Wortlaut: "Die Steuerpflichtigen müssen die Steuererklärung wahrheits- gemäss und vollständig ausfüllen, persönlich unterzeichnen und samt den vorgeschriebenen Beilagen fristgemäss der zuständigen Behörde einreichen." Für den Fall, dass dieser Pflicht nachgekommen wurde, sieht § 180 Abs. 3 StG folgende Vorgehensweise vor: "Die steuerpflichtige Person, welche die Steuererklärung und die notwendigen Beilagen nicht oder nur mangelhaft einreicht, wird aufgefordert, das Versäumte innert angemessener Frist nachzuholen." Hierzu führt § 65 Abs. 4 StGV näher aus: Steuerpflichtige, welche die Steuererklärung nicht rechtzeitig eingereicht oder die zur Behebung von formellen Mängeln ange- setzte Frist nicht eingehalten haben, sind unter Hinweis auf die Fol- gen der Unterlassung zu mahnen, die Verfahrenspflichten innerhalb einer letzten Frist von mindestens 20 Tagen vollständig und richtig zu erfüllen. Die Mahnung ist durch eingeschriebenen Brief oder ge- gen Empfangsbestätigung zuzustellen. Als Sanktion sieht § 235 Abs. 1 StG schliesslich vor: "Wer einer Pflicht, die ihr oder ihm nach den Vorschriften die- ses Gesetzes oder nach einer auf Grund dieses Gesetzes getroffenen Anordnung obliegt, trotz Mahnung vorsätzlich oder fahrlässig nicht nachkommt, insbesondere a) die Steuererklärung oder die dazu verlangten Beilagen nicht einreicht, 2007 Kantonale Steuern 101 (...) wird mit Busse bis zu Fr. 1'000.--, in schweren Fällen oder bei Rückfall bis zu Fr. 10'000.-- bestraft." 4.3. Sowohl der Wortlaut von § 235 Abs. 1 lit. a StG als auch derjenige von § 65 Abs. 4 StGV (grammatikalisches Auslegungsele- ment) sind eindeutig: Wer die Steuererklärung trotz Ansetzung einer letzten Frist nicht einreicht, erfüllt den Tatbestand der Verletzung von Verfahrenspflichten. § 235 StG bezweckt (teleologisches Ausle- gungselement), den Steueranspruch des Gemeinwesens und die Durchführung des dazu nötigen Verfahrens sicherzustellen. Dieses Ziel lässt sich nur richtig durch- bzw. umsetzen, wenn die am Steuer- verfahren beteiligten Personen ihre Mitwirkungspflichten korrekt er- füllen. Zu diesem Zweck sehen § 180 Abs. 3 StG bzw. § 65 Abs. 4 StGV die Ansetzung einer letzten Frist von mindestens 20 Tagen vor, um den säumigen Steuerpflichtigen dazu anzuhalten, die Steuererklä- rung einzureichen. 4.4./4.4.1. Vor dem Hintergrund des Zweckgedankens von § 235 StG kann der Schluss der Vorinstanz, das nicht fristgerechte Einreichen der Steuererklärung trotz Mahnung habe keine Straffol- gen, wenn bis dahin die Gründe dafür dargelegt werden, so nicht zu- treffen. Im Gegenteil würde dieses Verständnis einer letzten Mah- nung einem Missbrauch Tür und Tor öffnen, indem sich der Steuer- pflichtige trotz Ansetzung einer letzten Frist kurz vor deren Ablauf durch einfache Mitteilung beliebiger Gründe die Straffolgen abwen- den könnte. Dies würde die Durchsetzung der Mitwirkungspflichten erheblich erschweren und dem Zweck des § 235 StG zuwiderlaufen. Da die Pflicht zur Abgabe der Steuererklärung gesetzlich vorge- schrieben und inhaltlich klar ist (§ 180 StG), ist die Steuerbehörde grundsätzlich nicht gehalten zu begründen, dass und warum sie auf der Erfüllung dieser Pflicht beharrt. Die in der Rechtsprechung be- gründete Ausnahme bezieht sich auf Fälle, wo der Steuerpflichtige geltend macht, es sei ihm (zurzeit) unmöglich oder es sei nicht zu- mutbar, verlangte Unterlagen einzureichen, und dies begründet (Dieter Egloff, in: Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, Band 2, 2. Aufl., Muri-Bern 2004, § 235 N 23). Anders als die Verpflichtung zur Einreichung der Steuererklärung ist die Pflicht, Unterlagen vor- 2007 Verwaltungsgericht 102 zulegen, eingeschränkt durch die Erfordernisse der Notwendigkeit und der Zumutbarkeit (AGVE 1993, S. 285), und sie muss im Einzel- fall mittels Verfügung konkretisiert werden. Wenn ein Steuerpflichti- ger (korrekterweise auf die erste Aufforderung hin) begründet, warum die Verfügung der Steuerbehörde nach seiner Meinung gegen diese Einschränkungen verstösst, muss auf diesen erstmals erhobe- nen Einwand eingegangen werden (AGVE 1993, S. 288 f.). Von die- sem Sachverhalt weicht die letzte Mahnung zur Einreichung der Steuererklärung erheblich ab, was eine unbesehene Übernahme der genannten Rechtsprechung ausschliesst: Hier geht es um eine unein- geschränkte Pflicht (selbst wenn noch Unterlagen fehlen, ist es in aller Regel möglich, die Steuererklärung unter Hinweis auf die Un- vollständigkeit einzureichen), auf Gesuch hin erstreckte Fristen müs- sen zuvor abgelaufen, unbegründete Fristerstreckungsgesuche abge- wiesen worden sein, und zudem ist bereits eine Mahnung vorausge- gangen. Grundsätzlich besteht keine Veranlassung, nachdem bereits die letzte Frist zur Einreichung der Steuererklärung bestimmt wurde, auf Einwendungen hin nochmals Frist anzusetzen (a.M. Egloff, a.a.O., § 235 N 24); ob es sich in bestimmten Einzelfällen anders verhält, kann vorliegend offen bleiben. 4.4.2. Voraussetzung ist allerdings, dass der Steuerpflichtige überhaupt wusste oder wissen musste, dass es sich um eine letzte Frist zur Abgabe der Steuererklärung im Sinne von § 65 Abs. 4 StGV handelt. Da Fristerstreckungen generell grosszügig gewährt werden, kann nur dann gesagt werden, er habe sich bewusst sein müssen, dass er mit keiner (weiteren) Fristerstreckung mehr rechnen könne, son- dern den Straftatbestand mit dem unbenützten Ablauf der Frist ohne weiteres erfülle. Dies gebietet letztlich auch der Grundsatz des fairen Verfahrens (vgl. dazu § 26 Abs. 2 StPO; Hauser/Schweri/Hartmann, Schweizerisches Strafprozessrecht, 6. Auflage, Basel/Genf/München 2005, S. 262 ff.). 4.4.3. Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang eine zweite Mahnung (noch) genügen lassen, in der zwar nicht aus- drücklich eine letzte Frist angeordnet worden war, sondern sich de- ren Charakter aus dem Text der Mahnung und der Verweisung auf § 65 Abs. 4 StGV ergab; es hielt dazu fest, der Steuerpflichtige könne 2007 Kantonale Steuern 103 von der Verfahrenssituation her aufgrund dieser Mahnung nicht mehr mit Fristerstreckungen rechnen (VGE II/71 vom 28. September 2006 [WBE.2006.281], S. 6). Problemlos und ohne jeden Zweifel korrekt ist das Vorgehen der Steuerbehörde jedoch nur dann, wenn sie den Steuerpflichtigen nach erfolgloser erster Mahnung mit eingeschrie- bener Post unter ausdrücklicher Ansetzung einer letzten Frist und dem Hinweis auf die Straffolgen bei Unterlassung auffordert, das Versäumte nachzuholen. 5./5.1. Die Mahnung vom 31. August 2006 trägt den Titel "Zweite Mahnung zur Einreichung der Steuererklärung" und hat fol- genden Wortlaut: ... Die Mahnung enthält keinen Hinweis darauf, dass es sich bei den angesetzten 20 Tagen um eine letzte Abgabefrist handelt; auch fehlt ein Hinweis auf § 65 Abs. 4 StGV, der diesbezüglich Aufschluss geben könnte. Nichts anderes gilt für die erste Mahnung vom 30. Juni 2006. Als Laie musste der Beschwerdegegner aufgrund dieser Mahnungen nicht davon ausgehen, dass ein Fristerstreckungsgesuch aussichtslos sei. Daran vermag der Titel "Zweite Mahnung zur Einreichung der Steuererklärung" sowie der Hinweis auf die Ausfäl- lung einer Busse bei Nichtabgabe der Unterlagen nichts zu ändern, da dies nicht die Bestimmung der Frist betrifft, sondern deren unbe- nützten Ablauf vielmehr voraussetzt. 5.2. Wenn dem Steuerpflichtigen, wie es vorliegend zutrifft, nicht ausreichend zur Kenntnis gebracht wurde, dass es sich um eine letzte Mahnung bzw. letzte Frist handelt, und er daraufhin ein Frist- erstreckungsgesuch stellt, treffen die Ausführungen des Steuerre- kursgerichts über das weitere Vorgehen zu. Mit der Ablehnung wei- terer Fristerstreckungen, verbunden mit der Ansetzung einer letzten unwiderruflichen Frist, wird gleichsam der vorher ungenügende Hinweis nachgeholt. (Abweisung der Beschwerde des KStA gegen den Freispruch des Beschwerdegegners)
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2012 Verwaltungsgericht 106 [...] 17 Bewertung von Beteiligungen Anwendbarkeit der "Wegleitung zur Bewertung von Wertpapieren ohne Kurswert für die Vermögenssteuer" (Kreisschreiben Nr. 28 der Schweize- rischen Steuerkonferenz) (Erw. 2.1) Grundsatz der Familienbesteuerung: Halten zwei Ehegatten jeweils Min- derheitsbeteiligungen an einer Gesellschaft, welche zusammengenommen eine Mehrheitsbeteiligung darstellen, so sind die Beteiligungen auch in Bezug auf die Besteuerung des Vermögens als Bewertungsgemeinschaft 2012 Kantonale Steuern 107 zu behandeln. Verweigerung des pauschalen Minderheitsabzugs (Erw. 2.4). Urteil des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 28. März 2012 in Sachen S.S. und R.S. (WBE.2011.328). Aus den Erwägungen 1.1. Die Beschwerdeführerin und der Beschwerdeführer halten je 124 Namenaktien Fr. 500.00 der X.AG; insgesamt halten sie somit nominal je Fr. 62'000.00, d.h. einen Anteil am Aktienkapital der X.AG von Fr. 250'000.00 von je 24.8% mit einer Stimmkraft von je 33.066%. Zusammen halten sie, jedenfalls mit Bezug auf die Stimm- kraft der Aktien, die Mehrheit der Aktien der X.AG (Fr. 124'000.00, d.h. einen Anteil am Aktienkapital von Fr. 250'000.00, zusammen 49.6% mit einer Stimmkraft von 66.132%). (...) 2.1. Zu Recht nicht umstritten ist zunächst die Anwendbarkeit der von der Schweizerischen Steuerkonferenz herausgegebenen "Weglei- tung zur Bewertung von Wertpapieren ohne Kurswert für die Vermö- genssteuer" (Kreisschreiben 28 vom 21. August 2006 sowie dessen Vorgängerin, die von der EStV herausgegebene Wegleitung zur Bewertung von Wertpapieren für die Vermögenssteuer, Ausgabe 1995). Diese Wegleitung bezweckt - wie bereits die früheren Fassun- gen aus den Jahren 1977 und 1982 - im Interesse der Steuerharmoni- sierung zwischen den Kantonen, eine in der Schweiz einheitliche Bewertung nicht kotierter Wertpapiere für die Vermögenssteuer zu erreichen. Sie ist zwar weder Bundesrecht noch interkantonales Recht, sondern eine reine Verwaltungsverordnung, die bloss verwal- tungsinterne Regeln für das Verhalten der Steuerbeamten enthält und keine Rechte und Pflichten begründet. Sie gilt indessen nach stän- diger Praxis des Bundesgerichts als zuverlässige Methode zur Bestimmung des Verkehrswerts, da in ihr die Überlegungen, die für 2012 Verwaltungsgericht 108 die Preisbildung bei den nicht an der Börse kotierten Aktien im All- gemeinen massgebend sind, zum Ausdruck kommen. Die grundsätz- liche Massgeblichkeit der Wegleitung wird auch von der kantonalen Praxis und der Lehre anerkannt (vgl. statt vieler: Urteil des Bundes- gerichts vom 15. April 2010 [2C_504/2009], Erw. 3.3 mit zahlrei- chen Hinweisen). 2.2 Die Wegleitung sieht in Ziff. 71 ff. einen pauschalen Minder- heitsabzug von 30% vor, der für alle Beteiligungen bis und mit 50% gewährt wird. Massgebend sind die Beteiligungsverhältnisse am Ende der Steuerperiode. Die Quote von 50% wird bei Gesellschaften, die wie hier die X.AG Stimmrechtsaktien ausgegeben haben, nicht auf das Aktienkapital, sondern auf die Gesamtzahl der Stimmrechte bezogen. Die Beschwerdeführer verfügen, je für sich allein genommen, lediglich über Minderheitsbeteiligungen (von je 33.066%). Werden ihre Beteiligungen dagegen zusammen betrachtet, verfügen sie über eine Mehrheitsbeteiligung von 66.132%. 2.3. Obwohl der Grundsatz der Familienbesteuerung seit langem politisch nicht unumstritten ist, beherrscht er nach wie vor das gel- tende Schweizerische Steuerrecht. Dahinter steht die Idee, dass die Ehe nicht nur eine sittliche und rechtliche, sondern auch eine wirt- schaftliche Einheit darstellt, weshalb für die Bemessung der wirt- schaftlichen Leistungsfähigkeit des Ehepaars bzw. der Familie die gesamten Einkünfte und das gesamte Vermögen heranzuziehen sind (ausdrücklich Art. 3 Abs. 3 StHG; vgl. auch P ETER L OCHER , in: Kommentar zum DBG, Bd. I, Therwil 2001, Art. 9 N 3 mit Hinwei- sen). Der Gesetzgeber geht somit für die Besteuerung von Ehegatten davon aus, dass sie unabhängig davon, welchem Güterstand sie un- terliegen, jedenfalls solange sie zusammenleben, eine umfassende Erwerbs- und Vermögensgemeinschaft bilden. Deren innere Recht- fertigung liegt dabei nicht in erster Linie im gemeinsamen Halten von Vermögenswerten durch die Ehegatten (so werden etwa auch in einer einfachen Gesellschaft oder einer Kollektivgesellschaft ge- meinsam Vermögenswerte gehalten; darauf nimmt das Steuerrecht 2012 Kantonale Steuern 109 aber gerade keine Rücksicht), sondern darin, dass die Ehegatten Mittel für die gemeinsame Lebensführung zusammen erwirtschaften und auch verbrauchen (vgl. dazu ausführlich F RANCIS C AGIANUT , Gerechte Besteuerung der Ehegatten, Bern 1971, S. 16 f. und 19 f.; C AGIANUT legt insbesondere Gewicht auf die Gebundenheit der Ein- kommensverwendung infolge der Führung eines gemeinsamen Haus- halts; vgl. auch F ERDINAND Z UPPINGER , Die Besteuerung der Ehe- gatten in der Schweiz, in: H ANS M ICHAEL R IEMER /H ANS U LRICH W ALDER /P ETER W EIMAR [Hrsg.], Festschrift für Cyril Hegnauer zum 65. Geburtstag, Bern 1986, S. 657). 2.4. 2.4.1. Materiellrechtlich wird die Familienbesteuerung in der Regel mit dem Begriff der Faktorenaddition umschrieben, was auch in den gesetzlichen Formulierungen zum Ausdruck kommt (vgl. Art. 3 Abs. 3 StHG: "Einkommen und Vermögen der Ehegatten, die in rechtlich und tatsächlich ungetrennter Ehe leben, werden ohne Rück- sicht auf den Güterstand zusammengerechnet ". Ebenso § 21 Abs. 1 StG: "Einkommen und Vermögen von Verheirateten, die in rechtlich und tatsächlich ungetrennter Ehe leben, werden ohne Rücksicht auf den Güterstand zusammengerechnet ". So auch Art. 9 Abs. 1 DBG: "Das Einkommen der Ehegatten, die in rechtlich und tatsächlich ungetrennter Ehe leben, wird ohne Rücksicht auf den Güterstand zusammengerechnet "). Die Definition der Familienbesteuerung als blosse Faktorenaddition, von welcher die Beschwerdeführer aus- gehen, greift aber zu kurz, indem sie dem Umstand, dass der Gesetz- geber die bestehende eheliche Gemeinschaft, solange die Ehegatten tatsächlich zusammenleben, als umfassende Interessengemeinschaft behandelt, unzureichend Rechnung trägt. 2.4.2. Würde sich die materiellrechtliche Familienbesteuerung in der blossen Faktorenaddition erschöpfen, wären die Eheleute abgesehen davon als Individualpersonen zu behandeln. So behandelt der Ge- setzgeber sie indessen gerade nicht, indem er zum einen dort, wo sich die Frage stellt - nämlich insbesondere bei den Abzügen - ei- gene Normen für Ehegatten aufstellt (so etwa § 40 lit. g StG und 2012 Verwaltungsgericht 110 Art. 33 Abs. 1 lit. g DBG) und in Befolgung des Prinzips der Fak- torenaddition "doppelte" Abzüge nur gewährt, wenn er nichts ande- res bestimmt. Hat der Gesetzgeber nichts Ausdrückliches bestimmt, ist somit durch Auslegung zu ermitteln, ob die Familienbesteuerung sich in der blossen Faktorenaddition erschöpft oder in ihren Wirkun- gen darüber hinausgeht. 2.4.3. So schweigt der Gesetzgeber etwa bei der Schuldzinsenabzugs- begrenzung gemäss § 40 lit. a StG (vgl. ebenso Art. 9 Abs. 2 lit. a StHG und Art. 33 Abs. 1 lit. a DBG). Dabei ergibt indessen die Aus- legung, dass dieser Abzug rein vermögensbezogen ist, d.h. ausge- hend von der Basis der Zusammenrechnung des Vermögens der Ehe- gatten gewährt werden soll und damit für beide Ehegatten zusammen nur einmal zur Verfügung steht (und sich nicht etwa bei Ehepaaren auf Fr. 100'000.00 verdoppelt; vgl. dazu ausführlich StE 2004 B 27.2 Nr. 27; D ANIEL A ESCHBACH , in: M ARIANNE K LÖTI -W EBER /D AVE S IEGRIST /D IETER W EBER [Hrsg.], Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, 3. Aufl., Muri-Bern 2009, § 40 N 46). 2.4.4. Das Gleiche muss auch für die hier streitige Bewertung von Aktien gelten, die von Ehegatten gehalten werden. Der Familien- besteuerung liegt, wie dargelegt, der Gedanke einer umfassenden, auch sämtliche ökonomischen Aspekte umfassenden Gemeinschaft zugrunde. Dann ist es aber nur konsequent, von Ehegatten gehaltene Aktienpakete (ebenso wie allfällige weitere, von unter deren elter- licher Sorge stehenden Kindern gehaltene Aktien) schon für die Ver- mögensbewertung als Einheit zu behandeln und nicht erst anschlies- send die Werte der je einzeln bewerteten Aktienpakete zusammenzu- zählen. Für ein solches Vorgehen spricht im Übrigen auch die Selbst- verständlichkeit, mit der der Gesetzgeber bei der Einführung des Teilsatzverfahrens in § 45a StG - die Bestimmung trat am 1. Januar 2007 in Kraft und ist somit hier bereits anwendbar - davon ausge- gangen ist, dass die Schwelle von 10%, ab der die Dividendenprivi- legierung greift, bei verheirateten Personen für beide Ehegatten gemeinsam gilt: Weder in den Vorentwürfen zu den Reformbestim- 2012 Kantonale Steuern 111 mungen noch in den parlamentarischen Debatten oder in der politi- schen Diskussion rund um diese Bestimmungen wurde je die Frage thematisiert, ob für die Privilegierung von Ehegatten die von diesen gehaltenen Beteiligungen zusammenzuzählen seien. Das wurde viel- mehr geradezu als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt (vgl. aber immerhin das vom KStA herausgegebene Merkblatt "Dividendenent- lastung" vom 14. Juli 2008, S. 4 Ziff. 5.2, welches die ausnahms- weise Zusammenrechnung von Beteiligungen bei Ehegatten aus- drücklich vorsieht. Nichts anderes gilt im Übrigen bei den hier noch nicht anwendbaren bundesrechtlichen Normen der Unternehmens- steuerreform II [Art. 20 Abs. 1 bis DBG; Art. 7 Abs. 1 zweiter Satz StHG], die am 1. Januar 2009 in Kraft getreten sind; vgl. dazu jetzt die ausdrückliche Behandlung der Frage im Kreisschreiben Nr. 22 der EStV vom 16. Dezember 2008 Teilbesteuerung der Einkünfte aus Beteiligungen im Privatvermögen und Beschränkung des Schuld- zinsenabzugs Ziff. 2.2.2., wo ebenfalls ausdrücklich die Zusammen- rechnung der Anteile vorgesehen wird). Gerade die Selbstverständ- lichkeit, mit der alle am Gesetzgebungsprozess Beteiligten stets davon ausgingen, dass die von Ehegatten gehaltenen Beteiligungen zusammenzurechnen seien, spricht dafür, die Ehegatten auch in Bezug auf die Besteuerung des Vermögens als Bewertungsgemein- schaft zu behandeln. Dass mit dieser Lösung auch allfälligen Miss- bräuchen - die hier nicht in Frage stehen - vorgebeugt wird, sei dabei nur der Vollständigkeit halber erwähnt.
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2006 Spitalfinanzierung 261 XI. Spitalfinanzierung 51 Geltendmachung des sog. "Sockelbetrages" vom Kanton Aargau. - Zuständigkeit (Erw. I/1). - Anwendbare Verfahrensvorschriften (Erw. I/2). - Bedeutung der Vereinbarung des Kantons mit der Hirslandengruppe über die Zusammenarbeit im Bereich der Herzchirurgie (Art. 49 KVG) (Erw. II). Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 11. April 2006 in Sachen H. gegen den Kanton Aargau. Aus den Erwägungen I. 1. 1.1. Streitgegenstand dieses Klageverfahrens ist die Forderung der Klägerin des so genannten "Sockelbetrages" vom Kanton Aargau, d.h. die Differenzzahlungspflicht des Wohnkantons nach Art. 41 Abs. 3 KVG. Die Klägerin macht unter Berufung auf die Recht- sprechung des Bundesgerichts geltend, der Kanton Aargau sei ver- pflichtet, für die ärztlichen Dienstleistungen in der Klinik Schachen im Zusammenhang mit der Behandlung von P.B. einen Betrag von Fr. 8'700.-- zu bezahlen. Für die Zuständigkeit beruft sie sich auf die Rechtsmittelbelehrung des Departements Bildung, Kultur und Sport (DGS) im Schreiben vom 22. Januar 2003. 1.2. Die sachliche und funktionelle Zuständigkeit hat das Verwal- tungsgericht von Amtes wegen zu prüfen. Eine unrichtige Rechts- mittelbelehrung vermag keine im Gesetz nicht vorgesehene Zustän- digkeit des Verwaltungsgerichts zu begründen (AGVE 1991, S. 376; 2006 Verwaltungsgericht 262 siehe auch BGE 124 III 44 Erw. 1; 120 II 270 Erw. 1 mit Hinweisen; Michael Merker, Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege [Kommentar zu den §§ 38-72 VRPG], Diss. Zürich 1998, § 51 N 7). 1.3. Das Verwaltungsgericht urteilt im Klageverfahren als einzige kantonale Instanz über vermögensrechtliche Streitigkeiten, an denen der Kanton, eine Gemeinde oder eine öffentlich-rechtliche Körper- schaft oder Anstalt des kantonalen oder kommunalen Rechts beteiligt ist, sofern nicht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegeben oder ein Zivilgericht oder ein Spezialrekursgericht zuständig ist (§ 60 Ziff. 3 VRPG). Das Verwaltungsgericht beurteilt ebenfalls im Klageverfahren Streitigkeiten aus öffentlich-rechtlichen Verträgen (§ 60 Ziff. 1 VRPG). 1.4. Die von § 60 Ziff. 3 VRPG geforderte Beteiligung des Kantons und die Subsidiarität zur sachlichen Zuständigkeit der Spezialrekurs- gerichte sind gegeben. 1.5. Die Klägerin fordert vom Kanton Aargau die Bezahlung von Fr. 8'700.--. Dabei handelt es sich ohne Zweifel um eine Streitsache vermögensrechtlicher Natur i.S.v. § 60 Ziff. 3 VRPG. Aus der Begründung der Forderung ergibt sich sinngemäss, dass die Klägerin ihren Anspruch letztlich auch aus dem Vertrag zwi- schen dem Kanton Aargau und der Hirslandengruppe Zürich sowie dem Aargauischen Krankenkassen-Verband von Anfang 2001 (Spi- talvertrag) ableitet. Damit dürfte auch eine Zuständigkeit gestützt auf § 60 Ziff. 1 VRPG gegeben sein, was aber offen bleiben kann, weil jedenfalls die Zuständigkeit i.S.v. § 60 Ziff. 3 VRPG gegeben ist (siehe nachfolgend Erw. 1.6 ff.). 1.6. Es stellt sich die Frage, ob die Voraussetzung der fehlenden sachlichen Zuständigkeit eines Zivilgerichts gegeben ist. Nach dem KVG unterstehen die neben der sozialen Kranken- versicherung angebotenen Zusatzversicherungen dem Privatrecht. 2006 Spitalfinanzierung 263 Streitigkeiten aus Zusatzversicherungen gelten daher als zivilrecht- lich (BGE 124 III 229 Erw. 2b). Die vorliegende Forderungsstreitig- keit betrifft aber keine Auseinandersetzung aus dem Versicherungs- verhältnis, an welchem der Beklagte ohnehin nicht beteiligt ist. Der Anspruch wird vielmehr gestützt auf das öffentliche Recht (KVG) und gestützt auf den Spitalvertrag geltend gemacht. Beim Spitalver- trag handelt es sich um einen verwaltungsrechtlichen Vertrag, der dem öffentlichen Recht untersteht (Gebhard Eugster, Krankenversi- cherung, in: Heinrich Koller / Georg Müller / René Rhinow / Ulrich Zimmerli [Hrsg.], Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Basel / Genf / München 1998, FN 655). Vorliegend besteht daher keine sachliche Zuständigkeit eines Zivilgerichts. 1.7. Zu prüfen ist des Weiteren, ob es sich um eine sozialversiche- rungsrechtliche Streitigkeit handelt, die durch das Versicherungsge- richt zu behandeln ist. 1.7.1. Die Rechtspflege in Sozialversicherungssachen wird im hier vorliegenden Zusammenhang ausgeübt durch das Versicherungsge- richt (§ 1 der Verordnung über die Rechtspflege in Sozialversiche- rungssachen vom 22. September 1964 [SAR 271.131]). § 3 der Ver- ordnung über die Rechtspflege in Sozialversicherungssachen be- stimmt die Zuständigkeit des Versicherungsgerichts im Klageverfah- ren. Die vorliegende Streitigkeit fällt jedoch nicht unter die dort ge- nannten Sachgebiete. 1.7.2. Ergänzend sind auch andere zuständigkeitsbegründende Nor- men in der Bereichsgesetzgebung zu prüfen (§ 1 Abs. 2 VRPG). Ein- schlägig ist dabei das EG KVG. Die §§ 30 ff. EG KVG enthalten Sonderbestimmungen über Rechtsschutz und Zuständigkeit im Bereich des KVG. Gemäss § 31 Abs. 2 EG KVG besteht die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts im Beschwerdeverfahren gegen Verfügungen betreffend die Versicherungspflicht nach Art. 3 KVG. Die Forderung der Klägerin steht in keinem Zusammenhang mit diesem Sachgebiet 2006 Verwaltungsgericht 264 der sozialen Krankenversicherung, weshalb sich die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts nicht direkt auf das EG KVG abstützen lässt. Das Versicherungsgericht ist im Rahmen des KVG zuständig für Streitigkeiten der Versicherer unter sich, mit Versicherten und Dritten (§ 32 Abs. 1 EG KVG). Seine Zuständigkeit erstreckt sich auch auf Streitigkeiten aus Zusatzversicherungen zur obligatorischen Krankenversicherung (§ 32 Abs. 2 EG KVG). Das Bundesgericht hat entschieden, dass ein Kanton in Bezug auf die mit dem vorliegenden Klagethema vergleichbare Differenz- zahlungspflicht trotz seiner einem Versicherer ähnlichen Stellung nicht als Versicherer gilt (BGE 123 V 290 Erw. 3b; 130 V 215 Erw. 5.4). Die Kantone können damit trotz der sozialversicherungs- rechtlichen Natur der hier zur Diskussion stehenden Verpflichtung nicht als Versicherer oder Dritte gelten (vgl. BGE 130 V 215 Erw. 5.4). 1.7.3. Zusammenfassend ist vorliegend keine Zuständigkeit des Versi- cherungsgerichts gestützt auf das EG KVG gegeben. 2. Sodann stellt sich die Frage nach den anwendbaren Verfahrens- vorschriften. 2.1. Die Streitigkeiten über die Anwendung von Art. 49 Abs. 1 KVG und der Streitgegenstand sind im Grundsatz sozialversiche- rungsrechtlicher Natur (vgl. BGE 127 V 422 Erw. 1). Am 1. Januar 2003 ist das ATSG in Kraft getreten. Dieses Ge- setz koordiniert das Sozialversicherungsrecht des Bundes, indem es u.a. ein einheitliches Sozialversicherungsverfahren festlegt und die Rechtspflege regelt (Art. 1 Ingress und lit. b ATSG). Seine Bestim- mungen sind auf die Krankenversicherung anwendbar, soweit das KVG keine Abweichungen vom ATSG vorsieht (Art. 2 ATSG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 KVG). Nach Art. 1 Abs. 1 KVG in der ab 1. Januar 2003 geltenden Fassung sind die Bestimmungen des ATSG auf die Krankenversicherung anwendbar, soweit das KVG nicht ausdrück- 2006 Spitalfinanzierung 265 lich eine Abweichung vorsieht. Sie finden indessen keine Anwen- dung in den in Art. 1 Abs. 2 KVG genannten Bereichen. 2.2. Die Spitalbehandlung des Versicherten P.B. erfolgte vom 14. bis 25. Juni 2002. Es stellt sich somit die Frage der Anwendbarkeit des ATSG in zeitlicher Hinsicht. Nach der Rechtsprechung des Bundes- gerichts sind neue Verfahrensvorschriften - vorbehältlich anders lau- tender Übergangsbestimmungen - in der Regel mit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens sofort und in vollem Umfang anwendbar. Dieser intertemporalrechtliche Grundsatz kommt dort nicht zur Anwendung, wo hinsichtlich des verfahrensrechtlichen Systems zwischen altem und neuem Recht keine Kontinuität besteht und mit dem neuen Recht eine grundlegend andere Verfahrensordnung geschaffen worden ist (BGE 130 V 215 Erw. 3.2 mit Hinweisen). Der Allgemeine Teil des Sozialversicherungsrechts, soweit hier von Bedeutung, enthält ledig- lich eine übergangsrechtliche Regelung formeller Natur. Nach Art. 82 Abs. 2 ATSG haben die Kantone ihre Bestimmungen über die Rechtspflege diesem Gesetz innerhalb von fünf Jahren nach seinem Inkrafttreten anzupassen; bis dahin gelten die bisherigen kantonalen Vorschriften (BGE 130 V 215 Erw. 3.2). 2.3. Die analoge Frage, ob nach Inkrafttreten des ATSG bei Streitig- keiten zwischen Krankenversicherern und Kantonen betreffend die Differenzzahlungspflicht des Gemeinwesens (Art. 41 Abs. 3 Satz 1 KVG) als Verfahrensordnung auf kantonaler Ebene das ATSG, kraft Art. 55 Abs. 1 ATSG das VwVG oder weiterhin nach BGE 123 V 300 Erw. 5 kantonales Recht anzuwenden ist, hat das Bundesgericht in BGE 130 V 215 Erw. 6.1 zunächst offen gelassen, dann aber in ei- nem obiter dictum in dem Sinn geklärt, dass Zuständigkeit und Ver- fahren weiterhin grundsätzlich Sache der Kantone sind (BGE 130 V 215 Erw. 6.3). Damit gilt für das vorliegende Verfahren das VRPG. 3. (...) 2006 Verwaltungsgericht 266 II. 1. 1.1. Die Klägerin stützt ihre Forderung in erster Linie auf Art. 49 Abs. 1 KVG und Art. 1 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes über die Anpassung der kantonalen Beiträge für die innerkantonalen stationä- ren Behandlungen nach dem Bundesgesetz über die Krankenversi- cherung vom 21. Juni 2002 (SR 832.14 [dringliches Bundesgesetz]). Sie macht geltend, die Klinik im Schachen sei ein öffentlich subven- tioniertes Spital, weil der Beklagte Beiträge an die Betriebskosten leiste. Nach dem Urteil des Bundesgerichts vom 30. November 2001 (BGE 127 V 422) sei der sog. Sockelbeitrag auch bei stationärer Be- handlung auf der privaten oder halbprivaten Abteilung in einem öf- fentlich subventionierten Spital oder Abteilung auszurichten, wes- halb für den Spitalaufenthalt ihres zusatzversicherten Versicherungs- nehmers der Beklagte den Kantonsbeitrag schulde. Der Spitalvertrag zwischen dem Beklagten und der Hirslandengruppe enthalte zudem eine vertraglich vereinbarte Kostenbeteiligung des Beklagten an den Betriebskosten der Klinik im Schachen. 1.2. Der Beklagte macht demgegenüber geltend, bei der Klinik im Schachen handle es sich um ein Privatspital, welches zwar auf der Spitalliste des Kantons Aargau aufgeführt sei, aber nicht um ein öf- fentlich subventioniertes Spital. Zudem sei der Sockelbeitrag im konkreten Fall nicht geschuldet, weil im Spitalvertrag nur Ansprüche bzw. Leistungen hinsichtlich der Grundversicherung vereinbart seien. Der Spitalvertrag mit diesem beschränkten Inhalt sei auch für die Klägerin verbindlich. Schliesslich fehle es an einer für die Leis- tungspflicht des Kantons erforderlichen vorgängigen Kostengutspra- che. 2. 2.1. Im Urteil vom 30. November 2001 (BGE 127 V 422) entschied das Eidgenössische Versicherungsgericht, dass sich der Wohnkanton auch bei den Grundversicherten, welche sich mit einer Zusatzversi- cherung ausweisen und in privaten oder halbprivaten Abteilungen öf- 2006 Spitalfinanzierung 267 fentlicher oder öffentlich subventionierter innerkantonaler Spitäler behandelt werden, an den Kosten zu beteiligen hat. Die Kostenbetei- ligung entspricht dem Anteil der in der allgemeinen Abteilung dieses Spitals zu Lasten des Kantons gehenden anrechenbaren Kosten (BGE 127 V 422 Regeste). Art. 49 Abs. 1 KVG bezeichne mit allgemeiner Abteilung nicht den physischen Ort im Spital, sondern der Begriff beziehe sich auf ein funktionales Konzept (BGE 127 V 422 Erw. 4c). Bei stationärer Behandlung in einem öffentlichen oder öffentlich subventionierten Spital oder Abteilung (Art 39 Abs. 1 KVG) des Wohnkantons hätten deshalb alle KVG-Versicherten - unabhängig von weiteren Versicherungsdeckungen - Anspruch auf den Beitrag des Kantons (BGE 127 V 422 Erw. 5; vgl. auch BGE 127 V 409; Be- richt der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates vom 13. Februar 2002, in: BBl 2002, S. 4368 [Kommis- sionsbericht]). Weil bis zu diesem Urteil die Kosten bei innerkantonalem Spi- talaufenthalt in einer Privat- oder Halbprivatabteilung - mit Aus- nahme des von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung ent- richteten Sockelbetrages - von der Zusatzversicherung getragen wor- den waren, hätte der EVG-Entscheid vom 30. November 2001 bei sofortiger Umsetzung eine nicht budgetierte Mehrbelastung der Kantone von schätzungsweise mindestens 700 Millionen Franken zur Folge gehabt. Zur Abfederung dieser Mehrbelastung erliess die Bun- desversammlung das dringliche Bundesgesetz und setzte es rückwir- kend auf den 1. Januar 2002 in Kraft (Art. 3 des dringlichen Bundes- gesetzes; Kommissionsbericht, a.a.O., S. 4368). In Abweichung von Art. 49 Abs. 1 und 2 KVG beteiligen sich die Kantone ab dem 1. Januar 2002 an den Kosten der innerkantonalen stationären Be- handlung in Halbprivat- und Privatabteilungen von öffentlich und öf- fentlich subventionierten Spitälern mit 60 % (ab 2003 mit 80 % [lit. b] und ab 2004 mit 100 % [lit. c]) der von den Versicherern für Kantonseinwohnerinnen und Kantonseinwohner geschuldeten Tarife der allgemeinen Abteilung des jeweiligen Spitals (Art. 1 Abs. 1 lit. a des dringlichen Bundesgesetzes [Fassung vom 21. Juni 2002]). 2.2. 2006 Verwaltungsgericht 268 Dem Urteil des Bundesgerichts vom 30. November 2001 und dem dringlichen Bundesgesetz kann nicht entnommen werden, dass die Kantonsbeiträge auch für den stationären Aufenthalt von zusatz- versicherten Patienten in einem Privatspital geschuldet sind. Das dringliche Bundesgesetz diente lediglich dazu, eine abge- dämpfte Mitfinanzierungsregelung zu erlassen (Kommissionsbericht, a.a.O., S. 4368). Für die Frage, ob der Wohnkanton zur Leistung des Sockelbeitrages verpflichtet ist, ist daher weiterhin auf Art. 49 KVG abzustellen. Höhe des Beitrags und Art der Rechnungsstellung rich- ten sich demgegenüber nach dem dringlichen Bundesgesetz. Das geltende Krankenversicherungsgesetz folgt dem System der Objektfinanzierung. Kanton und Gemeinden einerseits und die Krankenversicherer andererseits beteiligen sich an der Finanzierung des stationären Spitalbereichs, wobei die Kantone die Investitions- kosten mit mindestens 50 % der anrechenbaren Betriebskosten und zusammen mit den Gemeinden die Defizite der öffentlichen und öf- fentlich subventionierten Spitäler tragen. Die Krankenversicherer ih- rerseits übernehmen bis zu 50 % der anrechenbaren Betriebskosten (Art. 49 Abs. 1 KVG). Diese Bestimmungen beziehen sich auf die öffentlichen und öffentlich subventionierten Spitäler. Eine Gleichbe- handlung der privaten Spitäler mit den öffentlichen und öffentlich subventionierten Spitälern ist im Gesetz somit nicht vorgesehen. Zu- satzversicherte, die sich in nicht subventionierte Privatspitäler bege- ben, haben daher - entgegen der Auffassung der Klägerin - keinen Anspruch auf einen Kantonsbeitrag. Es verhält sich hier gleich wie bei der Differenzzahlungspflicht des Wohnkantons bei ausserkantonaler Hospitalisation gemäss Art. 41 Abs. 3 KVG: Diese entfällt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wenn sich ein Versicherter in einem privaten, nicht öffentlichen oder öffentlich subventionierten Spital stationär behan- deln lässt (BGE 130 V 479 Erw. 5.3.3 = Pra 94/2005, S. 1045; 123 V 310 Erw. 4 = Pra 87/1998, S. 537). Das dringliche Bundesgesetz vom 21. Juni 2002 beschränkt sich auf die Regelung des Kantonsbeitrags für die stationäre Behandlung in den öffentlichen und öffentlich sub- ventionierten Spitälern (Art. 1 Abs. 1 des dringlichen Bundesgeset- zes). Die Aufhebung des Unterschieds zwischen den Subventions- 2006 Spitalfinanzierung 269 und Vergütungsregeln in der Krankenversicherung ist Teil der lau- fenden Revisionsvorhaben zum KVG (vgl. die Botschaft betreffend die Änderung des KVG [Spitalfinanzierung] vom 15. September 2004, in: BBl 2004, S. 5566 ff.; Teilrevision des KVG, Teil Spitalfi- nanzierung, Erläuternder Bericht, S. 16). Zu prüfen ist daher, ob die Klinik im Schachen ein öffentlich subventioniertes Spital ist, wie dies von der Klägerin geltend ge- macht wird. 2.3. 2.3.1. Nach den gesetzlichen Finanzierungsgrundsätzen im obligatori- schen Krankenversicherungsbereich (Art. 49 KVG) gilt ein privates Spital nur dann als öffentlich subventioniert, wenn es vom Kanton über einen Leistungsauftrag verfügt und Beiträge an die Betriebs- kosten erhält. Die (alleinige) Übernahme von Investitionskosten stellt demgegenüber keine Subventionierung dar (Eugster, a.a.O., Rz. 303). Nach dem Grundsatzentscheid des Bundesrates vom 26. März 1997 in Sachen X. gegen den Kanton Aargau (Tarife der Aargauer Rheuma- und Rehabilitationskliniken) liegt eine öffentlich subventionierte Privatklinik nur vor, wenn der Standortkanton der Klinik nach kantonalem Recht Betriebsbeiträge gewährt (Entscheid des Bundesrates vom 26. März 1997, in: Rechtsprechung und Ver- waltungspraxis der Kranken- und Unfallversicherung [RKUV] 4/1997, S. 236; Entscheid des Bundesrates vom 29. April 1998, in: RKUV 4/1998, S. 270). 2.3.2. Die Subventionierung der aargauischen Spitäler regelt seit 1. Januar 2004 das Spitalgesetz vom 25. Februar 2003 (SpiG; SAR 331.200). Dieses unterscheidet bei der Abgeltung durch den Kanton zwischen den Investitionsbeiträgen (§§ 14 f. SpiG) und der Leistungsfinanzierung (§ 16 ff. SpiG) und schliesst die Privatspitäler von Investitionsbeiträgen ausdrücklich aus (§ 1 Abs. 3 SpiG). Vor Inkrafttreten des SpiG war die Spitalfinanzierung im Gesetz über den Bau, Ausbau und Betrieb sowie die Finanzierung der Spitäler und Krankenheime vom 19. Oktober 1971 (Spitalgesetz; SAR 331.100) geregelt und bildete die gesetzliche Grundlage für die öffentliche 2006 Verwaltungsgericht 270 Subventionierung der Spitäler. Dieses Gesetz bestimmte als öffentli- che und öffentlich subventionierte Spitäler die in § 4a (Fassung vom 5. September 1995) aufgeführten beitragsberechtigten Leistungser- bringer. Mit Inkrafttreten des SpiG wurde diese Bestimmung in Be- zug auf die Spitäler aufgehoben und gilt nur noch für die dort aufge- führten Kranken- und Pflegeheime (§ 26 SpiG). Die Klinik im Scha- chen ist weder im SpiG noch im Spitalgesetz unter den vom Kanton subventionierten Spitälern aufgeführt. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Klinik im Schachen keinen gesetzlichen Subventionsanspruch besitzt. 2.3.3. Zwischen dem Kanton Aargau und der Hirslandengruppe Zü- rich bestehen seit 1994 vertragliche Vereinbarungen über die Zu- sammenarbeit im Gesundheitswesen. Anfangs 2001 haben der Kan- ton Aargau, die Hirslandengruppe Zürich sowie der Aargauische Krankenkassen-Verband einen neuen Vertrag über die Zusammenar- beit im Bereich der Herzchirurgie und Radiofrequenzablation sowie die Abgeltung der Leistungen mit Wirkung ab 1. Januar 2000 abge- schlossen (siehe vorne Erw. I/1.5). Der Spitalvertrag gilt für die sta- tionäre Behandlung von allgemein versicherten Patienten und Patien- tinnen mit Wohnsitz im Kanton Aargau für herzchirurgische Ein- griffe (mit Ausnahmen) und für die Radiofrequenzablation. Gemäss dessen Ziff. 4.1 verrechnet die Klinik im Schachen für die erbrachten Leistungen eine Fallpauschale, welche im Anhang vereinbart ist, di- rekt den Krankenversicherern und dem Kanton. Die Fallpauschalen umfassen insbesondere den Spitalaufenthalt (inkl. die notwendige Intensivpflege), alle notwendigen präoperativen diagnostischen Un- tersuchungen, alle ärztlichen und medizinischen Leistungen, die In- frastrukturkosten usw., welche unmittelbar mit dem Spitalaufenthalt der Patienten oder mit der medizinischen Behandlung im Zusam- menhang stehen. Die Klinik im Schachen wurde mit dieser Leistungsvereinba- rung im Spitalvertrag in die Spitalliste des Kantons Aargau (Art. 39 Abs. 1 lit. e KVG) aufgenommen. Die Spitalliste des Kantons Aar- gau enthält eine Unterteilung in Kategorien, welche die angebotenen medizinischen Spezialitäten und die Aufgaben eines Spitals im Rah- 2006 Spitalfinanzierung 271 men der kantonalen Spitalplanung umschreiben. Die Aufnahme eines Privatspitals in die Spitalliste bedeutet indessen grundsätzlich noch keine Leistungs- bzw. Beitragspflicht des Kantons (vgl. Entscheid des Bundesrates vom 26. März 1997, a.a.O., S. 233 f.; Spitalliste des Kantons Aargau, S. 3 ff. [http://www.ag.ch/gesundheitsversorgung/ shared/dokumente/pdf/spitalliste_05.pdf]). Der Spitalvertrag begründet somit keinen vertraglichen An- spruch der Klinik im Schachen auf öffentliche Subventionen. 2.4. Der Spitalvertrag beschränkt sich auf die Regelung der herz- chirurgischen Behandlungskosten an Patienten, die obligatorisch krankenversichert sind. Nach Auffassung des Beklagten geht es um patientenbezogene Beiträge für eine spezielle Behandlung von grundversicherten Patientinnen und Patienten. Nur in diesem spezi- ellen Segment nehme die Klinik im Schachen eine Versorgungsauf- gabe im aargauischen Gesundheitswesen wahr. 2.4.1. Die Klinik im Schachen war 2002 und ist heute noch in der Spitalliste des Kantons Aargau als Institution mit Zulassung von Pa- tienten in der Halbprivat- und Privatabteilung sowie mit dem be- schränkten Leistungsauftrag in der Herzchirurgie zu Lasten der obli- gatorischen Krankenpflegeversicherung aufgeführt. Im Rahmen der Spitalplanung des Kantons sind der Klinik im Schachen keine Betten zugewiesen (vgl. Spitalkonzeption vom 29. Juni 1998, S. 6 [http://www.ag.ch/gesundheitsversorgung/shared/dokumente/pdf/spi- talkonzeption.pdf]; Revision der Spitalkonzeption 2005, Ersatz Ka- pitel 9, Leistungsauftrag für die Akutspitäler, August 1999, S. 3 f. [http://www.ag.ch/gesundheitsversorgung/shared/dokumente/pdf/ka- pitel9.pdf]). Die Spitalliste legt die anwendbare Tarifierung und den Tarifschutz nicht fest und umschreibt die Leistungen, welche die Halbprivat- und Privatabteilungen anbieten, nicht. Die Aufnahme ei- nes Leistungsauftrages in die Spitalliste des Kantons Aargau bedeutet nicht, dass die Spitäler verpflichtet werden, bestimmte Leistungen zu erbringen (vgl. Entscheid des Bundesrates vom 12. Februar 1999 in Sachen Spitalliste des Kantons Aargau, zitiert in: Revision der Spitalkonzeption 2005, Ersatz Kapitel 9, a.a.O., S. 4). 2006 Verwaltungsgericht 272 2.4.2. Zu beachten ist nun allerdings, dass der Spitalvertrag mit der Klinik im Schachen für die herzchirurgischen Patienten mit Wohnsitz im Kanton die Koordination der medizinischen-pflegerischen Be- treuung gewährleistet. Aus den Materialien im Zusammenhang mit Genehmigung des Spitalvertrages durch den Grossen Rat ergibt sich, dass die Kooperation mit der Klinik im Schachen zur Sicherstellung der Versorgung in der Herzchirurgie und damit in Erfüllung von § 41 Abs. 1 KV im Jahr 1994 begonnen hat und eine erste Vereinbarung zu diesem Zweck abgeschlossen wurde. Der Kanton entschloss sich infolge von Kapazitätsengpässen und zur Sicherstellung der Gesund- heitsversorgung der Kantonseinwohner in der Herzchirurgie für ei- nen Zusammenarbeitsvertrag mit dem Universitätsspital Basel und der Klinik im Schachen unter Verzicht auf einen Vollausbau der Herzchirurgie am Kantonsspital Aarau oder eine vertraglich abgesi- cherte Versorgung in andern ausserkantonalen Zentren (vgl. Bot- schaft des Regierungsrates des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 2. März 1994, S. 9 ff.). Mit dem Abschluss dieser beiden Ver- träge steht einem grundversicherten Patienten das Wahlrecht zu (Art. 41 Abs. 1 KVG). Der Spitalvertrag hat die ursprüngliche Grundlage nicht verän- dert; vielmehr werden mit diesem Vertrag weiterhin die Vorausset- zungen für die angemessene medizinische Versorgung der Bevölke- rung geschaffen. Mit dem Spitalvertrag wird demgemäss und in An- wendung von Art. 39 Abs.1 lit. d KVG für den Bereich der Herz- chirurgie und der Radiofrequenzablation die bedarfsgerechte statio- näre Spitalversorgung der Kantonseinwohner gewährleistet. Die Kli- nik im Schachen ist in diesem medizinischen Leistungssegment eine Leistungserbringerin, welche innerhalb des Kantonsgebiets und für die Kantonseinwohner eine definierte Aufgabe zulasten der sozialen Krankenversicherung im Auftrag des Kantons wahrnimmt. In der Spitalliste ist die Klinik im Schachen mit der Leistungs- vereinbarung für Herzchirurgie (exkl. thorakale Gefässe, Transplan- tationen und Kinderherzchirurgie) auch ausdrücklich aufgeführt (Spitalliste des Kantons Aargau, a.a.O., S. 14 ["Bemerkungen"]). 2006 Spitalfinanzierung 273 Damit ist die Klinik im Schachen für diesen spezifischen Leistungs- auftrag auch ausdrücklich zugelassen (Art. 39 Abs. 1 lit. e KVG). Aus diesen Erwägungen folgt, dass die Klinik im Schachen für die herzchirurgischen Eingriffe an Patienten mit Wohnsitz im Kanton Aargau Teil der kantonalen Spitalplanung und Grundversorgung bil- det. Aufgrund des Spitalvertrages ist diesen Patienten und Patientin- nen die Wahl zwischen dem Universitätsspital Basel und der Klinik im Schachen möglich. Ein gleichwertiges medizinisches Angebot ei- nes andern, öffentlichen oder öffentlich subventionierten Leistungs- erbringers besteht für die im Spitalvertrag und im Spitalabkommen mit dem Kanton Basel Stadt vereinbarte herzchirurgische Behand- lung nicht. Die Auffassung der Beklagten, dass die Klinik im Schachen nur im Bereich der herzchirurgischen Behandlung einen Versorgungs- auftrag besitzt, ist somit zutreffend. Zu prüfen ist, ob der kantonale Anteil an der Fallpauschale im Spitalvertrag für die herzchirurgi- schen Leistungen als Subventionen im Sinne von Art. 49 KVG zu qualifizieren ist. 2.4.3. Der Gesetzeswortlaut von Art. 49 Abs. 1 KVG lässt nicht darauf schliessen, dass objekt- und fallbezogene Betriebsbeiträge unter- schiedlich zu behandeln sind. Die Kantone besitzen eine finanzielle Verantwortung für die stationären Infrastrukturen, die sie errichtet oder zumindest gefördert haben. Im vorliegend streitigen Fall handelt es sich um eine Spitalbehandlung im stationären Leistungsbereich, der vom Kanton durch finanzielle Beiträge gefördert wird. Dabei handelt es sich um einen vom Regierungsrat genehmigten Tarif (Fallpauschalen) und somit um Betriebsbeiträge. Es ist nicht zu übersehen, dass Art. 49 KVG zur Folge hat, dass die Kantone als Leistungserbringer zugelassene Spitäler entweder gar nicht subventionieren dürfen oder dann mit mindestens 50% sub- ventionieren müssen. Es kann aber nicht sein, dass sich ein Kanton dieser Regelung entzieht, indem er fallbezogene Betriebsbeiträge ausrichtet. Ziel der Regelung von Art. 49 Abs. 1 KVG ist es, die öf- fentlich subventionierten Spitalträger zu veranlassen, koordiniert zu planen, zu investieren und zu wirtschaften, indem diese einen spür- 2006 Verwaltungsgericht 274 baren Teil der Kostenfolgen mitzutragen haben, welche sie selber verursachen. Mit der auf maximal 50 % der anrechenbaren Kosten festgelegten Deckungsquote für die Krankenversicherung sollte einer in den vergangenen Jahren geübten Praxis ein Riegel geschoben werden, wonach die öffentliche Hand zunehmend dazu übergegan- gen sei, die hohen Spitalkosten, die bis zu einem gewissen Grad auch aus Fehlplanungen und Fehlbelegungen resultierten, der sozialen Krankenversicherung zu überwälzen (Botschaft über die Revision der Krankenversicherung vom 6. November 1991, in: BBl 1992, S. 185). Dieses Ziel würde auch unterlaufen, wenn sich die Kantone durch die Wahl der Art der Betriebsbeiträge der Pflicht zur Leistung des Sockelbeitrags entziehen könnten. Dabei ist gleichgültig, dass der Kanton die Betriebsbeiträge nicht aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung, sondern einer freiwilligen Vereinbarung leistet. Für eine solche Differenzierung findet sich weder im Gesetzestext noch in der Botschaft eine Stütze. Es läuft auf eine Umgehung des Geset- zeszwecks hinaus, wenn Spitälern die gesetzliche Subventionsbe- rechtigung nicht gewährt oder aufgehoben werden könnte und diese durch freiwillige Beiträge ersetzt würde, um der Pflicht zur Leistung eines Sockelbeitrags zu entgehen. Die Gewährung freiwilliger Bei- träge durch den Kanton ist anders zu behandeln als der Fall, in dem einem Leistungserbringer die Subventionen definitiv gestrichen wer- den und der nur dann als missbräuchlich anzusehen ist, wenn etwa die Privatisierung eines Spitals aus rein tariflichen Gründen zwecks Umverteilung der Kosten erfolgt (Entscheid des Bundesrates vom 29. April 1998, a.a.O., S. 275). Nach Auffassung der Gerichtsmehrheit ist die herzchirurgische Abteilung der Klinik im Schachen daher ein partiell öffentlich sub- ventionierter Leistungserbringer. Unter diesen Umständen hat der Beklagte gemäss Art. 1 Abs. 1 des dringlichen Bundesgesetzes (Fas- sung vom 21. Juni 2002) den Kantonsbeitrag für die Behandlung von P.B. in der Klinik im Schachen zu entrichten. Einer Minderheit des Gerichts geht diese Schlussfolgerung aus dem partiellen Einkauf von Spitalleistungen mit Leistungspauschalen angesichts des beschränkten Inhalts der Vereinbarungen im Spital- 2006 Spitalfinanzierung 275 vertrag zu weit. Sie hätte am grundsätzlichen Ausschluss der Ko- stenübernahme durch den Kanton in der allgemeinen Abteilung eines Privatspitals festgehalten (BGE 130 V 479 Erw. 5.3 und 5.4 = Pra 94/2005, S. 1044 ff.), die Leistungspflicht des Beklagten aber nach den Grundsätzen der freien Wahl des Leistungserbringers (Art. 41 Abs. 1 Satz 1 KVG), der Austauschbefugnis der Zusatzversicherten (BGE 130 I 306 Erw. 2.2; 126 III 345 Erw. 3; 120 V 280 Erw. 4a; Eugster, a.a.O., Rz. 218 und 325) und in analoger Anwendung von Art. 49 Abs. 1 und Art. 41 Abs. 3 KVG bejaht.
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AG_VG_001
AG_VG
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Northwestern_Switzerland
AG_VG_001_AGVE-2006-51_2006-04-04
http://agve.weblaw.ch/html//AGVE-2006-51.html
https://agve.weblaw.ch/pdf/AGVE-2006-51.pdf
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2010 Verwaltungsgericht 142 [...] 27 Zonenkonformität von Kindertagesstätten in einer Wohnzone. Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 26. Januar 2010 in Sachen X. und Y. gegen Kantonsspital Aarau AG (WBE.2008.252). Aus den Erwägungen 1. Die Beschwerdegegnerin betreibt auf den Liegenschaften Westallee 9 (Parzelle Nr. 1205) und Westallee 13 (Parzelle Nr. 1206) zwei Kindertagesstätten. Beide Gebäude wurden zuvor als Personal- häuser genutzt. Die jetzt eingerichteten Kindertagesstätten sind von 6.30 Uhr bis 19.00 Uhr geöffnet. Abends, an Samstagen sowie an Sonn- und Feiertagen sind sie geschlossen. Die Kinder werden zwi- schen 6.30 Uhr und 9.00 Uhr gebracht und zwischen 16.00 Uhr und 19.00 Uhr abgeholt. Die Kinder in der Liegenschaft Westallee 9 sind im Kindergarten- und Primarschulalter. An der Westallee 13 werden Kinder von drei Monaten bis und mit viertem Lebensjahr betreut. Die Westallee 9 hat zehn Plätze, an der Westallee 13 können 14 Kin- der betreut werden. Beide Kindertagesstätten verfügen über einen Garten, wobei ein Zaun die beiden angrenzenden Gärten trennt. Im Garten der Westallee 9 befanden sich zum Zeitpunkt des verwal- tungsgerichtlichen Augenscheins vom 24. August 2009 zwei Fuss- balltore, ein Sandplatz sowie ein Partyzelt mit drei Bänken, welches gemäss der Leiterin der Kindertagesstätten im Herbst entfernt wer- 2010 Bau-,Raumentwicklungs-u.Umweltschutzrecht 143 den sollte. Ferner befanden sich eine "Experimentierküche", ein von den Kindern angelegter Kräutergarten sowie verschiedene Autoreifen auf der Nordseite des Gebäudes. Der Garten der Westallee 13 war ausgerüstet mit einer Rutschbahn, einem Trampolin, einem Sandplatz sowie einer Schaukel. Die Beschwerdegegnerin verfügt über eine dritte Kindertagsstätte an der Westallee 19 (östlich der Westallee 13). Die Gärten der drei Kindertagesstätten sind durch einen Zaun getrennt. Die Kinder können jedoch (mit Erlaubnis der Betreu- ungsperson) von einer zur anderen Liegenschaft zirkulieren. Die Parzelle Nr. (...) der Beschwerdeführer grenzt unmittelbar nördlich an die Parzelle Nr. 1205 (Westallee 9). 2. Die umgenutzten Liegenschaften befinden sich gemäss Zonen- plan der Stadt Aarau vom 11. Mai 1981 / 11. September 1984 (Stand September 2007) in der Wohnzone W3 bis , welche der Empfindlich- keitsstufe II zugeordnet ist. Gemäss § 6 Abs. 1 der Bau- und Nut- zungsordnung (BNO) der Stadt Aarau vom 24. März 2003 / 25. Juni 2006 sind Wohnzonen in erster Linie für Wohnbauten bestimmt. Der Anteil der Wohnnutzung an der realisierten Bruttogeschossfläche hat in den Zonen E, W2, W3 und W3 bis mindestens 60 % zu betragen (§ 6 Abs. 3 BNO). 3. 3.1.-3.3. (...) 3.4. Zu prüfen ist, ob der Gemeinderat § 6 BNO richtig angewandt hat. Geht es, wie hier, um die Anwendung einer kommunalen Be- stimmung, muss berücksichtigt werden, dass die Gemeinden bei der Ausscheidung und Definition der verschiedenen Zonen (§ 13 Abs. 1, § 15 Abs. 1 und Abs. 2 BauG) aufgrund von § 106 KV verfassungs- rechtlich geschützte Autonomie geniessen; hierin eingeschlossen ist die Anwendung des autonomen Gemeinderechts. Daraus folgt, dass sich das Verwaltungsgericht bei der Überprüfung einschlägiger ge- meinderätlicher Entscheide zurückzuhalten hat, zumindest soweit es bei den zu entscheidenden Fragen um rein lokale Anliegen geht und weder überörtliche Interessen noch überwiegende Rechtsschutz- anliegen berührt werden. Die Gemeinde kann sich in solchen Fällen 2010 Verwaltungsgericht 144 bei der Auslegung kommunalen Rechts insbesondere dort auf ihre Autonomie berufen, wo eine Regelung unbestimmt ist und verschie- dene Auslegungsergebnisse rechtlich vertretbar erscheinen. Die kantonalen Rechtsmittelinstanzen sind hier gehalten, das Ergebnis der gemeinderätlichen Rechtsauslegung zu respektieren und nicht ohne Not ihre eigene Rechtsauffassung an die Stelle der gemein- derätlichen zu setzen. Die Autonomie der Gemeindebehörden hat je- doch auch in diesen Fällen dort ihre Grenzen, wo sich eine Aus- legung mit dem Wortlaut sowie mit Sinn und Zweck des Gesetzes nicht mehr vereinbaren lässt (AGVE 2001, S. 299 f. mit Hinweis). 3.5. 3.5.1. Wohnzonen sind hauptsächlich für Wohnbauten bestimmt (§ 15 Abs. 2 BauG i.V.m. § 6 Abs. 1 BNO). Ein bundesweit einheitlicher Begriff der Wohnnutzung existiert nicht. Die Wohnnutzung kann in erster Linie als eine Reihe verschiedener Zwecke und Tätigkeiten be- schrieben werden, zu denen etwa Erholung, Schlafen, Essen und Hausarbeit gezählt werden. Darüber hinaus werden der Wohnnut- zung auch Einrichtungen für die Freizeitbeschäftigung und andere Nutzungen zugerechnet, sofern diese einen hinreichenden Bezug zum Wohnen aufweisen (AGVE 2001, S. 301 mit Hinweis; Bernhard Waldmann / Peter Hänni, Raumplanungsgesetz, Bundesgesetz vom 22. Juni 1979 über die Raumplanung [RPG], Bern 2006, Art. 22 N 25). 3.5.2. Zu prüfen ist zunächst, ob der Betrieb der Kindertagesstätten unter den Begriff der Wohnnutzung fällt. Entscheidend ist, was die Kindertagesstätten bezwecken und welche Tätigkeiten sie umfassen. Die Kinder der Kindertagesstätte verbringen entweder den gan- zen oder den halben Tag in den Kindertagesstätten. Sie essen, schla- fen, spielen und teilweise besuchen sie den Kindergarten oder die Schule. Insofern kann die Nutzung der Kindertagesstätten in Über- einstimmung mit den Vorinstanzen durchaus als Wohnnutzung ange- sehen werden, zumal die Kinder - wie die Vorinstanz zutreffend aus- führt - die gleichen Aktivitäten ausüben wie im Elternhaus. Die Be- schwerdeführer erklären denn auch nicht, dass die Tätigkeiten der 2010 Bau-,Raumentwicklungs-u.Umweltschutzrecht 145 Kinder nicht dem Zweck der Wohnzone entsprechen ("Die Vorin- stanz erachtet Kinderhorte und Kinderspielplätze in der Wohnzone als zonenkonform. Im Grundsatz ist dies richtig."). Die Beschwerde- führer stören sich vielmehr daran, dass nicht Quartierkinder betreut werden, sondern die Kinder von Angestellten der Beschwerde- gegnerin. Woher die betreuten Kinder kommen, spielt jedoch bei der Beurteilung der Frage, ob es sich um eine Wohnnutzung oder eine gewerbliche Nutzung handelt, keine entscheidende Rolle. Massge- bend ist, dass die Kinder denjenigen Tätigkeiten nachgehen, die dem Charakter der Wohnnutzung vollumfänglich entsprechen. Spiel und Bewegung sind feste Elemente im Tagesrhythmus eines Kindes, weshalb Geräusche spielender Kinder mit der Wohnnutzung un- trennbar verbunden sind. Entgegen der Ansicht der Beschwerdefüh- rer, fehlt es einer Kindertagestätte auch nicht am Element der Dauer. Zwar sind nicht jeden Tag die gleichen Kinder anwesend. Es handelt sich aber auch nicht um eine stundenweise Betreuung von immer wechselnden Kindern. Aufgrund der vorgeschriebenen Mindestbe- treuungsverhältnisse ist jedes Kind durchschnittlich zwei Tage bzw. vier Halbtage pro Woche anwesend und dies während eines längeren Zeitraums. Es ist folglich durchaus gerechtfertigt, von einer auf eine gewisse Dauer ausgerichteten Wohnnutzung zu sprechen, auch wenn sich diese auf den Tag beschränkt. Dementsprechend werden Kinder- tagesstätten in der Wohnzone nach der Praxis der Stadt Aarau gene- rell bewilligt ([...]: in der Wohnzone befinden sich [teilweise] das [...] mit 60 Plätzen, die [...] mit 34 Plätzen, die [...] mit 24 Plätzen sowie die [...] mit 12 Plätzen). Hinzu kommt, dass dem Betrieb der Kindertagesstätten im konkreten Fall die Absicht zur Gewinnerzie- lung fehlt. Die Kinderkrippen werden betrieben, um die Kinder der Mitarbeiter der Beschwerdegegnerin während der Arbeitszeit zu be- treuen. Es steht somit ein soziales Motiv und nicht ein Erwerbszweck im Vordergrund. Es liegt deshalb kein Gewerbebetrieb, sondern eine soziale Einrichtung vor, deren Betrieb einer Wohnnutzung entspricht. 3.5.3. Zusammenfassend erscheint es vor dem Hintergrund der kom- munalen Autonomie haltbar, wenn der Stadtrat von einer Wohnnut- zung ausgeht. Qualifiziert man den Betrieb der Kindertagesstätten als 2010 Verwaltungsgericht 146 Wohnnutzung, bedarf es keines funktionalen Zusammenhangs zwi- schen dem Betrieb der Kindertagesstätte und der übrigen Wohnnut- zung. Ein funktionale Betrachtungsweise ist von vornherein nur bei Gewerbebetrieben erforderlich (Waldmann / Hänni, a.a.O., Art. 22 N 26). 4. Die Beschwerdeführer erachten das Bauvorhaben auch unter lärmschutzrechtlichen Gesichtspunkten als nicht bewilligungsfähig. 4.1. 4.1.1. Gemäss Art. 74 Abs. 1 BV erlässt der Bund Vorschriften über den Schutz des Menschen und seiner natürlichen Umwelt vor schäd- lichen und lästigen Einwirkungen; er sorgt dafür, dass solche Einwir- kungen vermieden werden (Art. 74 Abs. 2 Satz 1 BV). Diesem Auf- trag ist mit dem Erlass des USG und der einschlägigen Ausführungs- verordnungen entsprochen worden. Einwirkungen im Sinne von Art. 74 Abs. 1 BV sind insbeson- dere Luftverunreinigungen, Lärm, Erschütterungen, Strahlen sowie Verunreinigungen des Bodens, die durch den Bau oder Betrieb von Anlagen oder den Umgang mit Stoffen oder Abfällen erzeugt werden (Art. 7 Abs. 1 USG). Gemäss der Rechtsprechung geht es dabei nicht nur um den Lärm technischen Ursprungs; der unmittelbar mit dem Betrieb einer Anlage verbundene Verhaltenslärm von Menschen und Tieren wird ebenfalls erfasst (BGE 123 II 79 = Pra 86/1997, S. 561 mit Hinweisen). Auf solchen Lärm sind das USG und die LSV eben- falls anwendbar (Christoph Zäch / Robert Wolf, Kommentar zum Umweltschutzgesetz, 2. Auflage, Zürich 2004, Art. 15 N 40 [nachfol- gend Bearbeiter, Kommentar USG]; BGE 123 II 79 = Pra 86/1997, S. 561 mit Hinweis; AGVE 1999, S. 272 mit Hinweis auf den Ent- scheid des Verwaltungsgerichts vom 28. Mai 1991, in: URP 6/1992, S. 155 ff. betreffend einen Kinderspielplatz). 4.1.2. Das USG will, entsprechend dem Verfassungsauftrag (Art. 74 Abs. 1 BV), den Menschen und seine natürliche Umwelt gegen schädliche und lästige Einwirkungen schützen (Art. 1 Abs. 1 USG; siehe dazu Schrade / Loretan, Kommentar USG, Art. 11 N 3, 16, 2010 Bau-,Raumentwicklungs-u.Umweltschutzrecht 147 16a). Das USG will dabei kein Verhinderungs-, sondern ein Mass- nahmengesetz sein, das seinem Konzept nach die Quellen der Um- weltbelastung nicht als solche in Frage stellt; die Nachfrage soll nicht untersagt, sondern befriedigt werden, wobei aber gleichzeitig die den Umweltschutzanforderungen entsprechenden Vorkehren getroffen werden sollen (Pra 80/1991, S. 179; BGE 124 II 233). In diesem Sin- ne sind Einwirkungen, die schädlich oder lästig werden könnten, un- abhängig von der bestehenden Umweltbelastung frühzeitig so weit zu begrenzen, als dies technisch und betrieblich möglich und wirt- schaftlich tragbar ist (sog. Vorsorgeprinzip gemäss Art. 1 Abs. 2 und Art. 11 Abs. 2 USG; Art. 7 Abs. 1 lit. a und Art. 8 Abs. 1 LSV; siehe BGE 126 II 305 ff. und 118 Ib 238 sowie AGVE 1999, S. 272 f., je mit Hinweisen). Allerdings gibt es Geräusche, die nicht mit emis- sionsbeschränkenden Massnahmen reduziert werden können, ohne dass damit der eigentliche Zweck der Tätigkeit in Frage gestellt wür- de. Dazu sind auch kindliche Lautäusserungen beim Spiel im Freien zu zählen. Solche Geräusche können nicht völlig verboten, sondern im Wesentlichen nur einschränkenden Betriebszeiten unterstellt wer- den, wobei eine Interessenabwägung zwischen dem Ruhebedürfnis der Bevölkerung und dem Interesse an der lärmverursachenden Tätigkeit vorzunehmen ist (Entscheid des Verwaltungsgerichts Zü- rich vom 8. April 2004 [VB.2004.00035], Erw. 4.1; BGE 126 II 369). 4.1.3. Auf einer zweiten Stufe setzt das USG bei den Immissionen an: Die Emissionsbegrenzungen werden verschärft, wenn feststeht oder zu erwarten ist, dass die Einwirkungen unter Berücksichtigung der bestehenden Umweltbelastung schädlich oder lästig werden (Art. 11 Abs. 3 USG). Als Massstab für die Beurteilung der schädlichen oder lästigen Einwirkungen dienen Immissionsgrenzwerte (Art. 13 - 15 USG). Der Bundesrat hat solche Immissionsgrenzwerte für den Strassenverkehrslärm, den Eisenbahnlärm, den Lärm der Regional- flughäfen und Flugfelder, den Industrie- und Gewerbelärm, den Lärm von Schiessanlagen sowie den Lärm von Militärflugplätzen festgelegt (Anhänge 3-8 zur LSV); für den Lärm öffentlicher Ein- richtungen wie Schul- und Sportanlagen tat er dies nicht. 2010 Verwaltungsgericht 148 4.2. Die streitbetroffenen Kindertagesstätten bzw. die dazugehörigen Kinderspielplätze stellen unbestrittenermassen ortsfeste Anlagen im Sinne von Art. 7 Abs. 7 USG dar, durch deren Betrieb Lärmimmis- sionen verursacht werden. 4.3. Die Lärmimmissionen ortsfester Anlagen sind grundsätzlich anhand der vom Bundesrat festgelegten Belastungsgrenzwerte zu be- urteilen. Für die Lärmbelastung durch Begegnungs- und Kinder- spielplätze hat er keine Grenzwerte festgelegt. Fehlen Belastungs- grenzwerte, so beurteilt die Vollzugsbehörde die Lärmimmissionen im Einzelfall anhand der Kriterien, die den gesetzlichen Belastungs- grenzwerten (Planungs-, Immissions- und Alarmwerte) zu Grunde liegen (vgl. Art. 15, 19 und 23 USG). In der hier interessierenden Zone mit Empfindlichkeitsstufe II entspricht den Planungswerten ein Immissionsniveau, bei dem nach richterlicher Beurteilung höchstens geringfügige Störungen auftreten dürfen (BGE 126 II 368 ff. mit Hinweisen; 123 II 335; BGE vom 4. März 2002 [1A.73/2001], in: URP 16/2002, S. 105). Das Ausmass der Störung hängt ab vom Cha- rakter des Lärms, dem Zeitpunkt und der Häufigkeit seines Auf- tretens sowie von der Lärmempfindlichkeit bzw. Lärmvorbelastung der Zone, in der die Immissionen auftreten. Aufgrund richterlicher Erfahrung ist zu beurteilen, ob eine unzumutbare Störung vorliegt. Dabei ist nicht auf das subjektive Lärmempfinden einzelner Personen abzustellen, sondern eine objektivierte Betrachtung unter Berück- sichtigung von Personen mit erhöhter Empfindlichkeit (Art. 13 Abs. 2 USG) vorzunehmen (BGE 126 II 368 ff. mit Hinweisen; 123 II 335; BGE vom 4. März 2002 [1A.73/2001], in: URP 16/2002, S. 105). Allein der Umstand, dass sich einige wenige Nachbarn durch den Lärm belästigt fühlen, belegt also noch keine unzulässige Lärmbelastung (BGE 123 II 86). 4.3.1. Die Beschwerdeführer beantragen die "Beiziehung" einer Lärm- prognose. Der Antrag wird einzig mit allgemeinen rechtlichen Aus- führungen und Hinweise auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung begründet. 2010 Bau-,Raumentwicklungs-u.Umweltschutzrecht 149 Die kantonale Behörde ist verpflichtet, die Lärmimmissionen ortsfester Anlagen anhand einer Lärmprognose zu ermitteln, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass die Belastungsgrenzwerte über- schritten sind oder ihre Überschreitung zu erwarten ist (Art. 25 Abs. 1 USG, Art. 36 Abs. 1 LSV). Die Ermittlungspflicht gilt grund- sätzlich auch bei Anlagen, deren Lärmimmissionen direkt aufgrund von Art. 15 USG zu beurteilen sind. Im konkreten Fall liesse sich zwar der Schallpegel des hier zur Diskussion stehenden Verhaltenslärms spielender Kinder ermitteln, es besteht jedoch kein rechtlich verbindlich vorgegebenes und wis- senschaftlich anerkanntes Mess- und Beurteilungsverfahren für diese Lärmart. Es fehlt überdies an Grenzwerten, die auf ein solches Ver- fahren abgestimmt sein müssten und nach denen das Messresultat beurteilt werden könnte. Ein Lärmgutachten wäre daher von be- schränktem Nutzen. Die Behörde darf die Immissionen in solchen Fällen auf Grund ihrer eigenen Erfahrungen und ohne Gutachten beurteilen. Sie soll sich dieser Verantwortung nicht entziehen, indem sie den wertenden Entscheid darüber, ob die Immissionen als erheb- lich störend einzustufen sind oder nicht, einem Akustikbüro über- trägt. Sie hat die Gesamtumstände des konkreten Einzelfalles selber abzuwägen, wobei sie dem Charakter des Lärms, dem Zeitpunkt und der Häufigkeit seines Auftretens sowie der Lärmempfindlichkeit bzw. Lärmvorbelastung der Zone Rechnung tragen muss. Diese Be- urteilung kann in Fällen der vorliegenden Art ohne Unterstützung von Akustikern erfolgen. Es lässt sich daher nicht beanstanden, dass der Stadtrat auf ein Lärmgutachten verzichtet hat. 4.3.2. Den Charakter des Lärms beschrieb die Beschwerdeführerin anlässlich der verwaltungsgerichtlichen Augenscheinsverhandlung als Jauchzen, Johlen und Schreien der Kinder. Gemäss den benach- barten Zeuginnen umfasst der Lärm Schreien, Heulen, Kreischen, Weinen, Brüllen, Rufen und Quietschen. Die Beschwerdeführer - wie auch die Zeuginnen - beklagen sich somit generell über den Lärm, den die Kinder beim Spielen im Garten erzeugen. Derartiger Lärm passt jedoch vom Charakter her in eine Wohnzone. Kinder sollen in Wohnzonen die Möglichkeit haben, sich im Freien zu bewegen und 2010 Verwaltungsgericht 150 zu spielen. Sie gehören mit allen ihren lauten und leisen Äusserun- gen zum Wohnen und sind in einer Wohnzone zu akzeptieren, auch wenn sie auf einem Platz zum Spielen zusammenkommen und des- halb mit einem erhöhten Lärmpegel zu rechnen ist (Entscheid der Baurekurskommission Zürich vom 30. März 2004, in: URP 2004, S. 347). Lärm, der von seinem Charakter her dieser üblichen Ge- räuschkulisse entspricht, wird von der Mehrheit der Bevölkerung auch in einer ruhigen Wohnzone als ortsüblich und deshalb nicht als störend empfunden (Urs Walker, Umweltrechtliche Beurteilung von Alltags- und Freizeitlärm, in: URP 1/2009, S. 82; siehe auch BGE vom 7. März 2005 [1A.241/2004], Erw. 2.5.4. mit Hinweisen; VGE III/46 vom 28. August 2007, S. 11 f.). Derartiger Lärm hat somit grundsätzlich als sozialadäquat zu gelten und muss in einer Wohnzone hingenommen werden. Störend und rechtlich relevant wird derartiger Lärm erst, wenn er eine besondere Lautstärke annimmt. Das ist hier nicht der Fall. Die zwei strittigen Kindertagesstätten an der Westallee 9 und 13 bieten insgesamt 24 Plätze an. Berücksichtigt man noch die angren- zende Tagesstätte in der Zone Oe (Westallee 19), sind es 46 Plätze. Die Konzentration aller Kinder auf einer Parzelle ist entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer unwahrscheinlich, zumal alle drei Kindertagesstätten über einen grossen Garten verfügen, welche je- weils unterschiedliche Spielgeräte aufweisen. Geht man mit den Be- schwerdeführern von acht bis (an schönen Sommertagen und bei Schnee) 20 im Freien spielenden Kindern aus, lässt sich die Situation noch mit einem kleineren Spielplatz vergleichen, welcher in einer Wohnzone üblich und objektiv nicht störend ist. 4.3.3. Zum Zeitpunkt und der Häufigkeit des Lärms: Der gleiche Lärm stört nachts mehr als am Tag, und er stört auch stärker während der Erholungszeiten am Wochenende oder abends als während der Arbeitszeiten (Walker, a.a.O., S. 82). Die Kinder werden montags bis freitags zwischen 6.30 Uhr und 9.00 Uhr in die Kindertagesstätte gebracht und zwischen 16.00 Uhr und 19.00 Uhr abgeholt. Die Kinder der Westallee 9 besuchen die Schule oder den Kindergarten und halten sich höchstens an schul- 2010 Bau-,Raumentwicklungs-u.Umweltschutzrecht 151 freien Nachmittagen oder ab ca. 16.00 Uhr im Freien auf. Die Kinder der Westallee 13 sind je nach Programm und Witterung jeweils mor- gens und nachmittags nach dem Mittagsschlaf im Garten. Gemäss Aussage einer Zeugin anlässlich der verwaltungsgerichtlichen Au- genscheinsverhandlung ist der Lärm zwischen 17.00 Uhr und 18.00 Uhr am schlimmsten. Laut Beschwerdeführerin tritt der Lärm von 9.00 Uhr bis 18.00 Uhr auf, wobei von 12.00 Uhr bis 13.00 Uhr die Mittagsruhe eingehalten werde. Der Lärm tritt somit ausserhalb der Zeiten auf, die durch das Polizeireglement der Stadt Aarau vom 14. April 1980 speziell geschützt sind (vgl. § 12 des erwähnten Reg- lements). Hinzu kommt, dass die Entstehung des Lärms sowie dessen Wahrnehmung von der Witterung und von der Jahreszeit abhängig ist. Somit zeigt sich, dass der Lärm nicht in Zeiten auftritt, welche normalerweise zur Entspannung und Erholung genutzt werden. Die Ruhezeiten am Mittag und am Abend werden vielmehr eingehalten. Die Lärmimmissionen konzentrieren sich auf eine Zeitspanne, in der auch lärmintensivere Tätigkeiten des Arbeitslebens vorgenommen werden. Diesem Umstand ist bei der Beurteilung besonderes Ge- wicht beizumessen. Das Spiel der Kinder im Freien werktags wäh- rend einer begrenzten Anzahl Stunden (insbesondere nachmittags) erweist sich als eine zum Wohnen gehörende Aktivität, welche nicht als störend bezeichnet werden kann. 4.3.4. Zu prüfen ist ferner die Lärmempfindlichkeit und die Lärmvor- belastung der Zone, in welcher der Lärm auftritt. Im konkreten Fall befinden sich die überbauten Liegenschaften der Beschwerdeführer in der Zone E, für welche die Empfindlichkeitsstufe II gilt (§ 5 Abs. 2 BNO, Zonenplan der Stadt Aarau; Art. 43 Abs. 1 lit. b LSV). Die Zone E ist für den Bau von Ein- und Zweifamilienhäusern bestimmt (§ 6 Abs. 2 BNO). Es sind nur stilles Gewerbe und Quartierläden zulässig (Anhang zur BNO). In solchen Zonen, die überwiegend dem Wohnen dienen, ist auf die Wohnqualität Rücksicht zu nehmen. Aber auch in Zonen, die dem Wohnen dienen, kommt es jedoch zu Lärmimmissionen, beispielsweise wie hier durch spielende Kinder, die hinzunehmen sind (vgl. vorne Erw. 4.3.2.). 2010 Verwaltungsgericht 152 Eine relevante Lärmvorbelastung liegt trotz des angrenzenden Kantonsspitals nicht vor, worüber sich alle Verfahrensbeteiligten ei- nig sind. 4.3.5. Zusammenfassend erlaubt die heutige Situation betreffend die Kindertagesstätten an der Westallee 9 und 13 den Schluss, dass höchstens eine geringfügige Störung vorliegt und somit das zulässige Immissionsniveau (noch) nicht überstiegen wird. Der Entscheid der Vorinstanz ist insofern nicht zu beanstanden. 4.4. Zu prüfen bleibt, ob die Emissionen durch vorsorgliche Mass- nahmen begrenzt werden können (Art. 11 Abs. 2 USG). Die Be- schwerdeführer haben subeventualiter beantragt, die Baubewilligun- gen seien mit Auflagen zu versehen. Denkbar seien etwa die Aufla- gen, dass sich maximal sechs Kinder auf dem Kinderspielplatz auf- halten dürfen oder dass die Mittagsruhe von 12.00 Uhr - 13.30 Uhr einzuhalten sei (keine Kinder im Freien). 4.4.1. In beiden Kindertagesstätten werden gleichzeitig 24 Kinder be- treut (vgl. vorne Erw. 1). Die verlangte Beschränkung würde bedeu- ten, dass man an warmen Sommertagen nur einem Teil der betreuten Kinder erlauben würde, sich draussen aufzuhalten, was weder prakti- kabel noch den Kindern zumutbar ist. Im Hinblick darauf, dass der Kinderlärm nur werktags, ausserhalb der im Polizeireglement spe- ziell geschützten Ruhezeiten auftritt und sich die Beschwerdeführer nur dann gestört fühlen, wenn sie sich selber im Garten befinden, erweist sich die beantragte Massnahme als unverhältnismässig. Den Kindern soll die Möglichkeit gegeben werden, sich im Freien zu be- wegen und zu spielen. Es entspricht dem Zweck einer Kindertages- stätte, den Kindern eine optimale Betreuung (welche zweifelsohne auch die Möglichkeit umfasst, sich im Freien aufzuhalten) zu bieten. Das Ruhebedürfnis der Beschwerdeführer vermag eine generelle Beschränkung der Anzahl Kinder, die sich im Garten aufhalten dür- fen, nicht zu rechtfertigen. 2010 Bau-,Raumentwicklungs-u.Umweltschutzrecht 153 4.4.2. Die Beschwerdeführer verlangen, dass die Mittagsruhe zu ge- währleisten sei. Einzig die Kinder der Westallee 13 essen im Freien, wofür ein Holztisch im Garten aufgestellt wurde. Die Kinder essen um 11.30 Uhr bis 12.00 Uhr und halten danach einen Mittagsschlaf. Die Kinder der Westallee 9 nehmen das Essen im Haus ein. Anläss- lich der verwaltungsgerichtlichen Augenscheinsverhandlung erklärte die Beschwerdeführerin, von 12.00 Uhr bis 13.00 Uhr sei kein Lärm zu hören. Vor diesem Hintergrund lässt sich die beantragte Auflage nicht rechtfertigen. (Hinweis: Das Bundesgericht hat eine Beschwerde gegen diesen Entscheid abgewiesen, soweit es darauf eintrat; Urteil vom 6. September 2010 [1C_148/2010]).
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2007 Verwaltungsgericht 214 [...] 49 Beschwerdelegitimation. Grundbuchabgaben. - Kein schutzwürdiges Interesse - als Voraussetzung der Beschwerde- legitimation -, soweit es lediglich um die theoretische Klärung einer Rechtsfrage geht (Erw. I/2). - Richtiges Vorgehen, wenn eine Befreiung von der Abgabe zufolge Arrondierung (§ 2 Abs. 1 GBAG) beansprucht wird (Erw. I/3). - Auch wenn Vorbringen verspätet erfolgen, hebt dies den Untersu- chungsgrundsatz (§ 20 Abs. 1 VRPG) nicht auf (Erw. I/3). - Kostenverlegung, wenn wesentliche Vorbringen erst verspätet (im Beschwerdeverfahren) erfolgen (Erw. II/2). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 17. Dezember 2007 in Sachen M.M. gegen Departement Volkswirtschaft und Inneres (WBE.2007.340). Sachverhalt In der Beschwerde gegen die Gebührenfestsetzung durch das Grundbuchamt wurde beantragt, die Handänderungsgebühr sei her- abzusetzen. In der Begründung wurde als Eventualstandpunkt vorge- bracht, wegen der erzielten Arrondierung hätte überhaupt keine Handänderungsgebühr erhoben werden dürfen. Das Departement Volkswirtschaft und Inneres (DVI) prüfte den (Haupt-)Antrag ma- 2007 Verwaltungsrechtspflege 215 teriell, setzte, unter Vorbehalt einer nachträglichen Abgabenbefrei- ung, die Handänderungsgebühr in teilweiser Gutheissung der Be- schwerde herab und wies die Sache ans Grundbuchamt zurück, damit dieses die Frage der Abgabenbefreiung zufolge vollständiger Arron- dierung prüfe; die Rückweisung wurde damit begründet, dass erst im Beschwerdeverfahren vorgebracht worden sei, die erzielte Arrondie- rung führe zur Abgabenbefreiung. Aus den Erwägungen I/2./2.1. Gemäss § 2 Abs. 1 GBAG werden keine Abgaben er- hoben "auf grundbuchlichen Vorgängen, die mit Bodenverbesserun- gen (Art. 954 Abs. 2 und Art. 703 des Schweizerischen Zivilgesetz- buches) oder Entschuldungsmassnahmen [...] im Zusammenhang stehen, oder die einen Bodenaustausch zur Abrundung landwirt- schaftlicher Betriebe zum Gegenstand haben, sofern dabei eine volle Arrondierung erreicht wird" (im Folgenden als Arrondierungstatbe- stand bezeichnet). Aufgrund der Stellungnahme des Grundbuchamtes Baden steht fest, dass diese Bestimmung zur Anwendung kommt und die Beschwerdeführer lediglich die unstreitig geschuldeten Fr. 46.-- (für Auslagen) bezahlen müssen. 2.2. Die Beschwerdebefugnis (Beschwerdelegitimation) setzt ein schutzwürdiges eigenes Interesse voraus (§ 38 Abs. 1 VRPG). An einem solchen Rechtsschutzinteresse fehlt es regelmässig dann, wenn die Beschwerde dem Beschwerdeführer keinen Vorteil bringen kann (Michael Merker, Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege [Kommentar zu den §§ 38-72 VRPG], Zürich 1998, § 38 N 129 ff. mit Hinweisen). Die Beschwerdeführer haben kein schutzwürdiges Interesse an einem Entscheid, um wie viel höher die Abgabe wäre, wenn sie nicht ohnehin nur Fr. 46.-- zu berappen hätten. Zur theoreti- schen Klärung einer Rechtsfrage (in der Eingabe vom 23. November 2007 wird geltend gemacht, ohne jetzige Entscheidung werde wahr- scheinlich bald eine nächste Beschwerde mit diesem Thema einge- reicht) steht das Beschwerdeverfahren nicht zur Verfügung (Merker, 2007 Verwaltungsgericht 216 a.a.O., § 38 N 130). Auf die Beschwerde ist daher aufgrund des feh- lenden Rechtsschutzinteresses nicht einzutreten. 3. Aus dem Wortlaut von § 2 Abs. 1 GBAG ergibt sich unmiss- verständlich, dass der Arrondierungstatbestand nicht zu einem nach- träglichen, in einem zweiten Verfahren zu prüfenden Erlass der Ab- gabe führt; vielmehr werden von vornherein keine Abgaben gemäss GBAG, sondern lediglich (Kanzlei-)Gebühren erhoben. (Anders ver- hält es sich bei teilweiser Arrondierung gemäss § 2 Abs. 2 GBAG, da dort der Regierungsrat, also eine andere Instanz als das die Abgabe festsetzende Grundbuchamt, die Abgabe "angemessen herabsetzen" kann.) Vor diesem Hintergrund ist die Durchführung des vorinstanzli- chen Verfahrens zu beanstanden. In der Beschwerde an das DVI be- antragten die Beschwerdeführer die Herabsetzung der Handände- rungsabgabe von Fr. 1'105.-- auf Fr. 100.--; eventualiter machten sie geltend, es dürfe gar keine Handänderungsabgabe erhoben werden. Wohl ist es widersprüchlich, einen Eventualantrag zu stellen, der materiell weiter geht als der Hauptantrag. In einem solchen Fall macht es Sinn, vorerst den sog. "Eventualantrag" zu prüfen (da bei einer Gutheissung der "Hauptantrag" gegenstandslos wird). Es geht aber nicht an, über den "Eventualantrag" gar nicht zu entscheiden; dies gilt umso eher, als im verwaltungsinternen Beschwerdeverfah- ren ohnehin keine Bindung an die Begehren besteht (§ 43 Abs. 1 VRPG). Das DVI hätte deshalb - aufgrund der eingeholten Stellung- nahme des Grundbuchamtes, worin dieses den Arrondierungstatbe- stand ohne Vorbehalt bejahte - selber entscheiden sollen, ob der Arrondierungstatbestand gegeben sei; allenfalls hätte es (verfahrens- ökonomisch wenig sinnvoll) die Abgabenverfügung vollumfänglich aufheben und die Sache zur Prüfung des Arrondierungstatbestandes und anschliessendem Erlass einer neuen Verfügung an das Grund- buchamt zurückweisen können. Verspätete Vorbringen heben den Untersuchungsgrundsatz (§ 20 Abs. 1 VRPG) nicht auf und führen - vorbehältlich abweichender gesetzlicher Bestimmungen (wie z.B. § 21 Abs. 2 VRPG; § 193 Abs. 3 StG) - nicht zu einer abweichenden materiellen Beurteilung, sondern sind bei der Kostenverlegung zu berücksichtigen (siehe § 33 Abs. 2 Satz 3 VRPG; AGVE 1976, 2007 Verwaltungsrechtspflege 217 S. 307 ff.; 1972, S. 328). Die vorgenommene Aufteilung in ein Verfü- gungs- und ein anschliessendes Erlassverfahren war denn auch für eine angemessene Kostenverlegung nicht erforderlich (siehe dazu hinten Erw. II/2). II/2. Die dem Grundbuchamt zum grundbuchlichen Vollzug ein- gereichten Unterlagen (Kauf-, Tauschvertrag mit Beilagen) werden praktisch nie eine Beurteilung erlauben, ob es sich um einen Arron- dierungstatbestand handelt, und es ist dem Grundbuchamt nicht zu- mutbar, von sich aus danach forschen zu müssen (vgl. § 20 Abs. 1 VRPG: "Die Behörden prüfen den Sachverhalt unter Beachtung der Vorbringen der Beteiligten von Amtes wegen ..."). Die Vorinstanz hat zu Recht festgehalten, dass es Sache der anmeldenden Vertrags- parteien (die damit geringere Kosten erreichen wollen) bzw. des No- tars ist, gegenüber dem Grundbuchamt den Arrondierungstatbestand geltend zu machen. Die Beschwerdeführer haben dies im vorliegen- den Fall unterlassen. ... Hätten die Beschwerdeführer den Arrondie- rungstatbestand bereits im erstinstanzlichen Verfahren beim Grund- buchamt geltend gemacht und belegt, hätte dieses auf die Abgaben- erhebung von vornherein verzichtet. Es war ausschliesslich das saumselige Verhalten der Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verfahren, welches das Beschwerdeverfahren vor dem DVI über- haupt nötig machte; deshalb hätte das DVI die Verfahrenskosten so- gar vollumfänglich den Beschwerdeführern auferlegen und Partei- kostenersatz gänzlich verweigern können (§ 33 Abs. 2 Satz 3 VRPG; AGVE 1976, S. 307 ff.).
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2006 Kantonale Steuern 113 [...] 25 Liegenschaftsunterhaltskosten (§ 39 StG; § 24 StGV). - Generelle Umschreibung der abzugsfähigen Liegenschaftsunterhalts- kosten (Erw. 1). - Anwendung der "Dumont-Praxis" unter neuem Recht. Auslegung der aktuellen, auch für das kantonale Recht verbindlichen Praxis des Bundesgerichts (Erw. 2). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 18. September 2006 in Sachen Kantonales Steueramt gegen Steuerrekursgericht und J.G. Publikation in StE 2007 vorgesehen. Aus den Erwägungen 1./1.1. Bei Liegenschaften im Privatvermögen können die Un- terhaltskosten, die Versicherungsprämien und die Kosten der Ver- waltung durch Dritte abgezogen werden. Den Unterhaltskosten sind Investitionen gleichgestellt, die dem Energiesparen und dem Um- weltschutz dienen, soweit sie bei der direkten Bundessteuer abzieh- bar sind (§ 39 Abs. 2 StG). 1.2./1.2.1. Als Kosten für den Unterhalt von Liegenschaften gelten bloss die werterhaltenden Aufwendungen (§ 24 Abs. 1 StGV; § 41 lit. d StG e contrario). Sie dienen dazu, die Liegenschaft im ein- kommenssteuerrechtlich massgebenden Nutzwert zu erhalten. Durch solche Massnahmen bleiben Gestalt und Zweckbestimmung des Ge- bäudes unverändert. Lediglich die mangelhaften Installationen wer- den ersetzt bzw. die vorhandenen, aber schadhaft gewordenen Ge- bäudeteile repariert. Die Liegenschaft wird unterhaltsmässig wieder in denjenigen Zustand versetzt, in dem sie einmal war. Der bisherige Verwendungszweck, allenfalls modernisiert, bleibt erhalten (vgl. Pe- ter Locher, Kommentar zum DBG, I. Teil, Therwil/Basel 2001, Art. 32 N 24; Dieter Egloff, in: Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, Band 1, 2. Aufl., Muri/Bern 2004, § 39 N 38; Richner/Frei/ Kauf- 2006 Verwaltungsgericht 114 mann/Meuter, Kommentar zum harmonisierten Zürcher Steuergesetz, 2. Aufl., Zürich 2006, § 30 N 38). Die Liegenschaftsunterhaltskosten, die dementsprechend als Gewinnungskosten abzugsfähig sind, lassen sich wie folgt unterscheiden (vgl. Locher, a.a.O., Art. 32 N 24; Egloff, a.a.O., § 39 N 38; Richner/Frei/Kaufmann/Meuter, a.a.O., § 30 N 41ff.): - Instandhaltungskosten sind die in kürzeren Zeitabständen an- fallenden Auslagen, welche dem Erhalt der Liegenschaft in ihrer technischen Funktionsfähigkeit dienen (Reparaturen, Ausbesserun- gen, Servicearbeiten an fest installierten Geräten). - Instandstellungskosten fallen in grösseren Zeitabständen an und dienen der Erhaltung der Ertragsfähigkeit des Objektes (z.B. Fassadenrenovation, Neuanstrich). (Der Unterbegriff Wiederinstandstellungskosten wird im Fol- genden dort verwendet, wo die Instandstellung über Gebühr hinaus- geschoben wurde.) - Ersatzanschaffungskosten für den zeitgemässen, gleichwerti- gen und gleichen Komfort bietenden Ersatz von unbrauchbar gewor- denen Einrichtungen (Heizungsanlagen, Kücheneinrichtungen, sani- täre Installationen, Bodenbeläge). 1.2.2. Wenn nach objektiven technischen Kriterien, unter funk- tionaler Betrachtungsweise, die Liegenschaft jedoch in einen besse- ren Zustand mit höherem Nutzungswert gebracht wird und damit in den Rang eines besser ausgestatteten, wertvolleren Gebäudes rückt, handelt es sich insoweit um wertvermehrende Kosten, die nicht ab- ziehbar sind (Locher, a.a.O., Art. 32 N 25; Egloff, a.a.O., § 39 N 59 f.; Richner/Frei/Kaufmann/ Meuter, a.a.O., § 30 N 48). Für die Abgrenzung der werterhaltenden von den wertvermeh- renden Aufwendungen wird der ersetzte oder renovierte Bauteil dar- auf untersucht, ob er eine Wertsteigerung erfahren hat, ob er gegen- über dem alten Bauteil eine höhere Qualität oder einen besseren Komfort bietet. Ist dies nicht der Fall, können die Unterhaltskosten vollständig abgezogen werden. Weist ein neuer Bauteil demgegen- über eine bessere Qualität bzw. einen höheren Komfort als der er- setzte Bauteil auf, dann liegen im Umfang der Wertsteigerung nicht abzugsfähige Anlagekosten vor (vgl. Egloff, a.a.O., § 39 N 30; Rich- 2006 Kantonale Steuern 115 ner/Frei/Kaufmann/Meuter, a.a.O., § 30 N 48). Weisen Arbeiten an einer Liegenschaft sowohl werterhaltende wie wertvermehrende Komponenten auf, ist eine Aufteilung der Kosten nach pflichtge- mässem Ermessen vorzunehmen (Egloff, a.a.O., § 39 N 40). 1.3. Läuft die Instandstellung, Umgestaltung oder Modernisie- rung der Liegenschaft auf eine grundlegende Neugestaltung hinaus, die einer eigentlichen Neuerstellung gleichkommt (als Merkmale oder Indizien hierfür werden genannt: Steigerung des Miet-/Pacht- ertrags, geänderte Nutzung [Locher, a.a.O., Art. 32 N 46]), werden die dafür aufgewendeten Kosten behandelt wie die Kosten von Neu-, Um-, Ein- und Ausbauten; sie sind nicht - auch nicht teilweise - als Unterhalt abziehbar (vgl. Locher, a.a.O., Art. 32 N 30, Art. 34 N 27; Richner/Frei/Kaufmann/Meuter, a.a.O., § 30 N 48). 2./2.1. Gemäss § 39 Abs. 3 StG können die Unterhaltskosten vollumfänglich auch von der neuen Eigentümerschaft zum Abzug gebracht werden, sofern die Liegenschaft nicht in vernachlässigtem Zustand erworben wurde. Diese Bestimmung beruht auf der 1973 eingeführten und später präzisierten bzw. relativierten sog. Dumont- Praxis des Bundesgerichts (BGE 99 Ib 362 ff.; 123 II 218 ff.; StE 2005, A 23.1 Nr. 10 mit weiteren Hinweisen). Die ursprünglich rein bautechnische Betrachtungsweise der abzugsfähigen Liegenschafts- kosten wurde zu Gunsten einer wirtschaftlichen aufgegeben. Unter dem Aspekt der Rechtsgleichheit soll der Steuerpflichtige, der eine Liegenschaft in schlechtem Zustand erwirbt, nicht besser gestellt sein als derjenige, der ein bereits durch den Verkäufer saniertes Objekt zu entsprechend höherem Preis erwirbt (StE 2005, A 23.1 Nr. 10; Egloff, a.a.O., § 39 N 71). "Handelt es sich um eine vom bisherigen Eigentümer vernachlässigte Liegenschaft, so sind die Kosten, die der Erwerber zur Instandstellung in den ersten fünf Jahren aufwenden muss, steuerlich grundsätzlich nicht abziehbar ... Geht es dagegen um eine nicht vernachlässigte Liegenschaft, kann der neue Eigentü- mer die "anschaffungsnahen" Kosten steuerlich abziehen, soweit sie für den normalen, periodischen Unterhalt (und nicht zum Nachholen unterbliebenen Unterhalts) aufgewendet werden. Davon zu unter- scheiden ist der Fall, wo der neue Vermieter oder Verpächter die Lie- genschaft renoviert, um den Miet- oder Pachtertrag zu steigern, oder 2006 Verwaltungsgericht 116 wo eine (auch selbst genutzte) Liegenschaft ganz oder teilweise um- gebaut oder einer neuen Nutzung zugeführt wird. Insofern dienen die Ausgaben nicht dazu, die Liegenschaft in ihrem bisherigen vertrags- oder nutzungsmässigen Zustand zu erhalten, sondern zielen darauf ab, die Einkommensquelle zu verbessern" (StE 2005, A 23.1 Nr. 10 mit weiteren Hinweisen). 2.2. Das Bundesgericht hat im soeben erwähnten Entscheid ausdrücklich erkannt, dass der Begriff der Unterhaltskosten unter dem Geltungsbereich des StHG im kantonalen Recht nicht anders ausgelegt werden darf als auf dem Gebiet der direkten Bundessteuer (vertikale Steuerharmonisierung). Ebenso gilt die Dumont-Praxis des Bundesgerichts uneingeschränkt auch für das kantonale Steuerrecht (StE 2005, A 23.1 Nr. 10 Erw. 3). Die Vorgabe des Bundesgerichts, wonach die Zulässigkeit der Abzüge von Liegenschaftsunterhalts- kosten nach einer Eigentumsübertragung (Dumont-Praxis) für die ganze Schweiz einheitlich beurteilt werden muss, schliesst grund- sätzlich die Berücksichtigung des kantonalen Rechts (§ 39 Abs. 3 StG; § 24 Abs. 2 und 3 StGV; Merkblatt Liegenschaftsunterhalt des KStA vom 30. September 2001 [Merkblatt LUK]) selbst im Sinne einer Auslegungshilfe aus. 2.3./2.3.1. Die vom Bundesgericht zur Dumont-Praxis ergange- nen publizierten Entscheide betrafen weit überwiegend vernachläs- sigte, einer umfassenden Renovation unterzogene Liegenschaften. - BGE 2A.71/2006 vom 21. Juni 2006: Kaufpreis Liegenschaft Fr. 2'000'000.--, Renovation für Fr. 600'000.--, davon der grösste Teil als Unterhalt geltend gemacht. - StE 2005, A 23.1 Nr. 10: Renovation Einfamilienhaus Baujahr 1931 für rund Fr. 120'000.-- - BGE 2A.389/2003 vom 10. März 2004: Kaufpreis Einfamilienhaus Fr. 925'000.--, Renovation für Fr. 460'000.-- - BGE 123 II 218: Kaufpreis Mehrfamilienhaus Fr. 2'280'000.--, um- fassende Renovation mit Um- und Anbauten für Fr. 3'380'000.--, davon Fr. 2'310'000.-- als Unterhalt geltend gemacht - BGE 99 Ib 362: Umbau- und Renovationskosten von Fr. 168'000.--, davon Fr. 89'000.-- Unterhalt. 2006 Kantonale Steuern 117 - ASA 70/2001-02, S. 155 ff.: Kaufpreis Liegenschaft Fr. 1'400'000.--. Soweit ersichtlich, liess das Bundesgericht hier ohne nähere Prüfung, ob es tatsächlich um die Nachholung unterlassenen Unterhalts ging, die anschaf- fungsnahen Kosten für den Ersatz von Kühlschrank, Waschmaschine und Rollläden (Kosten total rund Fr. 9'700.--), zum Abzug nicht bzw. nur zur Hälfte (Energiesparmassnahmen) zu - möglicherweise weil nur die Recht- mässigkeit der Regelung betreffend Energiesparmassnahmen streitig war. Bei diesen Fällen (ausser dem letztgenannten) stellten die Höhe der Renovationskosten sowie das Verhältnis zwischen Erwerbspreis und Instandstellungskosten ein gewichtiges Indiz für das Vorliegen einer im Unterhalt vernachlässigten Liegenschaft dar. Art und Um- fang der Bauarbeiten gingen über den normalen periodischen Unter- halt offensichtlich weit hinaus. Es konnte ohne weiteres davon aus- gegangen werden, dass der Preis für derart vernachlässigte Liegen- schaften deutlich niedriger lag als für ordnungsgemäss unterhaltene bzw. renovierte Vergleichsobjekte. 2.3.2. Für weniger klar liegende Fälle löst die bundesgerichtli- che Umschreibung der Dumont-Praxis (vorne Erw. 2.1 zitiert) nicht alle Zuordnungsprobleme, denn die Formulierungen sind, wie das Verwaltungsgericht schon früher festgehalten hat (StE 2000, B 25.6 Nr. 38 [noch zum aStG, bevor das StHG direkte Anwendung bean- spruchte]), nicht durchwegs eindeutig. Das Bundesgericht unterscheidet zunächst zwischen vernach- lässigten und nicht vernachlässigten Liegenschaften. Bei den ver- nachlässigten Liegenschaften sind die in den ersten fünf Jahren nach dem Erwerb aufgewendeten Kosten als Wiederinstandstellungs- kosten grundsätzlich nicht abzugsfähig. Bei den nicht vernachlässig- ten Liegenschaften kann der neue Eigentümer die Unterhaltskosten von Anfang an vollumfänglich abziehen. Der hier in Klammern an- gebrachte Vorbehalt der Kosten zum Nachholen unterbliebenen Un- terhalts ist aus systematischen Überlegungen (da es sich immer noch um die Kategorie der nicht vernachlässigten Liegenschaften handelt) offenbar so zu verstehen, dass bei einzelnen Bauteilen und Einrich- tungen, wo der frühere Eigentümer einzelne bereits überfällige In- standstellungsarbeiten sowie Ersatzanschaffungen nicht mehr vor- nahm (ohne dass deswegen die Liegenschaft insgesamt als vernach- 2006 Verwaltungsgericht 118 lässigt zu bezeichnen wäre), die dadurch anfallenden Wiederinstand- stellungskosten - gleich wie bei vernachlässigten Liegenschaften - in den ersten fünf Jahren nach dem Erwerb nicht abgezogen werden können. Dagegen ist bei Instandstellungskosten, die im gewöhnli- chen Lauf der Dinge anfallen, die Abzugsfähigkeit gegeben. Unab- hängig vom Zustand beim Erwerb ist der Fall der Neugestaltung (dazu vorne Erw. 1.3; von Renovation zu sprechen, wirkt missver- ständlich, da dieser Begriff auch im Zusammenhang mit der Instand- stellung des Gebäudes verwendet wird) zu behandeln; diese Kosten stellen nicht Unterhaltskosten dar. 2.3.3. Dies führt, bezogen auf die ersten fünf Jahre nach dem Erwerb, zu folgenden Ergebnissen: - Neugestaltung: Keine Unterhaltskosten, kein Abzug. - Vernachlässigte Liegenschaft: Alle Kosten gelten als Wie- derinstandstellungskosten, kein Abzug. - Nicht vernachlässigte Liegenschaft: Abzug der Instandhal- tungs-, der Ersatzanschaffungs- und der (normalen) Instandstel- lungskosten, kein Abzug der Kosten von Wiederinstandstellungsar- beiten und überfälligen Ersatzanschaffungen. Bei grundsätzlicher Abzugsfähigkeit, insbesondere bei den Ersatzanschaffungskosten, ist gegebenenfalls nach Werterhaltung/Wertvermehrung aufzuteilen. 2.3.4. Die Abgrenzung zwischen Neugestaltung, vernachläs- sigter und nicht vernachlässigter Liegenschaft muss aufgrund einer Gesamtbetrachtung erfolgen. Für die Abgrenzung (bei den nicht ver- nachlässigten Liegenschaften) zwischen den normalen Instandstel- lungsarbeiten einerseits und den Wiederinstandstellungsarbeiten und überfälligen Ersatzanschaffungen andererseits kommt nur eine Ein- zelbetrachtung in Frage (siehe Locher, a.a.O., Art. 32 N 18; Egloff, a.a.O., § 39 N 29 ff.). 3./3.1. Sofern die obige Auslegung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zutrifft - was letztlich nur durch das Bundesgericht selber zu beantworten ist -, entsprechen ihr die einschlägigen Be- stimmungen des aargauischen Rechts (§ 39 Abs. 2-4 StG; § 24 StGV; Merkblatt LUK), namentlich soweit es um die Dumont-Praxis geht, nur teilweise (nachfolgend Erw. 3.2). Wegen des Vorrangs des Bun- desrechts (Art. 72 Abs. 2 StHG) ist dies jedoch bedeutungslos. 2006 Kantonale Steuern 119 3.2./3.2.1. Nach § 24 Abs. 2 und 3 StGV gilt eine Liegenschaft als vernachlässigt, wenn die in grösseren Zeitabständen (15 und mehr Jahre) anfallenden Unterhaltsarbeiten unterblieben sind und erst durch die neue Eigentümerschaft ausgeführt werden. Bei einer ver- nachlässigten Liegenschaft können innert 5 Jahren seit Erwerb nur die den Unterhaltskosten gleichgestellten Investitionskosten gemäss § 39 Abs. 2 StG abgezogen werden. Im Übrigen werden gemäss Merkblatt LUK sämtliche Aufwen- dungen für den Ersatz von Bauteilen mit einer Lebensdauer von we- niger als 15 Jahren stets, auch bei umfassenden Renovationen, zum Abzug zugelassen. Demgegenüber gelten Aufwendungen für den Er- satz von Bauteilen mit einer Lebensdauer von mehr als 15 Jahren in den ersten 5 Jahren seit dem Erwerb der Liegenschaft generell als nicht abzugsfähig (Merkblatt LUK, Ziff. 5.1.2. S. 8 ff.). 3.2.2. § 24 Abs. 2 StGV definiert die Vernachlässigung einer Liegenschaft danach, ob die in grösseren Zeitabständen (15 und mehr Jahre) anfallenden Unterhaltsarbeiten unterblieben sind und erst vom neuen Eigentümer nachgeholt werden. Dagegen knüpft das Merkblatt LUK allein an die Lebensdauer des ersetzten Bauteils an, ohne Rücksicht darauf, wie alt dieser tatsächlich ist und in welchem Un- terhaltszustand er sich befindet. Baujahr der Liegenschaft und letzt- maliger Ersatz oder Reparatur des entsprechenden Bauteils bleiben ohne Bedeutung. Der Ersatz einer intakten Holzbaukonstruktion bei- spielsweise, ob sie 2-, 10- oder 20-jährig ist, würde gemäss Merk- blatt somit in jedem Fall als nicht abzugsfähige Instandstellung gel- ten, weil die mittlere Lebensdauer (60-80 Jahre) die 15-Jahres- Grenze überschreitet. Demgegenüber kann der Ersatz eines 20-jähri- gen, zerschlissenen Spannteppichs vollumfänglich zum Abzug ge- bracht werden, weil die Lebensdauer nach dem Merkblatt lediglich 8-12 Jahre beträgt, es sich daher um Instandhaltung, nicht Instand- stellung handeln soll. Die Regelung mag durch Praktikabilität bestechen, doch ist sie mit der massgebenden Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht zu vereinbaren. Das Vorliegen einer vernachlässigten Liegenschaft hängt von einer über § 24 Abs. 2 StGV hinausgehenden Gesamtbe- trachtung ab; für die übrigen Fragen kann nicht einzig auf die gene- 2006 Verwaltungsgericht 120 relle durchschnittliche Lebensdauer eines Bauteils, ohne Berück- sichtigung des tatsächlichen Alters des zu ersetzenden Bauteils, ab- gestellt werden. 3.3. Ob und wie die Widersprüche zu beheben sind, ist nicht hier zu erörtern. Für die Unterscheidung, ob es sich um Instand- stellungs- oder Wiederinstandstellungskosten handelt bzw. ob Er- satzanschaffungen im normalen Zeitablauf erfolgten oder überfällig waren, wird es aber (überkantonale) Grundlagen brauchen, bei denen eine Normalgebrauchsdauer (übliche Gebrauchsdauer, "Lebens- dauer", "Lebenserwartung") von Bauteilen und Einrichtungen festge- setzt wird, und zwar aus Praktikabilitätsgründen - wie beispielsweise in der "Lebensdauertabelle", herausgegeben vom Hauseigentümer- verband Schweiz und dem Schweizerischen Mieterinnen- und Mie- terverband vom Dezember 2005 (Lebensdauertabelle HEV/MV), aber anders als im Merkblatt LUK - nicht mit Zeitrahmen, sondern mit fester Normalgebrauchsdauer. 4./4.1. Die Beschwerdegegner haben kurz nach dem Erwerb der 17-jährigen Liegenschaft (Kaufpreis Fr. 850'000.--) Renovationsar- beiten für rund Fr. 53'000.-- getätigt, wovon rund Fr. 43'000.-- als Liegenschaftsunterhaltskosten geltend gemacht werden. 4.2. Eine detaillierte Beschreibung des Vorzustandes der Lie- genschaft fehlt. Sie wird jedoch von den Beschwerdegegnern wie auch von den Steuerbehörden übereinstimmend als in gutem, nicht vernachlässigtem Zustand geschildert. Hierauf ist abzustellen.
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2008 Verwaltungsgericht 312 [...] 59 Rechtliches Gehör. - Anspruch auf Beweisabnahme (Erw. 3). - Gewährung des rechtlichen Gehörs im Zusammenhang mit einem Augenschein (Erw. 4). Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 23. Dezember 2008 in Sa- chen Einwohnergemeinde X. gegen das Bezirksamt Bremgarten (WBE.2008.315). Aus den Erwägungen 3. 3.1. Zum rechtlichen Gehör gehört u.a. das Recht der Verfahrensbe- teiligten, sich vor Erlass eines in ihre Rechtsstellung eingreifenden Entscheids zur Sache zu äussern, erhebliche Beweise beizubringen, Einsicht in die Akten zu nehmen, mit erheblichen Beweisanträgen gehört zu werden und an der Erhebung wesentlicher Beweise entwe- der mitzuwirken oder sich zumindest zum Beweisergebnis zu äus- sern, wenn dieses geeignet ist, den Entscheid zu beeinflussen (BGE 126 I 15 Erw. 2a/aa; 124 I 49 Erw. 3a; 124 I 241 Erw. 2, je mit Hinweisen). Aus dem Gehörsrecht ergibt sich somit der Anspruch auf Be- weisabnahme. Der Verzicht auf die Durchführung beantragter Be- weismassnahmen ist indessen zulässig, wenn das Gericht auf Grund 2008 Verwaltungsrechtspflege 313 bereits abgenommener Beweise oder gestützt auf die Aktenlage seine Überzeugung gebildet hat und ohne Willkür in vorweggenommener Beweiswürdigung annehmen kann, dass seine Überzeugung durch weitere Beweiserhebungen nicht geändert würde (BGE 122 II 464 Erw. 4a; 115 Ia 97 Erw. 5b). 3.2. In seinem Beschluss vom 21. Januar 2008 rechnete der Stadtrat X. dem Beschwerdegegner u.a. die Miete von drei Bastelräumen als hypothetisches Einkommen an, da davon ausgegangen werden müsse, dass der Beschwerdegegner mit den in den Bastelräumen ein- gelagerten Teppichen Handel betreibe und damit ein Einkommen er- ziele oder andere Geldquellen habe, da es seiner Familie andernfalls nicht möglich wäre, allen zusätzlichen finanziellen Verpflichtungen auf Dauer nachzukommen. Im Verwaltungsbeschwerdeverfahren beantragte der Stadtrat X. den Beizug eines Sachverständigen zur Bewertung der eingelagerten Gegenstände (Teppiche usw.). 3.3. (...) 3.4. 3.4.1. Es ist zutreffend, dass das Bezirksamt dem Beweisantrag des Stadtrats X. stillschweigend nicht stattgegeben hat. Allein darin liegt jedoch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs, sofern hinreichende Gründe für einen Verzicht auf die Beweisabnahme gegeben waren und dies mit genügender Klarheit aus dem angefochtenen Entscheid hervorgeht (BGE vom 18. November 2003 [1P.452/2003], Erw. 2.2.2). 3.4.2. Aus den Erwägungen des Beschwerdeentscheids ergibt sich, dass die Vorinstanz einen Augenschein am Wohnort des Beschwer- degegners durchgeführt hat, um zu prüfen, ob der Beschwerdegegner mit den in seinen Bastelräumen eingelagerten Teppichen Einkommen erzielt. Dabei ist die Vorinstanz zum Schluss gekommen, die in den Bastelräumen eingelagerten Teppiche hätten keinen besonderen wirt- schaftlichen Wert. Ob sie mit dieser Beurteilung den wirtschaftlichen Wert der Teppiche selbst abschätzen konnte und deshalb stillschwei- 2008 Verwaltungsgericht 314 gend den Beweisantrag des Stadtrats X. abgelehnt hat, ergibt sich aus den Erwägungen nicht eindeutig, kann aber offen gelassen werden. Im angefochtenen Beschluss vom 21. Januar 2008 hat die So- zialbehörde X. dem Beschwerdegegner weder ein (hypothetisches) Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit angerechnet noch wurde er verpflichtet, in den Bastelräumen befindliche Vermögens- werte zu liquidieren. Der Beweisantrag der Einwohnergemeinde X. zielte denn auch auf die "Rückschlüsse zur Frage der Erwerbstätig- keit" des Beschwerdegegners. Ein allfälliges Einkommen aus selb- ständiger Tätigkeit war indessen nicht Gegenstand der Beschwerde. Zur Beurteilung der im Beschwerdeverfahren umstrittenen Aufrech- nungen der Mieten für die drei Bastelräume war keine sachverstän- dige Schätzung der eingelagerten Gegenstände erforderlich. Beweise müssen nur über (rechts-) erhebliche streitige Tatsachen erhoben werden, und Beweisanträge, welche eine nicht erhebliche Tatsache betreffen, offensichtlich nicht tauglich sind oder das Beweisergebnis nicht ändern, können in antizipierter Beweiswürdigung abgelehnt werden (BGE 131 I 153 Erw. 3 mit Hinweisen; 124 I 208 Erw. 4a; AGVE 2003, S. 311). Indem die Vorinstanz vom beantragten Gut- achten zu einer nicht streitgegenständlichen Frage Abstand nahm und bei der Beurteilung nicht auf die Feststellungen des Augenscheins abstellte, hat sie das Recht auf Beweisofferte der Einwohnergemein- de X. nicht verletzt. 4. 4.1. Wenn sich eine Behörde des Beweismittels des Augenscheins bedient, muss sie es in den vorgeschriebenen Formen tun und die Grundsätze des rechtlichen Gehörs beachten (BGE 104 Ib 119 Erw. 2c). Unter dem Titel "Beweiserhebung" ist in § 22 Abs. 1 VRPG vorgesehen, dass die Verwaltungsbehörde oder deren Beauf- tragte zur Ermittlung des Sachverhalts u.a. auch Beteiligte und Aus- kunftspersonen befragen und Augenscheine vornehmen können. In welcher Form dies zu geschehen hat, wird anders als im für das Ver- waltungsgericht geltenden § 22 Abs. 3 VRPG, wo für die Beweisab- nahme auf die Regeln der Zivilprozessordnung verwiesen wird (für den Augenschein: § 249 ZPO), nicht näher bestimmt. § 22 Abs. 1 2008 Verwaltungsrechtspflege 315 VRPG enthält somit weder spezifische Vorschriften über die Art der Protokollführung noch ergibt sich daraus auch nur eine unmittelbare Verpflichtung der Verwaltungsbehörden zur Protokollierung von Au- genscheinen. Vom Gesetzgeber war klarerweise beabsichtigt, den Verwaltungsinstanzen allgemein ein weniger förmliches Vorgehen zu ermöglichen als den Justizbehörden (AGVE 1986, S. 336 f. mit Hinweis auf die Materialien; AGVE 1986, S. 112). Anderseits gelten die allgemeinen Verfahrensvorschriften des VRPG (§§ 15 ff.) grund- sätzlich uneingeschränkt auch für die Verwaltungsbehörden des Kantons und der Gemeinden (§ 1 Abs. 1 VRPG). Insbesondere die Bestimmungen über das rechtliche Gehör sind auch für die Be- weiserhebung durch Verwaltungsinstanzen von grösster Bedeutung (AGVE 1986, S. 337). Wo sich die kantonalen Verfahrensvorschrif- ten als unzureichend erweisen, greifen zudem die unmittelbar aus Art. 29 Abs. 2 BV folgenden bundesrechtlichen Minimalgarantien Platz (BGE 116 Ia 94 Erw. 3a; ferner AGVE 1980, S. 305 f.; zum Ganzen: AGVE 2001, S. 371; 2000, S. 342 f.). 4.2. Im Hinblick auf die spätere Gewährung des Akteneinsichts- rechts, zur Schaffung einwandfreier Entscheidgrundlagen sowie zur Wahrung des Beschwerderechts ist es unumgänglich, dass die an- lässlich eines Augenscheins gemachten Feststellungen in einem Protokoll schriftlich festgehalten werden. Das Recht auf Aktenein- sicht begründet daher auch eine Aktenerstellungspflicht. Die Ver- waltungsbehörden haben über die wesentlichen Ergebnisse des Au- genscheins immer ein Protokoll zu erstellen, das den Parteien nach dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs auch jederzeit zur Einsicht- nahme offen stehen muss (BGE 130 II 473 Erw. 2.3; Alfred Kölz / Jürg Bosshart / Martin Röhl, VRG, Kommentar zum Verwaltungs- rechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2. Auflage, Zürich 1999, § 7 N 49; Thomas Merkli / Arthur Aeschlimann / Ruth Herzog, Kom- mentar zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege im Kanton Bern, Bern 1997, Art. 19 N 33; Attilio R. Gadola, Das verwaltungs- interne Beschwerdeverfahren, Diss. Zürich 1991, S. 409; zum Gan- zen: AGVE 2001, S. 372 f.; 2000, S. 344). 2008 Verwaltungsgericht 316 4.3. In den Akten findet sich kein Protokoll über die anlässlich des Augenscheins am Wohnort des Beschwerdegegners (siehe vorne Erw. 3.4.2) gemachten Feststellungen. Obwohl der Augenschein für die Beurteilung der Beschwerdebegehren ohne jegliche Relevanz blieb, handelt es sich bei der Pflicht zur Aktenerstellung um eine elementare Anforderung an ein rechtstaatliches Verfahren, weshalb der Verzicht auf jegliche Protokollierung - selbst ein Handprotokoll fehlt - eine Verletzung des rechtlichen Gehörs darstellt (siehe AGVE 2001, S. 374). 4.4. Die Vorinstanz ist ergänzend auf die im Verwaltungsverfahren geltenden Mitwirkungs- und Äusserungsrechte der Betroffenen hin- zuweisen. Dient ein Augenschein dazu, einen streitigen, unabgeklär- ten Sachverhalt festzustellen, so müssen die am Verfahren Beteilig- ten aufgrund von § 15 Abs. 2 VRPG und Art. 29 Abs. 2 BV grund- sätzlich zum Augenschein beigezogen werden. Auf Beweismittel darf nicht abgestellt werden, ohne dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, an der Beweisabnahme mitzuwirken oder wenigstens nach- träglich zum Beweisergebnis Stellung zu nehmen. Ein Augenschein darf nur dann unter Ausschluss einer Partei erfolgen, wenn schüt- zenswerte Interessen Dritter oder des Staates oder eine besondere Dringlichkeit dies gebieten oder wenn der Augenschein seinen Zweck überhaupt nur dann erfüllen kann, wenn er unangemeldet er- folgt (BGE 121 V 150 Erw. 4a und 4b; 116 Ia 94 Erw. 3b; zum Gan- zen: BGE vom 15. Juli 2003 [1P.318/2003], Erw. 2.1). 5. 5.1. Zusammenfassend hat die Vorinstanz das rechtliche Gehör der Verfahrensbeteiligten mehrfach verletzt. Sie erstellte kein Protokoll über den durchgeführten Augenschein und verunmöglichte damit auch eine nachträgliche Stellungnahme zum Beweisergebnis des Au- genscheins.
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2003 Verwaltungsgericht 160 [...] 46 Ausnützungsberechnung (§ 9 ABauV). Fairness im Verfahren (§ 22 KV). - Ratio legis von § 9 Abs. 5 ABauV; Begriff der parzellenübergreifenden Überbauung (Erw. 2/a/bb). - Auf Grund einer Baurechtsdienstbarkeit errichtete Bauten (i.c. Gara- gen) zählen nach Massgabe von § 9 Abs. 4 ABauV zur anrechenbaren Grundstücksfläche (Erw. 2/a/cc). - Ratio legis von § 9 Abs. 2 lit. a al. 3 ABauV; Begriff der Angemessen- heit (Erw. 2/b/aa). - Auslegung einer kommunalen Norm, welche in Ausnützung der Re- gelungskompetenz gemäss § 9 Abs. 3 Satz 1 ABauV die Fläche in Dach-, Attika- und Untergeschossen als nicht anrechenbar erklärt, wenn sie zur Fläche der Vollgeschosse eine bestimmte Relation wahrt (Erw. 2/b/bb). - Rechtsstaatliche Anforderungen, wenn der Sachbearbeiter, der eine Verhandlung durchführt, mit dem Sachbearbeiter, der den Ent- scheidentwurf verfasst, nicht identisch ist (Erw. 6/a/aa,bb); Heilung des Verfahrensmangels, um einen prozessualen Leerlauf zu vermeiden (Erw. 6/a/cc). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 9. Dezember 2002 in Sachen B. und Mitb. gegen Baudepartement. Aus den Erwägungen 1. Das am 6. September 1999 bewilligte erste Baugesuch um- fasst eine hangseitige Erweiterung des Ober- und des Dachgeschos- ses um eine Bruttogeschossfläche (BGF) von 49.97 m 2 bzw. 2003 Bau-, Planungs- und Umweltschutzrecht 161 78.25 m 2 . Das neue Dachgeschoss kommt dabei grösstenteils auf das erweiterte Obergeschoss, teilweise auch auf das bisherige Oberge- schoss zu liegen und verfügt über ein eigenes Satteldach, das auf dem unteren Teil der bestehenden nordwestlichen Dachseite aufliegt. Die Firsthöhe des Anbaus beträgt 10.10 m. Das abgeänderte Bauge- such vom 6. September 2000 unterscheidet sich vom ersten Bauge- such in erster Linie hinsichtlich der äusseren Gestaltung, indem die Flucht des talseitigen Dachs mit einer Dachneigung von 43° bis zu einer Firsthöhe von 11.05 m nach oben gezogen wird; die übrigen Aussenmasse bleiben unverändert, ebenso die Grundrisse. 2. Hauptstreitpunkt bildet die Ausnützungsberechnung. a) aa) Bei der Ermittlung der anrechenbaren Grundstücksfläche ging der Gemeinderat davon aus, dass von der Fläche der Parzelle Nr. 608 von 806 m 2 keine Abzüge zu machen seien, namentlich auch nicht in Bezug auf die drei Doppelgaragen auf der Parzelle Nr. 608, an welchen den Eigentümern der Parzellen Nrn. 2678, 2679 und 2680 seinerzeit eine Baurechtsdienstbarkeit eingeräumt worden ist. Das Baudepartement schloss sich dem an und stellte unter Verwei- sung auf § 9 Abs. 5 ABauV gleichzeitig fest, dass es sich vorliegend um eine parzellenübergreifende Überbauung handle, bei der die Aus- nützungsziffer gesamthaft, ohne Aufteilung des Baugrundstücks in Einzelparzellen, einzuhalten sei. Die Beschwerdeführer sind der Meinung, dass diese Bestimmung hier nicht zur Anwendung kommt. bb) aaa) Aus dem Amtsbericht des Baudepartements (Rechts- abteilung) vom 26. November 2002 ist ersichtlich, dass hinter dem Erlass von § 9 Abs. 5 ABauV offenbar die Zielsetzung stand, im Interesse der haushälterischen Nutzung des Bodens (§ 46 BauG) Überbauungen zu ermöglichen, die nicht an vorhandene Parzellen- strukturen gebunden sind und auch nicht zwingend die Vorausset- zungen einer Arealüberbauung erfüllen müssen. Die Materialien zu den §§ 46 und 50 BauG enthalten dem Vernehmen nach keine ein- schlägigen Aussagen; lediglich in der politischen Diskussion sei zum Ausdruck gekommen, dass die Siedlungsqualität trotz verdichteter Bauweise gewährleistet bleiben solle. Rein von der Wortwahl her wäre unter einer "parzellenüber- greifenden" Überbauung im Sinne von § 9 Abs. 5 ABauV am ehesten 2003 Verwaltungsgericht 162 eine Überbauung zu verstehen, bei der bereits eine bestimmte Auf- teilung von Grundstücken besteht und über die Grundstücks- grenze(n) hinweg gebaut wird. So betrachtet fiele die hier in Frage stehende Überbauung nicht darunter, bestand doch im Zeitpunkt der Baubewilligungserteilung am 22. August 1988 nur die Parzelle Nr. 608 mit einer Grundstücksfläche von 2'472 m 2 und erfolgte die Aufteilung in die vier Parzellen Nrn. 608, 2678, 2679 und 2680 erst ungefähr ein Jahr später. In einem Entscheid vom 11. Dezember 1996 in Sachen E. u.M. (publiziert in AGVE 1997, S. 309 ff.) hat nun allerdings das Verwaltungsgericht eine Überbauung als "parzel- lenübergreifend" qualifiziert, die ebenfalls auf einem ungeteilten Grundstück entstanden war. Als massgebend erachtete das Gericht dabei, dass die - nach der Realisierung der letzten Bauetappe - 12 Häuser umfassende Überbauung einem einheitlichen Konzept folge, was namentlich aus ihrem Erscheinungsbild sowie den gemeinsamen Infrastrukturanlagen (Autoabstellplätze, Kinderspielplatz) ersichtlich sei (AGVE 1997, S. 312). Diese Sicht der Dinge erscheint nach wie vor zutreffend. Die "parzellenübergreifende" Überbauung zeichnet sich also weniger durch die sachenrechtliche Konstellation als durch ein qualitatives Kriterium aus, nämlich die Einheitlichkeit der Über- bauung, die haushälterische Planung der Erschliessung (einschliess- lich der Autoabstellplätze) und weiterer gemeinsamer Anlagen (z.B. Spielplätze) usw. Eine solche Auslegung stimmt auch damit überein, dass in § 9 Abs. 5 ABauV primär die Arealüberbauungen erwähnt werden (in einem ersten Entwurf von Absatz 5 war nebst den Arealüberbauungen von "Überbauungen nach Gesamtkonzept" die Rede). bbb) Auch bei Zugrundelegung dieses Normverständnisses kann im vorliegenden Falle nicht von einer "parzellenübergreifen- den" Überbauung gesprochen werden. Wohl gehorchen die vier Einfamilienhäuser äusserlich einem einheitlichen Muster, doch fin- den sich ausser dem Garagentrakt auf der Parzelle Nr. 608 (ein der Erschliessung der oberen Grundstücke dienender Fussweg fällt in diesem Zusammenhang kaum ins Gewicht) keine gemeinsamen An- lagen, und diese Planung diktierte wohl weniger das (öffent- lichrechtliche) Anliegen einer möglichst rationellen Erschliessung, 2003 Bau-, Planungs- und Umweltschutzrecht 163 sondern vielmehr eine simple Zweckmässigkeitsüberlegung, indem sich die Erstellung sämtlicher Autogaragen direkt am Schürbergweg als die kostengünstigste Lösung anbot. Demnach ist die Ausnüt- zungsberechnung pro Grundstück vorzunehmen, und es ist belanglos, ob auf der Parzelle Nr. 2680 - oder auf einem andern Grundstück der Überbauung - ausnützungsrelevante Um-, Aus- oder Anbauten vor- genommen wurden. cc) Die Beschwerdeführer halten dafür, die Fläche der drei Doppelgaragen samt Vorplätzen (211.50 m 2 ) zählten nicht zur anre- chenbaren Grundstücksfläche. Die vom Baurecht erfassten Flächen und Bauten dienten den Eigentümern der Parzellen Nrn. 2678, 2679 und 2680 und dürften von den Beschwerdegegnern nicht belastet werden, auch nicht in Form eines Einbezugs in die massgebliche Grundstücksfläche. Der Anspruch der Beschwerdeführer, sich bei der Ermittlung der massgebenden Fläche ihrer Grundstücke die auf den betreffenden Baurechtsflächen ruhende Ausnützungsreserve zurech- nen zu lassen, ergebe sich aus der erwähnten subjektiv-dinglichen Verknüpfung. Die anrechenbare Grundstücksfläche ist die Fläche der von der Baueingabe erfassten, baulich noch nicht ausgenützten Grundstücke oder Grundstücksteile innerhalb der Bauzone; Flächen bestehender und projektierter öffentlicher Strassen und ihrer Bestandteile werden nicht angerechnet (§ 9 Abs. 4 ABauV). Grundsätzlich ist danach stets von der gesamten Grundstücksfläche auszugehen. Die nicht anre- chenbaren Flächen sind klar und abschliessend definiert. Bauten, die wie im vorliegenden Falle auf Grund einer Baurechtsdienstbarkeit errichtet worden sind, werden in § 9 Abs. 4 ABauV nicht erwähnt und sind demgemäss anrechenbar. Der von den Beschwerdeführern in diesem Zusammenhang als Beleg angeführte Fall E. u.M. lag in sachenrechtlicher Hinsicht insofern anders, als die Autoabstellplätze und der Kinderspielplatz auf je einem separaten Grundstück angelegt und entsprechende Anteile subjektiv-dinglich mit den betreffenden Hausgrundstücken verknüpft worden waren (AGVE 1997, S. 311 f.). b) Kontrovers ist auch die Ermittlung der anrechenbaren BGF: aa) Als anrechenbare BGF gilt die Summe aller ober- und un- terirdischen Geschossflächen, einschliesslich der Mauer- und Wand- 2003 Verwaltungsgericht 164 querschnitte; nicht angerechnet werden u.a. angemessene Einstell- räume für Motorfahrzeuge (§ 9 Abs. 2 lit. a al. 3 ABauV). Die Be- schwerdeführer sind der Meinung, auf Grund dieser Bestimmung müsse die Fläche der drei nicht der Parzelle Nr. 608 dienenden Dop- pelgaragen samt Vorplätzen ebenfalls der BGF zugeschlagen werden. Das Baudepartement argumentiert, da mit den fraglichen Garagen- plätzen bezüglich aller vier Liegenschaften die Parkplatzstellungs- pflicht erfüllt werde, seien bei der Beurteilung der Angemessenheit nur die beiden der Parzelle Nr. 608 dienenden Einstellräume zu be- rücksichtigen. Der Gemeinderat ist gleicher Ansicht. Das Verwaltungsgericht teilt den Standpunkt der Vorinstanzen. In Fällen wie dem vorliegenden ist die "Angemessenheit" von Gara- gen auf sämtliche Baurechtsberechtigten und nicht allein auf den Eigentümer des mit dem Baurecht belasteten Grundstücks zu be- ziehen. Andernfalls würde dieser dafür "bestraft", dass auf seinem Grundstück Fremdgaragen erstellt worden sind, und das kann nicht der Sinn von § 9 Abs. 2 lit. a al. 3 ABauV sein. Diese Bestimmung will offensichtlich nur verhindern, dass auf einem Grundstück ohne entsprechende Anrechnung überdimensionierte Einstellräume für Motorfahrzeuge erstellt werden. Im Übrigen führt es nicht zu einem Widerspruch, wenn die Fläche der Fremdgaragen einerseits zur anre- chenbaren Grundstücksfläche gerechnet (siehe vorne Erw. a/cc) und anderseits bei der Ermittlung der anrechenbaren BGF nicht berück- sichtigt wird. Dies zeigt folgende einfache Überlegung: Wären im vorliegenden Falle statt der Sammelgarage die einzelnen Doppelga- ragen auf den betreffenden Grundstücken erstellt worden, wäre das Ergebnis der Ausnützungsberechnung genau dasselbe; aus dieser "Neunerprobe" ist ersichtlich, dass es für die Auffassung der Be- schwerdeführer keine öffentlichrechtlich relevante Begründung gibt. bb) Als anrechenbare BGF gilt wie bereits erwähnt grundsätz- lich die Summe sämtlicher ober- und unterirdischen Geschossflä- chen, also auch jener in Dach- und Untergeschossen (§ 9 Abs. 2 Satz 1 ABauV). Die Gemeinden können nun aber die Anrechenbarkeit von Räumen in Dach-, Attika- und Untergeschossen abweichend regeln (§ 9 Abs. 3 Satz 1 ABauV). Die Gemeinde Brittnau hat von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht und in § 28 der Bau- und 2003 Bau-, Planungs- und Umweltschutzrecht 165 Nutzungsordnung (BNO) vom 27. November 1998 / 15. Juni 1999 Folgendes festgelegt: "Betreffend Ausnützungsziffer gelten die Definitionen gemäss kantonalem Recht. Zudem wird die Fläche in Dach-, Attika- und Untergeschossen nicht zur anrechenbaren Bruttogeschossfläche gezählt, sofern sie gesamthaft die Fläche von 11⁄2 Vollgeschossen nicht überschreitet". Der Gemeinderat hat aus dieser Bestimmung abgeleitet, dass im vorliegenden Falle das Dachgeschoss nicht angerechnet werden muss. Das Baudepartement ist dieser Auffassung beigetreten und hat dazu ausgeführt, nach Sinn und Zweck von § 28 BNO könne es sich nur um diejenigen Flächen von Dach-, Attika- und Untergeschossen handeln, welche gemäss § 9 ABauV für die Ausnützungsberechnung relevant seien. Die Beschwerdeführer sind demgegenüber der Mei- nung, dass diese Auslegung durch den Wortlaut der Bestimmung nicht gedeckt sei. Bei der Auslegung einer kommunalen Norm darf sich die be- treffende Gemeinde auf ihre autonome Stellung innerhalb des Staats- gefüges berufen (§ 106 Abs. 2 KV; siehe AGVE 1998, S. 319 f. mit Hinweisen; VGE III/92 vom 11. November 2002 [BE.2002.00055] in Sachen M., S. 13). Dies bedeutet, dass von der Interpretation, welche der Gemeinderat als richtig ansieht, nicht ohne Not abgewichen wer- den darf bzw. im Wesentlichen nur, wenn das Ergebnis in der Sache nicht zu überzeugen vermag. Dies trifft im vorliegenden Falle nicht zu. Schon der Wortlaut führt zu einem klaren Ergebnis. So gelten gemäss § 28 Satz 1 BNO "die Definitionen gemäss kantonalem Recht", also namentlich jene von § 9 Abs. 1 ABauV, wonach die Ausnützungsziffer die Verhältniszahl zwischen der anrechenbaren BGF und der anrechenbaren Grundstücksfläche ist. Dass nur die anrechenbaren Geschossflächen gemeint sein können, ist auch daraus zu folgern, dass bei einer Überschreitung von 11⁄2 Vollgeschossflä- chen logischerweise nur die gemäss § 9 Abs. 2 ABauV anrechenba- ren Flächen der betreffenden Dach- und Untergeschosse in die Aus- nützungsberechnung eingestellt werden können. Dazu kommen te- leologische Gesichtspunkte. Die in § 9 Abs. 3 Satz 1 ABauV enthal- tene Regelungskompetenz ist nämlich vor dem Hintergrund zu se- 2003 Verwaltungsgericht 166 hen, dass der Gesetzgeber die verdichtete Bauweise gefördert wissen wollte (§ 46 Satz 2 BauG) und die Gemeinden dementsprechend u.a. ermächtigte, für Neubauten vorzusehen, dass Dach- und Unterge- schoss bei der Berechnung der Ausnützungsziffer nicht berücksich- tigt werden (§ 50 Abs. 2 Satz 3 BauG; siehe auch die Botschaft des Regierungsrats an den Grossen Rat vom 17. August 1992 zur 2. Be- ratung des neuen Baugesetzes, S. 20 oben zu § 48). § 28 BNO stellt gemessen an dieser Ermächtigung eine mildere Variante dar, indem die Privilegierung bei der Ausnützungsziffer davon abhängig ge- macht wird, dass die Fläche in Dach- und Untergeschossen zur Flä- che der Vollgeschosse eine bestimmte Relation wahrt. Es ist nun offensichtlich, dass das gesetzgeberische Verdichtungsziel weitge- hend toter Buchstabe bliebe, wenn - wie die Beschwerdeführer mei- nen - die in § 28 BNO vorgegebene Verhältniszahl auf der Basis der betreffenden Grundrissflächen ermittelt werden müsste. Gerade in Wohnzonen, namentlich in Zonen für Einfamilienhäuser, besteht die herkömmliche Bauweise darin, dass neben einer Unterkellerung auf der gesamten Grundfläche auch ein Dachgeschoss geschaffen wird; die Grundflächen des Dach- und des Untergeschosses würden hier die Fläche von 11⁄2 Vollgeschossen regelmässig überschreiten. Die von den Beschwerdeführern befürchtete und am Augenschein vom 9. Dezember 2002 mit einer Skizze erläuterte Missbrauchsgefahr hält das Verwaltungsgericht nicht für gegeben. Die erwähnten Bedenken beziehen sich einzig darauf, dass gemäss § 28 Satz 2 BNO das arithmetische Mittel der Dach- und Untergeschossflächen massge- bend ist, was beispielsweise ein überproportioniertes Dachgeschoss ermögliche. Dabei wird übersehen, dass jedes Bauvorhaben die all- gemeinen öffentlichrechtlichen Randbedingungen wie maximale Gebäude- und Firsthöhen, Grenzabstände, Einordnung in das Orts- bild usw. (§ 6 Abs. 1 und § 45 Abs. 1 BNO) zu beachten hat und dass dies in aller Regel wirksame Schranken gegen eine exzessive Bau- weise sind. c) Gemäss der Ausnützungsberechnung der Beschwerdegegner vom 31. August 2000, auf welche sich auch die Beschwerdeführer abstützen, betragen die anrechenbare BGF des bestehenden Erdge- schosses 85.27 m 2 (ohne Gartensitzplatz [siehe § 9 Abs. 2 2003 Bau-, Planungs- und Umweltschutzrecht 167 lit. a al. 5 ABauV]), jene des bestehenden Obergeschosses 88.47 m 2 , gesamthaft also 173.74 m 2 bzw. im Mittel 86.87 m 2 . Dies ist die nach § 28 BNO massgebende Fläche eines Vollgeschosses. Der Schwellenwert für die Anrechnung bzw. Nichtanrechnung des Dach- und des Obergeschosses beträgt demgemäss 130.31 m 2 (86.87 m 2 x 11⁄2). Die anrechenbare BGF des Dachgeschosses beträgt 78.25 m 2 , jene des Untergeschosses 37.04 m 2 , was eine Gesamtfläche von 115.29 m 2 ergibt, womit der erwähnte Schwellenwert nicht überschritten wird und das Dach- wie das Untergeschoss bei der Ausnützungsberechnung ausser Betracht zu bleiben haben. (...). 6. Die Beschwerdeführer erheben verschiedene Rügen formeller Art: a) aa) Die Beschwerdeführer machen geltend, dass einer der Entscheide des Baudepartements von einem andern Sachbearbeiter redigiert worden sei als demjenigen, der die Augenscheinsverhand- lung vom 23. Mai 2001 geleitet habe; zudem habe der Entscheidver- fasser nicht über die Abschrift der Protokollnotizen verfügt. Das Baudepartement räumt ein, dass die Entscheidredaktion zumindest teilweise von einem mit der Beschwerdesache vorher nicht befassten Sachbearbeiter besorgt wurde, erachtet dies aber als formell korrekt, weil der Fall wegen des Gesuchs um Baueinstellung dringlich gewe- sen sei. bb) Nach aargauischem Recht wird im Verwaltungsverfahren das Unmittelbarkeitsprinzip durchbrochen. Gemäss § 22 Abs. 1 VRPG dürfen Beweiserhebungen auch durch "Beauftragte" der Verwaltungsbehörden vorgenommen werden. Im Weiteren hat der Gesetzgeber ausdrücklich festgelegt, dass - mit Ausnahme lediglich der Fälle von Vorbefassungen - Beschwerdeentscheide des Regierungsrats durch eine untergeordnete Behörde, beispielsweise ein Departement, instruiert werden dürfen (§ 50 VRPG; § 28 des Gesetzes über die Organisation des Regierungsrates und der kantonalen Verwaltung [Organisationsgesetz; SAR 153.100] vom 26. März 1985); in derartigen Fällen handelt es sich regelmässig um Geschäfte, die vom Regierungsrat "am grünen Tisch" entschieden werden. Von da her ist die Identität zwischen dem Sachbearbeiter, der die Augenscheinsverhandlung durchführt, und dem 2003 Verwaltungsgericht 168 Sachbearbeiter, der den Entscheidentwurf verfasst, ebenfalls nicht zwingend; der Grundsatz, dass die betreffende Verwaltungsbehörde in der vom Gesetz vorgeschriebenen Zusammensetzung entscheidet (siehe Kurt Eichenberger, Verfassung des Kantons Aargau vom 25. Juni 1980 [Textausgabe mit Kommentar], Aarau 1986, § 22 N 19), ist gewahrt. Allerdings verlangt der Anspruch der Betroffenen auf ein faires Verfahren (§ 22 Abs. 1 KV), dass in derartigen Fällen auf die Vollständigkeit und Richtigkeit der Sachverhaltsermittlung (§ 20 Abs. 1 VRPG) ein besonderes Augenmerk zu richten ist. Insofern sind Konstellationen, wie sie hier gerügt werden, auch nicht ganz unproblematisch. U.a. hängt einiges von der Qualität der betreffenden Verhandlungsprotokolle ab; diese müssen überdies dem Entscheidverfasser in endgültig ausgefertigter Form vorliegen, d.h. blosse Handnotizen genügen nicht (siehe zum Ganzen den VGE III/28 vom 26. Februar 1998 [BE.1996.00194] in Sachen B. AG u.M., S. 5 f.; AGVE 2000, S. 341 ff.). Gemessen an diesen Vorgaben ist das Vorgehen des Baudepar- tements in der Tat zu beanstanden. Es genügte nicht, dass der Verfas- ser des Augenscheinsprotokolls im Zeitpunkt der Entscheidredaktion greifbar war; vielmehr hätten die Handnotizen in gedruckter Form vorliegen müssen, was auf Grund der Datierung (22. Oktober 2001) klarerweise nicht der Fall war. Da der verfassungsrechtlich gewährleistete Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV; § 22 Abs. 1 KV) den Anliegen der wirkungsorientierten Verwaltung vorgeht (AGVE 2000, S. 346), ist der Einwand der Dringlichkeit nicht stichhaltig; abgesehen davon nimmt das Diktieren eines durch- schnittlich langen Verhandlungsprotokolls erfahrungsgemäss nicht viel Zeit in Anspruch. cc) Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist formeller Natur; seine Verletzung führt ungeachtet der Erfolgsaussichten der Be- schwerde in der Sache selbst zur Aufhebung des angefochtenen Ent- scheids (BGE 120 Ib 383 mit Hinweisen). Eine Heilung in einem Rechtsmittelverfahren ist nur ausnahmsweise möglich; dies hängt namentlich von der Schwere und Tragweite der Gehörsverletzung so- wie davon ab, ob die Rechtsmittelinstanz den angefochtenen Ent- scheid in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht frei überprüfen kann 2003 Bau-, Planungs- und Umweltschutzrecht 169 (BGE 120 V 362 f. und 121 V 156, je mit Hinweisen; AGVE 1997, S. 374). Wird die Heilungsmöglichkeit bejaht, so ist die Gehörsver- letzung jedenfalls beim Kostenentscheid zu berücksichtigen (AGVE 1974, S. 362; siehe zum Ganzen auch den VGE III/4 vom 10. Januar 2002 [BE.2000.00349] in Sachen H., S. 13). Dem Verwaltungsgericht steht die Ermessensüberprüfung im vorliegenden Falle nicht zu. Trotzdem ist der festgestellte Verfah- rensmangel heilbar, da sonst klarerweise ein prozessualer Leerlauf betrieben würde (vgl. BGE 107 Ia 2 f.; Bundesgericht, in: ZBl 90/1989, S. 367; VGE III/141 vom 21. November 2000 [BE.1999.00189] in Sachen Einwohnergemeinde B., S. 17); der Be- schwerdeführer stellt denn auch keinen Rückweisungsantrag. Die Gehörsverletzung ist aber beim Kostenentscheid angemessen zu berücksichtigen. (...).
4,776
3,785
AG_VG_001
AG_VG
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Northwestern_Switzerland
AG_VG_001_AGVE-2003-46_2002-12-03
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AGVE_2003_46
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2,006
de
2006 Verwaltungsgericht 248 [...] 49 Opferhilfe, Genugtuung (Art. 12 Abs. 2 OHG). - Wenn der Täter immaterielle Leistungen für das Opfer erbringt, eine Versöhnung erfolgt und das Opfer gegenüber dem Täter keine Ge- nugtuungsforderungen mehr in Betracht zieht, entfällt der Anspruch auf Genugtuung nach OHG. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 10. Mai 2006 in Sa- chen J.M. gegen Kantonalen Sozialdienst. Sachverhalt Die Beschwerdeführerin wurde von ihrem Arbeitskollegen und ehemaligen Freund während eines Streits niedergeschlagen und erlitt erhebliche Verletzungen, teils bleibender Art, die zu längerer, mögli- cherweise dauernder Arbeitsunfähigkeit führten. Aus den Erwägungen 2. (Voraussetzungen für Genugtuung nach OHG; siehe AGVE 2006 48 243) 3./3.1. Angesichts der erheblichen und andauernden Folgen, welche die Straftat für die Beschwerdeführerin hatte, ist eine schwere Betroffenheit ohne weiteres zu bejahen. 3.2. Zu prüfen ist, ob im konkreten Fall besondere Umstände vorliegen, welche die Ausrichtung einer Genugtuung rechtfertigen bzw. ob besondere Umstände gegen die Ausrichtung der Genugtuung sprechen. 3.2.1. Bereits Jahre vor der Tat hatte die Beschwerdeführerin ein persönliches Verhältnis zum Täter. Unmittelbar nach der Körper- verletzung liess sie sich durch ihn betreuen. Gemäss eigenen, gut ei- 2006 Opferhilfe 249 nen Monat nach der Tat gemachten Aussagen hatte sie weiterhin Kontakt zu ihm und hat ihm in dieser Sache verziehen. Die Be- schwerdeführerin verzichtete ausdrücklich auf einen Strafantrag und unternahm auch keine zivilrechtlichen Schritte gegen ihn. Die Vorin- stanz stellte eine besonders enge Beziehung zwischen Opfer und Täter fest: Der Täter kümmerte sich auch nach der Tat andauernd - mit ihrem Einverständnis - um die Beschwerdeführerin. Er hielt sich mehrheitlich bei ihr auf, half im Haushalt und brachte sie zu Arzt- terminen. Die Beschwerdeführerin wendet ein, dass aufgrund dieser an sich zutreffenden Beobachtungen fundierte Aussagen über die Be- ziehung zum Täter nicht möglich seien und der Schluss der Vorin- stanz auf eine fehlende Betroffenheit mangels eigentlicher Anhalts- punkte willkürlich sei. Dem kann nicht gefolgt werden. Die äusseren Beobachtungen lassen durchaus Schlüsse auf die Intensität der Be- ziehung zu. Dass der Täter nach wie vor einen engen Kontakt mit der Beschwerdeführerin pflegt und weiterhin ein Freund der Familie ist, äusserte sich neben den erwähnten Feststellungen der Vorinstanz ins- besondere dadurch, dass er bei der Hochzeit ihres Sohnes Trauzeuge war. Die nahe Beziehung wird von der Beschwerdeführerin denn auch nicht bestritten. Aufgrund dieser Umstände ist somit davon aus- zugehen, dass die Beschwerdeführerin dem Täter nicht bloss verzie- hen, sondern sich mit ihm versöhnt hat. Die Bemühungen des Täters sind als eine Art persönliche Genugtuungsleistung anzusehen, auch wenn diese nicht in Form einer geldwerten Leistung ergingen. 3.2.2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, es sei gerichts- notorisch, dass geschlagene Frauen oft grösste Mühe haben, sich von ihrem Peiniger zu trennen. Diese Behauptung bleibt völlig abstrakt; obwohl anwaltlich vertreten, macht die Beschwerdeführerin keinerlei konkrete Angaben oder Hinweise, inwieweit sie persönlich in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Täter stehen soll. Es besteht weder eine soziale noch eine finanzielle Abhängigkeit und ebenso wenig ergibt sich eine solche aus der Arbeitstätigkeit oder aus fremdenpolizeili- chen Gründen; auch eine gleichsam schicksalshafte emotionale Ab- hängigkeit zum Täter wird nicht behauptet. Es liegt keine Konstella- tion vor, wo das Opfer vom Täter nicht wegkommt; die Aufrechter- 2006 Verwaltungsgericht 250 haltung einer nahen Beziehung zum Täter erfolgt vielmehr aus freien Stücken (vgl. vorne Erw. 3.2.1). 3.3. Wegen der andauernden engen Beziehung zum Täter muss davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin ihm ge- genüber keine Genugtuungsforderung in Betracht zieht, und zwar unabhängig davon, ob er zahlungsfähig ist oder nicht. Zumindest hat sie den gegenteiligen Schluss nicht glaubhaft gemacht: Sie legt in keiner Weise dar, dass sie vom Täter selbst bei geeigneten Durchset- zungsversuchen keine oder nur ungenügende Genugtuungsleistungen erhalten kann. Dies ist jedoch nach Art. 1 OHV Voraussetzung für die Ausrichtung von Leistungen, und es entspricht nicht dem Gedan- ken der staatlichen Hilfeleistung, stattdessen auf den opferhilferecht- lichen Genugtuungsanspruch zurückgreifen zu können. Wenn sogar zivilrechtlich die Genugtuungsforderung scheitert, falls das Opfer diese gegenüber der Täterin (dort die Ehefrau) nicht einmal in Be- tracht zieht, sondern sie ausschliesslich gegenüber deren Haftpflicht- versicherung durchsetzen will (BGE 115 II 156 Erw. 2a), so muss dies umso eher im Bereich der Opferhilfe gelten. 4. Die konkreten Umstände des vorliegenden Falles rechtferti- gen keine opferhilferechtliche Genugtuungsleistung, und auch der Grundsatz der Subsidiarität steht dieser entgegen. Demzufolge be- steht kein Anspruch auf Genugtuung nach OHG. Dies führt zur Ab- weisung der Beschwerde.
1,102
902
AG_VG_001
AG_VG
AG
Northwestern_Switzerland
AG_VG_001_AGVE-2006-49_2006-05-02
http://agve.weblaw.ch/html//AGVE-2006-49.html
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AGVE_2006_49
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871,720
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2,004
de
2004 Anwaltsrecht 267 X. Anwaltsrecht 64 Rechtliches Gehör (§ 14 Abs. 1 AnwT). Solidarhaftung für die Prozesskosten. Festsetzung der Parteientschädigung (§ 36 VRPG; § 8 AnwT). - Handhabung von § 14 Abs. 1 AnwT (Erw. 1). - Solidarische Haftung des während des Beschwerdeverfahrens ausscheidenden Konsorten (Erw. 2). - Handhabung von § 8 AnwT nach der Abschaffung des Zwangstarifs (Erw. 3 a und b). vgl. AGVE 2004 77 279
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AG_VG_001
AG_VG
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AG_VG_001_AGVE-2004-64_2004
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2,004
de
2005 Verwaltungsrechtspflege 329 X. Verwaltungsrechtspflege 64 Rechtliches Gehör. Verfügungsform. - In Gesuchsverfahren kann von einer Anhörung grundsätzlich abge- sehen werden; dies gilt auch bezüglich der Erhebung von Gebühren im Zusammenhang mit der Gesuchsstellung (Erw. 2/b). - Ist eine Verfügung von einer nicht unterschriftsberechtigten Person unterzeichnet worden, kann dieser Mangel nicht geheilt werden (Erw. 2/c). Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 30. November 2004 in Sa- chen N. AG gegen Regierungsrat. Aus den Erwägungen 2. (...) b) (...). In Verfahren, welche durch Einreichung eines Gesuchs eingeleitet werden, bedarf es nach bundesgerichtlicher Rechtspre- chung grundsätzlich keiner Anhörung mehr; es findet gewissermas- sen eine Vorverlagerung des rechtlichen Gehörs statt, indem der Ge- suchsteller sein Gesuch entsprechend zu begründen hat (BGE 111 Ia 103 f.; Michele Albertini, Der verfassungsmässige Anspruch auf rechtliches Gehör im Verwaltungsverfahren des modernen Staa- tes, Bern 2000, S. 263). Damit ist allerdings nur der begünstigende Teil der Bewilligung abgedeckt. Aber auch wenn mit der Bewil- ligung belastende Nebenbestimmungen verknüpft oder - wie im vor- liegenden Falle - Gebühren erhoben werden, braucht der Bewilli- gungsnehmer in aller Regel nicht angehört zu werden. Nebenbe- stimmungen bilden als mildere Massnahme (in Befolgung des Ver- hältnismässigkeitsprinzips) eine Alternative zur Bewilligungsver- weigerung (Albertini, a.a.O., S. 38; AGVE 2002, S. 242 f.). Mit der Gebührenerhebung wiederum muss der Gesuchsteller normalerweise 2005 Verwaltungsgericht 330 rechnen, was offenbar auch die Beschwerdeführerin anerkennt. Zudem hat sich die verfügende Behörde in materieller Hinsicht an die gesetzlichen Grundlagen sowie an das Kostendeckungs- und das Äquivalenzprinzip zu halten (siehe Ulrich Häfelin / Georg Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Auflage, Zürich 2002, Rz. 2636 ff., 2656 ff., 2693 ff.). Vor diesem Hintergrund kann die Hinweis- und Warnfunktion des Äusserungsrechts, die den Rechtsunterwor- fenen vor überraschenden Entscheidungen schützen soll (Albertini, a.a.O., S. 259), nicht zum Tragen kommen. (...). Der Regierungsrat hat deshalb eine Gehörsverletzung zu Recht verneint. c) Nicht einig geht das Verwaltungsgericht dagegen mit der Schlussfolgerung des Regierungsrats, auf die Gültigkeit der Ver- fügung vom 18. Juli 2002 wirke sich nicht weiter aus, dass diese von einer nicht unterschriftsberechtigten Sachbearbeiterin unterzeichnet worden sei. Nach der Rechtsprechung kann insbesondere die Ver- letzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör wieder gutgemacht werden, wenn die unterlassene Anhörung, Akteneinsicht oder Be- gründung in einem Rechtsmittelverfahren nachgeholt wird, das eine Prüfung im gleichen Umfang wie die Vorinstanz erlaubt; eine Rück- weisung der Sache käme in solchen Fällen einem formalisierten Leerlauf gleich (BGE 125 I 219; AGVE 1997, S. 374; Häfe- lin/Müller, a.a.O., Rz. 986 f.). Eine "Heilung" des formellen Mangels hat das Bundesgericht auch in einem Fall angenommen, in welchem die Steuerbehörde in einer Verfügung allein den Ehemann als Adressaten nannte, obschon sie von Gesetzes wegen verpflichtet gewesen wäre, sämtliche Mitteilungen an verheiratete Steuerpflich- tige, die in rechtlich und tatsächlich ungetrennter Ehe leben, an die Ehegatten gemeinsam zu richten; der Ehefrau sei durch den Fehler kein Nachteil entstanden, nachdem die Verfügung an den gemeinsa- men Vertreter der Beschwerdeführer zugestellt worden sei und beide dagegen rechtzeitig Beschwerde erhoben hätten (BGE vom 12. Mai 2004 [2A.442/2003] in Sachen A. und Mitb., S. 2). Demgegenüber stellt das Fehlen einer rechtsgültigen Unterzeichnung einen for- mellen Mangel der Verfügung dar, der naturgemäss einzig durch die verfügende Behörde selbst behoben werden kann. Eine "Heilung" des Fehlers im Beschwerdeverfahren ist anders als bei der Verletzung 2005 Verwaltungsrechtspflege 331 des rechtlichen Gehörs nicht möglich. Beseitigt werden kann der Mangel nur durch die vollumfängliche Aufhebung der fehlerhaften Verfügung und deren Ersatz durch einen korrekt erlassenen Verwal- tungsakt. Letzteres kann geschehen, indem die Rechtsmittelinstanz die Angelegenheit zum Erlass einer neuen Verfügung zurückweist oder aber die entsprechenden materiellen Anordnungen selbst erlässt. Bei der Überprüfung des vorinstanzlichen Kostenentscheids ist deshalb davon auszugehen, dass die hier in Frage stehende Verfah- rensrüge zu Recht erhoben worden ist.
1,013
828
AG_VG_001
AG_VG
AG
Northwestern_Switzerland
AG_VG_001_AGVE-2005-64_2004-11-03
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2,002
de
2002 Verwaltungsgericht 196 [...] 60 Zwangsmassnahme, Abgrenzung freiwillige Medikation/ Zwangsmedika- tion. - Wird jemand gegen seinen Willen behandelt, wenn er vor die Wahl gestellt wird, entweder in die Medikation einzuwilligen oder auf den Ausgang zu verzichten? (Erw. 5/c/bb) 2002 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 197 - Keine gegen die Grundrechtsgarantie verstossende Behandlung, wenn bei der Motivation eines ambivalenten Patienten zur (medika- mentösen) Behandlung dessen Selbstbestimmungsrecht und seine persönliche Freiheit nicht beeinträchtigt werden (Erw. 5/c/bb/aaa und bbb). - Die Grenze einer sinnvollen und rechtmässigen Überzeugungsarbeit für eine freiwillige Medikation wird überschritten, wenn die freie Willensbildung des Patienten beeinträchtigt wird, z.B. durch Ge- waltanwendung, Drohung oder Täuschung (analoge Anwendung von Art. 28-30 OR) (Erw. 5/c/bb/aaa und bbb). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 24. September 2002 in Sachen F.L. gegen Entscheid der Klinik Königsfelden. Aus den Erwägungen 5.c) bb) Die Beschwerdeführerin willigte am 2. September 2002 in die verordnete Medikation erst nach langem und intensivem Zure- den und unter dem Hinweis, sie erhalte sonst keinen Ausgang, ein. Nach Ansicht der Klinik handelte es sich um eine freiwillige Me- dikation, weshalb auf den Erlass eines entsprechenden Zwangsmass- nahmen-Entscheids verzichtet wurde. Im Zwangsmassnahmen-Ent- scheid bezüglich der Isolation, welche kurz nach der Medikation er- folgte, wurde entsprechend darauf hingewiesen, dass keine Zwangs- medikation erfolgt sei. Demgegenüber macht die Beschwerdeführe- rin geltend, die Medikation - vermutlich insbesondere die Depot- Injektion - sei gegen ihren Willen erfolgt. Es stellt sich somit die Frage, ob die Beschwerdeführerin dadurch, dass sie vor die Wahl gestellt wurde, entweder in die Medikation einzuwilligen oder auf den Ausgang zu verzichten, i.S. von § 67e bis Abs. 1 EG ZGB gegen ihren Willen behandelt worden sei. aaa) Es ist bei der Behandlung von psychisch kranken Men- schen ohne Krankheitseinsicht durchaus üblich und für eine erfolg- reiche Behandlung notwendig, dass die Ärzte in einer Psychiatri- schen Klinik bei den Patienten betreffend Medikation viel Überzeu- 2002 Verwaltungsgericht 198 gungsarbeit leisten müssen und dabei im Rahmen ihres Behand- lungsauftrags und mit Hilfe der Gestaltung des individuellen Klinik- alltags auch einen gewissen Spielraum für die Ausübung eines sanf- ten Drucks bedürfen. So kann z.B. das In-Aussicht-Stellen gewisser Annehmlichkeiten einen ambivalenten Patienten zur Behandlung motivieren. Mit ärztlichen Zusicherungen wie die Verlegung auf eine offene Abteilung oder die Gewährung von Ausgang sollen die Patienten ermuntert werden, sich die nötige Behandlung zukommen zu lassen. Es handelt sich dabei um "pädagogische" Methoden, wel- che die Würde der Patienten achten und das Selbstbestimmungsrecht sowie die persönliche Freiheit nicht beeinträchtigen. Bei derartigen Vorgehensweisen von Klinikärzten ist keine erniedrigende und herabsetzende, gegen die Grundrechtsgarantie verstossende Be- handlung ersichtlich. Die Grenze einer sinnvollen und rechtmässigen Überzeugungsarbeit wird dann überschritten, wenn die freie Willensbildung des Patienten beeinträchtigt wird, sei es durch Ge- waltanwendung, Drohung oder Täuschung. In diesem Zusammen- hang können Art. 28 - 30 OR zur Auslegung analog herangezogen werden. So wäre eine medikamentöse Behandlung dann gegen den Willen des Patienten, wenn dieser auf Grund einer Täuschung einem wesentlichen Irrtum unterlag und nur deshalb in die Medikation einwilligte, z.B. durch die ärztliche Falschaussage, ein neurolepti- sches Medikament sei zur Behandlung der Herzbeschwerden not- wendig. Eine Drohung oder Nötigung würde z.B. vorliegen, wenn der Patient in die Medikation einwilligte, weil ihm beispielsweise Essensentzug oder Zwangsinjektion unter Anwendung körperlicher Gewalt angedroht wurde. Analog Art. 30 Abs. 1 OR ist von einer Zwangsmassnahme i.S. von § 67e bis Abs. 1 EG ZGB auszugehen, wenn ein Patient nach den Umständen annehmen muss, dass er oder eine ihm nahe verbundene Person an Leib und Leben, Ehre oder Vermögen mit einer nahen und erheblichen Gefahr bedroht sei, falls er sich nicht mit der verordneten Medikation einverstanden erklärt. bbb) Bei der Anwendung dieser Grundsätze auf den vorlie- genden Fall ist Folgendes festzuhalten. Die Beschwerdeführerin weist eine ausgesprochen ambivalente Haltung auf. Sie unterzog sich oft einer medikamentösen Behandlung mit Neuroleptika und nahm 2002 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 199 die Medikamente aus freiem Willen ein; umgekehrt hat sie sich einer derartigen Medikation auch oft widersetzt. Dem Pflegebericht ist zu entnehmen, dass man sowohl vor dem 2. September 2002 als auch später jeweils versuchte, die Beschwerdeführerin zur Medikamenten- einnahme zu bewegen, indem man ihr in Aussicht stellte, dass sie andernfalls nicht in den Ausgang könne. Ein weiteres Mal wurde ihr die offene Abteilung in Aussicht gestellt, falls sie die Medikamente einnehme. Sie protestierte und schimpfte jeweils, willigte dann aber in der Regel in die Medikation ein. Es kam aber durchaus vor, dass sie vor die entsprechende Wahl gestellt, die Medikation verweigerte und auf Ausgang verzichtete. Im vorliegenden Fall hatte die Be- schwerdeführerin somit eine echte Wahlmöglichkeit und es fand eine freie Willensbildung statt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin zu Recht mittels fürsorgerischer Freiheitsent- ziehung in die Klinik eingewiesen worden war und die Gewährung des Ausgangs grundsätzlich im Ermessen der behandelnden Kli- nikärzte liegt, ähnlich wie die Wahl des Medikaments oder die kon- krete Dosierung. Die Handlungsalternative, vor welche die Be- schwerdeführerin gestellt wurde, war nicht grundsätzlich geeignet, eine besonnene Person in der gleichen Lage gegen ihre Überzeugung gefügig zu machen. Die Beschwerdeführerin konnte zwischen zwei Alternativen wählen, sie konnte sich entweder für die Medikation und damit für den Ausgang entscheiden oder die Medikation verweigern und auf den Ausgang verzichten. Gelegentlich ging sie denn auch auf diesen "Handel" nicht ein und verweigerte die Medi- kamenteneinnahme, weil es ihr "egal" war, ob sie Ausgang bekam oder nicht. In diesen Fällen verzichtete die Klinik konsequenterweise auf die Medikation und übte keinen Zwang aus. ccc) Für das Verwaltungsgericht ist damit erstellt, dass es sich im vorliegenden Fall nicht um eine Behandlung gegen den Willen der Beschwerdeführerin und damit um keine Zwangsmedikation im Sinne von § 67e bis EG ZGB handelt. Unter diesen Umständen erüb- rigt sich eine Verhältnismässigkeitsprüfung. Es steht sodann fest, dass die konkrete ärztliche Anordnung keinesfalls als unangemessen oder gar als missbräuchlich zu beurteilen ist. Das entsprechende 2002 Verwaltungsgericht 200 Feststellungsbegehren betreffend Behandlung vom 2. September 2002 ist somit abzuweisen.
1,481
1,251
AG_VG_001
AG_VG
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2015 Übriges Verwaltungsrecht 271 XV. Übriges Verwaltungsrecht 42 Familienausgleichskassen - Verfügungen, welche das DGS als Aufsichtsbehörde über die Fami- lienausgleichskassen erlässt, unterliegen der Beschwerde an das Ver- waltungsgericht. - Die Festsetzung und Erhebung der Beiträge obliegt gemäss Art. 15 Abs. 1 lit. b FamZG den Familienausgleichskassen; der aargauische Gesetzgeber hat auf einen Lastenausgleich verzichtet. - § 16 EG FamZG ist keine ausreichende gesetzliche Grundlage, um den Familienausgleichskassen einen einheitlichen Beitragssatz vorzu- schreiben. Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 4. März 2015 in Sachen Familienausgleichskasse A. gegen Regierungsrat (WBE.2014.213). Aus den Erwägungen 1. 1.1. (...) 1.2. Die Familienausgleichskassen stehen unter der Aufsicht der Kantone (Art. 17 Abs. 2 Satz 1 FamZG). Die Kantone regeln die Aufgaben und Pflichten der Familienausgleichskassen und Arbeitge- ber (lit. f). Die Kantone haben somit das administrative Verfahren zur korrekten Durchführung des Familienzulagengesetzes zu bestimmen (BGE 135 V 172, Erw. 7.2). Die Aufsicht über die Familienausgleichskassen wird durch das DGS ausgeübt (§ 18 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Bundesge- setz über die Familienzulagen vom 24. März 2009 [EG FamZG; SAR 815.200], § 1 der Verordnung zum EG Familienzulagengesetz vom 11. November 2009 [V EG FamZG; SAR 815.211]). Als Auf- 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 272 sichtsbehörde ist das DGS insbesondere zu Weisungen an die Kassenorgane, beispielsweise bei ungenügender Schwankungsre- serve, befugt (U ELI K IESER /M ARCO R EICHMUTH , Bundesgesetz über die Familienzulagen, Praxiskommentar, Zürich/St. Gallen 2010, Art. 17 N 26). 1.3. Verfügungen, welche das DGS als Aufsichtsbehörde nach EG FamZG erlässt, können gemäss § 50 Abs. 1 lit. a VRPG beim Regie- rungsrat mit Beschwerde angefochten werden. Dessen Entscheid un- terliegt der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (§ 54 Abs. 1 VRPG). Der Rechtsmittelweg der ordentlichen Verwaltungsrechtspflege wird durch das ATSG nicht berührt. Art. 17 Abs. 2 FamZG überträgt den Kantonen die Regelung der Aufsicht über die Familienausgleichskas- sen. Gelangt das ATSG wie vorliegend auf das Verfahren nicht zur Anwendung, ist nicht gestützt auf Art. 55 Abs. 1 ATSG das Verwal- tungsverfahrensgesetz des Bundes, sondern ein Rechtssystem insge- samt massgebend. Dies hat zur Konsequenz, dass auf kantonaler Ebene grundsätzlich kantonales Recht zur Anwendung gelangt und von Bundesrechts wegen keine Zuständigkeit des kantonalen Versicherungsgerichts besteht (vgl. U ELI K IESER , ATSG-Kommentar, 2. Auflage, Zürich 2009, Art. 55 N 11; BGE 130 V 215, Erw. 5 f.). 1.4. (...) 2.-3. (...) 4. 4.1. Nach Art. 17 Abs. 2 FamZG stehen die Familienausgleichskas- sen unter der Aufsicht der Kantone. Unter Vorbehalt dieses Gesetzes und in Ergänzung dazu sowie unter Berücksichtigung der Organisa- tionsstrukturen und des Verfahrens für die AHV erlassen die Kantone die erforderlichen Bestimmungen. Sie regeln die Finanzierung, insbesondere den allfälligen Verteilschlüssel für die Beiträge der Ar- beitgeber sowie der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (lit. j), so- wie den allfälligen Lastenausgleich zwischen den Kassen (lit. k). Die Festsetzung und Erhebung der Beiträge obliegt den Familienaus- gleichskassen (Art. 15 Abs. 1 lit. b FamZG). 2015 Übriges Verwaltungsrecht 273 Art. 17 FamZG regelt die Kompetenzen der Kantone. Während der Bund im Wesentlichen die materiell-rechtlichen Bereiche regelt, bleibt die Durchführung grundsätzlich weiterhin Sache der Kantone; zu dieser gehören die Fragen der Organisation, der Aufsicht und Finanzierung. Art. 17 FamZG ist dabei als Zuständigkeitsnorm zu verstehen, Ausführungsbestimmungen insbesondere in den in diesem Artikel genannten Bereichen zu erlassen (K IESER /R EICHMUTH , a.a.O., Art. 17 N 6 ff. mit Hinweisen; Urteil des Bundesgerichts vom 7. Mai 2010 [8C_931/2009], Erw. 3.1). Mit Art. 17 Abs. 2 lit. k FamZG besteht eine genügende gesetz- liche Grundlage für die Kantone, einen Lastenausgleich zwischen den Kassen einzuführen (BGE 135 V 172, Erw. 6.2). Der aargauische Gesetzgeber hat auf die Einführung eines Lastenausgleichs verzichtet (Botschaft des Regierungsrats des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 28. Januar 2009, Bericht und Entwurf zur 2. Beratung [Bot- schaft 2], GR.09.30, S. 2). 4.2. Nach Art. 15 Abs. 1 lit. b FamZG obliegt die Festsetzung und Erhebung der Beiträge den Familienausgleichskassen. Als deren Hauptaufgabe, welche im Bundes- und kantonalen Recht nicht explizit genannt, sondern vorausgesetzt werde, nennen K IESER /R EICHMUTH den Lastenausgleich zwischen den der Kasse angeschlossenen Arbeitgebern. Der Zweck einer Familienausgleich- kasse bestehe darin, die unterschiedlichen Belastungen der ange- schlossenen Arbeitgeber auszugleichen und diese zu einer Risikoge- meinschaft zu vereinigen. Dadurch verlören die Arbeitgeber das Inte- resse, Arbeitnehmer ohne Familienlasten denjenigen mit Lasten vorzuziehen (K IESER /R EICHMUTH , a.a.O., Art. 15 N 6 mit Hinwei- sen). Unter den Parteien ist zu Recht unumstritten, dass das Bundes- recht den anerkannten Familienausgleichskassen nicht verbietet, branchenspezifische Risikogemeinschaften zu bilden und für ange- schlossene Branchen unterschiedliche Beitragssätze anzuwenden. Der Kanton kann einen einheitlichen Beitragssatz mit einem Lasten- ausgleich unter den Familienausgleichskassen vorschreiben oder wie 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 274 bisher unterschiedliche Beitragssätze zulassen (D IETER W IDMER , Die Sozialversicherung in der Schweiz, 9. Auflage, Zürich 2013, S. 311). Art. 12 Abs. 1 FamZV enthält die Einschränkung, dass Be- triebskassen bzw. Familienausgleichskassen eines einzelnen Arbeit- gebers nicht als Familienausgleichskassen im Sinne von Art. 14 lit. a FamZG anerkannt werden dürfen (vgl. K IESER /R EICHMUTH , a.a.O., Art. 14 N 32; Wegleitung des BSV zum Familienzulagengesetz [FamZWL], Fassung 1. Januar 2015, Rz. 533). 5. 5.1.-5.2. (...) 5.3. Nach der Botschaft 1 (Botschaft des Regierungsrats des Kan- tons Aargau an den Grossen Rat vom 29. Oktober 2008, Bericht und Entwurf zur 1. Beratung, GR.08.316, S. 20) sollen die Familienaus- gleichskassen ihren Beitragssatz selber festlegen, wobei wie im Ge- setzestext, der Singular verwendet wird. Dabei darf nicht übersehen werden, dass sich die Ausführungen der Botschaft 1 am ursprünglich vorgeschlagenen (und vom Grossen Rat abgelehnten) Lastenaus- gleich ausrichteten (S. 8 ff.). Der Grosse Rat lehnte diesen ab (Bot- schaft 2, S. 2), stimmte aber dem Gesetzestext von § 16 EG FamZG entsprechend der Vorlage zu (Protokoll des Grossen Rats vom 16. Dezember 2008, Art. 2116, S. 2). Aus der Botschaft 2 ergibt sich, dass § 16 EG FamZG aufgrund des abgelehnten Lastenausgleichs redaktionell angepasst wurde (S. 2). Diese Anpassung beschränkte sich auf die Streichung des Lastenausgleichs in Satz 2 von § 16 EG FamZG (keine Berücksichtigung des Lastenausgleichs bei der Festlegung der Höhe des Beitragssatzes; vgl. Beilage zur Botschaft 09.30, Synopse EG Familienzulagengesetz). Im Hinblick auf die Interpretation des Gesetzestextes ist somit relevant, ob ein einheitlicher Beitragssatz, wie ihn die Vorinstanzen als vorgeschrieben erachten, im Zusammenhang mit dem verworfe- nen Lastenausgleich stand und ob sich der Verzicht darauf auswirkte. Gemäss Botschaft 1 wurde dem Grossen Rat kein sog. "reiner Las- tenausgleich", sondern "eher eine Form des Risikoausgleichs" vor- geschlagen (Botschaft 1, S. 9; vgl. hierzu K IESER /R EICHMUTH , Art. 17 N 101 ff.). Danach sollten die Familienausgleichskassen "die 2015 Übriges Verwaltungsrecht 275 Höhe ihres Beitragssatzes weiterhin selber festlegen". Der Mechanis- mus des Lastenausgleichs beruhte indessen (einem reinen Lastenaus- gleich entsprechend) auf der Ausgleichung des Verhältnisses von individuellem Risikosatz der Ausgleichskasse und dem (für den ge- samten Kanton ermittelten) Risikoausgleichssatz. Der individuelle Risikosatz ergab sich aus dem Verhältnis von Einkommens- und Zulagensumme der Kasse, der Risikoausgleichssatz aus dem Verhält- nis der gesamten Einkommens- und Zulagensumme (Botschaft 1, S. 10; § 17 f. gemäss Entwurf vom 29. Oktober 2008 [Beilage 1 zur Botschaft 1]; K IESER /R EICHMUTH , a.a.O., Art. 17 N 103; vgl. hierzu den vergleichbaren Lastenausgleich im Kanton Basel-Landschaft: §§ 25 ff. des Einführungsgesetzes zum Bundesgesetz über die Fa- milienzulagen vom 5. Mai 2009 [SGS 838]; und im Kanton Luzern: §§ 19 ff. des Gesetzes über die Familienzulagen vom 8. September 2008 [SRL 885]). Eine Beschränkung hinsichtlich der Lohnsumme oder Modifikationen waren nicht vorgesehen (vgl. U ELI K IESER , Strukturen von Familienausgleichskassen, in: AJP 2013, S. 1180). Der vorgeschlagene Lastenausgleich hätte zum vollständigen Risikoausgleich im Kanton geführt und unterschiedliche Beitrags- sätze innerhalb der Familienausgleichskasse wären kaum sinnvoll bzw. realistisch gewesen (zu den versicherungsmathematischen Kon- sequenzen vgl. K IESER /R EICHMUTH , a.a.O., Art. 17 N 104, wonach ein einheitlicher Beitragssatz zwingend ist; vgl. auch K IESER , Strukturen von Familienausgleichskassen, a.a.O., S. 1178). Die Ent- scheidungen über internen Beitragssatz und externen Lastenausgleich liessen sich beim vorgeschlagenen Mechanismus nicht voneinander trennen. Mit dem Verzicht des Gesetzgebers auf das Lastenaus- gleichssystem unter den Familienzulagenkassen stellte sich die Frage eines einheitlichen Beitragssatzes der Ausgleichskassen neu (zu den Regelungen anderer Kantone vgl. hinten Erw. 7.3). Nach der Ablehnung des Lastenausgleichs durch den Grossen Rat mit bloss redaktioneller Anpassung des Gesetzeswortlautes kann nicht auf einen Willen des Gesetzgebers geschlossen werden, dass § 16 EG FamZG den Familienausgleichskassen einen einheitlichen Beitragssatz vorschreibt. 6. 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 276 6.1.-6.2. (...) 6.3. (...) Das Familienzulagengesetz ist ein Rahmengesetz, bei welchem der Bund nicht alle Fragen regelt, sondern den Kantonen einen gewissen gesetzgeberischen Freiraum lässt (M ARIE -P IERRE C ARDINAUX , Umsetzung des Familienzulagengesetzes: Standpunkt der kantonalen Ausgleichskassen, in: Soziale Sicherheit [CHSS] 2/2008, S. 97; Parlamentarische Initiative, Leistungen für die Fami- lie, Zusatzbericht der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates vom 8. September 2004, 91.411, in: BBl 2004 6900). Den Kantonen steht dabei ein grosser Rege- lungsspielraum zu, welcher durch das Bundesrecht nur punktuell ein- geschränkt wird, zum Beispiel durch die Unterstellung sämtlicher Arbeitgeber ohne Befreiungsmöglichkeit sowie die Pflicht, die von AHV-Ausgleichskassen geführten Familienausgleichskassen anzuer- kennen (K IESER /R EICHMUTH , a.a.O., Art. 17 N 6). Dass das FamZG als Rahmengesetzgebung mit punktuellen bundesrechtlichen Einschränkungen ausgestaltet ist, bedeutet für sich alleine nicht, dass § 16 EG FamZG im Verhältnis zum Bundesrecht eigenständige Bedeutung zukommt. Wie die Vorinstanz festhielt, ergibt sich aus den Materialien nicht, dass der kantonale Gesetzgeber von seiner Kompetenz Gebrauch machen wollte und im Verhältnis zum Bundesrecht eine Einschränkung statuierte (vgl. vorne Erw. 5.3). Unter diesen Umständen kann - wie die Beschwerdeführe- rin zu Recht ausführen lässt - eine Wiederholung bundesrechtlicher Vorschriften nicht ausgeschlossen werden. Indessen ergibt sich aus der Kompetenzordnung im Bundesge- setz, dass der Kanton insbesondere die Finanzierung der Fami- lienausgleichskassen regelt (Art. 17 Abs. 2 lit. j FamZG). Aufgrund der den Kassen zustehenden Befugnis zur Festsetzung und Erhebung der Beiträge nach Art. 15 Abs. 1 lit. b FamZG steht fest, dass beim Fehlen konkretisierender kantonaler Vorschriften im Verhältnis von Bundes- und kantonalem Recht keine zu füllende Gesetzeslücke be- steht. Aufgrund der Stellung des EG FamZG und dessen § 16 ist da- von auszugehen, dass die Befugnis der Kasse zur Beitragsfestsetzung 2015 Übriges Verwaltungsrecht 277 beim Fehlen expliziter Gesetzesvorschriften nicht eingeschränkt ist (anders im Bereich der [obligatorischen] Krankenversicherung: Ur- teil des Bundesgerichts vom 14. Oktober 2014 [9C_8/2014 und 9C_9/2014], Erw. 4.3.2 zu Art. 62 Abs. 1 KVG, welcher abschlies- send sei und auch nicht stillschweigend die Bildung besonderer Risi- kogemeinschaften zulasse). 6.4. (...) 7. 7.1.-7.2. (...) 7.3. 7.3.1. Die Hauptaufgabe der Familienausgleichskassen wird von K IESER /R EICHMUTH darin gesehen, die Lasten zwischen den der Kasse angeschlossenen Arbeitgebern auszugleichen (vgl. K IESER / R EICHMUTH , a.a.O., Art. 15 N 6 f.). Das Bundesrecht hat ein Verbot von Betriebskassen aufgestellt und die Befreiungsmöglichkeiten abgeschafft (vorne Erw. 4.2, 6.3). 7.3.2. Fraglich ist, inwieweit ein einheitlicher Beitragssatz der Zielset- zung von § 16 EG FamZG immanent ist. Die Auslegung, wonach für die einer anerkannten Ausgleichskasse angeschlossenen Arbeitgeber ein einheitlicher Beitragssatz gilt, erscheint im interkantonalen Ver- gleich nicht zwingend: In den anderen Kantonen, welche ebenfalls keinen Lastenaus- gleich eingeführt haben, bestehen folgende Gesetzesvorschriften: Nach § 5 Abs. 2 des Einführungsgesetzes über die Familienzulagen des Kantons Zürich vom 19. Januar 2009 (LS 836.1) legt jede Fami- lienausgleichskasse die Höhe der Beitragssätze fest. Gemäss Art. 15 Abs. 1 des bernischen Gesetzes über die Familienzulagen vom 11. Juni 2008 (BSG 832.71) hat die Familienausgleichskasse auf ei- nen während längerer Zeit gleich bleibenden Beitragssatz zu achten. In den Kantonen Basel-Landschaft und Luzern, welche einen reinen Lastenausgleich eingeführt haben, bestehen folgende Vor- schriften: Nach § 20 Abs. 1 lit. b des Baselbieter Einführungsgeset- zes zum Bundesgesetz über die Familienzulagen vom 5. Mai 2009 (SGS 838) haben die Familienausgleichskassen folgende Aufgaben: 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 278 Ausrichtung der Familienzulagen sowie Festsetzung und Erhebung der Beiträge . § 9 Abs. 1 lit. b des luzernischen Gesetzes über die Fa- milienzulagen vom 8. September 2008 (SRL 885) lautet: Die Famili- enausgleichskassen setzen die Beiträge generell fest (...) . 7.3.3. Durch die Bildung von branchenspezifischen Arbeitgebergrup- pen innerhalb der Kasse entstehen zusätzliche Risikogemeinschaften. Es obliegt dem kantonalen Gesetzgeber, über das bundesrechtliche Verbot der Betriebskasse hinaus weitere Vorschriften aufzustellen, um einen aus rechtspolitischer Sicht unzureichenden Ausgleich innerhalb der Kasse zu unterbinden (vgl. hierzu: C ARDINAUX , a.a.O., S. 97; S TEFAN A BRECHT , Das BG über Familienzulagen aus der Sicht der Verbandsausgleichskassen, in: CHSS 2/2008, S. 99). Auf- grund des Gesetzmässigkeitsprinzips bedürfen entsprechende Anforderungen einer klaren Regelung im Gesetz selbst, welche nach dem Gesagten nicht vorliegt. § 6 Abs. 1 lit. a EG FamZG setzt für die Anerkennung einer Fa- milienausgleichskasse eine minimale Anzahl von acht angeschlosse- nen Arbeitgebern mit insgesamt mindestens 600 Arbeitnehmenden voraus, weshalb sich das Problem der Betriebskassen nicht mehr stellt (vgl. K IESER /R EICHMUTH , a.a.O., Art. 14 N 33). Diese Rege- lung ermöglicht in der Praxis auch Zusammenschlüsse von Arbeitge- bern einer Branche. Unter Berücksichtigung des Gesetzgebungs- verfahrens ist nicht anzunehmen, dass der aargauische Gesetzgeber eine zusätzliche Entscheidung über einheitliche Beitragssätze getrof- fen hat (vgl. vorne Erw. 5.3). Der Botschaft 1 lässt sich zu § 6 EG FamZG lediglich entnehmen, die bisherigen Anerkennungsvorausset- zungen würden mit der bundesrechtlichen Bezeichnung übernommen (S. 18). Angesichts dessen und des verhältnismässig jungen Gesetzes ist eher von einem qualifizierten Schweigen auszugehen, als von ei- ner auf gesetzgeberischem Versehen beruhenden Lücke (vgl. BGE 130 V 546, Erw. 4.3 = Pra 95 [2006] Nr. 23). Weiter ist zu beachten, dass das Verwaltungsgericht mit der Ableitung eines Ver- bots unterschiedlicher Beitragssätze aus § 16 EG FamZG eine Ent- scheidung mit (rechts)politischem Charakter treffen würde, was nicht seine Aufgabe ist, sondern diejenige des Gesetzgebers. Das Prinzip 2015 Übriges Verwaltungsrecht 279 der Gewaltenteilung schützt die Einhaltung der verfassungsmässigen Zuständigkeitsordnung. Für den Bereich der Rechtssetzung bedeutet der Grundsatz, dass generell-abstrakte Normen vom zuständigen Organ in der dafür vorgesehenen Form zu erlassen sind (§ 68 Abs. 2 KV; BGE 128 I 327, Erw. 2.1). 8. In der Konsequenz besteht mit § 16 EG FamZG keine ausrei- chende gesetzliche Grundlage, um einer anerkannten Familienaus- gleichskasse unterschiedliche (risikogewichtete bzw. branchenbezo- gene) Beitragssätze zu untersagen. (...)
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http://agve.weblaw.ch/html//AGVE-2015-42.html
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2005 Kantonale Steuern 107 [...] 28 Mindeststeuer auf Grundstücken (§ 89 StG). - Die Regelung stellt eine genügende gesetzliche Grundlage dar und ist verfassungsmässig (Erw. 1, 5). - Die Steuer beträgt 1,5 %o des Buchwerts der Grundstücke, ohne Zu- schläge (Erw. 4.2). - Miethäuser einer Immobiliengesellschaft gelten nicht als Betriebs- grundstücke (Erw. 3). - Die Ausnahme betreffend WEG gilt für Träger und Organisationen des gemeinnützigen Wohnbaues, nicht aber - hier nur bezogen auf einzelne Grundstücke - bei anderen Organisationen (Erw. 4.1). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 24. August 2005 in Sachen E. Immobilien AG gegen Steuerrekursgericht. Zur Publikation in StE 2006 vorgesehen. 2005 Verwaltungsgericht 108 Sachverhalt Von den juristischen Personen erhebt der Kanton eine Gewinn- und eine Kapitalsteuer, basierend auf dem Reingewinn und dem Ei- genkapital (§ 1 Abs. 1 lit. b, § 67, § 82 StG; vgl. auch Art. 2 Abs. 1 lit. b, Art. 24 Abs. 1, Art. 29 Abs. 1 StHG). In § 88 StG wird eine allgemeine Mindeststeuer statuiert, in § 89 StG eine Mindeststeuer auf Grundstücken. Die genannten Bestimmungen lauten: § 88 Kapitalgesellschaften und Genossenschaften entrichten eine Mindest- steuer. Diese beträgt als einfache (100%ige) Kantonssteuer Fr. 500.-- für Kapitalgesellschaften, Fr. 100.-- für Genossenschaften und Fr. 5'000.-- für internationale Konzernkoordinationszentralen. § 89 1 Kapitalgesellschaften und Genossenschaften entrichten eine Min- deststeuer von 1,5 % o auf dem Buchwert ihrer im Kanton gelegenen Grund- stücke, sofern diese Mindeststeuer höher ist als die geschuldete ordentliche Gewinn- und Kapitalsteuer. 2 Von dieser Mindeststeuer sind ausgenommen a) neu gegründete Kapitalgesellschaften und Genossenschaften für die ersten 2 Geschäftsjahre, wenn sie nicht durch Umstrukturierung aus einem andern Unternehmen entstanden sind; b) Kapitalgesellschaften und Genossenschaften für Grundstücke, auf denen sie zur Hauptsache ihren Betrieb führen; c) Kapitalgesellschaften und Genossenschaften, welche die Voraus- setzungen für Bundeshilfe nach Art. 51 und 52 des Wohnbau- und Eigen- tumsförderungsgesetzes vom 4. Oktober 1974 erfüllen. In § 90 StG mit der Marginalie "Zuschläge zur Kantonssteuer" wird festgelegt: § 90 Juristische Personen entrichten nebst den in andern Gesetzen festge- legten Zuschlägen folgende Zuschläge auf der einfachen Kantonssteuer vom steuerbaren Reingewinn und Eigenkapital: a) einen Kantonssteuerzuschlag von 5 %; b) einen Zuschlag von 50 % an die Einwohnergemeinden, in denen die juristische Person steuerpflichtig ist. 2005 Kantonale Steuern 109 Bei den Zuschlägen gemäss anderen Gesetzen handelt es sich um die Zuschläge gemäss § 15 Abs. 1 des Spitalgesetzes vom 19. Oktober 1971 und gemäss § 6 lit. a und b des Finanzausgleichs- gesetzes vom 29. Juni 1983 (in der Fassung gemäss § 260 StG). Aus den Erwägungen 1.1. Das frühere, bis 2000 geltende Recht kannte ab 1991 eine allgemeine Mindeststeuer der juristischen Personen (§ 19 ter AStG in der Fassung vom 11. September 1990), entsprechend § 88 StG, nicht aber eine Mindeststeuer auf Grundstücken analog zu § 89 StG. Le- diglich für die steuerbefreiten juristischen Personen war eine Grund- steuer von § 2 % o auf dem Steuerwert derjenigen Grundstücke sta- tuiert, die ihnen zur Hauptsache durch den Vermögenswert und -er- trag dienten (§ 13 Abs. 2 des Steuergesetzes [aStG] vom 13. Dezem- ber 1983; vgl. dazu Marianne Klöti-Weber, in: Kommentar zum Aar- gauer Steuergesetz, [1. Auflage] Muri/Bern 1991, § 13 aStG N 94 ff. sowie den BGE in StE 2001, A 21.16 Nr. 7, der die Grundsteuer in dieser Ausgestaltung als verfassungswidrig erkannte). Für das neue Steuergesetz war ursprünglich keine Änderung vorgesehen. Erst in der Vorlage zur zweiten Beratung durch den Grossen Rat schlug der Regierungsrat einen neuen § 86a "Mindest- steuer auf Grundstücken" vor (vgl. dazu Botschaft des Regierungs- rats zur Totalrevision des aargauischen Steuergesetzes [Bericht und Entwurf zur 2. Beratung] vom 19. August 1998, S. 48 f.). Zur Be- gründung wurde ausgeführt: "Seit Jahren entrichten die grossen Versicherungsgesellschaften ohne Sitz und Betriebsstätte im Kanton äusserst bescheidene, den wirtschaftli- chen Verhältnissen nicht angemessene Steuern. ... Die Mehrheit der Kantone kennt deshalb eine Mindeststeuer auf Grundeigentum, um zumindest ein minimales Steuersubstrat sicherzustellen. ... Die Grundsteuer soll einfach ausgestaltet sein. Als Vorlage könnte die Grundsteuer der juristischen Per- sonen mit besonderen Zwecken dienen, welche auf den Steuerwerten basie- ren. Da für die Liegenschaften von ordentlich besteuerten juristischen Per- sonen keine Steuerwerte existieren, wird hier auf die Buchwerte abgestellt. 2005 Verwaltungsgericht 110 Die Buchwerte dürften im Durchschnitt tendenziell höher liegen als die Steuerwerte nach § 50, doch ist durchaus vertretbar, dass die ordentlich besteuerten Gesellschaften etwas stärker belastet werden als die gemein- nützigen Institutionen. Eine Mindeststeuer von 2 %o bringt auf der Basis der Buchwerte schätzungsweise einen Ertrag von rund 2,5 Mio. Franken. ... Die Mindeststeuer tritt an die Stelle der Gewinn- und Kapitalsteuer, wenn sie die auf Reingewinn und Eigenkapital geschuldeten Steuern übertrifft. ..." Der vorgeschlagene § 86a wurde unter Herabsetzung des Steu- ersatzes auf 1,5 % o und mit einer textlichen Verbesserung zum jetzi- gen § 89 StG. 1.2. In der Botschaft wurde ausdrücklich auf die "grossen ausserkantonalen Versicherungsgesellschaften" hingewiesen, auf welche die neue Bestimmung gemünzt sei. Noch weitergehend wurde in der grossrätlichen Kommission anfänglich behauptet, von der neuen Regelung seien nur die grossen ausserkantonalen Versiche- rungsgesellschaften betroffen, die im Kanton Liegenschaften be- sitzen (Protokoll der Sitzung vom 25. September 1998, S. 126 f., Voten Dr. D. Siegrist). Schon an der gleichen Sitzung wurden an dieser Auffassung jedoch Zweifel geäussert (Protokoll, S. 128, Voten Dr. U. Hofmann), und ein Antrag Dr. E. Stieger, die Bestimmung ausdrücklich auf Kapitalgesellschaften und Genossenschaften ohne Sitz und Betriebsstätte im Kanton einzuschränken, wurde wegen der möglichen Rechtsungleichheit abgelehnt (Protokoll, S. 127 f., Voten RR Dr. U. Siegrist, Dr. D. Siegrist, R. Gloor, Kommissionspräsident Dr. R. Rohr), mit der ausdrücklichen Begründung, entgegen dem Wortlaut der Botschaft müsse diese Bestimmung im Extremfall auch auf eine aargauische Gesellschaft zutreffen können (Protokoll, S. 128, Votum Dr. R. Rohr). Nach zusätzlichen Abklärungen durch das KStA war man sich an der Sitzung vom 26. Oktober 1998 einig, dass auch ertragslose kantonale Immobiliengesellschaften von der Mindeststeuer erfasst würden, es sich dabei allerdings um eine kleine Anzahl handeln werde (Protokoll, S. 269 f., Voten E. Hunziker, Dr. E. Stieger). Im Plenum des Grossen Rates führte der Kom- missionspräsident Dr. R. Rohr aus, die neue Bestimmung betreffe insbesondere ausserkantonale Gesellschaften, die im Aargau über Liegenschaftsbesitz verfügten, aus rechtlichen Gründen unterstünden 2005 Kantonale Steuern 111 ihr aber auch Unternehmungen mit Sitz im Aargau. Die neue Steuer solle gemäss Nachrechnung, wegen des Einbezuges innerkantonaler Gesellschaften, trotz reduziertem Satz unverändert 2,5 Mio. Fr. ein- bringen (Protokoll des Grossen Rates, 1997-2001, S. 1468). Ohnehin war von Anfang an offensichtlich, dass auch "ge- wöhnliche" innerkantonale Gesellschaften erfasst werden sollten bzw. zumindest darunter fallen würden; sonst wären beispielsweise die bereits im regierungsrätlichen Entwurf vorhandenen Ausnahmen gemäss Abs. 2 gar nicht erforderlich gewesen (was sich auch klar aus der Botschaft, S. 49, ergibt). Hätte der Grosse Rat dies verhindern wollen, wäre dazu klarerweise eine Änderung des vorgeschlagenen Gesetzestextes im Sinne des Antrags Dr. E. Stieger erforderlich ge- wesen. Dass der Gesetzgeber mit der grundsätzlichen Anwendbarkeit auch auf innerkantonale (Immobilien-)Gesellschaften einig ging, ergibt sich aus dem Vorangehenden mit Klarheit. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, nach dem historischen Willen des Gesetzgebers hätten nur die ausserkantonalen Versicherungsgesellschaften von dieser Gesetzesbestimmung betroffen sein sollen, beruht auf einer Selektion aus den Materialien und stellt vor dem dargestellten Hintergrund eine unzulässige Behauptung dar. Sie unterstellt dem Gesetzgeber (Grosser Rat, Stimmbürger) ausserdem, er sei unfähig, einen klaren und in dieser Beziehung zu keinerlei Missverständnis- sen Anlass gebenden Gesetzestext zu begreifen. 1.3. Minimalsteuern auf Grundstücken sind Objektsteuern, wel- che in zahlreichen Kantonen erhoben werden, wenn sie zu einem höheren Steuerbetrag als die ordentlichen Steuern führen. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind sie verfassungsrechtlich zulässig, wenn sie auf juristische Personen Anwendung finden, bei denen die ordentliche Besteuerung, basierend auf dem ausgewiese- nen Reinertrag und dem Eigenkapital, nicht zu einer hinreichenden Berücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit führt (in diesem Sinne dienen sie dazu, den Effekt legaler Vorkehren zur Steu- erminimierung zu beschränken); weiter ist es zulässig, mit einer sol- chen Steuer eine minimale fiskalische Belastung der im Kanton ge- legenen unbeweglichen Güter sicherzustellen (BGE vom 12. Dezem- 2005 Verwaltungsgericht 112 ber 2003 in Sachen X.-Baugenossenschaft [2P.80/2003], Erw. 2.1.2 mit Hinweisen). Diese beiden Zwecke (angemessene Berücksich- tigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit; minimale fiskalische Belastung der Immobilien im Kanton) stehen auch hinter dem neuen § 89 StG (vorne Erw. 1.1). 3.1. Die Beschwerdeführerin behauptet, sie besitze ausschliess- lich Betriebsgrundstücke im Sinne von § 89 Abs. 2 lit. b StG, welche von der (Bemessung der) Mindeststeuer ausgenommen seien. Dies begründet sie damit, dass die Ausnahmen von § 89 Abs. 2 StG weit auszulegen seien, um dem Willen des Gesetzgebers auf äusserste Zurückhaltung bei der Anwendung der Mindeststeuer auf Grund- stücken Rechnung zu tragen. Bei Immobiliengesellschaften, deren Tätigkeit über die blosse Vermögensverwaltung hinausgehe, komme einem grösseren Immobilienkomplex eine eigenständige betriebliche Funktion zu. 3.2. Schon der Ausgangspunkt dieser Argumentation ist zu verwerfen. Wie bereits ausgeführt (vorne Erw. 1), ist kein gesetzge- berischer Wille zu erkennen, die Anwendung von § 89 StG vollstän- dig oder weitestgehend auf ausserkantonale Versicherungsgesell- schaften zu beschränken. Demgemäss ist der Bereich der Ausnahmen in Abs. 2 nach normalen Auslegungskriterien zu erschliessen. Begriffe wie Unternehmen oder Unternehmung, Betrieb, Ge- schäft und Gewerbe werden alles andere als einheitlich verwendet (vgl. BGE 110 Ib 18 ff.; BGE 115 Ib 266 ff. = StE 1990, B 23.7 Nr. 3; StE 1990, B.72.15.3 Nr. 1; Francis Cagianut/Ernst Höhn, Unternehmungssteuerrecht, 3. Aufl. Bern/Stuttgart/Wien 1993, § 1 Rz. 2 ). Wie sich aus den zitierten Entscheiden des Bundesgerichts ohne weiteres erkennen lässt, muss ihr Inhalt jeweils aus dem konkreten Regelungskontext abgeleitet werden. Die Vorinstanz ist davon ausgegangen, dass unter "Betrieb" eine Tätigkeit im Industrie- oder Gewerbebereich und nicht eine Handels- oder Ver- waltungstätigkeit u.ä. verstanden wird. Ob das in dieser allgemeinen Form zutrifft, oder ob bei Handels- oder Verwaltungsbetrieben allen- falls darauf abzustellen ist, ob am fraglichen Ort - wie beispielsweise bei einer Handels- oder Verwaltungszentrale - Arbeitnehmer beschäf- tigt werden, braucht vorliegend keiner abschliessenden Beurteilung, 2005 Kantonale Steuern 113 da § 89 Abs. 2 lit. b StG jedenfalls das vorinstanzliche Verständnis zugrunde liegt. Dies lässt sich vor allem daraus ableiten, dass es bei einer Auslegung, wie sie von der Beschwerdeführerin befürwortet wird, der weiteren Ausnahmebestimmung von lit. c gar nicht mehr bedurft hätte, da die unter das WEG fallenden Gesellschaften und Genossenschaften wohl durchwegs mit allen ihren Grundstücken schon unter die Ausnahme der lit. b fielen. Mit der Vorinstanz ist deshalb festzuhalten, dass die der Beschwerdeführerin gehörenden Miethäuser nicht als Betriebsgrundstücke im Sinne von § 89 Abs. 2 lit. b StG gelten können (vgl. auch BGE 110 Ib 21, wonach bei der Annahme, die Vermietung von Liegenschaften sei Gegenstand eines geschäftlichen Betriebes "grösste Zurückhaltung" geboten sei, selbst wenn wegen des Umfangs eine kaufmännische Buchhaltung geführt werde). Inhaltlich entspricht dies der basel-städtischen Regelung, die das Bundesgericht in ASA 58/1989-90, S. 58 ff. zu beurteilen hatte und die ausdrücklich statuiert, die blosse Verwaltung und Nutzung des Grundstückes oder der Handel mit diesem gelte nicht als Betrieb (siehe ASA 58/1989-90, S. 61). 4.1.1. Gemäss § 89 Abs. 2 lit. c StG sind Kapitalgesellschaften und Genossenschaften, welche die Voraussetzungen für Bundeshilfe nach Art. 51 und 52 WEG erfüllen, von der Mindeststeuer ausge- nommen. Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie habe für eines ihrer Grundstücke Bundeshilfe nach WEG erhalten und sei somit mit Bezug auf dieses Grundstück dem WEG unterstellt. Aus dem Zweck der genannten StG-Bestimmung ergebe sich, dass diese auch an- teilsmässig auf einzelne Grundstücke angewendet werden sollte). 4.1.2. In einer groben Unterteilung unterscheidet das WEG vier Arten von finanzieller Hilfe: Erschliessungshilfe und Hilfe für vor- sorglichen Landerwerb (Art. 12 ff., 21 ff.), Massnahmen zur Verbilli- gung der Mietzinse (Art. 35 ff.), Förderung des Wohneigentums (Art. 47 ff.) und Förderung von Trägern und Organisationen des gemeinnützigen Wohnungsbaus (Art. 51 f.). Für die Mietzins- verbilligung und die Wohneigentumsförderung werden Leistungen an die Eigentümer/Vermieter (Art. 39, 42 WEG; Art. 14 VWEG) bzw. an die potentiellen Eigentümer (Art. 47 f. WEG; Art. 36 VWEG) erbracht, und zwar immer bezogen auf eine bestimmte 2005 Verwaltungsgericht 114 Wohnliegenschaft. Als Empfänger der Erschliessungshilfe und Hilfe für vorsorglichen Landerwerb kommen öffentlichrechtliche Körperschaften sowie Träger und Organisationen des Wohnungs- baues, die aufgrund öffentlichrechtlicher Verpflichtungen Land für den Wohnungsbau erschliessen, in Frage (Art. 12, 22 WEG; Art. 3 VWEG). Die Förderung von Trägern und Organisationen des gemeinnützigen Wohnungsbaues erfolgt durch direkte finanzielle Leistungen, die nicht an ein bestimmtes Wohnobjekt gebunden sind, wobei die Leistungsempfänger gewichtige Mindestanforderungen hinsichtlich Zweckbestimmung, Zwecksicherung, Geschäftsführung und Statuten erfüllen müssen (Art. 51 f. WEG; Art. 55 f. VWEG). Indem § 89 Abs. 2 lit. c StG auf Art. 51 f. WEG verweist, steht nur die vollständige Steuerbefreiung einer Gesellschaft oder Ge- nossenschaft in Frage; eine anteilsmässige Steuerbefreiung, wie von der Beschwerdeführerin beantragt, ist ausgeschlossen; sie würde den Gesetzeszweck denn auch nur unvollständig erfüllen. Der erwähnte BGE vom 12. Dezember 2003, wo der Anspruch auf Zusatzverbilli- gungen (nach Art. 35 ff. WEG), der eine grundstücksbezogene Be- trachtungsweise und Befreiung von der Steuerpflicht ermöglichen würde, als taugliches Abgrenzungskriterium bezeichnet wurde, be- zieht sich auf das Luzerner Recht, das die Ausnahme von der Mini- malsteuer auf Grundstücken anders regelt (vgl. Erw. 2.1.1 des ge- nannten BGE), und kann daher nicht herangezogen werden. 4.1.3. Die Beschwerdeführerin behauptet selber nicht, sie falle unter die Träger und Organisationen des gemeinnützigen Wohnungs- baus im Sinne von Art. 51 f. WEG. Es fällt daher weder eine voll- ständige noch eine teilweise Ausnahme von der Mindeststeuer auf Grundstücken in Betracht. 4.2.1.1. Die Zuschläge gemäss § 90 lit. a und b StG erfolgen "auf der einfachen Kantonssteuer vom steuerbaren Reingewinn und Eigenkapital". Was die einfache (100%ige) Kantonssteuer ist, wird in § 2 Abs. 1 StG definiert, nämlich die im ersten und zweiten Teil des Gesetzes festgelegten Einkommens-, Vermögens- und Grundsteuern "sowie die im dritten Teil festgelegten Gewinn- und Kapitalsteuern". Die Gewinn- und die Kapitalsteuer sind im dritten Teil "Gewinn- und Kapitalsteuern der juristischen Personen" in den Abschnitten "B: Ge- 2005 Kantonale Steuern 115 winnsteuer" (§§ 67-81 StG) bzw. "C: Kapitalsteuer" (§§ 82-87 StG) geregelt und basieren, in Übereinstimmung mit dem allgemeinen Begriffsverständnis, auf dem Reingewinn und dem Eigenkapital als Bemessungsgrundlage (vorne lit. A). Die allgemeine Mindeststeuer (§ 88 StG) und die Mindeststeuer auf Grundstücken (§ 89 StG) sind demgegenüber im Abschnitt "D: Mindeststeuer und Zuschläge zur Kantonssteuer" untergebracht. Während sich aber § 88 StG nahtlos in das generelle System der Steuerbemessung einfügt (vgl. dazu nachfolgend Erw. 4.2.1.2.), handelt es sich bei § 89 StG um etwas anderes als die Gewinn- und die Kapitalsteuer, wie sich namentlich aus der Bemessungsgrundlage ersehen lässt; die Mindeststeuer auf Grundstücken tritt vielmehr, sofern sie höher ist, an die Stelle der Gewinn- und Kapitalsteuer (Peter Eisenring, in: Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, 2. Auflage, Muri/Bern 2004, § 89 N 5). Wohl lautet der Titel des dritten Teils, in dem auch die §§ 88-90 StG stehen, "Gewinn- und Kapitalsteuern der juristischen Personen"; doch kann dieser Titel allein, wenn noch weitere Steuern geschaffen werden, nicht bewirken, dass diese anderen Steuern zu Gewinn- und Kapitalsteuern transformiert würden. Wenn schliesslich in § 2 Abs. 4 StG ausdrücklich festgehalten ist, auf den Erbschafts- und Schen- kungssteuern und auf den Grundstückgewinnsteuern würden keine Zuschläge erhoben, so kann das zwar als Hinweis gewertet werden, dass auf den hier nicht ausdrücklich erwähnten Steuern Zuschläge vorgesehen sind; doch kommt diesem Argument wenig Gewicht zu, da die Nichterwähnung in einer "Negativliste" dem bei Steuern strengen Erfordernis an die gesetzliche Grundlage für die Steuerer- hebung - bzw. hier für die Erhöhung des Steuerbetrages - (vgl. Art. 127 Abs. 1 BV; BGE 128 II 117) kaum genügen kann. In seinem mehrfach zitierten Präjudiz (Entscheid vom 11. Sep- tember 2003 in Sachen R. GmbH) geht das Steuerrekursgericht von der Formulierung in § 88 StG aus, wo die statuierten Ansätze aus- drücklich als einfache (100%ige) Kantonssteuer bezeichnet werden. Dass eine analoge Formulierung in § 89 StG fehle, könne einerseits bedeuten, dass die Mindeststeuer auf Grundstücken nicht als einfa- che Kantonssteuer zu begreifen sei, andererseits aber ebenso gut die Meinung haben, dass die Regelung bei der allgemeinen Mindest- 2005 Verwaltungsgericht 116 steuer sich auch auf die besondere Mindeststeuer auf Grundstücken beziehe; der Wortlaut lasse somit keine eindeutigen Schlüsse zu. Dem könnte indessen nur zugestimmt werden, wenn die Mindest- steuer auf Grundstücken tatsächlich als ein Unterfall zur allgemeinen Mindeststeuer erschiene. Dies trifft jedoch nicht zu; vielmehr handelt es sich um eine besondere, von speziellen Voraussetzungen ab- hängige und im Anwendungsfall viel höhere Steuer als die allge- meine Mindeststeuer (vgl. dazu im Einzelnen nachfolgend Erw. 4.2.1.2.), weshalb es unsachgemäss ist, zu ihrer Auslegung (oder Lückenfüllung) auf die Regelung bei der allgemeinen Mindest- steuer zurückzugreifen. 4.2.1.2. Die Mindeststeuer gemäss § 88 StG kommt zum Zuge, wenn die einfache Kantonssteuer, berechnet auf der ordentlichen Bemessungsgrundlage (Reingewinn, Eigenkapital), weniger als die dort genannten Mindestbeträge ergibt. Reingewinn und Eigenkapital werden fiktiv so angehoben, dass sich für die einfache Kantonssteuer diese Mindestbeträge ergeben. Die Steuer von 1,5 % o auf dem Buchwert der im Kanton gele- genen Grundstücke kommt dagegen zum Zuge, "sofern diese Min- deststeuer höher ist als die geschuldete ordentliche Gewinn- und Kapitalsteuer" (§ 89 Abs. 1 StG), wobei als "ordentliche Gewinn- und Kapitalsteuer" - im Gegensatz zur "einfachen Kantonssteuer" (§ 88 StG) - unstreitig die Steuer unter Berücksichtigung aller Zu- schläge gilt. Als Bemessungsgrundlage dienen bei § 89 Abs. 1 StG nicht der Reingewinn und das Eigenkapital (in effektiver oder ge- mäss § 88 StG erhöhter Grösse), sondern der Buchwert der Grund- stücke, und die Bemessung der Steuer erfolgt auf grundlegend andere Weise. Für die subsidiäre Anwendung als Mindeststeuer muss diese in ihrer endgültigen Höhe mit der ordentlichen Gewinn- und Kapital- steuer verglichen werden, und ist die Umschreibung in § 89 Abs. 1 StG als solche anzusehen. Anschliessende Erhöhungen, gemäss § 90 StG, erscheinen als systemwidrig. 4.2.1.3. Zur Berechnung der Mindeststeuer auf Grundstücken bzw. zum Zusammenhang zwischen § 89 und § 90 StG ist den Mate- rialien nichts zu entnehmen. Dem Hinweis in der Botschaft (S. 49), dass die Grundsteuer gemäss § 13 Abs. 2 aStG (wo die Zuschläge 2005 Kantonale Steuern 117 erfolgten [StE 1997, B 71.62 Nr. 6]) als Vorlage diene, kommt in diesem Zusammenhang keine Bedeutung zu, da jene nicht als subsi- diäre Mindeststeuer ausgestaltet war. 4.2.1.4. Das KStA bringt vor, ohne Anwendung der Zuschläge fehlte es an einer Regelung für die Aufteilung der Steuererträge zwi- schen Kanton und Gemeinden (Einspracheentscheid, S. 5). Das trifft zwar zu, ist aber von geringer Bedeutung, da es hier zunächst um die Frage geht, ob die gesetzliche Regelung für die Erhebung der Zu- schläge ausreicht. So wie das Fell des Bären erst verteilt werden kann, wenn er erlegt ist, kann eine Aufteilung a priori nur bezüglich derjenigen Steuern erfolgen, für die eine genügende gesetzliche Grundlage besteht. 4.2.1.5. Wortlaut und Gesetzessystematik sprechen insgesamt recht eindeutig gegen die Zulässigkeit der Zuschläge gemäss § 90 lit. a und b StG bei der Mindeststeuer auf Grundstücken. Gewichtige Gegenargumente, die zu einem anderen Schluss führen müssten, fehlen. Zusammenfassend ergibt die Auslegung somit, dass die Zu- schläge gemäss § 90 lit. a und b StG auf die Mindeststeuer auf Grundstücken (§ 89 StG) keine Anwendung finden. 4.2.2. Der Zuschlag gemäss § 6 lit. b des Finanzausgleichsge- setzes beträgt 15 % "auf der einfachen Gewinn- und Kapitalsteuer" gemäss StG. § 15 Abs. 1 Spitalgesetz spricht von einem zweckge- bundenen Zuschlag zur hundertprozentigen Staatssteuer der natürli- chen und juristischen Personen. Schon vom Wortlaut her können für die Auslegung von § 89 Abs. 1 StG die vorangehenden Darlegungen zu den Zuschlägen gemäss § 90 StG ohne Einschränkung übertragen werden. § 6 lit. a des Finanzausgleichsgesetzes enthält zwar eine auffällig abweichende Terminologie (Zuschlag "auf der ordentlichen Kantonssteuer"), doch spricht auch diese im vorliegend interessie- renden Zusammenhang nicht für eine abweichende Betrachtungs- weise. 4.3. Die in § 89 Abs. 1 StG statuierte Mindeststeuer auf Grund- stücken beträgt somit 1,5 % o des Buchwerts der im Kanton gelege- nen Grundstücke, ohne Zuschläge . 5.1.1. Die Steuern sind grundsätzlich so auszugestalten, dass sie der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Steuersubjekte Rechnung 2005 Verwaltungsgericht 118 tragen (Art. 127 Abs. 2 BV; § 119 Abs. 1 KV). Die grundsätzliche Zulässigkeit von "Minimalsteuern auf Ersatzfaktoren" (d.h. auf einer anderen Bemessungsgrundlage als dem Reingewinn und dem Eigen- kapital) bei juristischen Personen ergibt sich aus Art. 27 Abs. 2 StHG. Die Beschwerdeführerin ist indessen der Meinung, bei ge- winnstrebigen Unternehmungen dürften als Massstab für die wirt- schaftliche Leistungsfähigkeit ausschliesslich der Reinge- winn/Reinverlust und das Eigenkapital herangezogen werden; werde in einem bestimmten Geschäftsjahr ein Verlust ausgewiesen, sei eine Mindeststeuer unzulässig. 5.1.2. In einem Entscheid aus dem Jahre 1988 (ASA 58/1989- 90, S. 58 ff.) hat sich das Bundesgericht ausführlich mit der Frage befasst, ob eine Minimalsteuer auf dem Grundeigentum ver- fassungswidrig sei, und dabei zum Argument, diese sei mit dem Ge- bot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit unvereinbar und verstosse daher gegen Art. 4 der Bundesverfassung [aBV] vom 29. Mai 1974, ausgeführt (S. 63): "Wo unter den Aktiven einer Kapitalgesellschaft Grundstücke von be- sonderer Bedeutung sind, wie namentlich bei einer Immobiliengesellschaft, kann sie sich nicht nur mittels Grundpfandsicherheiten überdurchschnittlich viel Kredit beschaffen und so mit besonders wenig Eigenkapital und Ertrag auskommen. Sie kann ausserdem von steigenden Grundstückwerten profi- tieren und ein anhaltendes Wachstum ihres Vermögenswerts erzielen, ohne entsprechende Reinerträge auszuweisen. Beides erhöht offensichtlich ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, ohne dass die Ertragskraft in steuerbaren Reinerträgen erfassbar wäre und die Kapitalbesteuerung auf der Grundlage der Bilanzwerte die entsprechend erhöhten Fiskaleinnahmen brächte, ge- schweige denn das Vermögenswachstum erfassen liesse. Sucht der Steuer- gesetzgeber daher die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit juristischer Perso- nen mit bedeutendem Grundstückbesitz im System der Reinertrags- und Kapitalbesteuerung durch besondere Massnahmen wie eine Minimal- Grundstücksteuer zu erfassen, so verletzt diese noch nicht Art. 4 (aBV)." Selbst im interkantonalen Verhältnis werde ein Anspruch des Liegenschaftskantons anerkannt, in Fällen, in denen seine ordentli- chen Ertrags- und Kapitalsteuern auf dem Grundeigentum niedriger ausfallen würden, wenigstens eine minimale Abgabe an die dem 2005 Kantonale Steuern 119 Gemeinwesen zugunsten des Grundeigentums erwachsenden Lasten sicherzustellen (S. 67 f.). Hieran hat das Bundesgericht in späteren Entscheiden festge- halten (StR 1995, S. 555 ff. Erw. 1/b; erwähnter BGE vom 12. Dezember 2003, Erw. 2.1.2). Im letztgenannten Entscheid hat es ausgeführt, eine Minimalsteuer könne sowohl von nicht gewinnstre- bigen als auch von gewinnstrebigen Unternehmungen erhoben wer- den, "sofern geeignete Vorkehren gewährleisten, dass sie nicht not- leidende Unternehmen trifft, die nicht in der Lage wären, den der Besteuerung zu Grunde gelegten minimalen Gewinn zu erzielen" (Erw. 2.1.4). Dieses Argument wurde allerdings vorher - so auch in den vom Bundesgericht zitierten älteren Entscheiden (BGE 96 I 572; ASA 54/1985-86, S. 171) - einzig bei Minimalsteuern auf den Bruttoeinnahmen verwendet, und die Übernahme dieses Kriteriums auf die Minimalsteuer auf Grundstücken wird nicht näher begründet. Sie ist inhaltlich keineswegs selbstverständlich (die Minimalsteuer auf Grundstücken beruht, anders als die Minimalsteuer auf den Bruttoeinnahmen, nicht auf der Zugrundelegung eines erzielbaren minimalen Gewinns) und verneint im Ergebnis den (in der Begrün- dung, Erw. 2.1.2, weiterhin bejahten) Anspruch des Kantons, eine minimale Abgabe auf dem Grundeigentum sicherzustellen. Dement- sprechend wäre eine begründete Aussage über das gegenseitige Ver- hältnis der beiden Grundsätze bzw. Argumentationen erforderlich. Da es hieran vollständig fehlt, ist zu bezweifeln, dass das Bundesgericht bezüglich der Minimalsteuer auf Grundstücken eine Praxisänderung im Sinne einer Verschärfung der Voraussetzungen beabsichtigte. Auch seine neueste Rechtsprechung mit dem Ziel, Ausschei- dungsverluste einzuschränken, anerkennt die weiterhin geltende Steuerhoheit des Liegenschaftskantons (StE 2005, A 24.43.1 Nr. 15, Erw. 4.1), was eine entsprechende Gestaltungsfreiheit - innerhalb der Vorgaben des StHG - mit umfasst. Im Folgenden ist deshalb davon auszugehen, dass § 89 StG nach der bisherigen und weiterhin geltenden bundesgerichtlichen Rechtsprechung grundsätzlich auch bei Anwendung auf gewinnstre- bige juristische Personen mit dem Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit vereinbar ist. Daran ändert 2005 Verwaltungsgericht 120 auch die (nur) bei der ordentlichen Steuerbemessung mögliche Ver- lustverrechnung (Art. 25 Abs. 2 StHG; § 74 Abs. 1 StG) nichts. 5.1.3. ... Bei Immobilien-Anlagen im Buchwert von immer noch Fr. 11'300'000.-- (welche der Beschwerdeführerin eine relativ hohe, aber nicht ungewöhnliche Fremdfinanzierung ermöglichten), Brutto-Mieteinnahmen von fast Fr. 1'000'000.-- und ausgewiesenen Reinverlusten, die primär durch auffallend hohe Abschreibungen bewirkt wurden, kann nicht im Ernst gesagt werden, die Steuer von knapp Fr. 17'000.-- im Jahr verletze den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. 5.2. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung braucht es ausserordentlich viel, um eine gegen die Eigentumsgarantie ver- stossende konfiskatorische Besteuerung zu bejahen (vgl. StE 1997, A 22 Nr. 2; ASA 56/1987-88, S. 441 f.). Im vorliegenden Fall, wo in den Jahren 2000 und 2001 ohne Abschreibungen Reingewinne von mehreren Hunderttausend Franken ausgewiesen worden wären, sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt. 5.3. Gestützt auf eine Kommentarstelle (Eisenring, a.a.O., § 89 N 4) macht die Beschwerdeführerin geltend, das Abstellen auf den Buchwert statt auf den Steuerwert bedeute eine ungeeignete und damit willkürliche Bemessungsgrundlage. Dadurch würden Immobi- liengesellschaften, die ihre Liegenschaften erst vor kurzer Zeit er- worben hätten und demzufolge vergleichsweise hohe Buchwerte auswiesen, gegenüber Gesellschaften mit Altbesitz und vergleichs- weise niedrigen Buchwerten benachteiligt. Dies trifft allerdings von vornherein nur dann zu, wenn Abschreibungen zugelassen werden, welche die tatsächliche Wertverringerung übersteigen (andernfalls sind die Buchwertunterschiede ja wirtschaftlich durch den unter- schiedlichen Wert der Liegenschaften gerechtfertigt), zur Bildung von stillen Reserven führen und damit streng genommen nicht im Sinne von § 36 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a StG geschäftsmässig begrün- det sind. Selbst wenn in der Veranlagungspraxis die Zulassung ten- denziell zu hoher Abschreibungen alltäglich ist (vgl. insbesondere § 19 Abs. 2 StGV vom 11. September 2000; Philip Funk, in: Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, § 36 N 10 f.), lässt sich nicht sagen, das Abstellen auf den Buchwert sei derart unsachgemäss 2005 Kantonale Steuern 121 und geradezu willkürlich, dass die ganze Norm als nichtig erscheine und nicht angewendet werden dürfe. Der Beschwerdeführerin gehört ausschliesslich "Altbesitz", der aus der Einzelfirma ihrer Rechtsvorgängerin übernommen wurde und auf dem schon in der Einzelfirma Abschreibungen vorgenommen werden konnten. Selbst wenn das Abstellen auf den Buchwert un- sachgemäss sein sollte, würde sich dies tendenziell zu Gunsten, nicht zu Ungunsten der Beschwerdeführerin auswirken, sodass sie keinen Grund hat, sich über eine allfällige Benachteiligung zu beschweren. 5.4. Bei einer Mindeststeuer von 1,5 % o des Buchwertes kann, auch wenn es an der exakten Vergleichbarkeit fehlt, davon ausg- egangen werden, dass keine Schlechterstellung gegenüber einer in- terkantonal geltenden Höchstgrenze von 2 % o des Steuerwertes vor- liegt (vgl. auch Sitzung der grossrätlichen Kommission vom 26. Oktober 1998, Protokoll, S. 270, Votum Dr. D. Siegrist). Selbst wenn es also bei vollständig innerkantonalen Verhältnissen ein Konstrukt wie ein " umgekehrtes Schlechterstellungsverbot " gäbe, käme es hier nicht zur Anwendung.
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https://agve.weblaw.ch/pdf/AGVE-2005-28.pdf
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2006 Sozialhilfe 225 VIII. Sozialhilfe 43 Berücksichtigung von bevorschussten Kinderunterhaltsbeiträgen als eigene Mittel. - Streitgegenstand; Form der Wiedererwägung (Erw. I/2-3). - Formelle Anforderungen an die Gewährung und Anpassung der Alimentenbevorschussung (Erw. II/3). - Die Berücksichtigung der bevorschussten Unterhaltsbeiträge als ei- gene Mittel genügt i.c. den formellen Anforderungen nicht (Erw. II/4.1). - Die Bevorschussung von Kinderzulagen ist nicht zulässig (Erw. II/4.2). Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 22. Dezember 2005 in Sa- chen R.G. gegen das Bezirksamt Lenzburg. Aus den Erwägungen I. 2. 2.1. Das Rechtsmittelverfahren ist durch den Streitgegenstand be- grenzt, der seinerseits durch die angefochtene Verfügung, das An- fechtungsobjekt, bestimmt wird. Nur was Gegenstand des Verwal- tungsverfahrens war oder im verwaltungsinternen Beschwerdever- fahren zusätzlich geregelt wurde, kann im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren Streitgegenstand sein. Der Verfügungsge- genstand ergibt sich aus der erstinstanzlichen Verfügung in Verbin- dung mit dem entsprechenden Gesuch, soweit sie auf ein solches hin erging. Als zweites Element sind die Parteibegehren heranzuziehen, die den Streitgegenstand auf Teile des jeweiligen Anfechtungsobjekts beschränken können (vgl. BGE 125 V 413 Erw. 1 f.; AGVE 1999, 2006 Verwaltungsgericht 226 S. 368; Michael Merker, Rechtsmittel, Klage und Normenkontroll- verfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungs- rechtspflege [Kommentar zu den §§ 38-72 VRPG], Diss. Zürich 1998, § 38 N 3, § 39 N 24 f.; Alfred Kölz / Jürg Bosshart / Martin Röhl, VRG, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2. Auflage, Zürich 1999, Vorbem. zu §§ 19-28 N 86; Alfred Kölz / Isabelle Häner, Verwaltungsverfahren und Verwal- tungsrechtspflege des Bundes, 2. Auflage, Zürich 1998, Rz. 403 ff.). 2.2. Eine Verfügung kann gemäss § 25 Abs. 1 VRPG auf Gesuch ei- nes Betroffenen durch die erstinstanzlich zuständige Behörde in Wiedererwägung gezogen werden. Die Wiedererwägung ist ein formloser Rechtsbehelf, der keinen Anspruch auf Prüfung und Be- urteilung vermittelt, sofern die Pflicht zur Behandlung nicht gesetz- lich vorgesehen, sich aus einer entsprechenden Verwaltungspraxis bzw. aus dem Verbot der formellen Rechtsverweigerung und dem Anspruch auf rechtliches Gehör ergibt (siehe Merker, a.a.O., § 45 N 50; Ulrich Häfelin / Georg Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Auflage, Zürich / Basel / Genf 2002, Rz. 1828 ff., insb. Rz. 1832 f.). Wird von der verfügenden Instanz ein neuer Sachentscheid erlas- sen, wird die ursprüngliche Verfügung gegenstandslos, und gegen die neue Verfügung steht das Rechtsmittelverfahren offen (AGVE 1994, S. 459 f. mit Hinweisen; BGE 116 V 62 Erw. 3a und 117 V 8 Erw. 2a). 3. 3.1. Mit Beschluss vom 10. November 2003 hat die Gemeinde A die materielle Hilfe für die Beschwerdeführerin neu berechnet und dem Bezirksamt beantragt, die Beschwerde "im vorerwähnten Sinne ab- zuhandeln". Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführerin die mate- rielle Hilfe in der neu berechneten Höhe ausbezahlt. Es stellt sich da- her die Frage, ob die Gemeinde A dadurch ihren Entscheid vom 22. September 2003 in Wiedererwägung gezogen hat. 3.2. Gemäss § 23 VRPG sind Verfügungen und Entscheide als sol- che zu bezeichnen (Abs. 1). Soweit einem Begehren nicht voll ent- 2006 Sozialhilfe 227 sprochen wird, hat die Eröffnung der Verfügung eine Rechtsmittel- belehrung zu enthalten (Abs. 3). Diese allgemeinen formellen Erfor- dernisse gelten auch für Verfügungen und Entscheide, mit denen eine frühere Verfügung in Wiedererwägung gezogen wird (§ 25 i.V.m. § 23 Abs. 1 VRPG; siehe vorne Erw. 2.2). Vorliegend hat der Gemeinderat A am 10. November 2003 we- der eine neue Verfügung erlassen noch diese als solche bezeichnet, und der Beschluss enthält auch keine Rechtsmittelbelehrung. Abge- sehen davon, dass die Beschwerdeführerin nicht Adressatin dieses Entscheides war, war für sie auch gar nicht erkennbar, dass der Ge- meinderat A damit die ursprüngliche Verfügung aufgehoben hat, zu- mal er in Ziff. 1 seines Beschlusses einen Antrag zuhanden des Be- zirksamtes stellte. Der Beschluss vom 10. November 2003 vermag somit den formellen Anforderungen an eine Wiedererwägungsverfü- gung nicht zu genügen. 3.3.-4.2. (...) II. 1.-2.1. (...) 2.2. Das Verwaltungsgericht hat vom Gemeinderat A die Verfügun- gen zur Bevorschussung der Unterhaltsbeiträge der Kinder und der Kinderzulagen angefordert. Aus den eingereichten Verfügungen er- gibt sich Folgendes: - Mit Verfügung vom 21. Juni 1993 wurden Kinderunterhaltsbei- träge im Gesamtbetrag von Fr. 1'653.35 bevorschusst und der Be- schwerdeführerin persönlich eine materielle Unterstützung in der Höhe von Fr. 1'054.-- gewährt. - Am 6. Dezember 1993 verfügte der Gemeinderat A die Bevor- schussung der Kinderzulagen von Fr. 420.-- in Ergänzung zum Be- schluss vom 21. Juni 1993, wobei der Unterstützungsbeitrag für die Beschwerdeführerin um die Kinderzulagen auf Fr. 1'474.-- er- höht wurde. - In der Verfügung vom 22. September 2003 wurden als eigene Mittel der Klägerin Unterhaltsbeiträge von Fr. 1'981.-- eingesetzt. Dieser Betrag ergibt sich aus den bevorschussten Unterhaltsbeiträ- 2006 Verwaltungsgericht 228 gen für den Sohn D. von Fr. 685.--, für M. von Fr. 634.-- und für S. von Fr. 662.--. - Den im Beschluss vom 10. November 2003 angerechneten Unter- haltsbeiträgen von Fr. 2'039.-- liegen die unveränderten Unter- haltsbeiträge für D. und M. sowie die Erhöhung für S. ab dem 13. Altersjahr zugrunde. 3. Über die Gesuche um Bevorschussung von Unterhaltsbeiträgen nach § 32 ff. SPG entscheidet die zuständige Gemeinde (§ 36 Abs. 1 SPG). Sie hat die erforderlichen Verfügungen zu erlassen (§ 44 SPG). Gemäss § 29 Abs. 5 SPV hat die Gemeinde den Anspruch auf Bevorschussung mindestens einmal jährlich zu überprüfen. Für das Verfahren gelten die Bestimmungen des VRPG (§ 58 Abs. 4 SPG). Gemäss § 23 VRPG sind Verfügungen und Entscheide als solche zu bezeichnen, zu eröffnen (Abs. 1) und zu begründen oder mit Hin- weis, dass eine Begründung verlangt werden kann (Abs. 4), im Dis- positiv zu eröffnen (siehe vorne Erw. I/3.2). 4. 4.1. Wie sich aus den nachgereichten Verfügungen ergibt, hat der Gemeinderat seit dem Entscheid über die Bevorschussung der Unter- haltsbeiträge vom 21. Juni 1993 keine Verfügungen über die An- passung oder Änderung der Bevorschussung eröffnet. Die Berück- sichtigung der bevorschussten Unterhaltsbeiträge als eigene Mittel (Einnahmen) in den Entscheiden über die (persönliche) materielle Hilfe an die Beschwerdeführerin mit dem blossen Hinweis, dass die Kinderalimente von der Gemeinde bevorschusst werden, genügt den formellen Anforderungen an einen Entscheid über die Bevorschus- sung oder Anpassung der Kinderalimente nicht. Aus den Beschlüssen vom 22. September 2003 und 10. November 2003 ist auch nirgends ersichtlich, dass und wie der Gemeinderat über die Bevorschussung der Kinderalimente neu entschieden hat. Gleiches gilt für die Abänderung der mit Verfügung vom 6. Dezember 1993 gewährten Bevorschussung der Kinderzulagen. Es ist aus den Akten und den Verfügungen nirgends ersichtlich, ob und wann der Gemeinderat diese zusätzliche Bevorschussung der Kin- 2006 Sozialhilfe 229 derzulagen seit Dezember 1993 aufgehoben oder angepasst hat. Auch der Widerruf oder die Aufhebung der Verfügung vom 6. Dezember 1993 betreffend die Bevorschussung der Kinderzulagen bedarf einer entsprechenden formell rechtmässigen Verfügung (siehe vorne Erw. I/3.2). 4.2. In diesem Zusammenhang ist allerdings festzuhalten, dass nach dem System des SPG nur die Kinderunterhaltsbeiträge bevorschusst werden können (§ 32 SPG und § 27 Abs. 4 SPV). Die Kinderzulagen dürfen nach dem Gesetz nicht bevorschusst werden. Sie sind gemäss Art. 285 Abs. 2 ZGB vom Unterhaltspflichtigen zusätzlich zum Un- terhaltsbeitrag zu zahlen, sofern sie ihm zustehen. Ihre Ausrichtung an die Kinder bzw. deren gesetzliche Vertreterin kann mittels einer Anweisung an den Arbeitgeber des Unterhaltsverpflichteten voll- streckt werden (Art. 291 ZGB). Die fehlende Bevorschussung von Kinderzulagen in der ange- fochtenen Verfügung vom 22. September 2003 und im Antrag der Gemeinde vom 11. November 2003 ist daher materiell nicht zu bean- standen, entbindet aber die Sozialbehörden nicht, über ein ent- sprechendes Gesuch der Beschwerdeführerin oder über die Aufhe- bung einer unrechtmässigen Bevorschussung in einer formell recht- mässigen Verfügung zu entscheiden.
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AG_VG_001
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AG_VG_001_AGVE-2006-43_2005-12-04
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2019 Steuern und Abgaben 65 7 Schenkungssteuer Privilegierter Steuersatz bei Schenkungssteuer für in Wohngemeinschaft Lebende: Voraussetzungen, unter denen eine Wohngemeinschaft ange- nommen werden kann Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 1. Mai 2019, in Sachen C. gegen KStA (WBE.2018.378). Aus den Erwägungen 1. 1.1. Die Vorinstanz verneinte das Vorliegen einer Wohngemeinschaft im Sinne von § 147 Abs. 2 lit. a StG, weil die Beschwerdeführerin eine 3 Zimmer-Wohnung im ersten Stock links und der Lebens- partner eine 3 Zimmer-Wohnung im Parterre links bewohnen würden und somit zwei eigenständige, voll ausgerüstete Wohnungen mit zwei separaten Eingängen zur Verfügung stünden. 1.2. Die Beschwerdeführerin macht dagegen geltend, sie und ihr Lebenspartner bewohnten nicht je eine separate Wohnung, sondern gemeinsam vor allem die Wohnung im ersten Stock. Die Wohnung im Parterre werde aus Platzgründen gemeinsam bspw. für Besuche von Familienangehörigen benutzt. Sie würden gemeinsam in den beiden Wohnungen zusammenwohnen. 1.3. Das KStA will demgegenüber, gleich wie die Vorinstanz, den privilegierten Tarif der Klasse 1 nur dann gewähren, wenn eine klassische Wohngemeinschaft vorliegt. Darunter sei eine Gemein- schaft in einer einzigen Wohnung oder in einem Einfamilienhaus zu verstehen. Dabei müsse das Näheverhältnis vollständig ausgeblendet werden, da der Art der Beziehung keinerlei Bedeutung zukomme. 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 66 2. 2.1. Gemäss § 147 Abs. 1 StG, in der vom 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2012 geltenden Fassung, wird die Steuer nach dem steuerbaren Betrag des Vermögensanfalls und nach dem Verwandt- schaftsgrad der steuerpflichtigen Person zur erblassenden, schenken- den oder zuwendenden Person berechnet. Für die Verwandtschafts- grade gelten gemäss Abs. 2 folgende Klassen: a) Klasse 1: Eltern, Stiefeltern und Pflegeeltern, sofern das Pflegeverhältnis während mindestens 2 Jahren bestanden hat, sowie Personen, die mit der zuwendenden Person während mindestens 5 Jahren in Wohngemeinschaft (gleicher Wohnsitz) gelebt haben; b) Klasse 2: Geschwister und Grosseltern; c) Klasse 3: alle weiteren steuerpflichtigen Personen. Die Steuersätze für die verschiedenen Klassen sind in § 149 Abs. 1 StG festgelegt. § 54a Abs. 2 StGV konkretisiert die Wohnge- meinschaft als gemeinsamen Haushalt an gleicher Adresse am gleichen steuerlichen Wohnsitz. Der gemeinsame Haushalt muss bis zum Zeitpunkt des Vermögensanfalls ununterbrochen angedauert haben (§ 54a Abs. 1 StGV). Obwohl die Bestimmung erst am 1. Januar 2014 und damit nach der hier umstrittenen Schenkung in Kraft getreten ist, darf diese bei der Auslegung des geltenden Rechts mitberücksichtigt werden. Eine solche Konkretisierung bewirkt keine unzulässige Vorwirkung (vgl. dazu Urteile des Verwaltungsgerichts WBE.2013.524 vom 11. September 2014 E. 2.1 sowie BGE 117 II 467 E. 5a). 2.2. Daraus hat das Verwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung in einem Erbschaftssteuerfall geschlossen, dass das Erfordernis des ge- meinsamen Haushalts gemäss § 147 Abs. 2 StG i.V.m. § 54a Abs. 2 StGV angesichts der vom Gesetzgeber gewollten moralischen Bei- standspflicht ebenfalls als eng zu verstehende Wohngemeinschaft auszulegen ist. Konkret muss danach zum einen ein gemeinsamer Wohnsitz der Betroffenen vorliegen (Urteil des Verwaltungsgerichts WBE.2013.524 vom 11. September 2014 E. 2.3). Darüber hinaus ist erforderlich, dass der Erblasser mit der bedachten Person zwar nicht 2019 Steuern und Abgaben 67 im Konkubinat, aber in Wohngemeinschaft gelebt haben muss. Dabei liegt die Beweislast für das Vorliegen einer solchen Wohngemein- schaft als steuermindernde Tatsache beim Bedachten. Bei der Nutzung von zwei vollständig ausgestatteten Wohnungen ist nicht von einem gemeinsamen Haushalt im Sinne dieser Bestimmung aus- zugehen, da jede Person ihren Alltag völlig autonom in der eigenen Wohnung verbringen kann. Damit erfolgte eine Abgrenzung, die un- abhängig von weiteren Kriterien im Einzelfall für die Frage einer Wohngemeinschaft auf das Merkmal der gemeinsamen Wohnung ab- stellt. Die auf diese Weise vorgenommene Abgrenzung, nämlich dass eine Wohngemeinschaft bei zwei komplett ausgestatteten Woh- nungen auszuschliessen ist, ist vor dem Hintergrund, dass in dieser Situation das Leben jederzeit vollumfänglich auf die eigene Woh- nung beschränkt werden kann, sachlich begründet (Urteil des Ver- waltungsgerichts WBE.2017.74 vom 9. Juni 2017 E. 2.3 und 2.4, be- stätigt durch das Urteil des Bundesgerichts 2C_685/2017 vom 6. Februar 2018 E. 4.4.4). 2.3. Im Unterschied zu den soeben zitierten Urteilen, wo eine Erb- schaft respektive eine Wohngemeinschaft unter Geschwistern zu be- urteilen war, handelt es sich vorliegend um eine Schenkung zwischen zwei Konkubinatspartnern. Solche nicht verwandtschaftlichen, je- doch unter Umständen einer Ehe ähnlichen Beziehungen sind erst mit Erlass des Steuergesetzes vom 15. November 1998 privilegiert worden und auch dann nur, wenn während fünf Jahren eine Wohn- gemeinschaft bestanden hat. Davor fielen solche Konstellationen in die damals noch existierende Klasse 6 unter die Kategorie alle wei- teren steuerpflichtigen Personen (§ 90 aStG vom 13. Dezember 1983). Die Aufnahme von mindestens fünfjährigen Wohngemein- schaften begründete der Gesetzgeber mit der Nähe, welche zwischen den in langjährigen Wohngemeinschaften lebenden Personen ent- stehe (vgl. nichtständige Kommission Nr. 07 Steuergesetz , 23. Sitzung vom 27. November 1997, Votum Dr. U. Hofmann, S. 378). Diese stünden sich oftmals näher als Kinder und Eltern, Stiefeltern und Pflegekinder, welche zu dieser Zeit noch in der ersten respektive zweiten Klasse eingestuft waren. Solche Personen sollten steuerlich 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 68 honoriert werden, als wären sie Ehepaare (1. Lesung, 47. Sitzung des Grossen Rats vom 5. Mai 1998, Votum M. Kuhn, S. 934). Dabei wurde der Begriff Konkubinat bewusst vermieden, da der Nachweis eines solchen kaum zu erbringen sei. Eine Wohn- gemeinschaft unter gleichem steuerlichen Wohnsitz lässt sich hin- gegen alleine aus den Akten belegen. Die Frist von fünf Jahren soll sicherstellen, dass nur bevorzugt behandelt wird, wer zur zuwenden- den Person ein persönliches Verhältnis hat, welches aufgrund seiner Dauer nicht nur Rechte, sondern auch Beistandspflichten moralischer Art begründet hat. (Botschaft des Regierungsrats vom 21. Mai 1997 zur Totalrevision der aargauischen Steuergesetze 97.002968, Bericht und Entwurf zur 1. Beratung, § 146 S. 106). Das KStA wies bereits in seinem Kurzkommentar vom 26. November 1993 zu den Vorent- würfen für das revidierte Steuergesetz in den Ausführungen zu § 90 StG darauf hin, dass mit der Vermeidung des Begriffs Konkubinat eine Ausweitung des Kreises der Begünstigten über das Konkubi- natsverhältnis hinaus einhergehe. 2.4. In Erbschaftssachen ist die Tatsache, ob der Erblasser mit einer Person während fünf Jahren in Wohngemeinschaft gelebt hat, im Nachhinein oft schwer überprüfbar. In solchen Fällen ist eine Beur- teilung gestützt auf gewisse schematische Abgrenzungen zulässig (Urteil des Bundesgerichts 2C_685/2017 vom 6. Februar 2018 E. 4.4.4). Solche Abklärungen zu Wohngemeinschaften bereiten unter Umständen auch in Schenkungssteuerfällen Schwierigkeiten, doch können hier, im Unterschied zu Sachverhalten bei der Erb- schaftssteuer, wo der Erblasser naturgemäss nicht mehr befragt wer- den kann, der Schenker und die Beschenkte Auskunft geben. Der vorliegende Fall gibt daher Anlass, die mit Urteil des Verwaltungs- gerichts WBE.2017.74 vom 9. Juni 2017 E. 2.3 und 2.4 (bestätigt durch das Urteil des Bundesgerichts 2C_658/2017 vom 6. Februar 2018 E. 4.4.4) eingeführte Auslegung für die Belange der Schenkungssteuer zu präzisieren. Entgegen der Befürchtung des KStA erweisen sich die Beweis- schwierigkeiten in Schenkungssteuerfällen nicht als unüberwindbar. Infolgedessen ist eine schematische Beurteilung, wie sie in Erb- 2019 Steuern und Abgaben 69 schaftsfällen als richtig erscheint, jedenfalls dann nicht gerechtfer- tigt, wenn sich ein wirklich gelebtes gefestigtes Konkubinat in einer Wohngemeinschaft nachweisen lässt. Der Gesetzgeber hat zwar auf die formalen Kriterien einer Wohngemeinschaft bei gleichem steuer- lichem Wohnsitz abgestellt. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich indessen klar, dass er dadurch in erster Linie Beweisschwierigkeiten vermeiden, nicht jedoch gefestigte Konkubinate, bei denen die Part- ner am gemeinsamen steuerlichen Wohnsitz zusammenleben, allein deswegen, weil sie zwar räumlich eng miteinander verbunden, aber nicht notwendigerweise in einer einzigen Wohnung zusammenleben, von der durch § 147 Abs. 1 StG gewährten Privilegierung ausschlies- sen wollte. Die Beschwerdeführerin ist daher zum Nachweis der Wohngemeinschaft zuzulassen. Grundsätzlich bleibt es aber dabei, dass eine Wohngemeinschaft das Zusammenleben von mindestens zwei Personen in einer Wohnung, respektive in einem Einfamilien- haus erfordert. Verfügen die Bewohner über mehrere Wohnungen, bedarf es für die Annahme einer Wohngemeinschaft einer besonde- ren Begründung durch den Nachweis eines langjährig gelebten Kon- kubinats. Sehr gute nachbarliche Beziehungen in einem Mehrfami- lienhaus fallen nicht unter den Begriff der Wohngemeinschaft (MARTIN IMTHURN, in: MARIANNE KLÖTI-WEBER/DAVE SIEGRIST/DIETER WEBER [Hrsg.], Kommentar zum Aargauer Steuer- gesetz, 4. Auflage, Muri/Bern 2015, § 147 N 4). 3. 3.1. Die Beschwerdeführerin und ihr Lebenspartner führen seit An- fang der neunziger Jahre eine Paarbeziehung und bewohnen seit 1998 zwei Wohnungen im Mehrfamilienhaus des Lebenspartners, welches über sechs Wohnungen verfügt. Unbestrittenermassen handelt es sich bei der Lebensform der Beschwerdeführerin und ihres Lebenspartners um ein Konkubinat. Während die Vorinstanz von einer eheähnlichen Beziehung ausgeht, ist das KStA der Ansicht, die Art der Beziehung müsse vollständig ausgeblendet werden. Entgegen dieser Meinung ist die Art der Beziehung jedoch nicht unbedeutend, denn der Gesetzgeber hatte den Begriff des Konkubinats ausschliess- lich wegen Beweisschwierigkeiten vermieden und nicht, weil die 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 70 Beziehungsebene keine Rolle spielen sollte. Dies zeigt sich auch darin, dass er Beistandspflichten moralischer Art, welche durch ein enges und langjähriges Konkubinat entstehen, privilegieren wollte. Ziel war es denn auch, eheähnliche Lebensweisen steuerlich zu begünstigen (vgl. vorne E. 2.3). 3.2. Wie aus der Rechtsprechung zum Ehe- und Scheidungsrecht hervorgeht, wird unter einem gefestigten Konkubinat eine auf längere Zeit, wenn nicht auf Dauer angelegte umfassende Lebensge- meinschaft zweier Personen (...) mit grundsätzlich Ausschliesslich- keitscharakter, die sowohl eine geistig-seelische als auch eine wirtschaftliche Komponente aufweist , verstanden. In diesem Zu- sammenhang ist auch von Wohn-, Tisch- und Bettgemeinschaft die Rede. Massgebend sind die gesamten Umstände des Zusammen- lebens. Ein gefestigtes Konkubinat hat zudem zur Folge, dass ein all- fälliger Unterhaltsanspruch gegenüber dem (früheren) Ehepartner entfällt, wenn eine derart enge Beziehung besteht, die ähnliche Vor- teile bietet wie eine Ehe. Entscheidend ist dabei, ob der Unterhalts- berechtigte mit seinem neuen Partner eine so enge Lebensgemein- schaft bildet, dass dieser bereit ist, ihm Beistand und Unterstützung zu leisten, wie es Art. 159 Abs. 3 ZGB von Ehegatten fordert (BGE 138 III 97 E. 2.3.3). 3.3. Die Beschwerdeführerin vereinbarte mit ihrem Ex-Mann im Jahre 2004, aufgrund des gelebten Konkubinats auf Unterhalt zu ver- zichten. Bereits geraume Zeit davor, per 1. Dezember 1997, hatte der aktuelle Lebenspartner eine Lebensversicherung über CHF 250'000.00 abgeschlossen und die Beschwerdeführerin als Be- günstigte eingesetzt. Im Jahre 2010 meldete der Lebenspartner die Beschwerdeführerin ausserdem bei seiner Pensionskasse für eine Le- benspartnerrente an. Im Unterschied zum Urteil des Verwaltungs- gerichts WBE.2017.74 vom 9. Juni 2017, in dem es sich um eine Erbschaft zwischen zwei Geschwistern handelte und die gesetzliche Erbfolge zum Zug kam, geht es vorliegend um eine Schenkung von CHF 250'000.00 zwischen zwei Konkubinatspartnern. Eine Schenkung in dieser Grössenordnung zeigt bereits an sich eine er- 2019 Steuern und Abgaben 71 hebliche Verbundenheit, wie sie einer Ehe gemeinhin nachgesagt wird. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten denn auch solche Konkubinatspaare von der privilegierten Besteuerung gemäss der Klasse 1 profitieren können. Jedenfalls zeigen diese Umstände ein- deutig, dass es sich um ein gefestigtes Konkubinat handelt, was durch die gerichtliche Befragung des Beschwerdeführers sowie ihres Konkubinatspartners zur Wohnsituation bestätigt wurde. 4. 4.1. 4.1.1. Befragt zur Wohnsituation führten die Beschwerdeführerin und ihr Lebenspartner aus, dass sämtliche Wohnungen im Mehrfamilien- haus vermietet seien mit Ausnahme der Parterre-Wohnung links, welche zusammen mit der an die Beschwerdeführerin vermieteten Wohnung im ersten Stock als Wohngemeinschaft genutzt werde. Die anfangs verfolgte Absicht, die Parterre-Wohnung links mit jener rechts zu verbinden und damit zu einer gemeinsamen Wohnung um- zubauen, wofür auch Architekten-Pläne ausgearbeitet worden seien, zeigt, dass eine tatsächlich gelebte Nähe zwischen der Beschwerde- führerin und ihrem Lebenspartner bestand (und immer noch besteht) sowie ein Bedürfnis nach einer grösseren, gemeinsamen Wohnung. Aus sozialen Gründen - einer langjährigen Mieterin wollte der Le- benspartner nicht kündigen - wurde das Projekt schliesslich nicht mehr weiterverfolgt. Nach dem Versterben der langjährigen Mieterin wäre zwar grundsätzlich die Gelegenheit zum Verbinden der beiden Wohnungen da gewesen, da jedoch bereits etliche Sanierungsmass- nahmen an der Parterre-Wohnung durchgeführt worden seien, habe man aus ökonomischen Gründen darauf verzichtet. Der Verzicht ist unter diesen Umständen durchaus nachvollziehbar - auch weil der Lebenspartner bei der Befragung glaubhaft ausführte, es mache für ihn keinen Unterschied, ob er nun innerhalb oder ausserhalb der Wohnung in den ersten Stock gelange. 4.1.2. Während die Küche im ersten Stock gemeinsam für die Ein- nahme des Frühstücks und des Mittagessens genutzt werde, diene die Küche im Parterre vorwiegend als Abstellplatz für grössere oder sel- 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 72 ten genutzte Küchengeräte sowie als Kochgelegenheit anlässlich von Männerabenden des Lebenspartners. Beim Einzug der Beschwer- deführerin in die vom Lebenspartner vorher allein bewohnte Woh- nung hätten sich die Möbel in dem Sinne vermischt, dass einige der Möbel im ersten Stock geblieben und einige in das Parterre verscho- ben worden seien. Dies und die Tatsache, dass die Kleider auf beide Wohnungen verteilt sind, spricht eher für das gemeinsame Bewohnen beider Wohnungen. Unter Berücksichtigung der konkreten Umstände - die Be- schwerdeführerin arbeitete bis zur Pensionierung im Jahre 2012 im Unternehmen des Beschwerdeführers, welches sich im selben Ge- bäude wie die beiden Wohnungen befindet - spricht die Inanspruch- nahme der unteren Wohnung als temporärer Rückzugsort für den Lebenspartner während ungefähr einer Stunde pro Tag nicht gegen die Annahme einer Wohngemeinschaft in zwei Wohnungen. Auch in einer grossen Wohnung mit zwei Etagen oder einem Einfamilienhaus kann eine solche räumliche Trennung ohne weiteres ebenfalls statt- finden. Beide Konkubinatspartner verfügen zudem über Schlüssel für beide Wohnungen, wobei die Haustüren die meiste Zeit nicht abge- schlossen seien. 4.1.3. Gegen das Bestehen eines gemeinsamen Haushalts spricht der von der Beschwerdeführerin mit dem Lebenspartner abgeschlossene Mietvertrag über die Wohnung im ersten Stock. Anlässlich der Be- fragung erklärten beide unabhängig voneinander, dass dieser zu Ab- sicherungszwecken für die Beschwerdeführerin im Falle eines Vor- versterbens des Lebenspartners erstellt worden sei, was nachvoll- ziehbar erscheint. Eher ungewöhnlich erscheint, dass die Beschwer- deführerin den Mietzins tatsächlich bezahlt. Der Lebenspartner be- zahle im Gegenzug jedoch Einkäufe, Auswärtsessen und Ferien, wo- bei er die Entrichtung des Mietzinses als Beitrag an das gemeinsame Wohnverhältnis erachte. Eine solche Aufteilung der Lebenshaltungs- kosten zwischen Konkubinatspaaren spricht nicht per se gegen ein Vorliegen einer Wohngemeinschaft. Auch das Bestehen von zwei se- paraten Festnetzanschlüssen erscheint zwar eher eigentümlich. Da der Lebenspartner aber nach wie vor beruflich aktiv ist und sein Tele- 2019 Steuern und Abgaben 73 fonanschluss auf das Unternehmen lautet, wobei nicht entgegen- genommene Anrufe offenbar in die Büroräumlichkeiten umgeleitet werden, spricht auch dieser Umstand nicht gegen die Annahme einer Wohngemeinschaft. Schliesslich verfügen die Beschwerdeführerin und ihr Lebenspartner mit Ausnahme des Mietzinskontos für eine gemeinsam erworbene Liegenschaft über kein gemeinsames Konto, welches als Indiz für eine Gemeinschaftlichkeit der Mittel für die Haushaltskosten zu werten wäre, doch werden die Haushaltskosten offenbar tatsächlich gemeinsam bestritten. Es existiere weder ein Budget, noch werde Buch geführt, mit Ausnahme betreffend den Wohnraum. Auf die Frage, ob sich die Beschwerdeführerin und ihr Lebens- partner auch das Schlafzimmer teilen würden, machten sie folgende Angaben: Während die Beschwerdeführerin ausführte, dass sie ein schmales Bett in einem Zimmer habe und in der unteren Wohnung ein Doppelbett stehe, wo gemeinsam genächtigt werde, sagte der Le- benspartner aus, dass im ersten Stock ein Eheschlafzimmer bestehe und dort gemeinsam geschlafen werde - im Parterre könne man aber ebenso gemeinsam nächtigen. In besonderen Situationen (Schnar- chen, medizinische Gründe) würden sie separat schlafen - in solchen Fällen packe sie ihre Sachen und gehe hinauf in den ersten Stock. Ungefähr drei Mal in der Woche würden sie beieinander schlafen. Auf nachträgliche schriftliche Aufforderung hin, ihre Ausführungen zu konkretisieren, stellte die Beschwerdeführerin dem Gericht am 19. Februar 2019 fotografische Aufnahmen von der Schlafsituation zur Verfügung. Auf diesen Aufnahmen befinden sich ein Einzelbett und ein Bettsofa in je einem Zimmer in der Wohnung im ersten Stock und ein Doppelbett, aufgenommen in einem Zimmer der Par- terre-Wohnung. Die Vertreterin der Beschwerdeführerin wies in die- sem Zusammenhang darauf hin, dass gemäss übereinstimmenden Aussagen der Beschwerdeführerin und des Lebenspartners in beiden Wohnungen gemeinsam geschlafen werden könne. Beide Woh- nungen würden gemeinsam genutzt und es werde regelmässig im selben Bett genächtigt. 4.2. 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 74 Gestützt auf die gerichtliche Befragung ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin und ihr Lebenspartner tatsächlich eine Wohngemeinschaft in zwei übereinanderliegenden Wohnungen des- selben Gebäudes führen. Der Begriff Konkubinat wurde im Gesetzgebungsverfahren, wie ausgeführt, bloss deshalb bewusst vermieden, weil der Nachweis eines solchen problematisch ist. Ist aber in einem Schenkungssteuer- fall eine Wohn-, Tisch- und Bettgemeinschaft mit einer über 20- jährigen Dauer und entsprechenden moralischen Beistandspflichten nachgewiesen, darf die steuerliche Privilegierung nicht einfach mit dem formalen Kriterium Vorliegen von zwei Wohnungen verwehrt werden, wenn Umstände wie hier gegeben sind (zwei direkt über- einander liegende Wohnungen, gesamte Liegenschaft im Eigentum eines Konkubinatspartners, langjährige Mitarbeit der Beschwerde- führerin im Betrieb des Lebenspartners, Begünstigung der Be- schwerdeführerin durch eine Lebensversicherung auf das Leben des Lebenspartners, Schenkung dieses Versicherungskapitals von CHF 250'000.00 im Erlebensfall, Anmeldung der Beschwerdeführe- rin für eine Lebenspartnerrente bei der Pensionskasse des Lebens- partners) und ein echtes Konkubinat vorliegt. In einer solchen Konstellation erscheint es gerechtfertigt, vom Erfordernis abzu- weichen, wonach die Wohngemeinschaft in ein und derselben Woh- nung gelebt werden muss. 4.3. Entgegen dem KStA liegt im vorliegenden Fall auch keine systemwidrige Öffnung des Begünstigtenkreises vor, handelt es sich doch eben gerade um ein langjähriges Konkubinat, welches der Ge- setzgeber privilegieren wollte. Die vom KStA befürchteten Beweis- schwierigkeiten sprechen auch nicht gegen die Zulassung des Nach- weises einer Wohngemeinschaft in zwei unmittelbar angrenzenden Wohnungen durch die Steuerpflichtigen. Der Beweis für solche steuermindernden Tatsachen obliegt bekanntlich nicht den Steuer- behörden, daher geht die Beweislosigkeit zu Lasten der Steuerpflich- tigen. Die Steuerbehörden werden damit, entgegen der Befürchtung des KStA, nicht wesentlich durch aufwendige und unangenehme Beweisverfahren belastet, dies auch aufgrund der Tatsache, dass eher 2019 Steuern und Abgaben 75 von einer geringen Anzahl von Schenkungssteuerfällen auszugehen ist, in denen eine tatsächlich gelebte Wohngemeinschaft in zwei un- mittelbar benachbarten Wohnungen behauptet wird. In der Mehrzahl solcher Sachverhaltskonstellationen mit zwei separaten Wohnungen dürfte eben gerade keine vom Gesetz privilegierte Wohngemein- schaft vorliegen.
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2003 Verwaltungsgericht 148 [...] 43 Anstaltseinweisung; Wiedererwägung; Rechtliches Gehör; Zwangsbe- handlung im Rahmen einer Einweisung zur Untersuchung. - Wird eine Einweisungsverfügung in Wiedererwägung gezogen, ist die ursprüngliche Verfügung formell aufzuheben und eine neue Verfü- gung zu erlassen. Dabei müssen wiederum alle formellen Erforder- nisse erfüllt sein, insbesondere der Anspruch auf rechtliches Gehör (Erw. 2/a). - Grundsätzliche Unterscheidung zwischen ordentlicher Einweisung (zur Behandlung) und Einweisung zur Untersuchung (Erw. 2/b/aa- dd). - Eine Zwangsbehandlung i.S.v. § 67e bis Abs. 1 EGZGB ist ausnahms- weise auch bei einer Anstaltseinweisung zur Untersuchung zulässig, aber nur, wenn die verlangten und notwendigen Abklärungen nicht anders bewerkstelligt werden können (Erw. 2/b/dd) Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 21. Oktober 2003 in Sachen M.M. gegen Verfügung des Bezirksarztes B. Aus den Erwägungen 2. a) Der Beschwerdeführer wurde am 1. Mai 2003 mit Verfü- gung des Bezirksarztes B. zur Untersuchung betreffend Fremdge- fährlichkeit und Beurteilung der Betreuungstauglichkeit in die PKK eingewiesen. Der Beschwerdeführer liess jedoch die zur Abklärung notwendigen Untersuchungen nicht zu. Auf Anregung des Oberarztes der Klinik passte der Bezirksarzt am 2. Mai 2003 seine Verfügung an, indem er den Auftrag auf "Behandlung und/oder Untersuchung" erweiterte. Dies ist aus dem Erscheinungsbild der Verfügung jedoch nicht ersichtlich. Vielmehr wird der Eindruck vermittelt, als habe es nur die Verfügung zur "Behandlung und/oder Untersuchung" gegeben, da 2003 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 149 auch die abgeänderte neue Verfügung mit dem 1. Mai 2003 datiert ist. Die Vorgehensweise des Bezirksarztes entspricht einer Wieder- erwägung i.S.v. § 25 VRPG. Um eine für alle Beteiligten unzumut- bare Rechtsunsicherheit zu vermeiden, ist dann, wenn eine Einwei- sungsverfügung in Wiedererwägung gezogen wird, die ursprüngliche Einweisungsverfügung formell aufzuheben und eine neue, neu da- tierte Verfügung zu erlassen; dabei müssen wiederum alle formellen Erfordernisse erfüllt sein, insbesondere - jedenfalls wenn die neue Verfügung für den Betroffenen belastender ausfällt als die ursprüng- liche - der Anspruch auf eine persönliche Anhörung gemäss § 67k lit. a EGZGB und § 15 VRPG (vgl. AGVE 1983, S. 121). Die neue Verfügung des Bezirksarztes war somit formell mangelhaft. b) aa) In AGVE 1982, S. 130 f. hat das Verwaltungsgericht ent- schieden, dass die massgeblichen Einweisungsgründe und -zwecke in der Einweisungsverfügung selber enthalten sein und so dem Einge- wiesenen und der Anstalt zur Kenntnis gebracht werden müssen. Insbesondere muss der Klarheit halber in der Einweisungsverfügung selber ausdrücklich angeführt sein, wenn es sich nicht um eine or- dentliche Einweisung (im Sinne von Art. 397a ZGB), sondern um eine Einweisung zur Untersuchung gemäss § 67d EGZGB handelt (AGVE 1994, S. 350 f.; 1982, S. 138). bb) Die erste Verfügung des Bezirksarztes B. lautete auf "Un- tersuchung - bis über die Fremdgefährlichkeit entschieden werden kann. Beurteilung der Betreuungstauglichkeit". Die zweite Verfü- gung lautet genau gleich mit dem Zusatz, dass neu die Rubrik "Be- handlung" angekreuzt wurde. Die zweite Verfügung enthält somit Elemente einer Einweisung zur Untersuchung und einer (definitiven) Einweisung zur Behandlung. Beiden Verfügungen ist jedoch kein Hinweis zu entnehmen, dass der Bezirksarzt B. das Vorliegen einer Geistesschwäche oder Geisteskrankheit als Einweisungsgrund ab- schliessend bejaht hätte, was Voraussetzung für eine definitive Ein- weisung wäre. In seiner Eingabe vom 9. Mai 2003 bestätigt der Be- zirksarzt denn auch, dass er in seiner Verfügung keine Geistesschwä- che oder Geisteskrankheit diagnostiziert habe. Sein Auftrag habe auf Abklärung und Behandlung gelautet. Mit der Beurteilung der Fremdgefährlichkeit hätte auch eine Diagnose einhergehen sollen. 2003 Verwaltungsgericht 150 In seiner Eingabe vom 9. Mai 2003 hält der Bezirksarzt weiter fest, dass der zuständige Klinikarzt ihm telefonisch mitgeteilt habe, dass auf Grund des schweren Erregungszustands des Beschwerde- führers eine Abklärung nicht möglich sei. Der Klinikarzt bat ihn deshalb, die Verfügung auf "Behandlung" auszuweiten, um eine Se- dation (und als Folge davon die verlangte Abklärung) zu ermögli- chen. cc) Hieraus geht deutlich hervor, dass die Einweisung des Be- schwerdeführers einzig der Untersuchung und Abklärung einer Fremdgefährlichkeit und der Behandlungs- und Betreuungsmöglich- keit dienen sollte. Offensichtlich hielt der zuständige Klinikarzt zur Durchführung der Abklärungen eine Zwangsmedikation für notwen- dig, sah jedoch in der Einweisung zur Untersuchung keine rechtsge- nügliche Grundlage dazu. Mit der Ausweitung der Verfügung auf "Behandlung" wollte der Bezirksarzt eine Zwangsmedikation als Voraussetzung der verlangten Abklärung ermöglichen. Nach wie vor war indessen bloss eine Einweisung zur Untersuchung beabsichtigt. dd) Eine Zwangsbehandlung im Sinne von § 67e bis Abs. 1 EGZGB ist in aller Regel nur im Rahmen einer definitiven fürsorge- rischen Freiheitsentziehung zulässig, ausnahmsweise aber auch bei einer Anstaltseinweisung zur Untersuchung, wenn die verlangten und notwendigen Abklärungen anders nicht bewerkstelligt werden kön- nen (vgl. VGE I/145 vom 23. Juli 2002 [BE.2002.00244] in Sachen M.Z., S. 5). Es ist verständlich, dass sich der zuständige Klinikarzt absichern wollte. Wenn der Bezirksarzt aber ohne die verlangte Un- tersuchung ausserstande war, die Voraussetzungen und die Begrün- detheit einer ordentlichen Anstaltseinweisung zu bejahen, hätte er nicht eine Einweisung zur Behandlung (was zwingend eine definitive Einweisung impliziert) anordnen dürfen. Korrekt wäre es gewesen, an der Einweisung zur Untersuchung festzuhalten und die Klinik darauf hinzuweisen, dass diese Einweisung zur Untersuchung ganz ausnahmsweise auch eine Zwangsbehandlung rechtfertigen könne, wobei der Ausnahmesachverhalt nach den Ausführungen des Klinik- arztes offenbar gegeben sei. ee) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es sich bei der an- gefochtenen Verfügung materiell um eine Einweisung zur Untersu- 2003 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 151 chung im Sinne von § 67d EGZGB handelt. Dies wurde indessen erst im Laufe des verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens klar, da das formelle Vorgehen des Bezirksarztes fehlerhaft war und zu erheblicher Unsicherheit führte. (...)
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AG_VG
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2012 Verwaltungsgericht 150 [...] 22 Gewässerschutz; Normenkontrolle - § 91 Abs. 2 bis lit. a der Kantonsverfassung ermächtigt den Regie- rungsrat zum Erlass von kantonalem Ausführungsrecht innerhalb der vom Bundesrecht vorgegebenen inhaltlichen Gestaltungsmög- lichkeiten (Erw. 4.2 und 4.3). - Nach Bundes- und kantonalem Bau- und Umweltrecht ist die Recht- setzungsbefugnis des Regierungsrats auf den Erlass von Vollzieh- ungsbestimmungen im engeren Sinn beschränkt (Erw. 4.4). - Die §§ 3-6 der Vollzugsverordnung zur Gewässerschutzverordnung des Bundes (VV GSchV) vom 25. Januar 2012 (SAR 781.221) sind wegen fehlender Rechtsetzungsbefugnis des Regierungsrats aufzuhe- ben (Erw. 5). - Bis zur Festlegung des Gewässerraumes gelten die Gewässerabstän- de gemäss Abs. 2 der Übergangsbestimmungen zur Änderung der Gewässerschutzverordnung vom 4. Mai 2011 (AS 2011, S. 1963) (Erw. 6). Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 27. September 2012 in Sachen A. et al. gegen Kanton Aargau (WNO.2012.2). 2012 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 151 Aus den Erwägungen 4. 4.1. Nach dem Grundsatz der Gesetzmässigkeit (Legalitätsprinzip) ist jedes staatliche Handeln an das Gesetz gebunden (Art. 5 Abs. 1 BV; § 2 KV). Das Gesetzmässigkeitsprinzip hat neben der rechts- staatlichen Funktion auch eine demokratische Dimension, indem es die Rechtsetzungsbefugnis des ordentlichen Gesetzgebers vom Kompetenzbereich anderer rechtsetzender Behörden abgrenzt. Mit dem Vorrang des Gesetzes als Teilgehalt gewährleistet das Gesetz- mässigkeitsprinzip sodann die Gewaltenteilung, indem es die Re- gelungsbefugnisse auf die verschiedenen am Rechtsetzungsprozess beteiligten Behörden verteilt (Pierre Tschannen/Ulrich Zimmerli/ Markus Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl., Bern 2009, Rz. 2 und Rz. 12 zu § 19). 4.2. Der Erlass von Verordnungen durch den Regierungsrat gestützt auf § 91 Abs. 2 bis lit. a KV setzt in erster Linie voraus, dass ein Bun- desgesetz den Zweck und die Grundsätze der inhaltlichen Gestaltung der Verordnung festlegt, so dass ein Rahmen vorgegeben ist, in wel- chem der Regierungsrat in eigener Kompetenz Recht setzen kann. Fehlt eine solche Rahmenordnung auf Gesetzesstufe, besteht grund- sätzlich und mit Ausnahme von - im vorliegenden Fall nicht rele- vantem - Dringlichkeitsrecht (§ 91 Abs. 2 bis lit. b KV) keine Recht- setzungskompetenz des Regierungsrats. Die Rechtsetzungsbefugnis des Regierungsrats in § 91 Abs. 2 bis KV ist keine delegierte, sondern eine unmittelbare Verordnungskompetenz, die sich nicht auf Voll- zugsregeln im engeren Sinn beschränkt. Die verfassungsrechtliche Verordnungskompetenz begründet indessen keine Kompetenz zu eigenständiger Rechtsetzung; sie ist vielmehr inhaltlich beschränkt: Zweck und Grundsätze ("alle wichtigen Bestimmungen") müssen vom Grossen Rat in einem formellen Gesetz oder Dekret erlassen werden (vgl. Kurt Eichenberger, Verfassung des Kantons Aargau, Textausgabe mit Kommentar, Aarau/Frankfurt a.M./Salzburg 1986, N 13 zu § 78, N 4 und 5 zu § 91 Abs. 2). 2012 Verwaltungsgericht 152 4.3. Auf Grund der Materialien ist davon auszugehen, dass für die Rechtsetzung zur Ausführung von Bundesrecht gestützt auf § 91 Abs. 2 bis lit. a KV die gleichen Voraussetzungen wie beim Ausfüh- rungsrecht zum kantonalen Recht gelten (vgl. dazu Botschaft des Regierungsrats des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 30. Mai 2001, 01.158 [sogenannte Demokratiereform; Bericht und Entwurf zur zweiten Beratung], S. 11 und 12; Protokoll des Grossen Rates [Prot. GR] vom 18. Dezember 2008, Art. 375, S. 495 [Votum des Präsidenten der Kommission]). Es geht daher um Bestimmungen, die von ihrer Bedeutung her auch in einem rein kantonalen Rechtset- zungsverfahren ebenfalls auf Verordnungsstufe normiert werden könnten. Der Erlass von Vollzugsbestimmungen zu Bundesrecht auf dem Verordnungsweg durch den Regierungsrat erfordert daher, dass der Zweck und die Grundsätze der inhaltlichen Gestaltung der Ver- ordnung sich aus dem Bundesrecht ergeben müssen und keine wich- tigen Bestimmungen zu erlassen sind (vgl. dazu AGVE 2004, S. 257; 1997, S. 154; Georg Müller, Inhalt und Formen der Rechtsetzung als Problem der demokratischen Kompetenzordnung, Basel 1979, S. 110 f.). Nach den von der Lehre entwickelten Kriterien beurteilt sich die Wichtigkeit von Bestimmungen insbesondere nach der Zahl der Adressaten und der geregelten Sachverhalte, der Intensität eines Ein- griffs, der politischen Bedeutung sowie der finanziellen Auswirkun- gen, Akzeptanz und Üblichkeit (vgl. dazu Georg Müller, Elemente einer Rechtsetzungslehre, 2. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2006, N 211; Ulrich Häfelin/Georg Müller/Felix Uhlmann, Allgemeines Verwal- tungsrecht, 6. Aufl., Zürich/St. Gallen 2010, N 397 f.; Giovanni Biaggini, Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Zürich 2007, Art. 164 N 5 f.; BGE 128 I 113, Erw. 3c). Auch wenn § 91 Abs. 2 bis lit. a KV als Delegationsnorm ver- standen wird, sind die Grundsätze der Delegation legislatorischer Befugnisse auf die Exekutive (Verordnungsgeber) zu beachten (BGE 134 I 322, Erw. 2.6.3, in: Praxis 2009 Nr. 62, S. 403; AGVE 2007, S. 148 f.). Der Regierungsrat kann ergänzende Verfah- rensregeln erlassen, einzelne Gesetzesbestimmungen präzisieren oder 2012 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 153 Gesetzeslücken durch Verordnung schliessen; ausgeschlossen ist hingegen die Einführung von Normen auf dem Verordnungsweg, welche die Grundrechte beschränken oder den Rechtsgenossen Pflichten auferlegen, selbst dann, wenn diese Bestimmungen mit dem Gesetzeszweck übereinstimmen (BGE 136 I 29, Erw. 3.3). Für den Erlass solcher Bestimmungen bedarf der Regierungsrat einer ausdrücklichen Delegation im übergeordneten (Gesetzes-) Recht (vgl. dazu BGE 134 I 125; 134 I 322, Erw. 2.2, 2.4, in: Praxis 2009 Nr. 62, S. 403; BGE 133 I 110, Erw. 6, in: Praxis 2007 Nr. 123, S. 829 mit Hinweisen; AGVE 2004, S. 257 mit Hinweis; Ulrich Häfelin/Walter Haller/Helen Keller, Schweizerisches Bundesstaats- recht, 8. Aufl., Zürich 2012, Rz. 1872; Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., Rz. 407 und 411; Tschannen/Zimmerli/Müller, a.a.O., Rz. 38 zu § 19; Biaggini, a.a.O., Art. 164 N 5 f.). 4.4. 4.4.1. Art. 36a Abs. 1 GSchG in der ab 1. Januar 2011 geltenden Fas- sung verpflichtet die Kantone, den Raumbedarf der oberirdischen Gewässer so festzulegen, dass sie die natürliche Funktion der Ge- wässer, den Schutz vor Hochwasser und die Gewässernutzung ge- währleisten; Einzelheiten regelt der Bundesrat (Abs. 2). Sodann sor- gen die Kantone dafür, dass die Gewässer bei der Richt- und Nut- zungsplanung berücksichtigt sowie extensiv gestaltet und bewirt- schaftet werden (Abs. 3 Satz 1). Gestützt auf die Delegationsnorm erliess der Bundesrat in den Art. 41a GSchV (Gewässerraum für Fliessgewässer), Art. 41b GSchV (Gewässerraum für stehende Gewässer), Art. 41c GSchV (extensive Gestaltung und Bewirtschaftung des Gewässerraums) und Art. 41d GSchV (Planung von Revitalisierungen) Ausführungsvor- schriften zur Festlegung des Gewässerraums. Die Werte für die Ausdehnung des Gewässerraums in Art. 41a f. GSchV enthalten Minimalvorschriften, welche zur Gewährleistung des Schutzes vor Hochwasser und der natürlichen Funktionen der Gewässer notwen- dig sind. Sie tragen den weiteren Interessen insoweit Rechnung, als die Breite des Gewässerraumes im dicht überbauten Gebiet den bau- lichen Gegebenheiten angepasst werden kann. Der Bundesrat hat 2012 Verwaltungsgericht 154 darauf verzichtet, eine Mindestbreite bei grossen Fliessgewässern festzuschreiben. Art. 41a Abs. 2 lit. b GSchV regelt den Gewässer- raum für Fliessgewässer bis 15 m Breite. Bei den über 15 m breiten Flüssen und Seen wollte er den Kantonen genügend Möglichkeiten geben, den Gewässerraum im Einzelfall funktionsgerecht festzule- gen. Die allgemeine Regelung zur Festlegung des Gewässerraums in der Gewässerschutzverordnung ist nicht abschliessend, d.h. es bedarf kantonaler Ausführungsvorschriften, welche Regelungslücken schliessen (vgl. dazu Hans W. Stutz, Raumbedarf der Gewässer - die bundesrechtlichen Vorgaben für das Planungs- und Baurecht, in: Zürcher Zeitschrift für öffentliches Baurecht [PBG] 2011/4, S. 15 f.; ders., Uferstreifen und Gewässerraum - Umsetzung durch die Kan- tone, in: URP 2012, S. 109 ff.). Die Kantone haben den Gewässerraum nach Anhörung der Ei- gentümer und betroffenen Grundstückbenutzer im Einzelfall festzu- legen. Nach den Intentionen des Bundesgesetzgebers vollziehen die Kantone die Sicherung des Gewässerraums in einem raumplaneri- schen Verfahren (Erläuternder Bericht des Bundesamts für Umwelt [BAFU] vom 20. April 2011, S. 4, abrufbar unter: www.news.ad- min.ch; vgl. auch Stellungnahme des Bundesrates zur Motion "Vollzug der Revitalisierung der Gewässer" vom 23. Mai 2005, Ziff. 6 [Curia Vista 12.3334], abrufbar unter: www.parlament.ch; vgl. dazu auch Stutz, a.a.O., URP 2012, S. 116 ff.). 4.4.2. Die Vollzugskompetenzen beim Gewässerschutzgesetz liegen generell bei den Kantonen, welche die erforderlichen Vorschriften erlassen (Art. 45 GSchG). Der Bund beaufsichtigt den Vollzug und koordiniert die Gewässerschutzmassnahmen der Kantone (Art. 46 Abs. 1 und 2 GSchG). Die Bundesvollzugskompetenzen in Art. 48 GSchG betreffen Ausnahmen, welche ihre Rechtsgrundlage in an- dern Bundesgesetzen oder Staatsverträgen haben und im vorliegen- den Fall nicht relevant sind. Die Delegation der Vollzugskompetenz im Gewässerschutzgesetz bedeutet, dass der Bund einen Teil seiner Rechtsetzungsbefugnis an den Kanton überträgt und die Kantone beauftragt und damit ermächtigt, die delegierten Sachbereiche durch kantonale Normen zu regeln. Form und Inhalt des kantonalen Aus- 2012 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 155 führungsrechts und auch die Zuständigkeit zur Rechtsetzung be- stimmen sich nach kantonalem Recht (Häfelin/Haller/Keller, a.a.O., Rz. 1151 f.). Art. 45 GSchG erfasst den Vollzug im engeren Sinn (vgl. dazu Tobias Jaag, Die Verordnung im schweizerischen Recht, in: ZBl 112/2011, S. 642 ff. mit Hinweisen), d.h. all jene Anordnungen und Massnahmen, die zur Umsetzung des materiellen Bundesrechts im Gewässerschutzgesetz und den Ausführungsvorschriften notwendig sind. Dieses Verständnis des Vollzugsbegriffs ergibt sich für die Vor- schriften über den Gewässerraum aus Art. 36a Abs. 2 GSchG, der den Erlass von (materiellen) Ausführungsregeln dem Bundesrat vorbe- hält. 4.4.3. Auch die Bestimmungen in den Art. 41a bis 41d GSchV und die Übergangsbestimmungen zur Verordnungsrevision vom 4. Mai 2011 (AS 2011, S. 1955; vgl. dazu hinten Erw. 5.2) ermächtigen den Re- gierungsrat nicht zu kantonalem Verordnungsrecht, welches die bun- desrechtlichen Vorgaben abändert oder (materiell) ergänzt. Nach Art. 2 Abs. 1 lit. h GSchV regelt die Verordnung in der Fassung ge- mäss Ziff. I der Verordnung vom 4. Mai 2011 die Verhinderung und Behebung nachteiliger Einwirkungen auf Gewässer umfassend. Abgesehen davon wäre eine Kompetenzdelegation vom Bun- desrat auf den Regierungsrat mit Art. 46 Abs. 1 BV und der kanto- nalen Organisationsautonomie (Art. 47 BV) nicht vereinbar. Nur auf einer Grundlage in der Bundesverfassung könnte der Bund den Kantonen vorschreiben, in welcher Form und funktionaler Rechtset- zungszuständigkeit sie die Umsetzung von bundesrechtlichen Rechtsetzungsaufträgen durchzuführen haben (vgl. dazu Häfelin/ Haller/Keller, a.a.O., Rz. 945 f.; Regula Kägi-Diener, St. Galler Kommentar zur BV, 2. Aufl., 2008, Art. 46 N 19 mit Hinweisen; Georg Müller, Darf der Bund die Rechtsform kantonaler Aus- führungserlasse bestimmen?, in: ZBl 75/1974, S. 369 f.; BGE 131 I 291 zu Art. 72 Abs. 2 des Steuerharmonisierungsgesetzes als Beispiel für eine bundesrechtliche Delegation zu gesetzesergänzendem Ver- ordnungsrecht). 2012 Verwaltungsgericht 156 4.4.4. Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass das Bundes- recht dem Regierungsrat keine (funktionale) Rechtsetzungsbefugnis erteilt, über den reinen Vollzug hinaus (gesetzesergänzende oder -ändernde) Ausführungsvorschriften zu den bundesrechtlichen Be- stimmungen über den Gewässerraum und die Revitalisierung der Gewässer zu erlassen. 4.5. 4.5.1. (...) 4.5.2. Im kantonalen Gesetzesrecht bestehen Besonderheiten in Bezug auf die Rechtsetzungsbefugnisse des Regierungsrats im Bau-, Um- welt- und Planungsrecht: Gemäss § 164a BauG in der Fassung vom 10. März 2009, in Kraft seit 1. Januar 2010 (AGS 2009, S. 237), wird der Regierungsrat zum Erlass von Ausführungsvorschriften zum Baugesetz ermächtigt. Mit dieser Bestimmung wurden anlässlich der Revision des Bauge- setzes vom 10. März 2009 verschiedene Delegationsnormen über den Vollzug, welche vor der Teilrevision auf einzelne Bestimmungen verteilt waren, zusammengefasst (Begleitbericht zum Entwurf der Teilrevision BauG vom 3. November 2006, S. 130). Eine generelle Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen durch den Regie- rungsrat ist damit nicht verbunden. Diese Delegationsnorm meint mit dem Erlass von Ausführungsvorschriften auch ausschliesslich den Vollzug im engeren Sinn (vgl. zur Rechtslage vor der Revision 2008: AGVE 1997, S. 156). Den Bestimmungen des Baugesetzes über die Gewässer (§§ 114 ff. BauG) lassen sich ebenfalls keine besonderen Delegati- onsnormen entnehmen, welche den Regierungsrat zum Erlass von (gesetzesergänzendem) Verordnungsrecht zum Gewässerabstand ermächtigt (vgl. demgegenüber § 52 Abs. 3 BauG zur Regelung der Details über die Anforderungen an Bauten in Bezug auf den Hoch- wasserschutz). Ändernde Bestimmungen über die Organisation und das Verfah- ren, welche zur Umsetzung von Bundesrecht auf dem Gebiet der Raumentwicklung, Umwelt- oder des Natur- und Heimatschutzes 2012 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 157 erforderlich sind, kann gemäss § 165 BauG nur der Grosse Rat, nicht der Regierungsrat, erlassen und auch der Grosse Rat nur unter der Einschränkung, dass keine erhebliche Entscheidungsfreiheit besteht. Schliesslich gibt auch das Einführungsgesetz zur Bundesge- setzgebung über den Schutz von Umwelt und Gewässer vom 4. Sep- tember 2007 (EG Umweltrecht, EG UWR; SAR 781.200) dem Re- gierungsrat nur Kompetenzen, die für den Vollzug dieses Gesetzes notwendig sind (§ 40 EG UWR). Bereits aus den jeweiligen Randti- teln (Ausführungsvorschriften) dieses Gesetzes wird deutlich, dass der Regierungsrat nur Vorschriften erlassen kann, die das im Gesetz in den Grundzügen Vorgegebene näher ausführen und damit dem Gesetzesvollzug dienen. 5. 5.1. Art. 41a GSchV unterscheidet zwischen dem Gewässerraum für Fliessgewässer in Biotopen von nationaler und kantonaler Bedeu- tung, in Moorlandschaften von nationaler Bedeutung, in Wasser- und Zugvogelreservaten von internationaler und nationaler Bedeutung sowie bei gewässerschutzbezogenen Schutzzielen in Landschaften von nationaler Bedeutung und kantonalen Landschaftsschutzgebieten (Abs. 1), und dem Gewässerraum für Fliessgewässer ausserhalb solcher Gebiete (Abs. 2). Die minimale Breite des Gewässerraums ausserhalb der ge- nannten Objekte des Natur- und Landschaftsschutzrechts entspricht 11 m für Fliessgewässer mit einer Gerinnesohle von weniger als 2 m natürlicher Breite (Art. 41a Abs. 2 lit. a GSchV); bei Fliessgewässern mit einer Gerinnesohle von 2 bis 15 m natürlicher Breite beträgt der Gewässerraum 2,5 mal die Breite plus 7 m (Art. 41a Abs. 2 lit. b GSchV). Der minimale Gewässerraum für stehende Gewässer beträgt mindestens 15 m, gemessen ab der Uferlinie (Art. 41b Abs. 1 GSchV). Diese minimalen Raumbedürfnisse der Gewässer dürfen nicht unterschritten werden. Im Gegenteil sind die Kantone ver- pflichtet, den Gewässerraum zur Gewährleistung verschiedener Ziele weitergehend zu sichern (Art. 36a Abs. 1 lit. a-c GSchG; Art. 41b Abs. 2 lit. a-d GSchV; vgl. dazu Stutz, a.a.O., PBG 2011, S. 6; vgl. auch "Gewässerraum gemäss Gewässerschutzverordnung", abrufbar 2012 Verwaltungsgericht 158 unter: www.ag.ch). Bei den grossen Fliessgewässern, d.h. bei Flüssen mit einer Gerinnesohle von mehr als 15 m, müssen die Kantone die Breite des Gewässerraums festlegen. In dicht überbauten Gebieten können die Kantone die Breite des Gewässerraums den baulichen Gegebenheiten anpassen, soweit der Schutz vor Hochwasser ge- währleistet ist (Art. 41a Abs. 4 und Art. 41b Abs. 3 GSchV). Die Gewässerschutzverordnung erlaubt unter bestimmten Voraussetzun- gen einen Verzicht auf die Festlegung eines Gewässerraums (Art. 41a Abs. 5 und Art. 41b Abs. 4) und regelt schliesslich die Nutzung des Gewässerraums und die Bestandesgarantie (Art. 41c GSchV). Vom Bundesrecht vorgeschrieben ist eine "Anhörung der betrof- fenen Kreise" vor der Festlegung der Gewässerräume (Art. 36a Abs. 1 GSchG). Dem Gesuchsgegner kann zugestimmt werden, dass die Min- destvorschriften in Art. 41a und Art. 41b GSchV sehr weitreichende Vorgaben zur Festlegung des Raumbedarfs enthalten. Die Ermächti- gung des Bundesrates (Art. 36a Abs. 2 GSchG) beschränkt sich in- dessen nicht auf "gewisse" Einzelheiten. Aus dem Begriff "Raumbe- darf" in Art. 36a Abs. 1 GSchG und dem Auftrag an die Kantone zur Festlegung des Gewässerraums ist keine Kompetenzbeschränkung des Bundesrates erkennbar. Zur Regelung von Einzelheiten bei der Bemessung eines Gewässerraums gehört auch der Erlass von Min- destvorschriften. Im Bereich des Gewässerschutzes hat der Bund eine sogenannte konkurrierende Kompetenz (vgl. dazu Häfelin/Haller/Keller, a.a.O., Rz. 1092 f.). Die kantonalen und kommunalen Kompetenzen gehen jeweils in dem Umfang unter, als der Bund seine Zuständigkeit zum Erlass von Gesetzen ganz oder teilweise wahrgenommen hat. Mit dem Erlass des Gewässerschutzgesetzes und der Revision von Art. 36a GSchG hat der Bund seine Gesetzgebungskompetenz (Art. 76 Abs. 2 und 3 BV) genutzt und die Kantone dürfen seit In- krafttreten dieser Bestimmung keine dem Bundesrecht wider- sprechenden Regelungen erlassen oder beibehalten. Nur soweit der Bundesgesetzgeber eine ihm zugewiesene Kompetenz nicht nutzt, bleibt Raum für (materielles) kantonales Recht. 2012 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 159 5.2. 5.2.1. Die Kantone sind verpflichtet, den Gewässerraum bis zum 31. Dezember 2018 festzulegen; so lange eine Festlegung des Ge- wässerraums fehlt, kommt Abs. 2 der Übergangsbestimmung zur Änderung vom 4. Mai 2011 (AS 2011, S. 1963) zur Anwendung. Diese Bestimmung lautet: So lange sie den Gewässerraum nicht festgelegt haben, gelten die Vorschriften für Anlagen nach Art. 41c Absätze 1 und 2 entlang von Gewässern auf einem beidseitigen Streifen mit einer Breite von je: a) 8 m plus die Breite der bestehenden Gerinnesohle bei Fliessgewässern mit einer Gerinnesole bis 12 m Breite; b) 20 m bei Fliessgewässern mit einer bestehenden Gerinne- sohle von mehr als 12 m Breite; c) 20 m bei stehenden Gewässern mit einer Wasserfläche von mehr als 0,5 ha. Die Übergangsbestimmung regelt die Abstände bis zur Festle- gung der Gewässerräume durch die Kantone abschliessend (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 1. Februar 2012 [1C_505/2011], Erw. 3.2 und 3.3). Die Abstände beziehen sich auf die aktuelle Gerinnesohlebreite der Fliessgewässer und nicht auf die natürliche Gerinnesohlebreite, wie dies Art. 41a GSchV vorsieht. Damit wird berücksichtigt, dass viele Fliessgewässer begradigt und verbaut sind, wodurch die ak- tuelle Gerinnesohlebreite kleiner ist als die natürliche. Hingegen verlangt die Übergangsbestimmung links und rechts von Fliessge- wässern einen Streifen mit einer bestimmten Breite. Entlang von Gewässern mit einer Gerinnesohlebreite von bis zu 12 m beträgt dieser Uferstreifen beidseitig je 8 m plus die Breite der bestehenden Gerinnesohle, beidseitig je 20 m bei Fliessgewässern mit einer Ge- rinnesohlebreite von mehr als 12 m. Bei stehenden Gewässern über 0,5 ha Wasserfläche gelten die Nutzungseinschränkungen betreffend Anlagen (Art. 41c Abs. 1 und 2 GSchV) auf einer Breite von 20 m (vgl. dazu Erläuternder Bericht des Bundesamtes für Umwelt [BAFU] vom 20. April 2011, S. 30 f.). 2012 Verwaltungsgericht 160 5.2.2. Mit Blick auf die rechtlichen Vorgaben (Rahmenordnung) des Bundesrechts ist festzuhalten, dass die Gewässerschutzverordnung die Messmethode für den Gewässerraum in den Art. 41a und 41b GSchV und auch in der Übergangsbestimmung regelt. Die Gesuch- steller beanstanden daher zu Recht, dass die §§ 3 und 4 VV GSchV die bundesrechtlichen Vorschriften über die Messmethode abändern. Keine Norm der Gewässerschutzgesetzgebung des Bundes sieht vor, dass die Kantone statt der bundesrechtlichen Übergangsordnung eine davon (oder von den Art. 41a - 41d GSchV) abweichende kantonale abstrakte Regelung über die Abstände und deren Messweise auf- stellen dürfen. Ohne ausdrücklichen Vorbehalt im Bundesrecht ist aber der Erlass von abweichendem kantonalen Recht nicht zulässig (Häfelin/Haller/Keller, a.a.O., Rz. 1163). Massgebende Regeln für die Messmethode zur Festlegung der Gewässerräume sind ausschliesslich die Bestimmungen der Ge- wässerschutzverordnung. Die Übergangsbestimmungen regeln zu- sätzlich die Mindestabstände, bis die Gewässerräume von den Kan- tonen festgelegt sind. Die bundesrechtliche Ordnung ist in dieser Hinsicht weder lückenhaft, noch sind einzelne Bestimmungen der Gewässerschutzverordnung rechtswidrig, so dass auch kein Aus- nahmefall vorliegt, welcher eine Änderung oder ein Abweichen vom Bundesrecht oder einem kantonalen Gesetz ausnahmsweise und vorübergehend zuliesse (vgl. dazu BGE 130 I 140; Jaag, a.a.O., S. 628 f. mit Hinweis). 6. 6.1. Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass das Gewässer- schutzrecht des Bundes dem Regierungsrat keine Rechtsetzungsbe- fugnis zur Regelung der Messmethode und der Abstände bei der Festlegung des Gewässerraums einräumt. Für die Festlegung des Gewässerraums an Fliessgewässern mit einer Breite von über 15 m schreibt das Bundesrecht die Festlegung im Einzelfall, die Anhörung der Betroffenen und die Berücksichtigung der verschiedenen Gewäs- serfunktionen, inkl. Hochwasserschutz und Gewässernutzung, vor (Art. 36a GSchG). Eine generell-abstrakte Regelung durch kantona- 2012 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 161 les Recht für einzelne Fliessgewässer schliesst der Wortlaut damit zwar nicht zum vornherein aus, die kantonale Regelung hat aber die Messmethode und das Verfahren zu beachten. Ausgeschlossen ist eine kantonale Übergangsordnung, die von den bundesrechtlichen Vorgaben abweicht. Das kantonale Bau- und Gewässerschutzrecht sieht den Erlass von Rechtsverordnungen über Gewässerabstandsvorschriften durch den Regierungsrat höchstens im Vollzugsrecht im engeren Sinn vor. Die Rechtsetzungsbefugnis steht ihm verfassungsrechtlich nur zu, soweit die Voraussetzungen für eine selbständige Verordnung gemäss § 91 Abs. 2 bis lit. a KV vorliegen. Der Erlass von selbständigen Vor- schriften, die das Bundesrecht abändern, erlaubt auch die Kantons- verfassung nicht (vorne Erw. 4.3). 6.2. 6.2.1. Mit dem Regierungsrat ist davon auszugehen, dass es sich bei den Bestimmungen zum Gewässerraum und den Übergangsbestim- mungen um nicht unerhebliche Eingriffe in die Eigentumsgarantie handelt, welche einer gesetzlichen Grundlage bedürfen (Art. 36 Abs. 1 BV). Eine inzidente Normenkontrolle der Art. 41a, Art. 41b GSchV und der Übergangsbestimmungen vom 4. Mai 2011 mit dem Ergebnis, dass die bundesrechtlichen Bestimmungen dem Gesetzes- vorbehalt nicht genügen, könnte allerdings die fehlende Rechtset- zungsbefugnis des Regierungsrates nicht begründen. Fehlte dem Bundesrat die Kompetenz zum Erlass der Ausführungsregeln zu Art. 36a ff. GSchG, weil das Gewässerschutzgesetz die erforderliche Rahmenordnung nicht enthalten würde, stünde diese Befugnis dem Regierungsrat auch nicht zu. Der Regierungsrat müsste sich das (ge- wünschte) Ergebnis der inzidenten Normenkontrolle, d.h. den Geset- zesvorbehalt, ebenfalls entgegenhalten lassen. 6.2.2. Beim bundesstaatlichen Subsidiaritätsprinzip (Art. 5a und Art. 46 BV) handelt es sich um eine staatspolitische Maxime, nicht um eine Kompetenzverteilungsregel (vgl. Rainer Schweizer/Lucien Müller, St. Galler Kommentar zur BV, a.a.O., Art. 5a N 15 mit Hin- weisen; a.A. Paul Richli, in: ZSR 126/2007 I S. 78 f.). Gemäss 2012 Verwaltungsgericht 162 Art. 46 Abs. 1 BV steht die Umsetzung von Bundesrecht den Kantonen nach Massgabe von Verfassung und Gesetz zu. Die Zuständigkeit für die Regelung des Gewässerraums liegt gestützt auf Art. 76 Abs. 3 BV beim Bund und er hat diese Kompetenz mit dem Erlass von Art. 36a ff. GSchG ausgeübt. In diesem Umfang ist die kantonale Rechtsetzungszuständigkeit untergegangen und den Kantonen ist es verwehrt, widersprechende Bestimmungen zu erlas- sen. Der Raumbedarf der oberirdischen Gewässer soll die natürli- chen Funktionen der Gewässer, den Hochwasserschutz und die Ge- wässernutzung gewährleisten (Art. 36a GSchG). Mit der Konkreti- sierung dieser Grundsätze beauftragte der Gesetzgeber den Bundes- rat (Art. 36a Abs. 2 GSchG). Bezugspunkt des Gesetzesvorbehalts ist damit materiell Art. 36a Abs. 1 lit. a-c GSchG. Inhaltliche Vorgaben für die Konkretisierung des Gewässerraumes finden sich zusätzlich in den Art. 37 Abs. 2 GSchG (Gestaltung von Gewässern und Ge- wässerraum) und Art. 43a Abs. 1 und 2 GSchG (Geschiebehaushalt), welche die massgeblichen Interessen und Funktionen des Gewässer- raums ergänzend umschreiben. Der Rahmen der Delegation wird zudem durch den Gesetzeszweck und von allgemeinen Prinzipien präzisiert. Wie bei den Ausführungsvorschriften zum Umweltschutz- gesetz sind die gesetzlichen Bestimmungen über den Gewässerraum wenig konkret und die Tragweite wird erst mit der Verordnung sicht- bar. Die Umsetzung der Grundsätze und der konzeptionelle Schutz- mechanismus eines planungsrechtlichen Verfahrens erfordern für eine effiziente und einheitliche Rechtsanwendung eine grössere Normdichte und Bestimmtheit auf Verordnungsebene. Angesichts der erwähnten Vorgaben im Gewässerschutzgesetz und dem Geset- zeszweck (vgl. Art. 1 lit. c-h GSchG) ist der Rahmen der Ermächti- gungsnorm eingehalten. Die konkreten Werte des Raumbedarfs, die dann Eingang in die Gewässerschutzverordnung fanden, waren in den parlamentarischen Beratungen auch bekannt (Bericht der stände- rätlichen Kommission UREK vom 12. August 2008, in: BBl 2008, S. 8059). Vergleichbare Vorgaben einer Rahmenordnung finden sich auch im Bereich Hochwasserschutz (vgl. Merkblatt für die Umset- zung Gefahrenkarte Hochwasser, abrufbar unter: www.ag.ch; Hoch- 2012 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 163 wasserschutz an Fliessgewässern [Wegleitungen des BWG, 2001]). Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass den Kantonen im dicht überbauten Gebiet und bei den grossen Fliessgewässern ein erheb- licher Ermessensspielraum eingeräumt ist, der unter Vorbehalt der Interessen des Hochwasserschutzes auch die Anpassung des Gewäs- serraums an bestehende bauliche Gegebenheiten erlaubt. Die Übergangsbestimmungen sichern den Gewässerraum bis zur Festlegung durch die Kantone, indem Abstandsvorschriften be- zogen auf die aktuelle Gerinnesohlebreite und ohne den Korrektur- faktor (Art. 41a GSchV) festgelegt wurden. Diese Uferstreifen sind breiter als die altrechtlichen kantonalen Gewässerabstände. Indessen schliessen die Übergangsregeln im Siedlungsgebiet die Berücksichti- gung baulicher Gegebenheiten nicht aus und sie lassen eine Interes- senabwägung im Baubewilligungsverfahren und in der Nutzungs- planung zu, soweit die Vorgaben aus dem Hochwasserschutz einge- halten sind. Eine allfällige Verfassungswidrigkeit von Bestimmungen der Gewässerschutzverordnung und der Übergangsordnung über den Gewässerraum hätte schliesslich nicht zur Folge, dass die Delegati- onsnorm (Art. 36a Abs. 2 GSchG) nicht zur Anwendung gelangte und anstelle des Bundesrats die Kantone die Einzelheiten regeln könnten.
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2002 Verwaltungsgericht 276 [...] 71 Koordination der Nutzungsplanung zwischen Nachbargemeinden. - Das Nutzungsplanverfahren erfordert eine Koordination und Planab- stimmung über die Gemeindegrenze hinaus. - Eine gemeinsame und gleichzeitige Planung für gemeindeübergrei- fende Schutzmassnahmen ist gesetzlich aber nicht vorgeschrieben. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 26. April 2002 in Sa- chen Oe. gegen Genehmigungsbeschluss des Grossen Rats. Aus den Erwägungen 5. a) Die Beschwerdeführerin rügt die mangelnde Koordination der Planungen der Gemeinden O. und E. Das Fabrikareal der Be- schwerdeführerin liege teils auf Gemeindegebiet von O., teils auf Gemeindegebiet von E., wobei das streitbetroffene Gebäude Nr. 3 als einziges vollständig auf E.-Boden stehe. Das gesamte Fabrikareal bilde jedoch eine bauliche Einheit, welche eine getrennte Betrach- tungsweise unter dem Aspekt des Denkmalschutzes nicht zulasse, sondern ein Planungshandeln erfordere, welches über die Gemeinde- grenzen von E. hinausgehe. Die Gemeinde O. habe anlässlich der Zonenplanung vom 31. März 1998 auf eine Unterschutzstellung der sich auf ihrem Gemeindegebiet befindlichen Gebäudekomplexe ver- zichtet. Damit könne die Gemeinde E. ihre Planung lediglich noch derjenigen von O. angleichen, weshalb eine Unterschutzstellung der Gebäude auf dem Gemeindegebiet von E. ebenfalls ausgeschlossen sei. b) Bund, Kanton und Gemeinden erarbeiten die für ihre raum- wirksamen Aufgaben nötigen Planungen und stimmen sie aufeinan- 2002 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 277 der ab (Art. 2 Abs. 1 RPG). Unter Planabstimmung wird die Pflicht jedes einzelnen Aufgabenträgers verstanden, über den Ressorthori- zont hinauszudenken und die eigenen Planungen sowohl inhaltlich als auch verfahrensmässig zu den Planungen berührter Aufgabenträ- ger in konstruktive Beziehung zu setzen (Pierre Tschannen, in: Heinz Aemisegger/Alfred Kuttler/Pierre Moor/Alexander Ruch, Kommen- tar zum Bundesgesetz über die Raumplanung, Zürich 1999, Art. 2 N 52). Damit der Abstimmungsbedarf erkannt werden kann, stellen die Behörden fest, wie sich ihre raumwirksamen Tätigkeiten auswir- ken und unterrichten einander darüber rechtzeitig (Art. 2 Abs. 2 RPV). Diese Abstimmungspflicht besteht nicht nur in vertikaler son- dern auch in horizontaler Hinsicht, d.h., dass eine Gemeinde im Rahmen ihrer Nutzungsplanung verpflichtet ist, die gemeindeüber- greifenden Auswirkungen mit den Nachbargemeinden zu koordinie- ren. Somit sind die Gemeinden E. und O. verpflichtet, ihre Schutz- massnahmen, welche das Areal der Beschwerdeführerin betreffen, aufeinander abzustimmen. Eine einheitliche, d.h. gemeinsame und gleichzeitige, Planung der Gemeinden O. und E. für dieses Areal ist daher zweckmässig, gesetzlich aber nicht vorgeschrieben und nicht der einzig zulässige Weg für eine wirksame Koordination. c) Die Gemeinde O. hat mit Beschluss vom 31. März 1998 ih- ren Zonenplan erlassen und das Areal der Beschwerdeführerin in die WG 3 eingewiesen. Eine Unterschutzstellung der Fabrikgebäude ist in diesem Zonenplan nicht vorgesehen. Im Zeitpunkt der Zonenpla- nung war jedoch das kantonale Kurzinventar der Kulturgüter der Gemeinde O. noch nicht erstellt, weshalb aus der Nichtunterschutz- stellung der Gebäude im Zonenplan nicht geschlossen werden kann, diese Gebäude würden grundsätzlich als nicht schutzwürdig erachtet. Der Erlass des Kurzinventars im April 2000, welches die Bauten der Beschwerdeführerin unter den Nrn. 929/930 inventarisiert, erfordert eine Überarbeitung des Zonenplanes von 1998. Entsprechende Ab- klärungen zum kommunalen Schutz sind im Gange. Als die Ge- meinde E. am 10. Juni 1999 ihren Zonenplan beschloss, war das Kurzinventar für die Gemeinde O. noch nicht erstellt. Dass die Ge- meinde E. das Gebäude Nr. 3 ohne detaillierte Abstimmung mit der Gemeinde O. unter kommunalen Substanzschutz gemäss § 24 BNO 2002 Verwaltungsgericht 278 gestellt hat, ist nicht zu beanstanden: Die bisher fehlende Koordina- tion führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Unterschutzstellung des Ge- bäudes Nr. 3 durch die Gemeinde E. Eine künftige Koordination unter Berücksichtigung der Massnahmen der Gemeinde O. - insbe- sondere auch für das Gebäude Nr. 2 - bleibt mit der erfolgten Unter- schutzstellung möglich. Das Vorgehen der Gemeinde E. ist rechtlich auch deshalb nicht zu beanstanden, weil das Gebäude Nr. 3 für sich alleine, d.h. unabhängig von den restlichen Gebäuden auf dem Fa- brikareal, schützenswert ist. Somit kann die Beschwerdeführerin aus der mangelnden Koordination zwischen den beiden Nutzungspla- nungen nichts zu ihren Gunsten ableiten.
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2000 Kantonales Steuerrecht 159 42 Nichtigkeit einer fehlerhaften Verfügung? Rechtliches Gehör. - Nichtigkeit beim Zusammentreffen mehrerer inhaltlicher und ver- fahrensmässiger Fehler, zumal wenn zweifelhaft ist, ob die Behörde gutgläubig gehandelt hat (Erw. 2, 3). - Handlungen des Gemeindesteueramts sind der Gemeindesteuerkom- mission zuzurechnen; Fehler im Veranlagungsverfahren sind gesamt- haft zu bewerten (Erw. 3/a). - Die beabsichtigte Veranlagung aufgrund einer Vermögensvergleichs- rechnung ist dem Steuerpflichtigen zuvor bekannt zu geben (Erw. 3/b). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 18. Oktober 2000 in Sachen R.H. gegen Entscheid des Steuerrekursgerichts. Aus den Erwägungen 2. Zu entscheiden ist, ob die Veranlagungsverfügung vom 11. Dezember 1997 nichtig ist. Nach der Rechtsprechung des Bun- desgerichts und des Verwaltungsgerichts ist die normale Folge der Fehlerhaftigkeit von Verfügungen ihre Anfechtbarkeit . Nur aus- nahmsweise ist auf Nichtigkeit zu schliessen, so, wenn der Mangel besonders schwer wiegt, wenn er offensichtlich oder zumindest leicht erkennbar ist und wenn die Rechtssicherheit durch die An- nahme der Nichtigkeit nicht ernsthaft gefährdet wird. Als Nichtig- keitsgründe fallen hauptsächlich schwere Verfahrensmängel sowie die Unzuständigkeit der verfügenden Behörde in Betracht; dagegen haben inhaltliche Mängel nur in seltenen Ausnahmefällen die Nich- tigkeit einer Verfügung zur Folge (vgl. BGE 122 I 98 f.; 118 Ia 340; 116 Ia 219; AGVE 1994, S. 217 mit Hinweisen; vgl. auch Max Im- boden/René A. Rhinow, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 6. Aufl., Basel/Stuttgart 1986, und René A. Rhinow/Beat Krähen- mann, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Basel/Frankfurt a.M. 1990, je Nr. 40 B IV/V; Ulrich Häfelin/Georg Müller, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 3. Aufl., 2000 Verwaltungsgericht 160 Zürich 1998, Rz. 769). Die Grenzziehung zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit ist nach Massgabe einer teleologischen Rechtsauslegung und einer Interessenabwägung vorzunehmen. Nichtigkeit tritt erst dann ein, wenn die Verletzung der in Frage stehenden Vorschrift schwerer wiegt als die sich aus der Unwirksamkeit der Anordnung ergebende Beeinträchtigung der Rechtssicherheit und des verfahrensökonomischen staatlichen Inte- resses (Imboden/Rhinow und Rhinow/Krähenmann, a.a.O., je Nr. 40 B IV; vgl. auch AGVE 1978, S. 138 f.; 1975, S. 165). Demgemäss hat das Verwaltungsgericht auch schon aufgrund zusätzlicher Argu- mente auf Nichtigkeit erkannt, so bei einer Häufung von erheblichen formellen und materiellen Mängeln (AGVE 1981, S. 274 f.) und wo die verfügende Behörde bewusst und für den Gesuchsteller erkennbar eine rechtswidrige Bewilligung erteilte (VGE III/95 vom 26. Juni 2000 in Sachen M.F. AG und P.W., S. 16 f.). 3. a) Die Gemeindesteuer kommission ist zuständig zur Beurtei- lung der Steuerpflicht und zur Veranlagung der Einkommens-, Ver- mögens- und der Grundstückgewinnsteuer (§ 116 StG); ihr gehört ein kantonaler Steuerkommissär von Amtes wegen an (§ 117 Abs. 2 StG). Daneben besteht in jeder Gemeinde ein Gemeindesteuer amt , das u.a. die Veranlagung vorbereitet, zuhanden der Steuerkommis- sion eine Voreinschätzung erstellt, im Anschluss an die Veranlagung die Steuerbeträge errechnet und die Veranlagungsverfügungen und Einspracheentscheide zustellt (§ 119 StG). Das Veranlagungsverfah- ren wird in enger Zusammenarbeit zwischen Gemeindesteuerkom- mission und -steueramt (das funktionell als zudienendes und ausfüh- rendes Organ der Kommission bezeichnet werden kann) durchge- führt, das von aussen, speziell aus Sicht der Steuerpflichtigen, als einheitliches Handeln erscheint. Diese Sichtweise drängt sich auf, wenn es um die Beurteilung von Verfahrensmängeln geht; für die veranlagten Steuerpflichtigen sind alle genannten Vorgänge Hand- lungen der Steuerbehörde, eine Unterscheidung je nach handelndem Organ wäre künstlich und nicht sachgerecht. 2000 Kantonales Steuerrecht 161 b) (Die Steuererklärung des Beschwerdeführers basierte auf dem beigelegten, formell ordnungsgemässen Buchhaltungsab- schluss.) Der kantonale Steuerkommissär erstellte eine Vermögens- vergleichsrechnung, die offensichtliche Fehler und Auslassungen enthält. Insbesondere wurde beim Privataufwand der Eigenmietwert eingesetzt, obwohl ein grosser Anteil davon schon im Posten "private Lebenshaltungskosten gemäss Selbstdeklaration" enthalten war, und die Möglichkeit steuerfreier Kapitalgewinne wurde kurzerhand verneint, obwohl aus dem Wertschriftenverzeichnis ersichtlich war, dass der Beschwerdeführer in den Bemessungsjahren Aktien der SBG verkauft hatte, und nicht auszuschliessen, sondern im Gegenteil wahrscheinlich war, dass er dabei einen Gewinn erzielt hatte. Beabsichtigt die Steuerkommission, die Veranlagung aufgrund einer Vermögensvergleichsrechnung vorzunehmen, ist diese dem Steuerpflichtigen vorher zur Kenntnis zu bringen und ihm eine Stel- lungnahme zu ermöglichen, da der Steuerkommission vollständige und gesicherte Erkenntnisse regelmässig abgehen (z.B. hinsichtlich steuerfreier Einkünfte). Dieses allgemein übliche Vorgehen wurde hier nicht eingehalten. Entgegen der Behauptung im Bericht KStA ist es offenkundig, dass die Vermögensvergleichsrechnung der Veranlagung nicht bei- gelegt wurde. ... Mit den "Details zur Steuerveranlagung" wurde die Abweichung von der Steuererklärung wie folgt bekannt gegeben: Bemessungsgrundlage 01.01.1993 bis 31.12.1994 Durchschn. 1 Einkünfte selb. Tätigkeit 122'427 120'152 121'289 Reingewinn/Reinverlust 72'427 70'152 71'289 Div. Aufrechnungen 50'000 50'000 50'000 Es fehlte mithin jeglicher Hinweis auf die Veranlagung gestützt auf eine Vermögensvergleichsrechnung. Vielmehr deutete der auf- grund seiner Platzierung im unmittelbaren Anschluss an die Buch- haltungsergebnisse aufgeführte Hinweis auf Aufrechnungen darauf 2000 Verwaltungsgericht 162 hin, dass bei einzelnen Positionen der Buchhaltung Aufrechnungen erfolgt seien. Wenn man die erwähnten Verfahrensmängel (insbesondere die Bekanntgabe bei der Veranlagung, die geradezu als Verschleierung des vorgenommenen Vermögensvergleichs zu bezeichnen ist) in Zusammenhang mit den offenkundigen Fehlern bei der Vermögens- vergleichsrechnung bringt, kommt der Verdacht auf, die Steuerbe- hörde sei sich bewusst gewesen, dass jeder Hinweis an den Be- schwerdeführer, es handle sich um eine Vermögensvergleichsrech- nung, diese Fehler auffliegen lassen würde; dies gilt umso mehr, als nach den unbestrittenen Ausführungen des Beschwerdeführers schon in den Vorperioden der Privataufwand Gegenstand von Abklärungen gewesen war, die jeweils mittels Rückfrage beim Treuhänder des Steuerpflichtigen vorgenommen wurden. Ein strikter Nachweis ist natürlich nicht möglich, und wer das Vorgehen bestimmte, wird sich nicht mehr ermitteln lassen, ist aber auch nicht entscheidend (vgl. vorne Erw. 3/a). c) Die der Steuerbehörde anzulastenden Fehler (grobe Fehler bei der Vermögensvergleichsrechnung; Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, indem der Beschwerdeführer keine Gelegenheit erhielt, zur Vermögensvergleichsrechnung Stellung zu nehmen; Eröffnung der Veranlagungsverfügung unter Verschleierung des Um- stands, dass diese auf einer Vermögensvergleichsrechnung basierte) mögen, je einzeln betrachtet, nicht zur Annahme der Nichtigkeit ausreichen. Jeder von ihnen ist allerdings erheblich, und das Zusam- mentreffen macht sie besonders gravierend. Dazu tritt der Umstand, dass der Beeinträchtigung der Rechtssicherheit und des verfahrens- ökonomischen staatlichen Interesses geringeres Gewicht zukommt, wenn zweifelhaft ist, ob die Behörde gutgläubig verfügt hat, da be- wusstes Fehlverhalten ihr keine Vorteile verschaffen soll; im Übrigen sind ausser der Steuerbehörde und dem Beschwerdeführer keine Dritten beteiligt, deren Interessen zu berücksichtigen wären. 2000 Kantonales Steuerrecht 163 Zusammenfassend erachtet das Verwaltungsgericht die darge- stellten Mängel insgesamt für derart gewichtig, dass die Veranla- gungsverfügung auf Grundlage der bisherigen Rechtsprechung als nichtig zu bezeichnen ist.
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2015 Personalrecht 243 XII. Personalrecht 37 § 10 Abs. 1 lit. c PersG Inhalt und Funktion der personalrechtlichen Mahnung (wegen Mängeln in der Leistung oder im Verhalten des Arbeitnehmers); die Mahnung bil- det nach aargauischem Recht keine Verfügung. Der Betroffene kann sich grundsätzlich nicht mittels Klage gegen die Mahnung wehren, soweit die- se lediglich an die bestehenden gesetzlichen und vertraglichen (Arbeits-) Pflichten erinnert bzw. diese konkretisiert und keine neuen Pflichten be- gründet. Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 22. April 2015 in Sachen A. gegen Kanton Aargau (WKL.2015.4). Aus den Erwägungen I. 6. 6.1. In Antrag 2 verlangt die Klägerin, es seien "Ziff. 1 bis 3 des Entscheids des Beklagten vom 19. Juni 2014 (inkl. Verfügung vom 31. Juli 2013) ersatzlos aufzuheben." Gemäss den entsprechenden Ziffern des Entscheids des Generalsekretärs DVI wurden die Mah- nung vom 31. Juli 2013 aufrechterhalten (Ziffer 1), die Bewährungs- zeit von vier Monaten neu festgelegt (Ziffer 2) und die ursprüngli- chen Leistungs- und Verhaltensziele bestätigt (Ziffer 3). 6.2. Gemäss § 59 Abs. 1 ZPO tritt das Gericht auf eine Klage ein, sofern die Prozessvoraussetzungen erfüllt sind. Zu den Prozessvor- aussetzungen gehört insbesondere, dass die klagende Partei ein schutzwürdiges Interesse hat (Art. 59 Abs. 2 lit. a ZPO). 6.3. 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 244 6.3.1. Die Mahnung mit Ansetzung einer Bewährungszeit gemäss § 10 Abs. 1 lit. c PersG erfüllt grundsätzlich zwei Funktionen: Einerseits hält der Mahnende dem Betroffenen eine Vertragsverletzung vor und mahnt ihn zu künftigem vertragsgemässem Verhalten (Rügefunk- tion), andererseits drückt sie die Androhung einer Sanktion aus (Warnfunktion). Die Mahnung bildet eine Massnahme zum Schutz der Angestellten, da eine ordentliche Kündigung wegen Mängeln in der Leistung oder im Verhalten grundsätzlich nur rechtmässig ist, wenn zuvor erfolglos gemahnt wurde. Der Mahnung nach § 10 Abs. 1 lit. c PersG kommt insofern die gleiche Bedeutung zu wie derjenigen nach Art. 12 Abs. 6 lit. b des Bundespersonalgesetzes vom 24. März 2000 in der bis zum 30. Juni 2013 in Kraft stehenden Fassung (aBPG; AS 2001 894; vgl. Urteil des Bundesverwaltungs- gerichts vom 18. September 2008 [A-8518/2007], Erw. 4.2 mit zahl- reichen Hinweisen). Ebenfalls vergleichbar ist sie mit der (privat- rechtlichen) Verwarnung, welche unter Umständen notwendig ist, da- mit (bei einem erneuten Fehlverhalten) ein wichtiger Grund für eine fristlose Entlassung gemäss Art. 337 OR zu bejahen ist (vgl. U LLIN S TREIFF /A DRIAN VON K AENEL /R OGER R UDOLPH , Arbeitsvertrag, 7. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2012, Art. 337 OR N 13). Die Mahnung gemäss § 10 Abs. 1 lit. c PersG ist zu unterschei- den vom Verweis gemäss § 36 PersG. Dabei handelt es sich um eine (lediglich für Beamtinnen und Beamte, d.h. auf Amtsdauer gewählte Mitarbeitende vorgesehene) Disziplinarmassnahme. Sie kann erst nach Durchführung eines Disziplinarverfahrens angeordnet werden und hat Sanktionscharakter (vgl. analog Art. 25 BPG). 6.3.2. In Bezug auf Art. 12 Abs. 6 lit. b (a)BPG stellte sich bereits wiederholt die Frage, ob die Mahnung in der Form einer Verfügung zu erfolgen hat oder nicht. Gemäss der Rechtsprechung entscheidet sich dies danach, ob mit der Mahnung in rechtlich geschützte Interes- sen eingegriffen wird. Soweit dies nicht der Fall ist bzw. soweit die Mahnung nicht über die gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben hinausgeht, erfolgt die Mahnung nach Art. 12 Abs. 6 lit. b (a)BPG grundsätzlich nicht in der Form einer Verfügung; entsprechend kann 2015 Personalrecht 245 dagegen keine Beschwerde erhoben werden (Urteil des Bundesver- waltungsgerichts vom 23. Mai 2011 [A-6708/2010]; Urteil des Bun- desgerichts vom 8. März 2010 [8C_358/2009], Erw. 4.3.1; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. September 2008 [A- 8518/2007], Erw. 4.4 mit weiteren Hinweisen auf Rechtsprechung und Lehre). Kommt es in der Folge zu einer Kündigung, so kann sich der Betroffene gegen die entsprechende Verfügung zur Wehr setzen und in einem allfälligen Beschwerdeverfahren (auch) geltend ma- chen, sie sei mitunter deshalb unrechtmässig, weil bereits die Mah- nung nicht gerechtfertigt gewesen sei (Urteil des Bundesverwal- tungsgerichts vom 23. Mai 2011 [A-6708/2010], Erw. 3.2.2). Analog lässt sich die Rechtmässigkeit einer privatrechtlichen Verwarnung nicht separat mittels Klage überprüfen . Wird aber eine fristlose Kün- digung gemäss Art. 337 OR ausgesprochen, so ist im Rahmen deren Überprüfung unter Umständen auch darüber zu befinden, ob die all- fällige vorgängige Verwarnung gerechtfertigt war oder nicht. 6.3.3. Wie bereits erwähnt (vorne Erw. 6.3.1), bildet nach dem aar- gauischen Recht die Mahnung gemäss § 10 Abs. 1 lit. c PersG keine Verfügung. Analog zur zitierten Rechtsprechung zu Art. 12 Abs. 6 lit. b (a)BPG sowie zu Art. 337 OR lässt sich jedoch festhalten, dass die Mahnung - soweit sie lediglich an die bestehenden gesetzlichen und vertraglichen (Arbeits-)Pflichten erinnert bzw. diese näher aus- führt, jedoch keine neuen (Arbeits-)Pflichten begründet - keine schutzwürdigen Interessen tangiert. Demzufolge kann sich der Be- troffene grundsätzlich nicht mittels Klage gegen die Mahnung weh- ren. Derselbe Schluss ergibt sich auch aus anderen Gründen: Erweist sich eine Kündigung nachträglich als widerrechtlich, hat der Be- troffene Anspruch auf eine Entschädigung von maximal sechs Mo- natslöhnen (§ 12 Abs. 1 PersG in Verbindung mit Art. 336a Abs. 2 OR); ein Anspruch auf Wiedereinstellung besteht nicht (§ 12 Abs. 2 PersG). Eine Kündigung ist mithin unabhängig davon, ob sie wider- rechtlich ist oder nicht, stets rechtsgültig (Ausnahme: Nichtigkeit). Dies gilt namentlich auch für den Fall, dass wegen Mängeln in der Leistung oder im Verhalten gekündigt wurde, ohne dass vorgängig 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 246 eine Mahnung erfolgt wäre. Die Mahnung ist mithin nicht Gültig- keitsvoraussetzung für eine allfällige spätere Kündigung. Selbst mit einer erfolgreichen Klage betreffend die Mahnung könnte somit eine rechtsgültige Kündigung nicht verhindert werden. Auch daraus ergibt sich, dass ein schutzwürdiges Interesse an einer entsprechenden Klage fehlt.
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2001 Verwaltungsrechtspflege 369 [...] 79 Akteneinsicht. - Regeln für die Beweiserhebung (§ 22 Abs. 1 und 2 VRPG) durch die Verwaltungsbehörden (Erw. 1/b). - Recht auf Einsichtnahme in ein Verhandlungsprotokoll; Korrelat der Aktenerstellungspflicht (Erw. 1/c und d). - Einspracheverhandlungen des Gemeinderats sind zu protokollieren, und den Einsprechern ist auf Verlangen Einsicht in das Protokoll zu gewähren (Erw. 1/e und f). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 10. Mai 2001 in Sachen M. gegen Baudepartement. Aus den Erwägungen 1. Der Beschwerdeführer rügt wie schon vor dem Baudeparte- ment eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, da ihm keine Einsicht in das Protokoll der vom Gemeinderat am 14. Oktober 1997 durch- geführten Einspracheverhandlung gewährt worden sei. 2001 Verwaltungsgericht 370 a) Es ist unbestritten, dass anlässlich der Einspracheverhand- lung vom 14. Oktober 1997 vom Hochbauadjunkten schriftliche Auf- zeichnungen (Handnotizen) erstellt wurden. Der Gemeinderat hat das Begehren um Einsichtnahme in diese Aufzeichnungen abgewiesen mit der Begründung, es handle sich um eine handschriftliche interne Aktennotiz. Es sei kein Protokoll erstellt worden; die Notizen seien ganz klar für den verwaltungsinternen Gebrauch bestimmt gewesen. An der Einspracheverhandlung sei von keiner Seite die Erstellung eines Protokolls verlangt worden. Das Baudepartement hat den Standpunkt des Gemeinderats geschützt. Zur Begründung führt es im Wesentlichen aus, die Durchführung der Einspracheverhandlung am Ort des Augenscheins habe der Vorinstanz dazu gedient, die tatsäch- lichen Gegebenheiten, namentlich das Ausmass der bereits erfolgten Umnutzung in Erfahrung zu bringen, und das Baugesuch, soweit es unklar oder unvollständig gewesen sei, ergänzen zu lassen. In der Baubewilligung seien die entsprechenden Hinweise über die nachge- reichten und zu den Akten genommenen Pläne und über den vorge- fundenen baulichen Zustand enthalten. Dass an der Verhandlung die Parteien zusätzliche Anträge oder neue Argumente vorgebracht hät- ten und diese im Entscheid zu Unrecht nicht berücksichtigt worden seien, werde vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Insofern kom- me der Aktennotiz über den Augenschein bloss die Funktion einer Gedankenstütze zu; sie habe keine beweisrechtliche Bedeutung. Dem vom Beschwerdeführer behaupteten Interesse an der Einsichtnahme in die Aktennotiz stehe das Interesse der Parteien entgegen, ihre Sicht der Dinge möglichst frei und ungebunden darzustellen. Das schriftliche Festhalten solcher nur flüchtig geäusserter Voten sei na- mentlich in einem erstinstanzlichen, nicht formenstrengen Verfahren, das nicht nur der Sachverhaltsermittlung, sondern auch der Suche nach gütlichen Lösungen diene, problematisch. Anders entschieden werden müsse einzig, wenn sich eine Partei, deren (für sie mög- licherweise nachteilige) Aussage für den Ausgang des Verfahrens be- deutsam sein könne, ausdrücklich bei ihrer Aussage behaften lasse und im Baubewilligungsentscheid darauf abgestellt werde. Im vorlie- genden Fall stütze sich der Baubewilligungsentscheid auf keine Aus- sagen der Parteien ab. Die Aktennotiz über die Verhandlung diene 2001 Verwaltungsrechtspflege 371 demnach keinerlei Beweiszwecken und sei mit Grund als bloss inter- nes Papier nicht zur Einsicht freigegeben worden. Diesen Auffassungen kann aus den nachfolgend darzulegenden Gründen nicht gefolgt werden. b) Wenn sich eine Behörde des Beweismittels des Augenscheins bedient, muss sie es in den vorgeschriebenen Formen tun und die Grundsätze des rechtlichen Gehörs beachten (BGE 104 Ib 122). Un- ter dem Titel ,,Beweiserhebung" ist in § 22 Abs. 1 VRPG vorgese- hen, dass die Verwaltungsbehörde oder deren Beauftragte zur Er- mittlung des Sachverhalts u.a. auch Beteiligte und Auskunftsperso- nen befragen und Augenscheine vornehmen können. In welcher Form dies zu geschehen hat, wird anders als im für das Verwaltungs- gericht geltenden § 22 Abs. 3 VRPG, wo für die Beweisabnahme auf die Regeln der Zivilprozessordnung verwiesen wird (für den Augen- schein: § 249 ZPO), nicht näher bestimmt. § 22 Abs. 1 VRPG enthält somit weder spezifische Vorschriften über die Art der Protokollfüh- rung, noch ergibt sich daraus auch nur eine unmittelbare Verpflich- tung der Verwaltungsbehörden zur Protokollierung von Augenschei- nen. Vom Gesetzgeber war klarerweise beabsichtigt, den Verwal- tungsinstanzen allgemein ein weniger förmliches Vorgehen zu er- möglichen als den Justizbehörden. Die Verwaltungsbehörden sollten bei der Verfahrensleitung möglichst frei sein, namentlich auch bei der Beweiserhebung möglichst grosse Freiheit und Beweglichkeit geniessen (AGVE 1986, S. 336 f. mit Hinweis auf die Materialien; AGVE 1986, S. 112). Anderseits gelten die allgemeinen Verfahrens- vorschriften des VRPG (§§ 15 ff.) grundsätzlich uneingeschränkt auch für die Verwaltungsbehörden des Kantons und der Gemeinden (§ 1 Abs. 1 VRPG). Insbesondere die Bestimmungen über das recht- liche Gehör sind auch für die Beweiserhebung durch Verwaltungs- instanzen von grösster Bedeutung (AGVE 1986, S. 337). Wo sich die kantonalen Verfahrensvorschriften als unzureichend erweisen, grei- fen zudem die unmittelbar aus Art. 29 Abs. 2 BV folgenden bundes- rechtlichen Minimalgarantien Platz (BGE 116 Ia 98; ferner AGVE 1980, S. 305 f.; Kurt Eichenberger, Kommentar zur Verfassung des Kantons Aargau, Aarau/Frankfurt a. M./Salzburg 1986, § 22 N 14 ff.). 2001 Verwaltungsgericht 372 c) Die Frage des rechtlichen Gehörs ist in den §§ 15 VRPG (Anhörung) und 16 VRPG (Akteneinsicht) geregelt. In Bezug auf die hier vor allem interessierende Frage der Akteneinsicht bestimmt § 16 Abs. 1 VRPG, wer von einer Verfügung oder von einem Entscheid betroffen werde, habe grundsätzlich das Recht, in die Akten Einsicht zu nehmen. Die Einsichtnahme könne u.a. in ,,nur dem verwaltungs- internen Gebrauch" dienende Akten verweigert werden. Das Verwal- tungsgericht hat in seiner unveröffentlichten Rechtsprechung fest- gestellt, das Protokoll einer Augenscheinsverhandlung bilde in erster Linie ein Arbeitsinstrument der entscheidenden Behörde, weshalb es vor der Entscheidfällung nicht zur Stellungnahme den Parteien zuge- stellt werden müsse (VGE III/86 vom 23. Dezember 1983 in Sachen M., S. 6 f.). Hingegen stehe den Parteien, die den Entscheid anfech- ten wollten, aufgrund von § 16 VRPG das Recht auf Einsichtnahme auch in ein Augenscheinsprotokoll zu (VGE III/74 vom 28. August 1989 in Sachen L., S. 5 f.; VGE II/66 vom 3. Mai 1994 in Sachen L., S. 6). Das Recht auf Akteneinsicht setzt voraus, dass überhaupt Akten vorhanden sind, die eingesehen werden können, d.h. es be- gründet auch eine Aktenerstellungspflicht (BGE 115 Ia 99; Thomas Cottier, Der Anspruch auf rechtliches Gehör [Art. 4 BV], recht 1984, S. 123; Jörg Paul Müller, Grundrechte in der Schweiz, 3. Auflage, Bern 1999, S. 531 f.; Alexander Dubach, Das Recht auf Aktenein- sicht, Berner Diss., Zürich 1990, S. 92 f.). Sämtliche Verfahrensele- mente, wie Sachverhalt, Beweiserhebungen und Protokolle sind durch Aktenführung ausreichend zu dokumentieren (Dubach, a.a.O., S. 92 unten; Müller, a.a.O., S. 531; BGE 115 Ia 99). d) Nach der sich auf Art. 4 aBV stützenden Rechtsprechung des Bundesgerichts genügt es grundsätzlich, die wesentlichen Ergebnisse des Augenscheins in einem Protokoll oder Aktenvermerk festzuhal- ten oder zumindest - soweit sie für die Entscheidungen erheblich sind - im Entscheid klar zum Ausdruck zu bringen (BGE 106 Ia 75; 104 Ia 212, 322; vgl. auch den erwähnten VGE in Sachen L., S. 5 f.). In der Literatur wird aber zu Recht die Auffassung vertreten, es sei im Hinblick auf die spätere Gewährung des Akteneinsichtsrechts sowie zwecks Schaffung einwandfreier Entscheidgrundlagen unum- gänglich, dass die anlässlich des Augenscheins gemachten Feststel- 2001 Verwaltungsrechtspflege 373 lungen in einem Protokoll schriftlich festgehalten werden. Die mit der Instruktion betraute Behörde habe daher über die wesentlichen Ergebnisse des Augenscheins immer ein Protokoll zu erstellen, das den Parteien nach dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs auch jeder- zeit zur Einsichtnahme offen stehen müsse (Alfred Kölz/Jürg Boss- hart/Martin Röhl, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2. Auflage, Zürich 1999, § 7 N 49; Thomas Merkli/Arthur Aeschlimann/Ruth Herzog, Kommentar zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege im Kanton Bern, Bern 1997, Art. 19 N 33; Attilio R. Gadola, Das verwaltungsinterne Beschwer- deverfahren, Diss. Zürich 1991, S. 409; Georg Müller, in: Kom- mentar BV, Art. 4 N 111; Cottier, a.a.O., S. 123). Diese Rechtsauf- fassung hat in einem unlängst ergangenen Urteil auch das Verwal- tungsgericht übernommen (VGE IV/54 vom 7. November 2000 [BE.98.00152] in Sachen F. und Mitbet., S. 11 ff., insbes. S. 14 ff.). e) Die vorstehenden Überlegungen haben auch Gültigkeit für die Einspracheverhandlungen des Gemeinderats. Auch diese sind grundsätzlich jedenfalls in den wesentlichen Punkten zu protokollie- ren, und den Einsprechern ist auf Verlangen Einsicht in das Protokoll zu geben. Als unzutreffend erweist sich somit der Standpunkt, es handle sich bei den anlässlich des Augenscheins erstellten Handnoti- zen um rein interne Akten (vgl. schon AGVE 1990, S. 408 f. mit weiteren Hinweisen). Das Argument des Baudepartements, das erstinstanzliche Verfahren diene auch der Suche nach gütlichen Lö- sungen, steht einer Verpflichtung, die wesentlichen Ergebnisse der Sachverhaltsermittlung und die wesentlichen Aussagen, Äusserungen und Auskünfte der an der Verhandlung Beteiligten in einem Protokoll festzuhalten, nicht entgegen. Die Einspracheverhandlung ist in der Regel keineswegs eine ausschliessliche Einigungs- oder Schlich- tungsverhandlung; sie dient vielmehr zugleich der Sachverhaltsab- klärung und bildet damit (auch) Grundlage für die gemeinderätliche Rechtsfindung. Damit besteht eine Protokollierungspflicht. Der Ge- meinderat W. stellt in seinem Beschluss vom 3. November 1997 denn auch fest, der Adjunkt der Bauverwaltung habe Handnotizen gemacht, ,,welche für die Ausfertigung der Baubewilligung ver- wendet wurden". Die Entscheidrelevanz der Verhandlungsnotizen im 2001 Verwaltungsgericht 374 Hinblick auf die zu erteilende Baubewilligung wird damit vom Ge- meinderat anerkannt. Die Einspracheverhandlung vom 14. Oktober 1997 diente somit - zumindest auch, wenn nicht sogar vor allem - der Sachverhaltsermittlung, u.a. der Abklärung der Frage, wieweit die Umnutzung bereits erfolgt war; zudem waren die vom Beschwerde- führer erhobenen und jedenfalls teilweise berechtigten Rügen bezüg- lich der Vollständigkeit der Baugesuchsunterlagen Gegenstand dieser Verhandlung. Gemäss den Angaben des Beschwerdeführers in der Verwaltungsbeschwerde vom 17. November 1997 wurden seitens der Bauherrschaft angeblich auch Zusicherungen dahingehend abgege- ben, dass keine Terrainveränderungen geplant seien. Entgegen der Ansicht des Baudepartements erscheint es klar, dass solche Aussagen von Verfahrensbeteiligten, die einen in der Einsprache aufgeworfe- nen Punkt (Forderung nach einer einwandfreien Darstellung der Ter- raingestaltung und entsprechender Profilierung im Gelände) betref- fen, schriftlich festzuhalten sind. f) Aus dem Gesagten folgt, dass dem Beschwerdeführer entge- gen der Ansicht der beiden Vorinstanzen ein Anspruch auf Einsicht in das Protokoll über die seine Einsprache betreffende Verhandlung vom 14. Oktober 1997 zukommt (und zwar ohne dass er substantiiert dartun muss, zu welchem Zweck er Akteneinsicht begehrt). Die Be- anstandung des Beschwerdeführers, durch das Nichtvorliegen des Augenscheinsprotokolls sei sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden, erweist sich damit als begründet.
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2008 Verwaltungsgericht 98 [...] 21 Höchstbelastung (§ 56 Abs. 1 StG). - Grundsätze und Berechnung der Höchstbelastung (Erw. 1). - Keine Verletzung des Schlechterstellungsverbots, wenn die im Ergeb- nis höhere Gesamtsteuerbelastung von der Besteuerung in mehreren Kantonen verursacht wird (Erw. 2). - Berechnung der Steuerreduktion im interkantonalen Verhältnis (Erw. 3). Urteil des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 27. Mai 2008 in Sachen R. (WBE.2008.48). Aus den Erwägungen 1. 1.1 Die periodisch geschuldeten Einkommens- und Vermögenssteu- ern von Kanton, Gemeinde und Kirche werden gemäss § 56 Abs. 1 StG auf Antrag der steuerpflichtigen Person auf 70 % des Reinein- kommens herabgesetzt, jedoch höchstens auf die Hälfte der geschul- deten Vermögenssteuern. § 56 StG legt damit für natürliche Personen eine Höchstgrenze der Steuerbelastung fest. Damit soll bei Steuer- pflichtigen mit grossem Vermögen und geringem Einkommen - also 2008 Kantonale Steuern 99 namentlich bei ertragsschwachem Vermögen - eine in Relation zum Einkommen übermässige steuerliche Belastung vermieden werden. Die bereits im Steuergesetz vom 13. Dezember 1983 (aStG) festge- setzte Höchstgrenze von 70 % der Einkommens- und Vermögens- steuern (§ 47 Abs. 1 aStG) wurde so gewählt, dass sie eine verfas- sungswidrige konfiskatorische Besteuerung ungeachtet der Unge- wissheit, wann eine solche im konkreten Fall zu bejahen ist (siehe dazu BGE 106 Ia 342 Erw. 6c mit Hinweisen), von vornherein ver- hindern sollte (Walter Koch, in: Kommentar zum Aargauer Steuerge- setz, [1. Aufl.] Muri/Bern 1991, § 47 aStG N 1; Conrad Walther, in: Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, 2. Aufl., Muri/Bern 2004, § 56 N 1 f.). Im Übrigen stellt sie auch eine Konkretisierung des Ge- bots der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Art. 127 BV; § 119 Abs. 1 und 2 KV) dar. 1.2. Die Berechnung der Höchstbelastung stützt sich auf zwei Kom- ponenten, die periodisch geschuldete Einkommens- und Vermögens- steuer einerseits und das erzielte Reineinkommen andererseits. Strei- tig ist im vorliegenden Verfahren, wie die Höchstbelastung gemäss § 56 StG zu berechnen ist, wenn der Steuerpflichtige nicht aus- schliesslich im Kanton Aargau steuerpflichtig ist. Das Verwaltungs- gericht hatte diese Frage noch nicht zu entscheiden, und soweit er- sichtlich besteht dazu keine kantonale Praxis. 1.3. Die Steuerkommission Z. hat die im Kanton Aargau geschulde- ten Einkommens- und Vermögenssteuern auf 70 % des gesamten (also nicht nur des im Kanton Aargau erzielten) Reineinkommens reduziert. Die Berücksichtigung des gesamten Reineinkommens wur- de auch vom KStA befürwortet und vom Steuerrekursgericht unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien geschützt. Sie wird von den Beschwerdeführern zu Recht nicht mehr in Frage gestellt. 2. 2.1. Die Beschwerdeführer bringen vor, wenn man lediglich die im Kanton Aargau geschuldeten Steuern mit dem Gesamteinkommen in Relation setze, würden Personen mit Steuerpflicht in mehreren Kan- 2008 Verwaltungsgericht 100 tonen benachteiligt. Ihnen gegenüber werde das Schlechterstellungs- verbot verletzt. Um dies zu verhindern, sei bei Steuerpflicht in meh- reren Kantonen zunächst die hypothetische aargauische Steuer auf dem gesamten Einkommen und Vermögen zu berechnen, wenn die Steuerpflicht ausschliesslich im Kanton Aargau bestünde. Bestehe nach dieser Berechnung Anspruch auf Herabsetzung gemäss § 56 StG, so sei die Reduktion quotenmässig auf die im Kanton Aargau zu entrichtende Steuer anzurechnen. 2.2. Aus dem Verbot der interkantonalen Doppelbesteuerung (Art. 127 Abs. 3 BV; zuvor Art. 46 Abs. 2 der Bundesverfassung vom 29. Mai 1974) leitet das Bundesgericht ein Schlechterstellungsverbot ab. Danach dürfen die Kantone Steuerpflichtige, die nur für einen Teil des Vermögens oder Einkommens steuerpflichtig sind, aus die- sem Grund nicht anders und stärker belasten als die ausschliesslich im Kanton steuerpflichtigen Personen (BGE 132 I 29 Erw. 2.1; 131 I 249 Erw. 3.1; Ernst Höhn/Peter Mäusli, Interkantonales Steuerrecht, 4. Aufl., Bern/Stuttgart/Wien 2000, § 4 Rz. 17). 2.3. Die kantonalen Steuern wurden in Anwendung von § 56 Abs. 1 StG auf Fr. ... (= 70 % des Gesamtreineinkommens) herabgesetzt. Die Herabsetzung wäre in gleicher Weise erfolgt, wenn die Be- schwerdeführer ausschliesslich im Kanton Aargau steuerpflichtig wären. Die im Ergebnis höhere Gesamtsteuerbelastung rührt daher, dass daneben auch der Kanton B. Steuern erhebt. Da aber der Kanton Aargau die Beschwerdeführer nicht anders und höher besteuert, als wenn sie ausschliesslich im Kanton steuerpflichtig wären, hat das Steuerrekursgericht zutreffend festgehalten, dass beim gegebenen Sachverhalt das Schlechterstellungsverbot nicht verletzt ist. Damit muss auf den Einwand des KStA, der speziellere Grundsatz der aus- schliesslichen Besteuerung des Grundeigentums am Ort der gelege- nen Sache gehe dem allgemeineren Verbot der Schlechterstellung vor, nicht mehr eingegangen werden. Da keine Doppelbesteuerung vorliegt und das StHG keine ein- schlägigen Vorgaben enthält, liegt kein Verstoss gegen Bundesrecht vor. 2008 Kantonale Steuern 101 3. 3.1. Zu prüfen bleibt, ob die Beschwerdeführer bei richtiger Ausle- gung aus § 56 StG etwas für sich ableiten können. Aus dem Wortlaut von § 56 Abs. 1 StG allein ergibt sich nicht, welche Einkommens- und Vermögenssteuern bei interkantonalen Verhältnissen als Berech- nungsgrundlage dienen. Die Norm ist deshalb auszulegen. 3.2. (Grundsätze und Ziel der Auslegung; Verweis auf BGE 125 II 326 Erw. 5; 114 Ia 191 Erw. 3b/aa; Ernst Höhn/Robert Waldburger, Steuerrecht, Band I, 9. Aufl., Bern/ Stuttgart/Wien 2001, § 5 N 33; AGVE 1992, S. 154 f. mit zahlreichen Hinweisen; 1990, S. 214; StE 1997, B 71.62 Nr. 6; VGE II/49 vom 2. Juli 2003 [BE.2003.00039], S. 6; Höhn/Waldburger, a.a.O., § 5 N 20 ff.). 3.3. 3.3.1. § 56 Abs. 1 StG hat zum Ziel, eine übermässige steuerliche Belastung zu verhindern, und zwar möglichst schon unterhalb der Grenze, welche die Eigentumsgarantie der Besteuerung setzt (Koch, a.a.O., § 47 aStG N 1; Walther, a.a.O., § 56 N 1 ff.). Dabei ist es aus Sicht des Steuerpflichtigen irrelevant, ob sein Einkommen und Ver- mögen ausschliesslich im Kanton Aargau oder in mehreren Kantonen der Besteuerung unterliegt. Nur bei Berücksichtigung des gesamten Reineinkommens sowie der gesamten geschuldeten Steuern kommt seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zutreffend zum Ausdruck. Andererseits liegen die in anderen Kantonen erhobenen Steuern ausserhalb des Einflussbereichs des Kantons Aargau, und es ist auch nicht Sache des Kantons Aargau, gestützt auf § 56 StG die gesamte Reduktion des Steuerertrags auf sich zu nehmen, wenn andere Kan- tone mitbeteiligt sind und ihrerseits keine entsprechende Steuerre- duktion gewähren, sei es, dass eine solche überhaupt nicht vorgese- hen ist, sei es, dass es im konkreten Fall an den Voraussetzungen fehlt. 3.3.2. Die Berechnungsweise, bei der auch in interkantonalen Verhält- nissen die im Kanton geschuldeten Steuern mit dem Gesamt reinein- 2008 Verwaltungsgericht 102 kommen verglichen werden, erscheint unumgänglich. Einerseits kann der Kanton nur die Herabsetzung der eigenen Steuern regeln, andererseits wäre eine Steuerreduktion ungewollt und sachlich falsch, wenn im Kanton grössere Vermögenswerte - namentlich Grundstücke - liegen und gleichzeitig hier nur ein geringes Einkom- men anfällt, was bei Bezugnahme auf das im Kanton erzielte Ein- kommen Anspruch auf die Steuerreduktion gäbe, selbst wenn das Gesamteinkommen diese in keiner Weise rechtfertigt. Diese Berechnungsweise führt jedoch bei interkantonalen Ver- hältnissen in aller Regel zu einer Benachteiligung derjenigen Steuer- pflichtigen, welche die Herabsetzung der Steuern beanspruchen kön- nen, selbst dann, wenn alle beteiligten Kantone einheitlich die Be- stimmung von § 56 StG anwenden; denn in den Kantonen, wo Ein- kommen, aber kein (oder nur geringes) Vermögen der Besteuerung unterliegt, wird das dortige Steuerbetreffnis, weil es weniger als 70 % des Gesamtreineinkommens ausmacht, nie herabgesetzt. 3.3.3. Die Beschwerdeführer beantragen, bei interkantonalen Verhält- nissen sei zuerst die Steuerreduktion zu berechnen, wie wenn das ge- samte Einkommen und Vermögen im Aargau steuerbar wäre. Von dieser Reduktion sei derjenige Prozentsatz zu gewähren, der dem aargauischen Steuerbetreffnis im Verhältnis zu den gesamten Steuern entspreche. Diese Berechnungsweise erscheint geeignet, um dem Ziel und Zweck des Gesetzes (steuerliche Belastungsgrenze in Rela- tion zum Reineinkommen) möglichst nahe zu kommen, ohne dass der Kanton dazu verhalten wird, für Steuerreduktionen einzusprin- gen, welche andere Kantone nicht gewähren. Gewichtige Gründe im Zusammenhang mit anderen Ausle- gungselementen, die einer solchen Auslegung nach Sinn und Zweck sowie nach der Systematik des Gesetzes entgegenstehen könnten, werden nicht vorgebracht und sind nicht ersichtlich. Auch das KStA hat in seiner Stellungnahme vom 22. Mai 2008 anerkannt, dass die Berechnungsweise grundsätzlich geeignet ist, um bei interkantonalen Verhältnissen eine Benachteiligung zu vermeiden.
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2017 Personalrecht 211 IX. Personalrecht 39 Arbeitszeugnis; Mahnung; Voraussetzungen eines Schadenersatz- anspruchs infolge Persönlichkeitsverletzung im Anstellungsverhältnis; Bemessung der Genugtuung (§ 19 Abs. 1 GAL; § 11 Abs. 1 lit. c GAL; § 23 Abs. 1 GAL; § 4 Abs. 3 Satz 1 GAL i.V.m. Art. 28a Abs. 3 ZGB und Art. 97/49 OR) - Ein Arbeitszeugnis darf sich auch zu relevanten Tatsachen äussern, die sich nicht aus einem (unvollständigen) Personaldossier ergeben (Erw. 2.1). - Ein Zwischenzeugnis entfaltet eine gewisse Bindungswirkung für das Schlusszeugnis, indem der Arbeitgeber für Tatsachen, die zu einer schlechteren Beurteilung des Arbeitnehmers im Schlusszeugnis füh- ren, sowie für zwischenzeitlich eingetretene Veränderungen beweis- pflichtig ist. In der Formulierung des Schlusszeugnisses ist der Arbeitgeber allerdings frei (Erw. 2.2). - Der Gehörsanspruch verpflichtet den Arbeitgeber nicht dazu, dem Arbeitnehmer schon vor der Mahnung anzukündigen, welche Punkte er zu rügen gedenkt (Erw. 3.3.1). - Eine teilweise ungerechtfertigte Mahnung des Arbeitnehmers ist un- ter den gegebenen Umständen (kein langwieriger Arbeitskonflikt; keine anhaltenden Fürsorge- bzw. Persönlichkeitsverletzungen) keine adäquat kausale Ursache für die Kündigung des Anstellungs- verhältnisses und einen daraus resultierenden Verdienstausfall; der Arbeitgeber ist dafür nicht ersatzpflichtig (Erw. 4.2). - Bemessung der Genugtuung im Falle von Persönlichkeitsverletzun- gen, die keinen irreversiblen psychischen Gesundheitsschaden des Arbeitnehmers verursachen und an denen der Arbeitgeber nur ein geringes Verschulden trägt (Erw. 4.3) Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 5. Juli 2017, i.S. A. gegen Einwohnergemeinde B. (WKL.2016.15) 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 212 Aus den Erwägungen II. 2.1. (...) An der Verhandlung vor Verwaltungsgericht kritisierte die Rechtsvertreterin des Klägers, ein Arbeitszeugnis dürfe sich nur zu solchen Tatsachen äussern, die im Personaldossier des Arbeitnehmers abgebildet seien. Werde auf Partei- und Zeugenaussagen abgestellt, für die es im Personaldossier keine Anhaltspunkte gebe, sei dies aus Gründen der Wahrung des rechtlichen Gehörs und des Datenschutzes problematisch. Dem ist entgegenzuhalten, dass ein lückenhaftes Per- sonaldossier nicht zu einem unwahren und/oder unvollständigen Ar- beitszeugnis führen darf, und dass für den Zeugnisprozess keine Be- weismittelbeschränkung vorgesehen ist. Berichtet eine befragte Per- son nur vom Hörensagen, ist darauf bei der Beweiswürdigung gebüh- rend Rücksicht zu nehmen; ebenso darauf, dass der Kläger zu vagen Vorwürfen unbestimmter Quelle nicht angemessen Stellung nehmen kann. Inwiefern die Verwendung von Partei- und Zeugenaussagen zum Beweis von Tatsachen, über die sich ein Arbeitszeugnis ausspre- chen darf und muss, gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstossen könnte, ist nicht ersichtlich. 2.2. (...) Für Tatsachen, die sich vor der Ausstellung dieses Zwischen- zeugnisses zugetragen haben und die zu einem schlechteren Schluss- zeugnis führen, ist daher die Arbeitgeberin beweispflichtig (R OLAND M ÜLLER /P HILIPP T HALMANN , Streitpunkt Arbeitszeugnis, 2. Aufla- ge, Basel 2016, S. 16). Nach der Ausstellung eines guten Zwischen- zeugnisses darf die Qualifikation im Schlusszeugnis nur dann schlechter ausfallen, wenn in der Zwischenzeit einschneidende Änderungen eingetreten sind, die eine erheblich unterschiedliche Be- urteilung rechtfertigen (S TEPHAN F ISCHER , Arbeitszeugnis - Beurtei- lung und Durchsetzung, Zürich/St. Gallen 2016, S. 58; U LLIN S TREIFF /A DRIAN VON K AENEL /R OGER R UDOLPH , Arbeitsvertrag, 7. Auflage, Zürich/ Basel/Genf 2012, Art. 330a N 5a). Somit trifft die 2017 Personalrecht 213 Beklagte die Beweislast für ihre Behauptung, dass das Zwischen- zeugnis nicht den Tatsachen entsprochen habe, dass sich C. lediglich eine positive Auswirkung davon erhofft habe und dass es zwischen diesem und dem Kläger zu verschiedenen Meinungsverschiedenhei- ten betreffend die Anwendung von Lehrmitteln sowie die Einhaltung von Dienstwegen und Vorgaben bei der Beschaffung von Mobiliar gekommen sei. Diesbezüglich gilt es vorauszuschicken, dass der an der Verhandlung vor Verwaltungsgericht als Zeuge einvernommene C. nach wie vor hinter dem Wortlaut des von ihm formulierten Zwi- schenzeugnisses steht, das seiner Ansicht nach nicht nur die guten Leistungen des Klägers angemessen würdigt, sondern auch kritische Punkte mit Bezug auf das Verhalten des Klägers gegenüber der Schulleitung und seine Einstellung gegenüber der Integrativen Schu- lung beinhalte. Auf den Wahrheitsgehalt einzelner Zeugnisaussagen wird weiter unten zurückzukommen sein. Weil aber dem Arbeitgeber trotz zahlreicher Rahmenbedingun- gen bei der Schöpfung des Wortlauts in den Schranken des Verkehrs- üblichen ein breites Ermessen zusteht und der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf die Verwendung bestimmter Formulierungen hat (S TREIFF / VON K AENEL /R UDOLPH , a.a.O., Art. 330a N 3b mit diver- sen Hinweisen), ist dem eingeklagten Zeugnisanspruch grundsätzlich der von der Beklagten vorgeschlagene Zeugnistext zu Grunde zu le- gen und dieser mit den allenfalls notwendigen Korrekturen/Ergän- zungen zu versehen. Die Formulierungen des Zwischenzeugnisses müssen im Schlusszeugnis nicht übernommen werden (Urteil des Bundesgerichts vom 5. September 2003 [4C.129/2003], Erw. 6.1). Dies gilt hier umso mehr, als sich das Zwischenzeugnis vom Juni 2015 der Natur der Sache nach nicht zur Leistung und zum Verhalten des Klägers in der letzten Phase der Anstellungsdauer (erstes Semes- ter des Schuljahrs 2015/16) äussert und das Schlusszeugnis ein faires Abbild der gesamten Anstellungsdauer zu geben hat (S TREIFF / VON K AENEL /R UDOLPH , a.a.O., Art. 330a N 3a). Der Einwand des Klä- gers, im Schuljahr 2015/16 habe er wegen seiner Krankschreibung und seiner Freistellung kaum mehr ordentlich unterrichten können, ist insofern nicht stichhaltig, als sich in dieser Schlussphase, die no- minell immerhin einen Drittel der gesamten Anstellungsdauer aus- 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 214 macht, Dinge zugetragen haben, die für die Beurteilung seines Ver- haltens (gegenüber der neuen Schulleitung und der Schulpflege) rele- vant sind. Auch sein Einwand, in dieser letzten Phase könne das An- stellungsverhältnis kaum mehr als regulär bezeichnet werden und sei deshalb bei der Beurteilung seiner Leistungen und seines Verhaltens auszuklammern, ist nicht zu hören. Für den neuen Arbeitgeber bzw. den neuen Vorgesetzten sind gerade auch die Leistungen und das Verhalten des Arbeitnehmers in der letzten Zeit des Anstellungsver- hältnisses von besonderer Bedeutung (S TREIFF / VON K AENEL / R UDOLPH , a.a.O., Art. 330a N 3a). Es gebietet sich aber wenigstens eine sinngemässe Übernahme derjenigen Bestandteile des Zwischenzeugnisses, die auch in einer Gesamtbetrachtung des Anstellungsverhältnisses weiterhin richtig und für die Beurteilung der Qualifikation des Klägers von Bedeutung sind (vgl. A LEX E NZLER , Der arbeitsrechtliche Zeugnisanspruch, Diss. Zürich/Basel/Genf 2012, S. 64). 2.3.-3.2. (...) 3.3. 3.3.1. Die Mahnung mit Ansetzung einer Bewährungszeit gemäss § 11 Abs. 1 lit. c GAL erfüllt grundsätzlich zwei Funktionen: Einerseits hält der Mahnende dem Betroffenen eine Vertragsverletzung vor und mahnt ihn zu künftigem vertragsgemässem Verhalten (Rügefunk- tion), andererseits drückt sie die Androhung einer Sanktion aus (Warnfunktion). Die Mahnung bildet eine Massnahme zum Schutz der Angestellten, da eine ordentliche Kündigung wegen Mängeln in der Leistung oder im Verhalten grundsätzlich nur rechtmässig ist, wenn zuvor erfolglos gemahnt wurde. Die Mahnung muss als solche erkennbar sein und der Arbeitnehmer muss daraus ersehen können, welche Verhaltensweisen nicht mehr toleriert werden und wie er sich inskünftig zu verhalten hat (Urteil des Bundesgerichts vom 2. März 2009 [1C_245/2008], Erw. 5.3; Urteil des Bundesverwaltungsge- richts vom 3. Mai 2012 [A-5670/2011], Erw. 8.1; VGE I/79 vom 4. Juni 2014 [WKL.2013.20], Erw. II/4.2.2). Ihre Rügefunktion er- füllt die Mahnung nur dann, wenn die Arbeitgeberin dem Angestell- ten die Mängel im Verhalten nicht nur summarisch aufzeigt, sondern 2017 Personalrecht 215 detailliert mitteilt und die Mängel durch Verweis auf bestimmte Vor- kommnisse belegen kann (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Mai 2012 [A-5670/2011], Erw. 8.1; H ARRY N ÖTZLI , Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen im Bundespersonalrecht: unter besonderer Berücksichtigung der Arbeitsverhältnisse bei der Bundes- verwaltung, dem Bundesgericht und dem ETH-Bereich, Bern 2005, Rz. 197). Soweit die Mahnung nicht über die gesetzlichen und vertragli- chen Vorgaben hinausgeht und neue Pflichten begründet, sondern le- diglich daran erinnert bzw. diese näher ausführt, stellt sie keine (selb- ständig anfechtbare) Massnahme dar. Kommt es in der Folge zu einer Kündigung, so kann sich der Betroffene gegen die entsprechende Verfügung / Gestaltungserklärung zur Wehr setzen und in einem all- fälligen Beschwerde- oder Klageverfahren (auch) geltend machen, die Kündigung sei mitunter deshalb unrechtmässig, weil bereits die Mahnung nicht gerechtfertigt gewesen sei (VGE I/82 vom 22. April 2015 [WKL.2015.4], Erw. I/6.3.2 f. mit Hinweisen auf die Recht- sprechung des Bundesgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts). Insofern gelten für eine Mahnung nicht die gleichen (rechtsstaatli- chen) Verfahrensgarantien wie für die Kündigung des Anstellungs- verhältnisses, die zwar bei vertraglicher Grundlage "nur" eine ver- tragliche (Gestaltungs-)Erklärung (anstelle einer Verfügung im Rechtssinne) darstellt, aber durch die unmittelbare Beendigung des Anstellungsverhältnisses den weit schwerwiegenderen Eingriff in existenzielle Interessen des betroffenen Vertragspartners beinhaltet (vgl. dazu VGE I/213 vom 10. November 2016 [WKL.2015.19], Erw. II/2.2). Entsprechend kommt der verfassungsmässige Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 1 BV und § 22 Abs. 1 KV) res- pektive das daraus fliessende Recht auf vorgängige Anhörung im Kontext einer Mahnung nicht oder höchstens beschränkt zum Tra- gen. Vom Arbeitgeber kann namentlich nicht verlangt werden, dass er dem Arbeitnehmer schon im Vorfeld der Mahnung bekanntgibt, welche Mängel er zu rügen gedenkt. 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 216 3.3.2.-3.7. (...) 4. 4.1. Verletzt der Arbeitgeber seine Fürsorgepflichten respektive die Persönlichkeitsrechte seiner Angestellten, haben die Lehrpersonen in Anwendung von § 23 Abs. 1 GAL Anspruch auf Schadenersatz. Weil die Minimalansprüche zum Schutz der Lehrpersonen denjenigen des Schweizerischen Obligationenrechts entsprechen und in jedem Fall einzuhalten sind (§ 4 Abs. 3 Satz 1 GAL), stehen den Lehrpersonen neben dem vertraglichen Schadenersatzanspruch (bei Persönlich- keitsverletzungen) - analog zu privatrechtlich Angestellten - alle Rechtsbehelfe des Art. 28a ZGB, einschliesslich des in Art. 28a Abs. 3 ZGB vorbehaltenen Anspruchs auf Genugtuung zu. Wie im Anwendungsbereich von Art. 97 OR muss zwischen der Vertragsver- letzung (Persönlichkeitsverletzung) und dem von der Lehrperson gel- tend gemachten Schaden ein natürlicher und adäquater Kausalzusam- menhang bestehen. Von natürlicher Kausalität spricht man, wenn eine Ursache "conditio sine qua non" eines Erfolges ist. Das fragli- che Verhalten darf nicht weggedacht werden können, ohne dass auch der eingetretene Erfolg entfiele. Das Kriterium der adäquaten Kausa- lität ist erfüllt, wenn die schädigende Handlung nach dem gewöhnli- chen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet ist, den entstandenen Schaden herbeizuführen (statt vieler: W OLFGANG W IEGAND , Basler Kommentar Obligationenrecht I, Art. 1-529 OR, 6. Auflage, Basel 2015, Art. 97 N 41). Die Voraus- setzungen des Genugtuungsanspruchs richten sich nach Art. 49 OR (BGE 130 III 699, Erw. 5.1 = Pra 94/2005, S. 581). Das Vorliegen einer Persönlichkeitsverletzung begründet demnach noch keinen Ge- nugtuungsanspruch. Art. 49 OR setzt zusätzlich eine gewisse objekti- ve Schwere der Persönlichkeitsverletzung und beim betroffenen Ar- beitnehmer eine ausreichend starke moralische Unbill voraus, die es als legitim erscheinen lässt, an den Richter zu gelangen, um ein Schmerzensgeld zu erhalten (S TREIFF / VON K AENEL /R UDOLPH , a.a.O., Art. 328 N 19). Der Umfang der Genugtuung hängt in erster Linie von der Schwere des physischen und psychischen Leidens als Folge der vom Geschädigten erlittenen Beeinträchtigung ab und von 2017 Personalrecht 217 der Möglichkeit, die entstandene Unbill mit einem Geldbetrag spür- bar zu lindern. Irgendeine leichte Beeinträchtigung des beruflichen, wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Ansehens vermag eine Ge- nugtuung nicht zu rechtfertigen (BGE 130 III 699, Erw. 5.1 = Pra 94/2005, S. 581). 4.2. 4.2.1. Dem Kläger ist es anscheinend nicht gelungen, nach der Been- digung des Anstellungsverhältnisses mit der Beklagten per 5. Februar 2016 eine Anstellung mit gleich hohem Beschäftigungsgrad zu fin- den, woraus er einen Verdienstausfall von Fr. 9'375.00 (recte: Fr. 9'376.00; 5 Monate à Fr. 1'875.20) berechnet. Diesen führt er da- rauf zurück, dass ihn die Schulpflege/Schulleitung mit der unrecht- mässigen Mahnung vom 7./8. September 2015 quasi dazu genötigt habe, das Arbeitsverhältnis von sich aus zu kündigen. Die Kündi- gung sei ihm als einzige Möglichkeit verblieben, aus der unhaltbaren Situation bei der Beklagten herauszukommen und nicht noch mehr krank zu werden. Es habe keine weniger einschneidenden Massnah- men gegeben, insbesondere nicht die von der Schlichtungskommis- sion angeführten. Die Vertreter der Beklagten hätten ihm das Ge- spräch und eine Schlichtungsverhandlung verweigert. 4.2.2. Es ist durchaus möglich, dass der Kläger trotz des angespannten Verhältnisses mit der Schulleiterin das Anstellungsverhältnis ohne die Mahnung vom 7./8. September 2015 nicht von sich aus gekündigt hätte. Die Kündigung wiederum war die Ursache dafür, dass der Klä- ger ab 1. März 2016 nur noch mit einem reduzierten Pensum vom 74 % tätig sein konnte . Damit ist der natürliche Kausalzusammen- hang zwischen der Mahnung und dem eingeklagten Verdienstausfall erstellt. Hingegen fehlt es aus den folgenden Überlegungen an einem adäquaten Kausalzusammenhang: Die Schulpflege musste nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung nicht damit rechnen, dass ihre Mahnung, welche in der Hauptstoss- richtung (Verletzung der Loyalitäts- und Treuepflicht) berechtigt war, und ihre Weigerung, auf die Mahnung zurückzukommen, den Kläger gleich zu einer Kündigung des Anstellungsverhältnisses veranlassen 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 218 würde. Von der Unausweichlichkeit dieser Massnahme kann ohnehin nicht ausgegangen werden. Zweifelsohne kann eine Mahnung das psychische Wohlbefinden des Betroffenen beeinträchtigen, vor allem wenn sie in weiten Teilen nicht gerechtfertigt ist. Eine sofortige Kün- digung des Anstellungsverhältnisses allein wegen einer Mahnung er- scheint aber bei objektiver Betrachtung als eher ungewöhnlicher Schritt, den eine Mehrheit von Arbeitnehmern in einer vergleichba- ren Situation nicht vollziehen würde. Vielmehr hätte es nahe gelegen, den Verhaltensanweisungen punkto Loyalitäts- und Treuepflicht best- möglich nachzuleben, Auseinandersetzungen mit der Schulleitung und der Schulpflege tunlichst zu meiden, die Weisungen der Schul- leitung zu beachten und sich in der Zwischenzeit (in aller Ruhe) nach einer anderen, gleichwertigen Stelle umzuschauen. Dass der Kläger das Anstellungsverhältnis ohne ein neues gleichwertiges Stellenange- bot kündigen und darauf nur noch eine Teilzeitstelle finden würde, war für die Schulpflege in der gegebenen Situation nicht vorherseh- bar. Der Kläger hat sein entsprechendes Handeln und die Konsequen- zen daraus selber zu verantworten. Dabei muss man sich vor Augen halten, dass der Kläger nicht etwa in einem langwierigen Arbeitskon- flikt mit anhaltenden Eingriffen in seine Persönlichkeitsrechte und fortwährender Vernachlässigung der Fürsorgepflicht durch den Ar- beitgeber feststeckte. Er arbeite im Kündigungszeitpunkt gerade ein- mal rund zweieinhalb Monate unter der Schulleitung von D. und trug durch sein uneinsichtiges und auflehnendes Verhalten im Zusammen- hang mit der Vorbereitung und Organisation des Schullagers im Au- gust 2016 erhebliche Mitschuld am entstandenen Arbeitskonflikt. Der Kläger kann ferner nichts daraus ableiten, dass sich die Ver- treter der Beklagten (Schulpflegepräsidentin) ebenfalls mit dem Ge- danken an eine Kündigung des Anstellungsverhältnisses trugen. Mit- tels ordentlicher Kündigung hätte die Beklagte das Anstellungsver- hältnis frühestens auf Ende des Schuljahrs 2015/16 (1. Juli 2016) und auch nur dann auf diesen Termin hin beenden können, wenn sich die dem Kläger nachgewiesenen Verhaltensmängel in der bis 26. Februar 2016 limitierten Bewährungszeit fortgesetzt hätten (vgl. § 10 Abs. 3 lit. b und Abs. 4 GAL). Eine fristlose Auflösung gemäss § 12 GAL wäre nur bei einem gravierenden Fehlverhalten des Klägers in Frage 2017 Personalrecht 219 gekommen. Dass es so oder so (im Sinne einer überholenden Kausa- lität) dazu gekommen wäre, steht nicht fest, auch wenn solche Dis- kussionen stattgefunden haben. Die alleinige Ursache für den einge- klagten Schaden hat der Kläger mit seiner Kündigung des Anstel- lungsverhältnisses gesetzt. Alles Weitere ist rein hypothetisch und spekulativ. Die übrigen Fürsorgepflicht- und Persönlichkeitsverletzungen (...) haben sich nach der Kündigung des Anstellungsverhältnisses durch den Kläger am 27. Oktober 2015 zugetragen und fallen als (na- türliche) Ursache für den eingeklagten Verdienstausfall schon des- halb ausser Betracht. (...) 4.3. Dem Gericht kommt bei der Bemessung der Genugtuungsleis- tung ein erheblicher Ermessensspielraum zu. Bei der Bemessung der Basisgenugtuung (erste Phase) ist vor allem (objektiv) auf die Art und Schwere der Verletzung, die Intensität und die Dauer der Aus- wirkungen auf die Persönlichkeit des Betroffenen sowie auf den Grad des Verschuldens des Schädigers abzustellen. Bei Vorliegen von Reduktions- und Herabsetzungsgründen ist die Basisgenugtuung in analoger Anwendung von Art. 43 Abs. 1 und Art. 44 Abs. 1 OR zu kürzen (zweite Phase), dies insbesondere bei bloss geringem Ver- schulden des Schädigers, bei (adäquat-kausalem) Mitverschulden des Geschädigten oder mit Blick auf dessen Vorzustand (M ARTIN A. K ESSLER , Basler Kommentar Obligationenrecht I, a.a.O., Art. 47 N 20a und b). Bezüglich der vom Kläger erlittenen seelischen Unbill fällt ins Gewicht, dass der Kläger nicht während eines längeren Zeitraums stetigen und systematischen Attacken auf seine psychische Integrität ausgesetzt war. Mit einem Monat dauerte die während des Anstel- lungsverhältnisses mit der Beklagten eingetretene Arbeitsunfähigkeit aus psychischen Gründen auch nicht besonders lange. An der Ver- handlung vor Verwaltungsgericht machte der Kläger zwar neu einen psychischen Langzeitfolgeschaden geltend. Seinen Angaben zufolge kann er heute aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr als Lehrer tätig sein, was alles eine Nachwirkung davon sei, wie er von den Ver- 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 220 tretern der Beklagten behandelt worden sei. Als Beleg dafür hat er das ärztliche Attest des ihn behandelnden Psychiaters vom 9. Juni 2017 ins Recht gelegt. Eine bleibende Arbeitsunfähigkeit (als Lehrer) wird dem Kläger darin allerdings nicht bescheinigt, sondern eine sol- che bis Ende Schuljahr 2016/17. Im Weiteren darf der Arbeitskon- flikt an der Schule B., für den die Schulleitung und die Schulpflege ohnehin nicht die alleinige Verantwortung tragen, maximal als Teil- ursache für die psychische Beeinträchtigung des Klägers gewertet werden, heisst es doch im Attest, der "B. Konflikt stehe am Anfang einer schwer belastenden Berufsphase, aus welcher A. erheblicher gesundheitlicher und seelischer Schaden entstanden sei". An den Schulen E. und F. bekundete der Kläger offenbar erneut Schwierig- keiten mit der Schulleitung und den Schulpflegen. Um für diese Schwierigkeiten allein das angeschlagene berufliche Selbstverständ- nis des Klägers und dafür wiederum allein die den Vertretern der Be- klagten anzulastenden Vorfälle an der Schule B. verantwortlich ma- chen zu können, wären vertiefte Abklärungen im jeweiligen Schul- umfeld erforderlich. Schliesslich ist mit der Beklagten festzuhalten, dass dem Attest nicht der Beweiswert und die Aussagekraft eines (neutralen) medizinischen bzw. psychiatrischen Gutachtens zu- kommt. Somit bleibt letztlich unbewiesen, dass die Vertreter des Be- klagten dem Kläger einen ernsthaften und irreversiblen Gesundheits- schaden zugefügt haben. Die Umstände, welche die Beklagte zur Mahnung, zur Benach- richtigung der Polizei und zum Schreiben an die Lehrerschaft vom 17. Dezember 2015 bewogen haben, waren vom Kläger teilweise mitverschuldet. Er hat sich als nicht besonders anpassungsfähiger und konzilianter Mitarbeiter ausgezeichnet. Auf der anderen Seite kann das Verschulden der Beklagten nicht als schwer eingestuft werden. Die gesamten Prozessakten ver- mitteln den Eindruck, dass der Umgang mit einer eigenwilligen und anspruchsvoll zu führenden Lehrperson die kommunalen Schulbe- hörden in den konkreten Situationen ganz einfach überfordert hat. Deren Vorgehensweise lässt keine bösen Absichten vermuten, was sich nicht zuletzt daran zeigt, dass sie in dieser Phase mehrfach die 2017 Personalrecht 221 Beratung des BKS in Anspruch nahmen und offenkundig darum be- müht waren, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Unter diesem Umständen erscheint dem Verwaltungsgericht auch bei einem Vergleich mit Präjudizien (vgl. S TREIFF / VON K AE - NEL /R UDOLPH , a.a.O., Art. 328 N 16, S. 552 f.) eine Genugtuung von Fr. 2'500.00 als angemessen.
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AG_VG_001
AG_VG
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Northwestern_Switzerland
AG_VG_001_AGVE-2017-39_2017-07-01
http://agve.weblaw.ch/html//AGVE-2017-39.html
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2013 Migrationsrecht 145 [...] 32 Widerruf der Niederlassungsbewilligung; Verstoss gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung; Verhältnismässigkeit - Ein Widerrufsgrund im Sinne von Art. 63 Abs. 1 lit. b AuG liegt vor, wenn die relevanten Aspekte in ihrer Gesamtheit als schwerwiegen- den Verstoss gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu quali- fizieren sind (Erw. 2.3.5.). - Fehlen strafrechtliche Verurteilungen, ist das öffentliche Interesse daran zu bemessen, welche Bereiche der öffentlichen Sicherheit und 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 146 Ordnung tangiert wurden und wie gravierend der Verstoss dagegen war (Erw. 3.2.1.). - I.c. erweisen sich der Widerruf der Niederlassungsbewilligung und die Wegweisung des Beschwerdeführers aus der Schweiz als verhält- nismässig (Erw. 3.). Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 22. Oktober 2013 in Sachen A. gegen das Amt für Migration und Integration (WBE.2011.1064). Sachverhalt (Zusammenfassung) Der Beschwerdeführer reiste 1991 im Alter von zehn Jahren in die Schweiz ein. Er wurde schon bald nach seiner Einreise erstmals straffällig und konsumierte ab 1995 illegale Suchtmittel. Bis im Jahr 2010 kam es regelmässig zu Verurteilungen (hauptsächlich wegen Vermögensdelikten sowie Widerhandlungen gegen das Betäubungs- mittelgesetz), wobei der Beschwerdeführer zu Freiheitsstrafen von insgesamt über 17 Monaten verurteilt wurde. Auch vermochte er sei- nen öffentlich- und privatrechtlichen Verpflichtungen kaum je nach- zukommen und musste in erheblichem Umfang von der öffentlichen Fürsorge unterstützt werden. Nachdem das MKA den Beschwerde- führer mehrmals erfolglos verwarnt respektive ermahnt hatte, wurde schliesslich am 27. Mai 2011 der Widerruf seiner Niederlassungs- bewilligung verfügt und der Beschwerdeführer aus der Schweiz weg- gewiesen. Aus den Erwägungen 2.2. Gemäss Art. 63 Abs. 1 lit. b AuG liegt ein Widerrufsgrund vor, wenn eine ausländische Person in schwerwiegender Weise gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz oder im Ausland verstossen hat oder sie gefährdet. 2013 Migrationsrecht 147 (...) 2.3. 2.3.1. - 2.3.4. (...) 2.3.5. Die erwähnten Gesichtspunkte [wiederholte Straffälligkeit wäh- rend mehr als zehn Jahren, langjähriger Konsum von illegalen Sucht- mitteln, Verstoss gegen öffentlich- und privatrechtliche Verpflichtun- gen, erfolglose Androhung von migrationsrechtlichen Massnahmen] erscheinen unterschiedlich gravierend und vermögen je für sich al- leine kaum die Voraussetzungen eines Widerrufs nach Art. 63 Abs. 1 lit. b AuG zu erfüllen. In ihrer Gesamtheit ergibt sich aber, dass der Beschwerdeführer durch die Vielzahl sowie zum Teil die Tragweite der von ihm begangenen Straftaten, seine seit 17 Jahren andauernde Suchtproblematik, die regelmässige Nichterfüllung seiner öffentlich- und privatrechtlichen Verpflichtungen sowie das Ignorieren der An- ordnungen des MIKA in schwerwiegender Art und Weise gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung verstossen hat. Damit ist der Wi- derrufsgrund von Art. 63 Abs. 1 lit. b AuG erfüllt. 3. 3.1. Der Widerruf bzw. die Verweigerung einer Bewilligung recht- fertigt sich nur, wenn die jeweils im Einzelfall vorzunehmende Inte- ressenabwägung die entsprechende Massnahme als verhältnismässig erscheinen lässt (BGE 135 II 377, Erw. 4.3). Konkret muss bei Ge- genüberstellung aller öffentlichen und privaten Interessen ein über- wiegendes öffentliches Interesse an der Entfernung aus der Schweiz resultieren. Ob sämtliche relevanten Kriterien berücksichtigt und richtig an- gewandt worden sind bzw. ob sich der Widerruf als verhältnismässig erweist, ist als Rechtsfrage durch das Verwaltungsgericht frei zu prü- fen. 3.2. 3.2.1. Liegt ein Widerrufsgrund vor, weil ein Betroffener in schwer- wiegender Weise gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz oder im Ausland verstossen hat oder sie gefährdet hat, 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 148 bestimmt sich das Mass des öffentlichen Interesses vorab anhand der Schwere des Verschuldens des Betroffenen. Wurde der Betroffene strafrechtlich belangt, sind die vom Straf- richter verhängten Strafen Ausgangspunkt und Massstab für die Be- messung des öffentlichen Interesses. Das heisst, je höher die Strafen ausfallen, umso höher ist das Verschulden eines Betroffenen zu qua- lifizieren. Bei Festsetzung des Strafmasses werden strafmildernde Umstände überdies stets mitberücksichtigt, weshalb auf die Beurtei- lung des Strafrichters grundsätzlich abzustellen ist (BGE 129 II 215, Erw. 3.1 sowie Urteil des Bundesgerichts vom 12. Juni 2012 [2C_797/2011], Erw. 2.2). Wird ein Strafurteil in Bezug auf die Strafzumessung nicht angefochten, bleibt damit in der Regel kein Raum, im migrationsrechtlichen Verfahren die diesbezügliche Beur- teilung des Strafrichters zu relativieren (Urteil des Bundesgerichts vom 19. Januar 2005 [2A.570/2004], Erw. 3.3). Bei schweren Straf- taten, insbesondere bei Gewalt-, Sexual- und schweren Betäubungs- mitteldelikten, sowie bei wiederholter Delinquenz bzw. erneuter De- linquenz nach Untersuchungshaft, nach verbüsster Freiheitsstrafe oder nach migrationsamtlicher Verwarnung erhöht sich aus migrati- onsrechtlicher Sicht das öffentliche Interesse am Widerruf bzw. an der Verweigerung der Bewilligung entsprechend. Wurde der Betroffene nicht strafrechtlich belangt, ist das öffent- liche Interesse daran zu bemessen, welche Bereiche der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Schweiz oder im Ausland tangiert wurden und wie gravierend der Verstoss dagegen war. Je gewichtiger die tangierten Bereiche der öffentliche Sicherheit und Ordnung ein- zustufen sind und je grösser das Verschulden des Betroffenen zu qua- lifizieren ist, umso höher ist das öffentliche Interesse am Widerruf bzw. an der Verweigerung einer Bewilligung. (...) Der Beschwerdeführer wurde zwischen Februar 2000 und No- vember 2010 zu Freiheitsstrafen von insgesamt rund 17 Monaten und Geldstrafen von insgesamt 135 Tagessätzen sowie zu diversen Bus- sen verurteilt. Die längste Freiheitsstrafe von sechs Monaten datiert aus dem Jahr 2002, die letzte Freiheitsstrafe von 75 Tagen Gefängnis wurde im Mai 2005 und die letzte Geldstrafe von 30 Tagessätzen im 2013 Migrationsrecht 149 November 2010 ausgesprochen. Seither sind keine Verurteilungen gegen den Beschwerdeführer mehr ergangen. Jedoch wurde im Feb- ruar 2013 gegen den Beschwerdeführer ein Strafverfahren wegen Er- schleichens einer Leistung sowie Urkundenfälschung eröffnet, wel- ches mit Verfügung der Staatsanwaltschaft B. vom 16. Mai 2013 sis- tiert wurde. Die Sistierung erfolgte, da der Ausgang des Strafverfah- rens gegen den Beschwerdeführer vom Verfahren gegen eine Dritt- person abhängig ist, weshalb der Ausgang dieses Verfahrens ab- zuwarten ist. Der Beschwerdeführer delinquierte damit während einer Zeit- spanne von mehr als zehn Jahren und liess sich von keinerlei straf- und/oder migrationsrechtlichen Massnahmen beeindrucken. Zudem wurde gegen den Beschwerdeführer bereits wieder ein Strafverfahren eröffnet, welches derzeit sistiert ist. Das Verschulden an diesem ins- gesamt als schwerwiegend zu qualifizierenden Verstoss gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung wiegt dementsprechend schwer, auch wenn die Art der begangenen Delikte das öffentliche Interesse nicht weiter erhöht. Insgesamt ist aufgrund der Vielzahl der begange- nen Delikte und der ausgefällten Strafen von einem grossen öffentli- chen Interesse am Widerruf der Niederlassungsbewilligung des Be- schwerdeführers auszugehen. 3.2.2. Soweit der Beschwerdeführer im Weiteren geltend macht, von ihm gehe im heutigen Zeitpunkt keine Gefahr mehr aus, da seine De- linquenz (fast) ausschliesslich durch seine Drogensucht bedingt ge- wesen sei und er noch dazu im jungen Erwachsenenalter gewesen sei, ist darauf hinzuweisen, dass gemäss bundesgerichtlicher Recht- sprechung eine hinreichend schwere und gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Sicherheit lediglich bei Staatsangehörigen (und de- ren Angehörigen) von Mitgliedstaaten des FZA verlangt wird. Der Beschwerdeführer kann sich daher nicht auf die entsprechende Praxis zu Art. 5 Anhang I FZA berufen (vgl. BGE 130 II 176, Erw. 4.2). Das Verwaltungsgericht geht zudem in Fortführung der konstanten Recht- sprechung des RGAR davon aus, dass bei Staatsangehörigen von Drittstaaten grundsätzlich auch generalpräventive Überlegungen bei der Bemessung des öffentlichen Interesses mitberücksichtigt werden 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 150 können (RGAE vom 16. November 2010 [1-BE.2009.31], Erw. II./3.2.2, bestätigt durch Urteil des Bundesgerichts vom 22. März 2011 [2C_13/2011], Erw. 2.2). (...) Im vorliegenden Verfahren fällt auf, dass bezüglich des Verhal- tens des Beschwerdeführers in den vergangen zwei bis drei Jahren in verschiedener Hinsicht gewisse Besserungen eingetreten sind und die letzte Verurteilung beinahe drei Jahre zurück liegt. Jedoch musste ge- gen den Beschwerdeführer bereits wieder ein Strafverfahren wegen Erschleichen einer Leistung und Urkundenfälschung eröffnet wer- den. Dieses Strafverfahren ist derzeit sistiert. Die Dauer von knapp drei Jahren seit der letzten Verurteilung bietet aber - selbst unter Ausserachtlassung des laufenden Strafverfahrens - mit Blick auf die über zehn Jahre andauernde Straffälligkeit keine Gewähr für ein künftiges Wohlverhalten. So hat sich der Beschwerdeführer auch zwischen Mai 2005 und Mai 2007 über zwei Jahre hinweg wohl ver- halten und ist anschliessend erneut (und wiederholt) straffällig geworden. Der Beschwerdeführer lässt ausführen, er konsumiere seit Ja- nuar 2010 keine harten Drogen mehr. Jedoch wurde anlässlich des mit Beschluss vom 27. Mai 2013 angeordneten Drogentests durch das Kantonsspital A. in der untersuchten Haarprobe Methadon sowie dessen Abbauprodukt nachgewiesen. Aufgrund der untersuchten Haarprobe konnten Rückschlüsse für den Zeitraum des Konsums (Mitte Januar bis Mitte März 2013) gezogen werden. Damit ist er- stellt, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum von Mitte Januar bis Mitte März 2013 Methadon konsumiert hat. Der Beschwerdeführer hat anlässlich der Haarentnahme angegeben, das methadonhaltige Schmerzmittel Ketalgin eingenommen zu haben. Gemäss den Anga- ben des Hausarztes des Beschwerdeführers hat dieser ihm jedoch zu- letzt am 4. Januar 2010 Methadon als Substitutionsmittel verschrie- ben. Dem Schreiben des Hausarztes des Beschwerdeführers vom 19. August 2013 lässt sich entnehmen, dass er dem Beschwerdefüh- rer für die Zeit vom 9. Januar 2010 bis 8. Februar 2010 Methadon zur täglichen Einnahme verschrieben hat. Weiter lässt sich diesem Schreiben entnehmen, dass die im Anschluss an diese Zeit durchge- 2013 Migrationsrecht 151 führten Urinproben jeweils negativ auf Opiate bzw. Methadon gewe- sen seien. Die im Juni 2013 nachgewiesenen Rückstände von Metha- don und dessen Abbauprodukt können somit nicht vom damals ver- schriebenen Methadon herrühren. Gemäss dem Schreiben des Haus- arztes des Beschwerdeführers muss der Beschwerdeführer das Methadon von einer dem Hausarzt unbekannten Stelle erhalten ha- ben. Der Beschwerdeführer führt in seiner Stellungnahme vom 21. August 2013 diesbezüglich lediglich aus, für welchen Zeitraum er im Jahr 2010 durch seinen Hausarzt Methadon verschrieben erhal- ten hat und vermag darüber hinaus keine plausible Erklärung des an- lässlich des Drogentests im Juni 2013 nachgewiesenen Methadons zu liefern. Insbesondere führt der Beschwerdeführer nicht aus, weshalb er das methadonhaltige Schmerzmittel Ketalgin genommen haben will und durch welchen Arzt ihm dieses verschrieben worden sei. Im Gegenteil: der Beschwerdeführer macht in seiner Stellungnahme vom 21. August 2013 nicht einmal mehr geltend, das Methadon über- haupt von ärztlicher Seite verschrieben erhalten zu haben. Die Absti- nenz von harten Drogen kann ausserdem nicht darüber hinwegtäu- schen, dass anerkanntermassen eine Suchtproblematik in Bezug auf Alkohol und leichte Drogen besteht. Der Beschwerdeführer aner- kennt deren Ernsthaftigkeit selber, indem er zugibt, er habe sie "bis heute wohl verharmlost". Die angebliche Bereitschaft, sich dem Problem zu stellen, vermag für sich allein noch keine günstige Prog- nose zu begründen. Ab dem 24. September 2010 arbeitete der Beschwerdeführer in einer festen Anstellung als Call Center Mitarbeiter. Seit dem 21. Januar 2013 hatte der Beschwerdeführer einen unbefristeten Ar- beitsvertrag bei einem Verlagshaus. Dieses Arbeitsverhältnis wurde jedoch per 31. August 2013 durch die Arbeitgeberin aufgelöst. Auf- grund der vormaligen Festanstellung kann mitnichten davon gespro- chen werden, dass sich der Beschwerdeführer nunmehr beruflich etabliert hätte. Hinzu kommt, dass der Lohn von monatlich netto CHF 2'150.00 (Stand Oktober 2011) dem Beschwerdeführer nur ei- nen sehr geringen finanziellen Spielraum gelassen hat; entgegen sei- nen Aussagen war keine "markante Verbesserung der wirtschaftli- chen Situation" erkennbar, die eine "günstige Zukunftsprognose" be- 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 152 gründet hätte. Zudem wurde dieses Arbeitsverhältnis per Ende Au- gust 2013 durch die Arbeitgeberin gekündet und es ist aktenkundig, dass der Beschwerdeführer derzeit keiner Arbeitstätigkeit mehr nach- geht. Der Beschwerdeführer ist seit dem 28. Februar 2013 bis min- destens 31. Oktober 2013 zu 100% krank geschrieben. Dem Bericht der Psychiatrischen Dienste A. (PDAG) ist zu entnehmen, dass beim Beschwerdeführer eine anamnestisch emotional instabile Persön- lichkeitsstörung vom Borderline Typus mit Verdacht auf Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung diagnostiziert wurde. Diesem Bericht lässt sich jedoch auch entnehmen, dass sich der Behandlungsverlauf schleppend gestalte, da der Beschwerdeführer Konsultationen unent- schuldigt verpasst habe und auch die vereinbarte Behandlung im Beratungszentrum B. (Suchtberatungsstelle) nicht wie vereinbart auf- genommen habe. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass der Beschwer- deführer gemäss dem Schreiben des Beratungszentrums B. diese Be- ratungsstelle zuletzt im Jahr 2006 konsultiert hat. Die PDAG führen in ihrem Bericht vom 7. August 2013 aus, dass aus psychiatrischer Sicht zunächst eine stationäre oder teilstationäre intensive Behand- lung zu empfehlen sei. Der Beschwerdeführer spreche sich jedoch gegen ein derartiges Vorgehen aus. Offenbar hat der Hausarzt für den Beschwerdeführer überdies ein Gesuch um Leistungen der Invaliden- versicherung gestellt. Nach dem Gesagten kann der Beschwerdeführer unter dem As- pekt des Wohlverhaltens nichts zu seinen Gunsten ableiten. Abgese- hen davon, dass er nach wie vor THC konsumiert, kann ihm entge- gen seiner Behauptung auch nicht attestiert werden, er lebe frei von harten Drogen. Hinzu kommt, dass keine Rede davon sein kann, seine Beschäftigungssituation wirke sich stabilisierend auf sein Le- ben aus. Zwar ist der Beschwerdeführer aus psychiatrischer Sicht auffällig und es wird gar eine stationäre oder teilstationäre intensive Behandlung empfohlen. Dies bedeutet aber nicht, dass ihm sein Ver- halten nicht zugerechnet werden könnte und von einem tieferen öffentlichen Interesse an einer migrationsrechtlichen Massnahme we- gen vermindertem Verschulden ausgegangen werden müsste. 2013 Migrationsrecht 153 Schliesslich ist zu beachten, dass der Druck des vorliegenden Verfahrens betreffend Widerruf der Niederlassungsbewilligung bzw. Wegweisung einen positiven Effekt auf den Beschwerdeführer ge- habt haben dürfte, für eine Nachhaltigkeit dieses Einflusses besteht indessen keine Gewähr. 3.2.3. Insgesamt ist das öffentliche Interesse am Widerruf der Nieder- lassungsbewilligung des Beschwerdeführers und an seiner Wegwei- sung unter Berücksichtigung der Verbesserung in seinem Verhalten als sehr gross zu beurteilen. 3.3. Dem festgestellten sehr grossen öffentlichen Interesse an der Entfernung des Beschwerdeführers aus der Schweiz ist sein privates Interesse an einem weiteren Verbleib gegenüberzustellen. 3.4. 3.4.1. Bezüglich des privaten Interesses ist im Rahmen der Verhältnis- mässigkeitsprüfung vorab die Anwesenheitsdauer in der Schweiz zu berücksichtigen. Je länger eine ausländische Person in der Schweiz anwesend war, desto strengere Anforderungen sind grundsätzlich an den Widerruf der Niederlassungsbewilligung zu stellen (BGE 130 II 176, Erw. 4.4.2). (...) Der Beschwerdeführer ist seit September 1991, d.h. seit gut 22 Jahren, mit einer Niederlassungsbewilligung in der Schweiz wohnhaft. Selbst unter Berücksichtigung dessen, dass die Aufent- haltsdauer abstrakt - unter Abzug der in Unfreiheit verbrachten Zeit- spanne - zu berechnen ist (vgl. RGAE vom 25. Juni 2010 [1-BE.2009.23], Erw. II/4.3.1), ergibt sich ein anrechenbarer Zeit- raum von über 15 Jahren, während dem der Beschwerdeführer unun- terbrochen in der Schweiz lebte. Aufgrund dieser langen Aufenthalts- dauer ist ihm ein entsprechend grosses privates Interesse am Verbleib in der Schweiz zuzubilligen. 3.4.2. In Bezug auf die Umstände des Einzelfalls spielen insbesondere die familiären Verhältnisse des Beschwerdeführers, d.h. seine Bezie- hungssituation, und dabei namentlich die Auswirkungen und Nach- 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 154 teile eines Widerrufs der Niederlassungsbewilligung auf sie eine Rolle. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass der volljährige Beschwerdeführer ledig ist und keine Kinder hat. Obwohl es nach- vollziehbar ist, dass ihm und seinen in der Schweiz lebenden Fa- milienangehörigen (Mutter, Bruder, Stiefvater) eine Wegweisung grosse Mühe bereiten würde, bildet dies keinen Grund, dem Be- schwerdeführer die Niederlassungsbewilligung zu belassen. Dies gilt umso mehr, als er den Kontakt mit seiner Familie - wenngleich ein- geschränkt - auch vom Heimatland aus pflegen kann. Schliesslich besteht - auch nach Massgabe seiner eigenen Darlegungen - nicht der geringste Anhaltspunkt dafür, dass der Beschwerdeführer besonderer Strukturen oder einer besonderen Betreuung bedürfte, die ihm einzig seine Familie bieten könnten. Schliesslich gilt es darauf hinzuweisen, dass nach den Darstellungen des Sozialdienstes W. (Schreiben vom 22. Oktober 2010) die innerfamiliäre Beziehung eher schwierig zu sein scheint und folglich die gegenteiligen Ausführungen in der Be- schwerde bzw. die gegenteiligen Beteuerungen der Familienangehö- rigen entsprechend relativiert werden müssen. Bezüglich der Beziehung zu seiner Mutter, seinem Bruder und seinem Stiefvater kann dem Beschwerdeführer somit bestenfalls ein leicht erhöhtes privates Interesse am weiteren Verbleib in der Schweiz zugebilligt werden. 3.4.3. In persönlicher Hinsicht ist sodann insbesondere auf die wirt- schaftliche Integration des Beschwerdeführers einzugehen sowie auf seine Chancen einer ökonomischen Wiedereingliederung in die hei- matlichen Verhältnisse. Der Beschwerdeführer verfügt über keine Berufsausbildung. Offenbar gelang es ihm im Laufe der letzten Jahre dennoch, diverse Anstellungen zu finden und auszuüben. So war er ab 2006 unter anderem als Betriebsmitarbeiter/Hilfsmonteur, als Gartenarbeiter, als Logistikmitarbeiter und als Betriebsmitarbeiter-Aushilfe im Bereich Wohnungs- und Geschäftsumzüge sowie Räumungen und Entsorgun- gen tätig. Der Beschwerdeführer arbeitete ab dem 24. September 2010 als Call-Agent in B.. Vom 21. Januar 2013 bis 31. August 2013 2013 Migrationsrecht 155 war der Beschwerdeführer bei einem Verlagshaus angestellt, wobei er seit dem 28. Februar 2013 zu 100 % arbeitsunfähig war. Der Be- schwerdeführer vermag über diese Festanstellung kein Arbeitszeug- nis vorzuweisen, sondern hat lediglich eine Arbeitsbestätigung erhal- ten. Seit September 2013 steht der Beschwerdeführer nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis. Der Beschwerdeführer vermochte seinen Lebensunterhalt zeit- weise selber zu bestreiten und war zwischenzeitlich nicht mehr erheblich von der Sozialhilfe abhängig. Mit Ausnahme dieser Unter- brüche musste der Beschwerdeführer aber jeweils vom Sozialdienst W. unterstützt werden. Allein aufgrund der diversen Gelegenheitsar- beiten sowie der Tätigkeit als Call Center Mitarbeiter und in einem Verlagshaus kann keine Rede von einer gelungenen beruflichen Integration sein. Da das Arbeitsverhältnis des Beschwerdeführers mit einem Verlagshaus per Ende August 2013 beendet wurde und der Be- schwerdeführer derzeit keiner Arbeitstätigkeit nachgeht, müsste er bei einem Verlassen der Schweiz kein stabiles Arbeitsumfeld aufge- ben, welches er im Heimatland nicht wieder aufbauen könnte. Dies gilt namentlich in Anbetracht der fehlenden Berufsbildung sowie der langen Erwerbslosigkeit. Aufgrund der schlechteren wirtschaftlichen Bedingungen im Heimatland ist dem Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang bestenfalls ein leicht erhöhtes privates Interesse am weiteren Verbleib in der Schweiz einzuräumen. Über die finanzielle Situation des Beschwerdeführers lässt sich den Akten nichts entnehmen, was sein Interesse am Verbleib in der Schweiz erhöhen würde; im Gegenteil: Insgesamt musste der Be- schwerdeführer bis zum 4. Juli 2013 vom Sozialdienst W. mit einem Betrag von CHF 294'665.25 unterstützt werden, wobei der Unterstüt- zungsumfang pro Monat rund CHF 1'700.00 beträgt. Per Anfang März 2011 wies der Beschwerdeführer zudem Betreibungen von über CHF 6'000.00 sowie offene Verlustscheine von über CHF 18'500.00 auf. Auch das zwischenzeitlich in seiner Festanstel- lung bei einem Verlagshaus erzielte monatliche Nettoeinkommen von CHF 2'150.00 (Stand Oktober 2011) eröffnete ihm keine nen- nenswerten wirtschaftlichen Spielräume. 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 156 Nach Massgabe der wirtschaftlichen Integration besteht somit kein Anlass, dem Beschwerdeführer ein relevant erhöhtes privates Interesse an einem weiteren Verbleib in der Schweiz zuzubilligen. 3.4.4. Zur Feststellung der privaten Interessen des Beschwerdeführers, die gegen einen Widerruf der Niederlassungsbewilligung sprechen, sind weiter mit Blick auf den Grad der Integration insbesondere die sprachlichen Fähigkeiten und das persönliche Umfeld sowie seine Persönlichkeitsentwicklung zu beachten. Zu prüfen ist mithin, ob der Beschwerdeführer bei einem Verlassen der Schweiz in unzumutbarer Weise aus einem sozialen Umfeld herausgerissen bzw. ob er im Hei- matland auf unüberwindbare (Re-)Integrationsprobleme stossen wür- de oder ob durch die Ausreise eine positive Persönlichkeitsentwick- lung zunichte gemacht würde. Der Beschwerdeführer hat die ersten zehn Jahre seines Lebens in Marokko bei seiner Grossmutter verbracht. Dadurch sowie durch die Vermittlung seiner Mutter ist ihm die dortige Kultur vertraut. Ebenso hat er den von seiner Grossmutter gesprochenen Dialekt als Muttersprache erlernt; in arabischer und französischer Sprache kann er sich aber offenbar nicht verständigen. Da der Beschwerdeführer zudem über keine näheren familiären Bindungen mehr zu Marokko verfügt und er demzufolge auf keine Unterstützung vor Ort zählen kann, dürfte ihm die Integration in sein Heimatland nicht leicht fal- len. Diese Schwierigkeiten schliessen indessen eine erfolgreiche Wiedereingliederung keineswegs aus. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer sich immerhin inso- fern in seinem Heimatland zu behaupten weiss, als er 1999 im Zusammenhang mit Unklarheiten mit seinem Pass kurzerhand nach Marokko reiste und die Probleme zu lösen vermochte. Inwiefern der Beschwerdeführer - abgesehen von seinen hier le- benden Familienangehörigen - überdurchschnittlich enge Beziehun- gen pflegen würde, deren Abbruch bei einem Widerruf der Niederlas- sungsbewilligung und einer damit verbundenen Wegweisung zu einer unzumutbaren Entwurzelung führen könnte, ist nicht ersichtlich und wird nicht dargetan. 2013 Migrationsrecht 157 Der Beschwerdeführer macht geltend, er zeige "erstmals Anzei- chen einer deutlichen Besserung" und "diese positive Entwicklung" dürfe nicht durch eine Wegweisung "zunichte gemacht" werden. Zu- dem konsumiere er seit Januar 2010 keine harten Drogen mehr. Dem kann nicht gefolgt werden. Immerhin wurden in der kürzlich unter- suchten Haarprobe Rückstände von Methadon und dessen Abbaupro- dukt nachgewiesen, wobei der Beschwerdeführer die Einnahme methadonhaltiger Medikamente behauptet, jedoch nicht zu begrün- den vermag, unter welchen Umständen er die Medikamente einge- nommen haben will. Nachdem es sich um verschreibungspflichtige Medikamente handelte, ist aus dem Umstand, dass der Beschwerde- führer keinen entsprechenden Nachweis einer ärztlichen Verordnung der Medikamente erbringen konnte, einzig zu schliessen, dass er sich die Medikamente illegal beschafft hatte. Anzeichen einer Besserung liegen damit im Bereich des Drogenkonsums nicht vor. Gleiches gilt für seine Beschäftigungssituation. (...) Seine zeitweise Berufstätig- keit erlaubte es ihm zwar, seinen Lebensunterhalt zwischenzeitlich selber zu finanzieren und nicht mehr erheblich der Sozialhilfe zur Last zu fallen. Derzeit geht der Beschwerdeführer jedoch keiner Erwerbstätigkeit mehr nach und ist zu 100% krankgeschrieben. Dem Bericht der PDAG vom 7. August 2013 lässt sich sodann entnehmen, dass beim Beschwerdeführer eine anamnestisch emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typus diagnostiziert wurde und aus psychiatrischer Sicht zu Beginn eine stationäre oder teilsta- tionäre intensive Behandlung zu empfehlen sei, der Beschwerdefüh- rer sich aber dagegen ausspreche. Zudem wurde gegen den Be- schwerdeführer im Februar 2013 bereits wieder ein Strafverfahren eröffnet. Eine positive Persönlichkeitsentwicklung, die bei einem Verlassen der Schweiz zunichte gemacht würde, ist damit nicht er- kennbar. Insgesamt ist in diesem Bereich einzig aufgrund der zu erwar- tenden Schwierigkeiten, sich wieder im Heimatland integrieren zu können von einem erhöhten privaten Interesse an einem Verbleib in der Schweiz auszugehen. 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 158 3.4.5. Zusammenfassend beruht das private Interesse des Beschwerde- führers an einem weiteren Verbleib in der Schweiz primär auf seiner langen Aufenthaltsdauer in der Schweiz, auf der Beziehung des Be- schwerdeführers zu seinem sozialen Umfeld sowie gewissen, jedoch nicht unüberwindbaren Reintegrationsproblemen im Heimatland und ist als gross zu qualifizieren. 3.5. Bei einer Gesamtwürdigung der sich gegenüberstehenden Inte- ressen ist das sehr grosse öffentliche Interesse an der Entfernung des Beschwerdeführers gegenüber dessen privaten Interesse, weiter in der Schweiz leben zu können, höher zu gewichten. Ausschlaggebend für diese Beurteilung ist letztlich, dass die zahlreichen migrations- rechtlichen Massnahmen über viele Jahre hinweg nichts fruchteten. Der Beschwerdeführer zeigte zwar zwischenzeitlich Anzeichen einer Besserung, war aber nicht in der Lage, zu zeigen, dass er sich nachhaltig ändern kann. Damit sind der Widerruf der Niederlas- sungsbewilligung und die Wegweisung des Beschwerdeführers aus der Schweiz nach nationalem Recht nicht zu beanstanden. (Hinweis: Gegen diesen Entscheid wurde eine Beschwerde beim Bundesgericht erhoben [2C_1113/2013]. Das Verfahren war bei Redaktionsschluss noch nicht abgeschlossen.)
5,613
4,583
AG_VG_001
AG_VG
AG
Northwestern_Switzerland
AG_VG_001_AGVE-2013-32_2013-10-02
http://agve.weblaw.ch/html//AGVE-2013-32.html
https://agve.weblaw.ch/pdf/AGVE-2013-32.pdf
AGVE_2013_32
null
nan
3c9bd15f-ecdf-5856-a579-b26d17a3b6e6
1
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2,007
de
2007 Submissionen 157 [...] 38 Varianten; Qualitätsbewertung; Preisbewertung. - Varianten (§ 16 SubmD): Bei der Beurteilung der Gleichwertigkeit einer Variante mit der Amtslösung kommt der Vergabestelle ein gros- ser Ermessensspielraum zu (Erw. 3.2-3.3). - Allgemeine Ausführungen zum Gesamteindruck genügen den An- forderungen an die Prüfung der Qualitätskriterien mit einer Gewich- tung von 50 % nicht (Erw. 7.1.3-7.5). Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 3. Oktober 2007 in Sachen A. AG gegen den Gemeindeverband V. (WBE.2007.167). Aus den Erwägungen 3. 3.1. (...) 3.2. 3.2.1. Den Anbietenden steht es frei, Offerten für Varianten und Teil- angebote einzureichen (§ 16 Abs. 1 SubmD). Die Vergabestelle be- zeichnet in den Ausschreibungsunterlagen die Mindestanforderungen an Varianten und Teilangebote (§ 16 Abs. 2 SubmD). Das Angebot einer Variante ist ungültig, wenn damit nicht eine Offerte für das Grundangebot eingereicht wird. Ausnahmen von diesem Grundsatz 2007 Verwaltungsgericht 158 sind in den Ausschreibungsunterlagen festzulegen (§ 16 Abs. 3 SubmD). 3.2.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts beinhaltet eine Variante im Sinne von § 16 Abs. 1 SubmD immer eine leis- tungsbezogene Abweichung von den Ausschreibungsbedingungen; mit ihr soll den Anbietern die Möglichkeit eingeräumt werden, von der Amtslösung abweichende, innovative Alternativen anzubieten (AGVE 2003, S. 281). Beim Entscheid, ob sie einer Variante den Zu- schlag erteilen oder auf der von ihr erarbeiteten Amtslösung beharren will, kommt der Vergabestelle ein grosser Ermessensspielraum zu, und sie ist nicht verpflichtet, irgendwelche mit der Variante verbun- denen Risiken in Kauf zu nehmen (AGVE 2001, S. 339 mit Hin- weis). 3.2.3. Nicht unproblematisch ist im Einzelfall die Abgrenzung, ob überhaupt noch eine Variante (des Grundangebots) oder etwas völlig anderes angeboten wird. Auch wird die Vergleichbarkeit der Ange- bote zunehmend erschwert, je weiter sich eine Variante vom Grund- angebot bzw. vom Leistungsverzeichnis entfernt. Aus § 15 Abs. 3 der Vergaberichtlinien (VRöB) zur IVöB ergibt sich, dass die Variante dem Amtsvorschlag bezüglich der technischen Spezifikationen gleichwertig sein sollte, wobei die Gleichwertigkeit von der Anbiete- rin oder vom Anbieter zu beweisen ist (Urteil des Verwaltungsge- richts Zug vom 24. September 1998, in: BR 2000, S. 62; AGVE 2001, S. 338 f.). Ein Sonderfall sind Varianten, die nicht der Erbringung der aus- geschriebenen Leistung dienen bzw. eine andere technische Lösung vorschlagen, sondern einzig eine Reduktion des ausgeschriebenen Leistungsinhalts in quantitativer oder qualitativer Hinsicht zum Ge- genstand haben. Solche Varianten sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich grundsätzlich ebenfalls zu- lässig, da sie der Vergabebehörde Gelegenheit geben, eine allenfalls diskutable Vorgabe nochmals zu überprüfen. Gelangt die Behörde je- doch zum Schluss, dass die Anforderungen entsprechend der Varian- te zu reduzieren sind, muss auch den andern Anbietern Gelegenheit 2007 Submissionen 159 gegeben werden, ihre Offerten im Blick auf die neue Umschreibung des Leistungsinhalts zu ergänzen (Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 17. Februar 2000 [VB.1999.00015], Erw. 8c; Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 20. Juli 2004 [VB.2004.00006], Erw. 2.2.2). Mit der Gelegenheit zur Anpassung der Konkurrenzofferten soll gewährleistet werden, dass die als Variante offerierte Minderleistung nicht zu einem Kostenvor- teil gegenüber den Mitbewerbern ausgenützt werden kann. Diese Ge- fahr besteht allerdings dann nicht, wenn das Angebot, welches die Minderleistung enthält, so weit vor den Angeboten der Mitbewerber liegt, dass es selbst unter Aufrechnung der Preisdifferenz, die für eine volle Leistung zu veranschlagen wäre, noch seinen Vorsprung behält. Denn bei dieser Sachlage werden die Mitbewerber durch die Zulassung des Angebots mit der Minderleistung nicht benachteiligt (Entscheid des Verwaltungsgerichts Zürich vom 20. Juli 2004 [VB.2004.00006], Erw. 2.2.2). 3.3. 3.3.1. Nach den Ausschreibungsunterlagen sind Unternehmervarian- ten zulässig, welche den gesamten Leistungsumfang für den Anlage- bereich A bis H umfassen. Sie müssen in formeller Hinsicht als sepa- rate Beilagen im Register 6 eingereicht und eindeutig gekennzeichnet werden. Sie sind nur unter Einhaltung der folgenden Bedingungen erlaubt bzw. werden nur geprüft, wenn diese Randbedingungen ein- gehalten werden, ausreichend belegt sind und gleichzeitig auch das Originalangebot eingereicht wird: - Varianten müssen hinsichtlich Nutzung, Gebrauchstauglichkeit und Sicherheit dem Hauptangebot entsprechen. - (...) - (...) - Der Unternehmer hat das Leistungsverzeichnis des Bauherrn voll- ständig ausgefüllt einzureichen. - Die Unternehmervarianten müssen alle Angaben enthalten, die zur technischen und finanziellen Beurteilung erforderlich sind. - Nachweis, dass Variante hinsichtlich Nutzung, Sicherheit und Ge- brauchstauglichkeit ein insgesamt gleichwertiges Bauwerk gewährleistet. 2007 Verwaltungsgericht 160 3.3.2. In formeller Hinsicht hat die Beschwerdeführerin ihre Variante nicht - wie verlangt - als separate Beilage im Register 6 (Beilagen des Unternehmers) eingereicht, sondern als zusätzliches Register 8 (Unternehmervariante). Diese unbedeutende Abweichung von Zif- fer 3.1 der Besonderen Bestimmungen wird von der Vergabebehörde allerdings zu Recht nicht beanstandet. Hingegen macht sie Unvoll- ständigkeit des Leistungsverzeichnisses bzw. das Vorliegen lediglich eines Teilangebots geltend, da die Beschwerdeführerin die S100- Karten nicht in das Angebot aufgenommen habe. Der Vorwurf der (formellen) Unvollständigkeit des Leistungs- verzeichnisses der Unternehmervariante geht fehl. Die Beschwerde- führerin hat bei denjenigen Positionen, bei denen die bestehenden Komponenten beibehalten werden sollen, die jeweiligen Stückzahlen und die Preisangaben korrekt mit 0 eingesetzt. Auch liegt kein gemäss Ziffer 3.1 der Besonderen Bestimmun- gen unzulässiges Teilangebot vor. Ein Teilangebot weicht im Gegen- satz zur Variante nicht inhaltlich (qualitativ), sondern lediglich um- fangmässig (quantitativ) vom verlangten Angebot ab; insofern sind Teilangebote grundsätzlich auch ohne gleichzeitige Grundangebote zulässig (zur Unterscheidung zwischen Teilangebot und Unterneh- mervariante siehe AGVE 2000, S. 300 f.). Die Beschwerdeführerin offeriert auch bei ihrer Unternehmervariante den gesamten in der Ausschreibung verlangten Leistungsumfang, wobei sie - aufgrund ihrer Kenntnis der bestehenden Anlage - allerdings die Weiterver- wendung der vorhandenen S100-Karten vorschlägt, aber zudem für die Weiterverwendung dieser Karten die verlangten Garantien ge- währleistet. Insofern weicht das Variantenangebot inhaltlich, aber nicht umfangmässig (quantitativ) vom verlangten Angebot ab. Ein Ausschluss der Unternehmervariante der Beschwerdeführe- rin aus formalen Gründen (Unvollständigkeit des Angebots bzw. un- zulässiges Teilangebot) kommt somit entgegen der Vergabestelle nicht in Betracht. 3.3.3. Gemäss den Ausschreibungsunterlagen müssen Varianten hin- sichtlich Nutzung, Gebrauchstauglichkeit und Sicherheit dem Haupt- 2007 Submissionen 161 angebot entsprechen (siehe vorne Erw. 3.3.1). In Bezug auf das Hauptangebot verlangen die Submissionsunterlagen, dass die Pro- zessstationen und die Netzwerkkomponenten für eine Betriebsdauer von 25 Jahren auszulegen sind. Die Beschwerdeführerin offerierte im Anschluss an die Offertpräsentation in ihrem Schreiben vom 17. August 2006 den kostenneutralen Ersatz von fehlerhaften S100- Ein-/Ausgabekarten innerhalb der nächsten zehn Jahre ab dem je- weiligen Zeitpunkt der Erneuerung der Prozessstation. Die Vergabestelle verneint die Gleichwertigkeit der offerierten Unternehmervariante hinsichtlich Nutzung, Gebrauchstauglichkeit und Sicherheit. Mit dem Erfordernis, dass die Komponenten auf eine Betriebsdauer von 25 Jahren ausgelegt würden, werde nicht verlangt, dass die einzelne S100-Karten je 25 Jahre in Betrieb sein müssten, sondern die Vergabestelle wolle die Sicherheit haben, dass diese Karten bis zum Ablauf der 25 Jahre verfügbar seien. Gerade mit dem Hinweis auf die Garantie von 10 Jahren bestätige die Beschwerde- führerin, dass die Verfügbarkeit eben doch weit weniger als 25 Jahre gewährleistet sei. Die Vergabestelle verweist für ihren Standpunkt auf zwei Schreiben der Beschwerdeführerin vom 28. Mai 2002 und vom 22. Juli 2003, in denen darauf hingewiesen wird, dass der Le- benszyklus des (in der KVA B. eingesetzten) Leitsystems Y. in die Auslaufphase gehe. Die Fabrikation werde in absehbarer Zeit ein- gestellt. In der "Ausverkaufsanzeige" vom 22. Juli 2007 findet sich allerdings der Hinweis, dass die S100 I/O-Karten davon nicht betroffen seien. Seitens der Beschwerdeführerin ist unbestritten, dass die bei der Unternehmervariante beizubehaltenden S100 I/O-Karten jedenfalls zum Teil seit mehr als 12 Jahren im Einsatz sind und folglich - im Gegensatz zu den Karten des Hauptangebots und der Konkurrenzof- ferten (welche entsprechend höhere Kosten ausweisen) - also nicht neu sind. Die Beschwerdeführerin weist in Bezug auf die Betriebs- dauer darauf hin, dass die S100-Karten keine beweglichen, dem Ver- schleiss ausgesetzten Komponenten seien. Solche Karten stünden in anderen Verbrennungsanlagen seit über 25 Jahren in Betrieb. Damit räumt die Beschwerdeführerin stillschweigend ein, dass bei neuen Karten grundsätzlich mit einer künftigen Betriebsdauer von 25 Jah- 2007 Verwaltungsgericht 162 ren gerechnet werden kann. Dies trifft auf die bisherigen Karten, die zum Teil seit 1992 im Einsatz sind, klarerweise nicht zu. Vielmehr ist aufgrund des Alters in verstärktem Mass mit Ausfällen zu rechnen. Insofern kann nicht von einer Gleichwertigkeit der weiter verwen- deten Karten und der neuen Karten gesprochen werden. Als Korrek- tiv vorgesehen ist von der Beschwerdeführerin der kostenlose Austausch von defekten Karten während zehn Jahren. Auch dies führt indessen nicht zu einer Gleichwertigkeit. Vielmehr rechtfertigt sich die Annahme, dass insbesondere für den Zeitraum nach Ablauf der zehnjährigen Garantiefrist mit einem erheblich verstärkten Aus- fall der alten Karten, die dann rund 25 Jahre im Einsatz sein werden, zu rechnen wäre, dürften diese dann doch ihre maximale Lebens- dauer erreicht haben. Weiter sind auch die Befürchtungen der Verga- bebehörde, dass die Verfügbarkeit der (alten) Karten und die Ersatz- möglichkeit bzw. die Ersatzteilverhaltung nicht auf 25 Jahre hinaus sicher sei, durchaus nachvollziehbar und können nicht als gänzlich unbegründet zurückgewiesen werden. Inhalt der Ausschreibung war der vollständige Ersatz und die Ablösung des bestehenden Prozess- systems durch eine neue Anlage. Vor dem Hintergrund des grossen Ermessenspielraums, der der Vergabestelle bezüglich des Entscheides, ob sie eine Variante und die damit verbundenen Risiken berücksichtigen oder auf der Amtslösung beharren will, zukommt (siehe vorne Erw. 3.2.2), ist der Beschluss des Gemeindeverbands V., die Unternehmervariante der Beschwer- deführerin nicht in die Bewertung miteinzubeziehen, aus den vorge- nannten Gründen vertretbar und rechtlich nicht zu beanstanden. Ins- besondere ist darin keine unzulässige Ermessensüberschreitung er- sichtlich. 4.1.-4.2.1. (...) 4.2.2. (...) Bei der Bewertung der Angebote steht im Vordergrund, dass die Beurteilung in sachlich haltbarer und objektiv begründbarer Weise erfolgen muss; andernfalls überschreitet oder missbraucht die Verga- bebehörde das ihr zustehende Ermessen (AGVE 1999, S. 328; AGVE 1998, S. 384). Wegleitend ist sodann für die Bewertung der 2007 Submissionen 163 Angebote der für das gesamte Vergaberecht geltende Grundsatz der Transparenz. Die vorgenommene Bewertung muss sowohl für die Anbietenden als auch für die Rechtsmittelinstanz im Beschwerdever- fahren nachvollziehbar sein. Hat die Vergabestelle Zuschlagskriterien festgelegt und den Anbietenden bekannt gegeben, ist sie verpflichtet, die Angebote anhand dieser Kriterien zu prüfen und zu bewerten. Werden bekannt gegebene Kriterien ausser Acht gelassen, die Be- deutungsfolge umgestellt, andere Gewichtungen vorgenommen oder andere zusätzliche Kriterien herangezogen, die nicht bekannt gege- ben wurden, handelt die Auftraggeberin vergaberechtswidrig und verstösst gegen die Grundsätze der Transparenz und Nichtdiskrimi- nierung (AGVE 1997, S. 352 ff. und S. 358). Klar nicht zulässig ist es somit, bei der Beurteilung der Angebote abweichend von den Ausschreibungsunterlagen auf die Prüfung der einzelnen Zuschlags- kriterien zu verzichten. Über das (formelle) Vorgehen bei der Be- wertung der Offerten anhand der Zuschlagskriterien enthält das Submissionsdekret keine Vorschriften. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts ist die Vergabestelle beim Erstellen einer Be- wertungsmatrix daher weitgehend frei; sie ist im Übrigen auch nicht dazu verpflichtet, eine solche zu verwenden. In erster Linie ist ent- scheidend, dass ein Bewertungs- oder Benotungssystem im Grund- satz sachgerecht und einheitlich ist, d.h. auf alle Anbietenden bzw. auf alle Angebote in gleicher Weise und nach gleichen Massstäben, angewendet wird. Eine differenzierte Prüfung der sach- bzw. quali- tätsbezogenen Kriterien drängt sich sodann besonders auf, wenn für den Zuschlag das Qualitätskriterium den Preis überwiegt. In diesen Fällen gilt es zu verhindern, dass dem Preis eine ausschreibungswid- rige Bedeutung zukommt, indem er trotz seines geringen Gewichts im Ergebnis allein über den Zuschlag entscheidet. Auch der relative Charakter der Zuschlagskriterien ruft grundsätzlich nach einer diffe- renzierenden Bewertung (vgl. VGE III/88 vom 20. Oktober 2003 [BE.2003.00240], S. 12 f.). Im vorliegenden Fall kommt dem Kriterium "Qualität der tech- nischen Lösung" mit einer Gewichtung von 50 % gegenüber dem Anschaffungskosten mit einer Gewichtung von 30 % eine überge- ordnete Bedeutung zu. An die Prüfung der Qualitätskriterien, wie sie 2007 Verwaltungsgericht 164 in der Ausschreibung bekanntgegeben worden sind, sind deshalb er- höhte Anforderungen zu stellen (vgl. AGVE 2000, S. 327). Das heisst insbesondere, dass auf eine nachvollziehbare, differenzierte sachliche Bewertung der von der Vergabestelle in den Ausschrei- bungsunterlagen bekannt gegebenen technischen Teilkriterien nicht verzichtet werden kann. Allgemeine Ausführungen zum Gesamtein- druck, eine fehlende Bewertung oder eine falsche Bewertung der technischen Anforderungen an die Qualität, wie dies vorliegenden- falls offensichtlich geschehen ist, genügen den Anforderungen nicht. Eine solche Bewertung widerspricht nicht nur den eigenen Vorgaben der Vergabebehörde, sondern verletzt auch den Grundsatz der Transparenz. Es ist nicht nachvollziehbar, wie die Vergabestelle die einzelnen Teilaspekte der Kriterien "Systemarchitektur", "Busstruk- turen" und "Redundanzen" bewertet hat und worin die Bewertungs- differenzen zwischen der technischen Lösung der Beschwerdeführe- rin und der Zuschlagsempfängerin begründet sind. Das Verwaltungsgericht beschränkt sich im Rahmen seiner - beschränkten - Kontrollbefugnisse auf die Überprüfung dieser Ge- sichtspunkte; ihm kommt nicht die Funktion einer "Ober-Vergabebe- hörde" zu. Es ist daher nicht Sache des Verwaltungsgerichts, hier eine eigene Bewertung vorzunehmen. Klar erscheint aber, dass in Bezug auf das Angebot der X. AG der Bewertungsabzug beim Sub- kriterium "Busstrukturen" im Vergleich zum Angebot der Beschwer- deführerin über den jetzigen sechs Punkten liegen muss, wird doch ein von der Vergabestelle als wichtig erachteter Aspekt nicht oder je- denfalls nicht in gleichem Mass erfüllt. Folglich hat die Vergabebe- hörde hier eine Neubewertung vorzunehmen, welche auch die unter- schiedlichen Redundanzgrade auf der Leitebene miteinbezieht. 4.2.3.-7.1.2. (...) 7.1.3. Der Vergabebehörde steht bei der Benotung des Zuschlagskrite- riums Preis ein erheblicher Ermessensspielraum zu. In dieses Ermes- sen greift das Verwaltungsgericht nicht ein. Zu prüfen ist dagegen eine allfällige Überschreitung oder ein Missbrauch des Ermessens. Wie eine Bewertungsskala hinsichtlich der Angebotspreise festzule- gen ist, lässt sich nicht in allgemeingültiger Weise bestimmen, son- 2007 Submissionen 165 dern hängt stark von den Umständen des Einzelfalls ab. Eine (sub- missions-)rechtliche Vorgabe, eine Bewertungsmethode zu verwen- den, die auf einer Nullbewertung des teuersten Angebots beruht, be- steht nicht (VGE III/76 vom 23. September 2002 [BE.2002.00247], S. 10). Die Bewertung der Angebotspreise muss jedoch der Ge- wichtung des Kriteriums Rechnung tragen, damit das im Voraus be- kannt gegebene Gewicht tatsächlich zum Tragen kommt. Das be- deutet insbesondere, dass beim Kriterium Preis - ebenso wie bei an- deren Kriterien - nur die tatsächlich in Frage kommende Bandbreite möglicher Werte zu berücksichtigen ist (Urteil des Verwaltungsge- richts des Kantons Zürich vom 18. Dezember 2002 [VB.2001.00095], Erw. 3g und 4b; Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 11. September 2003 [VB.2003.00188], Erw. 4b; Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 24. September 2003 [VB.2003.00207], Erw. 2; zum Ganzen: AGVE 2004, S. 231 ff.; VGE IV/2 vom 26. Januar 2007 [WBE.2006.378], S. 9). 7.5. Das Ziel der Festlegung der Preiskurve muss es sein, die Be- wertung der Angebotspreise so zu bewerkstelligen, dass das im Voraus bekannt gegebene Gewicht des Kriteriums bei der Evaluation auch tatsächlich zum Tragen kommt. Sowohl das Gewicht, das eine Vergabestelle dem Preis als Zuschlagskriterium zulässigerweise zu- misst, als auch die realistischerweise bei den Angeboten zu erwar- tenden Preisspannen sind stark von der Art des zu vergebenden Auf- trags abhängig. Bei einfachen Bau- oder Lieferaufträgen wird dem Preis regelmässig ein eher hohes Gewicht beizumessen sein; ebenso werden sich die Angebotspreise innerhalb eines relativ engen Rah- mens bewegen. Demgegenüber rechtfertigt sich bei komplexen Auf- trägen (anspruchsvolle Konstruktionen, komplexe Dienstleistungsbe- schaffungen) ein höheres Gewicht der qualitativen Aspekte gegen- über dem Preis, der allerdings eine bestimmte Mindestgrenze nicht unterschreiten darf (siehe BGE 129 I 313 f. = Pra 64/2004, S. 368, wo das Bundesgericht diese Grenze bei 20 % festgelegt hat). Erfah- rungsgemäss ist hier bei den Preisen auch mit wesentlich grösseren Bandbreiten zu rechnen. 2007 Verwaltungsgericht 166 Im vorliegenden Fall hat die Vergabebehörde die Qualität in den Vordergrund gestellt und dem Preis bzw. den Anschaffungskosten bewusst ein geringes Gewicht von lediglich 30 % zugemessen. Diese Gewichtung erscheint berechtigt und wird auch von der Beschwerde- führerin nicht in Frage gestellt. Mit der effektiv vorgenommenen Preisbewertung, bei der eine Preisdifferenz von lediglich 5 % zu ei- nem Punkteabzug von 60 % beim Preiskriterium führt, wird dem Preis jedoch, wie auch die Vergabebehörde eingesteht, ein weitaus überhöhtes, ausschreibungswidriges Gewicht beigemessen. Richti- gerweise hätte die Vergabestelle hier ein Bewertungssystem festlegen müssen, das den konkreten Umständen (geringes Gewicht des Prei- ses, nur drei gültige Angebote innerhalb einer Preisspanne von nur 5 %) Rechnung getragen hätte. Der von der Vergabestelle in der Ver- nehmlassung vorgeschlagene Weg, wonach auch der Preis der ausge- schlossenen Anbieterin miteinzubeziehen und mit der Maximalnote 10 zu bewerten wäre, um eine halbwegs realistische Bandbreite der Angebotspreise zu bestimmen, erscheint eine im Rahmen des der Vergabebehörde zukommenden Ermessens noch vertretbare Lösung. Dies auch unter dem Gesichtspunkt, dass die V. AG aus technischen und nicht aus preislichen Gründen - die V. AG hätte mit einem fi- nanziellen Aufwand von Fr. 5'000.-- die technischen Mängel ihres Angebots beheben können (VGE IV/28 vom 5. April 2007 [WBE.2007.20]) - vom Submissionsverfahren ausgeschlossen wurde. Bei der von der Vergabebehörde vorgeschlagenen Lösung würde ein um 40 % teureres Angebot mit der Minimalnote bewertet. Für anspruchsvolle technische Aufträge wie den hier streitigen er- scheint diese Bandbreite zwar recht gering, sie steht aber im Ein- klang mit den vorliegend tatsächlich eingereichten Angebotssum- men, die lediglich um 24 % auseinander liegen. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang allerdings auch das im Jahr 2004 begonnene und schliesslich abgebrochene Submissionsverfahren in der gleichen Sache. Hierbei wurden Angebotssummen zwischen rund 1,9 Mio. und 3,3 Mio. Franken eingereicht, d.h. die Preisspanne betrug damals rund 74 %.
4,448
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AG_VG_001
AG_VG
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Northwestern_Switzerland
AG_VG_001_AGVE-2007-38_2007-10-04
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2014 Kantonale Steuern 97 12 § 40 Abs. 1 lit. a StG Steuerliche Qualifikation eines Leasingsvertrags bzw. der Zinskompo- nente - Kaufcharakter überwiegt, kein Abzug der Zinskomponente Urteil des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 7. November 2014 in Sa- chen KStA gegen A.X. (WBE.2014.145). Aus den Erwägungen 1. Der Beschwerdegegner schloss am 18. April 2012 mit der Ga- rage M. einen mit "Kauf-/Finanzierungsvertrag mit Option Nr. 90000007905 LIBERO" überschriebenen Vertrag betreffend ei- nen Personenwagen "Fiat New Doblo Emotion 2.0 Multijet 135 PS" (1. Inverkehrsetzung am 26. Juni 2011, Kilometerstand 7'500 km) ab. Der "Barkaufpreis" betrug Fr. 26'900.00, an welchen der Beschwer- degegner eine "Baranzahlung" von Fr. 7'000.00 leistete. Der "Rest- kaufpreis" von Fr. 19'900.00 wurde von der F. SA wie folgt finan- ziert: 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 98 Kreditbetrag Fr. 19'900.00 + Teilzahlungszuschlag für 59 Monate (p.a. 6,160 %, effektiver Jahreszins) Fr. 3'960.15 + MWSt 8,0 % auf Teilzahlungszuschlag Fr. 316.80 + Vertragsspesen Fr. 0.00 Totalkredit Fr. 24'176.95 Die Summe von Anzahlung (Fr. 7'000.00) und Totalkredit (Fr. 24'176.95) ergibt einen "Gesamtkaufpreis" von Fr. 31'176.95. Der Beschwerdegegner verpflichtete sich, die Fr. 24'176.95 in 60 aufeinanderfolgenden, jeweils am 1. des Monats fälligen Raten an die F. SA zurückzuzahlen, und zwar in einer ersten Rate von Fr. 607.65, 58 Folgeraten zu je Fr. 290.85 und einer letzten Rate ("Optionszahlung") von Fr. 6'700.00. Ausserdem bestimmte der Ver- trag: "Option: Der Käufer kann anstelle der Optionszahlung das Kaufobjekt zurückgeben und ist lediglich verpflichtet, neben den ge- leisteten Zahlungen aussergewöhnliche Abnützung und Mehrkilome- ter über einer Gesamtfahrleistung von 100'000 km zu bezahlen". Der Beschwerdegegner leistete für April 2012 die erste Rate von Fr. 607.65 und für Mai bis Dezember 2012 acht Raten Fr. 290.85, insgesamt Fr. 2'934.45. Gemäss der Bescheinigung der F. SA vom 17. Januar 2013 betrugen die Zinsen im Jahr 2012 Fr. 665.01. In der Steuererklärung 2012 machte der Beschwerdegeg- ner für diese Zinsen den Schuldzinsenabzug gemäss § 40 lit. a StG geltend. 2. (...) 3. 3.1. Gemäss § 40 lit. a StG werden von den Einkünften die privaten Schuldzinsen im Umfang der nach den §§ 29, 29a und 30 StG steuerbaren Vermögenserträge und weiterer Fr. 50'000.00 abgezo- gen. 2014 Kantonale Steuern 99 Voraussetzung einer steuerlich zu beachtenden Zinsschuld ist das Vorhandensein einer Kapitalschuld, d.h. die nicht unentgeltliche Gewährung oder Vorenthaltung einer Geldsumme oder eines Kapi- tals, wobei dieses Entgelt nach der Zeit und als Quote des Kapitals in Prozenten berechnet wird. Kein Schuldzins im Sinne des Steuerge- setzes liegt dagegen vor, wenn eine Abhängigkeit zwischen Kapital- schuld und Zins fehlt, wie etwa beim Mietzins. Als abziehbare Schuldzinsen gelten nur Leistungen, die rechtlich nicht zur Tilgung einer bestehenden Kapitalschuld dienen (AGVE 2004, S. 122 mit Hinweisen). Im Folgenden ist daher - aufgrund der bestehenden zivilrechtlichen Verhältnisse - zu prüfen, ob eine Kapitalschuld in diesem Sinne vorliegt. 3.2. 3.2.1. Die Grundstruktur des typischen Leasingvertrags lässt sich wie folgt umschreiben: Der Leasinggeber überlässt dem Leasingnehmer auf eine fest bestimmte Zeit ein wirtschaftliches Gut (Leasingobjekt) zur freien Verwendung und Nutzung (aber nicht zum unbeschwerten Haben), wobei das volle Erhaltungsrisiko in der Regel vertraglich auf den Leasingnehmer mitübertragen wird. Hierfür leistet der Leasing- nehmer ein Entgelt, das in Teilleistungen zu entrichten ist (Leasing- raten bzw. Leasingzins). Die kapitalisierten Raten ergeben einen Be- trag, der dem auf Vertragsende verzinsten Verkehrswert (Herstel- lungs- oder Anschaffungskosten plus Gemeinkosten- und Gewinnan- teil) im Zeitpunkt des Vertragsschlusses voll oder teilweise ent- spricht, je nachdem, ob die Parteien einen Voll- oder Teilamortisa- tionsvertrag vereinbart haben. Ob ein Drei-Parteien-Verhältnis, bei welchem ein unabhängiger Dritter (oft eine Leasinggesellschaft) einbezogen wird, der das vom (späteren) Leasingnehmer zunächst beim Händler ausgesuchte Leasingobjekt im Hinblick auf das Leasingverhältnis durch Kauf erwirbt, begriffsnotwendig ist, wird in der Lehre nicht einheitlich beantwortet. Beim Leasing sind zahlrei- che Unterarten und Variationen denkbar; indessen ist nicht alles, was von den Vertragsparteien als Leasingvertrag bezeichnet wird, auch als solcher zu qualifizieren (BGE 119 II 238 = Pra 84/1995, S. 327 f.; Urteil des Bundesgerichts vom 18. Dezember 2008 [4A_404/2008], 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 100 Erw. 4.1.1; M ARC A MSTUTZ /A RIANE M ORIN /W ALTER R. S CHLUEP , in: Basler Kommentar, Obligationenrecht I, 5. Auflage, Basel 2011, Einleitung vor Art. 184 ff. N 59 ff. mit Hinweisen). Die wichtigste Erscheinungsform des Leasings ist das Finanzie- rungsleasing, vorab das Mobilienleasing. Bei diesem ist eine rechtli- che Dreiecksbeziehung charakteristisch. Die Leasinggesellschaft (Leasinggeberin) erwirbt auf eigene Kosten gemäss den Anweisun- gen ihres Kunden (Leasingnehmer) das zu finanzierende Objekt beim Lieferanten, der am Leasingvertrag nicht direkt als Vertragspartei be- teiligt ist. Die Leasinggeberin überlässt den Gegenstand dem Leasingnehmer gemäss der vorstehend beschriebenen Grundstruktur während einer längeren Vertragsdauer von meistens drei bis fünf Jah- ren, die annähernd der voraussichtlichen wirtschaftlichen Lebens- dauer des Gegenstands entspricht. Am Ende der Vertragsdauer kann der Leasingnehmer zwischen mehreren Lösungen wählen: Rückgabe des Gegenstands, Verlängerung des Vertrags, Abschliessen eines neuen Vertrags oder Kauf des Gegenstands zu einem noch zu verein- barenden Preis, wobei die grösseren Leasinggesellschaften davon abgekommen sind, ihren Kunden eine Kaufoption einzuräumen (Ur- teil des Bundesgerichts vom 18. Dezember 2008 [4A_404/2008], Erw. 4.1.1). 3.2.2. Die steuerliche Abzugsfähigkeit des in den Leasingraten enthal- tenen Zinsanteils hängt von den vertraglichen Vereinbarungen ab. Entscheidend ist, ob das Vertragsobjekt nach dem Willen der Ver- tragsparteien zu Eigentum oder nur zum Gebrauch überlassen wurde. Je nachdem ist der Leasingvertrag als mietähnliches Geschäft, dessen Zweck in der Nutzung statt im Kauf liegt (echtes Mobilienfinanzie- rungsleasing), oder als Veräusserungsgeschäft in Form eines Miet- Kauf-Vertrags oder eines Abzahlungsvertrags (unechtes Mobilienfi- nanzierungsleasing) zu qualifizieren. Liegt ein mietähnlicher Vertrag vor, vereinbaren die Vertragsparteien also nicht mehr als eine Ge- brauchsüberlassung, handelt es sich bei den Leasingraten einzig um eine Gegenleistung für die Nutzung des Leasingguts und somit um nicht abzugsfähige Lebenshaltungskosten. Die in der Leasinggebühr enthaltene Zinskomponente stellt keinen abzugsfähigen Schuldzins 2014 Kantonale Steuern 101 dar (vgl. P ETER L OCHER , Kommentar zum DBG, I. Teil, Therwil 2001, Art. 33 N 18; F ELIX R ICHNER /W ALTER F REI /S TEFAN K AUF - MANN /H ANS U LRICH M EUTER , Kommentar zum Zürcher Steuerge- setz, 3. Aufl., Zürich 2013, § 31 N 18) Ist hinter dem Leasingvertrag hingegen ein Veräusserungsgeschäft verborgen, welches letztendlich die Übertragung von Besitz und Eigentum bezweckt, besteht eine Kapitalschuld und die eigentlichen Schuldzinsen (als Teil der Leasingraten) sind abzugsfähig (zum Ganzen: AGVE 2004, S. 123 mit weiteren Hinweisen; D ANIEL A ESCHBACH , in: M ARIANNE K LÖTI -W EBER /D AVE S IEGRIST /D IETER W EBER [Hrsg.], Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, 3. Auflage, Muri-Bern 2009, § 40 N 34 ff.). Nach Art. 18 Abs. 1 OR ist bei der Beurteilung eines Vertrags nach Form wie nach Inhalt der übereinstimmende wirkliche Wille und nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise zu be- achten, die von den Parteien aus Irrtum oder in der Absicht gebraucht wird, die wahre Beschaffenheit des Vertrags zu verbergen. Ungeach- tet der von den Vertragsparteien für den Vertrag gewählten Bezeich- nung ist mithin in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Leasingrate un- ter den Begriff des Schuldzinses i.S.v. § 40 lit. a StG subsumiert wer- den kann. Bei einem echten Leasingvertrag mit Kaufoption des Leasingnehmers bei Ablauf der Vertragsdauer können die Leasingra- ten bis Optionsausübung nicht als Schuldzinsen qualifiziert werden, und nach Optionsausübung müsste - insbesondere bei längerer Ver- tragsdauer - das Periodizitätsprinzip über Gebühr strapaziert werden. Aus steuerlicher Perspektive muss sich der Leasingnehmer daher be- reits bei Vertragsabschluss entscheiden, ob er von der vertraglich ver- einbarten Kaufoption Gebrauch machen will. Nur so kann der Charakter des Geschäfts als Veräusserungsgeschäft als überwiegend betrachtet werden, so dass ein Abzug für den Schuldzinsenanteil der Raten gewährt werden kann (A ESCHBACH , a.a.O., § 40 N 40 f.). Ein Zuwarten mit dem Kaufentscheid bis zum Zeitpunkt des Ablaufs der Leasingdauer ist nicht möglich. Analoges muss gelten, wenn dem Leasingnehmer bei Ablauf der Vertragsdauer nicht eine Kaufoption zusteht, sondern er die Option hat, das Fahrzeug zurückzugeben an- statt die letzte Rate zu bezahlen, denn auch in dieser Konstellation 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 102 steht je nach Ausgestaltung der Option erst bei Vertragsende fest, ob das Eigentum am Fahrzeug tatsächlich auf den Leasingnehmer über- geht. 3.3. 3.3.1. Hier verpflichtete sich die F. SA, der Garage M. nach Ausliefe- rung des Fahrzeugs "Fiat New Doblo Emotion 2.0 Multijet 135 PS" den Restkaufpreis in der Höhe von Fr. 19'900.00 zu bezahlen. Die Übergabe des Fahrzeugs erfolgte direkt an den Beschwerdegegner, während die F. SA (vorläufige) Eigentümerin des Fahrzeugs wurde. Die Garage M. zedierte alle Rechte am Fahrzeug und aus dem mit dem Beschwerdegegner abgeschlossenen Vertrag, insbesondere alle Forderungen und den Eigentumsvorbehalt, an die F. SA. Der Beschwerdegegner hatte der Garage M. gemäss "Kauf-/Finanzie- rungsvertrag" bei Übergabe Fr. 7'000.00 in bar zu leisten und ist vertraglich verpflichtet, der F. SA den Totalbetrag von Fr. 24'176.95 (= Fr. 19'900.00 [Restkaufpreis] + Fr. 3'960.15 [Teilzahlungszuschlag für 59 Monate] + Fr. 316.80 [8 % MWSt auf dem Teilzahlungszu- schlag]) in 60 monatlichen Raten wie folgt zu bezahlen: Eine erste Rate von Fr. 607.65, 58 Folgeraten Fr. 290.85 und eine letzte Rate (sog. Optionszahlung) von Fr. 6'700.00. Anstatt die letzte Rate zu be- zahlen, ist der Beschwerdegegner berechtigt, das Fahrzeug der Ga- rage M. zurückzugeben. Diesfalls hat er neben den bereits geleisteten Zahlungen nur eine Entschädigung für aussergewöhnliche Abnüt- zung und für Mehrkilometer über einer Gesamtfahrleistung von 100'000 km zu entrichten. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegegners wurde ihm das Fahrzeug somit nicht von der Garage M. zu Eigentum übergeben. Dies ergibt sich ohne weiteres aus dem vertraglich vereinbarten Ei- gentumsvorbehalt zugunsten der F. SA, auf welchen der Beschwer- degegner in seinen weiteren Ausführungen hinweist. Vielmehr überliess die F. SA dem Beschwerdegegner auf eine feste Zeit von 59 Monaten das von der Garage M. gekaufte Auto zur freien Ver- wendung und Nutzung, aber nicht zum unbeschwerten Haben, was durch den Eigentumsvorbehalt verdeutlicht wird. Dafür muss der Beschwerdegegner ein Entgelt leisten, das in Teilleistungen zu ent- 2014 Kantonale Steuern 103 richten ist. Bis zur Bezahlung der letzten (60.) Rate, der sog. Op- tionszahlung, steht noch nicht fest, ob der Beschwerdegegner tatsächlich Eigentümer des Fahrzeugs wird. Erst mit Bezahlung der letzten Rate (und gleichzeitiger Nichtausübung der Rückgabeoption) geht das Eigentum am Fahrzeug auf den Beschwerdegegner über. Bei einer Vertragsdauer von 60 Monaten erfolgt demnach während 59 Monaten eine reine Gebrauchsüberlassung. Der Eigentumserwerb steht m.a.W. unter der aufschiebenden Bedingung, dass der Be- schwerdegegner die letzte Rate (Optionszahlung) leistet. Entgegen dem Beschwerdegegner lag somit nicht von Anfang an eine Kapital- schuld vor; dies steht erst dann fest, wenn der Beschwerdegegner die letzte Rate bezahlt. Die Optionszahlung beläuft sich auf Fr. 6'700.00. Das KStA hat ausgeführt, dass dies in etwa dem Verkehrswert des Fahrzeugs nach sechs Jahren Gebrauch (Alter des Fahrzeugs bei Vertragsabschluss knapp ein Jahr, Vertragsdauer fünf Jahre) entsprechen dürfte. Diese tatsächliche Behauptung hat der Beschwerdegegner nicht bestritten und sie ist auch aufgrund der Vertragsgestaltung durchaus plausibel. Gemäss der Optionsklausel (wiedergegeben in Erw. 1.) kann der Be- schwerdegegner dannzumal auf die Zahlung der letzten Rate verzich- ten und dafür das Fahrzeug zurückgeben. Zusätzlich muss er, wenn die Laufleistung des Fahrzeugs über 100'000 km liegt bzw. dieses sonst aussergewöhnlich abgenutzt ist, den Minderwert gegenüber Fr. 6'700.00 entschädigen. Diese Vertragsgestaltung bedeutet, dass sich die F. SA die Bezahlung des Restkaufpreises bzw. die Rückgabe eines Fahrzeugs mit mindestens gleichem Wert (sowie die Entschädi- gung eines allfälligen Minderwerts) garantieren liess. Das deutet da- rauf hin, dass der Vertrag so ausgelegt war, dass die F. SA bei Ver- tragsende, unabhängig in welcher Form, eine Leistung in Höhe des dannzumaligen Verkehrswerts des Wagens erhalten würde. Dann fehlt es aber auch wirtschaftlich betrachtet an einer verbindlichen Kaufentscheidung bei Vertragsabschluss. Vielmehr hatte der Be- schwerdegegner in der Hand, durch den Gebrauch des Fahrzeugs während der Vertragsdauer - insbesondere durch die Laufleistung - die Grundlagen für den Entscheid über die Bezahlung der letzten Rate bzw. die Rückgabe des Fahrzeugs zu beeinflussen. Damit war 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 104 aber der Kaufentscheid bei Abschluss des "Kauf-/Finanzierungsver- trags" mit Option nicht definitiv gefällt, sondern nach wie vor vom Willen des Beschwerdegegners abhängig. Da die Höhe der Options- zahlung nicht offensichtlich unter dem voraussichtlichen dannzuma- ligen Verkehrswert des Fahrzeugs lag, stand damit auch wirtschaft- lich gesehen der Charakter des Vertrags als Gebrauchsüberlassungs- vereinbarung im Vordergrund. Die Vertragsparteien haben ungeachtet der Bezeichnung als "Kauf-/Finanzierungsvertrag" und der darin verwendeten Ausdrücke (z.B. die Bezeichnung des Beschwerdegegners als "Käufer", der Ga- rage M. als "Verkaufsfirma" und des Fahrzeugs als "Kaufobjekt") einen echten Leasingvertrag abgeschlossen. Da der Beschwerdegeg- ner das Eigentum am Fahrzeug während der ganzen Dauer der Ge- brauchsüberlassung (d.h. bis zur Bezahlung der letzten Rate) nicht erwirbt, läuft die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts zwischen den Parteien ins Leere. Eine solche Klausel, verbunden mit dem Ein- trag im entsprechenden Register, erscheint indessen gegenüber Drit- ten gerechtfertigt, verschafft doch ein Finanzierungsleasingvertrag regelmässig dem Leasingnehmer wirtschaftlich die Stellung eines Ei- gentümers, während er der Leasinggesellschaft das rechtliche Eigen- tum am Leasingobjekt zur Sicherung ihrer Forderung belässt (BGE 118 II 150 Regeste 4 und Erw. 6c). An der steuerrechtlichen Qualifikation des Geschäfts als echter Leasingvertrag ändert die Ver- einbarung eines Eigentumsvorbehalts nichts. 3.3.2. Der Beschwerdegegner hat den Nachweis nicht erbracht, dass er sich bereits bei Vertragsabschluss definitiv entschieden hat, von der vertraglich vereinbarten Rückgabeoption keinen Gebrauch zu ma- chen. Nach dem in Erw. 3.2.2. Gesagten kann ihm folglich - wie die Steuerkommission B. zu Recht entschieden hat - kein Abzug i.S.v. § 40 lit. a StG für den Zinsanteil der im Jahr 2012 bezahlten Leasing- raten gewährt werden.
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AG_VG
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AG_VG_001_AGVE-2014-12_2014-11-02
http://agve.weblaw.ch/html//AGVE-2014-12.html
https://agve.weblaw.ch/pdf/AGVE-2014-12.pdf
AGVE_2014_12
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2001 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 221 54 Anstaltseinweisung; Auslegung des Begriffs der schweren Verwahrlosung; Einweisung eines Jugendlichen in eine Arbeitserziehungsanstalt. - Stark einschränkende Auslegung des Begriffs der schweren Ver- wahrlosung (Erw. 2/a und b). - Berücksichtigung des jugendlichen Alters (Erw. 2/c). - Voraussetzungen für die Mitberücksichtigung der seelischen, sitt- lichen oder affektiven Verwahrlosung (Erw. 3/b/aa-cc). - Verhältnis zu anderen Einweisungstatbeständen (Erw. 3/c). - Bei einer drohenden Verwahrlosung muss nicht bis zum Eintritt eines nicht mehr verbesserbaren Zustandes gewartet werden (Erw. 3/d). - Arbeitserziehungsanstalt als geeignete Anstalt (Erw. 5). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 30. Mai 2001 in Sachen M.Z. gegen Verfügung des Bezirksamts Z. Aus den Erwägungen 2. a) Obwohl bei den Gesetzesberatungen eine gewisse Ab- schwächung erfolgte, indem statt der "völligen Verwahrlosung" im bundesrätlichen Entwurf (worauf sich die Botschaft bezieht) der Begriff der "schweren Verwahrlosung" gewählt wurde, hat das Ver- waltungsgericht den Begriff der "schweren Verwahrlosung" stark einschränkend ausgelegt. Es handelt sich hier um Fälle, wo jemand ohne die Versorgung in einen mit der Menschenwürde schlechter- dings nicht mehr zu vereinbarenden Zustand der Verkommenheit geraten würde (Botschaft des Bundesrates vom 17. August 1977 [Botschaft], BBl 1977 II S. 25). Zu bejahen ist dies, wo jemand nicht mehr in der Lage ist, den minimalen Bedürfnissen in Bezug auf Er- nährung und Hygiene nachzukommen, aber auch dort, wo durch die mangelnde Selbstfürsorge die offensichtliche und akute Gefahr einer irreversiblen, schweren Gesundheitsschädigung besteht. Dieser Zu- stand der Verwahrlosung gründet in Hilflosigkeit oder in einem krankheitsähnlichen Verhalten, wodurch die Entscheidungsfreiheit des Betreffenden bereits eingeschränkt ist (Barbara Caviezel-Jost, 2001 Verwaltungsgericht 222 Die materiellen Voraussetzungen der fürsorgerischen Freiheitsentzie- hung, Stans 1988, S. 229 ff.; vgl. zum Ganzen AGVE 1981, S. 145 f.; 1983, S. 117 f.; 1986, S. 196 f.; 1988, S. 253 f.; 1993, S. 313 f.). b) Eine weite Auslegung des Verwahrlosungsbegriffs - unter Einschluss seelischer, sittlicher oder affektiver Verwahrlosung (vgl. Entscheide der Gerichts- und Verwaltungsbehörden des Kantons Schwyz [EGV-SZ] 1983, S. 42) - erscheint problematisch, nament- lich angesichts der nicht rein medizinischen Auslegung der Begriffe Geisteskrankheit und Geistesschwäche (AGVE 1982, S. 140 ff.), wodurch sich auch krasse Auffälligkeiten seelischer und affektiver "Verwahrlosung" erfassen lassen. Es besteht sonst die Gefahr, dass eine Hintertür zur Umgehung der abschliessenden Umschreibung der Einweisungstatbestände geschaffen wird. Der Tatbestand ist also nicht schon dadurch erfüllt, dass eine Person von den hergebrachten Formen bürgerlicher Wohlanständigkeit abweicht (Botschaft, a.a.O. S. 25). Eine fürsorgerische Freiheitsentziehung, welche sich auf das Vorliegen einer seelischen, sittlichen oder affektiven Verwahrlosung stützt, müsste sich auf Fälle beschränken, wo sehr konkrete Aus- sichten bestehen, dem Betroffenen durch das Therapie- und Bil- dungsangebot der Anstalt entsprechend seinen eigenen (wenn auch nicht oder nur unklar geäusserten) Wünschen und Bedürfnissen zu helfen (Gottlieb Iberg, Aus der Praxis des fürsorgerischen Freiheits- entzuges, in: SJZ 79/1983, S. 295 f.; AGVE 1983, S. 117 f.). c) Die Frage, ob wegen der bei Jugendlichen und jungen Er- wachsenen am ehesten bestehenden Beeinflussungsmöglichkeit eine altersabhängige Interpretation des Verwahrlosungsbegriffs zu befür- worten sei, hat das Verwaltungsgericht bisher offengelassen (AGVE 1983, S. 118). Es muss berücksichtigt werden, dass es sich dabei um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt (Eugen Spirig, Zürcher Kommentar Art. 397a - 397f, Zürich 1995, Art. 397d N 90). Ob eine schwere Verwahrlosung vorliegt, lässt sich nicht aufgrund messbarer Grössen feststellen, sondern muss gestützt auf die Bewertung der Einzelumstände und konkreter Vorkommnisse erfolgen; massgeblich ist immer der Zustand der im einzelnen Fall zu beurteilenden Person. Dabei ist auch das Alter derselben zu berücksichtigen. Jugendliche und junge Erwachsene sind stärker beeinflussbar als ältere Personen; 2001 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 223 ihre Entwicklung hängt deshalb entscheidender von geeigneten pä- dagogisch-therapeutischen Massnahmen ab. Von daher gesehen kann unter Umständen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ein fürsorgerisches Tätigwerden im Hinblick auf eine drohende schwere Verwahrlosung in einem früheren Stadium angezeigt sein (R. Furger, Unterbringung Jugendlicher und Erwachsener im Sinne der fürsorge- rischen Freiheitsentziehung aus psychiatrischer Sicht, in: ZVW 38/1983, S. 44 f., 48 ff.; Caviezel-Jost, a.a.O., S. 222, 230 f.). In diesem Sinne ist der Verwahrlosungsbegriff "altersabhängig" auszu- legen. 3. b) aa) Es stellt sich die Frage, ob nebst dem schlechten Zu- stand des Beschwerdeführers bezüglich Körperpflege, Kleidung, Ernährung und Hygiene auch dessen psychische Verfassung, Betäu- bungsmittelkonsum, aggressives Verhalten gegenüber seiner Mutter sowie der Umstand, dass er weder über eine Wohnmöglichkeit noch eine Arbeitsstelle verfügt, mitzuberücksichtigen sind. Eine weite Auslegung des Verwahrlosungsbegriffs - unter vorbehaltlosem Ein- schluss seelischer, sittlicher oder affektiver Verwahrlosung - ist problematisch. (Erw. 2/b vorstehend). Die fürsorgerische Freiheits- entziehung aufgrund einer Auslegung des Verwahrlosungsbegriffs, welcher auch die seelische, sittliche oder affektive Verwahrlosung berücksichtigt, darf nicht zur Umerziehung und Anpassung von Per- sonen, die in ihrer Lebensführung bewusst von den von gesellschaft- lich akzeptierten Verhaltensnormen abweichen und auch bereit sind, die Folgen ihres Verhaltens zu tragen, führen. Eine solche Auslegung des Verwahrlosungsbegriffs ist jedoch dann gerechtfertigt, wenn sie der Fürsorge von Personen dient, die aufgrund ihres psychischen Zustandes oder ihres sozialen Verhaltens in Schwierigkeiten geraten, hilfsbedürftig sind und an ihrem Zustand leiden. Bei einem Clochard oder einem Arbeitsscheuen darf nicht schon allein deswegen von schwerer Verwahrlosung gesprochen werden, weil dieser durch seine Lebensführung der Öffentlichkeit oder der Familie zur Last fällt. Eine schwere Verwahrlosung in seelischer, sittlicher oder affektiver Hinsicht kann jedoch u.U. dann angenommen werden, wenn die betroffene Person selber zu erkennen gibt, dass sie eigentlich ein anderes Leben führen möchte. Dabei muss sich eine solche fürsorge- 2001 Verwaltungsgericht 224 rische Freiheitsentziehung auf Fälle beschränken, wo sehr konkrete Aussichten bestehen, dem betroffenen durch das Therapie- und Bil- dungsangebot der Anstalt entsprechend seinen eigenen (wenn auch nicht oder nur unklar geäusserten) Wünschen und Bedürfnissen zu helfen (Gottlieb Iberg, Aus der Praxis des fürsorgerischen Freiheits- entzuges, a.a.O., S. 295 f.; vgl. Erw. 2/b vorstehend). bb) Der Beschwerdeführer möchte - im Unterschied zu einer Person, die bewusst von gewissen gesellschaftlich akzeptierten Ver- haltensnormen abweicht, wie z.B. einem Clochard oder einem Ar- beitsscheuen - ein von der Gesellschaft akzeptiertes Leben führen. An der Verhandlung erklärte er, dass er sich in der Rekrutenschule wohlgefühlt habe, weil er sich dort als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft gefühlt habe. Der Aufenthalt in der Drogenentziehungs- anstalt Neuenhof habe ihm Mühe gemacht, da er nicht zu den "Schwerstsüchtigen", den "Leuten vom Letten", gehöre. Auch zu den Insassen des Kalchrain, "Leuten aus dem Gefängnis", passe er nicht. Der Beschwerdeführer erklärte, er wolle arbeiten und sich seinen Lebensunterhalt selber verdienen. Er wolle wie ein rechter Bürger seine Leistungen erbringen. Der Lebensstil und das soziale Verhal- ten, welches der Beschwerdeführer bisher zeigte, widerspricht somit seiner eigenen, erklärten Absicht. Da dem Beschwerdeführer die psychische Stabilität und die Entscheidungsfähigkeit abgeht, aus eigener Kraft eine Veränderung in seinem Verhalten herbeizuführen, könnte ihm durch die Einweisung in eine geeignete Anstalt (dazu Erw. 5 nachstehend) die nötige Hilfe angeboten werden, um sich entsprechend den von ihm selber geäusserten Vorstellungen zu än- dern. cc) Dem jugendlichen Alter des Beschwerdeführers ist dabei eine besondere Bedeutung beizumessen (Erw. 2/c vorstehend). Aus entwicklungspsychologischer Sicht kann gesagt werden, dass für den noch jugendlichen Beschwerdeführer bei einem raschen und geziel- ten Eingreifen mit den geeigneten pädagogisch-therapeutischen Möglichkeiten die Aussicht auf eine erhebliche Verbesserung seines Zustandes besteht. Dies wird auch Auswirkungen auf sein subjekti- ves Wohlbefinden haben. Mit zunehmendem Alter wird die Chance für eine Veränderung abnehmen. 2001 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 225 (...) c) aa) aaa) Der Beschwerdeführer konsumierte seit seinem 14. Lebensjahr regelmässig Cannabis. Die Psychiatrische Klinik Königsfelden (PKK) stellte ein Cannabisabhängigkeitssyndrom fest. Ein Entzugsversuch im Jahre 1999 scheiterte. (...) ddd) Ob die beim Beschwerdeführer diagnostizierte Cannabis- abhängigkeit den Tatbestand der "anderen Suchterkrankungen" er- füllt und damit als selbständiger Einweisungstatbestand in Frage kommt, kann offengelassen werden. Der langjährige Cannabiskon- sum, der mindestens an ein Suchtverhalten angrenzt, ist bei der Be- urteilung, ob eine schwere Verwahrlosung vorliegt, angemessen zu berücksichtigen. Dabei ist zu beachten, dass gerade Cannabis die dem Beschwerdeführer ohnehin schon fehlende persönliche Stärke (Erw. bb/aaa-ccc nachstehend) und Selbstdisziplin noch zusätzlich schwächt. bb) aaa) In der PKK wurde beim Beschwerdeführer bereits im Jahre 1999 eine "frühe emotionale Verwahrlosung" festgestellt. Die Diagnose lautete auf "graduelle depressive Entwicklung im Rahmen anhaltender affektiver Störungen (ICD-10 F.34) oder psychotische Störung, vorwiegend depressive Symptome durch psychotrope Sub- stanzen, Cannabinoide (ICD-10 F.54)". Unter Druck könne der Be- schwerdeführer aufgrund seiner Selbstwertproblematik, Verlust- ängsten und traumatischen Erlebnissen aus der Kindheit auch fremd- oder selbstgefährdend werden, wenn er in die Enge getrieben bzw. unter Druck gesetzt werde. Die aktuelle Beurteilung lautete: "Ver- dacht auf kombinierte Persönlichkeitsstörung (emotional instabiler, impulsiver Typus und narzisstisch [ICD-10 F6.10])." bbb) Auch wenn die beim Beschwerdeführer festgestellten psy- chischen Probleme noch nicht den Tatbestand einer Geisteskrankheit oder Geistesschwäche erfüllen, sind sie angemessen bei der Beurtei- lung, ob eine schwere Verwahrlosung vorliegt, zu berücksichtigen. Aus den glaubwürdigen Aussagen der Zeugen und Auskunftsperso- nen an der Verhandlung wurde deutlich, dass dem Beschwerdeführer seine persönlichen Probleme zu schaffen machen. Der Beschwerde- führer leidet an mangelndem Selbstwertgefühl. Dazu gehört auch das Männlichkeitsproblem. Die Mutter hatte in letzter Zeit den Eindruck, 2001 Verwaltungsgericht 226 der Beschwerdeführer entwickle in Bezug auf sein körperliches Pro- blem (Hodenoperation) eine Art Wahnideen. Der Beschwerdeführer selber gab in der Verhandlung zu, dass er in letzter Zeit von diesem Problem stark belastet war und deshalb Mühe hatte, sich um seine Wohnung und seinen Lebensunterhalt zu kümmern. ccc) Aufgrund des Alters des Beschwerdeführers wurde in der Klinik Königsfelden erst eine Verdachtsdiagnose erstellt, da noch die Chance besteht, dass durch Nacherziehung und Therapie an der Per- sönlichkeit des Beschwerdeführers gearbeitet werden kann. Ohne Nacherziehung und Therapie besteht - unter Mitberücksichtigung des anhaltenden Cannabiskonsums - die grosse Gefahr einer baldi- gen chronischen psychiatrischen Erkrankung (Persönlichkeitsstö- rung) mit schlechten Heilungschancen. cc) Für das Verwaltungsgericht steht fest, dass der anhaltende Cannabiskonsum und die psychischen Probleme den Beschwerdefüh- rer in seiner weiteren persönlichen Entwicklung beeinträchtigen. Die Cannabiskonsum hindert ihn daran, selbständig und zuverlässig einer geregelten Arbeit nachzugehen und Ordnung in Bezug auf Kleidung, Wohnung und Hygiene zu halten. Die psychischen Probleme werden durch den Cannabiskonsum eher verstärkt. Dem Beschwerdeführer fehlt die Einsicht, dass ein Verzicht auf den Konsum von Cannabis notwendig ist. Die Entscheidungsfreiheit des Beschwerdeführers ist demnach eingeschränkt; der Beschwerdeführer ist nicht in der Lage, seine Lebensproblematik aus eigener Kraft anzugehen und seine Ziele zu verwirklichen. d) Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Be- schwerdeführer vor seiner Einweisung bezüglich Ernährung und Hygiene in bedenklichen Verhältnissen lebte. Der Beschwerdeführer war offensichtlich nicht mehr in der Lage, für sich selber zu sorgen, was sich dadurch zeigte, dass er seine Mutter belästigte. Zudem ist zu befürchten, dass sich bei ihm ohne geeignete Fürsorge eine bal- dige chronische psychiatrische Erkrankung mit schlechten Hei- lungschancen einstellen würde. Beim Beschwerdeführer besteht auf- grund eines erheblichen psychischen Defizits und seines anhaltenden Cannabiskonsums eine krankheitsähnliche Einschränkung seiner Entscheidungsfreiheit und seines Durchhaltewillens. Diese Ein- 2001 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 227 schränkung führt dazu, dass ohne die zu beurteilende Fürsorge (An- staltseinweisung [Erw. 5 nachstehend]) in absehbarer Zeit ein Zu- stand eintreten würde, der mit der Menschenwürde schlechterdings nicht vereinbar wäre. Bei einer drohenden Verwahrlosung muss nicht bis zum Eintritt eines nicht mehr verbesserbaren Zustandes gewartet werden (Thomas Geiser, in: Basler Kommentar zum Schweizeri- schen Privatrecht, Basel/Genf/München 1999, Art. 397a ZGB N. 10). Aus diesem Grund steht für das Verwaltungsgericht fest, dass beim Beschwerdeführer der Einweisungstatbestand der schweren Ver- wahrlosung gegeben ist. 5. a) Die Unterbringung muss in einer geeigneten Anstalt erfol- gen. Es handelt sich dabei um ein eigenes Tatbestandsmerkmal. Wo eine Anstaltsunterbringung zwar gerechtfertigt und angezeigt wäre, aber keine geeignete und zur Aufnahme des Betroffenen bereite oder verpflichtete Anstalt gefunden werden kann, ist die fürsorgerische Freiheitsentziehung unzulässig (AGVE 1993, S. 317; Iberg, a.a.O., S. 296 f. mit Hinweisen). b) Die Arbeitserziehungsanstalt Kalchrain ist eine sozialpäda- gogische Institution mit individueller pädagogischer und therapeu- tischer Ausrichtung in den Bereichen Verhaltensauffälligkeiten, Per- sönlichkeitsentwicklung, Suchtbehandlung und Berufsausbildung. Während der ersten beiden Stufen befinden sich die Insassen in einer geschlossenen Abteilung. Die Anstalt bietet starke Strukturen und Regeln. Für jeden Bewohner ist das Mitmachen im Therapiepro- gramm "Projekt Suchtgruppe" obligatorisch. Alkohol und illegale Drogen sind verboten. Die Anstalt bietet Möglichkeiten zur psychia- trischen Abklärung und Behandlung. Auch eine psychologische Auf- arbeitung des Mutter-Sohn-Konfliktes könnte durchgeführt werden. Die Anstalt bietet Möglichkeiten der Berufsausbildung. Sobald der Beschwerdeführer in die Stufe des externen Wohnens oder Arbeitens käme, wäre die von ihm gewünschte Ausbildung zum Pfleger grund- sätzlich möglich. Die Anstalt ist zwar primär eine Massnahmeinsti- tution im Sinne des Strafgesetzbuches. Sie bietet aber auch Personen im Rahmen einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung Aufnahme. c) Aufgrund ihres Therapieangebotes, der Ausbildungsmög- lichkeiten und vor allem wegen des anfänglich geschlossenen Rah- 2001 Verwaltungsgericht 228 mens mit starken Strukturen und Regeln ist die Arbeitserziehungsan- stalt Kalchrain zweifellos eine für den Beschwerdeführer geeignete Anstalt.
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AG_VG
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2005 Verwaltungsgericht 234 [...] 47 Ausschluss eines Anbieters vom Verfahren. - Ausschluss wegen unzulässiger Abänderung des Offerttextes. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 8. Juni 2005 in Sachen A. + W. und Mitb. gegen Stadtrat Aarau. 2005 Submissionen 235 Aus den Erwägungen 1. a) Der Stadtrat Aarau begründet den Ausschluss der Be- schwerdeführer damit, dass diese den Offerttext abgeändert und Streichungen vorgenommen, respektive kein Grundangebot einge- reicht hätten. b) In den Ausschreibungsunterlagen ("Administrative Angaben zur Offerte") wurde unter dem Randtitel "Offertbearbeitung" aus- drücklich darauf hingewiesen, dass das Angebot "Ausschreibung GIS-Aufbau und Betrieb" und die Angaben zur Offertausschreibung vollständig ausgefüllt, ohne eigene Abänderungen, Ergänzungen oder Streichungen und mit allen verlangten Unterlagen einzureichen sind. Unvollständig eingereichte Angebote würden von der Aus- schreibung ausgeschlossen. Eventuelle Vorbehalte zum Angebot oder Abänderungsvorschläge seien separat abzugeben. c) Trotz dieser klaren und unmissverständlichen Vorgaben in den Ausschreibungsunterlagen haben die Beschwerdeführer in Ziffer 7.9 des Leistungsverzeichnisses (Daten der amtlichen Vermessung [AV-Daten]) eigenmächtig Streichungen und handschriftlich Än- derungen vorgenommen. Schon deshalb erweist sich der Ausschluss der Beschwerdeführer als begründet. Ein überspitzt formalistischer Entscheid ist darin genau so wenig zu erkennen wie ein Verstoss gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit. Die Beschwerdefüh- rer sind bewusst von den ihnen bekannten Vorgaben der Vergabe- stelle abgewichen. Wenn sie Zweifel an der Zweckmässigkeit der in der Ausschreibung vorgesehenen Lösung hatten, wäre es ihnen unbenommen gewesen, der Vergabestelle ihre Bedenken und Ände- rungsvorschläge - wie von dieser klar verlangt - separat zu unter- breiten. Die von der Vergabestelle in den Ausschreibungsunterlagen gemachten formellen Vorgaben waren für alle Anbietenden ver- bindlich. Würde das vorliegende Abweichen der Beschwerdeführer von den klaren Vorgaben der Vergabebehörde toleriert, läge ein Ver- stoss gegen das Gleichbehandlungsgebot vor, würden doch diejeni- gen Anbieter, welche die Vorgaben eingehalten haben, benachteiligt.
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AG_VG_001
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2000 Verwaltungsgericht 126 [...] 34 Dauer des vorläufigen Führerausweisentzuges. - Notwendigkeit einer abschliessenden Verfügung. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 21. März 2000 in Sachen V.S. gegen Entscheid des Departements des Innern. Aus den Erwägungen b) Das Strassenverkehrsamt wird darauf aufmerksam gemacht, dass der vorläufige Entzug des Führerausweises im Sinne von Art. 35 Abs. 3 VZV eine provisorische Massnahme darstellt und ihre Praxis, solche vorsorgliche Massnahmen über längere Zeit aufrecht zu erhalten, den gesetzlichen Bestimmungen nicht entspricht (vgl. BGE 125 II 396, Erw. 3 a.E.). Dies gilt unabhängig davon, ob ein solches Vorgehen vom Betroffenen beantragt wird. Liegen die mit dem vorsorglichen Entzug angeordneten Abklärungen vor und ergeben diese, dass die Voraussetzungen für einen Sicherungsentzug gegeben sind, ist dieser in einer förmlichen Verfügung anzuordnen. Fehlen die Gründe für einen Sicherungsentzug, ist über die Wiederaushändigung des Führerausweises und damit über den Ab- schluss des Verfahrens betreffend Sicherungsentzug formell zu ent- scheiden. Gaben Widerhandlungen gegen das Strassenverkehrsgesetz Anlass zur Einleitung des Verfahrens, sind die Voraussetzungen für weitere administrative Massnahmen zu prüfen.
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2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 214 [...] 35 Sozialhilfe; Anrechnung hypothetischer eigener Mittel Die unter dem Vorwand des Wegzugs erwirkte Auszahlung eines Frei- zügigkeitsguthabens stellt in Verbindung mit einer objektiv unvernünfti- 2016 Sozialhilfe 215 gen Mittelverwendung und der Verletzung der Meldepflicht ein rechts- missbräuchliches Verhalten dar, welches die Anrechnung hypothetischer eigener Mittel rechtfertigt. Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 28. April 2016 in Sachen A. gegen Sozialkommission B. und Departement Gesundheit und Soziales (WBE.2015.450). Aus den Erwägungen 1.-3. (...) 4. 4.1. Der Rechtsanspruch auf Sozialhilfe besteht nach Art. 12 BV und § 39 KV sowie den gesetzlichen Bestimmungen für die Exis- tenzsicherung gemäss § 4 Abs. 1 SPG i.V.m. § 3 Abs. 1 SPV unter der Voraussetzung, dass eine Notlage besteht und derjenige, der in Not gerät, nicht in der Lage ist, rechtzeitig für sich zu sorgen (vgl. BGE 130 I 71, Erw. 4.3; AGVE 2005, S. 293 mit Hinweisen). Damit wird der Grundsatz der Subsidiarität der Sozialhilfe ausgedrückt. Die Hilfe suchende Person ist verpflichtet, sich nach Möglichkeit selbst zu helfen; sie muss alles Zumutbare unternehmen, um eine Notlage aus eigenen Kräften abzuwenden oder zu beheben (BGE 130 I 71, Erw. 4.1; SKOS-Richtlinien, Kapitel A.4). Zu den zumutbaren und subsidiären Hilfsquellen zählen neben der Möglichkeit der Selbst- hilfe sowie Leistungsverpflichtungen Dritter auch freiwillige Leistungen Dritter, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht wer- den (SKOS-Richtlinien, A.4-2). Nach § 5 Abs. 1 SPG setzt der Anspruch auf Sozialhilfe unter anderem voraus, dass die eigenen Mittel nicht genügen. Als eigene Mittel bezeichnet das Gesetz namentlich Einkünfte und Zuwen- dungen aller Art sowie Vermögen (§ 11 Abs. 1 SPG). Der Vermögensfreibetrag beläuft sich auf Fr. 1'500.00 pro Person (§ 11 Abs. 4 SPV). Voraussetzung der Anrechnung von Einkommen und Vermögen als eigene Mittel ist grundsätzlich die tatsächliche Verfüg- 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 216 barkeit (Tatsächlichkeitsprinzip, vgl. G UIDO W IZENT , Die sozial- hilferechtliche Bedürftigkeit, Zürich/St. Gallen 2014, S. 211 ff.). 4.2. 4.2.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, die monatliche Anrech- nung eines Betrags von Fr. 153.00 als eigene Mittel erfolge rechts- widrig. Er habe mit dem ausbezahlten Freizügigkeitsguthaben von Fr. 23'336.22 unter anderem Privatschulden in der Höhe von Fr. 10'800.00 beglichen. Damit macht der Beschwerdeführer sinnge- mäss geltend, dass eine Anrechnung als eigene Mittel mangels Verfügbarkeit unzulässig sei. 4.2.2. Die Vorinstanz bringt dagegen vor, der Beschwerdeführer habe nicht ausreichend nachgewiesen, dass er den fraglichen Betrag tat- sächlich verbraucht habe. Damit sei die erneute Bedürftigkeit des Beschwerdeführers nicht nachgewiesen. In einem solchen Fall be- stehe grundsätzlich kein Anspruch auf ordentliche Sozialhilfe, son- dern nur ein Anspruch auf Nothilfe i.S.v. Art. 12 BV. 4.3. 4.3.1. Nach § 17 VRPG ermitteln die Behörden den Sachverhalt, unter Beachtung der Vorbringen der Parteien, von Amtes wegen und stel- len die dazu notwendigen Untersuchungen an. Die behördliche Abklärungspflicht bezieht sich dabei nur auf den im Rahmen des streitigen Rechtsverhältnisses rechtserheblichen Sachverhalt. Rechts- erheblich sind alle Tatsachen, von deren Vorliegen es abhängt, ob über den streitigen Anspruch so oder anders zu entscheiden ist. In diesem Rahmen haben Verwaltungsbehörden zusätzliche Abklä- rungen stets dann vorzunehmen oder zu veranlassen, wenn hierzu auf Grund der Parteivorbringen oder anderer sich aus den Akten er- gebender Anhaltspunkte hinreichender Anlass besteht (VGE IV/81 vom 29. November 2012 [WBE.2012.148], Erw. II/3.5). Der Unter- suchungsgrundsatz verpflichtet die rechtsanwendende Behörde dazu, vor der Entscheidfällung den rechtserheblichen Sachverhalt richtig und vollständig abzuklären, sie trägt die Verantwortung für die Beschaffung der Entscheidgrundlagen (AGVE 2002, S. 397 mit Hin- 2016 Sozialhilfe 217 weisen; VGE IV/2 vom 25. Januar 2010 [WBE.2006.455], Erw. II/4.2.4). 4.3.2. § 2 SPG und § 1 SPV regeln die Mitwirkungs- und Melde- pflicht. Danach sind Personen, die Leistungen nach dem SPG geltend machen, beziehen oder erhalten haben, verpflichtet, über ihre Verhältnisse wahrheitsgetreu und umfassend Auskunft zu geben sowie Änderungen der Verhältnisse sofort zu melden (§ 2 Abs. 1 SPG i.V.m. § 1 Abs. 1 und 2 SPV; SKOS-Richtlinien, Kapitel A.5.2). Für die Beweislast gilt im Verwaltungsprozess Art. 8 ZGB analog; die Folgen der Beweislosigkeit trägt jene Partei, die aus dem nicht bewiesenen Sachumstand Rechte ableitet (U LRICH H ÄFELIN /G EORG M ÜLLER /F ELIX U HLMANN , Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Auflage, Zürich/St. Gallen 2016, N 988 mit Hinweisen). 4.4. 4.4.1. Laut Belastungsanzeige der Neuen Aargauer Bank wurden dem Beschwerdeführer Freizügigkeitsleistungen in der Höhe von Fr. 23'336.22 ausbezahlt. Damit verfügte der Beschwerdeführer spätestens dann über den Betrag. Nachdem er seinen Plan, nach Italien auszuwandern, nicht umgesetzt hatte, beglich er mit dem Geld eigenen Angaben zufolge Privatschulden. Soweit der Beschwerde- führer damit geltend macht, er hätte das Freizügigkeitsguthaben be- reits verbraucht, hat er dessen Verwendung, sofern möglich, mit Quittungen nachzuweisen. Als Beleg reichte er der Vorinstanz auf deren Aufforderung hin eine handschriftlich verfasste Zusammenstel- lung der Mittelverwendung ein. Der Zusammenstellung sind die Be- gleichung diverser offener Rechnungen, unter anderem für die Miet- zinse Januar, März, April und Juni, Mietzinskaution und Zahlungen an das Betreibungsamt im Umfang von Fr. 9'737.00 sowie Ausgaben für zweimalige Reisen nach Italien in der Höhe von Fr. 4'400.00 zu entnehmen. Hinsichtlich der Mietzinse für die Monate Januar und März ist fragwürdig, ob der Beschwerdeführer tatsächlich eine Zah- lung getätigt hat; denn die monatliche Verrechnung der zweckentfremdeten materiellen Hilfe von Fr. 190.00 begleicht gerade diese ausgefallenen Mietzinse. Diese Ausgaben sind aber im vorlie- 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 218 genden Verfahren nicht strittig, weshalb die Frage offen bleiben kann. Strittig sind hingegen die vom Beschwerdeführer geltend ge- machten Privatschulden in der Höhe von Fr. 10'800.00. Diesbezüg- lich führt er zwar eine Liste mit Namen von sieben verschiedenen Gläubigern samt Telefonnummern an; es lässt sich den Akten jedoch nicht entnehmen, ob und in welchem Umfang die vom Beschwer- deführer behaupteten Privatschulden tatsächlich bestanden haben. In den Akten befinden sich weder Darlehensverträge noch Quittungen bzw. schriftliche Bestätigungen von Gläubigern für die Tilgung von Schulden. Augenfällig ist an der Gläubigerliste, dass der aufgeführte höchste Betrag von Fr. 8'000.00 zur Schuldentilgung an die in Italien ansässige Mutter des Beschwerdeführers geflossen sein soll. Es kann im Hinblick auf die Grundsätze des Sozialhilferechts zum einen nicht angehen, dass eine unterstützte Person mit anrechenbaren eigenen Mitteln ihre im Ausland wohnhafte Mutter begünstigt, während sie selbst weiterhin zu Lasten des Staats materiell unterstützt wird. Unter den vorliegenden Umständen ist zum anderen die Mittelverwendung für die Begleichung der Privatschulden durch den Beschwerdeführer nicht plausibel. Es ist aufgrund fehlender Belege und der bloss ru- dimentären Angaben des Beschwerdeführers zur behaupteten Schuldenbegleichung nicht erwiesen, dass die bestehenden Mittel tatsächlich verbraucht wurden. Diese Sachverhaltsfrage kann in- dessen offen bleiben. Das Gesamtverhalten des Beschwerdeführers ist, wie nachfolgend aufzuzeigen ist, ohnehin rechtsmissbräuchlich und findet daher keinen Rechtsschutz. 4.4.2. Rechtsmissbrauch liegt insbesondere dann vor, wenn ein Rechtsinstitut zweckwidrig zur Verwirklichung von Interessen ver- wendet wird, die dieses Institut nicht schützen will (vgl. VGE IV/2 vom 27. Januar 2005 [BE.2004.00386], Erw. II/3a und 3b). Im sozialhilferechtlichen Sinne liegt Rechtsmissbrauch dann vor, wenn das Verhalten der unterstützten Person einzig darauf gerichtet ist, in den Genuss von materieller Hilfe zu gelangen (§ 15 Abs. 3 SPV; vgl. auch BGE 121 I 367, Erw. 3d) bzw. wenn jemand eine Notlage be- wusst herbeiführt oder aufrechterhält, um so Sozialhilfeleistungen zu 2016 Sozialhilfe 219 erhalten (P ETER M ÖSCH P AYOT , in: C HRISTOPH H ÄFELI [Hrsg.], Das Schweizerische Sozialhilferecht, Luzern 2008, S. 285). Hinsichtlich der Sanktionierung von Rechtsmissbrauch müssen das Verhältnis- mässigkeitsprinzip und die jeweiligen Sanktionsregeln beachtet wer- den. Grundsätzlich kann ein hypothetisches Einkommen, also das- jenige, welches bei pflichtgemässer Verwertung der eigenen Leistungsfähigkeit erwirtschaftet werden könnte, nicht aufgerechnet werden. Auf die Verletzung der Pflicht, die eigene Arbeitskraft zu verwerten, ist deshalb mit Kürzungen des Grundbedarfs zu reagieren (C LAUDIA H ÄNZI , in: H ÄFELI [Hrsg.], a.a.O., S. 141 f.). Davon zu unterscheiden ist der Fall, wenn die unterstützte Person Einkommen erzielt, diesen Umstand und/oder die Höhe der erzielten Einkünfte je- doch pflichtverletzend verschweigt. Hier ist die Anrechnung eines geschätzten Einkommens zulässig (vgl. H ÄNZI , a.a.O., S. 141 mit Hinweisen). 4.4.3. Der hierzu massgebliche Sachverhalt präsentiert sich wie folgt: Der Beschwerdeführer beabsichtigte eigenen Angaben zufolge, nach Italien auszuwandern, und meldete sich am 27. April 2015 bei der Einwohnerkontrolle B. per 31. Mai 2015 ab. Am 29. April 2015 ging seine Wohnungskündigung per 30. Juni 2015 bei seinem Vermieter ein. Der Vermieter bestätigte den Erhalt, machte den Be- schwerdeführer aber darauf aufmerksam, dass eine ordentliche Kündigung gemäss Mietvertrag erst per 30. September 2015 erfolgen könne. Der Beschwerdeführer könne einen geeigneten Nachmieter vorschlagen oder allenfalls auf eigene Initiative und/oder in Ab- sprache mit dem Vermieter eine Wohnungsanzeige aufgeben. Dass der Beschwerdeführer diesbezügliche Schritte unternommen hat, lässt sich den Akten nicht entnehmen und wurde von ihm auch nicht geltend gemacht. Im Gegenteil: Der Beschwerdeführer lebte weiter- hin in seiner Wohnung, ohne ernsthafte Schritte zur Umsetzung der geplanten Auswanderung zu unternehmen; insbesondere hat er den Haushalt nie aufgelöst oder seine Möbel nach Italien transportieren lassen. Die Wohnungskündigung erfolgte ohne Rücksicht auf die ver- traglichen Kündigungsfristen und -termine. Dem Beschwerdeführer 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 220 musste als ehemaligem Selbständigerwerbenden, welcher unter ande- rem nachweislich von C. nach B. umgezogen war, bekannt sein, dass ein Mietvertrag nicht per sofort und ohne Einhaltung der ordentli- chen Kündigungsfrist beliebig aufgelöst werden kann. Das Verhalten des Beschwerdeführers legt nahe, dass er keine Absicht hatte, aus der Wohnung auszuziehen bzw. jemals die Schweiz definitiv in Richtung Italien zu verlassen. Dies gilt umso mehr, als der Beschwerdeführer sich zwar bei der Einwohnerkontrolle B. abgemeldet hatte, jedoch die Sozialbehörde B., welche seinen Mietzins beglich, nie infor- mierte. Daher wurden - trotz der Verfügbarkeit des Freizügigkeits- guthabens, welches ihm spätestens am 20. Mai 2015 zugeflossen ist - durchgehend Sozialhilfeleistungen ausgerichtet. Da keine Meldung seitens des Beschwerdeführers über die Änderungen seiner finan- ziellen Verhältnisse erfolgte, beglich die Sozialbehörde B. im Nichtwissen um diese erhebliche Tatsache weiterhin den Mietzins und zahlte den Grundbetrag aus. Damit verschwieg der Beschwerde- führer gegenüber der Sozialbehörde B. bewusst seine zumindest vo- rübergehend fehlende Bedürftigkeit und verletzte seine Mitwirkungs- und Meldepflicht nach § 2 Abs. 3 SPG und § 1 Abs. 2 SPV. 4.4.4. Hinsichtlich der behaupteten Schuldenbegleichung ist festzuhal- ten, dass diese, wie die Verwendung für Auslagen, nur dann zu einer Anrechnung führen kann, wenn sich aus den konkreten Umständen objektiv eine unvernünftige Mittelverwendung ableiten lässt. Als un- vernünftig zu qualifizieren sind Schuldenzahlungen oder Ausgaben, welche üblicherweise von Personen in angespannten finanziellen Verhältnissen, welche keine Sozialhilfe beziehen, nicht getätigt wer- den. Der Vorwurf eines nicht haushälterischen Umgangs mit den Ein- nahmen kann jedenfalls nicht allein mit der rechnerischen Differenz zwischen den tatsächlichen Ausgaben und dem Sozialhilfebudget be- gründet werden. Die Anrechnung eigener hypothetischer Mittel rechtfertigt grundsätzlich nur ein Verhalten, welches einzig oder überwiegend auf die Ausrichtung von materieller Hilfe gerichtet ist (vgl. VGE IV/4 vom 13. Februar 2008 [WBE.2007.199], Erw. II/4.4.2). 2016 Sozialhilfe 221 Mit Schreiben vom 12. Juni 2015 wurde der Beschwerdeführer von der Einwohnerkontrolle B. aufgefordert, zwecks Wiederanmel- dung am Schalter vorzusprechen, da offensichtlich kein Wegzug nach Italien stattgefunden hatte. Am 22. Juni 2015 bestätigte der Ver- mieter die Weiterführung des Mietverhältnisses über den 1. Juli 2015 hinaus. Gegenüber der Sozialbehörde B. gab der Beschwerdeführer Ende Juni 2015 an, dass er das Freizügigkeitsguthaben im Mai/Juni 2015 bereits für die Tilgung von Privatschulden verwendet habe. Der noch verfügbare Restbetrag reiche knapp für seinen Lebensunterhalt für den Monat Juli 2015 aus, er könne jedoch den Mietzins für diesen Monat nicht bezahlen. Damit verbrauchte der Beschwerdeführer ge- mäss eigenen Angaben innert eines Monats (20. Mai - Ende Juni 2015) beinahe das gesamte Freizügigkeitsguthaben von Fr. 23'336.22 und ersuchte unmittelbar im Anschluss bei der Sozialbehörde um weitere materielle Hilfe. Bei der behaupteten Ver- wendung des Freizügigkeitsguthabens (siehe vorne Erw. 4.4.1), wel- che bei objektiver Betrachtungsweise nur als unvernünftig bezeich- net werden kann, muss sich der Beschwerdeführer behaften lassen. Es ist treuwidrig, dass eine unterstützte Person in angespannten finanziellen Verhältnissen ihr Altersvorsorgekapital unter dem Vor- wand, die Schweiz definitiv zu verlassen, bezieht, anschliessend mit dem Geld nach Italien reist, Privatschulden in bar tilgt und bereits einen Monat nach der Auszahlung bei der Sozialbehörde um erneute materielle Hilfe ersucht. Gesamthaft betrachtet ist das Verhalten des Beschwerdeführers widersprüchlich und missbräuchlich: Die veranlasste Auszahlung der Altersvorsorge unter dem Vorwand des Wegzugs aus der Schweiz, die Weiterführung des Mietverhältnisses ohne Unterbruch bzw. Aus- zug aus der Wohnung trotz der Abmeldung bei der Einwohnerkon- trolle, die unvernünftige Verwendung des Freizügigkeitsguthabens sowie die Verletzung der Meldepflicht gegenüber der Sozialbehörde bei durchgehender Ausrichtung von Sozialhilfeleistungen trotz vorhandener Eigenmittel lassen bei einer Gesamtwürdigung darauf schliessen, dass das Verhalten des Beschwerdeführers - aus sozialhilferechtlicher Sicht - einzig darauf ausgerichtet war, unter 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 222 Verschleierung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse zusätzlich mate- rielle Hilfe erhältlich zu machen. 4.4.5. Aufgrund der rechtsmissbräuchlichen Verhaltensweise des Be- schwerdeführers ist die Anrechnung hypothetischer eigener Mittel im Betrag von Fr. 153.00 pro Monat nicht zu beanstanden. Die Be- schwerde erweist sich in diesem Punkt als unbegründet.
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2005 Verwaltungsrechtspflege 343 [...] 70 Steuerrekursverfahren. Untersuchungsgrundsatz. - Im Rekursverfahren ist der Gemeinderat, obwohl er gegen den Re- kursentscheid Beschwerde führen kann, nicht Partei mit Mitwir- kungsrechten. - Über eine neue Sachverhaltsdarstellung des beschwerdeführenden Ge- meinderats im Verwaltungsgerichtsverfahren, für welche dieser keine der ihm zugänglichen Beweismittel vorlegt, sondern sich auf Vermu- tungen beschränkt, ist nicht von Amtes wegen Beweis zu erheben. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 21. April 2005 in Sachen Gemeinderat X. gegen Steuerrekursgericht und P.B. Aus den Erwägungen 2. a) Der Gemeinderat beanstandet, das Steuerrekursgericht sei zu Unrecht vom Vorliegen gemeinsamer Anträge aller Verfahrens- beteiligten ausgegangen; es habe dabei übersehen, dass neben den Steuerpflichtigen und dem KStA auch die Einwohnergemeinde X., vertreten durch die Steuerkommission als Veranlagungsbehörde, zu den Beteiligten gehöre. Dieser sei das rechtliche Gehör verweigert 2005 Verwaltungsgericht 344 worden, indem ihr weder die Replik der Steuerpflichtigen noch die Duplik des KStA zugestellt worden seien. c) Vorliegend geht es um die Stellung des Gemeinderats im Re- kursverfahren, wenn dieser nicht selber Rekurs führt. aa) Die Veranlagung der natürlichen Personen erfolgt durch die Steuerkommission der Gemeinde (§ 116 des Steuergesetzes [aStG] vom 13. Dezember 1983), die auch über Einsprachen gegen die Ver- anlagung entscheidet (§ 145, § 148 Abs. 1 aStG). Der Steuer- kommission gehören drei von der Einwohnergemeinde gewählte Mitglieder, ein vom Regierungsrat gewähltes Mitglied sowie - von Amtes wegen - der kantonale Steuerkommissär an (§ 117 Abs. 2 aStG). Das Gemeindesteueramt ist funktionell ein zudienendes und ausführendes Organ der Steuerkommission (vgl. AGVE 2001, S. 380). Der Vorsteher des Gemeindesteueramtes bzw. der Gemein- desteuerbeamte kann der Steuerkommission als Mitglied angehören. bb) Wenn der Steuerpflichtige gegen den Einspracheentscheid der Steuerkommission Rekurs erhebt, sind Vernehmlassungen des Gemeindesteueramtes und des KStA einzuholen (§ 11 Abs. 1 lit. a VStRK). Das Gemeindesteueramt tritt hier an die Stelle der Steuer- kommission (als Vorinstanz), vermutlich wegen der kurzen vorgese- henen Frist von 10 Tagen, die durch die Steuerkommission, welche nur gelegentlich tagt, nicht eingehalten werden könnte. Beim KStA liegt der obligatorische Einbezug ins Rekursverfahren darin begrün- det, dass dieses ganz allgemein den Vollzug des Steuergesetzes zu leiten und für richtige und gleichmässige Veranlagungen (also die kantonsweit gleiche Anwendung des Steuergesetzes) zu sorgen hat (§ 114 f. aStG [auch die Bestimmung von § 139 Abs. 2 aStG dient diesem Zweck]; AGVE 2001, S. 380). Inhaltlich unterscheidet sich die Regelung damit nicht von derjenigen in § 41 Abs. 1 VRPG, wo- nach Beschwerden der Vorinstanz und allen Beteiligten, die durch das Beschwerdebegehren betroffen werden, zur Vernehmlassung zuzustellen sind. Ungeachtet des Umstands, dass der Gemeinderat zur Be- schwerde gegen den Rekursentscheid legitimiert ist (§ 139 Abs. 1 i.V.m. § 145 lit. a aStG), besteht kein Bedürfnis, ihn als "Partei" bzw. Beteiligten im Rekursverfahren mitwirken zu lassen; denn die mate- 2005 Verwaltungsrechtspflege 345 riellen Bestimmungen für die Staats- und die Gemeindesteuern stimmen überein, sodass es ausreicht, wenn das KStA die fiskali- schen Interessen vertritt, und die Interessen der Gemeinde kann, soweit überhaupt notwendig, das Gemeindesteueramt noch mit der Vernehmlassung wahrnehmen. Entgegen der Meinung des Gemein- derats ist es im Übrigen keineswegs ausserordentlich, dass eine Be- hörde, ohne als Beteiligte ins Verfahren einbezogen zu sein, zur Er- hebung eines Rechtsmittels gegen den dieses Verfahren abschliessen- den Entscheid befugt ist (vgl. aus dem Gebiet des Steuerrechts Art. 73 Abs. 2 StHG mit der Beschwerdelegitimation der vorher am Verfahren nicht beteiligten Eidgenössischen Steuerverwaltung; all- gemein Art. 103 lit. b OG). d) Daraus folgt, dass der Gemeinderat im Rekursverfahren nicht Partei bzw. Beteiligter war. Er hatte (ausser der Zustellung des Ent- scheids, die regelmässig an das zur Gemeindeverwaltung gehörende Gemeindesteueramt erfolgt, was genügt) keine Rechte im Verfahren, die hätten verletzt werden können. Analog gilt bezüglich der Steuer- kommission (und des Gemeindesteueramts), dass sich diese - als Vorinstanz - nach der Einreichung der Vernehmlassung auf keine eigenen Verfahrensrechte mehr berufen konnte. e) Der Vergleich, im Verwaltungsrecht ohnehin eher ein Fremd- körper, ist im VRPG und im aStG nicht geregelt. Im Rechtsmittelver- fahren (zur Verständigung ["Vergleich"] im Veranlagungsverfahren vgl. AGVE 2004, S. 135 = StE 2005, B 93.1 Nr. 7, mit ähnlichen Schlussfolgerungen wie nachfolgend) wird nach aargauischer Praxis übereinstimmenden Anträgen der Beteiligten zur Erledigung des Verfahrens ("Vergleich") in der Regel stattgegeben, sofern sich diese aufgrund einer summarischen Prüfung als gesetzmässig erweisen und Zugeständnisse innerhalb des vom Gesetz gewährten Spielraums bleiben (AGVE 1998, S. 346; 1991, S. 383; Kritik bei Michael Mer- ker, Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege [Kommentar zu den §§ 38-72 VRPG], Diss. Zürich 1998, § 58 N 12 ff.). Im vor- liegenden Zusammenhang ist dabei nur von Bedeutung, dass der "Vergleich" das Verfahren nicht abschliesst und die übereinstimmen- den Anträge die urteilende Instanz nicht binden, sondern auch dies- 2005 Verwaltungsgericht 346 falls ein Sachurteil ergehen muss (ebenso, zu Art. 50 ATSG, EVGE vom 14. Januar 2004 [U 161/03], mit weiteren Hinweisen; die Kritik von Merker, a.a.O., § 58 N 14 f., der von anderen Fällen als denjeni- gen der Gerichtspraxis ausgeht, ist jedenfalls in diesem Punkt unzu- treffend). Formell besteht kein Unterschied zu anderen Urteilen. Allerdings wird die sachverhaltsmässige und rechtliche Prüfung in der Regel ungeachtet der Untersuchungs- und Offizialmaxime weni- ger intensiv erfolgen, da davon ausgegangen wird, die am "Ver- gleich" Beteiligten wüssten je ihre unterschiedlichen Interessen zu wahren. Es ist deshalb nicht so, dass die Gemeinde mit ihren fiskali- schen Interessen im Rekursverfahren den "Vergleichsparteien" KStA und Steuerpflichtige schutzlos ausgeliefert gewesen wäre; vielmehr kam das Steuerrekursgericht zur Meinung, das KStA habe bei seinem Antrag auf Gutheissung des Rekurses die Interessen des Fiskus aus- reichend gewahrt, womit der Gemeinderat nicht einig geht. Klar ist indessen, dass sich die nächsthöhere Instanz nicht mit einer summarischen Prüfung begnügen darf, wenn eine am "Ver- gleich" nicht beteiligte Partei das gestützt auf den "Vergleich" ergan- gene Urteil weiterzieht. 3. c) bb) Der Gemeinderat behauptet, die Höherbewertung der Immobilien ab 1998 beruhe nicht auf der Aktivierung von Investitio- nen, sondern auf der Auflösung stiller Reserven zwecks Aufwertung und Gewinnausweis, weshalb die ausgeschütteten Dividenden als Substanzdividenden anzusehen seien. Dies wird nicht belegt und von den Steuerpflichtigen bestritten. Das für die Veranlagung der B. AG zuständige Steueramt des Kantons Solothurn hat den Steuerbehörden X. alle verlangten Unterlagen über die B. AG umgehend zur Verfü- gung gestellt. Der Gemeinderat hätte die Möglichkeit und mehr als genügend Zeit gehabt, seine (in seiner letzten Rechtsschrift aufge- stellte) neue Sachverhaltsdarstellung durch Einholung der Erfolgs- rechnungen und Kontenblätter zu belegen. Er sah, obwohl die Be- weislast für steuerbegründende und -erhöhende Tatsachen beim Fis- kus bzw. in der hier vorliegenden Konstellation eben beim Gemein- derat liegt (AGVE 1997, S. 201), davon ab und stellte nicht einmal einen entsprechenden Beweisantrag. Er beschränkte sich stattdessen unter Bezugnahme auf den - in keiner Weise beweisbildenden, zumal 2005 Verwaltungsrechtspflege 347 die Behauptung, Brandversicherungswerte würden bei Neuinvesti- tionen laufend angepasst, gerichtsnotorisch falsch ist - gleich geblie- benen Brandversicherungswert bewusst auf reine Vermutungen ("... ist davon auszugehen, dass diese Aufwertungen auf den Immobilien aus Auflösung von stillen Reserven und nicht aus wesentlichen Investitionen stammen."). Bei solcher Prozessführung sieht sich das Verwaltungsgericht nicht veranlasst, die vom Gemeinderat bewusst nicht eingebrachten Beweisstücke selber einzuholen. Vielmehr hat die Behauptung, die Gewinne in den Geschäftsjahren 1998 und 1999 seien durch Auflösung stiller Reserven und damit aus der früher er- wirtschafteten Substanz erzielt worden, aufgrund berechtigter Zwei- fel als unbewiesen zu gelten.
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2005 Verwaltungsgericht 252 [...] 52 Ausschluss eines Anbieters vom Verfahren. - Zulässigkeit des Ausschlusses trotz fehlender Selbstdeklaration auf- grund besonderer Umstände verneint (Erw. 1-3). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 25. Oktober 2005 in Sachen B. AG gegen Gemeinderat Wohlen. Aus den Erwägungen 1. 1.1. Die Vergabestelle hat das Angebot der Beschwerdeführe- rin gestützt auf § 28 Abs. 1 lit. g SubmD (Verletzung wesentlicher Formvorschriften) sowie die Bestimmungen in den Ausschrei- bungsunterlagen, wonach unvollständige Offerten bei der Arbeits- vergebung nicht berücksichtigt würden bzw. abgeänderte oder un- vollständig ausgefüllte Offerten (Preisangaben, Referenzen und 2005 Submissionen 253 Selbstdeklaration) von der Submission ausgeschlossen würden, für ungültig erklärt und von der Bewertung ausgeschlossen. Nach Dar- stellung der Vergabebehörde lag dem Angebot der Beschwerdeführe- rin die verlangte Selbstdeklaration nicht bei. In der Offerte habe der ganze Vorbeschrieb mit den Seiten 14 bis 22 gefehlt. Die Beschwer- deführerin bestreitet, dass ihr Angebot unvollständig gewesen sei. Sie macht geltend, die Submissionsunterlagen mit Begleitschreiben am 21. Juli 2005 fristgerecht eingereicht zu haben. Sämtliche gefor- derten Unterlagen seien mit dem Angebot verschlossen korrekt ein- gereicht worden, inkl. der Selbstdeklaration. Die Beschwerdeführerin vertritt des weiteren die Auffassung, selbst wenn die Selbstdeklara- tion tatsächlich gefehlt hätte, so hätte die Gemeinde sie auf das Fehlen der fraglichen Blätter aufmerksam machen und eine Nachfrist für das Einreichen ansetzen müssen, da es offensichtlich gewesen wäre, dass ein Versehen vorliege. 1.2. Die Frage, ob die Beschwerdeführerin die Offertunterlagen - wie von ihr behauptet - vollständig, d.h. insbesondere einschliess- lich der Seiten 19 - 21 (Selbstdeklaration), eingereicht hat und diese Seiten in der Folge bei der Vergabebehörde anlässlich der Offertöff- nung oder -auswertung abhanden gekommen sind, oder ob die Be- schwerdeführerin es aus irgend einem Grund unterlassen hat, diese Seiten miteinzureichen, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr zuverlässig klären. Es steht hier Behauptung gegen Behauptung. Denkbar sind jedenfalls beide Möglichkeiten. Die Frage, welche Partei die aus der Beweislosigkeit resultierenden Konsequenzen zu tragen hätte, kann aber letztlich offen bleiben, wie sich aus den fol- genden Erwägungen ergibt. 2. 2.1. 2.1.1. Die Vergabestelle schliesst u.a. Angebote, die we- sentliche Formvorschriften verletzt haben, vom Verfahren aus (§ 28 Abs. 1 lit. g SubmD). Gemäss § 14 Abs. 1 SubmD müssen die An- bietenden ihre Anträge auf Teilnahme und ihr Angebot schriftlich, vollständig und fristgerecht einreichen. Gemäss der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts ist die Vergabebehörde befugt, mangelhafte Angebote, zu denen auch unvollständige Angebote, bei denen An- gaben zu wesentlichen Punkten fehlen, oder offensichtlich nachlässig und unsorgfältig abgefasste Offerten, aus dem Verfahren aus- 2005 Verwaltungsgericht 254 zuscheiden. Sind die Mängel von eher untergeordneter Natur und nicht derart erheblich, dass sich ein Ausscheiden rechtfertigt, sind sie im Rahmen der Offertbereinigung gemäss § 17 SubmD zu besei- tigen, um die Angebote miteinander vergleichbar zu machen. Dies gilt vor allem für offensichtliche Rechnungsfehler, welche die Verga- bestelle sogar von sich aus korrigieren darf (§ 17 Abs. 3 SubmD), aber auch für andere offensichtliche Irrtümer, wie z.B. das Fehlen einer im Beilagenverzeichnis erwähnten Beilage. Die Bereinigung kann unter Umständen auch zusätzliche Abklärungen bei einzelnen Anbietern erforderlich erscheinen lassen. Die Vergabebehörde ist daher jedenfalls befugt, im Rahmen einer Offertbereinigung Rück- fragen zu machen, ohne sich deswegen bereits dem Vorwurf der An- nahme eines unzulässigen Abgebots (falls sich die Angebotssumme reduziert) oder einer sonstigen Wettbewerbsverfälschung auszu- setzen. Anderseits haben solche Rückfragen aus eben diesem Grund mit der nötigen Zurückhaltung und Sorgfalt (siehe § 17 Abs. 2 SubmD) zu geschehen. Grundsätzlich ist es Sache des Anbieters, der Vergabebehörde ein vollständiges, klar und unmissverständlich for- muliertes Angebot einzureichen, das keine zusätzlichen Abklärungen erforderlich macht. Beim Entscheid darüber, ob ein Angebot von vornherein auszuscheiden oder aber - allenfalls mittels Rückfragen - zu bereinigen ist, kommt der Vergabebehörde ein erhebliches Ermessen zu. Sie muss aber in jedem Fall alle Anbietenden gleich behandeln (AGVE 1998, S. 399 f.; 1999, S. 342 ff.). Ungenügende, weil fehlerhafte oder unvollständige Offertunterlagen gestatten den Ausschluss des Angebots von der Vergabe; betrifft die Unvollstän- digkeit wesentliche Punkte des Angebots, muss es sogar ausge- schlossen werden (AGVE 1999, S. 345 ff.). Insofern liegt ein ähnli- cher Sachverhalt vor wie bei einem bei der Vergabestelle verspätet eingetroffenen Angebot, welches von Gesetzes wegen zwingend ausgeschlossen werden muss (§ 15 Abs. 3 SubmD). 2.1.2. Zu beachten sind anderseits aber auch der Grundsatz der Verhältnismässigkeit und das Verbot des überspitzten Formalismus. So darf ein Anbieter wegen unbedeutender Mängel der Offerte nicht ausgeschlossen werden; ein Ausschlussgrund muss vielmehr ein gewisses Gewicht aufweisen. So dürfen nach der Rechtssprechung 2005 Submissionen 255 des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich nur wesentliche Mängel zu einem Ausschluss führen; das Fehlen einer Referenzliste, auf die im Beilagenverzeichnis verwiesen worden ist, stellt keinen wesentli- chen Mangel dar, der die Vergabebehörde zum Ausschluss berechtigt (Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 23. No- vember 2001 [VB.2001.00215], E. 7.). Die Formvorschriften sind wohl streng auszulegen, gleichwohl aber nicht absolut zu verstehen. Eine gewisse Zurückhaltung im Hinblick auf einen Ausschluss drängt sich bei untergeordneten Mängeln auf. Ziele des öffentlichen Beschaffungsrechts sind die Förderung des wirksamen Wettbewerbs unter den Anbietenden, die Gewährleistung der Gleichbehandlung aller Anbietenden, die Sicherstellung der Transparenz der Verfahren sowie die wirtschaftliche Verwendung öffentlicher Mittel. Durch den Ausschluss von an sich wirtschaftlich günstigen, aber mit kleineren rein formellen Mängeln behafteter Angebote würde der Wettbewerb verzerrt und wäre die wirtschaftliche Verwendung öffentlicher Mittel nicht mehr gewährleistet. Die Frage, ob ein mit Mängeln behaftetes Angebot vom Wettbewerb auszuschliessen ist oder nicht, kann dabei nicht in generell-abstrakter Weise beantwortet werden, sondern ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles nach Massgabe der übergeordneten Grundsätze zu prüfen (siehe Entscheid des Verwal- tungsgerichts des Kantons Graubünden vom 13. November 2001 [U 01 121], E. 1 a und b). 2.2. 2.2.1. Vorliegend ist die Vergabebehörde der Auffassung, beim Angebot der Beschwerdeführerin hätten die Angaben be- treffend Selbstdeklaration gefehlt, was zum Ausschluss führen müs- se, zumal dies in den Ausschreibungsunterlagen so bekannt gegeben worden sei. Aus der der Vernehmlassung beigelegten Offertkopie der Beschwerdeführerin geht hervor, dass die Seiten 14 bis und mit 22 fehlen. Bei den Seiten 14 - 18 handelt es sich um das Kapitel "6. Allgemeinen Informationen zum Bauvorhaben". Dieses Kapitel diente lediglich zur Information der Anbietenden, welche hier kei- nerlei Angaben machen mussten. Das Kapitel "7. Selbstdeklaration" umfasst die Seiten 19 - 22. In diesem Kapitel hatten die Anbietenden Angaben zum Unternehmen, zum Personalbestand in den letzten drei Jahren, zum Auftragsverantwortlichen, zum Verantwortlichen auf der 2005 Verwaltungsgericht 256 Baustelle, zum Personaleinsatz, zur Ausführungszeit, zum QM- System, zu den Referenzen, zur Einhaltung der Sozialgesetzgebung, der Zahlpflichten, der Umweltschutz- / Gewässerschutzgesetzgebung sowie zu den Zulieferanten / Unterakkordanten zu machen. Die gemachten Angaben waren am Schluss unterschriftlich zu bestätigen. 2.2.2. Die Beschwerdeführerin hat ihrem Angebot ein Zertifikat ISO 9001:2000, eine umfangreiche Referenzliste, ein Organigramm, ein Blatt mit Angaben zur Personalstruktur und zum Maschinenpark sowie ein Firmen-Leitbild beigelegt. Von den möglicherweise feh- lenden Seiten 14 - 22 abgesehen, erscheint das Angebot insgesamt vollständig und sorgfältig abgefasst. Das Fehlen der genannten Sei- ten, wenn es denn überhaupt der Beschwerdeführerin anzulasten ist, erscheint damit eindeutig als ein offensichtliches Versehen oder eine Unachtsamkeit der Beschwerdeführerin. Hingegen kann nicht davon ausgegangen werden, die Be- schwerdeführerin habe diese Seiten bewusst nicht beigelegt, weil sie die entsprechenden Angaben nicht machen wollte. Für das Vorliegen eines Versehens spricht einerseits das Fehlen auch der für die Bewertung völlig irrelevanten Seiten 14 - 19 und anderseits die wesentliche Tatsache, dass die nachgefragten Angaben in der Selbst- deklaration nichts enthalten, aus deren bewusstem Verschweigen sich die Beschwerdeführerin irgendeinen Vorteil hätte verschaffen können. Aus der im Rahmen des Beschwerdeverfahrens eingereich- ten Selbstdeklaration geht hervor, dass sie die verlangten Angaben ohne Probleme machen konnte. Die Beschwerdeführerin hatte mithin keine Veranlassung, diese Angaben nicht zu machen. Ein weiteres Indiz für ein mögliches Versehen ist der Umstand, dass die besagten Seiten als solche fehlen und nicht lediglich einzelne dort verlangte Angaben nicht gemacht worden sind. Die Vergabestelle hätte daher erkennen müssen, dass das Fehlen der Angaben zur Selbstdeklaration bzw. die teilweise Unvollständigkeit der Offerte von der Beschwer- deführerin nicht beabsichtigt war, sondern auf einem offensichtlichen Versehen beruhte und dass die Angaben rasch und ohne Aufwand hätten nachgereicht werden können. Von einem wesentlichen Mangel kann unter diesen Umständen nicht gesprochen werden. Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit und das Verbot des überspitzten 2005 Submissionen 257 Formalismus hätten es daher geboten, dass die Vergabestelle es der Beschwerdeführerin im Rahmen der Offertbereinigung ermöglicht hätte, die fehlenden Seiten betreffend die Selbstdeklaration noch nachzureichen. Der Ausschluss des Angebots der Beschwerdeführe- rin erweist sich damit als nicht gerechtfertigt. 2.2.3. Wäre ein Ausschluss in Fällen wie dem vorliegenden, d.h. beim Fehlen einzelner Offertseiten oder einzelner Beilagen, ohne weitere Abklärungen zulässig, so hätten es - worauf die Beschwerde- führerin an sich zu Recht hinweist - die Vergabestellen in der Hand, einen aus irgendwelchen Gründen unerwünschten Anbieter zu elimi- nieren, indem sie vorbringt, es hätten Bestandteile des Angebots gefehlt. 3. Zusammenfassend erweist sich der mit dem Fehlen der Selbstdeklaration begründete Ausschluss der Beschwerdeführerin vom Verfahren als ungerechtfertigt. Der an die ARGE A. AG / O. AG erteilte Zuschlag ist aufzuheben, und das Angebot der Beschwer- deführerin ist ebenfalls in die Offertbewertung miteinzubeziehen. Die Beschwerde erweist sich somit als begründet, weshalb sie gutzuheissen ist.
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2009 Verwaltungsgericht 144 [...] 30 Abzugsfähige Fahrtkosten bei fixen und flexiblen Arbeitszeiten; Zumut- barkeit der Nutzung einer Park & Ride-Variante - Der zeitliche Mehraufwand ist für Tage mit fixen und flexiblen Ar- beitszeiten separat zu berechnen (Erw. 4.4). - Der zumutbare zeitliche Mehraufwand von 60 Minuten gilt auch für die Benützung einer Park & Ride-Variante (Erw. 4.4.2.). Urteil des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 2. Dezember 2009, in Sa- chen K. (WBE.2009.265). 2009 KantonaleSteuern 145 Aus den Erwägungen 4. 4.1 Nach der Rechtsprechung wird der bei der Benützung des öf- fentlichen Verkehrs im Vergleich zum Privatfahrzeug resultierende zeitliche Mehraufwand als zumutbar erachtet, wenn dieser weniger als eine Stunde pro Tag beträgt. Die genannte Zeitersparnis von einer Stunde stellt einen Richtwert dar, der nicht sklavisch zu befolgen ist. Massgebend sind die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Quantität (Fahrplandichte) und Qualität (direkte Verbindungen, S-Bahn oder Bummelzüge) des Angebots an öffentlichen Verkehrs- mitteln, die Umsteigeverhältnisse und die Distanzen zu den Halte- stellen. Lässt sich bei Benützung des Privatfahrzeugs mehr als eine Stunde pro Tag einsparen, so deutet dies indessen auf ungenügende öffentliche Verbindungen hin (vgl. AGVE 2005, S. 364 f.; AGVE 2008, S. 75 f.). 4.2. Die Vorinstanz berechnete bei der "Park & Ride" - Variante für die Strecke von der Wohnadresse des Beschwerdeführers in Menziken zum Arbeitsplatz eine Fahrdauer von 99 Minuten (22 Mi- nuten für den Weg mit dem Privatfahrzeug von der Wohnadresse des Beschwerdeführers in Menziken zum Bahnhof in Sursee, 8 Minuten für die Parkplatzsuche, die Bedienung der Parkuhr und den Fussweg zum Bahnsteig, 61 Minuten für die Zugfahrt von Sursee nach Oster- mundigen und 8 Minuten für die Strecke vom Bahnhof Ostermundi- gen zum Arbeitsort in Bern an der O. strasse). Für die Berechnung der Wegstrecke von Sursee nach Ostermundigen berücksichtigte die Vorinstanz die schnellsten Zugverbindungen mit Abfahrt um 6:15 Uhr bzw. 7:15 Uhr (vgl. vorinstanzlicher Entscheid, Erw. 4.5.1.). Für den Rückweg vom Arbeitsplatz des Beschwerdeführers bis zur Wohnsitzadresse ermittelte die Vorinstanz eine Reisezeit von 100 Minuten (8 Minuten Gehweg zum Bahnhof Ostermundigen, 3 Minuten Sicherheitszuschlag, 64 Minuten Zugfahrt von Ostermun- digen nach Sursee, 3 Minuten Fussmarsch vom Bahnhof in Sursee bis zum Auto und 22 Minuten Autofahrt vom Bahnhof Sursee bis zur 2009 Verwaltungsgericht 146 Wohnsitzadresse in Menziken). Für die Berechnung der Wegstrecke von Ostermundigen nach Sursee stellte sie wiederum auf die schnellsten Zugverbindungen mit Abfahrt um 16:40 Uhr, 17:40 Uhr bzw. 18:40 Uhr ab (vgl. vorinstanzlicher Entscheid, Erw. 4.5.2.). Insgesamt beträgt die errechnete tägliche Reisedauer 199 Mi- nuten (99 Minuten plus 100 Minuten). Für die Fahrdauer mit dem Privatfahrzeug von der Wohnsitz- adresse des Beschwerdeführers zum Arbeitsort ging die Vorinstanz aufgrund ihrer Berechnung im "TwixRoute" ("schnellste Route") von 78 Minuten pro Weg bzw. 156 Minuten pro Tag aus. Aus der Benützung des Privatautos für den Arbeitsweg schloss die Vorinstanz gegenüber der schnellsten Verbindung mit dem öf- fentlichen Verkehr bei der "Park & Ride" - Variante eine tägliche Zeitersparnis von 43 Minuten (199 Minuten minus 156 Minuten). 4.3. Gegen die Berechnungen der Vorinstanz bringt der Beschwer- deführer im Wesentlichen vor, die Arbeitszeitregelung beim Help- desk sei fix und nicht flexibel. Er führt aus, er müsse bereits um 7:00 Uhr am Arbeitsplatz sein, wenn er zum Frühdienst beim Helpdesk eingeteilt sei und könne daher nicht, wie von der Vorinstanz vorge- schlagen, den Zug in Sursee um 6:15 Uhr mit Ankunft in Ostermun- digen um 7:16 Uhr nehmen. Als Beweis für den Arbeitsbeginn und das Arbeitsende beim Helpdesk-Dienst legte er eine schriftliche Be- stätigung des Arbeitgebers ins Recht (Eingabe des Beschwerdefüh- rers vom 3. August 2009). 4.4. 4.4.1. Gemäss dem Personaleinsatzplan war der Beschwerdeführer im Jahr 2006 an 24 Tagen zum Helpdesk-Frühdienst (7:00 Uhr bis 12:30 Uhr) und an einem Tag zum Helpdesk-Spätdienst (12:30 Uhr bis 18:00 Uhr) eingeteilt. An den übrigen 195 Arbeitstagen war er hin- gegen nicht für den Helpdesk zuständig. Wie es sich mit der Zumut- barkeit der Nutzung der "Park & Ride" - Variante verhält, ist für die 195 Arbeitstage ohne Helpdesk-Dienst, die 24 Tage mit Helpdesk- Frühdienst und den einen Tag mit Helpdesk-Spätdienst separat zu prüfen. 2009 KantonaleSteuern 147 4.4.2. Für die 195 Tage ohne Helpdesk-Dienst macht der Beschwerde- führer nicht geltend, er sei an fixe Arbeitszeiten gebunden gewesen. Er konnte somit an diesen Tagen den Beginn und das Ende seiner Arbeit frei bestimmen und hätte auch die von der Vorinstanz bei ihrer Berechnung berücksichtigten Zugverbindungen wählen können (vgl. vorinstanzliches Urteil, Erw. 4.5.1. f.). Für die 195 Tage ist somit für die Berechnung des zeitlichen Mehraufwands auf die von der Vorin- stanz gewählten Zugverbindungen abzustellen. Das Verwaltungsgericht hat die Berechnungen der Vorinstanz auf ihre Richtigkeit überprüft und festgestellt, dass diese die Dauer der Autofahrten von Menziken nach Sursee sowie von Menziken nach Bern im "TwixRoute" nicht mit derselben Methode ermittelt hat. Während die Vorinstanz die Strecke zwischen Menziken und Sursee anhand der "kürzesten Route" berechnet hat, ging sie bei der Ermittlung der Reisezeit von Menziken nach Bern von der "schnells- ten Route" aus. Um einen verlässlichen Vergleich zwischen der Rei- sedauer mit dem Privatfahrzeug und der "Park & Ride" - Variante zu erhalten, ist die Berechnung anhand derselben Methode vorzuneh- men. Da davon ausgegangen werden kann, dass der Beschwerdefüh- rer den schnellsten Weg wählen würde, ist die Fahrdauer anhand der "schnellsten Route" zu ermitteln. Der Weg zwischen Menziken und Sursee beansprucht demnach nicht 22 Minuten, sondern lediglich 20 Minuten. In Bezug auf die restlichen Berechnungen ist das Verwal- tungsgericht zu den gleichen Ergebnissen wie die Vorinstanz gelangt. Damit ergibt sich neu eine Reisezeit von 195 Minuten (97 Minuten Hinfahrt und 98 Minuten Rückfahrt). Die Zeitersparnis pro Tag beim Gebrauch des privaten Fahrzeugs beträgt folglich 39 Minuten (195 Minuten minus 156 Minuten) und liegt deutlich unter der Schwelle von einer Stunde. Dem Beschwerdeführer war es somit objektiv betrachtet zuzumuten, an den 195 Arbeitstagen ohne Helpdesk- Dienst die "Park & Ride" - Variante zu nutzen. 4.4.3 Hinsichtlich der 24 Arbeitstage mit Helpdesk-Frühdienst ist dem Beschwerdeführer zuzustimmen, dass die von der Vorinstanz bei ihrer Kalkulation berücksichtigten Zugverbindungen (Abfahrt um 2009 Verwaltungsgericht 148 6:15 Uhr und 7:15 Uhr) erst nach 7:00 Uhr in Ostermundigen eintref- fen. Für diese Arbeitstage konnte er somit die von der Vorinstanz verwendeten Zugverbindungen aufgrund der fixen Arbeitszeiten in der Tat nicht wählen. Wie die Vorinstanz jedoch korrekt aufgezeigt hat, fuhr gemäss dem Kursbuch der SBB im Jahr 2006 am Morgen noch ein früherer Zug (Abfahrt um 5:19 Uhr und Ankunft um 6:46 Uhr). Unter Berücksichtigung des Zeitaufwands von 8 Minuten für den Weg vom Bahnhof Ostermundigen zum Arbeitsort von 600 Me- tern wäre der Beschwerdeführer mit diesem Zug um 6:54 Uhr und damit rechtzeitig am Arbeitsplatz erschienen. Bei der Wahl dieser Verbindung beträgt die Fahrdauer für den Weg von Menziken nach Ostermundigen 123 Minuten: Autofahrt Wohnort Menziken - Bahnhof Sursee: 20 Min. Parkplatzsuche, Bedienung der Parkuhr sowie Fuss- weg zum Bahnsteig: 8 Min. Zugfahrt Sursee - Ostermundigen: 87 Min. Fussweg Bahnhof Ostermundigen - Arbeitsplatz: 8 Min. Dauer Hinfahrt 123 Min. Für die Rückfahrt am Abend ergeben sich hingegen an diesen Tagen keine zeitlichen Einschränkungen aufgrund von fixen Arbeits- zeiten. Daher ist auf die von der Vorinstanz vorgeschlagenen Zug- verbindungen mit Abfahrt um 16:40 Uhr, 17:40 Uhr oder 18:40 Uhr abzustellen. Für die Rückfahrt ist somit ein Zeitaufwand von 98 Mi- nuten einzukalkulieren. Damit beträgt der gesamte Zeitbedarf für die Hin- und Rück- fahrt zwischen Wohn- und Arbeitsort 221 Minuten (123 Minuten für die Hinfahrt und 98 Minuten für die Rückfahrt). Im Vergleich zum ausschliesslich mit dem Privatfahrzeug zurückgelegten Arbeitsweg ergibt sich bei der Nutzung der "Park & Ride" - Variante somit ein zeitlicher Mehraufwand von 65 Minuten (221 Minuten minus 156 Minuten). Dieser zeitliche Mehraufwand überschreitet den von der Rechtsprechung aufgestellten Richtwert von einer Stunde. Die Nut- 2009 KantonaleSteuern 149 zung der "Park & Ride" - Variante war dem Beschwerdeführer somit während den 24 Tagen mit Helpdesk-Frühdienst nicht zumutbar. Für diese Tage ist der Beschwerdeführer zum Abzug der Kosten seines Privatfahrzeugs berechtigt. 4.4.4. Am vom Beschwerdeführer nachgewiesenen einzigen Arbeits- tag mit Helpdesk-Spätdienst-Einsatz bestanden erst am Nachmittag fixe Arbeitszeiten. Er hätte somit am Morgen eine der von der Vor- instanz in ihrer Berechnung berücksichtigten Zugverbindungen mit Abfahrt um 6:15 Uhr oder 7:15 Uhr nehmen können. Für die Hin- fahrt ergibt sich daher eine Reisezeit von 97 Minuten (siehe vorne Erw. 4.4.2). Für die Rückfahrt standen dem Beschwerdeführer folgende Zugverbindungen offen: Ostermundigen ab: 18:10 Uhr 18:40 Uhr Sursee an: 19:31 Uhr 19:44 Uhr Dauer 81 Min. 64 Min. Umsteigen 2x 1x Der Beschwerdeführer macht geltend, er wäre am Abend mit dem Zug um 18:10 Uhr gefahren. Folglich rechtfertigt es sich für die Berechnung auf diese Verbindung abzustellen. Da der Beschwerde- führer gemäss seinen Angaben beim Spätdienst den Helpdesk fix bis um 18:00 Uhr betreuen musste, standen ihm bei dieser Zugvariante für den Fussweg vom Arbeitsort bis zum Bahnhof in Ostermundigen inkl. Sicherheitszuschlag 10 Minuten zur Verfügung. Insgesamt er- gibt sich bei dieser Zugvariante eine Rückfahrtdauer von 114 Mi- nuten: Fussweg Arbeitsplatz - Bahnhof Ostermundigen (inkl. 10 Min. Sicherheitszuschlag): Zugfahrt Ostermundigen - Sursee: 81 Min. Fussweg Bahnhof - Auto: 3 Min. Autofahrt Bahnhof Sursee - Menziken: 20 Min. Dauer Rückfahrt 114 Min. 2009 Verwaltungsgericht 150 Die Hin- und Rückreise zwischen Wohn- und Arbeitsort dauert demnach 211 Minuten (97 Minuten für die Hinfahrt und 114 Minuten für die Rückfahrt). Im Vergleich zur Fahrdauer mit dem Privatfahr- zeug ergibt sich bei der Nutzung der "Park & Ride" - Variante ein zeitlicher Mehraufwand von 55 Minuten (211 Minuten minus 156 Minuten). Die Zeitersparnis liegt folglich innerhalb des von der Rechtsprechung gesetzten Rahmens von einer Stunde. Im Bereich von einer Stunde Zeitersparnis hängt die Beurteilung der Zumutbar- keit von der Würdigung aller Umstände ab. Bei der Zugverbindung mit Abfahrt um 18:10 Uhr hätte der Beschwerdeführer keine Warte- zeiten gehabt. Das Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln kann deshalb als gut eingestuft werden. Ausserdem liegen die mit dieser Zugverbindung zusammenhängenden zwei Umsteigevorgänge im Rahmen des Zumutbaren. Dem Beschwerdeführer wäre an dem ei- nen Tag mit Helpdesk-Spätdienst die "Park & Ride" - Variante somit zumutbar gewesen. 5. Dies führt zu folgender Berechnung der zum Abzug zugelasse- nen Fahrkosten: Für 24 Arbeitstage ist für die Strecke zwischen dem Wohn- und Arbeitsort (99.2 Kilometer) ein Abzug für die Kosten des Privatfahr- zeugs zu gewähren. Für die restlichen 196 Arbeitstage sind die Kos- ten für das Privatfahrzeug für den Weg von der Wohnadresse in Menziken bis zum Bahnhof Sursee (15.7 Kilometer) und die Park- platzgebühren in Sursee von Fr. 5.-- zu berücksichtigen. Das Gene- ralabonnement der SBB für die 2. Klasse kostete im Jahr 2006 Fr. 2'990.--. Insgesamt ergeben sich dadurch folgende abzugsfähige Berufsauslagen (Pauschalansätze pro Kilometer gemäss §§ 12 f. StGV i.V.m. Art. 3 Berufskostenverordnung und Anhang in der Fassung vom 23. September 2005 [AS 2005 S. 4815 f.]): Privatfahrzeug Menziken - Bern: 24 Tage x 2 x 99.2 Kilometer Fr. 0.65 Fr. 3'095 Privatfahrzeug Menziken - Bahnhof Sursee 196 Tage x 2 x 15.7 Kilometer Fr. 0.65 Fr. 4'000 2009 KantonaleSteuern 151 Parkplatz Sursee: 196 Tage Fr. 5.00 Fr. 980 Kosten GA 2. Klasse: Fr. 2'990 Total abzugsberechtigte Fahrkosten Fr. 11'065 Dem Beschwerdeführer ist somit für die Fahrkosten ein Abzug von Fr. 11'065.-- zu gewähren. Gegenüber dem Entscheid des Steuer- rekursgerichts reduziert sich das von der Vorinstanz abgerundete steuerbare Einkommen von Fr. 99'000.-- um Fr. 3'298.-- (Fr. 11'065.-- ./. von der Vorinstanz gewährte Kosten für das "Park & Ride" von Fr. 7'767.--) auf Fr. 95'702.--.
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2018 Übriges Verwaltungsrecht 341 37 Grundbuchabgabe Zur Bestimmung der Grundbuchabgabe bei der Auflösung von Gesamt- handsverhältnissen (§ 11 GBAG) ist grundsätzlich auf den anteilmässigen effektiven Verkehrswert abzustellen; bei mangelnder Verfügbarkeit einer aktuellen Verkehrswertschätzung darf insbesondere der steuerliche Ver- kehrswert herangezogen werden, wobei sich im Einzelfall Zu- und Ab- schläge rechtfertigen können. Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 18. Oktober 2018, in Sachen A. und B. gegen Departement Volkwirtschaft und Inneres (WBE.2018.164). Aus den Erwägungen 3. 3.1. Gemäss § 11 GBAG ist bei vertraglicher Begründung sowie bei ganzer oder teilweiser Auflösung von Gesamthandsverhältnissen wie Erbengemeinschaft, Gütergemeinschaft oder einfacher Gesellschaft die Abgabe vom Wert der Gesamteigentumsanteile zu entrichten, welche auf die Übernehmer übergehen. Das Verwaltungsgericht ent- schied im Urteil vom 29. Oktober 2015 (WBE.2015.198), § 8 Abs. 2 GBAG sei auf die Berechnung der Abgabe gemäss § 11 GBAG nicht anwendbar. Unter dem Begriff Wert der Gesamteigentumsanteile sei der (anteilmässige) Verkehrswert zu verstehen (Erw. II/2.1 mit Verweisen auf das Gesetzgebungsverfahren). Nicht abgestellt werden dürfe auf die zwischen den Parteien vereinbarte Gegenleistung 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 342 (Erw. II/2.2). Bezüglich des massgebenden Verkehrswerts müsse zwischen Steuerwert , steuerlichem Verkehrswert und effektivem Ver- kehrswert unterschieden werden. Der effektive Verkehrswert liege in aller Regel über dem steuerlichen Verkehrswert und dürfte gegenüber dem Jahre 1999 gestiegen sein (Erw. II/2.2). Die Beschwerdeführer kritisieren diese Rechtsprechung. Der VGE vom 29. Oktober 2015 (WBE.2015.198) stütze sich einseitig auf den (genau betrachtet unklaren) Willen des historischen Gesetz- gebers. Ein prioritäres Abstellen auf die sog. subjektiv-historische Auslegung werde in der Lehre abgelehnt. Die korrekte Gesetzesauslegung ergebe, dass neben § 8 Abs. 1 GBAG betreffend den Promillesatz auch dessen Abs. 2 für die Abgabe gemäss § 11 GBAG massgebend sei. 3.2. Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut der Bestim- mung. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Interpreta- tionen möglich, so muss nach der wahren Tragweite der Bestimmung gesucht werden, wobei alle Auslegungselemente zu berücksichtigen sind (Methodenpluralismus). Dabei kommt es namentlich auf den Zweck der Regelung, die dem Text zugrundeliegenden Wertungen sowie auf den Sinnzusammenhang an, in dem die Norm steht. Die Gesetzesmaterialien sind zwar nicht unmittelbar entscheidend, die- nen aber als Hilfsmittel, den Sinn der Norm zu erkennen (BGE 136 II 149, Erw. 3; 131 II 562, Erw. 3.5; 129 II 114, Erw. 3.1). Vom Wort- laut darf abgewichen werden, wenn triftige Gründe für die Annahme bestehen, dass dieser nicht den wahren Sinn der Regelung wieder- gibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte, aus Sinn und Zweck der Norm oder aus ihrem Zusammenhang mit ande- ren Gesetzesbestimmungen ergeben. Sind mehrere Auslegungen möglich, ist jene zu wählen, die den verfassungsrechtlichen Vorgaben am besten entspricht (BGE 136 II 149, Erw. 3; 131 II 562, Erw. 3.5). 3.3. § 11 GBAG bestimmt, dass die Grundbuchabgabe bei ganzer oder teilweiser Auflösung von Gesamthandsverhältnissen auf dem Wert der Gesamteigentumsanteile zu entrichten ist, welche auf die Übernehmer übergehen. Damit ergibt sich aus dem Gesetzeswortlaut 2018 Übriges Verwaltungsrecht 343 selbst nicht direkt, ob auf die Übernahmesumme, den Steuerwert , den steuerlichen Verkehrswert oder den effektiven Verkehrswert abzustellen ist. Der Wortlaut der Bestimmung ist diesbezüglich un- klar und insoweit sind die Beanstandungen der Beschwerdeführer nachvollziehbar. 3.4. 3.4.1. Die Beschwerdeführer sind der Auffassung, der Wille des historischen Gesetzgebers sei unklar. Zwar erwähne die Botschaft, dass auf einen zunächst vorgesehenen Verweis von § 8 auf § 11 GBAG verzichtet wurde. Indessen stellten die Bestimmungen von §§ 12, 18, 20, 21 und 24 GBAG - im Gegensatz zu § 11 GBAG - ausdrücklich auf den Verkehrswert als Bemessungsgrundlage ab. Die Begründung in der Botschaft, wonach es dabei durchwegs um Rechtsgeschäfte gehe, bei welchen entweder allein auf den Boden- wert oder auf die Angaben der Parteien (Wert der Stockwerkeinheit) abzustellen sei, helfe nicht weiter. 3.4.2. Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführer lassen die Ge- setzesmaterialien klar darauf schliessen, dass der Gesetzgeber im An- wendungsbereich von § 11 GBAG auf den (anteilmässigen) Ver- kehrswert abstellen wollte. Auf die ursprünglich vorgesehene An- wendung von § 8 Abs. 2 GBAG auf Tauschverträge (§ 10 Abs. 3 GBAG), die Begründung und Auflösung von Gesamteigentum (§ 11 GBAG), die Baulandumlegung (§ 12 GBAG), die Aufnahme selbständiger und dauernder Rechte (§ 18 GBAG), die Begründung von Stockwerkeigentum (§ 20 GBAG), die Parzellierung (§ 21 GBAG) sowie den Eintrag von Pfandvermehrungen bei Gebäuden (§ 24 GBAG) wurde im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens aus- drücklich verzichtet (vgl. Botschaft des Regierungsrats des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 23. Dezember 1998, Finanzpaket 98, Massnahmen der Gruppe 2, Gesetz über Massnahmen des Finanzpakets 1998, Bericht und Entwurf zur 2. Beratung [Botschaft 2], 99.2, S. 6). Die Beschwerdeführerin bringt zwar zu Recht vor, dass in §§ 12, 18 Abs. 1, 20, 21 und 24 Abs. 1 GBAG ausdrücklich auf den Verkehrswert verwiesen wird. Und im Gegensatz dazu ist in 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 344 §§ 10 Abs. 3 und 11 GBAG lediglich unbestimmt von Werte bzw. Wert die Rede. Aus der massgebenden Botschaft ergibt sich jedoch unmissverständlich, dass für alle erwähnten Tatbestände der Verkehrswert als massgeblich erachtet wurde. Aufgrund der Umstel- lung der Bemessungsgrundlage in § 8 Abs. 2 GBAG wurden Einnah- meausfälle befürchtet, welche offensichtlich dadurch begrenzt wer- den sollten, dass diese neue Bemessungsgrundlage auf die erwähnten Fälle (§§ 10 Abs. 3, 11, 12, 18, 20, 21 und 24 GBAG) nicht zur An- wendung gelangt. Festzuhalten ist somit, dass ein klarer Wille des Gesetzgebers vorliegt, im Anwendungsbereich von § 11 GBAG auf den Verkehrs- wert abzustellen. Die Ausführungen der Beschwerdeführer zur sog. subjektiv-historischen Auslegung vermögen diese Feststellung nicht zu relativieren: Mit dem Inkrafttreten der Bestimmung am 1. August 1999 liegt ein vergleichsweise junger gesetzgeberischer Wille vor, weshalb sich das historische Verständnis der Norm kaum von einer (objektiv-)geltungszeitlichen Interpretation unterscheiden dürfte. Das Abstellen auf die Materialien verschafft zudem gerade bei jüngerer Gesetzgebung dem Grundsatz der Gewaltenteilung Nachachtung (vgl. § 68 Abs. 2 KV; ULRICH HÄFELIN/WALTER HALLER/HELEN KELLER/DANIELA THURNHERR, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 9. Auflage, Zürich 2016, Rz. 109). Insofern ist zugleich festzuhalten, dass dem Willen des Gesetzgebers bei der Anwendung von § 11 GBAG im Verhältnis zu den übrigen Auslegungsmethoden vor- rangige Bedeutung zukommen muss. 3.5. 3.5.1. Die Beschwerdeführer berufen sich weiter auf die Gesetzessystematik. Die ganze oder teilweise Auflösung von Gesamthandsverhältnissen sei im zweiten Kapitel Abgabenhöhe geregelt und eine der Handänderungen von §§ 8-17 GBAG. Die unterschiedliche Formulierung von § 11 GBAG ( Wert der Gesamt- eigentumsanteile ) spreche gegen eine Anwendung des Verkehrs- werts auf diese Anteile, wo doch das Gesetz in weiteren Bestim- mungen den Begriff des Verkehrswerts ausdrücklich verwende (in §§ 12, 18 Abs. 1, 20, 21 und 24 Abs. 1 GBAG). Weiter seien auch die 2018 Übriges Verwaltungsrecht 345 Bezeichnungen Steuerwert , Versicherungswert , Kaufpreis und Entschädigung klar besetzt. Entsprechend § 11 GBAG sei einzig der Wert der übergehenden internen Quote massgebend. § 10 Abs. 3 GBAG enthalte eine vergleichbare Fragestellung. § 8 GBAG halte den Grundsatz und damit die allgemeinen Bemessungsregeln der Abgabe fest. Er sei auch bei der Auflösung von Gesamteigentum anwendbar, wobei gemäss § 8 Abs. 1 GBAG auf die in der Vertrags- urkunde genannte Übernahmesumme abzustellen sei. Nur bei de- ren Fehlen oder wenn diese tiefer liege als der Steuerwert , sei gemäss § 8 Abs. 2 GBAG auf letzteren abzustellen. Und nur wenn auch ein solcher fehle, sei eine Verkehrswertschätzung einzuholen, welche massgebend sei, falls deren Ergebnis um mehr als 10 % über der Übernahmesumme liege. 3.5.2. Bei der systematischen Auslegung ist die Stellung einer Rege- lung innerhalb der Gesetzgebung zu berücksichtigen. Die Grund- buchabgabe bei ganzer oder teilweiser Auflösung von Gesamthands- verhältnissen (§ 11 GBAG) ist im zweiten Gesetzeskapitel Ab- gabenhöhe unter 2.1. Handänderungen geregelt. Zwar besteht unter diesem Titel mit § 12 eine Bestimmung, in welcher ausdrück- lich auf den Verkehrswert abgestellt wird. Allein daraus lässt sich je- doch nicht ableiten, dass generell auf diesen Wert abzustellen wäre. Wie vorne ausgeführt (Erw. 3.4.2), handelt es sich bei den Bestimmungen von §§ 10 Abs. 3, 11 und 12 GBAG um Ausnahmen, auf welche die Bemessung gemäss § 8 Abs. 2 GBAG nicht zur An- wendung gelangt. Insoweit ist die systematische Auslegung nicht aussagekräftig. 3.6. 3.6.1. Nach Meinung der Beschwerdeführer spricht schliesslich der Gesetzeszweck für die Anwendbarkeit von § 8 Abs. 2 auf § 11 GBAG. Auch bei Kaufgeschäften stelle § 8 GBAG auf den vereinbarten Preis ab, sofern dieser nicht unter dem Steuerwert liege. Die Übertragung unter dem Verkehrswert möge bei der Erbengemeinschaft und der Gütergemeinschaft zwar häufiger vor- kommen, zwingend oder üblich sei sie jedoch nicht, insbesondere 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 346 nicht bei einfachen Gesellschaften. Zu beachten seien weiter die Unterschiede zwischen gemeinschaftlichem und Alleineigentum so- wie Gesamt- und Miteigentum. § 8 Abs. 2 garantiere auch bei § 11 GBAG eine Abgabe, welche mindestens auf dem Steuerwert des be- treffenden Grundstücks basiere. 3.6.2. Der Gesetzeszweck verlangt nicht, § 8 Abs. 2 auf § 11 GBAG anzuwenden. Wie ausgeführt, war eine gewisse Ungleichbehandlung bestimmter Rechtsgeschäfte unter den Handänderungen vom Gesetz- geber beabsichtigt (vgl. vorne Erw. 3.4.2). Ob bei Kaufgeschäften Übertragungen unter dem Verkehrswert vergleichsweise weniger häufig vorkommen und dieser Umstand für die Gesetzgebung von Bedeutung war, ergibt sich nicht aus den Materialien. Für den Gesetzgeber standen offenbar praktische Gründe im Zusammenhang mit der Wertbestimmung im Vordergrund (vgl. Botschaft 2, S. 6). Wie ebenfalls dargelegt, dient die Annahme von Bruchteilen beim Gesamteigentum der abgaberechtlichen Erfassung von Handänderun- gen. Insoweit kann der sachenrechtlichen Unterscheidung von Mit- und Gesamteigentum bzw. gemeinschaftlichem und Alleineigentum keine Bedeutung zukommen. Mangels Anwendbarkeit kann § 8 Abs. 2 GBAG auch nicht im Sinne einer Garantie verstanden wer- den, dass ersatzweise auf den Steuerwert abzustellen sei. 3.7. Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, dass § 8 Abs. 2 GBAG auf die Berechnung der Abgabe gemäss § 11 GBAG nicht zur Anwendung gelangt. Unter dem Begriff Wert der Gesamteigen- tumsanteile ist der anteilmässige Verkehrswert zu verstehen, wel- cher auf die Übernehmer übergeht. Damit ist an der im VGE vom 29. Oktober 2015 (WBE.2015.198) begründeten Rechtsprechung festzuhalten. 4. 4.1. Die Beschwerdeführer bringen vor, es ergäben sich erhebliche praktische Schwierigkeiten, wenn bei der Bestimmung der Grundbuchabgabe gemäss § 11 GBAG auf den Verkehrswert abge- stellt werde. Die Folgen seien Rechtsunsicherheit sowie eine Ver- 2018 Übriges Verwaltungsrecht 347 teuerung. Urkundspersonen seien nicht in der Lage, Verkehrswert- schätzungen vorzunehmen. Fraglich sei daher insbesondere, ob sie sich auf die Parteiangaben verlassen dürften oder ob eine fach- männische Verkehrswertschätzung vorzulegen sei. Die Verkehrs- wertberechnung der Vorinstanz sei fehlerhaft. Die Entwicklung des (steuerlichen oder effektiven) Verkehrswerts seit der letzten Schätzung lasse sich anhand eines Indexes nicht beurteilen. Weiter könne nicht auf die allgemeine Entwicklung der Immobilienpreise abgestellt werden, insbesondere nicht für ein konkretes Objekt. Auch die effektive hypothekarische Belastung sage wenig über den Ver- kehrswert einer Liegenschaft aus. Eine übliche Belastungsgrenze von 80 % existiere nicht, zumal dann auf den Zeitpunkt der Errich- tung einer Hypothek abgestellt werden müsste. Zu unterscheiden wäre schliesslich zwischen der nominellen und der effektiven Belas- tung mit Grundpfandrechten. 4.2. Das Verwaltungsgericht erwog im Urteil vom 29. Oktober 2015, Grundbuchämter würden die Grundbuchabgabe oftmals behelfsmäs- sig anhand des steuerlichen Verkehrswerts berechnen und nicht auf- grund des (regelmässig höheren) effektiven Verkehrswerts . Dies wirke sich zu Gunsten der Anmeldenden aus. Ob diese Praxis vor § 11 GBAG standhalte, liess das Gericht im Entscheid ausdrücklich offen (vgl. VGE vom 29. Oktober 2015 [WBE.2015.198], Erw. II/2.3.1). 4.3. Bei der Liegenschaft C. handelt es sich um ein Einfamilienhaus mit einer Grundstücksfläche von 876 m2. Darauf lasten Grundpfand- rechte im Umfang von Fr. 1'715'950.00 für eine effektive Forderung von Fr. 1'300'000.00. Der steuerliche Verkehrswert wurde anlässlich der allgemeinen Schätzung vom 1. Januar 1999 auf Fr. 1'266'846.00 festgelegt, der Steuerwert auf Fr. 950'300.00. Der steuerliche Ver- kehrswert wurde von den Parteien des partiellen Erbteilungsvertrags zur Bewertung der Liegenschaft übernommen. Eine aktuelle Ver- kehrswertschätzung liegt nicht vor und weitere Anhaltspunkte für die Wertbestimmung sind nicht vorhanden. 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 348 4.4. Für die Feststellung das Sachverhalts gilt im Verwaltungsver- fahren grundsätzlich die Untersuchungsmaxime (vgl. § 17 Abs. 1 VRPG). Diese wird jedoch relativiert durch die Mitwirkungspflicht der Parteien (vgl. § 23 VRPG; § 7 GBAG), welche namentlich inso- weit greift, als eine Partei das Verfahren durch eigenes Begehren ein- geleitet hat oder darin eigene Rechte geltend macht. Die Mitwir- kungspflicht gilt vorab gerade für solche Tatsachen, welche eine Partei besser kennt als die Behörden und welche diese ohne ihre Mitwirkung gar nicht oder nicht ohne unvernünftigen Aufwand erhe- ben können (AGVE 2002, S. 431). 4.5. Das Grundbuchamt ging von einem effektiven Verkehrswert der Liegenschaft von Fr. 2'111'410.00 aus. Verwiesen wurde auf die Aus- kunftspflicht gemäss § 7 GBAG sowie darauf, dass der Verkehrswert nicht wie gefordert mitgeteilt worden sei. Dieses Verhalten habe das Grundbuchamt gestützt auf § 23 Abs. 2 VRPG frei gewürdigt. Bei der Berechnung der Grundbuchabgabe sei davon ausgegangen wor- den, der steuerliche Verkehrswert entspreche 60 % des effektiven Ver- kehrswerts . Die Vorinstanz ging zunächst davon aus, dass der steuerliche Verkehrswert im Jahre 1999 80 % des effektiven Verkehrswerts betra- gen habe; unter zusätzlicher Berücksichtigung der Preisentwicklung ergäbe sich ein geschätzter Verkehrswert von Fr. 2'533'692.00. Die- ser Wert entspreche indessen eher nicht der Realität. Massgebend er- scheine demgegenüber ein Mindest-Verkehrswert der Liegenschaft von Fr. 2'144'937.50. Dabei werde davon ausgegangen, dass die übliche Belehnungsgrenze von 80 % des Verkehrswerts nicht über- schritten werde, zudem werde auf den Umfang der Pfandsicherung (Fr. 1'715'950.00) abgestellt. 4.6. Gemäss § 12 Abs. 1 VBG gilt als Verkehrswert eines Grund- stücks der Preis, welcher im Geschäftsverkehr mit Dritten erzielbar ist, ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse. Der Verkehrswert wird festgesetzt durch: (a) Gleichsetzung mit dem Kaufpreis, (b) mittelbaren oder unmittelbaren Preisvergleich, sofern 2018 Übriges Verwaltungsrecht 349 ein Kaufpreis fehlt oder dieser nicht dem Verkehrswert entspricht, (c) Berechnung mit dem gewichteten Ertragswert und Realwert, sofern weder Kaufpreis noch Preisvergleiche vorhanden sind, nach folgen- der Formel: Verkehrswert = ([Gewichtung x Ertragswert] + Real- wert) / (Gewichtung + 1) (zur Schätzung des aktuellen Verkehrswerts vgl. VGE vom 16. Juni 2010 [WBE.2008.49], Erw. II/1-3). 4.7. Bei der Festlegung der Grundbuchabgabe gemäss § 11 GBAG ist auf den anteilmässigen Verkehrswert abzustellen, wobei prakti- sche Gründe bei der Wertbestimmung ein pragmatisches Vorgehen erfordern (vgl. vorne Erw. 3.6.2). In erster Linie ist der (anteilmäs- sige) effektive Verkehrswert heranzuziehen. Beim Vorliegen einer ak- tuellen Verkehrswertschätzung sind die anmeldenden Personen im Rahmen der Mitwirkungspflicht (§ 7 GBAG; § 23 VRPG) gehalten, sie dem Grundbuchamt zur Verfügung zu stellen. Der Verkehrswert unbebauten Baulands lässt sich unabhängig davon durch das Grund- buchamt schätzen. Problematisch erweist sich die Wertbestimmung in jenen Fällen, wo bebaute Grundstücke übertragen werden und keine aktuelle Verkehrswertschätzung vorliegt. Dieser Fall dürfte bei der Auflösung von Erbengemeinschaften vergleichsweise häufig vor- kommen. Je nach Höhe der Grundbuchabgabe verursacht das Einho- len einer fachmännischen Verkehrswertschätzung unverhältnismässi- gen Aufwand. Auch würde sich dann die Frage nach der diesbezügli- chen Kostentragung stellen. Mangels Anwendbarkeit von § 8 Abs. 2 GBAG kann von den anmeldenden Personen grundsätzlich nicht ver- langt werden, auf eigene Kosten eine nach den anerkannten Regeln erstellte Verkehrswertschätzung vorzulegen. Daher muss es zulässig sein, beim Fehlen einer aktuellen Verkehrswertschätzung auf verfüg- bare Schätzungswerte abzustellen. In Frage kommt dabei in erster Linie der steuerliche Verkehrswert . Bestehen indessen klare Hin- weise darauf, dass im konkreten Einzelfall der effektive Verkehrswert deutlich höher oder tiefer liegt, so müssen - da grundsätzlich auf den effektiven Verkehrswert abzustellen ist - Zu- und Abschläge möglich sein. 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 350 4.8. Das aargauische System der Festsetzung der Eigenmietwerte und Vermögenssteuerwerte beruht auf einer möglichst individuellen Festlegung aufgrund von Einzelschätzungen, welche gemäss den Vorschriften der VBG bei jeder Liegenschaft zahlreiche Parameter berücksichtigen (VGE vom 10. Februar 2017 [WBE.2016.495], Erw. II/1.1). Allgemeine Neuschätzungen von Eigenmietwerten und Vermö- genssteuerwerten werden auf Anordnung des Grossen Rates auf Be- ginn einer Veranlagungsperiode vorgenommen (§ 218 Abs. 1 StG). Die letzte allgemeine Neuschätzung von Eigenmietwerten und Vermögenssteuerwerten fand per 1. Januar 1999 statt. Die dabei fest- gelegten Werte gelten weiter bis zur nächsten allgemeinen Neuschät- zung. Ausserhalb der allgemeinen Neuschätzung können die Eigen- mietwerte und Vermögenssteuerwerte nur bei Vorliegen besonderer Umstände im Rahmen einer Einzelschätzung (§ 218 Abs. 2 StG) geändert werden (MARTIN PLÜSS, in: MARIANNE KLÖTI- WEBER/DAVE SIEGRIST/DIETER WEBER [Hrsg.], Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, 4. Auflage, Muri-Bern 2015, § 218 N 1, 4 f.; VGE vom 16. Juni 2010 [WBE.2008.49], Erw. II/1). Bezüglich der Eigenmietwerte selbstbewohnter Liegenschaften hat der Grosse Rat per 1. Januar 2016 eine Anpassung auf Basis der Neuschätzung vom 1. Januar 1999 vorgenommen. Für die Gemeinde D. wurde dabei ein Zuschlag von 14 % festgelegt (vgl. Anhang zum Dekret über die Anpassung der Eigenmietwerte per 1. Januar 2016 vom 24. November 2015 [SAR 651.140]; zur Verfassungsmässigkeit des Dekrets vgl. VGE vom 20. September 2016 [WNO.2016.2], Erw. II/3.3.2). Entsprechende Zu- bzw. Abschläge bestehen für die Vermögenssteuerwerte nicht. 4.9. Ein begründeter Einzelfall, bei dem sich beim Fehlen einer ak- tuellen Verkehrswertschätzung Zuschläge auf dem steuerlichen Ver- kehrswert rechtfertigen, kann unter anderem vorliegen, wenn die hypothekarische Belastung einer Liegenschaft auf einen effektiven Verkehrswert hinweist, der deutlich über dem steuerlichen Verkehrs- wert liegt. Gleich verhalten kann es sich, wenn seit der letzten allge- 2018 Übriges Verwaltungsrecht 351 meinen Neuschätzung wertvermehrende Investitionen getätigt wur- den, die noch nicht mittels einer Einzelschätzung erfasst wurden. Keine Begründung für eine Abweichung vom steuerlichen Verkehrs- wert liegt hingegen in der allgemeinen oder regionalen bzw. kommu- nalen Preisentwicklung seit der letzten Schätzung der Vermögens- steuerwerte. Eine entsprechende pauschale Aufrechnung ohne Bezugnahme auf die individuellen Verhältnisse steht im Widerspruch zu den Einzelschätzungen, welche den Steuervermögenswerten zu- grunde liegen. Laut den Akten bestehen für die Liegenschaft pfandgesicherte Forderungen von Bankinstituten über Fr. 1'300'000.00. Diese über- schreiten den im Jahre 1999 festgelegten steuerlichen Verkehrswert von Fr. 1'266'846.00. Eine neue Schätzung ist zwischenzeitlich nicht erfolgt und weitere Angaben für die Wertbestimmung liegen nicht vor. Die verfügbaren Schätzungswerte sind zwar wenig aussagekräf- tig, die Angaben im Erbteilungsvertrag lassen aber auf eine sehr hohe hypothekarische Belastung der Liegenschaft schliessen. Im Sinne einer Faustregel darf davon ausgegangen werden, dass Kreditinstitute eine Liegenschaft mit maximal 80 % des effektiven Verkehrswerts fremdfinanzieren. Aufgrund der aktuellen hypothekarischen Belas- tung bestehen klare Indizien, dass der effektive den steuerlichen Ver- kehrswert übersteigt. Wird auf eine übliche Belehnungsgrenze von 80 % des Liegenschaftswerts abgestellt, liegt zwar eine konservative Bewertung vor, welche insbesondere die Preisentwicklung nicht zwingend erfasst. Ausgehend von einer aktuellen Maximalbelas- tung der Liegenschaft ist dies jedoch unproblematisch, da angenom- men werden darf, dass die Bankinstitute entsprechende Parameter bei der Kreditvergabe berücksichtigten. Der vorliegenden Grundbuchab- gabe kann unter Heranziehung der 80 %-Regel ein Verkehrswert von Fr. 1'625'000.00 zugrunde gelegt werden (Fr. 1'300'000.00 / 80 x 100). Entgegen dem angefochtenen Entscheid ist unter den vorlie- genden Umständen nicht auf den ursprünglichen Umfang der Pfandsicherung, sondern die grundpfandgesicherte (Kapital-)Forde- rung abzustellen. Soweit die Beschwerdeführer geltend machen, dem Grundbuch- amt sei jeweils nicht bekannt, ob neben den Grundpfandrechten wei- 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 352 tere Sicherheiten bestehen, kann diesen Ausführungen vorliegend keine Bedeutung zukommen. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht wurde nichts Entsprechendes behauptet oder beigebracht. 4.10. Der Liegenschaft wird somit ein Verkehrswert von Fr. 1'625'000.00 zugrunde gelegt. Gestützt auf § 11 GBAG ergibt sich bei der Übertragung eines Viertels der Gesamthandanteile eine Grundbuchabgabe von Fr. 1'625.00.
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2000 Verwaltungsgericht 180 49 Zwangsmassnahmen; Zwangsisolation im Rahmen fürsorgerischer Freiheitsentziehung; aufschiebende Wirkung zulässig? · Zwangsisolation als Zwangsmassnahme im Rahmen fürsorgerischer Freiheitsentziehung (Erw. 2/c/aa) · Zwangsisolation nur als ultima ratio im Akutfall (Verhältnismässig- keit) (Erw. 2/c/bb) · Zwangsisolation mit aufschiebender Wirkung nur in Ausnahmefällen zulässig (Erw. 2/c/cc) Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 29. August 2000 in Sachen R.H. gegen Entscheid der Klinik Königsfelden. Aus den Erwägungen 2. a) Im angefochtenen Zwangsmassnahmen-Entscheid der Ärztlichen Leitung der Psychiatrischen Klinik Königsfelden (PKK) vom 24. August 2000 wird als Begründung für die Zwangsisolation im Isolationszimmer Folgendes festgehalten: ,,erhebliche Fremdge- fährdung, Reizabschirmung dringlich, Pat. ,,am Steigen". Der Beschwerdeführer selbst lehnt die Isolation ab, weil er nicht gefährlich sei und weil sie zu sekundären psychischen Störun- gen, zu vermehrten Aggressionen und zu Vereinsamung führe. b) Isolation ist eine ,,andere Vorkehr" i.S. von § 67e bis EG ZGB und damit eine Zwangsmassnahme, die den Schutz der betroffenen Person - und damit einhergehend den Schutz ihrer Mitmenschen - vor körperlichen und seelischen Schäden bezweckt (vgl. Botschaft des Regierungsrates des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 4. August 1999 betreffend Revision des Einführungsgesetzes zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch [EG ZGB], Schaffung einer Rechtsgrundlage für Zwangsmassnahmen im Rahmen der fürsorge- rischen Freiheitsentziehung, S. 6). c) Wie bereits aufgezeigt, sind die Voraussetzungen einer für- sorgerischen Freiheitsentziehung im vorliegenden Fall erfüllt. Beim Beschwerdeführer liegt ein manisches Zustandsbild bei bekannter 2000 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 181 schizoaffektiver Störung vor. Das Verwaltungsgericht hat daher grundsätzlich zu prüfen, ob die angefochtene Zwangsmassnahme der Isolation in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Einwei- sungsgrund dieser Geisteskrankheit steht, medizinisch indiziert und verhältnismässig ist. aa) Vorweg ist zu bemerken, dass die Isolation von ihrem We- sen her eine grundlegend andere Zwangsmassnahme darstellt als eine medikamentöse Zwangsbehandlung. So führt auch Bleuler aus, unter der heutigen Therapie seien langdauernde Isolierungen nicht mehr nötig, wogegen ganz kurze Isolierungen in akuten schweren Erre- gungszuständen für die Mitpatienten oft eine Notwendigkeit seien (Eugen Bleuler, Lehrbuch der Psychiatrie, Neubearbeitung von Man- fred Bleuler, Berlin/Heidelberg/New York 1983, S. 193). Isolation bedeutet, in einem (oft ausser einem Bett unmöblierten) Raum alleine eingeschlossen zu werden. In der Regel soll damit einer dro- henden Selbst- oder Fremdgefährdung begegnet werden, d.h. sie geschieht zum Selbstschutz des Betroffenen, aber auch zum Schutz von Personal, Patienten und Gegenständen. Allenfalls kann die mit der Isolation verbundene Reizabschirmung zusätzlich zu einer Be- ruhigung eines Patienten führen, andererseits kann die zusätzliche Freiheitsbeschränkung unter Umständen auch eine Erhöhung der Aggressionen zur Folge haben. bb) Im vorliegenden Fall wurden am 23. August 2000 die Iso- lation gemäss dem ersten Zwangsmassnahmen-Entscheid vom 17. August 2000 aufgehoben, da der Beschwerdeführer neu beurteilt und dabei zugänglicher und lenkbarer erlebt wurde. Am Abend des 23. August 2000 wurde der Beschwerdeführer laut und angetrieben, ebenso verbal bedrohlich. Am 24. August 2000 wurde die Situation als angespannt, der Beschwerdeführer aber als lenkbar beschrieben. In Einzelbegleitung durfte er den Park aufsuchen. Gegen Abend wurde er als zwischendurch laut beschrieben, er habe sich aber nach kurzer Zeit wieder beruhigen können. Am folgenden Tag wurde der Beschwerdeführer wieder zunehmend verbal aggressiv, wobei die 2000 Verwaltungsgericht 182 Mitpatienten unter dem angetriebenen Zustand gelitten hätten. Da- raufhin wurde der Beschwerdeführer am 25. August 2000 über Mittag während zwei Stunden und ab 20 Uhr abends erneut isoliert. Damit steht fest, dass auch nach Meinung der zuständigen Kli- nikärzte der Beschwerdeführer am 24. August 2000 nicht zwangs- isoliert werden musste, da er - auch ohne Isolation - nicht hinrei- chend auffällig oder gar gefährlich war. Ausserdem wollte man zu- sätzliche Aggressionen durch das ,,Einsperren" vermeiden. Dennoch wurde am 24. August 2000 folgender Zwangsmassnahmen-Entscheid erlassen: ,,Isolation im Iso-Zimmer, ohne Fixation, im Bodenbett, bis beruhigt (am 23.08.00 Isolation aufgehoben). Medikation ohne jeden Zwang verabreicht." Damit wurde sinngemäss eine vorbeugende Zwangsmassnahme verfügt, um im Ernstfall handeln zu können. Trotz anderem Wortlaut im Zwangsmassnahmen-Entscheid entspricht dies materiell der Anordnung einer Isolation mit gleichzeitiger Gewährung der auf- schiebenden Wirkung. Ein derartiges Vorgehen kann aus ärztlicher Sicht sinnvoll erscheinen. Im Gegensatz zu einer medizinisch indi- zierten notwendigen medikamentösen Zwangsbehandlung, kann sich indessen die Frage einer notwendigen Zwangsisolation in aller Regel nur in einem ganz konkreten Zeitpunkt stellen, da auch hier gilt, dass die Zwangsmassnahme in Anwendung des Verhältnismässigkeit- sprinzips ,,ultima ratio" sein muss, indem der betroffenen Person die notwendige Fürsorge nicht auf andere Weise gewährleistet werden kann. Aus diesem fundamentalen Grundsatz ergibt sich eo ipso, dass diese Zwangsmassnahme grundsätzlich nur im Akutfall angeordnet werden darf. Da die Beurteilung in diesem Zeitpunkt erfolgen muss, entbindet auch ein früher ,,vorsorglich" erlassener Zwangsmass- nahmen-Entscheid nicht von der Notwendigkeit, jetzt einen formel- len Zwangsmassnahmen-Entscheid zu fällen, in welchem die Voraus- setzungen der Zwangsmassnahme für die aktuelle Situation bejaht und begründet werden. Während es gute Gründe geben kann, einen 2000 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 183 Entscheid, ob eine langfristige neuroleptische Zwangsbehandlung durchzuführen sei, unter Umständen einige Tage oder Wochen aufzu- schieben, ist ein derartiges Vorgehen bei einer Zwangsisolation nur in absoluten Ausnahmefällen denkbar, so z.B. wenn ein Patient im Voraus glaubwürdig die Absicht äussert, sich oder eine andere Person an einem speziellen Termin umzubringen (z.B. im Zusammenhang mit religiösen Wahnvorstellungen über den zu erwartenden Weltuntergang). In aller Regel dürfte aber nur eine Notfallsituation i.S. von § 15 Abs. 3 PD zu einer Zwangsisolation führen oder zu- mindest müsste eine Situation vorliegen, die sich im Grenzbereich zu einer Notfallsituation bewegt. In diesem Fall kann die Klinik auch ohne ,,vorbeugenden Zwangsmassnahmen-Entscheid" sofort aktiv werden und einen Patienten isolieren, bevor irgendwelche Formalien wie Anhörung oder das Ausfüllen von Formularen erledigt werden müssen. In den übrigen Fällen genügt es, den Entscheid unmittelbar vor der bevorstehenden Isolierung zu treffen und dem Patienten zu eröffnen. Im vorliegenden Fall wäre dies am 25. August 2000 prob- lemlos möglich gewesen, da offenbar nach wie vor ein Grenzfall vor- lag, wurde der Beschwerdeführer doch vorerst nur zwei Stunden über den Mittag isoliert. cc) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Anordnung einer Isolation als Zwangsmassnahme grundsätzlich, d.h. abgesehen von sehr spezifischen Ausnahmefällen, nie verhältnismässig sein kann, wenn sie nicht auch aktuell notwendig ist. Somit ist die An- ordnung einer Zwangsisolation ohne gleichzeitige Vollstreckung, d.h. faktisch die Gewährung der aufschiebenden Wirkung, rechtlich in der Regel ausgeschlossen. Dies schliesst jedoch eine nachträgliche gerichtliche Überprüfung der Verhältnismässigkeit einer angeordne- ten und durchgeführten Isolation nicht aus. dd) Im vorliegenden Fall war offensichtlich weder am Tag vor- her, noch am Tag des 24. August 2000 selber, an welchem der Zwangsmassnahmen-Entscheid erlassen wurde, eine Situation gege- ben, in welcher dem Beschwerdeführer die notwendige Fürsorge 2000 Verwaltungsgericht 184 nicht anders als durch Isolation gewährt werden konnte. Dieser Um- stand trat aus Sicht der Klinik - wie erwähnt - erst wieder am 25. Au- gust 2000 mit der gesteigerten Aggressivität und der zunehmenden Angetriebenheit des Beschwerdeführers ein, und zwar primär zum Schutz von Patienten und Personal. In diesem Zeitpunkt hätte somit neu entschieden und nötigenfalls - unter Berücksichtigung aller rele- vanten Umstände - formell eine Zwangsisolation verfügt werden sol- len. Der Zwangsmassnahmen-Entscheid wurde in Erwartung eines eventuell bevorstehenden Akutfalles gefällt und erst mehr als einen Tag später teilweise vollzogen. Dieser vorbeugende Zwangsmass- nahmen-Entscheid vom 24. August 2000 stellt daher aus den geschil- derten Gründen einen Verstoss gegen das Verhältnismässigkeits- prinzip dar und ist aufzuheben. ee) Der Vollständigkeit halber ist jedoch darauf hinzuweisen, dass mit diesem Ausgang des Verfahrens betreffend Anfechtung des Zwangsmassnamen-Entscheides vom 24. August 2000 nichts darüber entschieden worden ist, ob die materiellen Voraussetzungen für vorübergehende Isolationen des Beschwerdeführers während dem aktuellen Klinikaufenthalt nicht durchaus erfüllt gewesen seien.
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AG_VG_001_AGVE-2000-49_2000-08-01
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Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 25. Januar 2013 (WBE.2013.21) Verhältnis einer längerfristigen familiengerichtliche FU zur Betreuung zu einer ärztlichen FU zur Behandlung (Krisenintervention aus Wohn- und Pflegeeinrichtung). 7. 7.1 Es stellt sich sodann die Frage des Verhältnisses der Unterbringung des Beschwerdeführers in der Stiftung Satis zu derjenigen in der Klinik . Mit Verfügung des Bezirksamts Zurzach vom 12. Oktober 2006 wurde der Beschwerdeführer per fürsorgerischer Freiheitsentziehung (neu: fürsorgerische Unterbringung) in die Stiftung Satis eingewiesen. Diese Verfügung wurde bis heute nicht aufgehoben. Mit amtsärztlicher Verfügung vom 18. Januar 2013 wurde der Beschwerdeführer per fürsorgerischer Unterbringung zur Behandlung und Medikamenteneinstellung in die Klinik Königsfelden eingewiesen. 7.2. Grundsätzlich wird eine fürsorgerische Unterbringung durch eine neue Anordnung einer fürsorgerischen Unterbringung in eine andere Einrichtung aufgehoben. Es stellt sich nun aber die Frage, ob dies auch gilt, wenn eine längerfristige Unterbringung zur Betreuung in einer Wohn- bzw. Pflegeeinrichtung durch die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde worden ist, und es zwischendurch zu Kriseninterventionen durch ärztliche Einweisungen zur Behandlung in einer psychiatrischen Klinik kommt. Gemäss Art. 426 Abs. 1 ZGB darf eine Person, die an einer Störung leidet, in einer geeigneten Einrichtung untergebracht werden, wenn die nötige Behandlung oder Betreuung nicht anders erfolgen kann. Dabei ist der Sinn einer Einweisung zur psychiatrischen Behandlung einerseits und einer Einweisung zur Betreuung andererseits zu unterscheiden. Da ärztliche Einweisungen maximal für sechs Wochen Gültigkeit haben (Art. 429 Abs. 1 ZGB i.V.m. § 67c Abs. 1 EG ZGB), handelt es sich dabei regelmässig um Unterbringungen in einer psychiatrischen Klinik zur Behandlung der psychischen Störung. Demgegenüber sind Unterbringungen zur Betreuung längerfristige Massnahmen im Sinne von Platzierungen, welche durch die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden bzw. im Kanton Aargau durch die Familiengerichte angeordnet werden (§ 59 Abs. 1 EG ZGB). Damit soll eine längerfristige stationäre Betreuung des Betroffenen sichergestellt werden. Zur Aufhebung dieser Massnahme ist nur das Familiengericht, nicht aber ein Amtsarzt befugt (Art. 428 Abs. 1 i.V.m. Art. 429 Abs. 2 und 3 ZGB). Somit ergibt sich, dass familiengerichtliche Unterbringungen zur Betreuung weiterhin Gültigkeit haben, auch wenn sie zwischendurch faktisch durch amtsärztliche Unterbringungen zur psychiatrischen Behandlung unterbrochen werden. Sobald die Voraussetzungen der fürsorgerischen Unterbringung zur Behandlung weggefallen sind, ist die betroffene Person in die Wohn- oder Pflegeeinrichtung zurückzubringen. Dieselben Schlussfolgerungen ergeben sich im Übrigen auch dann, wenn durch ein Familiengericht eine fürsorgerische Unterbringung zur Betreuung und Behandlung in einer Institution für Langzeittherapie (z.B. REHA-Haus Effingerhort) angeordnet wurde und zusätzlich zwischenzeitlich eine ärztliche Einweisung in eine Psychiatrische Klinik erfolgt. 7.3. Im vorliegenden Fall wurde der Beschwerdeführer im Jahr 2006 zur in das Wohnheim der Stiftung Satis eingewiesen. Die Verfügung des Bezirksamts Zurzach vom 12. Oktober 2006 hat somit nach wie vor Gültigkeit, wobei die Zuständigkeit durch die Gesetzesrevision auf das Zurzach übertragen worden ist (Art. 14a Schlusstitel ZGB i.V.m. § 59 Abs. 1 EG ZGB). Diese Unterbringung wurde durch die Verfügung des Amtsarztes, Bezirk Lenzburg, vom 18. Januar 2013 nicht tangiert, da es sich dabei lediglich um eine (mehr oder weniger kurzfristige) psychiatrische Behandlung im Sinne einer Krisenintervention handelt. 7.4. Der Beschwerdeführer erklärte anlässlich der Verhandlung, nach Abschluss der Behandlung in der Klinik Königsfelden freiwillig in die Stiftung Satis zurückzukehren. Aus dem Gesagten folgt, dass er andernfalls nach Massgabe der durch das Bezirksamt Zurzach ausgesprochenen Freiheitsentziehung verpflichtet wäre, wieder in die Stiftung Satis einzutreten. Das Familiengericht Zurzach wird gestützt auf Art. 431 ZGB in Verbindung mit Art. 14 Schlusstitel ZGB spätestens bis zum 30. Juni 2013 überprüfen müssen, ob die Voraussetzungen für eine fürsorgerische Unterbringung in der Stiftung Satis weiterhin erfüllt sind.
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AG_VG_002
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AG_VG_002_-Kindes--und-Erwachs_2013-01-25
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2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 172 26 Sozialhilfe; Wohngemeinschaft Zur Beurteilung, ob eine familienähnliche Wohn- und Lebensge- meinschaft oder eine Zweck-Wohngemeinschaft vorliegt, ist mit be- sonderer Sorgfalt abzuklären, ob ein gemeinsamer Haushalt geführt wird. Vorliegend sprechen der grosse Altersunterschied zwischen den Be- wohnern, deren Lebensumstände sowie der Umstand, dass Haus- haltsfunktionen wie Wohnen, Einkaufen, Essen und Waschen vor- wiegend getrennt erfolgen, gegen eine familienähnliche Wohn- und Lebensgemeinschaft. Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 10. Dezem- ber 2019, in Sachen A. gegen Gemeinderat B. und Departement Gesundheit und Soziales (WBE.2019.285). 2019 Sozialhilfe 173 Aus den Erwägungen 2.2. Gemäss § 17 Abs. 1 VRPG ermitteln die Behörden den Sach- verhalt, unter Beachtung der Vorbringen der Parteien, von Amtes wegen und stellen die dazu notwendigen Untersuchungen an. Der Untersuchungsgrundsatz verpflichtet die Behörden dazu, für die rich- tige und vollständige Abklärung des rechtserheblichen Sachverhalts zu sorgen (KASPAR PLÜSS, in: ALAIN GRIFFEL [Hrsg.], Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 3. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2014, § 7 N 10). Relativiert wird der Unter- suchungsgrundsatz durch die Mitwirkungspflicht der Parteien (§ 23 Abs. 1 VRPG; für das Sozialhilfeverfahren: § 2 SPG und § 1 SPV). Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV; §§ 21 f. VRPG) ergibt sich eine behördliche Dokumentations- bzw. Aktenführungspflicht (vgl. BGE 138 V 218, Erw. 8.1.2; PLÜSS, a.a.O., § 7 N 40). Die Behörde ist verpflichtet, ein vollständiges Aktendossier über das Verfahren zu führen, um gegebenenfalls ord- nungsgemäss Akteneinsicht gewähren und bei einem Weiterzug diese Unterlagen an die Rechtsmittelinstanz weiterleiten zu können. Die Behörde hat alles in den Akten festzuhalten, was zur Sache gehört (BGE 138 V 218, Erw. 8.1.2; 124 V 372, Erw. 3b; 115 Ia 97, Erw. 4c). 2.3. Am 23. Oktober 2018 erfolgte beim Beschwerdeführer ein Hausbesuch, wofür ein Abklärungsbericht vorliegt. Die Aussen- dienstmitarbeiterin des Kantonalen Sozialdienstes kreuzte bei Ziffer 14 des gebräuchlichen Formulars Wohn- und Lebensgemein- schaft an und brachte folgenden Vermerk an: Gemäss Aussage Herr A. gemeinsame Haushaltsführung und getrennte Nebenkosten. Wei- tere Dokumentationen zu den Wohnverhältnissen des Beschwerde- führers finden sich nicht in den Akten der Gemeinde bzw. datieren nach dem Beschluss vom 19. November 2018. Die Aussendienstmitarbeiterin hat das Formular Abklärungs- bericht ausgefüllt und den Hausbesuch insoweit dokumentiert. Zur Abgrenzung einer familienähnlichen Wohn- und Lebensgemeinschaft 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 174 und einer Zweck-Wohngemeinschaft finden sich im Bericht indessen keinerlei Angaben. Ob Personen, die miteinander eine Wohnung tei- len, einen gemeinsamen Haushalt führen, muss die Sozialbehörde eingehend abklären (VGE vom 10. Dezember 2019 [WBE.2019.256], Erw. II/2.2; vgl. CLAUDIA HÄNZI, Leistungen der Sozialhilfe in den Kantonen, in: CHRISTOPH HÄFELI [Hrsg.], Das Schweizerische Sozialhilferecht, Luzern 2008, S. 143 f. mit Hinwei- sen). Bei der Abklärung der Anhaltspunkte, welche für oder gegen eine Zweck-Wohngemeinschaft sprechen, ist eine besondere Sorgfalt erforderlich. Keinesfalls kann es angehen, aus Kostengründen oder zur Vermeidung von Aufwand auf eine vertiefte Abklärung zu ver- zichten. Die Aussendienstmitarbeiterin übernahm entsprechend dem Abklärungsbericht lediglich die (bestrittene) Aussage des Beschwer- deführers, es liege eine gemeinsame Haushaltsführung vor. Damit war der rechtserhebliche Sachverhalt jedoch nicht genügend abge- klärt: Abgesehen davon, dass die betreffende Beurteilung nicht durch den Beschwerdeführer selbst vorzunehmen war (und von ihm auf- grund der heiklen Abgrenzungsproblematik auch kaum vorgenom- men werden konnte), liegt kein Abklärungsergebnis vor, welches sich auf die konkret vorgefundenen Umstände abstützen könnte. Soweit auf eine Aussage des Beschwerdeführers Bezug genommen wird, ist diese nicht ausreichend dokumentiert und es ist nicht nach- vollziehbar, worauf die Schlussfolgerung gründet. Aus dem Bericht ergibt sich nicht, welche Umstände die Aussendienstmitarbeiterin veranlassten, eine gemeinsame Haushaltsführung anzunehmen. Ebenso ist nicht erkennbar, dass Abklärungen getroffen worden wären, um mögliche Missverständnisse oder Verständigungsschwie- rigkeiten im Zusammenhang mit den angeblichen Aussagen des Be- schwerdeführers zu vermeiden. Der Gemeinderat ging in seinem Be- schluss vom 19. November 2018 ohne weitere Begründung von einer Wohn-/Lebensgemeinschaft mit gemeinsamer Haushaltsführung aus. Weitere Abklärungen zu den Wohnverhältnissen des Beschwer- deführers erfolgten nicht mehr. Damit wurden im erstinstanzlichen Verfahren der Untersuchungsgrundsatz verletzt (unzureichende 2019 Sozialhilfe 175 Sachverhaltsabklärung) und das rechtliche Gehör des Beschwerde- führers (ungenügende Dokumentation des Hausbesuchs). 2.4. (...) 3. (...) 4. 4.1. In der Sache macht der Beschwerdeführer geltend, er lebe in einer Zweck-Wohngemeinschaft im Sinne von Kap. B.2.4 der SKOS- Richtlinien. Im Bericht des Aussendienstes fänden sich keine Hin- weise für das Vorliegen einer familienähnlichen Wohn- und Lebens- gemeinschaft. Entsprechend dem Bericht seien zwei Schlafzimmer und sämtliche Möbel vorhanden. Der Beschwerdeführer und sein Mitbewohner teilten weder das Bett noch sonstiges Mobiliar, das auf eine familienähnliche Wohn- und Lebensgemeinschaft hinweise. Darauf dürfe nicht allein aufgrund eines gemeinsamen Internet- Vertrags oder Festnetzanschlusses geschlossen werden. Der Be- schwerdeführer und sein Mitbewohner wohnten zusammen, um die Wohnkosten möglichst tief zu halten. Sie würden getrennt einkaufen, kochen und waschen. Hingegen erledige der Beschwerdeführer einen grösseren Teil der Haushaltsarbeiten, weil der Mitbewohner eine Ausbildung absolviere und sich daher seltener zu Hause aufhalte. Dass Wohnzimmer, Bad und Küche geteilt würden, entspreche dem Hauptzweck einer Wohngemeinschaft. Eine Zweck-Wohngemein- schaft im Sinne von Kap. B.2.4 der SKOS-Richtlinien bedinge keine doppelten Küchen, Wohnzimmer oder Badezimmer. Schliesslich spreche der erhebliche Altersunterschied zwischen dem Beschwer- deführer (Jahrgang 1978) und seinem Mitbewohner (Jahrgang 1996) gegen eine familienähnliche Wohn- und Lebensgemeinschaft. 4.2. - 4.3. (...) 4.4. 4.4.1. Die Bestimmungen über Personen in familienähnlichen Wohn- und Lebensgemeinschaften (SKOS-Richtlinien, Kap. B.2.3) sowie in Zweck-Wohngemeinschaften (SKOS-Richtlinien, Kap. B.2.4) sind seit 1. Januar 2017 für die Bemessung der materiellen Hilfe verbind- lich (vgl. § 10 Abs. 1 SPV). 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 176 4.4.2. Unter den Begriff familienähnliche Wohn- und Lebensgemein- schaften fallen Paare oder Gruppen, welche die Haushaltfunktionen (Wohnen, Essen, Waschen, Reinigen usw.) gemeinsam ausüben und/oder finanzieren, also zusammenleben, ohne eine Unter- stützungseinheit zu bilden (z.B. Konkubinatspaare, Eltern mit voll- jährigen Kindern). Durch das gemeinsame Führen des Haushalts ent- spricht der Bedarf der Wohn- und Lebensgemeinschaft jenem einer Unterstützungseinheit gleicher Grösse. Der Grundbedarf für den Le- bensunterhalt wird anteilmässig im Verhältnis zur gesamten Haus- haltsgrösse festgelegt (SKOS-Richtlinien, Kap. B.2.3). Unter den Begriff Zweck-Wohngemeinschaften fallen dem- gegenüber Personengruppen, welche mit dem Zweck zusammen wohnen, die Miet- und Nebenkosten gering zu halten. Die Ausübung und Finanzierung der Haushaltsfunktionen (Wohnen, Essen, Waschen, Reinigen usw.) erfolgt überwiegend getrennt. Durch das gemeinsame Wohnen werden neben der Miete einzelne Kosten, wel- che im Grundbedarf enthalten sind, geteilt und somit verringert (z.B. Abfallentsorgung, Energieverbrauch, Festnetz, Internet, TV- Gebühren, Zeitungen, Reinigung). Der Grundbedarf für den Lebens- unterhalt wird unabhängig von der gesamten Haushaltsgrösse fest- gelegt. Er bemisst sich nach der Anzahl Personen in der Unter- stützungseinheit. Der entsprechende Grundbedarf wird um 10 % re- duziert (SKOS-Richtlinien, Kap. B.2.4). 4.4.3. Aus dem Mietvertrag lassen sich vorliegend keine Schlüsse zie- hen. Zwar ist der Mitbewohner des Beschwerdeführers nicht ledig- lich Untermieter, sondern Solidarmieter, weshalb sowohl der Be- schwerdeführer als auch der Mitbewohner für Verbindlichkeiten aus dem Mietverhältnis haften. Solidarschuldner auf Mieterseite kom- men indessen sowohl bei familienähnlichen Wohn- und Lebensge- meinschaften wie auch bei Zweck-Wohngemeinschaften vor. Diese Konstellation ist für sich alleine nicht aussagekräftig. Die äusseren Umstände der vorliegenden Wohngemeinschaft sprechen klar dagegen, dass ihr familienähnlicher Charakter zu- kommt. Aufgrund des beträchtlichen Altersunterschieds zwischen 2019 Sozialhilfe 177 den Bewohnern ist plausibel, dass Haushaltsfunktionen mit sozialem Bezug wie Wohnen, Einkaufen und Essen überwiegend getrennt er- folgen. Dies legen auch die Hintergründe des Beschwerdeführers und seines Mitbewohners nahe, welche einerseits von Integrationsbe- mühungen und andererseits von der Ausbildungsphase geprägt sind. Insoweit sind jene vergleichbar mit Wohngemeinschaften von Stu- denten; diese Wohngemeinschaften sind ihrem Zweck entsprechend zeitlich begrenzt. Getrennte Schlafzimmer sind zwar keine hinrei- chende Voraussetzung für eine Zweck-Wohngemeinschaft, können aber mangels Anzeichen für eine engere Bindung als Indiz hierfür gewertet werden. Abgesehen von der gemeinsamen Wohnung sind vorliegend keine Umstände ersichtlich, welche für eine engere (ge- schweige denn sexuelle) Beziehung unter den Bewohnern sprechen. Im Haushalt legen die Zuordnung der Lebensmittel mittels Kennzeichnungen und die teilweise getrennte Aufbewahrung der Nahrungsmittel nahe, dass gewisse Funktionen getrennt ausgeübt werden. Unbeachtlich ist, dass Lebensmittel im selben Kühlschrank aufbewahrt werden. Die gemeinsame Nutzung von Haushaltsgeräten und der Kücheneinrichtung ist in familienähnlichen Wohn- und Le- bensgemeinschaften und in Zweck-Wohngemeinschaften üblich. In- soweit ist auch gemeinsames Küchengeschirr (im Gegensatz zu ge- trenntem) kein taugliches Abgrenzungskriterium. Dies trifft ebenfalls auf die sanitarischen Anlagen und gegebenenfalls auf Wohnzimmer zu, welche gemeinsam genutzt werden. Unbedeutend ist schliesslich, dass die Bewohner unterschiedliche Artikel zur Körperpflege und Mundhygiene verwenden. Diese lassen keine Rückschlüsse auf einen gemeinsam geführten Haushalt zu. Hingegen spricht die Verwendung unterschiedlicher Waschmittel dafür, dass die betreffenden Haus- haltsarbeiten getrennt erfolgen. Dem Umstand, dass der Beschwerde- führer mehr Reinigungsarbeiten erledigt als sein Mitbewohner, kommt keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Bei der Zweck-Wohngemeinschaft erfolgt die gemeinsame Nutzung von Einrichtung und Räumlichkeiten - im Gegensatz zur familienähnlichen Wohn- und Lebensgemeinschaft, wo der Kosten- faktor lediglich vorteilhaft erscheint - vorwiegend, um die Lebens- haltungskosten gering zu halten. Da sich die Motivation, eine Wohn- 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 178 gemeinschaft einzugehen, regelmässig nicht feststellen lässt, ist jene im Wesentlichen aufgrund äusserer Umstände zu erschliessen. Vor- liegend sprechen die bescheideneren Verhältnisse wie auch die Lebensumstände beider Bewohner (materiell unterstützter neu aner- kannter Flüchtling und Auszubildender) für eine Zweck-Wohnge- meinschaft. Unter den gegebenen Umständen erscheint plausibel, dass die Wohngemeinschaft mit dem wesentlichen Zweck ein- gegangen wurde, eine Kostenersparnis zu erzielen. Insoweit ist nahe- liegend, dass sich der Beschwerdeführer und sein Mitbewohner die Wohnnebenkosten aufteilen. 4.5. Insgesamt sind keine schlüssigen Anhaltspunkte ersichtlich, die auf eine familienähnliche Wohn- und Lebensgemeinschaft im Sinne von Kap. B.2.3 der SKOS-Richtlinien schliessen liessen. Demzufol- ge ist von einer Zweck-Wohngemeinschaft gemäss Kap. B.2.4 der SKOS-Richtlinien auszugehen, wofür auch die unter Erw. 4.4 aufge- führten Gründe sprechen. Entsprechend ist dem Beschwerdeführer der um 10 % reduzierte Grundbedarf für eine Person in einem Ein- personenhaushalt zu gewähren. (...)
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2009 Zwangsmassnahmengemäss§StPO 221 VI. Zwangsmassnahmen gemäss § 241a StPO 41 Zwangsmassnahmen gemäss § 241a StPO - Voraussetzungen für Zwangsmassnahmen gemäss § 241a Abs. 2 lit. a StPO im Vergleich zu lit. b (vgl. auch AGVE 2008, S. 207 ff.) Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 3. November 2009 in Sachen P.B. gegen Entscheid der Klinik Königsfelden betreffend Zwangsme- dikation (WBE.2009.345). Aus den Erwägungen 3. 3.1. Da die Klinik am 23. Oktober 2009 einen auf fünf Tage befris- teten gültigen formellen Zwangsmassnahmen-Entscheid erlassen hat (wenn auch teilweise für bereits erfolgte Zwangsmassnahmen und zudem nicht auf dem für Zwangsmassnahmen gemäss § 241a StPO vorgesehenen Formular), ist im Folgenden zu prüfen, ob die verfügte Zwangsmedikation (soweit sie nicht rückwirkend angeordnet wurde und unabhängig von der Notfallsituation vom 20. Oktober 2009) ge- setzeskonform war, insbesondere soweit der Beschwerdeführer im Zeitraum vom 23. Oktober 2009 bis zum 28. Oktober 2009 die Me- dikamente allenfalls unter Druck des Zwangsmassnahmen-Entschei- des oral eingenommen hat. 3.2. Es stellt sich daher die Frage, ob die angeordnete Zwangsmedi- kation mit einem Neuroleptikum (Clopixol) mit dem konkreten Massnahmezweck vereinbar ist. Gemäss Urteil des Obergerichts vom 26. März 2009 wurde eine stationäre therapeutische Massnahme ge- mäss Art. 59 StGB bestätigt, weil die Behandlung des Beschwerde- führers in einer vorwiegend medikamentösen Therapie bestehe, was 2009 Verwaltungsgericht 222 sowohl bei der wahrscheinlichsten Diagnose einer Schizophrenie wie auch bei der Diagnose einer Persönlichkeitsstörung zutreffe. Unter diesen Umständen ist eine neuroleptische Medikation auch gegen den Willen des Beschwerdeführers zweifellos mit dem Massnahme- zweck vereinbar. Die medizinische Würdigung entspricht zudem den Ausführungen der behandelnden Ärztin vom 28. Oktober 2009, wo- nach beim Beschwerdeführer ein starker Verdacht auf zumindest vorübergehendes psychotisches Erleben bestehe. In diese Punkt ist die Beschwerde daher abzuweisen. Der Vollständigkeit halber kann festgestellt werden, dass ge- mäss Verlaufsbericht der Klinik Königsfelden vom 29. Oktober 2009 eine Medikamenten-Änderung durchgeführt wurde (neu wurde So- lian verordnet), womit sich der Beschwerdeführer einverstanden er- klärt hat. 4. Der Beschwerdeführer macht in seiner Eingabe sinngemäss geltend, es sei auf eine Medikation zu verzichten, das Verwaltungs- gericht habe dies doch bereits entschieden. Diese Ausführungen tref- fen zu, allerdings war die rechtliche Ausgangslage beim Urteil vom 15. Juli 2008 ganz anders. Damals war der Beschwerdeführer im Haftstatus in der Klinik. Unter diesen Umständen dürfen gemäss § 241a Abs. 2 lit. b StPO ohne Zustimmung oder gegen den Willen des Gefangenen medizinische Behandlungen oder andere medi- zinisch indizierte Vorkehren nur durchgeführt werden, wenn der Gefangene aufgrund einer Krankheit nicht zurechnungsfähig ist, sich selbst oder Dritte in schwerer Weise gefährdet und die notwendige Fürsorge auf andere Weise nicht gewährleistet werden kann. Diese strengen Voraussetzungen waren im Juli 2008 nicht erfüllt, weshalb die damalige Beschwerde gutgeheissen wurde (AGVE 2008, S. 207 ff.). Inzwischen wurde für den Beschwerdeführer jedoch eine stationäre Massnahme gemäss Art. 59 StGB rechtskräftig angeordnet und diese wird seit dem 10. August 2009 in der Klinik Königsfelden vollzogen. Das Verwaltungsgericht kann daher gestützt auf § 241a Abs. 2 lit. a StPO heute nur noch überprüfen, ob die angefochtene Zwangsmedikation mit dem konkreten Massnahmezweck vereinbar ist, was zu bejahen ist.
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Northwestern_Switzerland
AG_VG_001_AGVE-2009-41_2009-11-01
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AGVE_2009_41
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2013 Polizeirecht 223 VII. Polizeirecht 40 Rayonverbot; Anwendbarkeit des Konkordats; Auslegung der Formulie- rung "anlässlich einer Sportveranstaltung"; Verhältnismässigkeit - Die Auslegung von Art. 4 Abs. 1 des Konkordats ergibt unter Be- rücksichtigung aller Auslegungsmethoden, dass Personen, die sich nach einer Sportveranstaltung gewalttätig verhalten, ein Rayonver- bot auferlegt werden kann, wenn die Gewalttätigkeit in einem Zu- sammenhang mit der Sportveranstaltung steht. Ob ein rechtsgenüg- licher Zusammenhang vorliegt, ist jeweils unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls aufgrund des zeitlichen, räum- lichen und thematischen Zusammenhangs zwischen der Gewalttä- tigkeit und der Sportveranstaltung zu bestimmten (Erw. 3.3.). - Ein Rayonverbot ist in räumlicher Hinsicht nur dann notwendig und damit verhältnismässig, wenn zwischen dem verbotenen Rayon und der begangenen Gewalttätigkeit ein Zusammenhang besteht (Erw. 4.3.). Aus dem Entscheid des Einzelrichters des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 17. Oktober 2013 in Sachen A. gegen das Departement Volkswirtschaft und Inneres (WPR.2013.112; publiziert in: www.weblaw.ch, Jusletter 4. No- vember 2013). Sachverhalt (Zusammenfassung) Am 2. Juni 2013 fand im Stadion Brügglifeld in Aarau ab 16.00 Uhr ein Fussballspiel der Challenge League des Schweizeri- schen Fussballverbands zwischen dem FC Aarau und dem FC Wohlen statt. Diesem Fussballspiel folgte gleichentags ab 19.00 Uhr auf dem Aargauerplatz in Aarau die offizielle Meister- bzw. Aufstiegsfeier des FC Aarau. Einige Spieler und rund 800 bis 900 Anhänger des FC Aarau begaben sich im Anschluss daran in das 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 224 Clublokal "Kettenbrücke Club Aarau" (KBA). Kurz nach 23.00 Uhr zündete der vermummte Beschwerdeführer innerhalb der KBA eine Handlichtfackel. Aus den Erwägungen 1. 1.1. Die Vorinstanz verfügte gegenüber dem Beschwerdeführer ein Rayonverbot gestützt auf Art. 4 und 5 des Konkordats [über Mass- nahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen vom 15. November 2007 (Konkordat; SAR 533.100)]. 1.2. - 1.3. (...) 2. 2.1. - 2.2. (...) 2.3. 2.3.1. (...) 2.3.2. Dass der Beschwerdeführer pyrotechnische Gegenstände ver- wendet hat, steht ausser Frage und wird von ihm auch nicht bestrit- ten. Das Abbrennen einer Handlichtfackel stellt eine tatbestands- mässige Handlung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 des Konkordats dar. Diesbezüglich ist die Voraussetzung für eine Sanktionierung gestützt auf Art. 4 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 des Konkordats erfüllt. 3. 3.1. Umstritten und nachfolgend zu prüfen ist, ob das Konkordat vorliegend überhaupt zur Anwendung gelangt. Zu klären ist insbe- sondere, ob das gewalttätige Verhalten des Beschwerdeführers "an- lässlich einer Sportveranstaltung" im Sinne von Art. 4 Abs. 1 des Konkordats stattgefunden hat. 2013 Polizeirecht 225 3.2. (...) 3.3. 3.3.1. Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegen- den Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnisme- thode ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedan- ken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Norm dar- stellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkreti- sierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis der ratio legis, d.h. den Gesetzeszweck. Dabei ist ein pragmatischer Me- thodenpluralismus anzuwenden. Es ist insbesondere davon abzuse- hen, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Prio- ritätsordnung zu unterstellen. Gesetzesmaterialien können beigezo- gen werden, sofern sie auf die streitige Frage eine klare Antwort ge- ben (BGE 131 III 33, Erw. 2). Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut einer Be- stimmung. Ist der Text nicht ohne Weiteres klar und sind verschie- dene Interpretationen möglich, so muss unter Berücksichtigung aller Auslegungsmethoden (grammatikalische, systematische, historische und teleologische Methode) nach seiner wahren Tragweite gesucht werden; dabei kommt es namentlich auf den Zweck der Regelung, die dem Text zu Grunde liegenden Wertungen sowie auf den Sinnzu- sammenhang an, in dem die Norm steht (Urteil des Bundesgerichts vom 17. Januar 2011 [BGE 9C_65/2010], Erw. 5.1; BGE 135 II 78, Erw. 2.2; vgl. BGE 131 III 33, Erw. 2; BGE 130 II 202, Erw. 5.1; Ur- teil des Bundesverwaltungsgericht vom 11. Juli 2007 [D-2279/2007], Erw. 4.1 mit weiteren Hinweisen; vgl. zur Auslegung im Verwal- tungsrecht allgemein: U LRICH H ÄFELIN /G EORG M ÜLLER /F ELIX U HLMANN , Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl., Zürich/St. Gal- len 2010, Rz. 214 ff. mit weiteren Hinweisen). Die grammatikalische Auslegung stellt auf Wortlaut, Wortsinn und Sprachgebrauch ab. Unter Sprachgebrauch ist dabei in der Regel der allgemeine Sprachgebrauch zu verstehen. Bei der Auslegung sind neben dem Gesetzestext auch allfällige Titel zu berücksichtigen. Da- 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 226 bei sind die Formulierungen einer Gesetzesnorm in den Amtsspra- chen Deutsch, Französisch und Italienisch gleichwertig (U LRICH H ÄFELIN /W ALTER H ALLER /H ELEN K ELLER , Schweizerisches Bun- desstaatsrecht, 8. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2012, Rz. 91 ff.). (...) Sowohl der französische als auch der italienische Wortlaut der vorliegend auszulegenden Formulierung (" l'occasion de manifesta- tions sportives" bzw. "in prossimit di una manifestazione sportive") lässt sich als "bei Gelegenheit von Sportveranstaltungen" bzw. "aus Anlass von Sportveranstaltungen" übersetzen. Dies entspricht auch der Bedeutung der deutschen Formulierung ("anlässlich von Sport- veranstaltungen"), also aus Anlass von Sportveranstaltungen, wobei der Begriff "Anlass" mit dem Begriff "Gelegenheit" konvergiert (vgl. Duden, Band 10, S. 95). Die grammatikalische Auslegung ergibt demnach, dass Gewalt- tätigkeiten, welche aus Anlass bzw. bei Gelegenheit von Sportveran- staltungen begangen werden, von der Bestimmung des Art. 4 Abs. 1 des Konkordats erfasst sein sollen, wobei "aus Anlass" bzw. "bei Gelegenheit" nicht bedeutet, die Gewalttätigkeit müsse in einem un- mittelbaren bzw. direkten Zusammenhang zur Sportveranstaltung gestanden haben. Mit anderen Worten ist die Sanktionierbarkeit von Gewalttätigkeiten nicht auf Handlungen beschränkt, die an Sportver- anstaltungen selber begangen wurden. 3.3.2. Bei der systematischen Betrachtung wird der Sinn der Rechts- norm bestimmt durch ihr Verhältnis zu anderen Rechtsnormen und durch den systematischen und logischen Zusammenhang, in dem sie sich in einem Gesetz präsentiert. Massgebliches Element ist damit zum einen der systematische Aufbau eines Gesetzes. Dabei ist auch die Systematik der Titel und der Sachüberschriften oder der Randtitel von Bedeutung. Zum anderen ist das Verhältnis einer Norm zu Vor- schriften in einem anderen Erlass zu berücksichtigen (vgl. U LRICH H ÄFELIN /W ALTER H ALLER /H ELEN K ELLER , a.a.O., Rz. 97 f.). Art. 4 Abs. 1 Satz 1 des Konkordats hält fest, dass einer Person, die sich anlässlich von Sportveranstaltungen nachweislich an Ge- walttätigkeiten gegen Personen oder Sachen beteiligt hat, der Auf- 2013 Polizeirecht 227 enthalt in einem genau umschriebenen Gebiet im Umfeld von Sport- veranstaltungen (Rayon) zu bestimmten Zeiten verboten werden kann. Dabei dient als Anknüpfungspunkt für die Anordnung einer polizeilichen Massnahme Art. 2 des Konkordats. Die nicht abschlies- sende Aufzählung von Straftatbeständen des StGB in Art. 2 Abs. 1 exemplifiziert, wann gewalttätiges Verhalten im Sinne des Konkor- dats vorliegt. In Abs. 2 dieser Bestimmung wird der Begriff des gewalttätigen Verhaltens gemäss Abs. 1 erweitert und gleichzeitig wird der räumliche Rahmen dafür bestimmt: Als gewalttätiges Ver- halten gilt die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch das Mit- führen oder Verwenden von Waffen, Sprengmitteln, Schiesspulver oder pyrotechnischen Gegenständen an Sportstätten, in deren Um- gebung sowie auf dem An- und Rückreiseweg. In Art. 10 Satz 1 des Konkordats ist statuiert, dass die zuständige Behörde für die Mass- nahmen nach den Artikeln 4 bis 9 und die Zentralstelle den Orga- nisatoren von Sportveranstaltungen empfehlen können, gegen Per- sonen Stadionverbote auszusprechen, welche in Zusammenhang mit einer Sportveranstaltung ausserhalb des Stadions gewalttätig wurden. Aus Art. 4 Abs. 1 des Konkordats im gesetzessystematischen Zusammenhang mit Art. 2 Abs. 2 und Art. 10 des Konkordats geht somit hervor, dass nicht nur gewalttätiges Verhalten in Sportstätten, sondern auch in deren Umgebung sowie auf dem An- und Rückreise- weg bzw. ausserhalb des Stadions, sofern ein Zusammenhang zur Sportveranstaltung besteht, erfasst wird. 3.3.3. Mittels einer historischen Auslegung ist der Wille des Gesetzge- bers anhand der Materialien des Gesetzgebungsverfahrens zu ermit- teln. Dem historischen Willen des Gesetzgebers kommt gerade bei verhältnismässig jungen Gesetzen, wie dem vorliegenden, mit Blick auf den Gesetzeszweck eine erhebliche Bedeutung zu (vgl. U LRICH H ÄFELIN /G EORG M ÜLLER /F ELIX U HLMANN , a.a.O., Rz. 218; zur Be- grifflichkeit der massgeblichen Materialien: BGE 134 V 170, Erw. 4.1 mit Hinweisen). Das Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit vom 21. März 1997 (BWIS; SR. 120) wurde mit einem In- 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 228 strumentarium an Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sport- veranstaltungen mit Wirkung ab dem 1. Januar 2007 ergänzt. Die Änderungen sahen unter anderem die Einführung des nationalen Informationssystems HOOGAN sowie die Statuierung von Rayon- verboten, Meldeauflagen und Polizeigewahrsam gegen gewalttätige Personen vor, mit dem Ziel, das Sicherheitsdispositiv für die Durch- führung der Fussballeuropameisterschaft EURO 2008 in der Schweiz und in Österreich im Besonderen und von Sportveranstaltungen im Allgemeinen zu ergänzen. Diese Massnahmen wurden wegen der fragwürdigen Zuständigkeit des Bundes zeitlich begrenzt und per Ende 2009 ausser Kraft gesetzt. Wegen der Befristung der bundes- rechtlichen Massnahmen beschloss die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJP) in der Frühjahrsversammlung 2007 zur Weiterführung der erforderlichen Massnahmen ein entsprechendes Konkordat zu schaffen. Am 15. No- vember 2007 verabschiedete die Konferenz das Konkordat und un- terbreiteten es den Kantonen zur Ratifizierung. Das Konkordat trat im Kanton Aargau am 1. Januar 2010 in Kraft. Nachdem die befris- teten Regelungen des BWIS und der entsprechenden Verordnung (Verordnung über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit vom 27. Juni 2001, VWIS; SR 120.2) im Wesentlichen in das Kon- kordat übernommen wurden, sind für die historische Auslegung ins- besondere auch die Unterlagen zum BWIS und VWIS heranzuzie- hen. Der Bundesrat hielt in seiner Botschaft zur Änderung des BWIS unter dem Titel "Grundzüge der Vorlage" zunächst fest, dass die Vor- lage im BWIS unter anderem Grundlagen für die Bekämpfung von Gewalt im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen schaffe. Zudem merkte der Bundesrat an, dass sich die Ausschreitungen nicht auf die Stadien beschränkten, sondern rund um die Sportanlässe sowie in den Innenstädten der Austragungsorte stattfänden, weshalb privat- rechtliche Stadionverbote nur beschränkt wirksam seien (BBl 2005 5617). In Bezug auf die beantragten Massnahmen führte der Bundes- rat aus, diese seien insgesamt ausgewogen und geeignet, der zuneh- menden Gewalt im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen sowie der Verbreitung von zu Gewalt aufrufender Propaganda entgegenzu- 2013 Polizeirecht 229 wirken (BBl 2005 5620). Weiter hielt der Bundesrat fest, dass sich die vorgeschlagenen präventiven Massnahmen gezielt gegen Perso- nen richteten, die den Behörden als gewalttätig bekannt seien. Diesen Personen solle die Gelegenheit zur Ausübung von Gewalt genommen werden, indem sie von Sportanlässen ferngehalten würden. Der Be- zug der Gewalttätigkeit zu einer bestimmten Sportveranstaltung werde durch die zeitliche und thematische Nähe zum Ereignis herge- stellt (BBl 2005 5626). In seinen Erläuterungen der einzelnen Arti- keln fügte der Bundesrat an, dass sich das Rayonverbot im konkreten Fall beispielsweise auf Fussballstadien, in denen Spiele der Super- und der Challenge League ausgetragen würden, auf sämtliche Sta- dien, in denen Eishockey- oder Fussballspiele ausgetragen werden könnten, oder zusätzlich auf Lokalitäten, in denen andere Sportver- anstaltungen stattfänden, erstreckten. Mit der flexiblen Ausgestaltung des räumlichen und zeitlichen Geltungsbereichs werde die Verhält- nismässigkeit der Massnahme im Einzelfall gewährleistet. Ausser- dem werde dadurch berücksichtigt, dass sich das Gewaltphänomen auch auf andere Sportarten als Eishockey und Fussball ausweiten könne. Die kantonalen Behörden bestimmten den geografischen Raum des Verbots (Rayon) für jedes Stadion bzw. jeden Ort mit Sportveranstaltungen einzeln. Das Verbot umfasse in jedem Fall nur das öffentlich zugängliche Gebiet innerhalb des Rayons und solle so festgelegt werden, dass etwa Lokale in der Nähe von Stadien, in denen sich die gewaltbereiten Fans versammeln, miterfasst würden (BBl 2005 5629 f.). Die KKJP führte sodann in ihren Erläuterungen zum Konkordat in Bezug auf Art. 2 Abs. 2 des Konkordats aus, dass im Gegensatz zur ursprünglichen Fassung nicht nur Handlungen in Stadien oder Hallen als gewalttätiges Verhalten, sondern solche an Sportstätten, in deren Umgebung sowie auf dem An- und Rückreiseweg, gelten wür- den. Mit dieser Ausdehnung der Definition des gewalttätigen Verhal- tens könne die unbefriedigende Situation gelöst werden, dass bei Kontrollen im Umfeld von Sportveranstaltungen das Mitführen oder Verwenden gefährlicher Gegenstände toleriert werden müsse und ge- gen die Gewalttäter erst beim oder nach Betreten der Sportstätten vorgegangen werden könne. Zudem führte die KKJP aus, in Arti- 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 230 kel 10 des Konkordats werde eine inhaltliche Ausdehnung der bishe- rigen Bestimmungen des BWIS vorgenommen, die sich in der Praxis als nötig erwiesen habe: Häufig verübten Personen, welche sich innerhalb der Stadien friedlich verhalten, ausserhalb der Sportarenen Gewalttätigkeiten. Eine nachhaltige präventive Wirkung könne er- zielt werden, wenn auch in diesen Fällen Stadionverbote verhängt würden. Deshalb müsse es den zuständigen Behörden möglich sein, den Betreibern Stadionverbote zu empfehlen. Auch in der Botschaft des Regierungsrates des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 21. Mai 2008 betreffend das Konkordat (GR 08.140) wurde zu Art. 2 Abs. 2 des Konkordats ausgeführt: "Ge- mäss Art. 2 Abs. 2 des Konkordats gelten nicht nur Handlungen in Stadien oder Hallen als gewalttätiges Verhalten, sondern solche an Sportstätten, in deren Umgebung sowie auf dem An- und Rückreise- weg. Bis anhin musste aufgrund der bestehenden Bestimmungen bei Kontrollen im Umfeld von Sportveranstaltungen das Mitführen oder Verwenden gefährlicher Gegenstände toleriert werden. Dement- sprechend konnten die Polizeiorgane gegen Gewalttäter erst beim oder nach Betreten der Sportstätten vorgehen. Diese unbefriedigende Situation kann mit der vorgesehenen Ausdehnung der Definition des gewalttätigen Verhaltens verhindert werden." Zudem wurde zu Art. 10 des Konkordats angemerkt: "In Anwendung von Art. 10 des Konkordats können die zuständigen Behörden oder die Zentralstelle den Organisatoren von Sportveranstaltungen auch empfehlen, gegen Personen Stadionverbote auszusprechen, welche in Zusammenhang mit einer Sportveranstaltung ausserhalb des Stadions gewalttätig wurden. Diese Ausdehnung hat sich in der Praxis als notwendig erwiesen. Häufig verüben Personen, welche sich in den Stadien friedlich verhalten, ausserhalb der Sportarenen Gewalttätigkeiten. Dies gilt umso mehr, als die Sicherheitsvorkehrungen in den Stadien gerade am grössten sind. Die Gewalttätigkeiten verlagern sich so oft- mals auf den Umkreis von Stadien und in die Innenstädte der Austra- gungsorte. Eine nachhaltige präventive Wirkung kann nur erzielt werden, wenn auch in diesen Fällen Stadionverbote verhängt wer- den." 2013 Polizeirecht 231 Die Materialien zum Konkordat zeigen einerseits deutlich auf, dass nicht nur gegen Personen, die Gewalttätigkeiten innerhalb einer Sportstätte begehen, ein Rayonverbot verfügt werden können soll, sondern auch gegen diejenigen, die sich "lediglich im Zusammen- hang" mit einer Sportveranstaltung gewalttätig verhalten. Aus dem historischen Willen des Gesetzgebers ergibt sich, dass dieser Zusam- menhang zwar bestehen muss, nicht aber, dass hierfür ein enger Be- zug der Gewalttätigkeit zur Sportveranstaltung erforderlich ist. Ob überhaupt ein Bezug zwischen der Gewalttätigkeit und der Sportver- anstaltung besteht und wie stark dieser ist, lässt sich durch Bestim- mung des zeitlichen, örtlichen und thematischen Zusammenhangs der Gewalttätigkeit zur Sportveranstaltung eruieren (vgl. auch BBl 2005 5626). 3.3.4. Im Rahmen der teleologischen Auslegung ist unter Einbezug der bisherigen Erwägungen der wahre Sinngehalt der zu beurteilen- den Regelung zu ermitteln. Dabei wird auf die der Rechtsnorm zu- grundeliegenden Zweckvorstellungen nach den Vorgaben des Ge- setzgebers und die von diesem erkennbar getroffenen Wertentschei- dungen abgestellt. Dem Willen des Gesetzgebers und dessen Wert- entscheidungen kommt dabei eine grosse Bedeutung zu, da es sich vorliegend um einen jungen Erlass handelt (vgl. U LRICH H ÄFE - LIN /G EORG M ÜLLER /F ELIX U HLMANN , a.a.O., Rz. 218). Gemäss Art. 1 des Konkordats bezweckt das Konkordat die frühzeitige Erkennung und Bekämpfung von Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen. Gewalttätigkeiten im Umfeld von Sportveran- staltungen sollen mit den speziellen Massnahmen von Rayonverbo- ten, Meldeauflagen und Polizeigewahrsam verhindert und auf diese Weise eine friedliche Durchführung von Sportanlässen ermöglicht werden (vgl. BGE 137 I 31, Erw. 3). Die Massnahmen dienen allge- mein dem Schutz von Sportveranstaltungen vor Gewalt und im Be- sonderen dem Schutz individueller Rechtsgüter wie Leib und Leben, Gesundheit, Freiheit und Eigentum. So sollen Personen, die den Be- hörden als gewalttätig bekannt sind, die Gelegenheit zur Ausübung von Gewalt durch die Fernhaltung von Sportveranstaltungen genom- men und friedliche Sportfans sowie die öffentliche Sicherheit und 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 232 Ordnung geschützt werden (BBl 2005 5625). Dazu ist unabdingbar, dass Massnahmen gegen gewalttätiges Verhalten nicht nur während der Sportveranstaltung, sondern auch im Vorfeld oder im Nachgang dazu getroffen werden können. Dabei soll der Bezug der Gewalt- tätigkeit zu einer bestimmten Sportveranstaltung durch die zeitliche und thematische Nähe zum Ereignis hergestellt werden (BBl 2005 5626). Ziel der Bestimmung von Art. 4 Abs. 1 des Konkordats ist, Ge- waltausübungen und Ausschreitungen im Zusammenhang mit Sport- veranstaltungen durch die Auferlegung von Rayonverboten einzu- dämmen und den dadurch entstehenden Beeinträchtigungen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit entgegenzuwirken. Gewalt an- lässlich von Sportveranstaltungen soll frühzeitig erkannt und be- kämpft werden können. Im Vordergrund steht dabei die Prävention, die Verhinderung von Gewalttätigkeiten anlässlich von Sportveran- staltungen (vgl. BGE 137 I 31, Erw. 4.3). So soll das Rayonverbot der gewalttätigen Person untersagen, sich für eine bestimmte Zeit- dauer, während der eine bestimmte Sportveranstaltung stattfindet, in- nerhalb eines bestimmten Gebietes (Rayon) im Umfeld des Veran- staltungsortes aufzuhalten (BBl 2005 5620). Unter Einbezug des historischen Willens des Gesetzgebers ist im Rahmen der teleologischen Auslegung davon auszugehen, dass Personen, die sich im Zusammenhang mit einer Sportveranstaltung gewalttätig verhalten, ein Rayonverbot auferlegt werden kann. Auch mit Blick auf die teleologische Auslegung deutet nichts darauf hin, dass ein enger Zusammenhang zwischen der Gewalttätigkeit und der Sportveranstaltung bestanden haben muss. Da jedoch selbstredend nicht jede Gewalttätigkeit vor oder nach einer Sportveranstaltung durch das Konkordat erfasst werden soll, ist auch hier als taugliches Abgrenzungskriterium ein zeitlicher, räumlicher oder thematischer Bezug zur Sportveranstaltung zu fordern. 3.3.5. Die Auslegung von Art. 4 Abs. 1 des Konkordats ergibt dem- nach unter Berücksichtigung sämtlicher Auslegungsmethoden, dass Personen, die sich im Zusammenhang mit einer Sportveranstaltung gewalttätig verhalten, ein Rayonverbot auferlegt werden kann. Ein 2013 Polizeirecht 233 enger Bezug zwischen der Gewalttätigkeit und der Sportveranstal- tung ist dabei nicht erforderlich. Ob ein rechtsgenüglicher Zusam- menhang zwischen dem gewalttätigen Verhalten der betroffenen Per- son und der Sportveranstaltung vorliegt, ist jeweils unter Berück- sichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles aufgrund des zeit- lichen, räumlichen und thematischen Zusammenhangs zwischen der Gewalttätigkeit und der Sportveranstaltung zu bestimmen. 3.4. 3.4.1. Zum zeitlichen Zusammenhang ist Folgendes festzuhalten: Das Fussballspiel zwischen dem FC Aarau und dem FC Wohlen fand am 2. Juni 2013 ab 16.00 Uhr im Stadion Brügglifeld in Aarau statt und dürfte unter Berücksichtigung der Spielzeit und der Halbzeitpause um ca. 17.45 Uhr beendet gewesen sein. Gleichentags ab 19.00 Uhr folgte auf dem Aargauerplatz in Aarau die offizielle Meisterfeier bzw. Aufstiegsfeier des FC Aarau. Ab 21.00 Uhr fand in der KBA eine Party statt, an welcher einige Spieler und Anhänger des FC Aa- rau teilnahmen. Kurz nach 23.00 Uhr zündete der Beschwerdeführer innerhalb der KBA eine Handlichtfackel, worauf die Angestellten eines Sicherheitsdienstes einschritten und das Clublokal räumten. Zunächst ist festzuhalten, dass zwischen dem Ende des Fuss- ballspiels und dem Zeitpunkt der durch den Beschwerdeführer be- gangenen Gewalttätigkeit in der KBA eine Dauer von lediglich fünf Stunden liegt. Zudem fanden sowohl das Fussballspiel, als auch die Meister- bzw. Aufstiegsfeier auf dem Aargauerplatz sowie die Party in der KBA gleichentags sowie in einer sich aneinanderreihenden und zeitlich aufeinander abgestimmten Abfolge statt. Damit bildeten alle drei Ereignisse in zeitlicher Hinsicht eine Einheit, mithin eine "Ereigniskette". Der zeitliche Zusammenhang zwischen dem Fuss- ballspiel und dem gewalttätigen Verhalten des Beschwerdeführers in der KBA ist damit gegeben. 3.4.2. In räumlicher Hinsicht hält Art. 2 Abs. 2 des Konkordats fest, dass die Gewalttätigkeit in der Sportstätte selbst, in deren Umgebung oder auf dem An- bzw. Rückreiseweg begangen worden sein muss. 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 234 Zwischen dem Stadion Brügglifeld und dem Clublokal KBA be- steht eine räumliche Distanz von ca. zwei Kilometern (Fussweg). Damit ist das KBA als "in der Umgebung" der Sportstätte, nament- lich des Stadions Brügglifeld, im Sinne von Art. 2 Abs. 2 des Konkordats zu qualifizieren. Daran ändert auch nichts, dass das Sta- dion Brügglifeld grösstenteils auf Boden der Gemeinde Suhr steht und die offizielle Aufstiegsfeier sowie die Party in der KBA auf dem Gebiet der Stadt Aarau stattfanden, zumal nicht das Gemeindegebiet für die Begrifflichkeit der Umgebung massgebend ist, sondern die tatsächliche räumliche Nähe. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kann er aus dem Umstand, dass Art. 2 Abs. 2 des Konkordats auch Gewalttätigkeiten auf dem Rückreiseweg umfasst, nichts zu seinen Gunsten ableiten. Einerseits stellt die Erwähnung des Rückreisewegs im Verhältnis zur Sportstätte und zur Umgebung der Sportstätte lediglich eine räumli- che Ausweitung des potentiellen Tatortes dar, andererseits hat der Beschwerdeführer seine Rückreise klarerweise noch nicht abge- schlossen, da diese regelmässig am Wohnort des Betroffenen endet und im vorliegenden Fall nichts darauf hindeutet, dass die Rückreise des Beschwerdeführers nicht an seinem Wohnort enden sollte. Damit ist auch der räumliche Zusammenhang zwischen dem Fussballspiel und der Gewalttätigkeit des Beschwerdeführers in der KBA als erfüllt zu betrachten. 3.4.3. In Bezug auf den thematischen Zusammenhang ist vorab festzu- halten, dass ein solcher zwischen dem Fussballspiel und der offi- ziellen Aufstiegsfeier auf dem Aargauerplatz klarerweise gegeben ist. Das Fussballspiel am 2. Juni 2013 war für den FC Aarau das letzte der Meisterschaft in der Challenge League der Saison 2012/2013. Nach dessen Ende stand offiziell fest, dass der FC Aarau in die Super League aufsteigen wird. Der FC Aarau informierte bereits am 31. Mai 2013 in einer gemeinsamen Medienmitteilung mit dem Kan- ton Aargau, der Stadt Aarau und den Polizeiorganen auf seiner Homepage darüber, dass "am nächsten Sonntag, 2. Juni 2013 die offizielle Meisterfeier direkt im Anschluss an das Heimspiel gegen den FC Wohlen (Brügglifeld, Anpfiff: 16.00 Uhr)" folge, und orien- 2013 Polizeirecht 235 tierte im Weiteren über den Ablauf und die Organisation der Feierlichkeiten, beispielsweise darüber, dass Stadtrat Beat Blattner und Regierungsrat Alex Hürzeler eine Ansprache halten und die Spieler des FC Aarau sowie der Meisterschaftspokal präsentiert wür- den (...). Am 1. Juni 2013 erfolgte zudem auf der Homepage des FC Aarau eine Mitteilung, wonach der FC Aarau "am Sonntag nach der Meisterfeier auf dem Aargauer Platz in der KBA weiterfeiern" und das Clublokal zwischen 21.00 Uhr und 01.00 Uhr "ausseror- dentlich für die Verlängerung der Aarauer Aufstiegsfeierlichkeiten" geöffnet haben werde. Gleichzeitig wurde darüber informiert, dass die erste Mannschaft des FC Aarau ab 22.00 Uhr dort anwesend sein werde und alle Fans des FC Aarau einlade, den Aufstieg gemeinsam zu feiern. Auch das Clublokal KBA kündigte auf dem sozialen Netz- werk Facebook die Party am 2. Juni 2013 als "offizielle Aufstiegs- party" an. Ferner warben die Veranstalter Pop Art auf ihrer Home- page mit der "Aufstiegsfeier" in der KBA. Ergänzend wurde die Par- ty auf anderen Veranstaltungsplattformen, wie beispielsweise auf www.usgang.ch oder www.partyguide.ch, als "Aufstiegsfeier des FC Aarau" angekündigt (...). Schliesslich ist einer Aktennotiz der Vorinstanz vom 20. August 2013 zu entnehmen, dass der Geschäftsführer der Pop Art gegenüber der Kapo mitgeteilt hatte, die Meister- bzw. Aufstiegsfeier des FC Aarau sei zwischen dem Captain des FC Aarau und dem Ge- schäftsführer der KBA telefonisch vereinbart und das Clublokal KBA eigens für die Meisterfeier geöffnet worden. Die Party in der KBA wurde demnach im Hinblick auf das letzte Fussballspiel des FC Aarau in der Challenge League der Saison 2012/2013 und dem gleichzeitig damit einhergegangenen offiziellen Aufstieg in die Super League sowohl von Seiten des FC Aarau als auch vom Geschäftsführer des KBA organisiert und durchgeführt. Somit steht fest, dass - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - auch der thematische Zusammenhang zwischen dem Fussballspiel und seinem gewalttätigen Verhalten in der KBA gegeben ist. 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 236 3.5 Nach dem Gesagten ist festzuhalten, dass das Abbrennen einer Handlichtfackel durch den Beschwerdeführer in der KBA in zeitli- cher, räumlicher und thematischer Hinsicht in derart engem Zusam- menhang zum Fussballspiel des FC Aarau vom 2. Juni 2013 im Sta- dion Brügglifeld steht, dass ein rechtsgenüglicher Zusammenhang zwischen der Gewalttätigkeit und der Sportveranstaltung vorliegt und die Gewalttätigkeit als anlässlich einer Sportveranstaltung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 des Konkordats zu qualifizieren ist. Das Konkordat gelangt demzufolge vorliegend zur Anwendung. 3.6. (...) 4. 4.1. - 4.2. (...) 4.3. Soweit Rayonverbote Freiheitsrechte, wie vorliegend die Bewe- gungs- und Versammlungsfreiheit sowie das Recht auf Privatleben, einschränken, bedürfen sie einer gesetzlichen Grundlage (Art. 36 Abs. 1 BV), müssen durch ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt sein (Art. 36 Abs. 2 BV) und den Grundsatz der Verhältnismässigkeit wahren (Art. 36 Abs. 3 BV). (...) 4.3.1. Die Vorinstanz verfügte gegenüber dem Beschwerdeführer ein Rayonverbot gestützt auf Art. 4 und 5 des Konkordats. Das Konkor- dat bildet nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung eine hinrei- chende gesetzliche Grundlage für Einschränkungen von Grundrech- ten im Sinne von Art. 36 Abs. 1 BV (BGE 137 I 31, Erw. 6.3 mit weiteren Hinweisen). 4.3.2. Es besteht ein ebenso offensichtliches wie gewichtiges öffentli- ches Interesse daran, Gewalttätigkeiten anlässlich von Sportveran- staltungen zu verhindern. Die mit den Polizeimassnahmen ange- gangenen Gewalttätigkeiten berühren öffentliche Interessen, sowohl im Hinblick auf Störungen und Gefährdungen der öffentlichen Ord- nung wie auch mit Blick auf den erforderlichen Einsatz von Sicher- 2013 Polizeirecht 237 heitskräften. Gleichermassen sind unbeteiligte Besucher und Ver- anstalter von Sportveranstaltungen durch Gewalttätigkeiten in ihren privaten Interessen beeinträchtigt und in ihren Grundrechten betrof- fen. Damit ist die Auferlegung von Rayonverboten gegenüber Perso- nen, die anlässlich von Sportveranstaltungen Gewalttätigkeiten bege- hen, im Sinne von Art. 36 Abs. 2 BV durch öffentliche Interessen und den Schutz von Grundrechten Dritter klarerweise gerechtfertigt. 4.3.3. (...) 4.3.3.1. Rayonverbote sind geeignet, Personen, von denen Gewalttätig- keiten ausgehen könnten, sowohl von der Umgebung der Stadien als auch von den Bahnhöfen und Örtlichkeiten, welche zur Hin- und Rückfahrt benutzt werden, bzw. an denen potentiell Gewalttätigkei- ten begangen werden, fernzuhalten. Damit wird in effizienter Weise verhindert, dass die betroffenen Personen in jene Gebiete gelangen, wo es erfahrungsgemäss besonders häufig zu Gewalttätigkeiten kommt (BGE 137 I 31, Erw. 6.5). 4.3.3.2. Wie bereits festgehalten, muss die Verwaltungsmassnahme im Hinblick auf das im öffentlichen Interesse angestrebte Ziel erforder- lich sein und darf in persönlicher, sachlicher, zeitlicher, und räumli- cher Hinsicht nicht weiter gehen, als es der polizeiliche Zweck erfor- dert. In diesem Zusammenhang ist zunächst Folgendes festzuhalten: Der kaskadenartige Aufbau der polizeilichen Massnahmen im Konkordat gewährleistet grundsätzlich, dass abhängig von der Ein- griffsintensität in die Grundrechte stets das mildeste Mittel ergriffen werden kann, um den Zweck der Massnahmen zu erreichen (vgl. BBl 2005 5639). Das Rayonverbot bildet aus Sicht der Grundrechts- beeinträchtigung die mildeste der vom Konkordat vorgesehenen Massnahmen zur Verhinderung von Gewalt anlässlich von Sportver- anstaltungen. Die Meldeauflage gemäss Art. 6 des Konkordats greift stärker in die Grundrechte ein; sie wird nur angeordnet, soweit ein Rayonverbot missachtet worden ist (Art. 6 Abs. 1 lit. a des Konkor- dats). Die schärfste Massnahme, ausgestaltet als "ultima ratio", ist schliesslich der Polizeigewahrsam nach Art. 8 des Konkordats (vgl. 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 238 BBl 2005 5634), bei welcher Voraussetzung ist, dass der Gewahrsam als einzige Möglichkeit erscheint, die betroffene Person von der Beteiligung an Gewalttätigkeiten abzuhalten (Art. 8 Abs. 1 lit. b des Konkordats). Da sich das Rayonverbot direkt gegen den Beschwerdeführer richtet, der durch sein Verhalten die öffentliche Sicherheit und Ord- nung gestört und gefährdet hat (sog. Störerprinzip), reicht dieses in persönlicher Hinsicht nicht über das angestrebte Ziel hinaus. In zeitlicher Hinsicht dürfen Massnahmen nur so lange dauern, als es notwendig ist, um das damit angestrebte Ziel zu erreichen. Das Rayonverbot wurde für die Dauer vom 2. Juni 2013 bis 1. Juni 2014 jeweils drei Stunden vor Beginn bis drei Stunden nach Ende eines Heimspiels (Meisterschafts-, Schweizercup- oder Freundschaftsspiel) der ersten Mannschaft des FC Aarau (Super League Team), der ers- ten Mannschaft des FC Wohlen (Challenge League Team) sowie der ersten Mannschaft des FC Baden (1. Liga Classic) ausgesprochen. Die Auferlegung des Rayonverbots für die Dauer von einem Jahr so- wie die Zeitspanne von je drei Stunden vor und nach einem Fussball- spiel erscheinen im vorliegenden Fall, insbesondere in Anbetracht des grossen Gefährdungspotentials des Beschwerdeführers, als ange- messen. Das Rayonverbot beschlägt sämtliche Heimspiele der ersten Mannschaften des FC Aarau, FC Wohlen und FC Baden. Diesbezüg- lich ist anzumerken, dass der FC Aarau in der laufenden Fussballsai- son in der Super League spielt und damit während der regulären Meisterschaft nicht gegen die Fussballclubs von Wohlen (Challenge League) und Baden (1. Liga Classic) antritt. Eine Ausdehnung des Rayonverbots auf Gebiete, welche sich auf Fussballclubs in unteren Spielklassen beziehen, ist in sachlicher Hinsicht in der Regel nicht erforderlich. Es besteht vorliegend denn auch nicht die gleich grosse Gefahr, dass sich der zum FC Aarau bekennende Beschwerdeführer bei Heimspielen des FC Wohlen und FC Baden gewalttätig verhalten würde, ohne dass der FC Aarau involviert wäre. Ausschreitungen sind in erster Linie bei Fussballspielen der ersten Mannschaft des FC Aarau, namentlich bei Heimspielen oder bei Auswärtsspielen ge- gen den FC Wohlen oder FC Baden im Rahmen des Schweizercups 2013 Polizeirecht 239 oder anlässlich von Freundschaftsspielen, zu befürchten. Das Rayon- verbot ist deshalb gestützt auf § 49 VRPG insofern anzupassen, als dass es nur auf Heimspiele der ersten Mannschaft des FC Aarau so- wie auf Heimspiele der ersten Mannschaften des FC Wohlen und FC Baden, sofern diese gegen die erste Mannschaft des FC Aarau spielen, zu beschränken ist. Damit das Rayonverbot dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz in räumlicher Hinsicht ausreichend Rechnung trägt, muss die Anzahl der vom Verbot erfassten Gebiete auf das tatsächlich zur Zielerrei- chung notwendige Minimum beschränkt sein. Dem Beschwerdefüh- rer wurde ein Rayonverbot für die Gebiete des Rayons 1 "Aarau", des Rayons 2 "Wohlen", des Rayons 3 "Esp" und des Rayons 4 "Ba- den" auferlegt. Der Verfügung wurde sowohl ein Plan als auch eine Liste mit Strassen bzw. geografischen Ortsbezeichnungen beigelegt, aus welchen unmissverständlich hervorgeht, welches Gebiet durch den Beschwerdeführer nicht betreten werden darf. In diesem Zusam- menhang ist jedoch zu beachten, dass nach dem Wortlaut der Verfü- gung das Rayonverbot für alle vier Rayons gilt, auch wenn nur ein Fussballspiel der erwähnten Mannschaften stattfindet und damit in räumlicher Hinsicht nur ein Rayon betroffen ist. So würde beispiels- weise ein Verbot für den Rayon Aarau auch bei einem Heimspiel der ersten Mannschaft des FC Wohlen gelten, was jedoch kaum dem Ziel und Zweck des Konkordats entspricht, da diesfalls im fraglichen Ge- biet keine ernsthafte Gefahr gewalttätiger Ausschreitungen bestehen dürfte. Daher erscheint es vorliegend sachgerecht, das Rayonverbot gestützt auf § 49 VRPG jeweils auf den Rayon zu beschränken, in welchem das jeweilige Fussballspiel stattfindet. Das Rayonverbot ist dahingehend ebenfalls anzupassen. 4.3.3.3. Eine Verwaltungsmassnahme ist nur gerechtfertigt, wenn sie ein vernünftiges Verhältnis zwischen dem angestrebten Ziel und dem Eingriff, den für den betroffenen Privaten bewirkt, wahrt. Die Mass- nahme muss durch ein das private Interesse überwiegendes öffentli- ches Interesse gerechtfertigt sein (Verhältnismässigkeit im engeren Sinne). 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 240 Die mit den Polizeimassnahmen angegangenen Gewalttätigkei- ten berühren öffentliche Interessen, sowohl im Hinblick auf Störun- gen und Gefährdungen der öffentlichen Ordnung wie auch mit Blick auf den erforderlichen Einsatz von Sicherheitskräften. Gleichermas- sen sind unbeteiligte Besucher und Veranstalter von Sportveran- staltungen durch Gewalttätigkeiten in ihren privaten Interessen beeinträchtigt und in ihren Grundrechten betroffen. Diese öffentli- chen Interessen stehen den privaten Interessen des Beschwerdefüh- rers entgegen, sich während bestimmten Zeiten an bestimmten Ört- lichkeiten aufhalten zu dürfen. Dem Beschwerdeführer wird durch das ihm auferlegte Rayon- verbot untersagt, für die Dauer vom 2. Juni 2013 bis 1. Juni 2014 jeweils drei Stunden vor Beginn bis drei Stunden nach Ende eines Heimspiels (Meisterschafts-, Schweizercup- oder Freundschaftsspiel) der ersten Mannschaft des FC Aarau (Super League Team), der ersten Mannschaft des FC Wohlen (Challenge League Team) sowie der ersten Mannschaft des FC Baden (1. Liga Classic) die Rayons 1 bis 4 zu betreten. Dabei ist zu bedenken, dass alleine der FC Aarau während der laufenden Fussballsaison in der Super League 18 Heim- spiele bestreiten wird. Dies hätte zur Folge, dass der Beschwerdefüh- rer, unter Berücksichtigung der Heimspiele des FC Aarau, FC Woh- len und FC Baden in der Meisterschaft - Schweizercup- und Freund- schaftsspiele ausgenommen - rund 54 Tage im Jahr alle vier Rayons während ca. acht Stunden nicht betreten dürfte. Diese Auswirkung würde indes unter Berücksichtigung des vom Beschwerdeführer aus- gehenden Gefährdungspotentials kein vernünftiges Verhältnis mehr zwischen dem angestrebten Ziel und dem Eingriff für den Beschwer- deführer darstellen. Auch unter diesem Aspekt ist das Rayonverbot deshalb nur auf Heimspiele der ersten Mannschaft des FC Aarau sowie auf Heimspiele der ersten Mannschaften des FC Wohlen und FC Baden, sofern diese gegen die erste Mannschaft des FC Aarau spielen, sowie jeweils auf den Rayon, in welchem das jeweilige Fussballspiel stattfindet, zu beschränken. Unter Berücksichtigung dieser Anpassungen sind die zuvor er- wähnten öffentlichen Interessen höher zu gewichten, als die durch die polizeiliche Massnahme des Rayonverbots betroffenen privaten 2013 Polizeirecht 241 Interessen des Beschwerdeführers. Damit erweist sich das Rayonver- bot auch als verhältnismässig im engeren Sinne. 5. Zusammenfassend ist die Beschwerde dahingehend gutzuheis- sen, dass das gegen den Beschwerdeführer verfügte Rayonverbot nur auf Heimspiele der ersten Mannschaft des FC Aarau sowie auf Heim- spiele der ersten Mannschaften des FC Wohlen und FC Baden, sofern diese gegen die erste Mannschaft des FC Aarau spielen, sowie je- weils auf den Rayon, in welchem das jeweilige Fussballspiel stattfin- det, beschränkt wird. Im Übrigen erweist sich die Beschwerde als un- begründet und ist abzuweisen.
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2007 Verwaltungsgericht 194 45 Unentgeltliche Rechtsverbeiständung in Sozialhilfeverfahren. - Wahrt eine Kürzung die Existenzsicherung nach § 15 Abs. 2 SPV, ist die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsvertreters nur dann gebo- ten, wenn besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten hinzukommen, denen der Gesuchsteller auf sich alleine gestellt nicht gewachsen wäre. Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 14. Dezember 2007 in Sa- chen M.L. gegen das Bezirksamt Brugg (WBE.2007.291). Aus den Erwägungen 3. 3.1. Ob eine unentgeltliche Rechtsvertretung sachlich notwendig ist, beurteilt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalles. Die bedürftige Partei hat Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung, wenn ihre Interessen in schwerwiegender Weise betroffen sind und der Fall in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten bietet, die den Beizug eines Rechtsvertreters erforderlich machen. Droht das in Frage stehende Verfahren besonders stark in die Rechts- position der betroffenen Person einzugreifen, ist die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsvertreters grundsätzlich geboten, sonst nur dann, wenn zur relativen Schwere des Falles besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten hinzukommen, denen der Ge- suchsteller auf sich alleine gestellt nicht gewachsen wäre (BGE 130 I 180 Erw. 2.2). 3.2. Im angefochtenen Beschluss hat der Stadtrat X. während sechs Monaten den Grundbedarf I des Beschwerdeführers und seiner Ehe- frau um 30 % und den Grundbedarf II vollständig gekürzt. Eine Kür- zung in diesem Umfang stellt keinen besonders schweren Eingriff dar, zumal die Existenzsicherung i.S.v. § 15 Abs. 2 SPV gewahrt bleibt. Die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsvertreters ist des- 2007 Sozialhilfe 195 halb nur dann geboten, wenn sich besondere tatsächliche oder recht- liche Schwierigkeiten stellen. Der Stadtrat X. hat die Kürzung der Sozialhilfe damit begrün- det, der Beschwerdeführer habe gegen die Mitwirkungs- und Melde- pflicht verstossen, indem er die Fragen im Schreiben des Stadtrats X. vom 26. Juni 2007, welche der Berechnung des Lebensunterhalts für die Monate Juni und Juli 2007 dienen sollten, nicht oder nur ungenü- gend beantwortet habe. Es handelte sich dabei um Fragen betreffend den Aufenthalt der Ehefrau und des Kindes nach dem Vorfall von häuslicher Gewalt, die Daten der Semesterferien 2007 und die Ar- beitsbemühungen in dieser Zeit, die Bemühungen um zinslose Dar- lehen sowie die Prüfungsergebnisse und Semesterzeugnisse. Im Zu- sammenhang mit der Kürzung der Sozialhilfe stellen sich somit keine besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten. Soweit der Beschwerdeführer darauf hinweist, er sei nicht deutscher Muttersprache, so ergibt sich aus den diversen Eingaben des Be- schwerdeführers an die Sozialbehörde, das Bezirksamt Brugg und das Verwaltungsgericht, dass seine Deutschkenntnisse ausreichen, um die Vorwürfe des Stadtrats X. zu verstehen und dazu Stellung zu nehmen. Die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsvertreters ist deshalb nicht notwendig, und die Vorinstanz hat das Gesuch des Be- schwerdeführers zu Recht abgewiesen.
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2004 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 147 [...] 42 Bedeutung von Gutachten der Eidgen. Natur- und Heimatschutzkommis- sion (ENHK) nach Art. 17a NHG; Mitwirkungsrechte im Verwaltungs- verfahren. - Die ENHK kann auf Ersuchen oder mit Zustimmung eines Kantons zu Vorhaben im kantonalen Aufgabenbereich tätig werden (Erw. 6/b). - Keine Beeinträchtigung der formellen Mitwirkungsrechte, wenn ein Gutachter Ortsbesichtigungen zu seiner Orientierung im Gelände und ohne Anwesenheit der Parteien durchführt (Erw. 6/d und e). - Gutachten der ENHK unterliegen der freien Beweiswürdigung und können die für eine Interessenabwägung notwendigen Sachverhalts- feststellungen, insbesondere für die Abgrenzung einer Naturschutz- zone, nicht ersetzen (Erw. 7/b und d). 2004 Verwaltungsgericht 148 Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 22. Oktober 2003 in Sa- chen F. AG gegen den Genehmigungsentscheid des Grossen Rates vom 16. Ja- nuar 2001 und den Entscheid des Regierungsrates vom 17. Mai 2000. Aus den Erwägungen 6. Der Beschwerdeentscheid begründet die Zuweisung zur Na- turschutzzone Magerwiese ergänzend mit dem Gutachten der ENHK vom 17. Februar 1999. Gegen dieses Gutachten erheben die Be- schwerdeführerinnen formelle Rügen und machen geltend, der ENHK fehle die gesetzliche Kompetenz und Legitimation zur Er- stattung eines Gutachtens für das umstrittene Gebiet. Vor der Ex- pertenernennung hätte keine Anhörung stattgefunden noch hätten die Beschwerdeführerinnen an der Begehung durch die Mitglieder der Kommission teilnehmen können. a) Der durch Art. 29 Abs. 2 BV und § 15 VRPG gewährleistete Anspruch auf rechtliches Gehör dient einerseits der Sachaufklärung und garantiert andererseits den Betroffenen ein persönlichkeitsbezo- genes Mitwirkungsrecht im Verfahren. Dazu gehört nach der Recht- sprechung, dass sich die Betroffenen vor Erlass des Entscheids zur Sache äussern, erhebliche Beweise beibringen, Einsicht in die Akten nehmen und an der Erhebung von Beweisen entweder mitwirken oder sich zumindest zum Beweisergebnis äussern können, wenn dieses geeignet ist, einen Entscheid zu beeinflussen (BGE 127 I 56; AGVE 1997, S. 373; VGE IV/11 vom 16. Mai 2003 [BE.2002.000127] in Sachen H. und Mitb., S. 11; Michele Albertini, Der verfassungsmässige Anspruch auf rechtliches Gehör im Ver- waltungsverfahren des modernen Staates, Diss. Bern 2000, S. 259 mit Hinweisen; Reinhold Hotz, in: Bernhard Ehrenzeller/Philippe Mastronardi/Rainer J. Schweizer/Klaus A. Vallender, Die schweize- rische Bundesverfassung, Kommentar, Zürich/Basel/Genf 2002 [Kommentar BV], Art. 29 N 23 ff.; René Rhinow/Heinrich Kol- ler/Christina Kiss, Öffentliches Prozessrecht und Justizverfassungs- recht des Bundes, Basel 1996, Rz. 285). Der verfassungsrechtliche Anspruch auf Mitwirkung am Beweisverfahren umfasst die Teilan- 2004 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 149 sprüche, Beweisanträge zu stellen, an den Beweiserhebungen teilzu- nehmen und sich zum Ergebnis des Beweisverfahrens zu äussern (Hotz, a.a.O., Art. 29 N 33 mit Hinweisen; BGE 126 I 16 und BGE 126 V 131 f.). Im Verwaltungsverfahren gilt das Mitwirkungs- oder Äusserungsrecht des Betroffenen namentlich im Zusammen- hang mit der Durchführung eines Augenscheins (BGE 121 V 152 f.; AGVE 1999, S. 361 ff.; 1986, S. 337). Hinsichtlich der Anordnung einer verwaltungsexternen Expertise im Verwaltungsverfahren, deren Aufgabe es ist, den konkreten Sachverhalt festzustellen und/oder zu würdigen, sind mangels weitergehender kantonaler Verfahrensregeln die Minimalanforderungen der verfassungsrechtlichen Garantie ein- zuhalten. § 22 VRPG bindet die Verwaltungsbehörden bei der Be- weiserhebung nicht wie das Verwaltungsgericht an die Verfahrensre- geln der Zivilprozessordnung (§ 22 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 e con- trario VRPG; AGVE 1986, S. 336). Auch aus § 15 VRPG ergeben sich für das Verfahren der Experteninstruktion und die Tätigkeit der Experten keine zusätzlichen Mitwirkungsrechte der Betroffenen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts hält im Verwaltungsverfahren eine Beweiserhebung mittels Expertise vor der Verfassung stand, wenn den Betroffenen das Äusserungsrecht nach Erstattung des Gutachtens eingeräumt wird, die Experten vor Bestellung und Erstattung des Gutachtens förmlich in Pflicht genommen werden und die Betroffenen bei der Instruktion teilneh- men können (AGVE 1999, S. 361 f. mit Hinweisen). b) Gemäss Art. 17a NHG erstattet die ENHK Gutachten, wo es sich nicht um die Erfüllung einer Bundesaufgabe handelt. Die Be- stimmung wurde vom Bundesrat in Art. 25 Abs. 1 lit. e NHV wie folgt konkretisiert: "Sie [ENHK und EKD] erstatten besondere Gutachten (Art. 17a NHG), sofern ein Vorhaben, das keine Bundesaufgabe nach Art. 2 NHG darstellt, ein Objekt beeinträchtigen könnte, das in einem Inventar des Bundes nach Art. 5 NHG aufge- führt oder anderweitig von besonderer Bedeutung ist." Das Bundesrecht unterscheidet damit Gutachten nach Art. 17a NHG von den obligatorischen und fakultativen Gutachten nach Art. 7 und 8 NHG, wo es um die Erfüllung von Bundesaufgaben geht und die ENHK oder auf Ersuchen des BUWAL eine kantonale Fachstelle 2004 Verwaltungsgericht 150 oder ein kantonales Organ (Art. 9 NHG) zur Erstattung einer Expertise verpflichtet sind oder werden können und die ENHK von Amtes wegen tätig wird. Die Gutachten nach Art. 17a NHG, welche nicht die Erfüllung einer Bundesaufgabe beinhalten, setzen entweder die Beeinträchtigung eines Bundesinventars oder ein Objekt von anderweitig besonderer Bedeutung voraus (Jörg Leimbacher, Kommentar NHG, Art. 17a N 1 ff.). Art. 17a NHG und Art. 25 Abs. 1 lit. e NHV umschreiben aber die Zuständigkeit der ENHK nicht ab- schliessend und schliessen insbesondere nicht aus, dass die ENHK tätig wird und dabei feststellt, dass keine Objekte der Bundesinven- tare oder solche von besonderer Bedeutung beeinträchtigt sind. Die ENHK kann in diesem Sinn und auf Ersuchen oder mit Zustimmung eines Kantons auch beratend tätig werden, ohne dass die Vorausset- zungen von Art. 17a NHG und Art. 25 Abs. 1 lit. e NHV erfüllt sind (ähnlich Leimbacher, a.a.O., Art. 17a N 6 f.). Mit andern Worten ha- ben die gesetzlichen Zuständigkeitsregeln nur die Bedeutung, dass die ENHK oder das BUWAL eine Expertentätigkeit der Kommission ablehnen kann, wenn die Voraussetzungen von Art. 17a NHG i.V.m. Art. 25 Abs. 1 lit. e NHV nicht gegeben sind. c) Der Regierungsrat und die ENHK stützen sich für die Legi- timation des Gutachtens vom 17. Februar 1999 auf den Umstand, dass auf Grund der bis zum Expertenauftrag vorhandenen Grundla- gen und den vorgenommenen Abklärungen zumindest ein kantonales Interesse bestehe und ein bundesweites Interesse nicht von vorn- herein ausgeschlossen bzw. denkbar sei. Der Sekretär der ENHK hat anlässlich der Orientierungsversammlung vom 2. Dezember 1998 für das Gutachten vom 17. Februar 1999 zudem ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die ENHK auch Gutachten erstellt zu Vorhaben, die in den kantonalen Aufgabenbereich fallen und nicht unbedingt Schutzgebiete von nationaler Bedeutung betreffen. Die Kommission sieht ihre Funktion vorliegend auch vornehmlich in einer beratenden Tätigkeit zuhanden des Regierungsrats zur Begutachtung der von der Verwaltung festgestellten Naturschutzaspekte und in der Abgabe von Empfehlungen. Mit dieser Einschränkung und insoweit entgegen der im Beschwerdeentscheid geäusserten Auffassung ist mit der Tätigkeit der ENHK im vorliegenden Verfahren weder die Beeinträchtigung 2004 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 151 eines im Bundesinventar nach Art. 5 NHG aufgeführten oder eines anderweitig als von besonderer Bedeutung betrachteten Naturobjekts impliziert. Anderseits untersteht das Gutachten der ENHK der freien Beweiswürdigung (BGE 125 II 602; Urteil des Bundesgerichts vom 22. Juli 1999, in: Umweltrecht in der Praxis [URP] 1999, S. 794 ff.). Dabei ist insbesondere den Umständen und dem Inhalt eines Gut- achtens nach Art. 17a NHG, welches im Sinne der guten Dienste ei- ner Bundesbehörde erstellt wurde, Rechnung zu tragen. Mit andern Worten ist die Frage, ob die ENHK zu Recht oder zu Unrecht das Gutachten erstattet hat, vom Problem der Verbindlichkeit des vorlie- genden Gutachtens der ENHK zu unterscheiden. d) Nach § 22 Abs. 1 VRPG kann die Verwaltungsbehörde zur Abklärung eines Sachverhalts Expertisen anordnen. aa) Von den Beschwerdeführerinnen wird die fachliche Kom- petenz der ENHK zu Recht nicht in Frage gestellt. Ob die ENHK auf Grund von Art. 17a NHG und Art. 25 Abs. 1 lit. e NHV berechtigt war, ein Gutachten zu erstellen, ist eine Frage, die im Verhältnis der ENHK zur zuständigen Bundesbehörde relevant sein kann, nicht aber für die Zulässigkeit ihrer Expertentätigkeit im Beschwerdeverfahren vor dem Regierungsrat. Die Stellung der ENHK als beratende Kom- mission des Bundes sowie ihre Organisation mit der Wahl durch den Bundesrat (Art. 25 Abs. 1 NHG und Art. 24 Abs. 1 NHV) erfordern auch nicht, dass die Mitglieder der ENHK förmlich in Pflicht genom- men werden. bb) Der Gutachterauftrag wurde vom damaligen Vorsteher des Baudepartements am 12. Januar 1998 ohne vorherige Anfrage bei den betroffenen Grundeigentümern in Auftrag gegeben. Sämtliche Beteiligten hatten aber die Gelegenheit, Ergänzungsfragen zu stellen. Das Baudepartement teilte sodann mit Schreiben vom 2. Juli 1998 allen Beteiligten mit, dass am 23. Juli 1998 eine Begehung durch eine Delegation der ENHK und zwei weitere Begehungen zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden werden. Den Verfahrensbeteiligten wurde auch mitgeteilt, sie würden nachträglich Gelegenheit haben, zum Bericht der ENHK schriftlich Stellung zu nehmen. Weitere Be- gehungen der Experten fanden am 19. und 22. Juli, 6. August und 4. September 1998 im Gebiet "Bruggerberg" statt. Der Experte K. 2004 Verwaltungsgericht 152 führte an der Orientierungsversammlung vom 2. Dezember 1998 hiezu aus, dass er sich bei seinen verschiedenen Begehungen ein Bild über die hier "zugängliche Grünlandvegetation, welche seinen Niederschlag auf der vorliegenden Vegetationskarte gefunden habe", verschafft habe. Auf dieser Karte sei ersichtlich, wo die Arten, die der Kanton als typische Arten von geschützten, trockenen Lebens- räumen bezeichnet, vorkommen. Es würden sich aber auch Arten fin- den, die gemäss Naturschutzverordnung geschützt seien. Es könne somit parzellenscharf ausgesagt werden, wo was vorkomme resp. wo sich die als schützenswert bezeichneten Grünlandtypen befänden. Im Folgenden zeigt es sich, dass über die Begehungen nur ungefähre Standortangaben möglich waren. Der Sekretär der ENHK stellte zwar eine Datenliste mit den ungefähren Begehungsorten ohne Parzellenbezeichnung zusammen mit dem Gutachten in Aussicht. Diese Grundlagen des Gutachtens wurden im regierungsrätlichen Beschwerdeverfahren weder den Verfahrensbeteiligten noch dem Regierungsrat als Entscheidbehörde zugestellt. Damit ist fest- zuhalten, dass den Beschwerdeführerinnen wesentliche Grundlagen fehlten, soweit der Plan von Prof. K. weitere oder andere Fest- stellungen zu ökologischen Werten mit Bezug auf ihre Parzellen Nrn. ... enthalten hatte. Die ENHK hat vor Verwaltungsgericht die von Prof. K. aufgenommenen Vegetationskarten und Routenkarten eingereicht. Im Plan von Prof. K. und aus der Datenliste ist ersicht- lich, dass eine Begehung der Parzellen Nrn. ... am 23. Juni 1998 stattgefunden hat. Dabei wurden keine über die kantonalen Fest- stellungen hinausgehenden Sachverhaltsfeststellungen gemacht: Die von Prof. K. gefundenen Pflanzen (Bromus erectus, Origanum vul- gare und Ranunculus bulbosus) wurden auch schon vom kantonalen Sachverständigen an seiner Begehung vom 3. September 1997 festgehalten. Das von der ENHK eingeholte Stechimmeninventar macht zu den Parzellen der Beschwerdeführerinnen keine Aussagen. Bei der Beurteilung des faunistischen Potentials des "Bruggerbergs" stützte sich die ENHK ausserdem auf den Bericht der KARCH (...) sowie auf das kantonale Reptilieninventar, ohne eigene Untersuchun- gen anzustellen. Bestehen keine zusätzlichen, über die Berichte der kantonalen Sachverständigen hinausgehenden Sachverhaltsfeststel- 2004 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 153 lungen und Erkenntnisse der ENHK zu den Parzellen Nrn. ..., ist der verfassungsrechtliche Gehörsanspruch der Beschwerdeführerinnen nicht verletzt. cc) Unbestritten ist, dass sich die Beschwerdeführerinnen zum Gutachten äussern konnten sowie die Möglichkeit zu Ergänzungs- fragen hatten und die Verfahrensgarantien insoweit gewahrt sind. Bedenken hinsichtlich der Mitwirkungsrechte der Betroffenen beste- hen durch die Verfahrensleitung bei der Beweiserhebung. Die An- kündigung eines einzigen Besichtigungstermins zur Orientierung in einem Gebiet, welches den gesamten "Bruggerberg" umfasst, stellt keine realistische Möglichkeit für die verfahrensrechtlich gebotene Teilnahme und Mitwirkung der Betroffenen an einem formellen Au- genschein dar. Wesentlich für die Verfahrensgarantien ist entgegen der Vorinstanz nicht die "Tätigkeit der ENHK mit der Begutachtung" oder der "Sinn des Gutachtens", sondern der Inhalt, das Ziel und der Zweck einer Besichtigung durch die Experten. Die ENHK hat mit diesen Besichtigungen indessen die Sachverhaltsfeststellung und Grundlagen zum Biotop- und Artenschutz im Beschwerdeverfahren hinsichtlich der Parzellen Nrn. ... nicht ergänzt, sondern blosse Orts- besichtigungen der Experten zur Orientierung im Gelände durchge- führt (vgl. BGE vom 24. September 1996, in: URP 1996 S. 824 und § 257 Abs. 1 ZPO im Zivilprozess). Eine Sachverhaltsergänzung zu Kennarten nach der NSV zum Reptilienschutz und der Schutzwür- digkeiten von Naturobjekten auf den Parzellen Nrn. ... ist aus den von der ENHK eingereichten Akten auch nicht zu entnehmen. e) Aus den vorstehenden Gründen ergibt sich, dass die Mitwir- kungsrechte der Beschwerdeführerinnen bei den Erhebungen durch die ENHK zwar beschränkt waren, dies aber keine Verletzung des rechtlichen Gehörs darstellt, nachdem der massgebliche Sachverhalt für die umstrittenen Parzellen durch die Ortsbesichtigung nicht er- gänzt wurde. Der Regierungsrat hat auch - auf Grund der Fragestel- lung - den Zweck des Gutachtens in der Überprüfung der Beurteilung der Schutzwürdigkeit durch die kantonalen Stellen und auf der Grundlage der kantonalen Unterlagen gesehen. Unter diesen Um- ständen liegt in der fehlenden Möglichkeit der Beschwerdeführerin- 2004 Verwaltungsgericht 154 nen, an den Begehungen der ENHK-Experten teilzunehmen, keine Beeinträchtigung ihrer Mitwirkungsrechte. Das Gutachten und die Beweiserhebung sind daher in formeller Hinsicht weder unter Art. 29 Abs. 2 BV noch nach § 15 und § 22 Abs. 1 VRPG zu beanstanden.
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2000 Verwaltungsgericht 168 47 Zwangsmassnahmen im Rahmen fürsorgerischer Freiheitsentziehung; gesetzliche Grundlage; öffentliches Interesse; Verhältnismässigkeit. - Gesetzliche Grundlage (Erw. 2/a) - Öffentliches Interesse (Erw. 2/b) - Gesonderte Prüfung der Verhältnismässigkeit der fürsorgerischen Freiheitsentziehung und der angeordneten Zwangsmassnahme (Erw. 2/c) Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 24. März 2000 in Sachen A.G. gegen Entscheid der Klinik Königsfelden. Aus den Erwägungen 1. a) Gemäss § 67e bis Abs. 1 EG ZGB dürfen im Rahmen einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung in der Psychiatrischen Klinik in Königsfelden Behandlungen und andere Vorkehrungen, die nach Massgabe des Einweisungsgrundes medizinisch indiziert sind, auch gegen den Willen der betroffenen Person vorgenommen werden, wenn die notwendige Fürsorge auf andere Weise nicht gewährleistet werden kann. Beim Entscheid über den Einsatz von Zwangsmass- nahmen kann auch das Schutzbedürfnis Dritter in die Beurteilung miteinbezogen werden. Ziel und Zweck jeder Zwangsmassnahme ist der Schutz der betroffenen Person und deren Mitmenschen vor kör- perlichen und seelischen Schäden. In Anwendung des Verhältnis- mässigkeitsprinzips muss sie ,,ultima ratio" sein, indem der betroffe- nen Person die notwendige Fürsorge nicht auf andere Weise ge- währleistet werden kann (vgl. Botschaft des Regierungsrates des Kantons Aargau vom 4. August 1999, S. 6). b) Gemäss § 67e bis Abs. 4 EG ZGB kann der Entscheid der Kli- nik über den Einsatz von Zwangsmassnahmen beim Verwaltungsge- richt mit Beschwerde angefochten werden. Das Gericht hat zu über- prüfen, ob die Zwangsmassnahme nach Massgabe des Einweisungs- grundes medizinisch indiziert und ob sie verhältnismässig ist, d.h. ob dem Patienten die nötige persönliche Fürsorge nicht auf eine weniger 2000 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 169 einschneidende Weise gewährleistet werden kann. Das Verwaltungs- gericht ist indessen grundsätzlich nicht zuständig zur Beurteilung der konkreten ärztlichen Anordnung (Wahl des Medikamentes, Dosie- rung, Wahl der Abteilung, etc.), dies gehört in den Fachbereich der Ärzte (AGVE 1987, S. 217; Spirig, Zürcher Kommentar, Art. 397a - 397f ZGB, Zürich 1995, Art. 397d N 42 mit Hinweisen). Ausnahmen von diesem Grundsatz sind namentlich in jenen Fällen denkbar, in denen das Gericht aufgrund der Meinung des Fachrichters eine ange- ordnete Massnahme aus medizinischer Sicht als offensichtlich frag- würdig oder unverhältnismässig beurteilt (vgl. zur Kompetenz des Verwaltungsgerichts, den Kognitionsumfang zu begrenzen: Michael Merker, Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, Kommentar zu den §§ 38 - 72 VRPG, Zürich 1998, § 52 N 118). 2. Zweifellos stellt eine Zwangsmassnahme gemäss § 67e bis EG ZGB einen schweren Eingriff in die persönliche Freiheit dar. Die Beschwerdeführerin bestreitet sowohl das Vorliegen einer genügen- den gesetzlichen Grundlage, eines öffentlichen Interesses und auch der Verhältnismässigkeit. Dazu vorweg einige grundsätzliche Erwä- gungen. a) Nach der Rechtsprechung bedarf ein Eingriff in die persönli- che Freiheit, gleich wie die Einschränkung eines jeden Freiheits- rechts, einer hinreichend bestimmten Grundlage in einem Rechtssatz. Der Grad der erforderlichen Bestimmtheit lässt sich freilich nicht abstrakt festlegen, sondern hängt von der fraglichen Materie ab. Die Rechtsnorm soll so präzise formuliert sein, dass der Bürger sein Ver- halten danach richten bzw. die Folgen eines bestimmten Verhaltens mit einem den Umständen entsprechenden Grad an Gewissheit voraussehen kann. Dieses Erfordernis schliesst es nicht aus, dass ein Rechtssatz der anwendenden Behörde einen Beurteilungsspielraum einräumt, wenn das Ziel der Regelung hinreichend bestimmt ist, um eine angemessene Kontrolle der Handhabung der Norm zu ermögli- chen. Der Gesetzgeber kann nicht völlig darauf verzichten, allge- 2000 Verwaltungsgericht 170 meine Begriffe zu verwenden, die formal nicht eindeutig generell umschrieben werden können und die an die Auslegung durch die Behörde besondere Anforderungen stellen; denn ohne die Verwen- dung solcher Begriffe könnte er der Vielgestaltigkeit der Verhältnisse nicht Rechnung tragen (BGE 123 I 112 E. 7a S. 124 f. mit Hinwei- sen; 117 Ia 472 E. 3e S. 479 f. mit Hinweisen; Urteil des Euro- päischen Gerichtshofs für Menschenrechte i. S. Tolstoy Miloslavsky c. Vereinigtes Königreich vom 13. Juli 1995, Serie A, Band 316 B, Ziff. 37). Die Anforderungen sind dann weniger streng, wenn unter- schiedlich gelagerte Sachverhalte zu regeln sind, bei denen im Inte- resse der Flexibilität oder der Einzelfallgerechtigkeit Differenzierun- gen angebracht sind. Ausserdem kann dem Bedürfnis der Rechts- gleichheit auch durch eine gleichmässige und den besonderen Um- ständen Rechnung tragende Behördenpraxis entsprochen werden (BGE 125 I 364 f. E. 4a; 123 I 1 E. 4b S. 6; vgl. Urteil des Euro- päischen Gerichtshofs i.S. Kruslin c. Frankreich vom 24. April 1990, Serie A, Band 176 A, Ziff. 29). Im Bereich der fürsorgerischen Freiheitsentziehung kommt der Einzelfallbeurteilung grosses Gewicht zu, da sich insbesondere eine Geisteskrankheit oder Geistesschwäche i.S. des ZGB bei jeder Per- son anders auf ihr Denken und ihr Verhalten auswirkt. Es muss daher der Behörden- und Gerichtspraxis überlassen werden, im konkreten Einzelfall zu beurteilen, ob einer Person die nötige persönliche Für- sorge anders als durch Zwangsmassnahmen erwiesen werden kann. An den Grad der Bestimmtheit des Rechtssatzes sind deshalb keine überhöhten Anforderungen zu stellen. b) Der Begriff des öffentlichen Interesses ist zeitlich wandelbar und lässt sich nicht in einer einfachen Formel einfangen. In ihm liegt all das, was der Staat zum Gemeinwohl vorkehren muss, um eine ihm obliegende Aufgabe zu erfüllen (vgl. Ulrich Häfelin/Walter Haller, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, Zürich 1998, Rz. 1136 f.). Im Rahmen einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung in der PKK dürfen Behandlungen und andere Vorkehrungen, die nach Massgabe 2000 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 171 des Einweisungsgrundes medizinisch indiziert sind, auch gegen den Willen der betroffenen Person vorgenommen werden, wenn die not- wendige Fürsorge auf andere Weise nicht gewährleistet werden kann. Beim Entscheid über Zwangsmassnahmen kann auch das Schutzbe- dürfnis Dritter in die Beurteilung miteinbezogen werden (§ 67 bis Abs. 1 EG ZGB). Der Begriff der ,notwendigen persönlichen Für- sorge` beinhaltet nicht nur den Schutz der Öffentlichkeit vor Fremdaggressionen, sondern umfasst auch den Schutz eines Men- schen, der sich in einem Zustand der Urteilsunfähigkeit selbst ver- letzt oder tötet. Das öffentliche Interesse an der Bekämpfung von Krankheiten verfolgt den Zweck der Verbesserung und des Schutzes der Gesund- heit der Allgemeinheit. Dieses Interesse zielt darauf ab, die physische und psychische Gesundheit unbestimmt vieler - im Idealfall aller - vor Fremd- und unter Umständen vor Selbstschädigung zu bewahren und damit zur Verbesserung der Durchschnittsgesundheit der Bevölkerung beizutragen. Nicht einfach fällt dabei die Abgrenzung von öffentlichen und privaten Interessen. Die Gewährleistung seiner Gesundheit steht zunächst im Interesse des Einzelnen selbst. Aus ganzheitlicher Sicht ist jedoch auch die Allgemeinheit an einem guten individuellen Gesundheitszustand aller interessiert. Dies trifft namentlich dort zu, wo eine Fremdgefährdung besteht. Das öffentli- che Interesse an der Gesundheitspolizei besteht aber nicht nur im Schutz Dritter. Vielmehr hat jeder einzelne schon mit Blick auf die sozialen Kosten ein Interesse an der unversehrten Gesundheit mög- lichst vieler Mitbürger. Das Gesundheitswesen ist im Rechtsstaat heutiger Prägung denn auch weitgehend - und jedenfalls weit über den Bereich des Schutzes vor Fremdgefährdung hinaus - als öffentli- che Aufgabe konzipiert (BGE 118 I 437 f., vgl. auch 124 I 89). Die persönliche Fürsorge ist somit Bestandteil des Gemein- wohls, weshalb von einem Polizeigut auszugehen ist (Häfelin/Haller, a.a.O., N 1136). Das öffentliche Interesse an einer Beschränkung der persönlichen Freiheit ist bei fürsorgerischen Freiheitsentziehungen 2000 Verwaltungsgericht 172 bereits gesetzlich verankert und auch für Zwangsmassnahmen ge- mäss § 67e bis EG ZGB im Rahmen der fürsorgerischen Freiheitsent- ziehung zu bejahen, sofern einer Person die notwendige persönliche Fürsorge nicht anders erwiesen werden kann. Der aargauische Ge- setzgeber bezweckte mit § 67e bis EG ZGB den Schutz der betroffe- nen Person und deren Mitmenschen vor körperlichen und seelischen Schäden (vgl. Botschaft, a.a.O., S. 6) und verfolgt damit öffentliche Interessen, welche einen Eingriff in die persönliche Freiheit grund- sätzlich zu rechtfertigen vermögen. c) Es stellt sich sodann die Frage, ob der Begriff der Verhält- nismässigkeit i.S. von Art. 397a ZGB identisch ist mit demjenigen von § 67e bis EG ZGB, mit anderen Worten, ob bereits immer dann, wenn die Voraussetzungen für eine zwangsweise Einweisung oder Zurückbehaltung in die Psychiatrische Klinik gemäss Bundesrecht gegeben sind, auch die Voraussetzungen für Zwangsmassnahmen gemäss kantonaler gesetzlicher Grundlage zu bejahen sind. Für eine solche Auslegung, wie sie von der Klinik Königsfelden befürwortet wird, spricht grundsätzlich der Wortlaut von § 67e bis Abs. 1 EG ZGB, da er betreffend Umschreibung des Verhältnismässigkeitsprinzips Art. 397a Abs. 1 ZGB nahezu entspricht (,,wenn die notwendige Fürsorge auf andere Weise nicht gewährleistet werden kann"). Aller- dings gilt es zu beachten, dass bei diesem Lösungsansatz ein selbst- ständiges Beschwerderecht gegen Zwangsmassnahmen, wie es in § 67e bis Abs. 4 EG ZGB vorgesehen ist, vollkommen überflüssig wäre. Eine systematische Auslegung führt somit zum eindeutigen Schluss, dass es sich bei einer Zwangsbehandlung um einen Eingriff in die persönliche Freiheit eigener Art handelt, weshalb Fälle denk- bar sind, in denen eine zwangsweise Freiheitsentziehung ohne medi- kamentöse (Zwangs-)Behandlung während einer gewissen Zeit ver- hältnismässig sein kann. Auch das Bundesgericht geht klar davon aus, dass die Voraussetzungen für einen Eingriff in die persönliche Freiheit durch Zwangsbehandlungen nicht in jedem Fall mit den Voraussetzungen einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung gemäss 2000 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 173 Art. 397a ff. ZGB identisch sind, wenn es neben Art. 397a ff. ZGB eine zusätzliche - zur Zeit kantonale - gesetzliche Grundlage für Zwangsbehandlungen fordert, welche ,,den Anforderungen an die Bestimmtheit der diesen schweren Eingriff in die persönliche Frei- heit rechtfertigenden Norm" erfüllt (vgl. BGE 125 III 173). Es stellte zudem bereits früher klar, dass Zwangsmedikation den Kerngehalt des Grundrechts der persönlichen Freiheit berührt, weshalb sich im Zusammenhang mit der Frage der Verhältnismässigkeit solch massi- ver Eingriffe in die persönliche Freiheit komplexe Rechtsfragen stellen (BGE 124 I 304). Diese Rechtsauffassung überzeugt und hält auch vor dem Leis- tungsauftrag der Psychiatrischen Klinik Königsfelden stand. Gemäss § 2 Abs. 1 des Dekrets über die Psychiatrischen Dienste des Kantons Aargau vom 28. März 1995 erfüllen diese ,,den ihnen mit der Spital- konzeption erteilten Leistungsauftrag bei der Untersuchung, Be- handlung und Betreuung psychisch Kranker". Dabei beinhaltet die ,,Behandlung und Betreuung" psychisch kranker Menschen zweifel- los zu einem grossen Teil eine medikamentöse Therapie mit Psycho- pharmaka. Diese stellt jedoch unbestrittenermassen nicht die einzige Form einer Behandlung psychisch Kranker dar und muss nicht in jedem Fall - zumindest nicht gegen den Willen des Patienten - not- wendigerweise durchgeführt werden. Zu denken ist diesbezüglich beispielsweise an einzelne Persönlichkeitsstörungen, bei denen vor- wiegend durch verhaltenstherapeutische oder tiefenpsychologische Gesprächstherapien eine Verbesserung des Zustandsbildes erreicht werden kann. Aber auch betreffend Schizophrenietherapie entspricht die nachfolgende Aussage von Asmus Finzen gängiger psychiatri- scher Lehre: ,,Die Behandlung schizophrener Kranker spielt sich zwischen Beruhigung der Krankheitssymptomatik, sozialer Stimulie- rung zur Vermeidung von Rückzug und Apathie und psychothera- peutischen Hilfen zur Verarbeitung des Krankheitserlebens ab. Somit wird die Schizophrenietherapie zu einem Balanceakt zwischen Beru- higung, die heute meist mit medikamentöser Unterstützung erfolgt, 2000 Verwaltungsgericht 174 und Stimulierung durch sozialtherapeutische Massnahmen verschie- denster Art." (Asmus Finzen, Schizophrenie, Bonn 1995, S. 142; vgl. zum Gesamtbehandlungsplan schizophrener Menschen auch: Christian Scharfetter, Schizophrene Menschen, München-Weinheim 1986, S. 215). Zudem haben Schizophreniekranke neben den Symp- tomen ihrer Störung vielfältige Lebensprobleme, bei deren Bewälti- gung sie psychotherapeutischer Hilfe und Führung bedürfen (Finzen, a.a.O., S. 150). Zu denken ist weiter an diejenigen Fälle fürsorgeri- scher Freiheitsentziehungen, bei denen mit einem zwangsweisen Klinikaufenthalt auch das Ziel verbunden ist, einen Patienten für gewisse Zeit aus seinem gewohnten Umfeld herauszulösen, womit dieses entlastet und beim Patienten u.a. als Folge der Reizabschir- mung und des eng strukturierten Rahmens eine Verbesserung des Zustandsbildes erreicht werden soll. Selbst wenn in all diesen Bei- spielen eine unterstützende medikamentöse Therapie medizinisch in- diziert und hilfreich sein könnte, ist die Durchführung derselben nicht in jedem Fall gegen den Willen des Betroffenen verhältnis- mässig, unabhängig davon, ob die Voraussetzungen für einen zwangsweisen Klinikaufenthalt erfüllt sind. Nach der Überzeugung des Verwaltungsgerichts bedarf es somit stets einer gesonderten Prüfung der Verhältnismässigkeit einer für- sorgerischen Freiheitsentziehung einerseits und einer im Rahmen derselben angeordneten Zwangsmassnahme andererseits. Demgegenüber war es - entgegen der Auffassung der Be- schwerdeführerin - eindeutig nicht der Wille des kantonalen Gesetz- gebers, die Voraussetzungen für rechtmässige Zwangsmassnahmen im Rahmen einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung auf eigentliche Notfälle und Akutsituationen zu beschränken, wie sie bereits im Pa- tientendekret geregelt sind (vgl. insbesondere § 15 Abs. 3 und § 17 PD). So wurde in der Botschaft vom 4. August 1999 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass gestützt auf die neue gesetzliche Grundlage in Situationen, wo ambulante Hilfe nicht genügt, auch ohne oder gegen den Willen von Patienten eine längerdauernde Behandlung 2000 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 175 vorgenommen werden dürfe (a. M. Spirig, a.a.O. N 214 zu Art. 397a ZGB). d) Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die gesetzliche Grundlage für Zwangsmassnahmen im Rahmen einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung gemäss § 67e bis EG ZGB genügend bestimmt ist und im öffentlichen Interesse liegt. Ob dagegen eine konkret angeordnete Zwangsmassnahme im Rahmen einer rechtmässigen fürsorgerischen Freiheitsentziehung auch verhältnismässig ist, bedarf einer gesonderten Prüfung in jedem konkreten Einzelfall.
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2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 130 22 Familiennachzug; Nachzugsfristen An der publizierten Praxis zu den Nachzugsfristen gemäss Art. 47 Abs. 1 AuG wird festgehalten (Erw. 2.2.4.2.). Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 26. Septem- ber 2014 in Sachen A. gegen das Amt für Migration und Integration (WBE.2014.209). Aus den Erwägungen 2.2.4.1. Gestützt auf das Urteil des Bundesgerichts vom 3. Oktober 2011 (2C_205/2011), Erw. 3.5 ging die Vorinstanz mit dem MIKA davon aus, dass die Fünfjahresfrist gemäss Art. 47 Abs. 1 Satz 1 AuG bis zum zwölften Geburtstag des nachzuziehenden Kindes massge- bend ist - unabhängig davon, ob die Frist nach Art. 47 Abs. 3 AuG oder nach Art. 126 Abs. 3 AuG begann - und dass sich die Nachzugsfrist ab dem zwölften Geburtstag des Kindes entsprechend Art. 47 Abs. 1 Satz 2 AuG auf - maximal noch - ein Jahr verkürzt. (...) 2.2.4.2. Das Rekursgericht hat sich mit der Problematik der Nachzugs- fristen gemäss Art. 47 AuG mit Urteil vom 15. Dezember 2011 (AGVE 2011, S. 361 ff.) vertieft auseinandergesetzt und kam zu fol- 2014 Migrationsrecht 131 gendem Schluss: Die Auslegung von Art. 47 AuG unter Berücksichti- gung sämtlicher Auslegungsmethoden ergebe, dass der Familien- nachzug für Kinder, die das 13. Altersjahr im Zeitpunkt eines der in Art. 47 Abs. 3 AuG aufgeführten fristauslösenden Ereignisses noch nicht erreicht haben, innert fünf Jahren bzw. für Kinder, die in die- sem Zeitpunkt bereits über zwölf Jahre alt sind, innerhalb von zwölf Monaten beantragt werden müsse. Die Auffassung des Bundesge- richts und der Vorinstanz, wonach eine bereits laufende fünfjährige Nachzugsfrist (Art. 47 Abs. 1 Satz 1 AuG) nur um maximal noch zwölf Monate verlängert werde, sobald das nachzuziehende Kind sein zwölftes Altersjahr vollendet habe, sei unzutreffend. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass die Vollendung des zwölften Altersjahrs in jedem Fall eine zwölfmonatige Nachzugsfrist auslöst bzw. sich eine bereits laufende fünfjährige Frist ab dem zwölften Geburtstag um höchstens noch zwölf Monate verlängert, hätte er dies entsprechend festlegen müssen. Eine solche Regelung fehle indessen. Die Ereig- nisse, welche die beiden Nachzugsfristen von Art. 47 Abs. 1 AuG auslösen, seien in Art. 47 Abs. 3 AuG geregelt und das Gesetz sehe keine Bestimmung vor, welche die Vollendung des zwölften Alters- jahrs als zusätzliches fristauslösendes Ereignis definieren würde. Da sich das Bundesgericht im Entscheid 2C_205/2011 nicht deutlich zur Fristberechnung sowie zum fristauslösenden Zeitpunkt geäussert hat und sich bislang mit obenstehender Begründung nicht auseinandergesetzt hat, besteht keine Veranlassung, davon abzuwei- chen. Das Verwaltungsgericht schliesst sich vielmehr den Erwägun- gen des Rekursgerichts an.
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2001 Verwaltungsgericht 390 84 Wiederaufnahme (§ 27 ff. VRPG). - Vorgehen bei Wiederaufnahmebegehren. - Subsidiarität des Wiederaufnahmeverfahrens. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 27. März 2001 in Sachen O.K. und L.K. gegen Entscheid des Baudepartements Aus den Erwägungen 1. Vorerst ist zu prüfen, ob die Vorinstanz zu Recht nicht auf das Wiederaufnahmebegehren vom 16. September 2000 eingetreten ist. a) Die Beurteilung eines Wiederaufnahmebegehrens erfolgt in drei Schritten (vgl. dazu VGE III/21 vom 20. Februar 2001 in Sachen Baukonsortium H., S. 7 ff.). Vorab ist - wie generell in formellen Verfahren - darüber zu befinden, ob die Verfahrensvoraussetzungen erfüllt sind. Darunter fällt die Prüfung der Zuständigkeit und der Zulässigkeit des Begehrens (Legitimation, Antrag und Begründung, Fristwahrung), welche insbesondere auch diejenige der Subsidiarität (Subsidiarität des Wiederaufnahmeverfahrens gegenüber dem ur- sprünglichen Verfahren einschliesslich der damaligen Rechtsmittel- möglichkeiten) mit umfasst. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, ist auf das Gesuch nicht einzutreten (Kölz/Bosshart/Röhl, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2. Auflage, Zürich 1999, § 86d N 1 f.; Merkli/Aeschlimann/Herzog, Kommentar zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege im Kanton Bern, Bern 1997, Art. 98 N 1). Die Bedeutung der Subsidiarität als eigene Voraussetzung für die Wiederaufnahme ergibt sich aus deren Cha- rakter als ausserordentliches Rechtsmittel. Allgemeine Rechtsgrund- sätze verlangen, dass der um Wiederaufnahme Nachsuchende keine Rügen vorbringen darf, die er bei Beachtung der zumutbaren Sorgfalt bereits mit einem ordentlichen Rechtsmittel hätte erheben können. Wiederaufnahmegesuche dürfen nicht dazu dienen, früher nicht er- griffene, ordentliche Rechtsmittel zu ersetzen, damalige vermeidbare Unterlassungen des Gesuchstellers zu korrigieren oder umstrittene Anordnungen stets wieder zur Diskussion zu stellen. Andernfalls 2001 Verwaltungsrechtspflege 391 hätte es jedermann in der Hand, die Rechtsmittelfristen zu unterlau- fen, und die Wiederaufnahme verkäme zu einem Instrument, das einzig dazu da wäre, den funktionellen Instanzenzug zu verlängern (vgl. Rudolf Weber, Grundsätzliches zur Wiederaufnahme nach § 27 VRPG, in: Festschrift für Dr. Kurt Eichenberger, alt Oberrichter, Beinwil am See, Aarau 1990, S. 348 ff.; Ursina Beerli-Bonorand, Die ausserordentlichen Rechtsmittel in der Verwaltungsrechtspflege des Bundes und der Kantone, Diss. Zürich 1985, S. 45). Sind die Verfahrensvoraussetzungen erfüllt, wird im Rahmen eines zweiten Schrittes darüber befunden, ob das Wiederaufnahme- gesuch begründet ist (Beerli-Bonorand, a.a.O., S. 162). Wird die Erheblichkeit der geltend gemachten Wiederaufnahmegründe bejaht, ist der Entscheid oder Teile davon aufzuheben und in einem dritten Verfahrensabschnitt in der Sache neu zu entscheiden. b) (...) Hingegen brachten die Beschwerdeführer im Wiederauf- nahmegesuch weder neue Tatsachen noch Beweismittel vor, die nicht schon im Verfahren, das dem ursprünglichen Entscheid voranging, spätestens aber im ordentlichen Rechtsmittelverfahren an das Ver- waltungsgericht hätten eingebracht werden können. (...) Das Subsi- diaritätsprinzip wurde demzufolge verletzt und die Vorinstanz ist zu Recht nicht auf das Wiederaufnahmebegehren eingetreten.
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2000 Verwaltungsgericht 330 [...] 75 Fehlende Angabe der Gewichtung der Zuschlagskriterien; unzulässige ,,Gleichbewertung" aller Anbietenden. - Fehlen in der Ausschreibung Zuschlagskriterien vollständig, ist aus- schliesslich auf den Preis abzustellen (Erw. 3/c/aa). - Sind in der Ausschreibung Zuschlagskriterien enthalten, nicht aber deren Gewichtung (in Prozenten, Punkten, etc.), ist von der Ungül- tigkeit des Verfahrens auszugehen und dieses ist auf der Grundlage einer korrekt formulierten Ausschreibung zu wiederholen (Erw. 3/c/bb). - Wenn die Ausschreibung Kriterien wie ,,Qualität" und ,,Erfahrung" als in erster Linie massgebende Kriterien nennt, dürfen die Anbie- tenden davon ausgehen, dass diesen ein erhöhtes Gewicht zukommt und die qualitativen Kriterien einer differenzierten Bewertung unterliegen, damit diese und nicht ausschliesslich der Preis über den Zuschlag entscheiden (Erw. 3/d). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 20. Dezember 2000 in Sachen M. AG gegen Verfügung der Stiftung A. in Gränichen. Aus den Erwägungen 3. Als problematisch erweist sich im vorliegenden Fall die feh- lende Angabe der Gewichtung der Zuschlagskriterien in den Aus- schreibungsunterlagen. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin liegt damit ein Verstoss gegen § 18 Abs. 3 SubmD vor. a) § 18 Abs. 3 SubmD in der ursprünglichen Fassung vom 26. November 1996 verlangte, dass die ausgewählten Zuschlagskrite- rien in der Reihenfolge ihrer Bedeutung in den Ausschreibungsunter- lagen aufzuführen waren. Nicht geregelt waren die sich aus dem Fehlen von Vergabekriterien ergebenden Konsequenzen. Das Ver- waltungsgericht hat festgehalten, dass in Fällen, in denen es die Ver- gabestelle unterlassen habe, Zuschlagskriterien festzulegen und den 2000 Submissionen 331 Anbietenden rechtzeitig bekannt zu geben, für die Vergabe aus- schliesslich der Preis massgebend sein dürfe (vgl. AGVE 1997, S. 357 f.). Anlässlich der Teilrevision des Submissionsdekrets vom 18. Januar 2000 wurde u. a. auch § 18 Abs. 3 SubmD geändert. Ge- mäss der revidierten Fassung sind die ausgewählten Zuschlagskrite- rien nun neu ,,in der Reihenfolge ihrer Bedeutung und mit ihrer Ge- wichtung (Hervorhebung beigefügt) in der Ausschreibung auf- zuführen. Fehlt diese Angabe, gilt als Zuschlagskriterium der Preis." Der Regierungsrat hat in einem Kreisschreiben vom 23. Februar 2000 zuhanden der Gemeinderäte des Kantons Aargau in Bezug auf § 18 Abs. 3 SubmD ausgeführt, was die subsidiäre Regelung (d. h. Satz 2) betreffe, sei klarzustellen, dass wenn eine der beiden Anga- ben fehle, der Preis als Zuschlagskriterium gelte. Klar ist, dass § 18 Abs. 3 SubmD nicht nur im offenen oder selektiven Verfahren, son- dern in jedem Submissionsverfahren mit mehreren Anbietern, also auch im Einladungsverfahren, gilt. In letzterem sind die erforderli- chen Angaben in den Ausschreibungsunterlagen zu machen (VGE III/145 vom 29. November 2000 in Sachen H. AG, S. 8). b) Die in § 18 Abs. 3 Satz 2 SubmD verwendete Formulierung ,,Fehlt diese Angabe, ..." bezieht sich auf ,,die ausgewählten Zu- schlagskriterien ... in der Reihenfolge ihrer Bedeutung und mit ihrer Gewichtung". § 18 Abs. 3 Satz 1 SubmD verlangt damit verschie- dene Informationen: Angabe der Zuschlagskriterien, Angabe ihrer Rangfolge und Angabe ihrer Gewichtung. Unklar ist, ob das Sub- missionsdekret in § 18 Abs. 3 Satz 2 zum Ausdruck bringen will, dass die subsidiäre Massgeblichkeit des Preises nur beim generellen Fehlen von Zuschlagskriterien (zwangsläufig fehlen dann auch Rei- henfolge und Gewichtung) zum Tragen kommt oder - wie dies der Regierungsrat annimmt - auch bei bloss fehlender Angabe der Ge- wichtung. Der Wortlaut von § 18 Abs. 3 Satz 2 SubmD ist diesbe- züglich nicht eindeutig abgefasst; unklar ist auch, ob der Wortlaut den wirklichen Sinn der Bestimmung wiedergibt. § 18 Abs. 3 SubmD erweist sich somit als auslegungsbedürftig. Im Vordergrund steht 2000 Verwaltungsgericht 332 dabei angesichts des geringen Alters des Erlasses die historische Auslegung (BGE 112 Ia 104); den sich mit der Teilrevision des Submissionsdekrets befassenden Materialien kommt für die Ausle- gung eine erhebliche Bedeutung zu. Ebenfalls massgebend sind sodann die mit der Regelung verfolgten Ziel- und Zweckvorstellun- gen (vgl. zum Ganzen Ulrich Häfelin / Walter Haller, Schweizeri- sches Bundesstaatsrecht, 4. Auflage, Zürich 1998, Rz. 64 ff., 74 ff.). c) Im Hinblick auf die Auslegung der subsidiären Regelung von § 18 Abs. 3 Satz 2 SubmD zu unterscheiden sind zwei grundsätzlich verschiedene Sachverhalte (vgl. auch den erwähnten VGE in Sachen H. AG, S. 9 ff.): aa) Fehlen in der Ausschreibung Zuschlagskriterien vollstän- dig - sei es, weil die Vergabestelle bewusst keine Kriterien festlegen wollte, oder sei es, weil der Kriterienkatalog aus Versehen weggelas- sen wurden - ist ausschliesslich auf den Preis abzustellen. Dieses Vorgehen entspricht nicht nur dem diesbezüglich eindeutigen Wort- laut, sondern auch dem Willen des Dekretgebers, wie er in den Mate- rialien zur Teilrevision des SubmD zum Ausdruck kommt (Nicht ständige Kommission Nr. 16, Protokoll der Sitzung vom 18. Dezem- ber 1999, S. 14; Protokoll der Sitzung des Grossen Rats vom 18. Ja- nuar 2000, Art. Nr. 1763 [Prot. GR], S. 2738 [Votum Knecht], 2740 [Votum Knecht]) und stimmt mit der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts überein. Die Auffassung, wonach Ausschrei- bungen ohne Angabe von Zuschlagskriterien ungültig sein sollten, vermochte sich im Grossen Rat nicht durchzusetzen (vgl. Nicht ständige Kommission Nr. 16, Protokoll der Sitzung vom 18. Dezem- ber 1999, S. 12 [Meyer]; Prot. GR, S. 2738 [Kuhn], 2740 [Pfisterer], S. 2742). Erachtet die Vergabestelle für den Fall, dass die Bekannt- gabe der Zuschlagskriterien irrtümlich unterblieben ist, das Abstellen allein auf den Preis als nicht sachgerecht, ist es ihr im Übrigen grundsätzlich unbenommen, das Submissionsverfahren zu wieder- holen (§ 22 SubmD). 2000 Submissionen 333 bb) Des Weiteren stellt sich die Frage, ob das ausschliessliche Abstellen auf den Preis auch die richtige Lösung ist, wenn die Aus- schreibung oder die Ausschreibungsunterlagen wie im vorliegenden Fall zwar Zuschlagskriterien enthalten, deren Gewichtung (in Pro- zenten, Punkten, etc.) aber nicht bekannt gegeben wird. aaa) Den Materialien zur Änderung von § 18 Abs. 3 SubmD lässt sich für die Frage, was geschehen soll, wenn die Angabe der Gewichtung der Kriterien fehlt, keine eindeutige Antwort entneh- men. Ein möglicher Hinweis darauf, dass der Preis auch bei blossem Fehlen der Gewichtung massgeblich sein soll, findet sich in einem von Peter Zubler, Aarau, gestellten Antrag (Prot. GR, S. 2739, 2747): ,,Die ausgewählten Zuschlagskriterien sind mit ihrer prozentualen Ge- wichtung in der Ausschreibung aufzuführen. Fehlt eine dieser Anga- ben, gilt als Zuschlagskriterium der Preis." Der Antrag Zubler wurde schliesslich mit offensichtlicher Mehrheit abgewiesen, woraufhin der Ratsvorsitzende gegenüber dem Antragsteller feststellte: ,,(...) Die Ergänzung in Ihrem Antrag entfällt mit der Beschlussfas- sung, die vorausgegangen ist. Sind Sie damit einverstanden? Das ist der Fall. Damit ist diese Ergänzung im 2. Satz erledigt." Offenbar ging man also davon aus, dass die abweichende For- mulierung von § 18 Abs. 3 Satz 2 SubmD im Antrag Zubler (,,Fehlt eine dieser Angaben , ...") im Zusammenhang mit der verworfenen prozentualen Gewichtung zu sehen war und sich nicht auf das Erfor- dernis der Gewichtung an sich bezog. Insofern darf der im Antrag Zubler enthaltenen Formulierung kein grosses Gewicht beigemessen werden. Im revidierten Wortlaut hat sie keinen Niederschlag gefun- den. Weitere Aussagen, welche für die zu beantwortende Frage von Relevanz sind, sind den Materialien nicht zu entnehmen. bbb) Es bleibt damit mit Hilfe der teleologischen Auslegung zu prüfen, ob sich aus den mit der Regelung von § 18 Abs. 3 SubmD verbundenen Zielvorstellungen eine sachgerechte Antwort ergibt (vgl. Häfelin/Haller, a.a.O., Rz. 99 ff.). Auszugehen ist hierbei zu- 2000 Verwaltungsgericht 334 nächst von der Tatsache, dass es der Vergabestelle aus Gründen eines fairen, den Grundsätzen der Transparenz und der Nichtdiskriminie- rung verpflichteten Wettbewerbs untersagt ist, sich bei der Zu- schlagserteilung auf Vergabekriterien abzustützen, die den Anbieten- den nicht vorgängig bekannt gegeben worden sind (AGVE 1997, S. 357). Mit der Aufnahme des Erfordernisses, auch die Gewichtung der Zuschlagskriterien in der Ausschreibung bekannt zu geben, wollte der Dekretgeber dem Transparenzgebot zusätzlich Rechnung tragen. Es sollte sowohl für die Vergabebehörde als auch für die Un- ternehmer grösstmögliche Transparenz geschaffen werden (Prot. GR, S. 2738 [Zubler], S. 2739 [Füglistaller]). Mit dieser Zielsetzung klar unvereinbar ist es, wenn die Vergabestelle, die es unterlassen hat, die Gewichtung der ausgewählten Zuschlagskriterien rechtzeitig öffent- lich bekannt zu geben, bei der Zuschlagserteilung dann trotzdem auf diese Kriterien, die sie, um überhaupt eine Bewertung vornehmen zu können, intern in irgend einer Weise gewichten muss, abstellen dürfte. Dies würde dem Sinn und Zweck des revidierten § 18 Abs. 3 SubmD völlig zuwider laufen. Anders als beim vollständigen Fehlen von Vergabekriterien entspricht aber auch ein Abstellen ausschliess- lich auf den Preis nicht dem Gebot der Transparenz. Die Vergabe- stelle hat durch die Auswahl und die Bekanntgabe von Zuschlagskri- terien ausdrücklich kund getan, dass der Preis nicht das einzig rele- vante Vergabekriterium sein soll, sondern dass für sie auch andere Gesichtspunkte wesentlich sind. Davon müssen auch die Anbie- tenden bei der Gestaltung ihrer Offerten ausgehen; sie dürfen grund- sätzlich auf die Geltung der ihnen bekannt gemachten Kriterien vertrauen und müssen nicht damit rechnen, dass entgegen der Aus- schreibung das billigste Angebot den Zuschlag bekommt. Ein nach- trägliches Abstellen allein auf den Preis entspricht somit weder dem kundgegebenen Willen der Vergabestelle, noch den berechtigten Er- wartungen der Anbietenden. Insofern erscheint es richtiger, in diesem Fall von der Ungültigkeit des Submissionsverfahrens auszugehen, 2000 Submissionen 335 und dieses auf der Grundlage einer korrekt formulierten Ausschreibung zu wiederholen. d) Im vorliegenden Fall konnten die Anbietenden aufgrund der Ausschreibungsunterlagen nicht erkennen, welches Gewicht die Ver- gabestelle den vier von ihr ausgewählten Zuschlagskriterien ,,Qua- lität/Referenzen", ,,Termine", ,,Erfahrung" und ,,Preis" beimass. Die Vergabestelle bringt vor, die Beschwerdeführerin habe die Gewich- tung bereits von einer andern Arbeitsvergabe (Brandschutztüren in Holz) her gekannt, da sie ihr in jenem Verfahren als Beilage zum Absagebrief zur Kenntnis gebracht worden seien. Die Zuschlagskri- terien sind jedoch grundsätzlich für jeden zu vergebenden Auftrag individuell, d. h. im Hinblick auf die Besonderheiten des jeweiligen Auftrags, festzulegen. Die Beschwerdeführerin durfte deshalb nicht davon ausgehen, dass für die Kücheneinrichtungen die gleichen Kriterien gelten würden wie für die Brandschutztüren. Schon aus diesem Grund erweist sich die Argumentation der Vergabestelle als nicht haltbar. Mit der fehlenden Bekanntgabe der Gewichtung in den Ausschreibungsunterlagen hat die Vergabestelle klar gegen die in § 18 Abs. 3 SubmD statuierten Anforderungen verstossen, weshalb das Submissionsverfahren auf der Grundlage von korrekt abgefassten Ausschreibungsunterlagen zu wiederholen ist. 4. a) Die Beschwerdeführerin bemängelt auch, dass sämtliche Anbietenden in Bezug auf die Kriterien ,,Qualität/Referenzen", ,,Termine" und ,,Erfahrung" die Maximalpunktzahl erhalten hätten. Der Verzicht der Vergabestelle, die Kriterien bei der Bewertung ab- zustufen, stehe in krassem Widerspruch zur Ausschreibung und führe zu einer Wettbewerbsverzerrung. Letztlich sei für den Zuschlag nur der Preis von Bedeutung gewesen. Aufgrund der ausgeschriebenen Kriterien sei die Beschwerdeführerin jedoch davon ausgegangen, dass nicht der Preis, sondern die Qualität im Vordergrund stehe. Ent- sprechend habe sie ihr Angebot ausgestaltet und eine qualitativ anspruchsvollere Ausführung zu einem höheren Preis offeriert. 2000 Verwaltungsgericht 336 b) Die Vergabestelle hält fest, sie habe darauf verzichtet, die Kriterien ,,Qualität/Referenzen", ,,Termine" und ,,Erfahrung" bei der Bewertung abzustufen. Nach ihren Abklärungen (Erfahrungen des Architekten bzw. einzelner Mitglieder der Baukommission in Bezug auf die Zusammenarbeit) seien alle Firmen gleichwertig einzustufen. Insbesondere hätten alle die gleiche Qualität offeriert; auch die Kon- kurrentinnen hätten die von der Beschwerdeführerin offerierten Aus- führungsspezifikationen (zum tieferen Preis) angeboten. c) Bei der Bewertung der Angebote sind namentlich die folgen- den Gesichtspunkte zu beachten: aa) Im Vordergrund steht, dass die Bewertung der Angebote in sachlich haltbarer und objektiv begründbarer Weise erfolgen muss; andernfalls überschreitet oder missbraucht die Vergabestelle das ihr zustehende Ermessen (AGVE 1999, S. 328; 1998, S. 384). Weglei- tend ist sodann auch für die Bewertung der Angebote der für das gesamte Vergaberecht geltende Grundsatz der Transparenz. Die vor- genommene Bewertung muss sowohl für die Anbietenden als auch für die Rechtsmittelinstanz in einem allfälligen Beschwerdeverfahren nachvollziehbar sein. bb) Hat die Vergabestelle Zuschlagskriterien festgelegt und den Anbietenden bekannt gegeben, ist sie verpflichtet, die Angebote anhand dieser Kriterien zu prüfen und zu bewerten. Werden bekannt gegebene Kriterien ausser Acht gelassen, die Bedeutungsfolge umge- stellt, andere Gewichtungen vorgenommen oder andere zusätzliche Kriterien herangezogen, die nicht bekannt gegeben wurden, handelt die Auftraggeberin vergaberechtswidrig und verstösst gegen die Grundsätze der Transparenz und Nichtdiskriminierung (AGVE 1997, S. 352 ff., 358; vgl. auch Entscheid der Eidgenössischen Re- kurskommission für das öffentliche Beschaffungswesen, in Baurecht [BR] 1999, S. 141 Nr. S25). Klar nicht zulässig ist es somit, bei der Beurteilung der Angebote abweichend von den Ausschreibungsun- terlagen auf die Prüfung der einzelnen Zuschlagskriterien zu ver- zichten und ausschliesslich den Preis für massgebend zu erklären. 2000 Submissionen 337 cc) aaa) Über das (formelle) Vorgehen bei der Bewertung der Offerten anhand der Zuschlagskriterien enthält das Submissions- dekret keine Vorschriften. Nach der Rechtsprechung des Verwal- tungsgerichts ist die Vergabestelle beim Erstellen einer Bewertungs- matrix daher weitgehend frei; sie ist im Übrigen auch nicht dazu ver- pflichtet, eine solche zu verwenden (VGE III/174 vom 15. Dezember 1998 in Sachen ARGE S. AG/K. AG, S. 12; vgl. auch Gauch/Stöckli, a.a.O., S. 23 Anm. 92). In erster Linie ist entscheidend, dass ein Bewertungs- oder Benotungssystem im Grundsatz sachgerecht ist und einheitlich, d. h. auf alle Anbietenden bzw. auf alle Angebote in gleicher Weise und nach gleichen Massstäben angewendet wird. Das Verwaltungsgericht beschränkt sich im Rahmen seiner - beschränk- ten - Kontrollbefugnisse auf die Überprüfung dieser Gesichtspunkte; ihm kommt nicht die Funktion einer "Ober-Vergabebehörde" zu. Welches System letztlich Anwendung findet und wie es im Detail ausgestaltet ist, ist dabei von eher untergeordneter Bedeutung (VGE III/158 vom 26. November 1998 in Sachen G. AG, S. 7). bbb) Das Submissionsdekret verbietet es grundsätzlich auch nicht, dass sich die Vergabestelle darauf beschränkt zu prüfen, ob die Angebote die einzelnen Zuschlagskriterien (z. B. Termin) erfüllen oder nicht; eine Rangierung der Angebote bei den einzelnen Krite- rien muss nicht zwingend erfolgen. Eine solchermassen wenig diffe- renzierende Bewertungsmethode führt zwangsläufig zu vermehrten Gleichbewertungen der Angebote bei den Sachkriterien. Dies lässt sich nicht beanstanden, wenn der Preis für die Vergabe klar im Vor- dergrund steht. Ob ein solches Vorgehen auch dann noch sachgerecht ist, wenn die Vergabestelle - wie hier - in der Ausschreibung bzw. in den Ausschreibungsunterlagen durch die Reihenfolge der Zu- schlagskriterien zu erkennen gibt, dass für sie der Qualitätsaspekt und nicht der Preis wichtig ist, ist hingegen fraglich. Vielmehr drängt sich in diesen Fällen eine differenzierte Prüfung und Bewertung der sach- bzw. qualitätsbezogenen Kriterien auf, um zu verhindern, dass 2000 Verwaltungsgericht 338 dem Preis eine ausschreibungswidrige Bedeutung zukommt, indem er trotz geringem Gewicht allein über den Zuschlag entscheidet. Hinzu kommt, dass es sich im vorliegenden Fall um ein Einla- dungsverfahren handelt, bei dem es die Vergabestelle in der Hand hat, den Anbieterkreis zu bestimmen. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Vergabestelle schon in eigenem Interesse nur Anbieter einladen wird, von denen sie überzeugt ist, dass sie in der Lage sind, den zu vergebenden Auftrag qualitativ einwandfrei auszu- führen. Wenn sie sich in den Ausschreibungsunterlagen nicht auf den Preis beschränkt, sondern Kriterien wie ,,Qualität" und ,,Erfahrung" als in erster Linie massgebende Vergabekriterien nennt, dürfen und müssen die Anbietenden davon ausgehen, dass den qualitativen Ge- sichtspunkten des Angebots ein erhöhtes Gewicht zukommt und diese über den Zuschlag entscheiden sollen, nicht der Preis. Dies ruft ebenfalls nach einer differenzierten Bewertung dieser Kriterien. d) Aufgrund der vorhandenen Akten ist für das Verwaltungsge- richt nicht feststellbar, nach welchen Gesichtspunkten und Massstä- ben die Baukommission die einzelnen Angebote bei den Zuschlags- kriterien ,,Qualität/Referenzen", ,,Termin" und ,,Erfahrung" bewertet hat. Nicht ersichtlich ist auch, welche Voraussetzungen erfüllt sein mussten, um die Maximalbewertung zu erhalten. Eine detaillierte Bewertung ist offensichtlich nicht erfolgt. Es liegt einzig der Verga- beantrag vom 8. September 2000 vor sowie die erwähnten Feststel- lungen in der Vernehmlassung und im Schreiben vom 9. Oktober 2000. Somit ist auch nicht überprüfbar, ob die Gleichbewertung aller Anbietenden bei den drei erstgenannten Kriterien sachlich begründet ist oder nicht. Dies gilt namentlich auch für die offerierte Qualität der Kücheneinrichtungen; hier ist aufgrund der eingereichten Angebote unklar, ob die W. AG und die H. Schreinerei tatsächlich die gleiche Qualität offeriert haben wie die Beschwerdeführerin. Das nachträg- lich, d. h. erst nach Beschwerdeeinreichung, eingeholte Bestäti- gungsschreiben der W. AG vom 30. Oktober 2000 in Bezug auf die Ausführungsspezifikationen erscheint diesbezüglich jedenfalls nicht 2000 Submissionen 339 sonderlich aussagekräftig; die Prüfung, welcher Qualitätsstandard von den einzelnen Anbietern offeriert wurde, hätte von der Vergabe- stelle vor der Zuschlagserteilung vorgenommen werden müssen. Das Ergebnis einer differenzierten Prüfung anhand klar festge- legter Massstäbe ist die ,,Gleichbewertung" der drei Offerenten bei den Zuschlagskriterien ,,Qualität/Referenzen", ,,Termin" und ,,Er- fahrung" mit Sicherheit nicht. Der Vorwurf der Beschwerdeführerin, die vorgenommene Bewertung sei nicht transparent und verstosse gegen die Grundsätze der Nichtdiskriminierung und der Transparenz, erscheint berechtigt.
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2008 Sozialhilfe 225 37 Auslandaufenthalt (Ferien) eines Sozialhilfeempfängers. - Der Unterstützungswohnsitz wird durch einen vorübergehenden Fe- rienaufenthalt im Ausland nicht verändert oder unterbrochen (Erw. 2.1). - § 10 Abs. 5 lit. a SPV regelt die Finanzierung von Zusatzkosten, die mit Urlaubs- und Erholungsaufenthalten verbunden sind (Erw. 2.3). - Kürzung der Sozialhilfe wegen Verletzung der Meldepflicht (Erw. 3). Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 20. Februar 2008 in Sa- chen G.S. gegen das Bezirksamt Rheinfelden (WBE.2007.254/255). Aus den Erwägungen 2. 2.1. Art. 1 Abs. 1 ZUG bestimmt, welcher Kanton für die Unterstüt- zung eines Bedürftigen, der sich in der Schweiz aufhält, zuständig ist. Die Bestimmungen im ZUG regeln nur die interkantonale Zu- ständigkeit und nicht die Unterstützung der Hilfe suchenden Perso- nen (Werner Thomet, in: Kommentar zum Bundesgesetz über die Zu- ständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger [ZUG], 2. Auflage, Zürich 1994, Rz. 55). Deshalb kann nicht aus dem ZUG abgeleitet werden, ob der Beschwerdeführer einen Anspruch auf materielle Un- terstützung hat. Die Voraussetzungen der Sozialhilfe regeln vielmehr die kantonalen Sozialhilfegesetze (vgl. auch Handbuch Sozialhilfe, hrsg. vom Kantonalen Sozialdienst, Kapitel 4.1 und 4.1.3). Ausgehend von Wohnortsprinzip (Art. 24 Abs. 1 und Art. 115 BV; Thomet, a.a.O., Rz. 27) bestimmt Art. 4 Abs. 1 ZUG den Wohn- kanton und § 6 Abs. 1 und 2 SPG i.V.m. Art. 4 ZUG den Wohnort als Unterstützungswohnsitz. Nur bei Personen ohne Unterstützungs- 2008 Verwaltungsgericht 226 wohnsitz und im Notfall ist die Gemeinde am Aufenthaltsort der Hilfe suchenden Person zuständig. Der Unterstützungswohnsitz be- findet sich im internationalen, inter- und innerkantonalen Verhältnis am Ort, wo sich die Hilfe suchende Person mit der Absicht dauern- den Verbleibens aufhält (vgl. dazu Art. 23 Abs. 1 ZGB; Art. 20 IPRG und § 6 SPG i.V.m. Art. 4 Abs. 1 ZUG). Der Unterstützungswohnsitz wird durch einen vorübergehenden Ferienaufenthalt im Ausland nicht verändert oder unterbrochen. Die Gemeinde X. ist demnach auch während der Auslandaufenthalte des Beschwerdeführers für die Gewährung von materieller Unterstützung örtlich zuständig. Den Bestimmungen im SPG und in der SPV oder den Richtli- nien für die Ausgestaltung und Bemessung der Sozialhilfe, hrsg. von der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe, vom Dezember 2000 (SKOS-Richtlinien) ist sodann keine Norm zu entnehmen, wonach die Unterstützung entfällt, wenn der Sozialhilfeempfänger kurzfristig im Ausland weilt. 2.2. Die Verordnung (EWG) 1408/71 vom 14. Juni 1971 (Verord- nung zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Ar- beitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern [SR 0.831.109.268.1]) regelt die Rechte von Erwerbstätigen bei der Zu- oder Auswanderung in einen Vertragsstaat. Diese Verordnung ist auf die Sozialhilfe nicht anwendbar (Art. 4 Abs. 4 der Verordnung). Der Beschwerdeführer hat, wie bereits dargelegt (siehe vorne Erw. 2.1), seinen Wohnsitz nicht verändert, sondern sein Unterstüt- zungswohnsitz blieb in der Gemeinde X. Die Verordnung kann des- halb keine Kürzung der materiellen Hilfe begründen. 2.3. Nach den SKOS-Richtlinien sind langfristig unterstützten Per- sonen, die nach Kräften erwerbstätig sind, Betreuungsaufgaben wahrnehmen oder vergleichbare Eigenleistungen erbringen, Urlaubs- oder Erholungsaufenthalte zu ermöglichen. Für die Finanzierung können Fonds und Stiftungen beigezogen werden (SKOS-Richtli- nien, Kapitel C.7). Abweichend von den SKOS-Richtlinien erfolgt 2008 Sozialhilfe 227 die Finanzierung der Kosten von Urlaubs- oder Erholungsaufenthal- ten in der Regel über Fonds und Stiftungen (§ 10 Abs. 5 lit. a SPV). In § 10 Abs. 5 lit. a SPV geht es um die Finanzierung der Zu- satzkosten, die mit Urlaubs- und Erholungsaufenthalten verbunden sind (vgl. Handbuch Sozialhilfe, Kapitel 5, S. 54). Die genannte Be- stimmung und die SKOS-Richtlinien lassen keine Reduktion der ma- teriellen Hilfe durch die Gemeinde und zulasten Dritter zu. Der Be- schwerdeführer machte für seinen Auslandaufenthalt keine zusätzlich zur materiellen Unterstützung anfallenden Mehrkosten geltend. § 10 Abs. 5 lit. a SPV ist daher vorliegend nicht anwendbar, zumal dem Beschwerdeführer nicht vorgeworfen werden kann, er habe einen rechtzeitigen Antrag auf eine zusätzliche Unterstützung unterlassen. 3. 3.1. Personen, die Leistungen nach dem Sozialhilfe- und Präventi- onsgesetz geltend machen oder beziehen, sind verpflichtet, Verände- rungen in ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen um- gehend zu melden (§ 2 Abs. 3 SPG i.V.m. § 1 Abs. 1 SPV). 3.2. Die Gewährung materieller Hilfe kann mit Auflagen und Wei- sungen verbunden werden, welche die richtige Verwendung sichern oder die Lage der Hilfe suchenden Person und ihrer Angehörigen verbessern, wie Bestimmungen über die zweckmässige Verwendung der materiellen Hilfe, die Aufnahme zumutbarer Arbeit oder andere Verhaltensregeln, die nach den Umständen angebracht erscheinen (§ 13 Abs. 1 SPG; § 14 lit. d-f SPV). Werden Auflagen oder Weisun- gen, die unter Androhung der Folgen der Missachtung erlassen wur- den, nicht befolgt, kann die materielle Hilfe gekürzt werden (§ 13 Abs. 2 SPG). 3.3. Voraussetzung für eine Kürzung der materiellen Hilfe wegen Missachtung einer Auflage oder Weisung ist, dass dem Betroffenen die Auflage oder Weisung i.S.v. § 13 SPG i.V.m. § 14 SPV eröffnet wurde. Die Verwarnung mit Kürzungsandrohung kann gleichzeitig mit der Auflage bzw. Weisung verfügt werden (AGVE 2005, S. 285). 2008 Verwaltungsgericht 228 3.4. Am 25. September 2006 beschloss der Sozialdienst der Ge- meinde X. u.a. Folgendes: "4. Herr S. wird darauf aufmerksam gemacht, Änderungen künftig dem Sozialdienst im Voraus mitzuteilen. Rückwirkende Änderungen werden in Zukunft nicht mehr berücksichtigt." Der Sozialdienst der Gemeinde X. führte in der Begründung an, der Beschwerdeführer habe mit nachträglichen Mitteilungen betref- fend Wochenendaufenthalte und Änderungen im Haushalt seine Meldepflicht verletzt und verwaltungsadministrative Mehrarbeit ver- ursacht. Die Gemeinde behalte sich vor, allenfalls ungerechtfertigte Leistungen ab August 2005 vom Beschwerdeführer zurückzufordern, weil er vom Sozialdienst verlangte Unterlagen noch immer nicht eingereicht habe. In Ziff. 4 des genannten Beschlusses wurde der Beschwerdefüh- rer auf die gesetzliche Meldepflicht nach § 2 Abs. 3 SPG i.V.m. § 1 Abs. 1 SPV ausdrücklich hingewiesen. Eine über die allgemeine Meldepflicht hinausgehende konkrete Weisung, sämtliche - auch vorübergehende - Ferienabwesenheiten oder Auslandaufenthalte mit- zuteilen, wurde dem Beschwerdeführer indessen nicht erteilt. Ins- besondere fehlt eine für den Vollzug der Kürzung vorausgesetzte ent- sprechende Verwarnung des Beschwerdeführers (§ 13 Abs. 2 SPG; siehe vorne Erw. 3.3). Der Auslandaufenthalt von 14 Tagen hatte keine offenkundigen und für den Beschwerdeführer erkennbaren Auswirkungen auf die Höhe der bewilligten materiellen Hilfe. Die Sozialbehörden machen auch nicht substantiiert geltend, der Be- schwerdegegner habe durch den Aufenthalt in Italien Einsparungen erzielen können. Anhaltspunkte für substantielle Sparmöglichkeiten sind auch den Akten nicht zu entnehmen. Nicht beanstandet wurde sodann, dass der Beschwerdeführer und zwei seiner Kinder für 14 Tage in den Ferien weilten. Unter diesen Umständen kann die feh- lende Ankündigung des Auslandaufenthalts vom 19. Februar 2007 bis 3. März 2007 keine Kürzung der materiellen Hilfe für den Monat März 2007 rechtfertigen. Eine Kürzung wegen Verletzung von Auf- 2008 Sozialhilfe 229 lagen und Weisungen ist im Übrigen auf 65 % des Grundbedarfs I beschränkt (§ 15 Abs. 2 SPV). 3.5. Abweichend präsentiert sich demgegenüber die Ausgangssitua- tion für den Auslandaufenthalt des Beschwerdeführers vom 6. bis 13. April 2007. Mit Beschluss vom 26. Februar 2007 wurde dem Be- schwerdeführer die Weisung erteilt, "in Zukunft Änderungen in Be- zug zur persönlichen und finanziellen Situation" unverzüglich zu melden. Aus der Begründung ergibt sich unmissverständlich, dass die Sozialbehörden vom Beschwerdeführer die vorgängige Mitteilung über geplante Ferien- und Auslandaufenthalte erwarten. Er wurde auch auf die Folgen bei Nichteinhaltung der Weisung hingewiesen. Der Sozialdienst hat ihn zudem mündlich über diese Pflicht orien- tiert. Der Beschwerdeführer hat dies auch nicht bestritten. Indem er trotzdem ohne Meldung an den Sozialdienst für sieben Tage nach Ita- lien ging, hat er die Meldepflicht daher klar verletzt. Bei dieser Meldepflicht geht es nicht um die Bewilligungs- pflicht für kurzfristige Ortsabwesenheiten oder um eine Einschrän- kung der familiären Beziehungen oder der persönlichen Freiheit. Die Sozialbehörden sind vielmehr verpflichtet, die zweckmässige Ver- wendung der materiellen Hilfe sicherzustellen und die Anspruchvor- aussetzungen, insbesondere die Bedürftigkeit, zu prüfen. Längere Auslandaufenthalte können einerseits dazu führen, dass die Sozial- hilfe für Reisekosten etc. zweckentfremdet wird. Nicht auszuschlies- sen ist, dass Auslandaufenthalte mit Zuwendungen oder anderen Leistungen von Drittpersonen finanziert werden, welche als eigene Mittel gemäss § 11 SPG anzurechnen sind (vgl. § 11 Abs. 2 SPV). Schliesslich können längere Auslandaufenthalte Anlass für die An- passung der materiellen Unterstützung sein, wenn sich die unter- stützte Person in einem Land mit tieferen Lebenshaltungskosten auf- hält. 3.6. § 13 Abs. 2 SPG sieht ausdrücklich die Möglichkeit der Leis- tungskürzung vor, wenn Auflagen und Weisungen nicht befolgt wur- den. Bei der Kürzung der materiellen Hilfe ist die Existenzsicherung zu beachten (§ 15 Abs. 1 Satz 1 SPV), welche bei 65 % des Grund- 2008 Verwaltungsgericht 230 bedarfs I gemäss SKOS-Richtlinien liegt (Abs. 2 Satz 1). Verhält sich die unterstützte Person rechtsmissbräuchlich, kann eine Kürzung auch unter die Existenzsicherung erfolgen oder die materielle Hilfe ganz eingestellt werden (Abs. 3 Satz 1). (...) 4. Zusammenfassend kann dem Beschwerdeführer nur im Zu- sammenhang mit dem Auslandaufenthalt im April 2007 eine Verlet- zung der Meldepflicht vorgeworfen werden. Die Beschwerde gegen den Entscheid des Bezirksamts Rheinfelden vom 18. Juli 2007 ist daher gutzuheissen. Die Kürzung mit Verfügung vom 23. April 2007 ist demgegenüber nicht zu beanstanden und die Beschwerde gegen den vorinstanzlichen Entscheid vom 6. August 2007 folglich abzu- weisen.
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2009 Verwaltungsgericht 210 [...] 40 Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts und Schadenersatz gemäss § 38 SubmD; Praxisänderung zu AGVE 2003, S. 274 - Die Haftungs- und Zuständigkeitsnorm des SubmD ist auch auf rechtswidrige Vergaben unterhalb des GATT-Bereichs anwendbar. - Eigenleistungen, Parteikosten und vorprozessuale Anwaltskosten als Schadenersatz. 2009 Submissionen 211 Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 30. Juni 2009 in Sachen K.P. gegen Gemeinde X. (WKL.2007.1). Aus den Erwägungen I. 2. 2.1. Gemäss § 38 Abs. 1 SubmD haftet die Vergabestelle für Schä- den, die sie durch eine rechtswidrige Verfügung verursacht hat. Das Schadenersatzbegehren ist gemäss § 38 Abs. 3 SubmD innert Jah- resfrist, nachdem die Rechtswidrigkeit in einem Beschwerdeent- scheid festgestellt worden ist, bei der Beschwerdeinstanz einzurei- chen. § 38 SubmD ist systematisch unter den zusätzlichen Bestim- mungen eingereiht, die für Vergaben zur Anwendung kommen, die die Schwellenwerte für die Anwendung des GATT/WTO-Überein- kommens über das öffentliche Beschaffungswesen oder des Ab- kommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über bestimmte Aspekte des öffentlichen Beschaffungswesens erreichen (siehe § 29 ff. SubmD). Unter diesem Gesichtspunkt hat das Verwaltungsgericht in einem publizierten Urteil vom 27. Juni 2003 ohne nähere Begründung ausgeführt, dass für rechtswidrige Vergaben, die nicht dem GATT-Abkommen unterstehen, die spezialgesetzliche Schadenersatzregelung von § 38 SubmD nicht zur Anwendung gelange (VGE IV/19 vom 27. Juni 2003 [KL.2001.00004], Erw. 2.d.dd, in: AGVE 2003, S. 274). 2.2. Die Klägerin macht unter Bezugnahme auf die Materialien gel- tend, ein genereller Ausschluss eines öffentlich-rechtlichen Schaden- ersatzanspruchs einer widerrechtlichen Vergabe verstosse gegen Art. 9 Abs. 3 BGBM und Art. 18 Abs. 2 IVöB. Das Bundesrecht ver- lange, dass der widerrechtlich um den Auftrag gebrachte Anbieter, auch unterhalb der GATT-Schwellenwerte, einen öffentlich-rechtli- chen Schadenersatzanspruch habe. Die vom Verwaltungsgericht er- wogene Unterscheidung der Zuständigkeiten für vergaberechtliche 2009 Verwaltungsgericht 212 Schadenersatzansprüche, allein gestützt auf die Schwellenwerte, sei weder sachgerecht noch prozessökonomisch. Die Beklagte schliesst sich diesem Standpunkt an. 2.3. Die sachliche Zuständigkeit hat das Verwaltungsgericht von Amtes wegen zu prüfen. Diese zwingende Regelung kann weder durch Parteivereinbarung noch durch Einlassung abgeändert werden (AGVE 1996, S. 173). Die Beurteilung dieser Frage rechtfertigt eine Besetzung mit fünf Richtern (§ 46 GOD) unter Mitwirkung des Präsidenten der 3. Kammer (§ 7 des Reglements des Verwaltungsgerichts über die Geschäftsverteilung). 2.4. Das Verwaltungsgericht schloss aus den Materialien zur syste- matischen Eingliederung von § 38 SubmD (im 2. Teil des Submissi- onsdekrets), ohne nähere Begründung, die Anwendung dieser spezi- algesetzlichen Regelung auf Vergaben, die nicht dem GATT-Ab- kommen unterstehen, aus. Diese Auffassung hält einer näheren Prü- fung nicht stand. 2.4.1. Die systematische Einordnung von § 38 SubmD im 2. Teil des Submissionsdekrets lässt sich aus der Entstehungsgeschichte des Dekrets erklären. Noch im Vernehmlassungsentwurf des Regie- rungsrates vom 1. Dezember 1995 war die Schadenersatzklage des widerrechtlich unberücksichtigten Anbieters im Allgemeinen Teil geregelt. Regierungsrat Pfisterer hat in der Kommissionsberatung zur Verschiebung folgendes ausgeführt: "Die fragliche Bestimmung war ursprünglich dem Allgemeinen Teil zugeordnet, was jedoch im Vernehmlassungsverfahren auf erheblichen Widerstand stiess. Es wurde geltend gemacht, dass es unnötig sei, den Anwendungsbereich dieser GATT-Regeln auf die Vergabe, die nicht dem Besonderen Teil unterstehen, auszudehnen. Diesen Einwänden hat man Rechnung getragen. Sollte sich die Be- stimmung in der Praxis bewähren, wird es aber kein Problem sein, diese wieder in den Allgemeinen Teil zu verlegen. Im Übrigen kennt auch der Bund eine solche Zweiteilung." 2009 Submissionen 213 (Protokoll der 3. Sitzung der nichtständigen Kommission Nr. 19 vom 4. September 1996, S. 28). Das Motiv, die Schadenersatzregelung nur auf den GATT-Be- reich, nicht aber auf die übrigen Vergaben anzuwenden, erscheint bei näherer Prüfung jedoch nicht schlüssig. § 38 SubmD enthält nicht nur eine spezielle Rechtschutzbestimmung für die vergaberechtliche Verantwortlichkeit (Abs. 1 und 2), sondern im Abs. 3 auch eine Zu- ständigkeitsbestimmung. Umstritten war in den Beratungen der Anwendungsbereich der GATT-Regeln, nicht aber die Zuständigkeit der Beschwerdeinstanz zur Beurteilung von Schadenersatzklagen. Mit der Verschiebung der Bestimmung aus dem allgemeinen Teil wurde und konnte die Geltendmachung von Schadenersatzan- sprüchen nicht ausgeschlossen werden. Aufgrund des Verantwort- lichkeitsgesetzes vom 14. März 1958 (VG; SR 170.32) und unmittel- bar aus § 75 Abs. 2 KV haften der Kanton und die Gemeinden für widerrechtlich - und ausnahmsweise für rechtmässig - zugefügten Schaden. Der Hinweis auf eine bundesrechtliche Zweiteilung des Rechtschutzes bei widerrechtlichen Vergaben ist zudem nicht kor- rekt. Im Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen vom 16. Dezember 1994 (BoeB; SR 172.056.1) ist die Regelung betref- fend Schadenersatzansprüche nach der Feststellung der Rechtswid- rigkeit einer Vergabeverfügung (Art. 34 BoeB) einheitlich geregelt. Nur in den Fällen, in denen die Rechtswidrigkeit einer Vergabe nicht im (Feststellungs-) Verfahren nach Art. 32 Abs. 2 oder Art. 33 BoeB festgestellt worden ist, kommt das Verantwortlichkeitsgesetz des Bundes zur Anwendung (Art. 34 Abs. 3 BoeB; vgl. hiezu die Ent- scheide der Eidgen. Rekurskommission für das öffentliche Beschaf- fungswesen [BRK] 18/00 Erw. 4.a und BRK 5/01 Erw. 3.b; Peter Galli / André Moser / Elisabeth Lang / Evelyne Clerc, Praxis des öf- fentlichen Beschaffungsrechts, 2. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2007, Rz. 942). Keine Unterschiede bestehen hinsichtlich der zuständigen Instanz für die vergaberechtlichen Schadenersatzklagen (Art. 35 BoeB). 2.4.2. § 27 Abs. 2 SubmD sieht auch für die Vergaben unterhalb der GATT-Schwellenwerte ausdrücklich einen Feststellungsentscheid zu 2009 Verwaltungsgericht 214 einer widerrechtlichen Vergabe im Beschwerdeverfahren vor. Ein solcher Feststellungsentscheid macht jedoch nur Sinn, wenn in einem (anschliessenden) vergaberechtlichen Sekundärrechtschutz (siehe dazu Martin Beyeler, Öffentliche Beschaffung, Vergaberecht und Schadenersatz, Diss. Fribourg 2004, Rz. 388) über die Schaden- ersatzansprüche entschieden wird. Einen sekundären Rechtschutz haben die Kantone nach Art. 18 Abs. 2 IVöB und Art. 9 Abs. 3 BGBM implizit zu gewährleisten (Beyeler, a.a.O., Rz. 565 f.; BGE 132 I 86 Erw. 3.2 und Urteil des Bundesgerichts vom 31. Januar 2002 [2P.218/2001], Erw. 2.3). Noch in der Botschaft vom 22. Mai 1996 wurde denn auch festgehalten, dass die Schadener- satzregelung in der IVöB vorgesehen ist (Botschaft des Regierungs- rates vom 22. Mai 1996 [Nr. 7274], S. 20). Die blosse Feststellung der Widerrechtlichkeit einer Vergabe vermag diesen Anforderungen nicht zu genügen. Der Feststellungsentscheid als (blosse) Grundlage für eine Haftung der Vergabestelle nach dem Verantwortlichkeitsgesetz ist aus verschiedenen materiellen Gründen problematisch. § 2 VG regelt die Haftung von Kanton und Gemeinden, und bereits seine Anwen- dung auf die Haftung der selbständigen Staatsanstalten ist fraglich (siehe § 4 VG), geschweige denn, dass sämtliche Vergabestellen ge- mäss § 5 SubmD unter das Verantwortlichkeitsgesetz fallen würden. Eine kantonale Regelung in Anwendung von Art. 59 ZGB, wonach in diesen Fällen das Bundeszivilrecht als kantonales Recht gelten würde (siehe dazu BGE 96 II 337 Erw. 4.a), fehlt. Auch in der materiellen Rechtsanwendung führte diese Rechtsweggabelung mit dem Wechsel der Anspruchsgrundlagen zu heiklen Fragestellungen. So kennt das Verantwortlichkeitsgesetz die Haftungsbeschränkung des § 38 Abs. 2 SubmD nicht, verlangt aber vom Geschädigten den Nachweis eines Verschuldens (§ 2 VG). Offen ist im Weiteren, ob die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Vergabe durch das Verwal- tungsgericht als qualifizierte Widerrechtlichkeit im Sinne des Ver- antwortlichkeitsgesetzes genügt (BGE 123 II 577 Erw. 4.d). Bei der Verschiebung der Bestimmungen über den sekundären Rechtsschutz in den 2. Teil des Submissionsdekrets hat der Gesetz- geber offensichtlich nicht bedacht, dass die damit beabsichtigte 2009 Submissionen 215 Folge, kein Schadenersatzanspruch aus der Widerrechtlichkeit einer Vergabe, nicht möglich ist, sondern nur zu einer komplizierten, we- nig praktikablen Änderung der Anspruchsgrundlagen mit nicht zu rechtfertigenden Unterschieden im Haftungsumfang, den Haftungs- voraussetzungen und der Rechtsstellung des Geschädigten wie der Vergabestelle unterhalb des GATT-Bereichs führt. In den Beratungen des Grossen Rates wurden diese Bestimmungen denn auch dis- kussionslos genehmigt (Protokoll des Grossen Rates vom 26. No- vember 1996 [Art. 1995], S. 622). Beim Erlass des Submissionsdek- rets wollte der Gesetzgeber eine möglichst praxisfreundliche Umset- zung der vielfältigen übergeordneten Regelungen (Botschaft, S. 4). Die systematische Stellung von § 38 SubmD weist damit nach den Ziel- und Wertvorstellungen des Gesetzgebers sowie den bundes- rechtlichen und kantonalrechtlichen Vorgaben eine planwidrige Un- vollständigkeit, eine echte Lücke, auf. Anzunehmen ist, dass der Ge- setzgeber anders legiferiert hätte, wäre er sich der Rechtslage und der Folgen dieser Verschiebung bewusst gewesen (AGVE 2001, S. 352). Das Fehlen des subsidiären vergaberechtlichen Rechtsschutzes im Allgemeinen Teil des SubmD (Erster Teil, §§ 1 ff. SubmD) bedeutet eine ausfüllungsbedürftige Lücke und keine bewusst negative Ant- wort des Gesetzes (dazu BGE 131 II 562 Erw. 3.5 mit Hinweisen; Ulrich Häfelin / Georg Müller / Felix Uhlmann, Allgemeines Ver- waltungsrecht, 5. Auflage, Zürich 2006, Rz. 234). Aus den vorste- henden Erwägungen ergibt sich, dass § 38 SubmD entgegen seiner systematischen Stellung im 2. Teil des Submissionsdekrets auf alle Fälle anzuwenden ist, in denen im Beschwerdeverfahren nach § 24 SubmD ein Feststellungsentscheid über eine rechtswidrige Vergabe vorliegt. Eine Rechtsanwendung mit unterschiedlichen Anspruchs- voraussetzungen lässt sich mit dem Willen des Gesetzgebers und den bundesrechtlichen Vorgaben nicht in Einklang bringen. Nur eine analoge Anwendung von § 38 SubmD auch unterhalb des GATT-Be- reichs ist mit dem Ziel und Zweck des sekundären Rechtschutzes im Vergaberecht sachgerecht vereinbar (BGE 131 III 61 Erw. 2.2 mit Hinweisen). Die gleichgelagerten sachlichen Verhältnisse und der nämliche Regelungszusammenhang rechtfertigen diesen Analogie- schluss (BGE 130 V 71 Erw. 3.2.1). Entgegen der Rechtsprechung in 2009 Verwaltungsgericht 216 AGVE 2003, S. 274 ist daher § 38 SubmD auch auf rechtswidrige Vergaben unterhalb des GATT-Bereichs anwendbar. 2.4.3. Folge dieser Rechtsanwendung ist die Zuständigkeit des Ver- waltungsgerichts gemäss § 38 Abs. 3 SubmD. Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts war in der Rechtsetzung unumstritten und ent- spricht dem Grundsatz, dass Haftungsklagen aus öffentlichem Recht mit verwaltungsgerichtlicher Klage geltend zu machen sind (siehe Entwurf Haftungsgesetz vom 24. März 2009, § 11). 3.-5. (...) II. 1.-2. (...) 3. 3.1.-3.4. (...) 3.5. Die Klägerin macht im Zusammenhang mit den Eigenleistun- gen in den Beschwerdeverfahren einen Schaden von Fr. 5'252.05 (Fr. 4'881.10 + 7,6% MWSt) geltend. Die Beklagte ist der Meinung, die Geltendmachung von Aufwendungen im Zusammenhang mit den Rechtsmittelverfahren sei der Klägerin u.a. verwehrt, weil unge- deckte Parteikosten aus einem Rechtsmittelverfahren nicht Schaden im Sinne von § 38 Abs. 2 SubmD sei. 3.5.1. Gemäss § 38 Abs. 2 SubmD sind dem geschädigten Anbieter, nebst den Aufwendungen im Zusammenhang mit der Ausarbeitung der Offertenunterlagen, auch die Aufwendungen für das Rechtsmit- telverfahren zu ersetzen. Ersatzpflichtige Aufwendungen im Be- schwerdeverfahren sind jene Leistungen, welche im Hinblick auf den Primärrechtschutz erbracht und nutzlos geworden sind (AGVE 2003, S. 273). Wurde das Submissionsverfahren nach der Aufhebung des Zuschlags rechtswidrig abgebrochen, waren auch die notwendigen Kosten für das Beschwerdeverfahren vergeblich. Die Klägerin ist somit in der gleichen Lage, wie wenn das Verfahren vor dem Zu- schlag nicht weitergeführt wurde. Somit umfasst der Entschädi- gungsanspruch aus § 38 Abs. 2 SubmD alle Aufwendungen des An- bieters für ein Submissionsverfahren vom Angebot bis zum Abbruch 2009 Submissionen 217 des Submissionsverfahrens, somit auch für die Leistungen und Be- mühungen in Beschwerdeverfahren, welche zur Aufhebung des Zu- schlags führten. Prozessual tritt diese Rechtsfolge schon mit der Rückweisung durch das Verwaltungsgericht ein (§ 58 aVRPG). Als Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Rechtsmittel- verfahren qualifizierte die Lehre unter anderem auch die Löhne der Angestellten des Anbieters, welche an der Beschwerdeführung mit- wirken (Beyeler, a.a.O., Rz. 634; Peter Gauch, Das neue Beschaf- fungsgesetz des Bundes - Bundesgesetz über das öffentliche Be- schaffungswesen vom 16. Dezember 1994, in: ZSR 1999 I, S. 330). Soweit die Aufwendungen der Klägerin nicht als nutzlos zu betrachten sind, ist kein Grund ersichtlich, diese Aufwendungen nicht als Schadenersatzposten dazuzurechnen. Für die Instruktion des Anwalts und die Zusammenstellung der Unterlagen für eine Be- schwerde erbrachte Leistungen sind daher ersatzfähig, wenn diese vernünftigerweise erforderlich waren, um das Rechtsmittelverfahren mit Aussicht auf Erfolg vorzubereiten und durchzuführen. 3.5.2. Die Leistungen in den Beschwerdeverfahren beziffert die Klä- gerin mit Fr. 5'252.05 (siehe vorne Erw. 3.5). Dieser Aufwand wird mit rund 14 Stunden des 'Leitenden Ingenieurs' und rund 13 Stunden des 'Erfahrenen Ingenieurs' für die beiden Beschwerdeverfahren be- gründet und umfasst gemäss Leistungsjournal mehrere Besprechun- gen mit dem Anwalt, das Aktenstudium und das Bereitstellen der Unterlagen für die Beschwerden. Der Aufwand erscheint weder un- nötig noch wird ein Aufwand geltend gemacht, der bei verwaltungs- gerichtlichen Beschwerdeverfahren in Submissionsstreitigkeiten als unüblich erscheint. Substantiierte Einwendungen gegen die ausge- wiesenen Stunden und Spesen werden auch von der Beklagten nicht erhoben. Es rechtfertigt sich daher, die ausgewiesenen Stunden und Spesen für die Beschwerdeverfahren der Schadensberechnung zu- grunde zu legen. Ohne Mehrwertsteuer und nach Abzug der 15% (siehe vorne Erw. 3.4.3) beträgt der ausgewiesene Schaden für das Beschwerdeverfahren demnach Fr. 4'148.95 (4'881.10 ./. 15%). 2009 Verwaltungsgericht 218 3.5.3. Diese Schadenersatzforderung ist, entgegen der Auffassung der Beklagten, nicht Teil der Parteientschädigung und auch nicht mit der Kostenverlegung in den beiden Beschwerdeentscheiden rechtskräftig entschieden. Die Parteientschädigung gemäss § 36 Abs. 2 aVRPG umfasst nur die Kosten der Vertretung, Verbeiständung oder Bera- tung nicht aber die sog. Parteikosten (AGVE 2001, S. 583 mit Hin- weis; siehe auch die besondere Regelung für die Zivilverfahren in § 31 VKD). 3.6. (...) 3.7. Die Klägerin macht bei ihrer Schadenersatzforderung für die Leistungen auch den Betrag für die Mehrwertsteuer geltend. Nach Art. 5 des Bundesgesetzes über die Mehrwertsteuer vom 2. Sep- tember 1999 (Mehrwertsteuergesetz, MWSTG; SR 641.20) unterliegen Lieferungen und Dienstleistungen der Mehrwertsteuer nur, wenn sie gegen Entgelt erbracht werden. Die Entgeltlichkeit er- fordert einen Leistungsaustausch zwischen dem steuerpflichtigen Leistungserbringer und dem Empfänger. Findet bei einer Schadener- satzzahlung kein Leistungsaustausch statt, liegt auch keine mehr- wertsteuerrechtliche Aktivität vor. Massgeblich ist, dass die Entschä- digung geschuldet ist, weil der Geschädigte gegen seinen Willen ei- nen Schaden erlitten hat, der den Verantwortlichen zur Wiederher- stellung des früheren Zustands verpflichtet (Urteil des Bundesver- waltungsgerichts vom 8. Januar 2008 [A-1539/2006], Erw. 2.2.2 mit weiteren Hinweisen). Im vorliegenden Fall geht es darum den Scha- den zu ersetzen, der durch die widerrechtlichen Verfügungen ent- standen ist. Eine Gegenleistung der Klägerin ist dabei nicht ge- schuldet. Der zu bezahlende Schadenersatz ist somit keine mehr- wertsteuerrechtliche Aktivität. 4. 4.1. Die Klägerin macht sodann zusätzliche Kosten für ihre Rechts- vertretung in den beiden Beschwerdeverfahren geltend, da ihr die in den Verwaltungsgerichtsurteilen zugesprochenen, aufgrund des Streitwerts eher bescheiden ausgefallenen Parteientschädigungen 2009 Submissionen 219 nicht vollständig gedeckt worden seien. Die Beklagte ist jedoch der Meinung, die Klägerin sei nicht berechtigt, ihren über die bereits rechtskräftig zugesprochene Parteientschädigung hinausgehenden Aufwand für die durchschrittenen Beschwerdeverfahren geltend zu machen. Die Frage der Parteientschädigung in den Beschwerdever- fahren sei rechtskräftig erledigt und könne vorliegend nicht mehr aufgegriffen werden. 4.2. Die Lehre ist der Meinung, dass die Differenz zwischen den tat- sächlichen Parteivertretungskosten und den zugesprochenen Partei- entschädigungen in den Beschwerdeverfahren als Schadenersatz im Sekundärrechtsschutz geltend gemacht werden kann (statt vieler: Beyeler, a.a.O., Rz. 652 mit Hinweisen). § 38 Abs. 2 SubmD stellt entgegen der Meinung der Beklagten nicht bloss einen Verweis auf das Recht der Parteientschädigung dar. Es ist kein Grund ersichtlich, warum im Schadenersatzverfahren geregelt werden muss, dass im vorangehenden Beschwerdeverfahren eine Parteientschädigung ge- schuldet ist. Warum sollte auf etwas verwiesen werden, das in einem früheren Verfahren bereits entschieden wurde. Im Primärrechtsschutz ist es dem Beschwerdeführer verwehrt, Schadenersatz geltend zu machen. Die Aufwendungen für die Rechtsvertretung werden auf- grund des AnwT meistens nicht voll gedeckt. Die obsiegende Partei muss diesfalls einen Teil der Rechtsvertretungskosten selbst übernehmen. Für die Partei stellt dies eine Aufwendung im Rechtsmittelverfahren dar. Diese Aufwendungen aus nicht gedeckten Parteivertretungskosten können somit als (Rest-)Schaden im Rechts- mittelverfahren geltend gemacht werden, geht es doch darum, das negative Interesse der Klägerin auszugleichen. Der Anspruch ist dabei auf den Teil der Parteikosten beschränkt, bei dem die Klägerin im Beschwerdeverfahren obsiegte. Die Aufwendungen hinsichtlich der Beschwerdeanträge, bei denen die Klägerin unterlag, waren nutzlos und sind nicht zu ersetzen. Daraus ergibt sich, dass der Klä- gerin aus dem Verfahren WBE.2005.212 ein Restschaden aus der Parteientschädigung von Fr. 3'783.50 zusteht. Für das Verfahren WBE.2006.24 ergibt sich ein Restanspruch von Fr. 379.30. 2009 Verwaltungsgericht 220 5. 5.1. Die Klägerin macht vorprozessuale Anwaltskosten in Höhe von Fr. 824.90 geltend. Die Beklagte führt aus, die Klägerin könne - ab- gesehen von einer ihr allenfalls zuzusprechenden Parteientschädi- gung gemäss § 36 aVRPG - keine Aufwendungen im Zusammen- hang mit dem vorliegenden Klageverfahren gestützt auf § 38 SubmD geltend machen. 5.2. Das Bundesgericht und die herrschende Lehrmeinung vertreten die Ansicht, dass die von einem Geschädigten aufgewendeten vor- prozessualen Anwaltskosten einen Bestandteil des Schadens bilden, soweit sie nicht durch die nach kantonalem Verfahrensrecht zuzu- sprechende Parteientschädigung gedeckt sind (BGE 117 II 394, Erw. 3.a; Urteil des Bundesgerichts vom 19. Mai 2003 [4C.11/2003], Erw. 5; Alfred Bühler / Andreas Edelmann / Albert Killer, Kommen- tar zur aargauischen Zivilprozessordnung, Aarau 1998, § 121 Rz. 16 mit Hinweisen). Diese - als vorprozessuale Anwaltskosten geltend gemachte - Schadensposition betrifft die Aufwendungen des Rechtsvertreters der Klägerin im Zeitraum zwischen dem 15. November 2006 und dem 7. Dezember 2006. Sie betreffen Aufwendungen ausserhalb des Schadenersatzprozesses. Gemäss § 6 AnwT sind die vorprozessualen Kosten nicht gedeckt. Dieser Schaden ist somit als Schaden im Zu- sammenhang mit dem Rechtsmittelverfahren zu ersetzen (Beyeler, a.a.O., Rz. 654 ff.). Auch das verwaltungsgerichtliche Klageverfah- ren ist ein Rechtsmittelverfahren (Michael Merker, Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, Kommentar zu den §§ 38-72 VRPG, Diss. Zürich 1998, § 45 N 38). Die Kausalität zwischen dem entstandenen Schaden und der widerrechtlichen Verfügung ist zu bejahen, womit die Beklagte den geltend gemachten Schaden von Fr. 824.90 zu ersetzen hat.
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AG_VG_001
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2009 Bau-,Raumplanungs-undUmweltschutzrecht 181 [...] 35 Voranfrage i.S.v. § 28 AbauV - Zulässiger Gegenstand - Befangenheit der mit der Voranfrage befassten Baukommission 2009 Verwaltungsgericht 182 vgl. AGVE 2007, S. 105 ff. (Hinweis: Das Bundesgericht hat eine Beschwerde gegen diesen Entscheid teilweise gutgeheissen; Urteil vom 8. September 2009 [1C_150/2009]).
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2002 Verwaltungsgericht 272 [...] 70 Beginn des Fristenlaufs gemäss § 28 BauG. - Die Rechtsmittelfrist für die Beschwerde an das Verwaltungsgericht beginnt am Tag nach der Publikation des Genehmigungsentscheides im kantonalen Amtsblatt zu laufen. - Ein Anspruch auf individuelle Eröffnung des Genehmigungsentschei- des besteht nicht. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 12. Dezember 2001 in Sachen Pf. gegen Genehmigungsbeschluss des Grossen Rats. Aus den Erwägungen 1. Entscheide des Grossen Rats und des Regierungsrats über die Genehmigung von kommunalen Nutzungsplänen und -vorschriften können von den in schutzwürdigen eigenen Interessen Betroffenen und von den Gemeinden innert 20 Tagen seit der amtlichen Publika- tion beim Verwaltungsgericht angefochten werden, das sie auf ihre Rechtmässigkeit prüft (§ 28 BauG). Das Verwaltungsgericht ist somit zur Behandlung des vorliegenden Falles sachlich zuständig. 2. Der Beschwerdeführer ficht mit seiner vom 11. Januar 1999 datierenden Beschwerde den Genehmigungsbeschluss des Grossen Rats vom 28. Oktober 1997 an. Damit stellt sich vorab die Frage nach der Rechtzeitigkeit der Beschwerde. a) Gemäss § 28 BauG müssen die Genehmigungsentscheide in- nert 20 Tagen seit der amtlichen Publikation angefochten werden. Der grossrätliche Genehmigungsbeschluss wurde (zusammen mit weiteren Genehmigungen von Gemeindebauvorschriften) im Amts- blatt Nr. 46 vom 10. November 1997 (S. 1972) veröffentlicht. Die Veröffentlichung der Staatskanzlei enthielt die folgende Rechtsmit- telbelehrung: 2002 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 273 "1. Gegen diese Genehmigungsentscheide kann beim Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, Obere Vorstadt 40, 5000 Aarau, Beschwerde ge- führt werden. 2. Die nicht erstreckbare Beschwerdefrist von 20 Tagen beginnt mit der Publikation im Amtsblatt des Kantons Aargau zu laufen. 3. (...) 4. (...) 5. (...) 6. (...) 7. (...) 8. Die Genehmigungsbeschlüsse und die einschlägigen Akten können während der Beschwerdefrist bei der Abteilung Raumplanung des Baudepartementes, Laurenzenvorstadt 11, in Aarau, eingesehen wer- den. 9. Ein Merkblatt mit Hinweisen zur Anwendung der Rechtsmittelbeleh- rung kann beim Verwaltungsgericht des Kantons Aargau oder bei der Staatskanzlei des Kantons Aargau bezogen werden. Der Beginn der Beschwerdefrist wird mit dem Bezug dieses Merkblattes nicht aufge- schoben." Die zwanzigtägige Beschwerdefrist begann am Tag nach der Publikation im Amtsblatt zu laufen und endete am 30. November 1997 bzw. auf Grund von § 31 VRPG i.V.m. § 81 Abs. 3 ZPO am 1. Dezember 1997. Die Beschwerde ist somit klarerweise nicht in- nerhalb der gesetzlichen Rechtsmittelfrist beim Verwaltungsgericht eingegangen. b) Der Beschwerdeführer vertritt allerdings den Standpunkt, der Genehmigungsbeschluss sei ihm nie offiziell eröffnet worden. Aus der Vernehmlassung des Baudepartements geht hervor, dass es in der Tat unterlassen wurde, dem Beschwerdeführer nach Erlass des Ge- nehmigungsbeschlusses des Grossen Rats eine Kopie des Protokolls mit entsprechender Rechtsmittelbelehrung zuzustellen. Das Baude- partement befürwortet deshalb ein Eintreten auf die Beschwerde auf Grund einer analogen Anwendung der Vorschriften über die Wieder- aufnahme (§§ 27 f. VRPG). c) Es stellt sich die Frage, ob ein Anspruch auf individuelle Er- öffnung des Genehmigungsbeschlusses besteht. 2002 Verwaltungsgericht 274 aa) Neben der öffentlichen Publikation auch die schriftliche Be- nachrichtigung der Eigentümer von Grundstücken im Planungsgebiet sowie der Personen mit Sitz oder Wohnsitz im Planungsgebiet ver- langt § 4 Abs. 2 ABauV für die öffentliche Auflage von Entwürfen zu Nutzungsplänen und -vorschriften gemäss § 24 BauG. Gemäss § 5 Abs. 3 ABauV informiert der Gemeinderat vor Beginn der Be- schwerdefrist (§ 26 BauG) die Eigentümer von Grundstücken sowie Personen mit Sitz oder Wohnsitz im von der Änderung betroffenen Gebiet, wenn der Beschluss des zuständigen Gemeindeorgans vom öffentlich aufgelegten Entwurf abweicht. Darüber hinaus enthalten aber weder das BauG noch die ABauV eine Verpflichtung zur per- sönlichen Benachrichtigung der betroffenen Grundeigentümer. Ins- besondere ist in § 28 BauG keine individuelle Eröffnung der Be- schlüsse des Grossen Rats (oder des Regierungsrats) über die Ge- nehmigung von Nutzungsvorschriften und -plänen vorgesehen. § 28 BauG geht als spezielle Regelung der Bestimmung von § 23 VRPG, welche die Eröffnung von Verfügungen und Entscheiden allgemein regelt, vor. Im Übrigen sieht aber auch das VRPG die öffentliche Bekanntmachung vor: So bestimmt § 24 Abs. 2 VRPG, dass Verfü- gungen und Entscheide, die an eine sehr grosse oder unbestimmte Zahl von Betroffenen gerichtet sind, durch öffentliche Bekanntma- chung zu eröffnen sind. Und gemäss § 24 Abs. 3 VRPG gelten öf- fentlich bekannt gemachte Verfügungen und Entscheide für jeder- mann, der betroffen ist. bb) Auch aus dem Bundesrecht ergibt sich kein Anspruch auf individuelle Eröffnung. Eine Pflicht zur persönlichen Benachrich- tigung der einzelnen Grundeigentümer im Nutzungsplanungsverfah- ren besteht nach Auffassung des Bundesgerichts nur dann, wenn sie das kantonale Recht vorsieht (BGE 106 Ia 312; vgl. auch BGE 116 Ia 218 f.). Beschränkt sich das kantonale Recht hingegen auf die Pub- likation und die öffentliche Auflage, verstösst dies nicht gegen Bun- desrecht: Dass der von einem Nutzungsplan betroffene Eigentümer vor der öffentlichen Auflage des Plans persönlich angehört werden müsste, lässt sich aus Art. 33 RPG nicht ableiten. Diese Bestimmung verlangt lediglich eine öffentliche Auflage der Nutzungspläne und schreibt vor, dass das kantonale Recht wenigstens ein Rechtsmittel 2002 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 275 vorsehen muss, welches die volle Überprüfung durch eine Be- schwerdebehörde erlaubt. Auch aus Art. 29 Abs. 2 BV ergibt sich keine Pflicht des Gemeinwesens, die Grundeigentümer bei Erlass oder Revision des Zonenplans persönlich zu benachrichtigen. Dies gilt nicht nur bei einer Gesamtrevision des Zonenplans, sondern auch bei einer Teilrevision (Urteil des Bundesgerichts vom 14. Oktober 1983, in: ZBl 86/1985, S. 164 ff., insbes. S. 168; vgl. auch Walter Haller/Peter Karlen, Raumplanungs-, Bau- und Umweltrecht, 3. Auflage, Band I, Zürich 1999, Rz. 405; Leo Schürmann/Peter Hänni, Planungs-, Bau- und besonderes Umweltschutzrecht, 3. Auflage, Bern 1995, S. 420). cc) Der gesetzgeberische Verzicht, eine individuelle Mittei- lungspflicht von Genehmigungsbeschlüssen an die Grundeigentümer zu statuieren, wird auch durch die Regelung von § 27 Abs. 2 BauG gerechtfertigt. Nach dieser Vorschrift hat die Genehmigungsbehörde für den Fall, dass sie Änderungen (von geringer Tragweite oder wenn keine erhebliche Entscheidungsfreiheit besteht) vornimmt, den Ge- meinderat und die in ihren schutzwürdigen Interessen Betroffenen vorher anzuhören. Damit wird den betroffenen Grundeigentümern das rechtliche Gehör zur Sache gewährt. Zugleich erhalten sie Kenntnis von der bevorstehenden Genehmigung. Gemäss bundesge- richtlicher Rechtsprechung obliegt es dem Grundeigentümer, sich ständig über die rechtliche Situation seiner Grundstücke auf dem Laufenden zu halten und bei einer Änderung der Verhältnisse die notwendigen Massnahmen zur Wahrung seiner Interessen zu ergrei- fen (BGE 106 Ia 312 f.). Dies gilt erst recht in den Fällen von § 27 Abs. 2 BauG, wo der Grundeigentümer auf Grund der Anhörung mit einer Änderung rechnen muss. dd) Eine generelle Zustellung des grossrätlichen Beschlusses an die Verfahrensbeteiligten entspricht im Übrigen offenbar auch nicht der gängigen Praxis. Nur in jenen Fällen, in denen gegen den Be- schluss des zuständigen Gemeindeorgans Beschwerde an den Regie- rungsrat gemäss § 26 BauG erhoben worden ist, erfolgt eine indivi- duelle Zustellung des Grossratsbeschlusses mit Bekanntgabe des Datums der amtlichen Publikation. Denn auch für die Anfechtung des Beschwerdeentscheids beginnt die Frist erst mit der Publikation 2002 Verwaltungsgericht 276 des Genehmigungsbeschlusses zu laufen. Im vorliegenden Fall hat indessen kein Beschwerdeverfahren vor dem Regierungsrat stattge- funden, da die Einwohnergemeindeversammlung V. dem Begehren des Beschwerdeführers gefolgt war. Folglich kann sich der Be- schwerdeführer auch nicht auf ein allfälliges Vertrauen in eine ent- sprechende Zustellpraxis berufen.
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2010 Verwaltungsgericht 234 [...] 44 Anspruch auf ein Schulzeugnis; Verfügungscharakter und Anfechtbar- keit. Der Entscheid über den Anspruch auf Ausstellung eines Entlassungszeug- nisses hat Verfügungscharakter und ist mit Beschwerde anfechtbar. 2010 Schulrecht 235 Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 22. September 2010 in Sa- chen D.A. gegen Kreisschulpflege H. und Regierungsrat (WBE.2009.392). Aus den Erwägungen 4. 4.1. Die Vorinstanz und der Schulrat K. sind auf die Begehren des Beschwerdeführers nicht eingetreten mit der Begründung, dass we- der das Zeugnis für das 2. Semester der 4. Sekundarschule, noch das Entlassungszeugnis Verfügungscharakter hätten. Deshalb seien sie keiner Verwaltungsbeschwerde zugänglich. 4.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, Streitgegenstand sei nicht der Inhalt der Zeugnisse, sondern die Verweigerung der Ausstellung der in der Promotionsordnung vorgesehenen Zeugnisse. 4.3. Auch in das revidierte Verwaltungsrechtspflegegesetz vom 4. Dezember 2007 wurde keine Umschreibung des Verfügungsbe- griffs aufgenommen (vgl. § 26 VRPG). Nach der kantonaler Recht- sprechung zum Verwaltungsrechtspflegegesetz 1968 war der Ver- fügungsbegriff mit der Definition in Art. 5 Abs. 1 des Bundesgeset- zes über das Verwaltungsverfahren vom 20. Dezember 1968 (VwVG) und der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum - in- zwischen aufgehobenen - Art. 97 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 16. Dezember 1943 (Bundesrechtspflegegesetz; OG) identisch (AGVE 1978 S. 300; AGVE 1972 S. 339; M ICHAEL M ERKER , a.a.O., § 38 N 3). Nach die- ser Rechsprechung gilt als Verfügung ein individueller, an den Ein- zelnen gerichteter Hoheitsakt, durch welchen eine konkrete verwal- tungsrechtliche Rechtsbeziehung gestaltend oder feststellend in ver- bindlicher Weise geregelt wird. Die Verfügung ist also auf Rechts- wirkung ausgerichtet (AGVE 2006 S. 85 Erw. 2.1; AGVE 1981 S. 209 f. je mit Hinweisen; BGE 131 I 13 Erw. 2.2). Diese Aus- richtung erfährt mit der Feststellungsverfügung insoweit eine Aus- 2010 Verwaltungsgericht 236 nahme, als diese Verfügungsart Rechte und Pflichten nur autoritativ feststellt, nicht begründet (Art. 25 und Art. 5 Abs. 1 lit. b und c VwVG; U LRICH H ÄFELIN /G EORG M ÜLLER /F ELIX U HLMANN , Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 5. Auflage, Zürich 2006, Rz. 858 ff., Rz. 862). Auf dieser Grundlage wird in Lehre und Rechtsprechung der Verfügungscharakter einzelner Zeugnis- und Prüfungsnoten verneint, soweit sie für das Bestehen einer Prüfung oder den Erwerb eines Diploms nicht relevant sind. Die einzelnen Schulnoten beeinflussen ausserhalb eines Promotions- und Prüfungskontextes die Rechtslage der benoteten Schüler nicht, sondern geben lediglich eine Leis- tungsqualifikation wieder (vgl. H ERBERT P LOTKE , Schweizerisches Schulrecht, 2. Auflage, Bern/Stuttgart/Wien 2003, Kapitel 21.721; BGE 136 I 229, Erw. 2.2 mit Hinweisen; Urteil des Bundesgerichts vom 8. September 2005 [2P.208/2005] Erw. 2.1 und VGE III/35 vom 26. April 2005 [WBE.2005.34]). Bei Laufbahn relevanten Schul- und Zeugnisnoten ist sodann zu differenzieren, ob sich die einzelne Note allein oder im Rahmen eines Notendurchschnitts auf das Ergebnis auswirkt. Zeugnis- und Prüfungsnoten ohne Auswirkungen auf den Ausbildungsgang sind Teil der Begründung eines Prüfungs- oder Promotionsentscheids, weshalb das schutzwürdige Interesse an einer Änderung und damit die Beschwerdelegitimation fehlt. Führt demge- genüber die Gutheissung eines Begehrens zu einer Änderung des Ergebnisses eines Prüfungs- oder eines Promotionsentscheides, kann nicht mehr von fehlenden Rechtswirkungen gesprochen werden. 4.4. 4.4.1. (...) 4.4.2. Gemäss § 1 Abs. 2 und § 9 Abs. 2 der Promotionsordnung für die Volksschule vom 16. Juli 1990 (Promotionsordnung; SAR 421.351) erhält jeder Schüler nach der Erfüllung der Schulpflicht in der Sekundarschule bei seinem Austritt zusammen mit dem Halb- jahreszeugnis ein Entlassungszeugnis, welches Auskunft gibt über Leistung, Fleiss und Betragen im letzten Schuljahr. Der Anspruch auf ein (ordentliches) Zeugnis besteht für jedes Schulhalbjahr (§ 1 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 Pomotionsordnung). Für den Inhalt der Zeugnisse der 2010 Schulrecht 237 Sekundarschule sind die §§ 10 bis 12 der Promotionsordnung mass- gebend. Das Entlassungszeugnis hat die Beurteilung im letzten Schuljahr auszuweisen (§ 9 Abs. 2 Satz 2 Promotionsordnung). Ist der Anspruch auf das Zeugnis oder die Erfüllung von Ansprüchen aus der Promotionsordnung im Einzelfall Streitgegenstand, ent- scheidet somit die zuständige Schulbehörde nicht über einzelne Schulnoten oder über ein Beurteilungsergebnis, sondern über einen (behaupteten) konkreten öffentlichrechtlichen Anspruch. Strittig ist nicht die Leistung des Beschwerdeführers, sondern die Frage, ob er einen Anspruch darauf hat, dass im Entlassungszeugnis die Noten des 2. Schulsemesters einfliessen. Mit dem Nichteintretensentscheid haben die Schulbehörden einen solchen Anspruch verneint und auch die Vorinstanz stellt mit ihrem Prozessentscheid fest, dass aus § 9 Abs. 2 der Promotionsordnung die Schüler keine Ansprüche ableiten können. Diese Entscheidungen und die Feststellung über den Inhalt und die fehlende Grundlage eines Anspruchs des Beschwerdeführers aus § 9 Abs. 2 Promotionsordnung erfüllen indessen alle Merkmale einer Verfügung (vgl. Erw. II/4.3). Die Frage, ob der Anspruch be- gründet ist, ist eine Frage der materiellen Beurteilung. Auf den Beschwerdeantrag Ziff. 3 mit welchem der Beschwer- deführer die Ausstellung eines Entlassungszeugnisses unter Einbezug des Notenzeugnis für das zweite Semester des Schuljahres 2007/ 2008 verlangt, ist daher einzutreten. Streitgegenstand ist damit nicht die Beurteilung der schulischen Leistungen im Entlassungszeugnis, oder die Begründung eines Entscheides, sondern die Frage, ob der Nichteintretensentscheid der Schulbehörden und die Bestätigung die- ser Entscheide durch die Vorinstanz, zu einer Rechtsverweigerung führten. (...)
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AG_VG_001_AGVE-2010-44_2010-09-04
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2018 Anwalts- und Notariatsrecht 293 X. Anwalts- und Notariatsrecht 31 Anwaltsregister - Das Erfordernis der ständigen Berufsausübung für den Registerein- trag (Art. 27 f. BGFA) verbietet EU/EFTA-Anwälten nicht, eine Zweitkanzlei oder Geschäftsniederlassung in der Schweiz zu eröff- nen. - Der Registereintrag von EU/EFTA-Anwälten für eine Zweitkanzlei oder Geschäftsniederlassung in der Schweiz erfordert keine Aufent- haltsbewilligung der Migrationsbehörden. Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 24. Januar 2018, in Sachen A. gegen Anwaltskommission (WBE.2017.393). Aus den Erwägungen 2. 2.1. Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt in Wien und führt dort eine eigene Anwaltskanzlei. Er gibt an, sowohl in Österreich als auch der Schweiz tätig sein und eine Zweitkanzlei bzw. Geschäfts- niederlassung im Kanton Aargau eröffnen zu wollen. Diese Aus- gangslage rechtfertigt, vorweg eingehender auf die massgeblichen Rechtsgrundlagen einzugehen. 2.2. Gemäss Art. 5 Abs. 1 FZA wird einem Dienstleistungserbringer einschliesslich Gesellschaften gemäss Anhang I das Recht einge- räumt, Dienstleistungen im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei zu erbringen, deren tatsächliche Dauer 90 Arbeitstage pro Kalender- jahr nicht überschreitet. Die Beschränkung entsprechender grenz- überschreitender Dienstleistungen im Hoheitsgebiet einer Vertrags- partei ist untersagt (vgl. Art. 17 lit. a Anhang I FZA). 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 294 Der freie Dienstleistungsverkehr umfasst die vorübergehend in einem andern Mitgliedstaat ausgeübte selbständige Erwerbstätigkeit, während die Niederlassungsfreiheit die auf Dauer in einem andern Mitgliedstaat ausgeübte selbständige Erwerbstätigkeit regelt (vgl. STEPHAN BREITENMOSER/ANDRÉ HUSHEER, Europarecht, Band II, 2. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2002, Rz. 987). Das FZA sieht keine vollständige Umsetzung des freien Dienstleistungsverkehrs, sondern eine zeitlich begrenzte Liberalisierung der individuellen grenzüber- schreitenden Dienstleistungen vor. Diese Liberalisierung umfasst die befristete Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit jedenfalls grundsätzlich ohne Niederlassung im Aufnahmestaat (vgl. DIETER W. GROSSEN/CLAIRE DE PALÉZIEUX, Abkommen über die Freizügigkeit, in: DANIEL THÜRER/ROLF H. WEBER/ROGER ZÄCH [Hrsg.], Bilate- rale Verträge Schweiz - EG, Ein Handbuch, Zürich 2002, S. 123). Im Anhang III FZA sind Rechtsakte und Mitteilungen von Gemein- schaftsorganen aufgeführt, die im Bereich der gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen anzuwenden sind. Im Be- reich der Ausübung des Rechtsanwaltsberufs sind dies die RL 77/249/EWG des Rates der europäischen Gemeinschaften vom 22. März 1977 zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs der Rechtsanwälte (ABl. L 78 vom 26.3.77) sowie die RL 98/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 zur Erleichterung der ständigen Aus- übung des Rechtsanwaltsberufs in einem andern Mitgliedstaat als dem, in dem die Qualifikation erworben wurde (ABl. L 77 vom 14.3.98). 2.3. Die Schweiz ist staatsvertraglich verpflichtet, die Anwälte der EU und EFTA zur Parteivertretung vor ihren Gerichten zuzulassen. Diese Verpflichtung ist im BGFA umgesetzt (KASPAR SCHILLER, Schweizerisches Anwaltsrecht, Grundlagen und Kernbereich, Zürich/Basel/Genf 2009, Rz. 307). Danach können Angehörige von Mitgliedstaaten der EU oder EFTA, die berechtigt sind, den Anwalts- beruf in ihrem Herkunftsstaat unter einer der im Anhang aufgeführ- ten Berufsbezeichnungen auszuüben, im freien Dienstleistungs- verkehr in der Schweiz Parteien vor Gerichtsbehörden vertreten 2018 Anwalts- und Notariatsrecht 295 (Art. 21 Abs. 1 BGFA). Angehörige von Mitgliedstaaten der EU oder EFTA, die berechtigt sind, den Anwaltsberuf in ihrem Herkunftsstaat unter einer der im Anhang aufgeführten Berufsbezeichnungen auszu- üben, können in der Schweiz auch ständig Parteien vor Gerichts- behörden vertreten, wenn sie bei einer kantonalen Aufsichtsbehörde über die Anwältinnen und Anwälte eingetragen sind (Art. 27 Abs. 1 BGFA). 3. Die Systematik des BGFA folgt der dem FZA zu Grunde liegen- den Assoziierung an die Dienstleistungsfreiheit und dem Recht auf Niederlassung, welches die ständige Ausübung der Anwaltstätigkeit betrifft (vgl. Art. 5 FZA und Art. 12 ff., 17 ff. Anhang I FZA; zum BGFA: 4. Abschnitt: Ausübung des Anwaltsberufs im freien Dienst- leistungsverkehr durch Anwältinnen und Anwälte der Mitgliedstaaten der EU oder der EFTA ; 5. Abschnitt: Ständige Ausübung des An- waltsberufs durch Anwältinnen und Anwälte aus Mitgliedstaaten der EU oder der EFTA unter ihrer ursprünglichen Berufsbezeichnung ). Die grenzüberschreitende Ausübung des Anwaltsberufs im freien Dienstleistungsverkehr (Art. 21 Abs. 1 BGFA) zeichnet sich dadurch aus, dass sie punktuell und vorübergehend erfolgt (vgl. DOMINIQUE DREYER, in: WALTER FELLMANN/GAUDENZ G. ZINDEL [Hrsg.], Kommentar zum Anwaltsgesetz, 2. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2011, Art. 21 N 5; Urteil des Bundesgerichts vom 9. August 2004 [2A.536/2003], Erw. 3.2.1; vgl. auch Botschaft zur Genehmigung des Abkommens vom 21. Juni 2001 zur Änderung des Übereinkommens vom 4. Januar 1960 zur Errichtung der EFTA vom 12. September 2001, 01.058, in: BBl 2001 4994). Sie darf gemäss Art. 5 Abs. 1 FZA und Art. 17 Anhang I FZA i.V.m. Art. 21 Abs. 1 BGFA während höchstens 90 Tagen pro Jahr (bewilligungsfrei) erfolgen. Ein Eintrag im kantonalen Anwaltsregister erfolgt nicht (vgl. Art. 21 Abs. 2 BGFA). Demgegenüber betreffen Art. 27 ff. BGFA die ständige Be- rufsausübung im Rahmen der Niederlassung (vgl. ANDREAS KELLERHALS/TOBIAS BAUMGARTNER, IN: FELLMANN/ZINDEL [Hrsg.], a.a.O., Art. 27 N 2 f.). Die Aufsichtsbehörde führt eine öffentliche Liste der Angehörigen von Mitgliedstaaten der EU oder EFTA, die in der Schweiz unter ihrer ursprünglichen Berufsbezeich- 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 296 nung ständig Parteien vor Gericht vertreten dürfen (Art. 28 Abs. 1 BGFA). Entsprechend der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist Sinn und Zweck der Eintragung in die öffentliche Liste, dass sich die zuständige Stelle vergewissern kann, ob die Anwälte die Berufs- und Standesregeln des Aufnahmestaates beachten (Urteil des Bundesge- richts vom 9. August 2004 [2A.536/2003], Erw. 4.2 mit Verweis auf RL 98/5/EG). 4. 4.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, bereits sein Vater habe als Anwalt in den Jahren 2007 bis 2015 über eine Kanzlei in Zürich ver- fügt. Dabei sei eine Vielzahl von Mandaten mit grenzüberschreiten- den Sachverhalten bearbeitet worden, insbesondere mit Italien. Darunter seien italienische Staatsangehörige, welche ihren Lebens- mittelpunkt in der Schweiz hätten. Auch im Ruhestand des Vaters würden bei diesem und dem Beschwerdeführer noch zahlreiche Anfragen von Klienten in der Schweiz eingehen, welche die In- teressenwahrung verlangten. Beabsichtigt werde auch die Auswei- tung des Klientels , wobei insbesondere österreichische Mandanten mit Bezug zur Schweiz angesprochen würden. Es sei nicht nur die Begleitung, Beratung und rechtliche Vertretung von in der Schweiz lebenden Klienten geplant, sondern auch die Expansion der Kanzlei durch ständige Anwesenheit auf dem schweizerischen Gebiet . Der Entscheid der Anwaltskommission sei rechtswidrig. Im BGFA sei die Niederlassungsrichtlinie (RL 98/5/EG) umgesetzt. Diese ermög- liche einem EU-Anwalt die ständige Ausübung der Anwaltstätigkeit in einem andern Land ohne Beschränkungen, die vom Gesetzgeber nicht vorgeschrieben worden sind . Weiter liege eine diskrimi- nierende Behandlung vor. In diesem Sinne äussere sich auch die Literatur. Einem EU-Anwalt dürften im Inland keine Beschränkun- gen auferlegt werden, welche über den Regelungszweck der Richtli- nie hinausgingen. Für die von der Anwaltskommission verlangte eingehende Begründungspflicht bestehe keine Grundlage im Ge- setz oder in der Richtlinie. Die Vorinstanz habe ihm zu Unrecht vor- geworfen, er habe niemals behauptet, eine ständige Anwaltstätigkeit 2018 Anwalts- und Notariatsrecht 297 in der Schweiz ausüben zu wollen . Auch nach der Rechtsprechung sei eine entsprechende Begründungspflicht nicht vorgesehen. 4.2. Die Anwaltskommission erwog mit Verweis auf die bundesge- richtliche Rechtsprechung, für die Eintragung in die öffentliche Liste gemäss Art. 28 Abs. 2 BGFA werde eine ständige (Hervorhebung im angefochtenen Entscheid) Tätigkeit in der Schweiz im Sinne von Art. 27 Abs. 1 BGFA vorausgesetzt. Der Gesuchsteller habe nicht glaubhaft dargelegt, dass er in der Schweiz eine ständige Anwalts- tätigkeit ausübe oder dies zumindest beabsichtige. Aus den einge- reichten Unterlagen ergebe sich insbesondere nicht, weshalb die anwaltliche Tätigkeit nicht im freien Dienstleistungsverkehr erfolgen könne. 5. 5.1. Im Gesetzgebungsverfahren zum Erlass des Anwaltsgesetzes wurde unter anderem die RL 98/5/EG thematisiert und ausdrücklich festgehalten, dass diese die ständige Ausübung des Rechtsanwalts- berufs in einem andern Mitgliedstaat erleichtere. Dabei wurde wört- lich ausgeführt: Sie soll die Niederlassungsmöglichkeiten erwei- tern (Botschaft zum BGFAvom 28. April 1999, 99.027, in: BBl 19996024). RL 98/5/EG ist bei der Anwendung von Art. 27 Abs. 1 BGFA als Auslegungselement beizuziehen. Sie regelt namentlich das Recht auf Berufsausübung unter der ursprünglichen Berufsbezeichnung (Art. 2) und die Beachtung der Berufs- und Standesregeln (Art. 6); weiter enthält sie Bestimmungen zur Gleichstellung mit den Rechtsanwälten des Aufnahmestaats (Art. 10) und für Anwalts- sozietäten (Art. 11). Für letztere ist die Ausübung der beruflichen Tätigkeiten im Rahmen einer Zweigstelle oder Niederlassung im Aufnahmestaat vorgesehen (Ziffer 1). 5.2. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung hat sich zur Abgren- zung der Berufsausübung im freien Dienstleistungsverkehr (Art. 21 ff. BGFA) von der ständigen Tätigkeit im Sinne von Art. 27 ff. BGFA in einem Urteil vom 19. Dezember 2011 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 298 (2C_694/2011) geäussert. Dabei wurde erwogen, Art. 27 ff. BGFA erfassten die zuwandernden ausländischen Anwälte, die in stabiler und kontinuierlicher Weise ihre Berufstätigkeit in der Schweiz ausübten, indem sie sich von einem Berufsdomizil aus u.a. an die einheimische Bevölkerung wendeten. Dazu wurde zunächst ein- schränkend festgehalten, dass eine auf Dauer ausgerichtete Tätigkeit als Anwalt das Schwergewicht bzw. den Mittelpunkt der anwalt- lichen Tätigkeit bilde, was über die blosse Einrichtung eines zweiten Berufsdomizils hinausreiche. Andererseits wurde erwogen, dass eine dauernde Berufsausübung jedenfalls dann anzunehmen sei, wenn sich das Schwergewicht nicht ohne weiteres feststellen lasse und die anwaltliche Tätigkeit im Aufnahmestaat während mehr als 90 Tagen ausgeübt werde (Erw. 4.4 mit Hinweisen auf die Literatur). Letzterer Auffassung folgt, soweit ersichtlich, die Kommentierung von KELLERHALS/BAUMGARTNER, wonach eine Tätigkeit in den Bereich der Niederlassung bzw. der ständigen Berufsausübung falle, wenn die grenzüberschreitende Ausübung des Anwaltsberufs an mehr als 90 Tagen erfolge (vgl. KELLERHALS/BAUMGARTNER, in: FELLMANN/ZINDEL [Hrsg.], a.a.O., Art. 27 N 3 und Art. 28 N 1). ROLF H. WEBER führte im Jahre 1998 aus, dass von einer Niederlas- sung nur gesprochen werden könne, wenn sich ein Anwalt in die Wirtschaft des Aufnahmestaates integriere. Zur Eröffnung von Zweitkanzleien vertrat er mit Bezug auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, der Verzicht auf die enge wirtschaftliche und soziale Bindung an den Aufnahmestaat (im Bereich der Niederlassungsfreiheit) rechtfertige keine extensive Anwendung des Niederlassungsrechts (vgl. ROLF H. WEBER, Niederlassung oder Dienstleistung - europarechtliche Beurteilung grenzüberschreitender anwaltlicher Tätigkeiten, in: WALTER FELLMANN/CLAIRE HUGUENIN JACOBS/THOMAS POLEDNA/JÖRG SCHWARZ [Hrsg.], Schweizeri- sches Anwaltsrecht, Bern 1998, S. 581 f.). Gemäss dem erwähnten Urteil des Bundesgerichts vom 19. Dezember 2011 (2C_694/2011) ist eine dauernde Berufsaus- übung anzunehmen, wenn sich deren Schwerpunkt nicht ohne weite- res feststellen lässt und sie während mehr als 90 Arbeitstagen im Aufnahmestaat ausgeübt wird (vgl. Erw. 4.4). Im Urteil des Bundes- 2018 Anwalts- und Notariatsrecht 299 gerichts vom 9. August 2004 (2A.536/2003) wird vorausgesetzt, dass der Rechtsanwaltstätigkeit kein vorübergehender Charakter zukommt und zumindest deren ständige Ausübung beabsichtigt wird (vgl. Erw. 4). Beide Entscheide lassen mithin die Annahme einer ständi- gen Berufstätigkeit zu, wenn deren Ausübung an mehr als 90 Tagen grenzüberschreitend erfolgt. Hinweise für eine generelle Unzulässig- keit von Zweitkanzleien bzw. Geschäftsniederlassungen lassen sich diesen Urteilen nicht entnehmen. 6. 6.1. Die vorinstanzliche Abweisung des Eintragungsgesuchs mit der Begründung, der Beschwerdeführer habe nicht glaubhaft dargelegt, eine ständige Berufsausübung im Sinne von Art. 27 Abs. 1 BGFA zu beabsichtigen, überzeugt nicht. Das Gesuchsformular der Anwalts- kommission enthält keinen Hinweis auf eine entsprechende Begrün- dungspflicht. Insoweit war die Abweisung des Gesuchs mangels Be- gründung nicht statthaft. Dies gilt umso mehr, als das Verwaltungs- verfahren von der Untersuchungsmaxime beherrscht wird. Danach ermitteln die Behörden den Sachverhalt, unter Beachtung der Vorbringen der Parteien, von Amtes wegen und stellen die dazu not- wendigen Untersuchungen an (§ 17 Abs. 1 VRPG). Anhaltspunkte dafür, dass die Eintragung lediglich zur Erzielung eines Werbeeffekts erfolgen soll, was mit der Gefahr der Irreführung des Publikums einherginge, bestehen nicht (vgl. hierzu: Urteil des Bundesgerichts vom 9. August 2004 [2A.536/2003], Erw. 4.2). Fragen des Be- weismasses stellten sich, soweit ersichtlich, im vorinstanzlichen Ver- fahren ebenfalls nicht. 6.2. Gemäss den Ausführungen der Vorinstanz ergibt sich aus den eingereichten Unterlagen nicht, weshalb die anwaltliche Tätigkeit des Beschwerdeführers nicht auch im Rahmen des freien Dienst- leistungsverkehrs erfolgen könne. In diesem Zusammenhang ist Fol- gendes wesentlich: Zwar ist einer Berufstätigkeit nach der bundes- gerichtlichen Rechtsprechung nicht bereits deshalb der Charakter der (vorübergehenden) Dienstleistung abzusprechen, weil der Dienst- leistungserbringer ein Büro in der Schweiz eingerichtet hat (vgl. 2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 300 Urteil des Bundesgerichts vom 9. August 2004 [2A.536/2003], Erw. 3.2.2 und 4). Entsprechend seinen Vorbringen beabsichtigt der Beschwerdeführer indessen, neben seiner Anwaltstätigkeit in Wien eine Zweitkanzlei bzw. Geschäftsniederlassung im Kanton zu eröff- nen (vgl. vorne Erw. 4.1). Es ist mithin von der Absicht auszugehen, eine Kanzlei mit vollständiger Infrastruktur einzurichten und nicht bloss eine Kontaktstelle zu schaffen (vgl. WEBER, a.a.O., S. 581). Hierbei handelt es sich um mehr als eine grenzüberschreitende Berufsausübung im freien Dienstleistungsverkehr (vgl. vorne Erw. 3). Daher liegt mithin eine Form der ständigen Ausübung des Anwaltsberufs vor, deren Zulässigkeit im Rahmen der Bestimmun- gen von Art. 27 ff. BGFA zu beurteilen ist. Im Hinblick darauf kann zunächst nicht unbesehen bleiben, dass RL 98/5/EG mit Bezug auf Anwaltssozietäten erlaubt, die berufli- chen Tätigkeiten im Rahmen einer Zweigstelle oder Niederlassung im Aufnahmestaat auszuüben (vgl. Art. 11 Ziffer 1). Diese Vorschrif- ten legen nahe, jedenfalls für Rechtsanwälte, welche in Personengesellschaften organisiert sind, die zwischenstaatliche Er- bringung anwaltlicher Dienstleistungen im Rahmen von Zweitkanz- leien zuzulassen. Unter dieser Prämisse ist nicht ersichtlich, wieso für den Beschwerdeführer die Eröffnung einer hiesigen Kanzlei eine schwerpunktmässige Verlagerung seiner Geschäftstätigkeit in die Schweiz voraussetzen bzw. eine Zweitkanzlei ausgeschlossen sein soll. Es würde Sinn und Zweck der Freizügigkeit widersprechen, wenn zwischen der (zulässigen) grenzüberschreitenden Anwaltstätig- keit von maximal 90 Arbeitstagen pro Jahr und der (ebenfalls zuläs- sigen) ständigen Berufsausübung im Aufnahmestaat eine Zwischen- kategorie geschaffen würde, in der die grenzüberschreitende An- waltstätigkeit nicht gestattet wäre. Nachdem das BGFA in Art. 27 ff. im Wesentlichen die Eintragung in die öffentliche Liste und deren (berufsrechtlichen) Konsequenzen regelt, kann insbesondere aus Art. 12 Anhang I FZA betreffend den Aufenthaltsstatus von selbständig Erwerbenden nichts anderes abgeleitet werden. Insoweit kann für die Zulässigkeit von Zweitkanzleien für Anwaltssozietäten der Kommentierung von KELLERHALS/BAUMGARTNER gefolgt wer- den: Danach ist eine anwaltliche Tätigkeit der Niederlassung bzw. 2018 Anwalts- und Notariatsrecht 301 der ständigen Berufsausübung zuzuordnen, wenn die zwischenstaat- liche Ausübung des Anwaltsberufs in der Schweiz an mehr als 90 Tagen pro Jahr erfolgt (vgl. KELLERHALS/BAUMGARTNER, a.a.O., Art. 27 N 3). Es wäre nicht schlüssig, die Eintragung vom Vorliegen einer Aufenthaltsbewilligung abhängig zu machen, welche vorgängig von den Migrationsbehörden zu erteilen wäre und ihrerseits eine (aufenthaltsrechtliche) Niederlassung voraussetzen würde. Das Erfordernis einer Aufenthaltsbewilligung würde die Möglichkeit einer Zweitkanzlei oder Geschäftsniederlassung faktisch ausschlies- sen. Diese Rechtsfolge wäre im Bereich der anwaltlichen Dienst- leistungen, wo eine Erweiterung der Niederlassungsmöglichkeiten beabsichtigt ist, nicht gerechtfertigt. Die Urteile des Bundesgerichts vom 9. August 2004 (2A.536/2003), Erw. 3.2.2 und 4.1, und vom 19. Dezember 2011 (2C_694/2011), Erw. 4.4, dürfen daher nicht so verstanden werden, dass in Konstellationen wie der vorliegenden der Eintrag in die öffentliche Liste für Angehörige von EU-Mitgliedstaa- ten eine Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz voraussetzen würde. Nach dem Gesagten hat der Beschwerdeführer Anspruch, in die öffentliche Liste der Angehörigen von Mitgliedstaaten der EU oder der EFTA eingetragen zu werden.
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2010 Einbürgerungen 251 [...] 46 Einbürgerungsverfahren. - Anforderungen hinsichtlich der Beachtung der schweizerischen Rechtsordnung (Erw. 2). - Es ist unverhältnismässig, wenn aufgrund eines eher gering einzustu- fenden Mangels bei einem Einbürgerungskriterium ohne Würdigung der übrigen Voraussetzungen schematisch die Einbürgerung verwei- gert wird (Erw. 2.4.3.1). - Das Erfordernis der fehlenden Betreibung ist in zeitlicher und auch qualitativer Hinsicht zu undifferenziert (Erw. 2.4.3.2). Urteil des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 6. Dezember 2010, in Sa- chen P. (WBE.2010.261). Aus den Erwägungen 2.2. 2.2.1. Die Kommission für Justiz des Grossen Rats (JUS) hat im ange- fochtenen Entscheid ausgeführt, die Beachtung der schweizerischen Rechtsordnung verlange auch einen einwandfreien finanziellen Leu- mund. Gemäss ihrer Praxis dürften in den letzten drei Jahren vor Gesuchseinreichung und auch während des Einbürgerungsverfahrens keine Betreibungen angehoben werden. Der Beschwerdeführer sei 2010 Verwaltungsgericht 252 daher mit Schreiben des Departements Volkswirtschaft und Inneres (DVI) vom 20. Januar 2009 über die diversen Betreibungen und offe- nen Verlustscheine informiert worden. In seiner Stellungnahme vom 29. November 2009 habe er erklärt, dass ihm die Situation leid tue und diese aus seiner Sicht aufgrund der nicht korrekt funktionie- renden Postzustellung entstanden sei. Unter Würdigung dieser Sach- lage sei die JUS der Meinung, dass der Entscheid über die Einbürge- rung um zwei Jahre hinausgeschoben werden solle, um dem Be- schwerdeführer die Gelegenheit zu gewähren, sich während dieser Zeit zu bewähren, um danach einen einwandfreien finanziellen Leu- mund ausweisen zu können. 2.2.2. Der Beschwerdeführer führt aus, es treffe zu, dass es in früherer Zeit, offensichtlich jedoch vor dem 1. Januar 2004, zu gegen ihn ge- richteten Betreibungen gekommen sei. Der Grund dafür habe darin gelegen, dass bei den Zustellungen von Rechnungen und Mahnungen postalische Verwechslungen erfolgt seien. Grund für die Betreibun- gen sei nicht seine Nachlässigkeit gewesen, vielmehr habe er von den Forderungen bzw. Mahnungen keine Ahnung gehabt. In den letz- ten fünfeinhalb Jahren sei es nur noch zu einer einzigen Betreibung gekommen, offenbar im Zusammenhang mit einem alten Verlust- schein. Die entsprechende Forderungssumme sei verhältnismässig bescheiden. Zudem habe er die Forderung vollumfänglich bezahlt. Es könne somit bei ihm nicht von einem nicht einwandfreien finanziel- len Leumund gesprochen werden. 2.3. 2.3.1. Die Einbürgerung setzt namentlich einen guten strafrechtlichen Leumund voraus. Auch der betreibungsrechtliche Leumund kann im Zusammenhang mit der Beachtung der schweizerischen Rechtsord- nung berücksichtigt werden. Von einer Bewerberin oder einem Be- werber ist sodann zu erwarten, dass sie oder er sich zu den demo- kratischen Institutionen unseres Landes bekennt. Auch das Nicht- beachten von zivilrechtlichen Verpflichtungen (z.B. der Verpflich- tung zur Zahlung von Unterhaltsbeiträgen oder Alimenten) kann eine Verletzung der schweizerischen Rechtsordnung darstellen (Botschaft 2010 Einbürgerungen 253 vom 21. November 2001 zum Bürgerrecht für junge Ausländerinnen und Ausländer und zur Revision des Bürgerrechtsgesetzes, BBl 2002, S. 1943; vgl. auch Botschaft vom 26. August 1987 zur Änderung des Bürgerrechtsgesetzes, BBl 1987 III, S. 305). 2.3.2. Bereits aus diesen bundesrätlichen Erläuterungen zur geltenden Rechtslage erhellt, dass die Voraussetzung der Beachtung der Rechts- ordnung (ebenso wie die Erfüllung dieser Voraussetzung zusammen mit den übrigen Voraussetzungen gemäss Art. 14 lit. a., b. und d. BüG) eine Gesamtschau verlangt. Es ist danach zu fragen, ob ein Be- werber insgesamt gesehen die Grundwerte, auf welchen das schwei- zerische Staatswesen beruht, anerkennt und dies auch durch sein Ver- halten bezeugt. Dies erfordert zum einen das Fehlen strafrechtlich vorwerfbaren Verhaltens, welches auf eine unzureichende Achtung der Rechtsordnung schliessen lässt. Darüber hinaus ist im Einbür- gerungsverfahren (soweit dies überhaupt möglich ist) zu prüfen, ob der Bewerber die verfassungsrechtliche Grundordnung, insbesondere die Grundrechte (z.B. Gewaltmonopol des Staates, Gleichheit der Geschlechter, Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit), die ein demokra- tisches Staatswesen auszeichnen, achtet und in seinem privaten All- tag (z.B. im Verhalten gegenüber den Behörden, am Arbeitsplatz, in der Familie, mit Freunden, etc.) auch tatsächlich lebt. Dazu gehört schliesslich auch, dass der Bewerber als Teilnehmer am Wirtschafts- leben seinen finanziellen Verpflichtungen nachkommt. 2.3.3. Die Notwendigkeit einer Gesamtschau hinsichtlich des Erfor- dernisses der Beachtung der Rechtsordnung (kein ins Gewicht fallen- des strafrechtliches Verhalten, erkennbare Achtung der verfassungs- rechtlichen Grundordnung, ausreichender finanzieller Leumund) ver- langt, selbst wenn bei einem der genannten Kriterien nicht allzu schwerwiegende Defizite im Verhalten des Bewerbers zutage treten, eine Abwägung mit seinem Verhalten hinsichtlich der anderen Krite- rien. Dabei ist der den zuständigen Einbürgerungsbehörden zuste- hende Spielraum jedenfalls dann überschritten, wenn eine bloss schematische Prüfung anhand eines starren Kriterienkatalogs vorge- nommen und der Bewerber wegen eines in seinem Ausmass nur ge- 2010 Verwaltungsgericht 254 ringen Nichteinhaltens eines einzelnen Kriteriums bei unzweideutig vollständiger Erfüllung der übrigen Kriterien ohne weiteres abge- lehnt wird. 2.4. 2.4.1. Der Beschwerdeführer hat sich keine strafrechtlich relevanten Verfehlungen zuschulde kommen lassen. Gegenüber dem Stadtrat wies er sich anlässlich des "Einbürgerungsgesprächs" vom 20. Au- gust 2007 über gute Kenntnisse des Staatsrechts, des Staatssystems und der politischen Rechte und Pflichten eines Schweizerbürgers aus. Aus den Akten ergeben sich darüber hinaus keine Hinweise darauf, dass der Beschwerdeführer die Grundwerte der Bundesver- fassung in seinem täglichen Leben nicht beachten würde. 2.4.2. 2.4.2.1. In einem Schreiben vom 3. Januar 2006 an die Gemeinderäte des Kantons Aargau teilte der Vorsteher des DVI mit, dass die JUS in Zukunft für die Behandlung von Gesuchen um Erteilung des Kan- tonsbürgerrechts die Einhaltung bestimmter, im Schreiben näher de- finierter Voraussetzungen erwarte. Diesem Schreiben, mit dem die JUS ihre eigene Praxis offen legte (vgl. dazu auch Protokoll des Grossen Rats, 37. Sitzung vom 29. Juni 2010, Votum Regierungsrat Hofmann S. 1433), lag eine detaillierte "Checkliste der Prüfungs- kriterien für Gemeinden" bei. Gemäss dieser Checkliste verlangt die JUS mit Blick auf den finanziellen Leumund, dass (a) keine Betrei- bungen in den letzten drei Jahren und während des Verfahrens vorlie- gen. Ausserdem dürfen (b) keine unerledigten jüngeren Verlust- scheine vorliegen; Verlustscheine, die vor fünf Jahren oder weniger ausgestellt worden sind, müssen erledigt sein. Überdies müssen (c) alle fälligen Steuern bezahlt sein und dürfen (d) keine fälligen Schul- den aus Unterhaltspflicht und Verwandtenunterstützungspflicht be- stehen. 2.4.2.2. Offene Steuerschulden sowie fällige Schulden aus Unterhalts- pflicht und Verwandtenunterstützungspflicht sind beim Beschwerde- führer nicht aktenkundig. Hingegen ergibt sich aus einem in den 2010 Einbürgerungen 255 Akten liegenden Betreibungsregisterauszug vom 12. Januar 2009, dass er in den Jahren 1997 bis 1998 insgesamt elfmal betrieben wur- de. Eine zwölfte Betreibung durch ein Inkassounternehmen für einen Betrag von Fr. 712.70 datiert vom 29. Oktober 2007. Ausserdem weist der erwähnte Betreibungsregisterauszug fünf aus dem Jahr 1998 datierende Verlustscheine über Fr. 33'187.05 als offen aus. Wie sich aus einem weiteren Betreibungsregisterauszug vom 15. Mai 2008 ergibt, bezahlte der Beschwerdeführer im ersten Halbjahr 2008 die Forderung über Fr. 712.70. Im Laufe des Jahres 2009 beglich er auch die offenen Verlustscheine. Gemäss einem dritten Betreibungs- registerauszug vom 10. November 2009 bestanden keine offenen Forderungen mehr. Gemäss Aktenlage erfüllte der Beschwerdeführer damit gemäss Checkliste die Erfordernisse des Fehlens offener Steuerschulden (c) sowie des Nichtbestehens offener Schulden aus Unterhaltspflicht und Verwandtenunterstützungspflicht (d). Ausserdem ergibt sich aus den erwähnten Betreibungsregisterauszügen, dass er gemäss Checkliste das Erfordernis des Fehlens neuerer (d.h. weniger als fünf Jahre al- ter) Verlustscheine erfüllte (b). Einzig das Kriterium des Fehlens von Betreibungen innert der letzten drei Jahre (a) hielt der Beschwerde- führer nicht ein, da die Betreibungsregisterauszüge eine Betreibung vom 29. Oktober 2007 über Fr. 712.70 auswiesen. Diese lag im Zeit- punkt der Beurteilung durch die JUS rund zweieinhalb Jahre zurück; der in Betreibung gesetzte Betrag war im Zeitpunkt der Beurteilung durch die JUS seit rund zwei Jahren bezahlt. 2.4.3. 2.4.3.1. Für den Entscheid darüber, ob das Kantonsbürgerrecht erteilt werden kann, ist, wie bereits erwähnt (Erw. 2.3.2.), eine Gesamtwür- digung aller für die Einbürgerung verlangten Voraussetzungen vor- zunehmen. Dabei ist namentlich für das Erfordernis der Beachtung der schweizerischen Rechtsordnung (Art. 14 lit. c BüG) neben dem finanziellen Leumund das Fehlen strafrechtlich relevanten Verhaltens sowie die Haltung des Gesuchstellers gegenüber der verfassungs- rechtlichen Grundordnung zu würdigen. Wie bereits erwähnt, ist es unverhältnismässig, wenn aufgrund eines eher gering einzustufenden 2010 Verwaltungsgericht 256 Mangels bei einem der genannten Kriterien ohne Würdigung der übrigen Voraussetzungen schematisch die Einbürgerung verweigert wird. Schon unter diesem Gesichtspunkt erweist sich der ange- fochtene Entscheid als unverhältnismässig, weil die JUS darin keine umfassende Würdigung der Einbürgerungsvoraussetzungen vorge- nommen, sondern einfach schematisch wegen eines eher geringfü- gigen Mangels im Hinblick auf den finanziellen Leumund die Auf- nahme ins Kantonsbürgerrecht verweigert hat. 2.4.3.2. Der Entscheid ist im Übrigen auch bereits allein unter dem Ge- sichtspunkt der Würdigung des finanziellen Leumunds des Be- schwerdeführers nicht haltbar. Dass der Beschwerdeführer drei der in der Checkliste mit Blick auf den finanziellen Leumund aufgestellten Erfordernisse erfüllte, wurde bereits erwähnt. Das nicht erfüllte Erfordernis der fehlenden Betreibung innert drei Jahren gemäss Checkliste ist zudem, wie ge- rade der vorliegende Fall zeigt, in zeitlicher und auch qualitativer Hinsicht zu undifferenziert. Die Checkliste unterscheidet nämlich in qualitativer Hinsicht in keiner Weise danach, ob eine Betreibung zu Recht erfolgte oder nicht, ob nur eine Betreibung innert der Dreijah- resfrist erfolgte oder mehrere, und wie hoch der in Betreibung ge- setzte Betrag war. Es ist gemäss Checkliste auch unerheblich, ob die Bewerberin bzw. der Bewerber allfällige Schulden bezahlt oder nicht. All diese Umstände sind aber für die Beurteilung des finanziel- len Leumunds einer Person von Bedeutung. Allein der Umstand, dass eine Person betrieben wurde, genügt nicht für die Annahme eines finanziell schlechten Leumunds. Auch für die Würdigung des finan- ziellen Leumunds ist eine Gesamtbetrachtung anzustellen. Bei dieser muss neben der Anzahl der Betreibungen im "Verdachtszeitraum" und deren Höhe auch das Verhalten des Gesuchstellers gewürdigt werden. Auch dass ein Bürgerrechtsbewerber - und sei es vor dem Hintergrund des laufenden Einbürgerungsverfahrens - einem Teil oder all seinen offenen finanziellen Verpflichtungen nachkommt, ist von erheblicher Bedeutung. Hier sticht ins Auge, dass der Beschwerdeführer seit den aus dem Jahr 1998 datierenden Verlustscheinen bis November 2007, d.h. 2010 Einbürgerungen 257 während rund neun Jahren, nicht betrieben wurde und vor der Be- handlung seines Gesuchs durch die Subkommission sämtliche den Verlustscheinen zugrunde liegenden Forderungen erfüllt hatte. Aus- serdem kam es zwar im "Verdachtszeitraum" noch zu einer Betrei- bung. Auch den damit in Betreibung gesetzten Betrag bezahlte der Beschwerdeführer indessen noch weit vor der Behandlung des Ein- bürgerungsgesuchs durch die Subkommission Einbürgerungen bzw. die JUS (...). Von einem schlechten finanziellen Leumund, der die Verweigerung der Aufnahme ins Kantonsbürgerrecht zu rechtfertigen vermöchte, kann bei dieser Sachlage nicht ernsthaft gesprochen werden. Auch insoweit erweist sich damit der angefochtene Ent- scheid als unverhältnismässig. 3. Diese Erwägungen führen in Gutheissung der Beschwerde zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids und zur Rückweisung der Angelegenheit zur weiteren Behandlung im Sinne der Erwägungen an die JUS. Liegen keine neuen Umstände vor, die bei einer Gesamt- würdigung aller relevanten Tatsachen gegen eine Aufnahme ins Kan- tonsbürgerrecht sprechen, wird die JUS nicht umhin kommen, dem Beschwerdeführer das Kantonsbürgerrecht zu erteilen.
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2019 Submissionen 147 V. Submissionen 20 Partei- und Prozessfähigkeit Mitglieder einer Bietergemeinschaft müssen gegen einen Zuschlag ge- meinsam Beschwerde führen. Wird die Beschwerde einzig und allein von der Bietergemeinschaft erhoben, ist darauf nicht einzutreten, da die Bietergemeinschaft als einfache Gesellschaft über keine Rechtspersön- lichkeit verfügt. Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 8. Oktober 2019, in Sachen Ingnieurgemeinschaft A. gegen B. (WBE.2019.311). Aus den Erwägungen 2. 2.1. Neben der Zuständigkeit gelten als Sachurteilsvoraussetzungen - d.h. als Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit die Be- schwerdeinstanz auf das Rechtsmittel eintritt, die Sache inhaltlich (materiell) prüft und einen Sachentscheid fällt (vgl. MICHAEL MERKER, Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, Kom- mentar zu den §§ 38 - 72 [a] VRPG, Diss., Zürich 1998, Vorbem. zu § 38 N 1; MARTIN BERTSCHI, in: ALAIN GRIFFEL [Hrsg.], Kommen- tar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich [VRG], 3. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2014, Vorbem. zu §§ 19 - 28a N 52; THOMAS MERKLI/ARTHUR AESCHLIMANN/RUTH HERZOG, Kom- mentar zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege im Kanton Bern, Bern 1997, Art. 51 N 6) - u.a. die Parteifähigkeit, die Prozess- fähigkeit und die Beschwerdebefugnis (vgl. MERKER, a.a.O., Vorbem. zu § 38 N 9 ff.; BERTSCHI, a.a.O., Vorbem. zu §§ 19 - 28a; MERKLI/AESCHLIMANN/HERZOG, a.a.O., Art. 51 N 6). Das Vorliegen 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 148 der Sachurteilsvoraussetzungen ist von Amtes wegen zu prüfen (MERKER, a.a.O., Vorbem. zu § 38 N 2; BERTSCHI, a.a.O., Vorbem. zu §§ 19 - 28a, N 53; MERKLI/AESCHLIMANN/HERZOG, a.a.O., Art. 51 N 8). Die Parteifähigkeit ist die Fähigkeit, in einem Verfahren als Par- tei auftreten zu können. Sie ist die prozessuale Rechtsfähigkeit. Rechtsfähig ist, wer fähig ist, Rechte und Pflichten zu haben, also jedes Rechtssubjekt (vgl. MERKER, a.a.O., Vorbem. zu §§ 38 - 72 N 9; BERTSCHI, a.a.O., Vorbem. zu §§ 21 - 21a N 2; MERKLI/AESCHLIMANN/HERZOG, a.a.O., Art. 11 N 3). Die Pro- zessfähigkeit ist die Fähigkeit den Prozess selbst zu führen oder durch einen gewählten Vertreter führen zu lassen. Die Prozessfähig- keit ist das Gegenstück zur zivilrechtlichen Handlungsfähigkeit (vgl. MERKER, a.a.O., Vorbem. zu §§ 38 N 32; BERTSCHI, a.a.O., Vorbem. zu §§ 21 - 21a N 7; MERKLI/AESCHLIMANN/HERZOG, a.a.O., Art. 11 N 1). Die Beschwerdebefugnis richtet sich sodann nach § 42 VRPG (i.V.m. § 23 SubmD). Gemäss lit. a dieser Bestimmung ist zur Be- schwerde befugt, wer ein schutzwürdiges eigenes Interesse an der Aufhebung oder der Änderung des Entscheids hat. Zwischen bundes- rechtlicher (vgl. Art. 89 Abs. 1 des BGG) und aargauischer Be- schwerdebefugnis (nach § 42 lit. a VRPG) besteht inhaltlich kein Unterschied (vgl. VGE vom 17. Juni 2009 [WBE.2009.56], S. 4 f.; Botschaft des Regierungsrats des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 14. Februar 2007, Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, Ges.-Nr. 07.27, S. 55). 2.2. 2.2.1. Die von Anwälten verfasste Beschwerde wurde gemäss Deck- blatt von der Ingenieurgemeinschaft A. erhoben, mit der Zustell- adresse c/o C. SA. In der Begründung der Beschwerde bestätigt sich dies, indem ausgeführt wird, Die Beschwerdeführerin, die Ingenieurgemeinschaft A., ist ein Konsortium, bestehend aus den rechtlich selbständigen Unternehmen C. SA, die D. AG sowie die E. AG. Das Konsortium hat als Anbietergemeinschaft im streitgegen- ständlichen Vergabeverfahren ein Angebot eingereicht. Federführend für das Konsortium ist die C. SA. . Die Ingenieurgemeinschaft A. 2019 Submissionen 149 wird somit auch hier explizit als die Beschwerdeführerin bezeich- net. Bei der Ingenieurgemeinschaft A. handelt es sich um eine Bie- tergemeinschaft, ein Konsortium. Bietergemeinschaften oder Kon- sortien treten - wie auch Arbeitsgemeinschaften - regelmässig in der Form der einfachen Gesellschaft (Art. 530 ff. OR) auf (AGVE 2015, S. 192; DANIELA LUTZ, Bietergemeinschaften und Subunternehmer, in: JEAN-BAPTISTE ZUFFEREY/MARTIN BEYELER/STEFAN SCHERLER [Hrsg.], Aktuelles Vergaberecht 2018, Zürich/Basel/Genf 2018, S. 239 f.; PETER GAUCH, Der Werkvertrag, 6. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2019, Rz. 243). Von einer einfachen Gesellschaft ist auch im vorliegenden Fall auszugehen. 2.2.2. Die einfache Gesellschaft ist keine juristische Person, sondern eine zivilrechtliche Gemeinschaft, die nicht über Rechtspersönlich- keit verfügt und daher weder partei- noch prozessfähig ist (vgl. BGE 142 III 783 = Pra 2018, S. 395; vgl. auch BGE 137 III 459 = Pra 2012, S. 135; LUTZ, a.a.O., S. 240; GAUCH, a.a.O., Rz. 243). Insbe- sondere im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens ist insofern allgemein anerkannt, dass die Mitglieder einer Bieter- oder Arbeits- gemeinschaft bzw. eines Konsortiums, die gemeinsam Gläubiger von Gesellschaftsforderungen sind (Art. 544 Abs. 1 OR), von einem Nicht-Zuschlag nicht einzeln, sondern nur als Partnerschaft betroffen sind. Das Recht zur Beschwerde gegen eine solche Verfügung mit dem Ziel, den Zuschlag dennoch zu erhalten, kommt deshalb nur allen gemeinsam zu und muss - gleich wie die notwendigen Streit- genossen im Zivilprozess - auch gemeinsam ausgeübt werden (BGE 131 I 160 f. mit diversen Hinweisen = Pra 2006, S. 195; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Juli 2009 [B-2561/2009], Erw. 3.3 ff.; AGVE 2015, S. 192 = Baurecht 2017, S. 265; vgl. auch VGE vom 29. September 1998 [BE.98.00223], S. 5; Baurechtsent- scheide des Kanton Zürich [BEZ] 2000 Nr. 7, S. 23 f.; RB Uri 2004/05 Nr. 45, S. 109; LUTZ, a.a.O., S. 261 f.; BERTSCHI, a.a.O., § 21 N 43; ROBERT WOLF, Der Rechtsschutz im öffentlichen Be- schaffungswesen, in: ISABELLE HÄNER/ BERNHARD WALDMANN 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 150 [Hrsg.], Brennpunkte im Verwaltungsprozess, Zürich/Basel/Genf 2013, S. 173). Für die Arbeitsgemeinschaft als Ganzes oder ihre anderen Mit- glieder kann ein einzelnes Mitglied somit nicht Beschwerde führen. Möglich ist die Beschwerdeführung indes im Namen und mit Voll- macht aller Mitglieder der Gemeinschaft (AGVE 2015, S. 139; BEZ 2000 Nr. 7, S. 23; BGE 131 I 161 mit Hinweisen = Pra 2006, S. 195). Voraussetzung ist allerdings, dass die Beschwerde rechtzeitig im Namen aller Mitglieder erhoben wurde; eine nachträgliche Erklä- rung, dass diese weiterhin bereit seien, den Auftrag auszuführen, ge- nügt nicht (AGVE 2015, S. 193; vgl. ROBERT WOLF, Die Be- schwerde gegen Vergabeentscheide - Eine Übersicht über die Recht- sprechung zu den neuen Rechtsmitteln, in: ZBl 104/2003, S. 16; fer- ner: BEZ 2000 Nr. 7, S. 23). In solchen Fällen ist daher auch keine Frist für das nachträgliche Beibringen weiterer Vollmachten anzu- setzen (AGVE 2015, S. 193; BEZ 2000 Nr. 7, S. 23). 2.2.3. Vorliegend wurde die Beschwerde nicht gemeinsam von allen Mitgliedern der Bietergemeinschaft bzw. des Konsortiums erhoben, sondern - wie dargelegt - explizit von der Ingenieurgemeinschaft A. . Als Beschwerdeführerin wird einzig und allein die Ingenieur- gemeinschaft A. bezeichnet (siehe bereits Erw. 2.2.1). Da es sich bei der Ingenieurgemeinschaft A. jedoch um eine einfache Gesellschaft handelt (siehe Erw. 2.2.1), kommt ihr keine Rechtspersönlichkeit zu, d.h. sie ist weder partei- noch prozessfähig und damit auch nicht be- fugt, gegen den Zuschlagsentscheid Beschwerde zu erheben (vgl. Erw. 2.2.2). Auf die Beschwerde der Ingenieurgemeinschaft A. ist deshalb nicht einzutreten. Hinzuweisen ist überdies, dass die Beschwerde gerade nicht von der C. SA erhoben wurde. Diese hat zwar die Anwaltsvollmacht federführend für die Ingenieurgemeinschaft A. erteilt und das Be- schwerdeverfahren letztlich verursacht. Sie trat jedoch nicht als Be- schwerdeführerin auf. Die Beschwerde wurde auch nicht von ihr im Namen aller Mitglieder der Gemeinschaft erhoben. Daran ändert schliesslich ebenso wenig, dass auf dem Deckblatt die Adresse der C. SA angegeben wurde, geht aus dem Vermerk c/o doch klar hervor, 2019 Submissionen 151 dass es sich dabei lediglich um die Zustelladresse der Ingenieurge- meinschaft A. handelt.
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2002 Verwaltungsrechtspflege 397 [...] 91 Begründungspflicht. Untersuchungsgrundsatz. - Die Beschwerdeinstanzen sind verpflichtet, strittige behördliche Mei- nungsäusserungen nicht unbesehen zu übernehmen, sondern kritisch zu hinterfragen und das Ergebnis dieser Prüfung im Entscheid fest- zuhalten (Erw. 4/a). - Es stellt eine Verletzung der Untersuchungspflicht (§ 20 Abs. 1 VRPG) dar, wenn strittige behördliche Angaben zum rechtserheblichen Sachverhalt ohne entsprechende Verifizierung übernommen werden (Erw. 4/b). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 27. Juni 2002 in Sa- chen H. gegen Baudepartement. Aus den Erwägungen 4. Die Beschwerdeführer werfen dem Baudepartement in ver- schiedener Hinsicht eine Verletzung der Begründungspflicht vor; zudem habe das Baudepartement in Bezug auf die Überbauungssi- tuation am Föhrenweg einfach auf eine unverifizierte Schätzung des am Augenschein anwesenden Stadtratsmitglieds abgestellt. a) aa) Die Begründungspflicht umfasst ganz allgemein die Of- fenlegung der Entscheidgründe. Damit kann verhindert werden, dass sich die Behörden von unsachgemässen Motiven leiten lassen. Sie ist ein Element rationaler und transparenter Entscheidfindung und dient nicht zuletzt der Selbstkontrolle der Behörden. Mit einer gut verständlich formulierten, für die Betroffenen gedanklich nachvoll- ziehbaren Begründung erhöht sich zudem auch die Akzeptanz einer hoheitlichen Anordnung (BGE 112 Ia 109 f. mit weiteren Hinweisen; Jörg Paul Müller / Stefan Müller, Die Grundrechte der schweizeri- schen Bundesverfassung, 2. Auflage, Bern 1991, S. 284; Alfred Kölz / Isabelle Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, Zürich 1993, Rz. 156; AGVE 1998, S. 425). Das Bun- desgericht hat dabei zu den inhaltlichen Anforderungen, denen eine 2002 Verwaltungsgericht 398 Begründung zu genügen hat, verschiedene Grundsätze entwickelt (siehe zum Ganzen: René Rhinow / Beat Krähenmann, Schweizeri- sche Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Basel/Frankfurt a.M. 1990, Nr. 85 B mit zahlreichen Hinweisen; Thomas Merkli / Ar- thur Aeschlimann / Ruth Herzog, Kommentar zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege im Kanton Bern, Bern 1997, Art. 52 N 5 ff.; Ulrich Häfelin / Georg Müller, Grundriss des Allgemeinen Verwal- tungsrechts, 2. Auflage, Zürich 1993, Rz. 1294 ff.; AGVE 1998, S. 426). Durch die angemessene Begründung einer Verfügung soll dem Betroffenen insbesondere die Möglichkeit gegeben werden, sich über die Tragweite eines Entscheides Rechenschaft zu geben und in voller Kenntnis der Gründe ein Rechtsmittel zu ergreifen; die Begründung eines Entscheids ist folglich so abzufassen, dass der Betroffene ihn gegebenenfalls sachgerecht anfechten kann (BGE 122 II 362 f.). Dies ist nur möglich, wenn sowohl er als auch die Rechtsmittelinstanz sich über die Tragweite des Entscheides ein Bild machen können. In diesem Sinne müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf welche sich ihr Entscheid stützt (BGE 122 IV 14 f.; 121 I 57; 119 Ia 269; 117 Ia 1; 117 Ib 64; 114 Ia 233 mit Hinweisen). Die Begründungsdichte richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Je grösser dabei der Ermessensspielraum einer Behörde ist, desto ausführlicher muss grundsätzlich auch die Begründung sein (BGE 112 Ia 110; siehe auch AGVE 1987, S. 320; 1994, S. 456 mit Hinweisen). Die Ermessensbetätigung muss soweit erläutert werden, dass sie nachvollziehbar ist (BGE 117 IV 403). bb) Klar verletzt wurde die Begründungspflicht in Bezug auf das Eventualbegehren betreffend Schaffung einer Ausweichstelle; wie die Beschwerdeführer zu Recht feststellen, hat sich das Baude- partement dazu mit keinem Wort geäussert. Ungenügend ist die Ent- scheidbegründung sodann, soweit sie sich mit der Löschwasserver- sorgung befasst. Es ist unzureichend, das Fehlen dieses Erschlies- sungselements mit dem blossen Hinweis auf eine stadträtliche Mei- nungsäusserung zu begründen, obwohl die Beschwerdeführer Gegen- argumente vorbrachten, welche nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen sind; die Beschwerdeinstanz ist unter solchen Umständen 2002 Verwaltungsrechtspflege 399 verpflichtet, die behördliche Auffassung kritisch zu hinterfragen und das Ergebnis dieser Hinterfragung im Entscheid festzuhalten. Unbe- gründet erscheint die Rüge demgegenüber in Bezug auf den Vorwurf, die Vorinstanz sei ohne eingehende und stichhaltige Begründung von der Meinung der kantonalen Fachstelle abgewichen. Das Baudepartement hat dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass eine parzellenübergreifende Betrachtungsweise angezeigt sei und in die- ser Optik der Föhrenweg den Anforderungen nicht genüge. Ob diese Begründung auch stichhaltig sei, ist dann eine Frage der materiellen Beurteilung. b) aa) Gemäss § 20 Abs. 1 VRPG haben die Behörden den Sachverhalt - unter Beachtung der Vorbringen der Beteiligten - von Amtes wegen zu prüfen und die hiezu notwendigen Ermittlungen anzustellen. Die behördliche Abklärungspflicht bezieht sich dabei nur auf den im Rahmen des streitigen Rechtsverhältnisses rechtser- heblichen Sachverhalt. Rechtserheblich sind alle Tatsachen, von deren Vorliegen es abhängt, ob über den streitigen Anspruch so oder anders zu entscheiden ist. In diesem Rahmen haben Verwaltungsbe- hörden zusätzliche Abklärungen stets dann vorzunehmen oder zu veranlassen, wenn hiezu auf Grund der Parteivorbringen oder ande- rer sich aus den Akten ergebender Anhaltspunkte hinreichender An- lass besteht. Der Untersuchungsgrundsatz verpflichtet die rechtsan- wendende Behörde also dazu, vor der Entscheidfällung den rechtser- heblichen Sachverhalt richtig und vollständig abzuklären, sie trägt die Verantwortung für die Beschaffung der Entscheidgrundlagen (BGE 117 V 282 f. mit Hinweisen; VGE III/67 vom 6. Juni 2001 [BE.2000.00009/00010] in Sachen F. AG u.M., S. 15; René Rhinow / Heinrich Koller / Christina Kiss, Öffentliches Prozessrecht und Jus- tizverfassungsrecht des Bundes, Basel 1996, Rz. 905). bb) Weiter vorne ist ausgeführt worden, dass bei der Beurtei- lung der Erschliessungssituation eine Gesamtbetrachtung über das ganze Einzugsgebiet der betreffenden Strasse anzustellen ist. Richti- gerweise hat deshalb auch das Baudepartement abgeklärt, wie viele Wohneinheiten mit Anbindung an den Föhrenweg bereits vorhanden sind und wie viele zusätzlich erstellt werden könnten; es stellte dabei ausschliesslich auf die Angaben ab, welche der am Augenschein 2002 Verwaltungsgericht 400 anwesende Vizeammann zu Protokoll gab, und ging so von 20 bestehenden und 11 möglichen Häusern aus. Verifiziert wurde dies nicht, obwohl die Beschwerdeführer schon in ihrer Verwaltungsbe- schwerde vom 8. Mai 2000 darauf hinwiesen, dass das durch den Föhrenweg zu erschliessende Gebiet weitgehend überbaut sei und nur wenige nicht überbaute Grundstücke vorhanden seien, und auch am Augenschein selber Vorbehalte zu den Annahmen des Gemein- devertreters anbrachten. Dieses Vorgehen stellt eine gröbliche Miss- achtung der Untersuchungspflicht dar. Stellen sich derartige Fragen, kommt die beurteilende Rechtsmittelinstanz nicht umhin, sich durch parzellenweise Nachprüfung eine eigene Meinung zu bilden. Die Bestandesaufnahme durch das Verwaltungsgericht hat denn auch ergeben, dass - anders als dies das Baudepartement annahm - 18 Wohneinheiten vorhanden und deren sechs noch möglich sind. c) Da die Beschwerde aus den genannten materiellen Gründen gutzuheissen ist, haben die durch das Baudepartement zu verant- wortenden Verfahrensfehler lediglich zur Konsequenz, dass der Staat einen Teil der Parteikosten zu übernehmen hat.
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2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 176 29 Kostenauflage in erstinstanzlichen Baugesuchssachen nach Massgabe eines kommunalen Reglements, das sich auf § 5 Abs. 2 BauG abstützt. - Auslegung von § 5 Abs. 2 BauG: Der Begriff "Entscheid über Bauge- suche" ist in einem weiten Sinn zu verstehen. Von der Bestimmung kann auch Aufwand erfasst sein, der im Zusammenhang mit der Prüfung bereits erstellter Bauten und Anlagen erforderlich ist, wenn die Abklärungen Baurechtswidrigkeiten aufzeigen, die von der Bau- herrschaft im Zuge der Abklärungen dann jedoch freiwillig behoben bzw. vom Nachbarn toleriert werden (Erw. 1.2.1. und 1.2.2.). - Die umstrittenen Kosten können im konkreten Anwendungsfall so- dann dem kommunalen Gebührenreglement zur BNO zugeordnet werden (Erw. 2.2.). Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 19. September 2014 in Sa- chen A. und B. gegen Gemeinderat C. sowie Departement Bau, Verkehr und Umwelt (WBE.2014.50). Aus den Erwägungen 1. 1.1. Die Beschwerdeführer vertreten die Auffassung, für die vom Gemeinderat verfügte Kostenauferlegung fehle es an einer gesetzli- chen Grundlage: § 5 Abs. 2 BauG erlaube eine Abweichung von der allgemeinen Regel von § 31 VRPG nur für Entscheide über Baugesu- che und Enteignungen. Nur schon vom Wortlaut her könnten keine erstinstanzlichen Gebühren für die Kosten des Nachführungsgeome- ters, der ohne hängiges Baugesuch und ohne Wissen der Beschwer- deführer tätig geworden sei, erhoben werden. Dies entspreche auch der Absicht des Gesetzgebers. Auch sonst bestünden keine Anhalts- punkte, dass gestützt auf § 5 Abs. 2 BauG Gebühren ausserhalb von Baugesuchen festgelegt werden dürften. 2014 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 177 (...) 1.2. 1.2.1. Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut. Ist der Text nicht klar und sind verschiedene Interpretationen möglich, muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichti- gung aller Auslegungselemente. Abzustellen ist dabei namentlich auf die Entstehungsgeschichte, auf den Zweck der Norm, die ihr zu- grunde liegenden Wertungen und ihre Bedeutung im Kontext mit anderen Bestimmungen. Die Materialien sind zwar nicht unmittelbar entscheidend, dienen aber als Hilfsmittel, um den Sinn der Norm zu erkennen. Das Bundesgericht hat sich bei der Auslegung von Erlas- sen stets von einem Methodenpluralismus leiten lassen und nur dann allein auf das grammatikalische Element abgestellt, wenn sich daraus zweifelsfrei die sachlich richtige Lösung ergab (statt vieler: BGE 137 V 376; 135 II 81; AGVE 2003, S. 191 f., je mit Hinweisen). 1.2.2. Nach § 31 Abs. 1 VRPG ist das erstinstanzliche Verfahren unentgeltlich; abweichende Bestimmungen sind jedoch vorbehalten. Ein solcher Vorbehalt enthält § 5 Abs. 2 BauG: Danach können für Entscheide über Baugesuche und Enteignungen auch von der ersten Instanz Gebühren und Kosten auferlegt werden. Umstritten ist, ob die den Beschwerdeführern auferlegten, der Gemeinde entstandenen Kosten (insbesondere für den Geometer) überhaupt im Rahmen eines "Entscheids über Baugesuche" angefal- len sind. Entsprechend dem Wortlaut fallen unter den Begriff "Ent- scheid über Baugesuche" vorab die Baubewilligungsentscheide (vgl. §§ 59 ff. BauG), d.h. Entscheide darüber, ob gestützt auf ein einge- reichtes Baugesuch eine Baubewilligung erteilt werden kann oder nicht. Unter den Wortlaut lassen sich aber durchaus auch Entscheide subsumieren, die sich mit der Frage auseinandersetzen, ob im Falle bereits erstellter Bauten oder Anlagen ein nachträgliches Baugesuch eingereicht werden muss. Auch in solchen Fällen geht es letztlich - wenn auch in einem etwas weiteren Sinn - um "Entscheide über Baugesuche". 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 178 Eine zweckgerichtete Auslegung von § 5 Abs. 2 BauG ergibt sodann, dass von der Bestimmung auch Aufwand erfasst sein kann, der zur Abklärung der Frage, ob ein nachträgliches Baugesuchs- verfahren durchzuführen ist, erforderlich ist. So muss eine Kosten- auflage zu Lasten des Bauherrn (oder Grundeigentümers) z.B. im Zusammenhang mit der Überprüfung bereits erstellter Bauten und Anlagen möglich sein, jedenfalls dann, wenn sich herausstellt, dass eine bauliche Vorkehr von vornherein nicht bewilligungsfähig ist oder wenn sich ergibt, dass in einem (nachträglichen) Baugesuchs- verfahren geprüft werden muss, ob die Vorkehr bewilligt werden kann. Auch in Fällen wie dem vorliegenden, wo teilweise Baurechts- widrigkeiten festgestellt wurden, welche von der Bauherrschaft dann jedoch freiwillig behoben bzw. vom Nachbarn toleriert wurden (wes- halb kein nachträgliches Baubewilligungsverfahren eingeleitet bzw. keine weiteren Massnahmen ergriffen werden mussten), erscheint es nicht sachgerecht, wenn die entstandenen Kosten von der Gemeinde nicht weiterverrechnet werden dürfen. Sinn und Zweck von § 5 Abs. 2 BauG gebieten, gleiche bzw. vergleichbare Tatbestände auch gleich zu behandeln. Anders zu entscheiden würde bedeuten, dass namentlich eine Bauherrschaft, die eigenmächtig bauliche Vorkehren trifft, welche behördliche Interventionen und Beanstandungen nach sich ziehen, kostenmässig privilegiert werden. Das widerspricht einer sinnvollen Anwendung von § 5 Abs. 2 BauG. Es rechtfertigt sich deshalb nicht, § 5 Abs. 2 BauG derart eng an den Wortlaut gebunden auszulegen, dass davon einzig Aufwand durchgeführter Baugesuchs- verfahren erfasst wäre. Gegenteiliges lässt sich auch den Materialien zum Baugesetz 1993 nicht entnehmen: Aus der von den Beschwerdeführern zitierten Fundstelle ergibt sich einzig, dass es nicht Absicht des Gesetzgebers war, eine Grundlage für die Erhebung von Gebühren für Einsprachen zu schaffen, sondern dass es um Gebühren für das Baugesuch gehe (Protokoll der grossrätlichen "Spezialkommission Baugesetzrevi- sion" betreffend die Beratung des BauG 1993, 1. Lesung, S. 332). Die hier interessierende spezielle Frage, ob von § 5 Abs. 2 BauG ins- besondere auch Aufwand erfasst ist, der z.B. zur Abklärung der Frage, ob ein nachträgliches Baugesuchsverfahren durchzuführen ist, 2014 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 179 erforderlich ist, wurde im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses nicht explizit diskutiert. Die Baugesetzkommentare (sowohl zum neuen als auch zum alten BauG) enthalten dazu ebenfalls keine ausdrücklichen Überlegungen (siehe M ARTIN G OSSWEILER , in: Kommentar zum Baugesetz des Kantons Aargau, Bern 2013, § 5 N 9 und 16; E RICH Z IMMERLIN , Baugesetz des Kantons Aargau vom 2. Februar 1971, 2. Auflage, Aarau 1985, § 3 N 10a und b). Für die Beurteilung von § 5 Abs. 2 BauG helfen für die vorliegende Konstellation demnach weder die Materialien noch die Literatur weiter. Aufgrund dieser Erwägungen ist der in § 5 Abs. 2 BauG verwendete Begriff "Entscheid über Baugesuche" in einem weiten Sinn zu verstehen. Von der Bestimmung kann mitunter auch Auf- wand erfasst sein, der im Zusammenhang mit der Prüfung bereits er- stellter Bauten und Anlagen erforderlich ist, wenn die Abklärungen - wie hier - Baurechtswidrigkeiten aufzeigen, die von der Bauherr- schaft im Zuge der Abklärungen dann jedoch freiwillig behoben bzw. vom Nachbarn toleriert werden. 1.2.3. (...) 2. 2.1. (...) 2.2. Gestützt auf § 5 Abs. 2 BauG, § 24 des Gesetzes über den vor- beugenden Brandschutz vom 21. Februar 1989 (Brandschutzgesetz; SAR 585.100) und § 53 der geltenden Bau- und Nutzungsordnung der Gemeinde C. vom 30. Mai 1997, 26. Mai 2006, 27. November 2009 / 28. Oktober 1997, 16. August 2006, 24. März 2010 (BNO) er- liess die Einwohnergemeindeversammlung C. am 25. November 2011 das "Gebührenreglement zur BNO". Gemäss § 1 Abs. 1 Ingress des Gebührenreglements zur BNO erhebt der Gemeinderat "für seine Leistungen in Bausachen - z.B. Entscheide, Vorentscheide, Beant- wortung von Voranfragen, Beratungen und Auskünfte - vom Bean- sprucher bzw. Verursacher eine Gebühr" und nach § 3 Abs. 1 Gebüh- renreglement zur BNO hat der "Bauherr bzw. Verursacher" die dort aufgeführten Kosten zu übernehmen. Da § 1 Abs. 1 Ingress des Gebührenreglements zur BNO nur eine beispielhafte Aufzählung der Leistungen in Bausachen enthält ("z.B."), steht grundsätzlich nichts 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 180 im Wege, darunter auch Sachverhaltsabklärungen und Kontrolltätig- keiten zu subsumieren. Nach lit. a - e ist dafür (wie auch für die in Abs. 1 Ingress explizit genannten Beratungen und Auskünfte) zwar keine Gebühr geschuldet. Hingegen können solche Kosten nach § 3 Gebührenreglement zur BNO dem Bauherrn bzw. Verursacher weiterverrechnet werden (Abs. 1); dazu gehören auch Kosten, die von der Gemeinde an Dritte bezahlt worden sind (Abs. 2). Nach § 3 Abs. 1 lit. d Gebührenreglement zur BNO hat der Bauherr bzw. Verursacher u.a. Kosten für Mehraufwand, der auf mangelhafte Baugesuche oder darauf zurückzuführen ist, dass Bauordnung und/oder Baubewilligung nicht eingehalten werden und dadurch ausserordentliche Aufwendungen, Besichtigungen, Kontrol- len etc. notwendig sind, zu übernehmen. Dabei geht es um typischen Aufwand ausserhalb eines Baugesuchsverfahrens. § 4 Gebühren- reglement zur BNO weist ebenso darauf hin, dass solcher Aufwand kostenpflichtig ist: Danach ist der Gemeinderat nämlich lediglich "ermächtigt", unentgeltlich Auskunft und Beratung zu erteilen; umgekehrt formuliert erfolgen Auskunft und Beratung in der Regel jedoch entgeltlich. Der Gemeinderat bestätigt zudem, das Baugebüh- renreglement sei in der Absicht erlassen worden, die Bewilligungs-, Überwachungs- und Kontrolltätigkeit im Bauwesen möglichst kostendeckend weiterverrechnen zu können, was z.B. auch für den Aufwand betreffend Abklärungen über die Baubewilligungspflicht gelte. Die vorliegend umstrittenen Kosten können vor diesem Hinter- grund ohne weiteres § 3 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 Gebührenreglement zur BNO zugeordnet werden: Die Kosten entstanden für Abklärun- gen, ob ein nachträgliches Baubewilligungsverfahren durchgeführt werden muss. Insofern entstand der Gemeinde Mehraufwand. Zu weiteren Massnahmen kam es zudem nur deshalb nicht, weil die teil- weise festgestellten Baurechtswidrigkeiten von den Beschwerdefüh- rern freiwillig behoben bzw. vom Nachbarn toleriert wurden. Dies führt jedoch nicht dazu, dass die entstandenen Kosten nicht dem Bauherrn bzw. Verursacher weiterverrechnet werden könnten.
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2003 Bau-, Planungs- und Umweltschutzrecht 193 [...] 52 Hobbymässige Pferdezucht in der Landwirtschaftszone (Art. 16a Abs. 1 und Art. 24 RPG; Art. 34 Abs. 1 und 5 RPV). - Übergangsrecht (Art. 52 RPV; Erw. 2/a). - Selbständige, bodenabhängige Pony- oder Pferdezucht als landwirt- schaftliche Nutzung (Erw. 2/b/aa). - Auslegung des Begriffs der Freizeitlandwirtschaft gemäss Art. 34 Abs. 5 RPV; Gewinn- und Ertragsorientierung, Grösse der landwirt- schaftlichen Nutzfläche sowie Arbeitsaufwand bzw. -bedarf als mass- gebende Kriterien (Erw. 2/b/bb). - Anwendung auf den konkreten Einzelfall; Fehlen der nötigen Be- triebsrentabilität und der fachlichen Anforderungen in der Person des designierten Betriebsnachfolgers (Erw. 2/b/cc). - Verwendung der Pferde für therapeutisches Reiten ist keine Annex- nutzung zu einer zonenkonformen Bewirtschaftung (Erw. 2/b/dd). - Beurteilung nach früherem Recht (Erw. 2/c). 2003 Verwaltungsgericht 194 - Voraussetzungen, unter denen Bauten und Anlagen für die hobbymäs- sige Pferdehaltung und -zucht als positiv standortgebunden gelten können; Begriff der Robusthaltung von Tieren (Erw. 3/a). - Pferde, die teilweise in einem geschlossenen, in Boxen aufgeteilten Stall leben, sind keine Robusttiere (Erw. 3/b). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 6. Mai 2003 in Sachen S. gegen Regierungsrat und Gemeinderat Oberrohrdorf-Staretschwil. Aus den Erwägungen 1. Vom Verwaltungsgericht in erster Linie zu beurteilen ist das Baugesuch Nr. 1610 vom 3. Dezember 2000. Mit ihm strebt der Be- schwerdeführer den Aufbau einer Haflinger-Pferdezucht an; einzelne Stuten sollen nebenbei für das therapeutische Reiten eingesetzt wer- den, und schliesslich ist die Haltung von zwei Pensionspferden vor- gesehen. Geplant sind im Einzelnen die Überdachung des Longier- bzw. Kehr- und Remisenplatzes (15.4 m x 15.4 m), ein waagrechter Reit-, Dressur- und Auslaufplatz (18 m x 40 [bzw. gemäss Plan 38] m), ein Verbundsteinplatz im Eingangsbereich zum "Gässli", ein Unterstand für Pferde und Blechcontainer (2.7 m x ca. 12 m), die Umnutzung des Holzlagerraums in einen Offenstall für Pferde mit gleichzeitiger Vergrösserung, ein gedeckter, auf drei Seiten geschlos- sener Unterstand für diverse Maschinen (15 m x 4 m), ein Weideun- terstand (10 m x 4 m) samt 100 m 2 Verbundsteinfläche sowie ein Treppenvordach und eine Verbundsteinfläche beim Wohnhaus. (...). Die Koordinationsstelle Baugesuche und der Gemeinderat haben dieses Baugesuch mit Teilverfügung vom 19. Juni 2001 bzw. Be- schluss vom 9. Juli 2001 abgewiesen, und gegen diese Entscheide ist beim Verwaltungsgericht die Verwaltungs- bzw. Sprungbeschwerde vom 9. August 2001 hängig. Der Beschwerdeführer hat an der Ver- handlung vom 9. September 2002 bestätigt, dass sich das Verfahren BE.2001.00277 bei Gutheissung der Sprungbeschwerde erledigt. Weiter hat er klargestellt, dass die Minimalvariante gemäss Bauge- such Nr. 1521A (kreisrunder Longierplatz [Durchmesser 14 m], 2003 Bau-, Planungs- und Umweltschutzrecht 195 rechteckiger Sand- und Holzschnitzelplatz [33 m x 18 m]) zu beur- teilen wäre, falls die Sprungbeschwerde in Bezug auf den Reitplatz und den Longierplatz abgewiesen würde. (...). 2. a) Die verfahrensgegenständlichen Bauten und Anlagen be- schlagen zur Hauptsache die Parzelle Nr. 785, welche heute P.C.-S. und M.S., beides Nachkommen des Beschwerdeführers, als Mitei- gentümern zu je 1⁄2 gehört. Dieselben Eigentümer hat die Parzelle Nr. 1226, auf welcher der erwähnte Weideunterstand platziert ist. Beide Grundstücke liegen gemäss dem Kulturlandplan der Gemeinde Oberrohrdorf-Staretschwil vom 21. März 1994 / 2. Juli 1996 in der - im oberen Teil durch eine Quellschutzzone überlagerten - Landwirt- schaftszone. Vorab stellt sich somit die Frage, ob die Bauvorhaben hier zonenkonform sind und ihnen demnach eine ordentliche Baube- willigung erteilt werden kann. Das RPG ist mit Bundesgesetz vom 20. März 1998 auf den 1. September 2000 in verschiedenen Punkten, so auch bezüglich der in der Landwirtschaftszone zulässigen Nutzungen, revidiert worden. Zudem hat der Bundesrat am 28. Juni 2000, ebenfalls mit Inkraftset- zungsdatum vom 1. September 2000, die neue RPV erlassen. Über- gangsrechtlich bestimmt dabei Art. 52 RPV, dass Verfahren, die am 1. September 2000 hängig waren, nach neuem Recht beurteilt wer- den (Abs. 1); nach bisherigem Recht werden sie zu Ende geführt, wenn das neue Recht für den Gesuchsteller günstiger ist (Abs. 2). Da das neue Recht zumindest der Tendenz nach eine Lockerung der bisherigen Regelung, namentlich eine kontrollierte Öffnung der Landwirtschaftszone für landwirtschaftsfremde Zwecke anstrebt (Botschaft des Bundesrats zu einer Teilrevision des RPG vom 22. Mai 1996 [im Folgenden: Botschaft] S. 2, 8, 11), drängt es sich auf, zunächst eine Beurteilung nach neuem Recht vorzunehmen; je nach Ergebnis hat dann noch eine Beurteilung nach früherem Recht stattzufinden (siehe auch BGE 127 II 210 ff.; VGE III/111 vom 29. Oktober 2001 [BE.2000.00183] in Sachen M. u.M., S. 9). Das an den Baugesuchsentscheid vom 9. Juli 2001 anschliessende Verfahren ist ohnehin nach neuem Recht zu beurteilen (Art. 52 Abs. 1 RPV). b) aa) Voraussetzung einer Baubewilligung ist u.a., dass die Bauten und Anlagen dem Zweck der Nutzungszone entsprechen 2003 Verwaltungsgericht 196 (Art. 22 Abs. 2 lit. a RPG). In der Landwirtschaftszone zonenkon- form sind u.a. Bauten und Anlagen, die zur landwirtschaftlichen Bewirtschaftung oder für den produzierenden Gartenbau nötig sind (Art. 16a Abs. 1 Satz 1 RPG). Diese Bestimmung wird durch Art. 34 RPV wie folgt ausgeführt: " 1 In der Landwirtschaftszone zonenkonform sind Bauten und An- lagen, wenn sie der bodenabhängigen Bewirtschaftung oder der inneren Aufstockung dienen oder - in den dafür vorgesehenen Gebieten gemäss Artikel 16a Absatz 3 RPG - für eine Bewirt- schaftung benötigt werden, die über eine innere Aufstockung hin- ausgeht, und wenn sie verwendet werden für: a. die Produktion verwertbarer Erzeugnisse aus Pflanzenbau und Nutztierhaltung; b. die Bewirtschaftung naturnaher Flächen. (...) 4 Die Bewilligung darf nur erteilt werden, wenn: a. die Baute oder Anlage für die in Frage stehende Bewirt- schaftung nötig ist; b. der Baute oder Anlage am vorgesehenen Standort keine überwiegenden Interessen entgegenstehen; und c. der Betrieb voraussichtlich längerfristig bestehen kann. 5 Bauten und Anlagen für die Freizeitlandwirtschaft gelten nicht als zonenkonform." Landwirtschaft und produzierender Gartenbau werden durch die Art der hergestellten Produkte von andern Tätigkeiten abgegrenzt. Landwirtschaftliche Produkte bzw. Erzeugnisse des produzierenden Gartenbaus sind pflanzliche und tierische Nahrungsmittel und Roh- stoffe. Grundlegender Prozess in der Landwirtschaft wie auch im produzierenden Gartenbau ist die Gewinnung organischer Substanz durch die Photosynthese mit Tageslicht. Die Tierhaltung beruht eben- falls auf diesem Vorgang, ist doch das Tierfutter direkt oder indirekt pflanzlichen Ursprungs (Neues Raumplanungsrecht [Erläuterungen zur RPV und Empfehlungen für den Vollzug], Publikation des Bun- desamts für Raumentwicklung [im Folgenden: Erläuterungen RPV] vom September 2000, S. 29). In diesem Sinne galt schon vor der erwähnten Gesetzesrevision auch ein selbständiger, bodenabhängiger 2003 Bau-, Planungs- und Umweltschutzrecht 197 Pony- oder Pferdezuchtbetrieb als landwirtschaftliche Nutzung (Bundesgericht, in: ZBl 95/1994, S. 84), ebenso die Haltung von vier Pensionspferden auf einem Landwirtschaftsbetrieb, wenn das auf dem Betrieb bodenabhängig produzierte Futter für die Ernährung der landwirtschaftlichen Nutztiere und der zusätzlichen Pensionspferde ausreichte (BGE 122 II 160 ff.). Hieran wollte der Gesetzgeber fest- halten; der Nationalrat bzw. dessen Mehrheit war lediglich der Auf- fassung, dass Bauten und Anlagen, die dem Reitsport bzw. dem Rei- ten als Freizeitbetätigung dienen, grundsätzlich nicht in die Land- wirtschaftszone gehören (Erläuterungen RPV, a.a.O. mit Hinweis). bb) Im vorliegenden Fall lautet die Kernfrage dahin, ob der Be- schwerdeführer mit seinem Haflinger-Zuchtbetrieb rechtlich gesehen eine professionelle oder eine Hobby-Landwirtschaft betreiben will. Die Abgrenzung lässt sich im Einzelfall auf Grund verschiedener Indikatoren vollziehen. So fehlt es im Falle der Freizeitlandwirt- schaft beispielsweise an der Gewinn- und Ertragsorientierung. Ein Indiz dafür, dass bloss Freizeitlandwirtschaft betrieben wird, kann auch im Umstand gesehen werden, dass gewisse Mindestgrössen - etwa jene, die zum Bezug von Direktzahlungen berechtigt - nicht erreicht werden. Für die Beantwortung der Frage, ob im konkreten Fall Freizeitlandwirtschaft vorliege, kann unter Umständen auch auf den Arbeitsbedarf - bemessen in Standard-Arbeitskräften oder Stand- ard-Arbeitstagen - abgestellt werden. Auf die Setzung starrer Grenz- werte wurde in der RPV jedoch bewusst verzichtet, damit einzelfall- gerechte Lösungen möglich bleiben (Erläuterungen RPV, S. 32). Das Baudepartement hat Richtlinien erarbeitet, welche auf glei- che oder ähnliche Kriterien abstellen, nämlich die Gewinn- und Er- tragsorientierung, die landwirtschaftliche Nutzfläche (Schwellenwert 3 ha, ausser bei Spezialkulturen) sowie den Arbeitsaufwand bzw. - bedarf (Schwellenwert 300 Arbeitskraftstunden pro Jahr [Akh/Jahr], die bei objektiver Betrachtung für die Bewirtschaftung aufgebracht werden) (Interne Vollzugshilfe zum Bauen ausserhalb der Bauzonen vom 8. Februar 2002 [im Folgenden: Vollzugshilfe BauG], S. 4). Derartige Verwaltungsverordnungen enthalten Regeln für das verwaltungsinterne Verhalten der Beamten. Sie dienen der Schaffung einer einheitlichen Verwaltungspraxis und sollen den Beamten die 2003 Verwaltungsgericht 198 Rechtsanwendung erleichtern. Da sie nicht vom verfas- sungsmässigen Gesetzgeber stammen, sondern von einer Verwal- tungsbehörde, können sie keine von der gesetzlichen Ordnung ab- weichende Bestimmungen vorsehen. Die rechtsanwendenden Behör- den haben sich daher an Verwaltungsverordnungen nur zu halten, soweit sie den richtig verstandenen Sinn des Gesetzes wiedergeben. Die in Verwaltungsverordnungen vorgenommene Auslegung des Gesetzes unterliegt der richterlichen Nachprüfung. Der Richter soll Verwaltungsverordnungen bei seiner Entscheidung mitberücksichti- gen, sofern sie eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen (BGE 121 II 478 mit Hinweisen; siehe auch Giovanni Biaggini, Die vollzugslenkende Verwaltungsverordnung: Rechtsnorm oder Fak- tum?, in: ZBl 98/1997, S. 1 ff., insbes. 4 und 19 f. mit kritischen Anmerkungen zum "allgemeinen Einzelfallvorbehalt"). Das Verwal- tungsgericht befolgt auf der Linie dieser Rechtsprechung Verwal- tungsrichtlinien ebenfalls nur, soweit ihre sachliche Überzeugungs- kraft reicht, sie nach ihren Voraussetzungen anwendbar sind und im Einzelfall keine im Lichte des positiven Verfassungs-, Gesetzes- oder Verordnungsrechts wesentlichen, besonderen Umstände vorliegen; es ist davon abzuweichen, wenn dies im Einzelfall ausserordentliche Verhältnisse verlangen (AGVE 1985, S. 322 f. und 1995, S. 347, je mit Hinweisen). In diesem Sinne stützt sich das Verwaltungsgericht grundsätzlich auch auf die Vollzugshilfe BauG ab (AGVE 1995, S. 347; siehe zum Ganzen auch den VGE III/42 vom 31. März 2000 [BE.1998.00002/00028] in Sachen B., S. 8 f.). cc) Die Anwendung der Vollzugshilfe BauG führt im vorlie- genden Fall zu folgenden Ergebnissen: aaa) Für die Berechnung der landwirtschaftlichen Nutzfläche sind diejenigen Flächen abzuziehen, welche auf den Parzellen Nrn. 785 und 1226 nicht für die Futtergewinnung zur Verfügung ste- hen (Gebäudeplätze, Wege, Reitplatz, Unterstand und Wald). Dies ergibt unbestrittenermassen 284 Aren. Anzurechnen ist hier ferner die vom Beschwerdeführer gepachtete Parzelle Nr. 763, welche un- mittelbar südöstlich an die Parzelle Nr. 1226 angrenzt. Zwar ist die Fixpacht nur bis zum 31. Dezember 2005 abgeschlossen; der Be- 2003 Bau-, Planungs- und Umweltschutzrecht 199 schwerdeführer hat jedoch die schriftliche Zusage der Verpächterin, dass die Pacht ab diesem Zeitpunkt "bis zu einer rechtskräftigen Ein- zonung in Bauland" verlängert werde. Dabei ist die Möglichkeit, dass die Parzelle Nr. 763 in den nächsten Jahren eingezont werden könnte, im jetzigen Zeitpunkt als sehr gering einzuschätzen. Der derzeitige Bauzonenplan stammt aus dem Jahre 1999, so dass bei einem Planungshorizont von 10 - 15 Jahren auch längere Zeit nach 2005 nicht mit einer Gesamtrevision zu rechnen ist. Irgendwelche Zusicherungen in Bezug auf die künftige Nutzungsplanung gibt es nicht. Somit bilden auch nach Auffassung der kantonalen Fachstelle weitere 149 Aren - nach Abzug der an den Nachbarn unterverpach- teten 30 Aren - Bestandteil der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Dies ergibt eine Gesamtfläche von 433 Aren, d.h. der Schwellenwert von 3 ha (Vollzugshilfe BauG, S. 4) ist überschritten. bbb) Der Beschwerdeführer beabsichtigt, einen Haflinger- Zuchthengst und sechs Haflinger-Stuten sowie zwei Pensionspferde zu halten. Ein solcher Tierbestand kann mit dem Futter, das auf der landwirtschaftlichen Nutzfläche von 433 Aren produziert wird, er- nährt werden. Umgerechnet ist von einem durchschnittlichen Besatz von 9.7 Grossvieheinheiten (GVE) auszugehen. Die zur Verfügung stehende Futterfläche (Wies- und Weideland) beträgt damit 45 Aren / GVE, bei Richtwerten für die vorwiegend betriebseigene Futterbasis von 33 Aren/Tier (normale Pferde) bzw. 20 Aren/Tier (Haflinger- Pferde). Die Kontrollrechnung auf Grund der spezifischen Ertrags- verhältnisse bestätigt die Annahme, dass für den angestrebten Tier- bestand ausreichend eigene Futterfläche vorhanden ist, steht doch einem Rauhfutter-Angebot von 289 dt TS (Doppelzentner Trocken- substanz) ein Rauhfutter-Bedarf von 278 dt TS gegenüber. Die kan- tonale Fachstelle erachtet diese Annahmen und Berechnungen durchwegs als "nachvollziehbar und korrekt". Das Verwaltungsge- richt sieht dies nicht anders. Der Verfasser des Betriebskonzepts hat anhand eines Global- Arbeitsvoranschlags errechnet, dass für den geplanten Betrieb ohne die beiden Pensionspferde ein Arbeitsaufwand von rund 2'400 Akh/Jahr zu leisten wäre. Auch diese Berechnungen sind nach Auffassung der kantonalen Fachstelle "nachvollziehbar und korrekt", 2003 Verwaltungsgericht 200 und das Verwaltungsgericht pflichtet dieser Meinung bei. Somit ist nicht nur der Schwellenwert von 300 Akh/Jahr (Vollzugshilfe BauG, S. 4) klar überschritten, sondern zusätzlich der Nachweis dafür er- bracht, dass der Beschwerdeführer ein landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne von Art. 7 Abs. 1 BGBB betreiben will, wofür mindestens 2'100 Akh/Jahr erforderlich sind (BGE 121 II 313 mit Hinweis). ccc) Zur Frage der Gewinn- und Ertragsorientierung (Voll- zugshilfe BauG, S. 4) ergibt sich was folgt: aaaa) Im Betriebskonzept werden in der Vollkostenrechnung als landwirtschaftliches Einkommen die Erträge aus dem Zuchtbetrieb und aus der Pensionspferdehaltung eingestellt. Die kantonale Fach- stelle führt dazu aus, die letztere werde "im Grundsatz nicht der landwirtschaftlichen Produktion zugeteilt". Damit wird übersehen, dass die Haltung einer beschränkten Anzahl von Pensionspferden auf einem Landwirtschaftsbetrieb als in der Landwirtschaftszone zonen- konform gilt, sofern die auf dem Betrieb zur Verfügung stehende Rauhfutterbasis auch für die Pensionspferde ausreicht (BGE 120 II 163 f.). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt: Die Hauptnutzung (selbständiger, bodenabhängiger Zuchtbetrieb) ist landwirtschaftlicher Art (Bundesgericht, in: ZBl 95/1994, S. 84), und die vorhandene Futterfläche reicht für sämtliche Tiere aus (vorne, Erw. bbb). Der Beschwerdeführer bezeichnet es deshalb zu Recht als "unlogisch", die Erträge der Pensionspferdehaltung vom landwirtschaftlichen Einkommen in Abzug zu bringen. Die Berücksichtigung der Direktzahlungen von Fr. 15'200.- auf der Einkommensseite ist in Bezug auf den Beschwerdeführer nicht korrekt, weil nach dem Erreichen des 65. Altersjahrs die Bezugsbe- rechtigung entfällt und der Beschwerdeführer diese Alterslimite überschritten hat. Der Verfasser des Betriebskonzepts geht denn auch richtigerweise davon aus, dass sich diese Position erst nach einer allfälligen Betriebsübergabe an den Sohn M. oder an einen Dritten aktualisieren würde. bbbb) Auf der Kostenseite erscheint es nicht ganz folgerichtig, die Direktkosten (Futter, Tierarzt, Hufpflege, Stroh usw.) aus- schliesslich der Pferdezucht zu belasten; eine Aufteilung zwischen dem landwirtschaftlichen Bereich (Pferdezucht und Pensionspferde- 2003 Bau-, Planungs- und Umweltschutzrecht 201 haltung) und dem (nicht der Landwirtschaft zuzurechnenden) thera- peutischen Reiten wird der Sache besser gerecht, wobei dies - ent- sprechend dem betreffenden Anteil am Gesamteinkommen (Fr. 47'000.-- zu Fr. 20'000.--) - im Verhältnis 2:1 zu geschehen hat. In gleicher Weise sind die Strukturkosten (Ökonomiegebäude, Ma- schinen, Schuld- und Pachtzinsen) zwischen dem landwirtschaftli- chen Bereich (Pferdezucht und Pensionspferdehaltung) und dem (nicht der Landwirtschaft zuzurechnenden) therapeutischen Reiten aufzuteilen. Dass hier bei objektiver Beurteilung auch die Schuld- zinsen dazugehören, bestreitet der Beschwerdeführer nicht, ebenso wenig den von der kantonalen Fachstelle dafür eingesetzten Betrag von Fr. 12'000.-- jährlich. Schliesslich stellt die kantonale Fachstelle zu Recht fest, bei einem ausgewiesenen Arbeitsbedarf für die Land- bewirtschaftung und die Pferdezucht von rund 2'400 Akh/Jahr (vorne, Erw. bbb) - dies entspricht beinahe einer ganzen Arbeitskraft (= 280 Arbeitstage/Jahr; siehe Art. 5 Abs. 1 der Verordnung vom 7. Dezember 1998 über die Beurteilung der Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft [Nachhaltigkeitsverordnung; SR 919.118]) - seien auch die Kosten für das Wohnhaus bei den Strukturkosten zu berück- sichtigen; die Einstellung eines Betrags von Fr. 6'000.-- in der Voll- kostenrechnung unter diesem Titel (= 1⁄2 der jährlich anfallenden Kosten für Unterhalt und Abschreibung) erweist sich als sachgerecht und wird vom Beschwerdeführer auch anerkannt. cccc) Auf diesen Grundlagen errechnet sich in Bezug auf den Beschwerdeführer das folgende jährliche Einkommen aus dem rein landwirtschaftlichen Teil: Jährliche Erträge: 1.3 Schlachtfohlen à 100 kg SG à Fr. 8.50 Fr. 1'100.-- 1.2 Zuchtfohlen, Verkauf mit ca. 6 Mt., à Fr. 1'300.-- Fr. 1'560.-- 0.6 abgehende Stuten (Anteil pro Jahr) Fr. 600.-- Verkauf von 2 3-jährigen Pferden à Fr. 4'500.-- Fr. 9'000.-- Futtergelder für die 2 Hengstfohlen des Verbandes Fr. 2'555.-- Einnahmen aus Decktaxen für den Zuchthengst Fr. 2'000.-- 2 Pensionspferde à Fr. 650.--/Mt. Fr. 15'600.-- Fr. 32'415.-- abzüglich Anteil Zukauf Zuchtstuten (Aufbauphase) Fr. 1'000.-- 2003 Verwaltungsgericht 202 Total Erträge Fr. 31'415.-- Jährliche Kosten: Direktkosten: Kraftfutter/Mineralstoffe (2/3) Fr. 2'540.-- Hufpflege/Tierarzt (2/3) Fr. 3'340.-- Herdenbuch/Transport (2/3) Fr. 800.-- Stroh (2/3) Fr. 670.-- Total Direktkosten Fr. 7'350.-- Strukturkosten: Kosten Ökonomiegebäude (2/3) Fr. 7'000.-- Kosten Wohnhaus (1/2) Fr. 6'000.-- Maschinenkosten (2/3) Fr. 7'340.-- Allgemeine Betriebskosten (2/3) Fr. 3'340.-- Schuldzinsen (2/3) Fr. 8'000.-- Pachtzinsen (2/3) Fr. 1'540.-- Total Strukturkosten Fr. 33'220.-- Betriebsverlust rund Fr. 9'000.-- Auf Grund einer derartigen Ausgangslage fehlt es dem Betrieb, den der Beschwerdeführer aufbauen will, klarerweise an der erfor- derlichen Gewinn- und Ertragsorientiertheit. Nichts anderes ergibt sich, wenn bei einer Betriebsübernahme durch den 43-jährigen Sohn M.S. oder einen andern noch nicht im AHV-Alter stehenden Bewirt- schafter die Direktzahlungen von Fr. 15'200.-- zum landwirtschaftli- chen Einkommen geschlagen werden (vorne, Erw. aaaa), denn bei einer jährlichen Einkommensschöpfung von rund Fr. 6'000.-- kann von einem gewinn- und ertragsorientierten Betrieb ebenfalls nicht die Rede sein. Diese Voraussetzung ist auch dann nicht gegeben, wenn man mit dem Bundesgericht lediglich verlangt, dass ein landwirt- schaftlicher Betrieb "in einem gewissen Ausmass wirtschaftlich ist", um als in der Landwirtschaftszone zonenkonform gelten zu können (BGE vom 23. April 2001 [1A.298/2000] in Sachen ARE gegen F., S. 5; siehe auch BGE 121 II 315). Hinzu kommt nämlich, dass der Sohn die für eine Betriebsübernahme nötigen objektiven Vorausset- zungen offensichtlich nicht erfüllt. M.S., der über eine kaufmänni- sche Ausbildung verfügt, führt heute den Maler- und Spritzwerkbe- 2003 Bau-, Planungs- und Umweltschutzrecht 203 trieb des Vaters in S. und ist damit voll ausgelastet. Wie sich diese Arbeitsbelastung mit einem 50%-Pensum für die Pferdezucht ver- trüge, ist nicht geklärt. Im Weitern kann der Sohn im Unterschied zum Beschwerdeführer weder Erfahrungen mit der Pferdehaltung noch entsprechende Ausbildungsbelege vorweisen. An der Augen- scheinsverhandlung vom 9. September 2002 blieb er bezüglich seiner diesbezüglichen Zukunftspläne sehr unverbindlich. Eine Spezialaus- bildung werde er erst machen, wenn es soweit sei; zuerst müsse er wissen, wie die Zucht funktioniere. Alles in Allem gewann das Ver- waltungsgericht den Eindruck, weder der Vater noch der Sohn hätten sich bisher ernsthaft überlegt, was es für eine Betriebsnachfolge alles braucht. Auch aus dieser Sicht besteht kein Zweifel, dass die ge- plante Pferdezucht Hobbycharakter hat. In der Person des Beschwer- deführers dagegen wären die fachlichen Anforderungen wohl gege- ben, obwohl auch bei ihm spezifische Ausbildungs- und Erfah- rungsnachweise fehlen; mit der kantonalen Fachstelle kann man hier die Meinung vertreten, dem Beschwerdeführer müsse "auf Grund der langen Vorgeschichte" die genügende Erfahrung in Bezug auf die Landbewirtschaftung und die Pferdehaltung zuerkannt werden, wenn auch "in sehr grosszügiger Betrachtungsweise". Der Beschwerdefüh- rer wäre aber wie bereits ausgeführt nicht in der Lage, seinen Zucht- und Pensionsbetrieb rentabel zu führen, weil ohne die Direktzahlun- gen, auf welche er wie erwähnt keinen Anspruch hat (vorne, Erw. aaaa), überhaupt kein Betriebsgewinn mehr erwirtschaftet wer- den kann, sondern ein Verlust von rund Fr. 9'000.-- pro Jahr resul- tiert. So oder so muss also die Gewinn- und Ertragsorientierung des Betriebs verneint werden. Hieran ändert nichts, dass die Erträge aus der Pferdezucht zur Abdeckung der fix anfallenden Liegenschaftskosten (Gebäudeunterhalt, Amortisation, Schulden- dienst usw.) verwendet werden könnten; der Beschwerdeführer ver- fügt eben über ausreichend andere, landwirtschaftsfremde Einkünfte (...), aus denen er die erwähnten Fixkosten begleichen kann. Aus all dem ergibt sich, dass die geplante Haflinger-Pferdezucht als hobbymässig bzw. nach Massgabe von Art. 34 Abs. 5 RPV nicht zonenkonform zu qualifizieren ist. Damit korrespondiert die Aussage 2003 Verwaltungsgericht 204 des Beschwerdeführers, hinter dem Aufbau einer Haflinger-Pferde- zucht stehe primär die Freude an der Sache. dd) Da zwei der Töchter des Beschwerdeführers an multipler Sklerose erkrankt sind, will er einzelne der von ihm gehaltenen Haf- linger-Pferde auch für therapeutisches Reiten verwenden. Es ist un- bestritten, dass dies keine landwirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von Art. 16a Abs. 1 RPG bzw. Art. 34 Abs. 1 RPV darstellt. Nach dem Gesagten kann das Therapiereiten auch nicht als Annexnutzung zu einer zonenkonformen Bewirtschaftung verstanden werden (siehe vorne, Erw. cc). Deshalb wäre es auch nicht korrekt gewesen, den diesbezüglichen Ertrag in der Kostenrechnung zu berücksichtigen. Abgesehen davon würde aus dem Therapiereiten ein Einkommen von höchstens ein paar Tausend Franken resultieren, und dies unter der für den Beschwerdeführer günstigen Annahme, dass das Wohn- haus unter diesem Titel kein Kostenfaktor ist (geschätzter jährlicher Ertrag Fr. 20'000.--, abzüglich 1/3 der Direktkosten mit Fr. 3'670.-- und 1/3 der Strukturkosten mit Fr. 13'600.- [siehe vorne, Erw. cc/ccc/cccc]). c) Die Beurteilung nach früherem Recht (vorne, Erw. a) führt zu keinem andern Ergebnis. Das Bundesgericht verneinte schon vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung vom 20. März 1998 ein sachlich begründetes Bedürfnis für die Neuerrichtung landwirt- schaftlicher Bauten ausserhalb der Bauzonen, wenn anzunehmen war, dass der betreffende Betrieb weder existenzsichernd noch ren- tabel sein werde (BGE 103 Ib 110 ff.). Nach dem Inkrafttreten des BGBB wurde diese Praxis etwas gelockert. So verlangte das Bundes- gericht in einem Entscheid vom 15. November 1995 unter dem er- wähnten Gesichtspunkt (und unter jenem der Zonenkonformität in der Landwirtschaftszone) lediglich noch, dass längerfristig ein er- heblicher Beitrag zur Existenzsicherung in der bodenabhängigen Landwirtschaft erwirtschaftet werden kann (BGE 121 II 315). Im bereits erwähnten Fall ARE gegen F. (BGE 1A.298/2000) vom 23. April 2001 fasste das Bundesgericht den Stand der früheren Pra- xis wie folgt zusammen (S. 5): "Nach der oben skizzierten (...) bundesgerichtlichen Rechtspre- chung muss unter raumplanungsrechtlichen Gesichtspunkten ein 2003 Bau-, Planungs- und Umweltschutzrecht 205 landwirtschaftlicher Betrieb mit erheblichem Aufwand - der hal- ben Arbeitskraft einer bäuerlichen Familie - betrieben werden und in einem gewissen Ausmass wirtschaftlich sein, um nach Art. 22 RPG als in der Landwirtschaftszone zonenkonform bzw. in einer nicht näher bestimmten Nichtbauzone als nach Art. 24 RPG standortgebunden gelten zu können." Auf Grund dieser Vorgaben wäre das Bauvorhaben eindeutig ebenfalls nicht bewilligungsfähig gewesen. Der Betrieb einer Pferde- zucht ist für den Beschwerdeführer keine Existenzfrage, und abgese- hen davon kann mit dem ermittelten landwirtschaftlichen Einkom- men weder kurz- noch langfristig ein bedeutender Beitrag zur Existenzsicherung geleistet werden. 3. Gemäss Art. 24 RPG können abweichend von Art. 22 Abs. 2 lit. a RPG Bewilligungen erteilt werden, Bauten und Anlagen zu errichten oder ihren Zweck zu ändern, wenn der Zweck der Bauten und Anlagen einen Standort ausserhalb der Bauzonen erfordert (lit. a) und keine überwiegenden Interessen entgegenstehen (lit. b). Die vor der Gesetzesrevision vom 20. März 1998 geltende Fassung (Art. 24 Abs. 1 RPG) trug denselben Wortlaut. a) aa) Die (positive) Standortgebundenheit darf nur bejaht wer- den, wenn eine Baute aus technischen oder betriebswirtschaftlichen Gründen oder wegen der Bodenbeschaffenheit auf einen Standort ausserhalb der Bauzonen angewiesen ist. Dabei beurteilen sich die Voraussetzungen nach objektiven Massstäben, und es kann weder auf die subjektiven Vorstellungen und Wünsche des Einzelnen noch auf die persönliche Zweckmässigkeit oder Bequemlichkeit ankommen. Generell ist bei der Beurteilung der Voraussetzungen ein strenger Massstab anzulegen (BGE 124 II 255 f. mit Hinweisen). Bei Landwirtschaftsbetrieben stimmt dabei der Begriff der Zonenkonfor- mität im Sinne von Art. 16 RPG (in der vor dem 1. September 2000 geltenden Fassung) im Wesentlichen mit demjenigen der Standortge- bundenheit überein (BGE 123 II 508 mit Hinweisen). bb) Nach ständiger regierungsrätlicher Praxis sind Bauten und Anlagen für eine hobbymässige Pferdehaltung bzw. -zucht ausser- halb der Bauzonen ausnahmsweise dann möglich, wenn eine sinn- vollere landwirtschaftliche Bewirtschaftung wie bei Hanglagen oder 2003 Verwaltungsgericht 206 kleinen Restflächen nicht möglich ist, die Tiere ganzjährig auf der Weide gehalten werden (sog. Robusthaltung), die Rauhfutterbasis vorhanden und die gewässerschutzkonforme Beseitigung des anfal- lenden Mistes und der Abwässer sichergestellt ist. Die Pferdehaltung ist allerdings auf diejenige Anzahl Pferde beschränkt, welche eine Familie besorgen kann, d.h. es sind maximal vier Pferde zulässig; dadurch soll eine zonenwidrige gewerbliche Nutzung (Pensionspfer- dehaltung, Reitpferdevermietung usw. ohne Vorhandensein eines landwirtschaftlichen Betriebs) vermieden und dem Bedürfnis nach weiteren weder zonenkonformen noch standortgebundenen Anlagen (Reitplatz, Springgarten, Reithalle usw.) vorgebeugt werden (RRB Nr. 2001-000961 vom 30. Mai 2001 in Sachen des Beschwerdeführers, S. 10; siehe auch Vollzugshilfe BauG, S. 5). Der Beschwerdeführer stellt diese Verwaltungspraxis nicht in Frage. Auch dem Verwaltungsgericht erscheint sie plausibel und mit Art. 24 RPG durchaus vereinbar. Bei der Robusthaltung von Tieren handelt es sich um eine ex- tensive Nutzung in dem Sinne, dass die Tiere ständig der Witterung ausgesetzt sind. Dafür werden eine Liegefläche und ein Fressraum benötigt. Der Unterstand muss so gestaltet sein, dass die Tiere ihren Aufenthaltsort - im Unterstand oder im Freien - selbst bestimmen können, was in aller Regel einen mindestens einseitig offenen Unter- stand bedingt (RRB Nr. 2000-00158 vom 9. August 2000 in Sachen H., S. 6 mit Hinweisen). b) Die Parzellen Nrn. 785, 1226 und 763 liegen am Hang und sind gemäss der landwirtschaftlichen Eignungskarte den Klassen 4/5 (gut geeignet für Naturfutterbau bis Naturfutterbau mässiger Inten- sität) zugeteilt. Der Verfasser des Betriebskonzepts geht zu Recht davon aus, dass hier die Weidehaltung die einzig vernünftige Bewirt- schaftungsart ist. Die erforderliche Rauhfutterbasis ist ebenfalls vor- handen (vorne, Erw. 2/b/cc/bbb), und hinsichtlich des Gewässer- schutzes sind nie irgendwelche Vorbehalte angebracht worden. Hin- gegen kann die Pferdehaltung, wie sie der Beschwerdeführer betreibt und auch in Zukunft betreiben will, nicht als Robusthaltung im Sinne der regierungsrätlichen Praxis bezeichnet werden. Die in Frage ste- henden Tiere würden nicht das ganze Jahr über im Freien, d.h. auf 2003 Bau-, Planungs- und Umweltschutzrecht 207 der Weide leben, sondern zumindest teilweise in einem geschlosse- nen, in Boxen aufgeteilten Stall. Robusttiere benötigen wie erwähnt lediglich einen in der Regel auf drei Seiten geschlossenen Weideun- terstand, in welchem sie bei Wind und Wetter Schutz suchen können. Für das Verwaltungsgericht steht im Übrigen auch fest, dass das vom Haflinger-Zuchtverband angestrebte Zuchtziel (Methode der Rein- zucht und der gezielten Paarung) mit Robusthaltung gar nicht er- reichbar ist; im Betriebskonzept wird denn auch darauf verwiesen, dass die vom Beschwerdeführer geplanten baulichen Anpassungen und Anlagen "eine Bedingung für die tier- und rassenkonforme Auf- zucht und Haltung der Pferde" sind. Demzufolge ist das Bauvorha- ben auch nicht gestützt auf Art. 24 RPG bewilligungsfähig.
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AG_VG_001
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AG_VG_001_AGVE-2003-52_2003-05-03
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2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 230 35 Sozialhilfe; Erwerbsunkosten Die Erwerbsunkostenpauschale gemäss § 21 Abs. 1 SPV darf nicht mit speziellen Verkehrsauslagen (Arbeitswegkosten) verrechnet werden. Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 30. Juni 2015 in Sachen A. gegen Gemeinde B. und DGS (WBE.2015.91). Aus den Erwägungen 2.2. (...) Die Pauschale für allgemeine Erwerbsunkosten wird nach Massgabe des Arbeitspensums gewährt. Bei einer Vollzeitbeschäfti- gung beträgt sie Fr. 300.00 pro Monat (§ 21 Abs. 1 SPV). Diese Be- stimmung geht auf § 24 Abs. 1 lit. b SPG zurück, wonach der Regie- rungsrat Massnahmen beschliessen kann, die Anreiz zur wirtschaftli- chen Verselbstständigung schaffen, wie insbesondere die Ausrichtung von zusätzlichen finanziellen Beiträgen an unterstützte Personen, die dazu beitragen, dass sie weniger Sozialhilfe beziehen. In der Botschaft hält der Regierungsrat zu § 24 SPG fest, die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für die Einführung eines An- reizsystems sei angezeigt. Die Gewährung von Anreizen solle dabei nicht dem Ermessen der rechtsanwendenden Behörde unterliegen (Botschaft des Regierungsrates des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 30. Juni 1999, Bericht und Entwurf zur 1. Beratung, GR.99.226, S. 28). Auch die SKOS-Richtlinien und das Handbuch Sozialhilfe se- hen in der Erwerbsunkostenpauschale ein Instrument zur Schaffung von Anreizen und insbesondere zur Abgeltung von erhöhten Haus- haltskosten aufgrund einer Erwerbstätigkeit (Handbuch Sozialhilfe des Kantonalen Sozialdienstes, 4. Auflage, 2003, Kapitel 5, S. 47; SKOS-Richtlinien, Kap. C.3). 2015 Sozialhilfe 231 2.3. (...) Der Sozialausschuss der Gemeinde B. verrechnet im vorliegen- den Fall die allgemeine Erwerbsunkostenpauschale vollumfänglich mit den Kosten für den Arbeitsweg. Dadurch entfallen im Budget der Beschwerdeführerin sowohl der Anreiz wie auch die pauschalierte Entschädigung für die erhöhten Haushaltskosten, welche beim Nach- gehen einer Erwerbstätigkeit anfallen. Eine solche Berechnung widerspricht dem Sinn von § 24 Abs. 1 lit. b SPG (siehe vorne Erw. 2.2) und führt ausserdem zu einer Ungleichbehandlung von So- zialhilfe beziehenden Personen, die aufgrund ihrer Erwerbstätigkeit spezielle Mehrkosten ausweisen, und Sozialhilfe beziehenden Perso- nen, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen, ohne spezielle Erwerbs- unkosten auszuweisen. Der (Anm.: von der Vorinstanz) angeführte Verwaltungsgerichtsentscheid (Anm.: VGE III/128 vom 19. Novem- ber 2013 [WBE.2013.397]) ist deshalb insofern zu präzisieren, als die allgemeine Erwerbsunkostenpauschale einzig ein Anreizmittel darstellt und erhöhte Haushaltskosten pauschal abgilt. Spezielle Erwerbsunkosten sind zusätzlich zu vergüten und können mit der Erwerbsunkostenpauschale nicht verrechnet werden.
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AG_VG_001
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AG_VG_001_AGVE-2015-35_2015-06-03
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2013 Migrationsrecht 115 IV. Migrationsrecht 21 Ausschaffungshaft; Haftgrund; Papierbeschaffung i.S. von Art. 77 Abs. 1 lit. c AuG Für die Anordnung einer Ausschaffungshaft gestützt auf Art. 77 AuG muss nicht in jeden Fall ein Ersatzreisepapier vorliegen. Wurde die Aus- stellung eines Ersatzreisepapiers aufgrund behördlicher Bemühungen zugesichert und kann dieses jederzeit zwecks Ausschaffung des Betroffe- nen abgerufen werden, ist die Voraussetzung von Art. 77 Abs. 1 lit. c AuG erfüllt. Aus dem Entscheid des Einzelrichters des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 24. Januar 2013 in Sachen Amt für Migration und Integration gegen A. (WPR.2013.15). Aus den Erwägungen 3.2. (...) Hinsichtlich der Voraussetzung, dass die Behörde die Reisepa- piere beschaffen musste (Art. 77 Abs. 1 lit. c AuG), ist Folgendes festzuhalten: Das MIKA ersuchte das BFM am 5. März 2012 um Vollzugsunterstützung, worauf im Auftrag des BFM am 30. Juli 2012 ein Gespräch mit einem Experten zur Herkunftsabklärung des Ge- suchsgegners stattfand. Das BFM bat die tunesische Botschaft in der Folge am 18. September 2012 ein Ersatzreisepapier für den Gesuchs- gegner auszustellen. Am 26. November 2012 wurde der Gesuchsgeg- ner als tunesischer Staatsangehöriger anerkannt und die tunesische Botschaft sicherte die Ausstellung eines Ersatzreisepapiers für den Gesuchsgegner zu. Gemäss Mitteilung des BFM vom 4. Dezember 2012 werde das Reisepapier nach Erhalt der Flugbuchung direkt an swissREPAT weitergeleitet. Zwar liegt nach dem Gesagten noch kein 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 116 Reisepapier vor. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Voraussetzung der behördlichen Papierbeschaffung nicht erfüllt wäre. Wie bereits mit Entscheid des RGAR vom 31. Oktober 2008 (1-HA.2008.112), Erw. 3.2, festgehalten, muss ein Ersatzreisepapier für die Anordnung einer Ausschaffungshaft gestützt auf Art. 77 AuG nicht in jeden Fall vorliegen. Wurde die Ausstellung eines Ersatzreisepapiers aufgrund behördlicher Bemühungen zugesichert und kann dieses jederzeit zwecks Ausschaffung des Betroffenen abgerufen werden, ist die Vor- aussetzung von Art. 77 Abs. 1 lit. c AuG erfüllt. Dies ist vorliegend der Fall. Daran ändert auch nichts, dass die Ausstellung des Ersatzreisepapiers offenbar von der Flugbuchung bis zum 4. März 2013 abhängig ist und die entsprechenden Flugdaten dem BFM min- destens drei Wochen vor Abflug übermittelt werden müssen, da nichts darauf hindeutet, dass es bezüglich Flugbuchung zu Proble- men kommen könnte.
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2017 Vollstreckung 245 XI. Vollstreckung 43 Vollstreckung - Ein Vollstreckungsentscheid wird im verwaltungsgerichtlichen Be- schwerdeverfahren aufgehoben, wenn ausnahmsweise ein Anspruch auf Wiederwägung des Sachentscheids wegen wesentlich veränderter Verhältnisse besteht. - Wurde in der Vollstreckungsverfügung zugleich auf ein Wiedererwä- gungsgesuch nicht eingetreten, obwohl ein Anspruch auf Wiederer- wägung besteht, hebt das Verwaltungsgericht den Nichteintretens- entscheid im Beschwerdeverfahren gegen den Vollstreckungsent- scheid von Amtes wegen auf. Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 28. August 2017, i.S. A. gegen Gemeinderat B. (WBE.2017.218) Aus den Erwägungen I. 1.-2. (...) 3. 3.1. Im Beschwerdeverfahren gegen Vollstreckungsentscheide hat das Verwaltungsgericht zu prüfen, ob eine formell genügende, insbe- sondere rechtskräftige Verfügung vorhanden ist und deren Grenzen eingehalten wurden bzw. ob die Vollstreckung sachlich oder hinsicht- lich ihres Konkretisierungsgehalts über die zu vollstreckende Anord- nung hinausgeht (vgl. AGVE 1988, S. 421 ff. mit Hinweisen). Im Vollstreckungsverfahren wird aber die der Vollstreckung zugrunde liegende Sachverfügung, in der über Bestand und Nichtbestand öffentlicher Rechte und Pflichten entschieden wurde, nicht mehr neu beurteilt (T OBIAS J AAG , in: A LAIN G RIFFEL [Hrsg.], Kommentar 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 246 zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 3. Auflage, Zürich 2014, § 30 N 80). Ein materieller Entscheid wie bspw. die Abänderung oder Erteilung einer Baubewilligung ist im Beschwerde- verfahren gegen einen Vollstreckungsentscheid daher ausgeschlos- sen. Ob ein hinreichender Vollstreckungstitel vorliegt, ist eine Frage der materiellen Beurteilung. 3.2. Soweit beantragt wird, es sei bei Gebäude Nrn. 8 und 952 wie- dererwägungsweise von einer Anschlusspflicht abzusehen, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Zum einen ist das Verwaltungsgericht für eine Wiedererwägung des gemeinderätlichen Entscheids nicht zuständig (vgl. § 39 VRPG; hinten Erw. II/3.3) und zum andern ist - wie ausgeführt - eine materielle Beurteilung im Beschwerdever- fahren gegen Vollstreckungsentscheide ausgeschlossen. 3.3. Was den Entscheid über das Wiedererwägungsgesuch anbe- langt, ist das Verwaltungsgericht für die Überprüfung im Be- schwerdeverfahren nicht zuständig (vgl. § 39 VRPG; § 61 Abs. 1 BauV). Entsprechend § 39 Abs. 1 VRPG kann die erstinstanzlich zu- ständige Behörde ihren Entscheid in Wiedererwägung ziehen und steht es grundsätzlich in ihrem Ermessen, ob sie ihren ersten Ent- scheid in Wiedererwägung zieht oder nicht (vgl. VGE vom 27. September 2016 [WBE.2016.360], Erw. II/1.4; M ICHAEL M ERKER , Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, Kom- mentar zu den §§ 38-72 [a]VRPG, Zürich 1998, § 45 N 49 f.). Damit steht ein Nichteintreten der zuständigen Behörde auf ein Wiederer- wägungsgesuch der Vollstreckbarkeit der Sachverfügung grundsätz- lich nicht entgegen. Anders verhält es sich in jenen Fällen, wo aus- nahmsweise ein Anspruch auf Prüfung eines Wiederwägungsgesuchs besteht: Nach Lehre und Rechtsprechung besteht ein Rechtsanspruch darauf, dass auf ein Wiedererwägungsgesuch eingetreten und dieses materiell geprüft wird, wenn sich der rechtserhebliche Sachverhalt seit dem ursprünglichen Entscheid bzw. dem Entscheid der Rechtsmittelinstanz in wesentlicher Weise verändert hat. Dieser An- 2017 Vollstreckung 247 spruch wird aus Art. 29 BV abgeleitet (vgl. BGE 136 II 177, Erw. 2; Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. November 2014 [E-2357/2014], Erw. 3.2.2 und vom 16. März 2010 [A-6381/2009], Erw. 3.4; A LFRED K ÖLZ /I SABELLE H ÄNER /M ARTIN B ERTSCHI , Ver- waltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 3. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2013, Rz. 735, 742; U LRICH H ÄFELIN /G EORG M ÜLLER /F ELIX U HLMANN , Allgemeines Verwal- tungsrecht, 7. Auflage, Zürich/St. Gallen 2016, Rz. 1274). Beim Vor- liegen eines Wiedererwägungsgesuchs, mit welchem wesentlich veränderte Verhältnisse geltend gemacht und dargelegt werden, ist im Beschwerdeverfahren gegen Vollstreckungsentscheide vorfrageweise zu prüfen, ob die entscheidende bzw. vollstreckende Behörde (vgl. § 77 Abs. 1 VRPG) vorweg darüber materiell zu entscheiden hat. Wurde in der angefochtenen Vollstreckungsverfügung zugleich auf ein Wiedererwägungsgesuch nicht eingetreten, hebt das Verwal- tungsgericht diesen Nichteintretensentscheid von Amtes wegen auf, wenn ausnahmsweise ein Anspruch auf eine materielle Überprüfung des Gesuchs besteht. 4. (...) II. 1. Der Beschwerdeführer macht geltend, aufgrund wesentlich veränderter Verhältnisse bestehe ein Anspruch auf Wiedererwägung, weshalb die Sachverfügung nicht vollstreckt werden könne. Im Zeit- punkt der verfügten Anschlusspflicht habe der Beschwerdeführer über eine landwirtschaftliche Nutzfläche von 35,8 ha verfügt. Mit dem Abschluss neuer langfristiger Pachtverträge habe sie sich inzwi- schen um 8,45 ha vergrössert. Damit habe sich der zugrunde liegende Sachverhalt seit der Verfügung vom 3. März 2014 bzw. des Be- schwerdeentscheids vom 2. Juli 2014 massgeblich und entscheidrele- vant geändert. Mit der vergrösserten Nutzfläche sei der Beschwerde- führer für das Ausbringen des Hofdüngers nicht mehr auf Abnahme- verträge angewiesen; dessen Verwertung auf dem eigenen und ge- pachteten Land sei sichergestellt (vgl. Bestätigung des Landwirt- schaftlichen Zentrums Liebegg vom 18. November 2016). Auf dem Landwirtschaftsbetrieb würden deutlich über acht Düngergross- 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 248 vieheinheiten gehalten (vgl. Nährstoffbilanz, AGRIDEA Nach- weis.Plus) und die Lagerkapazitäten hätten sich gegenüber dem Jahre 2014 nicht verändert. Damit erfülle der Betrieb des Beschwerdefüh- rers die Voraussetzungen von Art. 12 Abs. 4 GschG und sei von der Anschlusspflicht gemäss Art. 11 GschG befreit. Der Gemeinderat sei zu Unrecht und aufgrund finanzpolitischer Überlegungen nicht auf das Wiedererwägungsgesuch eingetreten. 2. Der Gemeinderat führt aus, entsprechend der generellen Entwässerungsplanung der Gemeinde B. sei der Weiler C. an die Kanalisation anzuschliessen. Diese Massnahme sei in den Jahren 2013/14 umgesetzt worden. Gegenüber vier Grundeigentümern, da- runter der Beschwerdeführer, sei die Anschlusspflicht verfügt wor- den. Die übrigen Kanalisationsanschlüsse seien erstellt und die An- schlussgebühren bezahlt. Mit Entscheid vom 2. Juli 2014 habe das BVU die Beschwerde des Beschwerdeführers abgewiesen. Darauf habe dieser am 11. September 2014 ein Gesuch um Fristverlängerung von 24 Mo- naten gestellt. Diesem sei zugestimmt und festgehalten worden, die Hausanschlüsse müssten bis 1. Oktober 2016 ausgeführt sein. Weitere Grundeigentümer hätten sich bereits erkundigt, weshalb der "alt Gemeindeammann" (der Beschwerdeführer) nicht sämtliche Liegenschaften an die neu erstellte Kanalisationsleitung anschliessen müsse. Am 18. September 2016 habe der Beschwerdeführer ein Wie- dererwägungsgesuch gestellt. Dieses sei mit Schreiben vom 29. September 2016 zurückgewiesen und eine letzte Frist bis 23. Dezember 2016 zur Erstellung des Hausanschlusses und Bezah- lung der Anschlussgebühren gewährt worden. Mit Eingabe vom 5. Dezember 2016 habe der Beschwerdeführer, vertreten durch den Schweizer Bauernverband (Agriexpert), darum ersucht, den Ent- scheid über die Anschlusspflicht in Wiedererwägung zu ziehen und davon abzusehen. Darauf sei der Gemeinderat im angefochtenen Entscheid nicht eingetreten. Die Anschlusspflicht sei rechtskräftig verfügt und mit dem Ge- such um Fristverlängerung vom 11. September 2014 habe der Be- schwerdeführer zugesagt, den Kanalisationsanschluss innert 24 Mo- 2017 Vollstreckung 249 naten zu erstellen. Die übrigen betroffenen Grundeigentümer hätten die Anschlüsse fristgerecht erstellt und die Gebühren entrichtet. Ein Verzicht auf die Hausanschlüsse des Beschwerdeführers wäre wider Treu und Glauben. Der Gemeinderat befürchtet eine negative Präjudizierung bezüglich der Grundeigentümer der C. sowie weiterer Betriebe, welche entsprechend der generellen Entwässerungsplanung an die Kanalisation anzuschliessen seien. 3. 3.1. Der Beschwerdeführer macht zur Anschlusspflicht der Gebäude Nrn. 8 und 952 veränderte Verhältnisse geltend. Bei diesen Bauten handelt es sich entsprechend den Ausführungen in der Beschwerde um das Wohnhaus des Betriebsleiters (Nr. 8) sowie das "Stöckli" (Nr. 952). Dieses soll im Laufe des Jahres 2018 vom Beschwerdefüh- rer bewohnt werden, wenn dessen Sohn die Betriebsleitung über- nimmt. Das Gehöft befindet sich in der Weilerzone C., welche der Landwirtschaftszone überlagert ist und für welche deren Vorschriften gelten, soweit nichts anderes festgelegt ist (vgl. § 35 Abs. 1 BNO). 3.2. Das BVU hat im Beschwerdeentscheid über die Anschluss- pflicht erwogen, entlang der Strasse C. bis zur Einmündung der Er- schliessung von Gebäude Nr. 6 sei eine Abwasserleitung erstellt. Un- ter den gegebenen Umständen sei Art. 11 Abs. 2 lit. b GschG einschlägig und "mangels Privilegierung" seien die umstrittenen Ge- bäude des Beschwerdeführers an die Kanalisation anzuschliessen. Unter "Sonderfall" wurde vorgängig ausgeführt, der Beschwerdefüh- rer weise nur eine ausgeglichene Düngerbilanz auf, da er Hofdünger auf fremden Grundstücken ausbringe. Diese Verwertung mittels Düngerabnahmeverträgen sei zwar im Lichte von Art. 14 GschG nicht zu beanstanden, vermöge aber den Anforderungen von Art. 12 Abs. 4 lit. b GSchG nicht zu genügen. Damit sei die Verwertung des häuslichen Abwassers im Sinne der Anforderungen auf der eigenen und gepachteten Nutzfläche nicht sichergestellt. Ob die Privilegie- rung auch aufgrund der Nutzung einzelner Gebäude entfalle, liess das BVU in seinem Beschwerdeentscheid offen. 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 250 3.3. Gemäss § 39 Abs. 1 VRPG können Entscheide durch die erstin- stanzlich zuständige Behörde in Wiedererwägung gezogen werden: im Fall der Anfechtung bis zur Erstattung ihrer Vernehmlassung, nach der Vernehmlassung nur noch mit Zustimmung der Beschwer- deinstanz. Liegt ein Rechtsmittelentscheid vor, ist die Wiedererwä- gung nur zulässig, wenn sich der dem rechtskräftigen Entscheid zu- grunde liegende Sachverhalt oder die Rechtslage erheblich und ent- scheidrelevant geändert hat (Abs. 2). Auch in den Fällen nach Abs. 2 bleibt für die Wiedererwägung nach dem Willen des Gesetzgebers die erstinstanzliche Behörde zuständig; Rechtsmittelinstanzen kön- nen ihren Entscheid nicht in Wiedererwägung ziehen (vgl. Botschaft des Regierungsrats des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 14. Februar 2007, VRPG, Bericht und Entwurf zur 1. Beratung, 07.27, S. 51; M ERKER , a.a.O., § 45 N 49). Ein Anspruch auf Eintreten auf ein Wiedererwägungsgesuch ergibt sich aus Art. 29 BV, wenn sich die Umstände seit dem ersten Entscheid wesentlich geändert haben. Dieser Anspruch betrifft im Unterschied zur Wiederaufnahme gemäss §§ 65 ff. VRPG die nach- trägliche Fehlerhaftigkeit einer Verfügung. Liegt ein Beschwerdeent- scheid gemäss § 39 Abs. 2 VRPG vor und ersuchen die Verfügungs- betroffenen um Wiedererwägung der Verfügung wegen wesentlich veränderter Verhältnisse, so ist die Behörde zur Behandlung des Gesuchs verpflichtet, wenn diese Veränderungen dargelegt werden (vgl. vorne Erw. I/3.3; K ÖLZ /H ÄNER /B ERTSCHI , a.a.O., Rz. 735, 742; H ÄFELIN /M ÜLLER /U HLMANN , a.a.O., Rz. 1274). Der Beschwerdeführer macht Veränderungen in der Aus- bringungsfläche für Hofdünger geltend und legt entsprechende Pachtverträge vor. Das Landwirtschaftliche Zentrum Liebegg bestä- tigte im Schreiben vom 18. November 2016, aufgrund der zuge- pachteten Nutzflächen bzw. entsprechend der Nährstoffbilanz 2016 müsse kein Hofdünger mehr weggeführt werden. Damit werden im Hinblick auf die Anschlusspflicht gemäss Art. 11 f. GSchG wesent- lich veränderte Verhältnisse geltend gemacht und dargelegt. Diese können mit Blick auf die Begründung im Beschwerdeentscheid des BVU, welche auf eine zu geringe Nutzfläche abstellte, im heutigen 2017 Vollstreckung 251 Zeitpunkt zu einer anderen Beurteilung führen (vgl. vorne Erw. 3.2). Unter diesen Umständen besteht ausnahmsweise ein Anspruch auf Prüfung des Wiedererwägungsgesuchs. Dieser Anspruch steht der Vollstreckbarkeit des Sachentscheids entgegen. 3.4. Die vom Gemeinderat angerufenen Grundsätze von Treu und Glauben (Art. 9 BV; § 4 VRPG) bzw. der Rechtsgleichheit (Art. 8 BV; § 3 VRPG) können zu keiner abweichenden Beurteilung führen. Ein widersprüchliches Verhalten des Beschwerdeführers kann aus dem Fristverlängerungsgesuch vom 11. September 2014 nicht abge- leitet werden. Im Übrigen ist nicht erkennbar, inwieweit die Prüfung des Wiedererwägungsgesuchs (ungünstig) präjudizierende Aus- wirkungen auf anschlusspflichtige Grundeigentümer haben könnte. 3.5. Der Gemeinderat hat das Wiedererwägungsgesuch zu prüfen. Der Entscheid darüber unterliegt dem ordentlichen Rechtsmittelweg, d.h. der Beschwerde an das BVU (vgl. § 61 Abs. 1 BauV). 4. Zusammenfassend erweist sich das Vorbringen des Beschwerdeführers als begründet. In teilweiser Gutheissung der Be- schwerde werden die angefochtenen Vollstreckungsanordnungen auf- gehoben. Die Aufhebung des Nichteintretens auf das Wiedererwä- gungsgesuch erfolgt von Amtes wegen. Die Angelegenheit wird zur Prüfung des Wiedererwägungsgesuchs an den Gemeinderat zurück- gewiesen. Im Übrigen wird auf die Beschwerde nicht eingetreten.
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AG_VG_001
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2015 Fürsorgerische Unterbringung 85 II. Fürsorgerische Unterbringung 11 Art. 437 Abs. 1, 446 und 447 ZGB; §§ 67k ff. EG ZGB Der in Art. 437 Abs. 1 ZGB enthaltene Vorbehalt zugunsten des kantona- len Rechts, wonach die Kantone die Nachbetreuung (im Anschluss an die Entlassung aus der fürsorgerischen Unterbringung) regeln, bezieht sich auch auf das Verfahrensrecht. Die §§ 67k ff. EG ZGB regeln indes das Verfahren zur Anordnung von Nachbetreuungsmassnahmen nur punk- tuell. Die Lücken sind mit den Vorschriften in Art. 440 ff. ZGB für das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde zu füllen. Insbesondere ist Art. 447 ZGB analog anwendbar. Das bedeutet, dass die betroffene Per- son vor Erlass einer Nachbetreuungsmassnahme grundsätzlich persönlich angehört werden muss. Die Anhörung hat in der Regel - wie bei der für- sorgerischen Unterbringung - vor dem Kollegium des Spruchkörpers des zuständigen Familiengerichts stattzufinden. Im Weiteren ist ein Gutach- ten zur Frage der Notwendigkeit ambulanter psychiatrischer/medizini- scher Massnahmen einzuholen, wenn noch kein aktuelles Gutachten dazu vorliegt und dem Spruchkörper des Familiengerichts keine psychiatrisch/ medizinisch geschulte Fachperson angehört. Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 9. Juli 2015, i.S. A. gegen den Entscheid des Familiengerichts B. (WBE.2015.278). Aus den Erwägungen II. 2. 2.1. Der in Art. 437 Abs. 1 ZGB für die Regelung der Nachbetreu- ung enthaltene Vorbehalt zugunsten des kantonalen Rechts (vgl. die Botschaft Nr. 06.063 zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetz- buches, Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht, vom 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 86 28. Juni 2006, nachfolgend: Botschaft Erwachsenenschutz, in: BBl, 2006, S. 7001 ff., S. 7071) bezieht sich auch auf das Verfahrensrecht. Die Kantone können deshalb das Verfahren zur Anordnung von Massnahmen der Nachbetreuung selbständig regeln, wobei rechtsstaatliche Grundsätze zu beachten sind (T HOMAS G EISER /M ARIO E TZENSBERGER , in: Basler Kommentar, Erwachsen- enschutz, Basel 2012, Art. 437 N 12). Die Art. 440 ff. ZGB betref- fend das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind nicht direkt anwendbar. Allerdings drängt sich eine analoge Anwendung, namentlich der in Art. 446 und Art. 447 ZGB verankerten Verfahrensgrundsätze dann auf, wenn Nachbetreuungsmassnahmen von den Familiengerichten als Erwachsenenschutzbehörde angeord- net werden und das kantonale Recht in verfahrensrechtlicher Hin- sicht lückenhaft ist. Die §§ 67k ff. EG ZGB regeln das Verfahren zur Anordnung von Nachbetreuungsmassnahmen nur punktuell, also nicht umfassend und vollständig, wohl auch mit Blick darauf, dass die Art. 440 ff. ZGB passende Regelungen für alle Arten von Verfah- ren vor der Erwachsenenschutzbehörde beinhalten, die im Bereich der Anordnung von Nachbetreuungsmassnahmen ohne weiteres über- nommen werden können. Ausserdem enthält § 64a EG ZGB einen ausdrücklichen Verweis auf Art. 447 ZGB. 2.2. 2.2.1. Nach Art. 446 ZGB erforscht die Erwachsenenschutzbehörde den Sachverhalt von Amtes wegen (Abs. 1). Sie zieht die erforderli- chen Erkundigungen ein und erhebt die notwendigen Beweise. Sie kann eine geeignete Person oder Stelle mit Abklärungen beauftragen. Nötigenfalls ordnet sie das Gutachten einer sachverständigen Person an (Abs. 2). Sie ist nicht an die Anträge der am Verfahren beteiligten Personen gebunden (Abs. 3) und wendet das Recht von Amtes wegen an (Abs. 4). Die betroffene Person wird gemäss Art. 447 ZGB persönlich angehört, soweit dies nicht als unverhältnismässig er- scheint (Abs. 1). Im Fall einer fürsorgerischen Unterbringung hört die Erwachsenenschutzbehörde die betroffene Person in der Regel im Kollegium an (Abs. 2). 2.2.2. 2015 Fürsorgerische Unterbringung 87 Ein erstes wichtiges Mittel der Sachverhaltserhebung sind Aus- künfte der Beteiligten. Die Behörde kann solche Auskünfte schrift- lich einholen, sich die nötigen Informationen aber auch durch münd- liche Befragungen verschaffen. Abklärungen in Form von persönli- chen Befragungen haben den Vorteil, dass sie unter Umständen ein differenzierteres Bild über bestimmte Sachverhaltselemente vermit- teln. Zudem gewinnt die Behörde einen unmittelbaren, persönlichen Eindruck von der befragten Person und deren Einstellung. Persönli- che Befragungen sind vor allem dort nützlich, wo ein auch persönli- che Aspekte umfassendes Bild einer Person oder Situation erhoben werden muss (C HRISTOPH A UER /M ICHLE M ARTI , in: Basler Kom- mentar, Zivilgesetzbuch I, Art. 1-456 ZGB, 5. Auflage, Basel 2014, Art. 446 N 11). Gesetzlich vorgeschrieben ist, wie gesehen, eine persönliche mündliche Anhörung der betroffenen Person; vorbehalten sind Fälle, in denen eine solche Anhörung unverhältnismässig wäre (Art. 447 ZGB). Die persönliche Anhörung verfolgt - wie der Anspruch auf rechtliches Gehör - zwei Ziele: Zum einen stellt sie ein Mitwir- kungsrecht der betroffenen Person dar. Zum anderen bildet sie ein Mittel zur Sachverhaltsabklärung. Das Mitwirkungsrecht ist umfas- send: Der betroffenen Person ist im Rahmen der persönlichen Anhö- rung nicht nur in allgemeiner Form von der in Aussicht genommenen Massnahme Kenntnis zu geben. Vielmehr sind ihr sämtliche Einzel- tatsachen bekannt zu geben, auf die sich die Kindes- und Erwachse- nenschutzbehörde bei ihrem Entscheid stützen will. Soweit die An- hörung der Sachverhaltsfeststellung dient, kann auf sie nicht verzich- tet werden, selbst wenn sich die betroffene Person widersetzen sollte. Die Behörde hat sich anhand der persönlichen Anhörung einen umfassenden Eindruck von den Zukunftsaussichten und der jüngeren Vergangenheit der betroffenen Person zu verschaffen, der ihr mit Blick auf die Geeignetheit, die Notwendigkeit und die Angemessen- heit der Massnahme als Entscheidungsgrundlage dient (A UER /M AR - TI , a.a.O., Art. 447 N 4 ff.). Nachdem die betroffene Person grundsätzlich vom Kollegium des Spruchkörpers anzuhören ist, wenn eine fürsorgerische Unter- bringung zur Debatte steht (Art. 447 Abs. 2 ZGB), während im An- 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 88 wendungsbereich von Art. 447 Abs. 1 ZGB (das betrifft die anderen im ZGB vorgesehenen Erwachsenenschutzmassnahmen) die Anhö- rung der betroffenen Person durch ein Einzelmitglied der Behörde erfolgen oder - unter bestimmten Umständen - sogar an eine geeig- nete Drittperson delegiert werden kann (A UER /M ARTI , a.a.O., Art. 447 N 16 ff.), stellt sich die Frage, was insoweit im Verfahren zur Anordnung von Nachbetreuungsmassnahmen gilt. Unter Ge- sichtspunkten der Gesetzessystematik gehören Nachbetreuungsmass- nahmen ganz klar zu den therapeutischen/medizinischen Massnah- men, die im Rahmen einer bzw. im Nachgang zu einer fürsorgeri- schen Unterbringung angeordnet werden. Art. 437 ZGB ist im dritten Abschnitt (Die fürsorgerische Unterbringung) des 11. Titels (Die be- hördlichen Massnahmen) der dritten Abteilung (Der Erwachsenen- schutz) des ZGB angesiedelt. Thematisch besteht ebenfalls ein enger Sachzusammenhang zwischen den beiden Varianten der fürsorgeri- schen Unterbringung (Unterbringung zur Behandlung und Betreu- ung, Zurückbehaltung freiwillig Eingetretener) auf der einen Seite und der Nachbetreuung sowie den ambulanten Massnahmen (Art. 437 Abs. 2 ZGB) auf der anderen Seite. All diesen Massnahmen ist das Folgende gemeinsam: Sie dienen der (medizinischen/psychia- trischen/psychologischen/pflegerischen) Behandlung und/oder Be- treuung von Personen, die sich diese Behandlung und/oder Betreu- ung wegen eines (in Art. 426 Abs. 1 ZGB angeführten) Schwächezu- standes nicht bzw. nicht in genügendem Masse selbst angedeihen las- sen können, das eine Mal innerhalb, das andere Mal ausserhalb einer Einrichtung. Sinn und Zweck der in Art. 447 Abs. 2 ZGB vorge- schriebenen Anhörung im Kollegium ist die Wahrung des Unmittel- barkeitsprinzips, welchem der Gesetzgeber bei der Anordnung einer fürsorgerischen Unterbringung ein hohes Gewicht beimisst, was auch mit dem Erfordernis der Interdisziplinarität zusammenhängt. Indem das ZGB eine interdisziplinäre Zusammensetzung der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde verlangt, gewährleistet es mit dem Gebot der Anhörung im Kollegium eine Wahrnehmung durch Entscheidträ- ger verschiedener Fachrichtungen (A UER /M ARTI , a.a.O., Art. 447 N 33). Diese sollen sich einen eigenen persönlichen Eindruck von der betroffenen Person verschaffen können, wenn es deren ge- 2015 Fürsorgerische Unterbringung 89 sundheitliche und soziale Situation zu beurteilen gilt und eine so ein- schneidende Massnahme wie die fürsorgerische Unterbringung in Erwägung gezogen wird. Ambulante Massnahmen (der Nachbetreu- ung) sind zwar in der Regel - je nach Geltungsdauer - weniger einschneidend als die Unterbringung in einer Einrichtung, doch er- fordern auch sie eine umfassende Würdigung der gesundheitlichen und sozialen Umstände der betroffenen Person. In der Praxis ist nicht immer von Beginn weg klar, welche Massnahme im konkreten Ein- zelfall ergriffen bzw. beibehalten werden muss. Vielmehr muss regel- mässig zwischen der Unterbringung in einer Einrichtung und ambu- lanten Massnahmen (der Nachbetreuung) abgewogen werden. Es erscheint daher nur sachgerecht, die beiden eng miteinander ver- wandten Massnahmen den gleichen Verfahrensbestimmungen zu unterwerfen und Art. 447 Abs. 2 ZGB auch in Verfahren zur Anord- nung von Nachbetreuungsmassnahmen und anderen ambulanten Massnahmen analog anzuwenden, so dass die betroffene Person vom gesamten, aus verschiedenen Fachrichtungen zusammengesetzten Spruchkörper angehört werden muss. Ausnahmsweise kann darauf verzichtet und die Anhörung durch ein einzelnes Behördenmitglied durchgeführt werden, wenn Gefahr in Verzug ist, wenn sich die betroffene Person weigert, einer Vorla- dung Folge zu leisten, oder wenn die Anhörung durch den gesamten Spruchkörper wegen der Krankheit oder anderen persönlichkeitsbe- dingten Gründen seitens der betroffenen Person nicht geboten ist. Von einer Anhörung durch den gesamten Spruchkörper kann ferner Umgang genommen werden, wenn dem Grundsatz der Interdiszipli- narität nicht entscheidendes Gewicht zukommt. Liegt beispielsweise im Verfahren vor der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde bereits ein schlüssiges psychiatrisches oder sozial-psychologisches Gutach- ten vor, kann es sich rechtfertigen, dass die persönliche Anhörung einzig durch das Behördenmitglied mit juristischem Sachverstand durchgeführt wird (A UER /M ARTI , a.a.O., Art. 447 N 35; vgl. auch die Botschaft Erwachsenenschutz, S. 7079). Schliesslich ist denkbar, vor der Anordnung von Nachbetreuungsmassnahmen von einer Anhö- rung im Kollegium abzusehen, wenn das gleiche Kollegium die be- troffene Person schon einmal angehört hat, zum Beispiel beim Ent- 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 90 scheid über die fürsorgerische Unterbringung oder die Verlängerung einer solchen. Die Zeitspanne zwischen der letzten Anhörung und dem Nachbetreuungsentscheid müsste jedoch relativ kurz bemessen sein und es müsste zweifelsfrei feststehen, dass sich in der Zwischen- zeit keine neuen Aspekte ergeben haben, die für den Nach- betreuungsentscheid relevant sind (vgl. auch AGVE 2013, S. 95 ff.). 2.2.3. Ein Sachverständigengutachten ist anzuordnen, wenn der Kin- des- und Erwachsenenschutzbehörde das nötige Fachwissen fehlt, um über eine zur Diskussion stehende Massnahme zu entscheiden. Erforderlich wird die Konsultation von externem Fachwissen vor allem bei fürsorgerischen Unterbringungen oder Einschränkungen der Handlungsfähigkeit wegen einer psychischen Störung oder einer geistigen Behinderung, aber wohl auch bei ambulanten Massnahmen zur Behandlung einer psychischen Störung. Die Kindes- und Er- wachsenenschutzbehörde muss jedoch in diesen Fällen nicht stets und automatisch ein Expertengutachten einholen. Sie kann darauf verzichten, wenn sie zum Beispiel einen Arzt mit genügenden Fach- kenntnissen in Psychiatrie im Spruchkörper hat (vgl. A UER /M ARTI , a.a.O., Art. 446 N 19). Ein aus einem Juristen, einem diplomierten Sozialarbeiter HSA und einem Fachpsychologen für Psychotherapie FSP mit einem lic.phil.-Abschluss und einem Master of Advanced Studies in Psychotherapy zusammengesetzter Spruchkörper genügt hingegen nicht, um ohne Gutachten über die Fortsetzung einer für- sorgerischen Unterbringung oder ambulante psychiatrische/medizi- nische Massnahmen zu entscheiden (vgl. das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern vom 10. November 2014 [KES 14 709], publiziert in: CAN, Zeitschrift für kantonale Rechtsprechung, Heft 1/2015, S. 23 ff., Erw. 3.2.2). Mit Rücksicht auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung im Bereich der Unterbringung in eine Einrichtung muss sich der Experte in seinem Gutachten betreffend die Notwen- digkeit ambulanter psychiatrischer/medizinischer Massnahmen zum Gesundheitszustand der betroffenen Person äussern und aufzeigen, inwiefern allfällige psychische Störungen das Leben oder die körper- liche Integrität der betroffenen Person oder Dritter gefährden könn- ten, sowie ob diesem Umstand mit Behandlung begegnet werden 2015 Fürsorgerische Unterbringung 91 muss. Sofern dies der Fall ist, hat der Gutachter zu präzisieren, wel- ches die konkreten Risiken für das Leben oder die Gesundheit der betroffenen Person sowie Dritter wären, wenn die empfohlene Be- handlung nicht erfolgen würde. Er muss weiter darlegen, ob die nöti- ge Behandlung mit der vorgesehenen Massnahme gewährleistet wer- den kann. Im Gutachten ist auch festzuhalten, ob sich die betroffene Person ihrer Krankheit und ihres Behandlungsbedarfs bewusst ist. Ein Gutachten ohne diese Angaben wird vom Bundesgericht als un- vollständig erachtet (Urteil des Bundesgerichts vom 17. Januar 2014 [5A_872/2013], Erw. 6.2.2 = [Pra 104/2015], S. 27 f., mit Hinweisen auf weitere publizierte Entscheide). Ausserdem muss das Gutachten einigermassen aktuell sein, wofür entscheidend ist, ob Gewähr dafür besteht, dass sich die Ausgangslage seit der Erstellung des Gutachtens nicht verändert hat. Unveränderte Verhältnisse sind dabei nur mit Zurückhaltung anzunehmen. Andererseits sind auch unnötige und kostspielige prozessuale Leerläufe zu vermeiden. Obwohl die seit dem letzten Gutachten verstrichene Zeit für sich allein nicht ausschlaggebend ist, ist doch zu berücksichtigen, dass aufgrund der Behandlung die Wahrscheinlichkeit der Veränderung der Verhältnisse mit der Zeit ansteigt. An die Annahme unveränderter Verhältnisse sind daher umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr Zeit seit dem letzten Gutachten verstrichen ist (Urteil des Obergerichts des Kantons Bern vom 10. November 2014 [KES 14 709], a.a.O., S. 23 ff., Erw. 3.3.1, mit Hinweisen auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung). 3. 3.1. Das Familiengericht B., das den vorliegend angefochtenen Nachbetreuungsentscheid vom 12. Juni 2015 in der vom Gesetz (§ 3 Abs. 4 lit. a GOG) vorgesehenen Dreierbesetzung gefällt hat, hat den Beschwerdeführer nicht durch den gesamten Spruchkörper angehört. Die Anhörung wurde von der Fachrichterin C. mit einem Master- Titel in Sozialarbeit durchgeführt; die juristisch geschulte Gerichts- präsidentin D. und Fachrichterin E. wohnten der Anhörung ebenso wenig bei wie die Gerichtsschreiberin F. Schon aus diesem Grund muss der angefochtene Entscheid wegen Verletzung des analog an- 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 92 wendbaren Art. 447 Abs. 2 ZGB aufgehoben werden (A UER /M ARTI , a.a.O., Art. 447 N 37; AGVE 2013, S. 96 f.). Eine der in Erw. 2.2.2 vorne angeführten Ausnahmesituationen, in welcher auf die Anhö- rung im Kollegium verzichtet werden konnte, lag nicht vor. Weder bestand besondere Dringlichkeit, noch standen - soweit aus den Akten ersichtlich - einer Anhörung persönlichkeitsbedingte Hinder- nisse auf Seiten des Beschwerdeführers entgegen. Dass dem Grund- satz der Interdisziplinarität unter den konkreten Umständen keine entscheidende Bedeutung zugekommen wäre, kann nicht gesagt wer- den. Gerichtspräsidentin D. und Fachrichterin E. fällten ihren Ent- scheid anhand der Akten und des Votums von Fachrichterin C. Sie hatten noch nie Gelegenheit, den Beschwerdeführer persönlich ken- nenzulernen und sich auf diese Weise durch einen eigenen, unmittel- baren Eindruck von seinem Wesen sowie seiner gesundheitlichen und sozialen Situation von der Richtigkeit und Angemessenheit der angeordneten Massnahme zu überzeugen. Dadurch sind die Partei- rechte des Beschwerdeführers in grundlegender Weise missachtet worden. (...) 3.2. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer an der Anhörung durch Fachrichterin C. nicht korrekt über seine Rechte informiert wurde. Der Beschwerdeführer ist der dezidierten Meinung, er leide nicht an der ihm diagnostizierten psychischen Krankheit (paranoide Schizophrenie). Anfänglich erklärte er sich denn auch mit der Einho- lung des in der Stellungnahme von Dr. med. G. vom 21. April 2015 empfohlenen (psychiatrischen) Gutachtens zur Abklärung seines Ge- sundheitszustandes einverstanden. Erst als ihn Fachrichterin C. falsch darüber aufklärte, dass er die Gutachterkosten von schätzungs- weise Fr. 3'000.00 bis Fr. 8'000.00 selber bezahlen müsse, sofern ihm nicht die unentgeltliche Rechtspflege gewährt werde, entschied er sich gegen ein Gutachten. Gemäss § 65a Abs. 3 lit. b EG ZGB wer- den in Verfahren auf Erlass ambulanter Massnahmen, fürsorgerischer Unterbringungen und Nachbetreuungen weder in erster noch in zweiter Instanz Gerichtskosten erhoben. Zu den Gerichtskosten zäh- len nach § 65a Abs. 4 EG ZGB i.V.m. Art. 95 Abs. 2 lit. c ZPO unter 2015 Fürsorgerische Unterbringung 93 anderem die Kosten der Beweisführung, also auch Gutachterkosten. Mit anderen Worten wären die Gutachterkosten unabhängig von der finanziellen Situation des Beschwerdeführers auf die Staatskasse zu nehmen. Wäre der Beschwerdeführer in diesem Punkt richtig belehrt worden, hätte er allenfalls die Durchführung eines Gutachtens bean- tragt. Doch selbst wenn er keinen solchen Antrag gestellt hätte, wäre es in der vorliegenden Konstellation sicher sinnvoll gewesen, von Amtes wegen ein Gutachten anzuordnen. Zwar sah es das Verwal- tungsgericht im Urteil vom 3. Februar 2015 (WBE.2015.32) auch aufgrund der mündlichen Ausführungen des psychiatrischen Gutach- ters an der Verhandlung vom 3. Februar 2015 als erwiesen an, dass der Beschwerdeführer an einer paranoiden Schizophrenie leidet. Doch haben sich mit dem ärztlichen Attest von Dr. med. H. vom 27. Februar 2015 und mit der Stellungnahme von Dr. med. G. vom 21. April 2015 seither neue Aspekte ergeben, die gewisse, wenn auch nicht erhebliche Zweifel an dieser Diagnose aufkommen lassen. Weil dem Beschwerdeführer die Erstdiagnose der paranoiden Schizophre- nie eher untypisch spät gestellt wurde und mittlerweile nicht mehr vollkommen ausgeschlossen erscheint, dass die bei ihm aufgetrete- nen Psychosen zumindest teilweise substanzinduziert gewesen bzw. durch die betreffende Substanz (Ciprofloxacin) verstärkt worden sein könnten, lohnt es sich aus Sicht des Verwaltungsgerichts, ein Gutach- ten in Auftrag zu geben, mit welchem einerseits der Gesundheitszu- stand des Beschwerdeführers profund abgeklärt wird, unter Einsatz aller dafür notwendigen bildgebenden Verfahren, und mit welchem andererseits die Frage beantwortet wird, ob die angeordnete Medika- tion mit Abilify Maintena in der gewählten Dosis von 400 mg alle vier Wochen auch längerfristig eine angemessene und unerlässliche Behandlung darstellt.
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2009 Verwaltungsgericht 232 [...] 44 Grundbetrag; Darlehen - Für die Verwendung des Grundbetrags gilt der Grundsatz der Ei- genverantwortung. - Darlehen sind grundsätzlich als eigene Mittel anzurechnen, auch wenn sie für andere Personen aufgenommen wurden. Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 25. Mai 2009 in Sachen A.M. gegen das Bezirksamt Lenzburg (WBE.2008.375). Aus den Erwägungen 1. 1.1. Sozialhilfe bezweckt die Existenzsicherung, fördert die wirt- schaftliche und persönliche Selbstständigkeit und unterstützt die ge- sellschaftliche Integration (§ 4 Abs. 1 SPG). Die Existenzsicherung 2009 Sozialhilfe 233 gewährleistet Ernährung, Kleidung, Obdach und medizinische Grundversorgung (§ 3 Abs. 1 SPV). Für die Bemessung der mate- riellen Hilfe sind gemäss § 10 Abs. 1 SPG i.V.m. § 10 Abs. 1 SPV grundsätzlich die Richtlinien für die Ausgestaltung und Bemessung der Sozialhilfe (herausgegeben von der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe [SKOS-Richtlinien], 3. Auflage, Dezember 2000) verbindlich. Anspruch auf Sozialhilfe besteht, sofern die eigenen Mittel nicht genügen und andere Hilfeleistungen nicht rechtzeitig erhältlich sind oder nicht ausreichen (§ 5 Abs. 1 SPG). Damit wird der Grund- satz der Subsidiarität der Sozialhilfe ausgedrückt. Hilfe suchende Personen sind verpflichtet, sich nach Möglichkeit selbst zu helfen; sie müssen alles Zumutbare unternehmen, um eine Notlage aus ei- genen Kräften abzuwenden oder zu beheben (BGE 130 I 71 Erw. 4.1; SKOS-Richtlinien, Kapitel A.4). Zu den zumutbaren und subsidiären Hilfsquellen zählen neben der Möglichkeit der Selbsthilfe sowie Leistungsverpflichtungen Dritter, auch freiwillige Leistungen Dritter, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden (SKOS-Richtli- nien, Kapitel A.4-2). 1.2. (...) 2. 2.1. (...) 2.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, die nach Portugal über- wiesenen Geldbeträge stammten nicht aus Sozialhilfegeldern, son- dern seien Kredite von verschiedenen Kollegen, bei denen er sich verschuldet habe. Mit den Überweisungen sei er seiner moralischen und gesetzlichen Pflicht gegenüber seiner Ehegattin nachgekommen. Zudem habe ihm die Sozialbehörde weder verboten Geld nach Por- tugal zu schicken, noch die Aufnahme von Krediten untersagt. 2.3. (...) 2.4. 2.4.1. Die Vorinstanz begründet den unrechtmässigen Bezug von ma- terieller Hilfe vorab mit der Überweisung von Unterstützungsbeiträ- gen an die Ehefrau des Beschwerdeführers nach Portugal. Den Nach- 2009 Verwaltungsgericht 234 weis sieht sie in den monatlichen Geldbeträgen, welche der Be- schwerdeführer regelmässig überwies und im Gesamtbetrag als Ab- zug in seiner Steuererklärung 2007 geltend machte. Diese Begrün- dung ist zwar nachvollziehbar, da hilfsbedürftige Personen regel- mässig nicht in der Lage sind aus dem sozialen Existenzminimum Ersparnisse in relativ erheblichem Umfang zu bilden oder Unterstüt- zungsleistungen an Ehegatten aufzubringen. Die verfassungsrechtli- chen Grundsätze zum Schutz der persönlichen Freiheit (Art. 10 Abs. 2 BV) und der Schutz der Privatsphäre (Art. 13 Abs. 1 BV) verlangen jedoch eine differenzierte Beurteilung des Einzelfalls. Der verfassungsrechtliche Persönlichkeitsschutz umfasst auch das Recht des Einzelnen, die wesentlichen Aspekte seiner Persönlichkeits- entfaltung individuell und selber zu gestalten und schützt umfassend die Menschenwürde (Art. 7 BV; Jörg Paul Müller / Markus Schefer, Grundrechte in der Schweiz, 4. Auflage, Bern 2008, S. 138 ff.). Im Sozialhilferecht ist Ausdruck der verfassungsrechtlich ge- schützten Persönlichkeitsentfaltung, die Eigenverantwortung (§ 1 Abs. 2 SPG), die sich in der Dispositionsfreiheit über die im Grund- betrag I und Grundbetrag II ausgerichteten Beiträge konkretisiert. Die pauschalen Grundbeträge dienen dem Unterhalt der unterstützten Person und können von ihr nach ihren Vorstellungen und Bedürfnis- sen eingesetzt werden. Solange ihre Grundbedürfnisse gewährleistet sind, besteht für die Sozialbehörden kein Anlass und keine gesetzli- che Grundlage gegen die Verwendung der Grundbetragsbetreffnisse einzuschreiten (SKOS-Richtlinien, Kapitel B.2.4; AGVE 2003, S. 295). Es kann daher nicht bereits im Grundsatz beanstandet werden, dass der Beschwerdeführer seiner Ehefrau in Erfüllung einer allenfalls rechtlichen oder moralischen Verpflichtung Unterstüt- zungsbeiträge nach Portugal überwies. Einzuschreiten haben die Sozialbehörden dort, wo Sozialhilfegelder zweckentfremdet werden, Mehrkosten durch die nicht zweckmässige Verwendung der ma- teriellen Unterstützung entstehen oder eine unterstützte Person sich zunehmend verschuldet (Handbuch Sozialhilfe, Anhang 5 / XII, S. 2; AGVE 2003, S. 295). Fehlt es an solchen Tatbeständen, rechtfertigt sich eine Rückforderung unter dem Titel unrechtmässige Bezüge gemäss § 3 SPG in der Regel nur, wenn der Betroffene Auflagen 2009 Sozialhilfe 235 oder Weisungen der Sozialbehörde missachtet. Im vorliegenden Fall hatte der Beschwerdeführer Einkommen aus der Arbeitslosenver- sicherung. In der Verwendung dieses Einkommens war der Beschwerdeführer solange nicht eingeschränkt, als seine finanzielle Situation oder seine Existenzsicherung nicht zu Mehrkosten der Sozialhilfe führte. Die Überweisungen des Beschwerdeführers an die Ehefrau begründen daher keinen Rückforderungsanspruch. 2.4.2. Anders präsentiert sich die Rechtslage hinsichtlich der Darle- hen, welche der Beschwerdeführer bei Bekannten aufnahm. § 11 Abs. 1 SPG und § 11 Abs. 1 und 2 SPV bestimmen, dass der Hilfe bedürftigen Person alle geldwerten Leitungen und Zuwendungen, auch freiwillige Leistungen Dritter mit wirtschaftlichem Wert, als ei- gene Mittel bei der Berechnung und Bemessung der materiellen Hilfe anzurechnen sind. Dies entspricht dem Grundsatz der Subsi- diarität (siehe vorne Erw. 1.1) und die unterstützten und hilfesuchen- den Personen haben kein Wahlrecht zwischen den verschiedenen Hilfsquellen (SKOS-Richtlinien, Kapitel A.4). Die materielle Unter- stützung ist nicht nur gegenüber unentgeltlichen (Unterstützungs-) Leistungen Dritter subsidiär (BGE vom 13. Oktober 2000 [2P.127/2000], Erw. 2), sondern auch gegenüber Darlehen Dritter. Der Beschwerdeführer hat in der massgeblichen Zeit von 1. Juni 2007 bis 30. April 2008 nach eigenen Darstellungen insge- samt Fr. 6'000.-- auf ein Bankkonto bei der "Caixa Geral de Deposi- tos SA" in Lissabon überwiesen, das auf seinen Namen lautete. Die Überweisungen will er mit Darlehen von Bekannten finanziert ha- ben. Aus den Quittungen für die Darlehen lässt sich nur ein Aus- zahlungsdatum für Fr. 1'000.-- dem massgeblichen Zeitraum zuord- nen. Die weiteren Quittungen sind nicht datiert und weisen auch den Auszahlungstermin nicht aus. Eine Zweckgebundenheit der Darlehen ist den Akten nicht zu entnehmen. Aus der Quittung vom April 2008 ergibt sich lediglich die Verpflichtung, das Darlehen "bei Erhalt der IV sofort zurückzuzahlen". Aus der Sachdarstellung des Beschwerdeführers, dass er nur als "Besorger von Krediten" aufgetreten sei, kann geschlossen werden, dass er in der fraglichen Zeit persönliche Kredite in der Höhe von 2009 Verwaltungsgericht 236 Fr. 6'000.--- bei verschiedenen nahestehenden Personen aufnahm. Diese Darlehen sind - entgegen der Auffassung des Beschwerdefüh- rers - sozialhilferechtlich eigene Mittel (siehe vorne Erw. 1.1).
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2017 Migrationsrecht 129 [...] 22 Anordnung einer Disziplinarstrafe in migrationsrechtlicher Administra- tivhaft; Verhältnismässigkeit Wird gegen einen Inhaftierten aufgrund eines begründeten Verdachts auf Drogenkonsum eine Urinprobe angeordnet und die Abgabe der Urin- probe durch den Betroffenen verweigert, kann das Verhalten im Rahmen einer Disziplinarstrafe mit Entzug des Besuchsrechts und Telefonver- kehrs sanktioniert werden. Ein zeitlich unbegrenzter Entzug ist nur in 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 130 Extremfällen gerechtfertigt und bei erstmaliger Verweigerung der Urin- probe auf jeden Fall unverhältnismässig. Aus dem Entscheid des Einzelrichters des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 7. November 2017, i.S. Amt für Migration und Integration gegen A. (WPR.2017.163) Aus den Erwägungen 2. 2.1. Die Disziplinarstrafe wurde verfügt, weil sich der Beschwerde- führer geweigert hatte, mit Blick auf die Überprüfung eines allfälli- gen Drogenkonsums eine Urinprobe abzugeben. (...) Mit E-Mail vom 5. Juli 2017 orientierte der Leiter des Aus- schaffungszentrums Aarau das MIKA darüber, dass in der Zelle des Beschwerdeführers "Hasch" gefunden worden sei. Der Beschwerde- führer bestreite, Besitzer der Drogen zu sein. In der Folge drohte das MIKA dem Beschwerdeführer im Falle eines weiteren Vorfalls den Entzug des Besuchsrechts an. Zu diesem Ereignis findet sich im Haftjournal kein Eintrag. Aufgrund der telefonischen Meldung des Leiters des Ausschaf- fungszentrums Aarau vom 29. September 2017 ordnete das MIKA gleichentags eine Urinprobe an, verbunden mit der Androhung weite- rer Disziplinarmassnahmen bei Verweigerung der Urinprobe. Gemäss Aktennotiz des Gefängnisleiters-Stv. vom 5. Oktober 2017 verweigerte der Beschwerdeführer die Abgabe einer Urinprobe. Auch dieser Vorfall wurde im Haftjournal nicht vermerkt. In der Folge gewährte das MIKA dem Beschwerdeführer am 11. Oktober 2017 das rechtliche Gehör betreffend die gleichentags verfügte Disziplinarstrafe. Dabei gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, er verlange zuerst eine Blutprobe, bevor er bereit sei, eine Urinprobe abzugeben. 2017 Migrationsrecht 131 2.2. Wie die Vorinstanz in ihrer Vernehmlassung zutreffend ausführt, bezwecken Disziplinarstrafen im Rahmen des Vollzugs von Adminis- trativhaft primär die Aufrechterhaltung der Ordnung innerhalb der Anstalt. Widersetzt sich ein Betroffener den Anordnungen des Voll- zugspersonals oder des MIKA, können Disziplinarstrafen im Sinne eines letzten Mittels verfügt werden, um die Anordnungen durchzu- setzen. Die Disziplinarstrafen müssen aber unter anderem in einem ver- nünftigen Verhältnis zur durchzusetzenden Anordnung stehen. Dies sowohl in Bezug auf die Massnahme selbst, als auch in Bezug auf die Dauer der Massnahme. 2.3. Im vorliegenden Fall bestand aufgrund des Verdachts des Ge- fängnisleiters und aufgrund der früheren Vorkommnisse zweifellos eine Veranlassung zur Anordnung einer Urinprobe. Nachdem der Be- schwerdeführer die Urinprobe sowohl bei deren Anordnung, als auch anlässlich des rechtlichen Gehörs verweigert hatte, war die Verfü- gung einer Disziplinarstrafe zweifellos angebracht. Unangemessen war jedoch, den Entzug des Besuchsrechts und Telefonverkehrs bereits bei der erstmaligen Anordnung zeitlich nicht zu befristen. Ein zeitlich unbefristeter Entzug des Besuchsrechts und Telefonverkehrs aufgrund verweigerter Urinproben drängt sich erst dann auf, wenn gegen einen Betroffenen aufgrund eines jeweils kon- kreten Verdachts auf Drogenkonsum mehrmals Urinproben angeord- net wurden und dieser die Urinprobe trotz bereits entzogenen Be- suchsrechts und Telefonverkehrs weiterhin verweigert. Mit Blick auf die Verhältnismässigkeit und den Umstand, dass die maximale Dauer der Einschliessung als gravierendste Disziplinarstrafe gemäss § 23 Abs. 3 lit. b EGAR fünf Tage beträgt, ist die erstmalige Verweige- rung einer Urinprobe mit einer relativ kurzen Dauer des Entzugs des Besuchsrechts und Telefonverkehrs zu sanktionieren. Verweigert ein Betroffener nach erneutem Verdacht auf Drogenkonsum die Urin- probe abermals, kann die Sanktion entsprechend länger ausfallen. Eine unbefristete Sanktionierung ist damit einzig in Extremfällen ge- rechtfertigt. 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 132 Im vorliegenden Fall wurde die Sanktion am 11. Oktober 2017 angeordnet und einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wir- kung entzogen. Nach dem Gesagten erhellt klar, dass die maximal zulässige Dauer der erstmaligen Sanktionierung der verweigerten Urinprobe bereits bei Eingang der Beschwerde beim Verwaltungsge- richt am 23. Oktober 2017 überschritten war, weshalb die aufschie- bende Wirkung unverzüglich wiederhergestellt wurde. Den Akten ist überdies nicht zu entnehmen, dass weitere Anzei- chen auf erneuten Drogenkonsum hindeuten würden, womit offen- sichtlich auch keine Veranlassung bestand, erneut eine Urinprobe zu verlangen. Entgegen den Ausführungen der Vorinstanz in ihrer Ver- nehmlassung vom 27. Oktober 2017 lässt sich eine unbefristete Fort- setzung der Sanktion nicht rechtfertigen. 2.4. Unter diesen Umständen ist die angeordnete Disziplinarstrafe in Gutheissung der Beschwerde aufzuheben.
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2000 Submissionen 307 [...] 70 Kostentragung bei gegenstandslos gewordener Rechtsverzögerungs- beschwerde; Absage von der die Vergabestelle beratenden Drittperson. - Bei Rechtsverzögerungsbeschwerden erfolgt die Kostentragung weder nach dem Grundsatz, dass diese dem formellen Ausgang des Ver- fahrens folgt, noch nach dem ausnahmsweise anzuwendenden Verursacherprinzip, wenn der materielle Ausgang klar anders liegt als der formelle. Es ist in solchen Fällen zu prüfen, ob die Beschwerde im Zeitpunkt ihrer Einreichung begründet war bzw. ob der Be- schwerdeführer den Vorwurf der Rechtsverzögerungsbeschwerde zu Recht erhoben hat. - Es genügt, wenn die nicht berücksichtigten Anbieter zunächst eine formlose Absage von der die Vergabestelle beratenden Drittperson erhalten und erst in einem zweiten Schritt - auf entsprechendes Ver- langen des Anbieters - eine förmliche, anfechtbare Verfügung der Vergabestelle selbst ergeht (Erw. 2/c/bb). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 23. Juni 2000 in Sachen ARGE E. AG/M. AG gegen Abwasserband O. Aus den Erwägungen 1. Nachdem die anderweitige Vergabe den Beschwerdeführe- rinnen zunächst durch ein Schreiben des Ingenieurbüros T. AG vom 5. Juni 2000 mitgeteilt worden ist, hat ihnen der Abwasserverband O. die Vergabe der Baumeisterarbeiten an die B. AG mit Verfügung vom 17. Juni 2000 förmlich eröffnet. Die Verfügung enthält eine 2000 Verwaltungsgericht 308 Begründung und eine Rechtsmittelbelehrung. Damit ist das Ver- fahren mangels aktuellen Rechtsschutzinteresses bezüglich der Be- schwerdebegehren 1 - 3 gegenstandslos geworden und kann als erle- digt von der Geschäftskontrolle abgeschrieben werden (vgl. VGE III/122 vom 10. Dezember 1997 in Sachen B. AG, S. 4; ferner Fritz Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Auflage, Bern 1983, S. 154, 326). Hingegen ist noch über die Verfahrens- und Partei- kosten zu befinden. 2. a) Gemäss einem Grundsatzentscheid des Verwaltungsge- richts aus dem Jahr 1982 erfolgt die Kostenverteilung regelmässig nach dem formellen Ausgang, d. h. nach den Grundsätzen von § 33 Abs. 2 und § 36 VRPG (Obsiegen/Unterliegen), wenn ein Verfahren ohne Sachentscheid erledigt wird. Um stossende Ergebnisse zu ver- hindern, wurde eine Ausnahme vorgesehen für den Fall, dass der for- melle und der materielle Verfahrensausgang auseinanderfallen; vom Grundsatz wird dann abgewichen, wenn das Ergebnis aus besonde- ren, objektiven Gründen stossend erscheint. Dies trifft insbesondere dort zu, wo es (formell) zu einem Beschwerderückzug oder zur Ge- genstandslosigkeit kommt, nachdem dem Beschwerdebegehren ma- teriell Rechnung getragen wurde, indem beispielsweise die erst- instanzliche Verwaltungsbehörde ihre Verfügung in Wiedererwägung gezogen und im Sinne des Beschwerdeführers abgeändert hat, so dass der materielle Ausgang klar anders als der formelle liegt. Inso- weit richtet sich der Kostenentscheid also auch nach dem Verursa- cherprinzip (AVGE 1982, S. 305 ff.). Hieran ist seither festgehalten worden (AGVE 1983, S. 252 f.; 1989, S. 276 f. und 317 f.; 1990, S. 324). Gegenstandslos gewordene Rechtsverzögerungsbeschwerden bilden nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts in dieser Hinsicht allerdings einen Spezialfall. Würde nämlich unbesehen nach Massgabe des vorhin Gesagten vorgegangen, so müsste der Kosten- entscheid stets zugunsten des Beschwerdeführers lauten; dieser hat ja sein Ziel, von der Vorinstanz einen Entscheid zu erwirken, vollum- 2000 Submissionen 309 fänglich erreicht. Eine solche Regelung der Kostenfrage wäre unbe- friedigend, denn die Behörden sind von Verfassungs wegen dazu ver- pflichtet, ein bei ihnen eingeleitetes Verfahren (in irgendeinem Zeit- punkt) durch einen Entscheid abzuschliessen (vgl. Kurt Eichen- berger, Verfassung des Kantons Aargau, Textausgabe mit Kommen- tar, Aarau 1986, § 10 N 15); somit könnten Rechtsverzögerungs- beschwerden ohne jedes Kostenrisiko eingereicht werden. Um dies zu verhindern, ist in solchen Fällen zu prüfen, ob der Beschwerde- führer den in seiner Beschwerde enthaltenen Vorwurf der Rechtsver- zögerung zu Recht erhoben hat bzw. ob die Beschwerde im Zeit- punkt ihrer Einreichung begründet war (vgl. zum Ganzen: AGVE 1989, S. 318). Analoges muss für den vorliegenden Fall gelten, in dem die Beschwerdeführerinnen den Vorwurf der Rechtsverweige- rung erhoben haben (vgl. den erwähnten VGE in Sachen B. AG, S. 5). b) Das Verbot der Verweigerung oder Verzögerung eines Rechtsanwendungsakts gemäss Art. 29 Abs. 1 BV wird verletzt, wenn eine Behörde untätig bleibt oder das gebotene Handeln über Gebühr hinauszögert (Ulrich Häfelin / Walter Haller, Schweizeri- sches Bundesstaatsrecht, 4. Auflage, Zürich 1998, Rz. 1585; Eichen- berger, a.a.O., § 10 N 15; vgl. ferner René A. Rhinow / Beat Krä- henmann, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungs- band, Basel/Frankfurt a.M. 1990, Nr. 80 B II, S. 258 mit Hinweisen). Rechtsverweigerung liegt also vor, wenn die Behörde in einem Ver- fahren eine ihr obliegende Amtshandlung nicht vornimmt. Eine Rechtsverzögerung ist demgegenüber anzunehmen, wenn die zustän- dige Behörde den von ihr zu treffenden Entscheid nicht binnen der Frist erlässt, welche nach der Natur der Sache und nach der Gesamt- heit der Umstände angemessen erscheint; es genügt dabei, wenn die ungebührliche Verzögerung aus objektiven Gründen der Behörde zur Last fällt, d. h. die Verzögerung darf keine objektive Rechtfertigung finden, die gegenüber dem Rechtsschutzanspruch des Bürgers Be- stand hätte (vgl. Rhinow/Krähenmann, a.a.O., Nr. 80 B II, S. 258 mit 2000 Verwaltungsgericht 310 Hinweisen; ferner AGVE 1971, S. 341; VGE III/103 vom 26. No- vember 1992 in Sachen B., S. 5 f.). c) aa) Im vorliegenden Fall wurde den Beschwerdeführerinnen ihre Nichtberücksichtigung für die zu vergebenden Baumeisterar- beiten zunächst mit Schreiben des Ingenieurbüros T. AG vom 5. Juni 2000 mitgeteilt. Diesem Brief kommt trotz der vorhandenen Rechts- mittelbelehrung klarerweise kein Verfügungscharakter zu; es handelt sich lediglich um die schriftliche Mitteilung des Zuschlags durch die Hilfsperson der Vergabestelle. Das Schreiben stellt demzufolge kein Anfechtungsobjekt im Sinne von § 24 Abs. 1 SubmD dar. bb) Das Verwaltungsgericht hat bezüglich der freihändigen Vergabe in einem früheren Urteil festgehalten, dass das Effizienzge- bot, dem nachzuleben die Verwaltung ebenfalls verpflichtet ist, es der Vergabestelle nahe lege, in gewissen Fällen - vorerst - auf die Zustellung von (förmlichen) Verfügungen zu verzichten. In der Pra- xis erfolgten die Mitteilungen über den Zuschlag häufig nicht durch die Vergabestelle selbst, sondern in deren Namen durch die Baulei- tung oder den Architekten, denen die Durchführung und Leitung des Submissionsverfahrens und die Beratung der Vergabestelle obliege. Zumindest im Bereich der freihändigen Vergabe (einschliesslich Einladungsverfahren) müsse es der Vergabebehörde oder einer von ihr beauftragten Stelle gestattet sein, ihre Entscheidungen den Be- teiligten zunächst durch formlose Mitteilung zur Kenntnis zu brin- gen. Es müsse aber für den nicht berücksichtigten Anbieter die Mög- lichkeit bestehen, nachträglich den Erlass einer förmlichen, be- schwerdefähigen Verfügung zu verlangen. Ein Widerspruch zu den Anforderungen des Bundesrechts (insbesondere gemäss Art. 9 BGBM) entstehe nicht, solange der dort verlangte Rechtsschutz ge- währleistet sei. Dazu sei es ausreichend, wenn der nichtberücksich- tigte Anbieter bezüglich aller Entscheidungen der Vergabebehörde ex post eine Verfügung verlangen könne, die ihm den Rechtsweg auch bei freihändigen Beschaffungen öffne (vgl. Thomas Cottier / Benoît Merkt, Die Auswirkungen des Welthandelsrechts der WTO und des 2000 Submissionen 311 Bundesgesetzes über den Binnenmarkt auf das Submissionsrecht der Schweiz, in: Roland von Büren / Thomas Cottier [Hrsg.], Die neue schweizerische Wettbewerbsordnung im internationalen Umfeld, Bern 1997, S. 35 ff., 76 f.). Ein solches Vorgehen finde im Übrigen auch im VRPG, das grundsätzlich - unter Berücksichtigung der Be- sonderheiten und Eigenart dieses Verfahrens - auch auf das Submis- sionsverfahren anwendbar ist (vgl. § 1 Abs. 1 VRPG), eine Grund- lage (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 VRPG; vgl. zum Ganzen VGE III/55 vom 31. Juli 1997 in Sachen H. und M. AG, S. 9 f.). Es spricht nichts dagegen, diese Überlegungen auf das offene und das selektive Verfahren zu übertragen. Denn im Zentrum soll nicht die Form, sondern die praktische Verwirklichung des Rechts- schutzinteresses der betroffenen Anbieter liegen (Cottier/Merkt, a.a.O., S. 76). Es muss der Vergabestelle überlassen sein, welche Vorgehensweise sie im konkreten Fall als zweckmässiger und effizi- enter erachtet. Es genügt also auch für das offene und für das selek- tive Verfahren, wenn die nicht berücksichtigten Anbieter zunächst eine formlose Absage des die Vergabestelle beratenden Ingenieurbü- ros erhalten und erst in einem zweiten Schritt - auf entsprechendes Verlangen des Anbieters - eine förmliche, anfechtbare Verfügung der Vergabestelle selbst ergeht. Im Anwendungsbereich des GATT/WTO-Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungs- wesen (GPA) vom 15. April 1994 ist zusätzlich auch § 36 SubmD zu beachten. Die formlose Absage muss indessen mit dem Hinweis versehen werden, dass eine förmliche Verfügung verlangt werden kann. Der Anbietende hat einen Rechtsanspruch auf eine anfechtbare Verfügung, und die Rechtsmittelfrist gemäss § 25 Abs. 1 SubmD läuft erst ab der Eröffnung dieser Verfügung. Letzteres muss sich die Vergabestelle bei der Wahl ihres Vorgehens stets vor Augen halten. Zweckmässigerweise enthält die formlose Absage auch eine Begrün- dung und den Hinweis darauf, dass die Vergabestelle auf Gesuch hin die zusätzlichen Auskünfte gemäss § 20 Abs. 2 SubmD erteilt. Falsch ist es hingegen, das formlose Absageschreiben - wie im vorliegenden 2000 Verwaltungsgericht 312 Fall geschehen - mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen, da nur die Vergabestelle selbst eine förmliche Verfügung erlassen kann. Dies ändert aber nichts daran, dass sich die Vergabestelle dadurch, dass sie die Absage nicht verfügt, sondern das beratende Ingenieurbüro mit der entsprechenden Mitteilung beauftragt hat, jedenfalls keiner Rechtsverweigerung schuldig gemacht hat. cc) Der Abwasserverband hat die zu erlassende Verfügung am 17. Juni 2000 ausgefertigt und spätestens am 18. Juni 2000 der Post übergeben. Von einer Rechtsverweigerung kann unter diesen Um- ständen nicht die Rede sein, zumal auch von den Beschwerdeführe- rinnen nicht behauptet wird, der Abwasserverband habe ihnen ge- genüber verlauten lassen, er beabsichtige nicht, die fragliche Ver- fügung zu erlassen, oder er habe den Anspruch auf eine Verfügung grundsätzlich bestritten. d) Bereits der vom Verwaltungsgericht mit Urteil vom 30. März 2000 aufgehobene Zuschlag an die B. AG wurde den Beschwerde- führerinnen zunächst mit Schreiben der T. AG mitgeteilt. Nach Beschwerdeerhebung erging dann eine förmliche Verfügung namens und auftrags der Vergabestelle (ob der Umstand, dass die Ausferti- gung durch den Rechtsvertreter der Vergabestelle erfolgte, einen rechtserheblichen Mangel darstellt, wie die Beschwerdeführerinnen behaupten, kann hier offen bleiben). Nachdem die Vergabestelle somit auch im ersten Verfahren betreffend die Beschwerdeführerin- nen auf Verlangen hin ein Schreiben des beratenden Ingenieurbüros durch eine Verfügung der Vergabestelle selbst ersetzt hatte, bestand für die Beschwerdeführerinnen zur Einreichung der vorliegenden Beschwerde keinerlei objektive Veranlassung. Sie hatten keinen Grund zur Annahme, dass ihnen die Verfügung verweigert würde, wenn sie auf einer solchen beharrten. Es kann ihnen diesbezüglich der Vorwurf des übereilten und inadäquaten Handelns nicht erspart werden, hätte es doch unter den obwaltenden Umständen durchaus genügt, wenn die Beschwerdeführerinnen die Verfügung bei der Vergabestelle angefordert hätten; ihr Rechtsvertreter musste als er- 2000 Submissionen 313 fahrener Anwalt wissen, dass damit der gewünschte Zweck ohne weiteres erreicht worden wäre. Erst wenn die Vergabestelle dieser Aufforderung nicht nachgekommen wäre, hätte sie sich den Vorwurf der Rechtsverweigerung gefallen lassen müssen. Damit war die Rechtsverweigerungsbeschwerde auch zum Zeitpunkt ihrer Einrei- chung erstens unbegründet und zweitens nicht erforderlich, um den gewünschten Zweck zu erreichen.
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2003 Verwaltungsgericht 254 60 Preisbewertung. - Bewertungssysteme (Erw. 4/c). - Unzulässige nachträgliche Anpassung der Preisbewertung (Erw. 4/d). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 16. Juni 2003 in Sa- chen J. AG gegen Stadt Baden. Aus den Erwägungen 4. Streitig ist die Bewertung des Preises. a) Die Vergabebehörde hat ein "Bewertungssystem zu den An- geboten A1/A2/B1/B2" erstellt bzw. von der B. erstellen lassen. Da- nach sollte das tiefste Angebot (= Summe der Pauschalen Phase 3/4 und des aus dem Honorarprozentsatz und einer durch das Beurtei- lungsgremium definierten honorarberechtigten Bausumme errechne- ten Honorars für die Phase 5) das Maximum von 30 Punkten erhal- ten. Die restlichen Angebote sollten "gemessen am tiefsten Angebot" bewertet werden. Dies wurde den Anbietenden im Rahmen der Fra- genbeantwortung auch so bekannt gegeben. Vorgesehen war, die jeweils tiefsten Angebote für B1 und B2 mit 30 Punkten zu bewerten, während diejenigen Angebote, die 100% über dem niedrigsten Angebot lagen, 0 Punkte erhalten sollten. Die übrigen Angebote sollten linear bewertet werden. In der Folge gelangten bei der Bewertung der Angebote beim Projekt B1 und beim Projekt B2 jedoch unterschiedliche Bewertungsmodi zur An- wendung. Beim Projekt B1 wurde das tiefste Angebot mit 30 Punk- ten und das höchste Angebot mit 0 Punkten bewertet. Dazwischen wurde eine lineare Punkteverteilung vorgenommen. Die Bewertung des Projekts B2 erfolgte wie ursprünglich vorgesehen. Einem E-mail-Schreiben vom 25. Februar 2003 lässt sich entnehmen, dass es beim Projekt B1 zu einer Änderung der ursprünglich vorgesehenen Bewertungsskala gekommen ist. Die Anpassung sei erforderlich geworden, weil zwei Anbieter sehr tief offeriert hätten; andernfalls hätten alle übrigen Anbieter beim Preis 0 Punkte gehabt. Die Vergabebehörde habe es so zudem vermeiden können, die Frage 2003 Submissionen 255 zu prüfen, ob seitens der Beschwerdeführerin ein Unterangebot vorgelegen habe. Hätte die Vergabebehörde die beiden ungewöhnlich niedrigen Angebote der R./L. und der Beschwerdeführerin auf ihre Seriosität prüfen wollen, hätte sie sich in unzulässiger Weise "auf die Äste hinauswagen" müssen. b) Nach Ansicht der Beschwerdeführerin ist die Bewertung des Honorars durch die nach der Offertöffnung erfolgte Festlegung un- terschiedlicher Bewertungsmodi willkürlich erfolgt. Die Beantwor- tung der Frage 3.4 durch den Anhang "Bewertungssystem zu den Angeboten A1/A2/B1/B2" zeige klar, dass alle vier Ausschreibungen die gleiche Bewertungsskala aufweisen würden. Die spätere Ände- rung bzw. Verzerrung der Bewertungsskala entspreche nicht mehr der Beantwortung der unter 3.4 gestellten Fragen. Die Beschwerde- führerin vertritt daher den Standpunkt, der ursprünglich vorgesehene Schlüssel B2 sei für den Vergabeentscheid beider Submissionen heranzuziehen. c) Unbestreitbar ist, dass mit der Art und Weise der Bewertung des Angebotspreises die Gesamtbewertung unabhängig von der ein- heitlichen und objektiven Bewertung der restlichen Zuschlags- kriterien erheblich beeinflusst werden kann. Weit verbreitet sind die linearen Bewertungssysteme, bei denen das preisgünstigste Angebot die Maximalpunktzahl erzielt, und ein Angebotspreis, der dieses preisgünstigste Angebot um einen bestimmten Prozentsatz über- schreitet, keine Punkte mehr erzielt, während die dazwischenliegen- den Angebote linear interpoliert bewertet werden. Die lineare Glei- chung (Neigung der Geraden) wird in der Regel für jedes Vergabe- verfahren gesondert festgelegt, zumeist erst nach der Offertöffnung. Zumindest die Möglichkeit, dass damit das Resultat der jeweiligen Gesamtbewertung beeinflusst werden kann, lässt sich nicht leugnen. Ebenfalls verbreitet sind (lineare) Bewertungssysteme, die in Abhän- gigkeit vom höchsten und vom tiefsten eingegangenen Angebot er- folgen, indem das tiefste Angebot das Punktemaximum und das teuerste Angebot - ungeachtet der effektiven Preisdifferenz - 0 Punkte (oder eine Minimalmalpunktzahl, z.B. 25 Punkte) erhält. Auch diese Bewertungsmethode ist keineswegs unproblematisch. Geht z.B. ein sehr teures Angebot ein, kann dies im Extremfall zur 2003 Verwaltungsgericht 256 Folge haben, dass trotz der bekannt gegebenen hohen Gewichtung des Preises durchaus nennenswerte Preisunterschiede zwischen den übrigen Anbietern bewertungsmässig kaum mehr ins Gewicht fallen. Liegen das tiefste und das höchste Angebot dagegen nahe beisam- men, wirken sich auch verhältnismässig geringe Preisunterscheide punktemässig sehr deutlich aus. Die Bedeutung, die dem Preis im Gefüge der Zuschlagskriterien tatsächlich zukommt, hängt damit davon ab, innerhalb welcher Bandbreite sich die eingereichten An- gebotssummen bewegen. Je näher die einzelnen Angebotssummen beisammen liegen, desto stärker wirken sich auch kleine Preisunter- schiede auf die Bewertung aus und desto grösser wird die Bedeu- tung, die dem Preis schliesslich für den Zuschlag zukommt (VGE III/33 vom 30. April 2002 [BE.2002.00041] in Sachen ARGE A., S. 47 f.; vgl. zur Preisbewertung auch Matthias Hauser, Zuschlagskriterien im Submissionsrecht, in: AJP/PJA 2001, S. 1420; Jacques Pictet/Dominique Bollinger, Aide multicritère à la décision: Aspects mathématiques du droit suisse des marchés publics, in: BR 2000, S. 64). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts ist in erster Linie entscheidend, dass ein Bewertungs- oder Benotungssystem im Grundsatz sachgerecht ist und einheitlich, d.h. auf alle Anbietenden bzw. auf alle Angebote in gleicher Weise und nach gleichen Mass- stäben angewendet wird. Das Verwaltungsgericht beschränkt sich im Rahmen seiner (beschränkten) Kontrollbefugnisse auf die Überprü- fung dieser Gesichtspunkte; ihm kommt nicht die Funktion einer "Ober-Vergabebehörde" zu. Welches System letztlich Anwendung findet und wie es im Detail ausgestaltet ist, ist dabei von eher unter- geordneter Bedeutung. Auch bei der Bewertung des Preises gilt, dass das Verwaltungsgericht die von der Vergabestelle gewählte Vorge- hensweise respektieren muss, sofern diese nicht völlig sachfremd ist oder auf die einzelnen Anbieter unterschiedlich angewendet wird (VGE III/158 vom 26. November 1998 [BE.1998.00289] in Sachen G. AG, S. 9 mit Hinweisen). d) Im vorliegenden Fall hat sich die Vergabebehörde zu Beginn des Verfahrens dafür entschieden, diejenigen Angebote, die das preislich günstigste Angebot um 100% oder mehr überschritten, beim 2003 Submissionen 257 Zuschlagskriterium "Honorarofferte" mit 0 Punkten zu bewerten. Den Anbietenden wurde im Rahmen der Fragebeantwortung lediglich bekannt gegeben, dass das tiefste Angebot mit 30 Punkten und die übrigen Angebote "gemessen am tiefsten" bewertet würden. Darüber, wie die Bewertung im Einzelnen vorgenommen werden sollte, wurden keine Angaben gemacht. Jedoch durften die Anbieter angesichts der Fragebeantwortung (bzw. des ihnen zur Kenntnis ge- brachten Bewertungssystems) davon ausgehen, dass auf die Ange- bote A1/A2/B1/B2 das selbe Bewertungssystem zur Anwendung gelangen würde. Die Abweichung vom vorgesehenen Bewertungssystem be- gründet die Vergabebehörde damit, dass beim Projekt B1 zwei im Vergleich zu den restlichen vier auffallend niedrige Angebote einge- reicht worden seien. Ihr Argument, durch die Anpassung der Bewer- tungsskala für das Projekt B1 habe sie es vermeiden können, zu prü- fen, ob es sich dabei um Unterangebote handle, ist nicht haltbar. Hat die Vergabebehörde wegen des tiefen Preises den begründeten Ver- dacht, es liegen ein Unterangebot vor, hat sie die erforderlichen Ab- klärungen vorzunehmen (Peter Galli/André Moser/Elisabeth Lang, Praxis des öffentlichen Beschaffungsrechts, Zürich 2003, Rz. 536 ff). Dieser Verpflichtung kann sie sich nicht einfach durch eine entspre- chende Ausgestaltung - oder hier sogar nachträgliche Anpassung - der Preisbewertung entziehen (Galli/Moser/Lang, a.a.O., Rz. 547). Hätten die Abklärungen ergeben, dass die Angebote tatsächlich nicht kostendeckend sind, wäre die Vergabebehörde nach der Praxis des Verwaltungsgerichts berechtigt gewesen, diese von der Vergabe aus- zuschliessen, selbst wenn die Einhaltung der Submissionsbedingun- gen an sich gewährleistet gewesen wäre (AGVE 1997, S. 367 ff.; Galli/Moser/Lang, a.a.O., Rz. 543, insbes. Fn. 1082). Nicht haltbar ist aber auch das von der Vergabebehörde zur Hauptsache vorgebrachte Argument, sie habe mit der Anpassung vermeiden wollen, dass die restlichen vier Angebote wegen der bei- den Tiefpreisofferten alle undifferenziert mit 0 Punkten hätten be- wertet werden müssen. Eine solche nachträgliche Anpassung des Bewertungssystems liesse sich wegen der damit verbundenen Mani- pulationsgefahr einzig dann rechtfertigen, wenn es auf Grund der 2003 Verwaltungsgericht 258 Beibehaltung des ursprünglichen Bewertungssystems zu einer Ver- zerrung bzw. Verfälschung der bekannt gegebenen Zuschlagskriterien kommen würde. Im vorliegenden Fall kommt dem Preis lediglich ein Gewicht von 30% zu. Das Hauptgewicht liegt bei den Zu- schlagskriterien "Präsentation" und "Fragebeantwortung" mit insge- samt 70%. Auch die Nullbewertung eines Anbieters mit einem teuren Angebot beim Preis führt nicht zwangsläufig dazu, dass er den Zu- schlag selbst nicht mehr erhalten kann. Ein bei diesen beiden Kri- terien mit dem Maximum und beim Preis mit 0 benoteter Offerent erhält insgesamt 70 Punkte. Der preisgünstigste Anbieter, der bei den beiden qualitativen Kriterien schlecht oder nur durchschnittlich (halbe Punktzahl) abschneidet, liegt klar darunter. Die nachträgliche Anpassung des Bewertungssystems beim Preis lässt sich im vorliegenden Fall somit sachlich nicht rechtferti- gen. Vielmehr hätte die Vergabebehörde auch beim Projekt B1 den ursprünglich gewählten Bewertungsmodus beibehalten und - um unerwünschte Unterangebote allenfalls ausschliessen zu können - die beiden Angebote mit dem auffallend niedrigen Preis im Hinblick auf die Unterangebotsproblematik näher prüfen müssen.
2,189
1,792
AG_VG_001
AG_VG
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Northwestern_Switzerland
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2008 Verwaltungsrechtspflege 311 [...] 58 Formelle Anforderungen an einen Beschwerderückzug. - Ein Beschwerderückzug hat schriftlich zu erfolgen (Bestätigung der Rechtsprechung). Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 20. Dezember 2007 in Sa- chen A.Z. gegen das Bezirksamt Baden (WBE.2007.238). Aus den Erwägungen 2. 2.1. Der Beschwerdeführer hat auf Grund der Dispositionsmaxime die Möglichkeit seine Beschwerde zurückzuziehen. Der Widerruf muss ausdrücklich erfolgen; eine stillschweigende Rückzugserklä- rung gibt es nicht. Grundsätzlich ist der Beschwerderückzug unwi- derruflich und beendet den Streitfall unverzüglich (Michael Merker, Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aar- gauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege [VRPG] vom 9. Juli 1968, Zürich 1998, § 58 N 4). Die Angelegenheit ist sodann von der zuständigen Geschäftsstelle abzuschreiben. Der Abschrei- bungsbeschluss hat deklaratorischen Charakter, kann jedoch mit der Begründung angefochten werden, die Rückzugserklärung genüge den formellen Anforderungen nicht oder der Rückzug beruhe auf ei- nem Willensmangel (BGE 109 V 234 Erw. 3). 2008 Verwaltungsgericht 312 2.2. Gemäss Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts sind an eine Rückzugserklärung dieselben formellen Anforderungen wie an die Einlegung eines Rechtsmittels zu stellen. Das heisst, dass ein Rück- zug schriftlich zu erfolgen hat (AGVE 1985, S. 471). Nach Merker, der diese Rechtsprechung kritisiert, können Erklärungen der Verfah- rensbeteiligten auch mündlich zu Protokoll abgegeben werden (Mer- ker, a.a.O., § 58 N 4). Vorliegend sind jedoch keine Gründe ersicht- lich, die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zu ändern.
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306
AG_VG_001
AG_VG
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2003 Bau-, Planungs- und Umweltschutzrecht 169 [...] 47 Ausnützungsübertragung (§ 9 Abs. 6 ABauV). - Begriff des benachbarten Grundstücks; Trennung durch eine Ge- meindestrasse. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 11. November 2002 in Sachen M. gegen Baudepartement. Aus den Erwägungen 2. c) bb) aaa) Gemäss Ausnützungsberechnung des Projektver- fassers vom 12. Februar 1997 beträgt die anrechenbare Grund- stücksfläche 893 m 2 , die anrechenbare Bruttogeschossfläche (BGF) einschliesslich der neu zu erstellenden Bauten 502.78 m 2 . (...). Bei einer Ausnützungsziffer von 0.35 in der Landhauszone W1 gemäss § 3 BNO ist eine BGF von 312.55 m 2 zulässig. (...). Die fehlende Fläche von 190.23 m 2 soll von der auf der Parzelle Nr. 161 bestehenden Ausnützungsreserve beschafft werden. bbb) Soweit die Gemeinden nichts anderes festlegen, kann der Gemeinderat die Ausnützungsverschiebung zwischen benachbarten Grundstücken bewilligen, wenn diese Zonen zugehören, welche die 2003 Verwaltungsgericht 170 gleiche Nutzung gestatten, und wenn das Orts-, Quartier- und Land- schaftsbild nicht übermässig beeinträchtigt wird (§ 9 Abs. 6 ABauV). Es ist unbestritten, dass die BNO diesbezüglich keine abweichende Regelung enthält und die Parzelle Nr. 161 wie das Baugrundstück der Landhauszone W1 zugehört. Unterschiedliche Auffassungen bestehen hingegen bezüglich der Frage, ob die Parzelle Nr. 161 als "benachbart" gelten kann. Das Baudepartement hat sich bei der Anwendung von § 9 Abs. 6 ABauV massgeblich auf das von der Staatskanzlei herausge- gebene "Handbuch zum Bau- und Nutzungsrecht" (BNR) abgestützt. Danach gelten als benachbarte Grundstücke jedenfalls solche, die aneinander grenzen oder höchstens durch einen Fuss- oder Radweg voneinander getrennt sind (BNR [Ausgabe Juli 2001], S. 40). Diese Auslegung entspricht an sich den Überlegungen, welche das Verwal- tungsgericht im Entscheid AGVE 1987, S. 289 f., zur Zulässigkeit der (interzonalen) Nutzungsübertragung angestellt hat. Dort wird auf Funktion und Zweck der Ausnützungsziffer verwiesen. Nicht nur im grossflächigen Rahmen bzw. für das ganze Gebiet einer Zone sei eine bestimmte Baudichte festzulegen, sondern zur Wahrung des Zo- nencharakters sei auch eine gleichmässige Verteilung der Baudichte innerhalb der einzelnen Zonen zu bewirken. Es dürfe daher auch un- ter dem Gesichtspunkt der Ortsbildgestaltung nicht dem jeweiligen Grundeigentümer überlassen bleiben, durch beliebige Ausnützungs- übertragungen eine punktuell erhöhte Baumassierung zu schaffen. Solche Verschiebungen seien etwa dann abzulehnen, wenn der "Transport" über ein Strassengrundstück hinweg erfolgen müsste (AGVE 1987, S. 290 mit Hinweisen). Hieran ist festzuhalten. Es macht nach wie vor Sinn, in restriktiver Interpretation von § 9 Abs. 6 ABauV als benachbart nur solche Grundstücke zu betrachten, welche gemeinsame Grenzen haben oder höchstens durch einen untergeord- neten Weg voneinander getrennt sind. Höherwertige Strassenverbin- dungen werden regelmässig auch als mehr oder weniger markante Trennlinien innerhalb des Orts- und Quartierbildes wahrgenommen, so dass es sich rechtfertigt, den Spielraum des Grundeigentümers bei Ausnützungsverschiebungen ebenfalls dort enden zu lassen. 2003 Bau-, Planungs- und Umweltschutzrecht 171 Zwischen den Parzellen Nrn. 995 und 161 verläuft die Michel- holzstrasse, eine 4 m breit ausgemarchte Gemeindestrasse. Ab dem auf der Höhe der Parzelle Nr. 160 angelegten Wendeplatz ist nach Süden hin ein allgemeines Fahrverbot signalisiert, und in diesem Bereich dient die Strasse - nebst ihrer Funktion als Fussweg - ledig- lich noch als Zufahrt (mit Ausnahmebewilligung) zu den Parzellen Nrn. 995 und 159. Von der Einmündung des Hasenbergwegs an, d.h. ca. 80 m nach dem Wendehammer, führt sie als Naturweg weiter. Unter diesen besondern Umständen - Erschliessungsfunktion im eigentlichen Sinne weist sie nur bis zum Wendehammer auf - tritt die Michelholzstrasse weiter südlich, d.h. auch auf der Höhe der Parzelle Nr. 995, nicht mehr als trennendes Element innerhalb des Quartiers in Erscheinung. Anliegen der Ortsbildgestaltung sind hier von ne- bensächlicher Bedeutung. Wie der Augenschein ergeben hat, kann auch keine Rede davon sein, dass das Orts-, Quartier- und Land- schaftsbild im Sinne von § 9 Abs. 6 ABauV wegen der Ausnüt- zungsübertragung von der Parzelle Nr. 161 übermässig beeinträchtigt wird. Entgegen den Ausführungen der Beschwerdegegner wird das Wohngebäude des Beschwerdeführers auch nach den Umbauten nicht als überdimensionierter mehrgeschossiger Bau auffallen, wel- cher nicht mehr ins übrige Quartier passt. Wie das vom Gemeinderat eingereichte Flugbild zeigt, befinden sich im gleichen Quartier mehrere ähnlich grossvolumige Häuser, so insbesondere auch dasje- nige der Beschwerdegegner. Im Übrigen ist zu bedenken, dass nach der Ausnützungsübertragung ein später allenfalls auf der Parzelle Nr. 161 zu erstellendes Gebäude entsprechend weniger BGF für sich beanspruchen kann. Die vorgesehene Ausnützungsverschiebung erweist sich daher als zulässig.
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2,016
de
2016 Personalrecht 273 44 Kündigung aufgrund mangelnder Eignung Damit eine (psychische) Erkrankung als sachlicher Kündigungsgrund (mangelnde Eignung) angerufen werden kann, muss es sich um eine dau- erhafte Erkrankung handeln, welche die Ausübung der bisherigen Funk- tion über einen längeren Zeitraum hinweg massgeblich beeinträchtigt, wofür der Arbeitgeber die Beweislast trägt. Eine Krankheitsabsenz von vier Monaten berechtigt nicht zur Kündigung mangels Eignung, wenn aufgrund der Einschätzung des behandelnden Arztes davon ausgegangen werden muss, dass ein stufenweiser Wiedereinstieg innert absehbarer Frist in Betracht kommt. Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 19. Oktober 2016 in Sachen A. gegen Einwohnergemeinde B. (WKL.2016.7). Aus den Erwägungen II. 2.6. 2.6.1. Die Beklagte leitet die von ihr behauptete medizinische Unfä- higkeit des Klägers, die Funktion des Betreibungsbeamten weiterhin ausüben zu können, nach ihrer Darstellung in der Klageantwort aus den folgenden Umständen ab: Bereits vor seinem Burnout habe sich gezeigt, dass er der psychischen Belastung, denen ein Betreibungsbe- amter ausgesetzt sei, nicht gewachsen sei. Ausweislich der Statistik zu seinen Krankheitsabwesenheiten habe er im Zeitraum 2013 bis 31. Mai 2016 an nicht weniger als 227 Arbeitstagen krankheitshalber gefehlt. Beim Klinikbesuch vom 11. März 2016 habe die behandeln- de Ärztin nach mehrfacher Nachfrage bestätigt, dass das von ihr dia- gnostizierte Burnout durch die Belastung am Arbeitsplatz (schwieri- ge Schalterkundschaft, hohe Arbeitslast) hervorgerufen worden sei. Diese Arbeitsplatzsituation lasse sich jedoch nicht zum Wohle des Klägers verändern. Die schwierige Schalterkundschaft gehöre nun einmal zur Arbeit eines Betreibungsbeamten, dessen Arbeitsalltag zu- dem durch die Einhaltung von Fristen und strukturierten Abläufen 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 274 geprägt sei. Es sei auch nicht möglich, den Kläger vom Schalter- dienst zu befreien. Dafür sei das Betreibungsamt schlicht zu klein. Die Arbeitslast werde nicht spürbar abnehmen. Der Stellenetat werde laufend an die Geschäftslast (Anzahl Zahlungsbefehle) angepasst. Bereits im Jahr 2015 hätten dem Betreibungsamt 300 Stellenprozente zur Verfügung gestanden; im Jahr 2016 sei auf 330 Stellenprozente aufgestockt worden. 240 oder noch weniger Stellenprozente seien es letztmals im Jahr 2001 gewesen. In einem kleinen Team wie demje- nigen des Betreibungsamtes der Einwohnergemeinde B. würden fort- währende oder längere Krankheitsabsenzen des Klägers die Auf- rechterhaltung eines geordneten Betriebs, wozu die Gemeinde gegen- über dem Kanton, den Gläubigern und den Schuldnern verpflichtet sei, ernsthaft gefährden. Abgesehen davon habe die behandelnde Ärztin geäussert, von seinem Wesen her sei der Kläger für sie nicht der "klassische" Betreibungsbeamte. Wenn sie aus einer bestimmten Anzahl von Männern den Typ "Betreibungsbeamter" eruieren müsste, fiele ihre Wahl zuletzt auf den Kläger. Und der Kläger selber habe beim Gespräch vom 11. März 2016 angegeben, er fühle sich sehr schlecht und bekomme Schweissausbrüche, wenn er nur daran denke, die Arbeit (zunächst mit einem kleinen Teilzeitpensum) wie- der aufnehmen zu müssen. 2.6.2. Die letztgenannte, vom Kläger an der Verhandlung vor Verwal- tungsgericht nicht rundweg abgestrittene Aussage betreffend Schweissausbrüche steht zwar in einem gewissen Widerspruch zum Grundtenor der Klageschrift, worin die optimistische Haltung des Klägers zum Ausdruck kommt, er hätte ab Anfang Mai 2016 wieder ein kleines Teilzeitpensum übernehmen und dieses sukzessive aus- bauen können, bis hin zur vollständigen Reintegration im Oktober 2016. Man muss jedoch diese isolierte Aussage im Kontext sehen - der Kläger war am 11. März 2016 noch rekonvaleszent - und darf sie nicht überbewerten. Daraus den Schluss zu ziehen, der Kläger sei aus medizinischen Gründen unfähig, je wieder als Betreibungsbeamter zu arbeiten, wäre verfehlt. An medizinischem Datenmaterial, welches den Standpunkt der Beklagten, der Kläger könne die Funktion des Betreibungsbeamten 2016 Personalrecht 275 aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr (hinlänglich) ausüben, stützen könnte, ist wenig bis gar nichts vorhanden (vgl. dazu das Ur- teil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. August 2014 [A- 6509/2013], wonach die Kündigung eines Anstellungsverhältnisses wegen mangelnder medizinischer Tauglichkeit sorgfältig begründet und dokumentiert sein muss). Es existierte im Kündigungszeitpunkt kein Arztbericht oder dergleichen, mit dem sich hätte belegen lassen, dass die Arbeitsunfähigkeit des Klägers noch längerfristig andauern würde und an einen substanziellen beruflichen Wiedereinstieg auf absehbare Zeit nicht zu denken war. Aus dem Protokoll des Klinikbe- suchs vom 11. März 2016 geht vielmehr hervor, dass die behandeln- de Ärztin eine baldige Rückkehr des Klägers an den Arbeitsplatz für möglich hielt. Darin heisst es beispielsweise, dass der Kläger nun mit einer neuen Einstellung (hinsichtlich Verausgabungsbereitschaft, Per- fektionismus, hoher Qualitätsanspruch an die eigenen Leistungen) an die Arbeit gehen werde. Wenn man erfolgsversprechend an Verhal- tensmustern arbeite, sei die Prognose gut. Der Kläger sei noch jung und der Betrieb klein, was die Sache vereinfache. Es werde für den Kläger auch darum gehen, besser und regelmässiger zu entspannen. Der Kläger fühle sich grundsätzlich sehr wohl am Arbeitsplatz. Das Team sei gut. Heikel seien der Umgang mit schwierigen Klienten und die Geschäftslast. Gestützt auf diese und weitere Feststellungen skizzierte die behandelnde Ärztin den folgenden Ablauf für den Wie- dereinstieg des Klägers: ab Anfang Mai 2016 ein Arbeitspensum von 20-30 % im Backoffice des Betreibungsamtes oder an einer anderen Stelle der Stadtverwaltung, bis der Kläger wieder stabiler und belastbarer sein würde; danach eine stufenweise Erhöhung des Pen- sums um jeweils 10-20 % alle zwei bis drei Wochen, gemäss Emp- fehlung des nachbetreuenden Arztes. Mit anderen Worten wurde dem Kläger eineinhalb Monate vor dem Kündigungszeitpunkt lediglich eine vorübergehende, regrediente Arbeitsunfähigkeit prognostiziert. In Anbetracht dieser günstigen Prognose sowie dessen, dass der Klä- ger im Kündigungszeitpunkt noch keine vier Monate krankgeschrie- ben war, war es nicht gerechtfertigt, bereits damals von einer dauer- haften, hochgradigen Arbeitsunfähigkeit infolge einer psychischen Erkrankung auszugehen (vgl. BVGE 2007/34, Erw. 7.3.2, wo es 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 276 ebenfalls um die Beurteilung der Rechtmässigkeit der Auflösung des Anstellungsverhältnisses mit einer Burnout-Patientin ging). Dafür gab es schlechterdings keine genügenden Anhaltspunkte. Darauf, dem Kläger einen Arbeitsversuch zu gewähren, und ihn dadurch einem Praxistest zu unterziehen, hat die Beklagte mit der kurz nach Ablauf der 90-tägigen Sperrfrist (vgl. § 50 GG i.V.m. § 7 PersG und Art. 336c Abs. 1 lit. b OR) ausgesprochenen Kündigung des Anstellungsverhältnisses und mit der Freistellung des Klägers während der Kündigungsfrist bewusst verzichtet. Entsprechend gibt es keine Erfahrungswerte, welche die von der Beklagten behauptete medizinische Untauglichkeit des Klägers untermauern, die vertraglich vereinbarte Arbeit fortzuführen. Aus der angeblichen, im Protokoll zum Klinikbesuch vom 11. März 2016 nicht protokollierten Aussage der behandelnden Ärz- tin, der Kläger entspreche nicht dem Bild, das sie von einem typi- schen Betreibungsbeamten habe, lässt sich gar nichts im Hinblick auf dessen Eignung für die Funktion eines Betreibungsbeamten ableiten. Wie ernst diese Aussage gemeint war, ist ohnehin fraglich. Aus Sicht des Verwaltungsgerichts gibt es jedenfalls keine uniformen Charak- termerkmale, die den typischen Betreibungsbeamten auszeichnen bzw. bei deren Fehlen auf eine mangelnde Eignung zu schliessen ist. Der Kläger war vor seiner aktuellen Erkrankung über dreieinhalb Jahre lang als Betreibungsbeamter tätig, ohne dass seine Eignung für diese Tätigkeit bis anhin jemals zur Diskussion gestanden hätte. Sei- ne Leistungen waren allem Anschein nach tadellos. Zur Frage, ob eine Wiederaufnahme der Tätigkeit unter gesundheitlichen Gesichts- punkten in Frage kommt, hat sich die behandelnde Ärztin nach dem oben Ausgeführten unmissverständlich (zu Gunsten des Klägers) ge- äussert. Was jeweils der Anlass für die früheren, meist nur kurzen Krankheitsabsenzen des Klägers war, ist nicht aktenkundig. Es fehlt somit an einem (hinreichenden) Beweis für eine bereits seit längerer Zeit bestehende Überforderung/Überlastung des Klägers. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger nicht an 227 Arbeitstagen krankheitshalber gefehlt hat. Die von der Beklagten angefertigte Sta- 2016 Personalrecht 277 tistik bezieht sich auf Kalendertage; Samstage und Sonntage wurden mitgerechnet. Es leuchtet zwar ohne weiteres ein, dass die Beklagte zur Auf- rechterhaltung eines geordneten Betriebs des Betreibungsamtes auf den uneingeschränkten Einsatz sämtlicher Mitarbeiter des kleinen Teams (mit bis dato maximal 330 Stellenprozenten) angewiesen ist und ein längerfristiger Ausfall des im Vollzeitpensum angestellten Stellvertreters der Leiterin des Betreibungsamtes für die übrigen Mit- arbeiter nicht trag- und verkraftbar ist. Das ist jedoch ein organisa- torisches Problem, dem nicht mittels Kündigung eines Angestellten mangels Eignung begegnet werden darf, der in Tat und Wahrheit nur vorübergehend (einige Monate) aus gesundheitlichen Gründen an der Arbeitsverrichtung (teilweise) verhindert ist. Überdies weist der Klä- ger zu Recht darauf hin, dass seine Freistellung während der gesam- ten Dauer der Kündigungsfrist schlecht zu der von der Beklagten monierten Überlastung der restlichen Teammitglieder passt. Die Stel- le des Klägers wurde offenbar gegen Mitte April 2016 neu ausge- schrieben. Deshalb ist nicht zu erwarten, dass für die Zeit vor August 2016 ein Ersatz für den Kläger rekrutiert werden konnte. Zwei Mo- nate später (ab Oktober 2016) wäre der Kläger unter Umständen wie- der voll einsatzfähig gewesen. 2.6.3. Als Zwischenergebnis ist demnach festzuhalten, dass die Be- klagte die mangelnde (gesundheitliche) Eignung des Klägers, sich auch zukünftig als Betreibungsbeamter zu betätigen, nicht nachzu- weisen vermag. Ein anderer sachlich zureichender Kündigungsgrund im Sinne von § 10 des Reglements für das Personal der Einwohner- und Ortsbürgergemeinde der Stadt B. vom [...] (nachfolgend: Personalreglement) ist ebenso wenig ersichtlich. Auf S. 4 der Klageantwort beschwert sich die Beklagte über ein mangelhaftes Engagement des Klägers. Trotz grossem Arbeitsanfall habe er per 31. Dezember 2015 einen negativen Gleitzeitsaldo von mehr als 18 Stunden ausgewiesen. Und beim Gespräch vom 5. April 2016 habe er sich in der Annahme, die Arbeit ab Anfang Mai 2016 wieder aufnehmen zu können, danach erkundigt, ob er im Mai 2016 zwei Wochen in die Ferien fahren könne. Es entspreche nicht den 2016 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 278 Vorstellungen der Beklagten vom Pflichtbewusstsein einer Kaderper- son, wenn jemand nach einer viermonatigen Krankheitsabsenz den Fokus auf die Ferienerholung lege und dabei ausblende, was seine Abwesenheit für seine Mitarbeiter bedeute. Ob die genannten Vorfälle als mangelndes Engagement des Klä- gers verstanden werden können, kann dahingestellt bleiben. Man- gelndes Engagement hat auf jeden Fall nichts mit mangelnder Eig- nung, sondern mit mangelnder Leistung, allenfalls einem Mangel im Verhalten zu tun. Eine Kündigung wegen Mängeln in der Leistung oder im Verhalten setzt gemäss § 10 Abs. 1 lit. c Personalreglement eine vorgängige Mahnung (mit schriftlich angesetzter Bewährungs- zeit) voraus. Daran fehlt es im vorliegenden Fall, womit eine Kündi- gung wegen Leistungs- oder Verhaltensmängeln ausser Betracht fällt. Mangels Nachweis eines sachlich zureichenden Kündigungs- grundes erweist sich die gegenüber dem Kläger am 26. April 2016 ausgesprochene Kündigung somit auch unter materiellen Gesichts- punkten als widerrechtlich.
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AG_VG
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2001 Kantonales Steuerrecht 191 VIII. Kantonales Steuerrecht 45 Steuerfreie Übertragung der stillen Reserven bei Umwandlung (§ 20 StG). - Folge bei Nichteinhaltung der Bedingungen gemäss § 20 Abs. 2 StG: Besteuerung rückwirkend auf den Zeitpunkt der Umwandlung. - Teilliquidation eines selbstständigen Betriebsteils ist steuerlich gleich zu behandeln wie eine Liquidation. - Korrektur der zeitlichen Zuordnung einer Jahressteuer im Rechts- mittelverfahren. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 17. Mai 2001 in Sachen C.A. gegen Entscheid des Steuerrekursgerichts. Publiziert in StE 2001, B 23.7 Nr. 11.
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2014 Migrationsrecht 105 IV. Migrationsrecht 13 Vorbereitungshaft und Ausschaffungshaft; Haftanordnung bei Fort- setzung der Vorbereitungshaft als Ausschaffungshaft Wird eine Vorbereitungshaft gestützt auf Art. 75 Abs. 1 lit. c AuG bestä- tigt, liegt auch der Haftgrund von Art. 76 Abs. 1 lit. a AuG in Verbindung mit Art. 75 Abs. 1 lit. c AuG vor und die Voraussetzungen für die Fortset- zung der Vorbereitungshaft als Ausschaffungshaft sind nach Vorliegen des Wegweisungsentscheids erfüllt. Die zeitgleiche Anordnung der Vorbe- reitungs- und Ausschaffungshaft ist nicht zu beanstanden (Erw. 3.3. und 9.). Aus dem Entscheid des Einzelrichters des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 27. Januar 2014 in Sachen Amt für Migration und Integration gegen A. (WPR.2014.16). Sachverhalt A. (...) B. Im Rahmen der Befragung durch das MIKA wurde dem Gesuchsgegner am 24. Januar 2014 das rechtliche Gehör betreffend die Anordnung einer Vorbereitungs- sowie Ausschaffungshaft ge- währt. Zugleich wurde ihm das rechtliche Gehör betreffend die Ver- längerung seines Einreiseverbots gewährt. Im Anschluss an die Befragung wurde dem Gesuchsgegner die Anordnung der Vorberei- tungs- bzw. Ausschaffungshaft wie folgt eröffnet: 1. Es wird eine Vorbereitungshaft angeordnet. 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 106 2. Nach Vorliegen des Wegweisungsentscheids wird die Vorbereitungs- haft als Ausschaffungshaft weitergeführt. 3. Die Haft begann am 24. Januar 2014, 14.15 Uhr, und dauert vorerst bis zum 23. April 2014, 12.00 Uhr. 4. Die Haft wird im Ausschaffungszentrum Aarau oder im Flughafengefängnis Zürich vollzogen. C.-D. (...) Aus den Erwägungen I. 1. Das angerufene Gericht ist sowohl zuständig für die Überprü- fung der Rechtmässigkeit und Angemessenheit einer durch das MIKA angeordneten Vorbereitungs- als auch Ausschaffungshaft. Die Haftüberprüfung erfolgt aufgrund einer mündlichen Verhandlung spätestens innert 96 Stunden seit der ausländerrechtlich motivierten Anhaltung der betroffenen Person (Art. 80 Abs. 2 AuG, § 6 EGAR; vgl. BGE 127 II 174, Erw. 2.b.aa, mit Hinweisen). 2. (...) II. 1. Zur Sicherstellung der Durchführung eines Wegweisungs- verfahrens, kann die zuständige kantonale Behörde eine Person, die keine Kurzaufenthalts-, Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung besitzt, während der Vorbereitung des Entscheides über ihre Aufent- haltsberechtigung für höchstens sechs Monate in Haft nehmen (Art. 75 Abs. 1 AuG). Wurde ein erstinstanzlicher Weg- oder Aus- weisungsentscheid eröffnet, kann die zuständige kantonale Behörde die betroffene Person zur Sicherstellung des Vollzugs in Haft be- 2014 Migrationsrecht 107 lassen, wenn sie sich bereits in Vorbereitungshaft befindet (Art. 76 AuG). (...) 2. 2.1. Das MIKA begründet seine Haftanordnung betreffend Vorberei- tungshaft damit, dass das BFM vor Erlass eines Wegweisungs- entscheides Italien um Rückübernahme des Gesuchsgegners ersu- chen müsse und mit der Haft die Durchführung des Weg- weisungsverfahrens sicherstellen wolle. Damit ist der Haftzweck der Vorbereitungshaft vorliegend erstellt. 2.2. Das MIKA stützt seine Haftanordnung betreffend Vorberei- tungshaft auf Art. 75 Abs. 1 lit. c AuG, wonach ein Haftgrund dann vorliegt, wenn ein Betroffener trotz Einreiseverbot das Gebiet der Schweiz betritt und nicht sofort weggewiesen werden kann. Obwohl das BFM am 23. April 2012 gegen den Gesuchsgegner ein Einreiseverbot, gültig vom 7. Mai 2012 bis 6. Mai 2014, ver- fügte, welches ihm am 3. Mai 2012 eröffnet wurde, reiste der Gesuchsgegner am 14. Januar 2014 erneut illegal in die Schweiz ein. Der Gesuchsgegner wusste, dass gegen ihn ein Einreiseverbot erlas- sen worden war. Daran ändert auch sein Vorbringen nichts, er habe den genauen Geltungszeitraum nicht gekannt bzw. vergessen. Damit ist die erste Tatbestandsvoraussetzung von Art. 75 Abs. 1 lit. c AuG erfüllt. Aufgrund der Akten ist davon auszugehen, dass Italien für die Durchführung des Asylverfahrens des Gesuchsgegners zuständig ist. Nachdem Italien vor Erlass einer neuen Wegweisungsverfügung durch das BFM (Art. 64a AuG) erneut um Rückübernahme ersucht werden muss, kann die Wegweisung nicht sofort vollzogen werden, womit auch die zweite Tatbestandsvoraussetzung erfüllt ist. Damit ist der Haftgrund von Art. 75 Abs. 1 lit. c AuG erfüllt. 3. 3.1. Nach Vorliegen des Wegweisungsentscheids kann die betroffene Person zur Sicherstellung des Vollzugs in Haft belassen werden, 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 108 wenn sie sich bereits in Vorbereitungshaft befindet (Art. 76 Abs. 1 lit. a AuG). 3.2. Das MIKA begründet die beabsichtigte Fortsetzung der Haft als Ausschaffungshaft nach Vorliegen des Wegweisungsentscheids da- mit, dass es den Gesuchsgegner aus der Schweiz ausschaffen wolle, sobald der Wegweisungsentscheid vorliege, und der Vollzug der Wegweisung durch Inhaftierung sichergestellt werden soll. Unter diesen Umständen ist der Haftzweck auch bezüglich der späteren Ausschaffungshaft erstellt. 3.3. Das MIKA stützt seine Haftanordnung betreffend Ausschaf- fungshaft auf Art. 76 Abs. 1 lit. a AuG in Verbindung mit Art. 75 Abs. 1 lit. c AuG. Wird die Vorbereitungshaft gestützt auf Art. 75 Abs. 1 lit. c AuG bestätigt ist, auch der Haftgrund von Art. 76 Abs. 1 lit. a AuG in Ver- bindung mit Art. 75 Abs. 1 lit. c AuG erfüllt. 4.-6. (...) 7. Abschliessend stellt sich die Frage, ob die Haftanordnung des- halb nicht zu bestätigen sei, weil sie im konkreten Fall gegen das Prinzip der Verhältnismässigkeit verstossen würde. (...) In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei Art. 75 Abs. 1 lit. c AuG um einen objektivierten Haftgrund han- delt, welcher bereits bei Vorliegen eines Verstosses gegen das Einrei- severbot gegeben ist. Eine Nichtbestätigung der Haft wäre mit Blick auf die Verhältnismässigkeit nur dann angezeigt, wenn sich der Be- troffene bisher tadellos verhalten hätte und im konkreten Fall, trotz Vorliegen eines Haftgrundes, aufgrund des gezeigten Verhaltens kei- nerlei Veranlassung bestünde, den Vollzug der Wegweisung durch In- haftierung sicherstellen zu müssen. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall, wusste der Gesuchsgegner doch aufgrund seiner ersten Wegweisung und der darauf folgenden kontrollierten Ausreise - und zwar unabhängig von der Geltungsdauer des gegen ihn verhängten Einreiseverbots - dass nicht die Schweiz, sondern Italien für sein 2014 Migrationsrecht 109 Asylverfahren zuständig ist. Zudem wurde er auch anlässlich der in Norwegen und in Schweden durchlaufenen Asylverfahren stets da- rauf hingewiesen, dass nur Italien für die Bearbeitung seines Asylge- suches zuständig sei, was der Gesuchsgegner sogar anlässlich der Befragung vom 21. Januar 2014 von sich aus dem BFM mitteilte. Trotzdem reiste der Gesuchsgegner erneut in die Schweiz ein und stellte - im Bewusstsein, dass Italien für sein Asylverfahren zuständig ist - ein weiteres Asylgesuch. Mit diesem Verhalten muss sich der Gesuchsgegner vorhalten lassen, dass er sich in Europa quasi als Asyltourist aufhält und damit keine Gewähr für eine ordnungsge- mässe Ausreise bietet. Eine mildere Massnahme zur Sicherstellung der Durchführung des Wegweisungsverfahrens ist nach dem Gesag- ten nicht ersichtlich. Vor dem Hintergrund des absehbaren Wegwei- sungsentscheids und des Umstandes, dass der Gesuchsgegner bereits einmal weggewiesen wurde und erneut, unter Missachtung des Einreiseverbotes, in die Schweiz einreiste, ist deshalb bereits im heutigen Zeitpunkt klar, dass der Wegweisungsvollzug mittels Aus- schaffungshaft sichergestellt werden muss und die Inhaftierung so- wohl im Rahmen der Vorbereitungs- als auch Ausschaffungshaft ver- hältnismässig ist. (...) 8. (...) 9. Zusammenfassend steht fest, dass die Voraussetzungen der Vor- bereitungshaft erfüllt sind. Gleiches gilt nach Vorliegen des Wegwei- sungsentscheids für die Fortsetzung der Haft als Ausschaffungshaft. Folglich kann entgegen der Ansicht des Vertreters des Gesuchsgeg- ners bereits heute eine Ausschaffungshaft angeordnet werden, welche jedoch unter dem Vorbehalt eines noch zu erlassenden Wegweisungs- entscheids steht.
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2005 Verwaltungsgericht 274 [...] 56 Formelle Voraussetzungen, wenn die Aufrechterhaltung einer fürsor- gerischen Freiheitsentziehung gestützt auf einen anderen Schwächezu- stand erfolgt; Zurückbehaltung in der Anstalt zur Untersuchung nach durchgeführtem Entzug. - Nach Durchführung des Entzugs - im Rahmen einer ordentlichen Einweisung - kann ein Drogensüchtiger (vorläufig) zur Untersuchung 2005 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 275 weiterhin in der Klinik zurückbehalten werden, wenn genügend An- haltspunkte für das Vorliegen einer Geisteskrankheit/Geistesschwä- che i.S.v. Art. 397a ZGB bestehen (Erw. 2.). - Befristung einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung zur Untersu- chung (Erw. 3.). - Ergibt die Untersuchung eine über die Drogensucht hinaus beste- hende Geisteskrankheit/Geistesschwäche, hat die definitive Einwei- sung ("Zurückbehaltung") gestützt auf die Abklärungsergebnisse mittels neuer Verfügung zu erfolgen (Erw. 3.3.). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 26. Juli 2005 in Sa- chen M.T. gegen Verfügung des Bezirksamts X. Sachverhalt M.T. musste behördlicherseits wegen seiner langjährigen Dro- gensucht mehrmals in die Klinik Königsfelden zum Drogenentzug eingewiesen werden. Noch vor jeglichem Kontakt mit Drogen fielen bei M.T. psychische Probleme auf. Wegen verbal-aggressivem Ver- halten und Wahnideen sowie psychotischen Reaktionen gegenüber seinen Eltern und der Nachbarschaft musste er im Jahr 2004 mittels fürsorgerischer Freiheitsentziehung in der Klinik Königsfelden sta- tionär behandelt werden. Im Juni 2005 fiel M.T. erneut durch psy- chotisches Verhalten auf. Innert kürzester Zeit musste er mehrmals mittels fürsorgerischer Freiheitsentziehung in der Klinik Königsfel- den hospitalisiert werden, so zwischen dem 9. und 14. Juni sowie 21. und 22. Juni 2005. Als er nach seiner letzten Entlassung erneut herumschrie, Passanten beschimpfte und bedrohte, wurde er durch den Bezirksarzt X. mittels fürsorgerischer Freiheitsentziehung in die Klinik Königsfelden eingewiesen. Aufgrund der bisherigen Erfah- rungen und auf Hinwirken des Bezirksarztes und des Bezirksarzt- Stellvertreters X. bestätigte das Bezirksamt X. mit Verfügung vom 27. Juni 2005 die Einweisung von M.T. in der Klinik Königsfelden zur Durchführung eines Drogenentzugs. Nach Abschluss des Dro- genentzugs hob das Bezirksamt X. mit Anschlussverfügung vom 2005 Verwaltungsgericht 276 18. Juli 2005 diejenige vom 27. Juni 2005 auf und ordnete die weitere Zurückbehaltung des Beschwerdeführers in der Klinik Königsfelden zur Untersuchung der psychischen Problematik an. Die Zurückbehaltung wurde befristet bis Ende September 2005. Aus den Erwägungen 1. Gemäss § 67d EGZGB kann die Einweisungsbehörde vor dem Entscheid über eine Anstaltsunterbringung eine ärztliche Unter- suchung anordnen und die Person zur Durchführung der Untersu- chung vorübergehend in eine Anstalt einweisen. Voraussetzung ist, dass genügend objektive Anhaltspunkte vorliegen, wonach eine definitive fürsorgerische Freiheitsentziehung überhaupt ernsthaft in Betracht kommt, über einzelne Einweisungsvoraussetzungen aber noch Ungewissheit besteht, die die Einweisungsbehörde weder durch eigene Abklärung noch durch Anordnung einer ambulanten Untersuchung beheben kann. Die Klinik hat die gestellten Fragen (z.B. nach dem Vorliegen einer Geisteskrankheit) der Einweisungs- behörde zu beantworten, worauf diese entscheiden muss, ob eine definitive Einweisung zur Behandlung (in diesem Fall ist eine neue Verfügung zu erlassen) oder eine Entlassung erfolgt (§ 67d Abs. 1 und 2 EGZGB; AGVE 2003, S. 138; 1995, S. 248 mit Hinweisen; 1989, S. 188; Eugen Spirig, in: Zürcher Kommentar, Art. 397 a - 397 f ZGB, Zürich 1995, Art. 397 d N 285 ff.). 2. 2.1. Im Folgenden ist zu prüfen, ob im Zeitpunkt der Einwei- sung bzw. Zurückbehaltung des Beschwerdeführers in der Klinik Königsfelden zur Untersuchung am 18. Juli 2005 dem zuständigen Bezirksamt genügend Anhaltspunkte vorlagen, um das Vorliegen einer zu behandelnden psychischen Störung bzw. einer Geistes- krankheit/Geistesschwäche im Sinne von Art. 397a ZGB ernsthaft in Betracht zu ziehen. Bis anhin stand beim Beschwerdeführer dessen langjährige Drogenproblematik im Vordergrund. Seit einiger Zeit fällt er allerdings vermehrt durch psychotisches und verbal aggressi- 2005 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 277 ves Verhalten auf, das nicht mehr allein auf den Drogenkonsum zurückgeführt werden kann. 2.1.1. Bereits der langjährige Hausarzt des Beschwerdeführers, der ihn seit seiner Jugend kennt, hatte bei ihm noch vor jeglichem Kontakt mit Drogen psychische Auffälligkeiten bemerkt. Gemäss Angaben des AVS-Betreuers in X., der den Beschwerdeführer seit 1994 betreut, habe dieser oft von Menschen berichtet, welche über ihn sprechen würden und konnte sich immer mehr hineinsteigern. Der tägliche Einkauf sei ihm wegen seiner sozialen Phobie zum Stress geworden. In Stresssituationen leide er unter kreisrundem Haarausfall und hochrotem Kopf, was ihn wiederum in der Öffent- lichkeit hemme. Er habe Angst, seine Wohnung zu verlassen, da er draussen beobachtet werde. Am Fernsehen werde ebenfalls über ihn gesprochen. In letzter Zeit sei der Beschwerdeführer mit Zahlungen von Miete etc. überfordert gewesen und habe sich auch nicht mehr richtig ernährt. Zusätzlich konsumiere er unkontrolliert Alkohol und Cannabis. 2.1.2. Die psychischen Auffälligkeiten nahmen dermassen zu, dass der Beschwerdeführer schliesslich vom 8. Oktober bis 5. No- vember 2004 mittels fürsorgerischer Freiheitsentziehung in der Kli- nik Königsfelden hospitalisiert werden musste. Gemäss dem einwei- senden Bezirksarzt-Stellvertreter habe der Beschwerdeführer seit einiger Zeit seine Umgebung ,,terrorisiert". Dieser sei überzeugt gewesen, seine Eltern würden ihn und sein Zahnproblem nicht ernst nehmen, und sie würden Videoclips und Fotos von ihm im Internet veröffentlichen. Der Beschwerdeführer habe Nachrichten auf Pa- piertüten geschrieben, welche lauteten: ,,Löscht die Internet-Adresse, löscht endlich die Internet-Adresse, ich bin nicht Spielzeug und Box- sack". In der Klinik berichtete er, er habe den Verdacht, dass ihn seine Eltern beim Sex mit seiner Freundin gefilmt und dies im Inter- net veröffentlicht hätten. Diesen Verdacht habe er geschöpft, weil seine Mutter Andeutungen gemacht habe. Sie habe gesagt, dass er weite Hosen anhabe. Auch hätten ihm Kollegen angedeutet, mit wel- chem T-Shirt er geschlafen habe, weshalb er sicher sei, dass sie es im Internet gesehen und mitverfolgt hätten. Bei Klinikeintritt war der Beschwerdeführer psychotisch und unruhig mit Beziehungsideen und 2005 Verwaltungsgericht 278 wahnhaften Gedankengängen. Es wurde eine neuroleptische Be- handlung mit Clopixol eingeleitet. Nach einigen Tagen wurde der Beschwerdeführer ruhiger und entspannter und äusserte in Gesprä- chen Zweifel daran, dass seine Eltern tatsächlich Informationen über ihn im Internet public gemacht hätten. Die Diagnose lautete damals u.a. auf akute polymorphe psychotische Störung mit Symptomen einer Schizophrenie ohne akute Belastung. 2.1.3. Nach der Entlassung aus der Klinik nahm der Beschwer- deführer weiterhin Clopixol ein. Als er ab Mai 2005 eine IV-Rente zu beziehen begann, konsumierte er mit dem Geld nebst Methadon und Valium vermehrt Alkohol und Cannabis. Die Medikamente setzte er ab. In der Folge nahmen die psychischen Auffälligkeiten erneut zu. Die Klinikeinweisung am 9. Juni 2005 erfolgte, nachdem der Beschwerdeführer in den Tagen vor dem Eintritt Dinge aus dem Fenster geworfen und laut herumgeschrien hatte, so dass die Polizei beigezogen werden musste. Die Einweisung erfolgte wegen einer psychotischen Störung im Rahmen eines Abhängigkeitsproblems. Die Klinikärzte diagnostizierten bei ihm eine substanzinduzierte psychotische Störung. Er wurde am 14. Juni 2005 wieder entlassen. 2.1.4. Die Einweisung am 21. Juni 2005 erfolgte, nachdem der Beschwerdeführer in alkoholisiertem Zustand beim Sozialdienst X. erschienen war und sich verbal aggressiv verhalten und herum ge- fuchtelt hatte, so dass sich die Angestellten bedroht fühlten. Der So- zialdienst X. meldete, dass der Beschwerdeführer mehrmals täglich bei ihnen aufgetaucht sei und an die Türen gepoltert, geschrien, getobt und Geld verlangt habe. Er habe auch schon Steine ge- schmissen. In Absprache mit dem Sozialdienst X. wurde der Be- schwerdeführer am nächsten Tag wieder aus der Klinik entlassen. 2.1.5. Vor der Einweisung am 27. Juni 2005 war der Beschwer- deführer auf der Fensterbrüstung seiner Wohnung gestanden und hatte erneut herumgeschrieen. Aufgrund der sich häufenden Vorfälle mit Klinikeinweisungen in kurzen zeitlichen Abständen und weil der Beschwerdeführer bisher zu keiner Entzugstherapie bereit war, wurde er vom Bezirksamt X. zur Durchführung eines Drogenentzugs in der Klinik Königsfelden zurückbehalten. Am 4. Juli 2005 entwich der Beschwerdeführer aus der Klinik. Zurück in seiner Wohnung fiel 2005 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 279 er erneut auf, weil er sehr laut Musik laufen liess und Gegenstände aus dem Fenster warf. Er wurde noch gleichentags von der Polizei in die Klinik zurückgeführt und zur Durchführung des Drogenentzugs auf die Drogenentzugsstation der Klinik Königsfelden (DES) verlegt. Die Klinikärzte beurteilten bei ihm ein präpsychotisches Zustands- bild. Die Differentialdiagnose lautete auf hirnorganische Störung (beginnender Korsakow), Persönlichkeitsstörung, beginnende schi- zophrene Erkrankung, hypomanische Episode. 2.1.6. In seinem Schreiben an das Bezirksamt X. vom 24. Juni 2005 führt der Bezirksarzt-Stellvertreter X. aus, dass die Grunder- krankung beim Beschwerdeführer eine psychotische Störung sei. Zusammen mit dem Drogenkonsum rutsche er immer wieder in eine desolate, Zwangsmassnahmen erfordernde Situation. In ihrer Stellungnahme vom 14. Juli 2005 zu Handen der Vormundschafts- behörde X. halten die Klinikärzte fest, dass es wichtig sei, zuerst einen stationären Drogenentzug durchzuführen. Anschliessend sei eine Neubeurteilung der psychischen Verfassung sowie der hirnorga- nischen Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers notwendig. In weiterer Zukunft sei eine betreute Wohnform für den Beschwerde- führer unumgänglich. Aufgrund dieser Erkenntnisse lag der Verdacht nahe, dass die psychotischen und verbal-aggressiven Ausbrüche des Beschwerde- führers nicht bzw. nicht nur drogeninduziert, sondern Ausdruck einer psychischen Grunderkrankung sind, die noch festgestellt werden musste. Um das Vorliegen einer behandelbaren psychischen Störung bzw. einer Geisteskrankheit oder Geistesschwäche im Sinne des Gesetzes definitiv abzuklären, war es notwendig, dass der Be- schwerdeführer eine gewisse Zeit in einem drogenfreien Zustand beobachtet und untersucht werden konnte. 2.2. 2.2.1. Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit fordert, dass Verwaltungsmassnahmen ein geeignetes und notwendiges Mittel darstellen, um das zu verwirklichende Ziel zu erreichen, und dass sie in einem vernünftigen Verhältnis zu den Freiheitsbeschränkungen stehen, die dem Privaten auferlegt werden (Ulrich Häfelin/Georg Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Auflage, Zürich/Basel/ 2005 Verwaltungsgericht 280 Genf 2002, Rz. 581). Sie müssen im Hinblick auf das im öffentlichen Interesse angestrebte Ziel erforderlich sein und dürfen in sachlicher, räumlicher, zeitlicher und personeller Beziehung nicht über das Notwendige hinausgehen (Häfelin/Müller, a.a.O., Rz. 591, 594) und sie müssen durch ein das private überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt sein (Häfelin/Müller, a.a.O., Rz. 615). Dies gilt auch im Falle einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung. Diese einschneidende Massnahme ist nur dann zulässig, wenn das Fürsorgebedürfnis des Betroffenen unter Berücksichtigung seiner eigenen Schutzbedürftigkeit und der Belastung der Umgebung sie erfordert und andere, weniger weitgehende Vorkehren nicht genügen (Art. 397 a Abs. 1 und 2 ZGB; AGVE 1997, S. 240; 1992, S. 276; 1990, S. 223; Thomas Geiser, in: Basler Kommentar, ZGB I, 2. Auflage, Basel/Genf/München 2002, Art. 397 a N 12 f.; Spirig, a.a.O., Art. 397 a N 259 f.). 2.2.2. Die Verhältnismässigkeit der Klinikeinweisungen im Juni 2005 wurden vom Bezirksarzt-Stellvertreter sowie Bezirksamt X. mit Fremd- und Selbstgefährdung begründet. Auslöser der Einweisungen waren stets Reklamationen der Nachbarn, da der Beschwerdeführer in der Wohnung herumgeschrieen, gepoltert, laut Musik laufen lassen und Nachbarn und Passanten beleidigt und sogar mit Erschiessen gedroht hatte. Ähnlich hatte er sich beim Sozialdienst X. verhalten. Der Beschwerdeführer wurde nach jeder Klinikeinweisung nach relativ kurzen Aufenthalten wieder entlassen, nachdem er nicht mehr als selbst- und fremdgefährlich eingestuft worden war und mangels klarer Diagnose keine weiterführende Behandlung eingeleitet werden konnte. Nach jeder Entlassung kam es jedoch innert kürzester Zeit erneut zu einer Eskalation mit Selbst- und Fremdgefährdung und anschliessender Klinikeinweisung. Im Zeitpunkt der Zurückbehal- tung des Beschwerdeführers zur Untersuchung bestanden somit ge- nügend Anhaltspunkte dafür, dass eine fürsorgerische Freiheitsent- ziehung erneut ernsthaft in Betracht kommen könnte, wenn der Be- schwerdeführer - wie bis anhin - in die alten Verhältnisse entlassen würde. Bei der letzten Einweisung zwecks Drogenentzugs hatte der Beschwerdeführer sodann eine weiterführende Behandlung im An- schluss an den Entzug abgelehnt. Unter diesen Umständen war klar, 2005 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 281 dass die Abklärung einer psychischen Störung nicht ambulant durch- geführt werden konnte. 2.3. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass zum Zeitpunkt der Einweisung bzw. Zurückbehaltung des Beschwerdeführers zur Un- tersuchung genügend objektive Anhaltspunkte für die Annahme einer psychischen Störung vorhanden waren, welche eine fürsorgerische Freiheitsentziehung zur Behandlung erforderlich gemacht hätte. Wegen der offenkundigen Uneinsichtigkeit des Beschwerdeführers in Bezug auf das eigene Verhalten konnte das Bezirksamt X. eine ambulante Durchführung der Untersuchung nicht in Betracht ziehen. Erst im Verlauf der heutigen Verhandlung erklärte sich der Be- schwerdeführer bereit, die Untersuchung ambulant durchführen zu lassen. Die Zurückbehaltung des Beschwerdeführers in der Klinik Königsfelden zur Untersuchung vom 18. Juli 2005 war somit ge- rechtfertigt und verhältnismässig. 3. Bei einer Einweisung zur Untersuchung darf die betroffene Person gemäss § 67 d Abs. 3 EG ZGB nur so lange zurückbehalten werden, als es für die Untersuchung erforderlich ist. 3.1. Das Bezirksamt X. hat die Zeitdauer der Untersuchung bis Ende September 2005 befristet. Der Beschwerdeführer verlangt die sofortige Entlassung aus der Klinik. Zur Begründung führte er an der Verhandlung aus, dass die Abklärungen auch ambulant durchgeführt werden könnten. Er sei jetzt schon fünf Wochen in der Klinik und diese hätte genügend Zeit gehabt, die Untersuchungen abzuschlies- sen. 3.2. Die zuständigen Klinikärzte erklärten anlässlich der heuti- gen Verhandlung, dass man beim Beschwerdeführer u.a. einen hirn- organischen Abbau vermute. Man habe den Beschwerdeführer zur Untersuchung mittels Elektroenzephalogramm (EEG) sowie zu testpsychologischen Abklärungen angemeldet, nachdem der Dro- genentzug abgeschlossen gewesen sei. Die Termine seien bereits festgestanden. Der Beschwerdeführer habe jedoch beide Untersu- chungen verweigert. Er sei nach wie vor unterschwellig aggressiv. Im Falle einer Entlassung würde er, wie bis anhin, Schwierigkeiten bekommen und müsste erneut eingewiesen werden. Bezüglich des Vorschlags des Beschwerdeführers, die Untersuchungen ambulant 2005 Verwaltungsgericht 282 durchführen zu lassen, erklärten die Klinikärzte, dass die Klinik Königsfelden dafür einen stationären Aufenthalt zwingend vor- schreibe. Die Fachrichterin bestätigte, dass es im Kanton Aargau keine ambulante Möglichkeit für testpsychologische Abklärungen gebe. Gemäss Angaben der zuständigen Klinikärzte ist ein EEG-Test jederzeit durchführbar. Eine testpsychologische Untersuchung sei erst nächste Woche möglich. Die Abklärungen seien wichtig, um festzustellen, ob es sich bei den psychotischen Phasen des Beschwer- deführers um drogeninduzierte Zustandsbilder, um eine hirnorgani- sche Schädigung oder um eine Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis handle, sowie um die geeignete Behandlung zu bestim- men. 3.3. Zunächst ist festzuhalten, dass aufgrund der Aussagen der Klinikärzte, wonach die Untersuchungen in ca. 10 Tagen durchge- führt werden könnten, sich die Aufrechterhaltung der vorliegenden fürsorgerischen Freiheitsentziehung bis Ende September 2005 als zu lange erweist. Andererseits ist erstellt, dass die Abklärungen hin- sichtlich der Frage, ob beim Beschwerdeführer eine zu behandelnde psychische Störung vorliegt, im heutigen Zeitpunkt noch nicht abge- schlossen sind. Angesichts der latenten Aggressivität mit Fremdge- fährlichkeit sowie des Umstands, dass dessen Symptomatik nun schon ein Jahr vorliegt und deshalb eine Lösung gefunden werden muss, erweist sich die Durchführung der Untersuchungen nach wie vor als notwendig. Da im Falle einer sofortigen Entlassung - wie in früheren Fällen - mit einer baldigen Eskalation der Situation und Wiedereinweisung zu rechnen wäre, liegt es im eigenen wohlver- standenen Interesse des Beschwerdeführers, die Abklärungen durch- zuführen. Das Verwaltungsgericht erachtet es als gerechtfertigt und verhältnismässig, wenn der Beschwerdeführer noch für höchstens drei Wochen in der Klinik Königsfelden zurückbehalten wird, damit die Untersuchungen abgeschlossen und eine allfällige Behandlung eingeleitet werden kann. Das Bezirksamt X. wird spätestens am 16. August 2005 zu entscheiden haben, ob es gestützt auf die Abklä- rungsergebnisse eine (definitive) Einweisung zur Behandlung als notwendig erachtet oder ob eine Entlassung in Frage kommt. In die- sem Sinne ist die Beschwerde teilweise gutzuheissen.
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2015 Kantonale Steuern Migrationsrecht 117 16 § 96 und 102 StG Berücksichtigung eines Entgelts, welches an den Berechtigten für die Auf- gabe eines Wohnrechts bezahlt wird (Umzug der überlebenden Witwe ins Altersheim), bei der Einkommenssteuer. Urteil des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 31. März 2015, i.S. KStA gegen X. (WBE.2014.382). Aus den Erwägungen 1. Nicht mehr streitig ist die Besteuerung des Werts der Wohnnut- zung der Liegenschaft bis zum Auszug Ende Juni 2012; auch die Be- schwerdegegnerin anerkennt dies nunmehr ausdrücklich. Umstritten ist einzig die Erfassung der Abgeltung für den "unverbrauchten" Teil des auf zehn Jahre festgelegten, vom Verkäufer für sich und seine Ehefrau vorbehaltenen Wohnrechts. 2.-3. (identisch mit 2015 15 112 , Erw. 1-2) 4. 4.1. Liegt in der Errichtung eines Vorbehaltswohnrechts wie darge- legt konzeptionell gesehen ein echter Vorbehalt (nicht etwa der ent- geltliche Erwerb einer Personaldienstbarkeit), mit dem aber nicht in die Substanz des Grundstücks eingegriffen wird, so liegt auf der Hand, dass der als Abgeltung für die Nichtweiterausübung des Wohnrechts gezahlte bzw. hier lediglich vereinbarte und kreditierte Betrag entgegen der Auffassung des Spezialverwaltungsgerichts keine blosse Vermögensumschichtung bewirkt, sondern einen echten Vermögenszufluss. Der Wohnrechtsberechtigte, d.h. hier die Be- 2015 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 118 schwerdegegnerin, hat mit der Aufgabe des Wohnrechts nämlich nichts anderes getan, als den Wert des Wohnrechts (genauer: der vor- aussichtlichen, künftig noch verbleibenden Nutzung) zu realisieren. Damit stellt das Entgelt für die Aufgabe des Wohnrechts, wie die Be- schwerdeführerin zutreffend ausführt, entgegen der Auffassung des Spezialverwaltungsgerichts einen steuerbaren Vermögenszugang dar, und zwar unabhängig davon, ob das Entgelt nun als Entschädigung für die Nichtausübung eines Rechts gemäss § 32 lit. d StG (so K LÖTI -W EBER , in: M ARIANNE K LÖTI -W EBER /D AVE S IEGRIST / D IETER W EBER [Hrsg.], Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, 4. Aufl., Muri 2015, § 102 N 9a) oder als Einkommen aus unbeweg- lichem Vermögen qualifiziert wird (so H ANS -J ÖRG M ÜLLHAUPT , in: K LÖTI -W EBER /S IEGRIST /W EBER , a.a.O., § 32 N 11; ebenso schon in der Vorauflage. 4.2. Dieses Resultat ergibt sich im Übrigen schon aufgrund der Prä- misse, dass Einkommens- und Grundstückgewinnsteuerrecht nach dem Willen des Bundesgesetzgebers - abgesehen von der Steuerfrei- heit von Kapitalgewinnen aus der Veräusserung von beweglichem Privatvermögen - ein lückenloses System der Einkommensbesteue- rung darstellen (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 29. Februar 2012 [2C_622/2011] Erw. 4 mit Hinweisen). Die Lückenlosigkeit hat zur Folge, dass Zuflüsse von aussen entweder der allgemeinen Einkom- menssteuer oder der den Kantonen vorbehaltenen Grundstückge- winnsteuer unterliegen (vgl. dazu M ARKUS R EICH , in: P ETER A THANAS /M ARTIN Z WEIFEL [Hrsg.], Kommentar zum Schweizeri- schen Steuerrecht, Bd. I/1, 2. Aufl., Basel 2002, Art. 7 N 16 ff. und 84). Dieses Bestreben nach Lückenlosigkeit des Systems ergibt sich im Übrigen auch für das kantonale Recht aus § 25 Abs. 1 i.V.m. § 95 Abs. 2 StG. Dabei bleibt zwar die Besteuerung der Grundstückgewinne aus- drücklich den Kantonen überlassen (vgl. R EICH , a.a.O., Art. 12 N 1 f.). Dementsprechend hat der Bundesgesetzgeber aus steuer- systematischen Gründen in Art. 7 Abs. 4 lit. c StHG bestimmte Arten von Einkünften, welche traditionell, obwohl nicht direkt Einkünfte aus der Veräusserung eines Grundstücks, der Grundstückgewinn- 2015 Kantonale Steuern Migrationsrecht 119 steuer unterliegen (z.B. Geschäfte über Mobilien, die jedoch hin- sichtlich der Verfügungsgewalt über ein Grundstück wirtschaftlich wie eine Veräusserung wirken), dem Bereich der Einkommenssteuer ausdrücklich entzogen und allein der Grundstückgewinnsteuer zugewiesen. Unter die dort genannten Einkünfte fällt die hier streiti- ge Ablösungszahlung nicht. Abgesehen von den in Art. 7 Abs. 4 lit. c StHG genannten Einkünften unterliegt, von hier nicht zutreffenden Ausnahmen abgesehen (z.B. Steuerfreiheit von auf beweglichem Pri- vatvermögen erzielten Kapitalgewinnen), jeder geldwerte Zufluss der Einkommenssteuer. Es steht fest, dass der Verzicht auf die weitere Ausübung des Wohnrechts am Grundstück GB Y. im Jahr 2012 bei der Beschwerdegegnerin einen geldwerten Zufluss bewirkt hat. Auch deshalb ist die Beschwerde gutzuheissen und das Urteil des Spezialverwaltungsgerichts vom 18. September 2014 aufzuheben. Damit wird ohne weitere Anordnung der Einspracheentscheid der Steuerkommission Y. wiederhergestellt. 4.3. Nicht zu übersehen ist, dass die Besteuerung der Abgeltung für die Aufgabe des Wohnrechts als Einkommen bei der Beschwerde- gegnerin im Ergebnis dazu führt, dass der Geldwert der weiteren Nutzung der Liegenschaft jedenfalls für die Restdauer des Wohn- rechts im Ergebnis nicht nur bei der Beschwerdegegnerin, sondern darüber hinaus beim Erwerber - als Eigenmietwert, sofern er die Lie- genschaft nach dem Auszug der Beschwerdegegnerin selbst nutzt, oder als Mietertrag aus der Vermietung der Liegenschaft - nochmals steuerlich erfasst wird. Aus steuersystematischer Sicht stellt sich da- her die Frage, ob diese steuerliche Doppelbelastung der Vermö- genszuflüsse aus der Nutzung bzw. der Entschädigung für die Auf- gabe der Nutzung der Liegenschaft nicht durch eine der einkom- menssteuerlichen Belastung der Beschwerdegegnerin korrespondie- rende einkommenssteuerliche Entlastung des Erwerbers beseitigt bzw. zumindest gemildert werden müsste. Darüber ist indessen hier, wo nur die Besteuerung der Beschwerdegegnerin streitig war, nicht zu entscheiden.
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2003 Verwaltungsgericht 298 [...] 71 Verspätetes Gesuch um Kostengutsprache. - Die Verordnungsbestimmung (§ 19 Abs. 1 SHV; neu § 9 Abs. 4 SPV), wonach bei verspäteter Gesuchseinreichung keine Verpflichtung der Sozialbehörde zur Kostenübernahme besteht, lässt sich nicht auf das Gesetz abstützen und ist daher ungültig. Nur die durch die Verspä- tung entstandenen Mehrkosten dürfen abgelehnt werden. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 9. April 2003 in Sa- chen M.H. gegen Entscheid des Bezirksamts B. Aus den Erwägungen 6. a) Die Vorinstanz stellt sich auf den Standpunkt, das Gesuch um Kostengutsprache sei verspätet erfolgt. Dieses sei erst 7 Tage vor Beginn der Lehre des Beschwerdeführers beim Gemeinderat H. ein- getroffen, zu einem Zeitpunkt also, als der Lehrvertrag und der damit verbundene stationäre Aufenthalt im Jugenddorf bereits beschlossene Sache gewesen seien. Der Sozialbehörde H. seien so überhaupt keine angemessenen Mitwirkungsrechte eingeräumt worden. b) aa) Gesuche um Kostengutsprache sind in der Regel vor Ge- währung der gewünschten Leistung an die zuständige Sozialbehörde zu richten (§ 18 Abs. 1 SHV). § 19 Abs. 1 SHV sieht vor, dass ohne Gutsprache oder bei verspäteter Einreichung des Gesuchs grundsätz- lich keine Verpflichtung zur Kostenübernahme besteht. Nach § 19 Abs. 2 SHV kann jedoch eine nachträgliche Kostenübernahme aus- nahmsweise erfolgen, wenn dem Kostenträger durch die verspätete Meldung kein finanzieller Nachteil erwächst. bb) Gemäss § 95 Abs. 2 KV sind die Gerichte gehalten, Erlas- sen die Anwendung zu versagen, die Bundesrecht oder kantonalem Verfassungs- oder Gesetzesrecht widersprechen (vgl. auch § 2 Abs. 3 VRPG). Jedes Gericht hat bei der Rechtsanwendung die Prü- 2003 Sozialhilfe 299 fung der anzuwendenden Normen auf ihre Übereinstimmung mit dem höherrangigen formellen und materiellen Recht vorzunehmen (AGVE 2001, S. 117; Kurt Eichenberger, Verfassung des Kantons Aargau, Kommentar, Aarau 1986, § 95 N 21). Wird es durch das zu vollziehende Gesetz nicht anders bestimmt, müssen Verordnungen der Zielsetzung dieses Gesetzes folgen und dürfen dabei lediglich die Regelung, die in grundsätzlicher Weise im Gesetz Gestalt angenom- men hat, aus- und weiterführen, also ergänzen und spezifizieren; sie dürfen dieses weder aufheben noch abändern (Ulrich Häfelin/Walter Haller, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 5. Auflage, Zürich 2001, Rz. 1860). Die Voraussetzungen der materiellen Hilfe werden in § 12 f. SHG geregelt. Wenn ein Gesuch verspätet eingereicht wird, braucht das Gemeinwesen die dadurch entstandenen Mehrkosten nicht zu ersetzen, denn diese sind nicht notwendig (siehe § 13 Abs. 1 SHG), und die Sanktion begründet sich insoweit gleichsam von selbst. Zusätzliche Einschränkungen der Leistungen, namentlich von der Schwere, wie sie in § 19 SHV statuiert sind, müssten im Gesetz selber vorgesehen sein. Andernfalls laufen sie auf eine Ver- schärfung der Voraussetzungen des Leistungsanspruchs im Vergleich zur gesetzlichen Regelung hinaus, die dem Verordnungsgeber nicht zusteht. Im Sinne einer systematischen und gesetzeskonformen Auslegung muss deshalb § 19 SHV (entgegen dem Wortlaut) so ver- standen werden, dass eine nachträgliche Kostenübernahme erfolgen muss, soweit dem Kostenträger durch die verspätete Meldung kein finanzieller Nachteil erwächst. Das unterstützungspflichtige Gemein- wesen kann also lediglich die durch die verspätete Gesuchseinrei- chung entstandenen Mehrkosten ablehnen. c) (...) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Gesuch um Kostengutsprache wohl verspätet eingereicht wurde. Dies kann die vollumfängliche Ablehnung indessen nicht rechtfertigen. Der Ge- meinderat H. war zur Gutsprache für die sachlich begründeten Kos- ten verpflichtet.
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2006 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 159 [...] 33 Kantonsstrassenabstand einer Strassenreklame. - Verhältnis zwischen dem kantonalen und dem Bundesrecht (Erw. 2.2). - Plakatanschlagstellen fallen unter § 111 Abs. 1 lit. a BauG; kein Ver- stoss einer solchen Subsumtion gegen die Wirtschaftsfreiheit (Erw. 2.3). - Fehlen der Voraussetzungen für eine Ausnahmebewilligung gemäss § 67 Abs. 1 BauG (Erw. 2.4). - Aspekte der rechtsgleichen Behandlung: Keine Ungleichbehandlung gegenüber den temporären Abstimmungs- und Wahlplakaten (Erw. 3.2), wohl aber gegenüber den Strassenreklamen, welche sich innerhalb von Kantonsgrundstücken befinden (Erw. 3.3). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 24. Januar 2006 in Sa- chen I. AG gegen Regierungsrat. Aus den Erwägungen 1. Die Beschwerdeführerin beabsichtigt, auf der innerorts gele- genen Parzelle Nr. 1205 für wechselnde Fremdwerbung rechtwinklig zur K 113 zwei doppelseitige, unbeleuchtete, auf einem Betonfun- dament ruhende Plakatanschlagstellen im Format F 12 (283 cm x 130 cm) zu errichten. Die Montage der Reklametafeln soll freistehend er- folgen, wobei der Abstand untereinander 10 m beträgt. Vom Fahr- bahnrand der K 113 wären die Tafeln 3 m, von der Strassengrenze ca. 1.5 m entfernt. 2. 2.1. Die vom Strassenmark gemessenen Abstände betragen für Bauten gegenüber Kantonsstrassen 6 m (§ 111 Abs. 1 lit. a BauG). Es ist unbestritten, dass die geplanten beiden Reklametafeln Bauten im Sinne von § 6 Abs. 1 lit. a und § 59 Abs. 1 BauG darstel- 2006 Verwaltungsgericht 160 len und dass sie mit einem Abstand von lediglich ca. 1.5 m von der Strassengrenze, die gesetzliche Vorgabe unterschreiten. 2.2. Vorab ist die Frage des Verhältnisses zwischen dem kanto- nalen und dem Bundesrecht zu klären, weil auch dieses Strassenab- standsbestimmungen enthält. Die Beschwerdeführerin thematisiert diese Problematik. 2.2.1. Im Bereich der für Motorfahrzeuge oder Fahrräder offe- nen Strassen sind Reklamen und andere Ankündigungen untersagt, die zu Verwechslung mit Signalen oder Markierungen Anlass geben oder sonst, namentlich durch Ablenkung der Strassenbenützer, die Verkehrssicherheit beeinträchtigen könnten (Art. 6 Abs. 1 SVG, Fas- sung vom 20. März 1975). Im Rahmen seiner Ausführungskompe- tenz (Art. 106 Abs. 1 SVG) hat der Bundesrat u.a. in der Signalisati- onsverordnung vom 5. September 1979 (SSV; SR 741.21) Vollzugs- bestimmungen erlassen. So werden in Art. 95 SSV die Begriffe der Strassenreklamen sowie der Fremdreklamen, der Eigenreklamen und der Firmenanschriften definiert. In Art. 96 Abs. 1 Satz 1 SSV werden Strassenreklamen untersagt, welche die Verkehrssicherheit beein- trächtigen, mit Signalen oder Markierungen verwechselt werden oder durch ihre Ausgestaltung deren Wirkung herabsetzen könnten. In- nerorts dürfen Strassenreklamen selbstleuchtend oder angeleuchtet sein (Art. 97 Abs. 1 SSV). müssen freistehende Strassenreklamen mindestens 3 m vom Fahrbahnrand entfernt sein; für freistehende Firmenanschrif- ten genügt ein Abstand von 0.5 m (Art. 97 Abs. 2 SSV). Ausserorts gelten zusätzliche Regeln; u.a. sind dort Fremdre- klamen unzulässig (Art. 98 Abs. 1 SSV), und freistehende Eigenre- klamen und Firmenanschriften müssen mindestens 3 m vom Fahr- bahnrand entfernt sein (Art. 98 Abs. 5 SSV). 2.2.2. Gemäss Art. 82 Abs. 1 BV erlässt der Bund Vorschriften über den Strassenverkehr. Diese Rechtssetzungskompetenz ist ab- schliessend (siehe Art. 100 Abs. 2 SSV). Es wäre den Kantonen also untersagt, im Bereich der Reklamen spezifische Strassenabstandsvor- schriften zu schaffen; dies tut das Bundesrecht, indem es Grundsätze aufstellt (Art. 6 Abs. 1 SVG, Art. 96 Abs. 1 Satz 1 SSV) und konkre- 2006 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 161 tisierend Mindestabstände festlegt (Art. 97 Abs. 2 und Art. 98 Abs. 5 SSV). An dieser Kompetenzverteilung ändert nichts, dass die kanto- nale Strassenhoheit im Rahmen des Bundesrechts gewahrt bleibt (Art. 3 Abs. 1 SVG); die Strassenhoheit umfasst lediglich den Bau, den Unterhalt und die Finanzierung der Strassen sowie die Ordnung ihrer Benutzung (Erich Zimmerlin, Baugesetz des Kantons Aargau vom 2. Februar 1971, 2. Auflage, Aarau 1985, § 17 N 1; René Schaffhauser, Grundriss des schweizerischen Strassenverkehrsrechts, Band I [Grundlagen, Verkehrszulassung und Verkehrsregeln], 2. Auf- lage, Bern 2002, S. 32 Rz. 15). Hinter den Strassenabstandsvorschriften des kantonalen Rechts - seien es gesetzliche Normalabstände (§ 111 Abs. 1 BauG) oder Baulinien (§ 18 Abs. 1 BauG) - stehen primär die öffentlichen Inter- essen an der ungehinderten Abwicklung des Verkehrs (Verkehrssi- cherheits- und Gesundheitspolizeiinteressen) sowie an der Erhaltung des Planungsspielraums und der Landerwerbsmöglichkeit für die Bedürfnisse des zukünftigen Strassenbaus; daneben können auch siedlungsgestalterische Gesichtspunkte von Bedeutung sein (AGVE 2002, S. 245 mit Hinweis). Nach dem Gesagten entfällt bei der Be- urteilung einer Ausnahmebewilligung gemäss § 67 Abs. 1 BauG im Zusammenhang mit Strassenreklamen der Verkehrssicherheitsaspekt, sofern der vom Bundesrecht vorgegebene Mindestabstand und die übrigen Vorgaben eingehalten sind. Dies sieht auch der Regierungs- rat nicht anders. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern ist in ei- nem Fall, der ein Baugesuch für zwei unbeleuchtete, doppelseitige und freistehende Plakatwerbeträger im Abstand von 1 m vom Fahr- bahnrand einer Strasse zum Gegenstand hatte, zum gleichen Schluss gelangt. Konkret hat es erwogen, dass Art. 97 Abs. 2 SSV nur einen Mindestabstand festlege, grösseren Strassenabständen des kantonalen oder kommunalen Rechts jedoch grundsätzlich nicht entgegenstehe. Bei der Verkehrssicherheit handle es sich aber im Zusammenhang mit Strassenabstandsvorschriften um einen Aspekt, der bundesrecht- lich geregelt sei und - mangels der Kompetenz zu ergänzender Ge- setzgebung durch die Kantone - nicht durch kantonale oder kommu- nale Vorschriften (zusätzlich) geregelt werden dürfe. Dies heisse ei- nerseits, dass die im SVG und in der SSV statuierten verkehrssicher- 2006 Verwaltungsgericht 162 heitsrechtlich motivierten Reklamebestimmungen bei der Beurtei- lung von Ausnahmebewilligungen nicht verschärft werden dürften. Anderseits sei bei der Beurteilung der Verkehrsgefährdung die Praxis zu Art. 6 SVG massgebend, da diese Vorschrift es untersage, Rekla- men zu bewilligen, welche die Verkehrssicherheit gefährden könn- ten. Es sei deshalb im Lichte des eidgenössischen Strassenverkehrs- rechts zu prüfen, ob verkehrssicherheitsrechtliche Bedenken den Bauabschlag rechtfertigten (BVR 2005, S. 323, 329 f.; siehe auch Schaffhauser, a.a.O., Rz. 197). 2.3. 2.3.1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, für sie, deren Geschäftszweck überwiegend im Betrieb von Strassenreklamen be- stehe, komme die Anwendung des gesetzlichen Strassenabstandes immer einer ausserordentlichen Härte gleich. So verlören Strassenre- klamen ihre Werbewirkung weitgehend, weil sie vom Verkehrsteil- nehmer nicht mehr wahrgenommen würden bzw. schwer lesbar wä- ren. Ein grösserer Abstand wäre zudem der Verkehrssicherheit ab- träglich. Eine weitere Folge wäre die Verwendung grösserer Plakat- formate, was aber wegen des Ortsbild- und Landschaftsschutzes auf Schwierigkeiten stosse und auch darum undenkbar sei, weil die Be- schwerdeführerin nicht nur speziell für den Kanton Aargau vergrös- serte Plakatflächen herstellen lassen könne. Überdies beschränke Art. 96 Abs. 5 SSV die Reklamefläche auf 7 m 2 . Im Weitern könnten die Plakatwerbegesellschaften kaum mehr entsprechende Pachtverträge abschliessen, weil die Plakatstellen mitten ins Grundstück zu stehen kämen. Bei Beachtung der Abstandsvorschrift müssten - entgegen der Philosophie seriöser Werbegesellschaften - wieder vermehrt Pla- kate an Hausfassaden angebracht werden. Strassenabstandsvor- schriften und Baulinien seien aus diesen Gründen zur Anwendung auf Strassenreklamen ungeeignet. Besonders inkongruent sei die re- gierungsrätliche Praxis im Vergleich zu § 111 Abs. 1 lit. d und Abs. 4 BauG, seien doch dort für Einfriedigungen, welche massiver in Er- scheinung träten als Plakatträger und zudem nur mit grösserem Auf- wand wieder zu entfernen seien, geringere bzw. gar keine Abstände vorgesehen. Der Sondertatbestand der Reklame sei bei der Eliminie- rung der erleichterten Ausnahmevoraussetzungen gemäss § 139 des Baugesetzes des Kantons Aargau vom 2. Februar 1971 (aBauG) of- 2006 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 163 fensichtlich vergessen worden. Dies erhelle nur schon daraus, dass eine mit der Revision des BauG beauftragte Arbeitsgruppe die Auf- nahme einer erleichterten Ausnahmeregelung in Bezug auf Strassen- abstände und Baulinien beantragen wolle. 2.3.2. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist eine Norm in erster Linie aus sich selbst heraus, d.h. nach Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihr zu Grunde liegenden Wertungen, aber auch nach der Entstehungsgeschichte auszulegen. Auszugehen ist vom Wortlaut, doch kann dieser nicht allein massgebend sein. Besonders wenn der Text unklar ist oder verschiedene Deutungen zulässt, muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichti- gung weiterer Auslegungselemente, wie namentlich der Entste- hungsgeschichte der Norm, ihrem Zweck und ihrem Zusammenhang mit andern Bestimmungen (Bundesgericht, in: ZBl 102/2001, S. 84 und BGE 125 II 152, je mit Hinweisen; siehe auch AGVE 2003, S. 191 f.). 2.3.3. Der Wortlaut von § 111 Abs. 1 BauG ist eindeutig: Es werden Strassenabstände für Bauten generell (lit. a) und für Wälder (lit. b) normiert und hernach Spezialvorschriften für Einfriedigungen, Lärmschutzeinrichtungen und Bäume aufgestellt (lit. c und d). Eine Plakatanschlagstelle ist unbestrittenermassen (vorne Erw. 2.1.) ein "künstlich hergestelltes und mit dem Boden fest verbundenes Ob- jekt" und somit eine Baute im Sinne von § 6 Abs. 1 lit. a BauG. Schon unter diesem Aspekt fällt es schwer, der Beschwerdeführerin zu folgen. Hinzu kommt, dass gerade die gesonderte Erwähnung der Einfriedungen und Lärmschutzeinrichtungen zeigt, dass sich der Ge- setzgeber zu Spezialfällen, für welche sich geringere Minimalab- stände aufdrängen, Gedanken gemacht hat; es ist deshalb ohne weite- res anzunehmen, die Plakatanschlagstellen fänden sich in § 111 Abs. 1 BauG ebenfalls separat aufgeführt, wenn dies für den Gesetz- geber ein Thema gewesen wäre. In den Materialien findet sich denn auch nicht der geringste Hinweis dafür, dass sie nicht unter § 111 Abs. 1 lit. a BauG fallen sollten (Botschaft des Regierungsrats an den Grossen Rat vom 21. Mai 1990 zur Totalrevision des Baugesetzes [im Folgenden: Botschaft], S. 43 zu § 92). Die Annahme der Be- schwerdeführerin, die in Frage stehende Problematik sei vom Ge- 2006 Verwaltungsgericht 164 setzgeber seinerzeit "schlicht vergessen" worden, erweist sich somit als unbegründet. 2.3.4. Die Beschwerdeführerin bringt vor, § 111 Abs. 1 lit. a BauG verstosse, wenn er auf diese Weise ausgelegt werde, gegen das Grundrecht der Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 und 94 Abs. 1 BV); die neue Praxis des Regierungsrats treffe sie "im wirtschaftlichen Mark" und sei deshalb ganz generell unverhältnismässig hart. Sinngemäss verlangt sie damit eine inzidente Normenkontrolle. Gemäss § 95 KV sind die Gerichte gehalten, Erlassen die Anwendung zu versagen, die Bundesrecht oder kantonalem Verfassungs- oder Gesetzesrecht wi- dersprechen (AGVE 2001, S. 117 mit Hinweisen). Einschränkungen von Grundrechten bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, müssen durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt sowie verhältnismässig sein (Art. 36 BV; siehe BGE 130 I 18 und 128 II 297, je mit Hinweisen; AGVE 1995, S. 398, und 2001, S. 129, je mit Hinweisen). Eine gesetzliche Grundlage ist hier in Gestalt von § 111 Abs. 1 lit. a BauG klarerweise gegeben. Beim öffentlichen In- teresse, das hinter der Statuierung der Strassenabstandsvorschrift steht, geht es vor allem um die Wahrung des Planungsspielraums, damit Geh- und Radwege, Busspuren, unterirdische Leitungen, Stras- senverbreiterungen usw. auch später noch realisierbar sind (AGVE 2002, S. 245 mit Hinweis). Der Hinweis der Beschwerdeführerin darauf, dass eine Bewilligung unter den Vorbehalt der entschädi- gungslosen Beseitigung gestellt werden könne (§ 67 Abs. 3 BauG) und ein Plakatträger in 20 Minuten entfernt sei, greift zu kurz; die Erfahrung lehrt, dass Beseitigungsaufforderungen, selbst wenn sie aufgrund eines Reverses erfolgen, meistens nicht widerstandslos be- folgt werden, zumal wenn wirtschaftliche Interessen im Spiel sind. Schliesslich wird auch dem Verhältnismässigkeitsprinzip in genügen- der Weise Rechnung getragen. Das verfassungsmässige Gebot der Verhältnismässigkeit (Art. 5 Abs. 2 BV) verlangt, dass die vom Ge- setzgeber oder von der Behörde gewählten Massnahmen für das Er- reichen des gesetzten Zieles geeignet, notwendig und für den Betrof- fenen zumutbar sind. Der angestrebte Zweck muss in einem ver- nünftigen Verhältnis zu den eingesetzten Mitteln bzw. zu den zu sei- ner Verfolgung notwendigen Beschränkungen stehen. Der Eingriff in 2006 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 165 Grundrechte darf in sachlicher, räumlicher, zeitlicher und personeller Hinsicht nicht einschneidender sein als erforderlich (BGE 128 II 297 f. mit Hinweisen). Dass die Festlegung eines Strassenabstands zur Verwirklichung des Freihaltungsinteresses taugt und dafür auch er- forderlich ist, bedarf keiner weiteren Erörterungen. Aber auch die Zumutbarkeit für die Beschwerdeführerin erachtet das Verwaltungs- gericht als gegeben. Anzuführen ist vorab, dass lediglich eine "Bau- verbotszone" von 6 bzw. 4 m betroffen und zudem für Sonderfälle eine Ausnahmemöglichkeit vorgesehen ist. Die Ausführungen über den Verlust der Werbewirkung erscheinen übertrieben; Reklameta- feln werden in aller Regel an übersichtlichen Stellen angebracht, d.h. der Verkehrsteilnehmer kann sie aus einem relativ weiten Blickwin- kel wahrnehmen. Auch die Bedenken bezüglich des Ortsbild- und Landschaftsschutzes dürfen gewiss nicht überbewertet werden; er- fahrungsgemäss gibt es innerhalb des Kantons - zumal für Fremdre- klamen, die auf einen bestimmten Standort nicht angewiesen sind - eine genügende Anzahl von Standorten, an welchen dieses öffentli- che Interesse höchstens eine untergeordnete Rolle spielt. Und was die behauptete Schwierigkeit anbelangt, Pachtverträge abzuschlies- sen, geht es letztlich wohl nur um höhere oder geringere Pachtzinsen; wirtschaftliche Erschwernisse allein aber reichen nicht aus, um von einem relevanten Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit sprechen zu kön- nen. Im Übrigen hat die Beschwerdeführerin die an der vorinstanzli- chen Augenscheinsverhandlung gestellte Frage nach der wirtschaftli- chen Tragbarkeit grundsätzlich bejaht und eingeräumt, dass "das ganze Geschäft (...) einfach schwieriger" würde. Gesamthaft be- trachtet, vermochte die Beschwerdeführerin jedenfalls nicht darzule- gen, dass wegen des Zwangs, Strassenreklamen ausserhalb des Stras- senabstands zu platzieren, die "freie Ausübung" ihrer Erwerbstätig- keit nicht mehr gewährleistet ist (Art. 27 Abs. 2 BV). 2.4. 2.4.1. Eine Ausnahme kommt nur bei Vorliegen ausseror- dentlicher Verhältnisse oder eines Härtefalls in Betracht, wenn es mit dem öffentlichen Wohl sowie mit dem Sinn und Zweck der Rechts- sätze vereinbar ist, unter billiger Abwägung der beteiligten privaten Interessen (§ 67 Abs. 1 BauG). Danach hat sich die rechtsanwen- dende Behörde nicht nur an die Voraussetzungen und Schranken zu 2006 Verwaltungsgericht 166 halten, die sich aus der betreffenden Regelung und der übrigen Rechtsordnung ergeben. Sie muss sich überdies möglichst an den Sinn und Zweck der gesetzlichen Ordnung, von der eine Ausnahme gemacht werden soll, anlehnen. Die Umschreibung der Normtatbe- stände richtet sich an durchschnittlichen Lebenssituationen aus. Dem Gesetz liegt eine Interessenbeurteilung zugrunde, die der Gesetzge- ber durchgeführt hat. Einschränkungen, die sich daraus ergeben, muss der Betroffene hinnehmen. Der zu entscheidende Sachverhalt kann indessen so ausserordentlich sein, dass angenommen werden muss, der Gesetzgeber habe diesen Einzelfall stillschweigend ausge- schlossen. Ein Sonderfall setzt demnach voraus, dass die konkrete Sach- und Interessenlage wesentlich vom Regelfall abweicht; die Be- hörde, die eine Ausnahme macht, hat zu prüfen, in welchem Masse die Verhältnisse des Einzelfalls von der Interessenbeurteilung abwei- chen, die der Gesetzgeber vorgenommen hat (AGVE 1997, S. 332 mit Hinweisen). 2.4.2. Der Regierungsrat hat im Wesentlichen erwogen, ausser- ordentliche Verhältnisse könnten allenfalls vorliegen, wenn die Pla- katträger an bereits im Unterabstand errichtete Bauten oder Bauteile angelehnt werden könnten oder sich solche in der unmittelbaren Umgebung befänden. Denkbar sei auch, dass bei besonderen topo- graphischen Verhältnissen, etwa bei steil ansteigendem oder abfal- lendem Terrain für das Anbringen standortgebundener Firmenan- schriftstafeln eine Unterschreitung des Strassenabstandes geboten sein könne. Derartige Verhältnisse lägen hier nicht vor; vielmehr zeichneten sich die fraglichen Standorte gerade dadurch aus, dass die Sicht von der K 113 auf die Plakatträger weder durch ein Gebäude noch durch eine Kurve, Büsche oder Bäume eingeschränkt werde. Eine besondere Härte sei ebenfalls auszuschliessen, denn die Ver- weigerung der Baubewilligung am gewünschten Ort und der grund- sätzlich einzuhaltende Kantonsstrassenabstand von 6 m schlössen Plakatwerbung nicht prinzipiell aus. Erfahrungsgemäss liessen sich auch an Kantonsstrassen für Plakatwerbung geeignete Standorte bei im Unterabstand stehenden Bauten finden, wo ausserordentliche Verhältnisse bejaht werden könnten. Fremdreklamen seien im Ge- gensatz zu Firmenanschriften nicht auf die Realisierung auf einem 2006 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 167 bestimmten Grundstück angewiesen. Dazu komme, dass die Be- schwerdeführerin gegenüber allen andern Betroffenen nicht wesent- lich stärker betroffen sei; vielmehr befinde sie sich in einer Normal- situation, wie sie für Kantonsstrassenanstösser regelmässig zutreffe, wenn auch verständlich sei, dass die gewählten Standorte den wirt- schaftlichen Interessen der Beschwerdeführerin am besten entsprä- chen. Würde ihrem Anliegen generell und unabhängig vom konkre- ten Einzelfall mittels einer Ausnahmebewilligung Rechnung getra- gen, würde im Ergebnis das Gesetz abgeändert. Dass weder die Ver- kehrssicherheit noch die Anliegen der Ortsbildpflege gegen die Mon- tage der Plakatträger sprächen, sei vor diesem Hintergrund unerheb- lich. Die Beschwerdeführerin erachtet die Unterschreitung des Stras- senabstands durch Reklamen als mit dem öffentlichen Wohl sowie mit Sinn und Zweck der Regelnormierung vereinbar; die öffentlichen Interessen der Erhaltung des Planungsspielraums, der Verkehrssi- cherheit sowie des Ortsbild- und Landschaftsschutzes seien hier nicht relevant. 2.4.3. Es ist unbestritten, dass die erwähnten Anliegen der All- gemeinheit hier nicht von Belang sind, dem Bauvorhaben mithin keine öffentlichen Interessen entgegenstehen. § 67 Abs. 1 BauG verlangt nun aber nicht nur eine Interessenabwägung, sondern setzt (kumulativ) das Vorliegen ausserordentlicher Verhältnisse oder einer unzumutbaren Härte voraus. Diese Voraussetzungen sind nicht er- füllt. Besondere topographische Verhältnisse sind nach eigenen Aus- sagen der Beschwerdeführerin nicht gegeben. Nach ihrer Meinung könnte "lediglich die Gefährdung der Verkehrssicherheit aufgrund der notwendigen grösseren Ablenkung der Autofahrer, um die Pla- kate auch bei grösserem Abstand lesen zu können", ein Ausnahme- grund sein. Soweit diese Feststellung überhaupt zutrifft, kommt ihr aber allgemeine Bedeutung zu, womit das Vorliegen eines Sonder- falls von vornherein ausgeschlossen ist. Liesse man eine solche Ar- gumentation genügen, müsste die grosse Mehrzahl der im Strassen- abstand geplanten Strassenreklamen bewilligt werden, womit die Ausnahmebestimmung ausgehöhlt würde. Das Verwaltungsgericht hat in seiner bisherigen Praxis stets strenge Anforderungen an das 2006 Verwaltungsgericht 168 Vorliegen einer Ausnahmesituation gestellt; eine solche darf nicht leichthin angenommen werden, auch nicht in Bezug auf den gesetzli- chen Strassenabstand (AGVE 2001, S. 296, 298; VGE III/25 vom 30. März 2005 [BE.2004.00160], S. 19 f.). Mithin erweist sich das Bauvorhaben auch nicht gestützt auf § 67 BauG als bewilligungsfä- hig. 3. 3.1. Die Beschwerdeführerin rügt unter Hinweis auf ent- sprechende Merkblätter des Baudepartements (Abteilung Tiefbau) eine "krasse Ungleichbehandlung im Vergleich mit den Wahl- und Abstimmungsplakaten"; diese unterschritten den gesetzlichen Stras- senabstand regelmässig. Der Regierungsrat merkt dazu an, dass sich Wahlwerbung in qualitativer und zeitlicher Hinsicht von kommer- ziellen Strassenreklamen unterscheide, so dass im Einzelfall gerade aus Gründen der Rechtsgleichheit eine unterschiedliche Behandlung von Wahlwerbung und kommerziellen Strassenreklamen geboten sein könne. 3.2. 3.2.1. Der in Art. 8 BV verankerte Gleichheitssatz verlangt, dass Gleiches nach Massgabe seiner Gleichheit gleich und Unglei- ches nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird. Es dürfen keine Unterscheidungen getroffen werden, für die ein ver- nünftiger Grund in den tatsächlichen Verhältnissen, über die zu ent- scheiden ist, nicht gefunden werden kann. Die Rechtsgleichheit ist verletzt, wenn zwei gleiche tatsächliche Situationen ohne sachlichen Grund unterschiedlich behandelt werden (BGE 129 I 125 f. und 357, je mit Hinweisen; AGVE 1999, S. 210). 3.2.2. Das Merkblatt RM.TV.008 des Baudepartements (Abtei- lung Tiefbau) vom 30. Juni 2004 ("Temporäre Abstimmungs- und Wahlplakate") sieht u.a. folgende Regelungen vor: "(...) 2. Abstand zur Strassenparzelle Der Abstand von Abstimmungs- und Wahlplakaten zum Stra- ssenrand beträgt minimal 3 m. 3. Anordnung Abstimmungs- und Wahlplakate dürfen nur innerorts (innerhalb der Ortschaftstafeln) oder nicht weiter als 100 m von der Ort- schaftstafel entfernt im Ausserort angebracht werden. 2006 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 169 (...) 5. Aufstellzeitpunkt und -dauer Abstimmungs- und Wahlplakate dürfen höchstens 8 Wochen vor Beginn der Wahl oder Abstimmung aufgestellt werden. Sie sind nach dem Anlass unverzüglich zu beseitigen, ebenso die Befestigungseinrichtungen. 6. Bewilligung Abstimmungs- und Wahlplakate benötigen keine Zustimmung des Kantons und keine Bewilligung der Gemeinde. Die Anfor- derungen und Einschränkungen müssen jedoch zwingend ein- gehalten und die unerlaubten Standorte beachtet werden." Soweit sich die Kritik der Beschwerdeführerin auf die Ziffern 3 und 6 des Merkblatts bezieht, ist ihr entgegenzuhalten, dass es im vorliegenden Falle weder um einen Standort im Ausserort noch um die Bewilligungspflicht geht. Demgegenüber weist die Richtlinie, dass Abstimmungs- und Wahlplakate zum Strassenrand einen Ab- stand von minimal 3 m zu wahren haben (Ziff. 2 des Merkblatts), zum vorliegenden Fall den erforderlichen sachlichen Zusammenhang auf. Eine rechtserhebliche Ungleichheit liegt hierin aber darum nicht, weil Abstimmungs- und Wahlplakate höchstens acht bis neun Wo- chen aufgestellt bleiben dürfen, wogegen die Bewilligung für Stras- senreklamen mit kommerzieller Fremdwerbung in der Regel auf un- beschränkte Dauer ausgestellt wird. Vor diesem Hintergrund erweist sich eine unterschiedliche Bewertung der Abstandsfrage zumindest als vertretbar. Hinzu kommt, dass die Mitwirkung der politischen Parteien bei der Meinungs- und Willensbildung der Stimmberech- tigten - und die Aufstellung von Abstimmungs- und Wahlplakaten gehört klarerweise in diesen Kontext - als öffentliches Interesse in § 67 Abs. 1 KV verankert ist. 3.3. Die Berufung auf das Gebot der rechtsgleichen Behandlung ist nun aber unter einem andern Aspekt gerechtfertigt, den die Be- schwerdeführerin anlässlich der Augenscheinsverhandlung vom 24. Januar 2006 zusätzlich eingebracht hat. Es steht nämlich fest, dass der Kanton bei der Bewilligung von Strassenreklamen innerhalb der ihm gehörenden Strassengrundstücke nur die Einhaltung des bun- desrechtlichen Minimalabstands von 3 m ab Fahrbahnrand gemäss 2006 Verwaltungsgericht 170 Art. 97 Abs. 2 SSV verlangt. In all den Fällen also, in welchen die Strassengrenze weiter als 3 m vom Fahrbahnrand entfernt liegt, dür- fen Strassenreklamen im werbetechnisch günstigen (vorne Erw. 2.3.1) und verkehrssicherheitsmässig unbedenklichen (vorne Erw. 2.2.2) Abstand von 3 m vom Fahrbahnrand aufgestellt werden, während sonst ein Abstand von 6 m von der Strassengrenze einge- halten werden muss. Eine solche, letztlich von einer Zufälligkeit ab- hängige Ungleichbehandlung grenzt an Willkür. Sie führt dazu, dass auch in den Fällen, in welchen die Abstandsvorschrift von § 111 Abs. 1 lit. a BauG an sich zum Tragen kommt, grundsätzlich nur die Einhaltung des Abstands von 3 m gemäss Art. 97 Abs. 2 SSV ver- langt werden darf. 3.4. Ausnahmebewilligungen können mit einem Beseitigungs- revers verknüpft werden (§ 67 Abs. 3 BauG). Die Beschwerdeführe- rin ist mit einer solchen Auflage einverstanden. 4. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich die Beschwerde aus Gründen der rechtsgleichen Behandlung als stichhaltig erweist. Ziffer 2.4 der "Bedingungen und Auflagen" der Baubewilligung vom 19. Juli 2004 ist aufzuheben. Im Übrigen ist der Beschwerdeführerin von Amtes wegen ein Revers im Sinne von § 67 Abs. 3 BauG aufzu- erlegen.
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2002 Opferhilfe 355 [...] 84 Rechtzeitigkeit des Gesuchs um Entschädigung und Genugtuung (Art. 16 Abs. 3 OHG). - Nichtanwendbarkeit der 2-jährigen Verwirkungsfrist, wenn das Opfer nicht gehörig darauf hingewiesen wurde (Erw. 1, 2/a, b/aa). - Frist für die nachträgliche Einreichung des Gesuchs, nachdem das Opfer von der abgelaufenen Verwirkungsfrist Kenntnis erhalten hat? (Erw. 2/b/cc). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 18. Juni 2002 in Sa- chen E.S. gegen Verfügung des Kantonalen Sozialdienstes. Sachverhalt E.S. wurde anlässlich eines Raubüberfalls auf die X.-Bank, wo sie als Kassierin arbeitete, am 18. Januar 1999 von den Tätern unter Waffengewalt gezwungen, den Tresor zu öffnen. Die Täter wurden vom Obergericht des Kantons Solothurn mit Urteil vom 22. Juni 2001 u.a. des qualifizierten Raubes schuldig befunden und, unter solidarischer Haftung, zur Zahlung von Fr. 5'000.-- als Genugtuung 2002 Verwaltungsgericht 356 an E.S. verurteilt. Mit Eingabe vom 22. November 2001 an den Kantonalen Sozialdienst (KSD) meldete E.S. vorsorglich ihre An- sprüche auf Genugtuung gemäss Art. 11 ff. OHG an. Sie führte aus, sie sei erst im April 2001 durch das Obergericht Solothurn auf ihren Anspruch aufmerksam gemacht worden, weshalb sie die Zweijahres- frist für die Anmeldung der Genugtuungsansprüche nicht habe ein- halten können. Mit Gesuch vom 21. Dezember 2001 beantragte sie die Ausrichtung der gerichtlich zugesprochenen Genugtuungssumme. Der KSD trat auf das Gesuch wegen Verspätung nicht ein. Aus den Erwägungen 1. a) Gesuche um Entschädigung und Genugtuung sind gemäss Art. 16 Abs. 3 OHG innert zwei Jahren nach der Straftat einzurei- chen; andernfalls verwirkt das Opfer seine Ansprüche. Dass diese Frist im vorliegenden Fall nicht eingehalten wurde, ist unbestritten. b) Die Beratungsstellen leisten und vermitteln dem Opfer medi- zinische, psychologische, soziale, materielle und juristische Hilfe, und sie informieren über die Hilfe an Opfer (Art. 3 Abs. 2 OHG). Hierzu gehört auch die Information über die Verwirkungsfrist des Art. 16 Abs. 3 OHG (vgl. BGE 123 II 244 = Pra 86/1997, S. 797). Mangelt es an dieser Information und wird das Opfer dadurch schuldlos an der rechtzeitigen Geltendmachung seiner Entschädi- gungs- und Genugtuungsansprüche gehindert, so darf ihm nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung der unbenützte Ablauf der zweijährigen Verwirkungsfrist nach Treu und Glauben nicht entge- gengehalten werden (BGE 123 II 244 ff.). 2. a) Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass die Beschwerde- führerin weder durch die Polizei noch durch die Opferhilfe Aargau (als Beratungstelle im Sinne von Art. 3 OHG) auf die Verwirkungs- frist des Art. 16 Abs. 3 OHG hingewiesen wurde. Das Informations- schreiben der Opferhilfe Aargau vom 28. Januar 1999, das die Be- schwerdeführerin erhielt, machte wohl auf die Hilfeleistungen der Opferhilfe und auf die Möglichkeit eines Beratungsgesprächs auf- merksam, enthielt aber keinen Hinweis auf die fragliche Frist. 2002 Opferhilfe 357 b) aa) In der angefochtenen Verfügung wird die Ansicht vertre- ten, wenn die Beschwerdeführerin auf das angebotene Beratungsge- spräch verzichtet habe, sei sie selber schuld, dass sie nichts von der Zweijahresfrist erfahren habe. Damit setzt sich der KSD in offenen Widerspruch zur bundesgerichtlichen Rechtsprechung. Die Informa- tion ist eine "Bringschuld" der Beratungsstelle, nicht eine "Hol- schuld" des Opfers. Die Argumentation des KSD wäre höchstens dann nachvollziehbar, wenn im Informationsschreiben ausdrücklich darauf hingewiesen worden wäre (was indessen nicht zutrifft), dass beim angebotenen Beratungsgespräch auch wesentliche Informatio- nen für die Durchsetzung von Entschädigungs- und Genugtuungsan- sprüchen gegeben würden. Zu Recht weist die Beschwerdeführerin darauf hin, dass sie ein Beratungsgespräch für unnötig habe erachten dürfen, ohne damit auf Genugtuungsansprüche zu verzichten. Es geht nicht darum, der Opferhilfe Aargau Vorwürfe zu ma- chen - oder eben zu ersparen, indem die Schuld dem Opfer zuge- schoben wird. Entscheidend für die ausnahmsweise Nichtberücksich- tigung der Verwirkungsfrist ist nicht primär ein vorwerfbares Ver- schulden der Beratungsstelle oder einer anderen Behörde (hiervon scheint der KSD auszugehen), sondern die Schuldlosigkeit des Op- fers. Im Übrigen hat die Opferhilfe in der Zwischenzeit die Informa- tionslücke erkannt und auf vernünftige, einfache Weise Abhilfe ge- schaffen, indem das Informationsschreiben mit dem Hinweis auf die Zweijahresfrist ergänzt wurde. cc) In seiner Vernehmlassung verweist der KSD neu auf den Umstand, dass die Beschwerdeführerin spätestens anfangs April 2001 auf die Bestimmungen von Art. 11 ff. OHG hingewiesen wor- den sei und danach noch über ein halbes Jahr zugewartet habe, bis sie ihre Ansprüche bei der zuständigen Opferhilfebehörde angemel- det habe. Die Beschwerdeführerin führte in ihrer Beschwerde dazu selber aus, sie habe am 7. April 2001 zusammen mit dem Aufgebot für die Hauptverhandlung im Strafverfahren ein Meldeblatt über die Opferhilfe erhalten zusammen mit der Aufforderung, allfällige An- sprüche gegenüber den Tätern schriftlich bekannt zu geben. Kommt dem Opfer, das Entschädigungs- und Genugtuungsan- sprüche geltend machen will, zur Kenntnis, dass die zweijährige 2002 Verwaltungsgericht 358 Verwirkungsfrist bereits abgelaufen ist, kann es mit der Geltendma- chung seiner Ansprüche nicht beliebig lang zuwarten und sich noch nach Jahr und Tag auf ungenügende Information berufen. Das OHG statuiert für diesen Fall keine Nachfrist, und auch das Bundesgericht hat sich zu diesem Problem, soweit ersichtlich, noch nicht äussern müssen. Es könnte nahe liegen, die 60-tägige Nachfrist gemäss Art. 139 OR heranzuziehen und analog anzuwenden. Im vorliegen- den Fall kann dies aus den nachfolgenden Gründen offen bleiben. Im Schreiben des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 3. April 2001 wurde der Beschwerdeführerin Frist angesetzt, um ihre allfälligen Ansprüche gegenüber den Tätern schriftlich bekannt zu geben. Im Zusammenhang damit wurde auf ein beigelegtes Merk- blatt des Obergerichts zum OHG verwiesen. In diesem Merkblatt (das für die Bedürfnisse des Strafverfahrens konzipiert ist) wird ein- leitend, bei der Umschreibung des Geltungsbereichs des OHG, in einem Satz darauf hingewiesen, dass das "Begehren um Entschädi- gung oder Genugtuung innert 2 Jahren nach der Tat in dem Kanton zu stellen (sei), in dem die Tat verübt wurde". Gerade in Verbindung mit der bereits erwähnten Aufforderung, (Entschädigungs- oder Ge- nugtuungs-)Ansprüche gegenüber den Tätern innert Frist beim Ober- gericht geltend zu machen, war dieser Hinweis jedoch nicht genü- gend klar, um eine Nachfrist in Gang zu setzen; es lässt sich nicht sagen, die Beschwerdeführerin als Nichtjuristin hätte daraus eindeu- tig schliessen müssen, dass sie neben der Eingabe ans Obergericht (als Forderung gegenüber den Tätern) auch noch eine solche an die Opferhilfe Aargau zu richten habe, um nicht der Möglichkeit, die Genugtuungsleistung subsidiär im Rahmen der Opferhilfe zu erhal- ten, definitiv verlustig zu gehen. Die Aufforderung des Obergerichts, adhäsionsweise Zivilansprüche geltend zu machen, verbunden mit dem Hinweis auf das OHG, war geeignet, bei der Beschwerdeführe- rin den Eindruck zu erwecken, es genüge, ihre Ansprüche insgesamt beim Obergericht anzubringen. (...). Es kann der Beschwerdeführerin daher nicht zum Verschulden gereichen, dass sie sich erst nach Zu- stellung des Strafurteils des Obergerichts, worin ihr eine - bei den Tätern nicht eintreibbare - Genugtuungssumme zugesprochen wurde, an den KSD wandte. 2002 Opferhilfe 359 c) Zusammenfassend ergibt sich, dass der Beschwerdeführerin der Ablauf der zweijährigen Verwirkungsfrist nicht entgegengehalten werden darf. Dies führt zur Gutheissung der Beschwerde.
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2000 Verwaltungsgericht 326 [...] 74 Intransparente Kostenermittlung. - Will die Vergabestelle die Betriebs- oder Servicekosten in die Berech- nung miteinbeziehen, so muss sie in den Ausschreibungsunterlagen jedenfalls den Zeitraum angeben, für den die Kostenberechnung erfolgt. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 29. November 2000 in Sachen H. AG gegen Verfügung des Kantonsspitals Baden. Aus den Erwägungen 4. Die Vergabebehörde hat den Grundsatz der Transparenz vorliegendenfalls noch in einem weiteren Punkt verletzt, wie die folgenden Ausführungen zeigen: a) Zuschlagskriterium sind gemäss den Ausschreibungsunter- lagen u. a. die ,,Kosten". Welche Aspekte unter dem Gesichtspunkt ,,Kosten" im Einzelnen bewertet werden sollen, lässt sich den Aus- schreibungsunterlagen nicht entnehmen. Im Rahmen der Bewertung hat die Vergabestelle die ,,Kosten" dann in die Teilaspekte ,,An- schaffungskosten", ,,Betriebskosten" und ,,Unterhaltskosten" unter- teilt. Die Betriebskosten für die einzelnen Fabrikate wurden pro Waschgang, pro Tag und pro Jahr berechnet. In den Offertvergleich mit einbezogen wurden schliesslich die Betriebskosten für zehn Jahre. Auch die Unterhalts- bzw. Servicekosten wurden für zehn Jahre berechnet. b) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin lässt sich der Einbezug der Betriebs- und Servicekosten nicht grundsätzlich beanstanden. Die Vergabestelle ist nicht verpflichtet, ausschliesslich auf die Investitionskosten, d. h. den Preis, abzustellen. Auch der 2000 Submissionen 327 Kriterienkatalog in § 18 Abs. 2 SubmD erwähnt ausser dem Preis die Betriebs- und Unterhaltskosten als mögliche Zuschlagskriterien. Die Anbietenden mussten im vorliegenden Fall aufgrund der ,,offenen" Bezeichnung des Preiskriteriums als ,,Kosten" grundsätzlich damit rechnen, dass bei der Bewertung nicht nur die reinen Anschaffungs- kosten (Preis), sondern weitere Kostenelemente berücksichtigt wür- den. Nur wenn die Vergabestelle statt des Kriteriums ,,Kosten" das Kriterium ,,Preis" bekannt gegeben hätte, könnte sich die Frage stellen, ob die Vergabestelle dabei im von der Beschwerdeführerin behaupteten Sinne zu behaften ist. Bezüglich der Kosten sind in den Ausschreibungsunterlagen allerdings keine weiteren Anhaltspunkte vorhanden; insbesondere finden sich keinerlei Hinweise, für welche Zeitdauer die Betriebs- und Unterhaltskosten miteinbezogen werden sollen. Die Anbietenden hatten in Bezug auf die Betriebskosten auch keine eigenen Angaben bzw. Berechnungen zu machen; in den Ausschreibungsunterlagen wurden diesbezüglich keine konkreten Fragen gestellt. Erst mit Schreiben vom 15. Juni 2000 wurden die Anbietenden aufgefordert, für die Erstellung einer Betriebskostenrechnung ,,zusätzli- che/nochmalige" Angaben zu machen. c) aa) Die Vergabestelle hat in den Offertvergleich die Gesamt- kosten für zehn Jahre miteinbezogen. Diese betragen beim Angebot der Beschwerdeführerin Fr. 407'305.-- (ohne Wärmepumpe) und Fr. 398'764.-- (mit Wärmepumpe). Beim Angebot der M. AG belau- fen sich die Gesamtkosten auf Fr. 368'059.-- (ohne Wärmepumpe) und auf Fr. 390'210.-- (mit Wärmepumpe). (Tabellarische Kostenzusammenstellung mit/ohne Wärme- pumpe) Bei den Anschaffungskosten erweist sich das Angebot der Be- schwerdeführerin sowohl bei der Offerte ohne Wärmepumpe als auch bei der Offerte mit Wärmepumpe deutlich günstiger als die ent- 2000 Verwaltungsgericht 328 sprechenden Angebote der M. AG. Der Preisunterschied beträgt Fr. 12'665.86 (ohne WP) bzw. Fr. 14'0404.14 (mit WP). Bei den Gesamtkosten liegen hingegen die beiden Offerten der M. AG vorne; sie sind Fr. 39'246.-- (ohne WP) bzw. Fr. 8'554.-- (mit WP) günstiger als diejenigen der Beschwerdeführerin. Ausschlaggebend für die unterschiedliche Rangfolge gegenüber den Anschaffungskosten sind die auf 10 Jahre berechneten Betriebskosten. Die Vergabestelle hat für die streitbetroffenen Geschirrwaschanlagen die folgenden Be- triebskosten berechnet: (Tabellarische Betriebskostenrechnung mit/ohne Wärmepumpe) bb) Die jährliche Betriebskostendifferenz zwischen der Be- schwerdeführerin und der M. AG beträgt Fr. 5'222.70 (ohne WP) bzw. Fr. 2'327.35 (mit WP). Legt man der Gesamtkostenberechnung (ohne Wärmepumpe) nun die Betriebskosten für ein Jahr oder für zwei Jahre zugrunde, so bleibt das Angebot der Beschwerdeführerin wegen der niedrigeren Anschaffungskosten das kostengünstigere. Beim Angebot mit Wärmepumpe bleibt das Angebot der Beschwer- deführerin insgesamt kostengünstiger, wenn man die Betriebskosten für maximal sechs Jahre miteinberechnet; erst dann vermögen sich die höheren Betriebskosten zu Ungunsten der Beschwerdeführerin auszuwirken. Mit dem Einbezug der Betriebskosten in die Kostenbe- rechnung entsteht für die Vergabestelle somit klarerweise eine Ma- nipulationsmöglichkeit, die mit einem transparenten und fairen Ver- gabeverfahren unvereinbar ist. Je nach der Dauer, für die sie die Be- triebskosten berechnet, kann sie die bei den Anschaffungskosten bestehende Differenz ausgleichen und auf diese Weise einen Anbieter bevorzugen oder benachteiligen. Die Vergabestelle hält in der Vernehmlassung denn auch an sich zutreffend fest, sie hätte die Be- triebskostenrechnung auch über 20 Jahre erstellen können, wodurch der Preisvorteil der M. AG noch deutlicher ausgefallen wäre. Die den Betriebskosten zugrunde gelegten zehn Jahre entsprechen wohl der 2000 Submissionen 329 von der Vergabestelle angenommenen Lebensdauer der Geschirr- waschanlage. Für den Kostenvergleich erscheint diese Dauer aber nicht zwingend; es handelt sich um eine Annahme. Die Vergabestelle hätte die Betriebskosten zu Vergleichszwecken genauso gut auch nur für ein Jahr (mit oder ohne Wärmepumpe) oder für fünf Jahre (mit Wärmepumpe) berechnen können, wodurch die Beschwerdeführerin preislich im Vorteil gewesen wäre. Will die Vergabestelle daher die Betriebskosten miteinbeziehen, so muss sie in den Ausschreibungs- unterlagen jedenfalls den Zeitrahmen angeben, für den die Kosten- berechnung erfolgt, um allfällige Manipulationsmöglichkeiten von vornherein auszuschliessen. Zweckmässigerweise wird sie die Be- triebskostenberechnung auch von den Anbietenden selbst als Be- standteil des Angebots verlangen und diese Angaben dann im Rah- men der Offertbereinigung nachprüfen. Auf diese Weise wird sicher- gestellt, dass die Vergabestelle nicht von falschen, nicht dem Ange- bot entsprechenden Annahmen ausgeht. Im vorliegenden Fall erüb- rigt es sich, auf die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Unrichtigkeit der ermittelten Betriebskosten näher einzugehen. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts erscheint die vorgebrachte Kri- tik allerdings nicht völlig unbegründet. d) Das soeben Ausgeführte gilt grundsätzlich auch für die Ser- vicekosten. Auch hier wurde in den Ausschreibungsunterlagen un- zulässigerweise nirgends darauf hingewiesen, dass der Kostenbe- rechnung die Service-Kosten für zehn Jahre zugrunde gelegt würden. e) Nur mehr am Rande bleibt festzustellen, dass es dem Grund- satz der Transparenz wesentlich besser entspricht, wenn die Vergabe- stelle den Preis, d. h. die Anschaffungs- oder Investitionskosten, und die Betriebs- und Unterhaltskosten als zwei verschiedene Zuschlags- kriterien behandelt (wie dies im Übrigen auch § 18 Abs. 2 SubmD vorsieht) und getrennt bewertet. f) Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die dem Verga- beentscheid zugrunde gelegte Kostenermittlung in zu wenig transpa- renter und in mit willkürlichen Elementen behafteter Weise erfolgt 2000 Verwaltungsgericht 330 ist, weshalb sich auch aus diesem Grund die Wiederholung des Ver- fahrens rechtfertigt.
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2002 Verwaltungsgericht 194 [...] 59 Anstaltseinweisung eines Unmündigen; Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts; Beschwerdelegitimation. - Die Unterbringung eines Unmündigen in einer Anstalt im Rahmen ei- nes Obhutsentzugs gilt als fürsorgerische Freiheitsentziehung (Erw. 1/a). - Die Unterbringung eines Kindes in einer nicht Familienstruktur auf- weisenden Institution gilt als Anstaltseinweisung (Erw. 1/b). 2002 Fürsorgerische Freiheitsentziehung 195 - Das Verwaltungsgericht ist zuständig für Beschwerden gegen Anstalts- einweisungen von Unmündigen (Erw. 2/a). - Kinder, welche das 16. Altersjahr zurückgelegt haben, sowie ihnen nahestehende Personen sind zur Beschwerde gegen eine Anstaltsein- weisung legitimiert (Erw. 2/c). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 9. Juli 2002 in Sachen B. u. J.R. gegen Präsidialverfügung der Vormundschaftsbehörde A. Aus den Erwägungen 1. a) Wird ein unter elterlicher Sorge stehendes Kind im Rah- men eines Obhutsentzugs nach Art. 310 Abs. 1 ZGB von einer Be- hörde in einer Anstalt untergebracht, so ist dies als fürsorgerische Freiheitsentziehung zu qualifizieren. Gemäss Art. 314a Abs. 1 ZGB gelten diesfalls die Vorschriften über die gerichtliche Beurteilung und das Verfahren bei fürsorgerischer Freiheitsentziehung gegenüber mündigen und entmündigten Personen sinngemäss. Die mit dem Ob- hutsentzug verbundene Anstaltseinweisung kann deshalb gemäss Art. 397d Abs. 1 ZGB innert 10 Tagen direkt beim Richter angefoch- ten werden; die Vormundschaftsbeschwerde ist durch diesen spe- zielleren Instanzenzug ausgeschlossen (BGE 121 III 306 ff.; 109 II 388 f. = Pra 73/1984, S. 264 f.; Peter Breitschmid, in: Basler Kom- mentar ZGB I/1, Basel/Genf/München 1996, Art. 310 N 12 und N 20, Art. 314a N 8; Cyrill Hegnauer, Heimerziehung als Massnahme des Kindesschutzes und der fürsorgerischen Freiheitsentziehung, in: ZVW 1988, S. 54 ff.). (...) b) Der vom Gesetz nicht definierte Begriff "Anstalt" im Sinne von Art. 314a Abs. 1 ZGB ist in einem sehr weiten Sinne zu verste- hen. Darunter sind nicht nur diejenigen Einrichtungen zu verstehen, die man im täglichen Sprachgebrauch als Anstalten bezeichnet, sondern alle möglichen "Versorgungseinrichtungen", in welchen Personen ohne oder gegen ihren Willen persönliche Fürsorge unter Entzug ihrer Freiheit erbracht wird (BGE 121 III 308 mit Hinwei- sen). Wird das Kind statt in Familienpflege in einer nicht Familien- 2002 Verwaltungsgericht 196 struktur aufweisenden Institution (meist mit sogenannten "Wohn- gruppen") untergebracht, unterliegt es in der Regel einer strengeren Aufsicht und stärkerer Einschränkung der Kontakte zu Dritten als der Durchschnitt seiner Altersgenossen; es liegt darin die Konkretisie- rung des gesetzlich nicht definierten Begriffs der Anstalt (Breit- schmid, a.a.O., Art. 310 N 12). 2. a) Beschwerden gegen fürsorgerische Freiheitsentziehungen werden durch das Verwaltungsgericht beurteilt (§ 52 Ziff. 14 VRPG; Art. 397d ZGB und § 67o EG ZGB). Für Beschwerden, die sich ausschliesslich gegen die Entziehung der elterlichen Obhut als solche und nicht gegen eine Anstaltseinweisung richten, ist hingegen das Verwaltungsgericht sachlich nicht zuständig; diesfalls wäre Verwal- tungsbeschwerde bei der vormundschaftlichen Aufsichtsbehörde gemäss Art. 420 Abs. 2 ZGB zu erheben (BGE 109 II 388 f.; Breit- schmid, a.a.O., Art. 310 N 19 f.; Art. 314a N 8). b) (...) c) Gemäss Art. 314a Abs. 2 und Art. 405a Abs. 3 ZGB kann das Kind nicht selber die gerichtliche Beurteilung verlangen, wenn es das 16. Altersjahr noch nicht zurückgelegt hat. Jedoch können die Eltern (bzw. der Vormund) als gesetzliche Vertreter Verwaltungsgerichtsbe- schwerde einreichen; allenfalls kann dem Kind bei einer Interessen- kollision auch ein Prozessbeistand bestellt werden. Nach Art. 397d Abs. 1 ZGB ist zudem in allen Fällen (unabhängig vom Alter des Kindes) eine nahestehende Person legitimiert, den Richter anzurufen. Nach gefestigter Rechtsprechung gehören dazu nicht nur die engsten Angehörigen (Eltern, Geschwister), sondern auch weitere Bezugs- personen wie Lehrer, Ärzte, Pfarrer oder Sozialhelfer (Eugen Spirig, in: Zürcher Kommentar, Art. 397a - 397f ZGB, Zürich 1995, Art. 397d N 26).
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2000 Verwaltungsrechtspflege 351 [...] 83 Nichtigkeit einer fehlerhaften Verfügung? Rechtliches Gehör. - Nichtigkeit beim Zusammentreffen mehrerer inhaltlicher und ver- fahrensmässiger Fehler, zumal wenn zweifelhaft ist, ob die Behörde gutgläubig gehandelt hat (Erw. 2, 3). - Handlungen des Gemeindesteueramts sind der Gemeindesteuerkom- mission zuzurechnen; Fehler im Veranlagungsverfahren sind gesamt- haft zu bewerten (Erw. 3/a). - Die beabsichtigte Veranlagung aufgrund einer Vermögensvergleichs- rechnung ist dem Steuerpflichtigen zuvor bekannt zu geben (Erw. 3/b). Vgl. AGVE 2000, S. 159, Nr. 42
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2010 Bau-,Raumentwicklungs-u.Umweltschutzrecht 175 [...] 32 Gebäudeabstand nach § 20 Abs. 2 ABauV. Wo besondere Gemeindevorschriften fehlen, bleibt es bei der kantonalen Grundordnung, wonach der Gebäudeabstand der Summe der Grenzab- stände entsprechen muss. Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 21. September 2010 in Sachen A. und B. gegen X. und Y. (WBE.2010.123). Aus den Erwägungen 1. Streitgegenstand bildet die Einhaltung des Gebäudeabstands des projektierten Einfamilienhauses der Beschwerdegegner auf der Par- zelle Nr. (...) zum Wohnhaus (Gebäude Nr. [...]) der Beschwerde- führer auf der nördlich angrenzenden Parzelle Nr. (...). 2. 2.1. Die Bestimmung der Gebäudeabstände liegt in der Kompetenz der Gemeinden (§ 47 Abs. 1 BauG). Die Bau- und Nutzungsordnung 2010 Verwaltungsgericht 176 der Gemeinde Rohr (nach Gemeindefusion per 1. Januar 2010: Aarau, Ortsteil Rohr; BNO) vom 22. Oktober 2007 / 27. Februar 2008 enthält keine entsprechenden Normen. Fehlen besondere Vor- schriften, ist der Gebäudeabstand gleich der Summe der vorgeschrie- benen Grenzabstände (§ 20 Abs. 2 ABauV). Ein vereinbartes Näher- baurecht (vgl. § 47 Abs. 2 BauG) besteht zwischen den Partei-en nicht. 2.2. Gemäss geltendem Bauzonenplan der Gemeinde Rohr (ab 1. Ja- nuar 2010: Aarau, Ortsteil Rohr) liegen die beiden Parzellen in der Wohnzone W2. Nach § 4 Abs. 1 BNO beträgt in dieser Zone der klei- ne Grenzabstand 4 m und der grosse 6 m. 3. Unbestrittenermassen beträgt der Abstand des projektierten Bauvorhabens zur nördlichen, mit den Beschwerdeführern gemein- samen Grenze 4 m und hält den vorgeschriebenen kleinen Grenzab- stand ein. Deren Wohnhaus auf der nördlichen Parzelle weist an der engsten Stelle einen Abstand von 5,25 m zu dieser Grenze auf. Der Abstand zwischen dem projektierten Gebäude der Beschwerdegegner und dem Wohnhaus der Beschwerdeführer beträgt somit 9,25 m. Die Südfassade des Wohnhauses der Beschwerdeführer liegt auf der Hauptwohnseite, die für den grossen Grenzabstand massgebend ist (§ 17 Abs. 2 ABauV). Das Wohnhaus der Beschwerdeführer unter- schreitet gegen Süden den heute massgebenden Grenzabstand von 6 m um 0.75 m. Zu klären ist, ob die Beschwerdegegner mit ihrem Vorhaben um 0.75 m zurückweichen müssen, obwohl sie den Grenzabstand ein- halten. 4. (...) 5. 5.1. Nach dem Wortlaut von § 20 Abs. 2 ABauV, der mit § 164 Abs. 2 Satz 1 aBauG in der bis 31. Dezember 1993 geltenden Fas- sung wörtlich übereinstimmt, ist der Gebäudeabstand in Ermange- lung besonderer Vorschriften gleich der Summe der vorgeschriebe- nen Grenzabstände. Die Vorinstanz geht indessen davon aus, dass die 2010 Bau-,Raumentwicklungs-u.Umweltschutzrecht 177 Norm in jenen Fällen nicht bzw. nie anwendbar sei, in denen ein Alt- bau mit zu geringem Grenzabstand vorhanden sei. Es entspreche Sinn und Zweck von § 20 Abs. 2 ABauV sowie der gängigen Praxis der kantonalen Verwaltung, dass ein Zweitbau "so oder so" - unter Vorbehalt eines zwingenden entgegenstehenden Interesses - nur den Grenzabstand und nicht den vollen Gebäudeabstand (als Summe der Grenzabstände) einzuhalten habe. Dies gelte auch, wenn die kom- munale Nutzungsordnung wie hier keine anders lautende Bestim- mung enthalte. Mit "besonderen Vorschriften" seien primär zonen- spezifische abweichende Werte bzw. Berechnungen in der BNO ge- meint. Die Vorinstanz stützt sich bei ihrer Auffassung über Sinn und Zweck der Bestimmung massgeblich auf eine Kommentarstelle bei Zimmerlin zu § 164 Abs. 2 aBauG, wonach der Grund der Ab- hängigkeit zwischen Gebäude- und Grenzabständen darin liege, dass jeder Bauherr auf seinem Grundstück die Grenzabstände einhalten müssen solle, also nicht "auf Kosten des Nachbarn" bauen dürfe. Habe ein Altbau einen zu geringen Grenzabstand, müsse ein Neubau auf der Nachbarparzelle seinerseits nicht einen grösseren als den vorgeschriebenen Grenzabstand einhalten, was bewirke, dass bis zur Ersetzung des Altbaus ein kürzerer Gebäudeabstand als Summe der Grenzabstände in Kauf genommen werde (Erich Zimmerlin, Kom- mentar zum Baugesetz des Kantons Aargau vom 2. Februar 1971, 2. Auflage, Aarau 1985; §§ 163-165 N 9). Auch die Beschwerdegegner berufen sich zu ihren Gunsten auf diese Literaturstelle. Es sei unerheblich, ob die Unterschreitung des Grenzabstands der bestehenden Baute infolge einer Rechtsänderung oder infolge einer Veränderung des Sachverhalts (Parzellierung) er- folgt sei. Es sei nicht ersichtlich, weshalb der Eigentümer der bereits erstellten Baute in der einen Konstellation den Nachteil zu tragen habe und in der andern nicht. In beiden Fällen müsse der Zweit- bauende nur den Grenzabstand einhalten. Diese Rechtsauffassung gehe auch aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts, etwa aus AGVE 2003, S. 233, AGVE 2001, S. 294, sowie dem Verwaltungs- gerichtsentscheid VGE III/77 vom 2. November 2009 (WBE.2008.378), S. 5, hervor. 2010 Verwaltungsgericht 178 Der Stadtrat Aarau (vormals Rohr) hält sogar dafür, § 20 Abs. 2 ABauV entfalte überhaupt keine Wirkung, weil in der BNO Rohr keine Gebäudeabstände festgelegt seien. Der Gebäudeabstand habe für das vorliegende Verfahren keinerlei Bedeutung. 6. 6.1. Die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts zur Ab- hängigkeit von Gebäude- und Grenzabstand hatte stets einen Bezug zu besonderen Gemeindevorschriften. Bei der Beurteilung, ob der Gebäudeabstand als Summe der Grenzabstände eingehalten werden musste, prüfte das Verwaltungsgericht jeweils Anwendbarkeit und Voraussetzungen der massgeblichen Gemeindebestimmung: 6.2. Bereits im Entscheid III/21 vom 22. April 1977 (S. 18 ff.) stellte das Verwaltungsgericht fest, dass der Gebäudeabstand (als Summe der Grenzabstände) des umstrittenen Bauvorhabens unterschritten war, erachtete dieses aber dennoch als bewilligungsfähig, da beson- dere Verhältnisse im Sinne von § 44 Abs. 3 (Satz 2) der Bauordnung der Gemeinde vorlagen, der wie folgt lautete: "Stehen auf anstossenden Grundstücken schon Bauten mit geringeren als den angegebenen Grenzabständen, so muss ein Neubau in der Re- gel den Gebäudeabstand einhalten. Werden die Überbauungsmöglich- keiten des Grundstückes durch diese Regelung zu stark eingeschränkt, so kann der Gemeinderat auf Antrag der Baukommission Näherbau auf den vorgeschriebenen Grenzabstand bewilligen, wenn inbezug auf Be- sonnung und Einsicht einwandfreie Verhältnisse geschaffen werden und wenn kein öffentliches Interesse verletzt wird, es sei denn, die Beteiligten einigen sich mit Zustimmung des Gemeinderates auf di- rekten Anbau." 6.3. Auch in AGVE 2001, S. 293 ff., stand der Gebäudeabstand ei- ner Zweitbaute gegenüber einer bestehenden, den Grenzabstand unterschreitenden Baute auf dem Nachbargrundstück in Frage. Das Verwaltungsgericht hielt zunächst fest, dass der Gebäudeabstand nach § 20 Abs. 2 ABauV des Bauvorhabens nicht eingehalten sei und 2010 Bau-,Raumentwicklungs-u.Umweltschutzrecht 179 prüfte daher, ob die Voraussetzungen von § 67 Abs. 2 der Bauord- nung der Gemeinde vorlagen, welcher wie folgt lautete (S. 294): "Wenn auf Nachbargrundstücken bereits Bauten mit zu geringem Grenzabstand stehen, kann der Gebäudeabstand verringert werden, falls seine Einhaltung zu Härten führen würde. Der Grenzabstand ist dabei in jedem Fall einzuhalten. Die gesundheits-, feuer- und sicher- heitspolizeilichen Anforderungen müssen gewahrt bleiben." Das Verwaltungsgericht betonte den Ausnahmecharakter der Bestimmung und kam zum Schluss, dass kein Fall gegeben war, in dem die Einhaltung des Gebäudeabstands zu den erforderlichen Härten führte. Daher erachtete es das Bauvorhaben als nicht bewilli- gungsfähig (S. 296 ff.). 6.4. AGVE 2003, S. 227 ff., handelt anders als der vorliegende Fall vom Gebäudeabstand einer Kleinbaute (Pferdestall) im Sinne von § 18 Abs. 1 ABauV. Auch in diesem Entscheid ergab sich im Übrigen aus der Anwendung der kommunalen Bauordnung, dass die Kleinbaute lediglich den Grenzabstand, nicht aber den Gebäudeab- stand zu dem vor Inkrafttreten der Bauordnung erstellten Nachbarge- bäude einhalten musste (S. 233 f.; vgl. auch § 18 Abs. 2 Satz 2 ABauV, welcher nur auf Klein- und Anbauten anwendbar ist). 6.5. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 2. November 2009 (VGE III/77 [WBE.2008.378]), S. 5, betraf § 29 Satz 1 der Bauord- nung der Gemeinde Seon, welcher wie folgt lautet: "Für einen Neubau muss lediglich der vorgeschriebene Grenzabstand, nicht aber der Gebäudeabstand zu einem vor Inkrafttreten dieser Bau- ordnung erstellten Nachbargebäude eingehalten werden, wenn die ar- chitektonischen, gesundheits-, feuer- und sicherheitspolizeilichen An- forderungen gewahrt bleiben." Das Verwaltungsgericht schloss in diesem Entscheid darauf, dass kein Anwendungsfall dieser Bestimmung vorlag, da der Gebäu- deabstand eingehalten war. 6.6. Aus der bisherigen Praxis des Verwaltungsgerichts lässt sich somit für den vorliegenden Fall, in dem es an besonderen Gemeinde- 2010 Verwaltungsgericht 180 vorschriften fehlt, nichts ableiten. Dieser Rechtsprechung lässt sich ebenso wenig entnehmen, dass § 20 Abs. 2 ABauV die Anwendung zu versagen ist, wenn Gemeindevorschriften fehlen. 7. 7.1. Obschon besondere Vorschriften vorliegend fehlen, wendet die Vorinstanz § 20 Abs. 2 ABauV unter Berufung auf dessen Sinn und Zweck nicht an. Eine solche vom Wortlaut nicht mehr gedeckte Ge- setzesinterpretation ist entgegen der Ansicht der Beschwerdegegner nicht mehr Erkenntnis teleologischer Auslegung, sondern Lücken- füllung. Eine Lücke setzt jedoch eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes voraus, so dass anzunehmen ist, der Gesetzgeber hätte, wäre er sich dieser Tatsache bewusst gewesen, anders entschieden (Entscheid des Verwaltungsgericht vom 11. Dezember 1986, in: ZBl 88/1987, S. 556 f.; AGVE 1976, S. 258; Ulrich Häfelin / Georg Müller / Felix Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Auflage, Zürich 2006, Rz. 243 ff.). 7.2. 7.2.1. § 20 Abs. 2 ABauV weist indes keine Lücke auf, was eine Auslegung nach Sinn und Zweck belegt: Abstandsvorschriften wie § 20 Abs. 2 ABauV dienen einerseits den Interessen des Nachbarn am Schutz vor rechtserheblichen Einflüssen von Bauten und ihrer Benutzung (z.B. vor Beeinträchtigungen der Belichtung, Besonnung, Belüftung und Aussicht oder zu weitgehender Einsehbarkeit). An- dererseits verwirklichen sie öffentliche Interessen, namentlich solche der Feuerpolizei, der Wohnhygiene, der Siedlungsgestaltung und der Ästhetik (AGVE 2001, S. 298; Zimmerlin, a.a.O., §§ 163-165 N 3). Die Gewährleistung dieser Anliegen macht gerade dann Sinn, wenn eine benachbarte Altbaute den Grenzabstand zur Bauparzelle nicht einhält. Der Zweck der Vorschrift spricht somit in solchen Fällen für die Anwendung von § 20 Abs. 2 ABauV. Der Zweck von § 20 Abs. 2 ABauV kann sinnvollerweise nur darin erblickt werden, eine Rechtsfolge vorzusehen, die über die Grenz abstandsvorschriften hinausgeht. Hält nämlich ein benach- barter Altbau den Grenzabstand ein, gelangen ohne Weiteres die 2010 Bau-,Raumentwicklungs-u.Umweltschutzrecht 181 Grenzabstandsvorschriften zur Anwendung. Das gälte auch dann, wenn dies in § 20 Abs. 2 ABauV nicht speziell erwähnt würde. Für diesen Fall hätte diese Bestimmung lediglich deklaratorische Be- deutung. Eine normative Wirkung entfaltet sie nur dann, wenn eine benachbarte Altbaute den geltenden Grenzabstand unterschreitet. Weil Gesetzesvorschriften normalerweise auf eine Rechtsgestaltung ausgelegt sind, handelt es sich hierbei um den Hauptanwendungsfall von § 20 Abs. 2 ABauV. Diese Vorschrift in sämtlichen Fällen eines Unterabstands nicht anzuwenden, hiesse, sie im Hinblick auf den Hauptanwendungsfall ihres Sinngehalts zu entleeren. § 20 Abs. 2 ABauV lässt den Gemeinden Raum zum Erlass be- sonderer Vorschriften, um lokalen Besonderheiten Rechnung zu tra- gen. Wie die vorerwähnte Praxis belegt, haben zahlreiche Gemeinden von dieser Rechtsetzungsbefugnis Gebrauch gemacht. Beispielsweise enthielt auch die Bauordnung der Gemeinde Rohr vom 27. Juni 1977 / 5. Juni 1978 noch eine entsprechende Bestimmung: "Wenn auf Nachbargrundstücken bereits Bauten mit zu geringem Grenzabstand stehen, kann der Gebäudeabstand verringert werden, falls seine Einhaltung zu Härten führen würde. Der Grenzabstand ist dabei in jedem Fall einzuhalten" (Art. 51). Wo besondere Gemeinde- vorschriften jedoch fehlen, muss es bei der kantonalen Grundord- nung bleiben, wonach der Gebäudeabstand der Summe der Grenzab- stände entsprechen muss. Die kantonale Grundordnung führt auch nicht zu übertriebenen Härten, kann doch bei ausserordentlichen Verhältnissen immer noch eine Ausnahmebewilligung nach § 67 BauG erteilt werden. Als unzutreffend erweist sich somit die An- nahme, § 20 Abs. 2 ABauV wolle sicherstellen, dass jeder Bauherr auf seinem Grundstück die Grenzabstände wahren müsse und nicht "auf Kosten des Nachbarn" bauen dürfe. Ein solches Ziel ergibt sich nicht aus der kantonalen Grundordnung, sondern wäre mit besonde- ren Gemeindevorschriften zu verfolgen. 7.2.2. Im Lichte dieser Überlegungen sind auch die Ausführungen von Zimmerlin zu würdigen, der im Grundsatz ebenfalls davon ausgeht, dass der Zweitbauende hinter seinen Grenzabstand zurückweichen muss (Zimmerlin, a.a.O., §§ 163-165, N 9 Kleingedrucktes, Satz 1). 2010 Verwaltungsgericht 182 Dazu kommt es nur dann, wenn der benachbarte Altbau den Grenz- abstand gegenüber der Bauparzelle unterschreitet. Auf die Aussage von Zimmerlin, wonach "bei Vergrösserung der Abstände durch Bau- rechtsänderung [...] der Eigentümer einer früher rechtmässig er- richteten, nach den neuen Vorschriften nun aber zu nahe an die Grenze gestellten Baute nicht von dem zu seinen Gunsten nachträg- lich vergrösserten Grenzabstand profitieren" könne, folgt der Hin- weis auf den Entscheid des Verwaltungsgerichts (VGE) III/106 vom 13. Dezember 1983 (richtig: 1982). Im besagten Entscheid hielt das Verwaltungsgericht lediglich fest, dass sich eine solche Vorrangstel- lung des Eigentümers der Altbaute nicht aus der Besitzstandsgarantie ergebe (Erw. II 3 b). Im Folgenden prüfte das Verwaltungsgericht aber die Voraussetzungen von § 36 Abs. 1 der lokalen Bauordnung, wonach gegenüber Gebäuden, die schon vor Inkrafttreten der Bau- ordnung bestanden , die Gebäudeabstände unterschritten werden konnten, sofern dies städtebaulich tragbar und für den Nachbarn zu- mutbar war (Erw. III c). Aus der erwähnten Kommentarstelle lässt sich somit nicht ableiten, dass die Einhaltung der Grenzabstandsvor- schriften auch dann genügt, wenn die Gemeinde keine besonderen Vorschriften erlassen hat. 7.3. Dem Gesetz lassen sich ebenso wenig Hinweise für die Auffas- sung der Beschwerdegegner entnehmen, dass mit den vorgeschriebe- nen Grenzabständen nach § 20 Abs. 2 ABauV nicht die heutigen, sondern jene zur Zeit der Realisierung des jeweiligen Bauvorhabens gemeint seien. Wäre es die Absicht des Gesetzgebers gewesen, nicht mehr in Kraft stehende Bestimmungen für massgebend zu erklären, hätte er dies im Wortlaut der Bestimmung zum Ausdruck gebracht. Ohne anderslautende Hinweise ist davon auszugehen, dass die Grenzabstandsvorschriften des geltenden Rechts gemeint sind. 7.4. Die Beschwerdeführer machen somit zu Recht geltend, dass die Beschwerdegegner mit ihrem Vorhaben hinter den Grenzabstand zu- rückweichen müssen. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten kann darin nicht erblickt werden.
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2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 148 [...] 27 Grenzabstand Die öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften schützen nicht vor grenzverlet- zenden Bauten und Bauteilen. § 47 Abs. 3 BauG bezieht sich nur auf die Unterschreitung von Grenzabständen. Ein fehlendes Überbaurecht (für die Parzellengrenze überragende Dachteile bei geschlossener Bauweise) liegt ausserhalb des Prüfgegenstands der Baubewilligungsbehörden und darf daher nicht zur Verweigerung der Baubewilligung führen. Der be- troffene Nachbar hat sich auf dem Zivilrechtsweg gegen einen entspre- chenden Eingriff in seine Eigentumsrechte zu wehren. Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 11. Januar 2017, i.S. A. gegen B. und C. sowie Gemeinderat D. und Departement Bau, Verkehr und Umwelt (WBE.2016.249) 2017 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 149 Aus den Erwägungen 2. 2.1. Der Beschwerdeführer rügt die Rechtsauffassung der Vorinstan- zen, wonach Streitigkeiten betreffend grenzüberragende Dachteile auf den Zivilrechtsweg zu verweisen seien und - in der vorliegenden Konstellation - nicht zu einer Verweigerung der Baubewilligung füh- ren dürften. Gemäss § 47 Abs. 1 BauG - so der Beschwerdeführer - müssten die Gemeinden Grenz- und Gebäudeabstände vorsehen. Bei geschlossener Bauweise betrage der Grenzabstand 0 m. Eine Ände- rung dieses Grenzabstandes setze nach § 47 Abs. 3 BauG einen öf- fentlich beurkundeten Dienstbarkeitsvertrag (Überbaurecht) voraus. Ein solcher Dienstbarkeitsvertrag lasse sich im vorliegenden Fall nicht beibringen, weil er (der Beschwerdeführer) mit der Unter- schreitung des Grenzabstandes von 0 m nicht einverstanden sei. Schon daran zeige sich, dass die grenzüberragenden Dachteile nicht hätten bewilligt werden dürfen. § 47 Abs. 3 BauG gelte auch für 0 m-Grenzabstände. Mit der darin enthaltenen Vorschrift, dass Ände- rungen der Grenzabstände durch Dienstbarkeiten zu sichern seien, habe der Gesetzgeber Rechtssicherheit schaffen bzw. vermeiden wollen, dass noch Generationen später ein Rückbau einer in den Grenzabstand hineinragenden Baute verlangt werden könne. Genau das könnte aber der Beschwerdeführer auf dem Zivilrechtsweg jeder- zeit erreichen, solange er durch Unterbrechungshandlungen die Verjährung oder Verwirkung seines Beseitigungsanspruchs verhin- dere. Das Verwaltungsgericht habe in einem publizierten Entscheid (AGVE 2001, S. 304 ff.) ebenfalls die Meinung vertreten, ein die Grenze zum Nachbarn überragendes Bauprojekt könne ohne dessen Zustimmung nicht bewilligt werden. Es wäre denn auch unverständ- lich, weshalb die Unterschreitung eines Grenzabstandes von beispielsweise 4 m um wenige cm zur Verweigerung der Baubewilli- gung führen würde, nicht hingegen die Verletzung des Grenzabstan- des von 0 m um 40 cm. Eine solche Unterscheidung könnte einem durchschnittlich begabten Rechtsunterworfenen nie und nimmer plausibel vermittelt werden. Die Vorinstanzen hätten verkannt, dass 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 150 es nicht nur um den Schutz privater Interessen des Beschwerdefüh- rers gehe. Die Abstandsvorschriften schützten auch öffentliche Interessen. Es entstehe der Eindruck, als hätten die Vorinstanzen den Eingriff ins Eigentumsrecht des Beschwerdeführers dazu "genutzt", die Angelegenheit ans Zivilgericht abzuschieben, was einen schalen Nachgeschmack hinterlasse, den es zu korrigieren gelte. 2.2. Die Vorinstanz erwog im angefochtenen Entscheid, nach der Praxis des Verwaltungsgerichts dürfe die Baubewilligungsbehörde grundsätzlich keine privatrechtlichen Fragen beurteilen. Sie sei nur zur Anwendung öffentlich-rechtlicher (Bau-)Vorschriften berufen und habe deshalb einzig zu prüfen, ob einem Bauvorhaben öffent- lich-rechtliche Hindernisse entgegenstünden. Dieser Grundsatz wer- de dort durchbrochen, wo die öffentlich-rechtliche Ordnung unmit- telbar ans Privatrecht anknüpfe; hier müsse die Baubewilligungsbe- hörde vorfrageweise privatrechtliche Fragen beantworten. Das sei etwa der Fall, wo die Erschliessung einer Bauparzelle im Sinne von § 32 Abs. 1 lit. b BauG mittels eines privatrechtlichen Fahrwegrechts abgesichert sei. Oder ein Bauherr erfülle die ihn treffende Pflicht zur Schaffung von Pflichtparkplätzen durch die Bereitstellung von Ab- stellplätzen auf einem fremden Grundstück, von denen nach § 55 Abs. 2 BauG sicherzustellen sei, dass sie dauernd als solche benützt werden können. Ferner knüpfe die Unterschreitung der gesetzlichen Grenz- und Gebäudeabstände an eine privatrechtliche Dienstbarkeit an. In diesen Fällen bilde die vorgängige Prüfung von privatrechtli- chen Fragen Grundlage für den Baubewilligungsentscheid. Demge- genüber seien rein privatrechtlich motivierte Einwendungen wie der Hinweis auf eine Bauverbotsdienstbarkeit oder ein Eingriff in das Eigentumsrecht Dritter für die Baubewilligungsbehörde unbeacht- lich. Es sei nicht Aufgabe der Baubewilligungsbehörde, die Rechte Privater durch die Verweigerung der Baubewilligung zu schützen. Diese Aufgabe sei von Verfassungs wegen den Zivilgerichten zuge- dacht. Das gelte insbesondere für Eigentumsverletzungen durch eine grenzüberschreitende Baute wie die vorliegend zur Diskussion ste- hende Dachblende. Entsprechende Rügen seitens der betroffenen An- stösser seien im baupolizeilichen Verfahren nicht zu hören. Sie seien 2017 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 151 mit den dafür zur Verfügung stehenden zivilrechtlichen Rechtsbehel- fen (Eigentumsfreiheitsklage oder Besitzesschutz) geltend zu machen (...). 2.3. Dieser überzeugenden Argumentation der Vorinstanz ist auch aus den nachfolgenden Überlegungen beizupflichten. Zunächst ist fraglich, ob bei geschlossener Bauweise von einem Grenzabstand gesprochen werden kann. Das Wort "Grenzabstand" setzt begriffslogisch eine minimale Entfernung von der Grundstücks- grenze voraus. Darf man bis an die Grenze bauen, gibt es keinen Grenzabstand, der eingehalten werden muss. Einen Grenzabstand von 0 gibt es in diesem Sinne nicht (a. M. offenbar C HRISTIAN H ÄUPTLI , Kommentar zum Baugesetz des Kantons Aargau, Bern 2013, § 47 N 5). Der Tatbestand der Unterschreitung des Grenzab- standes ist von demjenigen der grenzüberschreitenden Baute (Über- bau) zu unterscheiden. Nur ein wenigstens minimaler Grenzabstand kann unterschritten werden. Wer die Grenze selber verletzt, begeht nicht (nur) eine Unterschreitung des Grenzabstandes, sondern - wie der Beschwerdeführer selber ausführt - eine qualitativ schwerwie- gendere Verletzung der Eigentumsrechte des Nachbarn. § 47 Abs. 3 BauG regelt lediglich die Unterschreitung des Grenzabstandes. Es geht in der erwähnten Bestimmung nicht um grenzüberschreitende Bauten. Daran ändert nichts, dass Letztere für den betroffenen Nach- barn schlimmer sind. Dazu, unter welchen Voraussetzungen eine Baute die Grund- stücksgrenze überragen darf, äussert sich die Baugesetzgebung nicht (explizit). Man könnte nun aus dem Umstand, dass eine Unterschrei- tung des Grenzabstands die öffentlich beurkundete Zustimmung des betroffenen Nachbarn erfordert, folgern, dass Selbiges erst recht für den gravierenderen Eingriff einer grenzüberschreitenden Baute gel- ten muss. Effektiv besteht ein öffentliches Interesse an der Einhal- tung von Grenzabständen (Wohnhygiene, Feuerpolizei [Brandverhü- tung], Umweltschutz, Ortsbildschutz, Siedlungsgestaltung usw.), nicht hingegen daran, bei geschlossener Bauweise, wo das öffentli- che Interesse an der Einhaltung von Grenzabständen ohnehin nicht zum Tragen kommt, Grenzverletzungen unter Nachbarn zu verhin- 2017 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 152 dern. Dieses Interesse ist rein privater Natur, ohne entsprechenden Regelungsbedarf im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Bauvor- schriften, und muss - wie die Vorinstanz zu Recht festhält - nicht von der Baubewilligungsbehörde geschützt werden. Nachdem es keine öffentlich-rechtliche Bauvorschrift gibt, die bei geschlossener Bauweise Grenzverletzungen verbietet, hatte der Gemeinderat D. keine Handhabe, den Beschwerdegegnern die Bau- bewilligung für die grenzüberragenden Dachteile zu verweigern, weil sie kein (vom Beschwerdeführer eingeräumtes) Überbaurecht nach- weisen können. Deshalb hat das BVU die den Beschwerdegegnern vom Gemeinderat D. für ihre Projektänderungen erteilte Baubewilli- gung zu Recht geschützt. Im vom Beschwerdeführer für seinen Standpunkt angeführten verwaltungsgerichtlichen Entscheid vom 17. Dezember 2001 (AGVE 2001, S. 304 ff.) hat das Verwaltungsgericht nicht abschlies- send entschieden, ob ein fehlendes Überbaurecht ohne weiteres zur Verweigerung der Baubewilligung führen muss, was aus folgender Passage erhellt: "Wenn - (...) - die Beschwerdeführer davon absa- hen, den für sie negativen Entscheid des Stadtrats auf dem Be- schwerdeweg weiterzuziehen, weil sie eine Beschwerde wegen der fehlenden Überbaurechte - wohl zu Recht - von Vornherein als aus- sichtslos erachteten und es daher vorzogen, zunächst die erforderli- chen schriftlichen Zustimmungen der betroffenen Nachbarn zum Bauvorhaben einzuholen und ein neues Baugesuch einzureichen, (...)". 2.4. Selbst wenn man aber mit dem Beschwerdeführer annehmen würde, eine grenzüberschreitende Baute, die 40 cm in das Nachbar- grundstück hineinragt, stelle eine Unterschreitung des Grenzabstan- des (von 0) um 40 cm dar, wäre nicht zu beanstanden, dass der Ge- meinderat D. die die Grenze zur Parzelle X. überragenden Teile des Dachs des Wohnhauses der Beschwerdegegner ohne Überbaurecht bewilligt hat. § 21 Abs. 2 BauV sieht nämlich im Sinne einer Aus- nahmebestimmung zu § 47 Abs. 3 BauG ein Grenzabstandsprivile- gium für vorspringende Gebäudeteile vor. Dachvorsprünge, die höchstens 1,5 m über die Fassadenflucht hinausragen - im vorliegen- 2017 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 153 den Fall sind es bloss 40 cm -, dürfen den Grenzabstand auch ohne öffentlich beurkundeten Dienstbarkeitsvertrag beliebig unterschrei- ten. Zudem ist ein die Parzellengrenze überschreitender Dachvor- sprung bei geschlossener Bauweise für herkömmliche Überbauungen insbesondere in Dorfkernzonen geradezu typisch. Auch unter diesen Gesichtspunkten sind die vorliegenden umstrittenen Dachteile mit oder ohne Überbaurecht bewilligungsfähig. Sie verstossen nicht ge- gen öffentlich-rechtliche Bauvorschriften. Sie verletzten höchstens die Eigentums- und Besitzrechte des Beschwerdeführers, wogegen sich dieser - wie von der Vorinstanz zutreffend dargelegt - beim örtlich zuständigen Zivilgericht zur Wehr setzen muss.
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2003 Sozialhilfe 285 [...] 66 Auflagen und Weisungen bei der Sozialhilfe. Verwandtenunterstützungs- pflicht. - Weisungen müssen sich an den Sozialhilfeempfänger richten, nicht an seine betreuenden Angehörigen (Erw. 2). - Die Sozialbehörde hat mögliche Verwandtenunterstützung abzuklä- ren. Auskunftspflicht der Verwandten (Erw. 3) Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 23. Mai 2003 in Sa- chen K.L. gegen Entscheid des Bezirksamts B. Sachverhalt M.L., geboren 1918, ist seit langer Zeit verwitwet und lebt im Altersheim A. Ihr Sohn T.L. wandte sich im Mai 2002 an die Ge- meinde Z., da das Vermögen von M.L. aufgebraucht sei und die Ein- nahmen nicht ausreichten, um die Heim- und übrigen Kosten zu decken. Die Beratungsstelle Pro Senectute klärte die Frage von Ergänzungsleistungen ab und stellte im Namen von M.L. beim Gemeinderat Z. ein Gesuch um materielle Hilfe, wobei das Formular durch K.L. (ebenfalls ein Sohn von M.L.) unterzeichnet wurde. Nach Abklärungen, namentlich über die Möglichkeit höherer Ergänzungsleistungen, verfügte der Gemeinderat Z. am 27. Novem- ber 2002: "1. M.L. wird monatlich mit einem Betrag von Fr. ... unterstützt. 2. M.L. ist durch die Angehörigen beim Altersheim B. für einen Eintritt anzumelden. Die durchschnittliche Wartezeit beträgt ca. 3 Monate. Die Berechnung des Fehlbetrages wird nach dem Übertritt bzw. auf den 1. April 2003 neu berechnet und angepasst. 2003 Verwaltungsgericht 286 3. Für M.L. muss auf den 1. Januar 2003 eine neue Kranken- versicherung abgeschlossen werden. Es ist dabei darauf zu achten, dass eine günstige Lösung gesucht wird. 4. Die Angehörigen werden beauftragt, ein Gesuch um Ergän- zungsleistung samt den dazu erforderlichen Unterlagen ein- zureichen. 5. Die Nachkommen von M.L. werden aufgefordert, dem Ge- meinderat über ihr Einkommen und Vermögen Auskunft zu erteilen. Der beiliegende Fragebogen ist zu diesem Zweck der Gemeindekanzlei bis am 23. Dezember 2002 ausgefüllt wieder zuzustellen." K.L. erhob Beschwerde und beantragte, Disp. Ziff. 2-5 des Be- schlusses seien aufzuheben. Aus den Erwägungen 2. Gemäss § 14 SHV kann die Zusprechung materieller Hilfe mit Auflagen und Weisungen verbunden werden, welche die richtige Verwendung sichern oder die Lage des Hilfeempfängers (und seiner Angehörigen) verbessern. Werden Auflagen oder Weisungen nicht befolgt oder erforderliche Auskünfte nicht erteilt, kann die materielle Hilfe nach erfolgloser Verwarnung gekürzt oder verweigert werden (§ 15 SHV; zum neuen Recht vgl. § 13 SPG und § 14 SPV). Ist, wie im vorliegenden Fall, die Hilfeempfängerin urteilsfähig und bestehen keine vormundschaftlichen Massnahmen, so sind der- artige Weisungen an die Hilfeempfängerin zu richten, sonst verfehlen sie ihren Zweck. Es ist Sache der Hilfeempfängerin, sich weisungs- gemäss zu verhalten - oder gegebenenfalls auf dem Rechtsmittelweg gegen die Weisungen vorzugehen - und dazu nach ihrem Gutdünken Unterstützung von anderen Personen anzunehmen; die Angehörigen können nicht an ihrer Stelle handeln, ohne von ihr ausdrücklich be- vollmächtigt zu werden, und die Sozialbehörde kann die Angehöri- gen dazu nicht verpflichten. Andererseits können Sanktionen ge- genüber der Hilfeempfängerin im Sinne von § 15 SHV nicht damit 2003 Sozialhilfe 287 begründet werden, dass deren Angehörige sich nicht an Weisungen hielten. Auch dass der Beschwerdeführer das Gesuch um materielle Hilfe in Vertretung seiner Mutter unterzeichnete und einreichte, ändert nichts. Anordnungen richten sich an die vertretene Person, nicht an ihren Vertreter; lediglich die Zustellung hat an den Vertreter zu erfolgen. Disp. Ziff. 2-4 des Gemeinderatsbeschlusses auferlegen den Angehörigen Verpflichtungen (bei Ziff. 3 etwas weniger ein- deutig, aber mit der Ausdrucksweise " Für M.L. muss ..." doch genü- gend klar), die diese ohne das ausdrückliche Einverständnis der Hilfeempfängerin M.L. gar nicht erfüllen können und dürfen. Es ist nicht ihre Sache, sich um dieses Einverständnis zu bemühen, sondern vielmehr Sache der verfügenden Behörde, ihre Weisungen an die richtige Person zu richten. Auch wenn der Beschwerdeführer allein Beschwerde erhoben hat, sind diese Ziffern, die sich an die falschen Adressaten richten, aufzuheben. 3. Für die Unterstützungspflicht der Verwandten verweist § 23 SHG auf die Art. 328 f. ZGB (zum neuen Recht vgl. § 7 SPG und § 6 SPV). Die Sozialbehörde der kostenpflichtigen Gemeinde ist berechtigt und sogar verpflichtet, zu klären, ob rechtzeitig ausreichende Verwandtenunterstützung erhältlich ist, sodass gar keine materielle Hilfe erforderlich wird (§ 29 SHV; zum neuen Recht § 7 Abs. 1 SPG, § 6 SPV); dies impliziert entsprechende Auskunfts- pflichten der möglicherweise unterstützungspflichtigen Verwandten der Hilfebedürftigen (in § 7 Abs. 3 SPG jetzt ausdrücklich statuiert). Wurde materielle Hilfe erbracht und ist der Anspruch auf Verwand- tenunterstützung gemäss Art. 329 Abs. 3 ZGB auf die Gemeinde übergegangen, so ist die Leistung der unterstützungspflichtigen Ver- wandten nötigenfalls auf dem (Zivil-)Prozessweg durchzusetzen (§ 29 SHG, § 33 Abs. 1 SHV; zum neuen Recht § 7 Abs. 1 und 2 SPG, § 6 Abs. 1 SPV; vgl. dazu AGVE 1997, S. 23 ff., 63 f.). Wie das Gesundheitsdepartement in seiner Vernehmlassung zutreffend ausführt, ist deshalb Disp. Ziff. 5 des Gemeinderatsbeschlusses inhaltlich nicht zu beanstanden. Der Gemeinderat sprach materielle Hilfe zu und war gehalten abzuklären, ob gegenüber Kindern der Hilfebedürftigen ein - auf die Gemeinde übergehender - Anspruch auf Verwandtenunterstützung bestehe. Auch wenn der Beschwerde- 2003 Verwaltungsgericht 288 führer der Ansicht ist, mit Ergänzungsleistung sei keine Verwandten- unterstützung nötig, berechtigt ihn dies nicht zur Auskunfts- verweigerung. Beizupflichten ist auch der vom Gesundheitsdeparte- ment vertretenen Ansicht, dass es, weil es sich um eine vom Zivil- und Zivilprozessrecht geregelte Materie handelt, jedenfalls vorzu- ziehen ist, mit Korrespondenz und nicht mittels formellen Verfügun- gen vorzugehen. Im vorliegenden Fall wurden an das Nichthandeln bzw. die fehlende Kooperation der Verwandten keine Rechtsnachteile geknüpft oder auch nur angedroht, sodass der Beschwerdeführer durch Disp. Ziff. 5 nicht wirklich beschwert wurde. Unter dieser Voraussetzung erscheint der Fehler in der gewählten Form (indem verfügt wurde) allein zu wenig gewichtig, um eine Aufhebung der streitigen Ziffer zu rechtfertigen.
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2005 Abgaben 101 II. Abgaben 25 Kostenauflage für den Einsatz der Feuerwehr bei Unglücksfällen (§ 6a FwG). - Nur die notwendigen Kosten des Einsatzes dürfen bei der geborgenen Person erhoben werden, nicht aber die Kosten zur Sicherstellung der Betriebsbereitschaft. Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 6. Juli 2005 in Sachen Einwohnergemeinde R. gegen Regierungsrat und P.F. Aus den Erwägungen 1.1. Die Feuerwehr ist ein polizeiliches Organ der Einwohner- gemeinde; ihr obliegen die Feuerbekämpfung und die Hilfeleistung in Brandfällen. Sie wird darüber hinaus auch in weiteren Fällen, so bei Unglücksfällen, eingesetzt (§ 1 Abs. 1 und 2 FwG). Die Aufsicht führen der Regierungsrat und das zuständige Departement; das AVA "sorgt für den Vollzug der gesetzlichen Aufgaben im Bereich des Feuerwehrwesens" (§ 3 FwG in der Fassung vom 18. Juni 1996). In der ursprünglichen Fassung von § 3 Abs. 2 FwG hiess es, dass der technische Bereich der Aufsicht an die Aargauische Gebäudeversi- cherungsanstalt delegiert werden könne; in der Sache trifft dies für die Stellung des AVA weiterhin zu ... 1.2. Der Aufgabenbereich der Ortsfeuerwehren beschränkt sich im Grundsatz auf das Gemeindegebiet, wobei eine Verpflichtung zur Hilfeleistung bis 6 km ab der Gemeindegrenze besteht (§ 34 Abs. 1 FwG). Aufgrund von Vereinbarungen mit dem AVA richten einzelne Gemeinden sog. Stützpunktfeuerwehren für den Einsatz im regiona- len Rahmen ein (§ 35 FwG). 2005 Verwaltungsgericht 102 2.1. Personen, denen mit dem Einsatz der Feuerwehr bei Un- glücksfällen Hilfe geleistet wurde, können die Kosten notwendiger Einsätze auferlegt werden (§ 6a Abs. 1 lit. b FwG). Die Höhe der Gebühren bzw. des Kostenersatzes hat sich nach dem Personal-, Material- und Gemeinkostenaufwand zu richten (§ 2 Abs. 2 FwV). 2.2. § 6a FwG spricht von den Kosten notwendiger Einsätze, bezieht - rein sprachlich gesehen - die Notwendigkeit also auf die Einsätze. Die Regelung betrifft die Auferlegung der Kosten auf die- jenigen Privaten, zu deren Gunsten der Einsatz erfolgte. Mehr als die notwendigen Kosten abzuwälzen, ist nicht gerechtfertigt. Von daher erscheint die Auslegung der Vorinstanzen zutreffend, wonach nur die notwendigen Kosten notwendiger Einsätze auferlegt werden können. Zusätzlicher Aufwand mag im Einzelfall vertretbar oder gar aus be- stimmten Gründen wünschbar sein; diese Beurteilung wird nicht in Frage gestellt, wenn die daraus entstandenen Kosten nicht dem Pri- vaten auferlegt werden können. Bei der Abgrenzung der notwendigen und damit grundsätzlich auf die Privaten abwälzbaren Kosten sind auch § 4 Abs. 1 und § 18 FwG zu beachten. Danach sind die Gemeinden verpflichtet, auf ihre Kosten die Ortsfeuerwehr mit angemessener Ausstattung zu schaffen und deren jederzeitige Einsatz- und Betriebsbereitschaft sicherzu- stellen. Der dafür notwendige Aufwand ist den Gemeinkosten zuzu- rechnen, die nicht als Teil der Kosten eines konkreten Einsatzes ei- nem Privaten auferlegt werden können. Sollte § 2 Abs. 2 FwV mit der Erwähnung des Gemeinkostenaufwands etwas anderes meinen, wäre dies mit den Vorgaben des Gesetzes nicht vereinbar. 3. Das Konzept bei Verkehrsunfällen sieht vor, dass die Orts- feuerwehr und eine Stützpunktfeuerwehr aufgeboten werden. Der Ortsfeuerwehr obliegen einerseits die Leitung des Einsatzes und andererseits der Verkehrsdienst, der Stützpunktfeuerwehr die Perso- nenbergung (Fachbericht AVA, S. 2). Insoweit ist es einleuchtend, die Einsatzdoktrin für die Stützpunktfeuerwehren auf den National- strassen - wo der Verkehrsdienst durch die Kantonspolizei über- nommen wird - bei der Beurteilung heranzuziehen (Einsatzbefehl des AVA vom 8. Oktober 1996). Gemäss Ziff. 5 des Einsatzbefehls rückt die Stützpunktfeuerwehr ereignisbezogen mit so wenig als nötigen 2005 Abgaben 103 Fahrzeugen und Feuerwehrleuten aus, wobei als Richtlinie zur Be- wältigung eines Normalereignisses gilt (Ziff. 5.1): Vorausfahrzeug, Universallöschfahrzeug, Mannschaftstransportfahrzeug und 25 Feuerwehrleute, dazu gegebenenfalls ein Ölwehrfahrzeug.
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2013 Schulrecht 311 XII. Schulrecht 50 Laufbahnentscheide; vorsorgliche Massnahmen - Beim Entscheid, ob bei Übertritten in die Oberstufe der Besuch der höheren Schulstufe für die Dauer des Beschwerdeverfahrens vor- sorglich erlaubt wird, ist eine Interessenabwägung vorzunehmen. - Neben den privaten Interessen des Schülers kommen den öffentli- chen Interessen und dem Verhältnismässigkeitsprinzip Bedeutung zu. - In einer summarischen Entscheidprognose ist zu prüfen, ob die Übertrittsanforderungen erfüllt sind. Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 19. November 2013 in Sa- chen A. gegen Regierungsrat, Schulpflege B. und Schulrat des Bezirks C. (WBE.2013.420). Aus den Erwägungen 1.3. 1.3.1. Die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung, wenn nicht aus wichtigen Gründen im angefochtenen Entscheid oder durch beson- dere Vorschrift etwas anderes bestimmt wird (§ 46 Abs. 1 VRPG). Die Beschwerdeinstanz oder das ihr vorsitzende Mitglied prüft, ob eine gegenteilige Anordnung oder andere vorsorgliche Massnahmen zu treffen sind (Abs. 2). Die aufschiebende Wirkung der Beschwerde verschafft dem Be- schwerdeführer für die Dauer des Rechtsmittelverfahrens grundsätz- lich jene Rechtsposition, welche vor dem angefochtenen Entscheid bestand. Sofern bereits zuvor positive Anordnungen getroffen wur- den, verschafft die aufschiebende Wirkung dem Beschwerdeführer somit grundsätzlich einen vorsorglichen Rechtsschutz in dem Sinne, 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 312 dass der angefochtene Entscheid nicht rechtskräftig und vollstreckbar wird und bisherige Anordnungen für die Dauer des Rechtsmittelver- fahrens weiterhin Geltung beanspruchen. Beim Fehlen entsprechen- der Anordnungen oder beim Vorliegen früherer negativer, ablehnen- der Entscheide stellt sich die Frage, ob auf Gesuch hin oder von Am- tes wegen in Anwendung von § 46 Abs. 2 VRPG vorsorgliche Mass- nahmen zu treffen sind (vgl. AGVE 1998, S. 527; M ICHAEL M ERKER , Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, Kom- mentar zu den §§ 38-72 [a]VRPG, Zürich 1998, § 44 N 9; Botschaft des Regierungsrats des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 14. Februar 2007, 07.27, S. 59; T HOMAS M ERKLI /A RTHUR A ESCHLI - MANN /R UTH H ERZOG , Kommentar zum Gesetz über die Verwal- tungsrechtspflege im Kanton Bern, Bern 1997, Art. 27 N 7; A LFRED K ÖLZ /J ÜRG B OSSHART /M ARTIN R ÖHL , VRG, Kommentar zum Ver- waltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2. Aufl., Zürich 1999, § 6 N 6). Vorsorgliche Massnahmen gestützt auf § 46 Abs. 2 VRPG sind Anordnungen, die von der Beschwerdeinstanz für die Dauer des Beschwerdeverfahrens getroffen werden. 1.3.2. Die Vorinstanzen haben der Beschwerdeführerin den prüfungs- freien Übertritt an die Bezirksschule nicht erlaubt. Die Anfechtung dieser Entscheide bzw. die aufschiebende Wirkung der Beschwerde hat nicht zur Folge, dass die Beschwerdeführerin einstweilen für die Dauer des Rechtsmittelverfahrens in die höhere Schulstufe eintreten könnte. Hierzu bedarf es einer besonderen vorsorglichen Massnahme (vgl. AGVE 1981, S. 518). 1.3.3. Die vorsorglichen Massnahmen errichten bei entsprechendem Bedürfnis für die Dauer des Prozesses eine wirksame Übergangsord- nung (M ERKER , a.a.O., § 44 N 34; AGVE 1980, S. 281). In Sachen der Volksschule gebietet das Wohl des Kindes in aller Regel die ra- sche Beendigung des Schwebezustands und den Vollzug einer An- ordnung (H ERBERT P LOTKE , Schweizerisches Schulrecht, 2. Aufl., Bern/Stuttgart/Wien 2003, S. 732). 2013 Schulrecht 313 Beim Erlass vorsorglicher Massnahmen, die letztlich demselben Zweck wie die aufschiebende Wirkung dienen, ist aufgrund einer In- teressenabwägung zu prüfen, ob die Gründe für den vorsorglichen Rechtsschutz jene für die Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Zu- stands überwiegen (vgl. AGVE 1998, S. 529). Dabei kommt neben den privaten Interessen des Beschwerdeführers dem Grundsatz des öffentlichen Interesses wie auch dem Verhältnismässigkeitsprinzip Bedeutung zu (Art. 5 Abs. 2 BV; § 3 VRPG; vgl. R EGINA K IENER , in: C HRISTOPH A UER /M ARKUS M ÜLLER /B ENJAMIN S CHINDLER [Hrsg.], Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfah- ren [VwVG], Zürich/St. Gallen 2008, Art. 56 N 8; M ERKLI / A ESCHLIMANN /H ERZOG , a.a.O., Art. 27 N 12). Zur Konkretisierung der sich gegenüberstehenden Interessen ist soweit möglich eine sum- marische Entscheidprognose vorzunehmen (vgl. A LFRED K ÖLZ / I SABELLE H ÄNER /M ARTIN B ERTSCHI , Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 3. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2013, Rz. 567). 1.3.4. Wie sich aus dem Zeugnis ergibt, erreichte die Beschwerdefüh- rerin in der 5. Klasse der Primarschule in den Kernfächern folgende Noten: 4.5 in Deutsch, 4.5 in Mathematik und 5 in Realien. Unter an- derem gestützt darauf wurde der prüfungsfreie Übertritt in die 1. Klasse der Bezirksschule nicht empfohlen, welcher in den Kern- fächern überwiegend gute bis sehr gute Leistungen voraussetzt (§ 13a Abs. 2 SchulG; § 13 der Verordnung über die Laufbahnent- scheide an der Volksschule vom 19. August 2009 [Promotionsverord- nung; SAR 421.352]). An der Übertrittsprüfung nahm die Beschwer- deführerin nicht teil (§ 14 Abs. 3 Promotionsverordnung; Verordnung über die Übertrittsprüfungen in die Sekundar- und Bezirksschule vom 17. November 2004 [Übertrittsprüfungsverordnung; SAR 421.355]). 1.3.5. Vorliegend ist das private Interesse der Beschwerdeführerin am sofortigen Besuch der Bezirksschule für die Dauer des Beschwerde- verfahrens nicht liquid. Die Notengebung wird nicht beanstandet. Nicht geltend gemacht wird, dass die Leistungen für einen prüfungs- 2013 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 314 freien Übertritt vorlägen, und die darauf abgestützte Einschätzung der Lehrperson wird grundsätzlich nicht in Frage gestellt. Angebliche Defizite bzw. unterschiedliche Leistungen bei vorbereiteten und un- vorbereiteten Prüfungen werden mit Verweis auf den im regierungs- rätlichen Beschwerdeverfahren eingereichten und vor Verwaltungs- gericht ergänzten privaten Fachbericht auf Lese- und Rechtschreibe- schwäche sowie Prüfungsangst zurückgeführt. Bereits die Lehrper- son hat ihre Einschätzung neben der Benotung und dem Verhalten im Unterricht zusätzlich auf einen standardisierten Leistungstest (Check 5) abgestützt. Die Beschwerdeführerin und ihre Eltern hatten die Lehrperson zuvor nicht auf im Bericht erwähnte Schwächen bzw. Defizite angesprochen und dieser waren aufgrund des Unterrichts keine solchen bekannt. Der schulpsychologische Dienst war nicht in Anspruch genommen worden. Im familiären Umfeld begründete oder andere Umstände, welche objektiv geeignet wären, das Leistungsver- mögen der Primarschülerin (vorübergehend) zu beeinträchtigen, wer- den nicht geltend gemacht und sind ebenfalls nicht ersichtlich. Die Voraussetzungen für den prüfungsfreien Übertritt liegen bei sum- marischer Betrachtung somit nicht vor. Damit ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz von einer schlechten Entscheid- prognose ausging. Die Beschwerdeführerin macht zutreffend geltend, dass der Be- such der 1. Klasse der Sekundarschule einen Wechsel an die Bezirks- schule im Falle der Gutheissung der Beschwerde erschwert. Dabei wird aber übersehen, dass an der Umsetzung der Schulgesetzgebung und der Aufrechterhaltung des Leistungsniveaus an der Bezirks- schule ein erhebliches öffentliches Interesse besteht. Der prüfungs- freie Übertritt in die 1. Klasse der Bezirksschule ist von der Empfeh- lung abhängig, welche aufgrund der Promotionsverordnung getroffen wird. (...) Unter den gesamten Umständen und aufgrund der Beschwerde überwiegt das private Interesse der Beschwerdeführerin am unver- züglichen Besuch der Bezirksschule die entgegenstehenden öffentli- chen Interessen nicht. Konkrete Umstände, welche den Übertritt in die 1. Klasse der Sekundarschule unverhältnismässig erscheinen las- sen, werden nicht geltend gemacht und sind nicht ersichtlich.
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2002 Verwaltungsgericht 254 [...] 67 Arealüberbauung. - Sinn und Zweck dieser besonderen Überbauungsform; Auswirkungen auf spätere bauliche Änderungen (Erw. 2/b). - Anwendung auf den konkreten (Sonder-)Fall (Erw. 2/c). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 16. Juli 2002 in Sachen Sch. gegen Baudepartement. Aus den Erwägungen 1. Die Beschwerdeführer beabsichtigen, im nordöstlichen Be- reich ihrer Parzelle Nr. 3226 einen mit Rasengittersteinen belegten Autoabstellplatz zu erstellen. Dessen Grundfläche beträgt rund 20 m 2 . Die Zufahrt soll über den Galliweg und - mit dem Einver- ständnis des betreffenden Grundeigentümers - über die benachbarte Parzelle Nr. 109 erfolgen. 2. a) Das Wohnhaus auf der Parzelle Nr. 3226 ist Teil einer Arealüberbauung mit 18 Reiheneinfamilienhäusern, für welche der Gemeinderat einer Baugenossenschaft am 23. Juli 1996 die Baube- willigung erteilt hat. Auf der Südostseite dieser Überbauung befinden sich - in Form von Unterständen - 21 Autoabstellplätze für die Hauseigentümer und 12 Parkplätze für die Besucher. Der Gemein- derat ist der Meinung, mit diesem Parkierungskonzept seien weitere Abstellplätze ausgeschlossen worden. Das Baudepartement ist dieser Auffassung beigetreten. Mit der Zusammenfassung der Parkplätze auf der Parzelle Nr. 2978 und der Beschränkung auf eine Zufahrt werde der Verkehrsfluss auf dem Galliweg möglichst wenig 2002 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 255 behindert und die Verkehrssicherheit allgemein erhöht. Ästhetische Gründe und der sparsame Umgang mit Land sprächen ebenfalls für eine solche Lösung. § 21 Abs. 2 lit. d ABauV verlange zudem eine sorgfältige und rationelle Erschliessung sowie gemeinsame Autoab- stellanlagen. Nicht über die gemeinsame Zufahrt erschlossene Ab- stellplätze stellten das gewählte Parkierungskonzept im Nachhinein wieder in Frage. b) Das Institut der Gesamt- oder Arealüberbauung schöpft sei- nen Sinn aus den Mängeln der Regelbauweise, die sich an die vor- handene und aus der Sicht der Planung zufällige, meist kleinräumige Grundstückseinteilung halten muss und daher tendenziell zu einer monotonen, gestalterisch wenig hervorstechenden Überbauung, zu einer unzureichenden Ausnützung des Bodens und zu einem mittel- mässigen Standard der Infrastrukturanlagen führt; mit der Gesamt- oder Arealüberbauung soll und kann dagegen auf einem grösseren Areal, das die Ausmasse der gewöhnlichen Einzelparzellen über- schreitet, eine einheitliche, städtebaulich und architektonisch sowie infrastrukturmässig überdurchschnittliche Lösung mit guter, d.h. rationeller und funktionsgerechter Ausnützung des Bodens erreicht werden (AGVE 1984, S. 307 mit Hinweis). Diese Qualitätsziele sind in § 21 Abs. 2 ABauV detailliert aufgelistet (siehe auch § 102 der Bau- und Nutzungsordnung der Gemeinde Rothrist [BNO] vom 23. November 1989 / 5. November 1991). Der Bauherr, der sich ihnen unterzieht, darf regelmässig einen Bonus, etwa hinsichtlich der zulässigen Ausnützung, in Anspruch nehmen (so die §§ 49 f. BNO). Dass sich die Höhe der qualitativen Anforderungen auch bei späteren baulichen Änderungen entsprechend auswirken muss, liegt auf der Hand. Der Bauherr hat den ihm zustehenden Bonus "konsu- miert", folglich haben er und seine Rechtsnachfolger auch dafür zu sorgen, dass das mit der Gesamt- oder Arealüberbauung verfolgte Gestaltungsziel nicht durch nachträgliche Veränderungen verwässert wird (siehe den VGE III/69 vom 13. Dezember 1977 in Sachen W., S. 5). Die Baubewilligungsbehörde darf dabei einen strengen Mass- stab anlegen, damit die architektonische Homogenität solcher Über- bauungen gewahrt bleibt. 2002 Verwaltungsgericht 256 c) Die hier zu beurteilende Arealüberbauung bildet nun aller- dings in mehrfacher Hinsicht einen Sonderfall: aa) Die Baubewilligung für die in Frage stehende Arealüber- bauung wurde nicht im ersten Anlauf erteilt. Im Jahre 1992 ersuchte die Architekturfirma B. AG den Gemeinderat um einen Vorentscheid für eine Gesamtüberbauung mit 19 Wohneinheiten auf den Parzellen Nrn. 111 und 2978. Der kommunale Ortsplaner verfasste hierüber mit Datum vom 14. September 1992 nach Massgabe von § 33 ABauV (in der bis zum 27. August 2000 geltenden Fassung) sowie § 12 Abs. 2 und § 103 Abs. 4 BNO ein Gutachten. Darin wurde u.a. festgestellt, dass die notwendigen Autoabstellplätze mit 28 Parkfel- dern für die Bewohner (11⁄2 pro Wohnung) und 6 für die Besucher ausgewiesen seien; 19 Abstellplätze seien unterirdisch angeordnet (S. 2). Das Projekt wurde dann überarbeitet, namentlich weil die zuläs- sige Ausnützungsziffer von 0.5 gemäss § 49 BNO überschritten war, was die Reduktion um eine Wohneinheit bedingte. Im Weitern wurde die Zahl der Abstellplätze für die Bewohner von 28 auf 21 reduziert, und zudem verzichteten Baukommission und Gemeinderat auf eine (teilweise) unterirdische Parkierung. Für diese Änderungen wurde die Meinung des Gutachters nicht mehr eingeholt, obwohl dies auf Grund von § 33 ABauV sowie § 103 Abs. 4 und § 12 Abs. 2 BNO erforderlich gewesen wäre. Entgegen der gemeinderätlichen Auffassung sind das ursprüngliche und das überarbeitete Projekt keineswegs praktisch identisch. Von Bedeutung ist namentlich, dass im realisierten Projekt - abweichend von § 102 Abs. 2 lit. f BNO - sämtliche Autoabstellplätze, d.h. insgesamt 18 mehr als im ersten Projekt, oberirdisch angelegt wurden; da die "gute architektonische Gestaltung (...) der Freiräume" und "gute Spiel-, Freizeit-, Erholungs- und Gartenanlagen sowie ökologische Ausgleichsflä- chen" unter den Qualitätsanforderungen ausdrücklich aufgeführt sind (§ 21 Abs. 2 lit. b und f ABauV; siehe auch § 102 Abs. 2 lit. e BNO), erscheint es unter dem gestalterischen Aspekt durchaus relevant, wenn durch oberirdische Abstellplätze zusätzlich freie Flächen beansprucht werden. Insofern wenden die Beschwerdeführer zu Recht ein, "an die Arealüberbauung Galliweg (könnten) nicht die gleich hohen Anforderungen gestellt werden, wie üblich". 2002 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 257 bb) Die Beschwerdeführer haben in ihrer Stellungnahme vom 5. November 2002 darauf hingewiesen, dass der Gemeinderat seit Jahren vier Einzelparkplätze toleriere, welche auf den Parzellen Nrn. 3236-39 in Abweichung von dem der Arealüberbauung zu- grundeliegenden Parkierungskonzept erstellt worden seien. Dieser Sachverhalt hat sich an der verwaltungsgerichtlichen Augenscheins- verhandlung bestätigt. Es handelt sich dabei um Längsparkplätze, welche südwestlich der Häuser 1-4 mutmasslich im Zuge der Reali- sierung der Arealüberbauung im Jahre 1996 mit Rasengittersteinen angelegt worden sind. Die Vertreter des Gemeinderats haben einge- räumt, dass die Abstellplätze baubewilligungspflichtig seien; es sei noch offen, ob das betreffende Verfahren eingeleitet werde, wobei mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit die Baubewilligung erteilt würde. Dies zeigt doch, dass der Gemeinderat dem gestalterischen Moment und dem Kriterium der Einheitlichkeit bei Arealüberbauun- gen eher wenig Bedeutung beimisst; nachträglichen Änderungen steht er nicht von Vornherein ablehnend gegenüber. Vor diesem Hintergrund wird die Argumentation des Baudepartements stark relativiert. d) Es kommt hinzu, dass der fragliche Abstellplatz, der in Form eines als Provisorium gedachten Kiesplatzes bereits besteht, inner- halb der Arealüberbauung "Galli" praktisch nicht in Erscheinung tritt. Er liegt peripher im nördlichsten Bereich der Arealüberbauung und zugleich an deren tiefstem Punkt. Von allen Seiten her wird er durch die bestehenden Bauten und durch die Bepflanzung weitge- hend abgeschirmt. Einzig Fussgänger und Autofahrer, die den Galliweg oder dessen Gehweg benützen und sich in unmittelbarer Nähe des Abstellplatzes befinden, nehmen diesen überhaupt wahr. Es kann jedenfalls nicht die Rede davon sein, dass durch ihn das gestalterische Grundkonzept der Überbauung in irgendeiner Weise tangiert wird. Unter diesem Gesichtspunkt erweisen sich die Stütz- mauer, das Gerätehaus und das Dachfenster, welche die Beschwer- deführer bewilligt erhalten haben, eher als problematisch.
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2008 Sozialhilfe 265 [...] 46 Kürzung der materiellen Hilfe - Grenze der Kürzung bei gebundenen Auslagen (§ 15 Abs. 2 SPV). Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 23. Dezember 2008 in Sa- chen Einwohnergemeinde X. gegen das Bezirksamt Bremgarten (WBE.2008.315). Aus den Erwägungen 2.4. 2.4.1. Gemäss § 15 Abs. 2 SPV liegt die Grenze der zulässigen Kür- zungen bei 65 % des Grundbedarfs, wobei diese Grenze auch bei der Kürzung von gebundenen Ausgaben nicht unterschritten werden darf. Vorliegend hat die Sozialbehörde auf eine Kürzung des Grund- bedarfs II verzichtet, indessen für den Autoeinstellplatz (Fr. 110.--), für die Krankenversicherung nach VVG (Fr. 150.--), für drei Bastel- räume (Fr. 360.--) und für Autobetriebskosten (Fr. 350.--) gebunde- nen Ausgaben als (hypothetisches) Einkommen in der Höhe von Fr. 970.-- aufgerechnet und zudem bei der Bedarfsberechnung den Autoabzug (Fr. 350.--) eingesetzt. Begründet werden die Aufrech- nungen im Wesentlichen mit nicht nachvollziehbaren Vermutungen zu Einkommen aus Teppichhandel oder "andern Geldquellen" und unklaren Angaben zu früheren oder neuen Bankkonten oder "Bar- zahlungsverkehr". Die Begründung erstaunt vor allem, weil der So- zialdienst im Beschluss vom 18. Dezember 2006 den geringen Ver- 2008 Verwaltungsgericht 266 mögenswert des Teppichlagers festgestellt und auf eine Verwertung verzichtet hatte. Die aufgerechneten Auslagen sind aber unbestritten Aufwand des Beschwerdegegners und belegen allenfalls eine zweckwidrige Verwendung der Sozialhilfe, können aber keinesfalls mit (hypothetischen) Einnahmen gleichgesetzt werden. Vorausset- zungen für die Aufrechnung gebundener Ausgaben sind ent- sprechende Anordnungen an die Hilfe suchenden Personen mittels Auflagen und Weisungen (vgl. SKOS-Richtlinien, Kapitel A.8). Die Sozialbehörde hat somit die materielle Unterstützung an den Beschwerdegegner und seine Familie um insgesamt Fr. 1'320.-- an gebundenen Auslagen gekürzt und mit der zusätzlichen Kürzung um 18 % des Grundbetrags (Fr. 377.--) die Kürzungsgrenze von Fr. 933.25 (Fr. 2'095.-- x 35 % + Fr. 200.-- Grundbedarf II) um Fr. 763.75 überschritten. Die Überprüfung der vorinstanzlichen Berechnung (Fr. 350.-- Autoabzug; Fr. 438.-- gebundene Auslagen; 10 %-Kürzung Fr. 209.50) ergibt ein Total von Fr. 997.50 und liegt damit um Fr. 64.25 über der für die Existenzsicherung zulässigen Kürzung. 2.4.2. Nach den Feststellungen der Vorinstanz wird die Miete für den (dritten) Bastelraum und für den Autoabstellplatz vom Bruder des Beschwerdegegners übernommen. Gemäss der Bestätigung vom 12. Februar 2008 bezahlt der Bruder diese Mietkosten. Zu den eigenen Mitteln gehören alle geldwerten Leistungen, u.a. alle Einkünfte und Forderungen sowie Zuwendungen aller Art (§ 11 Abs. 1 SPG). Zuwendungen im Sinne dieser Bestimmung sind freiwillige Leistungen Dritter mit einem wirtschaftlichen Wert, die ansonsten über den Grundbedarf zu decken sind (§ 11 Abs. 2 SPV). Ist tatsächlich davon auszugehen, dass die Mieten für den Abstell- platz und einen Bastelraum vom Bruder des Beschwerdegegners be- zahlt werden und Letzterem kostenlos zur Verfügung stehen, liegt eine private Leistung im Sinne der zitierten Bestimmung vor. Erfolgt die Leistung nicht in Bargeld bzw. kann sie nicht unmittelbar zur Be- streitung des Lebensunterhalts herangezogen werden, so ist eine An- rechnung als Einkommen nicht zulässig, zumal weder der Abstell- platz noch der zusätzliche Bastelraum zum Grundbedarf des Be- 2008 Sozialhilfe 267 schwerdegegners und seiner Familie gehören. Die Sozialbehörden hatten schliesslich von den Bastelräumen des Beschwerdegegners seit 21. Juni 2006 Kenntnis, bis heute wurde dem Beschwerdegegner aber keine Auflage oder Weisung zur Kündigung der Mietverträge erteilt. Die Kürzungen der Vorinstanz sind somit nur in der Höhe von insgesamt Fr. 559.50 (Fr. 350.-- Autoabzug + Fr. 209.50 Kürzung Grundbetrag) rechtmässig. 2.5. (...) 2.6. Im Hinblick auf die Frage, ob in Zukunft nach rechtsgenügli- cher Auflage bzw. Weisung und Verwarnung erneut eine Kürzung der materiellen Hilfe angeordnet werden könnte, sofern der Be- schwerdegegner weiterhin die Bastelräume und den Abstellplatz mietet bzw. Mietkosten trägt, erscheinen folgende Aspekte wesent- lich: 2.6.1. Vermuten die Sozialbehörden, der Beschwerdegegner verfüge über ein nicht deklariertes bzw. nicht nachweisbares Einkommen, mit welchem er diese oder andere Auslagen finanziert, so sind sie gehal- ten, entsprechende Abklärungen zu treffen (§ 20 Abs. 1 VRPG). Es ist klarerweise nicht zulässig, die Unterstützungsleistungen allein aufgrund vermuteter, aber in keiner Art und Weise nachgewiesener Einkünfte zu kürzen oder einzustellen. Die erforderlichen Auskünfte können nötigenfalls mittels Verfügung eingeholt werden; werden sie verweigert, kann dies - nach entsprechender Verwarnung - mit einer Kürzung oder gegebenenfalls Verweigerung der Unterstützungslei- stungen geahndet werden (§ 15 SPV). 2.6.2. Ist davon auszugehen, dass der Beschwerdegegner solche Aus- lagen durch eine Zweckentfremdung von Sozialhilfegeldern finan- ziert, drängt sich gestützt auf § 13 SPG z.B. die Auflage bzw. Wei- sung auf, die Mietverträge zu kündigen. Wird sie und die ent- sprechende Verwarnung (§ 13 Abs. 2 SPG) nicht befolgt, rechtfertigt sich eine Kürzung gemäss § 15 SPV. Diese Massnahme ist indessen zu befristen oder an die auflösende Bedingung zu knüpfen, dass die 2008 Verwaltungsgericht 268 Kürzung dahin fällt, sobald die Auflage bzw. Weisung erfüllt ist. Dem Sozialhilfeempfänger soll schliesslich die Gelegenheit geboten werden, sich wiederum kooperativ zu verhalten (Felix Wolffers, Grundriss des Sozialhilferechts, 2. Auflage, Bern 1999, S. 169). 2.6.3. Eine Auflage oder Weisung im dargestellten Sinne erschiene im Übrigen auch dann vertretbar, wenn zwar solche Auslagen während der Dauer der Sozialhilfe vollumfänglich drittfinanziert wären, das Geld aber später zurückbezahlt werden müsste. Unter "Verhaltensre- geln, die nach den Umständen angebracht erscheinen" (§ 14 lit. f SPV), lassen sich auch Anordnungen subsumieren, welche einer Ver- schuldung entgegenwirken. 2.6.4. In jedem Fall ist es unabdingbar, dass die Sozialbehörden genau angeben, gestützt auf welchen Sachverhalt (nicht deklariertes Ein- kommen [siehe vorne Erw. 2.6.1], Missbrauch der Sozialhilfe [siehe vorne Erw. 2.6.2] oder Zuwendung durch nicht unterstützungspflich- tige Dritte [siehe vorne Erw. 2.6.3]) eine Kürzung der materiellen Hilfe erfolgt. Ansonsten wird gegen die Begründungspflicht (§ 23 Abs. 4 VRPG) verstossen.
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AG_VG_001
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AG_VG_001_AGVE-2008-46_2008-12-04
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2011 Verwaltungsgericht 188 [...] 48 Kindergartenzuteilung - Die Abweisung eines Gesuches um Umteilung in einen andern Kin- dergarten stellt eine Verfügung dar. - Die Abgrenzung schulorganisatorischer Massnahmen von Realakten. - Nichteintretensentscheide, welche eine anfechtbare Verfügung ver- neinen, können mit Beschwerde angefochten werden. Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 23. Februar 2011 in Sachen A. und B. gegen O. und Z. (WBE.2010.281). 2011 Schulrecht 189 Aus den Erwägungen 1.2. Der Schulrat hat seinen Entscheid vom 23. Juni 2010 mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen, wonach sein Entscheid mit Ver- waltungsbeschwerde beim Regierungsrat angefochten werden kann. Die für den Regierungsrat instruierende Behörde, das BKS, vertritt mit Unterstützung des Rechtsdienstes des Regierungsrates die Auf- fassung, beim erstinstanzlichen Entscheid der Schulpflege O. vom 7. Juni 2010 handle es sich um eine schulorganisatorische Massnah- me, welche auch nach Inkrafttreten des revidierten Verwaltungs- rechtspflegegesetzes vom 5. Dezember 2007 nicht angefochten wer- den könne. Aus den gleichen Überlegungen ist der Schulrat auf die Beschwerde nicht eingetreten. Den Nichteintretensentscheid begrün- dete der Schulrat insbesondere damit, dem angefochtenen Entscheid der Schulpflege komme keine Verfügungsqualität zu und er stelle einen Realakt dar. Aus diesen Gründen fehle ein zulässiges Anfech- tungsobjekt, weshalb auf die Beschwerde nicht einzutreten sei. Unabhängig davon, ob diese Betrachtungsweise zutrifft oder nicht, d.h. ob der Schulrat auf die Beschwerde zu Recht oder zu Un- recht nicht eingetreten ist (dazu nachfolgend Erw. II/2), handelt es sich bei seinem Nichteintretensbeschluss um einen nach § 41 VRPG weiterziehbaren Entscheid. In diesem (End-) Entscheid wird das Verfahren vor dem Schulrat formell mit einem Prozessentscheid ab- geschlossen. Verneint der Schulrat als Beschwerdeinstanz das Vor- liegen einer anfechtbaren Verfügung, so ist der so motivierte Nicht- eintretensentscheid der Überprüfung zugänglich (vgl. Michael Merker, Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege [Kommentar zu den §§ 38-72 VRPG], Diss. Zürich 1998, § 38 N 20 VRPG). Im Rechtsmittelverfahren zu prüfen ist die Rechtmässigkeit des Nicht- eintretensentscheides. Eine (unbegründete) Beschwerde gegen einen Nichteintretensentscheid führt bei im Übrigen gegebenen Sachur- teilsvoraussetzungen zur Abweisung der Beschwerde und nicht zu einer (vorfrageweisen) Überprüfung der materiellen Rechtslage mit anschliessendem Nichteintretensentscheid, falls die Prüfung ergibt, 2011 Verwaltungsgericht 190 dass der vorinstanzliche Entscheid zutreffend ist. Im angefochtenen Entscheid des Schulrates ist deshalb die Rechtsmittelbelehrung mit Verwaltungsbeschwerde an den Regierungsrat korrekt (§ 78 SchulG; vgl. auch § 50 Abs. 1 lit. a VRPG). Aus diesen Erwägungen folgt die Zuständigkeit des Regie- rungsrates für die Beschwerde gegen den Entscheid des Schulrates vom 23. Juni 2010. 1.3. (...) 2.-5. (...) II. 1. Der Schulrat ist auf die Beschwerde nicht eingetreten, mit der Begründung, der Zuteilungsentscheid der Schulpflege habe keinen Verfügungscharakter, sondern sei eine organisatorische Massnahme, ein sogenannter Realakt. Es fehle somit an einem zulässigen Anfech- tungsobjekt und die Mitteilung der Schulpflege sei fälschlicherweise mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen worden. 2. 2.1. Anfechtungsobjekt im Beschwerdeverfahren vor dem Schulrat ist der Beschluss der Schulpflege vom 7. Juni 2010. Die Schulpflege hat ein Gesuch der Beschwerdeführer um Zuweisung ihrer Tochter in den Kindergarten "Y." "aus organisatorischen Gründen" abgelehnt. Die Mitteilung der Schulpflege vom 7. Juni 2010 erfüllt alle formel- len und inhaltlichen Voraussetzungen eines Entscheides im Sinne von § 26 Abs. 1 bis 4 VRPG. Die Schulpflege hat als zuständige Behörde ein Gesuch der Beschwerdeführer mit dem sie einen An- spruch auf den Besuch des Kindergartens "Y." geltend machten, ab- gewiesen. Die Überlegung, dieses Schreiben sei ein blosser Realakt oder eine (informelle) organisatorische Anordnung, vermag angesichts von Form und Inhalt dieses Schreibens nicht zu überzeugen. Unab- hängig von der rechtlichen Qualifikation eines Entscheides über die Zuteilung eines Kindergärtners an einen bestimmten Kindergarten stellt die Abweisung eines Gesuches über einen behaupteten An- spruch auch inhaltlich eine Verfügung dar. Mit dem Gesuch haben 2011 Schulrecht 191 die Beschwerdeführer einen Rechtsanspruch auf eine Umteilung ihrer Tochter C. in den Kindergarten "Y." behauptet und geltend ge- macht. Die Schulpflege ist auf das Gesuch eingetreten, hat es abge- wiesen und damit materiell behandelt. Der Entscheid der Schulpflege vom 7. Juni 2010 vereinigt da- mit alle Elemente des Verfügungsbegriffs und ist gemäss § 75 Abs. 1 SchulG bzw. § 41 Abs. 1 VRPG mit Beschwerde anfechtbar. Der Schulrat hätte daher auf die Beschwerde eintreten müssen. Insoweit ist die Beschwerde begründet. 2.2. Nicht eine Frage des (zulässigen) Anfechtungsobjekts als Pro- zessvoraussetzung im Beschwerdeverfahren ist, ob die Schulpflege O. diesen Entscheid als Verfügung erlassen durfte. Die Prüfung der Sachurteilsvoraussetzungen (auch) des erstinstanzlichen Entscheides ist von Amtes wegen Gegenstand der Rechtsmittelverfahren (AGVE 2009, S. 292 [betr. Legitimation]; AGVE 2000, S. 356 Erw. 1c [betr. Frist]; je mit Hinweisen). Verneint eine Rechtsmittel- instanz die Sachurteilsvoraussetzungen für den erstinstanzlichen Ent- scheid, ist die Verfügung von Amtes wegen zu korrigieren. Soweit der Schulrat und das BKS die Auffassung vertreten, die Schulpflege habe gar nicht verfügen dürfen oder können, weil ihrem Beschluss (von Gesetzes wegen) kein Verfügungscharakter oder der Schul- pflege keine Verfügungsbefugnis zukommt, hätte der Schulrat eine ungültige Verfügung der Schulpflege von Amtes wegen aufheben müssen. 2.3. 2.3.1. Die Auffassung der kantonalen Schulbehörden wonach es sich bei der Verfügung vom 7. Juni 2010 (nur) um einen Realakt oder eine organisatorische Anordnung handelt, vermag auch dogmatisch nicht zu überzeugen. Erstens kann nach den Gesetzen der Logik die Eröffnung und Zustellung des Entscheides nicht als eine nicht- existente Verfügung qualifiziert werden, sie war allenfalls ungültig. Realakte sind sodann Tathandlungen bzw. Verwaltungsmassnahmen, die nicht auf einen rechtlichen, sondern einen tatsächlichen Erfolg gerichtet sind. Sie begründen keine unmittelbaren Rechte und Pflich- 2011 Verwaltungsgericht 192 ten der Privaten, sondern gestalten unmittelbar die Faktenlage in dem sie Tatsachen schaffen (Ulrich Häfelin/Georg Müller/Felix Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Auflage, Zürich 2010, Rz. 874c; Pierre Tschannen/Ulrich Zimmerli/Markus Müller, Allgemeines Ver- waltungsrecht, 3. Auflage, Bern 2009, § 38 N 1 f., insbesondere N 4). Die Abweisung eines Gesuches schafft keine Tatsachen, sondern ist auf Rechtswirkungen ausgerichtet. In jedem Fall stellt ein solcher Entscheid zumindest hoheitlich fest, dass dem Gesuchsteller der be- hauptete Rechtsanspruch aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht zusteht. 2.3.2. Nach der Rechtsprechung von Regierungsrat und Schulbehör- den gelten die Zuweisung von Schülerinnen und Schülern in Schul- abteilungen, von Kindern in Kindergartenabteilungen, die Zuteilung zu einem bestimmten Schulhaus oder zu einem Berufsschulstandort als nicht anfechtbare schulorganisatorische Massnahmen (AGVE 2000, S. 596 f.; AGVE 1996, S. 557 f.; RRB 2005-001011). Die Rechtsprechung erging unter dem Verwaltungsrechtspflegegesetz 1968 und wurde damit begründet, dass diese Anordnungen die Rech- te und Pflichten eines Schul- bzw. Kindergartenkindes nicht tangie- ren und ein Rechtsschutz gegen solche Anordnungen die Schulor- ganisation massiv erschweren würde. Das BKS und der regie- rungsrätliche Rechtsdienst möchten an dieser Praxis unter dem neuen Verwaltungsrechtspflegegesetz weiterhin festhalten. Ein Kennzeichen der angeführten schulorganisatorischen An- ordnungen im Bildungswesen ist, dass sie in der Regel formlos erge- hen. Es handelt sich dabei um Realakte, die in der Typisierung ihrer Verhältnisse zum Entscheid, tatsächliches Verwaltungshandeln oder verfügungsvertretende Akte der normalen Verwaltungstätigkeit dar- stellen (vgl. dazu Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., Rz. 866 ff.; Tschannen/Zimmerli/Müller, a.a.O., § 38 N 14 ff.) Bei diesen Realakten stellen sich regelmässig Fragen des Rechtsschutzes. In der Literatur und Rechtsprechung werden ver- schiedene Ansätze diskutiert (vgl. dazu Paul Richli, Zum Rechts- schutz gegen verfügungsfreies Staatshandeln in der Totalrevision der Bundesrechtspflege, in: AJP 1998, S. 1426 ff.; Häfelin/Müller/Uhl- 2011 Schulrecht 193 mann, a.a.O., Rz. 736a ff. mit Hinweisen; Markus H.F. Mohler, Zur Anfechtbarkeit polizeilicher intervenierender Realakte unter dem Ge- sichtspunkt der Rechtsweggarantie gemäss Art. 29a BV - Justizre- form, in: AJP 2007, S. 461 ff.; BGE 130 I 369, Erw. 6.1 mit Hin- weis). Das Bundesgericht lässt ausnahmsweise die Anfechtung eines Realaktes zu, wenn die organisatorische Massnahme ein durch Verfassung oder durch Gesetz geschütztes Recht, wie zum Beispiel den Anspruch auf Elementarausbildung, tangiert (Herbert Plotke, Schweizerisches Schulrecht, 2. Auflage, Bern/Stuttgart/Wien 2003, Abschnitt 21.723). Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung kann ein Rechtsschutzinteresse auch dann vorliegen, wenn dem Schüler besondere Verhaltenspflichten oder sonstige besondere Nachteile zu- gemutet werden. Organisatorische Anordnungen können demnach praxisgemäss regelmässig auf dem Rechtsmittelweg angefochten werden, falls sie die Interessen des einzelnen Schülers in spezifischer Weise berühren (Urteil des Bundesgerichts vom 28. März 2002 [2P.324/2001], Erw. 3.3). 2.3.3. Im Rahmen der Justizreform wurde der Rechtsschutz bezüglich des tatsächlichen Verwaltungshandelns auf Bundesebene ausgeweitet und der Art. 25a VwVG eingeführt. Dieser bezieht sich auf die gesamte verfügungsfreie Verwaltungstätigkeit und besagt, dass Per- sonen, welche ein schutzwürdiges Interesse haben, von der zuständi- gen Behörde eine Verfügung über Handlungen verlangen können, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen und Rechte und Pflichten berühren (Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., Rz. 737a ff.). Sinn und Zweck des Art. 25a VwVG ist die Verkleinerung des Rechtsschutzdefizits, welches vor der Revision der Bundesrechts- pflege im Bereich des tatsächlichen Verwaltungshandelns bestanden hat (BGE 136 V 156, E. 4.2). Art. 25a VwVG ist allerdings im kanto- nalen Verwaltungsprozessrecht nicht unmittelbar anwendbar. Im Rahmen ihrer Organisations- und Verfahrensautonomie sind die Kan- tone frei, eine abweichende Lösung zur Gewährleistung der Rechts- weggarantie des Art. 29a BV zu treffen (Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., Rz. 737d; Christina Kiss, Rechtsweggarantie und Totalrevi- sion der Bundesrechtspflege, in: ZBJV 1998, S. 291 ff.). 2011 Verwaltungsgericht 194 Im Verwaltungsrechtspflegegesetz fehlt eine Bestimmung, wel- che den Beschwerdeweg analog zu Art. 25a VwVG mittels eines Anspruchs auf eine Feststellungsverfügung öffnet. Stattdessen wurde in § 60 Abs. 1 lit. d VRPG die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts im Klageverfahren für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten für jene Fälle begründet, "in denen in Rechtspositionen von Privaten einge- griffen wird, ohne dass ein Entscheid ergeht oder Klage vor einer anderen Instanz erhoben werden kann". Nach dem Willen des Ge- setzgebers soll diese Zuständigkeitsnorm den Rechtsschutz nach Art. 29a BV, die Rechtsschutzgarantien der EMRK und des Interna- tionalen Pakts über die bürgerlichen und politischen Rechte im Sinne einer Auffangnorm gewährleisten (Botschaft des Regierungsrates vom 14. Februar 2007 [07.27] S. 73/74). Entsprechend restriktiv sind die Voraussetzungen für diese Zuständigkeit normiert und verlangen insbesondere, dass "kein Entscheid ergeht". Aus diesem Wortlaut und aus dem systematischen Bezug zur Gleichstellung der Rechtsver- weigerung mit anfechtbaren Entscheiden (§ 41 Abs. 2 VRPG) einer- seits und zur Beschwerdemöglichkeit bei einer (behaupteten) Ver- letzung der Rechtsweggarantie (§ 54 Abs. 4 VRPG) andererseits folgt, dass in allen Fällen, in denen ein Entscheid einer Verwaltungs- behörde tatsächlich ergeht, vorliegt oder verweigert wird, der Rechtsschutz im Beschwerdeverfahren zur Anwendung kommt. 2.3.4. Im vorliegenden Fall hat die Kindergartenleitung über die Zu- teilung der Kinder in die Kindergärten "X." und "Y." definitiv ent- schieden. Im Nachgang zu dieser (formlosen) Zuteilung der Tochter der Beschwerdeführer in den Kindergarten "X." hat die Schulpflege O. das Gesuch der Beschwerdeführer um eine Umteilung ihrer Tochter C. in den Kindergarten "Y." abgelehnt. Streitgegenstand im Beschwerdeverfahren vor dem Schulrat war daher nicht die organi- satorische Zuteilung der Kindergartenleitung, sondern das im ange- fochtenen Entscheid abgelehnte Gesuch um Umteilung von C.. Ob die von der Kindergartenleitung vorgenommene formlose Zuteilung eine schulorganisatorische Massnahme, ein Realakt ohne Verfü- gungscharakter und Anfechtungsmöglichkeit darstellt, kann offen ge- lassen werden. 2011 Schulrecht 195 Mit dem Entscheid der Schulpflege vom 7. Juni 2010 liegt auch "tatsächlich" ein Entscheid vor, weshalb § 60 lit. d VRPG keine Anwendung finden kann. Mit der Abweisung des Gesuches wurde schliesslich ein (Rechts-) Anspruch auf Umteilung von C. in den Kindergarten "Y." verneint. Ob die (nachträgliche) Verfügung der Schulpflege mit Bezug auf die Zuteilung der Kindergartenleitung allenfalls auch als Feststellung der Rechtmässigkeit einer organisato- rischen Massnahme zu qualifizieren ist und welcher Rechtsschutz nach kantonalem Recht bei organisatorischen Anordnungen im Bil- dungsbereich besteht, muss im vorliegenden Verfahren nicht ab- schliessend entschieden werden. Im Hinblick auf die Meinungsäusserungen von Schulbehörden und Verwaltung erscheint es angebracht, ergänzend auf § 54 Abs. 2 und § 55 Abs. 2 VRPG und die bundesgerichtliche Rechtsprechung hinzuweisen. Aus dem Bildungsbereich finden sich im Ausnahme- katalog (§ 54 Abs. 2 VRPG, vgl. auch Art. 83 BGG) nur die Schul- standorte angeführt, während die Zuteilung von Ausbildungsgängen und die Festlegung von Klassengrössen an Schulen, wenn auch mit eingeschränkter Kognition des Gerichts, im Beschwerdeverfahren anfechtbar sind (§ 55 Abs. 2 VRPG). Letztinstanzliche Entscheide in Streitigkeiten über die Bestätigung einer Zuweisung von Schülern in Klassen und Schulhäuser sind nach der bundesgerichtlichen Recht- sprechung Entscheide, die mit öffentlich-rechtlicher Beschwerde an- gefochten werden können (Urteil des Bundesgerichts vom 27. März 2008 [2C_495/2007], Erw. 1.1.). 2.4. Zusammenfassend folgt aus den vorstehenden Erwägungen, dass der Nichteintretensentscheid des Schulrates in formeller Hin- sicht - soweit ein Anfechtungsobjekt verneint wurde - und materiell in Bezug auf den Streitgegenstand (Nichteintreten) aufzuheben ist. Der Schulrat und der Regierungsrat hätten auf die Beschwerde ein- treten müssen. Der Entscheid des Schulrates ist aufzuheben.
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2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 110 14 Ausschaffungshaft; Verhältnismässigkeit; Haftvollzug; medizinische Ver- sorgung - Unter Umständen kann eine Ausschaffungshaft, welche lediglich zwecks Sicherstellung der für die Reisefähigkeit notwendigen medi- zinischen Versorgung angeordnet wird, verhältnismässig sein (Erw. 5.). - Vor der Inhaftierung hat die haftanordnende Behörde die medizi- nisch notwendigen Abklärungen vorzunehmen und dem Vollzugs- personal betreffend medizinische Versorgung klare Anweisungen zu erteilen. Während des Haftvollzugs muss die durch den Amtsarzt angeordnete medizinische Behandlung eingehalten werden. Wird von der angeordneten medizinischen Behandlung ohne Rücksprache mit dem Amtsarzt abgewichen, ist die medizinische Versorgung während des Haftvollzugs nicht hinreichend gewährleistet und der Betroffene aus der Haft zu entlassen (Erw. 6.). Aus dem Entscheid des Einzelrichters des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 11. April 2014 in Sachen Amt für Migration und Integration gegen A. (WPR.2014.70). Aus den Erwägungen 5. Eine Haftanordnung ist dann nicht zu bestätigen, wenn sie im konkreten Fall gegen das Prinzip der Verhältnismässigkeit verstossen würde. Die Vertreterin des Gesuchsgegners rügt, die Anordnung einer Haft einzig zur Sicherstellung einer korrekten Medikation sei unverhältnismässig. Im vorliegenden Fall musste ein erster unbegleiteter Ausschaf- fungsversuch abgebrochen werden, weil der Gesuchsgegner seine Medikamente nicht ordnungsgemäss zu sich genommen hatte. Hierauf organisierte das MIKA für den Gesuchsgegner eine Unter- stützung durch die Spitex und das Spital R.. Nachdem der Gesuchs- gegner jedoch nachweislich weder mit der Spitex noch mit dem Spital R. kooperierte als es darum ging, den richtigen Umgang mit 2014 Migrationsrecht 111 der Diabetes-Erkrankung zu erlernen, erscheint fraglich, welches andere Mittel den Gesuchsgegner dazu verhalten würde, seine Medi- kation so einzunehmen, dass er am Tag der Ausschaffung flug- tauglich ist. Eine mildere Massnahme zur Sicherstellung des Voll- zugs der Wegweisung ist damit nicht ersichtlich bzw. muss als bereits gescheitert bezeichnet werden. (...) 6. Gemäss Art. 80 Abs. 4 AuG hat der Richter bei der Überprüfung des Entscheids über die Anordnung, Fortsetzung und Aufhebung der Haft unter anderem auch die Umstände des Haftvollzugs zu berück- sichtigen. Dazu gehört insbesondere die medizinische Versorgung der In- haftierten. Dieser ist bei bekannten und vor allem bei gravierenden gesundheitlichen Problemen von Beginn an bzw. bereits im Zusam- menhang mit der Festnahme Rechnung zu tragen. Eine freiheitsent- ziehende Massnahme ist für einen kranken Insassen um ein Vielfa- ches einschneidender als für eine gesunde Person. Der gesundheitlich beeinträchtigte Inhaftierte muss und darf sich jederzeit darauf verlas- sen können, dass er die notwendigen Medikamente erhält, wobei dem Gefängnispersonal eine erhöhte Verantwortung zukommt. Diese Verantwortung allein dem Gefängnispersonal aufzubürden, geht je- doch nicht an. Vielmehr ist es insbesondere bei der erstmaligen In- haftierung eines bekanntermassen gesundheitlich angeschlagenen In- haftierten hinsichtlich der zu treffenden medizinischen Vorkehrungen Aufgabe der haftanordnenden Behörde, sämtliche notwendigen Ab- klärungen zu treffen und der Haftanstalt klare Anweisungen betref- fend die medizinische Versorgung des Inhaftierten zu übermitteln. Das MIKA hat von der Diabetes-Erkrankung des Gesuchsgeg- ners gewusst und ihn zur Prüfung der Hafterstehungsfähigkeit dem Amtsarzt zugeführt. Nach der medizinischen Abklärung bestätigte der Amtsarzt die Hafterstehungsfähigkeit des Gesuchsgegners trotz Diabetes-Erkrankung mit dem Hinweis auf die Betreuung durch die Spitex und erteilte den Auftrag, die Spitex habe "allabendlich" für eine korrekte Medikation zu sorgen und insbesondere die adäquate Applikation von Insulin sicherzustellen. Die exakte Medikation wurde in einem separaten Dokument festgehalten. Hierauf wurde der 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 112 Gesuchsgegner in die Ausschaffungshaft überführt. Eine weitere Rücksprache des MIKA oder des Gefängnispersonals mit dem Amts- arzt erfolgte offenbar nicht. Gemäss Aussage des Gesuchsgegners anlässlich der heutigen Verhandlung erhielt er seit seiner Inhaftierung, d.h. seit dem 10. April 2014, 14.30 Uhr, keine Insulinspritze. Zudem wurde ihm weder gestattet, seinen Zuckerwert zu bestimmen, noch sich selbst Insulin zu spritzen, obschon er sich regelmässig am Abend Insulin spritzen müsse. Die hierauf durchgeführte Befragung des Leiters des Ausschaffungszentrums Aarau ergab, dass der diensthabende Mitar- beiter mit dem Gesuchsgegner am Abend des 10. Aprils 2014 über die Medikamentenabgabe gesprochen und der Gesuchsgegner das Medikamentenabgabeprotokoll unterzeichnet habe. Dem Protokoll ist zwar zu entnehmen, dass geplant war, dem Gesuchsgegner um 20.00 Uhr durch die Spitex Insulin zu verabreichen. Dies unterblieb jedoch offensichtlich. Auf dem Protokoll wurde vielmehr vermerkt, die Insulinabgabe sei durch den Amtsarzt erfolgt. Nachdem den Ak- ten kein Hinweis zu entnehmen ist, dass der Amtsarzt effektiv Insulin verabreicht hatte und dies auch höchst unwahrscheinlich ist, da Insu- lin üblicherweise zu genau bestimmten Zeiten einzunehmen ist, und der Amtsarzt die Insulinabgabe durch die Spitex sogar schriftlich verordnet hatte und zudem auch kein Hinweis dafür vorliegt, dass das Gefängnispersonal mit dem Amtsarzt Rücksprache genommen hatte, wurde der Vermerk durch den Journalführer offenbar aufgrund des mit dem Gesuchsgegner geführten Gesprächs über die Medika- mentenabgabe angefügt. Anlässlich der heutigen Verhandlung wurde der Leiter des Ausschaffungszentrums aufgefordert, das Gespräch nachzustellen und sich mit dem Gesuchsgegner über die Medikamen- tenabgabe zu unterhalten. Nachdem sich der Leiter des Ausschaf- fungszentrums zunächst weigerte, der Aufforderung nachzukommen, zeigte sich rasch, dass eine Verständigung mit dem Gesuchsgegner auf Englisch gar nicht möglich ist. Damit steht fest, dass das MIKA seiner Pflicht, vor der Inhaftie- rung die medizinisch notwendigen Abklärungen zu tätigen und dem Gefängnispersonal zukommen zu lassen, nachgekommen ist. Ob- schon das Ausschaffungszentrum über das Aufbieten der Spitex und 2014 Migrationsrecht 113 die notwendige Medikamentenabgabe schriftlich orientiert worden war, unterblieb die Medikamentenabgabe am Abend des 10. April 2014 und wurde die Spitex offenbar erst auf den 11. April 2014 aufgeboten. Dies ist nicht akzeptabel, weshalb der Gesuchsgegner mangels hinreichender medizinischer Versorgung unverzüglich aus der Ausschaffungshaft zu entlassen ist. Anzumerken bleibt, dass es in Fällen wie dem Vorliegenden dem Gefängnispersonal nicht frei steht, nach eigenem Gutdünken über eine Medikamentenabgabe zu entscheiden und es höchst fahr- lässig ist, gestützt auf Aussagen eines Inhaftierten, mit dem man sich offensichtlich nur bruchstückhaft und damit nur unzureichend unter- halten kann, eine verordnete Medikation auszusetzen. Kann kein Dolmetscher beigezogen werden, der für eine klare Verständigung mit dem Betroffenen sorgt, ist auf jeden Fall mit dem zuständigen Arzt Rücksprache zu nehmen.
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2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 58 6 Steuerrecht Ausbuchung eines Guthabens gegenüber einer Tochtergesellschaft zu- gunsten der Reserven (welche sodann zur Auflösung eines Verlustvortrags verwendet werden) ist keine steuerneutrale Kapitaleinlage. Dennoch ist der Vorgang steuerneutral, da das entsprechende Aktionärsdarlehen zu- sätzlich im Hinblick auf den schlechten Geschäftsgang der Tochtergesell- schaften gewährt wurde und von einem unabhängigen Dritten nicht ge- währt worden wäre. Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 1. Mai 2019, in Sachen B. AG gegen KStA und Gemeinderat X. (WBE.2018.358). Aus den Erwägungen 1. 1.1 Das Spezialverwaltungsgericht, Abt. Steuern, stufte die Vor- gänge bei der Beschwerdeführerin als echten (erfolgswirksamen) Sanierungsgewinn ein und begründete dies damit, dass die Mutter- gesellschaft im Umfang von CHF 8 Mio. einen Forderungsverzicht vorgenommen und keine Gegenleistung dafür erhalten habe. Die Darlehen würden zudem nicht als neu oder fortgeführt gelten und ein Sanierungszweck der Darlehen sei aufgrund der Absicht, die Be- schwerdeführerin zu verkaufen, in Frage zu stellen. 1.2. Die Beschwerdeführerin bestreitet demgegenüber das Vorliegen eines Forderungsverzichts und macht geltend, die Muttergesellschaft habe mit der Umwandlung von Fremdkapital in Eigenkapital auf keine Vermögenswerte verzichtet, sondern gleichzeitig die Ge- stehungskosten der Beteiligung an der Tochtergesellschaft um CHF 8 Mio. erhöht. Es handle sich daher um eine steuerneutrale Ka- pitaleinlage. Diese Vorgänge seien ausschliesslich in der Bilanz er- folgt, was die Vorinstanz in Verletzung des Massgeblichkeitsprinzips nicht beachtet habe. Eventualiter macht sie geltend, es liege - wenn überhaupt - ein erfolgsneutraler Forderungsverzicht vor, da die Dar- 2019 Steuern und Abgaben 59 lehen wegen des schlechten Geschäftsganges gewährt worden seien und Dritte nicht zu denselben Konditionen Darlehen in dieser Höhe gesprochen hätten. 2. 2.1. Als erfolgsneutrale Vorgänge beschreibt § 70 lit. a StG (über- einstimmend mit Art. 24 Abs. 2 lit. a StHG; und Art. 60 lit. a DBG) Kapitaleinlagen von Mitgliedern von Kapitalgesellschaften und Ge- nossenschaften, einschliesslich Aufgelder und Leistungen à fonds perdu. Dadurch entsteht kein steuerbarer Gewinn. Entgegen der Leh- re, welche unter einer Kapitaleinlage jede Erhöhung der Eigenkapi- talbasis durch die Gesellschafter in der Eigenschaft als Inhaber von Kapitalanteilsrechten versteht, stellt das Bundesgericht (Urteil 2C_634/2012 vom 20. Oktober 2014) und die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV Kreisschreiben Nr. 32 vom 23. Dezember 2010, Ziff. 4.1.1.1), zumindest für die Beurteilung von Forderungs- verzichten durch Aktionäre im Zusammenhang mit Sanierungen, auf objektive Kriterien ab. Die Qualifikation einer Leistung als Kapital- einlage fusst auf der Form, Art und den Umständen der erbrachten Leistung (PETER BRÜLISAUER/OLIVER KRUMMENACHER, in: MARTIN ZWEIFEL/MICHAEL BEUSCH [Hrsg.], Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden [StHG], 3. Auflage, Basel 2017, Art. 24 N 379 f.). Offene Kapital- einlagen sind solche, welche bei der leistenden Muttergesellschaft und der empfangenden Tochtergesellschaft bewertungs- und buch- mässig als solche gekennzeichnet sind. Sie sind mit dem tatsäch- lichen Wert in den jeweiligen Jahresrechnungen aufgeführt und können handelsrechtlich erfolgsneutral oder -wirksam verbucht wer- den, was auf den konkreten Sachverhalt ankommt. Als Beispiele werden formelle Kapitalerhöhungen und à fonds perdu Zuschüsse genannt. In der Lehre werden i.d.R. auch von Anteilsinhabern im Rahmen von Sanierungen geleistete Forderungsverzichte zu den Ka- pitaleinlagen gezählt, was gemäss der Rechtsprechung des Bundes- gerichts nur ausnahmsweise der Fall sein soll (BRÜLISAUER/ KRUMMENACHER, a.a.O., Art. 24 N 385). 2.2. 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 60 Eine formelle Kapitalerhöhung führte die Beschwerdeführerin im Zuge der Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital nicht durch, obwohl im Detailkontoauszug der Buchhaltung der Muttergesell- schaft die Bezeichnung Kapitalerhöhung verwendet wird. Stattdessen wurden die bestehenden Darlehen um CHF 8 Mio. gegen Reserven ausgebucht und der den gesetzlichen Reserven zugeführte Betrag von CHF 8 Mio. gegen Gewinnvortrag verbucht. Damit verschwand der Verlustvortrag von CHF 6.5 Mio. in der Bilanz der Beschwerde- führerin vollständig. Als Gegenleistung erhöhte die Muttergesell- schaft die Gestehungskosten ihrer Beteiligung um CHF 8 Mio. Der Beschwerdeführerin ist zwar zuzustimmen, dass es bei einer zu 100% am Nominalkapital der Tochtergesellschaft beteiligten Mutter- gesellschaft grundsätzlich nicht darauf ankommen kann, ob sie für die Umwandlung von Fremdkapital in Eigenkapital Aktien erhält, um den Vorgang als steuerneutral einzustufen, da die Beteiligungsquote auf jeden Fall unverändert bei 100% bleibt. Das ist vorliegend jedoch nicht ausschlaggebend - die Vermögenslage der leistenden Mutter- gesellschaft verändert sich nämlich grundsätzlich nicht bei solchen Geschäften, da Gegenleistung und Wertzunahme der Beteiligung zu- sammen immer ein äquivalentes Entgelt für die erbrachte Leistung darstellen (MARKUS REICH, Verdeckte Vorteilszuwendungen zwischen verbundenen Unternehmen, in: ASA, Band 54 1985/86, S. 625) - vielmehr ist bedeutsam, dass eben gerade keine formelle Kapitalerhöhung wie sie § 70 lit. a StG fordert, vorgenommen wur- de. Indem § 70 lit. a StG ausdrücklich die Zuschüsse à fonds perdu erwähnt und diese als unentgeltliche Leistungen der Beteiligten an die Kapitalgesellschaft ausserhalb einer Kapitalerhöhung umschrie- ben werden (BRÜLISAUER/KRUMMENACHER, a.a.O., Art. 24 N 415; Urteil des Bundesgerichts 2C_634/2012 vom 20. Oktober 2014, E. 5.2.2), kann es sich bei den Kapitalerhöhungen nur um solche formeller Art handeln. Die Beschwerdeführerin hätte also eine Kapi- talerhöhung mittels Verrechnungsliberierung (debt-equity swap) ge- mäss Art. 650 und 652c OR i.V.m. Art. 634a Abs. 2 und 635 Ziff. 2 OR vornehmen und die in diesem Zusammenhang aufgestellten ge- setzlichen Vorschriften einhalten müssen (PETER LOCHER, Kommen- tar zum DBG, Therwil/Basel 2004, Art. 60 N 31). Damit wären die 2019 Steuern und Abgaben 61 Verpflichtungen der Gesellschaft vermindert und gleichzeitig das nominelle Eigenkapital entsprechend erhöht worden. Weil die Beschwerdeführerin mit ihrem Verzicht auf die Darlehensforderung und gleichzeitiger Erhöhung der ursprünglichen Gestehungskosten ihrer Beteiligung den informellen Weg ohne Kapitalerhöhung gewählt hat und die entsprechenden Vorschriften nicht eingehalten hat, ist der Vorgang als blosser Forderungsverzicht und nicht als Kapitaleinlage zu qualifizieren. 2.3. Daran vermag auch das von der Beschwerdeführerin angerufene Massgeblichkeitsprinzip nichts zu ändern. Die (formelle) Mass- geblichkeit bedeutet zwar, dass die Steuerbehörde auf die von den Organen der Gesellschaft verabschiedete konkrete Jahresrechnung abzustellen hat (vgl. ERNST BLUMENSTEIN/PETER LOCHER, System des schweizerischen Steuerrechts, 7. Aufl., Zürich 2016, S. 326 mit Hinweisen; vgl. zur Unterscheidung zwischen formeller und mate- rieller Massgeblichkeit ROLF BENZ, Handelsrechtliche und steuer- rechtliche Grundsätze ordnungsmässiger Bilanzierung, Zürich 2000, S. 195). Kommt aber die Steuerbehörde wie hier zum Schluss, es lie- ge entgegen der Verbuchung in der Jahresrechnung ein erfolgswirk- samer Vorgang vor, darf sie für steuerliche Zwecke eine Bilanz- berichtigung vornehmen. In diesem Fall hilft der Beschwerdeführerin auch die Bestätigung der handelsrechtskonformen Verbuchung durch die Revsionsstelle nicht weiter (MARKUS BERGER, Probleme der Bilanzberichtigung, ASA 70 2001/2002, S. 552 f.). Die von der Beschwerdeführerin gerügte unterschiedliche Qualifikation desselben Vorgangs bei der Emissionsabgabe (Kapital- einlage) und bei den direkten Steuern (erfolgswirksamer Forde- rungsverzicht) mag zwar unbefriedigend erscheinen, ist aber auf- grund der Unterschiede dieser beiden Steuerarten hinzunehmen. Art. 5 Abs. 2 lit. a des Bundesgesetzes vom 27. Juni 1973 über die Stempelabgaben (SR 641.10) behandelt Forderungsverzichte durch die Gesellschafter als Kapitaleinlage, was die ESTV in ihrem Kreis- schreiben Nr. 32 in Ziff. 4.1.3 nochmals explizit festhält. Die im selben Kreisschreiben Nr. 32 enthaltene Einschätzung der ESTV über die Erfolgswirksamkeit von Forderungsverzichten bei den 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 62 direkten Steuern, hat das Bundesgericht - wie erwähnt - geschützt. Auch an der Ungleichbehandlung von Forderungsverzichten zwischen Schwestergesellschaften, welche dem Konzept als geld- werte Leistungen (Drittvergleich) folgen, einerseits und Forderungs- verzichten zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften, welche stets erfolgswirksam sind, andererseits, ist nichts zu ändern, nachdem das Bundesgericht an seiner mit BGE 115 Ib 269 entwickelten Praxis festgehalten hat und zwar unter ausdrücklicher Verwerfung der ent- gegenstehenden Lehrmeinungen (Urteil 2C_634/2012 vom 20. Okto- ber 2014). Damit ist vorliegend grundsätzlich von einer erfolgswirksamen Sanierungsleistung auszugehen. 3. 3.1. Zu prüfen bleibt, ob eine Ausnahme gemäss Kreisschreiben Nr. 32 der ESTV, Ziff. 4.1.1.1 vorliegt und der Forderungsverzicht im konkreten Fall nicht doch eine steuerneutrale Kapitaleinlage dar- stellt. Dabei ist die Frage zu beantworten, ob es sich, wie die Be- schwerdeführerin geltend macht, um ein Aktionärsdarlehen handelt, das im Hinblick auf den schlechten Geschäftsgang gewährt worden ist und ihr unter den gleichen Umständen von unabhängigen Dritten nicht zugestanden worden wäre. 3.2. Die Muttergesellschaft gewährte der Beschwerdeführerin per 31. Dezember 2010 Darlehen über CHF 3 Mio. (Zinssatz 1.86%, Laufzeit bis Ende 2013) und CHF 25 Mio. (Zinssatz 2.66%, Laufzeit bis Ende 2016). Dafür wurden neue Darlehensverträge aufgesetzt. Für die Darlehensgewährung verlangte die Muttergesellschaft keine Sicherheiten. Mit der Beschwerdeführerin und entgegen der Vorin- stanz ist festzuhalten, dass dem Darlehen in der Höhe von CHF 3 Mio. der Sanierungszweck nicht mit dem Hinweis auf den Ablauf per Ende 2013, also der hier massgebenden Steuerperiode, abgesprochen werden kann. Wie die Beschwerdeführerin zu Recht geltend macht, ist der Zeitpunkt der Darlehensgewährung im Jahr 2010 relevant für die Beurteilung, ob das Aktionärsdarlehen im Hinblick auf den schlechten Geschäftsgang gewährt worden ist und 2019 Steuern und Abgaben 63 ein unabhängiger Dritter ein solches Darlehen nicht zu denselben Konditionen gewährt hätte. Die Beschwerdeführerin hat dazu mit Eingabe vom 28. Februar 2019 folgende Übersicht über ihre Geschäftszahlen (jeweils per 31.12.) eingereicht: Aus den beim KStA eingeforderten Jahresrechnungen der Be- schwerdeführerin geht für das Jahr 2002 ein Jahresgewinn von CHF 1'370'721.00 und für 2001 ein solcher von CHF 6'318'201.00 hervor. Im Jahr 2004 erfolgte wegen Auslaufens des langfristigen Darlehens und aufgrund reduzierter Erwartungen an die budgetierten Zahlen für das Geschäftsjahr 2004 eine Umschuldung mit einer Er- höhung des Langfristdarlehens. Dass es sich bei den umstrittenen Darlehen im Jahre 2010 um neu gewährte Darlehen handelt, zeigt auch die Entwicklung der langfristigen Verbindlichkeiten Aktionär in der Bilanz (2008: CHF 28 Mio.; 2009: CHF 0; 2010: CHF 28 Mio.) und der kurzfristigen Verbindlichkeiten Aktionär (2008: CHF 1.5 Mio.; 2009: CHF 32 Mio.; 2010: 2 Mio.). Die 2010 abgeschlossenen Darlehen weisen denn auch im Vergleich zu den früheren Darlehen andere Summen, verschiedene Laufzeiten und veränderte Zinskonditionen auf. Im Anhang der Jahresrechnung 2010 erklärte die Muttergesellschaft überdies gegenüber der Beschwerde- führerin wegen der Gefahr einer Überschuldung (der Verlust lag bereits über dem hälftigen buchmässigen Eigenkapital) einen Rang- rücktritt in der Höhe von CHF 2 Mio. 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 64 3.3. Die von der Vorinstanz angeführte Tatsache, wonach die Be- schwerdeführerin in der Steuerperiode 2013 zum Verkauf gestanden habe, hat keinen erkennbaren Einfluss auf den Sanierungszweck der im Jahre 2010 gewährten Darlehen. Es ergibt durchaus Sinn, eine Gesellschaft vor dem Verkauf zu sanieren, um einen höheren Ver- kaufspreis zu erzielen oder sie überhaupt verkaufen zu können. Eben so wenig schadet in diesem Zusammenhang die Aufhebung des zwischenzeitlich auf CHF 6 Mio. angehobenen Rangrücktritts der Muttergesellschaft zu Gunsten der Beschwerdeführerin per 30. Sep- tember 2013. Diese Ereignisse beziehen sich auf die Steuerperiode 2013, ausschlaggebend sind jedoch gemäss Bundesgericht (Urteil 2C_634/2012 vom 20. Oktober 2014 E. 6.1.2) und ESTV Kreis- schreiben Nr. 32 Ziff. 4.1.1.1. lit. a die Verhältnisse im Zeitpunkt der Darlehensgewährung im Jahre 2010. 3.4. Zu fragen ist in diesem Zusammenhang, ob ein unabhängiger Dritter, angesichts der ausgewiesenen finanziellen Verhältnisse der Beschwerdeführerin, die von der Muttergesellschaft gesprochenen Darlehen zu denselben Konditionen gewährt hätte. Dies ist vorlie- gend auch bei der vom Bundesgericht angemahnten restriktiven An- wendung der Ausnahmen (Urteil des Bundesgerichts 2C_634/2012 vom 20. Oktober 2014 E. 5.2.4) zu verneinen. Ein unabhängiger Dritter hätte der Beschwerdeführerin angesichts deren schwierigen finanzieller Lage und der wirtschaftlich schlechten Aussichten kein langfristiges Darlehen ohne Sicherheiten in dieser Grössenordnung gewährt und falls doch, hätte er einen höheren Zins für das Eingehen dieses höheren Risikos ohne Sicherheiten verlangt. Dem Forde- rungsverzicht ist daher im vorliegenden Fall ausnahmsweise die Er- folgswirksamkeit abzusprechen.
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2007 Verwaltungsgericht 228 56 Bemessen der Verfahrenskosten bei der Vereinigung von Verfahren und bei Rückweisung. - Die Vereinigung von Beschwerdeverfahren verändert das Kostenri- siko der beteiligten Parteien nicht (Erw. 3.1-3.3). - Ein verminderter Bearbeitungsaufwand aus einer Vereinigung von Beschwerdeverfahren führt zu einer Reduktion der jeweiligen Staatsgebühr (Erw. 3.2). - Wirkung einer Verfahrensvereinigung auf die Bemessung der Partei- entschädigung (Erw. 4.3.3). - Die getrennte Berechnung der Parteientschädigung in Verfahrens- stadien vor und nach einer Rückweisung ist im AnwT nicht vorgese- hen (Erw. 4.3.3). Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 29. November 2007 in Sa- chen J.B. gegen den Regierungsrat (WBE.2007.52). Aus den Erwägungen 3. 3.1. Massgebend für die Festsetzung der Staatsgebühr, der Kanzlei- gebühr und der Auslagen sind das VKD und die Verordnung über die Kanzleigebühren vom 14. Oktober 1991 ( SAR 661.113). Die Staats- gebühr ist in der Verwaltungsrechtspflege vor Verwaltungsbehörden im Beschwerdeverfahren innerhalb eines Rahmens von Fr. 26.-- bis Fr. 3'910.-- (§ 22 Abs. 1 lit. a VKD) nach dem Zeitaufwand und der Bedeutung der Sache zu bemessen (§ 3 Abs. 1 VKD). Sie kann in ausserordentlich zeitraubenden Fällen bis auf Fr. 7'820.-- (§ 3 Abs. 2 i.V.m. § 22 Abs. 1 lit. a VKD) erhöht werden. Im angefochtenen Entscheid hat der Regierungsrat die Staats- gebühr auf Fr. 6'400.-- erhöht und die Erhöhung mit einem ausseror- dentlichen Aufwand für drei Beschwerdeverfahren begründet. Auf den Beschwerdeführer entfiel nach Abzug des Kostenanteils von X. (Fr. 1'140.--) und der Kostenverteilung unter die Parteien ein Anteil von Fr. 2'420.20 oder rund 31,87 %. Mithin beträgt der Anteil des 2007 Verwaltungsrechtspflege 229 Beschwerdeführers an der erhöhten Staatsgebühr rechnerisch rund Fr. 2'040.-- (31,87 % von Fr. 6'400.--). 3.2. Weder das VRPG noch das VKD regeln die Folgen und Wir- kungen einer Vereinigung von mehreren Beschwerdeverfahren; ihre Zulässigkeit ist aber unbestritten; nach der Praxis ist die prozesslei- tende Verfügung in jedem Verfahrensstadium aus prozessökonomi- schen Gründen möglich (§ 57 Abs. 1 VRPG; Alfred Kölz / Jürg Bosshart / Martin Röhl, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflege- gesetz des Kantons Zürich, 2. Auflage, Zürich 1999, Vorbemerkun- gen zu §§ 4-31 N 33 ff.; BGE 122 II 367 Erw. 1a). Eine Vereinigung der Verfahren führt weder zu einer Streitge- nossenschaft der beschwerdeführenden Verfahrensbeteiligten noch werden ihre Rechte zur selbstständigen Prozessführung beeinträch- tigt. Kongruent zu ihren Verfahrensrechten hat sich auch das Kosten- risiko der beteiligten Parteien als Folge einer Vereinigung nicht ver- ändert. Nach § 33 Abs. 2 VRPG sind die Kosten in der Regel dem Unterliegenden aufzuerlegen, weshalb unbesehen einer Verfahrens- vereinigung jeder unterliegenden Partei die auf sie entfallenden Kostenanteile des sie betreffenden Beschwerdeverfahrens zu über- binden sind. Nach dem Verfahrensdekret sind für die drei vereinigten Be- schwerdeverfahren daher grundsätzlich je separate Staatsgebühren im Rahmen von § 22 Abs. 1 lit. a VKD festzulegen, wobei der Ver- fahrensvereinigung im Falle eines verminderten Bearbeitungsauf- wandes durch eine Reduktion der jeweiligen Staatsgebühren Rech- nung zu tragen ist (vgl. Thomas Merkli / Arthur Aeschlimann / Ruth Herzog, Kommentar zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege des Kantons Bern, 1997, Art. 107 N 5). Der Regierungsrat hat dieses Vorgehen nur für das Beschwer- deverfahren der Beschwerdegegnerin (Beschwerdeverfahren 4) ge- wählt und für dieses Verfahren separate Kosten festgesetzt. Für die drei vereinigten Verfahren (Beschwerdeverfahren 1 bis 3) wurde nur eine Staatsgebühr erhoben und dem Mehraufwand für die Behand- lung von drei Beschwerdeverfahren durch eine Erhöhung der Maxi- malgebühr Rechnung getragen. 2007 Verwaltungsgericht 230 Die Behandlung von drei Beschwerden ist offensichtlich im Vergleich zur Behandlung einer einzigen Beschwerde mit einem Mehraufwand verbunden. Dieser Mehraufwand kann eine Erhöhung der Staatsgebühr grundsätzlich rechtfertigen (BGE 122 II 367 Erw. 3). Solange die Erhöhung den Rahmen von § 22 Abs. 1 lit. a VKD für das einzelne Beschwerdeverfahren nicht übersteigt, kann von einer Rechtsverletzung keine Rede sein. Vorliegend beträgt der Rahmen für die Staatsgebühr gemäss § 22 Abs. 1 lit. a VKD für die drei vereinigten Beschwerdeverfahren (ohne Erhöhung gemäss § 3 Abs. 2 VKD) Fr. 11'730.-- (3x Fr. 3'910.--). Das streitige Bauvorha- ben mit einer Bausumme von Fr. 11,3 Mio. und einem Streitwert von Fr. 1,13 Mio. (vgl. AGVE 1983, S. 249 ff. und 1989, S. 283 ff.) ist von der Sache her offensichtlich von einiger Bedeutung und recht- fertigt ohne Weiteres, den Rahmen von § 22 Abs. 1 lit. a VKD für je- des der drei Beschwerdeverfahren auszuschöpfen. Bei einem Anteil des Beschwerdeführers von Fr. 2'040.-- (siehe vorne Erw. 3.1) ist auch einem durch die Vereinigung entstandener verminderter Bear- beitungsaufwand der Beschwerde des Beschwerdeführers hin- reichend Rechnung getragen und bewegt sich in jedem Fall im Er- messen der Vorinstanz, in das das Verwaltungsgericht aufgrund sei- ner eingeschränkten Kognition nicht eingreifen kann. 3.3. Die Vereinigung der drei Beschwerdeverfahren begründet zwi- schen den einzelnen Parteien keine Streitgenossenschaft und führt auch nicht zu einem gemeinschaftlichen Kostenrisiko zwischen den Beschwerdeführenden. Entsprechend ist auch eine gemeinschaftliche Aufteilung von Kosten zwischen den Verfahrensbeteiligten der drei Beschwerdeverfahren nicht zulässig (vgl. Merkli / Aeschlimann / Herzog, a.a.O., Art. 17 N 17). Vielmehr sind die Verfahrenskosten gleich zu verlegen, wie wenn der Regierungsrat die einzelnen Einga- ben getrennt behandelt hätte (Kölz / Bosshard / Röhl, a.a.O., Vorbe- merkungen zu §§ 4-31 N 35; Merkli / Aeschlimann / Herzog, a.a.O., Art. 106 N 3). Der Beschwerdeführer (Beschwerdeverfahren 3) und die Aktiengesellschaft A. (Beschwerdeverfahren 2) haben je eine Be- schwerde eingereicht. Die dritte Beschwerde wurde von drei Parteien 2007 Verwaltungsrechtspflege 231 gemeinsam erhoben, und nur diese gemeinschaftliche Beschwerde- führung begründete zwischen X. und Y. sowie Z. eine einfache Streitgenossenschaft, womit sie auch das Kostenrisiko für ihre Be- schwerde (Beschwerdeverfahren 1), nicht aber für die beiden andern Beschwerdeverfahren gemeinsam tragen. Die vom Beschwerdeführer beantragte Aufteilung der Verfahrenskosten nach Köpfen ist mit § 33 VRPG nicht vereinbar. Im Ergebnis würde die beantragte Aufteilung bedeuten, dass X., Y. und Z. durch die Vereinigung schlechter gestellt wären als bei getrennter Behandlung der Beschwerden. (Hinweis: Das Bundesgericht hat mit Urteil vom 5. Mai 2008 (1C 40/2008) eine Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegen- heiten gegen das Urteil vom 29. November 2007 abgewiesen, soweit der vorliegende Urteilsauszug betroffen ist.)
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2006 Verwaltungsgericht 146 [...] 32 Planungszone und Baubewilligungsverfahren. - Rechtswirkungen einer Planungszone (Erw. 2.4). - Auswirkungen einer Planungszone auf ein Baubewilligungs- und Baubeschwerdeverfahren; anwendbares Recht (Erw. 2.5 und 3). Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 13. Januar 2006 in Sachen St. gegen den Regierungsrat. Aus den Erwägungen 2.4. § 59 Abs. 1 BauG verpflichtet die Baubehörden, ein Bauvorha- ben auf Übereinstimmung mit den öffentlichen Rahmenbedingungen für die Bautätigkeit, einschliesslich allfälliger Planungszonen, zu überprüfen (AGVE 2000, S. 247; Erich Zimmerlin, Baugesetz des Kantons Aargau, Kommentar, 2. Auflage, Aarau 1985, § 150 N 1). Gemäss § 29 Abs. 2 Satz 2 BauG dürfen Baubewilligungen in einer Planungszone erteilt werden unter der Voraussetzung, dass sie die Verwirklichung der neuen Pläne und Vorschriften nicht erschweren (siehe auch Art. 27 Abs. 1 Satz 2 RPG). Die Planungszone bewirkt daher, dass in den von ihr betroffenen Gebieten die Anwendung des geltenden Rechts im Hinblick auf anstehende Planungsvorhaben ausgesetzt wird. Baubewilligungen in einem Gebiet mit Planungs- zone können deshalb nur erteilt werden, wenn sie die planerische Neuordnung nicht beeinträchtigen (sogenannte negative Vorwirkung; siehe dazu Alexander Ruch, in: Heinz Aemisegger / Alfred Kuttler / 2006 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 147 Pierre Moor / Alexander Ruch [Hrsg.], Kommentar zum Bundesge- setz über die Raumplanung [RPG-Kommentar], Zürich 1999, Art. 27 N 45 ff. mit Hinweisen). Eine Planungszone hat somit nicht die Wir- kung eines allgemeinen oder absoluten Bauverbots. Sie wirkt sich auch nicht hemmend auf das Baubewilligungsverfahren aus. Die Sperrwirkung der Planungszone beschränkt sich auf negative, präju- dizierende Auswirkungen von Bauvorhaben auf die sich im Gang be- findliche Planung (siehe AGVE 1992, S. 340 für die allgemeine Bausperre nach § 148 aBauG, welche im Rahmen der Revision von § 29 BauG abgelöst wurde [Botschaft des Regierungsrats an den Grossen Rat vom 21. Mai 1990 zum Baugesetz, S. 21]). Nach diesen Vorschriften ist in einem Baubewilligungs- und - aufgrund des Devolutiveffekts einer Baubeschwerde (vgl. § 3 Abs. 2 VRPG i.V.m. §§ 45 ff. VRPG) - auch im Rechtsmittelverfah- ren deshalb jeweils zu prüfen, ob und inwieweit ein Bauvorhaben die Planungsabsichten oder -ziele einer Nutzungsplanrevision tatsächlich behindert oder erschwert. Fehlt einem Bauvorhaben jegliche negative Präjudizwirkung für die vorgesehene Nutzungsplanänderung und entspricht es der geltenden Bau- und Nutzungsordnung, ist die Bau- bewilligung auch in einer Planungszone zu erteilen (siehe AGVE 1992, S. 340). Unzulässig ist die Erteilung einer Baubewilligung, welche sich nur auf zukünftiges, noch nicht in Kraft getretenes Recht stützt. Eine positive Vorwirkung der zukünftigen Bau- und Nutzungs- ordnung (siehe dazu Ruch, a.a.O., Art. 27 N 47 ff.; AGVE 1992, S. 356 f. mit Hinweisen) ist mit dem Legalitätsprinzip unvereinbar. Steht nur ein (einziges) konkretes Bauvorhaben mit der vorge- sehenen Nutzungsplanung in Widerspruch, sieht § 30 BauG die Möglichkeit eines "Zurückstellens" des Baugesuches vor. Nach der Rechtsprechung kann das "Zurückstellen" eine vorläufige Abweisung oder eine Sistierung des Verfahrens durch die Baubewilligungs- oder Rechtsmittelbehörden bedeuten (AGVE 1993, S. 372; siehe auch den Entscheid des Regierungsrats in AGVE 1995, S. 554). Durch den Erlass einer Planungszone wird das Vertrauen der Grundeigentümer in das geltende Recht beseitigt. Sie haben zur Kenntnis zu nehmen, dass sich die Rechtslage ihrer Grundstücke verändern soll und Baubewilligungen nur erteilt werden können, 2006 Verwaltungsgericht 148 wenn feststeht, dass das Bauvorhaben den künftigen planungsrechtli- chen Festlegungen nicht widerspricht. Die Planungsabsichten kom- men in Vorstellungen oder Entwürfen über die neue Nutzungsord- nung zum Ausdruck, welche die Planungsbehörden nicht verpflich- tend binden und die sich im Verlaufe einer Nutzungsplanrevision än- dern können (BGE vom 3. November 1982, in: ZBl 1983, S. 545; Ruch, a.a.O., Art. 27 N 29). Entsprechend dem Zweck der Planungs- zone (Sicherungsmittel) und dem Planungsvorgang sind daher nicht allein die bei Erlass oder Anordnung einer Planungszone herrschen- den Planvorstellungen massgebend, sondern die im Verlaufe des Pla- nungsprozesses gewonnen Ansichten oder neuen Planungsideen und -absichten ebenfalls zu berücksichtigen. Bei der Prüfung eines Bau- vorhabens und der Überprüfung einer Baubewilligung hinsichtlich der negativen Vorwirkung sind daher immer die im Zeitpunkt der Beurteilung aktuellen, insbesondere auch seit Erlass der Planungs- zone veränderten Planvorstellungen massgebend. 2.5. Von den allgemeinen Rechtswirkungen einer Planungszone auf Bauvorhaben (siehe vorne Erw. 2.4) zu unterscheiden sind die Fra- gen der Folgen einer Anwendung der Planungszone auf ein konkretes Baugesuch, ein laufendes Baubewilligungsverfahren (siehe hinten Erw. 2.5.1) und auf ein hängiges Rechtsmittelverfahren über eine Baubewilligung (siehe hinten Erw. 2.5.2). 2.5.1. Je nach Bauvorhaben, dem Gegenstand eines Baugesuchs, dem Inhalt oder Zeitpunkt des Erlasses einer Planungszone, können in der Rechtsanwendung verschiedene Rechtsfolgen mit Bezug auf das Baugesuch oder ein Baubewilligungsverfahren eintreten. So kann z.B. ein Bauvorhaben trotz bestehender Planungszone bei Überein- stimmung mit dem Revisionsvorhaben oder geringfügigen Abwei- chungen mit den Planungsabsichten bewilligt werden (Ruch, a.a.O., Art. 27 N 48). Bei einer negativen Präjudizierung der vorgesehenen Planung kann ein Baugesuch einstweilen ("bis auf weiteres") zu- rückgestellt werden (siehe VGE III/39 vom 3. Mai 2005 [BE.2004.00041], S. 7) oder ein Baubewilligungsverfahren einst- weilen sistiert werden (Hänni, a.a.O., S. 312). Sodann kann eine Pla- 2006 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 149 nungszone aus sachlichen oder verfassungsrechtlichen Gründen auf ein konkretes Bauvorhaben oder eine einzelne Parzelle oder ein Bau- gesuch keine Anwendung finden (siehe BGE 118 Ia 510 Erw. 4; BGE vom 22. April 2004 [1P.539/2003], Erw. 2.7; Ruch, a.a.O., Art. 27 N 27). Schliesslich ist es im Einverständnis mit dem Bauge- suchsteller auch zulässig, ein Baubewilligungsverfahren im Hinblick auf zukünftiges Recht zu sistieren (AGVE 1993, S. 373; 1995, S. 554 f.) 2.5.2. Die Anwendung und die Wirkungen einer Planungszone, die erst nach Erteilung einer Baubewilligung und während eines Rechtsmittelverfahrens erlassen wird, sind im Baugesetz und in den Verordnungen nicht ausdrücklich geregelt. Das Verwaltungsgericht hat in einem Fall, da sich die Voraussetzungen einer Bausperre erst vor Verwaltungsgericht aktualisiert haben, die Weiterbehandlung des Baugesuchs "einstweilen zurückgestellt" und das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht in einem Zwischenentscheid sistiert. Begründet wurde dieses Vorgehen damit, dass die Vorinstanzen die Rechtmäs- sigkeit des Bauvorhabens nach dem geltenden Recht geprüft hätten, weshalb das Verwaltungsgericht ohne Rückweisung entscheiden könnte, sofern die Neuordnung aus irgendwelchen Gründen keine Rechtskraft erlangte (AGVE 1993, S. 372 f.; siehe auch VGE III/57 vom 15. Juli 2004 [BE.2003.00187], S. 20). Ausgangspunkt für die Rechtsanwendung bildet die Rechtsnatur der Planungszone, die als Instrument der Nutzungsplanung allge- meine Rechtswirkung entfaltet (siehe Ruch, a.a.O., Art. 27 N 20). Die Zuständigkeits- und Rechtsschutzüberlegungen, welche Anlass für den Verfügungscharakter der allgemeinen Bausperre nach § 148 aBauG (siehe AGVE 1984, S. 321 und 326) waren, sind mit dem In- krafttreten des Baugesetzes 1993 überholt. Das seit 1. April 1994 geltende Recht regelt die Zuständigkeit und den Rechtsschutz bei der Planungszone und der Bausperre vollständig und abschliessend (§§ 29 f. BauG). Das Verwaltungsgericht wendet bei einer Rechtsänderung zwi- schen Gesuchseinreichung und der endgültigen, rechtskräftigen Ge- suchserledigung in Baubewilligungssachen grundsätzlich und in 2006 Verwaltungsgericht 150 Anwendung von § 20 Abs. 1 Satz 2 VRPG das neue, in Kraft ste- hende Recht an (AGVE 2004, S.191 und 1997, S. 334 mit Hinwei- sen; 1984, S. 314 mit Hinweisen; VGE III/2 vom 26. Januar 2004 [BE.2002.00145], S. 6 mit Hinweisen). In neueren Entscheiden wurde hierzu erwogen, dass § 169 Abs. 1 BauG im Sinne einer all- gemeinen Übergangsbestimmung die Anwendung des neuen Rechts auch in hängigen Verfahren vorsieht. Immerhin verlangt auch § 170 Abs. 1 BauG für kantonale Nutzungsplanungen die Anwendung des neuen Rechts, und schliesslich enthält § 48 Abs. 2 ABauV nur für das Verfahrensrecht übergangsrechtlich einen Vorbehalt zu Gunsten des geltenden Rechts (siehe dazu auch § 87 VRPG und Jean-Jacques Forestier, Neues Baugesetz: Übergangsrechtliche Ordnung bei der kommunalen Nutzungsplanung, in: Mitteilungen des Baudeparte- ments 1992 Nr. 63, S. 406 ff.). Festzuhalten ist, dass die Rechtsan- wendung im konkreten Einzelfall auch bei der Berücksichtigung von übergangsrechtlichen Wirkungen und Folgen einer Rechtsänderung während eines hängigen Rechtsmittelverfahren immer auch dem übergeordneten Gesetzes- und Verfassungsrecht zu genügen hat (Pierre Tschannen / Ulrich Zimmerli, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Auflage, Bern 2005, § 24 N 19 ff.; Ulrich Meyer / Peter Arnold, Intertemporales Recht, in: ZSR 2005 I 127 f.). 3. Die Anwendung dieser Grundsätze auf das vorliegende Rechtsmittelverfahren über die Baubewilligung ergibt Folgendes: 3.1. Zu prüfen ist in erster Linie, wie sich die Planungszone auf die Baubewilligung auswirkt. Zutreffend ist, dass eine Baubewilligung nur erteilt werden kann, wenn feststeht, dass sie die Verwirklichung der vorgesehenen Planung oder neuer Nutzungsvorschriften nicht er- schwert. Damit ist - entgegen der Auffassung des Regierungsrats - indessen nichts gewonnen für die Frage, wie sich die Planungszone im Rechtsmittelverfahren auf die Baubewilligung vom 22. Dezember 2003 auswirkt. In einem weiteren Schritt sind die Folgen der Anwendung der Planungszone für das Rechtsmittelverfahren nach den Verfahrensre- geln und Verfassungsgrundsätzen zu prüfen. 2006 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 151 3.2. Entsprechend den Grundsätzen der negativen Vorwirkung der mit der Planungszone zu sichernden Planungsabsichten (siehe vorne Erw. 2.4) ist eine Baubewilligung in einem Rechtsmittelverfahren nur dann aufzuheben, wenn feststeht , dass das bewilligte Projekt nach den bisher geltenden Vorschriften nicht bewilligungsfähig ist. Der Umkehrschluss, dass eine Planungszone in einem Rechtsmittel- verfahren zur Aufhebung jeder noch nicht rechtskräftigen Baubewil- ligung führt, ergibt sich demgegenüber nicht zwingend. Schon die im Gesetz vorgesehene Möglichkeit bewilligungsfähiger Bauvorhaben in einer Planungszone (siehe § 29 Abs. 2 Satz 2 BauG) verbietet ei- nen solchen Umkehrschluss. Die negative Präjudizierung einer zu- künftigen Planung kann im Einzelfall auch durch andere Massnah- men verhindert werden (siehe vorne Erw. 2.5.1). Soweit der Regie- rungsrat davon ausgeht, dass seine Anordnung der Planungszone für alle "Gartenanlagen im öffentlichen Besitz" zwingend zur Aufhebung der Baubewilligung vom 22. Dezember 2003 im Rechtsmittel- verfahren führen muss, entspricht dies somit nicht der gesetzlichen Ordnung. Vielmehr ist auch im Fall einer aufsichtsrechtlichen Pla- nungszone das Bauvorhaben auf seine negative Präjudizwirkung (Er- schwerung und Verhinderung) der Planungsabsichten zu überprüfen. 3.3. Eine Planungszone wird erst mit ihrer Veröffentlichung rechts- wirksam (§ 29 Abs. 2 Satz 1 BauG) und kann deshalb vor der öffent- lichen Auflage keinerlei Rechtswirkungen entfalten. Vorliegend wurde die Planungszone vom 31. Januar bis zum 1. März 2005 öf- fentlich aufgelegt (Amtsblatt des Kantons Aargau vom 31. Januar 2005). Eine Anwendung und damit Vorwirkung der Planungszone vor dem Zeitpunkt der öffentlichen Auflage ist ausgeschlossen. Die Planungszone ist neues Recht und untersteht daher dem Rückwir- kungsverbot (vgl. § 24 KV; Ulrich Häfelin / Georg Müller, Allge- meines Verwaltungsrecht, 4. Auflage, Zürich / Basel / Genf 2002, Rz. 329 ff.). § 29 BauG ordnet die sofortige Wirksamkeit einer Pla- nungszone mit der öffentlichen Auflage ausdrücklich an und lässt in der Regel keinen Raum für die Anordnung einer rückwirkenden An- wendung der Planungszone. 2006 Verwaltungsgericht 152 Der Umstand, dass der Stadtrat Baden in der Folge (31. Januar bis 1. März 2005) die Planungszone öffentlich aufgelegt hat, lässt zwar eine Heilung dieses Mangels im verwaltungsgerichtlichen Be- schwerdeverfahren zu. Diese Heilungsmöglichkeit ändert aber nichts an der fehlenden Rechtswirksamkeit der Planungszone im Zeitpunkt des vorinstanzlichen Entscheids (24. November 2004). 3.4. Der Regierungsrat ist aufsichtsrechtlich tätig geworden und hat in dieser Funktion ein Planbedürfnis der Gemeinde als Folge der An- nahme der "Kurpark-Initiative" festgestellt. Das Stimmvolk habe mit der Annahme der Initiative "sein Interesse an einer Nutzungsplanän- derung" deutlich zum Ausdruck gebracht, und die Initiative sehe "praktisch ein totales Bauverbot" vor. Aufgrund der Auslegungsdiffe- renzen über den Inhalt und die Tragweite der Initiative hat der Regie- rungsrat in bewusstem Gegensatz zum Stadtrat Baden und entgegen dessen ausdrücklichem Antrag die Planungszone angeordnet. Im Wesentlichen hat er die Planungszone erlassen, weil mit der An- nahme der "Kurpark-Initiative" durch die Stimmbürger der Stadt Ba- den eine Änderung der Nutzungsplanung, insbesondere der Nut- zungsordnung, und damit ein Planungsbedürfnis absehbar war. Im Vordergrund stand die Wahrung der demokratischen Rechte der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger. Mit der Planungszone wollte der Regierungsrat den Planungsbehörden den nötigen Handlungs- raum für die Ausgestaltung und Auslegung der Initiative schaffen. 3.4.1. Die Kurpark-Initiative wurde in der Form der allgemeinen An- regung gemäss § 60 ff. GG i.V.m. § 9 Abs. 1 der Gemeindeordnung der Einwohnergemeinde Baden vom 25. Mai 1982 (GO) eingereicht. Die Annahme der Initiative hat zur Folge, dass der Stadtrat eine Teil- revision der Nutzungsplanung und -ordnung auszuarbeiten und der Einwohnerrat über diese Planungsvorlage zu entscheiden haben wird (§ 11 Abs. 2 Satz 2 GO). Die Behörden sind im Hinblick auf Plan- vorhaben in ihrer Entscheidung, ob eine Planungszone oder eine an- dere Sicherungsmassnahme zu ergreifen ist, nicht frei (Ruch, a.a.O., Art. 27 N 19; siehe auch AGVE 2004, S. 191 mit Hinweisen). Je nach dem Stand der Planungsabsichten und ihrer möglichen Gefähr- 2006 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 153 dung durch Bauvorhaben nach dem geltenden Recht besteht eine Pflicht zum Erlass von Planungsmassnahmen, insbesondere einer Planungszone oder Bausperre (siehe Erläuterungen zum Bundesge- setz über die Raumplanung, hrsg. vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement [EJPD], Bundesamt für Raumplanung, Bern 1981, Art. 27 N 11; BGE 113 Ib 376 Erw. 7b; AGVE 2004, S. 191; 1980, S. 256 für die Bausperre). Es ist daher nicht zu beanstanden, dass der Regierungsrat das Beschwerdeverfahren über die Baubewil- ligung und die Annahme der Initiative an der Urnenabstimmung zum Anlass nahm, aufsichtsrechtlich eine Planungszone zu prüfen. Die Annahme einer Volksinitiative kann ein Indiz für gewandelte Vor- stellungen der Bevölkerung gegenüber der bestehenden Nutzungs- ordnung sein; dass sie bereits als "Vorbereitung" einer geplanten Neuordnung zu gelten habe und eine Planungszone begründen kann, erscheint eher fraglich (AGVE 2004, S. 190; siehe auch AGVE 1990, S. 260). 3.4.2. Fraglich ist auch, ob der Regierungsrat den genauen Inhalt und die Tragweite der Planungszone nicht vor deren Anordnung mit dem Stadtrat Baden hätte bereinigen und absprechen müssen. Die Pla- nungszuständigkeit und die Grundsätze der Gemeindeautonomie (§§ 5 Abs. 2, 104 und 106 KV) sind bei der aufsichtsrechtlichen An- ordnung einer Planungszone zu berücksichtigen. Nachdem der Stadt- rat Baden die Planungszone öffentlich aufgelegt hat, können diese Fragen indessen offen bleiben. Festzuhalten ist, dass mit der An- nahme der Initiative ein öffentliches Interesse an der Änderung der Nutzungsordnung ausgewiesen ist (siehe Ruch, a.a.O., Art. 27 N 25) und der Erlass einer Planungszone jederzeit - auch während eines Rechtsmittelverfahrens über eine Baubewilligung - zulässig ist. Inso- fern ist die Beschwerde unbegründet. 3.4.3. Nur mit dem Interesse an einer Nutzungsänderung sind weder das öffentliche Interesse an der Anordnung einer Planungszone (Si- cherungsbedürfnis) noch die Planungsabsicht, d.h. die inhaltliche Umsetzung der Initiative in eine Änderung der Nutzungsordnung, hinreichend erstellt und ausgewiesen, weil das Änderungsinteresse 2006 Verwaltungsgericht 154 mit den Planungsabsichten nicht identisch ist. Nur in Kenntnis der Planungsabsichten kann - nebst deren Sicherungsbedürfnis - auch die negative Präjudizierung eines Bauvorhabens geprüft werden. Der Regierungsrat ging davon aus, dass der Stadtrat Baden die Unterlagen für die Planungszone noch auszuarbeiten hatte und die Umsetzung der mit der Initiative verfolgten Anliegen zur Auslegung von § 23 BNO und der Wirkung der Änderung auf die vom Bauvor- haben der Beschwerdeführerin betroffene Baurechtsparzelle zu klä- ren hat. Die Umsetzung und der genaue Inhalt der Planungszone "Gartenanlagen im öffentlichen Besitz" waren somit der öffentlichen Auflage und insbesondere dem Entscheid des Stadtrates vorbehalten. Im Zeitpunkt des vorinstanzlichen Entscheides waren daher der In- halt und die Tragweite der Planungszone und damit die Planungsab- sicht der zuständigen Planungsträger nicht bekannt und konnten auch bei der Anwendung und Wirkung der Planungszone auf das Bauvor- haben der Beschwerdeführerin und die Baubewilligung vom 22. Dezember 2003 nicht beurteilt werden. Die Kenntnis über den Gegenstand und den Inhalt der zukünftigen Planung sind aber unab- dingbare Voraussetzungen für eine Prüfung der negativen Präjudizie- rung eines Bauvorhabens auf die Planungsabsicht. 3.5. Aus der Verfahrensordnung des Baugesetzes und den vorste- henden Erwägungen folgt zwangsläufig, dass die Verbindung der Anordnung der Planungszone mit der Aufhebung der Baubewilli- gung im Rechtsmittelverfahren auch materiell unzulässig war. Aus- gehend davon, dass die Planungszone erst am 31. Januar 2005 wirk- sam wurde, durfte am 24. November 2004 die Baubewilligung im Beschwerdeverfahren nicht gestützt auf die blosse Anweisung an den Stadtrat Baden, eine Planungszone auszuarbeiten und öffentlich auf- zulegen, aufgehoben werden. Die konkreten Planungsabsichten der zuständigen Planungsbehörden waren und konnten dem Regierungs- rat zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt bzw. sein, und er konnte auch nicht beurteilen, ob für die massgebenden Planungsabsichten die Si- cherung mit der Planungszone notwendig war. Unklar waren für den Rechtsmittelentscheid über die Baubewilligung auch, ob überhaupt und wie die nach dem Beschwerdeentscheid öffentlich aufgelegte 2006 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 155 Planungszone das Bauvorhaben der Beschwerdeführerin erfasst und wie die zuständigen Planungsbehörden den verbindlichen Auftrag der Initiative in der Nutzungsplanung konkret umsetzen werden. Die Vorwegnahme der materiellen Wirkungen einer zeitlich und sachlich erst bevorstehenden, noch nicht wirksamen Planungszone im Be- schwerdeverfahren über eine Baubewilligung - erst noch ohne Kenntnis des konkreten Inhalts und Umfangs der Planungszone - war daher unzulässig. Ziff. 1b-1e und Ziff. 3a und 3b des vorinstanzli- chen Entscheids sind daher aufzuheben. 3.6. Als "Erschwernis" (§ 29 Abs. 1 Satz 1 BauG) gilt ein Bauvor- haben, wenn damit ein derart starkes Präjudiz geschaffen würde, dass die Planungsabsichten (vorgesehene Zonierung oder Änderung der Nutzungsvorschriften) generell fragwürdig würde. Es geht darum, tatsächliche Abweichungen zu verhindern, die für die Zonierung und die Nutzung im fraglichen Gebiet wesentlich sind (AGVE 1997, S. 274 mit Hinweisen). Im angefochtenen Entscheid hat der Regierungsrat die konkrete und verfestigte Planungsabsicht nicht geprüft. Die Beurteilung und Begründung der negativen Präjudizierung des Bauvorhabens be- schränkt sich auf die Feststellung, dass mit dem bewilligten Annex- bau markante und irreversible Eingriffe in den Kurpark notwendig werden, welche dem Sinn und Zweck der Kurparkinitiative wider- sprechen können . Die Auswirkungen der Planungszone wurden nur in der Interessenabwägung zwischen der Änderungsabsicht des Sou- veräns und dem privaten Interesse der Beschwerdeführerin an der Baubewilligung beurteilt. Für die Feststellung der objektiven Er- schwernis sind diese Interessen jedoch nicht massgebend. Der ange- fochtene Entscheid beruht insoweit auch auf einer unrichtigen Sach- verhaltsermittlung (§ 20 Abs. 1 VRPG), was den konkreten Inhalt der Planungszone und die verfestigte Planungsabsicht der zuständigen Planungsträger anbelangt. 3.7. 3.7.1. Kanton und Gemeinden sind verpflichtet, Massnahmen der Raumplanung auf das zu beschränken, was zur Erfüllung ihrer Auf- 2006 Verwaltungsgericht 156 gaben nötig ist, und können nur insoweit tätig werden, als es über- wiegende Interessen des Kantons oder der Gemeinde erfordern (§ 2 BauG). Der Verhältnismässigkeitsgrundsatz hat Verfassungsrang (Art. 36 Abs. 3 BV; § 3 KV) und gilt mit Bezug auf die Anordnungen von Planungsmassnahmen verstärkt durch das Gebot, den nach- geordneten Planungsträgern ihre Entscheidfreiheit zu belassen (Art. 2 Abs. 3 RPG). Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit hat auch für die Rechtsanwendung Geltung und findet auch im Prozessrecht An- wendung, insbesondere dort, wo über prozessuale Massnahmen zu befinden ist, die sich auf die prozess- und materiellrechtlichen Inter- essen der Prozessparteien auswirken (Häfelin / Müller, a.a.O., Rz. 585; Max Imboden / René A. Rhinow, Schweizerische Verwal- tungsrechtsprechung, Band 1, 5. Auflage, Basel 1976, Nr. 58 B V lit. e; Ulrich Zimmerli, Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit im öff. Recht, in: ZSR 1978 II 116 f.). Die Erledigung einer Baubeschwerde als Folge einer Planungs- zone hat daher das Ziel der Planungszone (Sicherstellung einer ne- gativer Vorwirkung) soweit zu verwirklichen, als dies zur Wahrung der Entscheidungsfreiheit der Planungsträger geeignet, notwendig und auch in einem vernünftigen Verhältnis zu den Einschränkungen steht, welche dem Privaten auferlegt werden (BGE 124 I 40 Erw. 3e). Die Aufhebung der Baubewilligung und das Zurückstellen des Bau- gesuches verletzen den Verhältnismässigkeitsgrundsatz daher auch dann, wenn mit einer geringeren Massnahme die Entscheidungsfrei- heit der Planungsträger gewahrt werden kann. 3.7.2. Die Beschwerdeführerin beantragt für den Fall, dass die Pla- nungszone nicht aufgehoben oder ihre Anwendung auf das Baube- willigungsverfahren nicht vom Verwaltungsgericht für unzulässig er- klärt wird, eine Sistierung des Verfahrens. Eine Bestätigung der Bau- bewilligung kann nicht in Frage kommen, da die Vorinstanz die Übereinstimmung des Bauvorhabens mit der geltenden Zonen- und Nutzungsordnung und den massgebenden Planungsabsichten nicht geprüft hat. Die Sistierung von Rechtsmittelverfahren ist zwar im VRPG nicht ausdrücklich geregelt, ihre Zulässigkeit aber in Lehre und 2006 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 157 Rechtsprechung anerkannt (vgl. AGVE 1985, S. 364; 1999, S. 520 f., je mit Hinweisen). Hängt die Verfahrenserledigung von einem be- stimmten zukünftigen Ereignis ab, kann sich eine vorläufige Ein- stellung aufdrängen (Alfred Kölz / Jürg Bosshart / Martin Röhl, VRG, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2. Auflage, Zürich 1999, Vorbem. zu §§ 4-31 N 27 f.). Diese Voraussetzung liegt für das Beschwerdeverfahren über die Baube- willigung der Beschwerdeführerin in mehrfacher (zeitlicher [siehe vorne Erw. 3.4.3] und sachlicher [siehe vorne Erw. 3.5]) Hinsicht vor. Bis zur Klärung des Initiativtextes und Konkretisierung der Pla- nungsabsichten der zuständigen Stadt Baden sind ausser der Ände- rungsabsicht ohnehin keine öffentlichen Interessen ersichtlich, wel- che den Interessen der Beschwerdeführerin an einer Sistierung des Beschwerdeverfahrens entgegenstehen. Das Interesse an der Sicher- stellung der Vorwirkung einer möglichen oder wahrscheinlichen zu- künftigen Planrevision überwiegt für sich allein die Interessen der Beschwerdeführerin an der erstinstanzlich erteilten Baubewilligung nicht; die - auch öffentlichen - Interessen an der Planbeständigkeit (Rechtssicherheit) können mit einer vorläufigen Einstellung des Be- schwerdeverfahrens gewahrt bleiben. Offenkundig ist das Interesse der Beschwerdeführerin, auch nach Ablauf oder Aufhebung der Pla- nungszone bzw. bei Inkrafttreten einer Teilrevision kein neues Bau- gesuchs- und Baubewilligungsverfahren einleiten zu müssen. Je nach der Neuordnung der Nutzungsordnung kann sie auf das Bauvorhaben verzichten oder einen Entscheid in Anwendung der neuen Bestim- mungen verlangen. Somit sprechen auch verfahrensökonomische Gründe für eine Sistierung des Verfahrens vor der Rechtsmittelin- stanz (siehe AGVE 1985, S. 364; 1993, S. 373 hinsichtlich der Bau- sperre). Aus der Verpflichtung der Behörden, ein Baugesuch zu be- urteilen, folgt der Anspruch der Beschwerdeführerin auf Behandlung ihres Baugesuches und auch der Baubeschwerden nach dem gelten- den Recht (siehe vorne Erw. 2.4), wobei eine negative Vorwirkung der Neuordnung durch die Planungszone einen Aufschub dieser Be- urteilung zulässt. Die Einwände der Beschwerdegegnerin 2, wonach es ihr nicht zuzumuten sei, bis zum Ablauf der maximalen Frist der Planungszone an einem Rechtsmittelverfahren beteiligt zu sein, ste- 2006 Verwaltungsgericht 158 hen einer vorläufigen Einstellung des Beschwerdeverfahrens nicht entgegen. Die Planungszone kann - unter Vorbehalt einer Aufhebung im Rechtsmittelverfahren - längstens bis zu ihrem Ablauf Bestand haben. Abgesehen davon, dass im konkreten Fall die Planung der Stadt Baden weit fortgeschritten ist und auch inzwischen eine verfes- tigte Planungsabsicht vorliegt, ist nicht ersichtlich, welche unzumut- bare Belastung ein bis spätestens Februar 2009 vorläufig eingestell- tes Verfahren für die Beschwerdegegnerin 2 bringt. Sie selbst hat mit Beschwerde vom 24. Januar 2004 und mit Beschwerdeergänzung vom 4. März 2004 den Erlass einer Planungszone beantragt. Damit hat sie auch sämtliche Folgen einer solchen Anordnung, inklusive ei- ner möglichen Verzögerung durch eine Sistierung des Verfahrens, in Kauf zu nehmen. 3.7.2. Ist daher eine Sistierung zulässig und erweist sie sich im Hin- blick auf die aktuellen Planungsabsichten der Stadt Baden als geeig- net und ausreichend, um die Entscheidungsfreiheit der Planungsträ- ger zu wahren, ist das Beschwerdeverfahren über die Baubewilligung nach dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz zu sistieren. 3.8. Die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids, soweit damit die Baubewilligung vom 22. Dezember 2003 aufgehoben wurde, hat zur Folge, dass sich ein "Zurückstellen" des Bauvorhabens der Be- schwerdeführerin mit der vom Regierungsrat anvisierten Konse- quenz, dass der Stadtrat Baden erneut über die Baugesuche zu ent- scheiden hat, als unzulässig erweist. In diesem Zusammenhang ist die Vorinstanz darauf hinzuweisen, dass das "Zurückstellen" eines Baugesuchs i.S. einer formellen Sistierung des Baugesuchsverfah- rens eine erstinstanzliche Massnahme sein kann, im Rechtsmittelver- fahren aber eine solche Rückweisung an die erste Instanz nur zuläs- sig und vor allem verhältnismässig erscheint, wenn zum vorneherein eindeutig und endgültig feststeht, dass das Bauvorhaben mit den zu- lässigen zukünftigen Nutzungsbestimmungen ohne eine wesentliche Abänderung des Bauprojekts, welche eine erneute öffentliche Auf- lage erfordert (§ 32 ABauV), nicht bewilligt werden kann. In der Re- gel wird daher ein Baubeschwerdeverfahren bis zur definitiven Klä- 2006 Bau-, Raumplanungs- und Umweltschutzrecht 159 rung der Neuordnung vorläufig einzustellen sein, sofern eine Pla- nungszone besteht und eine Baubewilligung mit der Planungsabsicht nicht in Einklang zu bringen ist.
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2009 Verwaltungsgericht 182 [...] 36 Zonenkonformität einer Tankstelle mit Shop in einer Zone, in der nur Betriebe zulässig sind, deren Auswirkungen im Rahmen herkömmlicher Handwerks- und Gewerbebetriebe bleiben, auf die üblichen Arbeits- oder Öffnungszeiten beschränkt sind und nur vorübergehend auftreten. Besitzstandsschutz. Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 12. Mai 2009 in Sachen X. und Y. AG gegen den Regierungsrat (WBE.2008.99). Aus den Erwägungen II. 1. Die Beschwerdeführerin 1 [X. AG] plant, die bestehenden bei- den Tanksäulen, die sich unmittelbar angrenzend an der Kantons- strasse K 292 und nördlich des Gebäudes Nr. 93 (...) befinden, zu demontieren und westlich dieses Gebäudes eine neue, überdachte Tankstelle mit vier Betankungsplätzen zu bauen. Ausserdem sind insgesamt 11 Parkplätze vorgesehen. Im westlichen Bereich der Parzelle soll die bestehende Rabatte aufgehoben und die Einfahrt realisiert werden. Die Ausfahrt auf die K 292 ist östlich der neu ge- planten Überdachung geplant. Im Erdgeschoss der genannten Lie- genschaft soll im bisherigen Ausstellungsraum der Autogarage ein Tankstellen-Shop von 86 m 2 Fläche mit Stehbar eingebaut werden. Es ist vorgesehen, den Shop werktags von 06.00 bis 22.00 Uhr sowie samstags und sonntags von 08.00 bis 20.00 Uhr geöffnet zu haben und Güter des Autobedarfs sowie des täglichen Bedarfs zu ver- kaufen. Die Tankstelle soll ganzjährlich im 24-Stundenbetrieb zu- gänglich sein (...). 2009 Bau-,Raumplanungs-undUmweltschutzrecht 183 2. Die Bauparzelle befindet sich gemäss Bauzonenplan der Ge- meinde Stein vom 11. Dezember 1992 / 18. Januar 1994 in der Dorf- zone D, der die Empfindlichkeitsstufe (ES) III zugewiesen wurde. Die ES III gilt in Zonen, in denen mässig störende Betriebe zugelas- sen sind (Art. 43 Abs. 1 lit. c LSV). Die Bau- und Nutzungsordnung (BNO) vom 10. Dezember 1999 / 15. März 2000 (mit Änderungen vom 10. Juni 2005 / 19. Oktober 2005) der Gemeinde Stein bestimmt in § 6 für die Dorfzone D: " 1 Die Dorfzone dient der Erhaltung des Ortskerns. Sie ist bestimmt für Woh- nen, mässig störendes Gewerbe sowie Landwirtschaft. 2 Gebäude sind mit ihrer Umgebung zu erhalten und dürfen nicht abgebrochen werden. Der Gemeinderat kann Ausnahmen bewilligen, sofern ein Gebäude für das Ortsbild unwichtig oder die Erhaltung der Bausubstanz unzumutbar ist. 3 Bauten dürfen umgebaut und umgenutzt werden, sofern der Schutzzweck dadurch nicht beeinträchtigt wird. Unter den gleichen Bedingungen kann der Ge- meinderat Ergänzungsbauten bewilligen. 4 Bei der Festlegung der Baumasse und der Gestaltungsvorschriften orientiert sich der Gemeinderat am Charakter der bestehenden Überbauung. Dacheinschnitte sind untersagt. 5 Der Gemeinderat gewährleistet die fachliche Beratung und kann soweit nötig Fachleute beiziehen. Zu diesem Zweck sind Bauvorhaben möglichst früh anzuzei- gen." Als mässig störend gelten nach § 23 Abs. 2 BNO Betriebe mit Auswirkungen, die im Rahmen herkömmlicher Handwerks- und Gewerbebetriebe bleiben, auf die üblichen Arbeits- oder Öffnungs- zeiten beschränkt sind und nur vorübergehend auftreten. Betriebe, die ein hohes Mass von quartierfremdem Verkehr verursachen, gelten als stark störend. (...) 3. 3.1. Die Beschwerdeführerinnen verlangen die Feststellung, dass die Nutzung der Parzelle Nr. 1382 mit Garagenbetrieb, Tankstelle mit zwei Zapfsäulen und vier Tankplätzen sowie der Tankstellen-Shop von 86 m 2 zonenkonform sei (...). 2009 Verwaltungsgericht 184 3.2. Voraussetzung einer Baubewilligung ist unter anderem, dass die Bauten und Anlagen dem Zweck der Nutzungszone entsprechen bzw. zonenkonform sind (vgl. Art. 22 Abs. 2 lit. a RPG). Welche Nutzung dem Zonenzweck entspricht und damit zulässig ist, ergibt sich einerseits aus § 6 BNO, der sich mit der Dorfzone D befasst, und an- dererseits aus der Zuordnung der ES III zu dieser Zone. Soweit die kommunalen Zonenvorschriften dem Schutz vor Immissionen die- nen, stellt sich die Frage, inwieweit diesen Vorschriften neben dem Bundesumweltrecht selbständiger Gehalt zukommt. Normen des kantonalen und kommunalen Rechts, welche den direkten Schutz vor Immissionen regeln, haben mit dem Inkrafttreten des USG ihre selbständige Bedeutung verloren, soweit sich ihr materieller Gehalt mit dem Bundesrecht deckt oder weniger weit geht als dieses; sie haben sie dort behalten, wo sie die bundesrecht- lichen Normen ergänzen oder, soweit erlaubt, verschärfen. Das Bun- desrecht regelt abschliessend namentlich die vorsorgliche Emissions- begrenzung, die Verschärfung der Emissionsbegrenzungen bei Überschreitung der Immissionsgrenzwerte und die Planungswerte für Lärm (Art. 1 Abs. 2, Art. 11 ff., Art. 23 und Art. 65 Abs. 2 USG; Art. 7 f., Art. 36 ff. und Art. 40 ff. LSV; BGE 118 Ia 114 f. und 118 Ib 595 f., je mit Hinweisen; BGE vom 5. Juni 2001 [1A.199/2000, 1P.373/2000], Erw. 1/b/aa; AGVE 2005, S. 147 ff.; 1998, S. 317 f. und 1993, S. 394 ff., je mit Hinweisen). In diesem Sinne haben Nut- zungsvorschriften des kantonalen und kommunalen Rechts nach wie vor selbständigen Gehalt, soweit sie die Frage regeln, ob eine Baute am vorgesehenen Ort erstellt und ihrer Zweckbestimmung übergeben werden darf. Namentlich ist es weiterhin Sache des kantonalen und kommunalen Rechts, die für den Charakter eines Quartiers wesentlichen Vorschriften über Nutzungsart und -intensität zu erlas- sen. Kantonal- und kommunalrechtliche Begriffe wie "wenig oder mässig störendes Gewerbe" können daher trotz des Bundesumwelt- rechts noch eine selbständige Bedeutung haben. So lassen sich etwa Bauten und Betriebe, die mit dem Charakter einer Wohnzone unvereinbar sind, untersagen, auch wenn die Lärmimmissionen, zu denen sie führen, bundesrechtliche Schranken nicht überschreiten, 2009 Bau-,Raumplanungs-undUmweltschutzrecht 185 sofern die Unzulässigkeit nicht einzig mit der konkreten Lärmbe- lästigung begründet wird. Auch erfasst das Umweltschutzrecht des Bundes nicht alle erdenklichen Auswirkungen oder Sekundär- immissionen (erwähnter BGE vom 5. Juni 2001, Erw. 1/b/aa; BGE 118 Ia 115 und 118 Ib 595, je mit Hinweisen; AGVE 1993, S. 395 mit Hinweisen; siehe zum Ganzen auch AGVE 2005, S. 147 f.; VGE III/50 vom 6. Juli 2004 [BE.2004.00168], S. 11 f.). § 23 Abs. 2 BNO umschreibt die Auswirkungen bzw. Immissio- nen, welche den Typus des (höchstens) mässig störenden Betriebs kennzeichnen. Diese Auswirkungen müssen unter anderem im Rah- men herkömmlicher Handwerks- und Gewerbebetriebe bleiben und auf die üblichen Arbeits- und Öffnungszeiten beschränkt sein. Der- artige Kategorisierungen finden sich weder im USG noch in den ausführenden Verordnungen (LSV und LRV). Zwar enthält Anhang 6 der LSV spezifische "Belastungsgrenzwerte für Industrie- und Ge- werbelärm", wobei die in der Dorfzone D geltende ES III auf die Immissionsstufe der "mässig störenden Betriebe" abgestimmt ist (Art. 43 Abs. 1 lit. c LSV). Das spezifizierende Beiwort "herkömm- lich" wird durch diese Bestimmungen aber nicht abgedeckt. Die LSV legt die Belastungsgrenzwerte für Anlagen der Industrie, des Gewer- bes und der Landwirtschaft ganz allgemein fest (Ziff. 1 Abs. 1 lit. a des erwähnten Anhangs) und differenziert nicht in Bezug auf die Art der Anlage. Ebenso wenig wird der Anforderung der "üblichen" Ar- beits- und Öffnungszeiten schon damit Rechnung getragen, dass es Belastungsgrenzwerte für den Tag (07 bis 19 Uhr) und (um 10 dBA tiefere) für die Nacht (19 bis 07 Uhr) gibt (Ziff. 2 und 31 der LSV des erwähnten Anhangs). § 23 Abs. 2 BNO enthält somit Elemente, die das Bundesumweltrecht nicht kennt. Das indiziert die selbstän- dige Bedeutung der kommunalen Vorschrift. Hinzu kommt, dass § 23 Abs. 2 BNO in doppelter Hinsicht eine raumplanerische Funktion erfüllt, was ihren eigenständigen Gehalt unterstreicht. Zum einen dient sie der Koordination verschiedener Nutzungen innerhalb derselben Zone (vgl. auch AGVE 2005, S. 150 f.; VGE III/47 vom 28. August 2007 [WBE.2006.300], S. 6 f.). Keine der Nutzungen soll so intensiv auf die andere einwirken, dass diese andere Nutzung überhaupt nicht mehr oder nur noch unter übermäs- 2009 Verwaltungsgericht 186 sig erschwerten Bedingungen ausgeübt werden kann (AGVE 2005, S. 150). Zum anderen schützt die Norm eine gewachsene Nutzungs- struktur, indem sie nur Betriebe mit Auswirkungen zulässt, deren Auswirkungen im Rahmen "herkömmlicher" Handwerks- und Ge- werbebetriebe bleiben, auf die "üblichen" Arbeits- und Öffnungszei- ten beschränkt sind und die kein hohes Mass an quartierfremdem Verkehr verursachen (vgl. BGE vom 5. Juni 2001 [1A.1999/2000 und 1P.373/2000]), Erw. 1b/aa; vgl. auch AGVE 2005, S. 149 f.). Nach dem Gesagten kommt § 23 Abs. 2 BNO neben dem Bun- desumweltrecht eine selbständige Bedeutung zu. 3.3. 3.3.1.-3.3.3. (...) 3.3.4. Gemäss § 13 Abs. 1 und § 15 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a BauG er- lassen die Gemeinden allgemeine Nutzungspläne (Zonenpläne) und allgemeine Nutzungsvorschriften (Bau- und Zonenordnungen), die das Gemeindegebiet in verschiedene Nutzungszonen einteilen und Art und Mass der Nutzung regeln; sie können dabei insbesondere Bauzonen, namentlich Wohn-, Kern-, Gewerbe-, Industriezonen und Zonen für öffentliche Bauten ausscheiden. Bei der Ausscheidung und Definition der verschiedenen Zonen geniessen die Gemeinden auf- grund von § 106 KV verfassungsrechtlich geschützte Autonomie; hierin eingeschlossen ist die Anwendung des autonomen Gemeinde- rechts. Daraus folgt, dass sich das Verwaltungsgericht bei der Überprüfung einschlägiger gemeinderätlicher Entscheide zurückzu- halten hat. Die Gemeinde kann sich in solchen Fällen bei der Aus- legung kommunalen Rechts insbesondere dort auf ihre Autonomie berufen, wo eine Regelung unbestimmt ist und verschiedene Ausle- gungsergebnisse rechtlich vertretbar erscheinen. Die kantonalen Rechtsmittelinstanzen sind hier gehalten, das Ergebnis der gemeinde- rätlichen Rechtsauslegung zu respektieren und nicht ohne Not ihre eigene Rechtsauffassung an die Stelle der gemeinderätlichen zu setzen. Die Autonomie der Gemeindebehörden hat jedoch auch in diesen Fällen dort ihre Grenzen, wo sich eine Auslegung mit dem Wortlaut sowie mit Sinn und Zweck des Gesetzes nicht mehr verein- 2009 Bau-,Raumplanungs-undUmweltschutzrecht 187 baren lässt (vgl. zum Ganzen AGVE 1998, S. 319 f. mit Hinweisen; ferner AGVE 1984, S. 366). Das kommunale Recht lässt vom Wortlaut her erheblichen In- terpretationsspielraum offen ("mässig störender Betrieb"; "Auswir- kungen, die im Rahmen herkömmlicher Handwerks- und Gewerbe- betriebe bleiben"; "Betriebe, die ein hohes Mass von quartierfremden Verkehr verursachen"). Auch wenn diese Begriffe der Musterbau- ordnung entnommen wurden, bedeutet dies nicht, dass sie auf dem ganzen Kantonsgebiet einheitlich auszulegen sind. Angesichts der Autonomie der Gemeinde auf diesem Gebiet ist dieser die Mög- lichkeit einer eigenständigen Interpretation einzuräumen, die sich freilich an die gesetzlichen Regeln und Schranken der Auslegung zu halten hat. Nachdem die Gemeinde § 23 Abs. 2 BNO innerhalb die- ser Grenzen autonom auslegen darf, kommt den von den Beschwer- deführerinnen erwähnten Entscheiden - soweit sie andere Gemeinden und/oder andere Vorhaben betrafen - keine rechtserhebliche Be- deutung zu (...). Der Entscheid des Regierungsrats vom 23. Oktober 1996 (...), der offenbar die Gemeinde Stein betraf, bindet das Ver- waltungsgericht nicht. 3.3.5. Es ist vorgesehen, den Shop werktags von 06.00 bis 22.00 Uhr sowie samstags und sonntags von 08.00 bis 20.00 Uhr und die Tank- stelle während 24 h offen zu halten. In Stein gelten Öffnungszeiten von 07.30 bis 18.30 Uhr als üblich (...). Die Auswirkungen der Tankstelle und des Shops beschränken sich somit nicht auf die übli- chen Arbeits- und Öffnungszeiten, weshalb der Betrieb in dieser Hin- sicht aus dem Rahmen von § 23 Abs. 2 BNO fällt. Das würde selbst dann gelten, wenn die Öffnungszeiten des Shops auf 06.00-21.00 Uhr und diejenigen der Tankstelle auf 06.00-24.00 Uhr reduziert würden (...). Die Öffnungszeiten sprechen somit gegen die Zonen- konformität des Vorhabens. (...). Demgegenüber ist die Garage selber (Werkstatt und Verkauf) von Montag bis Freitag von 07.30 bis 12.00 und von 13.00 bis 17.30 Uhr sowie am Samstag von 08.00 bis 12.00 Uhr geöffnet. Damit hält sie sich an die üblichen Arbeits- und Öffnungszeiten. Es ist ausser- dem anzunehmen, dass die Auswirkungen dieses Betriebszweigs im 2009 Verwaltungsgericht 188 Rahmen herkömmlicher Handwerks- und Gewerbebetriebe bleiben und dass er kein hohes Mass an quartierfremdem Verkehr verursacht. Gegenteiliges haben weder die Beschwerdegegner behauptet, noch war es die Absicht der Vorinstanz, diesem Betriebszweig die Zonen- konformität abzusprechen (...). 3.3.6. 3.3.6.1. Die Beschwerdeführerinnen bringen vor, es habe in der Kern- zone K Tankstellen, die sich ebenfalls nicht an die üblichen Arbeits- zeiten hielten. Aus § 23 Abs. 2 BNO, der als allgemeine Vorschrift sowohl für die Dorfzone D als auch für die Kernzone K gelte, könne deshalb nicht geschlossen werden, dass abends oder nachts keine Gewerbetätigkeit mehr möglich sei (...). Die Beschwerdeführerinnen machen ausserdem geltend, in der Dorfzone D habe es zwei Re- staurants, die nachts ebenfalls geöffnet hätten (...). Der Gemeinderat stellt sich demgegenüber auf den Standpunkt, § 23 Abs. 2 BNO sei zonenspezifisch auszulegen. Bei der Anwen- dung dieser Vorschrift sei auf den unterschiedlichen Zweck der Dorfzone D und der Kernzone K Rücksicht zu nehmen. Während in der Dorfzone D die bestehende Struktur erhalten werden soll, wolle die Kernzone K die Entwicklung eines neuen Wohn- und Geschäfts- quartiers fördern (...). 3.3.6.2. In Mischzonen ist (wie gesagt) mit planerischen Mitteln sicher- zustellen, dass keine der Nutzungen so intensiv auf die andere ein- wirkt, dass diese andere Nutzung überhaupt nicht mehr oder nur noch unter übermässig erschwerten Bedingungen ausgeübt werden kann (AGVE 2005, S. 150). Innerhalb dieses Rahmens erscheint es aber grundsätzlich möglich, den Schutz der Wohnbevölkerung vor gewerblichen Immissionen in den einzelnen Mischzonen unter- schiedlich auszugestalten. Es besteht mithin durchaus Raum, dem Charakter eines Gebiets durch eine spezifische Umschreibung der zulässigen Nutzungsintensität Rechnung zu tragen und damit der Wohnbevölkerung in den einzelnen Mischzonen einen unterschied- lichen Schutz vor Immissionen zukommen zu lassen. Analoges gilt im Verhältnis von Wohn- und Mischzonen: Praxisgemäss kann die 2009 Bau-,Raumplanungs-undUmweltschutzrecht 189 Wohnbevölkerung in Mischzonen nicht denselben Schutz vor Beein- trächtigungen beanspruchen wie in reinen Wohnzonen (AGVE 2005, S. 150). Ebenso wenig kann ein Betriebsinhaber, der in einer Gewerbezone wohnt, denselben Schutz vor Immissionen geltend ma- chen, wie der Bewohner einer reinen Wohnzone oder einer Misch- zone, in denen Wohn- und Gewerbenutzung einander gleichgestellt sind. Aufgrund des Vorrangs der gewerblichen Nutzung hat der Be- triebsinhaber in der Gewerbezone ein Mehreres an unliebsamen Einwirkungen in Kauf zu nehmen. Es besteht somit ein nachvollziehbares planerisches Ziel darin, die Wohnbevölkerung in Mischzonen, in denen eine Entwicklung des Gewerbes gefördert werden soll, weniger stark vor Immissionen zu schützen als in Zonen, in denen keine Ausdehnung der gewerblichen Nutzung angestrebt wird. Die Grenze ist aber auch in gewerblichen Entwicklungsgebieten stets dort zu ziehen, wo die Erholungsfunktion der Wohnnutzung nicht mehr gewährleistet ist. Wo es um den Schutz der Nacht- oder Sonntagsruhe geht, geniesst die Wohnnutzung in typischen Mischzonen generell einen gewissen Vorrang (vgl. AGVE 1999, S. 253 f. mit Hinweisen). 3.3.6.3. Das Anliegen des Gemeinderats, den Begriff des mässig stören- den Gewerbes zonenspezifisch auszulegen, ist demnach einleuch- tend. Im konkreten Fall stehen einer zonenspezifischen Interpretation jedoch Wortlaut und Systematik des Gesetzes entgegen. Die BNO der Gemeinde Stein verwendet den Begriff des "mässig störenden Gewerbes" in den Zonen, in denen eine Mischnutzung möglich ist. Er taucht in § 6 Abs. 1 für die Dorfzone D, in § 7 Abs. 1 für die Kernzone K, in § 10 Abs. 1 für die Wohn- und Gewerbezone WG und in § 13 Abs. 1 für die Gewerbezone G auf, in der eine Wohnnut- zung nur ausnahmsweise in Betracht kommt. § 23 Abs. 2 BNO spricht von "herkömmlichen" Handwerks- und Gewerbebetrieben und von "üblichen" Arbeits- und Öffnungszeiten. Nach dem norma- len Sprachgebrauch können die Begriffe "herkömmlich" und "üb- lich" nicht derart kleinräumig verstanden werden, wie dies dem Ge- meinderat vorschwebt (vgl. auch AGVE 2005, S. 151). Jedenfalls kleinere Gemeinden werden sich kaum in Teilgebiete auftrennen las- 2009 Verwaltungsgericht 190 sen, in denen den Begriffen "herkömmlich" und "üblich" eine ge- bietsspezifische Bedeutung zukommt. Das bestätigt auch die Situa- tion in der Gemeinde Stein, zeigt sich doch hier, dass die Öffnungs- zeiten in der Kernzone K und der Dorfzone D grundsätzlich überein- stimmen. Eine Ausnahme bilden lediglich die Gastgewerbebetriebe beider Zonen sowie die Tankstellen-Shops in der Kernzone K (...). Sodann steht § 23 BNO systematisch unter dem Abschnitt "De- finitionen", der an den Abschnitt "Zonenvorschriften" anschliesst. Aus der systematischen Stellung der Vorschrift ergibt sich somit klar, dass der Gesetzgeber den Definitionen eine zonenübergreifende Bedeutung zuweisen wollte. Hätte er dem Begriff des "mässig störenden Gewerbes" eine zonenspezifische Bedeutung geben wollen, hätte er den Begriff bei den einzelnen Zonenvorschriften de- finiert. Das Auslegungsergebnis des Gemeinderats lässt sich somit weder mit dem Wortlaut noch mit der Systematik des Gesetzes ver- einbaren. Im konkreten Fall stehen die Öffnungszeiten der Tankstelle und des Tankstellen-Shops der Zonenkonformität entgegen, weshalb das Feststellungsbegehren der Beschwerdeführerinnen mit Blick auf die bestehende und die geplante Tankstelle sowie den geplanten Tank- stellen-Shop abzuweisen ist. An der Zonenwidrigkeit dieser Be- triebszweige vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Gemeinderat in der Kernzone K Tankstellen und Tankstellen-Shops mit Öffnungszeiten zulässt, die den ortsüblichen Umfang sprengen. Nachdem zwar Sinn und Zweck der Kernzone K, nicht aber Wortlaut und Systematik der BNO Raum lassen für längere Öffnungszeiten in dieser Zone, wird der Gemeinderat zu prüfen haben, ob er die Nut- zungsvorschriften der Kernzone K anzupassen hat. 3.3.6.4. In einem Spannungsverhältnis zu § 23 Abs. 2 BNO stehen auch die Gastgewerbebetriebe, die der Gemeinderat trotz längerer Öff- nungszeiten sowohl in der Kernzone K als auch in der Dorfzone D zulässt. Zwar unterstehen diese Betriebe dem kantonalen Gesetz über das Gastgewerbe und den Kleinhandel mit alkoholhaltigen Ge- tränken (Gastgewerbegesetz, GGG) vom 25. November 1997 (SAR 970.100), womit die darin vorgesehenen Öffnungszeiten gel- 2009 Bau-,Raumplanungs-undUmweltschutzrecht 191 ten. Der Gemeinderat kann jedoch nach Massgabe der Bau- und Um- weltschutzgesetzgebung andere Öffnungszeiten bewilligen und na- mentlich die Öffnungszeiten der einzelnen Betriebe auf Dauer oder längere Frist erweitern oder einschränken (§ 4 Abs. 2 GGG). Das GGG liesse somit durchaus Raum, die Öffnungszeiten auf die Zonie- rung abzustimmen, was die Gemeinde Stein jedoch nicht getan hat. Die Erwähnung von Gaststätten in § 7 Abs. 2 BNO spricht vielmehr dafür, dass der Gesetzgeber solche Betriebe (jedenfalls) in der Kern- zone K als zonenkonform erachtete. Welche Öffnungszeiten im Gastgewerbe als üblich zu bezeichnen sind, ergibt sich deshalb bei einer widerspruchsfreien Auslegung des Gesetzes aus dem GGG, welches § 23 Abs. 2 BNO insofern verdrängt. Die Zonenkonformität des Bauvorhabens lässt sich deshalb ebenso wenig mit dem Umstand begründen, dass sich in der Dorfzone D Gastgewerbebetriebe befinden, deren Öffnungszeiten über das ortsübliche Mass hinausge- hen. 3.3.6.5. (...) 4. 4.1. Die Beschwerdeführerinnen berufen sich auf die Besitzstands- garantie gemäss § 68 BauG. Der ganze Betrieb Y. sei mit allen Be- triebsbestandteilen und mit seiner räumlichen Ausdehnung auf der Parzelle Nr. 1382 formell und materiell rechtmässig bewilligt. Den Betrieb habe es schon vor dem BauG 1971 und der ersten BNO von Stein aus dem Jahr 1971 gegeben. Seitherige Veränderungen seien ebenfalls bewilligt worden. Von der Bewilligung abgedeckt sei auch der Werkplatz im westlichen Bereich der Parzelle. Die Wahrung des Besitzstandes richte sich nach dem heutigen Betrieb. § 68 BauG er- laube einem Gewerbebetrieb, der sich dynamisch verhalten und ent- wickeln müsse, um überleben zu können, die Anpassung an das ver- änderte Marktumfeld. Bei der Verlegung der Tankstelle und dem neu vorgesehenen Tankstellen-Shop handle es sich um einen klassischen Fall der betrieblichen Weiterentwicklung, die nach Marktlage und Gewohnheiten der Marktteilnehmer notwendig sei. Der funktionale Zusammenhang zum bisherigen Betrieb sei ebenfalls gegeben. Die Beschwerdeführerinnen beabsichtigten keine räumliche Erweiterung 2009 Verwaltungsgericht 192 des Betriebsgeländes. Auch der Werkplatz im westlichen Bereich der Parzelle sei bereits für die gewerbliche Nutzung bewilligt. Die bestehende Tankstelle werde lediglich nach Westen verschoben. Die Erweiterung der Tankkapazität auf 4 Tankplätze sei im räumlichen Zusammenhang und im Zusammenhang mit dem Volumen der Gebäude irrelevant. Die Umwandlung des Verkaufsraumes für Autos und Autobedarf zu einem Tankstellen-Shop bedürfe keines Mehr- volumens und vergrössere die Bruttogeschossfläche nicht. Es gehe lediglich um eine Verlagerung innerhalb der bereits bewilligten Ver- kaufsnutzung, die für sich alleine betrachtet in der Dorfzone D ohne Zweifel zonenkonform sei. Die mit der geplanten Veränderung verbundenen Auswirkungen seien zudem lärmmässig ohne Bedeu- tung (...). 4.2. (...) 4.3. Nach § 68 BauG dürfen rechtmässig erstellte Bauten, die den geltenden Plänen oder Vorschriften widersprechen, unterhalten und zeitgemäss erneuert werden. Die Nutzungsordnung kann für be- stimmte Schutzzonen die zeitgemässe Erneuerung einschränken oder verbieten (lit. a). Solche Bauten dürfen ausserdem angemessen er- weitert, umgebaut oder in ihrem Zweck geändert werden, wenn da- durch ihre Rechtswidrigkeit nicht wesentlich verstärkt wird und keine besonderen Nutzungsvorschriften entgegenstehen (lit. b). 4.3.1. Nach Angaben der Beschwerdeführerinnen besteht die Garage Y., inklusive Tankstelle, seit 1929. Die Garage geht somit auf eine Zeit zurück, in der es noch keine Zonenvorschriften gab. Eine erste Zonierung brachte die BNO vom 4. Juni 1971/14. März 1973, wel- che in der Dorfzone D Wohnungen, Läden, Gaststätten, Büros sowie nicht übermässig störendes Gewerbe erlaubte (§ 31). Nachdem die Tankstelle schon heute während 24 Stunden pro Tag betrieben wird, sprengt sie infolge ihrer Öffnungszeiten den Rahmen des mässig Störenden im Sinn von § 23 Abs. 2 BNO. Nachdem der bestehende Betrieb jedoch ursprünglich rechtmässig war, ist er in seinem Besitz- stand grundsätzlich geschützt. 2009 Bau-,Raumplanungs-undUmweltschutzrecht 193 4.3.2. Im konkreten Fall findet die Erweiterung der Tankstelle ausser- halb der bestehenden Gebäudehülle statt. Die bauliche Trennung zwischen Alt- und Neubaute schliesst jedoch den Schutz des Besitz- standes nicht von vornherein aus. Dieses Privileg greift auch dann, wenn ein enger funktionaler und räumlicher Zusammenhang besteht zwischen der besitzstandsgeschützten Nutzung eines Gebäudes und einer auf dem angrenzenden Vorplatz geplanten Nutzung (VGE III/59 vom 31. August 2006 [WBE.2005.59], S. 8). Das ist hier der Fall. Damit ist allerdings noch nichts über die Tragweite des Besitzstandsschutzes ausgesagt. 4.3.3. Schon § 135 aBauG bestimmte, dass bereits vorhandene Bauten für Industrie und Gewerbe, die nicht in einer für sie bestimmten Zone liegen, weiterbestehen und angemessen erweitert werden dürfen, wenn ihre unvermeidlichen Einwirkungen auf die Nachbarschaft nicht übermässig sind. Eine gefestigte verwaltungsgerichtliche Praxis sah hinter dieser Bestimmung das Bestreben des Gesetzgebers, Industrie- und Gewerbebetrieben eine beschränkte Dynamik zu ermöglichen, damit sie sich gewandelten technischen und wirtschaft- lichen Verhältnissen in gewissem Rahmen laufend anpassen können. Eine Erweiterung nach § 135 aBauG musste sich aber in jedem Falle an das Bestehende anlehnen und quantitativ und qualitativ in engen Grenzen halten. In qualitativer Hinsicht hiess dies, dass die betref- fende betriebliche Nutzung funktional an den bisherigen Betriebs- standort gebunden war, sich gewichtsmässig an das Bestehende an- lehnte und lediglich in untergeordnetem Rahmen fortführte. In quantitativer Hinsicht wurde die Erweiterung in der Regel als ange- messen betrachtet, wenn sich die Vergrösserung im Rahmen eines Viertels der bestehenden betrieblichen Grundfläche bewegte. Neben der Grundfläche wurden bei der Bemessung der Erweiterung auch andere Kriterien vorbehalten. Weiter wurde erwogen, dass es sich bei der "Viertel-Regel" lediglich um eine Faustregel handle, die nicht im Gesetz enthalten sei. Sie dürfe nicht starr gehandhabt werden, son- dern verlange eine Überprüfung anhand der Besonderheiten des je- weiligen Einzelfalls. So sei beispielsweise denkbar, dass die Erweite- 2009 Verwaltungsgericht 194 rung eines Kleinbetriebs angemessen sei, obwohl um mehr als ein Viertel vergrössert werde, anderseits könne bei grossen Betrieben die Grenze für eine angemessene Erweiterung erheblich unter einem Viertel liegen. In jedem Fall habe zur Feststellung der Angemessen- heit einer geplanten Erweiterung eine Würdigung aller in Betracht fallender Kriterien stattzufinden (vgl. AGVE 1996, S. 334 f. mit Hin- weis). An dieser Rechtsprechung hat das Verwaltungsgericht auch unter dem aktuellen Baugesetz in der bis zum 30. November 2002 geltenden Fassung festgehalten. Daraus, dass das Baugesetz für das Gebiet innerhalb der Bauzonen keine spezifische Vorschrift für industrielle und gewerbliche Bauten mehr kenne, dürfe nicht ge- schlossen werden, der Gesetzgeber habe davon abrücken wollen, der erwähnten Kategorie von Bauten eine gewisse Sonderstellung zuzu- gestehen. Eine durchgehende Gleichstellung namentlich mit Wohn- bauten wäre denn auch nach wie vor nicht sachgerecht. Wohnbauten seien, vereinfacht ausgedrückt, etwas Statisches, wogegen ein Indu- strie- und Gewerbebetrieb zur Erhaltung seiner Existenzfähigkeit dy- namisch bleiben, d.h. sich an veränderte Marktverhältnisse anpassen können müsse (AGVE 1996, S. 335). Diese Rechtsprechung ist unter der Herrschaft von § 68 BauG in der heute geltenden Fassung fort- geführt worden (VGE III/59 vom 31. August 2006 [WBE.2005.59], S. 9 f.). 4.3.4. Der angefochtene Entscheid ist in dieser Hinsicht nicht zu bean- standen. Mit der Verlegung der beiden Tanksäulen und der Schaffung von 4 Tankplätzen würde die bestehende Tankstellenfläche wesent- lich vergrössert und zusätzlich überdacht, so dass schon die vorgese- henen baulichen Massnahmen den Rahmen der angemessen Erweite- rung sprengen. Hinzu kommt, dass die Beschwerdeführerinnen sel- ber mit einer Verdoppelung der Fahrzeugbewegungen rechnen. Das Vorhaben würde somit neuen Zielverkehr verursachen. Das gilt zum einen für die Tankstelle, weil die Treibstoffpreise hierzulande erfah- rungsgemäss günstiger sind als im benachbarten Ausland; zum an- dern für den Shop, weil er wegen der attraktiven Öffnungszeiten auch von Kunden aufgesucht würde, die nicht auf der Durchfahrt sind. Es ist dementsprechend auch mit einer erheblichen Zunahme 2009 Bau-,Raumplanungs-undUmweltschutzrecht 195 von Betankungen ausserhalb der üblichen Arbeits- und Öffnungs- zeiten und deshalb mit einer wesentlichen Verstärkung der Rechts- widrigkeit zu rechnen. Das gilt nicht nur wegen der Verlegung und Vergrösserung der Tankstelle, sondern auch wegen des Tankstellen- Shops, dessen Betriebszeiten den Rahmen üblicher Arbeits- und Öff- nungszeiten ebenfalls sprengen würden. Solche Tankenstellen-Shops sind gerade darauf ausgerichtet, das Konsumbedürfnis der Kundschaft ausserhalb der üblichen Öffnungszeiten zu befriedigen. Der geplante Shop führte daher namentlich auch zu einer Zunahme der Immissionen zu Zeiten, in denen ein erhöhtes Ruhebedürfnis be- steht. Es ist zwar fraglich, ob allein die Zunahme des Verkehrslärms zu spürbaren Mehrimmissionen führte. Zu den typischen lärmverur- sachenden Vorgängen des geplanten Betriebs gehören jedoch auch das Türenschlagen, der Motorstart, der Betrieb der Zapfsäulen und verhaltensbezogene Geräusche wie Hupen, lauter Radiobetrieb und Rufen (vgl. BGE vom 5. Juni 2001 [1A.199/2000 und 1P.373/2000], Erw. 4d). Da der Strassenverkehr insbesondere zur Nachtzeit keinen konstanten Geräuschpegel verursacht, sind die erwähnten, impuls- haften Geräusche neben dem Verkehrslärm wahrnehmbar. Sie unter- brechen unter Umständen plötzlich und nur während einer relativ kurzen Dauer die Stille der Nacht, was das Wohlbefinden der schlafenden Bevölkerung beeinträchtigen kann (vgl. BGE 126 III 229; 102 Ib 274; 101 Ib 407), und zwar auch dann, wenn die Tank- stelle in der Nacht nur von wenigen Kunden aufgesucht würde. Die Vorinstanz schloss deshalb in vertretbarer Weise auf eine wesentliche Verstärkung der Rechtswidrigkeit, die sich aus der Anwendung von § 23 Abs. 2 BNO ergibt. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Betrieb der Tankstelle während der Öffnungszeiten des Tankstellen-Shops überwacht ist. 4.4. Keine Bedeutung kommt der Frage zu, ob das Vorhaben in an- deren Zonen der Gemeinde Stein verwirklicht werden könnte oder nicht (...), da eine Gemeinde grundsätzlich nicht verpflichtet ist, jede beliebige Nutzung auf ihrem Gemeindegebiet zuzulassen. Zwar ist es grundsätzlich sinnvoll, Tankstellen an den Hauptverkehrsachsen zu positionieren, um zusätzlichen Zielverkehr zu verhindern (...). Da- 2009 Verwaltungsgericht 196 raus kann indes nicht abgeleitet werden, eine Gemeinde müsse Tank- stellen ohne Rücksicht auf die übrigen Anliegen der Raumplanung (z.B. des Ortsbildschutzes) an sämtlichen Hauptverkehrsachsen zu- lassen. 4.5. Das Vorhaben ist somit zonenwidrig, womit das Feststellungs- begehren abzuweisen ist. 5. (... [Ortsbildschutz]) 6. (...) 7. Zusammenfassend ist das Vorhaben weder zonenkonform noch ortsbildverträglich, weshalb die Beschwerde abzuweisen ist.
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AG_VG_001_AGVE-2009-36_2009-05-03
http://agve.weblaw.ch/html//AGVE-2009-36.html
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2019 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 141 19 Erschliessungsplanung Die Koordinationsvorschriften sind auf die Erschliessungsplanung sinn- gemäss anwendbar, sofern damit Lage und Ausdehnung öffentlicher 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 142 Strassen verbindlich festgelegt werden; diesfalls sind die Gesuchsunterla- gen und die gewässerschutzrechtliche Bewilligung gemeinsam aufzulegen und die Entscheide gleichzeitig zu eröffnen. Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 15. Juli 2019, in Sachen A. AG und B. AG gegen Stadtrat C., Gemeinderat D. und Departement Bau, Verkehr und Umwelt (WBE.2018.322). Aus den Erwägungen 6.6. Der Gewässerraum steht dem Gewässer zur Verfügung und ge- währleistet damit dessen natürlichen Funktionen (vgl. Art. 36a Abs. 1 lit. a GSchG) wie auch den Schutz vor Hochwasser (vgl. lit. b); der Gewässerraum kann der Gewässernutzung dienen (vgl. lit. c; CHRISTOPH FRITZSCHE, in: PETER HETTICH/LUC JANSEN/ROLAND NORER [Hrsg.], Kommentar zum Gewässerschutzgesetz und zum Wasserbaugesetz, Zürich/Basel/Genf 2016, Art. 36a N 14 ff.). Ge- wässerräume sind vielfältige und biologisch wertvolle Lebensräume, die zu erhalten und aufzuwerten sind (Richtplan, Kapitel L 1.2, S. 4, Planungsgrundsatz B). Im Gewässerraum sind Bauten und Anlagen zulässig, wenn sie standortgebunden sind und im öffentlichen Interesse liegen (vgl. Art. 41c Abs. 1 Satz 1 GSchV). Typischerweise handelt es sich dabei um Bauten und Anlagen, die aufgrund ihres Verwendungszwecks auf einen Standort am Gewässer angewiesen sind wie beispielsweise Brücken oder Wasserkraftwerke (vgl. JEANNETTE KEHRLI, in: Raum & Umwelt 4/2017, S. 19). Auch Verkehrswege fallen jedenfalls dann darunter, wenn damit ein Strassenausbau verbunden ist (vgl. Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 24. März 2015 [B_2013/153], Erw. 5.2 mit Hinweis; für Verkehrsübergänge explizit: Art. 38 Abs. 2 lit. b GSchG). Art. 41c Abs. 1 Satz 1 GSchV sieht dafür eine gewässerschutzrechtliche Bewilligung vor, mit welcher das grundsätzliche Bauverbot im Gewässerraum und Uferstreifen durchbrochen wird (vgl. JEANNETTE KEHRLI, Bauen im Gewässer- 2019 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 143 raum und Uferstreifen, in: URP 2015, S. 681 ff.; zum grundsätz- lichen Überdeckungs- und Eindolungsverbot gemäss Art. 38 Abs. 1 GSchG vgl. FRITZSCHE, a.a.O., Art. 38 N 1 ff.). 6.7. In der Sondernutzungsplanung ist eine umfassende Interessen- abwägung (Art. 3 Abs. 1 RPV) vorzunehmen, wobei alle erheblichen rechtlichen und tatsächlichen Interessen zu ermitteln, zu gewichten und gegeneinander abzuwägen sind; mit dem Ziel, dass die wichtigen Interessen möglichst umfassend wirksam werden können (vgl. HEINZ AEMISEGGER/SAMUEL KISSLING, in: HEINZ AEMISEGGER/PIERRE MOOR/ALEXANDER RUCH/PIERRE TSCHANNEN [Hrsg.], Praxiskom- mentar RPG: Nutzungsplanung, Zürich/Basel/Genf 2016, Vorbemer- kungen zur Nutzungsplanung N 13 ff.). Art. 47 RPV verlangt bei Nutzungsplänen eine Berichterstattung an die kantonale Genehmi- gungsbehörde. Im Bericht sind die Interessenabwägungen darzulegen und die Entscheide umfassend zu begründen. Art. 47 Abs. 1 RPV umschreibt den Mindestinhalt des Planungsberichts (AEMISEGGER/KISSLING, a.a.O., Vorbemerkungen zur Nutzungspla- nung N 45 ff.). Dieser zeigt auf, wie die Nutzungspläne die Ziele und Grundsätze der Raumplanung (Art. 1 und 3 RPG), die Anregungen aus der Bevölkerung (Art. 4 Abs. 2 RPG) und den Richtplan berück- sichtigen und wie den Anforderungen des Bundesrechts Rechnung getragen wird (vgl. Art. 47 Abs. 1 RPV). Auf die gewässerschutzrechtliche Bewilligung ist bereits in der Erschliessungsplanung einzugehen. Die Sondernutzungsplanung hat sich insbesondere zur Freihaltung der Gewässerbereiche und zur Er- forderlichkeit besonderer Massnahmen zu äussern (vgl. Empfehlun- gen für die Nutzungsplanung, Planungsberichte nach Art. 47 RPV, Beilage 2: Checkliste Sondernutzungsplanung des BVU, Abteilung Raumentwicklung). Der Erschliessungsplan F.-Strasse legt die Strassenführung mit Weg- und Strassenlinien im Bereich der Que- rung des E.-Bachs verbindlich fest (vgl. § 6 Abs. 1 BauV). Damit werden Lage und Ausdehnung der Erschliessungsanlagen für ein künftiges Bauprojekt vorgegeben. Insoweit kommt auch die Er- schliessungsplanung nicht umhin, sich zur Querung des betreffenden Gewässerraums zu äussern. Der Planung fehlt es an einer generellen 2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 144 Aussage, wie der Zweck des Gewässerraums umgesetzt werden soll. Insbesondere wird nicht aufgezeigt, wie die Erschliessungsstrasse, welche den E.-Bach quert, unter den gewässerschutzrechtlichen Vor- gaben realisierbar ist. Der vorliegende Planungsbericht datiert vor dem Inkrafttreten der geänderten bundesrechtlichen Gewässer- schutzbestimmungen und konnte sich mit dieser Thematik daher nicht auseinandersetzen (vgl. Planungsbericht und präzisierter Pla- nungsbericht, wonach sich die Situation durch den Raumbedarf des E.-Bachs erschwere). Zu diesem räumlichen Konflikt kann er folg- lich keine Antworten geben. Dementsprechend wurde in den Planbe- schlüssen des Gemeinderats D. und des Stadtrats C. ebenfalls nicht auf den Gewässerraum eingegangen. Eine entsprechende Interessen- abwägung wurde nicht vorgenommen. 6.8. Der vom Stadtrat und Gemeinderat eingelegte Schnittplan für eine mögliche Brücke ist im Rahmen des vorliegenden Beschwerde- verfahrens nicht zu beurteilen. Dieses Dokument wurde vor Verwal- tungsgericht eingereicht und lag den Vorinstanzen daher nicht vor. Ergänzend ist jedoch festzuhalten, dass sich neben dem Brücken- bauwerk als solchem insbesondere dessen Pfeiler im Gewässerraum und Uferstreifen des E.-Bachs befinden. 6.9. Kantons- und Gemeindestrassen können in Nutzungsplänen festgelegt werden (vgl. § 93 Abs. 1 und 2 BauG). Art. 25a RPG und § 64 BauG schreiben eine Koordinationspflicht vor, wenn die Errich- tung oder die Änderung einer Baute oder Anlage Verfügungen mehrerer Behörden erfordert. Art. 25a Abs. 4 RPG erklärt die Grundsätze der Koordination auf Sondernutzungsplanungsverfahren für sinngemäss anwendbar. Die Ausdehnung auf die Nutzungspla- nung wird mitunter damit begründet, dass eine Sondernutzungspla- nung die anschliessende Baubewilligung weitgehend präjudizieren kann (vgl. BERNHARD WALDMANN/PETER HÄNNI, Raum- planungsgesetz, Bern 2006, Art. 25a N 72). Dies betrifft auch Lage und Ausdehnung öffentlicher Strassen, welche im Erschliessungsplan verbindlich festgelegt werden; Strassenlinien bestimmen dabei den Umfang des Enteignungsrechts (vgl. § 17 und § 132 Abs. 1 lit. c 2019 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 145 BauG; § 6 Abs. 1 und 2 BauV). Diese Vorgaben sind für ein nachfol- gendes Projekt verbindlich. Damit rechtfertigt sich im Einzelfall die sinngemässe Anwendung der Koordinationsvorschriften auf Er- schliessungspläne, sofern damit Lage und Ausdehnung öffentlicher Strassen verbindlich festgelegt werden (vgl. zum Ganzen: Urteil des Bundesgerichts vom 19. September 2001 [1P.365/2001], Erw. 5c/dd). Mit dem vorliegenden Sondernutzungsplan wird die Lage der F.-Strasse für ein nachfolgendes Projekt vorgegeben. Dies betrifft auch die Querung des E.-Bachs mit einer Strasse samt Gehweg, wel- che im Erschliessungsplan beidseitig mit Strassenlinien begrenzt wird. Dies gilt unabhängig von der unterbliebenen Kennzeichnung als Erschliessungsstrasse neu und der fehlenden näheren Ausge- staltung. Insoweit rechtfertigt sich die analoge Anwendung von Art. 25a Abs. 2 RPG, wonach die für die Koordination verantwort- liche Behörde insbesondere für eine gemeinsame Auflage aller Ge- suchsunterlagen (lit. b) sowie möglichst für eine gemeinsame oder gleichzeitige Eröffnung der Verfügungen sorgt (lit. d). Die gewässer- schutzrechtliche Bewilligung liegt noch nicht vor und wurde im Ge- nehmigungsentscheid des BVU lediglich in Aussicht gestellt. Vorlie- gend drängt sich indessen eine gemeinsame Auflage der Erschlies- sungsplanung und der Gesuchsunterlagen für die gewässerschutz- rechtliche Bewilligung auf; weiter ist die gleichzeitige Eröffnung der Planbeschlüsse und Einwendungsentscheide mit der gewässerschutz- rechtlichen Bewilligung angezeigt. Beides wurde indessen bis dato versäumt.
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2003 Verwaltungsgericht 246 [...] 59 Offertbereinigung; Verfahrensabbruch und Wiederholung des Verfah- rens. - Anforderungen an eine Offertbereinigung; die vorgenommene Preis- bereinigung überschreitet das noch zulässige Mass (Erw. 3/b und c). - Verfahrensabbruch und Wiederholung des Verfahrens (Erw. 4/b/aa); die Erweiterung des im Übrigen unverändert gebliebenen Leistungs- verzeichnisses um Regiearbeiten und die Einladung eines weiteren 2003 Submissionen 247 Anbieters stellen keine wichtigen Gründe im Sinne von § 22 Abs. 2 SubmD dar (Erw. 4/b/bb). - Es besteht keine Verpflichtung, ein angehobenes Vergabeverfahren mit einem Zuschlag zu beenden (§ 22 Abs. 1 SubmD); das Verwal- tungsgericht muss es in solchen Fällen bei der Feststellung bewenden lassen, dass das Submissionsverfahren ohne genügenden Grund und damit zu Unrecht abgebrochen worden ist (Erw. 4/b/cc). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 1. Juli 2003 in Sachen E. AG gegen Gemeinderat Würenlingen. Aus den Erwägungen 3. a) Als unzulässig erachtet die Beschwerdeführerin zunächst die unbestrittene Tatsache, dass die beiden ursprünglichen Anbiete- rinnen telefonisch zur Überprüfung ihrer Angebote auf Rechnungs- fehler aufgefordert worden sind. Die Vergabebehörde begründet die- ses Vorgehen mit der auffallend grossen Preisdifferenz, die zwischen den beiden Angeboten bestanden habe. Es habe sich bei der Prüfung der Offerten gezeigt, dass beim Angebot der Beschwerdeführerin die Einheitspreise nicht gemäss Punkt 2 der allgemeinen Bestimmungen der Submission gerechnet worden seien; im Angebot der M. AG sei diese Position jedoch berücksichtigt und in die Einheitspreise einge- rechnet worden. Nach der Offertbereinigung sei das Angebot der M. AG dann das günstigere gewesen. Leider seien bei der Offertbereini- gung zu viele Details telefonisch besprochen worden, so dass das formelle Vorgehen nicht mehr dem üblichen Vorgehen bei einer Preisbereinigung entsprochen habe. Die Vergabebehörde anerkennt somit jedenfalls ausdrücklich, im Zusammenhang mit der Bereinigung der beiden Angebote Fehler gemacht zu haben. b) Die Vergabestelle prüft die Angebote rechnerisch und fach- lich. Sie bringt sie auf eine vergleichbare Basis (§ 17 Abs. 1 SubmD). Sind Angaben eines Angebots unklar, so können von den Anbietenden Erläuterungen, fachliche Präsentationen, 2003 Verwaltungsgericht 248 Begehungen usw. verlangt werden, die schriftlich festzuhalten sind (§ 17 Abs. 2 SubmD). Die Vergabestelle darf offensichtliche Rechnungsfehler korrigieren (§ 17 Abs. 3 SubmD). Abgebotsrunden sind verboten. Abänderungen eines Angebots dürfen nur während der Eingabefrist und nur auf schriftlichem Weg erfolgen (§ 17 Abs. 4 SubmD). Das Verwaltungsgericht erachtet nebst der Korrektur offen- sichtlicher Rechnungsfehler in eng begrenztem Rahmen auch die Berichtigung anderer eindeutig als solche erkennbarer Versehen und Irrtümer als zulässig. Die Vergabestelle ist in diesen Fällen nötigen- falls auch zu Rückfragen bei den Anbietern befugt, ohne dass sie sich allein deswegen schon dem Vorwurf einer unzulässigen Abgebots- runde aussetzt. Indessen haben solche Rückfragen mit der nötigen Zurückhaltung und Sorgfalt zu geschehen, und es sind alle Anbie- tenden nach gleichen Massstäben zu behandeln (AGVE 1999, S. 345). c) aa) Nach eigenem Eingeständnis der Vergabebehörde sind im vorliegenden Fall im Rahmen der Offertbereinigung zu viele Details telefonisch besprochen worden. Um welche Fragen es sich dabei im Einzelnen handelt, geht aus den dem Verwaltungsgericht vorliegen- den Akten nicht hervor. Schriftliche Aufzeichnungen über die Tele- fongespräche sind offensichtlich nicht erstellt worden, was ebenfalls einen Fehler darstellt. Letztlich ist die Offertbereinigung insgesamt und namentlich auch deren Ergebnis nicht nachvollziehbar. Wenn die Vergabebehörde gegenüber der Beschwerdeführerin den - von dieser im Übrigen ausdrücklich bestrittenen - Vorwurf erhebt, sie habe in den Submissionsbedingungen verlangte Leistungen im Gegensatz zur M. AG nicht in die Einheitspreise miteingerechnet, so steht diese Behauptung im Widerspruch zum Ergebnis der Bereinigung, nämlich zum plötzlich rund Fr. 23'000.-- tieferen Angebotspreis der M. AG. Der Logik würde es - wie die Beschwerdeführerin zu Recht geltend macht - eher entsprechen, wenn die M. AG an ihrer Preiskalkulation festgehalten und die Beschwerdeführerin ihre Einheitspreise erhöht hätte. Die Argumentation der Gemeinde gäbe nur einen Sinn, wenn die Submissionsbedingungen im Rahmen der Offertbereinigung ge- ändert worden wären. 2003 Submissionen 249 bb) Gemäss Ziffer 2 der Submissionsbedingungen war die Preisberechnung wie folgt vorzunehmen: " 2 Preisberechnung Die Einheitspreise verstehen sich für betriebsfertig am Ort er- stellte Installationen und Lieferung. In die Einheitspreise sind alle Unkosten einzurechnen, wie Ver- schnitt, Transport usw. Im speziellen sind bei bauseitigen Liefe- rungen im Montage- und Anschlusspreis folgende Leistungen einzurechnen: 2.1 Der Transport des Materials ab der Empfangsstelle (auf der Bau- stelle) nach dem Unternehmermagazin. 2.2 Das Auspacken und Vertragen sowie das Einsetzen der Leucht- mittel. 2.3 Mithilfe beim Ausmessen, Kontrollieren, Inbetriebsetzen, Ab- nahme, Übergabe der Anlage, instruieren des Bedienungsperso- nals. 2.4 Die Korrektur und Ergänzung der Installationspläne." Die Möglichkeit von zusätzlich anfallenden Arbeiten, die nach Aufwand abzurechnen sind (Regiearbeiten), wurde durch diese Auf- listung nicht ausgeschlossen; dies gilt namentlich für unvorhergese- hene Anpassungen und Mehrarbeiten. Der Beschwerdeführerin waren diese Submissionsbedingungen zweifellos bereits beim Erstellen der Offerte bekannt. Sie hat auf die Aufforderung der Vergabestelle hin ihre Preiskalkulation überprüft und den offerierten Preis bestätigt. In den Unterlagen sind keine Hinweise zu finden, die darauf schliessen lassen, dass die Be- schwerdeführerin sich bei der Kalkulation der Einheitspreise nicht an diese Bedingungen gehalten hat. In ihrer Stellungnahme vom 6. Juni 2003 bestätigt sie, dass alles Verlangte in den Einheitspreisen ent- halten gewesen sei. Die Beschwerdeführerin hatte diese Leistungen somit verbindlich offeriert und hätte sich später dabei behaften lassen müssen. Insbesondere hätte sie die in den Submissionsbedingungen aufgelisteten Leistungen nicht nachträglich als zusätzlich zu entschädigende Regiearbeiten gelten machen können. Dass sich ihre Kalkulation durchaus im Bereich des Üblichen bewegte, zeigen auch die in der zweiten Submissionsrunde - mit den 2003 Verwaltungsgericht 250 gleichen Submissionsbedingungen - offerierten Einheitspreise. Diese sind bei der Beschwerdeführerin weitgehend mit denen der ersten Runde identisch. Die Einheitspreise der M. AG bewegen sich dies- mal im Bereich derjenigen der Beschwerdeführerin, und diejenigen der neu dazu gekommenen G. AG sind erheblich tiefer. Darauf hin- zuweisen ist auch, dass im Rahmen des Gesprächs der Vergabebe- hörde mit den beiden Anbieterinnen, anlässlich dessen eine Arbeits- gemeinschaft angestrebt wurde, im Protokoll festgehalten wurde, dass die Einheitspreise der Beschwerdeführerin für die ARGE gelten sollten. Auch diese Tatsachen weisen darauf hin, dass die Beschwer- deführerin die Submissionsbedingungen durchaus richtig verstanden und ein sie berücksichtigendes Angebot eingereicht hat. cc) Die M. AG hat - wie sich ihrem Schreiben vom 17. April 2003 an den Gemeinderat - entnehmen lässt, in der ersten Offert- runde bei ihrer Kalkulation der Preise berücksichtigt, dass es sich um einen Umbau am bestehenden Netz handelt, wo auch mit Unvorher- gesehenem gerechnet werden müsse. Zudem seien folgende Punkte berücksichtigt worden: Arbeiten in verschiedenen Etappen, Ausmes- sen der Leitungslängen, Abhängen der bestehenden Hausanschlüsse, Anpassen und Umlegen der Abgänge, Inbetriebnahme inkl. Dreh- richtungskontrolle und Messung nach NIN aller Abgänge, Organisa- tion für Um-Abschaltungen inkl. Meldungen an Strombezüger, Pro- visorien. Diese mitberücksichtigten Punkte gehen wesentlich über das hinaus, was in den Submissionsbedingungen verlangt worden ist, und führten zwangsläufig zu den im Vergleich zum Angebot der Be- schwerdeführerin überhöhten Einheitspreisen. Die Tatsache, dass die M. AG ihre Preise überdies sehr vorsich- tig kalkuliert und allfällige Zwischenfälle und Schwierigkeiten mit- einberechnet hat, konnte nun allerdings kein Grund sein, ihr im Rahmen der Offertbereinigung die Möglichkeit zur Reduktion ihres Angebots, die dann äusserst massiv ausgefallen ist, zu geben. Im Gegensatz zu offensichtlichen Rechnungsfehlern dürfen Kalkulationsfehler nicht nachträglich korrigiert werden (vgl. VGE III/26 [BE.2000.00002] vom 29. Februar 2000 in Sachen B. AG, S. 19 ff. mit Hinweisen). Die Preiskalkulation gehört zum unternehmerischen Risiko, und ein Anbieter, der die Preise (zu 2003 Submissionen 251 seinen Gunsten) vorsichtig kalkuliert, muss immer damit rechnen, dass er von einem risikofreudigeren, knapper kalkulierenden Anbieter unterboten wird. Die Vergabebehörde geht somit zu Recht davon aus, dass die von ihr vorgenommene Offertbereinigung den Rahmen des für eine Preisbereinigung Zulässigen gesprengt hat. Ob die Vermutung der Beschwerdeführerin, es sei "Zahlenmaterial" - gemeint sind wohl ihre Eingabesumme und die von ihr offerierten Einheitspreise - wei- tergegeben worden, tatsächlich zutrifft (und somit seitens der Verga- bebehörde bei der M. AG bewusst ein Abgebot eingeholt worden ist), kann letztlich offen bleiben. 4. a) Die Vergabebehörde hat in der Folge von einer Zu- schlagserteilung abgesehen und die Wiederholung des Verfahrens unter Einbezug eines dritten Anbieters angeordnet. Begründet wurde das Vorgehen mit "verfahrenstechnischen Gründen". Die Beschwer- deführerin erachtet den Abbruch und die Wiederholung als unzuläs- sig; ein Grund gemäss § 22 SubmD habe nicht vorgelegen. b) Zu prüfen ist, ob die Vergabestelle berechtigt war, die Sub- mission abzubrechen und zu wiederholen. aa) Die Vergabestelle ist nicht zum Zuschlag verpflichtet (§ 22 Abs. 1 SubmD). Aus wichtigen Gründen kann das Verfahren jeder- zeit abgebrochen oder wiederholt werden. Dies ist gemäss § 22 Abs. 2 lit. a - c SubmD insbesondere zulässig, wenn - kein Angebot eingereicht wurde, das die in der Ausschreibung oder den Ausschreibungsunterlagen festgelegten Kriterien und techni- schen Anforderungen erfüllt; - auf Grund veränderter Rahmen- oder Randbedingungen oder we- gen wegfallender Wettbewerbsverzerrungen günstigere Angebote zu erwarten sind; - eine wesentliche Änderung des Projektes erforderlich wurde. Diese Aufzählung ist nicht abschliessend, macht aber deutlich, dass der Abbruch des Submissionsverfahrens nicht grundlos erfolgen darf. Nicht nur § 22 Abs. 2 SubmD, sondern schon die vorvertragli- che Treuepflicht nach Art. 2 ZGB verbietet es nämlich der Vergabe- stelle, dem einzelnen Submittenten seine Chance auf den Zuschlag durch grundlosen Verfahrensabbruch zu entziehen oder durch eine 2003 Verwaltungsgericht 252 Wiederholung des Verfahrens allenfalls zu verschlechtern. Der An- bieter darf sich gegenüber einem öffentlichen Auftraggeber auf ein vertrauenswürdiges, korrektes Verhalten verlassen, und darauf, dass die Vergabestelle das ihr zustehende Ermessen pflichtgemäss ausübt; eine grundlose Schmälerung der Chancen des einzelnen Submitten- ten auf den Zuschlag erscheint auch unter diesem Gesichtswinkel ausgeschlossen. Bereits aus der allgemeinen, vorvertraglichen Treuepflicht sowie auf Grund des vom öffentlichen Auftraggeber pflichtgemäss auszuübenden Ermessens folgt daher ohne Weiteres der Grundsatz, dass das Submissionsverfahren nur aus wichtigen Gründen abgebrochen oder wiederholt werden darf, falls nicht die Haftung aus culpa in contrahendo Platz greifen soll (AGVE 1999, S. 313 f. mit Hinweisen). bb) Gründe im Sinne von § 22 Abs. 2 lit. a - c SubmD sind im vorliegenden Fall keine gegeben. Die ursprünglich eingereichten Angebote entsprachen beide den Submissionsbedingungen. Dies gilt namentlich auch für das Angebot der Beschwerdeführerin. Das Ar- gument der Vergabebehörde, die Beschwerdeführerin habe die Ein- heitspreise nicht gemäss Ziffer 2 der allgemeinen Bestimmungen der Submission gerechnet, vermag - wie bereits ausgeführt (siehe vorne, Erw. 3) - nicht zu überzeugen. Die Rand- und Rahmenbedingungen haben sich nicht verändert, und von einer wesentlichen Projektände- rung kann ebenfalls nicht die Rede sein. Die Vergabebehörde begründete die Wiederholung den beiden betroffenen Anbieterinnen gegenüber mit "verfahrenstechnischen Gründen", ohne diese allerdings näher zu erläutern. Telefonisch wurde der Beschwerdeführerin gegenüber offenbar auch geltend gemacht, dass die Offertunterlagen nicht komplett gewesen seien. Falls mit "verfahrenstechnischen Gründen" das unzulässige Vorgehen bei der Bereinigung des Angebots der M. AG gemeint sein sollte sowie der anschliessende gescheiterte Versuch, die beiden Konkurrentinnen zur Übernahme der Arbeiten als Arbeitsgemein- schaft zu bewegen, ist festzuhalten, dass sich damit die Wiederho- lung des Verfahrens nicht rechtfertigen lässt. Ebenfalls kein wich- tiger Grund ist die Erweiterung des im Übrigen unverändert geblie- benen Leistungsverzeichnisses um die beiden Positionen "Schaltun- 2003 Submissionen 253 gen" sowie "Unvorhergesehenes und Anpassungen". Es handelt sich hierbei um Regiearbeiten, deren Aufnahme wegen des hypotheti- schen Charakters ihres Umfangs in das Leistungsverzeichnis ohnehin eher fragwürdig ist (vgl. VGE III/83 [BE.2001.00211] vom 9. August 2001 in Sachen E. AG, S. 7 f.). Die Fragwürdigkeit des Einbezugs von Regiestunden in die Preisbewertung zeigt sich gerade auch im hier zu beurteilenden Fall, wie die folgende Übersicht deutlich aufzeigt: (tabellarische Übersicht der Angebote) Bei den Einheitspreisen beträgt die Differenz zwischen dem tiefsten und dem höchsten Angebot Fr. 11'770.15 oder 47.66%. Bei den Regiearbeiten beträgt die Differenz lediglich Fr. 1'023.80 oder 5.87 %. Die Regiearbeiten sind somit wenig aussagekräftig, zumal sie hypothetisch sind, da es sich bei der zugrunde gelegten Stunden- zahl um Schätzungen bzw. Annahmen handelt. Es stellt sich im Üb- rigen die Frage, wieso die Vergabebehörde die wiederum auffallend grosse Preisdifferenz zwischen dem niedrigsten und dem höchsten Angebot - jedenfalls bei den Einheitspreisen - diesmal nicht hinter- fragt hat. Auch die Einladung einer weiteren Anbieterin stellt keinen wichtigen Grund im Sinne von § 22 SubmD dar (vgl. VGE III/98 [BE.1997.00248] vom 3. November 1997 in Sachen M., S. 9 f.). cc) Es bleibt somit festzustellen, dass die Wiederholung des Submissionsverfahren nicht durch einen wichtigen Grund gerecht- fertigt war. Der Vergabebehörde lagen in der ersten Runde zwei gül- tige Angebote vor. Ihr wäre es im Grundsatz möglich gewesen, diese beiden Angebote anhand der in den Offertunterlagen bekannt gege- benen Zuschlagskriterien (Preis 60%, Qualifikation 40%) zu be- urteilen und alsdann einen Zuschlag zu erteilen. Da die Vergabebe- hörde indessen nicht verpflichtet ist, ein angehobenes Vergabeverfah- ren mit einem Zuschlag zu beenden (vgl. § 22 Abs. 1 SubmD), muss es das Verwaltungsgericht bei der Feststellung bewenden lassen, dass das erste Submissionsverfahren ohne genügenden Grund und damit zu Unrecht abgebrochen worden ist.
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2014 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 149 V. Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 25 Baubewilligung; Parkplatzerstellungspflicht Die altrechtliche Beteiligung an einer Gemeinschaftsanlage, welche entge- gen § 62 Abs. 1 aBauG ohne Sicherstellung der dauernden Verfügbarkeit der Parkplätze erfolgte, genügt der Parkfelderstellungspflicht nach § 55 Abs. 1 BauG nicht. Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 19. Februar 2014 in Sa- chen A. gegen Departement Bau, Verkehr und Umwelt und Stadtrat B. (WBE.2013.324). Aus den Erwägungen 2. 2.1. Bei Erstellung und eingreifender Umgestaltung, Erweiterung oder Zweckänderung von Bauten und Anlagen sind genügend Parkfelder für die Fahrzeuge der Benutzer und Besucher sowie die erforderlichen Verkehrsflächen für den Zubringerdienst zu schaffen. Die Parkfelder müssen auf privatem Grund in nützlicher Distanz zur Liegenschaft, der sie zu dienen haben, liegen und dauernd als solche benutzt werden können (§ 55 Abs. 1 BauG). Die Parkierungs- und Verkehrsflächen müssen so ausgelegt sein, dass die Fahrzeuge der Benutzer und Besucher aufgenommen und die Anlieferung bewältigt werden können. Dabei sind die Grösse der Bauten, die Art ihrer Be- nutzung, die Erschliessung durch öffentliche Verkehrsmittel und die Möglichkeiten, andere Parkierungsflächen zu benutzen, zu berück- sichtigen (§ 56 Abs. 1 BauG). Nach der Rechtsprechung des Verwal- tungsgerichts ist von einer Umgestaltung, welche die Parkfelderstel- lungspflicht auslöst, auszugehen, wenn eine eigentliche Veränderung des Baukörpers vorliegt. Blosser Unterhalt und zeitgemässe Erneue- 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 150 rung im Sinne von § 68 lit. a BauG (Besitzstandsgarantie) machen noch keine relevante Umgestaltung aus (vgl. dazu AGVE 1997, S. 317 ff.; 1982, S. 265; 1980, S. 249). Ausschlaggebend ist somit nicht das Bedarfskriterium, sondern das Ausmass der baulichen Massnahmen (AGVE 1997, S. 319; vgl. auch C HRISTIAN H ÄUPTLI , in: Kommentar zum Baugesetz des Kantons Aargau, Bern 2013, § 55 N 28). 2.2. Die Beschwerdeführerin beanstandet die ihr obliegende Pflicht zur Erstellung von sechs Parkfeldern zu Recht nicht. Unbestritten ist sodann, dass vier Parkfelder auf der Parzelle 532 vorhanden sind, bzw. erstellt werden und die zwei weiteren Parkfelder entweder auf privatem Grund (§ 55 Abs. 1 BauG) geschaffen oder nachgewiesen werden müssen. Streitig ist, ob die Beschwerdeführerin den Nachweis für die zwei fehlenden Parkfelder aufgrund von Ersatzleistungen im Zusam- menhang mit der Baubewilligung vom 15. Februar 1971 erbringen kann oder Parkflächen im Parkhaus C. sie von der Ersatzabgabe be- freien. 3. 3.1. In der Baubewilligung vom 15. Februar 1971 wurde die dama- lige Eigentümerin und Bauherrschaft, die Erbengemeinschaft D. ver- pflichtet, für den Umbau der Liegenschaft Restaurant E., Parzelle 532, 12 Parkplätze auf eigenem Grund und Boden sicherzustellen oder, soweit die Sicherstellung auf eigenem Grund und Boden nicht möglich war, sich bei einer geeigneten Parkierungsanlage einzumie- ten. Nach Darstellung der Beschwerdeführerin wurde diese Parkfel- derstellungspflicht von der Erbengemeinschaft D. erfüllt, indem sie im Jahre 1981 40 Aktien der Parkhaus C. AG erwarb. 3.2. Die Parkplatzerstellungspflicht in der Baubewilligung vom 15. Februar 1971 stützte sich auf die kommunale Bauordnung. § 43 Abs. 2 der Bauordnung der Gemeinde B. vom 23. Juni 1960, vom Grossen Rat genehmigt am 27. Juni 1961, lautete: 2014 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 151 "Ist die Erstellung von privaten Abstellplätzen nicht möglich, kann der Grundeigentümer oder Betriebsinhaber durch den Gemeinderat zur Leistung angemessener Beiträge an den Bau öffentlicher Abstellplätze, die der betref- fenden Liegenschaft dienen, verpflichtet werden." Der Grundeigentümer konnte somit seine Pflicht zum Bau von Parkfeldern auf privatem Grund unter bestimmten Voraussetzungen durch eine finanzielle Beteiligung am Bau öffentlicher Parkfelder er- füllen. Diese Ersatzlösung entsprach einer der vier Möglichkeiten, die das am 1. Mai 1972 in Kraft gesetzte aBauG (in Kraft bis 31. März 1994) vorsah. Gemäss § 60 Abs. 1 Satz 1 aBauG waren die Baueigentümer verpflichtet bei der Neuerstellung von Bauten auf privatem Grund, d.h. in der Regel auf dem Baugrundstück, genügend Abstellplätze für die Fahrzeuge der Benützer und Besucher zu schaffen. Stattdessen konnte der Pflichtige die erforderlichen Abstellplätze im Sinne einer Ersatzlösung auch auf einem andern Grundstück bereitstellen oder sich an einer Gemeinschaftsanlage oder an der Finanzierung öffentli- cher Abstellplätze beteiligen (§ 62 Abs. 1 Satz 1 aBauG). Die Ablö- sung der Pflicht zur Erstellung von Abstellplätzen durch die Pflicht zur Zahlung einer Ablösesumme oder der finanziellen Beteiligung an einer Gemeinschaftsanlage sicherte dem Baueigentümer eine gewisse Anzahl reservierter Parkfelder, entsprechend der Zahl der Plätze, die er nach § 60 Abs. 1 bzw. Abs. 3 aBauG auf eigenem oder benachbar- tem Boden zu erstellen verpflichtet gewesen wäre. Voraussetzung war, dass die Parkfelder in nützlicher Distanz zur Liegenschaft, der sie dienten, lagen und ihre dauernde Verfügbarkeit zugunsten der Be- nützer und Besucher der fraglichen Liegenschaft sichergestellt war (§ 62 Abs. 1 Satz 2 aBauG; vgl. E RICH Z IMMERLIN , Baugesetz des Kantons Aargau, Kommentar, 2. Aufl., Aarau 1985, §§ 60-63 N 13 mit Hinweisen). Die Beteiligung an einer Gemeinschaftsanlage war als Vorzugslast ausgestaltet und erforderte zur Erfüllung der bauge- setzlichen Ablösepflicht eine dingliche Sicherung der räumlich abge- grenzten Parkfelder (vgl. dazu AGVE 1977, S. 202; W ALTER M ÜLLER , Die öffentliche Strasse und ihre Benutzung nach aargaui- schem Verwaltungsrecht, Zürich 1973, S. 158; Z IMMERLIN , a.a.O., zu §§ 60-63 N 13). Eine bloss obligatorische Sicherung der Berechti- 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 152 gung galt nicht als zureichende Erfüllung der Ablösepflicht (vgl. AGVE 1983, S. 100, Erw. 5a). Die dingliche Sicherung der Zweckbestimmung von Abstellplätzen und die Pflicht zur Beteili- gung an gemeinsamen oder öffentlichen Abstellplätzen waren im Grundbuch anzumerken (§ 222 Abs. 2 lit. d aBauG). Das aBauG verlangte grundsätzlich die reale Erfüllung der Parkfelderstellungspflicht. Anzumerken ist, dass schon in der Praxis unter dem alten Baugesetz Regelungen der Ablöseverpflichtung be- standen, welche dem System der Ersatzabgabe nahe kamen. In AGVE 1987, S. 252 erwähnt das Verwaltungsgericht in diesem Zu- sammenhang auch die Regelung der Parkhaus C. AG. 3.3. Im Unterschied zum alten Baugesetz normiert § 58 BauG die Pflicht der Bauherrschaft, die keine Parkfelder erstellen oder nachweisen kann, zur Leistung einer Ersatzabgabe. Dies bedeutet einen Systemwechsel: Während sich der betroffene Grundeigentümer altrechtlich durch eine Beteiligung an einer Gemeinschaftsanlage oder mittels Finanzierung öffentlicher Abstellplätze eine entspre- chende Anzahl reservierter Parkfelder sicherte und ihm damit ein wirtschaftlicher Sondervorteil erwuchs, hat er neurechtlich mit der (regelmässig tieferen) Ersatzabgabe lediglich einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass er im Unterschied zu anderen Grundeigentümern seiner Pflicht zur Erstellung von Parkfeldern nicht realiter genügen muss (vgl. AGVE 2002, S. 123). Die Erhebung der Abgabe hängt bloss davon ab, ob die Abstellplätze gebaut werden oder nicht (vgl. H ÄUPTLI , a.a.O., § 58 N 2, 5; Botschaft des Regierungsrats des Kan- tons Aargau an den Grossen Rat vom 21. Mai 1990, 5397, S. 31). Übergangsrechtlich wurde gemäss § 169 Abs. 4 BauG eine nach bisherigem Recht festgelegte Pflicht, sich an der Finanzierung künf- tig zu erstellender Gemeinschaftsanlagen oder öffentlicher Abstell- plätze zu beteiligen, in eine Ersatzabgabe umgewandelt. Betei- ligungspflichten, die vor mehr als 25 Jahren rechtskräftig festgesetzt worden sind, galten als erloschen. Nach der Rechtsprechung des Ver- waltungsgerichts bezieht sich diese Übergangsbestimmung auf alt- rechtliche Beteiligungspflichten, die der Pflichtige durch Leistung des von ihm geforderten Beitrags erfüllt bzw. sichergestellt hatte, 2014 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 153 ohne im Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Baugesetzes den Ge- genwert - in Form der Parkfeld-Benützungsrechte - erhalten zu ha- ben, weil die betreffende Gemeinschaftsanlage bzw. die betreffenden öffentlichen Parkfelder noch nicht erstellt waren. In derartigen Fällen sollte dem Schwebezustand durch Umwandlung der Beteiligungs- pflicht in eine Ersatzabgabe gemäss § 58 BauG ein Ende gesetzt wer- den (vgl. AGVE 2002, S. 119; VGE III/53 vom 10. Mai 2001 [WBE.2000.91], Erw. II/2b). 3.4. 3.4.1.-3.4.2. (...) 3.5. Die Ablösungspflicht in der Baubewilligung wurde 1971 und damit vor dem Inkrafttreten des ersten kantonalen Baugesetzes begründet. Die Ablösungspflicht aus der Baubewilligung vom 15. Februar 1971 wurde nach Darstellung der Beschwerdeführerin im Jahre 1981 vollzogen. Damals galt für Ersatzlösungen § 62 aBauG mit der Verpflichtung, dass die in einem öffentlichen Park- haus sichergestellten Abstellplätze dinglich, d.h. durch Anmerkung im Grundbuch oder mittels Dienstbarkeitsverträgen in ihrer Zweck- bestimmung sichergestellt werden mussten. Die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin erwarb 40 Aktien, entsprechend der Ablö- sungspflicht für 10 Parkplätze. Ein Benützungsrecht an einzelnen Parkflächen im Parkhaus wurde nicht begründet. Der Erwerb der Ak- tien genügte demnach und mangels dinglicher Sicherstellung den Voraussetzungen gemäss § 62 aBauG für die Erfüllung der Park- felderstellungspflicht nach kantonalem Recht nicht. Es liegen auch keine Mietverträge für Parkfelder vor, welche gemäss Auflage in der Baubewilligung vom 15. Februar 1971 als Ersatzlösung vorgesehen waren. Ob und inwieweit die ursprüngliche Regelung in der Bauord- nung der Stadt B. (siehe vorne Erw. 3.2) zwingend eine reale Erfül- lung verlangte und die Ablösung der Pflicht zur Erstellung als Vor- zugslast ausgestaltet waren, kann vorliegend offengelassen werden (siehe dazu auch hinten Erw. 4). Das Baugesetz 1971 enthielt für alt- rechtlich begründete Ersatzlösungen keine Übergangsregelung. (...) 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 154 3.6. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass beim Inkrafttreten von §§ 58 ff. BauG am 1. April 1994 für die Liegenschaft Parzelle 532 keine Pflichten der Eigentümer oder Bauherrschaften zur Erstellung von Parkfeldern oder deren Ablösung offen waren. Übergangsrechtli- che Sachverhalte im Zusammenhang mit Parkfelderstellungspflich- ten gemäss §§ 58 ff. BauG stellen sich keine. (...) 4. 4.1. Gemäss § 55 Abs. 1 Satz 2 BauG müssen die Parkfelder auf pri- vatem Grund in nützlicher Distanz zur Liegenschaft, der sie zu die- nen haben, liegen und dauernd als solche benutzt werden können. Nach § 57 Abs. 1 BauG müssen die Parkfelder ihrer Zweckbestim- mung erhalten bleiben. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungs- gerichts müssen auf Drittgrundstücken Pflichtparkplätze dinglich, d.h. insbesondere durch Errichtung einer Grunddienstbarkeit oder eines Baurechts gesichert sein (AGVE 2013, S. 183; 2002, S. 244). Eine bloss obligatorische Sicherung, wie z.B. die kündbare Miete, genügt demgegenüber nicht (AGVE 2013, S. 183; VGE III/59 vom 30. Oktober 2012 [WBE.2011.400], S. 19; Z IMMERLIN , a.a.O., §§ 60-63 N 13). 4.2. Der Nachweis der rechtlichen Sicherstellung der dauernden und ausschliesslichen Verfügbarkeit der Parkfelder auf andern Grundstü- cken ist von der Frage der Sachverhaltsermittlung zu unterscheiden (VGE III/59 vom 30. Oktober 2012 [WBE.2011.400], S. 19 f.). Den Nachweis hat der Baugesuchsteller im Baugesuch zu erbringen. Im Ergebnis ist dem Stadtrat daher nicht vorzuwerfen, die Beschwer- deführerin könne den Nachweis der Sicherstellung nicht führen, da vermutungsweise vorhandene ältere Protokolle des Stadtrats fehlten bzw. dieser sich nicht darum bemühte. Die Protokolle des Stadtrats können, unabhängig von deren Datum, nicht zum Nachweis einer dinglichen Berechtigung dienen, dafür sind entsprechende Eintra- gungen im Grundbuch erforderlich (siehe vorne Erw. 3.2 und 4.1). Die Baubewilligungsbehörde hat die Grundbuchauszüge beigezogen und ist damit ihrer Pflicht zur Erhebung des rechtserheblichen Sach- 2014 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 155 verhalts unter Beachtung der (relevanten) Vorbringen der Parteien nachgekommen. Ältere Protokolle oder die Baugesuchakten aus dem Jahre 1971, welche vor Inkrafttreten des (neuen) Baugesetzes datie- ren, sind zur Beurteilung der Parkplatzsituation und der Ersatzabgabe für aktuelle Neu- beziehungsweise Umbauvorhaben der Beschwerde- führerin nicht massgebend. Die entsprechenden Beweisanträge der Beschwerdeführerin sind daher mangels Relevanz abzuweisen. Nach der Änderung der Rechtslage, insbesondere mit der Ab- schaffung der altrechtlichen Ersatzlösungen (Beteiligung an einer Gemeinschaftsanlage oder Finanzierung öffentlicher Abstellplätze; siehe vorne Erw. 3.3), und im Zusammenhang mit der (neuen) Baubewilligung vom 17. Dezember 2012 ist auch nicht ersichtlich, was die Beschwerdeführerin aus entsprechenden Dokumenten ablei- ten möchte. 4.3. Das Eigentum an den Aktien der Parkhaus C. AG erbringt den Nachweis der dauernden und ausschliesslichen Verfügbarkeit von konkreten Parkfeldern (§§ 55 ff. BauG) nicht. Der Aktienbesitz und auch die reglementarischen Rechte der Beschwerdeführerin als Aktionärin der Parkhaus C. AG belegen keine dinglich gesicherten Benützungsrechte an einzelnen Parkflächen zugunsten der Beschwer- deführerin oder der Parzelle 532. Von den im Reglement vorgesehe- nen Möglichkeiten eines ausschliesslichen obligatorischen oder dinglichen Nutzungsrechts an Parkfeldern hat die Beschwerdeführe- rin keinen Gebrauch gemacht. Es kann daher offengelassen werden, ob eine dieser Möglichkeiten den Anforderungen an die Sicherstel- lung gemäss BauG genügen kann. Die Vorinstanzen haben daher zu Recht festgestellt, dass zwei der sechs notwendigen Parkfelder nicht auf der Parzelle 532 erstellt werden und für die fehlenden Parkfelder auch die erforderliche Sicherstellung auf privatem Grund fehlt. 5. 5.1. (...) 5.2. Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, sie sei nicht er- satzpflichtig, weil ihre Rechtsvorgängerin bereits Ersatzabgaben für 2014 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 156 Parkplätze der Parzelle 532 geleistet hat, verkennt sie die Rechtsna- tur und die Grundlagen der Ersatzabgabe. Mit der Ersatzabgabe wird nur - aber immerhin - die Realerfüllung (hier die Erstellung eigener Parkfelder) von Pflichten im Zusammenhang mit einem Bauvorha- ben abgelöst; es werden keine (virtuellen) Parkflächen zulasten der Öffentlichkeit erworben. Die Leistung einer Ersatzabgabe verschafft dem Grundeigentümer und seinen Rechtsnachfolgern keine Rechts- position, die sie für die Zukunft von Ersatzabgaben befreien könnte. Der Umstand, dass in einer öffentlichen Gemeinschaftsanlage Park- felder existieren und die Ablösung der Pflicht mittels Erwerb von Aktien der Parkhaus C. AG seinerzeit (1978 und 1981) als genügen- der Ersatz qualifiziert wurde, fällt für die Beurteilung nicht in Be- tracht. Eine Besitzstandsgarantie gemäss § 68 BauG besteht nur bei Bauten und Anlagen. Ein Bestandsschutz käme daher nur bestehen- den privaten Parkierungsanlagen, die rechtmässig (baubewilligungs- konform) erstellt wurden, zu. Solche Parkflächen mit dinglicher Be- rechtigung werden nicht behauptet. Die unbestrittene Parkfelderstel- lungspflicht für das vorliegende Bauvorhaben löst auch die neurecht- liche Ablösungspflicht mittels Ersatzabgaben aus. An dieser Pflicht vermag auch der Vermerk im Aktienregister und auf den Aktienzertifikaten nichts zu ändern. Richtig ist, dass mit dem Stempelaufdruck die mehrmalige Verwendung der Aktien zur Abgeltung von Ablösepflichten verhindert werden soll. Der Wortlaut schliesst die Verwendung dieser Aktien zur Abgeltung von Ablöse- pflichten generell aus, also auch für Ersatzabgaben. Jedenfalls mit Inkrafttreten von §§ 58 ff. BauG und § 63 der Bau- und Nutzungs- ordnung hat der Vermerk seine Bedeutung gewandelt. Er dient allen- falls als Ausweis für die Erfüllung altrechtlicher Ablösepflichten. Hinzu kommt, dass die Parkhaus C. AG eine private Unternehmung ist, auch wenn die Stadt B. eine substantielle Beteiligung hat. Aus dieser privatrechtlichen Ordnung können keine bestandesgeschützten Ansprüche gegen den Staat abgeleitet werden.
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2009 Sozialhilfe 223 VII. Sozialhilfe 42 Wiedererwägung; eigene Mittel - Die (materielle) Prüfung der Anspruchvoraussetzungen aufgrund ei- nes Gesuchs um Wiedererwägung schliesst einen Prozessentscheid aus. - Voraussetzung der Anrechnung eigener Mittel ist deren tatsächliche Verfügbarkeit. Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 30. Juli 2009 in Sachen D.A. gegen den Regierungsrat des Kantons Aargau (WBE.2008.410). Aus den Erwägungen 3. 3.1. Gemäss § 25 Abs. 1 aVRPG kann eine Verfügung oder ein Ent- scheid auf Gesuch eines Betroffenen durch die erstinstanzlich zustän- dige Behörde in Wiedererwägung gezogen werden, was bedeutet, dass die zuständige Instanz ihre ursprüngliche Verfügung aufhebt, den Fall neu beurteilt und anschliessend neu verfügt (AGVE 1994, S. 460; AGVE 1986, S. 165 mit Hinweisen). Eine Wiedererwägung kann sich nur auf eine erstinstanzliche Verfügung beziehen (Ulrich Häfelin / Georg Müller / Felix Uhlmann, Allgemeines Verwaltungs- recht, 5. Auflage, Zürich 2006, Rz. 1830). Ist die Verfügung ur- sprünglich fehlerhaft, so wird die Änderung grundsätzlich ex tunc wirksam (Häfelin / Müller / Uhlmann, a.a.O., Rz. 1049). Ein neues Gesuch hingegen entfaltet seine Wirkung erst ab dessen Rechts- hängigkeit. Bei der Wiedererwägung handelt es sich grundsätzlich nicht um ein förmliches Rechtsmittel, sondern um einen blossen Rechtsbehelf, der weder an Fristen noch an eine bestimmte Form gebunden ist 2009 Verwaltungsgericht 224 (AGVE 1994, S. 460 mit Hinweisen). Ein Rechtsanspruch auf Wie- dererwägung besteht lediglich dann, wenn neue, nach dem Erlass der ersten Verfügung oder des ersten Entscheides entstandene Umstände angeführt werden, so dass ein völlig neues Gesuch vorliegt (BGE 113 Ia 152). Anspruch auf Sozialhilfe besteht, sofern die eigenen Mittel nicht genügen und andere Hilfeleistungen nicht rechtzeitig erhältlich sind oder nicht ausreichen (§ 5 Abs. 1 SPG; Art. 12 BV; § 25 Abs. 2 lit. d KV). Der Anspruch auf die Sicherung des Existenzminimums schliesst mit ein, dass bedürftige Personen jederzeit ein neues Ge- such stellen können und die Abweisung eines Gesuchs grundsätzlich keine Rechtskraftwirkung für die Zukunft entfalten kann. Das Recht, jederzeit ein Gesuch um materielle Hilfe zu stellen und einen Entscheid zu verlangen, steht wie jede Rechtsausübung unter dem Vorbehalt des Vertrauensgrundsatzes, des Rechtsmiss- brauchsverbotes sowie des Grundsatzes von Treu und Glauben. Im Verfahren vor den Sozialbehörden gelten die Bestimmungen des Verwaltungsrechtspflegegesetzes (§ 58 Abs. 4 SPG) und der Grund- satz von Treu und Glauben, welcher für alle Verfahrensbeteiligten bei der Rechtsanwendung zur Anwendung kommt (§ 3 Abs. 2 Satz 1 aVRPG). Die Behörden sind zudem berechtigt, auf Eingaben, die auf missbräuchlicher Prozessführung beruhen, nicht einzutreten (§ 3 Abs. 2 Satz 2 aVRPG). 3.2. (...) 4. 4.1. Der KSD wie auch der Regierungsrat des Kantons Aargau be- handelten das Gesuch des Beschwerdeführers vom 20. Mai 2008 zwar als ein Wiedererwägungsgesuch, indessen prüfte der KSD mittels Anfragen bei der Postfinance, ob ein Geldtransfer aus Syrien in die Schweiz möglich sei. Auch für die Vorinstanz waren die Nachforschungen des KSD nach Einreichung des neuen Gesuchs um materielle Hilfe entscheidend, um den Anspruch auf Wiedererwä- gung zu verneinen. 2009 Sozialhilfe 225 4.2. Bei der Prüfung des Gesuchs 19. März 2008 sah der KSD von weiteren Abklärungen zum Vermögen in Syrien ab und nahm diese erst mit dem Wiedererwägungsgesuch an die Hand. Die Vorinstanzen verkennen, dass der KSD mit seiner Anfrage bei der Postfinance den Inhalt der Verfügung vom 26. März 2006 materiell überprüfte und im Entscheid vom 16. Juni 2008 die fehlende Notlage des Beschwerde- führers vor allem mit den Abklärungen zur Verfügbarkeit der eigenen Mittel begründete. Die Prüfung der rechtzeitigen Verfügbarkeit der eigenen Mittel zur Behebung der Notlage war auch unabdingbar (siehe hinten Erw. 5) und insofern lagen auch neue Tatsachen vor, welche einen Anspruch auf Wiedererwägung begründeten (siehe vorne Erw. 3.1). Der KSD hat daher zu Recht die Verfügung vom 26. März 2008 inhaltlich überprüft und ist damit im angefochtenen Entscheid auch auf das Wiedererwägungsgesuch materiell ein- getreten (AGVE 1994, S. 460 f.). Der Nichteintretensentscheid des KSD ist somit formell unrichtig; nach der Überprüfung und Bejahung der Transfermöglichkeiten hätte er das Gesuch formell abweisen müssen. Die Beschwerde erweist sich damit schon aus formellen Grün- den als begründet. 5. 5.1. (...) 5.2. Wer objektiv in der Lage wäre, aus eigener Kraft die für das Überleben erforderlichen Mittel selber zu verschaffen, hat keinen Anspruch auf Sozialhilfe, da sich eine solche Person nicht in einer Notsituation befindet, auf welche das Recht auf Hilfe in Notlagen und damit auf Ausrichtung von Sozialhilfe zugeschnitten ist (§ 5 Abs. 1 SPG). Bei ihr fehlt es bereits an den Anspruchsvoraussetzun- gen (BGE 130 I 71 Erw. 4). Soweit ein Sozialhilfebezüger über Vermögen verfügt, ist er ge- stützt auf das Subsidiaritätsprinzip grundsätzlich verpflichtet, dieses - unter Ansetzung einer angemessenen Frist - zu verwerten (§ 11 Abs. 3 SPG; siehe auch Felix Wolffers, Grundriss des Sozialhilfe- rechts, 2. Auflage, Bern 1999, S. 71 f., 155 f.). Zugestanden wird 2009 Verwaltungsgericht 226 unterstützten Personen lediglich der Vermögensfreibetrag von Fr. 1'500.-- pro Person, maximal jedoch Fr. 4'500.-- pro Unterstüt- zungseinheit (§ 11 Abs. 4 i.V.m. § 32 SPV; siehe auch Wolffers, a.a.O., S. 155 f.). Unterbleibt die Verwertung nach Ablauf der ange- setzten Frist, wird der daraus mutmasslich zu erzielende Erlös be- rücksichtigt (§ 11 Abs. 4 SPG). Massgebend ist aber immer, dass die hilfesuchende Person die eigenen Mittel "rechtszeitig erhältlich" (§ 5 Abs. 1 SPG) machen kann. Der Beschwerdeführer deklarierte mit seinem Gesuch um mate- rielle Hilfe vom März 2008 ein "Barvermögen von 15'000.-- Dollar Syrien". Gestützt auf diese Angaben verneinte der KSD in der Verfü- gung vom 26. März 2008 die Notlage. Mit dem Wiedererwägungsge- such vom 20. Mai 2008 machte der Beschwerdeführer geltend, er könne über dieses Vermögen nicht verfügen. Die eingeschränkten Zugriffsmöglichkeiten des Beschwerdeführers hätten Anlass zu Auflagen oder Weisungen zur Verwertung des Vermögens innert ei- ner bestimmten Frist geben können, nicht aber zur Ablehnung des Gesuchs auf materielle Unterstützung. Das Vermögen befand sich in Syrien und der KSD war unter diesen Umständen verpflichtet, die näheren Umstände und die Zugriffsmöglichkeiten des Beschwerde- führers zu berücksichtigen. Diese Überprüfung erfolgte, wie erwähnt, erstmals im Wiedererwägungsverfahren (siehe vorne Erw. 4) und mit dem Ergebnis, dass dem Beschwerdeführer ein Geldtransfer über die Firma "Western Union" möglich sei. Auch bei diesem Ergebnis war die Verweigerung der Nothilfe unrechtmässig, weil der Beschwerdeführer im Zeitpunkt des Entscheids seine Notlage nicht mit diesen eigenen Mitteln beheben konnte. Der Beschwerdeführer hat aufgrund der fehlenden zeitgerechten Verfügbarkeit des Vermö- gens vielmehr Anspruch auf materielle Unterstützung ab 17. März 2008. Zusammenfassend erweist sich der Nichteintretensentscheid des KSD als unrechtmässig, weshalb die Verfügung des KSD vom 16. Juni 2008 sowie der Entscheid des Regierungsrates des Kantons Aargau vom 3. Dezember 2008 in Gutheissung der Beschwerde auf- zuheben sind.
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2008 Verwaltungsrechtspflege 297 [...] 52 Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand. - Unterschiedliche Anspruchsvoraussetzungen im Verfügungs- und Rechtsmittelverfahren. Urteil des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 10. März 2008 in Sachen M. gegen das Departement Volkswirtschaft und Inneres (WBE.2008.1). Aus den Erwägungen 1. Der Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege hat Verfassungs- rang (Art. 29 Abs. 3 BV; § 22 Abs. 2 KV). § 35 Abs. 2 und 3 VRPG konkretisieren diesen Anspruch für das Verfahren vor den Verwal- tungs- und Verwaltungsjustizbehörden (§ 1 Abs. 1 VRPG; vgl. auch AGVE 1984, S. 419 ff.). Danach kann den Verfahrensbeteiligten die Bezahlung von Kosten und die Leistung von Kostenvorschüssen er- 2008 Verwaltungsgericht 298 lassen werden, wenn ihnen die nötigen Mittel fehlen und ihr Begeh- ren nicht offenbar aussichtslos ist; wo die Schwere einer Massnahme oder die Rechtslage es rechtfertigt, kann auch ein unentgeltlicher Rechtsvertreter bestimmt werden. Die Formulierung schliesst Ver- fahren, die von Amtes wegen eingeleitet wurden, nicht aus, kann doch der in ein solches Verfahren einbezogene Private auch dort Be- gehren stellen. Es entspricht denn auch konstanter Rechtsprechung des Bundesgerichts, den Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, insbesondere denjenigen auf die vorliegend in Frage stehende unent- geltliche Verbeiständung, bei gegebenen Voraussetzungen in jedem staatlichen Verfahren zu bejahen, "in das der Gesuchsteller einbezo- gen wird oder das zur Wahrung seiner Rechte notwendig ist" (BGE 130 I 182; 128 I 227; vgl. auch AGVE 2002, S. 100). Zum gleichen Schluss führt die systematische Stellung von § 35 VRPG im 2. Abschnitt des VRPG mit dem Titel "Allgemeine Verfahrensvor- schriften", welcher grundsätzlich für alle erstinstanzlichen Verwal- tungsverfahren (Verfügungsverfahren) ebenso wie für die verwal- tungsinternen und die gerichtlichen Beschwerdeverfahren Anwen- dung findet. Die unterschiedliche Ausgestaltung des Verfügungs- und des Rechtsmittelverfahrens erfordert indessen eine differenzierte Prüfung der beiden vorliegend strittigen Voraussetzungen der Notwendigkeit des Beizugs eines Vertreters (nachstehend Erw. 2) und der Nichtaus- sichtslosigkeit des Rechtsbegehrens. Die Mittellosigkeit ist aufgrund der vorliegenden Akten gegeben. 2. 2.1. 2.1.1. Im Verfügungsverfahren geht es darum, die für den eigenen Standpunkt sprechenden Fakten und Argumente in das Verfahren einzubringen. Der geltende Untersuchungsgrundsatz (§ 20 VRPG) stellt keineswegs sicher, dass alle gegen die Anordnung der Behörde sprechenden Gesichtspunkte im Verfahren berücksichtigt werden; dies schon allein deshalb, weil sie in vielen Konstellationen keine Kenntnis davon hat. Entsprechend bejaht das Bundesgericht die Not- wendigkeit eines unentgeltlichen Rechtsvertreters auch in den vom 2008 Verwaltungsrechtspflege 299 Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verfahren (Entscheid des Bun- desgerichts vom 23. Januar 2007 [2P.295/2006], Erw. 2.4; siehe auch BGE 130 I 183 f.): "Dass in einem Verfahren die Offizial- bzw. Untersuchungsmaxime zur Anwendung gelangt, lässt eine anwaltliche Vertretung der am Verfahren Beteiligten nicht ohne weiteres als unnötig erscheinen. Die Erfahrung zeigt, dass ein schlecht begonnenes Verfahren später nur sehr schwer in die rich- tige Bahn zu bringen ist. Abgesehen davon, dass die Untersuchungsmaxime allfällige Fehlleistungen der Behörde nicht zu verhindern vermag, ist sie auch nicht unbegrenzt. Sie verpflichtet die Behörde zwar, von sich aus alle Elemente in Betracht zu ziehen, die entscheidwesentlich sind, und unab- hängig von den Anträgen der Parteien Beweise zu erheben. Diese Pflicht entbindet die Beteiligten indessen nicht davon, durch Hinweise zum Sach- verhalt oder Bezeichnung von Beweisen am Verfahren mitzuwirken." (Zi- tate weggelassen) Im Verfügungsverfahren ist deshalb für die Prüfung der Not- wendigkeit der Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsvertreters insbesondere von Bedeutung, wie weit der Betroffene gemessen an Intelligenz, Bildungsniveau, Sprachkenntnis und Kenntnis der we- sentlichen rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten die ent- scheidwesentlichen Punkte überhaupt erkennen und durch Mitwir- kung im Verfahren das für ihn Sprechende einbringen kann. 2.1.2. Im Rechtsmittelverfahren kann der Betroffene demgegenüber aufgrund der erstinstanzlichen Verfügung (zumindest wenn diese korrekt und ausreichend begründet ist) erheblich besser erkennen, gegen welche Sachverhaltsfeststellungen er sich wehren muss und was er für seine Interessenwahrung vorbringen kann. Dieser Verein- fachung stehen indessen als Erschwernis die im Rechtsmittelverfah- ren zu beachtenden Verfahrensvorschriften und prozessualen For- men, die im Verfügungsverfahren kaum Gewicht haben, gegenüber. 2.1.3. Daraus ergibt sich, dass die unentgeltliche Verbeiständung im Verfügungsverfahren vor allem im Hinblick auf die materiell-rechtli- chen Aspekte und im Rechtsmittelverfahren zusätzlich - gegebenen- 2008 Verwaltungsgericht 300 falls sogar vorwiegend - im Hinblick auf die formellen Aspekte indi- ziert sein kann. 2.2. Der Anspruch auf einen unentgeltlichen Rechtsvertreter im Ver- fügungsverfahren gilt nicht uneingeschränkt. Ohne zwischen Verfü- gungs- und Rechtsmittelverfahren zu differenzieren, umschreibt das Bundesgericht die Schranken wie folgt (vgl. BGE 130 I 182 f. mit Hinweisen): "Die bedürftige Partei hat Anspruch auf unentgeltliche Verbeistän- dung, wenn ihre Interessen in schwerwiegender Weise betroffen sind und der Fall in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten bietet, die den Beizug eines Rechtsvertreters erforderlich machen. Droht das in Frage stehende Verfahren besonders stark in die Rechtsposition der betroffenen Person einzugreifen, ist die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsvertre- ters grundsätzlich geboten, sonst nur dann, wenn zur relativen Schwere des Falles besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten hinzukom- men, denen der Gesuchsteller auf sich alleine gestellt nicht gewachsen wäre." Das Bundesgericht differenziert somit bei der Beurteilung, wann in einem (tatsächlich oder rechtlich schwierigen) Verfahren die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsvertreters notwendig ist, da- nach, ob besonders stark in die Rechtsposition des Betroffenen ein- gegriffen wird oder ob das Verfahren für diesen zwar ebenfalls fol- genschwer, aber doch weniger einschneidend erscheint. Trifft Letzte- res zu, so stellt das Bundesgericht zusätzlich auf die Fähigkeiten des Betroffenen ab, sich selbst zur Wehr zu setzen. Auf das Verfügungs- verfahren übertragen ist in diesem Zusammenhang von Relevanz, wie weit der Betroffene aufgrund seiner Fähigkeiten imstande er- scheint, die entscheidwesentlichen Punkte zu erkennen und die für ihn sprechenden Aspekte ins Verfahren einzubringen. Dabei ist ihm die Unterstützung, die ihm von Gesetzes oder von Vertrags wegen zusteht, anzurechnen. Zu denken ist hier etwa an gesetzliche Vertre- ter (Vormund/Beistand) (vgl. dazu Alfred Bühler, in: Kommentar zur aargauischen Zivilprozessordnung, 2. Aufl., Aarau/Frankfurt a.M./ Salzburg 1998, § 126 N 6) oder an die Hilfe von Beratungsstellen. Zusätzlich zu berücksichtigen ist, welche später nur noch schwer zu 2008 Verwaltungsrechtspflege 301 behebenden Nachteile ein ungeeignetes Handeln im Verfügungs- verfahren mit sich bringen kann. Diese sind insbesondere dann erheblich, wenn im Rechtsmittelverfahren das Vorbringen neuer Tatsachenbehauptungen, Beweismittel und Argumente eingeschränkt ist.
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2002 Submissionen 325 79 "Erfahrung/Kenntnis örtl. Abwassersystem" als Zuschlagskriterium. - Zuordnung des Teilkriteriums "Erfahrung/Kenntnis örtl. Abwasser- system" (Erw. 4/b). - Praxis des Verwaltungsgerichts (Erw. 4/c/bb). - Die bei einem Anbieter vorhandenen Kenntnisse über das örtliche Abwassersystem stellen für die Vergabe der Erstellung des generellen Entwässerungsplans kein zulässiges Zuschlagskriterium dar, da der konkrete Auftrag keine solchen spezifischen Vorkenntnisse erfordert (Erw. 4/c/bb/ddd). - Verletzung des Gleichbehandlungsgebots (Erw. 4/d). Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 29. Oktober 2002 in Sachen G. gegen Gemeinderat Jonen. Aus den Erwägungen 4. a) Die Vergabebehörde hat unter dem Zuschlagskriterium "Erfahrung/Referenzen" den Teilaspekt "Erfahrung/Kenntnis örtl. Abwassersystem" mit maximal 5 Punkten (von insgesamt 30 Punk- ten für "Erfahrung/Referenzen") bewertet. Die Zuschlagsempfänge- rin hat dabei als einzige Anbieterin das Punktemaximum erhalten; die Beschwerdeführerin wurde mit drei Punkten bewertet. Der Ge- meinderat begründet die Besserbewertung damit, dass der Begriff Erfahrung in einem umfassenderen Sinn zu verstehen sei und im konkreten Fall auch subjektive Kenntnisse bzw. einen Wissensvor- sprung beinhalte, der für die Vergabestelle von grosser Bedeutung sei. Die K. AG verfüge über umfangreiche und detaillierte Kennt- nisse des Abwassernetzes Jonen, da sie es letztmals im Rahmen des Neubaus des Regenbeckens Ottenbach-Jonen (Planung und Inbe- triebnahme 1998/1999) eingehend untersucht habe. Die K. AG habe schon 1968 die ARA Ottenbach-Jonen gebaut und betreue seitdem die Anlage technisch und baulich ohne Unterbruch bis heute. b) aa) Die Beschwerdeführerin ist zunächst der Auffassung, das Teilkriterium "Erfahrung/Kenntnis örtl. Abwassersystem" habe nichts mit dem Zuschlagskriterium "Erfahrung/Referenzen" zu tun. 2002 Verwaltungsgericht 326 Falls es überhaupt zulässig sei, hätte die Vergabestelle es (als eigen- ständiges Kriterium) definieren müssen. Nach Meinung des Gemein- derats hingegen lässt sich das Teilkriterium "Erfahrung/Kenntnis örtl. Abwassersystem" dem Zuschlagskriterium "Erfahrung/Referenzen" klar zuordnen. bb) Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts ist die Vergabebehörde nicht verpflichtet, zum Voraus bekannt zu geben, wie sie die Zuschlagskriterien im Einzelnen zu bewerten gedenkt. Ob daran vor dem Hintergrund der neueren bundesgerichtlichen Recht- sprechung auch künftig noch festzuhalten ist, braucht im vorliegen- den Fall nicht entschieden zu werden (vgl. allerdings AGVE 2002 78, S. 321 [=VGE III/63 vom 15. August 2002 [BE.2002.00220] in Sachen A. AG, S. 7 f.] mit Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichts vom 24. August 2001 [2P.299/2000], Erw. 2/c). Die nachträgliche Unterteilung der Zuschlagskriterien in Sub- oder Teilkriterien stellt nach der verwaltungsgerichtlichen Praxis lediglich ein Hilfsmittel für eine differenzierte Bewertung dar. Die einzelnen Teilkriterien müssen sich allerdings einem in der Ausschreibung ausdrücklich aufge- führten Zuschlagskriterium zuordnen lassen bzw. davon mitumfasst werden; es dürfen hierbei nicht etwa neue Zuschlagskriterien ge- schaffen oder herangezogen werden (AGVE 2001, S. 346 mit Hin- weisen). Weiter dürfen die Anbieter darauf vertrauen, dass die Ver- gabestelle die üblichen Zuschlagskriterien - wie sie auch in § 18 Abs. 2 SubmD genannt sind - im herkömmlichen Sinn versteht; an- dernfalls müssen sie in den Ausschreibungsunterlagen entsprechend (möglichst detailliert) umschrieben werden, damit die Anbieter erkennen können, welchen Anforderungen sie bzw. ihre Angebote genügen müssen (AGVE 1998, S. 393 f.; 2001, S. 346). cc) Vertretbar erscheint zwar die Ansicht des Gemeinderats, die Kenntnis des örtlichen Abwassersystems lasse sich dem Zu- schlagskriterium "Erfahrung/Referenzen" zuordnen. Die Vergabebe- hörde hat im vorliegenden Fall in den Ausschreibungsunterlagen aber die Zuschlagskriterien einschliesslich der zugehörigen Teilkriterien bekannt gegeben. Anhaltspunkte dafür, dass diese Aufzählung nicht vollständig und abschliessend sein sollte, lassen sich den Ausschrei- bungsunterlagen und dem Pflichtenheft nicht entnehmen. Beim 2002 Submissionen 327 Kriterium "Erfahrung/Referenzen" waren massgebend die "Erfahrung als GEP-Ingenieur", "Referenzen", "Qualifikation des Projektleiters und der wichtigsten Sachbearbeiter". Das Teilkriterium "Erfahrung/Kenntnisse örtl. Abwassersystem" wurde hingegen nicht genannt. Schon aus diesem Grund erscheint es eher fraglich, wenn die Vergabebehörde die Kenntnis des örtlichen Abwassersystems in Abweichung von den bekannt gegebenen Teilkriterien nachträglich als weiteres Teilkriterium heranzieht. Direkt zuordnen lässt sich die Kenntnis des örtlichen Abwassersystems jedenfalls weder der Er- fahrung als GEP-Ingenieur noch den Referenzen noch der Qualifika- tion des Projektsleiters und der wichtigsten Sachbearbeiter. Fraglich ist aber auch die Zulässigkeit des Teilkriteriums als solches, na- mentlich seine sachliche Rechtfertigung im Hinblick auf die zu ver- gebenden Leistungen. c) aa) Das Submissionsdekret statuiert in § 1 Abs. 1 den Grund- satz der Gleichbehandlung der Anbietenden, der in allen Phasen des Vergabeverfahrens gilt, und untersagt den Vergabebehörden jede Diskriminierung der Anbietenden. Den diskriminierungsfreien Zu- gang zu den öffentlichen Beschaffungen durch Kantone und Ge- meinden fordert auch Art. 5 BGBM. Das Bundesgericht geht davon aus, dass das BGBM sowohl die Gleichbehandlung ortsfremder und ortsansässiger Anbieter als auch die Gleichbehandlung Ortsansässi- ger untereinander sicherstellt (BGE 125 I 410 f.; Urteil des Bundes- gerichts vom 30. Mai 2000 [2P.151/1999], E. 1c). Insofern kommt dem BGBM die Bedeutung eines allgemein geltenden Diskriminie- rungsverbots bzw. Gleichbehandlungsgebots für das kantonale und kommunale öffentliche Beschaffungswesen zu (vgl. Andreas Bass / Alberto Crameri / Herbert Lang / Vinicio Malfanti / Philipp Spörri, Die Anwendung des Binnenmarktgesetzes auf Ortsansässige, in: ZBl 2000, S. 249 ff.). bb) aaa) Das Verwaltungsgericht hat sich mit der Frage, wie be- sondere ortspezifische Kenntnisse eines Anbieters bzw. ein Wissens- vorsprung bezüglich der zu vergebenden Arbeiten im Rahmen der Offertbewertung zu beurteilen sind, schon unter verschiedenen Aspekten auseinandergesetzt. 2002 Verwaltungsgericht 328 Im Zusammenhang mit der Anwendung des Binnenmarktge- setzes hat das Verwaltungsgericht festgehalten, die Örtlichkeits- kenntnisse des Anbieters müssten durch den konkreten Auftrag sach- lich klar gefordert sein; sie dürften nicht lediglich dazu dienen, die einheimischen Anbieter binnenmarktgesetzwidrig zu begünstigen. Es sei aber grundsätzlich denkbar, dass die Eigenart eines zu vergeben- den Auftrags Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse erfordere und diese auch als sachlich gerechtfertigtes Vergabekriterium erscheinen lasse (AGVE 1998, S. 375; VGE III/125 vom 28. August 1998 [BE.1998.00141] in Sachen ARGE K. und Mitb., S. 15; III/106 vom 14. August 1998 [BE.1998.00186] in Sachen K. u. M., S. 15). Frühere Arbeiten, die ein Anbieter für den Auftraggeber ausge- führt hat, und die in irgend einer Weise im Zusammenhang mit dem neu zu vergebenden Auftrag stehen, können zu einem Wissensvor- sprung des betreffenden Anbieters führen, der Teil der unterneh- merischen Erfahrung bildet, zum besonderen Know-how des betref- fenden Unternehmers gehört. Zur Frage, ob ein solcher Wissensvor- sprung ein relevantes Zuschlagskriterium sein könne, hat das Ver- waltungsgericht erwogen, dass dafür aus Sicht des konkreten Pro- jekts eine klare sachliche Rechtfertigung gegeben sein müsse. Solche Konstellationen seien für besonders komplexe, einzigartige oder fachlich sehr anspruchsvolle Anlagen, die nach ausgesprochenen Kennern oder Spezialisten rufen, durchaus denkbar. Wo es sich da- gegen um nicht überdurchschnittlich komplizierte Aufträge handle, die in gleicher oder ähnlicher Weise in grosser Zahl vergeben wür- den, sei ein Wissensvorsprung der genannten Art kein sachlich halt- bares Kriterium für die Arbeitsvergabe (VGE III/18 vom 5. Februar 1998 [BE.1997.00355] in Sachen E., S. 13 f.; III/175 vom 15. Dezember 1998 [BE.1998.00264] in Sachen der Beschwerdefüh- rerin, S. 11 f.). Das Verwaltungsgericht hat die Berücksichtigung eines aus früheren Arbeiten stammenden Wissensvorsprungs bei herkömmlichen Elektroinstallationsarbeiten abgelehnt (erwähnter VGE in Sachen E., S. 14) und im Zusammenhang mit der Vergabe von Vermessungsarbeiten (Neuvermessung) selbst dann als "äusserst fraglich" erklärt, falls die Vergabebehörde die ortspezifischen Kennt- nisse bzw. den Wissensvorsprung ausdrücklich als Vergabekriterium 2002 Submissionen 329 festgelegt hätte (erwähnter VGE in Sachen der Beschwerdeführerin, S. 13 f.). In einem kürzlich ergangenen Urteil im Zusammenhang mit der Vergabe von Sanierungsarbeiten hat das Verwaltungsgericht den Standpunkt der Vergabebehörde, die spezifischen Gebäudekenntnisse und Erfahrungen mit dem Sanierungsobjekt, die eine der An- bieterinnen aufwies, unter dem Titel "Referenzen" nicht mit einer Besserbewertung zu berücksichtigen, als im Ermessen der Vergabe- stelle liegend geschützt (VGE III/77 vom 23. September 2002 [BE.2002.00257] in Sachen ARGE B. u. Mitb., S. 16 f.). bbb) Das Verwaltungsgericht hat anderseits mehrfach festge- stellt, der Tatsache, dass die Vergabebehörde über eigene Erfahrun- gen mit einer Anbieterin (für vergleichbare Leistungen) verfüge und die Zusammenarbeit problemlos und zur vollen Zufriedenheit der Behörde verlaufen sei, dürfe im Rahmen der Referenzbewertung in einem gewissen Umfang durchaus Rechnung getragen werden. Dies stelle grundsätzlich noch keine Ermessensüberschreitung dar. Jedoch dürfe die Berücksichtigung der Erfahrung aus der bisherigen Zusam- menarbeit nicht dazu führen, dass Anbieter, mit denen keine solche einschlägige Erfahrungen vorhanden sind, im Verfahren von vornher- ein chancenlos seien (VGE III/117 vom 15. November 2001 [BE.2001.00339] in Sachen B. AG, S. 11 f. mit Hinweis). ccc) Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich hat es als zu- lässig erachtet, die besonderen Kenntnisse eines Anbieters über das zu spülende örtliche Kanalnetz bei der Vergabe von Kanalspülar- beiten mit einem Gewicht von 10% als Zuschlagskriterium - es wurde den Anbietern allerdings vorgängig als relevantes Zuschlags- kriterium ("Ortskenntnisse 10%") in den Ausschreibungsunterlagen bekannt gegeben - zu berücksichtigen (Entscheid vom 6. Juni 2001 [VB.2000.00391] E. 3). Es hat aber auch festgehalten, es sei nicht Sinn und Zweck des Vergabeverfahrens, die bisherigen Leistungser- bringer zu bevorzugen, weil sie - sofern ihnen der Zuschlag erteilt werde - naturgemäss mit den örtlichen Verhältnissen besser vertraut seien. Dem bisherigen Leistungserbringer dürften keine Vorteile ge- währt werden, die andern Anbietern verwehrt seien (vgl. auch Peter Galli / Daniel Lehmann / Peter Rechsteiner, Das öffentliche Beschaf- 2002 Verwaltungsgericht 330 fungswesen in der Schweiz, Zürich 1996, Rz. 194). Durch eine sol- che Bevorzugung würde das Gebot der Gleichbehandlung aller Anbieter sowie die Pflicht zu einer unparteiischen Vergabe verletzt. Im konkreten Fall kam dem Kriterium "Ortkenntnisse" für den zu vergebenden Auftrag nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Da das Kriterium jedoch nur mit 10% gewichtet worden war, erachtete das Zürcher Verwaltungsgericht sowohl seine Festsetzung als auch die vorgenommene Bewertung im Ergebnis noch als vertretbar. ddd) Im vorliegenden Fall sind bereits vorhandene Kenntnisse des örtlichen Abwassersystems für die Erstellung des GEP lediglich von untergeordneter Bedeutung. Es ist davon auszugehen, dass sich jedes Ingenieurbüro mit der nötigen Erfahrung im GEP-Bereich diese Kenntnisse ebenfalls sehr rasch aneignen kann. Die gemein- despezifischen entwässerungstechnischen Probleme erscheinen nicht derart ausserordentlich, dass vorbestehende Kenntnisse des örtlichen Abwassersystems für die Auftragsausführung geradezu notwendig wären. Dies macht auch der Gemeinderat nicht geltend. Würde es sich anders verhalten, hätte der Gemeinderat lediglich Anbieter ein- laden dürfen, die die notwendigen Kenntnisse aufweisen oder - was der Auftragswert im vorliegenden Fall zugelassen hätte - sogar von einem Wettbewerb absehen und den Auftrag direkt an die K. AG vergeben müssen. Festzustellen ist sodann, dass die speziellen Kenntnisse, über die die K. AG verfügt, sich eigentlich auch beim Preis zu ihrem Vorteil auswirken müssten, da dieser Wissensvorsprung es ihr er- möglichen sollte, günstiger zu offerieren. Insofern verfügt diejenige Anbieterin, die bereits Vorkenntnisse aufweist, gegenüber ihren Konkurrentinnen ohnehin über einen gewissen Wettbewerbsvorteil. Anzunehmen ist zudem, dass bereits vorhandene Kenntnisse zur Folge haben, dass sich die zur Ausführung des Auftrags benötigte Zeit verkürzt. Dieser Möglichkeit würde gerade im vorliegenden Fall bereits mit der Bewertung des Zuschlagskriteriums "Leistungsfähig- keit" bzw. "Termine" Rechnung getragen. Die zusätzliche Berück- sichtigung eines Wissensvorsprungs beim Zuschlagskriterium "Er- fahrung" drängt sich auch aus diesen Gründen nicht auf; eine solche 2002 Submissionen 331 Berücksichtigung würde zu einer zusätzlichen Benachteiligung der Anbietenden ohne die fraglichen Kenntnisse führen. d) Ingesamt erweist sich die zusätzliche Berücksichtigung der Kenntnis des örtlichen Abwassersystems als sachlich nicht zu recht- fertigen und hält daher vor dem Gleichbehandlungsgebot (§ 1 Abs. 1 SubmD, Art. 5 BGBM) nicht stand. Daran ändert auch nichts, dass dem Teilkriterium mit einer Gewichtung von lediglich 5% im Rah- men der Bewertung keine sehr grosse Bedeutung zukommt, und der daraus resultierende Vorsprung der Zuschlagsempfängerin lediglich zwei Punkte beträgt.
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AG_VG_001
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AG_VG_001_AGVE-2002-79_2002-10-03
http://agve.weblaw.ch/html//AGVE-2002-79.html
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2012 Verwaltungsgericht 206 [...] 30 Kostenersatz für Lehrmittel und Schulmaterial beim Privatschulbesuch Die Bestimmung von § 16 Abs. 1 des Schulgesetzes, wonach die Ge- meinden den Schülern die Lehrmittel und das Schulmaterial unent- geltlich zur Verfügung stellen, bezieht sich auf die öffentliche Volksschule und verleiht Besuchern einer Privatschule keinen Anspruch auf Übernah- me von Kosten durch die Gemeinde. Die verfassungskonforme Auslegung unter Berücksichtigung des Anspruchs auf unentgeltlichen Grundschul- unterricht und der Rechtsgleichheit führt zu keinem andern Ergebnis. Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 29. Februar 2012 in Sa- chen A. und B. gegen Einwohnergemeinde C. (WKL.2011.1). 2012 Schulrecht und Ausbildungsbeiträge 207 Aus den Erwägungen 1. 1.1. Der Anspruch auf ausreichenden und unentgeltlichen Grund- schulunterricht ist durch die Bundesverfassung gewährleistet (Art. 19 BV). Im Kanton Aargau ist der Unterricht an öffentlichen Schulen und Bildungsanstalten für Kantonseinwohner unentgeltlich (§ 34 Abs. 1 KV). Dieser Grundsatz wird im Schulgesetz konkretisiert: Für Kinder und Jugendliche mit Aufenthalt im Kanton ist der Unterricht an den öffentlichen Volksschulen unentgeltlich (§ 3 Abs. 3 SchulG). 1.2. (...) 2. Vorliegend besuchen die Kläger eine Privatschule und kommen für das Schulgeld und die Transportkosten selber auf. Gegenstand ihrer Klage ist die Forderung nach Übernahme der Kosten für Schulmaterial und Lehrmittel für die Jahre 2009 und 2010 durch die Beklagte. Sie leiten den Anspruch auf Kostenübernahme für Schulmate- rial und Lehrmittel durch die Beklagte aus § 16 Abs. 1 SchulG ab. Die Differenzierung zwischen Kindern, welche öffentliche Schulen besuchen, und solchen, die in eine Privatschule gehen, verstosse gegen den Wortlaut von § 16 Abs. 1 SchulG. Sinn und Zweck des gesetzlichen Anspruchs auf Lehrmittel und Schulmaterial könne nicht die Privilegierung der Volksschüler an öffentlichen Schulen sein; die Schulpflicht solle allen Verpflichteten möglichst wenige Aufwendungen verursachen. (...) 3. (...) 4. 4.1. Eine Leistungspflicht des Gemeinwesens erfordert eine Grund- lage in der Verfassung oder im Gesetz (vgl. vorne Erw. 1). Gemäss § 16 Abs. 1 SchulG stellen die Gemeinden den Schü- lern die Lehrmittel und das Schulmaterial unentgeltlich zur Verfü- gung. Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich in der Tat nicht unmittelbar, dass die Unentgeltlichkeit auf das Schulmaterial 2012 Verwaltungsgericht 208 und die Lehrmittel auf die Schüler einer öffentlichen Schule be- schränkt ist und § 16 Abs. 1 SchulG beim Besuch einer Privatschule nicht zur Anwendung kommt. Das Gesetzesverständnis muss sich aber vom Gedanken leiten lassen, dass nicht der reine Wortlaut das Gesetz darstellt, sondern in der Rechtsanwendung der "wahre Rechtssinn", der sich aus der Be- achtung des Kontextes einer Norm, des Willens des Gesetzgebers und dem Zweck einer Regelung erschliesst, massgebend ist (vgl. dazu Art. 1 ZGB; BGE 135 II 195, Erw. 6.2; 127 III 415, Erw. 2 je mit Hinweisen; Heinrich Honsell, Basler Kommentar, Zivilgesetz- buch I, Art. 1-456 ZGB, 4. Aufl., 2010, Art. 1 N 2; Ernst A. Kramer, Juristische Methodenlehre, Bern 1998, S. 161 f. und 169 f.). Schon die sog. grammatikalische Auslegung beschränkt sich nicht auf den blossen Wortlaut des Gesetzestextes. Der Titel sowie die Sachüber- schriften und Randtitel (Marginalien) sind (sprach-) logische Be- standteile des Textes und müssen daher mitberücksichtigt werden. Ein massgebliches Element der Auslegung ist der systematische Aufbau eines Gesetzes (vgl. Ulrich Häfelin/Walter Haller/Helen Keller, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 8. Aufl., Zürich 2010, N 94 ff.). 4.2. § 16 Abs. 1 SchulG ist unter dem Titel "2. Schulen" und den Untertiteln "2.2. Volksschule" und "2.2.1. Gemeinsame Bestimmun- gen" aufgeführt. Der 2. Titel des Schulgesetzes regelt nebst der Volksschule die "Besonderen Förder- und Stützmassnahmen (Unter- titel 2.3) sowie die Mittelschulen (Untertitel 2.4). Auch § 2 SchulG stellt klar, dass Volksschulen als öffentliche Schulen gelten und dem Schulgesetz unterstehen. Die Regelung der Privatschulen und priva- ter Schulung finden sich demgegenüber separat im Schulgesetz unter dem Titel "4. Trägerschaft durch Gemeinden und Private". Dieser Abschnitt des Schulgesetzes wird mit den Titeln "4.1. Öffentliche Schulen" und "4.2. Privatschulen und private Schulung" unterteilt. Im letzteren, separaten Abschnitt (§ 58 bis § 58c SchulG) werden die Privatschulen behandelt. § 58b Abs. 1 SchulG bestimmt, dass die schulpflichtigen Kinder einer Privatschule mit Wohnsitz im Aargau unter den gleichen Bedingungen Zugang zum Instrumentalunterricht 2012 Schulrecht und Ausbildungsbeiträge 209 und zu den Therapien und Schuldiensten haben wie die Kinder an öffentlichen Schulen. Lehrmittel und Schulmaterial sind nicht er- wähnt. Die grammatikalische Auslegung und die systematische Stel- lung von § 16 Abs. 1 SchulG in der Normenhierarchie des Schulge- setzes ergeben eindeutig, dass sich die Unentgeltlichkeit für Lehr- mittel und Schulmaterial auf die (öffentliche) Volksschule beschränkt und für Schülerinnen und Schüler, welche eine Privatschule besu- chen, nicht zur Anwendung gelangt. Dies entspricht auch der ver- fassungsrechtlichen Lage. Die Unentgeltlichkeit gemäss § 19 BV (vgl. auch § 62 BV) und § 34 KV gilt grundsätzlich nur für den Un- terricht an öffentlichen Schulen (vorne Erw. 1; Jörg P. Müller/Markus Schefer, Grundrechte in der Schweiz, 4. Aufl., Bern 2008, S. 792 mit Hinweisen; BGE 133 I 156, Erw. 3.1; AGVE 2003, S. 95; 2001, S. 155 f. je mit Hinweisen). Nach der älteren Verfassungslehre waren die Kosten für die Lehrmittel, das Schulmaterial und Kosten für zu- sätzliche Veranstaltungen der Schule von der Garantie von Art. 19 BV und § 34 KV nicht erfasst und konnten durch die kantonale Ge- setzgebung geregelt werden (vgl. Kurt Eichenberger, Verfassung des Kantons Aargau, Textausgabe mit Kommentar, Aarau/Frankfurt a.M./Salzburg 1986, Rz. 3 zu § 34; Bernhard Ehrenzeller/Markus Schott, St. Galler Kommentar zur BV, 2. Aufl., 2008, Art. 62 N 35). Gemäss § 53 Abs. 2 SchulG beschaffen die Gemeinden die Lehr- mittel für die Volksschule (vgl. § 52 SchulG). 4.3. § 16 Abs. 1 SchulG konkretisiert die Verfassungsordnung mit dem Anspruch auf ausreichenden und unentgeltlichen Grundschul- unterricht und einer Leistungspflicht des Gemeinwesens auf unent- geltliche Abgabe von Schulmaterial und Lehrmitteln an der öffentli- chen Volksschule. Für die Privatschulen kommt § 16 Abs. 1 SchulG nicht zur Anwendung. Nur beim Vorliegen wichtiger Gründe hat das Gemeinwesen für Schulkosten des Besuchs einer Privatschule aufzukommen. Gründe, die eine Ausnahmesituation begründen können, werden von den Klägern nicht vorgetragen. 2012 Verwaltungsgericht 210 5. 5.1. Die unentgeltliche Abgabe von Schulmaterial und Lehrmitteln an der Volksschule erfolgt in Erfüllung des staatlichen Leistungsauf- trags und dient der Erfüllung des Lehrplans (vgl. § 13 SchulG). Sie trägt damit zur Qualitätssicherung an den öffentlichen Schulen bei. Der Regierungsrat legt die obligatorischen Lehrmittel für die Volks- schule fest (§ 16 Abs. 3 SchulG) und sie unterliegen einer Qualitäts- kontrolle (vgl. Botschaft des Regierungsrates des Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 15. Mai 2002, 02.135, S. 17). Die Auffassung der Kläger, wonach die Lehrmittel von der Schule unabhängig sind und auch nicht die Qualität des Unterrichts beeinflussen, beschränkt sich zu Unrecht auf die reine Kostenfrage. Privatschulen erfüllen keinen staatlichen Leistungsauftrag. Der Besuch einer Privatschule ist auch nicht unentgeltlich und es besteht kein gesetzlicher Anspruch auf Aufnahme bei einer solchen Institu- tion. Privatschulen haben in Bezug auf die Bildungsziele, den Lehr- plan, die Ausbildung der Lehrpersonen und die räumlichen Anforde- rungen den öffentlichen Schulen zu entsprechen (vgl. § 44a der Ver- ordnung über die Volksschule vom 29. April 1985 [SAR 421.311]), sind aber bei der Ausgestaltung des Lehrplanes autonom. Sie haben erhebliche Freiheiten und sind insbesondere bei der Wahl der Lehr- mittel und des Schulmaterials frei. Eine Abgabe von Lehrmitteln, welche an den staatlichen Schulen verwendet werden, wird von den Klägern denn auch nicht verlangt. 5.2. Die gesetzliche Pflicht der Gemeinden, Lehrmittel und Schul- material nur den Schülerinnen und Schülern der (öffentlichen) Volksschulen unentgeltlich zur Verfügung zu stellen, ist Teil des öffentlichen Bildungsauftrages des Gemeinwesens. Der Ausschluss der Schülerinnen und Schüler einer Privatschule vom unentgeltlichen Zugang zu Schulmaterial und Lehrmitteln ist angesichts der unter- schiedlichen Aufgaben, der Ausrichtung und Lernziele sowie der Trägerschaft einer Privatschule sachlich und rechtlich begründet. Die Differenzierung in der Anspruchsberechtigung verletzt die Rechts- gleichheit nach Art. 8 Abs. 1 BV und § 10 Abs. 1 KV daher nicht. 2012 Schulrecht und Ausbildungsbeiträge 211 Bei den Verbrauchsmaterialien fällt diese Unterscheidung zwar na- turgemäss nicht besonders ins Gewicht. Die Entgeltlichkeit des Schulmaterials an einer Privatschule ist aber sowohl Bestandteil wie auch Folge der grundsätzlichen Entgeltlichkeit des Privatschulbe- suchs. Ob die Privatschule für das Schulmaterial gesondert Rech- nung stellt oder diese Kosten in das Schulgeld einrechnet, steht in ihrem Ermessen. Aus dem Abrechnungssystem der Schule kann auch mit Blick auf die Rechtsgleichheit kein Leistungsanspruch begründet werden. Die Entgeltlichkeit von Schulmaterial bleibt Teil des ent- geltlichen Privatschulbesuchs. 6. Zusammenfassend erweisen sich die Rechtsbegehren der Kläger als unbegründet und die Klage ist abzuweisen.
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https://agve.weblaw.ch/pdf/AGVE-2012-30.pdf
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